Das Buch ist eine stille, doch eindringliche theologische Besinnung im Blick auf das Verständnis wie auch Missverständni
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German Pages 800 [766] Year 2012
Table of contents :
Title
Vorwort. Dem Leser zum Geleit
Inhaltsverzeichnis
Zum Anliegen und zur Zielsetzung des Buches
Erster Teil - Die neutestamentlichen Haupttexte zur Herkunft Jesu Christi
Abschnitt A: Mt 1 - Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
I. Zur rechten Übersetzung von Mt 1
II. Zur theologischen Erfassung von Mt 1
III. Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
Abschnitt B: Lk 1-2 - Text - rechte Übersetzung - theologische Erfassung seiner Aussagen
I. Zur textentsprechenden und sachgerechten Übersetzung
II. Zur theologischen Erfassung von Lk 1-2
III. Zu einigen Kernaussagen in Lk 1-2
Abschnitt C: Zur Herkunft Jesu Christi gemäß Gal 4,4f
Abschnitt D: Röm 1,3f und die Herkunft Jesu Christi
Abschnitt E: Die Herkunft Jesu Christi gemäß Phil 2,5–11
Abschnitt F: Die Herkunft Jesu Christi nach Joh 1, insbesondere 1,14
Abschnitt G: Unbiblische und sach-fremde Wörter/Begriffe in Anwendung auf die ntl. Texte in Exegese und Biblischer Theologie
I. Wort/Begriff „Jungfrauengeburt“ und ähnliche, erklärende bzw. begleitende Bildungen
II. „Präexistenz Christi“
III. Anfang /Anfänge Jesu -Ursprung/Ursprünge Jesu
IV. Lebensentstehung Jesu
V. Menschwerdung
VI. Inkarnation
VII. Zusammenfassend-abschließende theologie-kritische Bemerkung
Zweiter Teil - Zusammenfassender Überblick über die ntl. Aussagen zur Herkunft Jesu Christi
I. Zur Zielsetzung dieses Kapitels
II. Die wegweisenden ntl. Texte für die Zusammenschau
III. Zusammenschau der ntl. Aussagen zur Herkunft Jesu Christi
Abschluß und Ausblick
Anhang I: Exkurse
Exkurs 1: Euaggelion – Evangelium
Exkurs 2: Gott in Geschichte
Exkurs 3: „Transzendenz“ Gottes?
Exkurs 4: mal‘ak – ayyggeloj – Bote in der Heiligen Schrift
Exkurs 5: pneuma hagion
Exkurs 6: „Christologische Hoheitstitel“
Exkurs 7: „Theologie“ und/oder „Christologie“? „Theozentrik“ oder „Christozentrik“?
Exkurs 8: Israelitisch-jüdisches Eheschließungs- und Familienrecht
Exkurs 9: gennao. Was bezeichnet es?
Exkurs 10: Das Ehepaar Josef und Maria in der ntl. Bekundung des Heilsgeschehens
Exkurs 11: DIKAIOS - GERECHTER
Exkurs 12: Jes 7,14
Exkurs 13: Traum - Erscheinung - Offenbarung
Anhang II: Texte aus den Kommentaren
Texte 1: Texte zu gennesis in Mt 1,18
Texte 2: Texte zu Mt 1,19-21
Texte 3: Texte zu Mt 1-2 allgemein
Texte 4: Texte zum Namen JHWH und seine besondere Beachtung
Texte 5: Texte zu „Schöpfung“, „Neuschöpfung“ u. ä.
Texte 6: Texte zu Gal 4,4
Texte 7: Texte zu „Nichtvereinbarkeit“ ntl. Aussagen miteinander oder ihre Widersprüchlichkeit
Texte 8: Texte zu „Transzendenz Gottes“
Register
Schriftstellen
Namenverzeichnis
Sachregister (Auswahl)
Literaturverzeichnis
ISBN 978-3-402-12972-2
die Herkunft Jesu Christi Raphael Schulte
Das Buch ist eine stille, doch eindringliche theologische Besinnung im Blick auf das Verständnis wie auch Missverständnis der einschlägigen biblischen Texte zur Herkunft Jesu Christi, wie sie in der Fachliteratur begegnen. Schon Übersetzungsfehler in den entscheidenden Texten Mt 1–2, Lk 1–2, Joh 1, Phil 2 und Gal 4 werden aufgewiesen, die bekanntlich zu schwerwiegenden Fehldeutungen der Textaussagen und zu verfehlten fachlichen Wort und Begriffsbildungen geführt haben. Ein folgenschweres Beispiel dafür ist die absurde Wortbildung „Jungfrauengeburt“, für das in der Bibel tatsächlich Bekundete. Dazu gehören aber auch Begriffe wie „Präexistenz“, „Menschwerdung“, „Inkarnation“ u.a., weil sie unbiblische und sachwidrige Wort- und Begriffsbildungen sind, die jedoch allenthalben verwendet werden. In der vorliegenden Untersuchung werden wichtige Erkenntnisse gewonnen. Sie werden dargelegt unter vorläufigem Meiden der gängigen fachtheologischen Denk- und Sprechweisen. Das Darzulegende bedient sich zunächst und wegweisend der Denk- und Sprechweise der Heiligen Schrift selbst. Alles das geschieht in der normalen Alltagssprache aufmerksam zu-hörender, nach-denklicher und verständiger Menschen. So werden weitere, auch wissenschaftlich reflektierte Erkenntnisse gültig vorbereitet und verantwortet.
Raphael Schulte
die Herkunft Jesu Christi Verständnis und MiSSverständnis des biblischen Zeugnisses
Eine theologie-kritische Besinnung
Raphael Schulte Jahrgang 1925, seit 1948 Benediktiner der Abtei St. Joseph zu Gerleve (Billerbeck / Westfalen), Dr. theol. (Rom / St. Anselmo), em. Universitätsprofessor der Universität Wien (Berufung 1971 / Emeritierung 1995)
Raphael Schulte OSB Die Ηerkunft Jesu Christi
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Die Herkunft Jesu Christi Verständnis und Mißverständnis des biblischen Zeugnisses Eine theologie-kritische Besinnung
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© 2012 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Gesamtherstellung: Aschendorff Druck und Dienstleistungen GmbH & Co. KG Druckhaus Aschendorff Münster, 2012 ISBN 978–3–402–12972–2
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Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes, die Himmelsfeste verkündet sein Werk. Der Tag gibt weiter das Wort an den folgenden. Die Nacht vermeldet der Nacht ihre Kunde. Ihre Botschaft ertönt bis an die Enden der Erde. (Ps 19) Seht, ich verkünde euch große Freude. Denn heute ist euch der Heiland geboren, der ist Christus-Herr! (Lk 2,10f) Wir haben gesehen und bezeugen, daß der Vater seinen Sohn gesandt hat als den Heiland der Welt. Wir haben die Liebe Gottes zu uns erfahren und sind so zum Glauben gekommen. Gott ist die Liebe. (1 Joh 4,14–16)
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Vorwort Dem Leser zum Geleit Über die unverkennbare Eigenart und die langwährende Entstehungsgeschichte des hier vorliegenden Buches gibt das Erste Kapitel des Haupttextes ausführlich Rechenschaft. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis zeigt unmittelbar, daß mit diesem Buch keine thematisch-abgerundete Abhandlung, kein klar umrissenes Sachobjekt, kein wissenschaftlich-einheitlich bestimmter Sachverhalt, keine in sich abgerundete und zu Beginn als solche eindeutig benannte Problemstellung und logisch geordnete Sach-Darlegung angeboten wird. Der Autor ist sich dessen voll bewußt, glaubt jedoch, das hier Vorgelegte doch als Druckwerk veröffentlichen zu sollen. Für den zunächst wenig homogen erscheinenden Aussageinhalt des Darzustellenden und den Nachweis seiner Berechtigung bedient er sich deswegen, wenngleich in diesem Ausmaß ungewohnt, ausgedehnter, manchmal monographisch anmutender Exkurse, damit nicht durch allzu viele Zwischen-Erklärungen die Hauptaussageinhalte eher verdeckt als offengelegt werden. Auch die zahlreichen, manchmal langen Anmerkungen schienen keine genügende Hilfe zu sein. So kann mit einem gewissen Recht das Buch durchaus als eine unverbindlich erscheinende Zusammenstellung zahlreicher, vielleicht bedeutsamer Beobachtungen, Erkenntnisse und Offenlegungen angesehen werden, die zwar einzeln in sich gesehen als richtig und berechtigt zu erkennen sind, deren innerer Zusammenhang jedoch wegen der Fülle nicht mehr genügend durchscheint. Dieser Eigen-Art dessen, was und wie das vorliegende Buch die „SachVerhalte“ vorlegt, ist sich der Autor voll bewußt. Er glaubt jedoch, einem geduldigen Leser dieses zumuten zu dürfen, ja sogar zu sollen, und zwar aufgrund der Aufforderung und dem Drängen vieler Kollegen und manch anderer bedeutsamer Personen. Daher ist es an dieser Stelle jetzt meine Absicht, den vielen zu danken, die mich zur Veröffentlichung der folgenden theologisch-kritischen Überlegungen und deren ausführlicher Darlegung nicht nur ermuntert, sondern nachdrücklich gedrängt haben. Sie erst gaben mir den Mut, diesem Ansinnen endlich zu entsprechen. Es wären viele Kollegen, die sich der Theologie wie auch der Philosophie und den Naturwissenschaften widmen, namentlich zu nennen. Aber auch vieler so genannter Laien, d. h. Christlich-Glaubender aller Konfessionen ist zu gedenken. Es ist aber kaum möglich, sie alle aufzuführen. Namentlich möchte ich aber doch meinen Mitbruder in der Abtei St. Joseph zu Gerleve P. Dr. bibl. Liudger Sabotta OSB nennen, der mir seit meiner Rückkehr in die Abtei nach meiner Emeritierung nicht nur eindringlich zur Veröffentlichung geraten, sondern – und das ist unbedingt wichtig, es zu benennen – mit seinen reichen und gediegenen Kenntnissen in der Theologie und in den biblischen und altorientalischen Sprachen geholfen und meine Vermutungen oft bestätigt oder auch zurechtgerückt hat, sowie schließlich die elektronische Erfassung des Manuskriptes besorgte. Ihm weiß ich mich zu großem Dank verpflichtet. Raphael Schulte OSB 4
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Inhaltsverzeichnis
Erster Teil: Die neutestamentlichen Haupttexte zur Herkunft Jesu Christi . . . . . 55 Abschnitt A: Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I.
Zur rechten Übersetzung von Mt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mt 1,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mt 1,2–17 – Der Stammbaum Jesu Christi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) zu Mt 1,2–16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bemerkungen zu Mt 1,16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bemerkungen zu Mt 1,17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mt 1,18 – Einige Übersetzungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) zu Mt 1,18a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) zu Mt 1,18b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) zu Mt 1,18c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mt 1,19 – Übersetzungsfragen und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mt 1,20 – Zur rechten Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Bemerkungen zur Übersetzung von Mt 1,21–25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56 56 58 58 59 60 60 60 61 62 64 65 68
II. Zur theologischen Erfassung von Mt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Absicht dieses Abschnittes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die theologische Aussage von Mt 1,1–17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mt 1,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mt 1,2–17 – Der Stammbaum Jesu Christi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besondere Bemerkungen zu Mt 1,16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die theologische Aussage von Mt 1,18–25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Vers Mt 1,18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verse Mt 1,19–21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die theologische Aussage von Mt 1,22–23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die theologische Aussage von Mt 1,24–25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69 69 70 70 71 76 79 80 87 95 97
III. Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gott – Hauptsubjekt des in Mt 1 Bekundeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Jesus Christus in Mt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Josef und Maria in Mt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abschließende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99 100 106 112 116
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Inhalt
Abschnitt B: Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I.
Zur textentsprechenden und sachgerechten Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lk 1,11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lk 1,27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lk 1,34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Lk 1,35 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Lk 2,9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
126 126 127 127 129 129
II. Zur theologischen Erfassung von Lk 1–2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Absicht dieses Abschnittes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lk 1,1– 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lk 1,26–38 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lk 1,26–27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lk 1,28–29 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lk 1,30–33 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Lk 1,34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Lk 1,35 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Lk 1,36–37 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Lk 1,38 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Lk 1,39–80 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Lk 2,1–52 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lk 2,1–20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lk 2,21–40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lk 2,41–52 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130 130 130 135 135 137 139 143 151 155 156 157 159 159 161 164
III. Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gott – Hauptsubjekt in 1– 2; bedeutsame Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Jesus Christus: Bemerkenswertes in Lk 1–2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Josef und Maria als die Eltern Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere bemerkenswerte Feststellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zu einigen befremdlichen Aussagen über Gott und sein Wirken . . . . b) „Messias“ – „Christus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Jungfrauengeburt“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168 168 173 178 180 180 199 211
Abschnitt C: Zur Herkunft Jesu Christi gemäß Gal 4,4f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Abschnitt D: Röm 1,3f und die Herkunft Jesu Christi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
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Inhalt
Abschnitt E: Die Herkunft Jesu Christi gemäß Phil 2,5–11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einsichtnahme in die Textaussagen von Phil 2,5–11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Präexistenz“, „Menschwerdung“, „Inkarnation“ – sinnvolle Kategorien für das Verständnis von Phil 2,5–11? . . . . . . . . . . . . . a) Präexistenz, Präexistenter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Menschwerdung“ und „Inkarnation“ in Phil 2,5–11? . . . . . . . . . . . . . .
239 239
Abschnitt F: Die Herkunft Jesu Christi nach Joh 1, insbesondere 1,14 . . . . . . . . . . . . 1. Der Aussagegehalt von Joh 1,14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Präexistenz“, „Menschwerdung“, Inkarnation“ – sachlich gerechtfertigte Begriffe für das Verständnis von 1,1–14? . . . . . . . a) „Präexistenz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Menschwerdung“, „Inkarnation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
256 256
246 246 251
261 261 265
Abschnitt G: Unbiblische und sach-fremde Wörter/Begriffe in Anwendung auf die ntl. Texte in Exegese und Biblischer Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 I.
Wort/Begriff „Jungfrauengeburt“ und ähnliche, erklärende bzw. begleitende Bildungen („jungfräulich“ u. ä.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Jungfrauengeburt“ – Wort und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lexikalische Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwendung als Titel für Bücher und Fach-Artikel . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwendung als Hauptstichwort in Kommentar-Texten bzw. in theologisch-systematischen Aussagen; einige sprechende Beispiele 2. Das Wort „Jungfrau“, „Jungfräulichkeit“ u. ä. im NT; Vorkommen und Bedeutungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. ‚alma – parqe,noj – virgo – Jungfrau – Parthenogenesis in den Kommentaren zu Mt 1–2 und Lk 1–2; wichtige Beispiele . . . . . . . . . . . . . . 4. Jungfräulichkeit/Jungfrauschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Adjektiv „jungfräulich“ und die mit ihm gebildeten Formulierungen a) „jungfräulich“ in eher unbestimmter, allgemeiner Bedeutung . . . . . . . b) Text-Beispiele mit gewichtigeren Aussagen und Erklärungen . . . . . . . c) Kommentar-Texte mit Angabe von Gründen für die Wahl von „jungfräulich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beiträge von systematisch interessierten Theologen . . . . . . . . . . . . . . . e) „Jungfräuliche Mutterschaft Marias“ in den Kommentaren . . . . . . . . . f) „jungfräuliche Empfängnis“ = „vaterlose Zeugung Jesu“ . . . . . . . . . . . . g) jungfräuliche Geburt Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. „geistgewirkte Empfängnis“ = jungfräuliche Empfängnis“ . . . . . . . . . . . . . a) „geistgewirkte Empfängnis“ – „geistgewirkte Geburt Jesu“ . . . . . . . . . b) „Geistzeugung“ -“ Zeugung durch den Geist“ u. ä. . . . . . . . . . . . . . . . . .
275 276 276 280 282 290 293 299 304 306 307 311 315 319 324 334 335 336 338 7
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Inhalt
c) Herkunft/Lebensentstehung Jesu durch den Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . d) „Gottessohnschaft“ – Folge der „geistgewirkten Empfängnis“ . . . . . . . e) „Wunder der jungfräulichen Empfängnis und Geburt Jesu“ – „Wunder der Jungfrauengeburt“ – „Wunder der Menschwerdung“ . . . f) „Gott bzw. der Heilige Geist anstelle des Vaters“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Josef nur rechtlicher, d. h. Adoptivvater Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Mit-Wirken des Geschöpfes im alleinigen Wirken Gottes durch Bereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
342 345
II. „Präexistenz Christi“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Auskunft der theologischen Lexika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Präexistenz-Aussagen in der Heiligen Schrift? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Frühjüdische Denkvoraussetzungen zu den ntl. PräexistenzAussagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Alttestamentliche und frühjüdische Voraussetzung für eine „Präexistenz“-Christologie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Präexistenz Christi“ in Aussagen des Neuen Testaments? . . . . . . . . . . d) „Präexistenz Christi“ in Gal 4,4f? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) „Präexistenz Christi“ in Phil 2,6–11? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) „Präexistenz Christi“ im Joh-Kommentar von R. Schnackenburg . . . . 3. Aussage-Inhalte von „Präexistenz“ in den Kommentaren . . . . . . . . . . . . . a) Formelhafter Gebrauch von „Präexistenz Christi“ . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Präexistenz“ – ein „Gedanke“ – eine „Idee“ – „Vorstellung“? . . . . . . . c) „Präexistenz“ – Grund, bzw. Begründung der Gottessohnschaft? . . . . d) „Präexistenter“ als „Name“ für „Logos“, für „Jesus Christus“ . . . . . . . . e) „Präexistenz“ – eine „reale“ – „ideelle“ – „personale“? . . . . . . . . . . . . . f) „Präexistenz“ – Seins- bzw. Daseinsweise u. ä. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) „Präexistenz“ als „vorzeitliche“ bzw. „vorirdische“ Existenz Christi . . h) „Präexistenz“ und Schöpfungsmittlerschaft und Vorrang vor allem . . i) „Präexistenz“ und Sendung Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) „Existenz“ – „Präexistenz“ – „Postexistenz“ – „Proexistenz“ – Einige kritische Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
374 374 382
348 362 367 371
383 388 391 395 399 407 421 422 423 424 425 427 429 432 435 438 439
III. Anfang/Anfänge Jesu – Ursprung/Ursprünge Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 IV. Lebensentstehung Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 V. Menschwerdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 VI. Inkarnation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 VII. Zusammenfassend-abschließende theologie-kritische Bemerkung . . . . . . . . 471 8
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Inhalt
Zweiter Teil: Zusammenfassender Überblick über die ntl. Aussagen zur Herkunft Jesu Christi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 I.
Zur Zielsetzung dieses Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475
II. Die wegweisenden ntl. Texte für die Zusammenschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Texte mit „senden“ als Tat Gottes des Vaters bzw. mit „Gesandt-Werden“ oder „Gesandt-Sein“ des Sohnes durch Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Joh 3,16.17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gal 4,4–7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Röm 8,3–4. – Dazu auch 8,12.14–17.28–30.32.37–39 . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abschließende Bemerkungen zu den Sendungstexten . . . . . . . . . . . . . 2. Texte, in denen Jesus Christus das Subjekt der Aussage ist . . . . . . . . . . . . a) Phil 2,5–9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Joh 1,14 (im Kontext 1,1–18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Texte mit Aussagen zu Herkunft Jesu Christ in Mt 1–2 und Lk 1–2 . . . . . . a) Texte aus Mt 1–2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Texte aus Lk 1–2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenschau der ntl. Aussagen zur Herkunft Jesu Christi . . . . . . . . . . . . 1. Unvereinbarkeit/Widersprüchlichkeit der Aussagen? Konkurrenz der ntl. Christologien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eine erste Stellungnahme zu den Behauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zum Vor-Gang des Geschehens des Heils in Jesus Christus als Leitfaden für die Zusammenschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zur Vorgangsweise in der folgenden Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Sprechweise der ntl. Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die ntl. Aussagen zur Herkunft Jesu Christi gemäß der Folge des damaligen Geschehensablaufes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
479 479 479 482 488 489 491 491 495 499 499 501 507 507 511 513 513 514 516
Abschluß und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 Anhang I: Exkurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs 1: Euaggelion – Evangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs 2: Gott in Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs 3: „Transzendenz“ Gottes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs 4: mal‘ak – a;ggeloj – Bote in der Heiligen Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs 5: pneuma hagion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs 6: „Christologische Hoheitstitel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs 7: „Theologie“ und/oder „Christologie“? „Theozentrik“ oder „Christozentrik“? Eine Problemanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
548 548 569 588 590 599 610 614 9
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Inhalt
Exkurs 8: Israelitisch-jüdisches Eheschließungs- und Familienrecht . . . . . . . . . Exkurs 9: gennao. Was bezeichnet es? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs 10: Das Ehepaar Josef und Maria in der ntl. Bekundung des Heilsgeschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs 11: DIKAIOS – GERECHTER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs 12: Jes 7,14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs 13: Traum – Erscheinung – Offenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
649 655 680 683 688 693
Anhang II: Texte aus den Kommentaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Texte 1: Texte zu gennesis in Mt 1,18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Texte 2: Texte zu Mt 1,19–21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Texte 3: Texte zu Mt 1–2 allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Texte 4: Texte zum Namen JHWH und seine besondere Beachtung . . . . . . . . Texte 5: Texte zu „Schöpfung“, „Neuschöpfung“ u. ä. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Texte 6: Texte zu Gal 4,4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Texte 7: Texte zu „Nichtvereinbarkeit“ ntl. Aussagen miteinander oder ihre Widersprüchlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Texte 8: Texte zu „Transzendenz Gottes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
700 700 705 708 715 721 727
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schriftstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
742 742 748 751
731 736
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 753
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Zum Anliegen und zur Zielsetzung des Buches Das Anliegen und die Zielsetzung des hier vorliegenden Buches, dem der Titel „Die Herkunft Jesu Christi. Verständnis und Mißverständnis des biblischen Zeugnisses“ zugleich mit dem Untertitel „Eine theologie-kritische Besinnung“ gegeben ist, können wegen seiner besonderen Art der abzuhandelnden „Sache“ und der von dieser gefordert erscheinenden Darstellungsweise nur in persönlichem Sprechen hervorgekehrt werden. Der Haupttitel scheint zunächst verständlich zu sein. Es soll von der Herkunft Jesu Christi die Rede sein, wie von ihr in der Heiligen Schrift Zeugnis gegeben wird. Der Titel greift bewußt die Formulierung von Mt 1,1.18 auf: „Geschichte Jesu Christi, Sohn Davids, Sohn Abrahams … Die Herkunft Jesu Christi aber war so: …“. Das biblische Zeugnis von dieser Herkunft Jesu Christi soll nach seinem Verständnis und Mißverständnis genauer besprochen werden, was mittels des beigefügten Untertitels unter anderem aufgrund einer „theologie-kritischen Besinnung“ geschehen soll. Wie es zu der Wahl einer solchen Buch-Thematik mit dem genannten Titel gekommen ist, soll näher aufgezeigt werden. Der erste Gedanke, die hier vorgelegten Überlegungen wenigstens in einigen Hauptteilen zu veröffentlichen, keimte schon vor vierzig, wenn nicht fünfzig Jahren. Es waren damals die Jahrzehnte, in denen sich zahlreiche exegetische, bibeltheologische wie auch dogmatisch-systematische Untersuchungen und entsprechende Veröffentlichungen gerade auch zur Herkunft Jesu Christi häuften. Diese versuchten, auf die Fragen nach dem dringend zu klärenden rechten Verständnis der so genannten Geburts- und Kindheitsgeschichten Jesu, zumal wie davon in Mt 1–2 und Lk 1–2 die Rede sei. Es war überhaupt die Zeit eines Neuaufbruches in Bezug auf Grundsatz-Fragestellungen wie Antwortmöglichkeiten der Theologie des christlichen Glaubens und seiner zeitgemäßen Verkündigung und somit der theologischen Verantwortung, die die bisherige theologische und vor allem auch die verkündigende Tätigkeit der Kirche aller Konfessionen wachriefen. Es seien dazu nur die Namen P. Schoonenberg, E. Schillebeeckx, K. Rahner, H. Küng, K.-J. Kuschel und G. Lüdemann genannt wie auch auf den damals neu erschienenen sog. Holländischen Katechismus hingewiesen. Alle diese und weitere Veröffentlichungen lösten auch Reaktionen der kirchlich-zuständigen Ämter aus, nicht nur in der römisch-katholischen Kirche, die – ob zu Recht oder nicht, das muß 11
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Zum Anliegen und zur Zielsetzung des Buches
hier nicht besprochen werden – zu manchen Äußerungen Stellung bezogen.1 Ein entsprechend, wenn nicht gar größeres und „aufregenderes“ Interesse galt zur gleichen Zeit den bibeltheologischen und systematisch-theologischen Fragen nach dem rechten Verständnis der Auferweckung/Auferstehung Jesu Christi. Hinzutraten noch drängende Fragen und entsprechende Antwortversuche, die sich auf die Eschatologie und ihre notwendigen Auswirkungen auf die zeitgemäße kirchliche Verkündigung bezogen, wozu beispielhaft der Name J. Moltmann genannt sei.2 Auch, und in einem ganz besonderen Ausmaß ist das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) wirksamster Anstoß und Beweggrund für eine allenthalben und insgesamt zu erneuernden Theologie und, im Gefolge dazu, für die kirchliche Verkündigung geworden, woraus sich übrigens zum Teil auch die Veröffentlichungen der schon genannten Autoren erklären. – Zu genau dieser Zeit erfolgte die Berufung des Autors der vorliegenden Schrift auf den Lehrstuhl für Dogmatische Theologie und Dogmengeschichte (damals „Theologia dogmatica“ genannt) an die Internationale Hochschule Sant‘ Anselmo der Benediktiner in Rom. Dort hatte er auch die „Theologia spiritualis“ zu dozieren sowie an dem neu begründeten Institutum Pontificium Liturgicum Sant‘ Anselmo Vorlesungen und Seminare zur Sakramententheologie zu halten. Zu genau dieser Zeit wurde auch das umfangreiche Werk „Mysterium Salutis. Grundriß heilsgeschichtlicher Dogmatik“ geplant und vorbereitet.3 An diesem umfassenden Werk wurde der Autor der vorliegenden Untersuchung mit einer Reihe von Kapiteln beteiligt. Es gab damals keine detaillierte Absprache mit den Herausgebern und den zahlreichen an den einzelnen Bänden mitarbeitenden Autoren, sondern nur eine je einzelne Besprechung dessen, was jeweils zu behandeln erwünscht wurde. Das brachte es mit sich, daß jeder Autor für seinen Beitrag selbst bestimmen mußte und dazu auch die notwendige Freiheit bekam, wie er das ihm aufgegebene Thema verstand und wie er es im Rahmen dieses systematisch-dogmatischen, heilsgeschichtlich auszurichtenden Werkes durchzuführen gedachte. Dazu hatte ich mich entschlossen, dieselbe Art der systematisch-dogmatischen Vorgangs- und Darstellungsweise einzusetzen, die ich schon 1
2 3
Zu den genannten Theologen kann verwiesen werden auf Folgendes: P. Schoonenberg: s. LThK 9 (200) 214 (mit dem Hinweis, daß er der „theol. Inspirator des Holländ. Erwachsenenkatechismus“ war). – E. Schillebeeckx: s. LThK 9 (2000) 142f; spezifisch genannt sei: „Jesus. Die Geschichte von einem Lebenden“ (1975). – H. Küng mit „Christ sein“ (1974) und „Existiert Gott? Antwort auf die Gottesfrage der Neuzeit“ (1978) und andere vorhergehende Werke. – K.-J. Kuschel mit „Geboren vor aller Zeit? Der Streit um Christi Ursprung“ (1990). – G. Lüdemann, „Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrung, Theologie“ (1994). – Die Bischöfe der Niederlande sind Herausgeber von „De nieuwe Katechismus“ (1966); deutsch: „Glaubensverkündigung für Erwachsene“ (1968). Von J. Moltmann sei beispielhaft genannt: „Der gekreuzigte Gott“ als Neuansatz für die Christologie (1972). „Mysterium Salutis. Grundriß heilsgeschichtlicher Dogmatik“, herausgegeben von J. Feiner und M. Löhrer, Einsiedeln, zahlreiche Mitarbeiter. Bd. I 1965; Bd. II 1967; Bd. III/1 1970; Bd. 111/2 1969; Bd. IV/1 1972; Bd. IV/2 1973; Bd. V 1976; Ergänzungsband: Arbeitshilfen und Weiterführungen 1981.
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Zum Anliegen und zur Zielsetzung des Buches
vorher selbst konzipiert und praktiziert hatte, und das aufgrund einer bestimmten Denkungsweise gegen die damals ganz übliche Art der zugrundegelegten Gliederung und Abhandlung der einzelnen dogmatischen Kapitel nach dem bekannten Schema „These – Positiver Beweis (1. Kirchliches Lehramt; 2. Die Offenbarungsquellen, a. die Heilige Schrift; b. die Väter) – Spekulative Behandlung“, wie sie z. B. in der von Fr. Diekamp vorgelegten „Katholischen Dogmatik“ und von vielen anderen, neuscholastisch geprägten Theologen angewendet wurde. Ich hatte mich dagegen entschlossen, für eine gediegene Grundlegung aller sog. Dogmatischen Aussagen zuerst durch das zu sorgen, was die Heilige Schrift selbst als ihren eigenen Aussage-Inhalt vorgibt. Darauf war für mich der alles entscheidende Wert zu legen und die dazu notwendigen Vor-Arbeiten gewissenhaft durchzuführen. Das galt für die mir zugewiesenen Abschnitte in einem besonders großen Ausmaß, weil sie mir etwas darzustellen auftrugen, das in bisherigen systematisch-dogmatischen Werken unbekannt war. So sollte im Großteil „Gott als Ursprung der Heilsgeschichte“ im dazu vorgesehenen 2. Kapitel „Die Selbsterschließung des dreifaltigen Gottes“ als erster Abschnitt „Die Vorbereitung der Trinitätsoffenbarung“ dargestellt werden. Das war, thematisch so formuliert und eingefordert, gänzlich ungewöhnlich. In ähnlicher Weise galt das auch für die mir aufgetragenen Abschnitte im Band III, der selbst den Titel „Das Christusereignis“ trug. Den mir zugewiesenen Abschnitten waren die Überschriften „Das Christusereignis als Tat des Vaters: Die Heilstat des Vaters in Christus“ (III/1) und „Die Mysterien der ‚Vorgeschichte‘ Jesu“ (III/2) vorgeschrieben. Wieder waren das bisher unbekannte Themenstellungen, die eine ihnen wirklich entsprechende Ausarbeitung erforderten. Daß das Gesamtwerk „Mysterium Salutis“ faktisch schon in der Planung, Auswahl und Zusammenstellung der einzelnen „dogmatischen“ Traktate doch noch dem alten, eingebürgerten Schema folgte („Einführung – Der dreifaltige Gott („Trinitätslehre“) – Protologie/Schöpfungslehre – Der Mensch – Das Christusereignis (Christologie) – Heilstat Gottes in Christus (Soteriologie und Mariologie) – Heilsgeschehen in der Gemeinde (Ekklesiologie mit Sakramententheologie und Gnadenlehre) – Zwischenzeit und Vollendung der Heilsgeschichte (mit Sakramentenlehre Teil 2 und Eschatologie)“), erschien den Herausgebern nach einem dem entsprechenden Schema den Mitarbeitern einzelne Teile, gegebenenfalls auch Unterteile zuzuweisen. So kam es, daß manchem eine ungewohnte Themenstellung (Kapitel-Überschrift) vor-geschrieben wurde. Daher war das, was ausgearbeitet werden mußte, ganz neu zu konzipieren. Man konnte sich folglich keiner einschlägigen Vorarbeiten bedienen, sei es in der biblischen Grundlegung, sei es aus der Dogmengeschichte oder den Arbeitsergebnissen der bisherigen dogmatisch-systematischen Theologie. Es war gleichsam eine neue Weise zu finden, die Problemstellung und ihre geordneten Ausarbeitung zu verfolgen, die mir im Prinzip eigentlich zuwider war, nämlich für eine theoretisch vor-konzipierte und fest-geschriebene Thematik zuerst einmal nach biblischen Texten Ausschau zu halten, die von sich aus (und nicht in sie hineingelesen) rechtens zum vorgeschriebenen Thema etwas Wesentliches zu sagen 13
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haben könnten. Dasselbe galt und gilt natürlich auch schon für den Begriff „Heilsgeschichte“ und seine grundlegende Bedeutung und Anwendung auf eine Dogmatik, die seit Jahrhunderten erarbeitet und in ihrer Eigenheit konzipiert und in mannigfaltiger Weise schon vorgelegt worden war. Dazu werden wir im folgenden gesondert Stellung beziehen müssen. Hier sei zunächst dieses gesagt: Bei der näherer Inaugenscheinnahme verbindlich und leitend zu sein erscheinender biblischer Aussagen und Aussage-Weisen zu dem Darzustellenden fand sich je länger desto mehr, daß schon die vorliegenden exegetischen und bibeltheologischen Text-Auslegungen der für die genannte Themenstellungen entscheidenden Bibeltexte selbst oft äußerst unzulänglich, wenn nicht sogar erkennbar falsch waren. Das führte zur Überzeugung, es täte eine prinzipiell andere Weise des Lesens, Auslegens, Interpretierens und Anwendens der Bibel-Texte not. Sie muß entschlossen sein, sich zuallererst am biblischen Text selbst, an seinen Aussagen und an seiner Sprech- und Bekundungsweise auszurichten, um erst dann, im Gefolge, vielleicht auch nach implizit Mit-Ausgesagtem Ausschau zu halten, um so, dem biblisch Ausgesagten glaubend nach-denkend, rechtens zu systematischen Darstellungsweisen fortzuschreiten. Diese Auffassung einer neuen, unüblichen systematisch-theologischen Erarbeitung theologisch verantworteter Aussagen zum christlichen Glaubensbekenntnis läßt sich die genaue Themenstellung des Darzustellenden zuerst von der Heiligen Schrift her vorgegeben sein. Sie hält nicht umgekehrt für eine zuvor festgelegte Thematik nach entsprechenden biblischen Aussagen Ausschau, in der Hoffnung, daß diese überhaupt für die vorgegebene Thematik etwas an anwendbaren Aussagen bereithält. Das Kriterium für systematisch gültige Aussagen der Bibel war ja früher nicht der Bibeltext mit seinen eigenen Aussage-Inhalten, sondern die vorgegebene Themenstellung des Systematikers. Nicht selten zeigte der vorgefundene exakt herausgearbeitete Bibeltext-Inhalt sogar das systematische Thema als falsch oder äußerst unglücklich gestellt. Diese Weise, die Bibeltexte zuerst selbst sprechen zu lassen und das dadurch neugeartete Hören auf ihre Aussage-Inhalte brachte oft die alt-bekannt angesehenen Texte ganz neu zum Klingen. In der Auswertung, die dann im Gefolge auch auf vor-gegebene Fragen und Themen zur Aufwirkung kamen, wurden theologische „Sach“-Gehalte in neuem Licht gesehen, nicht selten auch als bisher unbeachtet geblieben erfaßt. Durch die konsequente Beachtung dieser ungewohnten Methode, die Bibel zunächst selbst aus-sprechen zu lassen und dabei aufmerksam zuzuhören, führte zu entsprechenden Neu-Konzipierungen vieler altgewohnter systematischer Blick- und Darstellungsweisen, die z. B. in den Vorlesungen und schriftlichen Darstellungen beachtliche Auswirkungen hatten. (Mir wurde sogar öfters im Blick auf meine Vorlesungen, Vorträge und Veröffentlichungen gesagt, anfangs sogar sich distanzierend, ich sei eher ein Bibel-Theologe als ein Dogmatiker – was ja nicht unbedingt schlimm sein muß.) In der sogearteten Weise, auf den Bibeltext als erst-verbindlich zu schauen, wendete ich mich jenen Bibel-Texten zu, die für die aus dem genannten gegebenen Anlaß der Frage nach der Herkunft Jesu Christi als entscheidend erkannt wurden. Es wurde untersucht, wie davon in der Bibel 14
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selbst einerseits und bei den Exegeten, Bibeltheologen und auch Systematikern andererseits die Rede war und ist. Dazu war es notwendig, sich zunächst einer ungewohnt umfangreichen Lektüre der einschlägigen Werke zu unterziehen. In dieser Lektüre vieler Bibel-Kommentare und anderer Arbeiten gerade auch zu Mt 1–2 und Lk 1–2, aber auch Gal 3–4, Phil 2 und Joh 1 begegneten mir bei zwei Bibelwissenschaftlern ein ermahnender Einwurf in Bezug auf die Erfassung ntl. Text-Aussagen, die mich in der von mir gewählten Sichtweise und Methode ungeahnt bestätigten. Sie seien mit ihren eigenen Worten zitiert, mit der Vorbemerkung, daß es hochanerkannte Exegeten sind, die zunächst ihren eigenen Kollegen das ins Gewissen sprechen, was ich da fand. Als ersten nenne ich A. Schlatter, der in seinem Mt-Kommentar in Bezug auf seine eigene „Methode der Lesung und Auslegung“ u. a. dieses schreibt: „Von Vermutungen hielt ich mich möglichst frei und verzichte darum auch auf die Widerlegung von solchen. Ich halte diese nicht für ein fruchtbares Geschäft. Denn Konjekturen werden nicht dadurch widerlegt, daß man andere macht. Die versinken dann, wenn eingesehen ist, daß die Beobachtung fruchtbarer ist als die Konjektur. Darum beschäftige ich die Leser auch nicht mit Fragen, die über die vorhandenen Texte hinüber nach dem greifen, was ihnen vorangegangen sein kann, z. B. ob die Gemeinschaft zwischen Mat. und Mark. eine ältere Fassung des Evangeliums sichtbar mache oder ob gleichzeitig mit dem griechischen Text schon vor ihm ein syrischer Text entstanden ist. Ich heiße ‚Wissenschaft‘ die Beobachtung des Vorhandenen, nicht den Versuch, sich vorzustellen, was nicht sichtbar ist. Vielleicht entsteht daraus die Einrede gegen den Wert einer solchen Darstellung, da die ratende Vermutung anrege und unterhalte, während die Beobachtung eine schwierige, harte Arbeit sei. Richtig ist freilich, daß Spiel leichter als Arbeit ist. Das Evangelium ist mißverstanden, wenn aus ihm ein Spielzeug wird“ (S. XI im Buch „Der Evangelist Matthäus. Seine Sprache, sein Ziel, seine Selbständigkeit“: 1946; 61963). Der andere hier zu nennende Exeget ist K. Bornhäuser. Er schreibt in seinem 1930 erschienenen Buch „Die Geburts- und Kindheitsgeschichte Jesu“ in der Einleitung diese wegweisenden Sätze: „Diese unheilvolle Wirkung des Zweifels an den Quellen (damit ist dort im Kontext gemeint: die Bezweiflung der historischen Glaubwürdigkeit des in den Evangelien Bekundeten: R. S.) ist begreiflicherweise um so größer und verhängnisvoller, je stärker das Mißtrauen ist. Es ist ganz besonders groß und stark gegenüber der Geburts- und Kindheitsgeschichte. So muß ihre Erklärung auch besonders unter einer oft nicht absichtlichen, ganz von selbst sich einstellenden Flüchtigkeit leiden. Die erste Frage, die sich bei dem Versuch, einen Bericht zu verstehen, zu stellen ist, muß aber doch immer sein: was steht da? was sagt die Quelle? wie will sie gelesen und verstanden sein? Mag hinterher die schärfste Ablehnung ihres geschichtlichen Wertes folgen, das ändert nichts an der Pflicht, zunächst einmal sie selbst geduldig anzuhören und zu erfassen zu suchen, was sie sagt. … Um so notwendiger scheint uns gerade heute ein ernsthafter Versuch, die Quellen selbst einmal ungehindert zu Worte kommen zu lassen und zu ihrem Verständnisse alle Hilfsmittel zu nützen, die uns zu Gebote stehen. Darin dürf15
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te doch wohl weitgehende Übereinstimmung herrschen, daß die Verfasser oder Redaktoren des Matthäus- und des Lukasevangeliums nicht der Meinung waren, ihren Lesern Phantasieprodukte einer jesusliebenden Gemeinde zu bieten, sondern daß sie das von ihnen Berichtete als faktische Geschichte aufgenommen wissen wollten. So haben auch sicher die ersten Leser der Evangelien deren Erzählungen genommen und keinen Unterschied gemacht zwischen den Geburtsgeschichten und dem, was sonst in den Quellen steht“ (1–3). Ferner sei beispielhaft auf das „Vorwort zur Erklärung des Paulus an die Philipper und an die Kolosser“ von W. de Boor im entsprechenden Band der Wuppertaler Studienbibel Neues Testament hingewiesen, das ausführlich und beachtenswert nochmals das nachdrücklich betont, was schon A. Schlatters Meinung und Haltung war. Wir bringen den Text wegen seiner Länge in der Anmerkung, möchten aber betonen, daß er aufmerksam gelesen und beachtet sein muß.4 Bei der gewissenhaften und sehr arbeitsaufwendigen Einsichtnahme in die ntl. Haupttexte zur Herkunft Jesu Christi und die ihnen gewidmeten Kommentare und Untersuchungen stellte sich, je länger desto mehr, heraus, daß diese Bibeltexte faktisch oft in äußerst fragwürdiger Weise übersetzt und erfaßt wurden, manche schon seit Jahrhunderten, was die dann folgende Auslegung, Interpretation und Anwendung der ntl. Texte in der Theologie entsprechend belastete, – abgesehen hier noch 4
W. de Boor schreibt: „Der große Lehrer der Kirche, Prof. D. Adolf Schlatter, hat es seinen Studenten immer wieder gesagt: ‚Meine Herren, Sie können nicht lesen!‘ Natürlich konnten die Studenten ‚lesen‘, sogar ganz leidlich ihr griechisches Neues Testament. Schlatter aber verstand unter ‚Lesen‘ jene offene und selbstlose Hinwendung zu einem Text, mit der ich getreu und genau aufnehme, was der Text wirklich sagt, und alle die eigenen, gewohnten und lieben Gedankengänge zurückstelle, die sich sofort in mein Erfassen des Textes eindrängen oder einschleichen wollen. Welch ernste Mühe, welch tapfrer Kampf gehört zu solchem echten ‚Lesen‘! Wie selbstverständlich sehen ganze Kirchen und Gemeinden biblische Abschnitte sofort und ausschließlich im Licht ihrer gewohnten Dogmatik und merken überhaupt nicht mehr, daß die Schrift selbst hier etwas ganz anderes sagt und meint. Aber auch wir selbst bei unserm persönlichen Bibelstudium – wie schwer fällt uns das wirkliche ‚Lesen‘! Wir sind in Anschauungen groß geworden, die uns so vertraut sind, daß wir sie fraglos für richtig und ‚biblisch‘ halten. Wir haben bestimmte Lieblingsgedanken, vielleicht mit entscheidenden geistlichen Erfahrungen unseres Lebens verknüpft, die uns unvermerkt formen und beherrschen. Das alles lesen wir unwillkürlich in unsern Bibeltext hinein und merken nicht, daß wir gar nicht mehr wirklich ‚lesen‘, sondern unsre eigenen Herzensmeinungen an biblische Worte anhängen. Wir rühmen die Heilige Schrift, wir erklären sie für die einzige Regel und Richtschnur, das untrügliche Wort Gottes; aber wenn es praktisch ans Bibellesen geht, sind wir mit schnellem Sprung vom Text weg bei unsern gewohnten und beliebten Vorstellungen und haben nicht genug Ehrfurcht vor dem Worte Gottes, um uns in mühsamer und aufmerksamer Arbeit zu vergewissern: Was steht denn da wirklich? Was sagt der Text selber? Man kann in manchen lieben, gläubigen Kreisen die Bibel aufschlagen, wo man will: Was da tatsächlich geschrieben steht, interessiert gar nicht und wird gar nicht aufgenommen, sondern man redet rasch wieder von den immer gleichen Wahrheiten, die in diesem Kreise besondere Geltung haben. Dadurch bleiben wir arm und oft genug auch schief gewachsen und lassen uns die ganze Tiefe des Reichtums entgehen, den Gott in Seinem Wort für uns bereit hat“ (Wuppertaler Studienbibel Neues Testament. Der Brief des Paulus an die Philipper“ S. 11) (1957; 122000).
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von den jeweils folgenden theologischen Aussagen der Exegeten wie der systematisch interessierten Autoren. Aufgrund der schon geschilderten persönlichen Erfahrungen bei der Einsichtnahme in die Bibeltexte für das in diesem Buch Vorzulegende erklärt sich die jetzt gewählte Vorgangs- und Darstellungsweise. Der für das Buch gewählte Titel ist in seiner Zusammenstellung einigermaßen auffallend und verlangt eine Begründung. Der Haupttitel scheint zunächst in sich verständlich zu sein. Es soll von der Herkunft Jesu Christi die Rede sein, und das genauer entsprechend dem biblischen Zeugnis. Was genau mit „Herkunft“ in Bezug auf Jesus Christus gemeint ist, bleibt zunächst offen. Auch wer mit „Jesus Christus“ genau gemeint ist, ist nicht klar, was jeder erkennt, der erfahren hat, wie problematisch dieser Name jeweils eingesetzt wird. Daher soll zunächst genauer erklärt und begründet werden, was wir und wie wir das vorzulegen gedenken, was zu sagen ist. Weil es zunächst um das biblische Zeugnis über die Herkunft Jesu Christi geht, soll in einem ersten Punkt diese Frage gestellt und zu beantworten versucht werden: Was ist die Heilige Schrift als das eine Wort Gottes? Wie ist sie zu lesen und zu hören? Und dann: Weil aus dem angegebenen Grund die Bibel unter dem heilsgeschichtlichen Aspekt zu lesen aufgetragen war und ist, erscheint es als gefordert, des weiteren zu fragen und die entsprechende Beantwortung beizubringen: Was ist die in der Heiligen Schrift bekundete Geschichte? Was ist es um das Besondere dieser Geschichte und wie ist sie folglich zur Kenntnis zu nehmen und sogar weiterzuerzählen? Man gewinnt aus den Einsichten, die sich bei der gewissenhaften Einsichtnahme in diese Vor-Gegebenheiten, nämlich die Heilige Schrift als Wort Gottes und die in der Bibel erzählte Geschichte, Grund-Einsichten, von denen her überhaupt christlich-theologisches Denken und die entsprechenden Aussagen ermöglicht und allerdings auch eingefordert sind, wenn ihre vor-gegebene Gewichtigkeit beachtet bleiben soll. So legen wir als Erstes vor, was wir meinen, zur Lektüre der Bibel gefordert zu sehen. Wie die Heilige Schrift lesen und theologisch anwenden?
Als ein Erstes ist dieses zu sagen: Es ist unabdingbar, daß der Theologe als dieser – „Theologie“ jetzt pauschal als wissenschaftlich verantwortete Tätigkeit verstanden – in einem ersten Schritt die Heilige Schrift als das Wort Gottes in der lebendigen Tradition der christlich-kirchlichen Glaubensgemeinschaft (jetzt nicht irgendwie konfessionell aufgelöst verstanden) als Selbst-Glaubender selbst lesen, hören, aufnehmen und wenigsten ansatzweise verstehen wollen muß. Das erfordert ab allem Anfang und durchhaltend ein bestimmtes Selbstbetroffen-Sein sowie Ehrfurcht vor diesem persönlich von Gott her vernommenen Wort. Das muß sich bleibend in seinem Umgang mit eben diesem Wort Gottes zeigen und bewähren. Das ist hier keine unangebrachte moralische Ermahnung, sondern schlicht vom „Objekt“ der christlichen Theologie als Wissenschaft zuvor-gegeben und gefordert. Das Wort Gottes selbst gibt dem Menschen zu verstehen, was es ihm sagt (sagen will). Nicht der Mensch versucht 17
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von sich aus Gott zu ergründen und bringt das Ergebnis seines Forschens ins Wort. Vielmehr besorgt Gott selbst sein Sich-zu-verstehen-Geben, so daß jeder, der es hören will, es versteht und begreift (bei aller, wie wir meinen sagen zu sollen, ein-gesehenen Unbegreiflichkeit).5 5
Es sei zum näheren Verständnis dessen, was im folgenden besprochen werden soll, einmal auf unser Sehen- und Hören-Können aufmerksam gemacht, das ja wie selbst-verständlich zu den Erfahrungen unseres alltäglichen Lebens als Menschen gehört. Vieles sehen und hören wir, von dem wir bemerken, daß es uns „angeht“. Manches davon beachten wir auch bewußt, manches aber auch nicht: wir widmen uns ihm erst gar nicht und lassen uns daher gar nicht „beeinflussen“. Wir lassen es geschehen und über uns ergehen, ohne es zu-hörend oder zu-sehend persönlich anzunehmen. Das gilt z. B. für eine Musik, die uns in einem Gasthaus zum Mittagessen im Hintergrund zur Unterhaltung mit-geliefert wird. Wir können ihr zuhören, sie aber auch einfach überhören, wenn sie nicht sogar stört. Wir widmen uns selbst vielleicht nur dem Mittagessen, das wir bewußt „verkosten“. Oder – ein anderes typisches Beispiel – wir gehen eine Straße auf unser Ziel zu und sehen dabei unterwegs vieles, etwa Reklameschilder, sie uns gleichsam „anschreien“ – und wir lassen uns betroffen sein oder auch nicht. Oder wir sehen ein Kunstwerk, etwa ein berühmtes Kirchengebäude aus alter Zeit, das vielleicht sogar gerade von Kunstbeflissenen bewußt besichtigt wird.; wir selbst lassen uns aber, weil altbekannt, davon im Vorbeigehen gar nicht beeindrucken, in diesem Moment lassen wir uns nicht besonders ansprechen. So kann man – noch ein Beispiel unserer Erfahrung – auch zum Gottesdienst gekommen sein, um alles „mitzumachen“. Man kann, muß aber gar nicht engagiert zuhören, obwohl etwas verkündet oder erklärt wird, das uns persönlich angeht. Vielleicht weiß ich hinterher nicht einmal zu sagen, was vorgelesen wurde, noch wovon ich eigentlich betroffen bin (wenn überhaupt), weil ich nicht wirklich zugehört habe; nicht, weil überhaupt nichts gesagt wurde. Wir wissen es genau: Es ist in meine persönliche Freiheit gestellt, etwas sogar mir persönlich zum Hören oder Sehen Dargebotenes überhaupt wahr-nehmen zu wollen. Ich muß mich öffnen – oder ich halte mich bewußt (!) verschlossen. Weiters wissen wir, daß wir z. B. in ein Konzert gehen, gar aufgrund eines persönlich ausgewählten Programms, und es uns auch an-hören – und wir können gegebenenfalls nachher gar nicht einmal sagen, was gespielt wurde, weil wir uns von etwas anderem total „ablenken“ ließen, aus welchen Gründen immer. Oder aber wir haben uns, wirklich zu-hörend, erbauen lassen und gehen zutiefst bewegt nach Hause, gleichsam anders geworden, als wir gekommen sind. Dann ist unser persönliches Hören und Gehört-Haben gelegentlich sogar das Thema unseres Gesprächs mit andern, die mit uns das Konzert erlebt haben. Während des Hörens einer Sinfonie kann ich auch z. B. das Spiel der Oboe oder der Flöte im Ensemble vieler Künstler, der Orchester-Mitglieder, heraus-hören und bewußt mit-verfolgen, ohne dadurch den eigentlichen Gesamteindruck zu beeineinträchtigen. Auch kann ich eine Partitur des Musikstückes mitgebracht haben und während des bewußten Hörens des Stückes gleichzeitig die Partitur mit-lesen und dabei einen Eindruck gewinnen, der mir zu Herzen, nicht in die Ohren und Augen geht. Die Partitur kann ich mir aber auch zuhause anschauen, sie verständnisvoll lesen und dabei zutiefst beeindruckt werden, ohne daß nur ein einziger Ton erklingen müßte. In dem einmal so zur Sprache Gebrachten haben wir uns bewußt die ganz eigenartige, aber stets-mit-erfolgende und lebendigst erfahrene „Unterscheidung“ zwischen uns selbst als „Person“ und den uns gegebenen Fähigkeiten angemerkt, „mittels“ derer wir uns prägen und beeindrucken, bewegen lassen können – oder eben auch uns unbehelligt zu bleiben entscheiden. „Sehen“, „Hören“, „Empfinden“ „tue“ ich, nicht meine Natur, nicht meine Potenzen. Denken wir an ein weltberühmtes Gemälde! Mit vielen je anderer Menschen „Augen“ wird es von Tausenden gesehen, doch wer schaut das, was das Bild „eigentlich“ jedem sagt – sagen kann? „Mir sagt das nichts“ ist eine übliche Redewendung z. B. im Blick auf ein modernes Kunstwerk, das mir angepriesen wird. Ist das Seh-Vermögen der einzelnen namentlichen Person je ein anderes – oder sind
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Zweitens muß der Theologe die Heilige Schrift, das Wort Gottes, auch als an sich selbst als Theologen persönlich gerichtet aufmerksam zu lesen und zu verstehen trachten, ohne sich von Anfang an schon von woandersher Richtlinien für dieses eigene Lesen und Verstehen vor-schreiben oder vor-geschrieben sein zu lassen; denn diese tragen immer schon einen gewissen Brillen-Charakter, der sich auswirken würde. Deswegen hat sich jeder Theologe zuerst einer akkuraten Übersetzung des Bibeltextes, der ja in den alten Sprachen Hebräisch und Griechisch verfaßt ist, in seine eigene Alltagssprache zu vergewissern. Dazu hat er schon gelernt, daß für zahlreiche Wörter und Wendungen in den alten Sprachen oft keine wirklich adäquaten eindeutigen Übersetzungswörter zur Verfügung stehen, so daß man sich ihrer problemlos bedienen könnte. Daher kommt auch schon der Fachexeget nicht umhin, nach entsprechenden Ersatzausdrücken zur gültigen Übersetzung Ausschau zu halten. Nicht selten ist man auf paraphrasierende Übertragungen angewiesen, was freilich äußerste Aufmerksamkeit fordert und reiches Wissen in den alten und in den heutigen Sprachen voraussetzt. Das gilt bekanntlich in Bezug auf das Hebräisch der Bibel in besonderem Maße, aber auch für das Griechisch des NT und der LXX. Es gibt faktisch mehr Falsch- bzw. Fehlübersetzungen, als es tragbar ist. Das sei hier einmal beispielhaft an den Übersetzungen (und ihren fatalen Folgen) von Mt 1,18 bzw. Lk 1,27 aufgewiesen (wir werden später auf zahlreiche andere Fälle stoßen und sie eingehend zu besprechen haben). Die Wendung „mnhsteuqei,shj“ in Mt 1,18 bzw. „evmnhsteume,nhn“ in Lk 1,27 in Bezug auf Maria wird schon seit der Vulgata (!) mit „deponsata – verlobt“ wiedergegeben, was schlicht eine falsche und dazu sehr irreführende Übersetzung ist. Denn in Israel und auch noch im Judentum der ntl. Zeit (und bis heute!) gab (und gibt) es gar keine Rechtsgewohnheit und einen entsprechenden Rechtsakt, der mit „Verlobung“ benannt oder auch nur verglichen werden könnte. Eine Verlobung war nur im römischen und germanischen Raum bekannt und wurde entsprechend rechtsgültig vollzogen. Im israelitisch-jüdischen wie im hellenistischen Bereich mit wir es als „Person“, die ihre anfängliche „Unbeschriebenheit“ und das „Unbeeindruckt-Sein“ des Organs „Auge“ erfüllen, ja „überwältigt“-Werden lassen können, nicht automatisch tun – oder es gegebenenfalls durch einen Willensentschluß betätigen (wobei schon wieder unterschieden wird zwischen uns selbst und unserem „Willen“)? Wen betrifft eigentlich unsere Emotionalität? – Von daher ist in unserer Fragestellung nach den ntl. Aussagen zur Herkunft Jesu Christi näherhin zu fragen: Was „bedeutet“ mir persönlich ein Schriftstück? Wie liest man einen Liebesbrief, einen Drohbrief, einen Steuerbescheid usw.? Und daher für unsere Thematik: Wie und was lese ich aus dem Schriftstück „Bibel“, „Heilige Schrift“ genannt? Höre ich da wirklich das Wort Jahwes, auch an mich persönlich gerichtet? Und will ich, was ich, weil mir vorgelegt, lesen/hören kann, als Wort Jahwes lesen/hören? Dann erst kann ich sagen, warum und wie eigentlich ich gerade dieses Schriftstück sogar auf wissenschaftliche Weise lese und zu verstehen = vernehmen trachte. In welcher persönlichen „Herzensstimmung“ tue ich das – will ich das tun und verbleibe stets in dieser Erwartungshaltung meiner-selbst? – Es sei hier beispielhaft auf einen Beitrag hingewiesen, der ein heutiges Problem der Exegese auf seine Weise zur Sprache bringt und ein entsprechendes „Reagieren“ auszulösen trachtet: I. Baldermann, Der leidenschaftliche Gott und die Leidenschaftslosigkeit der Exegese. Anfragen zu einem exegetischen Defizit: JBibl.Theol 2 (1987) 137–152.
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seinen verbindlichen Gesetzen und deren penibler Befolgung gab es die „Verehelichung“, wie die einigermaßen richtige Übersetzung im Deutschen lauten kann. Die betreffenden Partner sind nach Vollzug dieses gesetzlich-verbindlichen, genau geregelten öffentlichen (!) Rechtsaktes „Ehemann“ und „Ehefrau“ und werden auch so genannt (vgl. dazu Lk 2,4f); sie waren es in jeder Hinsicht lebenslang rechtsgültigverpflichtend. Das Hebräische kennt – das sei nur eben illustrierend angefügt – auch kein Wort für „Ehe“ oder für „heiraten“.6 Ähnliches, wenngleich nochmals anders, gilt es für die gängige Übersetzung von Lk 1,34b zu sagen. Dieser Versteil wird seit Jahrhunderten mit „weil ich keinen Mann erkenne“ übersetzt wiedergegeben. Denn der griechische Text lautet „evpei. a;ndra ouv ginw,skw“, was mit „weil ich keinen Mann erkenne“ eindeutig falsch und zudem äußerst irreführend wiedergegeben wird, was jeder Gymnasial-Griechischlehrer auch nachdrücklich ankreiden muß. Der Satz ist paraphrasierend so wiederzugeben: „weil ich (d. i. „verehelichte Maria“: 1,27) Mann (d. h. im Kontext eindeutig „meinen Mann“) nicht (in Rückschau auf 1,27 als „noch nicht“ zu lesen) erkenne („erkennen“ meint den ehelichen Umgang miteinander)“.7 Für „keinen Mann“ der gängigen Übersetzung hätte im Text „ouvdei,j – keiner“ stehen müssen, was aber eben nicht der Fall ist. Diese beispielhaft genannten Falschübersetzungen der Verse Mt 1,18 und Lk 1,27 und 34 begegnen bekanntlich (und offensichtlich unbeanstandet) wie selbstverständlich als rechtens eingesetzt und „ausgewertet“ in allen unseren heutigen Sprachen. Für die Interpretation der Aussagen im Kontext Mt 1 und Lk 1 haben sie alle Auffassungen ausgelöst, die sich der Wörter und Wendungen wie „jungfräulich“, „Jungfrauschaft/ Jungfräulichkeit“, „jungfräuliche Empfängnis und Geburt Jesu“ bis hin zur „Jungfrauengeburt“ meinen bedienen zu können oder gar zu müssen. Diese Ausdrücke und das mit ihnen Ausgesprochene haben jedoch im NT überhaupt kein Fundament und noch weniger Berechtigung. Mit ihnen wird ja ganz üblich z. B. der Wesensinhalt dessen angegeben, was in Mt 1–2 und in Lk 1–2 biblisch bekundet ist. Dazu ist hier – wir werden darauf später eindringlich zu sprechen kommen müssen – nur festzustellen, daß z. B. die Wendung „jungfräulich – parqe,nioj“ im ganzen NT nie vorkommt! Von Jungfrauschaft/Jungfräulichkeit wird nur ein einziges Mal gesprochen, nämlich in Lk 2,36 in Bezug auf die Prophetin Hanna. Dort wird damit deren Lebensstand vor ihrer Ehe mit ihrem Ehemann angegeben, womit vom Mädchen/junge Frau eben vor dem Ehestand gesprochen wird. Das Wort „Jungfrau“ wird im NT ganz selten eingesetzt (14mal; davon 8mal mit der Bedeutung „Noch-nicht- oder Unverheiratet“, 3mal im Gleichnis Mt 25,1.7.11 für „Mädchen/junge Frauen“; die verbleibenden 3mal ohne Betonung von „Jungfräulichkeit“: 2 Kor 11,2, Apk 14,4 und Lk 1,27). Auf Maria bezogen findet sich die Vokabel (!) „Jungfrau“ einzig in Lk 1,27 eingesetzt. Dort heißt es von ihr: „Jung6 7
Wir verweisen dazu auf den Exkurs „Israelitisch-jüdisches Eheschließungs- und Familienrecht“; s. Anhang I. S. den Hinweis in der vorhergehenden Anmerkung.
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frau, verehelicht mit Josef aus dem Hause David“. Es liegt keine Betonung einer sog. Jungfräulichkeit vor, wie oft behauptet wird. Das bestätigt schon der folgende Vers 1,34, wo Maria selbst von ihrem Ehemann spricht (Lk 1,27.34 sind voll verständlich aufgrund des damals gebräuchlichen jüdischen Ehe- und Familienrechtes, das man freilich kennen und berücksichtigen muß. Das gilt ähnlich auch für Mt,1,16.18–25).8 In der ersten Aussage über Josef und über Maria, die das NT vorbringt, wird sogleich betont gesagt, sie seien ein Ehepaar im Hause Davids (vgl. Mt 1,16.18; Lk 1,27). Auch in den weiteren Aussagen zu Josef wie zu Maria ist stets immer von beiden (und dazu von Jesus) die Rede, und zwar gerade insofern sie miteinander verehelicht sind. Das wird seitens der Kommentare nie herausgestellt noch in den betreffenden Text-Auslegungen überhaupt mit einem einzigen Satz erwähnt oder berücksichtigt. Demgegenüber wird das, was die betreffenden ntl. Sätze nicht sagen, unter Verwendung von Wörtern und Wendungen, die die Texte selbst nicht einsetzen, ausführlich herausgehoben, intensiv besprochen und theologisch, christologisch und besonders mariologisch entfaltet, als sei es die eigentliche Hauptaussage der ntl. Texte.9 Die Fehlübersetzungen und Fehl-Ausdeutungen der Texte Mt 1 und Lk 1 mit den benannten Wörtern und Wendungen haben, wie wir wissen, eine Fülle von theologischen, christologischen und besonders mariologischen Behauptungen und Streitereien in den wissenschaftlichen Büchern und Artikeln ausgelöst, die Bibliotheken füllen. Sie haben weltweit Probleme heraufbeschworen, die es vom Schrifttext selbst her nicht nur überhaupt nicht gibt, die vielmehr unsinnigste Bibel-Auslegungen mit allen ihren, auch konfessionellen Folgen nach sich gezogen haben. Es könnten hier jetzt noch weitere eklatante Bespiele gravierender Fehlübersetzungen und -deutungen mit ihren schwerwiegenden Folgen angeführt werden (z. B. Joh 1,1–3.14; Gal 4,4; Phil 2 u. a.). Dazu sei auf die folgenden Abschnitte dieses Buches verwiesen. Wir halten hier aber dieses fest: Es hat als unabdingbar zu gelten, daß der biblische Text zuerst und dann bleibend in eindeutig richtiger Sprache zugrunde gelegt bleiben muß. Drittens: Der so erkannte und kraft richtiger Übersetzung festgestellte Text ist wörtlich les- und verstehbar in heutiger Sprache wiederzugeben, zunächst ohne jede Veränderung, ohne Einfügungen oder dergleichen. Der Text ist vorzulegen in seinem eigenen Zusammenhang und Verlauf. Das dürfte die erste Aufgabe der christlichtheologischen Exegese und Auslegung zur Ausformulierung des vorgefundenen und wachsam gehörten Bibeltextes sein, der zunächst als solcher nur nach-gesprochen wird, in heutiger alltäglicher Sprache (die durchaus nicht banal zu sein braucht oder sein darf, sondern der Würde des Textes als Wort Gottes zu entsprechen hat). Das ist doch der Sinn der wörtlichen Wiedergabe des übersetzten Bibeltextes zu Anfang 8 9
Vgl. dazu unsere eingehende Besprechung von Mt 1–2 im folgenden Kapitel. Vgl. dazu die ausführliche Besprechung der Texte Mt 1–2 und Luk 1–2 im folgenden Kapitel II. – Als einziger Kommentartext, der auf Josef und Maria, insofern sie verehelicht waren und als Ehepaar im Hause Davids anzusehen sind, fand sich im Kommentar zum MtEv von P. Bonnard: L’Évangile selon Saint Matthieu, 1963, 18 (zu Mt 1,18–25).
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jeder Kommentierung. Es ist ja allgemein üblich, den jeweiligen Text-Abschnitt, der exegetisch besprochen werden soll, zunächst wörtlich voranzustellen. Sich des Textes in dieser Weise zu Anfang zu vergewissern ist nicht allein die Aufgabe des Exegeten, sondern eines jeden, der den Bibeltext je heutig theologisch hören und ihm nachsinnen will bzw. in heutiger Verkündigung verantwortet vorzutragen, vorzulesen und auszuwerten hat, z. B. in aktueller Liturgie und Katechese. Den Bibeltext sollte man sich zunächst auch ohne jede vor- oder selbsterfundene Gliederung oder Zwischenüberschriften vorlegen. Diese bedeuten nämlich faktisch in ihrer Auswirkung schon eine Vor-Interpretation des Bibeltextes vor dem eigenen aktuellen Hören des Wortes Gottes. Bekanntlich ist schon die irgendwann einmal eingeführte Kapitel- und Verseinteilung selbst, wenngleich für manche Zwecke sehr dienlich, nicht selten schon aus einer Voreingenommenheit oder Vor-Bestimmung heraus erfolgt und nicht immer glücklich. Der Bibeltext hat selbst hinreichend durch Schlußbemerkungen und NeuEinsätze im Text deutlich gemacht, wie er gelesen und verstanden sein will (vgl. dazu etwa Mt 1,17 und 18; 2,1; 3,1; 4,12 oder 1 Kor 7,1; 11,2; 15,1 u. ä.). Mit dieser Bemerkung ist den heute üblichen Arbeitsweisen mit Text-Gliederungen, Haupt- und Zwischenüberschriften usw. keineswegs ein Unberechtigt- oder Unnötig-Sein zugesprochen. Doch es ist die Pflicht eines jeden Glaubenden, sich zuallererst vom Bibeltext selbst her zu-sprechen und auch erst-erklären zu lassen, was er sagen will. Auch der wissenschaftlich arbeitende Theologe muß sich in dieser Weise anfanghaft vom Text selbst als Wort Gottes angesprochen wissen und fühlen, ihn so auch wirklich hören und verstehen wollen. Auch für ihn erklingt die Heilige Schrift je heute stets „neu“: Ps 94,8! Das bedeutet: Der wissenschaftlich arbeitende Theologe muß die Bibel-Aussage und ihren Aussage-Inhalt selbst bei allem Bekannt-Sein in ihrer Verlautbarung heutig hören und so seine Aufgabe der theologischen Erfassung des betreffenden Textes verstehen und beherzigen. Dann kann er und gegebenenfalls muß er das Selbst-Gehörte/ Gelesene in seinem eigenen Wieder-Geben gleichsam nach-sprechen, und das gegebenenfalls auch, wie wir sagen, „mit anderen Worten“. Diese müssen jedoch zunächst das und nur das wiedergeben, was der Text selbst explizit sagt und bekundet, auch wenn sich dabei viele Fragen melden. Diese aufzugreifen und zu beantworten ist die weitere Aufgabe, die bei verschiedenen Texten sicher je anders aufzufassen ist und ihre je eigene Dringlichkeit zeigt. Für eine entsprechende Durchführung dieses Prinzips sei auf unsere folgenden Besprechungen der einschlägigen Texte hingewiesen, denen sich das vorliegende Buch thematisch widmet.10 10 Was bisher zur Erfassung des Bibeltextes herausgestellt wurde, gilt sicher zunächst für die Be-
reitung einer Bibel-Ausgabe für den Gebrauch Christlich-Glaubender und ihr verständnisvolles Lesen und hinreichend-deutliches Verstehen des Bibeltextes selbst, noch vor allem wissenschaftlichen Interesse. Dazu werden ja die gängigen Bibeltext-Ausgaben zuerst konzipiert und ausgearbeitet Als Musterbeispiel einer entsprechenden Bemühung sei auf die sog. Jerusalemer Bibel hinbewiesen, wie auch auf die „Einheitsübersetzung“, die „herausgegeben wurde im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, des Bischofs von Luxemburg, von Lüttich
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(Es sei noch etwas genannt, um das wir uns zwar selbst bemüht haben und bemühen, es aber nicht als unbedingt durchzuführen erklären möchten, nämlich: Jedes gesprochene Wort und die entsprechenden Sätze erhalten seitens des Sprechenden stets auch ihren Klang, ihre „Musik“, die das Verstehen im konkreten Gesprochen-Werden mehr leiten, als wir meist meinen zu müssen glauben. Ein Wort der Liebe wird ganz anders betont als ein solches des Hasses. Es gibt zahlreiche Beispiele in der Heiligen Schrift, im Wort Gottes (!) anzugeben, in denen dieser Klang der Rede sogar aus dem geschriebenen Text „herausgelesen/gehört“ werden kann und muß, um ihn überhaupt „richtig“ zu verstehen. Wir nennen dazu einige Texte, die auch in der Thematik dieses Buches von entscheidender Bedeutung sind. So ist auf das sog. Weinberglied in Jes 5,1–7 hinzuweisen, wo der Sänger „für seinen Freund das Lied von dessen Liebe zu singen“ beginnt, weil der Liebende selbst vor lauter Leid nicht mehr zu singen vermag. Im Laufe des Liedes wechselt das Singen des Freundes in die Worte Jahwes selbst. Man kann hier von einer dichterischen Erfindung des Autors des Jes-Buches sprechen wollen, was aber nicht hindert oder zu überlesen/überhören erlaubt, daß und von Bozen-Brixen“. Bei dieser letztgenannten Übersetzung „sollten nicht nur die neuen Erkenntnisse der Bibelwissenschaften, sondern auch die Regeln der deutschen Sprache in angemessener Weise berücksichtigt werden, unter Berufung auf und gleichsam im Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils“: „… darum bemüht sich die Kirche, daß brauchbare und genaue Übersetzungen in die verschiedenen Sprachen erarbeitet werden, mit Vorrang aus dem Urtext der heiligen Bücher“ (Über die göttliche Offenbarung, Nr. 22). „Da die Übersetzung vor allem in der Verkündigung Verwendung finden sollte, mußte sie sowohl das Verstehen erleichtern wie auch für das Vorlesen und teilweise auch für das Singen geeignet sein. Darum wurde von Anfang an neben Fachleuten der Bibelwissenschaft auch solche der Liturgik, Katechetik, der Kirchenmusik und der deutschen Sprache herangezogen“ (aus dem Vorwort „An die Leser dieser Ausgabe“ der Bischöfe). Dazu sei auch dieser Passus noch zitiert: „Die Einheitsübersetzung ist in gehobenem Gegenwartsdeutsch abgefaßt. Ihr fehlt es nicht an dichterischer Schönheit, Treffsicherheit des Ausdrucks und Würde biblischer Darstellungskraft“. Der Jerusalemer Bibel bediente sich auch schon vorher die Ausgabe des ganzen Bibeltextes durch den Verlag Herder (1968). Dort wird im Vorwort zur deutschen Ausgabe „Rechenschaft über Ziel und Durchführung der Wiedergabe des Bibeltextes unter der Leitung der Konzeption der Jerusalemer Bibel abgelegt“ (Vf). – Dieser Übersicht sei angefügt, daß es bezeichnenderweise auch Bibelübersetzungen in früherer, aber auch noch heutiger Zeit gibt, die bewußt und gezielt konfessionell konzipiert und ausgeführt wurden und werden. Es sei zuerst die ungemein bedeutsame Luther-Bibel genannt wie auch die „Züricher Bibel“. Daran ist erkennbar, daß es offensichtlich von Anfang an nicht eindeutig verstanden wurde und wird, wie man meint, den einen und selben Text der Bibel in jeweils heutiger Sprache verstehen und vorlegen zu müssen. Nicht alle, die sich Christen nennen und den einen Ur-Text des Wortes Gottes lesen, hören und in ihrer heutigen Sprache wiedergeben, sind sich innerhalb ihrer eigenen einen Sprache einig. Die Einheitsübersetzung der deutschsprachigen Bischöfe hat zwar Mitglieder anderer Konfessionen zur Mitarbeit beigezogen. Es wurde auch 1970 der erste Vertrag zwischen dem Verband der Diözesen Deutschlands und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland geschlossen, was bestimmte Auswirkungen hatte, aber eben nicht zu einen einzigen Text führte, dem alle Beteiligten auch tatsächlich folgten. Wir brauchen nicht den Gründen nachzugehen und sie kritisch zu betrachten. Doch zeigt sich, in welchem Maße es dringlich ist, was wir zuvor in Bezug auf die verantwortete Erfassung des Bibeltextes herausgestellt haben.
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es das Wort Jahwes ist, in der Heiligen Schrift uns überliefert. Oder es mag an Hos 11 erinnert werden. Dort spricht Jahwe selbst Worte, die wir in seinem Munde meinen für unmöglich ansehen zu können oder zu müssen: „Wie kann ich von dir lassen (d. i. von meiner unbändigen Liebe zu dir abrücken), dich preisgeben? Mein Herz kehrt sich um in mir gegen mich, und zugleich regt sich mein Mitleid … Denn ich bin Gott, und nicht ein Mensch! Ich kann nicht anders!“ Auch möchten wir auf Gen 3,9 aufmerksam machen: „Gott rief dem Menschen zu und sprach: Wo bist du?“ Ist das der Ruf eines Aufsehers, eines Polizisten, eines Chefs? Oder ist das der Angstruf des verlassenen Liebenden, der seinen Innigst-Geliebten vermissen muß und nicht weiß, was ihm da widerfährt? Gott kann es nicht fassen, noch weniger verstehen, daß der Geliebte nicht da ist! Schließlich möchten wir auf Lk 19,41 beispielhaft hinweisen: „Und als er näherkam und die Stadt sah, weinte er über sie und sprach: Wenn doch auch du an diesem Tage erkannt hättest, was zu deinem Frieden ist! Nun aber ist es verborgen vor deinen Augen!“ Jesus weint über Jerusalem, das sich verweigert! Es ist jedoch auch auf Jes 62,4–5 (und ähnliche Texte) zu hören: „Man wird dich nicht länger mehr ‚Verlassene‘ nennen und dein Land nicht mehr ‚preisgegeben‘, sondern man wird dich ‚Meine-Lust-an-dir‘ heißen und dein Land ‚Vermählte‘. Wird doch Jahwe an dir wieder Gefallen haben, und dein Land wird wiederum vermählt. Denn wie der Jüngling eine Jungfrau freit, so wird dein Erbauer dich freien; wie der Bräutigam seine Wonne an der Braut hat, so wird dein Gott an dir seine Wonne haben“. Das Hohelied ist ein Gesang Jahwes über und zusammen mit seinem Volk Israel bzw. das Lied beider in der Sprache der Liebe von Braut und Bräutigam! Weitere Beispiele brauchen wir hier nicht beizubringen. Es kann genügen, um auf das aufmerksam und hellhörig zu machen, was nach unserer Auffassung vom Lesen/Hören der Heiligen Schrift als Wort Gottes neben vielem anderen auch bemerkt und beachtet sein will. Wer als Theologe, auch als Systematiker nicht auch die Tränen in den Augen Jahwes im Singen von seinem Liebesleid bemerkt (so daß es einem eigentlich die Sprache des Dozierens verschlagen kann) und beachtet, kann nicht „richtig“ über Gott reden wollen.) Es sei hier jedoch noch auf zweierlei aufmerksam gemacht. Zunächst: Jedes einzelne Buch der Bibel ist vom Theologen selbst jeweils zunächst als ganzes zu lesen und zu verstehen zu trachten. Er darf es sich nicht mit zuvor, gar von anderen gebildeter Zusammenstellungen von Einzeltexten und Ausschnitten als Ausgangspunkt seines eigenen Nach-Denkens genug sein lassen, so wichtig solche schon vorgefaßten Übersichten auch sein mögen. Sodann ist, sogar mit entschiedenerem Nachdruck zu sagen, daß die Wiedergabe des Bibeltextes in seinem ersten Gang zunächst ganz freizuhalten ist von den zu viel späterer Zeit gebildeten Fachwörtern, Ausdrucks- und Begriffsweisen. Alle diese Bildungen sind nach-biblisch und haben keinen solchen Gültigkeitswert wie die biblischen Aussagen in ihrer Ausdrucksweise. Weitere spätere Darbietungsweisen des Aussage-Inhaltes des biblischen Textes mögen sich rechtens auf biblische Texte und Ausdrücke berufen können; doch es eignet ihnen bestenfalls 24
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kirchliche Beglaubigung und gegebenenfalls sogar wegen des Einsatzes in allgemeinkirchliche verbindliche Dokumente Gültigkeit, wie z. B. in Konzilstexten. Als Beispiel sei auf das Ringen um „physis – natura“, „hypostasis – prosopon – persona“ im Konzil von Nizäa und die damals gewählten Formulierungsweisen hingewiesen. Tatsächlich fällt nämlich auf, in welch großem Ausmaß sich die Exegeten in ihren heutigen Bibelkommentaren von Anfang an wie selbstverständlich theologischer, aber viel später gebildeter Termini und Fachausdrücke bedienen. Deren Berechtigung schon für die Erst-Auslegung biblischer Texte müßte jeweils überhaupt erst je neu aufgewiesen werden, nämlich für die je heutige Auslegung und Interpretation des Bibeltextes. Das geschieht jedoch nie. Das gilt auch für Ausdrucks- und Wiedergabeweisen, die vielleicht früher ihre Berechtigung hatten, die jedoch heute als dringend zu hinterfragen, wenn nicht gar als gänzlich abzulösen gewertet werden müssen (Beispiele dafür werden in den folgenden Kapiteln dieses Buches reichlich genannt und kritisch besprochen). Mit dieser Bemerkung rufen wir nicht zu einer grundsätzlichen Reserve bisherigen bibelwissenschaftlichen Arbeitsweisen und mit ihnen errungenen Ergebnissen gegenüber auf, noch gar zu ihrer pauschalen Ablehnung. Ganz im Gegenteil: Das bisher erarbeitete und vielleicht auch allenthalben anerkannte Wissen und auch die Wege dazu sind so weitgehend und umfassend zur Kenntnis zu nehmen, wie es nur möglich ist. Jedoch darf sich jedenfalls der je heute systematisch schauende und forschende Theologe nicht von früher erarbeiteten und vorgelegten (und auch allgemein akzeptierten) Ergebnissen exegetischer, literaturwissenschaftlicher Forschungen oder philosophischer und naturwissenschaftlicher Erkenntnisse vor-schreiben lassen, was die Bibeltexte selbst tatsächlich und deutlich erkennbar sagen, und so den Bibeltext gar nicht mehr selbst aufmerksam zur Kenntnis nehmen, diesen eben als das doch immer wieder je heute neu an ihn herantretende Wort Gottes. Damit ist auch der Hauptgrund für die Absicht dessen benannt, was in diesem Buch aufgezeigt und kritisch hinterfragt wird. Die gültige Erst-Auslegung des jeweiligen Bibeltextes gibt, sachgerecht dargeboten, zunächst das von diesen explizit Ausgesagte mit den Worten des Textes selbst bzw. „mit anderen Worten“ wieder, die dem heutigen Sprechen angehören, aber mit biblischen Aussage-Inhalten erfüllt werden. Das ist der Anfang und der erste Schritt auch der theologisch-wissenschaftlich verantworteten Arbeit des Theologen. Ein weiterer Schritt ist dann das Herausarbeiten des hinreichend offenkundig implizit Mit-Ausgesagten des Textes. Das wird meist durch paraphrasierend-erklärende Zusätze geleistet werden können. Das auf diese Weise anfanghaft wissenschaftlich Erschlossene muß sodann auch in seinem Umfeld zu seiner Entstehungszeit dem Ort und Anlaß gemäß ein-gesehen werden, was für ein vertieftes Verständnis des Bibeltextes selbst sehr viel, oft Entscheidendes beiträgt. Es zeigt sich, daß sich schon die Exegeten in ihren Kommentaren zur Erstellung ihrer Erst-Auslegung des jeweiligen Bibeltextes um eine Einsicht in die (von ihnen so genannte) theologische Absicht des Autors des betreffenden Textes zu gewinnen bemühen, um das auf diese Weise Erkannte und Festgestellte ihrer Auslegung zugrunde 25
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zu legen. Das gilt sowohl für alttestamentlich wie neutestamentlich interessierte Exegeten. Vor allem werden die Auslegungs- und Interpretationsprinzipien für die neutestamentlichen Aussagen aus denen des AT abgeleitet und angewandt, auch was die sprachlichen und denkerischen Leitprinzipien angeht. Für einzelne, zusammenzugehören scheinende Abschnitte in den einzelnen ntl. Schriften werden die gefundenen (und oft auch nur vermuteten) Aussage-Inhalte in fast schon systematischer Absicht und Weise zusammen- und so vorgestellt. Man findet oder vermutet dann bei dem jeweils betreffenden ntl. Autor ein vor-gefaßtes (sog.) theologisches Denken und Reflektieren, was seine Darstellung geleitet zu haben scheint. Das kommt zur Sprache, indem unterschieden wird zwischen theo-logischen einerseits und christo-logischen Aussage-Absichten andererseits, wie auch mario-logisch und eschato-logisch bedachte und ausformulierte Aussage-Inhalte. Auf diese Weise meint man eine Theologie des Paulus, eine Theologie des Matthäus, eine des Lukas, des Johannes usw. zu finden, die je in ihrem Spezifischen zur Sprache kommen müssen. Johannes wird bekanntlich sogar als der Theologe des NT apostrophiert und entsprechend gelesen, gewertet und vorgestellt. In allen diesen Bemühungen fehlt jedoch faktisch ein hinreichend deutliches und klares Verständnis bzw. eine entsprechend verbindliche Bestimmung dessen, was genau mit „theologisch“, was mit „christologisch“ u. ä. bezeichnet werden könnte bzw. müßte. Die Verstehensbreite, die sich an der vielfältigen und oft auch recht unterschiedlichen Verwendungen dieser Ausdrücke zeigt, reicht von der Bezeichnung „theologisch“ für die betreffende Tätigkeit des (als begrifflich-systematisch denkend und arbeitend verstandenen) „Theologen“ (lesen, nach- und be-denken, reflektieren, aufschreiben des Begriffenen) bis hin zur eindeutig erklärten Abgrenzung der einen von einer anderen Sicht-, Denk- und Sprech- und Formulierungsweise. Es ist fast unmöglich, dieses Begriffs- und Wortspiel der charakterisierenden Bezeichnung „theologisch“ zu durchschauen. Die hier auftauchende und nach wie vor ungelöste Problemstellung läßt sich recht deutlich an einem konkreten Beispiel aufweisen, nämlich an einem Text des Bibelwissenschaftlers O. Cullmann. Er erklärt in seinem Werk „Christologie des Neuen Testamentes“ selbst, und das sogar thematisch, welche Methode er in der Vor- und Ausarbeitung seines Buches angewendet hat und als im Grunde prinzipiell anzuwenden behauptet. Er schreibt als „Einleitung“ dieses: „Wir fragen zunächst, welche Stelle die Christologie im theologischen Denken der ersten Christen einnimmt; dann versuchen wir, das christologische Problem im theologischen Denken des Neuen Testaments zu definieren; endlich werden wir von der Methode sprechen, mit der wir in den nachfolgenden Kapiteln an dieses Problem herantreten werden. – § 1. Die Rolle der Christologie im theologischen Denken der ersten Christen. Wenn die Theo-logie die Wissenschaft ist, die Gott, qeo,j, zum Gegenstand hat, so ist die Christologie diejenige, die Christus zum Gegenstand hat, seine Person und sein Werk. Gewöhnlich wird die Christologie als eine Unterabteilung der Theologie im etymologischen Sinne betrachtet. Diese Gewohnheit hat vielfach die historische Darstellung des Glaubens der ersten Christen insofern beeinflußt, als man gern 26
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damit beginnt, die Gedanken darzustellen, die sie sich über Gott gemacht haben, und von ihren christologischen Überzeugungen erst in zweiter Linie redet. Das ist die übliche Reihenfolge in den älteren Lehrbüchern der Theologie des Neuen Testaments. – In anderen Bekenntnissen der älteren Zeit, in denen von Gott die Rede ist, erscheint dieser … nicht als Schöpfer, sondern als der „Vater Jesu Christi“. Er wird als derjenige eingeführt, der Christus auferweckt hat (Polyk. 2,1ff.). Auch das beweist, daß das theologische Denken der ersten Christen von Christus ausgeht, nicht von Gott. – Die alten Glaubensformeln sind für die Kenntnis des urchristlichen Denkens deshalb besonders wichtig, weil sie in ihrer Art als kurze Zusammenfassung der theologischen Überzeugungen der ersten Christen zeigen, in welcher Weise diese die Akzente verteilten, welche Wahrheiten sie als zentral, welche sie als abgeleitet ansahen. Wir stellen also fest, daß die urchristliche Theologie in Wirklichkeit fast ausschließlich Christologie ist“ (1–3; mit Auslassungen; dazu „Alle Theologie wurde zur Christologie“ (!): 331). Diesen programmatischen Sätzen entspricht Cullmann selbst auf eine ihm eigentümliche, befremdende Weise. Wenngleich er nämlich die urchristliche Theologie als eigentlich Christologie zu nennen ansieht, so zeigt sich in der von ihm angegebenen und angewendeten Gliederung seines Buches ein gänzlich anderes Bild. Denn es wird faktisch von Jesus, nicht von Christus gesprochen! Das gibt seine Gliederung deutlichst zu erkennen: „I. Teil: Die auf das irdische Werk Jesu bezüglichen christologischen Titel (mit den Unterpunkten „Jesus der Prophet“, „Jesus der ‚wahre‘ Prophet“, „Jesus der leidende Gottesknecht“, „Jesus der Hohepriester“); II. Teil: Die auf das zukünftige Werk Jesu bezüglichen christologischen Titel“ (mit den Unterpunkten „Jesus der Messias“, „Jesus der Menschensohn“); III. Teil: Die auf das gegenwärtige Werk Jesu bezüglichen christologischen Titel“ (mit den Unterpunkten „Jesus der Herr“, „Jesus der Heiland“); IV. Teil: „Die auf die Präexistenz bezüglichen Titel (mit den Unterpunkten „Jesus der Logos“, „Jesus der Gottessohn“, „Die Bezeichnung Jesu als ‚Gott‘“). Wir bemerken dieses Eigenartige: Dem Inhaltsverzeichnis zufolge spricht das ganze Buch von Jesus, während Cullmann zu Anfang betont hatte, daß „Christologie“ die „Wissenschaft ist, die Christus zum Gegenstand hat“ (1). Faktisch legt er keine „Christo-logie“ vor, sondern eine „Jesus-Logie“; denn alles, was er vorträgt, wird ja nach seiner eigenen Erklärung von Jesus ausgesagt. So müßte sein Buch offensichtlich „Jesulogie des Neuen Testamentes“ genannt werden. Tatsächlich werden aber die Aussagen über Jesus mittels „christologischer Titel, Bezeichnungen und Inhalte“ zusammengestellt und eingehend als solche besprochen. Woher jedoch diese überhaupt herrühren und aufgegriffen werden, bleibt gänzlich offen. Sind es „Gedanken, theologische Erwägungen und Erkenntnisse“ (um die Redeweise Cullmanns aufzugreifen), die zu „christologischen Kategorien“ geführt haben, die dann ihre Anwendung auf die ntl. Aussagen über Jesus finden? Sie lägen nach dem Konzept Cullmanns für sein Buch dem Sprechen von Jesus, wie es im NT bekundet und bezeugt wird, schon zuvor bereit und würden zur Darbietung der Aussagen über Jesus nur mehr angewendet. Das ist ja seine Begründung, daß „im theologi27
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schen Denken der ersten Christen das christologische Problem“ die „entscheidende Rolle (!) spielt“ (1), und daß somit „die urchristliche Theologie eigentlich Christologie ist“ (ebd.). Wenn dann jedoch das ganze Buch von Jesus handelt, wenn auch unter einem vorgefaßten Aspekt, dann müßte doch als erstes gefragt werden: Wer ist Jesus; wer er selbst wirklich, in seiner vollen Wirklichkeit? Ist Jesus im Grunde eigentlich Christus – oder ist es genau umgekehrt: Von Jesus und von dem Ihn-Erleben her fragten doch schon dem NT zufolge die, die ihn selbst erfahren, gesehen und gehört hatten: Wer ist dieser (vgl. etwa Mt 8,27 u. a.)? Er heißt Jesus, und wir kennen ihn doch aus unserem eigenen Erleben. Und doch: Wer ist er und (wenn man so fragen mag) was alles ist er? Es wurde ja und wird von ihm vieles, sogar widersprüchlich Erscheinendes erlebt und gehört, so daß die Frage überhaupt aufkommen konnte (und mußte), neben anderem dann auch ausdrücklich: Bist du der Christus? Jesus ist da, lebt mit uns wie einer von uns, wir erleben ihn, und dieser Erlebte und im Erleben Verstandene bzw. auch das überaus Frag-Würdige seines ohne allen Zweifel ganz Eigentümlichen wird zur Sprache gebracht, so bekundet es schon das NT, fragend, zweifelnd, in begeisterter Rede, doch stets mit hilflos erscheinenden Worten und SprechWeisen. Das im NT über Jesus Bekundete alles unter einen Begriff unterzubringen, widerspricht einfach dem ntl. Text. Dieses Aus-sprechen des in und mit Jesus Erlebten, im Text des NT bezeugt, müßte man doch zuerst, wenn es überhaupt wissenschaftlich formuliert werden soll, Jesus-Logie nennen. Denn erst vom erlebten Jesus her werden doch die sogenannten „christologischen Titel“ u. ä. überhaupt erst berechtigt mit ihrem realen Inhalt erfüllt, und nicht umgekehrt. Die christologischen Begriffe leiten keineswegs die Formulierungen der ntl. Bekenntnisrede vom erlebten und im Erleben erkennend-begriffenen Jesus, noch dürfen sie folglich vorweg leitend und maßgeblich-bestimmend sein für die theologisch-wissenschaftliche Erfassung des Bekundungsinhaltes der ntl. Aussagen, so als ob diese Begriffe klar oder gar klarer und erhellender wären als das, was als erlebt im Sprechen des NT bekundet wird. Weiters ist darauf aufmerksam zu machen, daß ja der Name Jesus (den Jahwe selbst gemäß Mt 1 und Lk 1 dem Sohn zu geben aufgetragen hat) deutlich ausspricht, wer/ was der Betreffende ist und das, was er „tat“ und was somit geschehen ist (und geschieht !): Jahwe heilt! Aus alle dem folgt, daß es auch dem NT einfach widerspricht, das in Jesus Geschehene/Bekundete und von den ihn Annehmenden (Glaubenden) verkündend nach-bekundet worden ist, als Christusereignis anzusprechen, wie es allerdings allgemein üblich geworden ist. Eher müßte es, wie aus allem Gesagten folgen würde, Jesus-Ereignis genannt werden. Aber weil im Namen JESUS tatsächlich Jahwe selbst ausgesprochen wird, dazu absolut unvergleichbar, ist es doch er, Jahwe!, von dem her alles das geschehen ist, wovon im NT bekundend gesprochen wird. In dem und an dem ist Jahwe selbst lebendigst mit-beteiligt, zumal er doch im NT genau so wie im AT allein initiativ und weiter und immer JHWH – „Ich bin da, dein/euer“ ist, von allem Anfang an und „letztlich“, weil ohne jedes Ende, eben Jahwe! Daher ist eigentlich von Anfang an alles im NT Bekundete zuallererst Jahwe-Ereignis und als 28
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solches bleibend anzusehen, zu erkennen und bekundend zu bekennen – wohlgemerkt: wenn man überhaupt meint, mit solcherart Ausdrücken und Begriffen denken und sprechen zu können oder gar zu müssen.11 11
Wir geben hier einen Überblick über die Verwendung der Kategorien „Christologie“ und „christologisch“ durch Cullmann, der sehr aufschlußreich ist, vor allen im Vergleich mit dem viel weniger, eher selten eingesetzten Ausdruck „Theologie“ und „theologisch“. Der Christologie kommt nach Cullmann eine bedeutsame „Rolle im theologischen Denken der ersten Christen“ zu. Es wird von „sehr alter Christologie“ gesprochen, davon, „daß es in den ältesten Zeiten des Urchristentums (dieser Ausdruck ist befremdlich: Wann „währte“ das Urchristentum, so daß sogar von seinen ältesten Zeiten die Rede sein kann?? R. S.) eine Erklärung (!) der Person (!) und des Werkes Jesu (!) gegeben hat, die wir mit etwas ungenauem Ausdruck als Christologie des Ebed Jahwe oder vielleicht korrekter als ‚Paidologie‘ bezeichnen können“ (72). Diese war wahrscheinlich die älteste christologische Lösung, von der wir wissen“ (72f: dazu 81: „Pais-Christologie; s. auch 330). Dazu auch: „Die beiden wichtigsten christologischen Texte (1 Kor. 15,3; Phil. 2, 6ff.), nach denen Jesus die Aufgabe des Gottesknechtes erfüllt, hat er (d. i. Paulus) aus alter Gemeindetradition übernommen und sich zu eigen gemacht. … Obwohl es sich um eine der ältesten und wichtigsten christologischen Lösungen (!) handelt, die sogar auf Jesus selbst zurückgeführt werden kann, tritt sie schon bald in den Hintergrund“ (79). – Der Ausdruck „christologische Titel“ (u. ä.) begegnet oft, zunächst deutlichst in den Überschriften aller vier Teile des Buches. In ihm wird vom „irdischen Werk Jesu“, vom „zukünftigen Werk Jesu“, vom „gegenwärtigen Werk Jesu“ und von der „Präexistenz Jesu“ (Unterstreichung R. S., um aufmerksam zu machen) je ausführlich gesprochen, und zwar stets, wie es heißt, „bezüglich christologischer Titel“: Diese Titel liegen für Cullmann offensichtlich vor der Einsichtnahme und Darstellung seiner Aussagen schon parat, um rechtens der kategorialen Charakterisierung des Darzulegenden zu dienen. Sie werden, und das ist bezeichnend, auf Jesus und zu seinen, in den ntl. Texten vorgegebenen Charakterisierungen und Benennungen eingesetzt! Die Verwendung von „Titel“ kommt sehr oft vor; so (in der Seitenfolge des Buches): 112 („Messias seit neutestamentlicher Zeit bis auf den heutigen Tag der eigentliche christologische Titel bei den Christen“); 175 („bei Jesus selbst … Barnascha und Ebed Jahwe sind die christologischen Titel, welche auf Jesus selbst zurückgehen; ihre Verknüpfung stellt in christologischer Hinsicht bei Jesus das entscheidend Neue dar“); 279 („Würdetitel ‚Gottessohn‘“!; dazu 280: „ob der Messias diesen Würdetitel trägt, ist oft gefragt worden“, dazu S. 281); 314 („Aus allem, was wir über die christologische Verwertung (!) der Würdetitel ‚Kyrios‘, ‚Logos‘ und ‚Gottessohn‘ gesagt haben, ergab sich bereits, daß jedenfalls von den mit diesen Titeln verbundenen christologischen Anschauungen aus Jesus im Neuen Testament als ‚Gott‘ bezeichnet werden konnte“); 326 („… Geduld aufbringt, jeden der christologischen Würdetitel im Neuen Testament für sich zu betrachten und zu untersuchen“; s. dazu den ganzen Text 375–327); 331 („Die heilsgeschichtliche Christuslinie zeichnete sich immer deutlicher ab. Alle Theologie wurde zur Christologie. Wenn Jesus (!) der ‚Kyrios‘ war, dann hatte dies Einfluß auf die anderen Würdetitel: jeder einzelne wurde nun – stillschweigend oder bewußt zu der heilsgeschichtlichen Gesamtheit in Beziehung gesetzt“; s. dort das Weitere); dann: 335 („So haben wir in den entscheidenden Würdetiteln stets den Gedanken der Stellvertretung gefunden …“). Zum Ganzen sei auch auf unseren Exkurs „Chrisologische Hoheitstitel“ hingewiesen. – Es seien des weiteren spezifische Bestimmungen der „Christologie“ aufgeführt: „Menschensohn-Christologie“ (167; 187; 189); „Anthropos-Christologie“ (175); „Kyrios-Christologie“ (243). – Formeln wie „Paulinische Christologie“ (77) und „Christologie des Petrus“ kommen auch vor. – Wichtiger ist die Formulierung „Christologischer Begriff “, der mehrfach mit Varianten begegnet: 91 („Hoherpriester – christologischer Begriff “; dazu „christologische Behauptungen … Zentrum der ganzen Christologie“: 107); 243 („… bleiben uns vor allem die christologischen Begriffe ‚Logos‘, ‚Sohn Gottes‘ zu untersuchen … Kyriostitel“!!); 301 („Gottessohntitel … Gottes-
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Diese eigenartige Weise der Vorordnung der sogenannten „christologischen“ Aussage-Inhalte vor den sogenannten „theologischen“ bei den dem NT zugewandten Wissenschaftlern zeigt sich in auffallender Weise bei H. Schürmann (wie freilich auch bei vielen anderen; hier nur als typisches Beispiel vorgebracht). In seinem LkKommentar finden sich dazu folgende Feststellungen. Zu Lk 1,4 heißt es: „In solcher Lage (das bezieht sich auf Apg 20,20.27; Lk 6,39–45 und 6,24ff: R. S. aus dem dortigen Kontext) erwächst dem Luk die Aufgabe, den Nachweis der Zuverlässigkeit der kirchlichen Unterweisung … zu erbringen. Damit leistet Luk der nachapostolischen Kirche einen lebenswichtigen Dienst bei der subjektiven Glaubensbegründung. Die Funktion (!) seiner Schrift ist somit nicht primär als eine ‚fundamentaltheologische‘ bestimmt, als wenn mit Hilfe der historischen Vernunft die historische Zuverlässigkeit der Verkündigung erwiesen werden müsse; vielmehr handelt es sich grundlegend um eine theologisch- geistliche Funktion (!), die der Glaubenszustimmung unmittelbar dient … Luk eröffnet so die Möglichkeit eines ‚geistlichen Schriftbeweises‘“ (14f). Dazu etwas später: „Obgleich in Lk (und Apg) eine charakteristische Theologie (!) greifbar wird – vermutlich nur eine reflektierte Systematisierung der wohl meist unreflektierten Durchschnittsanschauung (!) der Zeit und des Kirchenraumes des Luk –, würde er sich wohl dagegen gewehrt haben – etwa als ‚Theologe der Heilsgeschichte‘ –, unter die großen Theologen (Hervorhebung Schürmann) sohngedanke … Gottessohntitel (2x)“; 331; 333; 292 („Menschensohngedanke – Christologischer Grundbegriff “, mit 195). – Hierher gehören dann auch Formeln wie 111 („christologische Anschauungen“, so auch 168; 314): – Vielfältigst kommen Angaben vor wie „christologisches Denken“ u. ä., die alle eher auf schon systematisierendes Interesse und Verstehen hinweisen: 301 (christol. Denken des Markus); 332 u. 336 („christol. Denken“); 266 („christol. Nachdenken“, so auch 269; 330; 338). Nach „christologische Offenbarung“ (214) gibt es den „christologisch wertvollen Gedanken und seine Anwendung“ (138; dazu 269; 334; 338). Es wird gar von der „christologischen Rolle Jesu“ (!) gesprochen: 113. Dann erstaunen Formeln wie die folgenden gar nicht mehr: „christologisches Verständnis“ (11,99; 331), „christologischer Aspekt“ (109); „christol. Hinsicht – Punkt der Christologie“ (175); „christologisches Interesse; christol. Problem“(329); „christologische Verwertung“ (314); „christologische Erkenntnisprozesse“ (332) und christolog. Erkenntnisse“ (332; 333; 338 („christol. Überzeugungen“); „christol. Synthese“ (243; „funktionelle Christologie“ (336), bis zu „christologische Streitereien“ (316). ––– Zum Einsatz von „Theologie – theologisch“, der selten begegnet, seien diese Beispiele genannt (es sind zugleich alle Vorkommen!): „Gott“ selbst wird genannt: 12f (Jahwe; Plan, Wille Gottes); 13; 23; 26; 242–246; „Reich Gottes“ (42); „Vorläufer Gottes“ (12; 13; 23; 26); „Gottesknecht“ (50; 54; 72); „Gottebenbildlichkeit“ (144); „theologisches Denken – theologischer Gedanke“ 172; 199: 229; 240; 147 „die Schwierigkeit bei der Übernahme des theologisch fruchtbaren Menschensohngedankens … Gedanken des göttlichen Menschen“; 231 „Herrschaft Christi über das All … wie sie gedanklich-theologisch diese Verbindung begründeten“. Dann „Gottesbezeichnungen“: 205 „Adonaj“. – Weitere Formeln: „theologischer Standpunkt“ (315); „theologische Erwägungen“ (321); „theologische Reflexion … Ergebnis“ (265); „theologische Begründung der Herrschaft Christi“ (233); „urchristliche Theologie; Theologie der Alten Kirche“ (81 u. 276); schließlich der Satz „Alle Theologie wurde zur Christologie“ (331) als pauschales Urteil, was schon als Aussage ärgerniserregend ist. Vgl. zum Ganzen auch den Exkurs „Christologische Hoheitstitel?“
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gerechnet zu werden“ (16f; wir bemerken, daß Sch. selbst seine Beurteilung wieder zurücknimmt!). Zu Lk 1–2 sagt Schürmann einleitend vorweg: „Luk stellt seiner Evangelienschrift mit Lk 1–2 ein ‚Präludium‘ voran. Diese Bestimmung der Funktion (Hervorhebung Schürmann) von Lk 1–2 im Ganzen der Evangelienschrift hilft dem theologischen (!) Verständnis des in diesem ‚Vorbau‘ Gemeinten … Luk vermag freilich dieses ‚Kommen‘ Jesu nicht mehr so unreflektiert mit dessen erstem Auftreten zur Verkündigung zu identifizieren, wie das die Evangelienschreibung vor ihm tat (wo findet Sch. diese überhaupt?). Luk hat Traditionen gefunden (?), die sein (d. i. Jesu) ‚Kommen‘ und ‚Gesandt-sein‘ durchmeditiert (!) und durchreflektiert (!) hatten (taten das die „Traditionen“?) und so theologisch ausholender (!) – von Jesu Ursprung in Gott her (woher weiß Lukas oder die „Traditionen“ davon?) – verstanden … diese Ursprünge (Plural?) in Gott und das Kommen von Gott her mußten (!) theologisch entfaltet (!) werden“ (19f). Einleitend zur eigentlichen Auslegung von Lk 1,26–38 wird dieses gesagt: „Die Erzähltendenz (!) der Verkündigungsszene ist eminent christologisch (Hervorhebung Sch.; was meint hier „eminent“?): Es geht letztlich darum, die dem Glauben feststehende (!) Messianität und ‚Gottessohnschaft‘ Jesu theologisch zu gründen (!). Das geschieht durch den Aufweis (!), wie Jesus sein menschliches Dasein (!) der schöpferischen Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau (wo steht das dort?) verdankt (!). Der Bericht (!) schildert (!) von Anfang bis Ende … Gottes Wirken im Lichte der Prophetie Is 7,14 LXX (wo findet das Sch. bei Lukas ausgesprochen?), … die vaterlose Lebensentstehung (!) Jesu ist dem Bericht (!) vielmehr wichtig, weil an ihr christologische Aussagen (!) deutlich werden: Jesu Heiligkeit und die in Gott gründende ‚Gottessohnschaft‘ (Anführungszeichen warum?) offenbaren (!) sich darin … So wird die ‚Messianität‘ … gleich zu Beginn (wo steht von ihr dort etwas?) stabil fundiert (!), und zwar auf einem Bekenntnis, auf einer christologischen Wesensaussage … so ist mit hoher Kunst (!) die ganze Perikope auf die christologische (!) Botschaft hin gestrafft“ (40f). Dazu sogleich: „… hat darüber hinaus in der Perikope das Faktum der vaterlosen Lebensentstehung (wo steht davon etwas?) seinen eigenen – das Sohnsein begründenden (!) christologischen (!) Aussagewillen; die Behauptung der vaterlosen Lebensentstehung steht V 35 im Dienst (!) einer christologischen Denk-Bemühung (!), die deutlich mit dieser Begründung operiert (!) – und zwar doch wohl mit dem Willen, kausal zu argumentieren (!) …“ (63). Wir haben im Zitieren dieses Kommentartextes durch Rufzeichen und einzelne Bemerkungen auf das aufmerksam gemacht, was nach unserem Dafürhalten dringend hinterfragt bzw. dem klar widersprochen werden muß, weil der Text des LkEv das im Kommentar Herausgestellte und Behauptete überhaupt gar nicht aussagt. Wir verweisen nochmals z. B. darauf, wie zu Lk 1,26–38 schon einleitend, noch vor der Auslegung gesagt wird, daß das dem Glauben Feststehende (mit „Glauben“ soll hier doch sicher das ursprünglich Erlebte/Überlieferte und von den ersten Christen auch als Gott-bezeugt Auf- und Angenommene/Ausgesprochene gemeint sein) theologisch gegründet werden soll, und das mittels christologischer und im Dienst christologischer Aussagen, 31
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auch Wesensaussagen genannt. Ist das die Intention des Lukas oder überhaupt der Evangelisten, das Fest-Stehende und Geglaubte der Christ-Gewordenen überhaupt erst „theologisch zu gründen“, vielleicht sogar zu be-gründen? Oder ist es nicht total umgekehrt: Der Glaube vernimmt das im Werk und Wort Gottes selbst Geschehene/Gesagte, nimmt es als Wahrheit und Sich-Bewahrheitete an, anerkennend und sich bewegen lassend, um davon und daraus zu leben. Alles andere und Hinzugefügte dazu im Kommentar (!) Gesagte ist von woanders her und nach-träglich an das biblisch als Geschehen(es) Bekundete und Bewahrheitete herangetragen. Theologie kommt, wenn christlich recht verstanden, ursprünglich vom Hören und Glauben her und beginnt mit ihrem eigenen Nach-Denken, Nach-Sprechen und gegebenenfalls Ent-Falten mit Ein- und Zu-Stimmung und, wenn es angebracht ist oder einfach „ausgesungen“ werden will, damit, die Fülle des Glaubens in seinen einzelnen TeilInhalten „auseinanderzufalten“, ohne „Blätter“ anderer Herkunft hineinzubinden und diese gar dann für den Glauben ver-bindlich zu erklären. Genau das ist es ja, worauf wir in diesem unseren Buch so engagiert aufmerksam machen wollen, ja zu müssen meinen. Wir wollen daher, wie zu Anfang angekündigt, in diesem Kapitel („Zum Anlaß und zur Zielsetzung dieses Buches“) erklärende Rechenschaft ablegen. Aus dem bisher Dargelegten ist einsichtig geworden, daß wir klar und genau unsere Position im Verständnis von „Theologie“ und „Christologie“ zu beziehen haben und sie auch klar vorstellen. Denn unser Buch steht dem Titel gemäß in der Pflicht, darüber klare Auskunft zu geben, damit das Weitere, nämlich die Darlegungen in den Kapiteln II und III überhaupt recht verstanden werden, vor allem auch, was die Art der Darstellung und die angewandte Argumentation bzw. was die Motivation zu ihrer ungewohnten Forschungs- und Darbietungsweise angeht. Es dürfte klar geworden sein, daß wir Stellung beziehen müssen in dem uns verbindlich erscheinenden rechten Verständnis von Theologie, wenn sich diese eindeutig auf das christliche Glaubensbekenntnis und die ihm entsprechende Wissenschaft bezieht. Notwendigerweise muß aber auch von dem Verständnis von Geschichte und mehr noch von „Heilsgeschichte“ innerhalb einer sach-gerecht auszuführenden Christlichen Theologie gesprochen werden. Denn sie hat gerade eine Eigentümlichkeit, die vor und über aller anderen Bestimmtheit bleibend zuvor-liegt, seien diese philosophisch oder religionswissenschaftlich verstanden oder auch dem geschichtswissenschaftlichen Verständnis gerecht werdend. Dem versuchen die folgenden Erwägungen und Überlegungen wie Feststellungen zu entsprechen, um erst dann zum Aussagen des „Eigentlichen“ unseres Buches kommen zu können. Es sollen das jetzt keine abstrakt-theoretischen Vorüberlegungen sein, sondern solche, die sich in den vielen theologisch konzipierten und motivierten Büchern und Abhandlungen je länger desto mehr als notwendig erwiesen haben. Im Blick darauf ist das jetzt Folgende zu verstehen. Das gelingt hier am ehesten und am besten, wenn wir von dem schon Ausgesprochenen ausgehen.
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Wie bei O. Cullmann und am Beispiel der Kommentaraussagen von H. Schürmann sichtbar geworden ist, was aber auch sonst immer wieder begegnet, so ist es eine unumgehbar gewordene Frage, wie das Zueinandergeordnetsein von Theologie und Christologie zu sehen, zu verstehen und zu werten ist. Darauf eine ausführliche und umfassende Antwort zu geben erscheint als äußerst dringend. Das kann in diesem Kapitel nicht geschehen. Wir widmen ihr daher einen entsprechenden Exkurs, auf dessen Aussagen wir hier dann aufbauen dürfen. Wir bringen daher den Exkurs 7: „Theologie“ und/oder „Christologie“? – „Theozentrik“ oder „Christozentrik“ – Eine Problemanzeige – im Anhang I. Hier müssen wir jedoch wenigstens die Frage gestellt sehen und erkennen, daß wir untereinander in verantwortetem Sprechen uns nur dann sinnvoll auszutauschen vermögen, wenn uns gemeinsam hinreichend klar ist, was wir unter „theologisch“ und „christologisch“ verstehen, wenn wir sie unterscheidend und voneinander abgrenzend meinen einsetzen zu können. Wir erinnern uns an die Position, die O. Cullmann zu Anfang seines Buches „Christologie des Neuen Testamentes“ bezogen und offengelegt hat und für sich als verbindlich ansieht. Er bestimmt ja „Theologie“ ausdrücklich als „Wissenschaft von Gott“, und folglich „Christologie“ als „Wissenschaft von Christus“, womit er offensichtlich auch zwei verschiedene Objekte verstanden wissen will. Diese Bestimmungen gelten für die Aussage-Absicht seines Werkes, wie auch für die anzuwendende Aussage- und Argumentations-Weise. Das sei deswegen so geboten, weil schon die „ersten Christen“, „die älteste Kirche“ (1), die „Urgemeinde“ (2) so vorgegangen sei. Da ist unausweichlich zu fragen, was dann hier unter „Wissenschaft“ verstanden wird, wenn sogar schon für das Glaubens-Denken und -Sprechen der allerersten Zeugen und deren Bekundungsabsichten es so zu verstehen ist. Andere Neutestamentler verstehen, sicher vorsichtiger, „Theologie“ offener als „Rede von Gott“ und „Christologie“ als „Rede von Christus“.12 (In den Kommentaren und in der weiteren Fachliteratur werden die Ausdrücke „theologisch“ und „christologisch“ meist doch schon als wissenschaftlich sprechend verstanden und verwendet.) Wie immer man sich dazu stellen möchte, 12 Sehr aufschlußreich sind die ersten Sätze von S. Wiedenhofer im LThK 9 (2000) 1435 im Artikel
„Theologie. I. Begriffsgeschichte“: „Der heutige Th.-Begriff (Th. als gläubige u. zugleich vernünftige bzw. wiss. ‚Rede v. Gott‘ ) ist im Anschluß an eine vorchr. u. chr. Vor-Gesch. seit dem MA entstanden. Der Begriff Th. ist dabei ein analoger Begriff mit einem weiten Kontinuum v. Bedeutungen. Einerseits ist jede gläubige rel. Rede eine theol. Rede, sofern der glaubende Mensch zugleich ein denkender Mensch ist, der immer vor Fragen steht. Andererseits ist Th. ein enger Begriff, sofern Th. als Glaubensreflexion nur v. professionellen Spezialisten betrieben werden kann. Wie groß die Unterschiede zw. den versch. Gestalten v. Th. sind, hängt v. Grad der Ausdifferenzierung v. Glauben u. Wissen bzw. Denken u. dem Grad der Unterscheidung versch. Gestalten der Vernunft, des Wissens u. Denkens ab“. Diese Sätze mahnen zugleich äußerste Aufmerksamkeit an, was den Einsatz der Kategorie „Theologie“ und „theologisch“ sowie folglich „Christologie“ und „christologisch“ angeht. Das wollten wir oben im Text auch betont gesagt haben, zumal wenn eben Jahwe und Jesus Christus „Objekt“ einer wissenschaftlichen Rede sein sollen (was wir prinzipiell verneinen möchten).
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es ist unausweichlich die Frage gestellt, die vor allem Sprechen/Reden, wenn es um Gott bzw. Christus geht, beantwortet sein muß, nämlich: Können Gott (Jahwe!) und Christus (Jesus) überhaupt Objekt von Wissenschaft sein, jedenfalls dann, wenn von ihnen „theologisch“ die Rede sein soll oder muß? Dazu ist nämlich zu bemerken, daß jede Wissenschaft dem üblichen Verständnis nach ihr Objekt doch vor ihrem SichBetätigen durch freien und wohlüberlegten und alles leitenden Verstehensentschluß auswählt und als für sich verbindlich durchhält. Es wird vorher die Methode und die Vorgangsweise festgelegt, um sie penibel zu befolgen. Dazu werden bestimmte Vor-Überlegungen und Auswahlprinzipien in Bezug auf das zu wählende und dann festgelegte Objekt angestellt, an die man sich aus wissenschaftlicher Verantwortung halten will und auch genau hält. Das ist ja mit der stets eingesetzten Wortendung -logie gemeint. Mit dieser Bestimmung ist sprachlich festgelegt und bekundet, daß es um wissenschaftlich bestimmtes, motiviertes und zu vollziehendes Sprechen/Reden/ Argumentieren gehen soll und geht. Um sich wissenschaftlich auch untereinander austauschen zu können, ist in Bezug darauf ein zuvor vereinbartes Sprachspiel gefordert, um wissenschaftlich Erarbeitetes über bestimmte, festgelegte Sachen, Fakten, Personen usw. eindeutig verstehbar mitteilen zu können. Sind solcherart Bedingungen wissenschaftlichen Forschens und Sprechens im Urchristentum in Bezug auf das zu bekundende Geschehen (geschehenes Geschehen!) überhaupt vorhanden? Wohlgemerkt: Wir betrachten hier nicht schon die heutige Theologie nach ihrer wissenschaftlich bestimmten Konzeption. Es geht wegen unseres Themas und im Gespräch mit O. Cullmann und anderen Bibelwissenschaftlern, die seiner Position folgen, um die Texte der Bibel selbst und den Intentionen und Arbeits- und Sprechweisen der Autoren der biblischen Bücher und ihrer Adressaten. Es geht hier noch nicht um die wissenschaftlichen Bemühungen, die Bibelwissenschaftler heute anwenden, um die Aussage-Inhalte und Formulierungsweisen der biblischen Texte als solche z. B. nach literaturwissenschaftlichen Kriterien zu befragen und zu Aussagen zu gelangen, die heute wissenschaftlich feststellbar sind und fundiert in entsprechender Sprache vorgestellt und miteinander ausgetauscht werden. Uns geht es zunächst darum, herauszufinden und schlicht nachzusprechen, was die Heilige Schrift, das Wort Gottes, selbst auch dem heute Glaubenden sagt und bekundet. Die Bibel kann ja nicht als ein Text angesehen werden, der nur durch Fachleute verstanden werden kann, die ihre Erkenntnis als das verbindliche Wort Gottes mitzuteilen in der Lage sind. Es ist heute grundsätzlicher zu fragen, nicht zuerst ob Theologie als Wissenschaft überhaupt möglich ist; denn das hängt ja, wie wir wissen, von dem ab, was man meint, mit „Wissenschaft“ überhaupt bezeichnen zu wollen oder zu sollen, um es sogar miteinander sprechend austauschen zu können. Wenngleich wir unseren Blick in diesen Buch eigentlich nur auf eine Teilaussage der einen Heiligen Schrift achten, so müssen wir uns hier doch zunächst der GrundFrage stellen: Kann ich Jahwe selbst und sein Wirken überhaupt so erkennen, daß ich nicht nur irgendwie von ihm zu reden und von ihm zu „erzählen“ vermag, sondern 34
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ich sogar wissenschaftlich verantwortet das Erkannte auch ins gültige Wort zu bringen in der Lage und befugt bin? Und wenn ja, muß ich mich fragen: Will ich das überhaupt, und warum eigentlich? Um dazu eine sinnvolle Antwort zu finden, muß ich mir, nochmals vorher, die Frage ausdrücklich stellen: Wie kommt der Mensch, wie komme ich überhaupt dazu, so etwas wie Sprechen zu wollen und es dann auch tun? Wir gehen auf diese Fragen hier keineswegs aus erkenntnistheoretischem Anliegen ein; denn die Erkenntnistheorie geht ja von dem Faktum aus, daß wir so etwas „tun“, was „erkennen“ genannt wird, schon vor einem akkuraten Wissen, was wir da „tun“ und wie wir das eigentlich vollbringen. Das „erkennen-können“ wird da schon als selbst-verständlich vorausgesetzt. Wir gehen auf dieserart Fragen hier aufgrund unseres Anliegens in diesem Buch und das dafür zuvor Erkannte ein. Wir gehen daher, ohne gleichzeitiges Hinter-fragen, in unserem Antwortversuch auf die Ur-GrundVerfassung des Seins des Menschen, also auch unserer selbst, als Ausgangspunkt auf die Heilige Schrift selbst zurück, ur-anfänglich und bleibend, und verweisen auf sie. Als erste Frage ist ja, der Heiligen Schrift gemäß, gerade nicht: Warum und wie tue ich das, was „erkennen“ genannt wird. Das erste, nach dem ich frage, ist vielmehr: Wer bin ich? Dazu ist als Antwort zu sagen, was wir zu allererst bemerken und verstehen: Ich finde mich vor! Irgendwann – und das ist die Ermöglichung und der Anfang von allem, auch von meinem Fragen – ich erlebe mich „zum ersten Mal“, und zwar als den, der sich-selbst als ICH bemerkt, gleichsam zu sich kommt und sich als ICH „selbst-versteht“, als Subjekt und Objekt des Verstehens in-eins. Ich werde und bin mir-meiner-selbst-bewußt, eben als ICH. Ich vernehme mich als ICH; ja ich „höre“ und „schaue“ mich. Ich erlebe und begreife mich als „namentlich angerufen“, als AnGesprochener. Das bedeutet: Ich ver-nehme mich gleichsam mit DU angesprochen; ich bemerke mich in meinem ICH als DU, aber nicht aus mir-selbst heraus, sondern offenkundig von „jemand anderem“ her. Dieser DU-Ruf bin ICH. Weil ich mich so höre, vernehme, an-nehme und begreife, erkenne ich zugleich und in-eins mich als Zum-Annehmen-Gegebenen; ich weiß mich so als mir-Zugesagten. ICH erlebe und weiß mich im ur-eigenen Selbst-Bewußtsein als MICH-MIR-Gegebenen, nein besser noch: Mich-Mir-Angebotenen, aufgerufen, auf daß ICH Mich-selbst annehme und es als mein Sein „tue“: ICH-Sein, aus dem vernommenen DU-Sein-Vermögen, es ver-nehme und mich auch selbst vollbringe: ICH bin-namentlich ICH-selbst. Diese „Überlegung“, dieses „Be-Denken“ des ganz eigenartigen Er-selbst-Seins eines jeden Menschen haben wir hier angestellt aufgrund der Schrift-Stelle Gen 1,1–2,3, welchen Text ich höre und ihn als ICH-selbst mir gesagt begreife. Dazu erkennen und fühlen wir uns aufgerufen und berechtigt, weil durch die Faktizität dazu ermächtigt, ja animiert, genau dieses zu erkennen und als begriffen zu „wiederholen“ und es selbst wieder-geben, d. h. es als die Wahrheit aus-sprechen: der Mensch erfährt sich gemäß Gen 1–2 (und viele andere Schriftstellen bestätigen ihm das stets aufs neu) in seiner eigenen persönlichen ICH-Urerfahrung Angesprochnen und weiß so um sichselbst als ins Sein und zum ICH-Sein Eingeladenen und Befähigten, daß er es tun 35
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kann und auch tut. In diesem Sinne und in dieser Hinsicht ist jeder einzelne Mensch persönlich-namentlich JHWHs-DU, auf daß er dieses DU-Jahwes-Sein als sein ICHSein begreife und seinerseits auch vollbringe. Denn Jahwe ist und er sagt es jedem namentlich zu: „ICH-BIN-DEIN, das ist mein Name auf ewig“: Wenn wir so uns mit allem Recht als DU-Jahwes erkennen, haben wir die Vokabel (!) „Gott“ im Genitiv ausgesprochen, mit diesem grammatikalischen Genitiv, weil es die Wirklichkeit ist, den wahren und einzigen Ursprung unseres ICH-Seins ins Wort gebracht. Mit seinem ureigenen Namen widmet, ja weiht er sich, sein eigenes ICH-Sein mir (Dativ des Schenkens!). Und das gilt für alles und jedes einzelne Erschaffene überhaupt, wie es z. B. der Psalmvers 147,4 wörtlich aussingt: Jahwe ruft jeden Stern (und somit ein jedes von ihm Erschaffene) bei seinem Namen! Wir bedenken weiter: Wir haben in unserem Gedankengang – ob wir es bemerkt haben? – immer über uns-selbst und von uns-selbst gesprochen, indem wir uns-selbst in-eins als Subjekt und als Objekt unserer Rede eingesetzt haben. Das bedeutet: ICH als MICH-selbst (Akkusativ-Objekt) MIRselbst (Dativ-Objekt) geschenkt; ICH bin der Mir-Zugedachte/Zugewidmete, der SICH haben kann und darin sein ICH-Sein dankend vollbringt. Wir können es auch so aussagen: Der Anfang aller Erkenntnis ist nicht Skepsis, sondern die er-lebte und ge-lebte geschenkte Selbst-Verständlichkeit wie aller Welt. Nicht der Mensch beginnt ursprünglich selbst damit, sich ein Bild von der Welt, ein Weltbild zu machen oder gar zu malen. Er findet sich vielmehr ur-anfänglich vor in Welt, die sich zu malen ein anderer (doch gerade nicht Un-Bekannter oder Sich Verbergender!) mit sich-selbst begonnen hat und wozu er alle und alles zum Mit-Malen eingeladen hat und immer neu einlädt. Dieses „Weltbild“ stellt im Geschehen des Wirklichkeit/Wahrheit-Seins Ihn, Jahwe!, und uns-selbst dar, hell ins Licht und ins Bild; und es hat genau darin und daraus offen-sichtlich und singend „etwas“ zu sagen. Und nochmals: Das ist der schau- und begreifbare „Inhalt“ dieses Gemäldes in seinem erlebten Gemalt-Werden (Passiv-Präsenz; die Aktiven haben wir genannt), und es wird nie „fertig“ oder vollendet, solange der Maler und die Mit-Malenden sind. Und diese sagen und bekunden, ein jeder auf seine persönliche Weise: Ich-bin! Durch diese „Zwischen-Überlegung“ über unsere Selbst-Bewußhteit und unseres selbst-erlebten Selbst-Seins, das offenkundig allen Menschen je persönlich eigen ist (wenn nicht auf die je eigene Art für alles „Erschaffene“) haben wir erkannt und irgendwie auch klar eingesehen, daß jeder wissenschaftlich motivierten ErkenntnisSuche prinzipiell und immer schon etwas voraus-ist und voraus-bleibt, nämlich das Erleben/Erfahren des eigenen persönlichen Seins wie auch vieler anderer „Wirklichkeiten“. Das alles wird erfahren als Sich-Zusprechendes und unserem Erkennen-Können Sich-Eröffnendes, noch vor dem aufkeimenden Wunsch und gezielten Planen des Menschen, der darauf ausgeht, es zu tun, nämlich etwas (oder jemanden) zu erforschen und es oder ihn auf diese besondere Weise zu „verstehen/begreifen“ trachten. Mein Ich-mich-Erleben liegt allem anderen immer zuvor. Ich erfahre den oder das andere im gegebenen Fall als etwas, das „mich angeht“, sich mir zu-spricht – oder 36
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eben auch, das (wie wir formulieren) „mir nichts sagt“. Manchmal sagen wir sogar: „Das geht mir nah; das geht mir zu Herzen“! Der Entschluß zum Forschen erfolgt nicht eigen-initiativ, sondern wird angeregt durch das erfahrene AngesprochenWerden von jemand anderem bzw. von etwas anderem, als das man selbst-ist. Von daher ist sogleich das Weitere einsichtig, nämlich daß wir von uns-selbst und dem je anderen überhaupt sprechen/reden wollen und es tun, wobei dieses Sprechen stets auf den/das andere hin erfolgt (von dem Selbst-Gespräch hier zunächst abgesehen). Wir können und müssen zugleich sagen: Weil wir selbst Uns-Zu-gesprochene und An-gesprochene sind und uns das je andere gesagt sein lassen, bringen wir uns und alles ins Wort, das gerade dem ent-spricht, was es in seiner Wirklichkeit/Wahrheit ist. So sprechen wir uns und das je andere aus und auf den Hörenden unseres Sprechens hin. Wir sprechen ja nicht einfach „ins Blaue“ hinein! Damit haben wir die Grund-Erkenntnis ausgesprochen, daß nämlich wir und alles aufgrund des je EigenSeins Gesprächspartner sind (aktiven wie passiven Verständnisses), d. h. „von Natur“ eine Seins- und Gesprächsgemeinschaft. Alle und alles kommuniziert miteinander (gegebenenfalls auch gegeneinander, was wir hier zunächst nicht weiter besprechen müssen). Wir können das so Erkannte und hinreichend klar Verstandene zunächst gelten lassen, obgleich es noch viele Momente gibt, die geklärt werden müßten, wenn wir dem allem im Sinne einer gültigen Erkenntnistheorie nachgehen wollten oder müßten. Es sei dazu aber wenigstens auf das nochmals ganz eigen-artige Phänomen der personalen Freiheit im Erkennen-Können bzw. -Wollen wie auch auf das hingewiesen, was wir Wahrheit und Wahrhaftigkeit des Miteinander-Kommunizierens nennen; Sprechen, Miteinander-Sprechen und Aufeinander-Hören funktionieren ja nicht einfach automatisch in Natur-Notwendigkeit und -Gesetzlichkeit. Doch können wir diese weiteren Fragen hier beruhigt einem weiteren Nach-Denken anheimgeben. Daher: Rede von Gott und über Gott ist wohl Rede, die der Mensch gegebenenfalls von sich aus „tut“, aus eigenem persönlichen Ent-schluß. Doch er er-findet nicht selbst das, gar aus überlegt geplanter Absicht, was er im gegebenen Fall von und über Gott „reden“ und aussagen will. Vielmehr findet er sich-selbst zuerst als von Gott an-gesprochen vor, und zwar mit Gottes eigenem Von-sich-Reden. Von diesem Sprechen Gottes her weiß ja der Mensch überhaupt zunächst um sich-selbst; er ver-nimmt sich-selbst als Von-Gott-Angesprochenen und als Von-Gott-Ausgesprochenen. Gott ruft, wie wir gesehen haben, einen jeden Menschen namentlich ins Sein. Und in diesem Ruf spricht Gott-selbst sich zu. Das, genau das ist dadurch nicht nur Gott-Ausgesprochenes, sondern auch Sich-selbst-ins-Gespräch-bringen-Können, also „Worte“ zur Verfügung zu haben, die ihn, diesen Menschen, persönlich aus-sprechen und vernehmen lassen (können). Als von Gott An- und Ausgesprochener vermag der Mensch sich-selbst ins Wort zu bringen, das ihn-selbst ent-hält und also aussagen kann und im gegebenen Fall aus-sagt. Und genau so kann, kraft dieses seines persönlichen Menschseins, der einzelne auch das, was Gott ihm zu-spricht (oder zu-wirkt), 37
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hören, da Gott es ihm zu verstehen gibt? So können wir sagen: Was Gott dem Menschen zu-spricht, ist Gottes Wort, dessen Aussage-„Inhalt“ Gott-selbst ist, sein dem Menschen zu-gewandtes Sein und Wirken. Von daher ist es berechtigt und gefordert, das selbst-vernommene Wort Gottes auch mit dem aus dem Gott-verstanden-Haben herstammende eigene Menschenwort wiederzugeben, nachzusprechen, und zwar als das von Gott selbst zu-gesprochene Wort Gottes (und nicht selbst-erfundene Wort). Genau das meint unser christliches Sprechen vom Wort Gottes, das uns im Auftrag Gottes selbst sogar schriftlich überliefert und anvertraut ist: die Heilige Schrift. Von diesem Grund-Verständnis her ist das Ganze, was wir Heilige Schrift, die Bibel, nennen, das Wort Gottes, so vielgestaltig und viel-gehaltig es auch erscheinen mag. Hier sei nur darauf aufmerksam gemacht, daß wir auch gehalten sind, die eine Heilige Schrift, das eine Wort Gottes, insgesamt als eines zu lesen und zu beachten und daher keine Auswahl unsererseits zu treffen, um den ausgesuchten Teil für sich zu verstehen zu suchen. Was wir so erkannt haben, mahnt auch dazu, für alles eventuell geplante und dann auch durchgeführte Lesen, Auslegen und Interpretieren einzelner Text-Aussagen der Heiligen Schrift stets das Ganze als das eine Wort Gottes aufmerksam in den Blick zu nehmen und zu behalten. Eine Auswahl bestimmter Themenstellungen unsererseits zu treffen, steht immer in der Gefahr, daß wir nicht mehr die eine Heilige Schrift als gültige Quelle unserer, auch theologisch motivierter Erkenntnisse und ihr Ergebnis zu sehen, sondern andere Gesichtspunkte wirksam und maß-geblich werden zu lassen. Das gilt z. B. schon für die Versuche, je unterschiedene Theologien und Christologien zum Alten Testament und zum Neuen Testament zu erstellen. Diese Aufteilung der einen Heiligen Schrift in AT und NT ist erst in späterer christlicher Zeit erfolgt und keineswegs wirklich angebracht. Wir übersehen dabei nicht, daß es in der einen Heiligen Schrift, auch schon im sog. AT, durchaus Text-Gruppierungen verschiedener Art gibt, oder auch mit einem gewissen Recht von den vier Evangelien gesprochen werden kann. Doch bleibt die Heilige Schrift als das eine Wort Gottes dieses eine und multipliziert sich nicht in „Wörter Gottes“. Es sind ja viele Untersuchungen und Abhandlungen schon in Bezug auf diese Grund-Einteilung der einen Heiligen Schrift angestellt worden, die aber alle an ihrem Teil-Charakter kranken, ohne daß es bemerkt zu werden scheint. Wir brauchen diesem Problem hier nicht nachzugehen, müssen es aber im Auge behalten. Für unser eigenes Ziel bemühen wir uns, die eine Heilige Schrift zugrunde gelegt zu halten und zu beachten. Was ist die in der Heiligen Schrift bekundete Geschichte?
Geschichte, die in der Heiligen Schrift berichtet und bezeugt wird, durch Gottes eigenes Selbst-Sein, Selbst-Kundtun und den Auftrag, sie schriftlich aufzuzeichnen, ist prinzipiell zu verstehen als das Geschehen der Gott-gestifteten Lebensgemeinschaft Gottes mit dem von ihm Erschaffenen, seit allem Schöpfungsbeginn, so daß Gott und 38
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seine Geschöpfe (nicht nur Menschen!) das eine Gott-begründete Leben-in-Gemeinschaft des von Gott gestifteten Lebensbundes führen. Die so verstandene Geschichte ist daher von Gott her als die Lebens- und Schicksalsgemeinschaft zu erkennen, die in der Heiligen Schrift bekanntlich – wir sollten ruhig staunen! – vor allem in der Sprache der Liebe, der Brautschaft und Ehe wie auch der Elternschaft und Kindschaft artikuliert wird, und nicht in der Sprache von Staaten und der Politik mit- oder gegeneinander, wie es sich dann in den üblichen Geschichtsbüchern über das Verhalten menschlich-sozialer Gruppen wiederfindet. Das kann gar nicht hoch genug für das „Verstehen“ dieser Geschichte gewertet werden. Die in der Bibel bekundete Geschichte ist von allem Anfang an gott-gestiftete Lebensgemeinschaftsgeschichte Gottes selbst mit seinen Geschöpfen und daher grundsätzlich nur so zu verstehen. Aber so kann sie verstanden werden! Es ist zudem die eine Lebenswelt und Lebenszeit, in der diese Gemeinschaft besteht (Präsens!). Diese gemeinsame Geschichte ist Leben aus und in Liebe, die sich ereignet, geschieht („Geschichte“) in persönlich-frei-gestaltetem Miteinander bzw. Gegeneinander, wie es sich „im Laufe dieser Geschichte“ zeigt. Es gibt nur die eine und einzige Welt, von der wir wissen (können), und nur die eine und einzige Zeit, „in“ der dieses Geschehen sich „zeitigt“, d. h. sich als Währen erweist. Von einer „anderen“ Welt oder „anderen“ Zeit kündet die Bibel nicht. Alles ist Gottes bzw. von ihm her das, was es ist. Die Bibel kündet von einem „Anfang“ von allem, da Gott vom „Anfang“ an ist und wirkt und seine Geschöpfe mit-sein und mit-wirken läßt. Auch hat Gott am oder als „Anfang“ keinen fest-bestimmten „Plan“, kein „Ziel“, kein „Grundkonzept“ für den Geschehensablauf fest-gelegt, auch nicht für sich selbst, das er auf jeden Fall durchzusetzen sich entschlossen hätte. Der „Anfang“ ist vielmehr frei-gebende Liebe, die um Angenommen-Werden bräutlich wirbt. Gott hat sich als er selbst als Liebe „definiert“ und ihr Welt und Zeit eröffnet. Diese kennen nur Gegenwart, Da-Sein, Anwesenheit, weil Teil-Habe-in-Teil-Geben-zum-Teil-Nehmender-Teil-Gabe, auf Miteinander-Füreinander liebender Einander-Zuneigung. Das kennt nicht einmal „Gegenseitigkeit“, sondern nur dieses ein-einziges Währen des Ein-Herz-und-eine-Seele-Seins im Sich-aufeinander-hin-Geben und -Hin-Nehmen der einen Liebe, die Gott ist. Dieses Währen, das ja lebendigstes Leben als Geschehnis ist, ist das, was in der Bibel als „Geschichte“ verstanden wird.13 13
Wir werden im folgenden diesem Tatbestand dadurch gerecht zu werden versuchen, daß wir bewußt und reflektiert-verantwortet die Ausdrücke „Erschaffen“ (als „Tun“) und daher „Erschaffender“ (statt „Schöpfer“) für Jahwe und folglich „Erschaffenes“ (statt Geschöpf ‘) verwenden. Denn „Erschaffen-Sein“ ist das Sein, dem Jahwe gibt, an seinem Lebensgeschehen „teil“-nehmen zu können/dürfen: Teilnehmen aufgrund des Teilgebens Jahwes, doch zunächst im Sinne des Angebotes zum Anteil-nehmen-Können/Dürfen: Geschenk des Lebens-Vermögens zum Mit-Leben-mitJahwe in seinem einen und selben Leben-Tun. Denn Jahwe selbst ist das Leben (Tätigkeitswort im Präsens!); und er ist allein dieses Sein = Leben. Daran läßt er geschenkhaft „teil“-nehmen, wobei hier die Silbe „teil“ gerade nicht Teil-Stück meint, sondern für „mit-tun“ steht, „mit-tun“ im einen und ganzen Leben-Tun Jahwes. Erschaffen-Sein ist nicht ab-gegebene, d. h. angefertigte und abgelieferte Gabe, sondern stets darreichend vor-gehaltenes Geschenk im Sinne des Vermögens
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Dieses eine Lebensgeschehen, die Geschichte Gottes mit und im Gesamt des aus Liebe Erschaffenen und in seiner Liebe Während-Seienden zeigt sich als eine Fülle von Geschehnis-Weisen und geschehenen und geschehenden Ereignissen, von denen die Bibel spricht. Wenn wir da nach Einzelnem fragen wollten, um es zu benennen, würden wir zu erzählen und aufzuzeigen wohl anfangen, aber nie ein Ende finden können, eben weil dieses Währen selbst weder seine Voll-Endung noch einen ZielPunkt „gefunden“ hat. Wir wissen von keinem eschatologischen Ziel des Gedankens der Liebe Gottes. Daher hat es nur Sinn, auf das zu schauen, was in der Bibel selbst gegebenenfalls „im einzelnen“ bekundet wird. Da ist als erstes zu nennen, was wir (nicht die Bibel!) „Schöpfung“ nennen. Denn damit bezeichnen wir sowohl das „Tun“ Gottes, das Erschaffen, wie auch das Gesamt des Erschaffenen (oft einfach „Welt“ genannt). Wir sprechen davon meist im Perfekt. Dieses Gesamt des Erschaffenen wird zudem vorschnell als Gegenüber-zu-Gott-Sein begriffen, als etwas, dem eine gewisse Eigenständigkeit und ein Sich-selbst-Bestimmen (könnendes) zukäme und damit Abgegrenztsein jedenfalls vom Sein Gottes, weil von bleibender Abgegrenztheit Gottes von allem Geschaffenen die Rede sein müsse, „Transzendenz“ genannt. Das ist aber ein verhängnisvolles (Miß)Verständnis von Gott, von dem Erschaffenen und dem Mit-und-Zueinander-Sein, das Gott gestiftet hat und mit sich selbst begründet (Präsens!). Es sei folgerichtig, wie man meint, von dem Erschaffenen als Welt zu sprechen, der die „Welt Gottes“ als tranzendental, d. h. grundlegend „gänzlich anderes Seiendes“ un-zugänglich und fremd gegenüber-, ja entgegenstehe. Die gott-geschaffene Wirklichkeit, d. i. Gott und das Erschaffene, von der die Bibel kündet, kennt keine Transzendenz Gottes. Das ist ein Fachausdruck und Begriff, der erst in viel jüngerer Zeit in der Philosophie gebildet wurde (schon dort kaum geklärt) und von einigen Theologen leider in die theologische Rede übernommen worden ist, allerdings auch oft in der exegetischen Wissenschaft wirksam ist. Dem entgegen ist in der Bibel bezeugt und bekundet, was wir herausgestellt haben. Schauen wir da zunächst allein auf des Annehmen-Könnens und dann auch des Selbst-Tuns, nämlich Mit-Jahwe-Sein = Mit-JahweLeben. „Erschaffen“ (das Tun) wie „Erschaffenes“, ist stets präsentisch zu verstehen (wenn man auf grammatische Bestimmungen meint achten zu müssen). Beides spricht ja von ein und demselben Sein/Leben, das Jahwe ist. Darin mit-tun zu vermögen ist das Sein des Erschaffenen; dieses „muß“ es daher auch selbst tun, damit es lebendige Wirklichkeit ist. Der hier so bestimmte Ausdruck „Erschaffenes“ läßt es offen, von welcher „Art“ des Erschaffenen die Rede ist, von Erde, Himmel, Menschen, Engel, Tieren, Pflanzen … „Erschaffenes“ benennt alles und jedes einzelne beim richtigen Wort – eben wenn nicht von Jahwe selbst zu künden ist. Auch die Wendung „Vermögen“, hier eher ungewohnt, wählen wir, weil sie in unserer Sprache sowohl den Seins-Reichtum („Besitz“) wie auch Fähigkeit, Können, Macht zu wirken, ja auch Talent (als auszubildende und gestaltende „Anlage“) auszusagen gestattet. Dieser eher ungewohnten Wortwahl für das hier Vorzustellende hat ihren Grund im Wunsche, den biblischen Aussagen möglichst gut gerecht zu werden. Es sei beachtet, daß wir im folgenden immer „Erschaffenes“ für dieses „Gegenüber“ Jahwes, mit dem zusammen er zu leben wünscht, sagen, wenngleich meist an den Menschen gedacht ist. Denn Jahwe liebt alles von ihm Erschaffene, jeweils in der „Weise“, die dem je Eigen-Sein des einzelnen entspricht. Denn das gibt er gleichsam namentlich-liebend: Ps 147,4.
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den biblischen Ausdruck „erschaffen“ (arb) als das grund-legende „Tun“ Gottes, wie die Bibel davon spricht, dann stellen wir fest: das arb ist das Grund-Legende, das Gott mit sich selbst und als er selbst „im Anfang“ „tut“ (Präsens!) und „seit“ diesem Anfang darin sein eigenes Währender-Sein „vollbringt“. Denn „Erschaffen Gottes“ geschieht; es ist das Gott-Sein. Dies immer als Präsens zu verstehen, nie als Präteritum oder als Perfekt. Es erweist sich als „alltägliches“ Tun Gottes wie sein Sein. Dazu sei auf Ps 104 und auf Ps 8 mit Ps 19 und die dortige Sprechweise aufmerksam gemacht. Erschaffen-Sein ist währendes Gegeben-Werden; daher ist dieses Sein, das Gott erschaffend gibt, nicht als Gabe zu verstehen, die dem Erschaffenen als von Gott Angefertigtes zugeteilt wird. Gott gibt gleichsam darreichend zum Annehmen-Können (Begabung!); und im Annehmen wird dieses Wirklichkeit. Das alles ist Präsens, das kein Präteritum noch ein Perfekt kennt. Das gilt spezifisch für den Menschen, den Gott sich zu seinem Eben-Bild, zum geliebten Gegenüber, besser: zu seinem Du ersonnen und erschaffen hat, wie es z. B. in Gen 1,26–31; 2,7.18; 3,8 formuliert ist. (In Gen 3,8 heißt es: Gott wandelte im Garten, üblicherweise mit dem Menschen, seinem Du, zu beider gemeinsamen Freude. Jetzt hat sich der Geliebte versteckt, was zunächst Gott nicht versteht: Wie kann der Geliebte ein solches Tun „erfinden“?). Im Ps 104 wird deutlichst von der Freude Gottes und des Menschen in-eins gesprochen: Nach 104,1 (einleitender Preis, auf Gott hin gesprochen) und der vielfältigen „Aufzählung“ der Schöpfer-Werke Gottes spricht der Beter Gott seinen Liebeswunsch zu, er „möge sich seiner Werke freuen“ (31), wie er dann von sich selbst bekundet „An Jahwe habe ich meine Freude“ (34). Es tritt noch ein weiteres „Motiv“ des Singens des Beters hinzu: „Jahwe will ich singen mein Leben lang, will ihn preisen mein Leben lang. Möge ihm doch mein Lied gefallen!“ (33f). Beide, Jahwe wie der/das Erschaffene widmen sich und ihr Leben-„Tun“ einander, einem jeden vom anderen zur Freude bestimmt und gewünscht: liebendes Sein-Geben Gottes und liebend-antwortendes Dank-Sein-„Tun“ des Erschaffenen. Das ist folglich das eigentlich Grund-Gelegte und daher Zu-grunde-Legende für jeden einzelnen Lebens-Akt des Menschen, für eine jede einzeln zu „berichtende“ Lebens-Tat und deren Folgen für Gott und den Menschen. Davon ist dann auch die Geschichte des Lebensbundes Gottes mit dem Menschen und so mit dem Gesamt des Erschaffenen wesentlich geprägt. Es ist das gleichsam das GrundGerüst der biblischen Geschichte und der entsprechenden Erzählweise geworden. In Gen 1–3 wird die faktische Tragik offenkundig, die die Lebensgeschichte Gottes und des Erschaffenen aufweist. Der Wohl-Tat Gottes aus und in Liebe antwortet der Mensch durch Widerspruch und Verweigerung seiner-selbst. Da ist es wichtig zu sehen, daß Gott zunächst den Widerspruch und seine verheerenden Folgen, weil in die Entscheidungsfreiheit des Menschen gestellt, gelten und sich-selbst davon getroffen sein läßt. Er er-leidet und trägt selbst, was der Mensch verfügt; er erwägt jedoch sogleich, wie er das Schicksal des Bundes wenden könne. Er bleibt bei seinem gegebenen Wort „Ich-bin-Dein“ und versucht, es „neu“ zur Verwirklichung kommen zu lassen. Dem Mensch wird zuteil, was seine Verweigerung bewirkte: Nicht im Gottes41
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garten mit Gott leben und sich erfreuen können, mit allen negativen Folgen. Doch zugleich und in-eins kündet Gott an, daß diese, von Menschen gleichsam blind gewollte Lebenssituation ohne Gott und sein Zugewandsein ihr Ende finden wird – wenn der Mensch mit-zu-wirken sich zu seinem Heil überzeugen läßt. Nicht anders in der Noach-Geschichte: Die Menschen haben sich für das In-der-Sünde-Leben entschieden, mit den vernichtenden Folgen. Das trifft, so wird es hier ausdrücklich formuliert, Gott im Herzen: „Es gereute (!) Jahwe (!), daß er den Menschen auf Erden gemacht hatte und er war tief bekümmert“ (Gen 6,6). Er läßt geschehen, was die Folge der Sünde war. Doch er spricht einen Menschen namentlich an, um ihm und dann allem erschaffenen Leben doch das zuwirken zu können, was Gottes Absicht von Anfang an war und bleiben soll: Er bereitet Rettung, die im geschehenen Nicht-Heil erwirkt wird und gleichsam den Anfang „neu“ einsetzen lassen kann – wenn der Mensch es zuläßt. Dazu wird vom Willen Gottes gekündet: „Ich will die Erde nicht wieder verfluchen …“ (Gen 8,21 – 9,1–3, wo gleichsam der Spruch Gottes im Paradies wieder-holt wird). Dasselbe und doch geschichtlich Neue wiederholt sich, wenn man so sagen will, auch im Geschehen des Auszugs Israels aus Ägypten. Wieder wendet sich Gott an einen Menschen, namentlich, und spricht ihm, zunächst einladend-begabend, einen Auftrag zu zum Mit-Tun mit Gott, nämlich das Gott-erwählte (= geliebte!) Volk aus der Sündenwelt, symbolisiert Ägypten, herauszuführen, hinein ins Gottesland. Es wiederholt sich gleichsam die in Gen 1–3 erzählte Geschichte, in Umkehr des Geschehens: Wieder beginnt Gott damit, seinen Eigen-Namen, also sichselbst zu nennen, und zwar zur Beglaubigung und als Begründung seines Gedankens der Rettung mit diesem Erwählten-Volk: JHWH – Ich-Bin-Dein/Euer. Daß dieser alte/neue Name, d. i. Wunsch (!) Gottes trotz allem wiederholten Widerspruch doch Wirklichkeit werde, sich bewahrheite, dafür soll Mose dem Volk gegenüber Für-Sprecher/Werber Jahwes sein. Mose wendet ein: Wird man mir das abnehmen? Wird man sich führen lassen wollen? Wie soll ich sie überzeugen? (Wir sollten, zwischendurch gesagt, bemerken, daß dieser eine Mensch, Mose, mit-tun möge, so der Wunsch Jahwes, zu dem und in dem, was allen Menschen, ja allem Erschaffenen Rettung bringen wird, allen nämlich, dem Gott „im Anfang“ alles zugewidmet hat. Da hat er dem Menschen ja auch das Herr-Sein über alles Gott-Erschaffene anvertraut. Es soll Wirklichkeit werden und nicht während nur Angebot Gottes sein und bleiben. Es soll sich als Wirklichkeit bewahrheiten, auf daß alle Welt doch überzeugt werde, d. h. sich überzeugen lasse davon, was die Wahrheit ist: Jahwe – Liebe.) Die Bibel erzählt dann die weitere Geschichte dieses Lebensbundes Jahwes mit allem Erschaffenen, spezifisch (gleichsam stellvertretend für alle und alles) mit Israel. Es erscheint wie ein un-endliches Auf und Ab des Lebensgeschehens des Volkes mit bzw. gegen Jahwes Ur-Gedanken der Liebe. Man braucht, um das als biblische Grund-Überzeugung zu erkennen, dazu nur die sog. Geschichtspsalmen (sie sind Geschichtsbücher!) 105–107 zu lesen (und zu beten!), die sich im Psalter nicht ohne Grund sogleich an Ps 104 anschließen. Weiters ist auf Jes 5 zu schauen, immer nur 42
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beispielhaft herausgestellt: Jahwe ist betrübt über „seinen Weinberg“, d. i. Israel, das seine Liebe zu Tode verletzt hat. Jahwes Freund (als dichterisches Bild verstanden: Wer ist das?) singt das Leides-Lied Jahwes, weil dieser, zutiefst betroffen und betrübt, nicht mehr zu singen vermag. Alles hat doch Jahwe für seine Liebe getan, um es zu überzeugen und zur Zu- und Ein-Stimmung zu bewegen, dem Volk zum Leben, zum Heil gereichend. Das Lied des Leides wird – wieder – zum Liebeslied! Jahwe bittet sogar um Rat! Was hätte ich denn noch tun können? Ich habe doch alles getan, was meine Liebe mir zu tun aufgetragen hat. Sagt mir, gebt mir, dem Ratlos-Gewordenen, was ich tun könnte, um euch doch noch zu überzeugen. – Nichts anderes hat das Buch Hosea zum Thema (was wir hier nicht im einzelnen aufzählen können. Man beachte nur den Auftrag an Hosea, eine Hure zur geliebten Frau zu nehmen, und was folgt). Der Höhepunkt ist wieder das Lied des leidenden Jahwe. In Hos 11 zählt Jahwe selbst auf, was er alles tat – und wie Israel widersprach und sich verweigerte. Jahwe spricht: „Mein Herz kehrt sich in mir und gegen mich um“. Der Grund dieses „unglaublichen“ Geschehens: „Ich bin Jahwe, Gott, und nicht Mensch! Ich kann nicht anders“. Daher versucht Jahwe, Wirklichkeit werden zulassen, was er sich „im Anfang“ und bleibend wünscht und mit ganzem Herzen erfüllt sehen möchte. – Und wieder versucht – alles wiederholt sich gleichsam von Geschlecht zu Geschlecht – Jahwe „neu“ zu beginnen. So z. B nach Jes 7 zur Zeit des Achaz. Immer wieder geht es Jahwe darum, Zustimmung zu erlangen, zunächst wieder bei einem namentlichen Menschen, der aber für alle und alles Erschaffene steht, Achaz. Jahwe ist wieder der Antragende/Werbende, der sogar den Achaz ihm vorzuschlagen bittet, was Jahwe als Wahrheits-Zeichen für seinen Wirklichkeitswunsch erfüllen solle. Jahwe will Jahwe bleiben, trotz allem Widerspruch und aller Verweigerung. So kündet er in 7,10–15 gegen den sich-verweigernden Achaz an, was er auf jeden Fall Wirklichkeit werden lassen will: Es wird einer aus Israel (dem Sich- verweigernden!) geboren werden, der Gott-mit-uns heißen und genau das durch sich selbst und seinen Lebenseinsatz die wahre Wirklichkeit sein und tun wird. Hier dürfen und müssen wir uns an das Gleichnis Jesu in Mt 21,33–44 erinnern: Der Weinbergbesitzer sendet Boten und Wirken-Könnende aus, einen nach dem anderen, vergeblich. Dann heißt es: Zuletzt hatte er nur noch einen, seinen Sohn! Es muß hier nicht erst entfaltet werden, was mit alle dem an-gesprochen ist. Es ist eine „Erklärung“ für das Geschehen des Lebens des Bundes Jahwes, den er „im Anfang“ eingegangen ist und in den einzustimmen er seitdem immer neu einlädt, Begabung über Begabung dazu schenkend. Da braucht nur auf Röm 5,8 und Joh 3,16f hingewiesen zu werden, wo genau dies neutestamentlich betont ausgesagt wird. „Gott erweist seine Liebe zu uns dadurch, daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren“ (Röm 5,8). Dann Jesus im Gespräch mit Nikodemus, in dem Grundsätzliches ausgesprochen wird: „Denn so sehr hat Gott die Welt (d. i. in Joh die Sündenwelt) geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn dahingab (d. i. opferte!), damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern immerwährendes Leben habe. Denn Gott hat seinen Sohn nicht dazu in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, 43
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sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde“ (Joh 3,16). Wieder ist Liebe das Stichwort, sogar der Welt gegenüber, die (in der) Sünde ist. Wir sind damit bei dem, was immer unglücklich verkürzend „Christusereignis“ genannt wird. In Wirklichkeit ist es Gott-Ereignis, wie wir hinreichend deutlich erkannt haben, nämlich das eine Geschehen der Lebensgeschichte Gottes, in der Bibel „dokumentiert“, d. i. verkündet als Euvagge,lion. Das „Motto“ der ganzen biblischen Geschichtserzählung ist im Ps 66,16 am klarsten angegeben: „Alle, die ihr Gott fürchtet, kommet herbei, hört, und ich will euch erzählen, was er Großes (mir) getan hat!“ (vgl. dazu ähnlich Ps 34,9; 46,1–12; 66,5). Daher ist das gesamte, in der Bibel „erzählend“ ausgefaltete Lebensgeschehen Gott-Ereignis (wir sagen ganz bewußt nicht „Gottesereignis“) und von ihm her Menschen- und Weltereignis. Jahwe ist eben nicht „Ich bin, der ich bin“ (wie die LXX wiedergibt), sondern Ich-Bin-Dein/Euer, lieber noch: Ich-bin-Dir/Euch. Der Dativ ist hier der richtige Kasus. Von Jahwe „wissen“ wir nur aufgrund seines SichZusprechens und Sich-Gebens in allen seinen Formen und Ereignissen seiner-selbst. Jahwe ist, so weiß der Glaubende, d. h. ihn Hörende und Annehmende, der Sich-mirSchenkende, der Sich-Selbst als der Sich-Eröffnende und -Zusprechende, sich schenkend. Wir verweisen auch auf den Exkurs 2 „Gott in Geschichte“ im Anhang I. Was meint „Heilsgeschichte“?
Wort und Begriff „Heilsgeschichte“ sind „im 19. Jh. aufgekommen und waren von Anfang an umstritten. … Die heilsgeschichtliche Sicht ist berechtigt und notwendig, weil sie sich in den biblischen Texten selbst findet und weil sie grundlegenden Komponenten der biblischen Botschaft Rechnung trägt, nämlich dem Bezug zur Geschichte, zu dem in der Geschichte handelnden und sich offenbarenden Gott so wie zu dem … verheißenen Heil“ (so A. Weiser im LThk 4, 1995; 1336). Diese eigenartige Feststellung ist in mancher Hinsicht unrichtig; sie zeigt sogleich auf, daß Wort und Begriff „Heilsgeschichte“ in ihrer faktischen Anwendung unangebracht und irreführend sind. Vor allem wenn es um das sachgerechte Verständnis der biblischen Aussagen geht, und das ist sicher das Erstanliegen der christlichen Exegese, erweist sich „Heilsgeschichte“ als unglücklicher Terminus. Abgesehen noch davon, daß neben der so genannten „Heilsgeschichte“ keine andere „Geschichte“, etwa „Unheilsgeschichte“ benannt wird, so wird faktisch „Heilsgeschichte“ spezifisch für die Geschichte Israels verwendet, in die, wie oft formuliert wird, Jahwe „eingreift“, um sie in ein von ihm bestimmtes Ziel zu führen. Meistens läßt man den Beginn dieser Geschichte Gottes mit Israel wohl schon mit dem Bundesschluß Jahwes mit Abraham einsetzen, ohne aber die anderen Völker und Gruppen mitzubeachten. Erst im sog. Christusereignis wird der Blick auch auf alle Völker (meist Heiden genannt), ja auf alle Welt gerichtet. In ihrer faktischen Verwendung in der Exegese und Theologie wird „Heilsgeschichte“ meist zusammen mit „Neuanfang“, nämlich Gottes in seinem „Eingreifen“ in die Geschichte gesehen, was auch zu hinterfragen ist. Wenn man berechtigt und sachge44
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recht überhaupt von einem „Neu-Anfang“ sprechen will und spricht, dann setzt man irgendwie einen anderen oder gar mehrere „Anfänge“ als mitzubenennende voraus, und so wohl auch einen „Erst-“ oder „Ur-Anfang“, in Bezug auf den ein „Neu-Anfang“ bezogen wäre. Da ist die Frage gestellt: Wer oder was „fängt an“ bzw. wer oder was „fängt mit wem oder was neu an“. Worauf bezieht sich diese Bestimmung „neu“? Wir können hier allein aus unserem biblisch-christlichen Glauben eine Antwort zu finden versuchen; von woanders her denken und sprechen zu wollen, wäre nicht sinnvoll und auch nicht zielführend. Daher können wir aus dem ein-gesehenen, verantwortlich begriffenen und ins Wort gebrachten Glaubenswissen sagen: In allem Anfang, man könnte formulieren: Im Uranfang, im Anfang aller Anfänge ist „Schöpfung“, diese als „Tat“ („Tun“) des „Schöpfers“ zu verstehen wie als dessen „Ergebnis“. In und mit uns als seine „Schöpfung“ setzt Jahwe (wir verwenden hier bewußt ausdrücklich diesen seinen von ihm selbst genannten Namen statt des Wortes „Gott“, um streng im biblisch-christlichen Denk- und Sprachbereich zu bleiben) durch sich-selbst, aus sich-selbst und für sich-selbst wie mit sich-selbst das, was wir mit „Ur-Anfang“ bezeichnen (Erst-Anfang würde fragen lassen: von woher und woraufhin gerechnet?). Wir stoßen hier ohne Zweifel auf die vielen Fraglichkeiten, die in dieser Grund-Aussage sich melden. Die erste wäre: Ist für Jahwe überhaupt eine Zeit-Kategorie, welcher Art auch immer, anwendbar? „Anfang“ versteht sich ja als irgendwie begriffene Zeit-Kategorie oder auch auf logische Folge hin (wobei klar sein muß, worum es sich da handelt; die Ursache versteht sich ja z. B. als „vor“ der Wirkung „seiend“). Kann Jahwe überhaupt aus sich selbst heraus für sich persönlich einen Anfang, für was auch immer, setzen, wenn er „etwas“ (was?) mit sich anfängt? Ist (Präsens!) er „Sein“ (Jahwe sagt ja „Ich-Bin“), so daß er also sein Sein nur als im „Präsens“ in und bei sich selbst hat, somit keine „Vergangenheit“ (Präteritum; „war“) und kein Futur (etwas, was noch nicht wäre) kennt noch kennen kann? Im hier gemeinten „Anfang“ (was immer das Wort meint) ist ja nur Jahwe, er-selbst. Damit wird deutlich, daß wir für die Kategorie „Anfang“ (welcher Art auch immer) zunächst auf das andere Wort, nämlich „Schöpfer“ (und von ihm her „Schöpfung“) „reflektieren“ müssen, das wir verwenden, wenn wir von „Anfang“ meinen sprechen zu müssen. Der einfache Satz „Jahwe ist Anfang“ ist bar jeden Sinnes. Er wird in der Bibel nie gesetzt noch für uns suggeriert. Die Bibel beginnt (nicht nur in ihren Aussagesätzen, sondern in ihrem „Geschehen“ und dessen Versprachlichung) mit Jahwe- Schöpfer, der mit „anderem“ (was das ist, ist zunächst absolut nicht-gewußt) „anfängt“, etwas zu „tun“, um mit ihm zu tun zu haben zu beginnen, um sich-selbst ihm „erschaffend“ zu widmen (aus Liebe in Liebe, wie wir später begreifen). Dieses „andere“ kann nicht einfach als „NichtJahwe“ oder „Nicht-Jahwe-Sein“ verstanden und bezeichnet werden; denn das sagt ja gerade nichts; das wäre pure Verneinung, die nichts-sagend ist. So etwas „gibt es nicht“. Das „Ergebnis“ des „Erschaffens“ als „Tun“ Jahwes (Tätigkeitswort im Präsens! Jahwe ist Schöpfer; Jahwe erschafft) ist ja ein „anderes“ gänzlich eigentümlicher „Art“, eben „Erschaffen- Werden“ bzw. „Erschaffen-Sein“ (Präsens). Es gibt aber „neben“ 45
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oder „mit“ oder gar „vor“ Jahwe schlechthin nichts und niemand als etwas „anderes“; denn Jahwe allein ist. Man könnte hier einwenden, daß wir dann vielleicht besser sagen sollten „Jahwe lebt“. Das mag stimmen. Doch er lebt sich-selbst, sein eigenes Leben, das er als ICH-BIN ist, in dem etwas „anderes“ als er-selbst nicht zu finden ist. Wenn aber trotzdem von einem „anderen“ rechtens die Rede sein muß (der Grund dafür bin ich mir-selbst, denn „mich gibt es ja“: ich er-lebe ja mich; und das weiß ich), dann ist es offensichtlich durch das er-möglicht und wirklich, was „Erschaffen Jahwes“ ansagt. Was, so fragen wir daher weiter, „will“ Jahwe eigentlich in und mit dem, was wir von ihm her „erschaffen“ als Tun nennen? Ein solches Tun Gottes, wenn er es tatsächlich tut und vollbringt, betrifft ja ein „Objekt“, d. h. ein „anderes“ als JahweSelbst, weil es ja nicht etwas ist, das Jahwe im Leben-Tun seiner-selbst mit sich-selbst schon immer „tut“: selbst leben. „Erschaffen“ (Tätigkeitswort) spricht somit offensichtlich von einem „Erschaffen-Werden“ (Passiv Präsens!) und damit von einem „Sein“ (Präsens), das gerade kraft des „Erschaffen-Werdens“ durch einen anderen als es der Erschaffen-Werdende ist, eben durch den, der das „Erschaffen“ als seine Tat aktiv „tut“, d. h. durch den „Erschaffer/Schöpfer“. Wenn aber das Erschaffen-WerdenSein das Sein (Präsens) des Erschaffen-Werdenden (Präsens, wenngleich „Passiv“) ist, da-ist, dann ist dieses Erschaffen-Seiende es-selbst, eben kraft des Tuns des Erschaffers; und so kann und muß es mit sich-selbst auch benannt und bezeichnet werden. Von „Schöpfung/Erschaffen“ überhaupt realistisch, d. h. als tatsächliche Wirklichkeit zu sprechen, ja sprechen zu können und zu müssen, hat in sich selbst alle diese angegebenen Implikationen als ihm real vor-gegeben unverzichtbar und unaufgebbar bei sich, da der Erschaffer es nach seinem „Willen“ so als „Seiend“ „verfügt“. Wir sprechen hier offensichtlich die ewige Frage der Erkenntnistheorie an und sehen sie für uns im genannten Sinn gelöst, nämlich wieso wir überhaupt so etwas tun, bewußt tun wollen und tun können, was „erkennen“ genannt wird. Auf diese Frage brauchen wir aber hier nicht näher einzugehen. Wir dürfen es deswegen „übergehen“, weil wir uns um Einsicht in unser Glaubenswissen bemühen. Denn der Glaube ist diesem Bemühen ja zuvor und ruft es selbst erst wach. Wenn in den Bibelkommentaren und dann in aller Theologie von einem „NeuAnfang“, den Gott Wirklichkeit werden lassen will, die Rede sein soll, dann kann das nicht anders geschehen, als daß wir dazu wieder zuerst die Bibel selbst sprechen lassen und gut zuhören müssen, um es dann auch selbst so wieder-zu-geben, wie wir es vernommen haben, um es dann auszusagen und zu verkünden. Da stellen wir dieses fest: Die „Initiative“ zum „Neu-Anfang“ gibt und ist da nicht Jahwe! Vielmehr ist für Jahwe die bewegende „Motivation“, so jedenfalls sagt es die Bibel, das Zuvor-Geschehene, nämlich das „Agiert“-Haben des Erschaffenen, das Sich-Verweigert-Haben, das den von Jahwe selbst ursprünglich initiierten Gang des Lebensgeschehens des Bundes in den Wider-Gang versetzt, durch Wider-Spruch zum Einladungs- und LebensZuspruch Jahwes. Der „Neu“-Beginn, wenn diese Bezeichnung sachgerecht und richtig sein soll, ist ja die Re-Aktion Jahwes auf das, was das widersprechende Erschaffene 46
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ins Werk gesetzt hat, kraft der ihm geschenkten Freiheit zum An-Nehmen und MitTun im Bundesgeschehen zusammen mit Jahwe. Ein mögliches Nein-Sagen hat Jahwe nicht „von Anfang an“ schon „mit-einkalkuliert“. Jahwe selbst hat kein Vermögen zum Ja- oder Nein-Sagen geschenkt, sondern durch sein ursprünglich-erschaffendes Ja-Sagen „nur“ zum Annehmen-Können, zum liebend-dankbar-antwortenden Ja-Sagen. Der aus Liebe erschaffende Jahwe „rechnet“ nicht mit einer Nein-Möglichkeit! Der Mensch ist ja gerade als Eben-Bild, das Du-Jahwes erschaffen. So ist er das Ja Jahwes in Person. „Und Gott sah, daß alles sehr gut war“ (Gen 1,31). Damit ist über alles Erschafffene Jahwes Begutachtung und Urteil gesprochen. Das Ganz-Eigentümliche und absolut Un-Erahnbare des „Neu“-Anfangen-Wollens des Bundes-Initiators zeigt sich nun zunächst daran, daß Jahwe Sich-Selbst wirklich in seinem Herzen zu Tode getroffen sein läßt (Gen 6,1; Hos 11,8f), und zwar von dem, was das Aus-Liebe-Erschaffene meinte in seiner ihm mit-geschenkten Freiheit entscheiden und wirkungsvoll tun zu können. Jahwe läßt es auch ge-währen und wirksam sein, sogar zuerst für sich-selbst, dann auch für alles Erschaffene; denn das hatte er ja dem Menschen, als er ihn zum Herrn über alles einsetzte, anvertraut. Alles trägt folglich ab nun dieses Wesens-Merkmal: Statt Leben Nicht-Leben = Tod; statt Paradieses-Dasein das Nicht-Paradies; die widerliche Fremde und Gott-Ferne; Gott-Verlassenheit (die es ja für ein Gott-Erschaffen-Seiendes gar nicht gibt!). Man muß jetzt tatsächlich alles von Jahwe ins Wirklichkeits-Sein Eingesetzte und deswegen positiv mit Namen genannte Geschenkte aufzählen und dann mit dem Negativ-Zeichen versehen, um das wirklich auszusagen, was diese nein-gewordene Wirklichkeit ist. Denn durch den WiderSpruch ist alles zugrunde geprägt, eben weil es durch ihn wirkmächtig ver-nichtet ist. Alles hat dieses Vernichtet-Sein nun zu tragen, zu sein, zu leben und zu er-leben. Es lebt jetzt alles immer noch gemäß dem Ur-Wunsch Jahwes, zugleich jedoch nun auf das Nicht-Leben hin ausgerichtet und darauf festgelegt. Das Sein des Erschaffenen ist auf Des-Todes-Sein ver-kehrt, sein Leben lang! Und genau dieses verkehrte Sein und Leben ist das, was Jahwe nun durch sein Auf- und An-nehmen des Wider-Spruchs versucht, ein „neues“ Jahwe-Sein und -Bleiben werden zu lassen. Jahwe läßt das Nein voll gelten, aber diesem gewirkten Vernichtet-Sein keine absolute Ver-Wirklichung angedeihen. Vielmehr versucht er, dieses auf Nicht-Sein unausweichlich Ausgerichtete zu wenden. Jahwe strebt die Kehrt-Wendung des Nein ins Ja zu erreichen an – auch jetzt als An-gebot an das sich dem Vernichtetsein geweiht habenden Erschaffenen. Hier ist jetzt genau auf die Weise dieses Abwenden-Wollens Jahwes zu achten. Wie versucht Jahwe nämlich, das zu bewerkstelligen? Wieder nicht durch sein eigenes selbst-herrliches Wollen und Tun. Jahwe tut vielmehr das Un-Erahnbare! (Nur Gott konnte auf diese Idee kommen, die wir auch im Nachhinein nur staunend „begreifen“!) Jahwe will in seinem Vollbringen-Wollen genau das mit-beteiligen und mit-beteiligt wissen, was Ver-nichtung geworden war. Mit dem Ver-unstalteten gemeinsam wünscht er sein ursprünglich Gewünschtes doch Wirklichkeit werden zu lassen, unter erbetenem Mit-Wirken des Sich-Verneinten. Dem Zu-Tode-Geweihten 47
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will er gleichsam nach unausweichlichem Zu-Tode-Geworden- und also Tod-Sein das Den-Tod-hinter-sich-bringen-Können zu ermöglichen – wenn es mit-zumachen sich über-reden läßt. Jahwe geht dazu weder von seinem Ur-Gedanken und -Entschluß ab, noch von dem durch den Wider-Willen bestimmten Zuwider-Sein. Jahwe ver-nichtet gerade das Wider-Spruch-Seiende nicht kraft seiner (sog.) Allmacht, um dann erst an dessen Stelle etwas „absolut Neues“ erschaffend ins Dasein zu rufen. Vielmehr will er den erfahrenen Wider-spruch in seinem „wiederholten“ Zu-Spruch „neues“, das heißt „wiederholtes“ Lebens-Vermögen darreichend wenden, um „dasselbe“ Ur-Erwünschte „neu“ zu schenken. Das wiederholte Zu-Reden und Über-Reden ist kein Überwältigen, sondern nachdrückliche Zu-Widmung, die dem zu Beschenkenden Lebens-Freude zuteil werden lassen will. Jahwe hat sich ja in die Hand des Menschen geschenkt (nicht ausgeliefert!), so daß es der Mensch in der Hand hat, was Gott zu er-leben hat und erleben muß, weil er sich geschenkt hat. Und Gott ent-reißt sich nicht der Hand des Menschen, sondern er beginnt zu versuchen, in und aus diesem Geworden-Sein heraus doch freischenkender Jahwe „neu“, weil er-selbst, werden zu dürfen, – wieder wenn der sich-zunichte-gerichtete Mensch es zu-läßt! Das so wiederholte Ja Jahwes zum Menschen ist von Jahwe her genau das JA, das Jahwe schon „im Anfang“ als AMEN zu allem Erschaffenen ausgesprochen hat. Es soll jetzt durch Jahwe „neue“ Zu-Sage und vorhergehenden Ab-Sage des Erschaffenen gleichsam zum AMEN AMEN werden – wenn der Mensch sich zum Mit-Sprechen genau dieses AMEN Jahwes doch überzeugen läßt (vgl. dazu 2 Kor 1,18–21). Was wir jetzt so betont herausgehoben haben, zeigt sich augenscheinlich an dem ersten sog. „neuen“ Anfang Jahwes, am Noach-Ereignis. Das Erschaffene hat sich der Nichtigkeit geweiht: Gen 6,5–7.13. Jahwe sinnt auf sein Re-agieren. Er spricht Noach, der ja auch zum Nichtig-Gewordenen gehört, an und offenbart ihm seinen Gedanken der Rettung. Zugleich trägt er ihm an, das zu bewerkstelligen, was ihm und seinen mit-auserwählten Verwandten vor dem kommenden Un-Heil bewahren möchte. Er soll das bauen, was ihm im kommenden Geschehen Rettung werden kann. Noach soll sich an der Vor-Sorge Jahwes beteiligen lassen. Und Noach tut es; er baut nach den Weisungen Jahwes die Arche und vereint in ihr alles Leben, das Jahwe vor dem Un-Heil bewahrt wissen will. Statt die ganze Erde zu erfüllen, wie es „am Anfang“ vorgesehen war, soll diese kleine Schar in einer im Grunde gänzlich ungeeigneten Not-Unterkunft Wohnung beziehen, während die ganze Erde der Vernichtung als Ort für ihr Wirken gewährt wird. Noach erfüllt den Auftrag Jahwes und sammelt alles Erwählte an unmöglicher Stelle. Dann läßt Jahwe den Regen, den er ja, ihn erschaffend, der Erde wie allen Menschen und allem Leben zum Segen, zum Wachsen, Gedeihen, Blühen und Früchte- bringen bestimmt und befähigt hatte (vgl. Gen 2,5; Lev 26,9; Dt 11,11.14; 28,2; 32,2f; 1 Sm 23,4; Ps 72,5f; 147,7–9: Ib 5,10; 36,27f; Jes 30,23; 44,14; Jer 5,24; Ez 34,26; Sach 10,1; Apg 14,16; Jak 5,18), das erfüllen, was der sichverweigernde Wider-Spruch dem Regen zu tun bestimmt hat: Nicht-Segen und also den Tod bringen. Der Segen-Regen wird zur verheerenden Flut und vernichtet „alles 48
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Leben auf der Erde“ (Gen 6,17). Es ist nicht Jahwe, der das will oder bewirkt. Jahwe läßt vielmehr geschehen, was das sich- verweigernde Erschaffene aller Welt bestimmt und eingebracht hat. Weil Noach auf die Vor-Ankündigung Jahwes hört und die Arche bewerkstelligt und mit auserwählten Leben erfüllt hat, wird jetzt im Geschehen der Ver-weigerung/Vernichtung Rettung. Es zeigt sich, daß Noach berufen wurde zum gehorsamen Mit-Tun in dem, was Jahwe bewahren und „neu“ beginnen lassen will. Dazu wird sogar der vernichten-wollenden Flut der Auftrag erteilt, die Arche zu tragen, nicht zu verschlingen. Der vernichten-wollenden Flut wird es, ohne daß sie es weiß, aufgelastet, das Heil zu tragen und so den Erwählten in der Arche die Gewähr zu geben, nicht versinken zu müssen, eben weil diese wenigen Erwählten dem Rate Jahwes treu gehandelt hatten. Das Un-Glaubliche geschieht so auf eine Weise, die kein Erschaffenes sich ersinnen konnte. Dann, erst dann gebietet Jahwe den Fluten, in den ihnen „von Anfang an“ zugewiesenen Räumen und Wirkmöglichkeiten aufs neue zu tun, was Jahwe ihnen ursprünglich aufgetragen hat: Segen zu sein (Gen 1,9). Dann läßt Jahwe die Auserwählten und vor-läufig Geretteten „neu“ beginnen. Und zur Besiegelung dieses „neu“ begonnenen Bundesschlusses des Ur-Anfangs (Gen 9) läßt Jahwe den Regen-Bogen das Zeichen seiner Treue sein, wieder ohne diesem (schon von Natur aus erstaunlichen) Natur-Vorgang seinen Ur- Sinn zu nehmen. Er ist und bleibt nur Natur-Geschehen; aber gerade diesem gibt er jetzt das zum Zeichen Bestimmt-Sein, also einen Sinn, den man „nur“ glaubend erkennt, annehmen kann und sich an ihm erbaut und aufrichtet. Was wir so mit recht hilflosen Worten aus in der Bibel Bekundetem ins Wort gebracht haben, zeigt sich immer wieder in den folgenden jeweils „neuen“ Anfängen, weil das Erschaffene-Erlöste sich immer wieder neu verweigert, Jahwe aber nicht abgehen kann („Ich bin Gott und nicht ein Mensch“: Hos 11,9) und will von seinem Ur-Entschluß seiner Liebe. Letztlich wissen wir das als Christen aus unserem Glauben an das Geschehene im Pascha-Ereignis Jesu, in Tod und Auferweckung des Sohnes Gottes, der Gott ist. Dieser stirbt realst den Tod und das Tot-Sein (d. i. das absolute „Aus“ und „Ende“ allen Lebens!), im Gehorsam gegen Gottes Ur-Absicht und dem wirkmächtigen Nein des Erschaffenen. Es ist dieses Geschehen eben nicht nur Gottes-Gehorsam, sondern dies im vollem Gelten- und Wirken-Lassen dessen, was Erschaffenen-Entscheidung und -Tat war, das Erschaffenen-Nein passiv und aktiv zugleich zu Tode, indem er sich „zuvor“ das Sünder-Sein hypostatisch einte und in und mit ihm einlöst, was angeordnet war: Ja und Nein durch den Tod hindurch – in göttlicher, dem Erschaffenen un-denkbarer Radikalität. Das ist ja das „Ergebnis“ dieses Pascha-Geschehens: Der in allem gehorsame, d. i. Ja-Sagende zu Gott und zum Sünder in-eins, dieser wird „aufgenommen“ (Lk 24,51; Apg 1,9–11) „in den Himmel“, in die immer schon und bleibend liebenden Hände dessen, der sich als JHWH – ICH-BINDIR erweist, immer wieder „neu“ derselbe und eine. JHWH ist und bleibt JHWH. Es hat sich dabei aber auch deutlichst gezeigt, daß Jahwe nicht nur der aktiv Seiende und Wirkende in der „Geschehens-Geschichte“ des Lebensbundes ist, den er erschaf49
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fend begründet hat. Vielmehr ist er „von Anfang an“ der, der das „Schicksal“ dieses Lebensbundes mit-erleidet mit allen in ihm Eingebundenen – bis ins Tot-Sein hinein. Den Grund und die Wahrheitswirklichkeit dieser „Tatsache“ spricht Jahwe selbst in einem „unglaublichen“ Bekenntnis zu sich selbst und zu den Ihm-Verbundenen in Hos 11 aus, was wir hier nochmals wiederholen müssen und dürfen, als das eine Gottes-Bekenntnis überhaupt: Spruch Jahwes: „Ich bin Gott und nicht ein Mensch, heilig in deiner Mitte; ich kann nicht anders“! (Wir werden auf dieses Geheimnis in Bezug auf die Herkunft Jesu Christi noch eigens eingehen müssen; s. den Hauptteil unserer Untersuchung.) Was wir so in bestimmtem Sinne berechtigtes Sprechen von einem Neu-Anfang Jahwes feststellen konnten, zeigt sogleich auf, daß die Begriffsprägung „Neu-Schöpfung“ schlechterdings als nie zu rechtfertigen anzusehen ist. Wenn nämlich der Ausdruck „Schöpfung“ ganz allgemein für jegliches und alles eingesetzt wird, was Gott als Eigenes wirkt, etwa auch auf „wunderbare“ Weise, dann ist dem biblischen Verständnis von „Erschaffen Jahwes“ und „Von Jahwe-erschaffen-Sein“ untragbare Ungerechtigkeit angetan, ja von einem (vielleicht gar nicht intendierten) Mißbrauch dieser biblischen Wendung zu sprechen. Denn es ist ganz offenkundig, daß das mit arb Angesagte in seinem absolut unvergleichlichen Bedeutungssinn gesehen und anerkannt werden muß. Das dürfte aus dem zuvor Herausgearbeiteten im Grunde klar sein. Es ist hier nicht der Ort, diese Frage näher und grundsätzlich anzugehen und zu klären; sie wird durch zahlreiche Aussagen in den Kommentaren zur Herkunft Jesu Christi gemäß Mt 1–2 und Lk 1–2 immer wieder akut. Hier sei folglich auf die Besprechung dieser Stellen im Kapitel II und III hingewiesen.14 14 Wir bringen hier noch einige weitere Beispiele der zweifelhaften Verwendung des Begriffs
„Neuschöpfung“ zur Illustration des Gesagten: E. Schweizer sagt in seinem Lk-Kommentar zu Lk 1,26f.34–38 u. a. dies.: „Menschliche Abstammung konkurriert nicht mit Gottessohnschaft … schon der ungewohnte Ausdruck ‚Höchster‘ läßt an die in V. 35 ausgeführte Vorstellung denken. Jedenfalls ist vom einmaligen Einbruch Gottes in die Geschichte der Menschen die Rede, und zwar von Jesu Regentschaft, nicht von seinem Leiden … Damit (d. i. mit 1,34–48) wird das Wunder verdeutlicht. Zeugende Kraft ist im Judentum dem Geist nicht zugeschrieben, wohl aber Schöpfung (Ps 33,6: 1. Mose 1,2) und Neuschöpfung (Ez 37,14). Darauf liegt also der Nachdruck. Was geschah, als der Geist aus dem Chaos der Welt und aus dürren Gebeinen Leben werden ließ, das widerfährt hier Maria. Die Gegenwart Gottes selbst ‚überschattet‘ Maria ähnlich wie Gottes Wolke das Bundeszelt (…). Auch Lk 9,35 kommt mit der Wolke die erschreckende Gegenwart Gottes zu den Jüngern – nicht grundsätzlich verschieden von dem hier Erzählten, obwohl in 9,35 das neue Leben vom Wort Jesu erwartet wird … Der Glaube an Gott, der alles Leben schafft … hat sich hier verbunden mit dem Glauben an den Geist, der den Anfang einer neuen Schöpfung setzt … (Maria) ist offen für das wirkende Schöpferwort Gottes, demgegenüber sie nur ‚Magd‘ sein kann, deren er sich bedient“ (19–20). Hier erübrigen sich Worte dazu. Denn von „Gottes Einbruch in die Geschichte der Menschen“ zu sprechen und in Gen 1,2 den „Schöpfer“ und in Ez 37,14 „Neuschöpfung“ zu erkennen, ist schlicht absurd, zumal es mit „das widerfährt Maria“ nochmals im Un-Sinn-Sein bestätigt wird. ––– Als ein zweites Beispiel bringen wir, was H. Schürmann neben anderem zu Lk 1 in seinem Kommentar ausspricht: „Die Erzählungstendenz der Verkündigungsszene ist eminent christologisch: Es geht letztlich darum, die dem Glauben feststehende Messianität
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Es ist sicher aufgefallen, daß wir uns in diesen unseren Vor-Überlegungen jedes gängigen Begriffs, Fachausdrucks und entsprechender Wortbildungen und damit verbundener Anschauungsvorstellungen enthalten haben. Das ist ganz bewußt und mit voller Absicht geschehen. Wegen unserer Hauptthematik und des Plans seiner Darstellungsweise dessen, was wir meinen festgestellt zu haben und das wir kritisch besprechen wollen, erschien es dienlich, zunächst in einer vorwissenschaftlichen, im normalen Alltag üblichen Sprache, in der sich nach-denkliche Menschen untereinund ‚Gottessohnschaft‘ Jesu theologisch zu gründen (!). Das geschieht durch den Aufweis (!), wie Jesus sein menschliches Dasein der schöpferischen Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau verdankt“ (40; wir haben durch (!) auf Fragwürdiges aufmerksam gemacht). Wir bemerken, daß hier das Menschsein Jesu als „schöpferische Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau“, also als „Erschaffenes“ behauptet wird. Das wird durch spätere Aussagen bestätigt: Zu Lk 1,35 heißt es: „… wird die Erklärung des Wie gegeben: pneuma hagion wird das Wunder in ihr wirken, die schöpferische Allmacht Gottes … Gemeint ist das Pneuma, das am Anfang der Schöpfung über den Wassern schwebte (Gn 1,2) … durch die dynamis Gottes meint den gleichen schöpferischen Vorgang: Gottes Allmacht wird im Schoße Mariens ein Kind erschaffen. … Das eigentliche Erzählinteresse lichtet sich hier: wie Adam von Gott erschaffen ward (vgl. 3,38) und dadurch in einem Sohnesverhältnis zu Gott steht, so – und doch ganz anders – geschieht hier neue Schöpfung, nachdem die Kette der Zeugungen abgerissen ist … Weil das Kind in seinem Ursprung gänzlich gottgewirkt ist, wird es durch und durch heilig sein … Gottes Pneuma wird ihm schöpferisch lebenspendend das Dasein geben“ (52; 53; 54). Es erübrigt sich, darüber zu diskutieren. Hier wird das MenschSein Jesu mehrmals ausdrücklich als „Schöpfung“, ja „neue Schöpfung“, wie Adam, erklärt. Das ist offener Widerspruch zu dem in Röm 8,3, Gal 4,4 und Phil 2 Ausgesprochenen, von dem man kaum behaupten kann, Lukas habe das dort Formulierte überhaupt nicht gekannt (wenn er auch diese Texte nicht selbst gelesen haben mag). Dazu wird im Haupttext am gegebenen Ort gesprochen. – H. Räisänen macht folgende Aussagen zu Lk 1: „Lukas unterstreicht stark die Theozentrik der Heilsgeschichte … Die Empfängnis Jesu war eine creatio ex nihilo, eine neue eschatologische Schöpfungstat. Der sich realisierende Plan Gottes steht hinter allen Ereignissen …“ (102). Daß die „Empfängnis“ (!) Jesu als creatio ex nihilo verstanden wird, steht nicht im Lk-Text und ist pure Erfindung des Autors, dazu offener Widerspruch z. B. zu Gal 4,4: Röm 8,3 und vor allem Phil 2. Weitere Textstellen aus dem Buch Räisänens s. im Anhang II. – E. Nellessen spricht in seinem Buch „Wir haben seinen Stern gesehen“ mehrmals mittels dieser kritischen Wendung. Er sagt: „ein Zeichen, das auf Gottes neuen Anfang mit der ganzen Menschheit hinweist. Ähnlich verhält es sich mit der vom schöpferischen Geist gewirkten Empfängnis Jesu … Jesus ist der Beginn einer neuen Schöpfung … Faktum der Jungfrauengeburt“ (141; weitere Textstellen aus diesem Buch s. im Anhang II). K. Rahner bringt in seinem Beitrag „Dogmatische Bemerkungen zur Jungfrauengeburt“ u. a. diese Aussagen: „… das Werden der menschlichen Wirklichkeit Jesu … insofern dieses die schöpferische Tat Gottes ist … Es bedeutet einen schöpferischen Neuanfang aus der Initiative Gottes … aus der reinen, schöpferischen, gnadenhaften Initiative Gottes selbst …“ (141; s. weitere Textbeispiele dazu in unserem Anhang II.). H. Frankemölle spricht in seinem Mt-Kommentar mehrmals ausdrücklich und offensichtlich bewußt argumentativ von der Empfängnis Jesu als „Vorstellung, daß ein Sohn … ohne Zutun eines Mannes allein durch das schöpferische Wirken des Geistes Gottes“ geschehen ist (150). Wiederholt wird herausgestellt, „daß Jesus Christus seine Existenz in absoluter Weise einem schöpferischen Eingreifen Gottes verdankt“ (152). Es wird ausdrücklich-reflektiert von „einer absoluten (!) Neuschöpfung durch Gottes Geist in einer Jungfrau“ gesprochen. Wir bringen wichtige Text-Beispiele im Anhang; daran soll deutlich werden, wie hier einem biblischen Text Gewalt angetan wird. Wir verweisen für weitere Besprechungen wieder auf den Haupttext unserer Untersuchung.
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ander austauschen, zu bewegen, um das in diesem ersten Kapitel zu Sagende vorzubringen. Wir haben dazu zum näheren und tieferen Nach-Denken und Be-denken unseres lebendigen Wissens um uns selbst und um alles, was uns, wie auch immer, persönlich „angeht“, ermuntern wollen, in dem nämlich, was jeder einsichtsvolle Mensch ohne spezifische Vorkenntnisse mitbringen bzw. mitverfolgen könnte in dem, was wir meinen, einmal ausdrücklich ins Licht rücken zu sollen. Das Ziel war es, zu verstehen zu geben, was wir und wie wir als den Hauptinhalt unseres Buches in den folgenden Kapiteln vor- und darzustellen. Es sollte ein umfassender Horizont eröffnet werden, innerhalb dessen das, was im einzelnen im folgenden entfaltet wird, einmal ein-gesehen werden möchte, was im Grunde eigentlich jeder schon so sieht und begreift, bevor er sich damit thematisch beschäftigt; mit dem Ausgesagten als wirklich selbst-gewußt und selbstbewußt, wenn auch meistens im Dunkeln bleibend, identifizieren kann oder auch bemerken, daß er selbst alles ganz anders sieht und beurteilt. Es sollten keineswegs Vor-Entscheidungen suggeriert oder gar aufgedrängt werden, die eine eigene Auffassung verhindern würden. Das gilt hier im spezifischen Sinn für Einsichten, die schon als theologisch zu gelten haben. Wir möchten dafür gerade alles offen-legen und nichts als eigentlich längst feststehend und folglich intangibel zu gelten habe. So können wir jetzt im einzelnen ankünden, was in den folgenden Kapiteln zur Sprache kommen wird, wie auch, warum wir meinen das alles näher benennen und hervorheben zu sollen. Es sei dazu hier ausdrücklich darauf hingewiesen, daß wir die ungemein vielfältige und umfangreiche Fachliteratur gelesen haben und unseren jetzt folgenden Ausführungen deren gediegene Kenntnis zugrunde legen. So ist zugleich angeraten, alle im Folgenden oft sogar im Zitat wiedergegebenen Aussagen anderer Autoren auch seitens der Leser unseres Buches zur Kenntnis zu nehmen. Denn man muß die Vielfalt der vorgebrachten Behauptungen und die oft durch Jahrzehnte, wenn nicht durch Jahrhunderte vorgelegten und stets wiederholten Wendungen und Behauptungssätze wirklich selbst eingesehen haben, um zu verstehen und beurteilen zu können, was wir und warum wir vieles abzulehnen glauben erkannt zu haben. Daher empfehlen wir eindringlich, alle von uns aufgeführten Zitate in den Anmerkungen und besonders auch die zahlreichen Exkurse aufmerksam zu lesen. Erst kraft einer solchen genauen Einsicht- und Zur-KenntnisNahme aller aufgeführten Sentenzen der kritisch betrachteten und gewerteten Aussagen kann verstanden und beurteilt werden, was wir meinen vorlegen zu müssen, eben weil vieles nicht nur total bibelfremd, sondern auch als dem christlich-verbindlichen Glaubensbekenntnisgut widersprechend zu gelten hat. Das folgende Kapitel II legt die neutestamentlichen Haupttexte zur Herkunft Jesu Christi vor. Dazu gehören zuerst die Texte Mt 1–2 und Lk 1–2. Deren Aussagen werden vorgelegt, indem zunächst deren rechte Übersetzung in die deutsche Sprache sowie deren theologische Erfassung ausgesprochen werden. Dazu werden, besonders hervorgehoben, die Kernpunkte des Aussage-Inhalts der genannten Texte benannt und nach Notwendigkeit näher besprochen. Es zeigt sich, daß Erstaunliches, 52
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für manche vielleicht sogar bisher ganz Unbemerktes herausgehoben werden muß. Diesen beiden Abschnitten zu Mt 1–2 und Lk 1–2 werden dann die Textstellen Gal 4,4f, Röm 1,3, Phil 2,5–11 und, spezifisch nochmals anders entfaltet, Joh 1, insofern sie zur Herkunft Jesu Christi ausdrücklich etwas aussagen, besprochen. Dem folgt dann, noch innerhalb des Kapitel II, die Vorführung unbiblischer und sach-fremder Wörter/Begriffe in der faktischen Anwendung in Bezug auf die besprochenen ntl. Texte zur Herkunft Jesu Christi in der Exegese und Biblischen Theologie. Zuerst wird über den Ausdruck/Begriff „Jungfrauengeburt“ gesprochen, eine Redewendung, die es ja nur im Deutschen gibt, aber von ungemein großer Bedeutung geworden ist. Es tritt bei näherer Einsichtnahme Erstaunlichstes in den Blick, das allerdings im ntl. Text nirgends an- oder aus-gesprochen vorzufinden ist. Als weiterer, ähnlich frag(un) würdiger Begriff wird „Präexistenz“ aufgewiesen, wieder als eine Wortbildung, die das NT nirgends kennt, sondern erst in späterer Zeit zunächst im philosophischen Denken und dann noch später in das entsprechende theologische Denken aufgenommen worden ist, mit sehr fragwürdigem Aussage-Inhalt. In derselben Weise werden „Anfang/Anfänge Jesu“, „Lebensentstehung Jesu“ und „Menschwerdung“ bzw. „Inkarnation“ kritisch besprochen. Das folgende Kapitel III ist in seinem Inhalt und in seiner Darbietungsweise geprägt von der Tatsache, daß in den Kommentaren zu den ntl. Schriften, die zur Herkunft Jesu Christi Entscheidendes aussagen, sehr oft behauptet wird, die entsprechenden Aussage-Inhalte seien untereinander nicht vereinbar, sie widersprächen sich sogar gegenseitig. Es sei eine Konkurrenz zwischen den verschiedenen Christologien (Plural!) des NT zu sprechen. Dem sind wir nachgegangen und legen das Ergebnis unserer Feststellungen offen. Dazu ist Rede von jenen Texten, die als wegweisend für die anvisierte Zusammenschau der ntl. Text-Aussagen in Bezug auf die einschlägigen Stellen in Frage kommen. Von daher geleitet bringen wir eine entsprechende Zusammenschau der ntl. Texte zur Herkunft Jesu Christi. Da geht es nicht um einen Überblick, sondern um einen Gesamtblick kraft einer sinnvollen Zusammenstellung aller einschlägigen Einzelaussagen, nicht harmonisierend, sondern harmonisch. Ziel ist nicht ein von uns im Nachhinein konstruiertes und auf diese Weise strukturiertes Ganzes, das wir systematisch geordnet haben bzw. wenigstens so behaupten. Wir folgen nämlich in unserer Zusammen-Schau dem im NT bekundeten Geschehen, dessen Einzelgeschehnisse in ihrer eigenen „Aufeinanderfolge“ das eine „Bild“ selbst hergeben. Den Vor-Gang des Geschehens des Heils in Jesus Christus nehmen wir zum Leitfaden für die Zusammenschau, die sich auf diese Weise selbst ergibt. Wir werden uns für das Auszusagende bewußt einer Sprache bedienen, die sich hauptsächlich an der der Heiligen Schrift selbst orientiert und anschließt. Wendungen, die von philosophischen und theologischen, aber auch aus anderen Denkansätzen wie denen der Natur- oder Literaturwissenschaften u. ä. herrühren, vermeiden wir ganz bewußt, auch wenn sie längst als allgemein-üblich gewordene gelten. Dadurch wollen wir sogleich auch die brisanten Redewendungen bzw. eingebürgerten 53
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„Fachwörter“ zunächst vermeiden, weil gerade sie oft die exegetischen und theologischen Probleme überhaupt erst wachgerufen haben. Im Laufe unserer Darlegungen wird dann offenkundig, wo sinnvolle oder eben unbegründete Frag-Würdigkeiten vorliegen, die der Bibeltext selbst nicht aufweist und zu lösen vorgibt. Im Abschluß und Ausklang nennen wir nochmals die wichtigsten Punkte unserer Darstellung und weisen auch auf, daß von bestimmten Ausdrücken/Begriffen und Redewendungen in der Theologie gänzlich Abschied zu nehmen als dringlich erscheint.
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Erster Teil Die neutestamentlichen Haupttexte zur Herkunft Jesu Christi In diesem Kapitel sollen die wichtigsten ntl. Texte benannt und besprochen werden, die von der Herkunft Jesu Christi Entscheidendes aussagen. Sie sollen zunächst nur nach ihrem unmittelbar einsehbaren Aussage-Gehalt befragt werden, noch vor allen spezifisch exegetischen, bibeltheologischen und systematisch-theologischen Aspekten und Frageweisen. In der entsprechenden ersten Einsichtnahme in diese Texte und ihre Kommentierungen zeigt es sich als dringend, zunächst um eine exakte Übersetzung dieser Texte besorgt zu sein, da sich nicht selten schwerwiegende Fehlübersetzungen finden, manche schon seit Jahrhunderten, ohne daß es bemerkt zu werden scheint. Sodann soll der Aussage-Gehalt im einzelnen erfaßt und vorgestellt werden, und zwar zunächst nur gemäß dem explizit dort Ausgesprochenen, noch vor jeder weitergreifenden Auslegung oder Interpretation. Bei manchen dieser Texte erwies es sich als angebracht, die Haupt-Aussagepunkte zusammenzustellen und als solche offenzulegen. Es wird sich im folgenden zeigen, worauf wir meinten, spezifisch aufmerksam machen zu müssen.
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Abschnitt A Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
I. Zur rechten Übersetzung von Mt 1 Vom Text des MtEv selbst her erweist sich das (später so genannte) 1. Kapitel, also Mt 1,1–25, als ein in sich gerundeter Abschnitt, der daher begründet als solcher gelesen werden will und muß, was allerdings ständig vom Ganzen des MtEv her zu geschehen hat, da ein Teilstück, das wesentlich zum Ganzen gehört und daher selbst „Evangelium“ ist (und nicht als „Vorbau“, „Vorgeschichte“ u. ä. verstanden werden darf). Dementsprechend nehmen wir die einzelnen Verse vor und übersetzen sie, gegebenenfalls mit klärenden Bemerkungen.
1. Mt 1,1
Dieser Vers lautet: bi,bloj gene,sewj VIhsou/ Cristou/ ui`ou/ Daui.d ui`ou/ VAbraa,m, von Frankemölle übersetzt mit: „Buch der Geschichte Jesu Christi, (des) Sohnes Davids, (des) Sohnes Abrahams“ (Fr. I.17). Dieser sicher programmatisch klingende Satz wird von vielen Kommentatoren als Überschrift über das gesamte MtEv verstanden. Andere möchten 1,1 als Überschrift nur über Mt 1 bzw. nur für die in 1,2–17 vorgelegte Genealogie ansehen (wobei 1,18–25 als „Fußnote“, d. h. klärende Auskunft zu 1,16, zu gelten habe). Wir brauchen hier selbst (noch) keine Entscheidung zu fällen (vgl. den folgenden Abschnitt). Wie immer man sich entscheiden mag, der Satz 1,1 läßt sicher den Aussageinhalt des MtEv deutlich, wenngleich in aller Kürze, verstehen. Will man unbedingt von einer „Überschrift“ sprechen, so wäre 1,1 als tatsächlich erster Satz des MtEv schon hinreichend verstanden, sowohl im Sinne derer, die dies nur für 1,1–25 gelten lassen, wie für die, die für „Geschichte“ oder auch „Herkunft Jesu Christi …“ plädieren. Wird „genesis“ in 1,1 als „Geschichte“ begriffen,1 dann wäre ge1
Dazu sei auf die eindringlichen Sätze Frankemölles hingewiesen, die für eine klare Position in dieser Frage plädieren: „Die Tatsache, daß ich die Bezeichnung ‚Überschrift‘ (für Mt 1,1: R. S. aus dem Kontext) gewählt habe und dem ersten Vers des Evangeliums im Gegensatz zu den Bibelausgabe einen eigenen Unterpunkt einräume, enthält bereits die Antwort: Die Leser des MtEv verstanden die griechische Wendung bi,bloj gene,sewj nicht als ‚Stammbaum‘ (so die Einheitsübersetzung),
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I.
Zur rechten Übersetzung von Mt 1
nau anzugeben und im gesamten MtEv stets zu beachten, was hier mit „Geschichte“ angesagt sein soll.2 Denn das MtEv ist jedenfalls kein Geschichtswerk im üblichen (damaligen wie heutigen) Sinn, sondern Evangelium (ein, wie wir schon erkannt haben, semantisch analogieloser Begriff !). Es enthält tatsächlich auch Aussagen und Feststellungen, die als historisch interessiert anzusehen sind, die aber nicht aus geschichtswissenschaftlichem Interesse herrühren und formuliert sind. „Evangelium“ meint auch keineswegs „Dichtung“, wenngleich von einem Schriftsteller verfaßt, keine Sammlung von „Geschichten“, die von „Wirklichkeit(en)“ in der Weise fiktiver Erzählungen reden oder Traumwelten und Wunschbilder für eine bessere Welt vorgaukeln. Das „Evangelium“ ist auch keine Schrift, die philosophische, ethische oder wie immer religiös erbauliche Dinge oder Gedanken zur frei beliebigen Annahme und zur persönlichen Lebensführung der Leser als Maß und Muster vorlegt, denen jedoch keinerlei überzeitliche Gültigkeit oder verbindliche Werthaftigkeit zukommt. ge,nesij in 1,1 als „Geschichte“ übersetzt gibt im Grunde schlicht das an, was Matthäus als Werk schreibt: Das Evangelium Jesu Christi. Was dies genau ist und meint, das sagt das ganze Werk selbst hinreichend klar. Und genau das wäre für „Geschichte“ als Übersetzungswort von ge,nesij in 1,1 anzusetzen (nicht für jedes Vorkommen von ge,nesij im MtEv wohlgemerkt!).
2
sondern als ‚Buch der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams‘. Sie lasen diesen ersten Vers als Überschrift zum gesamten Werk, und Matthäus gab ihnen damit gleichsam den Notenschlüssel zum Verständnis. … In welchem Sinn Matthäus sein ‚Buch‘ verstanden wissen will, deutet der Genetiv ‚Buch der Geschichte‘ an. Das Substantiv ge,nesij hat ein sehr weites Bedeutungsspektrum; es meint: ‚Ursprung, Entstehung, Zeugung, Geburt, Leben, Entstehungsgeschichte‘. Soviel ist klar: Bei aller Bedeutungsbreite zielt dieser Begriff auf das MtEv als Erzählung. Dies wird auch durch das Verbum gi,nesqai in der Bedeutung ‚werden, entstehen, geschehen‘ im MtEv bestätigt … Das heißt: Die im Evangelium erzählte Geschichte wird in der Überschrift in 1,1 für den Leser angekündigt. Bestätigt wird diese Deutung durch einen Blick auf das biblische Vorwissen der Leser. Kannten sie schon den Begriff bi,bloj in der Bedeutung ‚Buch‘ als Titel einer Schrift (vgl. etwa die Einleitung zu den Büchern Tobit, Nahum, Baruch sowie den Prolog, Vers 31, zum Buch Jesus Sirach), ebenso den Begriff ge,nesij als Überschrift zum ersten Buch der Bibel …, so ist der Begriff bi,bloj gene,sewj selbst in Gen 2,4 („dies ist das Buch der Entstehung/Geschichte des Himmels und der Erde‘) und in Gen 5,1 (‚dies ist das Buch der Abstammung/der Geschichte der Menschen‘) belegt. Thematisch dürfte Matthäus sich vor allem an Gen 5,1 in der griechischen Bibel anlehnen …; dies deswegen, da es in Gen 5,1 zum einen um die Geschichte der Menschen geht und zum anderen der Vers nicht die Überschrift eines Stammbaumes ist.“ (Fr. I.128–130). – Daß sich Fr. selbst nicht immer an das von ihm zuvor Behauptete und Eingeforderte hält, muß uns hier nicht weiter beschäftigen. Will er das ganze MtEv prinzipiell als Ganzes und in Einheit gelesen wissen, so hindert es ihn doch nicht, innerhalb dieser einen Geschichte eine „Vorgeschichte“ zur sogenannten „eigentlichen“ Geschichte Jesu Christi herauszuheben: vgl. etwa die Sätze in I.77ff und öfter. Darauf werden wir später zu sprechen kommen. Was das Wort und der Begriff „Geschichte“ in der Auslegung des MtEv bei den Kommentatoren in der tatsächlichen Verwendung im Text im einzelnen ansagt – und das ist eine Vielzahl von Bedeutungen von „Historie“, „Geschichtsfakten“, „Geschehen“ bis zu „Erzählung“ „Gleichnis“ usw. –, das legen wir im Exkurs „Evangelium“ im Anhang I.6 vor.
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
2. Mt 1,2–17 — Der Stammbaum Jesu Christi a) zu Mt 1,2–16
Für den ersten Teil dieses Abschnittes, nämlich 1,2–16 ist nur auf zwei Befunde hinzuweisen, was die Frage der rechten Übersetzung angeht. Die stereotype Sprechweise „A evge,nnhsen to.n B“ wird meistens mit „A zeugte den B“ wiedergegeben, wie ja auch die Vulgata „A genuit B“ bringt. Die Einheitsübersetzung, die auch Schnackenburg übernimmt, sagt: „A war der Vater von B“. In den Versen, in denen auch vier Frauen genannt werden (1,5.6) übersetzt die Einheitsübersetzung so: „Juda war der Vater von Perez und Serach; ihre Mutter war Tamar … Boas war der Vater von Obed; dessen Mutter war Rut …“. Im griechischen Text findet sich stets diese Formulierung: „A evge,nnhsen B evk th/j C – A zeugte B aus der C“. Für diese Redeweise im griechischen Text, die stets evk hat, geben die Kommentatoren verschiedene Übersetzungsweisen. So wird evk oft mit „aus“, oft mit „von“, ja auch mit „mit“ wiedergegeben. Das ist von großer Bedeutung, weil „genna,w“ später mehrmals begegnet, jedoch nicht mit evk in Bezug auf die Frau. Dort stellt sich dann die Frage, wie die Text-Aussage genau verstanden sein will. Wir werden dazu am gegebenen Ort zu klären haben, ob der Text selbst „undeutlich“ spricht, oder ob die Übersetzung und folglich das Verständnis der Mt-Aussage fragwürdig ist.3 3
Es erscheint eigenartig, daß wir uns dem Verständnis der Präpositionen in der Genealogie Mt 1,2– 16 besonders widmen. Doch es stellt sich heraus, daß hier wesentliche Fragen auftauchen. In der Genealogie 1,2–16 wie dann auch in 1,18–25 begegnet das Verb genna,w mehrere Male, und das stets in bedenkenswerten Sätzen. Gerade auch die mit genna,w eingesetzten Präpositionen erregen die Aufmerksamkeit. In 1,2–15 findet es sich in gleichsam selbstverständlicher Anwendung. Im Stammbaum dort wird immer wieder formuliert: A zeugte den B; B zeugte den C usw. In den Versen 2,5 und 6, die zur Formel einen Zusatz bringen, indem auch die Frau namentlich genannt erscheint, wird gesagt: A zeugte B aus der C; und so dreimal. Im griechischen Text lautet es so: „A evge,nnhsen B evk th/j C“. Die Übersetzungen dieser Verse variieren auffallend. Für evk setzen viele „aus“; andere geben evk mit „von“ oder mit „mit“ wieder, ohne daß Gründe dafür angegeben werden. Frankemölle setzt in seinem Kommentar in 1,3 „aus“, in 1,5.6 „mit“. Weitere Beispiele dazu können und brauchen hier nicht beigebracht werden; nur auf die Einheitsübersetzung sei hingewiesen; sie hat ihre eigene Übersetzungweise für 1,2–15: „Abraham war der Vater von Isaak, Isaak von Jakob, Jakob von Juda … Juda war der Vater von Perez und Serach; ihre Mutter war Tamar … Salmon war der Vater von Obed; dessen Mutter war Rut …“. Diese Beobachtung könnte ohne weitere Bedeutung sein. Doch begegnet genna,w später in 1,16 und dann in 1,18.20, und zwar in nochmals anderer Weise. In 1,16 steht genna,w im Passiv in Bezug auf Jesus, und evk bezieht sich auf Maria, was für viele Kommentatoren gewichtige Fragen aufwirft. Daher wird 1,16 auch sehr unterschiedlich übersetzt. Manche geben 1,16 so wieder: „Jakob zeugte den Josef, den Mann Marias, aus (auch: von) der geboren wurde Jesus, der Christus genannt wird“. Gnilka sagt es anders: „Jakob zeugte den Josef, den Mann Marias. Aus ihr wurde gezeugt Jesus, der Christus heißt“. Luz nochmals anders: „Jakob erzeugte (so in 1,2–15 immer statt „zeugte“) Josef, den Mann der Maria, aus welcher Jesus, der Christus genannt wird, gezeugt wurde“. Wie 1,16 seinem genauen Wortlaut
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I.
Zur rechten Übersetzung von Mt 1
b) Bemerkungen zu Mt 1,16
Mt 1,16 stellt bekanntlich ein textkritisches Problem. Denn es gibt (wenigstens) drei Lesarten, die zu berücksichtigen sind. Nach Gnilka (und vielen anderen Exegeten) ist der „Text 1 als der bestbezeugte mit Nestle-Aland zu bevorzugen“.4 Der Text lautet (in eigener Übersetzung): „Jakob zeugte den Josef, den Mann Marias, aus der geboren wurde Jesus, der Christus Genannte.“ Uns brauchen hier nicht die textkritischen und grundlegend-exegetischen Fragen und ihre Antwortversuche zu interessieren. Wir gehen hier auf den Text ein, wie er faktisch in den Kommentaren vorgestellt und erklärt wird. Dazu sei auf folgendes hingewiesen.5 In diesem Vers wird Josef schlicht
4
5
nach im Kontext Mt 1 zu verstehen ist, wird wohl erst im Mitbeachten von 1,18.20 festgestellt werden können, weil in diesen Versen das evk zusammen mit genna,w nochmals anders verwendet ist. Der Hinweis darauf, daß genna,w in 1,16 im Passiv in Bezug auf Jesus steht und es sich um ein theologisches Passiv handelt und folglich Maria keineswegs im selben Sinne wie die Frauen in 1,3.5.6 zu verstehen ist („A zeugte B aus C“, wobei Gott für A stände), mahnt jedenfalls zum vorsichtigen Bedenken. Hinweisen kann man hier aber auch auf 2,1, wo genna,w im Blick auf Jesus im Passiv steht, ohne Zusatz, und es also wohl so heißen muß: „als Jesus … geboren war“. Gnilka 11: „Text 1 ist als der bestbezeugte mit Nestle-Aland zu bevorzugen. Der Text 2 vermeidet die Bezeichnung ‚Mann Marias‘ und ist deutlich sekundär. Text 3 ist widersinnig, es sei denn, der Abschreiber hätte das syrische Verb im Sinne der Adoptiv-Vaterschaft verstanden. Jesus, der Christus heißt, ist der Zielpunkt der Generationenfolge. Für ihn wurde der Stammbaum aufgestellt; er aber faßt in seiner Person die Geschichte Israels zusammen“. Es erübrigt sich, hier viele Beispiele zu bringen. Nur die folgenden seien aufgeführt, weil sie Einblick gewähren in die Problematik der Textfassung und -interpretation. Gnilka und Luz wurden schon in Anmerkung 1 vorgestellt. Sand bringt diese Variante: „… Josef, den Mann Mariens, aus der gezeugt wurde Jesus, der genannte Christus“ (41; Hervorhebung: R. S.). Dazu als Kommentar: „Nach V. 16 ist Josef das vorletzte Glied in der Geschlechterfolge; die Aussage selbst hebt hervor, daß Josef nicht der leibliche Vater Jesu ist. Doch ist nach jüdischem Recht der gesetzliche Vater der Träger der Geschlechterfolge, Josefs Ahnen sind also auch die Vorfahren Jesu: Jesus ist wirklich ein Sproß aus dem Geschlecht Davids“ (45). ––– Fiedler hat für die Genealogie seine eigene Übersetzungsweise. Er bringt für evge,nnhsen immer „war der Vater von …). So dann 1,16: „Jakob der Vater von Josef, dem Mann Marias; sie war die Mutter von Jesus, der Christus heißt“. Dazu der Kommentar: „Beim letzten Glied weicht die Genealogie vom bisher durchgehaltenen Schema ab. Statt ‚Josef war der Vater von Jesus‘ wird Josef als ‚Mann Marias‘ gekennzeichnet, ‚aus der Jesus gezeugt wurde‘. Formal entspricht das der Formulierung bei den zuvor erwähnten Frauen. Dort war natürlich stets der Mann als Vater genannt. Hier ist es nicht so. Diese Unbestimmtheit verlangt nach einer Erklärung, gerade auch aus diesem Grund: Die Absicht der Genealogie droht vereitelt zu werden, wenn Josef nicht in der Lage wäre, Jesu Anspruch des David-Sohns zu vermitteln, der in der Überschrift (1,1) angezeigt und im kunstvollen Aufbau der Genealogie entfaltet wird. Die Erklärung gibt Mt in V. 18–25, nachdem er in V. 17 gleichsam als Zusammenfassung eine ‚Lesehilfe‘ für die Genealogie geliefert hat, die eindeutig darlegt, wie er sie verstanden wissen will“ (45). ––– Luz übersetzt so: „Jakob aber erzeugte Josef, den Mann der Maria, aus welcher Jesus, der Christus genannt wird, gezeugt wurde“ (128; in der Anmerkung 19 dazu: ‚genna,w kann sowohl ‚zeugen‘ (so 1,20) als auch ‚gebären‘ (so 2,1) heißen. Wenn hier trotz des Passivs und der Präposition evk der Bedeutung ‚zeugen‘ der Vorzug gegeben wird, dann um der Geschlossenheit des Stammbaumes willen; vgl. V 3.5.6“). Der Kommentar sagt dies: „Das letzte Glied des Stammbaumes ist länger als alle anderen: So ist es für ‚den Christus‘, bei dem die Genealogie nun an ihrem Ende und Höhepunkt
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
der „Mann Marias“ genannt, was im damaligen jüdischen wie allgemein hellenistischen Raum „Ehemann“ bedeutet. Demgegenüber hat sich aber, wie wir später noch zeigen werden, für Maria und Josef das „Miteinander-verlobt-Sein“ als die Bezeichnung ihres Status durchgesetzt, angefangen im Lateinischen wie in allen modernen Sprachen. Das werden wir in der Besprechung von 1,1–25 (wie in anderen Textstellen) zu beachten und zu beurteilen haben. Wir halten für 1,16 auf jeden Fall „Ehemann“ fest. Dann ist es zur Frage geworden, wie das Passiv von „genna,w“, zumal mit der Präposition „evk“ richtig zu verstehen sei, und wie folglich hier „genna,w“ selbst gemeint ist. Die beigegebenen Kommentarstellen geben darüber hinreichend Auskunft. Tatsächlich gibt ja schon 1,16 zu bedenken, was unter „genna,w“ genau zu verstehen ist, und zwar in allen, auch den alten Sprachen, wenn es in Bezug auf „Mann“ bzw. „Frau“ gesetzt erscheint. Das wird gesondert zu erklären versucht.6 Wir vertreten hier für 1,16 auf jeden Fall verantwortet die Wiedergabe mit „Maria, aus der geboren wurde Jesus, der Christus Genannte“. c) Bemerkungen zu Mt 1,17
Hierzu ist in Bezug auf Übersetzungsfragen nichts zu vermerken. Daher kann hier auf den entsprechenden folgenden Abschnitt zur theologischen Auswertung der Textaussagen in Mt 1,1–25 verwiesen werden.
3. Mt 1,18 — Einige Übersetzungsprobleme
Der Text lautet in eigener Übersetzung, die sich möglichst nahe dem griechischen Wortlaut hält: „Die Herkunft Jesu Christi aber war so: Als seine Mutter Maria mit Josef verehelicht war, noch bevor die zusammengekommen waren, fand es sich, daß sie im Schoße hatte (trug) aus heiligem Geist“. Wir gehen dem Aussagegehalt dieses Satzes im einzelnen nach. a) zu Mt 1,18a
1,18a ist in seiner ungewöhnlichen Formulierung unübersehbar als Anschluß an Vers 16 erkennbar; er leitet offensichtlich die Erklärung ein, die Matthäus meint seinen
6
angelangt ist, passend. Nur um seinetwillen hat der Evangelist in der Genealogie die Geschichte Israels rekapituliert. Das Passivum evgennh,qh und die Erwähnung Marias lassen die Leser/innen an die ihnen bekannte Jungfrauengeburt denken. Die Frage, wieso der Sohn der Maria in den Stammbaum Josefs hineingehört, ist noch offen. Davon wird der nächste- Abschnitt 1,18–25 erzählen“ (136). Vgl. dazu den Exkurs zu „genna,w – zeugen“ im Anhang I.
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I.
Zur rechten Übersetzung von Mt 1
Lesern schuldig zu sein aufgrund der Formulierung in 1,16, die ja aus dem Rhythmus der Verse 2–15 als Abschlußvers herausfällt. Es ist die Frage gestellt, wie in diesem Satz 1,18a „ge,nesij“ zu verstehen ist. Meistens wird es mit 1,1 bzw. mit dem ständigen „genna,w“ in 2–16 in Verbindung gebracht, so daß sich „Herkunft“ als sachgerechtes Übersetzungswort empfiehlt. Andererseits wird „ge,nesij“ jedoch mit „Geburt“ wiedergegeben. Da aber, wie wir schon mehrmals betont haben, in Mt 1–2 von „Geburt“ überhaupt keine Rede ist, sollte „Herkunft“ indiskutabel sein.7 Das um so mehr, wenn man mit Stendahl die Erkenntnis gelten läßt, daß in 1,18–25 faktisch eine erklärende „Fußnote“ zu 1,16 vorliegt.8 Auch 1,18–25 dient ja dem Nachweis der Davidssohnschaft Jesu, wenn es mit ihr auch eine besondere Bewandtnis hat, die ja gerade in 1,18–25 offenkundig gemacht ist.9 b) zu Mt 1,18b
Dieser Versteil bringt zunächst die ganz persönliche Lebenssituation von Maria und Josef zur Kenntnis, und zwar als Zeitangabe, in der das Faktum vorlag, das als die Hauptsache ausgesprochen ist. Das zeigen wir im einzelnen am Text auf. Die Zeitangabe zu Anfang spricht von dem Ehestand Marias und Josefs in seiner besonderen Eigentümlichkeit, die allen Juden damals wie heute ganz selbst-verständlich, leider jedoch sowohl in der Vulgata wie in den modernen Sprachen als „Verlobung(sstand)“ bezeichnet wird, den es jedoch im israelitisch-jüdischen und übrigens auch im gesamt-hellenistischen Raum als Rechtsinstitution (privater oder öffentlich-rechtlicher Art) überhaupt nicht gab.10 Es ist bekannt, wie dieses Wort „Verlobung“ bzw. „verlobt“ zahllose Diskussionen ausgelöst hat, sogar zu langen „Begründungen“ und „Entschuldigungen“, daß z. B. in 1,16 schlicht vom Mann der Maria die Rede ist, „obwohl“ sie ja „nur“ verlobt gewesen wären; usw. Dem widmet sich der Exkurs, der diese Frage zu klären trachtet. Hier genügt diese (an sich unnötige) Erklärung für die Wiedergabe von mnhsteuqei,shj mit „verehelicht“, die wir vorschlagen.
Wir geben im Anhang II einige entsprechende Texte aus den Kommentaren an, denen wir gegebenenfalls Bemerkungen anfügen; s. d. 8 Der Artikel, auf den man sich immer wieder beruft, ist: Krister Stendahl, Quis et unde? Eine Analyse von Mt 1–2; ursprünglich in: Judentum – Urchristentum – Kirche. FS J. Jeremias (BZNW 26), Berlin 1960 (41964), 94–105 (übersetzt von G. Junker). 9 S. dazu die folgende theologische Erschließung des Textes 1,18–25 weiter unten. 10 Dazu bringen wir den Exkurs „Das jüdische Eherecht“. Dort sind die Besonderheiten genau aufgeführt und werden zum rechten Verständnis von Mt 1–2 wie Lk 1–2 anleiten. Dort auch Erklärung zu „Verlobung, verlobt“ als sachlich verfehlte Termini. 7
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
c) zu Mt 1,18c
Das Faktum, das dann im weiteren angegeben wird, ist somit seinem Zeitpunkt nach genau positioniert (was in der weiteren Ausdeutung von Bedeutung ist). Dieses selbst wird auch auf eine bemerkenswerte Weise benannt; jedes Teilmoment dieses sehr kurzen Satzes ist genau zu sehen und auszuwerten. Zuerst: eu`re,qh – „Maria wurde befunden – befand sich“. Das Verb steht im Passiv, ohne jede Angabe dessen, der das aktive Subjekt dessen war oder ist, der „fand – erkannte“. Diese absolute Offenheit des Aussagens ist zunächst zu sehen und gelten zu lassen.11 Hier sei nur dieses zusätzlich gesagt: eu`re,qh kann schlicht „es wurde befunden …“ aussagen. Der Kontext 1,18b dürfte jedoch, da „Maria“ das regierende Wort ist, hinreichend klar stellen, daß „Maria wurde befunden …“ gesagt sein soll. „Es“ hält zwar das Offene der Passivformel eindeutig fest; der Kontext läßt aber in bleibender Offenheit die Person verstehen, von der dieser Satz spricht. Es ist mit 1,18b nicht gesagt, daß Maria (und dann Josef) die wäre, die das erkannt hat, was mit „eu`re,qh – es fand sich“ in Passivform ausgesprochen sein soll. Das zeigt deutlich das folgende Partizip e;cousa, das sich ja eindeutig 11
Dazu ein erklärendes Beispiel: Menke bringt in seinem Buch „Fleisch geworden aus Maria. Die Geschichte Israels und der Marienglaube der Kirche“ (2002) im Abschnitt „Die an Josef ergehende Verheißung (Mt 1,1–25)“ (41–44) zu 1,18–19 die eigene Übersetzung gegen andere und gibt dafür auch die Begründung, um „dem philologischen Befund und dem Postulat der logischen Kohärenz besser zu entsprechen“ (41). Sie lautet: „Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammen gekommen waren, war (beiden) offenbar, daß sie auf Grund des Wirkens des Heiligen Geistes ein Kind erwartete …“ (42). Uns interessiert jetzt nur die Wiedergabe von eu`re,qh (auch anderes wäre kritisch zu hinterfragen), was nämlich mit „war (beiden) offenbar“ übersetzt wird. Während das Passiv eu`re,qh (das kaum mit „war offenbar“ übersetzt werden kann!) niemanden nennt, also gänzlich offen läßt, wer dies tat bzw. tut, was als „finden“ o. ä. gelten könnte (das Passiv kann auch schlicht einen Sachverhalt angeben), ist die Hinzufügung von „beiden“ unstatthaft. Das wäre jedenfalls schon Interpretation und nicht Wiedergabe des Textes. Menke versucht aber doch zu erklären: „Wenn das ‚heurethe‘ in Mt 1,18 wörtlich übersetzt wird, dann heißt der Vers: ‚wurde gefunden, daß sie vom Heiligen Geist ein Kind erwartete. Nun kann sich zwar zeigen, daß jemand schwanger ist; aber es kann sich doch nicht zeigen, daß sie vom heiligen Geist schwanger ist. Wem wurde dies offenbar? Außer Maria wohl nur einem Menschen, demjenigen nämlich, der sie auch jetzt nicht verdächtigt: ihrem Verlobten Josef “. Das hat mit „philologischem Befunde“ gar nichts zu tun, ist vielmehr eine Umdeutung des matthäischen Textes, der ja genau überlegt gewählt ist. Er gibt den faktischen Befund an, und lautet: „sie hatte im Schoße aus heiligen Geist“. Ob sich das „zeigen“ kann, entscheiden nicht die Leser des Textes, zumal davon auch gerade nicht gesprochen wird. Daß sodann zwei Personen namentlich (und auch wohl ausschließlich gemeint) genannt werden, denen „es offenbar war“ (das ist etwas ganz anderes als was „heurethe“ sagt), läßt das Interesse des Übersetzers erkennen. Wir werden sehen, daß es gerade für den Text 1,18–25 unbedingt sach-notwendig ist, die matthäische Formulierung als sie selbst und in ihrem eindeutigen und klaren Bedeutungssinn zu erfassen, ohne ihn damit für weitere Überlegungen und Folgerungen unbefragbar zu erklären. Das bedeutet: Die Übersetzung M.s ist schon eine (vielleicht mögliche, aber eben zu begründende) Interpretation bzw. Ausdeutung und Auswertung des Grundtextes. Dessen Grund-Aussage ist vor allem weiteren Vorgehen festzustellen.
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I.
Zur rechten Übersetzung von Mt 1
auf die zuvor genannte Maria bezieht, von der dies ausgesagt wird: evn gastri. e;cousa evk pneu,matoj a`gi,ou. Das ist offensichtlich, wenngleich auch wieder aufs kürzeste ausformuliert (und deswegen als unbedingt noch erklärungsbedürftig empfunden), der Aussagekern von 1,18c: „Maria – im Schoße habend aus heiligen Geist“; das ist, was „sich fand“ und der „Befund“ der Maria, wobei damit aber keineswegs mit-ausgesagt ist, daß es (auch) für Maria selbst das erste Entdecken dieser Tatsache wäre. Das bleibt in diesem Satz ganz offen, und es wäre die Aufgabe eines näheren ausdeutenden Erschließens des Textes, dieser „Frage“ nachzugehen. Hier geht es um die rechte Übersetzung. Aufgrund der folgenden Verse und deren Verständnis kann aber und muß gesagt werden, daß alle Übersetzungen des evn gastri. e;cousa mit „schwanger sein“, „ein Kind tragen“, „ein Kind erwarten“, „schwanger gefunden“, „stellte sich heraus, daß sie ein Kind“, „… she was expecting a baby“ u. ä. schon eine erste Ausdeutung und (beabsichtigte) „Klärung“ der offenen Textaussage sind, deren Rechtfertigung jedoch aussteht. Dem werden wir uns in unserer erklärenden theologischen Besprechung dieses Verses (wie 1,18–25 insgesamt) eingehend zu widmen haben.12 Wir verbleiben hier ausdrücklich bei der dem Griechischen ganz nahegehaltenen (im Deutschen übrigens durchaus gut klingenden) Wiedergabe: „Als Maria …, wurde (sie) gefunden im Schoße habend aus heiligem Geist“, was auch für „als Maria …, fand sich, daß sie im Schoße hatte (trug) aus heiligem Geist“ gilt. Wichtig ist freilich, deutlich zu er12 Wir geben hier einige Beispiele von verschiedensten Wiedergaben des griechischen Textes 1,18c,
die erkennen lassen, daß eine ihm gerecht werdende treue Übersetzung nottut. Die am meisten begegnende Übersetzung lautet so: „… fand sich, daß sie vom Heiligen Geist schwanger war“ (wobei unterschiedlich „heilig“ klein- oder großgeschrieben wird, was wir hier nicht weiter verfolgen). Das evn gastri. e;cousa wird stets wiedergegeben mit „sie war schwanger“. Damit wird der Befund, den wir erkannt haben, zum Zustand (Umstand) Marias verbogen, wenn nicht gefälscht. Dazu wird evk mit „von“ übersetzt. Wir haben gesehen (s. o.), daß evk in 1,3.5.6 für die Frau gesetzt ist („zeugen“ also für den Mann steht: „A evge,nnhsen B evk th/j C“; und das als selbstverständlich gilt). In 1,18 wie 20 ist evk in Bezug auf pneu/ma a[gion gesetzt, und in Bezug auf Maria steht evn (evn gastri. bzw. evn auvth/| gennhqe.n). Wir werden sehen, daß das eine entscheidende Tatsache ist, die nicht überspielt werden darf. Einige Kommentatoren bleiben beim Verständnis von evk und setzen „aus“. Zu verweisen wäre auf Grundmann (der jedoch einleitend für Jesus feststellt: „aus Gottes Geist erzeugt“), Sand, Rienecker, Gnilka (der den Satz mit Kommasetzung belastet: „daß sie ein Kind trug, aus heiligem Geist“), Fiedler, Schiwy, Grundmann. Das „von“ für evk wird von folgenden Autoren gesetzt: Luck, Gaechter, Luz, FrankemöIle, Schniewind (den Satz auch durch Komma aufteilend, dazu noch dies kommentierend beifügend: „setzt der Erzähler gleich zu Anfang die Lösung hinzu: vom heiligen Geist ist das Kind erzeugt“), Schmid, Lohmeyer, Schweizer (im Kommentar dazu: „betont, daß die Geburt vom heiligen Geist gewirkt war“), Wiefel, Wilckens, Trilling („daß sie vom Heiligen Geist empfangen hatte“; dazu der Kommentar: „Nur eine einzige Tatsache wird zur Erklärung genannt: Das Wirken Heiligen Geistes …“). – Einige Kommentatoren geben es nochmals anders wieder. So die Einheitsübersetzung: „zeigte sich, daß sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes“. Der Bindestrich spaltet den Satz; dazu das evk pneu,matoj a`gi,ou ausgeweitet auf „durch das Wirken des Heiligen Geistes“. Das betont Schnackenburg erklärend so: „der Heilige Geist der wahre Erzeuger Jesu“. Gaechter schreibt: „daß sie ein Kind hatte …“; Gnilka ähnlich: „ein Kind trug“. Bei Rienecker lesen wir: „daß sie guter Hoffnung war, und zwar aus Heiligem Geist“. Weitere Textbeispiele s. Anhang II.
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
kennen, daß der Text selbst für dieses „im Schoße habend“ keinen Grund oder einen (irgendwie aktiv verursachenden) Geber/Täter für dieses „haben“ benennt. Denn der (unbedingt stets mit-zubeachtende!) Zusatz „evk pneu,matoj a`gi,ou“ sagt zunächst selbst nichts Genaueres zum „ek“ aus; das kann erst, wenn überhaupt, der unmittelbare Kontext erklären (was sich zeigen wird). Hier bleibt es jedenfalls zunächst ganz offen. So wenden wir uns berechtigt den folgenden Versen zu.13
4. Mt 1,19 – Übersetzungsfragen und Lösungen
Dieser Vers lautet so: VIwsh.f de. o` avnh.r auvth/j( di,kaioj w;n kai. mh. qe,lwn auvth.n deigmati,sai( evboulh,qh la,qra| avpolu/sai auvth,n; in eigener Übersetzung: „Josef aber, der ein Gerechter war und nicht willens, sie der Öffentlichkeit auszusetzen, wollte sie in aller Stille freigeben“. Um den matthäischen Text und unsere Wiedergabe im Deutschen richtig zu verstehen, ist (was an sich exegetisch selbst-verständlich ist!) genau auf den Kontext zu achten, zumal bei solchen ungewöhnlich kurzen erklärenden Sätzen einer „Fußnote“ (Stendahl und viele andere). Vers 19 folgt dem in 1,18bc in äußerst offener (wenn man will: gänzlich erklärungsbedürftigen) Formulierungsweise als Faktum Ausgesagten: das „sich fand“ (s. nochmals dort). Somit wird Josef hier als der genannt, dessen Zurkenntnisnahme des Faktums (wie immer dieses erfolgt sein mag) ihn so getroffen hat, wie es seine Charakterisierung in 19 ausspricht: Er „reagiert“ (will reagieren) als Gerechter mit dem gedanklich erwogenen Vorsatz der Freigabe der Maria. Dieses Verständnis und somit diese Übersetzung haben wir im einzelnen exegetisch-sprachlich und im Sinne der matthäischen Theologie des MtEv weiter auszudeuten. Hier sei dazu nur das herausgestellt, was die Übersetzung vorläufig rechtfertigen kann, da in diesem Fall, wie vielleicht sonst nicht gewohnt, sehr viel mitentscheidet, was genau dieser Vers aussagt. Das erste Element der Rechtfertigung ist schlicht die Position von 19 zwischen 18 und 20: Diese Verse geben in ihrer Kürze und Unmittelbarkeit wie auch Sachverbundenheit der Aussage-Elemente ihr Verstehen offen zu erkennen. Die Wiedergabe von „dikaios“ mit dem Hauptwort „Gerechter“ empfiehlt das MtEv selbst, wie alle Exegeten betonen (auch wenn sie es im
13
Die theologische Aussage-Erschließung des Halbsatzes evn gastri. e;cousa evk pneu,matoj a`gi,ou erfolgt im folgenden Abschnitt, wo wir uns speziell um das rechte Verständnis von evk pneu,matoj a`gi,ou gerade in diesem Passus bemühen müssen. Denn davon hängt ja wesentlich das theologische Verstehen des Verses 1,18 (und damit auch 1,20) ab. Als Beispiel für die Art, wie dieser Vers-Teil 18c als äußerst problematisch angesehen wird und man sich glaubt helfen zu können, seien die folgenden Sätze des Autors G. M. Soares aus seinem Buch „The Formula Quotations in the Infancy Narrative of Matthew. An Enquiry into the Tradition of Histore of Mt 1–2“ (Rom 1976) zitiert: s. Anhang II.
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I.
Zur rechten Übersetzung von Mt 1
Einzelfall wie 1,19 meist nicht beachten!).14 Wir haben also di,kaioj als „Gerechter“ im biblischen Sinn, d. h. als Gottesfürchtigen, als Gott-Ergebenen zu verstehen, der auf das aus Gott herrührende Faktum (18c) Rücksicht nimmt. Dieses Verständnis wird offensichtlich durch 1,20 bestätigt. Denn dort sagt der Bote des Herrn, also der Herr selbst, er solle sich nicht fürchten, die in ihrer spezifischen Befindlichkeit genannte Ehefrau heimzuführen. Und als Grund wird klar angegeben, daß das ernste Erwägen eines Freigebens Marias, im Kontext eindeutig aus der ehelichen Bindung und frei gewählten menschlichen, jüdisch-gesetzlich geltenden Gebundenheit des Ehevertrages und seiner Verpflichtungen, zu Recht bestehe; denn, wie 1,20 eindeutig sagt, es ist aus göttlicher Tat Faktum, daß „Maria im Schoße hatte“, wobei sogar näher angegeben ist, was/wen Maria im Schoße trug: to. evn auvth/| gennhqe,n – das in ihr Gezeugte.15 Damit ist (für diesen Abschnitt) hinreichend klar, daß keineswegs an einen Verdacht, welcher Art auch immer, zu denken ist (angeregt durch ein mißverstandenes di,kaioj als „Gesetzestreuer“ juridischen Sinnes), wie auch deigmati,sai nicht „bloßstellen“ im Sinne von „der Schande, der Verurteilung wegen Vergehen überantworten“ meint, sondern in diesem Fall „nicht einer (unziemlichen) Öffentlichkeit preisgeben“ – eben weil Heiliges statthat. Dasselbe gilt für la,qra| in 1,19; „heimlich“ als Wiedergabe lenkt eher in die falsche Richtung; daher wählen wir hier „in aller Stille“ als angemessen.16
5. Mt 1,20 — Zur rechten Übersetzung
Der 1,19 unmittelbar weiterführende, an ihn deutlich anschließende Vers 1,20 lautet so: tau/ta de. auvtou/ evnqumhqe,ntoj ivdou. a;ggeloj kuri,ou katV o;nar evfa,nh auvtw/| le,gwn\ VIwsh.f ui`o.j Daui,d( mh. fobhqh/|j paralabei/n Mari,an th.n gunai/ka, sou\ to. ga.r evn auvth/| gennhqe.n evk pneu,mato,j evstin a`gi,ouÅ In unserer eigenen Übersetzung: als er das alles bedachte (im Herzen erwog), siehe da erschien ihm im Traum (der) Bote (des) Herrn, der sprach: Josef, Sohn Davids, scheue (fürchte) dich nicht, Maria, deine Ehefrau, zu dir zu nehmen, weil wahrhaftig (in der Tat) das in ihr Gezeugte aus heiligem Geist ist.“ Dieser Vers wird in den meisten Fällen falsch übersetzt und folglich falsch verstanden. Daher ist genau zu beachten, was er, unvoreingenommen gelesen, selbst klar aussagt. Der Bote des Herrn redet Josef ausdrücklich mit vollem Namen an: „Josef, Sohn Davids“. Damit schließt Matthäus direkt an 1,16 an; das ist eines der Elemente, die 1,18–25 tatsächlich als „Fußnote“ zu 1,16 erfassen lassen. Josef wird auf sein Erwä14 Siehe dazu unseren Exkurs zu di,kaioj, wo das allgemeine Problem des Verständnisses von di,kaioj
in der Heiligen Schrift und speziell in seiner Verwendung in Mt 1,19 besprochen wird. Zum näheren Verständnis sei auf den Abschnitt der theologischen Entfaltung des Textes hingewiesen, wo es exegetisch-sprachlich und sachlich gerechtfertigt wird, was hier zunächst als gratis behauptet erscheinen kann. 16 Auch dazu s. den Abschnitt der theologischen Erfassung von 1,18–25. 15
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
gen angesprochen (1,19), und das sogleich dadurch, daß das zunächst Erwogene als in diesem besonderen Fall Nicht-zu-Tuende erklärt wird, zugleich mit dem Auftrag, den Gott ihm im Blick auf das erteilt (seinen Gehorsam erwartend), was Josef gemäß 1,18 erkannt hatte und worauf Josef meinte seiner Empfindung nach „reagieren“ zu müssen. Das von Josef Nicht-Beabsichtigte soll er in einem ganz bestimmten Sinn doch tun. Dieser Antrag/Auftrag Gottes (Jahwes) wird in 1,21 ausführlich erklärt, indem zugleich auch deutlicher benannt wird, was/wen Maria trug (1,18) und gebären wird. Der Zusammenhang aller dieser Verse 18–21 ist ganz offenkundig und aufschlußreich, wenngleich alles auf äußerst kurze, eben fußnotenartige Weise zur Sprache gebracht wird und bisher Unerhörtes und Unerfahrenes als Faktum dem Glauben bekundet. Als Verständnis- und Übersetzungsproblem wird immer wieder das ga.r in 1,20 empfunden. Meistens wird der Vers so wiedergegeben: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau anzunehmen; denn das ihr Gezeugte ist aus heiligem Geist“ (so Sand, MtEv, 47).17 Hier geben wir den griechischen Text (s. o.) wohlüberlegt so wieder: „Josef, Sohn Davids, scheue (fürchte) dich nicht, Maria, deine Ehefrau, zu dir zu nehmen, weil (wahrhaftig; in der Tat) das in ihr Gezeugte aus heiligem Geist ist“ (womit wir sogar die Wortfolge des Satzes beibehalten können). Der erste Satzteil spricht deutlich die ehrfürchtige Scheu des Josef (als Faktum) aus, zugleich mit der genauen Angabe dessen, was er zu tun erwog. Der „gar“-Satz, der unmittelbar folgt, 17 Die im Text zitierte Übersetzung Gnilkas, die ga.r mit „denn“ wiedergibt, wird faktisch von den
meisten Kommentatoren gebracht; es erübrigt sich hier, einzelne Namen zu nennen. Es seien nur einige Varianten zusätzlich aufgeführt, die irgendwie aufmerken lassen. Nur einige formulieren anders als „denn“ für ga,r. Wir geben die Texte wieder; das jeweilige Zitat macht selbst deutlich, worin eine Variante gegeben ist. Lohmeyer sagt es so: „… fürchte dich nicht, Maria dein Weib zu dir zu nehmen; denn was in ihr gezeugt ward, vom Geist ist es, dem Heiligen. Gebären wird sie einen Sohn …“. (12) – Schweizer setzt dies: „Joseph, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen, denn das in ihr erzeugt ist, das ist von dem heiligen Geist. Und sie wird …“. (11) Hier fällt auf, daß das artikellose pneu/ma a[gion eine ausgesprochene Formulierung mittels Artikel erhält. – Gnilka wählt diese Wendung: „… fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, heimzuführen …: Das in ihr Gezeugte nämlich ist aus heiligem Geist. Sie wird einen Sohn gebären und du sollst seinen Namen nennen …“. (14) – Rienecker sagt es so: „Als er aber dieses sich überlegte, siehe, da erschien ihm ein Herrenengel im Traum und sprach: Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen, denn was in ihr erzeugt ist, ist aus Heiligem Geist! Sie aber wird einen Sohn …“. (34) – Gaechter bringt diese Wendung: „… scheue dich nicht, Maria, deine Frau, heimzuführen, denn das Kind in ihr ist vom heiligen Geist. Sie soll nämlich einen Sohn gebären, und du sollst …“. (45) – Bruner gibt es so wieder: „… and this is what the angel said: ‘Joseph, son of David, don’t be afraid to take Mary as your wife, because what has been brought to life in her happened by the Holy Spirit. She will have a baby boy, and you will give him the name ‘Ye-Shua (‘Yahweh saves), because he himself will save his people from their sins …“. (23.29) – Bonnard sagt es so: „Il s’etait arêté à ce projet quand l’ange du Seigneur lui apparut en songe et lui dit: ‘Joseph fils de David, ne crains pas de prendre chez toi Marie, ton épouse; ce qui a été engendré en elle l’a été par puissance de l’Esprit saint. Elle mettra au monde un fils; tu lui donnera le nom de Jesus, car c’est lui qui sauvera son peuple …“. (18) – Fiedler sagt es so: „… fürchte dich nicht, Maria als deine Frau aufzunehmen, denn das in ihr gezeugte Kind ist aus heiligem Geist. Sie wird aber einen Sohn zur Welt bringen, und du …“. (46)
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I.
Zur rechten Übersetzung von Mt 1
entspricht ganz dem, was die griechische Sprache und ihre Grammatik zeigen: „ ‚gar‘ zeigt meist ein kausales Verhältnis zwischen zwei Aussagen an, indem die nachfolgende die vorausgehende begründet oder erklärt“ (EWNT 1,571–573).18 Setzt man die Feststellungen der Fachbücher voraus und wendet sie auf 1,20 an, dann kann die richtige Übersetzung kein Problem sein. Hier liegt allerdings eine bestimmte Besonderheit vor, die aber das Ergebnis der Überlegung nicht ändert. Der ‚gar‘-Satz folgt in 1,20 ja auf einen (Halb)Satz, der in negativer Formulierung von etwas abrät (was der, dem es abgeraten wird, nach reiflichem Bedenken zu tun entschlossen ist); daher ist diesem spezifischen Kontext Rechnung zu tragen. Da gemäß Fachbuch das ga,r „ein kausales Verhältnis zwischen zwei Aussagen anzeigt, indem die nachfolgende die vorausgehende begründet oder erklärt“, ist ga,r in 1,20 eindeutig auf mh. fobhqh/|j 18 Neben den im Haupttext genannten und zitierten Fachbüchern sei noch auf folgende Werke hin-
gewiesen, die für unsere Frage eingesehen wurden. Zuerst G. Steyer, Formenlehre des neutestamentlichen Griechisch (= Handbuch für das Studium des neutestamentlichen Griechisch Band 1), Gütersloh bzw. Berlin 1970, und G. Steyer, Satzlehre des neutestamentlichen Griechisch (= Handbuch für das Studium des neutestamentlichen Griechisch Band 2), Gütersloh bzw. Berlin 1972. Im letzteren Band lesen wir auf S. 117f: „gar (nachgestellt) denn, nämlich. Es wird sehr häufig gebraucht, auch in unmittelbar aufeinanderfolgenden Sätzen. … gar steht nicht nur bei eigentlicher Begründung, sondern wird auch anders verwendet: b) bei Erläuterungen, ähnlich wie das dt. ‚nämlich’ … c) zur Fortführung, Entfaltung des Gedankens. Dann wird die treffende Übersetzung mitunter sehr frei sein müssen; …“. Dem sind wir in unserer Übersetzung von 1,21 gefolgt. ––– In Blass – Debrunner, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch 1970 findet sich einiges (weniges), jedenfalls über das bisher Herausgestellte nichts Weiteres. ––– Intensiv geht M. Zerwick, Graecitas biblica, Romae 1966 auf gar ein. So lesen wir bei ihm: „gar fere semper habet sensum causalem vel explicativum, sed nota a) argumentatio fieri potest ex contrario, e. g. Ph 3,19.20 … G 3,10; 5,5. b) Interdum gar videtur stare posse pro simplici de, id quod fortasse suadetur etiam frequenti incertitudine lectionis (si de revera ut incerta lectio haberi potest et non potius censendum est evidens correctio alicuius gar, cuius vis causalis non obvia est). … c) Alibi (servata vi causali particulae gar) difficultas interpretationis solvitur, si attenditur intendum verum motivum non nisi in secundo loco (fett gedruckt geschrieben mit angefügter Anm.: Léon-Dufour: ‚gar à portée differée‘.) exhiberi, scil. praemissa alia re in qua non est emphasis et qua potius conceditur aliquid interlocutori notum. … (Unter Nr 477:) Haec omnia affert P. Léon-Dufour ad iustificandun novam interpretationem difficilis pericopae Mt 1,18–22. Dictum enim angeli ad Joseph vertit fere ita: ‚ Joseph, fili David, noli timere accipere Mariam coniugem tuam; nam quamvis, quod natum in ea est, de Spiritu Sancto sit, tamen pariet filium, cui tu dabis nomen Iesum …‘ (‚car sans doute …, mais elle …‘). Conceptio virginea igitur non revelaretur hic Joseph, sed supponitur ut ab eo cognita, confirmatur et tamquam ratio perplexitatis Ioseph innuitur. Coram cognito interventu divino Ioseph recedere voluit renuntians omni suo iuri coniugali. Angelus autem praesumptam difficultatem tollit et Ioseph munus suum divinitus assignatum indicat: suum utpote fi lii David, erit patris locum tenere nascituro et ideo iubetur accipere Mariam coniugem suam non obstante conceptione divinitus virginali. Léon-Dufour, L’annonce à Joseph, in Mélanges … A. Robert, Paris 1957, p. 390–397: fere idem: Le juste Joseph in Nouv. R. Th. 81 (1959) 225–232 et Etudes d’Evangile, Paris 1965, p. 72–75.“ Für diese Arbeiten von Léon-Dufour und ihre Beurteilung vgl. den Haupttext und die darin angegebenen Anmerkungen. Zerwick bestätigt jedenfalls mit dieser namentlichen Übernahme der Sentenz des Léon-Dufour die Besonderheit von Mt 1,18–22, was die rechte Übersetzung angeht. Zur sachlichen Interpretation dieses Textes wie der Aussagen der verschiedenen Kommentatoren dazu siehe oben unsere weitere Besprechung.
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
paralabei/n Mari,an th.n gunai/ka, sou bezogen und erklärt das Motiv, den Grund des Aus-Ehrfurcht-sich-Scheuens Josefs als in sich betrachtet für gültig und rechtens, wenngleich anderes als Ziel des Doch-nicht-Tuns des Vorsatzes im Gehorsam gegen Gott sogleich mitangegeben wird. Wir werden dem in der theologischen Erfassung weiter nachzugehen haben; hier genügt das Gesagte zur Rechtfertigung der Wahl unserer Übersetzung. Durch diese Weise, 1,20 wiederzugeben, ist übrigens auch das de, in 1,21 hinreichend deutlich erklärt. Es steht nicht im Gegensatz zu ga,r (wenngleich es dieses Gegensätzlich-Stehen von ga,r und de, auch gibt), sondern zielt die dem Josef aufgetragene Tat an (man beachte die ganz offene Bedeutung von de, im allgemeinen und gerade auch im MtEv): statt sich zu scheuen, Maria aufzunehmen, soll er das genau tun, mit allen im Text angegebenen Zielvorstellungen Gottes und folglich des Gehorsames Josefs. Dazu mehr zu 1,21. Zur Wiedergabe von a;ggeloj kuri,ou mit „Bote des Herrn (Jahwe)“ wie auch zur Wendung „erschien im Traum und sprach“ in 1,20 werden wir bei der Besprechung der theologischen Erfassung dieser Verse 1,18–25 eingehend sprechen müssen; s. d.
6. Bemerkungen zur Übersetzung von Mt 1,21–25
Zum Vers 1,21 ist in Bezug auf die Übersetzungsfrage keine besondere Bemerkung zu machen, da er in dieser Hinsicht problemfrei erscheint. Vielleicht wäre hervorzuheben, daß te,xetai – „sie wird gebären“ als Futur im einfachen Sinn, kale,seij wohl als futurum iniunctivum, da offensichtlich Auftrag, zu verstehen sind. Auch die Verse 1,21–23 enthalten keine Probleme, die die rechte Übersetzung betreffen. Der Text ist offenkundig eine Erklärung von allem in 1,18–21 Ausgesagten, indem es als die Erfüllung dessen herausgestellt wird, was Jahwe selbst verheißen hatte. Wir werden dazu in der theologischen Erfassung von 1,18–25 vieles zu sagen haben, das auch die irgendwie auffallenden Elemente des Wortlautes von 1,22–23 betrifft, wie die Formulierung „vom Herrn durch den Propheten gesagt war“ und „sie werden (man wird) seinen Namen nennen IMMANUEL“ (in Jes 7,14, das zitiert wird, heißt es ja „die junge Frau wird seinen Namen nennen“).19 In den Versen 1,24–25 setzt Matthäus in 19 Es sei hier noch kurz auf die Frage eingegangen, die oft im Blick auf das Jes-Zitat 7,14 gestellt wird,
weil ihre Beantwortung, wie man meint, mitentscheidend ist für das rechte Verständnis dessen, was Matthäus mit seinem Text, zumal mit dem Jes-Zitat feststellen wollte. Besonders die Frage nach dem Verständnis von parqe,noj in 1,23, das gemäß Jes 7,14 (LXX) gesetzt erscheint, beschäftigt die Exegeten (und folglich die Theologen, bes. die Mariologen) intensiv. Denn in Jes 7,14 steht im hebräischen Text hm'l.[;h' „ha-alma“, das „junge Frau“ meint. Daher die Frage, warum die LXX hm'l.[; „alma“ mit parqe,noj wiedergeben, da sie sonst nea/nij (mit der einen Ausnahme Gen 24,43) setzen. Hatten sie dabei eine bestimmte Aussageabsicht, und welche war diese? Hat Matthäus selbst parqe,noj in einem prägnanten Sinn (welcher ist das?) eingesetzt? Die so gestellten Fragen erfordern einen eigenen Exkurs. Den bringen wir im Anhang I; s. d.
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II.
Zur theologischen Erfassung von Mt 1
ungemein kurzen Sätzen seine berichtende Darstellung fort. Auch ist hier mehr ausgesagt, als zu vermuten wäre. Denn die einfache Feststellung der Ausführung des Aufgetragenen würde genügen. Ihr wird aber noch ein Bemerkenswertes beigefügt, das eine vielfältige Diskussion ausgelöst hat. Wir werden auch dazu in der theologischen Erfassung von 1,18–25 vieles zu sagen haben.
II. Zur theologischen Erfassung von Mt 1 1. Die Absicht dieses Abschnittes
Es soll zu Anfang erklärt werden, was unter „theologischer Erfassung von Mt 1“ hier zu verstehen ist. In diesem Abschnitt geht es ja darum, herauszuheben, was der Text Mt 1 selbst in der erkennbaren Absicht des Evangelisten Matthäus aussagt. Dazu soll berücksichtigt bleiben, daß es sich um EUANGELION handelt, im Sinne dieser analogielosen Gattung „Evangelium“, wie sie exegetisch-theologisch erkannt ist.20 Damit ist für das MtEv, sogleich konkret gesprochen, jedenfalls Verkündigung im biblischurchristlichen Verständnis angesprochen, sowohl im subjektiven (das Verkünden/ Verkündigen) wie im objektiven (das Verkündigte, dieses im verbal-mündlichen und/oder schriftlich wie auch zeichenhaft-mitteilendem Sinn) Gebrauch des Ausdrucks. Das Was dieses Evangeliums ist für das MtEv am besten mit „Reich/Herrschaft Gottes“ im Sinne des Verständnisses und Gebrauchs dieses Ausdrucks im MtEv angesprochen: Gottes (Jahwes) „neues“ Angekommen- und Da-Sein in seiner Schöpfung (zunächst spezifisch in Israel) und sein „neu“-gestaltetes und in und an und mit ihr Wirken in Wort und Tat, ereignishaft geschehend als Bleiben-im-Gewirkten, als „neue“ Qualifikation alles Geschaffenen. Es ist damit das angesprochen, was meistens, einengend und verkürzend, als „Christus-Ereignis“ bezeichnet wird, weil es (wieder verkürzend formuliert) sich im sog. irdischen Leben Jesu Christi aufsehenerregend offenbart und ausgewirkt und die „neuen“ Gottesgaben wie Gottesweisungen geschenkt hat, diese sogleich als „neue“ Lebensmöglichkeit, -befähigung und Ermächtigung für die, die diesem Dasein und Geschehen des „Reiches/Herrschaft Gottes“ durch ihr annehmendes Glauben und persönliches wie gemeinschaftliches „neue“ Leben entsprechen. Dieser Verkündigung dient das MtEv in von ihm selbst deutlich erklärter Absicht und „Darstellungsweise“. Es ist nämlich nicht Erstverkün20 Vgl. dazu das im Exkurs „Evangelium“ Festgestellte; s. d.
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digung, etwa im Sinne des Neu-Missionierens in Israel und aller Welt; auch nicht Verkündigung im Sinne einer Erst-Katechese an Gläubig-Gewordene. Das MtEv richtet sich an die matthäische Gemeinde, die in ihrer Glaubenssituation und ihren Anliegen und Erfordernissen angesprochen, getroffen sein soll, insofern sie selbst schon „Kirche“ ist, die selbst aber immer noch im Suchen nach dem rechten Verstehen und Befolgen des einen Wortes begriffen ist (dies wohl solange diese Kirche Gottes-Angesprochene ist und bleibt). Daraus folgt, daß dieses so charakterisierte „Evangelium“ eine ihm eigentümliche „Mischung“ aus Homologese und Kerygma darstellt, aus nach-denkendem (auch intellektueller Art) Bemühen um das Wort Gottes und lobpreisend-eucharistischem Feiern seiner „Auswirkungen“ (ob Leben oder Gnade oder wie immer bezeichnet) im persönlichen und gemeinschaftlich orientierten Lebensvollzug antwortenden Denkens und Handelns in diesem „neuen“ Gott-Glauben, als Lebensraum der Gemeinschaft Gott-Schöpfung, diese vielleicht zunächst auch nur repräsentiert durch das, was „Kirche“ im faktischen Gebrauch dieses Ausdrucks ansagt. In der theologischen Erfassung des Mt Ev, jetzt spezifisch Mt 1 vor Augen, wollen wir daher genau dieses zu erheben versuchen, was der Text, wachsam gelesen, unmittelbar an Aussage-Gehalt zu erkennen gibt, das nämlich, was der Autor des Textes selbst ins evangelium-gemäße Wort gebracht hat, Evangelium jetzt dezidiert als das verstanden, was wir hier angedeutet, an anderem Ort auch näher entfaltet haben. Die fachexegetisch erarbeiteten Erkenntnisse sind dazu intensiv eingesehen worden und werden stets berücksichtigt. Doch geht es hier um mehr, eben die evangelium-mäßig niedergelegte Kunde zu erkennen.
2. Die theologische Aussage von Mt 1,1–17 a) Mt 1,1
Der erste Satz des MtEv wird stets als programmatisch klingend empfunden. Er kann als progammatisch-zusammenfassende Ansage des Themas und Sachinhaltes des ganzen MtEv, jedenfalls des ersten Kapitels angesehen und gewertet werden. Somit gibt er die prinzipielle Richtung des Verständnisses des MtEv insgesamt und folglich des Kapitels 1 als Evangelium-Schrift an und bleibt dementsprechend stets zu berücksichtigen.21 21 Wir können es auch mit dieser Formulierung Frankemölles sagen: „Zusammenfassend bleibt fest-
zustellen: Mit der Überschrift in 1,1 hat Matthäus für jeden bibelkundigen Leser mit Abraham und David den Anfang und den Höhepunkt der in der Bibel erzählten Geschichte Gottes mit den Geschlechtern der Erde und insbesondere mit Israel aufgenommen und sie in Beziehung zu Jesus Christus gesetzt. Wenn er dabei zudem sprachlich den Anfang der biblischen Geschichte Gottes mit allen Menschen in 5,1 („Buch der Geschichte der Menschen“) rezipierte, dürfte für die Leser
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b) Mt 1,2–17 — Der Stammbaum Jesu Christi
Mt 1,2–17 läßt sich, wenn man Zwischenüberschriften über einzelne Abschnitte des MtEv setzen möchte, gut mit „Der Stammbaum Jesu Christi“ angeben, dieser im biblischen Sinn verstanden. Die in 1,1 stichwortartig genannten Namen für Jesus, nämlich „Christus“, „Sohn Davids“ und „Sohn Abrahams“, werden aufgegriffen und als Hauptglieder der Generationenkette aufgeführt, die namentlich von Abraham bis Jesus nachgezeichnet wird. Matthäus greift dafür biblische Vorbilder auf. In 1,17 gibt er dazu eine ausdeutende Erklärung, was er mit dieser seiner Darbietungsweise des „Stammbaums“ aussagen möchte. Es wird deutlich, daß er etwas Spezifisches evangelium-mäßig bekunden will. „Matthäus lag alles an der Periodisierung in 3 x 14 Generationen mit den wichtigen Einschnitten Abraham – David – Babylonische Gefangenschaft mit dem Zielpunkt Jesus Christus, mit dem er sein eigenes ‚Buch der Geschichte ‚ beginnen läßt.“22 Luz spricht von „einem Stenogramm der Geschichte Israels.“23 Insgesamt ist damit für unsere Untersuchungsabsicht zunächst in Kürze das Wichtigste gesagt. Freilich sind noch einige Einzelheiten des Textes hervorzukehren, die von den Kommentatoren bemerkenswerte, doch nicht allseits anzuerkennende Erklärungen erfahren haben. Nach der Besprechung von 1,2–16 und 17 ist auf 1,16 noch gesondert intensiv einzugehen.
die christologisch implizierte These aufgestellt sein, daß die darzustellende ‚Geschichte Jesu Christi‘ die in der Bibel erzählte Geschichte erfüllt und konsequent weiterführt. Spannungsvoller und anspruchsvoller hätte Matthäus sein Werk nicht beginnen lassen können!“ (I.135f). Vgl. auch die Bemerkungen von Luz in seinem Kommentar Band I/1, 117–119. 22 Frankemölle I.147. 23 Luz I/1 130. ––– Es sei hier einzelnes noch herausgestellt, worauf Frankemölle in seinem Kommentar aufmerksam macht. Wir zitieren entsprechende Sätze aus seinem Kommentar zu 1,17 nach Bd. I in der Reihenfolge der Seiten dort (I.138–148): „Wie lasen und verstanden die ersten Leser diesen Stammbaum? Ohne Zweifel so, wie ihnen in der Schrift vorgegeben war: Als Bündelung einer sich über Jahrhunderte hinziehenden Geschichte im Zeitraffer. … Dies zeigt, daß die Genealogie als eine kommentarartige Erklärung zur Überschrift interpretiert werden kann, jedenfalls zur menschlich-irdischen Abstammung Jesu Christi. … Doch zunächst zur irdischen Genealogie und ihren auffälligen Besonderheiten. … Wie seinen biblischen Vorgängern geht es Matthäus nicht um historische Fakten, sondern um theologische Deutung, näherhin um die Aussage, daß die irdische Abstammung Jesu bereits impliziertes Ziel der von Gott gelenkten Geschichte Israels ist. Die Genealogie ist im Sinne des Matthäus also als eine Art Midrasch (…) zu deuten (…). … Im Rückgriff auf die Überschrift in 1,1 und auf den Titel des Matthäischen Werkes als ‚Buch der Geschichte Jesu Christi‘ erwartet der Leser analog zur weiteren Geschichte Davids in 1,6 ff eben ‚die Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams‘ (1,1). Nach Matthäus hört die Geschichte Israels mit der Erzeugung Jesu nicht auf, vielmehr erfüllt sie sich und fängt somit auch neu an. Wozu sonst hätte Matthäus sein Werk geschrieben? … Die Genealogie in 1,2–17 ist – dies dürfte deutlich geworden sein – ein bewußt komponierter und hochstilisierter Text, in dem es Matthäus nicht nur um historische Fakten, sondern um theologische Deutung und um eine neue Identität bei den Lesern geht.
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Zu Vers 17, mit dem Matthäus selbst seine Absicht genau erklärt, die ihn zur Formulierung von 2–16 bestimmte, wäre hier dieses mit Sand zusammenfassend zu sagen: „Mt bedient sich eines Zahlenschemas (3mal 14 = 3mal 2mal 7), das aber als solches die Intention des Evangelisten noch nicht erschließt; denn Mat ‚gebraucht‘ die Zahlen nicht wegen ihres symbolischen, sondern wegen ihres ‚didaktischen‘ Gewichtes: Erst das richtige Verständnis ermöglicht die Aussage: ‚Alle Geschlechter …‘. Zum ersten Mal begegnet hier bei Mt die umfassende Aussage: ‚alle‘. Einzig und allein darauf liegt der Akzent. Es ist die Intention des Evangelisten, hervorzuheben, daß (ausnahmslos) alle Geschlechter von Abraham (dem Vater aller in Erwartung Stehenden) über David bis zu Christus hereingenommen sind in die alt. Verheißung. Seit Abraham gab es zwar viele Geschlechter, die Geschlechterfolge im eigentlichen (theologischen) Sinn vollendet sich aber erst in Christus. … Das Erstellen von Stammtafeln diente dem Nachweis der nicht gebrochenen geschichtlichen Kontinuität. Vor allem bediente man sich der Genealogien, wenn die Rechtmäßigkeit eines Amtes nachgewiesen werden sollte. … In diesen Kontext gehören auch Spekulationen über die Herkunft des Messias … (es) herrschte die Überzeugung, daß der Messias davidischer Herkunft sein würde. Die Bezeugung der davidischen Herkunft hat auch im NT seinen Niederschlag gefunden … Von hieraus wird deutlich, welche Funktion der Genealogie im Mt.-Ev. zukommt und welche theologische Absicht mit ihr verbunden ist. In der Form eines Midrasch wird eine Deutung der geschichtlichen Entwicklung Israels und des Ziels dieser Geschichte vorgelegt … Der Redaktor übergibt seiner Gemeinde eine Genealogie Jesu, um ihr zu sagen, daß alle frühere Geschichte so angelegt war, daß ihr Lauf sich im Kommen Jesu vollendet. Damit hat sich die Hauptlinie der jüdischen Erwartung erfüllt: In Jesus ist der messianische Sohn Davids gekommen (V. 2–16), und in ihm hat Gott sich einen Sohn geschaffen, das Gottes Königtum in der Welt verkünden soll“ (Sand 45f). Dieses wird von den meisten Kommentatoren vertreten, wenn auch in bestimmten Abwandlungen der Begründung. Ohne diesem Verständnis zu widersprechen sei allerdings auf dieses aufmerksam gemacht: Mit der Genealogie, die Matthäus in 1,1–17 vorlegt, ist zwar in ihrer Weise die gesamte Geschichte Israels mit Jesus Christus in unlöslicher Weise zusammengeschaut, doch ist diese Sicht und die Art der Gesamtübersicht der Geschichte Gottes und Israels keineswegs die einzige oder allein gültige. Das erhellt schon daraus, daß hier offensichtlich „die Geschichte des Volkes in Ägypten, beim Exodus und der Landnahme“ (so Frankemölle I.144) mit keiner Silbe (mit)erwähnt wird, obwohl doch gerade der Exodus als „das geschichtsmächtige Handeln Jahwes an Israel bei der Befreiung aus Ägypten“ für alle Israeliten als das Grundereignis, als „Urbefreiung aus Ägypten“ angesehen und deswegen jährlich als „Urbekenntnis Israels“ (M. Noth) in der Feier des Pessach begangen wurde (und wird). Auch von Mose ist in dieser geschichtlichen Gesamtschau, wie sie den Kommentatoren nach in 1,1–17 auf ihr Weise gegeben ist, mit keinem Wort die Rede. Das kann uns aufmerken lassen, daß nichts im MtEv als
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einzige, gar maßgebliche Aussage angesehen werden darf, vielmehr alles im dortigen historischen Kontext gelesen und verstanden werden muß.24 Weiters ist auf die häufig gebrauchte Wendung „irdische Genealogie Jesu Christi“, „irdische Abstammung“, „menschliche Abstammung“ und „leibliche Abstammung“ u. ä. hinzuweisen. Bei Frankemölle wird der „irdischen Genealogie“, die in 1,2–17 vorliegen soll, die „ ‚himmlische‘ Genealogie“ gegenübergestellt, die in 1,18–25 ausgesprochen wäre, und für Jesus Christus von den „beiden Genealogien“ gesprochen (1.155). Diese Unterscheidungen sind in der faktisch verwendeten Formulierungsweise als unangemessen und den Text mißdeutend anzusehen. In 1,1 wird Jesus Christus betont mit vollem Namen an den Anfang gestellt; 1,16 spricht von „Jesus, der Christus Genannte“; und genau von diesem Jesus Christus wird in 1,18–25 die Herkunft (die in ihrer Besonderheit deutlichst erklärt wird) dargelegt. Die Spezifizierung „irdisch“ und „ ‚himmlisch‘“ (allein dieses „himmlisch“ wird stets in Anführungszeichen gesetzt; es wird also doch ein wesentlicher Unterschied bemerkt und angedeutet!) bzw. „menschlich“ (dem jedoch keine andere Art von Genealogie zugeordnet wird!) ist für das in 1,18–25 von Matthäus Ausgesagte unbegründet, wenn nicht sogar als falsch anzusprechen. Denn es ist immer von JESUS (1,21) die Rede, ohne daß der Text einzelne „Komponenten“ in ihm benennt oder auch nur andeutet.25 Was so an Stellen des 24 Die zuletzt zitierten Sätze sind aus Frankemölle, I.62–66 übernommen. – Hier können wir auch
auf die folgende Bemerkung zu 1,17 in zahlreichen Kommentaren aufmerksam machen, die die „eintönige lange Abfolge ‚A zeugte B‘“ (Frankemölle, I.139) in 1,2–17 zu eigenartigen Erklärungen dieses Textes bewegt hat. So lesen wir bei Frankemölle u. a. dies: „Nach Matthäus ist Jesus Christus nicht nur einer unter anderen, selbst wenn er als Ziel der Geschichte am Ende steht. Matthäus erreicht diese besondere Betonung Jesu außer durch Zahlenschematismus dadurch, daß er die etwas eintönig lange Abfolge ‚A zeugte B‘ an einigen Stellen durchbricht. Im Hinblick auf das Bekenntnis zu Jesus als ‚Sohn Davids‘ in der Überschrift (1,1) ist daher der Titel ‚König‘ als Ergänzung zu David als Höhepunkt der ersten Periode in 1,6 auffällig. … Auffällig – und darauf kam es Matthäus im Prolog an – war die parallele Durchbrechung der schematisierten Form der Genealogie. … Erst einmal aufmerksam geworden auf die Durchbrechungen der Normalform des Zeugungsschemas ‚A zeugte B‘ stellt man die stärkste Durchbrechung wiederum am Ende fest. Formulierte Matthäus immer aktivisch (…), so benutzt er das gleiche Verb jetzt passivisch: ‚Jakob war der Vater von Joseph, dem Mann Marias; aus ihr wurde gezeugt Jesus, der Christus/der Gesalbte genannt wird. … In dieser Durchbrechung in 1,16 liegt formal die stärkste Veränderung des genealogischen Schemas und somit auch der thematische Schwerpunkt seiner Aussage (vgl. dazu bei 1,18–25): Jesus ist Sohn Gottes in einzigartiger Weise“ (I.139f). Muß man hier von einer Durchbrechung des Schemas sprechen? Genügt nicht, gerade von der Sache her betrachtet, die der Mt-Text verfolgt, schlicht die Feststellung dieses Zieles dieser speziell geformten Genealogie in ihrem Endglied? Was Frankemölle im Zitat vertritt, begegnet übrigens in vielen Kommentaren. 25 So lesen wir bei Luz zum Aufbau der Genealogie: „Die Genealogie besteht aus einer langen Reihe eintöniger, kurzer Hauptsätze. Ihre Gliederung entschlüsselt V 17, der im nachhinein den Leser/innen einen Lesegesichtspunkt gibt … In die eintönige Genealogie sind Zusatzbemerkungen eingefügt. Sie erwähnen Frauen (…), Brüder (…), David als König (V 6a) und zweimal das Exil (V 11f). Am auffälligsten ist in V 16 die Erwähnung der Maria, weil hier die Konstruktion abbricht: gennao wird plötzlich passiv konstruiert. Außerdem erhält Jesus den Zusatz Xristos (wie 1,1). Hier liegt der Höhepunkt der Generationenreihe.“ (129). Dazu diese Bemerkung 132: „Der
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Kommentars Frankemölles aufgezeigt ist, begegnet auch in anderen Kommentaren. Er selbst entfaltet diese Unterscheidungen unter verschiedenen Aspekten weiter, wie auch in anderen Kommentaren dazu mannigfaltige Variationen angeboten werden. Hier müssen diese Anmerkungen genügen.26 In diesem Zusammenhang ist sogleich auf einen anderen Punkt aufmerksam zu machen, der dasselbe Problem heraufbeschwört. Einige Kommentare sehen nämlich in der Genealogie 1,2–17 ausdrücklich Jesu Menschsein betont herausgehoben. So sagt Trilling, um ein sprechendes Beispiel zu bringen, dieses: „Durch ein einzigartiges Wunder geschah die Empfängnis und Geburt Jesu … Bewirkte nun dieses Wunder, daß Jesus ganz außerhalb der natürlichen Bindungen von Familie und Volk stand, gleichsam nur von Gott her in unsere Geschichte und Welt hineingesandt, wie ein Komet, der den Luftraum der Erde schneidet? Keineswegs! Durch den heiligen Joseph, der vor dem Gesetz sein ‚Vater‘ ist, tritt er ein in die Folge der Geschlechter. Die Heilige Schrift bezeugt damit zunächst, daß er wahrer Mensch ist … Aber mehr noch: Die Familie, in der er an einer bestimmten Stelle erscheint, ist Königsfamilie, die Familie Davids, die Trägerin der messianischen Verheißung … Jesus ist im vollen Sinn und mit rechtlicher Geltung Nachkomme Davids“ (19). Bei Luz lesen wir unter „Wirkungsgeschichte“ u. a. dieses: „Christologisch ist für die Kirchenväter der Stammbaum ein Hinweis auf die Menschheit Jesu. Der Anfang des Mt-Evangeliums (1,1) handelt von der Geburt des Menschen Jesus, nicht von der Erzeugung der Gottheit, welche unaussprechlich ist. … Ziemlich im verborgenen bleibt dagegen in der altkirchlichen Auslegung die Aussage der ‚Hauptachse‘ des Stammbaums: Jesus ist nicht einfach als Mensch geboren, sondern als Israelit aus dem königlichen Geschlecht Davids“ (138). Dazu sagt Luz noch zum Stammbaum: „Dennoch gilt es, den Ernst zu bedenken, mit dem die kirchliche Auslegung aller Zeiten ihn als Stück Geschichte zu begreifen versucht hat. Hier steckt eine Grundaussage des christlichen Glaubens, nämlich das Wissen darum, daß Jesus eine menschliche, geschichtliche Gestalt ist. Darum, so sagt Irenäus, beginnt Matthäus sein Evangelium mit der menschlichen Abstammung Jesu … Matthäus würde wohl zu dieser kirchlichen Auslegung hinzufügen: Nicht einfach irgendein Mensch ist Jesus, sondern ein Glied seines Volkes Israel, sein Messias, in dem die Geschichte Israels zu ihrem Ziel gekommen ist“ (139f). Zu dieser und Stammbaum versetzt die Leser/innen zurück in die Welt der Bibel. Das monoton wiederholte egennesen ist ein charakteristisches Kennzeichen biblischer Stammbäume (…). In konzentrierter Form zieht die Geschichte Israels vor ihren Augen vorüber.“ ––– Schnackenburg schreibt dies: „Auffällig ist die Erwähnung von vier Frauen … Sie werden genannt …, weil sie sämtlich durch Gottes Fügung etwas Irreguläres in die Geschlechterfolge einbringen. Dadurch bereitet Mt das ganz außergewöhnliche Eingreifen Gottes vor, der aus der Jungfrau Maria den Messias Jesus geboren sein wollte …“ (18). Kann man das eigentlich noch komplizierter sagen? Der Mt-Text ist einfach und klar! 26 Siehe dazu den Exkurs „Verständnis der Geschichte Gottes“, in dem die hier angesprochenen Probleme ausführlich an Hand von Aussagen der Mt-Kommentare vorgestellt und besprochen werden.
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ähnlichen Stellen ist zu sagen, daß sie sicher Richtiges sagen wollen. Wenn allerdings gemeint wäre, daß sich 1,1–17 (dazu also auch 1,18–25) auf den Menschen Jesus, gar nur auf seine menschliche Existenzweise beziehe, dann wäre dem matthäischen Text gerade nicht entsprochen. Maria, um es in Kürze einmal so zu sagen, hat Jesus Christus geboren (1,21.25; 2,1), nicht den Menschen Jesus. Daher gilt es, alle Aussagen des Mt-Textes diesem Jesus Christus im vollen Sinn seines wahren Seins (wie immer man Unterscheidungen meint anbringen zu müssen) zu belassen und auszuwerten. Schließlich sei noch auf folgendes aufmerksam gemacht. Für 1,2–17, den sog. Stammbaum Jesu Christi, wird oft betont gesagt, darin sei die ganze Geschichte Israels wie in einem Zeitraffer zur Sprache gebracht, da mit Jesus als Messias „die Geschichte Israels zu ihrem Ziel gekommen ist“ (Luz 1.139).27 An manchen Stellen der Auslegung von 1,2–17 wird das deutlich. Dort ist ständig die Rede von der Geschichte Israels; Gott wird mitgenannt als der, der in den Geschichtsverlauf Israels „eingreift“ 27 Dazu seien einige Textbeispiele aus den Kommentaren aufgeführt: Zum Stichwort „Geschichte
Israels“ sei zunächst auf Texte bei Frankemölle aufmerksam gemacht. So in I.138: „Wie lasen und verstanden die ersten Leser diesen Stammbaum? Ohne Zweifel so, wie ihnen in der Schrift vorgegeben war: Als Bündelung einer sich über Jahrhunderte hinziehenden Geschichte im Zeitraffer. … Die für die Leser größte (Besonderheit) ist die gewollte (17) Periodisierung in 3 x 14 Geschlechtern. Diese Symmetrie … wurde für sie deutlich, daß er bewußt gestalten wollte. Ihm geht es um den Anfang mit Abraham, um den Höhepunkt mit David, um den Tiefpunkt in der Babylonischen Gefangenschaft und um den Zielpunkt aller Geschichte Gottes mit Israel in Jesus Christus. Wie die Geschichte Israels geordnet und geplant erscheint, so auch zielorientiert. … Die symmetrische Einteilung belegt, daß all dies dem Plan Gottes gemäß ist. Wie seinen biblischen Vorgängern geht es Matthäus nicht um historische Fakten, sondern um theologische Deutung, näherhin um die Aussage, daß die irdische Abstammung Jesu bereits das Ziel der von Gott gelenkten Geschichte Israels ist. Die Genealogie ist im Sinne des Matthäus also als eine Art Midrasch (…) zu deuten …“ (I.138f). Dann zur Nennung der Frauen in der Genealogie: „Wo liegen die Gemeinsamkeiten dieser vier Frauen und ihrer Rolle in der jüdischen Geschichte? Welche Information will Matthäus seinen Lesern durch sie geben? Die jüdische Verheißungsgeschichte würde ohne diese Frauen zusammenbrechen. Daß diese Verheißungsgeschichte dabei gleichsam ‚auf krummen Wegen‘ verläuft, gehört hinsichtlich der Frauen sicherlich zur Intention des Matthäus. Insgesamt bringen sie etwas Irreguläres in die Gattung ‚Stammbaum‘, der von der Gattung her ansonsten auf Normalität, Exaktheit und Legitimität ausgerichtet ist. … Nach Matthäus hört die Geschichte Israels mit der Erzeugung Jesu nicht auf, vielmehr erfüllt sie sich und fängt somit auch neu an“ (I.142). Dazu weiter: „Gott schrieb … auch auf männlicher Seite keineswegs nur ‚auf geraden Zeilen‘, zumal auch die Herrscher, allen voran David, keineswegs Vorbilder eines toragemäßen Lebens waren … Wir christlichen Leser haben diese jüdische Geschichte in ihrem Auf und Ab, aber auch in ihrer Spannung von Partikularismus (Israel) und Universalismus (alle Völker) neu ernstzunehmen, wenn wir wirklich den matthäischen Text in etwa angemessen verstehen wollen“ (I.146). Dazu auch noch dies: Zu Mt 2,17 und im Gefolge dieses Satzes heißt es: „Wenn Matthäus in 2,17 die übliche finale Zitationsformel der Bibel … durch ‚damals erfüllte sich‘ ersetzt, wird jeder Leser verstehen, daß die negativen Ereignisse nicht auf das Handeln Gottes direkt zurückgeführt werden können … Jeder Leser wird verstehen, daß Matthäus hinsichtlich dieser Ereignisse zurückhaltend spricht. An der Lenkung der Geschichte durch Gott läßt er im übrigen keinen Zweifel. … Im Auf und Ab der Geschichte, in Heils- und Unheilsgeschichte, in nach menschlichem Maß scheinbaren Brüchen, Widersprüchen und Negativitäten ist Gott der eigentlich Handelnde …“ (I.170).
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bzw. ihn überhaupt in einem unaufhebbaren Plan verfolgt, sie lenkt und auf das Ziel, das er, Gott, sich gesetzt hat (das Auftreten Jesu Christi), trotz aller Widrigkeiten und Negativitäten hinführt. Damit ist die Frage gestellt, wie überhaupt von einer Geschichte die Rede sein kann, in die Gott „eingreift“ bzw. die er „lenkt“. Dazu bedarf es einer Klärung, die wir im Anhang I geben werden.28 c) Besondere Bemerkungen zu Mt 1,16
Auf den Vers 16, der das letzte Glied der Generationenkette des Stammbaumes ist und in dem die volle Namensnennung „Jesus Christus“ in 1,1 wiederholt wird, ist in bestimmter Hinsicht besonders aufzumerken. Auf das in der Besprechung der rechten Übersetzung Herausgestellte brauchen wir hier nicht nochmals einzugehen. Wir erheben hier jetzt nur den theologischen Aussagegehalt dieses Verses, auf der Grundlage des exegetisch seitens der Fachexegeten (und Kommentatoren) Erarbeiteten. Die für literarisch-fachexegetisches Interesse wichtigen Besonderheiten, die der Text aufweist, sind hier nicht mehr zu diskutieren. Wir fragen schlicht: Was sagt der Text selbst an evangelium-gemäßer Bekundung und Erklärung im Sinn der (erkennbaren!) Absicht des Evangelisten, da dieser ja in 1,18–25 selbst noch eine nähere Erklärung zu 1,16 in der Weise einer „Fußnote“ folgen läßt, so wie er in 1,17 die Darbietungsweise der Genealogie in 1,2–17 offenlegt. Die offensichtlich auf Jesus Christus, der mit vollem Namen genannt wird, zielende Genealogie mit dem festen Rhythmus der Darbietung (A zeugte den B) endet bei Josef als dem Sohn Jakobs. Josef selbst wird dann als „der Mann Marias“ angesagt; und von Maria, die damit offenkundig als „die Frau des Josef “ angesprochen ist, wird ausgesagt: „von der geboren wurde Jesus, der Christus Genannte“. Damit ist in diesem Vers jedenfalls als ein erstes die Aussage gegeben, daß Josef und Maria ein Ehepaar sind. Das wird in 1,18b, der erklärenden „Fußnote“ zu 1,16, wiederholt und noch näher spezifiziert: „als seine Mutter Maria und Josef verehelicht waren und bevor sie zusammengekommen waren …“. Dieser Passus erweist sich als eine Zeitangabe für das in 1,18c bekundete Faktum (der Befund Marias). Dies ist eine für jüdisch-biblisches damaliges Alltagswissen voll verständliche und unproblematische Feststellung.29 Diese Zeitangabe gibt daher genau den Zeit-Raum an, in 28 Im Anhang I bringen wir zwei Überlegungen dazu an: „Euaggelion – Evangelium“ (I.1) und „Gott
in Geschichte“ (I.2). Darauf sei hier nachdrücklich hingewiesen. 29 Vgl. dazu den Exkurs zum israelitisch-jüdischen Eherecht und die dort angegebenen Akte zum Ri-
tus der Eheschließung und des Beginns des gemeinsamen Lebens. Nur durch hinreichende Kenntnis dieser historischen Wirklichkeit kann Mt 1 (wie andere biblische Texte) richtig verstanden werden. – Hier seien noch diese wichtigen Bemerkungen gebracht. Josef, in 1,16 als Nachkomme Davids erstmals genannt, wird in 1,20 vom Boten des Herrn, also von Jahwe selbst ausdrücklich als dieser angesprochen und beauftragt. In 1,16 wird er als der „Mann Marias“ näher bestimmt, womit Maria als „Frau des Josef “ unmittelbar miterklärt ist. Sie wird bezeichnend anders genannt, als es im Fall der anderen in 1,2–16 genannten Frauen geschieht. Jedenfalls wird von Josef und Maria betont herausgestellt, sie seien verehelicht, d. h. einander verbunden durch ihr freies und
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dem das Faktum, von dem 18c Kunde gibt, als offensichtlich schon geschehen und somit als „Befund“ Tatsache war (s. dazu die spätere ausführliche Besprechung von 1,18b und c). Das bedeutet dann aber für das erste theologische Verständnis von 1,16 dieses (was die erklärende Aussage des Evangelisten in 1,18–25 bekräftigt), was mittels des Sprachspiels der Genealogie zunächst so formuliert werden kann: Gott Jahwe gibt den, der später mit göttlichem Recht „Messias – Christus“ genannt wird, diesem Ehepaar Josef (Sohn David) und Maria als Sohn (israelitisch-jüdischen Rechts), und zwar dem Josef, der selbst Sohn Davids ist und betont hier stets so genannt wird, der den Gott-bestimmten Namen geben soll, der ausspricht, wer dieser Sohn von Gott her ist und was seine Lebensaufgabe sein wird: JESUS – Jahwe rettet, d. h. dem damaligen jüdisch-religiösen und -rechtlichen Verständnis und Gebrauch gemäß ihn als Sohn im Davidstamm erklären und ihn folglich es tatsächlich zu sein aufgibt: Sohn Davids im gott-verfügten Sinn. Damit wird dies klar: Nach Matthäus hat Jahwe sich an Josef (s. Mt 1,18–25) und Maria (s. Lk 1,26–38) als Verehelichte gewandt, Josef dazu „Sohn Davids“ im Sinne der Jahwe-Verheißung seinerzeit an David, um sie in die Erfüllung rechtlich wirksames Eheschließungswort. Genau diesem, so detailliert angezeigten Ehepaar gibt Gott gemäß Mt 1 (und Lk 1) den Sohn Davids, auf den die ganze Generationenkette im Sinne des Matthäus hinauslaufend angelegt war, und zwar durch Gott selbst. Das als Kommentator auch ausdrücklich herausgearbeitet habend, konnte ich nur einen einzigen Autor finden: P. Bonnard in seinem „L’Évangile selon Matthieu“, 1963, 18: „Dans l’intimité d’une famille davidique juive, que rien ne designait pour une telle destinée, intervient discrètement et souverainement le Seigneur, c’est-à-dire le Dieu d’Israel ainsi nomé dans la LXX, par son Esprit (v. 20c) puis par son ange explicant l’oevre de cet Esprit (v. 20 et 24)“. Dazu noch: „Du point de vue de Mat., il est important que Jesus naisse dans une famille juive régulière“ (18 und 20). Was Gott im Sinn hat, das wird dem Gehorsam Josefs anvertraut, damit Gottes Heilsplan sich verwirklichen könne. Dies alles bedenkend, stellt sich unausweichlich die Frage, warum dieses im Mt-Text offenkundig Gemeinte und Ausgesagte nicht genau so schlicht in der Kirche verkündigt und theologisch reflektiert und ausgewertet wird. Das beginnt damit, daß Josef und Maria nicht tatsächlich genannt werden, was sie sind (sowohl in Mt 1–2 wie in Lk 1–2 ist das sogar das erstgenannte Eigentümliche, mit dem sie vorgestellt werden), nämlich (Ehe)Mann und (Ehe)Frau (so der Lk- und Mt-Text!), und nicht „Verlobte“ (die ja weder der jüdische wie allgemein der hellenistische Bereich überhaupt kennt). Tatsächlich wird umständlich gerechtfertigt, daß diese Wörter seitens der Evangelisten wie selbstverständlich gebraucht werden, und das schlicht falsche Wort „Verlobung“ bzw. „Verlobte“, und das allein!, eingesetzt. Josef wird in Predigt und Theologie, ja sogar im Hochgebet der Eucharistiefeier „Bräutigam“ genannt, was er nie war. Dieses Wort wird in der Bibel, nicht anders wie „Braut“, für die gesetzt, die man Hochzeiter nennen könnte. So heißen nämlich gerade die, die die biblisch gemeinte Hochzeit, das Fest der Heimführung, des Zusammenkommens der Neu-Verehelichten, feiern (ca. ein Jahr nach der rechtswirksamen Eheschließung). Vgl. dazu Mt 9,15; 25,1.5f.10; Mk 2,19f; Lk 5,34f; Joh 2,9; 3,29; Apk 18,23. Alles in allem: Warum wird nicht schlicht das in der Bibel berichtete Faktum beim Namen genannt, nämlich daß Gott seinen Sohn diesem Ehepaar im Hause David anvertraut, auf daß sie (anders als damals Achas: Jes 7) ihn als erste annehmen, d. h. sich und der Welt schenken lassen als den, der der „Retter“, der „Immanuel“, der „Messias“ mit Eigennamen genannt wird, da er von dem her das tatsächlich ist, der diesem seinem Sohn seine Lebensaufgabe und Selbstdahingabe anvertraut und aufträgt und ihn so in das Ziel bringt, das für alle Welt das Heil bedeutet: JHWH. Der Mt-Text sagt es so und nicht anders. Das werden wir im folgenden weiter sehen, bedenken und theologisch auswerten müssen.
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seines in Jesus geplanten Heilswerkes auf die von ihm selbst bestimmte Weise mit einzubeziehen. Sie werden darauf angesprochen, zuzustimmen und nach dem Auftragswort Jahwes, das zum Jahwe-bestimmten Zeitpunkt gegeben wird, zu handeln bzw. mit sich wirken zu lassen (nach Lk 1 hat Maria das verstanden und geantwortet: „Mir geschehe nach deinem Wort“. Wir behaupten mit dieser Zusammenführung von Mt 1 und Lk 1 nicht, daß beide Evangelisten voneinander oder vom selben VorText abhängen, sondern lesen nur die Tatsache, daß in beiden Evangelien das Faktum der Verehelichung von Josef und Maria als erstes betont herausgestellt ist). Was so in 1,16 im MtEv klar ausgesagt ist, wird ja ebendort, in 1,18–25, vom Evangelisten näher erklärt.30 Der Versteil 16b wird von den Kommentatoren unterschiedlich verstanden und ausgewertet. Bei der Feststellung des Textes und seiner rechten Übersetzung haben wir die entsprechenden Fragen besprochen und unsere eigene Wiedergabe begründet: „Maria …, aus der geboren wurde Jesus, der Christus Genannte“. Das evgennh,qh wird von manchen Autoren als „gezeugt“ verstanden, unter Berufung auf die Formulierungen in 1,3.5.7, wo genna,w als spezifische, für den Mann geltende Sprechweise stehe („zeugen“), weil dort (ausnahmsweise) die Frau auch genannt wird, jedoch mit evk konstruiert. genna,w, so ist es die Auffassung dieser Autoren, gebe das Tun des Mannes in der Zeugung eines Kindes an, wenigstens das „Zutun des Mannes“. Das hat seine Auswirkung auch bei jenen Kommentatoren, die das evgennh,qh in 1,16 als theologisches Passiv lesen, womit ja Gott als der Wirkende genannt wird. Daraus folge, daß Gott auf irgendeine Weise das beim Werden Jesu Christi erfüllt habe, was in der natürlichen Zeugung eines Kindes der Mann leiste.31 Wir werden auf diese 30 Vgl. dazu, was in der theologischen Erfassung von 1,18–25 spezifisch gesagt wird. 31 Wie wir im Abschnitt zur rechten Übersetzung schon gesehen haben, so setzen die meisten Kom-
mentatoren „geboren von“, meist ohne weitere Begründung. Für „gezeugt aus“ entscheiden sich wenige, so Sand (41; dazu im Kommentar: „die Aussage selbst hebt hervor, daß Josef nicht der leibliche Vater Jesu ist“ – ohne Erklärung, wo er das so detailliert ausgesagt findet); Gnilka (3; aus 10, Anm. 34) läßt seine Unentschiedenheit erkennen: „egennethe könnte auch übersetzt werden: aus der geboren wurde. Jedoch bedeutet das Verb im Stammbaum immer: zeugen“. (Muß der Evangelist das sehr offene Wort „genna,w“ immer nur in einer Bedeutung einsetzen?). Frankemölle wechselt beliebig den Ausdruck. Zunächst übersetzt er „evx h-j evgennh,qh VIhsou/j“ auffällig so: „mit der gezeugt wurde Jesus“ (in Mt 1,3.5.6 übersetzt er „ek“ einmal mit „aus“, dann zweimal „mit“ – ohne Begründung). 1,16 selbst wird die gewählte Übersetzung nicht eigentlich besprochen. Doch ist dieser Satz bezeichnend: „Wer dieser Jesus Christus wirklich ist, kann durch seine irdische Genealogie nicht umfassend und abschließend gesagt werden, so daß Matthäus – wie bereits Vers 16 andeutete – ohne jeglichen Aufschub eigens zur Kommentierung in seiner ‚himmlischen Genealogie‘ in 1,18–25 übergeht. Sie beantwortet eine zweifache Frage: zunächst in Weiterführung der genealogischen Linie von 1,2–16: Wie wird Jesus, der Sohn Marias, Davidide? Und weit wichtiger: Wer ist der ungenannte Erzeuger in Vers 16 („aus ihr wurde gezeugt Jesus“)?“ (147). Diese Sätze stecken voll von Problemstellungen, die der matthäische Text selbst überhaupt nicht kennt. Ähnliches ist zum Text Fiedler 45 zu sagen, der ein Musterbeispiel dafür ist, daß man, bevor man einen Text ganz gelesen (und verstanden) hat, Probleme sieht und folglich „zwischendurch“ schon Lösungen bringt; in diesem Text vor allem, daß man faktisch nach einem männlichen Erzeuger (wie
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Auffassung noch in der Besprechung von 1,18–25 einzugehen haben. Da jedoch diese Verstehensweise sich als unberechtigt erweist (genna,w ist ein viel offeneres Wort, als hier anerkannt ist), deswegen treten wir für die Übersetzung „geboren aus Maria“ ein, und das aus folgenden Gründen: Das Wort genna,w hat eine große und offene Bedeutungsweite, die vom „zeugen“ eines Kindes durch Mann und Frau (im Miteinander-Wirken), vom „erzeugen“ des Kindes durch den Mann und „gebären“ des Kindes durch die Frau bis zum „Erfolg geistigen Wirkens“, ja zum „hervorbringen, hervorrufen (Frucht u. ä.)“ reicht.32 Wir werden in der Erschließung von 1,18–25 darauf stoßen, daß allein dort, in einem an sich eindeutigen Kontext, mehrere Bedeutungsvarianten verwendet erscheinen. Der jeweilige Kontext, dieser freilich im Gesamtzusammenhang des MtEv gelesen, läßt für die einzelne Stelle das richtige Verständnis erfassen – wenn nicht eine irgendwie voreingenommene Vorgangsweise das rechte Verstehen verbaut (hat).33 Unser Verständnis von 1,16 entspricht auch dem Empfinden, das Matthäus hatte, als er nach 1,17 meint noch ein erklärendes Wort für 1,16 zu formulieren, damit deutlich sei, was er als Evangelist meint sagen zu müssen. So lautet ja der ganz ungewöhnlich formulierte Satz 1,18a: „Die Herkunft des Jesus Christus war aber so: …“. Wir haben folglich jetzt auf diese Verse 1,18–25 einzugehen.
3. Die theologische Aussage von Mt 1,18–25
Was zur Frage der rechten Übersetzung dieser Verse oben vorgetragen wurde, wird jetzt vorausgesetzt, muß allerdings berücksichtigt bleiben. Wir haben jetzt auch die ganz ungewöhnliche Verstehensbreite genau zu beachten, wie 1,18–25 überhaupt beurteilt wird. Auf der einen Seite wird mit Nachdruck auf die eigenartig knappe und prosaisch-nüchterne Redeweise gerade in diesen Versen hingewiesen, etwa im Vergleich zu Lk 1–2. Auf der anderen Seite wird, sogar von den Autoren, die 1,18–25 als „Fußnote zu 1,16 so nüchtern wie nur irgend möglich“ sprechend (so Luz z.St.) ansehen, als „Erzählung“, „Geschichte“ eingestuft, als „Geburtsgeschichte“ aufgefaßt und dementsprechend das Schema der biblischen Geburtsankündigung und ihrer
man es formuliert) meint suchen zu müssen, weil ja in Maria (vorschnell, und daher falsch) der weibliche Anteil an der Zeugung Jesu schon klar angesagt erscheine. Genau diesem Fragepunkt werden wir uns intensiv zuwenden müssen; s. weiter unten. 32 Siehe dazu den ausführlichen Exkurs zur Bedeutung von „gennao“ – zeugen – gebären u. ä. Dort gehen wir auch auf Fragen ein, die sich auf die Lebensentstehung des Kindes durch den elterlichen Akt (den Wir-Akt von Mann und Frau) beziehen, wie auch auf Gebären bzw. Geburt usw. und somit auch auf den spezifischen fraulichen „Anteil“ im Werden des Kindes u. ä. 33 Einige Beispiele aus dem At und NT für die unterschiedlichste Verwendung von „gennao“ bzw. „gignomai“ bringen wir im Exkurs, auf den die vorige Anmerkung verweist.
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Folgen als hier auf Jesus Christus angewendet behauptet.34 Wir lassen jetzt alle diese Vor-Urteile ganz beiseite und den Text zunächst selbst sprechen, hören ihm zu in dem, was er direkt und klar sagt. Das geschieht in Verantwortung und nachdem wir viele Exegeten mit den Ergebnissen ihrer Forschungsarbeit gelesen und ausgewertet haben. Wir entscheiden im eigenen Beschluß, den wir offenlegen.35 a) Der Vers Mt 1,18
Der Vers 18 beginnt mit einer auf 1,16 rückverweisenden Formulierung. Daher ist ge,nesij mit dem offensten Wort „Herkunft“ wiederzugeben.36 Das sehr oft gewählte „Geburt“ ist sicher falsch, da von „Geburt“ im ganzen Kapitel 1 nicht gesprochen wird, im Blick auf 1,16 jedoch „Herkunft“ klar und angemessen erscheint, zumal Matthäus, wiederholend, mit Maria („seine Mutter“) und Josef einsetzt. Deren momentane persönlich-gemeinsame Lebenssituation wird sehr genau angegeben, und zwar als Zeitangabe für das Faktum, das, wenngleich aufs kürzeste angesagt, das Entscheidende ist, was Matthäus kündet.37 In auffallend offener und doch eindeutiger Redeweise wird der Sachverhalt ins Wort gebracht, womit nicht eigentlich das „Ereignis“ (als geschehendes), sondern das Faktum benannt wird, das vorlag. Dies wird in einer Redeweise ausgesagt, die niemand verwenden würde, der Historisches, ob Geschehen oder Faktum, berichten möchte, wie auch keiner, der „Geschichten“ erfindet und erzählt (gegebenenfalls, um einen Gedanken ins Wort zu bringen). Es beginnt mit eu`re,qh, einem im Passiv stehenden Verb, das in 18 offensichtlich auf „seine Mutter“ 34 Hier ist kein Raum, Beispiele aufzuführen, die die Vielfalt der Auffassungen hinreichend aufzeigen
könnten. Wir verweisen daher auf den Anhang II, wo diesem Anliegen entsprochen wird. Alle Varianten vorzuführen ist ohnehin unmöglich. 35 Dafür, den Text zunächst selbst sprechen zu lassen, um die Aussageabsicht des Matthäus und die Aussage selbst zu erfassen und sie dann theologisch (d. h. biblisch, als Euangelion) voll zu Gesicht zu bekommen, hat mich ein Wort des Exegeten und Theologen A. Schlatter ermahnt und ermuntert: „Von Vermutungen hielt ich mich möglichst frei und verzichtete darum auch auf die Widerlegung von solchen. Ich halte diese nicht für ein fruchtbares Geschäft. Denn Konjekturen werden nicht dadurch widerlegt, daß man andere macht. Sie versinken dann, wenn eingesehen ist, daß die Beobachtung fruchtbarer ist als die Konjektur. … Ich heiße ‚Wissenschaft‘ die Beobachtung des Vorhandenen, nicht den Versuch, sich vorzustellen, was nicht sichtbar ist. Vielleicht entsteht daraus eine Einrede gegen den Wert einer solchen Darstellung, da die ratende Vermutung anrege und unterhalte, während die Beobachtung eine schwierige, harte Arbeit sei. Richtig ist freilich, daß Spiel leichter als Arbeit ist: Das Evangelium ist aber mißverstanden, wenn aus ihm ein Spiel wird“ (Der Evangelist Matthäus, XI). 36 Frankemölle, I.129, macht in seiner Besprechung von Mt 1,1 auf die mannigfaltige Bedeutung von „genesis“ aufmerksam: „Das Substantiv genesis hat ein sehr weites Bedeutungsspektrum; es meint „Ursprung, Entstehung, Herkunft, Zeugung, Geburt, Leben, Entstehungsgeschichte, Geschichte“. Deswegen muß bei der Übersetzung mit Behutsamkeit vorgegangen werden. 37 Vgl. dazu das zuvor (im Abschnitt zur rechten Übersetzung des Textes) zum Ehestand von Josef und Maria und ihre momentane Situation damals gesagt wurde; dazu den entsprechenden Exkurs zum jüdischen Eherecht und Eheschließungsbrauch.
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II.
Zur theologischen Erfassung von Mt 1
(Maria in 1,16) bezogen ist, die als „e;cousa – habend“ angegeben wird. Ein Verb im Passiv kann gesetzt werden ohne sprachlich geforderte Angabe dessen, das oder der aktiv wirkt, tut, was in Passivform angesagt wird. In dieser Hinsicht läßt das Passiv, allein stehend, die Frage nach dem „Täter“ unbeantwortet. So im Fall 1,18: „sie wurde gefunden“ sagt nichts über den, der dies tat, „sie finden“. Das Tätigkeitswort „finden“ ist zudem, wenngleich als ein aktives Tun des „Finders“ erscheinend, tatsächlich durch eine auffällige Unbestimmtheit offen für mannigfaltige Anwendung. Man kann „finden“ aufgrund von gezieltem Suchen, aber auch ganz ungewollt „darauf stoßen“. Das „sich finden“, gelegentlich mit „sich befinden; sich fühlen“ gleich-bedeutend, kann sich auf einen Zustand beziehen, der die Person „trifft“, wie auch auf den Anwesenheitsort. Da ist „sich finden; sich befinden“ fast synonym mit „sein“.38 Was in 1,18 genau gemeint bzw. implizit, aber ein-deutig auskunftsmäßig ausgesagt ist, kann nur der weitere Kontext offendecken. Wir belassen es jedoch ausdrücklich in seiner Unbestimmtheit, um nicht für das, was hier eigentlich klären soll, doch schon ein (wenn auch eher unbewußtes) Vor-Urteil wirksam werden zu lassen.39 Das in 1,18 folgende evn gastri. e;cousa evk pneu,matoj a`gi,ou gibt einen ersten Hinweis. Denn es ist offensichtlich, wenngleich wieder aufs kürzeste (und deswegen selbst weiter erklärungsbedürftig) gesagt, der Aussagekern von 1,18: „Maria – im Schoße habend aus heiligem Geist“. Das ist es, was „sich fand; gefunden wurde“, der „Befund der Maria“.40 An diesem Satzteil fällt auf, daß für „(im Schoße) haben“ kein 38 Zerwick, Analysis, 1953, macht darauf aufmerksam, daß es sich im Fall 1,18 um einen eigenartigen
Gebrauch der Verbform handelt, die sich am Hebräischen ausrichtet: „heurethe – inventa est; pass. ‚inveniri‘ hebr. saepe sensu debiliori adhibetur, fere fieri, esse, se trouver, sich befinden“ (1). 39 Wir legen hier unsere eigene Übersetzung dieser Verse vor, die sich ganz eng an den griechischen Text hält. Wir fügen an gegebener Stelle dem Text für den Leser verdeutlichende Zusatzwörter in Klammern ein, ohne ihn selbst schon zu interpretieren: „Die Herkunft Jesu Christi aber war so: Als seine Mutter mit Josef verehelicht war, und noch bevor sie zusammengekommen waren, fand sich, daß Maria im Schoße hatte (trug) aus heiligem Geist. Josef aber, ihr Ehemann, war ein Gerechter (Gottesfürchtiger) und wollte sie nicht der (achtungslosen) Öffentlichkeit aussetzen, so gedachte (erwog) er, sie zu entlassen (aus der gemeinsam eingegangenen ehelichen Rechtsbindung freigeben). Als er das bedachte (erwog), siehe, da erschien ihm im Traum (der) Engel (des) Herrn, der sprach: „Josef, Sohn Davids, scheue (fürchte) dich nicht deswegen, Maria, deine Ehefrau, zu dir zu nehmen, weil das in ihr Gezeugte aus heiligem Geist ist. Sie wird nämlich (den) Sohn gebären, und du sollst seinen Namen JESUS nennen. Denn er wird sein Volk von ihren Sünden erretten. Alles das ist, geschehen, damit das vom Herrn (Jahwe) durch den Propheten Gesagte erfüllt wurde, der sagt: Siehe, die Jungfrau wird im Schoße haben und sie wird (den) Sohn gebären, und sie werden seinen Namen nennen IMMANUEL, das ist übersetzt: MIT-UNS-GOTT“ (1,18–25). 40 Manche Exegeten machen darauf aufmerksam, daß die Wendung evn gastri. e;cousa – „im Schoße habend“ in 1,18c aus dem Jes-Zitat 7,14 im Vers 23 übernommen sei. Das mag so sein, was aber bedeutet, daß die LXX die hebräische Wendung des Jes-Textes so wiedergegeben haben (neben der anderen Wendung lh,myesqai statt e;cein), weil Matthäus sie ja zitiert. Das bedeutet jedoch, daß für beide Texte das gilt, was wir herausgestellt haben. Matthäus hat sich für die von ihm gewählte Formulierung entschieden, die offenbar auch vom hebräischen Text möglich war. Wie für Jes 7,14 ist für Mt 1,18c.23 daher diese sehr offene Formulierung gelten zu lassen. Wir besprechen das wei-
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Objekt des Habens genannt ist: Was „hatte sie im Schoß“? Der Zusatz evk pneu,matoj a`gi,ou ist keine Objekt-Angabe für das „haben“, sondern gibt zunächst nur das Woher dessen an, was Maria im Schoße trug; dieses selbst bleibt unausgesprochen. Die Woher-Angabe ist aufrüttelnd: „aus heiligem Geist“. Im biblischen Kontext überhaupt verstanden, spricht dieser Passus jedenfalls, wenngleich auch sehr offen, von Gott (Jahwe!) bzw. Göttlichem als dem hier angesprochenen Woher.41 Was dieses sein Woher-in-oder-von-Gott-Habend genau ist, bleibt offen. Wir machen auf diese vielfältigen Unbestimmtheiten der Aussagen in 1,18, welcher Vers ja Klärungen für das Frag-würdige in 1,16 bringen soll, deswegen so engagiert aufmerksam, weil 1,18c von vielen Kommentatoren trotz seiner äußersten Kürze doch auseinanderrissen wird. Das evn gastri. e;cousa wird allein für sich genommen und mit „sie wurde schwanger erfunden“ wiedergegeben (und die Folgen reflektiert), und das evk pneu,matoj a`gi,ou als eine Auskunft angesehen, die dem aktuellen Leser des Textes gelte, nicht z. B. schon dem Josef zuteil geworden war. Das ist eine nicht zu rechtfertigende Gewaltanwendung gegen die Matthäus-Aussage. Er gibt eindeutig und klar evn gastri. e;cousa evk pneu,matoj a`gi,ou als das an, was „gefunden wurde“, ohne nähere Angabe, wer diese Kenntnis und wie er sie von wem bekommen hat.42 ter, um dem Verstehen des matthäischen Text möglichst nahezukommen. Die Wendung evn gastri. e;cousa – „im Schoße habend“ begegnet im NT mehrmals, und das in sehr verschiedener Weise. Mt 1,23 (evn gastri. e;cei), Mt 24,19; Mk 13,7); Lk 21,23 (evn gastri. evcou,saij) und in Apk 12,2 von der sonnenumkleideten Frau ausgesagt (evn gastri. e;cousa( kai. kra,zei wvdi,nousa kai. basanizome,nh tekei/n) ohne jede Zusatzangabe, nämlich des Objektes (was/wen) oder des Woher (von wem oder was) dieses Habens. In Mt 1,23, wo Jes 7,14 (in einer der LXX-Formeln) aufgegriffen ist, könnte das Was/Wen des Habens im unmittelbar folgendem kai. te,xetai ui`o,n angegeben sein, eben „Sohn“, was aber z. B. in Apk 12,2 durch das dort Folgende nicht der Fall ist. In 1 Thess 5,3 wird diese Wendung in bildlich-übertragener Bedeutung gebraucht; w[sper h` wvdi.n th/| evn gastri. evcou,sh|. In Mt 1,18 ist das Woher (wir formulieren hier sehr offen und vorsichtig) des Habens angegeben: evn gastri. e;cousa evk pneu,matoj a`gi,ou. Um das rechte Verständnis dieser verwendeten Präposition im Zusammenhang der Aussage werden wir uns zu bemühen haben. In Röm 9,10 schließlich findet sich eine Formulierung (in dem anerkanntermaßen recht unvollständig erhaltenen Satz), die e;cousa allein (ohne ein evn gastri. o. ä.) aufweist, allerdings dort mit einem Zusatz, der mit evk konstruiert ist: avlla. kai. ~Rebe,kka evx e`no.j koi,thn e;cousa. Ein Was oder Wen ist nicht angegeben, sondern nur das Woher (mit evk). Dieses bezieht sich also auf koi,th, das im direkten Kontext durch e`no.j koi,thn näher bestimmt ist. Das evk ist aber auf koi,th bezogen, nicht auf den mit e`no,j Angegebenen (Isaak) und den gar allein. Denn es ist „sie hatte aus ehelichem Akt“ zu lesen, den jedoch Mann und Frau als gemeisamen Akt setzen. Wir werden uns alle diese Beobachtungen vor Augen halten müssen, wenn es gilt, Mt 1,18 (und 1,20) richtig zu lesen und zu verstehen. Es bleibt ja zu beachten, daß die Formulierung „im Schoße haben aus heiligem Geist“ in der gesamten Bibel nur hier begegnet. Wir werden das im gegebenen Kontext noch eingehend besprechen und deuten müssen. 41 Zur Bedeutung der sehr offenen Formel „aus heiligem Geist“ vgl. den Exkurs „Heiliger Geist“. 42 Für die (unberechtigte!) Zerteilung des Satzes 1,18c und den Versuch, sie zu rechtfertigen s. folgende Textbeispiele aus den Kommentaren: Die Übersetzung von 18c im Text der Einheitsübersetzung (die übrigens Schnackenburg ohne jede Erklärung übernimmt) ist schlicht eine Textverfälschung. Sie zerreißt den eindeutigen Satz mittels trennendem Bindestrich, sie lautet ja: „… fand sich, daß sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes“. Der Text will aber nicht zweierlei
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Wir haben daher den Satz(teil) 18c als ganzen zu lesen und zu verstehen, was sagen, nämlich zunächst das Schwangersein der Maria (wie viele Übersetzungen das evn gastri. e;cousa unschön „verdeutschen“) und dann, durch den unberechtigten trennenden Bindestrich abgesetzt, die „Ursache“ für diesen Zustand Marias, wobei aus evk pneu,matoj a`gi,ou ein „durch das Wirken des Heiligen Geistes“ herausgelesen wird. – Schmid: „ ‚Vom heiligen Geist‘ fügt der Evangelist, dabei vorausnehmend, was Joseph erst in V. 20 erfährt, von sich aus hinzu. Joseph wird durch die ihm überbrachte Mitteilung über den Zustand seiner Verlobten in einen schweren seelischen Konflikt gestürzt … (Davon ist in keinem Vers die Rede! Freie Erfindung des Auslegers, daß dem Joseph eine Mitteilung überbracht wurde; etc.: R. S.). … wird durch eine im Traume … erfolgende Engelserscheinung aufgeklärt. Diese Mitteilung durch einen Boten Gottes hat anderes Gewicht, als es eine solche aus dem Munde Marias gehabt haben könnte … Darum bedurfte es (wer beurteilt hier was??: R. S.) des Eingreifens Gottes, um das Geheimnis der wunderbaren Empfängnis Marias auch ihrem Verlobten glaubhaft zu machen.“ (42f). – Schniewind sagt zu 1,18: „Die Verlobung gilt damals rechtlich der Heirat gleich. Marias Lage gilt demnach als Ehebruch; so wird auch von Joseph und Maria als von Mann und Frau schon vor der Heirat (V. 24) gesprochen (V. 19.20.24). Aber ehe noch die Erzählung sich löst in der Erscheinung des Engels und Josephs Gehorsam gegen dessen Befehl, setzt der Erzähler gleich zu Anfang die Lösung hinzu: vom heiligen Geist ist das Kind erzeugt. – Joseph hält seine Frau für schuldig; …“ (13). – Trilling sagt zu 1,18–25 u. a. dies: „… daß Maria gesegneten Leibes war. Joseph hat es offenbar selbst bemerkt. Was er nicht weiß, das sagt uns der Evangelist – vorausdeutend und erklärend – sofort mit: Was in ihr lebt, das stammt aus Heiligem Geist. Kein Wort über die Bestürzung … es wird uns nicht erzählt … nur das Ergebnis erfahren wir … Erst nachdem der Entschluß der Trennung schon gefaßt ist, greift Gott ein …“ (2 und 26). – Rienecker sagt es auf die kürzeste Weise: „Was Matthäus in V. 18 dem Leser schon gesagt hatte mit den Worten: ‚Sie hatte ein Kind aus Heiligem Geist empfangen‘, teilt nun der Herrenengel dem Joseph mit, indem er sagt: Was Maria erwartet, das stammt aus Heiligem Geist. Das Wort ‚Siehe‘ zeigt das Plötzliche der Überraschung an.“ (34). – Fiedler sagt zu 1,19f u. a. dies: „Verdacht des Ehebruchs … Denn er kennt den Hinweis auf den heiligen Geist (noch) nicht (anders als die Leserschaft des Mt). … Die beabsichtigte Scheidung entspricht jedoch nicht dem Plan Gottes. Deshalb läßt Mt ihn jetzt durch einen Boten = Engel selbst eingreifen … Damit er sich nicht länger davon abschrecken läßt, offenbart ihm der Engel jetzt die Herkunft des Kindes …“ (48f). – Wiefel meint dies zu 1,18: „Der nach knapper Überschrift die Exposition bietende Vers nimmt die im Wort des Engels V. 20 enthaltene Aussage schon vorweg. Man wird daraus folgern dürfen, ‚daß der Evangelist die wunderbare Empfängnis als Wahrheit voraussetzt‘ (Anm.: Vögtle)“ (31). – Luz sagt an mehreren Stellen dieses zu 1,18–20: „Die Geschichte ist keine Geburtsgeschichte, obwohl sie von der Jungfrauengeburt handelt, und keine Legende. Wie spannungslos sie erzählt wird, sieht man daran, daß sie die eigentliche Pointe, das Engelwort, bereits in V 18 vorwegnimmt.“ (42). „Der Evangelist liefert nur die nötigsten Informationen. Der die Spannung aufhebende Vorausverweis auf die Geistzeugung setzt bei den Leser/innen Kenntnisse voraus. Sie wissen schon, was Josef erst in V 20 erfährt: Der Vorausverweis ist aber kein literarischer Patzer, sondern überaus kunstvoll: Die bereits informierten Leser/innen wissen, was an der Geschichte wichtig ist, und warten darauf, daß es Josef endlich auch erfährt.“ (146; vgl. dort das Folgende). Wir beachten, mit welcher Phantasie dieser Text „verstanden“ und erklärt wird! Die Willkür und Beliebigkeit des Übersetzens zeigt sich an der Wiedergabe von Mt 1,16.18.20f in der Ausgabe des Neuentestaments von Cl. Berger und Chr. Nord (2001): „Jakobs Sohn hieß Joseph. Er war der Mann von Maria, die Jesus Christus, den Messias, geboren hat … Dies ist die Geburtsgeschichte Jesu, des Messias. Seine Mutter, Maria, war mit Joseph verlobt. Noch bevor die miteinander geschlafen hatten, stellte sich heraus, daß Maria ein Kind erwartete, und zwar durch Wirken des Heiligen Geistes … Als er noch darüber nachdachte, erschien ihm im Traum ein Engel des Herrn, der sagte zu ihm: „Joseph, du Nachkomme Davids, hab keine Angst und nimm deine Frau Maria zu dir. Das Kind, das sie unter
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übrigens durch 1,20 bestätigt wird, wo ja mit einem Zusatz das in 18c Bekundete wiederholt wird. Aus denselben Gründen halten wir an der Formulierung des Satzes im Griechischen fest, die auch deutsch gesetzt annehmbar wie verstehbar klingt: „sie hatte (wofür auch „trug“ gut und dasselbe sagend gesetzt werden kann) im Schoße aus heiligem Geist“. Wir haben nun evk pneu,matoj a`gi,ou auf seinen von Matthäus intendierten Aussagegehalt hin zu betrachten. Er enthält ja tatsächlich drei zu hinterfragende Vokabeln: evk, pneu/ma und a[gion, die bekanntlich im NT nie beiläufig gesetzt sind, sondern faktisch einen ungemein großen Bedeutungsgehalt haben, je nach dem betreffenden Kontext zu erheben. Zur Präposition evk haben wir schon für ihr rechtes Verständnis in Mt 1,2–16 sprechen müssen.43 Für a[gioj, für pneu/ma und die Wendungen Îto.Ð pneu/ma Îto.Ð a[gion ist wegen der Bedeutungsfülle und -vielfalt ein Exkurs fällig, aus dem wir die weiteren Überlegungen zu entwickeln haben.44 Wir werten die dem Herzen trägt, hat sie durch den Heiligen Geist empfangen. Es ist ein Junge, nenne ihn Jesus. Denn er wird sein Volk aus seinen Sünden befreien“ (573f). 43 Siehe dazu Näheres im Abschnitt zur rechten Übersetzung. Eine Formulierung, konstruiert mit purem evk und ohne weitere Nennung eines Verbums o. ä. begegnet öfter. Hier nur diese Beispiele: 1 Kor 8,6: avllV h`mi/n ei-j qeo.j o` path.r evx ou- ta. pa,nta kai. h`mei/j eivj auvto,n. – 1 Kor 11,12: w[sper ga.r h` gunh. evk tou/ avndro,j( ou[twj kai. o` avnh.r dia. th/j gunaiko,j\ ta. de. pa,nta evk tou/ qeou/. – 2 Kor 5,18: ta. de. pa,nta evk tou/ qeou/ tou/ katalla,xantoj h`ma/j e`autw/| dia. Cristou/ kai. … . – Auch mit dem Verb e;cein – „haben“ finden sich Formulierungen, so 2 Kor 5,1: … oivkodomh.n evk qeou/ e;comen( oivki,an avceiropoi,hton aivw,nion evn toi/j ouvranoi/j. Mit der Präposition avpo,: 1 Kor 6,19: h' ouvk oi;date o[ti to. sw/ma u`mw/n nao.j tou/ evn u`mi/n a`gi,ou pneu,mato,j evstin ou- e;cete avpo. qeou/( kai. ouvk evste. e`autw/n. – Zu fragen, was Gott jeweils getan/gewirkt hat und wie er es näherhin tat, daß dieses e;cein evk Wirklichkeit, gar bleibend erfahrbare Wirklichkeit sei, ist schlicht deplaziert. Der Text selbst spricht hinreichend deutlich das aus, was er sagen will. Er sollte dementsprechend gelesen und verstanden werden. 44 Der angesagte Exkurs befaßt sich mit allen einschlägigen ntl. Stellen, wodurch allein die ungemein große Bedeutungsvielfalt der verwendeten Wörter a[gioj, pneu/ma und ihrer unterschiedlichen Zusammenstellungen wie pneu/ma a[gion hervortritt. Doch schien es notwendig, sich dieser Aufgabe zu unterziehen, um den Texten in Mt 1 wie dann in Lk 1–2 gerecht werden zu können, zumal im Blick auf die meist sehr sorglosen Übersetzungen und Verständnisdeutungen seitens der Kommentatoren (wie der Theologen überhaupt). Hier sei das Entscheidende in Kürze vorgebracht. Wir beschränken uns dabei nur auf die Verwendung von pneu/ma bzw. pneu/ma a[gion bei den Synoptikern. Der Überblick zeigt, daß „Geist“ wie „heiliger Geist“ in Bezug auf „Gott (Jahwe)“ gesetzt (am jeweiligen Ort wie auch immer), im MtEv nur 10-mal begegnet, im MkEv ebenfalls 10mal, im Lk Ev 18mal. Ohne Artikel steht pneu/ma a[gion im MtEv nur in 1,18.20 und 3,11 (auvto.j u`ma/j bapti,sei evn pneu,mati a`gi,w| kai.puri, – „er wird euch taufen in/mit heiligem Geist und in/mit Feuer“. Offensichtlich auf Gott bezogen steht es in 3,16 (pneu/ma qeou/); 12,18 (= Jes 41,1–4: qh,sw to. pneu/ma, mou evpV auvto,n); 12,28 (evn pneu,mati qeou/). Dazu gehören auch folgende Stellen, die wohl in Bezug auf Gott stehen: 4,1 (o` VIhsou/j avnh,cqh eivj th.n e;rhmon u`po. tou/ pneu,matoj peirasqh/nai u`po. tou/ diabo,lou); 5,3 (aka,rioi oi` ptwcoi. tw/| pneu,mati), 22,43 (zu David, Ps 110,1: pw/j ou=n Daui.d evn pneu,mati kalei/ auvto.n ku,rion le,gwn). Dazu ist auch wohl folgende Wendung besonders anzugeben: 10,20 (avlla. to. pneu/ma tou/ patro.j u`mw/n). In 12,31.32 findet sich eine Stelle mit unterschiedlicher Artikelsetzung: pa/sa a`marti,a … h` de. tou/ pneu,matoj blasfhmi,a ouvk avfeqh,setai … o]j dV a'n ei;ph| kata. tou/ pneu,matoj tou/ a`gi,ou( ouvk avfeqh,setai auvtw /|…). Schließlich ist die Taufformel am Ende des MtEv anzugeben, die ja die einmalige Formel vorschreibt: bapti,zontej auvtou.j eivj to. o;noma tou/
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II.
Zur theologischen Erfassung von Mt 1
im Exkurs vorgelegten Erkenntnisse aus und entscheiden uns so verantwortet für das zu 1,18 betont zu Sagende. Der Blick ist genügend geschärft, um dabei behutsam vorzugehen. Weil sich nämlich keine absolut ein-deutige und allein gültige AussageBedeutung von pneu/ma und pneu/ma a[gion wie auch für eine beliebige bzw. gebotene Artikelsetzung im jeweiligen Fall feststellen läßt, ist keine absolut geltende, verbindliche Übersetzung angebbar. Auch eine voreilig-einseitige Fixierung von pneu/ma a[gion, etwa wegen gesetzter Artikel, auf die später eindeutig so genannte „dritte göttliche Person“ (der Heilige Geist neben Vater und Sohn) erweist sich als unangebracht; nur die betreffende Schriftstelle (z. B. im JohEv öfters) entscheidet, von wem dort genau die Rede ist (wenn diese überhaupt systematisch-definitorisch spricht).45 So ist zum patro.j kai. tou/ ui`ou/ kai. tou/ a`gi,ou pneu,matoj. In dieser Formel fällt ja der Singular o;noma in Bezug auf path,r – ui`o,j – a[gion pneu/ma besonders auf; hier zusätzlich das einmalig vor das Nomen gesetzte a[gion, dem der Artikel gegeben ist. Im MkEv begegnet artikelloses pneu/ma a[gion nur in 1,8 (wie Mt 3,11). Mit Artikel steht es in Mk 3,29 (par. Mt 12,31 und Lk 12,10.12), in Mk 12,36 (= Ps 110 (109),3); da es im Paralleltext Mt 22,43f (Daui.d evn pneu,mati kalei/ auvto.n ku,rion) heißt, dürften beide Stellen den Gottesgeist unspezifisch ansprechen. Ähnliches dürfte auch für Mk 13,11 (ouv ga,r evste u`mei/j oi` lalou/ntej avlla. to. pneu/ma to. a[gion) gelten. Im LkEv findet sich artikelloses pneu/ma a[gion öfters, vor allem im formelhaften „erfüllt vom heiligen Geist“ (dies in Lk 1,15; 1,41.67; 2,25– 27; 4,1 (für Jesus)); Ähnliches gilt für Lk 3,16 (vgl. Mt 13,11; Mk 1,8), während Lk 11,13 pneu/ma a[gion den Geist als Gabe Gottes meint (die Vulgata sagt: spiritum bonum, als Gabe Gottes). In Lk 2,25–27 wechseln alle Formulierungsweisen ab, die wohl alle von demselben sprechen, immer in Bezug auf Simeon. Damit ist wohl der Gottesgeist in (noch) nicht spezifizierendem Sinn gemeint. Ähnlich dürfte es in Lk 3,22 zu verstehen sein: kai. katabh/nai to. pneu/ma to. a[gion … evpV auvto,n( kai. fwnh.n evx ouvranou/ gene,sqai\ su. ei= o` ui`o,j mou o` avgaphto,j( evn soi. euvdo,khsa. Wenngleich hier vom Sohn und damit vom „Vater“ (mit „Stimme aus dem Himmel“) die Rede ist, dürfte hier doch der Gottesgeist in unspezifischem Sinn gemeint sein. Offensichtlich ist das ein Beispiel von zahlreichen Stellen im NT, für die es zunächst offenzuhalten und bedachtsam zu erkennen gilt, ob ausdrücklich von dem gesprochen wird, was spätere Dogmatik „göttliche Person“ (neben „Vater“ und „Sohn“) nennt, was dann von „Trinität“ zu sprechen anböte. 45 Wir bringen hier noch einige Bemerkungen, die zum gerade Besprochenen Wichtiges zu sagen haben: Es ist sicher sehr zu beherzigen, was J. Kremer schreibt: „Bei der Bestimmung des Sinnes von p. (d. i. pneuma: R. S.) ist zu beachten, daß die geläufige dt. Übersetzung mit Geist oft eine Verstehensbarriere bildet, da im Deutschen damit vielfach die Bedeutung Geist = immaterielles Wesen (Gespenst) oder Geist = Verstand/Vernunft (nous) verbunden werden. Außerdem wird p. nicht selten unter dem Einfluß kirchl. Lehre vorschnell als ‚Person‘ aufgefaßt. Um letzterem Mißverständnis vorzubeugen, weichen viele exeget. Schriften von der für feststehende Begriffe angebrachten Großschreibung (Heiliger Geist) ab.“ (EWNT 3, 1993, 282). Gerade in Bezug auf „Heiliger Geist“ (was Kremer als Beispiel bringt), werden wir darauf zu sprechen kommen müssen. Grundsätzlich ist sein Hinweis richtig und folglich Behutsamkeit bei jedem Übersetzen walten zu lassen. Zu beherzigen ist auch die folgende wichtige Bemerkung M. Zerwick, Graecitas biblica, 1955, 51f (n.13) angeführt: „Vel si S. Paulus id quod intrinsecus expertus est, cum praedicaret evangelium Thessalonicensibus, describit dicens: ‚nostra ad vos praedicatio non verbis tantum facta est avlla. kai. evn duna,mei kai. evn pneu,mati a`gi,w| kai. ÎevnÐ plhrofori,a| pollh/|( … 1 Th 1,5, omissio articuli in evn pneu,mati a`gi,w videtur admonere, Paulum hic non tam de tertia persona divina loqui, quam de Eius actione, de quodam slc. afflatu divino, quem praedicator expertus est et quem apte ponit in una linea cum du,namij et plhrofori,a quae et ipsae sunt ordinis psychologici et divinitus datae“ mit der Anmerkung: „Simile aliquid dicendum est, ubi Lucas loquitur de ‚Spiritu Sancto‘
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
Beispiel Mt 28,19 durchaus systematisch-streng „trinitarisch“ zu lesen, jedoch ohne damit feststehende Folgerung für alle evtl. so zu verstehen scheinende Text-Aussagen. Für Mt 1,18.20 ergibt sich daher dieser Sachverhalt: Dort liegt, aufs denkbar kürzeste formuliert, ein einziger Aussage-Gehalt vor, ob nun 1,20c als wörtliche Wiederholung von 1,18c oder aber 1,18c als Vorwegnahme von 20c (was manche Kommentatoren behaupten möchten; ob zu Recht?) angesehen wird – die Aussage selbst ist ein und dieselbe (in 20c durch vorgestelltes to. ga.r evn auvth/| gennhqe,n – ein theologisches Passiv – ergänzt bzw. noch näher bestimmt). Der Kontext suggeriert hier, das artikellose evk pneu,matoj a`gi,ou als „aus Gottesgeist“ oder „Gotteskraft“ zu lesen und entsprechend auszulegen. Daß a[gion hier auf Gott – Jahwe verweist, dürfte unverkennbar sein; wenn auf die alt. Bibeltexte zurückgeschaut wird, wo ruach Jahwe oft im unmittelbaren Kontext mit Jahwe identisch gesetzt ist und Jahwe mit „der Heilige“ als Namen angegeben wird, ist es offenkundig. (Im üblichen theologischen Sprachgebrauch sollte deswegen im Deutschen das kleingeschriebene „heiliger Geist“ gewählt werden, weil faktisch das großgeschriebene „Heiliger Geist“ meist sogleich spezifisch für die so genannte „dritte Person“ der „Trinität“ gilt.) Wir verbleiben auch bewußt bei „Gottesgeist“ oder „Gotteskraft“ als Ein-Wort-Wendung, weil „Gottes Geist“ oder „Gottes Kraft (Macht)“, an sich mögliche Formulierungen, doch vermuten lassen könnte, daß von „zweien“ gesprochen wird: Gott und sein Geist (Kraft, Macht). Das legt jedoch die Formulierungsweise in 1,18.20 im Gesamtkontext des MtEv (und eben auch des AT) keineswegs nahe. Die Wiedergabe von evk pneu,matoj a`gi,ou schlicht mit „aus Gott“ wäre zwar nicht falsch, verkürzt aber doch den tatsächlichen Sinn, der auf seine Weise ungemein offen ist. Auch möchten wir die Wendung evk pneu,matoj a`gi,ou in 1,18c nicht mit „aus dem Wirken des heiligen Geistes“ („geistgewirkt“, wie oft formuliert wird) übersetzen. Denn es besteht für 18c keinerlei Anlaß, das evk mittels eines (wie immer bestimmten) Verbs zu interpretieren und damit ein konkret-bestimmtes Tun (Wirken, Handeln, Agieren o. ä.) zu benennen, weil das die vorliegende Offenheit der Aussage wieder beeinträchtigt. Wir werden in den folgenden Überlegungen zur theologischen Erfassung von Mt 1 erkennen, daß es wichtige Gründe gibt, die Offenheit wirklich gelten zu lassen und auszuwerten. Das ist schon an 1,20c erkennbar, wo das theologische Passiv gennhqe,n mit evn auvth/ und evk pneu,matoj a`gi,ou konstruiert ist, was ein behutsames Feststellen des dort Ausgesagten verlangt (vgl. dazu auch Stellen wie Joh 3,6.8 im dortigen Kontext wie auch in 1 Kor 2,10ff und 1 Joh 4,2). Insgesamt gesehen, bleiben wir daher bei unserer Wiedergabe „aus Gottesgeist“ oder „aus Gottesmacht“, das die rechte, reichere Auswertung und Entfaltung der Grundaussage ja nicht nur nicht verhindert, sondern als dringlich anregt.46 sine articulo e. g. 1,15.35.41.67; 2,25 (ubi sequitur bis pneu/ma cum articulo anaphorico v. 26.27) etc. „. S. dort auch die Nummern 136 und 137. 46 Dazu noch diese zusammenfassende Bemerkung: Aufs Ganze gesehen besagt artikelloses pneu/ma a[gion in den aufgewiesenen Stellen im NT oft das, was im Deutschen am besten mit „göttliches Leben“, „göttliche Macht“, „göttliche Wirkmacht“ u. ä. wiederzugeben ist, weil „Geist“ im Deut-
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II.
Zur theologischen Erfassung von Mt 1
b) Die Verse Mt 1,19–21
Der Vers 1,19 muß in unmittelbarer Weiterführung dessen gelesen und verstanden werden, was 1,18–25 als „Fußnote“, d. h. Erklärung zu 1,16 sagen will, wobei 1,18 als erster Satz steht, aber nicht für sich allein betrachtet werden darf. Dasselbe gilt für 1,19 (und die weiteren Verse). Zum rechten Verständnis der Weise, wie im folgenden der Mt-Text tatsächlich auf seinen eigenen theologischen Aussage-Inhalt hin gelesen, befragt, verstanden und ausgebreitet wird, muß vorweg ein Einblick in die ungewöhnliche Vielfalt des faktischen Verstehens von 1,18–25, und darin besonders des Verses 19 geboten werden; andernfalls würde es als ungebührliche Distanzierung von der Darbietungsweise der exegetischen Fachliteratur wie deren selbstverständlich überschen ein bedeutend engeres Sinnfeld zur Sprache bringt als pneu/ma im Griechischen bzw. x:Wr im Hebräischen. Es kann auch einfach „Gottes Geist“ in unspezifisch offenem Sinn bedeuten. Das gilt auch, wenn to. pneu/ma to. a[gion in einem betreffenden Kontext schlicht „Gott selbst“ mit/in seinem göttlichen Leben bzw. als Lebensgabe an die Glaubenden benennt (vgl. die Texte im Exkurs). Das dürfte auch der Grund sein, weswegen Mt 1,18.20 sehr oft ausdrücklich als „der Heilige Geist“ = 3. göttl. Person verstanden und dann auch nachdrücklich vertreten wird (s. dazu die Zitate aus den Kommentaren, die wir gebracht haben). Im Deutschen kann man den Varianten Bedeutungsnuancen von pneu/ma a[gion bzw. to. pneu/ma to. a[gion durch eine bestimmte Schreibweise gerecht werden (die freilich nicht vorgeschrieben worden ist, etwa durch ekklesiale Verabredung). Immer dann, wenn prononciert „der Heilige Geist“ namentlich die „dritte Person in der Trinität“ ansprechen soll, wäre prinzipiell der (deutsche) Artikel zu setzen und zugleich das „heilig“ prinzipiell groß zu schreiben. Ist er nicht gemeint, dann wäre die Kleinschreibung von „heilig“ die richtigere, weil deutlichere. Dasselbe gilt für die Setzung des Artikels, die bei der Wiedergabe von einfachem pneu/ma a[gion prinzipiell wegzulassen wäre. Gleichzeitig sollte um der Eindeutigkeit willen der Artikel vermieden werden (was nicht in allen Fällen gelingen wird). Das gilt z. B. gerade für Mt 1,18.20, die wir hier betrachten, aber auch für Lk 1,35, wo gleichsam im selben Sachverhalt zwei Sätze begegnen (offenbar in sogenanntem Parallelismus membrorum gemäß der biblischen Sprache): pneu/ma a[gion und du,namij u`yi,stou. Beide Wendungen sollten im Deutschen bewußt ohne Artikel wiedergegeben werden, um der Aussage im LkEv möglichst genau gerecht zu werden. In allen Fällen ist am jeweils zur Sprache stehenden Ort genau zuzusehen, wie das dort ausdrücklich Gemeinte schon in der Übersetzung deutlichst übertragen werden kann (und also nicht erst ein Kommentar den Sachverhalt aufschließen müßte). In Klammern sei hier auf das nicht ganz unähnliche Problem aufmerksam gemacht, das dadurch heraufbeschworen wird, daß die Nicht-Setzung des Artikels im Deutschen durch den unbestimmten Artikel „ein; eine; …“ wiedergegeben wird (das Griechische und Hebräische kennen gar keinen unbestimmten Artikel). Ob damit jeder Textaussage (zumal in der Bibel) wirklich gerecht getan wird, ist oft zu fragen. Das gilt ja gerade auch für Mt 1,23.25: dort steht artikellos „Sohn“ (die Vulgata gibt es mit „filium suum“ wieder) und wird oft übersetzt mit „einen Sohn“, obwohl es sich hier doch wirklich um einen ganz bestimmten handelt. Das werden wir noch zu besprechen haben. Mit diesen Bemerkungen und Anregungen ist allerdings der faktischen Fixierung von „heiliger Geist“ auf die (nochmals sei die wenig achtungsvolle Formel verwendet) „dritte göttliche Person“ im strengen Sinn noch keine wirkungsvolle Absage bereitet. Für unsere Stelle Mt 1,18.20 könnte aber durch die behutsame und doch eindeutig richtigere Übersetzungsweise erreicht werden, daß die Auslegung und Kommentierung der Stelle von Anfang an den richtigen Weg nehmen und Abwegiges gar nicht erst in Erwägung gezogen würde. Dazu siehe die weiteren Klärungen im Haupttext.
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
nommenen Äußerungen in Theologie und Verkündigung erscheinen, daß wir prinzipiell anders vorzugehen beabsichtigen. Es muß zuvor eine Rechtfertigung dieser Art unseres Umgangs mit dem Text des MtEv angeboten werden, der man folgen oder sie auch zurückweisen kann, wenn man dazu glaubt hinreichende Gründe zu haben. Aufgrund der recht unterschiedlichen Auffassung der Textaussage 1,18 ergibt sich wie von selbst ein jeweils gänzlich verschiedenes Verstehen und Werten der Aussagen von 1,19 (und der weiteren dort). Wer in 1,18 ge,nesij als „Geburt“ meint verstehen zu sollen, sieht alles Folgende unter diesem vorgefaßten Blickwinkel. Wer 1,18c nicht als eine, vom Evangelisten als ganze gemeinte Aussage liest, vielmehr das eu`re,qh evn gastri. e;cousa zunächst allein gelten läßt und als rätselhafte Schwangerschaft Marias wertet, die von einer „Verlobten“ ausgesagt ist, wobei Josef sogleich immer als Nicht-gezeugt-Habender des Kindes mit-behauptet feststehe, und die Auskunft evk pneu,matoj a`gi,ou als vom Autor für den Leser des MtEv bestimmte, also als einen Einschub im Text seitens des Evangelisten betrachtet, da Josef ja erst in 1,20 durch den Engel des Herrn aufgeklärt würde, der beurteilt den ganzen Vers 19 total anders als es der Mt-Text selbst, wie zu zeigen ist, beabsichtigt. Dementsprechend werden dann auch die entscheidenden, in sich biblisch gut verstehbaren und sachgerechten Wörter und Begriffe in dieser gänzlich anderen Blickweise verstanden und ausgewertet. Das gilt tatsächlich für alle entscheidenden Wendungen in 1,19; wir werden darauf zu sprechen kommen müssen.47 Weil wir keine kommentarmäßige exegetische Darstellung der Aussagen von Mt in Zusammenstellungen auch der unterschiedlichen Auffassungen der Autoren, sondern schlicht den Text selbst sprechen lassen wollen (die Erklärung dafür haben wir mehrmals vorgebracht), deswegen brauchen wir hier auch keinen Überblick aller Sentenzen zu bringen. Nur am gegebenen Ort sollen dazu rechtfertigende Gründe genannt werden. In den Anmerkungen werden hinreichend Beispiele beigegeben; alle Behauptungen, sich von ihnen distanzierend, aufzuführen, erlaubt der Platz unserer Untersuchung nicht. Der Vers 19 bringt, im direkten Anschluß an 1,18 im Sinne der Absicht der Erklärung der zunächst ja sehr frag-würdig anmutenden Aussage in 1,16 (welche Erklärung sich ja längst als äußerst kurz formuliert erwiesen hat), mehreres zur Sprache, das biblisch-theologisch Wichtiges ansagt. Der Vers lautet: VIwsh.f de. o` avnh.r auvth/j( di,kaioj 47 Textbeispiele aus den Kommentaren, an denen das Problem der rechten Übersetzung und des
dementsprechenden Verständnisses der Aussagen in 1,19–21 klar zu erkennen ist, im einzelnen hier aufzuweisen, erlaubt der begrenzte Platz nicht. Andererseits muß für den Leser hinreichend deutlich werden, welche Positionen uns eindeutig als nicht annehmbar erscheinen und warum wir folglich die eigene Einsicht dagegensetzen. Um dem Leser die unmittelbare Möglichkeit zu bieten, wichtige Beispiele einsehen zu können (was uns als unerläßlich erscheint), bringen wir im Anhang II eine entsprechende Auswahl von Texten bei, und zwar solche für das tatsächlich bekundete Verständnis von Mt 1 überhaupt, dann solche, die sich spezifisch mit Mt 1,19–21 auseinandersetzen. Wir selbst betrachten jetzt strikt nur das, was als Text und als seine eigenen Aussageabsicht seitens des Evangelisten Matthäus bei unvoreingenommener Lesung erkennbar ist, mit dem Ziel, das rechte Grundverständnis zu erlangen.
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II.
Zur theologischen Erfassung von Mt 1
w'n kai. mh. qe,lwn auvth.n deigmati,sai( evboulh,qh la,qra| avpolu/sai auvth,n. Wir haben uns aus oben offengelegtem Grund für diese Übersetzung entschieden: „Josef aber, ihr Ehemann, war ein Gerechter (Gottesfürchtiger) und wollte sie nicht der (achtungslosen) Öffentlichkeit aussetzen, so gedachte (erwog) er, sie im stillen zu entlassen (aus der gemeinsam eingegangenen ehelichen Rechtsbindung freizugeben)“. „Josef “ ist hier klar als der in 1,16 genannte Ehemann Marias, dazu in seiner augenblicklichen Lebenssituation (verehelicht, das gemeinsame Eheleben gemäß dem damaligen jüdischen Recht aber noch nicht aufgenommen habend: 1,18), angesprochen. Und, eben wegen der unmittelbar auf 18c folgenden Ansage, von dem betroffen, was 18c sagt: „Maria hatte (trug) im Schoße aus Gottesgeist“. Er wird damit klar als einer benannt, auf den das eu`re,qh (selbst als Passiv ja ohne Angabe eines aktiven Subjekts, das den „Befund“ gemacht hat) zutrifft, dem also, wie und woher auch immer, zur Kenntnis gekommen war, was 18c als „Befund“ angibt; davon ist er betroffen. Er „reagiert“ als Gottesfürchtiger, d. h. als von Gott (Göttlichem) Angerührter; so jedenfalls die klare Aussage des Matthäus. Dies „Reagieren“ als Gerechter (welcher Ausdruck für sich allein ja bedeutungsoffen ist) wird durch das mh. qe,lwn auvth.n deigmati,sai näher bestimmt.48 Als erstes wird angegeben, was er nicht will. Das wird mit einem im NT nur zweimal begegnenden Ausdruck bezeichnet: deigmati,sai, dessen Bedeutung heftig diskutiert wird, wenn nicht von vornherein in ungerechtfertigtem Sinn verstanden und ausgewertet.49 Unvoreingenommen durch Mißdeutungen des in 1,18 Ausgesag48 Es sind zwei Partizipial-Aussagen, die durch kai. miteinander verbunden Josefs Bestimmtheit in
seiner momentanen Situation angeben. Diese kai.-Konstruktion darf keineswegs mißverstanden werden, so als ob der erste Teil die Begründung für den zweiten hergeben würde: weil Josef gerecht war, wollte er sie entlassen (wie viele Autoren es wie selbstverständlich formulieren; s. die vorgelegten Beispiele). Es sind vielmehr, wenn man hier zählen möchte, zwei Angaben: Josef wird als Gottesfürchtiger benannt, der er in seiner Grundhaltung ist, und als solcher in dieser momentanen Situation des Zur-Kenntnis-genommen Habens, was 1,18 angibt, erwägt (1,21), was er tun zu müssen spürt. Es ist ja zunächst nur ein Bedenken, noch kein fest-gefaßter Entschluß (s. 1,21). 49 Das Wort deigmati,zw steht im NT nur in Mt 1,19 und in Kol 2,15. Sein rechtes Verständnis ist offenbar nicht leicht zu gewinnen. G. Schneider bringt in EWNT I.671 diese kurze Formulierung: „deigmati,zw bloßstellen. Nach Mt 1,19 wollte Josef Maria nicht bloßstellen, der Schande preisgeben. Kol 2,15 von Gott, der die Gewalten und Mächte … entwaffnete und öffentlich zum Spott machte, der Schande preisgab“. ThWNT II 31f; E. Lohse, Kol (KEK) 166f.“. Bauer, Wörterbuch 342 bringt es differenzierter: „deigmati,zw (… Aor. 1 evdeigma,tisa, bloßstellen, der allgem. Verachtung preisgeben ti,na jmdn. (…) e. Frau Mt 1,19 (z. Zurschaustellung d. Ehebrecherin vgl. Heraclides (…). z. Spott machen Kol 2,15“. – Schlier schreibt in ThWNT II 31f.: deigmati,zw: „… ist ein sehr seltenes Wort und bedeutet ausstellen, in die Öffentlichkeit bringen; in der Öffentlichkeit aufzeigen, und zwar etwas, was sich verbergen will oder muß, so daß es fast bloßstellen wird … Im NT ist Mt 1,19: mh. qe,lwn auvth.n deigmati,sai klar. Joseph wollte Maria nicht der Anzeige beim Gerichtshof in die Öffentlichkeit bringen und bloßstellen, wie denn auch (einige Varianten werden genannt: R.S:) paradeigmati,zein statt des Simplex lesen. In Kol 2,15: … (Zitat) der Öffentlichkeit vorzeigen, zur Schau stellen,… durch die öffentliche Darstellung der entkleideten Mächte vor dem Kosmos vor oder wahrscheinlich im Triumphzug des Siegers …“. Bei allen hier zitierten Autoren wird für Mt 1,19 ohne jede nähere Begründung oder Erklärung von der Zurschaustellung einer Ehebre-
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
ten und in der Anerkenntnis der unmittelbar folgenden Feststellungen des Matthäus – Josef „reagiert“ auf die Kenntnisnahme von evn gastri. e;cousa evk pneu,matoj a`gi,ou als Gottesfürchtiger – dürfte das, was als sein Nicht-Wollen als erstes angesagt ist, so zu verstehen sein: Josef ist nicht willens, Maria genau als die Göttliches-imSchoße-Tragende der Öffentlichkeit auszuliefern. Wenn 1,18 wirklich als ein von Matthäus bewußt formulierter Satz ganz und in sich verständlich gelesen wird, bezweckt sein Nicht-Wollen das In-Hochachtung-Halten dessen, was für ihn als Faktum vorgegeben war. Auch für 1,19 haben wir zu beachten, daß es der Text ist, den Matthäus bewußt (und nach Meinung des Exegeten auch selbst) formuliert hat, und nicht zu fragen, was Josef damals – historisch feststellbar – empfunden, gedacht und gewollt hat, sondern das zu erheben zu trachten, was Matthäus hier hat am Text ablesbar zu erkennen geben wollen und gegeben hat. Daß bei einer solchen Lesung des Textes auch faktisch oder vermeintlich Unabwägbares oder Unentscheidbares am Text sichtbar wird, muß sinnvoll niemanden irritieren, der jahrtausendalte Texte, zumal fremder Sprache, zu lesen und zu verstehen weiß. Nach der Aussage über das Nicht-Wollen des Josef wird sogleich die Ansage dessen angeschlossen, was Josef tatsächlich seinerseits zu tun erwog: evboulh,qh la,qra| avpolu/sai auvth,n – er wollte sie im stillen entlassen. Dies ist im unmittelbaren Kontext durch 1,20 noch genauer bestimmt, wo der Bote des Herrn sich ja genau auf dieses „Wollen“ bezieht: Josef scheute sich, seine Ehefrau zu sich zu nehmen. Damit ist auf die Aussage 1,18 zurückgegriffen, wo die Verehelichung und das Noch-nicht-zusammengekommen-Sein der jungen Eheleute (s. o.) angesagt wurde. Diesen Akt des ehelichen Zusammenkommmens (der ja durch den Ehevertrag von beiden nach damaligem Rechtsbrauch klar intendiert war) auszuführen, scheut sich Josef, aus dem in 1,19 angegebenen Grund: Hochachtung vor dem Gott-gesetzten Faktum, vor dem, was in Maria heilige Wirklichkeit war. Den Akt des Zusammenkommens nicht vollziehen, heißt aber, den Ehevertrag auflösen, d. h. die Ehefrau freigeben. So ist offensichtlich, dem Text gemäß, das Vorhaben Josefs zu verstehen: er will Maria nicht der Öffentlichkeit aussetzen, sondern sie freigeben aus dem gemeinsam eingegangenen Ehevertrag. Dieses will er zudem la,qra| – „im stillen“ vollziehen.50 Dazu bringt ja 1,20 sogleich eine entsprechende Verdeutlichung. Dieser cherin gesprochen, auf Maria bezogen. Das heißt: Alle verstehen 1,18 ohne jede Erklärung im für sich allein genommenen Versteil evn gastri. e;cousa als „schwanger sein“, und zwar aufgrund einer jedenfalls von Josef vermuteten Verfehlung. Wir werden auf diese sog. Verdachtshypothese noch zu sprechen kommen, wenngleich wir sie als schlicht unberechtigt, um so mehr unbegründet ansehen und sie deswegen gar nicht weiter vorstellen oder diskutieren; s. dazu am gegebenen Ort. Der Text 1,18 mit 19–21 gibt schlechthin keinen Anlaß, das zu diskutieren – freilich, wenn er nicht vor-urteilsvoll, sondern als er selbst gelesen und verstanden wird. – Zur Intention des Josef, Maria freizugeben, vgl. den reichen Aufschluß gebenden Artikel von J. M. Ford, Mary’s Virginitas PostPartum and Jewish Law, Bib 54 (1973) 269–272. Auf ihn kommen wir in Bezug auf Mt 1,24–25 zu sprechen. S. d. 50 Der griechische Ausdruck la,qra| wird meist mit „heimlich“ wiedergegeben; so Bauer 914f. An den 4 Stellen im NT wird la,qra| in der Vulgata mit „occulte“ Mt 1,19; Apg 16,37 (dhmosi,a| – pu-
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II.
Zur theologischen Erfassung von Mt 1
Vers lautet: tau/ta de. auvtou/ evnqumhqe,ntoj ivdou. a;ggeloj kuri,ou katV o;nar evfa,nh auvtw/| le,gwn\ VIwsh.f ui`o.j Daui,d( mh. fobhqh/|j paralabei/n Mari,an th.n gunai/ka, sou\ to. ga.r evn auvth/| gennhqe.n evk pneu,mato,j evstin a`gi,ou – „Als er das alles bedachte (im Herzen zu tun erwog), siehe, da erschien ihm im Traum (der) Bote (des) Herrn, der sprach: Josef, Sohn Davids, scheue (fürchte) dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen, weil das in ihr Gezeugte aus heiligem Geist ist“. Dieser Vers wird in den meisten Fällen, weil mißverstanden, unkorrekt, ja falsch übersetzt und folglich falsch verstanden und ausgelegt.51 Mit „als er das alles bedachte“ ist unverkennbar das angesprochen, was 1,18.19 aussagen (auch das richtig gelesen). Josef erwog zwar, Maria freizugeben, hatte es aber noch nicht getan. Diesem Josef gilt der Aufruf „Fürchte (scheue) dich nicht!“, in der Schrift oft von Jahwe selbst wie von seinen Beauftragten so formuliert. Da ist dieses „Fürchten“ nie als unangebracht oder gar gottwidrig aufgefaßt, sondern als das, was zumal im Deutschen „Gottesfurcht“ und „Ehrfurcht“ meint. Diese Furcht hat nichts mit Schrecken oder Erschrecken zu tun; sie wird nicht als gänzlich unbegründet erklärt, vielmehr wird dem Aufgerufenen eine „Stimmung“, d. h. Empfindungs- und Gefühlsrichtung in der betreffenden Situation angeboten und angeraten. So in Mt 1,20: Der „Bote des Herrn“, d. h. letztlich Jahwe selbst, „erschien dem Josef im Traum“. Alle drei Satzelemente sind hier genau zu lesen und auszulegen: „Bote des Herrn“, „erschien“ und „im Traum“. Die Wendung: „Der Bote des Herrn (erschien und sprach)“ begegnet im NT wie der gesamten Bibel sehr oft; es ist von Jahwe selbst die Rede.52 Der Satzteil „erschien dem Josef im Traum“ verlangt das rechte Verständblic“ gegenüber), „clam“ (Mt 2,7) und „silentio“ (Joh 11,28) übersetzt (Joh 11,8: „Martha abiit et vocavit Mariam sororem suam silentio dicens: Magister adest et vocat te“). Die Übertragung mit „heimlich“ könnte an „geheim halten; verheimlichen“ denken lassen (was seitens der Vertreter der Verdachtshypothese – Josef vermutet die Tat des Ehebruchs – auch vertreten wird), also eher „verschweigen“ suggerieren. Besser ist daher „im verborgenen; ohne Aufsehen, ohne Zeugen“ oder eben „im stillen“, was ja auch für die anderen Stellen des NT seitens der Vulgata empfohlen ist und der Kontext in Mt 1 nahelegt. Zur Klärung und weiteren Begründung des gerade Vorgestellten sei auf den Anhang II verwiesen, wo wir Textbeispiele aus Kommentaren zusammenstellen und sie in diese unsere Besprechung einbeziehen; s. d. 51 Vgl. dazu das im Kapitel zur Übersetzung zu 1,20 Gesagte. 52 Wir geben hier a;ggeloj kuri,ou bewußt und ausdrücklich mit „Bote des Herrn“ wieder, weil das allein die biblische Bedeutung sachlich richtig ansagt. Die deutsche Wendung „Engel“ ist ja ein Lehnwort, aus „a;ggeloj – angelus“ gebildet. Doch ist damit unglücklicherweise faktisch eine Sachbezeichnung gefaßt, die für den biblischen Gebrauch (hA'hy> %a;l.m;; a;ggeloj kuri,ou; angelus Domini) das Gemeinte verdunkelt, ja verfälscht. Für das Hebräische wie Griechische der Bibel ist die einzig richtige Übersetzung „Bote, Gesandter, Abgesandter“ und von daher bei entsprechender Gelegenheit „Sprecher Jahwes“. Welcher „Natur“, d. h. welchen „Wesens“ und „Seins“, physisch oder metaphysisch betrachtet, dieser „Bote Jahwes“ ist, wird in der Bibel nicht reflektiert. Vielmehr begegnet an vielen derartigen Stellen der Ausdruck „Bote Jahwes“ sogar als Jahwe selbst, wenngleich in ganz eigen-artiger Unterscheidung, die eher Identität (nicht metaphysischen Sinnes) ansagt. Ein Musterbeispiel dafür ist Gen 22. Das Wort „Engel“ hat im Deutschen faktisch eine Bedeutung, die ein Verständnis sogenannter Geistwesen suggeriert (reine Geister ohne Körper; sie sind „spiritus puri“), was an etwas ganz anderes denken läßt als an das, was „hA'hy> %a;l.m; (~yhil{a/)“ im tatsächlichen
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
nis dessen, was in der Bibel häufig mit „Erscheinen“ angesagt wird. Wir brauchen hier die Problematik des Begriffs und Verständnisses von „erscheinen“ nicht zu besprechen; es sei auf die einschlägigen Lexika-Artikel verwiesen wie „Erscheinungen“, „Epiphanien“, „Auditionen“ und „Visionen“ u. ä., Hier genügt es, den Kern dessen zu beachten, was hinreichend allgemeines theologisches Wissensgut dazu zu sagen hat.53 Daher gehen wir sogleich zur Wendung „erschien im Traum“, weil dazu in den Kommentaren sehr unterschiedliche Bemerkungen gemacht werden, die für das rechte Verstehen von Mt 1,20–23 hinreichende Klärung verlangen. Oft wird nämlich „erschien im Traum“ mit „er träumte“ wiedergegeben; es wird vom Traum Josefs gesprochen, den er hatte. Es wird das, was der Text als Sachaussage vorlegt („ihm erschien im Traum der Bote des Herrn, der sprach..: „) als das angesehen, was Josef geträumt hat. Genau das sagt der Text nicht. Der Text 1,20 gibt nicht den Inhalt eines Traumes wieder; auch wird kein Traum-Geschehen oder Traum-Erlebnis berichtet. Als Beispiel für diese die Textaussage verzeichnende, gar verzerrende Auslegung kann der Satz zu 1,20 bei Luz dienen: „Josef hat einen Traum; im Traum erscheint ihm ein Engel. Der Traum ist in der ganzen Bibel ein Mittel des Offenbarungsempfangs. Die Engelerscheinung wird nicht beschrieben; es fällt alles Gewicht auf die Botschaft …“ (148).54 Der Traum wird als Offenbarungsmittel verstanden, sogar als „Mittel des OfGebrauch in der Bibel damit zur Sprache bringt. Wir bringen für a;ggeloj kuri,ou des matthäischen Textes, das eindeutig das hebräische hA'hy> %a;l.m; aufgreift, einen besonderen Exkurs, in dem ausführlich die Problematik der rechten Übersetzung and des dementsprechend richtigen Verständnisses von hA'hy> %a;l.m; besprochen wird. Denn das erscheint im Anblick der faktisch gegebenen Kommentar-Aussagen dringlich (s. die angefügten Text-Beispiele), um die matthäische Aussage in 1,20 überhaupt sachlich richtig zu verstehen und zu werten. 53 Zu einer ersten Orientierung sei auf die Lexika-Aussagen verwiesen, die hinreichende Auskunft geben über die theologischen Positionen im Verständnis von „erscheinen“ wie auch deren jeweilige Problematik. Diese zu lösen, ist hier nicht die Aufgabe und ist nicht intendiert. Tatsächlich ist ja für jede einzelne Bibelstelle, wo irgendwie von „erscheinen“ u. ä. gesprochen wird, zu erheben, was mit ihm dort gemeint ist und zur Sprache kommt. Die Bedeutungsvielfalt dieses „Erscheinens“ ist zu groß, um einen allgemein geltenden Bedeutungsgehalt angeben zu können. Dazu s. die Angaben im Exkurs I. 9 „Traum – Erscheinen – Offenbarung“. 54 Es seien einige Beispiele aufgeführt, um aufzuweisen, eine welche Vielfalt der Auslegungen dieses kurzen Passus vorliegen. Bei Luck lesen wir dies: „Die Konkurrenz zwischen leiblicher und rechtlicher Vaterschaft wird gelöst dadurch, daß Joseph als ein ‚Gerechter‘ bezeichnet wird (19). … Andererseits greift Gott selbst durch einen Engel in das Geschehen ein. Solche Engelerscheinungen, Engelstimmen oder Traumvisionen sind im Judentum ein Weg zur Lösung von Fragen, die aus der Erfahrung der Welt selbst nicht zu beantworten sind. Sie treten in der Vorgeschichte des Matthäusevangeliums (Kap. 1 und 2) ebenso wie in der Vorgeschichte des Lukasevangeliums (Kap. 1 und 2) mehrfach auf …“ (23; zu fragen ist, ob nicht schon in 1,18 Gott als „Eingreifender“ genannt ist, dazu: was meint „Gott greift durch einen Engel ein“?). – Sand schreibt zu 1,20.24: „Im Traum ergeht eine Weisung Gottes an Josef. Der Traum (V. 25 spricht allgemeiner vom Schlaf) als Mittel der göttlichen Unterweisung findet sich im NT nur bei Mt (1,20; 2,12.13.19.22; 29,19: Traum der Frau des Pilatus), und zwar immer in der Redensart katV o;nar: im Traum. Die Zurückhaltung gegenüber dem Traum-Thema zeigt sich in dem seltenen Vorkommen, vor allem in der Tatsache, daß Traumdeutungen völlig fehlen. … vormat. Tradition vorliegen, in welcher der Traum als Ver-
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II.
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fenbarungsempfanges“, und das der ganzen Bibel zugeschrieben. Hier ist nicht der Ort, das so zu diskutieren, wie es der Ernst der Sache fordert. Es soll in einem Exkurs geschehen, in dem auch die Frage zu besprechen ist, ob man in diesem Text wie in entsprechenden anderen überhaupt von „Offenbarung“ sprechen kann.55 Wir verbleiben bei der schlichten Wiedergabe der matthäischen Textaussage, die hinreichend deutlich spricht, und wenden uns dem zu, was der Bote des Herrn dem Josef zuspricht. Im Abschnitt zur rechten Übersetzung haben wir gesehen, daß 1,20 am deutlichsten, etwas paraphrasierend, aber der Sache nach richtig so wiederzugeben ist: „Josef, Sohn Davids, du fürchtest (scheust) dich, Maria, deine Ehefrau, zu dir zu nehmen, weil (da) das in ihr Gezeugte aus heiligem Geist ist. Tue es nicht! (Deine Gottesfurcht hat ihre volle Berechtigung!). Denn Gott will, daß du dieses in Maria seiende Gottgezeugte, wenn es geboren sein wird, zum Sohn Davids werden läßt (durch den in Israel allgemein vorgesehenen und ausgeübten Rechtsakt der Namengebung als Erklärung des rechtsverbindlichen Kindseins (Sohn-, Tochterseins) des Geborenen seitens des Familienhauptes (Vaters). Denn er, dieser noch von Maria Getragene, wird das sein, was du ihm als Namen zusprechen sollst: Jesus – Jahwe rettet. Der soll ja, gemäß Gottes eigener Verheißung, aus dem Hause Davids kommen. Durch diese Weise, 1,20 wiederzugeben, ist das folgende de. in 1,21 eindeutig bestimmt! Es steht nicht im Gegensatz zu ga.r, sondern zielt (man beachte die ganz offene Bedeutung mittlung von Offenbarung eine Rolle spielte. Doch ist der eigentliche Offenbarungs-‚träger‘ ein Engel des Herrn (Herr ist hier Gott, der Herr)… Traumoffenbarungen …“. In diesem Text finden sich zahlreiche widersprüchliche Aussagen: Zu Anfang wird richtig gesagt: „im Traum ergeht eine Weisung Gottes an Josef “; dann: „der Traum als Mittel der göttlichen Unterweisung“ (die ja wohl nicht „Offenbarung“ genannt werden kann). Dann wird vom Traum-Thema gesprochen (wo begegnet das im MtEv?), von Traumdeutungen, ja vom „Traum als Vermittlung von Offenbarung“ und vom „Offenbarungs-‘träger‘“ (was sollen die Anführungszeichen andeuten?). Matthäus selbst hat alles viel schlichter und, vor allem, verständlich ausgesagt! – Es soll hier auch noch auf folgendes aufmerksam gemacht werden: In der Auslegung von Mt 1,18–25 ist vielfach von Offenbarung Gottes die Rede, vor allem in bezug auf das Wort des Boten des Herrn an Josef. Wenn das Wort und der theologisch gefaßte Begriff „Offenbarung“ nicht schlicht und grundsätzlich für alles eingesetzt werden soll, was wie auch immer von Gott her biblisch-theologisch als sein Wort (welcher Art auch immer) zu gelten hat, dann ist hier entschieden größere Sorgfalt des Denkens und Redens einzusetzen. In unserem Zusammenhang der Erfassung von 1,18–25 muß jedenfalls dies festgestellt und beachtet bleiben: Kein (Teil)Satz kann rechtens mit „Offenbarung“ bezeichnet werden. Vers 18c kann deswegen nicht so genannt werden, weil es eine Fakten-angabe ist (das, was „sich fand“), und nicht ein aufklären wollender Offenbarungssatz. Was in 1,20 als Wort (einzelne Satzteile) des Boten des Herrn tatsächlich und deutlich erkennbar angegeben wird, ist zunächst ein Weisungswort, auf nach-denkliches Erwägen Josefs bezogen. Es folgt dort die futurische Ansage (keine Geburtsankündigung!) des Sohn-Gebärens der Maria, dies aber als Faktenansage für den Auftrag der Namengebung. Nichts von alle dem kann sinnvoll als „Offenbarung“ bezeichnet werden. Wir werden dem im Exkurs zu „Traum, Erscheinung, Offenbarung“ intensiver nachzugehen haben. 55 Vgl. dazu den Exkurs „Traum – Erscheinung – Offenbarung“ im Anhang I.13.
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von de, im allgemeinen und gerade auch im MtEv) auf die dem Josef aufgetragene Tat als „Sohn David“ in der in 1,1–17 vorgestellten Genealogie: Statt sich zu scheuen, Maria (und das „in ihr Gezeugte aus heiligem Geist“) aufzunehmen, und zwar genau als der Ehemann dieser Maria, soll er das tun, mit allen im Text mit-ausgesagten Folge-Aufträgen. Der Vers 1,21 gehört noch in das (eine) Wort des Boten Jahwes und ist daher streng mit 1,20 (und auch dem dort Vorausgehenden) in eins zu lesen. Der Text lautet: te,xetai de. ui`o,n( kai. kale,seij to. o;noma auvtou/ VIhsou/n\ auvto.j ga.r sw,sei to.n lao.n auvtou/ avpo. tw/n a`martiw/n auvtw/n – „Sie wird nämlich (den) Sohn gebären und du wirst (sollst) seinen Namen JESUS nennen. Denn er wird sein Volk von ihren Sünden retten“. Wir geben de, schlicht mit „ja“ oder „nämlich“ wieder. Es bezieht sich ja auf das bestätigende ga,r in 1,20, also auf das, was der Grund für die Scheu Josefs war, seine Ehefrau in diesem ihrem von Gott herrührenden „Befinden“ (1,18) heimzuführen. So bezieht es sich auf das zwar negativ formulierte („scheue dich nicht …“), jetzt jedoch positiv suggerierte, von Josef zunächst nicht beabsichtigte Tun, gemäß und im Sinne des Botenauftrags. Maria wird ja den Sohn gebären, der „aus heiligem Geist“, also „aus Gott“ ist, was/wer er ist und folglich als Auftrag seines Lebens haben und erfüllen wird. Maria soll diesen Sohn als deine Ehefrau (die sie ja rechtens ist und von Gott geachtet ist und bleibt) gebären, dem du als ihr Ehemann den gottbestimmten Namen geben sollst (Namengebung war im Falle eines jeden Kindes der vorgeschriebene religiös-rechtliche Ritus, durch den es religiös-rechtliche Aufnahme in die Familie erlangte, die durch Zeugung und Geburt allein noch nicht rechtskräftig gewirkt war).56 Damit ist zugleich eine vertiefte Einsicht in den Aussage-Gehalt von 1,18c und 1,20 gegeben. Jetzt wird ja sichtbar, was/wer eigentlich mit „im Schoße habend aus heiligem Geist“ (das ja kein Objekt des Habens nennt) in 1,18 namen-los angesagt erscheint und in 1,20.21 deutlich und in 1,23 vollends offenbar wird: in den Namen JESUS und IMMANUEL. Ihn „hatte Maria im Schoß“. Das ist übrigens der Grund, warum wir in unserer Übersetzung von 1,18 das „(Maria) fand sich im Schoße habend aus heiligem Geist“ griechisch-wörtlich beibehalten haben, wenngleich im Deutschen zunächst ungewohnt klingend. Mit der Variante „schwanger aus heiligem Geist“ wird der Blick zu sehr auf Maria gerichtet, auf ihren Zustand, der ja durchaus rechtens bei nach-denklichem Lesen zu folgern ist, aber die Nuance in der Aussage 1,18 verdeckt. Auch die Artikellosigkeit von ui`o,j in 1,21 hält noch offen, wessen „Sohn“ dieser nun genau ist: der „Sohn“ der Maria?, Gottes?, Josefs?, Davids? – oder vielleicht, ja, eines jeden der Genannten je auf besondere Weise? Die Artikellosigkeit im Deutschen immer durch den unbestimmten Artikel „ein, eine, eines“ aufzufüllen, ist zwar gängige Methode, kann aber die faktisch angezielte Aussage z. B. in der griechischen (wie hebräischen) Sprache verwässern und sogar verfehlen. (Vgl. dazu u. a. den Exkurs zu „Heiliger Geist“.) Der Grund für die Artikellosigkeit von ui`o,j in 1,21 56 Vgl. dazu das im Exkurs „Zum jüdischen Ehe- und Familienrecht“ Vorgelegte.
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II.
Zur theologischen Erfassung von Mt 1
mag am Wortlaut von Jes 7,14 (in 1,23 als sog. Erfüllungszitat gesetzt) im Hebräischen wie in der LXX liegen, wo auch kein Artikel steht. Das erlaubt aber gerade nicht, diese Artikellosigkeit sowohl in Jes 7 wie in Mt 1,21 und 23 unbeachtet zu übergehen. In Jes 7 ist ja auch, wie die Exegeten herausstellen, nicht zu erkennen, wer genau mit der „hm'l.[; – Jungfrau“ gemeint ist, noch wer eigentlich der dort angesagte Immanuel ist; das AT selbst gibt (noch) keine Antwort auf unsere Frage.57 Der Text in 1,21 läßt aber im Kontext doch deutlich genug erkennen, was hier letztlich von Matthäus selbst gemeint ist: Das, was zunächst namenlos als das genannt ist, was Maria „im Schoße habend aus heiligem Geist“ (wir belassen hier auch absichtlich die Wortfolge dieses Passus) und das in 1,21 schon deutlicher mit to. evn auvth/| gennhqe,n bezeichnet ist, das ist der zunächst noch immer offen „Sohn“ Genannte, dem Josef selbst, der „Sohn Davids“ und der Ehemann dieser Maria ist, den gott-bestimmten Namen geben soll (wobei die Namengebung des Kindes ja die Aufgabe des Familienvaters war). Und es wird vom Boten des Herrn ausdrücklich die Verleihung dieses Namens begründet: Dieser ist der und wird vollbringen, was sein Name sagt: JESUS – Jahwe rettet sein Volk von ihren Sünden. Wir werden noch ausführlich darauf zurückkommen, daß in diesem Namen, der ja ein Aussage-Satz ist, jedes einzelne in ihm gegebene Wort – Jahwe, rettet/heilt, sein Volk, ihre Sünden – beim Wort genommen werden muß, da es ja das Ins-Wort-Bringen sowohl der Tat wie des persönlichen Seins („Wesen“) dessen ist, der so heißt, also Offenbarung dessen, wer er ist und was er tun wird (welch Letzteres ja Inhalt des Evangeliums selbst ist, den Hörern/Lesern als Glauben zum Glauben und Annehmen = Leben geschenkt). c) Die theologische Aussage von Mt 1,22–23
Matthäus bringt in 1,22–23 seinerseits das in 1,16.18–21 Ausgesagte gleichsam zusammenfassend und noch tiefer ausdeutend ins Wort, mit der einleitenden Formel „dies alles ist geschehen, damit …“, nämlich als geschichtliche Erfüllung der Verheißung Jahwes, die in Jes 7 dokumentiert ist. Der Text lautet: tou/to de. o[lon ge,gonen i[na plhrwqh/| to. r`hqe.n u`po. kuri,ou dia. tou/ profh,tou le,gontoj\ ivdou. h` parqe,noj evn gastri. e[xei kai. te,xetai ui`o,n( kai. kale,sousin to. o;noma auvtou/ VEmmanouh,l( o[ evstin meqermhneuo,menon meqV h`mw/n o` qeo,j – „Dies alles ist geschehen, damit erfüllt würde das Gesagte vom Herrn durch den Propheten, der spricht: Siehe, die Jungfrau wird im Schoße haben und (den) Sohn gebären, und sie werden (man wird) seinen Namen nennen EMMANUEL, das ist übersetzt: Mit-uns-Gott“. „Dies alles“ meint eindeutig das in 1,16.18–21 gewiß in äußerster Kürze Ausgesagte, das von Matthäus als das hier 57 Siehe dazu die einschlägigen Arbeiten zum Text Jes 7. Hier seien diese ausdrücklich genannt: M.
Oberweis, Beobachtungen zum AT-Gebrauch in der matthäischen Kindheitsgeschichte, in: NTS 35 (1989) 131–149; sodann immer noch grundlegend: M. Rehm, Das Wort ’almāh in Is 7,14, in: BZ NF 8 (1964) 89–101. Siehe außerdem den Exkurs „Jes 7,14“.
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
Festzustellende angesehen wurde, weswegen er es in diese Worte bringt. Wir beachten, daß der Evangelist hier das erste Mal in seinem Evangelium das einbringt, was als „Erfüllungszitat“ bezeichnet wird, und das genau im Sinne, wie es für ihn typisch erscheint. Dafür spricht auch die für die meisten dieser Stellen eingesetzte Einführungsformel „dies ist geschehen, damit die Verheißung … erfüllt würde“. Für hier: Das Jes-Zitat ist das Wort Jahwes, das er in der damaligen Situation durch Jesaja an das Haus David (LXX: avkou,sate dh, oi=koj Dauid) richtete, in die selbstverschuldete äußerste Krisensituation hinein und gegen die (immer wieder) Nicht-hören-Wollenden dieses Hauses. Genau das sieht Matthäus jetzt als erfüllt an! Jahwe hat erfüllt, was er damals verheißen hat (sowohl plhrwqh/| wie to. r`hqe,n sind als theologisches Passiv zu lesen). Mit-gemeint und mit-verkündet hat Matthäus dabei auch, daß das Haus David in seinen jeweiligen Repräsentanten in dem mit-beteiligt war, was damals in der historisch- faktischen Situation (wenn man es so kurz sagen darf) geschah, und worin jetzt durch den in 1,1–17 ausgewiesenen Sohn Davids mit Namen Josef und dessen Ehefrau Maria, wieder durch das Wort Jahwes, geschehen ist, dieses Mal im Hören und Gehorchen, d. i. Einstimmen in Jahwes Wort und das Sich-mitbeteiligenLassen in und an dem, was Jahwe selbst sagt und wirkt. Damals wie jetzt will Jahwe Heil schaffen, und zwar wieder in Über-Einstimmung mit namentlichen Menschen und deren Mittun im und am Werk Jahwes. Immer wieder zum Heil zuerst für diese mit Eigennamen Genannten, und in ihnen und durch sie allen und allem, denen und dem sie gott-erwählte Repräsentanten sind für alle und alles des Heils Bedürftigen. In diesem Sinn ist der Zusammenhang mit der Genealogie und deren Beabsichtigung durch Matthäus offenkundig. Das damalige Wort Jahwes, das Matthäus jetzt als erfüllt anerkennt, zitiert er ja mit der signifikanten Einleitung: „was vom Herrn (Jahwe!) durch Prophetenmund gesprochen wurde“.58 Es wird erkennbar, daß Matthäus 1,18 und 1,20 nach diesem Text gestaltet hat (nicht: das Jetzt-Geschehen aus ihm neu gebildet hat), unverkennbar um die Verheißung wörtlich die jetzige Wirklichkeit aussprechen zu lassen. Für Matthäus ist das Hauptentscheidende in diesem Verheißungssatz die unerhörte Namensnennung IMMANUEL, in der das, was JESUS kundtut, von JAHWE, dem Verheißenden und Erfüllenden des Heils, gilt. Denn das „sie werden seinen Namen IMMANUEL nennen“ ist von der neuen Jahwe-Gemeinde gesprochen, die sich aus JESUS, daher aus IMMANUEL, eben aus JAHWE herleitet und versteht: JESUS ist dieser, den wir IMMANUEL nennen (dürfen), weil wir ihn erleben und daher ihn so benennen, von Jahwe selbst dazu aufgerufen, befähigt und ermächtigt. Das ist das EUANGELION, das Matthäus aufgeschrieben hat, weil es von den Christen genau verstanden worden ist und in dem sie (neu) leben.59 58 Vgl. dazu den Artikel von R. Pesch, der allgemeine Zustimmung gefunden hat: R. Pesch, Eine alt-
testamentliche Ausführungsformel im Matthäus-Evangelium, in: BZ 10 (1966) 220–245; 11 (1967) 79–95. 59 Woher dieser Zusammenklang der Verheißungsformel in Jes 7 mit dem Matthäus-Text rührt, welcher Text welchem zuvor war/ist und ob und wie jeder Text für sich wie auch im Miteinander auf
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II.
Zur theologischen Erfassung von Mt 1
d) Die theologische Aussage von Mt 1,24–25
Nach dem erhellenden Hinweis auf das Faktum der Verheißungserfüllung durch Jahwe selbst setzt Matthäus mit wieder ungemein kurzen Sätzen seine (im Sinne des Evangeliums) berichtende Darstellung fort. evgerqei.j de. o` VIwsh.f avpo. tou/ u[pnou evpoi,hsen w`j prose,taxen auvtw/| o` a;ggeloj kuri,ou kai. pare,laben th.n gunai/ka auvtou/( kai. ouvk evgi,nwsken auvth.n e[wj ou- e;teken ui`o,n\ kai. evka,lesen to. o;noma auvtou/ VIhsou/n – „Aufgewacht vom Schlaf tat Josef, wie ihm der Bote des Herrn befohlen hatte, und er nahm seine Frau zu sich. Und er erkannte sie nicht, bis sie (den) Sohn gebar. Und er nannte seinen Namen JESUS“. Meistens wird das im Griechischen artikellose „Sohn“ mit „einen Sohn“ (unbestimmter Artikel) wiedergegeben. In der Vulgata findet sich dafür (als v. l. oder aus Lk 2,7 übernommen) „filium suum unigenitum“. Gelegentlich wird „ihren Sohn“ gesetzt (so die Einheitsübersetzung, der Schnackenburg folgt; Rösch ebenso). Bei Fiedler findet sich „den Sohn“. Allein Letzteres würde der gesamte Kontext 1,18–25 empfehlen. Denn „ihren Sohn“ trägt etwas in den Text ein, das Matthäus nicht gesagt hat, der ja sowohl für Maria wie Josef nie von „ihrem“ bzw. „seinem Sohn“ spricht, was nicht unbeachtet sein darf. In Mt 3,17 spricht „die Stimme aus den Himmeln“, also Jahwe ou-to,j evstin o` ui`o,j mou o` avgaphto,j („mein Sohn“ mit Artikel, und wiederholt „der Geliebte“!). Auf diese auffallende unterscheidende Sprechweise zu achten, scheint geboten. Die Ausführung des Gottesauftrages wird 24–25 mit den Worten im Jes-Zitat in 23 angesagt, wobei allerdings in 25 ein Zwischen-Satz eingeschoben ist, der Grund wird für zahlreiche Interpretationen. Vor allem das „bis“, das einen zeitlichen Termin anzusagen scheint (nach welchem dann anderes statthatte), hat rege Diskussionen wachgerufen, die wir hier (noch) nicht besprechen müssen. Nur dieses sei dazu bemerkt: Mit „bis sie gebar“ ist hier zwar ein Termin angegeben, womit aber keineswegs, auch nicht einschlußweise, etwas über das mit-aussagt ist, was für spätere Zeit zu gelten hat(te) bzw. geschah. Diese Feststellung gilt für alle „bis“-Angaben sowohl in der hebräischen wie in der griechischen Sprache und hat somit auch für die deutsche Übersetzung zu gelten (wenn hier vielleicht auch eher ungewohnt). Somit sagt der Versteil nur das, was er sagt: „Josef erkannte sie nicht“, nämlich im Kontext in 1,18–25 als er Maria „zu sich genommen“ hatte „bis sie gebar“. Damit ist jedenfalls über dieses „zu sich genommen“, insofern damit ja die „HeimFakten, d. h. auf lebendig-faktischem Geschichtsgeschehen (ob historisch im heutigen Verständnis verifizierbar, steht jetzt nicht zur Debatte) geäußerte und von den jeweiligen Adressaten verstandene (und befolgte oder auch nicht akzeptierte) Worte beruht, werden wir im zusammenfassenden systematischen Teil noch näher zu diskutieren haben. Es ist ja die Entscheidung fällig, ob diese Texte in Jes und im MtEv religiös-dichterische Fiktionen, einander angepaßt und zugeordnet wie auch immer, sind – oder ob sie historisch-geschichtlich Geschehenes und Gesprochenes zur Sprache bringen, in welcher schriftstellerischen Intention und Form auch immer, aber eben doch auf geschehener Wirklichkeit beruhend, und welche diese ist. Wir haben es hier offensichtlich mit denselben Fragen und Antwortversuchen zu tun, wie sie für die Auferweckung Jesu Christi intensiv durchgeführt werden und noch kein Ende gefunden haben.
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
führung“ also der Beginn des gemeinsamen Lebens der (Jung)Vermählten im gemeinsamen Heim angesprochen ist, etwas angedeutet, das im Falle Josefs und Marias etwas bemerkenswert Besonderes, nicht allgemein Übliches gewesen ist. Wenn man nämlich alle biblischen gesetzlichen Weisungen bzgl. Eheschluß und Eheführung des Ehepaares in den Blick nimmt, läßt sich ein Verstehen dieser Stelle erreichen, die sie sogar aus den zuvor stehenden Text-Aussagen in 1,16 und 1,18.19.20 gut verstehbar macht. Darauf hat J. Massingberd Ford in einem kurzen, aber eindringlichen Artikel hingewiesen.60 Sie macht darauf aufmerksam, daß der Text 1,18–25 meist nur im Blick auf das betrachtet wird, was Maria betrifft, und erst von daher das Verhalten Josefs beurteilt wird. Doch sei es aufschlußreich, gerade in 1,25 (und also auch vorher) auf die Situation des Josef zu schauen, die ihn getroffen hat, als der Bote des Herrn ihn ermunterte, Maria, seine Ehefrau, zu sich zu nehmen, also heimzuführen im Sinne des jüdischen Rechtes. Ford weist auf die spezifischen Anweisungen in Dt 24,1–4 hin und wendet sie auf die Situation Josefs an. Entscheidend für die Applikation von Dt 24 (zumal in der Interpretation dieses Textes in den Targumim und in der Qumran-Gemeinde) auf das Verhalten Josefs ist die bemerkenswerte, nur im MtEv begegnende Formel paralamba,nw (1,20 und 1,24) im Auftrag des Boten des Herrn. Hier können wir nicht näher darauf eingehen, halten aber auf jeden Fall fest, daß unsere oben gelieferte Lese- und Verstehensweise von 1,19, Josef achte das „im Schoße haben aus heiligem Geist“ als heilige in diesem spezifischen Sinn, mit allen Folgen für sein dementsprechendes persönliches Verhalten als Ehemann Marias, schriftgemäß ist und daß 1,25 damit voll im Einklang steht (s. die Angaben in der vorigen Anmerkung). Auf das volle Verständnis des matthäischen Satzes in 1,25 brauchen wir hier nicht näher einzugehen. Er wird bekanntlich in mariologischen Themenstellung ungemein intensiv besprochen.61 60 J. Massingberd Ford, Mary’s Virginitas Post-Partum and Jewish Law, in: Bib 54 (1973) 269–272.
Ausführliche Besprechung im Anhang II (zu Mt 1,18–25). S. d. 61 Es sei dazu wenigstens auf folgende Arbeiten, die wir für unsere Thematik eingesehen haben und
die sich diesem Versteil ausdrücklich widmen, hingewiesen. A. Vögtle, Mt 1,25 und die virginitas B. M. Virginis post partum, in: ThQu 147 (1967) 28–39. Da lesen wir u. a.: „Der Evangelist, der die jungfräuliche Empfängnis Jesu als bekannte Aussage voraussetzt (vgl. 1,18b), war sich also der außerordentlichen Art und Weise, in der Jesus in die Generationenfolge eingegliedert wurde, voll bewußt und avisierte jene bereits in dem Augenblick, da er Jesus als Nachkomme Abrahams und Davids nannte (1,16). Warum äußert sich der Evangelist in dem nun folgenden Abschnitt noch ausdrücklich über die außerordentlichen und wunderbaren Umstände, unter denen Jesus der Sohn des Davidsnachkommen Joseph wurde, obwohl die Genealogie selbst mit 1,17 ihren endgültigen Abschluß erreicht hatte? Es liegt ihm an dem Nachweis, daß gerade auch dieser außerordentliche und wunderbare Umstand von Gott vorausgesehen und durch den Propheten Isaias vorausgesagt wurde: derselbe vorsehende Gott, der die mit Abraham beginnende Generationenfolge auf die Geburt des Messias Jesus hinordnete, hat auch die völlig ungeahnte wunderbare Eingliederung Jesu in die Abrahams- und Davidserbfolge vorausgeplant und verfügt, wie eben der Evangelist … in einer ‚erweiterten Fußnote‘, in einer Art ‚Exkurs‘ (1,18–25) zu dem das Schema unterbrechenden Schlußglied der Genealogie (1,16) ausführt. Im einzelnen sind an diesem Exkurs
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III.
Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
III. Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1 In diesem Abschnitt soll der theologische Aussagegehalt des Evangelium-Textes von Mt 1 ausgewiesen werden. Nachdem wir uns bemüht haben, die rechte Übersetzung des Textes zu erreichen und ihn in seinen Aussagen theologisch zu erfassen, können wir jetzt das auf diese Weise Erkannte in seinem theologischen Aussage-Inhalt zusammengestellt vorlegen.62 Wir setzen dabei das in den Abschnitten I und II Besprochene voraus, ohne Einzelheiten nochmals zu wiederholen. Es soll jetzt herausgehoben werden, von wem genau und von was in Mt 1 explizite gesprochen wird und welche theologischen Aussage-Inhalte als vom Evangelisten selbst ausdrücklich intendiert sichtbar werden. Implizite Inhalte dagegen, die als mit-angedeutet erscheinen könn(t)en oder die durch erschließend-folgerndes Deduzieren aus dem expliziert Ausgesagten als darin eingeschlossen anzusehen oder zu vermuten sind, bleiben hier (noch) außer Betracht. Der Autor eines Textes ist ja das Subjekt des Darstellens dessen, was er in seiner Absicht aussagt. Hier wollen wir herausstellen, von wem und vor allem folgende Momente zu beachten. Die Eröffnung der vom Hl. Geist bewirkten Empfängnis begründet den vom Engel des Herrn ausgesprochenen Befehl, Maria heimzuführen und den von ihr zu gebärenden Sohn ‚Jesus‘ zu nennen (1,20f) – anstatt die Verlobte schonend zu entlassen (1,18b-20a). Primär wichtig ist aber für den Evangelisten, daß die Momente, die für die Art der Einführung Jesu in die Davidsfolge entscheidend sind …, schon in Is 7,14 miteinander verbunden sind, sich also als Postulate einer ausdrücklichen Prophetie erweisen (V. 22f). … Haben wir die Intention des Exkurses 1,18–25 getroffen, dann läßt sich das bisher noch zurückgestellte Versstück 25a ohne jede Schwierigkeit einordnen. … gibt der Engel keinen Befehl, Maria nicht zu ‚erkennen‘; … warum ist dann also innerhalb der Ausführung vom Nicht-Erkennen und vom Gebären eines Sohnes die Rede? … seit V. 24 liegt der Ton darauf und muß darauf liegen, was Joseph tat – nicht aber auf dem, was Maria tat … die Feststellung des erfolgten Gebärens im Rahmen einer Aussage über das Handeln Josephs getroffen wird: daß dieser nämlich bis zur Geburt eines Sohnes keinen ehelichen Umgang mit Maria pflog. … ist mit gutem Grund anzunehmen, daß er (d. i. der Evangelist) in unserem Kontext auf die exakte Erfüllung des Is-Wortes Wert legt; also darauf, daß Maria nicht nur als parthenos empfangen, sondern auch als parthenos einen Sohn geboren hat“ (32; 33; 35). Vögtle argumentiert dann weiter, um dann diesen Schlußsatz zu bringen: „Rein exegetisch kann man demnach jedenfalls soviel konstatieren: die Aussage Mt 1,25 läßt sich als solche sehr wohl mit der virginitas post partum vereinbaren“ (39). ––– Broer hat sich zu 1,18–25 mit folgender Bemerkung gemeldet: „fällt auf, daß zwar das erste und letzte Glied der Ausführung, also die Aufnahme Mariens und die Benennung des Kindes mit dem Namen Jesus, im Engelbefehl enthalten waren, nichts aber hatte der Engel zu Joseph über seine ehelichen Beziehungen zu Maria gesagt. – Wie erklärt sich dieser Zusatz? In dem zitierten Isaiastext hieß es: ‚die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären‘, d. h. die Jungfrau wird gebären; um der genauen Erfüllung des Isaiaszitates willen sagt Matthäus über das Verhalten des Joseph zu Maria: Und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn geboren hatte. Mit diesem Verständnis des Verses 25 ist dann auch die alte Streitfrage zwischen Katholiken und Protestanten erledigt, weil es Matthäus hier nur um das Verhalten des Joseph bis zur Geburt geht, um konstatieren zu können: Die Jungfrau hat geboren, wie es von Jahwe durch den Propheten vorhergesagt worden ist“ (254f). 62 Vgl. dazu, was im Abschnitt II zu theologischen Erfassung von Mt 1 gesagt ist.
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
von was im Text gemäß der Intention des Evangelisten die Rede ist, das also, was vom Autor her gesehen als Objekt seines Schreibens anzusehen ist. Was mit dieser erklärenden Vorbemerkung genau gemeint ist, zeigt sich sogleich in dem, was wir vorlegen.
1. Gott — Hauptsubjekt des in Mt 1 Bekundeten
Als erstes zeigt sich bei aufmerksamem und unvoreingenommenem Lesen, daß in Mt 1 in jedem Vers Gott das Hauptsubjekt dessen ist, was dort als Evangelium im matthäischen Sinn ausgesprochen wird.63 Schon zu 1,1–17 ist jedenfalls dies festzustellen: Es ist allgemein anerkannt, daß mittels des dort vorgelegten Stammbaumes spezifisch die ganze Geschichte Israels als durch Gott initiiert und geleitet herausgestellt werden soll. Zwar ist Gott nicht namentlich genannt, doch es ist mit dem betonten Herausheben von Abraham und David bis hin zu Jesus Christus (1,1.16.17) hinreichend deutlich der angesagt, der die gesamte Menschheitsgeschichte und speziell die Heilsgeschichte in Gang setzt und bis in das von ihm beabsichtigte Ziel führt.64 So kann und muß gesagt werden, daß in 1,1–17 Gott als das Hauptsubjekt gilt, er als Herr aller Geschichte. Die anderen in diesem Text genannten Personen sind stets angeführt, insofern sie in ihren jeweiligen heilsgeschichtlichen Positionen und Aufgaben von Gott bestimmt waren, vorab namentlich Abraham und David. Das wird durch 1,17 seitens des Evangelisten selbst deutlich erklärt. In diesem Sinn sind in 1,16 auch Josef und Maria am 63 Wir wollen mit dem nüchternen Ausdruck „Hauptsubjekt“ das meist angewendete Wort „Haupt-
person“ vermeiden. Denn das erinnert zu sehr an die Terminologie, die in den Literaturwissenschaften u. ä. in der Darstellung und Besprechung von Schauspieltexten bzw. an die in Schauspielen oder Dramen u. ä. beteiligten Spieler denken läßt, wo von handelnden oder sprechenden Personen die Rede ist. Dort begegnen Hauptpersonen oder Hauptfiguren wie auch Nebenfiguren und Nebenpersonen, die in der Haupthandlung irgendwie beteiligt sind. Diese Sprechweise möchten wir für die Evangelientexte (wie überhaupt aller Bibel-Texte) und für die festzustellenden Aussage-Inhalte von dort geschilderten Begebenheiten oder Reden vermeiden. Denn von Gott, von Jesus Christus, von Josef und Maria wie auch von Aposteln u. a. kann man nicht mit Wendungen wie „Akteure der Handlung“ o. ä. sprechen, auch dort nicht, wo es sich im NT um Darstellungen handelt, die als dramatisch oder episodisch (im üblichen Sinn) erscheinen mögen. Jesus Christus ist auch kein Rhetor, wenngleich von ihm weltbewegende Sätze überliefert sind. Auch sind die Evangelisten nicht als Schriftsteller üblichen Sinnes zu verstehen. Die Bibel, vorab die Evangelien sind alles andere als schriftstellerisch ausgerichtete, gar fiktiv ersonnene und entsprechend ausgearbeitete Texte. Für die biblischen Texte empfiehlt es sich grundsätzlich, alle dort genannten Beteiligten in ihren konkreten (nicht erdichteten) Lebenssituationen „agieren“ (wenn man das Wort hier einsetzen möchte) und sprechen zu lassen. In diesem Sinne wählen wir für das, was es hier zu sagen gilt, zunächst den ganz nüchternen, offenen Ausdruck „Hauptsubjekt“, und das auch nur in dem, was hier herausgestellt werden soll. 64 Hier sei ausdrücklich auf das hingewiesen, was wir im Abschnitt II dazu ausgeführt haben.
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III.
Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
Ende des Stammbaumes, doch noch innerhalb dieses Geschichtskomplexes einbezogen. Josef und Maria wie eben auch Jesus Christus erhalten in der von Gott gewählten Verwirklichungsgeschichte des Heils ihren spezifischen Platz.65 Aufgrund unserer 65 Es ist mit allem Nachdruck darauf aufmerksam zu machen, daß wir es in der biblischen Geschich-
te in aller Wirklichkeit mit der Geschichte zu tun haben, die das gemeinsame Lebensgeschehen des Bundes Jahwes mit seinen Geschöpfen zum „Inhalt“ hat. In den Kommentaren wie überhaupt in unserer Theologie wird faktisch doch nur immer von Gott als dem Transzendenten gedacht und gesprochen, der, wie es die gängige Formel sagt, in die Geschichte der Welt „eingreift“, vielleicht auch „lenkt“ und ins „Ziel“ bringt; er ist/wird aber nie begriffen als der, der (wenn man solche Kategorien überhaupt anwenden soll) in dieser in der Bibel gemeinten Geschichte immanent-persönlich Anwesender und Mitwirkender ist und sich selbst persönlich „engagiert“. Warum wird nicht in der Weise nach-gedacht und gesprochen, wie die Heilige Schrift von der Geschichte Gottes wie Israels, ja der Welt überhaupt denkt und spricht? Nicht ist es Gott, der in den Verlauf der israelitischen bzw. der Menschheitsgeschichte gelegentlich „eingreift“ oder mit ihr einen zielorientierten Plan verfolgt. Vielmehr hat Jahwe mit der Gesamtschöpfung von Anfang an eine gemeinsame Lebensgeschichte begonnen, die er selbst mit seinen Geschöpfen er-leben, mit ihnen gestalten und führen möchte, wie es in dem recht verstandenen Bund Jahwes mit seinen Geschöpfen verstanden und ins Wort gebracht wurde. Jahwe hat mit der Gesamtschöpfung von Anfang an eine gemeinsame Lebensgeschichte begonnen, in die er selbst involviert ist. Wie sich faktisch herausgestellt hat, wurde dieses von Jahwe initiierte Leben (= Heil!), das Geschehen und also Geschichte „erfahren“ sollte, zur Unheilsgeschichte pervertiert, und zwar aufgrund des (offensichtlich wirkmächtigen) Widerspruchs des (einiger) Geschöpfes zu Gott und dessen Liebes- und Lebenswunsches (der kein fixer Ablaufplan ist!) für sich mit seinem Liebend-Erschaffenen und in die Freiheit des Zustimmens und Einstimmens Berufenen, ohne Ziel und End-Punkt. Dieses Leben des Liebesbundes Jahwe und Geschöpf erwies sich als das Leben Gottes selbst mit seinem Geschöpf und eben auch als (gottgeschenktes!) Leben des Geschöpfes mit Gott im gott-geschenkten Raum und in gott-geschenkter Zeit, die nur Gegenwart, Da-Sein, Anwesenheit, Teil-Gabe und Teil-Nahme im MiteinanderFüreinander liebender Zu-neigung kennt, Lebendig-Sein, das nicht einmal Gegenseitigkeit kennt, nur im Währen und Dauern des Ein-Herz-und-eine-Seele-Seins im Sich-aufeinander-Hingeben und antwortenden An-nehmen in der einen Liebe. Dieses Geschehen des Liebe-bestimmten und -geprägten Lebens im Währen des lebendigen (!) gott-gestifteten Lebensbundes ist das, wovon die Bibel voll ist (nicht nur erzählt!) und das „Geschichte“ genannt werden kann, wenn nicht ein vorliegender oder selbstgemachter „Begriff “ von „Geschichte“ als Kriterium angesetzt wird. Von dieser Geschichte kündet die Heilige Schrift. Sie ist die Geschichte, die Jahwe selbst mit dem Volk, das er sich in bisher unerhörter Weise auserwählt, zu führen beabsichtigt. Jahwe will es aus Ägypten (das die sündige Welt symbolisiert, was wieder voraussetzt, daß so etwas wie „Sünde“ geschehen ist (ohne daß man wüßte, was das eigentlich ist), befreien und ins „gelobte Land“ (auch zunächst ein Symbolbegriff: das Heil) hineinführen. Genauer: Jahwe bemüht sich von Anfang an um die Zustimmung dieses Volkes zum Heilsgedanken und -werk, scheitert aber immer wieder in seinem Beginnen-Wollen, weil dieses Volk sich verweigert. Die biblisch richtig verstandene „Geschichte“ ist das Geschehen des Werbens Jahwes um sein Volk und des wiederholten Sich-verweigerns. Das ist das, was Matthäus in 1,18–25 mit Jes 7 betont hervortreten läßt. Jes 7 ist doch das Verheißungswort, das Jahwe gegen den sich verweigernden Davididen sprechen ließ. Das Verheißungswort in Jes 7 (u. ö.) ist im Buch Jesaja doch quasi punktuell Wort – Widerwort – Neu-Verheißungswort Jahwes, dieses sogar in unahnbarer Überhöhung aller bisherigen Angebote auf freie Annahme antwortend-liebender Lebensgabe. Gott er-lebt und er-leidet persönlich, was sein Geschöpf verfügt, gegebenenfalls auch durch Mißbrauch der ihm geschenkten Freiheit. Dieser Gott ist es, der Verheißungen in ganz konkreten Lebenssituationen, vor die er und seine Geschöpfe sich gestellt
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
Einsichten (s. Abschnitt II) können wir sagen: Gott vertraut Jesus Christus, der zu Beginn ausdrücklich und vollnamentlich als Zielpunkt der in 1,1.17 angesprochenen Gottes-Geschichte genannt wird, diesem Ehepaar im Hause Davids an, zu bestimmtem Mit-Wirken in dem und an dem, was Gott selbst vollbringen will, und dies eben durch entsprechendes Beteiligen seiner Geschöpfe, die in der Begabung und Beauftragung Gottes mit-wirken. In 1,16 wird Jesus Christus nochmals vollnamentlich genannt; sogar auf eigen-artig erklärende Weise: „aus der geboren ist Jesus, der Christus Genannte“ (vgl. neben 1,1 auch 1,18 und die Namengebungen in 21 und 23). In 1,18–25 ist wieder in jedem Vers Gott derjenige, von dem zuerst (und, wenn man will, hauptsächlich) die Rede ist. 1,18a bezieht sich auf 1,16, um das dort noch nicht klar Ausgesagte zu klären. In 18b werden Maria und Josef, die auch in 1,16 zuvor genannt wurden, in ihrer ganz persönlichen Lebenssituation vorgestellt, in der sie von Gott in Anspruch genommen werden, was 18c verdeutlichend, wenngleich immer noch ungewöhnlich offen ausgesprochen wird: „sie hatte im Schoße aus Gott“.66 So ist 1,18 von 18c her ganz Gottes-Evangelium. Genau davon betroffen wird Josef in 1,19 herausgestellt. Als (in seiner Lebenshaltung) Gottesfürchtiger erfährt er sich und seine spezifische Lebenssituation mit Göttlichem konfrontiert und bedenkt, was es für ihn zu tun gilt. Er erwägt, Gott dadurch die geforderte Ehre zu geben, daß er Maria für das Gott-Gewirkte aus dem eingegangenen verbindlichen Ehebund freigibt. Mit Vers 20 wird sodann Gottes Reagieren auf Josefs Erwägungen bekundet: Der Bote des Herrn, also Gott selbst (Jahwe) spricht Josef persönlich genau darauf an. Gott weiß, was er im Sinne hat, und er nimmt die Haltung Josefs und dessen Planen wahr, anerkennt sein Empfinden und Vorhaben, gibt mit entsprechender Erklärung die Weisung, etwas anderes zu tun, nämlich was Gottes Sinnen in Bezug auf die Beteiligung Josefs gerade an diesem besonderen und ganz eigen-artigen Wollen Gottes ist. Er erklärt die Situation und gibt einen gezielten Auftrag, dieses aber offensichtlich auf die Gehorsamshaltung Josefs vertrauend (1,20–21). Wir sollten hier nicht, wie es vielfach geschieht, von „Offenbarung“ Gottes an Josef sprechen. Es ist keine Offenbarung, auch kein Befehlen, von dem hier die Rede ist. Vielmehr lädt Gott Josef zum Mit-Wirken ein, indem er ihm kundtut, worin er ihn, der aus dem Stamm David ist (Josef wird ausdrücklich so angesprochen!), beteiligen möchte, und das ist ja nichts Geringeres als das Heil der Welt! Die ganze „Rede“ des Boten muß man als Wort Jahwes (s. in 23 das Jes-Zitat) im konkreten Gesprochen-Werden hören und dann eben auch so, nämlich evangelium-gemäß, wiedergeben und verkünden. Das to. gennhqe.n in 1,20 will ja, wie allgemein anerkannt, als theologisches Passiv gelesen sein. Von daher gesehen ist in 1,21 dies gesagt: Gott vertraut dem Josef das Kind an, das Maria erfahren, ausspricht und sie bei Zustimmung auch zu erfüllen die Macht und den Willen hat; er hält sein Versprechen (Treue Gottes zu seinem einmal gegebenen Wort – wenn es ihm gestattet wird!). Jahwe kennt nur Liebe, aber kein Sich-Aufzwingen (welcher Art auch immer). 66 Hier sei auf Abschnitt I,1 und Abschnitt II,2 rückverwiesen, wo die Frage der rechten Übersetzung bzw. des theologisch zu Erfassenden von 1,18c eingehend besprochen ist.
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III.
Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
als Gottes-Seiendes im Schoße trägt und gebären wird. Weil es Gottes Plan war und in Jes 7 als Verheißung an das Haus Davids dokumentiert wurde, deswegen lädt Gott Josef ein, gerade in dem mitzuwirken, was Gott selbst und daher auch Jesus Christus als Aufgabe zuerst ihres eigenen Lebens erkennen und daher planen, aus Liebe zum Sünder (was an dem von Gott gewählten Namen hörbar und ablesbar ist: JESUS – Jahwe rettet, nämlich von der Sünde: 21). Jesus soll als Lebenstat vollbringen, was sein Name sagt, der ihm (nach seiner Geburt) durch Josef aus dem Hause Davids mit aller rechtlichen Wirkung gegeben werden soll. „Jesus“ ist kein Hoheitstitel, kein von Menschen erdachtes Programm, sondern Wort-Tat und Tat-Wort Jahwes selbst, eben der, dem es als Name durch Josef im Namen Gottes gegeben wird. Das alles bringt Matthäus in 22–23 deutlichst zur Sprache. Wir sollten auch die Parallelität der Situationen und Adressaten von dem in Jes 7 (im Kontext des ganzen Jes) und dem hier in Mt 1 Bekundeten deutlich sehen: Damals Achaz aus dem Hause Davids, jetzt Josef aus dem Hause Davids; damals sprach Jahwe durch den Propheten, hier der Bote Jahwes, also wieder Jahwe; damals Ankündigung an die sich Jahwes Denken Verweigernden, hier der gehorsam-bereite Josef; dort der zu gebärende „Sohn“ (es bleibt offen, wessen letztlich), der jedoch den Namen Immanuel erhalten soll, hier wird (spätestens in seinem Leben nach seiner Geburt) der „Sohn“ von denen Immanuel genannt, die auf Jahwe und auf diesen „Sohn“ hören und ihm gemäß leben (werden), die ImmanuelGemeinde, also Jahwe-Gemeinde = Jesus-Gemeinde. Das „Immanuel“ der Gemeinde ist somit Wort, d. h. Anerkennend-Ant-worten der „neuen“ Gemeinde auf das Wort Jahwe selbst hin, erfüllt und erkannt und anerkannt im glaubend-angenommenen Jesus. Dessen Sein, Leben und Wirken wurde offenbar (immer wieder: auf Glauben hin) seit seinem Geboren-Sein, das in der Lebensgeschichte Gottes mit der Menschheit sich ereignet hat. In 1,24–25 wird bekundet, daß Josef wörtlich das erfüllte, was Jahwe ihm einladend aufgetragen hatte. So erfüllt sich auch die Verheißung Jahwes an Achaz, wenngleich in ungeahnter Weise, was die Personen und das Geschehen selbst angeht (Jes 7 im Jes-Kontext). Maria „gebiert Sohn“ (25), nämlich was/wen sie „im Schoße hatte“ (1,18) („Sohn“ hat in 25 keinen Artikel!). Sie gebiert nicht ihren Sohn, noch Josefs Sohn, aber auch nicht „einen Sohn“, wie oft wiedergegeben wird, sondern den „Gottes“, der dieser ist jedenfalls vom Anfang seines „im Schoße Marias Seins“, weil dieses schlicht „aus Gott“ war (1,18c). Wer dieser noch genauer war und ist – der Ausdruck „Sohn Gottes“ ist ja weder in 20 noch in 21 und auch nicht in 25 verwendet –, das ist aus Mt 1,18–25 allein noch nicht deutlicher zu sagen, als es der Text tut. Diese Offenheit der Stelle kann aber anregen, im MtEv und im ganzen NT nach einer weiteren Klärung Ausschau zu halten, was jedoch hier nicht Aufgabe sein kann.67
67 Wir werden das in der zusammenfassenden Darstellung aller einschlägigen ntl. Stellen und ihrer
Aussage-Inhalte eindringlich besprechen.
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
Nachdem wir die theologischen Aussage-Inhalte von Mt 1 vorgelegt haben, die Gott zum Hauptsubjekt im angegebenen Sinn haben, soll doch auch gesagt werden, daß das Wort „Gott“ (Theos) selbst in Mt 1 gar nicht vorkommt, außer im Namen Immanuel des Jes-Zitates (7,14) und dessen Übersetzung durch Matthäus (darin mit Artikel gesetzt). Im folgenden Kapitel 2 begegnet das Wort überhaupt nicht. Trotzdem haben wir herausgestellt, daß in Mt 1 ausdrücklich von Gott die Rede ist, und das in entscheidender, das Heil der Welt bedeutender Bedeutungsfülle. Den Grund und die Berechtigung eines solchen Sprechens finden wir vor allem in der Wendung „Bote des Herrn – a;ggeloj kuri,ou (die LXX-Wiedergabe von hwhy %a;l.m); “, die in 1,20.24 und in 2,13 gesetzt ist, sowie in dem Satz 1,22: „to. r`hqe.n u`po. kuri,ou dia. tou/ profh,tou le,gontoj“ mit dem Jes-Satz 7,14. Dieses ist ja das Jahwe-Wort, gesprochen durch den Mund des Propheten. Mit Jahwe, der in diesen Stellen ausdrücklich mit diesem israelitisch-biblisch unverwechselbar eigen-tümlichen Namen des Gottes Israels genannt ist, ist sogleich auch für 1,1–17 eindeutig erklärt, von wem dort die Rede ist. Verstärkt wird dies durch die betonte Nennung von Abraham und seinem Stamm, der ja spezifisch und einmalig Jahwes Gedanke und Schöpfung ist, den er bis zum Erscheinen seines Christus (Messias – x;yvim)' am Ende der Genealogie in seiner Geschichte mit Israel verwirklicht. „Christus“ muß hier ja – wie dann im ganzen Neuen Testament – stets als Kurzformel von „Christos Kyriou – hwhy x:yvim“. gelesen und so auch immer in dieser Voll-Bedeutung verstanden werden, jedenfalls wenn es auf Jesus Christus angewendet ist bzw. wird. (Von der Verwendung dieser Benennung „Christus“ z. B. in Jes 45– 48 und anderen ähnlichen biblischen Stellen hier abgesehen, wenngleich dort Cyrus auch als der Gesalbte Jahwes vorgestellt wird: Jes 45,1 u. ö.) Das macht uns darauf aufmerksam, daß vom Gott Israels wie auch der Kirche und überhaupt die Rede oder die Botschaft sein kann, auch ohne daß das Wort „Gott“ gebraucht ist bzw. wird. Mehr noch: Es erscheint geradezu angebracht, im ganzen NT, das ja Teil der einen Bibel ist, dann, wenn Gott zur Sprache kommt bzw. gebracht werden soll, immer Jahwe wenigstens zu lesen/hören und zu verstehen, mit allen offenkundigen, ja aufschlußreichen Folgen. Dafür sei auf die Sätze in Mt 3,9 und 3,16f (nur in diesen beiden Fällen kommt in Mt 3 das Wort „Gott“ vor!) als vielsagendes Beispiel hingewiesen. Im Mahnwort Johannes des Täufers in 3,9 steht dieser aufregende Satz: „Laßt euch nicht einfallen, zu denken, wir haben Abraham zum Vater. Ich sage euch, Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen da Kinder erwecken!“. Die von Johannes angesprochenen Juden (sie sind auserwähltes Volk!) sollen sich nicht auf ihre Abraham-Kindschaft – diese wird in Mt 1,2.17 in seiner Genealogie dem Jesus Christus ausdrücklich und entscheidendwichtig zugesprochen! – berufen; denn ohne ihre entsprechende persönliche Lebensführung ist sie schlicht wertlos. Das spricht für sich. In 3,16 wird dann vom „Geist Gottes – pneu/ma qeou/ (ohne Artikel)“ gesprochen, der auf Jesus (in 3,13.15.16 namentlich genannt) herabkam. „Geist Gottes“ (offenkundig die Wiedergabe von hwhy x:Wr der hebräischen Bibel) entspricht der in Mt 1,18.20 (und in 3,11) begegnenden Wendung „heiliger Geist – pneu/ma a[gion“, über deren Bedeutung in Mt 1 wir schon 104
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III.
Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
gesprochen haben.68 Daran schließt sich unmittelbar an: „Und siehe, eine Stimme aus den Himmeln sprechend: ‚Dieser ist mein geliebter Sohn (ou-to,j evstin o` ui`o,j mou o` avgaphto,j; wir beachten: kein Artikel bei fwnh,, Artikelsetzung zu ui`o,j und sogleich wiederholt zu „geliebter“). „Stimme (Wort, Rede) vom Himmel“ ist ein üblicher biblischer Ausdruck für „Gottesrede“; somit ist hier zu lesen: Gott, besser noch: Jahwe spricht dieses Wort.69 Das bekundet das Sohn-Jahwe-Sein des genannten „Jesus“ (der Name wurde in 1,21 vom Boten Jahwe, also von Jahwe selbst gegeben und erklärt; s. o.) und das „Geliebt-Sein“, offenkundig seitens dessen, der spricht. (Man fühlt sich, wenn es hier nicht unangebracht erscheint, es zu sagen, an Joh 3,16–18 erinnert.) Mit diesen Aussagen zu Jesus bzw. zum Spruch Jahwes in Bezug auf den, den er seinen geliebten Sohn nennt, ist, auch wieder ohne daß das Wort ausgesprochen wird, vom Vater-Sein Jahwes die Kunde. An diesen Beispielen dürfte offenkundig geworden sein, daß wir für Mt 1 berechtigt Gott als Hauptsubjekt des dort Bekundeten ansprechen, wobei wir inzwischen auch gesehen haben, daß es sogar entschieden besser, weil eindeutiger wäre, statt „Gott“ stets „Jahwe“ gemeint zu sehen und insgesamt zu verstehen. Jahwe ist der Gott Abrahams. Abraham glaubt Jahwe und folgt seinen Weisungen. Johannes der Täufer spricht von Jahwe. Und Jahwe ist es, der in 3,17 Jesus („Jahwe rettet“!) seinen geliebten Sohn nennt, sich also als sein Vater bekundet, so daß dieser von seinem Vater her „Jahwe Sohn“ ist und somit auch so anerkannt werden muß. „Sohn Gottes“ oder „Gottessohn“ ist kein Hoheitstitel, am wenigsten eine „christologische Prädikation“, sondern schlicht, eben wenn im Sinne Mt 3,17 begriffen, Jesu Er-selbst-Sein und deswegen sein Name (nicht anders als es auch für Jahwe selbst gilt).70 Daß diese 68 Vgl. dazu, was oben in den Abschnitten I und II dazu herausgestellt worden ist. Dort auch ein
Hinweis auf den entsprechenden Exkurs „pneuma hagion“. 69 Zu „Stimme aus den Himmeln“ in 3,17 vgl. auch die folgenden Stellen: In Mt 17,5 (zur Verklärung
Jesu) heißt es: „Und siehe, Stimme aus der Wolke sprechend …“. In Mk 9,7 heißt es: „kai. evge,neto fwnh. evk th/j nefe,lhj“, und es wird direkt gesagt, was sie spricht. Auch auf Joh 12,27f ist hier hinzuweisen. Es zeigt sich immer dasselbe Geschehen, zugleich als Wort Jahwes selbst. 70 Ein Überblick über die Stellen, an denen das Wort „Gott“ im MtEv begegnet, ist sehr aufschlußreich. Auffällig zunächst das Vorkommen in Mt 4 über die Versuchung Jesu durch Satan. In 4,3 u. 6 wird Jesus sein Sohn-Gottes-Sein versucherisch vorgehalten: „wenn du der Sohn Gottes bist …“. Jesus entgegnet Satan mit einem -Bibelwort: in 4,4 mit Dt 8,3 („Mund Gottes“), in 4,7 mit Dt 6,16: „Du sollst Jahwe, deinen Gott nicht versuchen“ (hebr.). Ähnlich die Rückweisung in 4,10 mit Dt 61,3: „Jahwe, deinen Gott bete an …“ (hebr.). Versucherisch wird Jesus am Kreuz dasselbe seitens der Spötter vorgehalten: 27,40.43 („Wenn du der Sohn Gottes bist …“). Der Hohepriester fragt Jesus eindringlichst: „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott … bist du der Christus der Sohn Gottes? (o` cristo.j o` ui`o.j tou/ qeou/; wir beachten die intensive Artikelsetzung)“ (26,63). Demgegenüber sagt der Hauptmann zum Tod Jesu am Kreuz: „Wahrhaftig, Gottes Sohn war dieser“ (27,54). Im Munde der Besessenen (8,29) findet sich dieser Vorwurf: „Was haben wir mit dir zu tun, Sohn Gottes (ui`e. tou/ qeou/)“. Hier sei sogleich die Antwort des Petrus an Jesus, Mt 16,16, angeschlossen: „Du bist Christus der Sohn des lebendigen Gottes (o` cristo.j o` ui`o.j tou/ qeou/ tou/ zw/ntoj; wieder die betonte Artikelsetzung)“. In den bisher zitierten Texten ist auch die Wendung „Sohn Gottes“ zu beachten, die jeweils ihre eigene Charakteristik aufweist. –– Das Wort „Gott“ begegnet oft im Munde Jesu, am ausgiebigsten in der Bergpredigt und in seinen Gleichnissen, und zwar in Bezug
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
letzten Feststellungen auch schon zu Jesus Christus, wie er in Mt 1 bekundet wird, Entscheidendes aussagen, dürfte offenkundig sein.
2. Jesus Christus in Mt 1
Mt 1,1 als Überschrift über das ganze MtEv (oder jedenfalls der Genealogie mit der erklärenden „Fußnote“ 18–25) nennt Jesus Christus am Anfang betont beim Namen, auf Gottes Verhältnis zu den Menschen (als Geschöpfen, als Glaubende u. a.). In den Seligpreisungen in 5,8 (Gott sehen) und 5,9 (Söhne Gottes). In 6,24 (Gott, nicht dem Mammon dienen) und 6,30 (Gott läßt das Gras wachsen und kleidet die Lilien). Sehr oft findet sich „Reich Gottes“, auch „Reich der Himmel“ in derselben Sachbedeutung: so 12,28; 19,24; 21,31 u. 43. Öfters zitiert Jesus Bibelstellen, die „Gott“ aufweisen: 15,3.4 (Gebot Gottes für Eheleute); dann 22,29.31 gegen die ihn versuchenden Sadduzäer: „ihr kennt weder die Schrift noch die Macht Gottes … habt ihr von der Auferstehung der Toten nicht den Ausspruch Gottes gelesen, der euch sagt: ‚Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs? Er ist doch kein Gott der Toten, sondern der Lebendigen“ (Zitate aus Ex 3,6; 22,32). Dem kann 22,36–46 angeschlossen werden, wo die Pharisäer Jesus nach dem größten Gebot fragen, und Jesus anschließend mit Ps 110,1 eine Gegenfrage stellt: „Jesus antwortet: Du sollst den Herrn deinen Gott (ku,rion to.n qeo,n = Jahwe) lieben … die Frage: Was haltet ihr von dem Christos? Wessen Sohn ist er? … ei=pen ku,rioj tw/| kuri,w| mou …“. –– Das Wort „Vater“ wird von Jesus für „Gott“ sehr oft gesetzt, und zwar als Bezug Gottes in seinem Verhalten zu den Menschen bzw. Ihm-Glaubenden. So ist „euer Vater in den Himmeln“ u. ä. eine feste Formel: 5,45.48; 6,1.15.32; 7,11; 18,14. Auch „dein Vater“ u. ä. findet sich: 6,4.6.18. So ist auch das Vaterunser in 6,9–15 zu verstehen (6,13–15 ist verdeutlichende Erklärung zu 6,12!). Jesus lehrt das Beten mit dem anredenden Eingang „Vater unser“; nie begegnet es, daß Jesus sich selbst und die Menschen „Vater unser“ zu beten lehrt oder es gar so ausspricht. Das ist bedeutsam in Bezug auf die vielen Stellen, wo Jesus von „meinem Vater“ spricht. In 10,32f heißt es, nachdem zuvor Jesus dieses gesagt hat: „Kein Sperling fällt zur Erde ohne euren Vater …“: „Wer immer mich vor den Menschen bekennt, den werde auch ich bekennen vor meinem Vater im Himmel …“. In 11,25 folgt dann der sog. Heilandsruf Jesu mit seinem unausschöpfbaren Reichtum an Aussagekraft und zugleich begeisternd die Tiefe Gottes anschaubar offenlegend. Den Text hier in seiner Länge zu bringen, erlaubt der Platz nicht: 11,25–30. – In 16,27 werden mehrere Bezeichnungen zusammengeführt; „Denn der Menschensohn wird kommen mit seinen Boten (a;ggeloi) in der Herrlichkeit seines Vaters und dann jedem vergelten nach seinen Werken“. In 18,10 sind ähnlich Jesus, der Vater und seine Boten, sowie das Antlitz Gottes zusammengeschaut: „Denn ich sage euch, ihre Boten (d. i. den Kindern zugewiesene Helfer) schauen immerdar das Angesicht meines Vaters der im Himmel ist“. 18,19.35 mögen für sich sprechen, ähnlich 20,23. Dann ist das Gleichnis der bösen Winzer zu nennen: „1,33–44“, das auch für sich spricht. In 22,41–46 wird wieder Ps 110,1 angewendet (s. o.). In 25,34 steht der Spruch: „Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters“, der in seinem Kontext spricht. In 26,29 bei der Eucharistie-Einsetzung: „… mit euch trinke im Reich meines Vaters“. In 26,39.42 wird das Gebet Jesu zum Vater in bewegenden Worten überliefert. Nach 26,53 (zu Petrus: „Mein Vater würde mir … Hilfe senden, wenn ich ihn darum bäte“) und 27,43 „Er hat ja gesagt: Ich bin der Sohn Gottes“) ist auf das letzte Wort Jesu am Kreuz hinzuweisen: „Mein Gott, mein Gott; warum hast du mich verlassen“ (27,46; Ps 22,1). Alle diese Stellen muß man auf sich wirken lassen; dann begreift man das Unbegreifliche, auch im Vater-Sohn-Verhältnis – ohne es diskutieren zu müssen.
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III.
Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
dem noch eine weitere Bestimmung beigegeben ist, die auch thematisch zu verstehen ist: Jesus Christus, Sohn Davids, Sohn Abrahams. In der Ansage „Buch der Geschichte Jesu Christi“ ist der Genitiv als genitivus obiectivus zu verstehen, nicht als genitivus subiectivus, d. h. als die Frohbotschaft, die Jesus selbst verkündet hat, Es wird ja im MtEv das bekundet, was die junge Kirche von Jesus Christus homologisch-kerygmatisch glaubt und verkündet. Das wird aus 1,16.17 deutlich: Am Ende der Genealogie wird Jesus als der genannt, den Maria geboren hat; dieser wird als „der Christus Genannte“ näher angegeben. Daß in 1,17 die Kurzform „Christus“ steht, dürfte in diesem zusammenfassenden Satz keine Bedeutung haben.71 In 1,18 ist der Ausdruck ge,nesij VIhsou/ Cristou/ im Sinne der zuvorstehenden Genealogie zu verstehen: Die Kurzangabe in 1,16 soll näher erklärt werden, was in 18–25 auch geschieht. Die ungewohnte Formulierung „Die Genesis Jesu Christi war so“ könnte neben der erklärenden Funktion in Bezug auf 1,16 auch als eine erste, nur andeutende Auskunft über das/ den bedeuten, das/den gemäß 18c Maria „im Schoße hatte“, den sie dann geboren hat und dem auf Gottes/Jahwes Weisung hin die in 1,21 und 23 genannten Namen (Jesus und Immanuel) gegeben werden. Ob tatsächlich 18a schon das/den in 18c Gemeinten 71 Es ist nicht ohne Bedeutung, wenn man folgendes feststellt: Der volle Name „Jesus Christus“ wird
im MtEv nur in 1,1 und 1,18 verwendet, in der Überschrift 1,1 mit dem einmaligen Zusatz „Sohn Davids, Sohn Abrahams“, dann in dem (ungewöhnlich formulierten) Einleitungssatz zu 1,18–25, der näheren Erklärung der Angabe 1,16: „Die Genesis Jesu Christi war so: …“. Die Formel „Jesus, der Christus Genannte“ begegnet in 1,16 („aus der geboren Jesus, der Genannte Christus“). Nur ein zweites Mal findet sich diese Formel in 27,17.22 (Pilatus fragt: „Wen soll ich euch freigeben, Barabbas oder Jesus, den Genannten Christus? Was soll ich denn mit Jesus machen, den Genannten Christus? „. – „Christus“ allein steht in 1,17 (Ende der Genealogie; keine besondere Bedeutung erkennbar), dann in 2,4 (Frage des Herodes an die Schriftgelehrten, wo „der Christus geboren werden sollte“; Antwort mit Mich 5,2, wo der Erfragte „Fürst, der mein Volk Israels regieren wird“ genannt wird). – In 11,2 „hört Johannes im Gefängnis von „ta. e;rga tou/ Cristou/“. Petrus antwortet auf die Frage Jesu: „su. ei= o` cristo.j o` ui`o.j tou/ qeou/“ (16,16); und in 16,20 verbietet Jesus, jemandem zu sagen „o[ti auvto,j evstin o` cristo,j“. In 22,42 fragt Jesus die Pharisäer „ti, u`mi/n dokei/ peri. tou/ cristou/, wessen Sohn ist er“. Jesus untersagt dann in 23,10, seinen Jüngern, sich „Meister“, jemanden „Vater“ zu nennen; „auch Lehrer laßt euch nicht nennen, denn „kaqhghth.j u`mw/n evstin ei-j o` Cristo,j“. Auch mahnt Jesus vor „yeudo,cristoi kai. yeudoprofh/tai“ (24,24). In 26,63 fragt der Hohepriester Jesus beschwörend: „su. ei= o` cristo.j o` ui`o.j tou/ qeou/“; Jesus bejaht es, indem er sich dazu den „ui`o.j tou/ avnqrw,pou“ nennt (64). Darauf wird Jesus geschlagen und man höhnt: „Weissage uns, Christus (criste,), wer hat dich geschlagen?“ (26,68). In allen diesen hier angeführten Stellen mit „Christus“ alleinstehend hat der Ausdruck seine dort jeweils gemeinte Bedeutung; nur einige Male erscheint es schlicht als Rufname. – Diesen vergleichsweise wenigen Vorkommen von „Christus (Jesus)“ stehen 165 Anwendungen des Namens „Jesus“ allein gegenüber! Grundlegend erscheint „Jesus“ in 1,21.25 als Namen-Nennung durch Jahwe selbst, die Josef in seinem Auftrag rechtlich vornimmt. Dann ist es im ganzen MtEv durchgehend der Name, mit dem Matthäus seine Schrift entfaltet. Dasselbe zeigt sich auch in den anderen Evangelien, während im übrigen NT meistens der volle Name „Jesus Christus“ u. ä. gesetzt erscheint, und zwar wirklich als Rufname. – Der Name „Immanuel“ findet sich übrigens in der gesamten Heiligen Schrift nur in Jes 7,14 und, als LXX-Zitat, in Mt 1,23 (mit dortiger Übertragung ins Griechische durch Matthäus). Eine gewisse Wiederholung ist in 28,20 zu erkennen.
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Abschnitt A:
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mit seinem vollen Namen (1,1.16) angibt, möchten wir hier (noch) nicht entscheiden, weil gerade zu den in 1,18–25 vorliegenden Aussagen im Gesamtkomplex Mt und Lk 1 sowie Gal 4,4 (und noch anderen entscheidenden Stellen) später ausführlich zu sprechen sein wird. Immerhin schreibt Matthäus etwa 20 Jahre nach Paulus und wird daher die theologischen Aussage-Inhalte der früheren ntl. Schriften sicher gekannt haben. Dazu ist in der angesagten Zusammenschau Bestimmteres zu sagen (soweit es die näher betrachteten Texte hergeben). Ähnliches gilt für die Aussagen zu Jesus Christus in 1,21–25. Dort sprechen die Namen „Jesus“ und „Immanuel“ Entscheidendes aus, zumal sie im Gesamtkontext des MtEv verstanden sein wollen.72 Was wir in den Abschnitten I (zur rechten Übersetzung von Mt 1) und II (zur theologischen Erfassung der matthäischen Evangelium- Aussagen) im einzelnen feststellen konnten, kann hier so zusammengefaßt angegeben werden: In 1,1 gibt Matthäus den Namen dessen an, über den er sein „Buch der Geschichte (der Herkunft)“ schreiben will, als das ja das MtEv als Ganzes zu verstehen ist: „Jesus Christus, Sohn Davids, Sohn Abrahams“. Damit hat er den, dessen Geschichte er vorlegen will, vorerst hinreichend deutlich angesagt. Das Gesamtevangelium wird dann Näheres zu dem vorbringen, was in 1,1 als dem Anfangssatz dieser Schrift in erster Zusammenfassung ausgesagt ist, und das weiter ergänzen. Dieser volle Name nennt mit jedem dort begegnenden Namen Einzelelemente, die Jesus Christus charakterisieren und die ihm unverwechselbar eignen. In einem ersten Gang (1,2–17) wird er mittels seiner Genealogie (damals durchaus in ihrem biblischen Sinn verstanden; sie hatte und hat nichts mit einem historischen Aufweis heutigen Sinnes zu tun) als „Sohn Davids, Sohn Abrahams“ vorgestellt. Damit waren für die ersten Leser (und so auch für spätere) ganz bestimmte glaubensprägende und daher theologisch bedeutungsvolle (Er)Kenntnisse angesagt. Jesus Christus wird als Glied innerhalb einer Generationenkette gekennzeichnet, mit der Gott selbst seinen Heilsplan 72 Matthäus bringt ja keinen Bericht über die zeitliche Aufeinanderfolge des Erreichens der Glau-
beneinsichten der ersten Gemeinde(n) und ihrer ersten Ausformulierungsversuche. Diese hatten zu Beginn ja kein theo-logisches oder gar schon christo-logisches Interesse und Ziel, waren vielmehr dankbar-preisende Glaubensbekenntnisse, Homologia. Wir stellen daher hier das, aber auch nur das heraus, was in Mt 1 tatsächlich ausgesprochen (und nicht als mit-impliziert mitausgesprochen) erscheint. Das genau herauszusuchen, zu erkennen und als Ergebnis vorzulegen darf sich folglich nicht als für den gesamten Glauben schon definitiv und daher andere zusätzliche Aussagen anderer Bibelstellen nicht (mehr) gelten lassend verstehen. Wenn wir daher im vorher Dargestellten auf die Offenheit, d. h. auf das Nicht-alles-und-endgültig-abschließend-gesagt-Habens der Mt-Aussagen bestanden, dann auch hier. Die Mt-Aussagen sind nicht gegen andere ausgerichtet. Sie sind auch keine logischen Schlußfolgerungen, mittels anderer Bibelstellen oder gar mittels „Theologie“ errungen. Deswegen rekurrieren wir hier auch (noch) nicht etwa auf Lk 1 u. ä. Das wäre hier verfrüht, besser: sachlich unzulässig. Die einschlägigen Bibelstellen müssen zuerst in sich selbst betrachtet und erklärt werden, jede in und für sich. Dann erst kann eine Zusammenschau versucht werden. Daß in diesem Vorgehen immer alles und jedes im Gesamt der Bibel als Teil-Aussage zu gelten hat und folglich zu lesen ist, dürfte selbstverständlich sein, soll aber doch eben ausdrücklich betont werden.
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III.
Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
zu verwirklichen gedenkt. In 1,16 ist dieses bestimmte Gliedsein in der AbrahamDavid-Reihe ausdrücklich, wenngleich aufs kürzeste ausgesprochen. Das erfährt in 1,18–25 seine nähere (auch notwendige) Erklärung. In bestimmter Hinsicht erweist Jesus Christus sich nämlich als End-Glied dieser Generationenkette, die selbst ja weit vor ihm ihren Gott-bestimmten Anfang und ihre eigentümliche, von Jahwe selbst persönlich betreute Geschichte hatte. Dieser Geschichte wurde in Jesus Christus zu diesem Zeitpunkt ihr Ziel und Ende bereitet, und zwar dadurch, daß Jahwe selbst innerhalb ihres längst währenden Verlaufs aufgrund seiner Bundestreue einen NeuAnfang setzt, der eine bisher nicht gekannte Charakteristik aufweist. Denn Neuanfänge hat Jahwe schon öfter gewagt. In der Genealogie werden jedenfalls die genannt, die mit den Namen Abraham und David sowie mit der (Beendigung der) Babylonischen Gefangenschaft deutlich angegeben sind. Die Neuanfänge mit Noach (Gen 6,5–9,17) und Mose (Ex 2–3) und andere bleiben hier außer Betracht. Sie wären in einer vollständigen Geschichte Israels natürlich entscheidend mitzuberücksichtigen. Hier nennen wir nur die Namen derer, die in Mt 1 aufgeführt sind. Allen diesen Neuanfängen ist eine Note gemeinsam: Sie alle sind gerade dadurch bestimmt, daß Jahwe namentliche Menschen in unverwechselbarer Weise mit-beteiligt in dem, was er in der Lebensgeschichte seines Bundes mit seiner Schöpfung zu wirken gedenkt.73 Seit der Schöpfung als Ur-Anfang, die allein Gottes Tat ist, sind es Geschehnisse, die aus widersprechendem (sündigen) Entschluß und Wirken der gott-gestifteten Freiheit der Geschöpfe Wirklichkeit geworden sind, von dem Gott zutiefst getroffen wurde. Sie verfügten dem Geschaffenen selbst unvorstellbares und unabwendbares Unheil, ja den Tod, und das zu wiederholten Malen. Gott antwortet (reagiert) darauf, abgesehen zunächst von seinem eigenen Erleiden, stets durch ein bisher überhaupt nicht geplantes neues Beginnen. Dabei verbleibt er in dem von ihm trotz der Sünde ungekündigten Schöpfungsentschluß in seinem erschaffenden Sein- und Leben-Geben in Treue zu seinem im Anfang eingegangenen Bund; doch versucht er das Unheil zu wenden, indem er sogar das verunstaltete, sich den Tod bereitet habende Geschöpf einlädt, seinem Neu-Planen mit dem verdorbenen, aber von ihm immer noch im Dasein erhaltenen Gottes-Geschöpf-Sein zuzustimmen, sich in dieses neue Wirken Gottes einbeziehen zu lassen zum Mit-Wirken mit ihm. Gott erzwingt nichts, wie schon Ur-Schöpfung wesentlich in die gott-geschenkte Freiheit hineingestiftet war. So geschah es in der Abrahams-Geschichte, so in der Davids, so nach der Babylonischen Gefangenschaft, und jetzt die Beteiligung Josefs und Marias sogar im gänzlich neuen, weil endgültigen Heilswirken. Immer läßt es Gott Geschöpfe in der ihnen geschenkten persönlichen Freiheit entscheiden, ob er sein Ziel erreichen wird. Gott will jetzt trotz allem (oder gerade wegen allem) Bisherigen das Heilswerk selbst in Person sein und es persönlich vollbringen, indem er sich selbst einsetzt in einem bisher noch nie 73 Hier ist nicht der Platz, auf alle diese Fragen hinreichende erste Antworten zu versuchen; das soll
im Exkurs „Gott in Geschichte“; s. Anhang I.2.
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
erlebten Ausmaß, welches tatsächlich auch erst, nachdem es vollbracht war, von den Gott-Glaubenden in seiner Tiefe verstanden und begriffen wurde. Hier wäre auf Gal 4.4 und Röm 8 u. ä., hinzuweisen. Von dieser Neuheit, die sich in Jesus Christus ereignet hat, von diesem unahnbaren und unberechenbaren noch je konkret ersehnten Empfinden, Denken und Sich-selbst-Verwirklichen Jahwes in diesem Geschehen kündet 1,16 und 1,18–25 in einem ersten evangelium-artigen Ins-Wort-Bringen der geschehenen und glaubend anerkannten Wirklichkeit. Das geschieht u. a. in Erinnerung an und mit Hilfe des schon viel früher geschenkten Verheißungswortes Jahwes selbst: Jes 7 u. a. Die Verse 18–25 werden meist als deutlichere Erklärung zu dem sehr kurzen, aber inhaltsschweren Schlußsatz der Genealogie (1,16) angesehen, die nachträglich angefügt wäre; sie würden die Aussagen der Genealogie vervollständigen. Dem sei nicht widersprochen. Tatsächlich führt Matthäus jedoch wohlüberlegt gleichsam schrittweise in die Fülle dessen ein, was er im ersten Kapitel seines Evangeliums aussagen will. So stellt er in 1,18–25 einzelne wesentliche Elemente dessen heraus, von dem das „Buch der Geschichte“, das Evangelium, in seiner Hauptsache spricht, in Mt 1 offenkundig mit einer ersten grundlegenden Angabe. Er, Jesus Christus nämlich ist es, zu dessen Charakterisierung auch die Genealogie als erste, einleitend-ansagende Vorstellung ihren Dienst leistet. In 1,16.18–25 werden solche wichtigen Aussage-Elemente zu Jesus Christus ausdrücklich herausgestellt, die selbst, wenngleich schon grundlegend entscheidend, noch nicht schon die alles umfassende Personbeschreibung vorbringen wollen. Was konkret genannt wird, ist zudem weder historischer Aufweis (heutigen Verständnisses) noch biographisch-detaillierende Feststellung, sondern eine erste, noch nicht endgültig-volle Angabe dessen, was es um Jesus Christus Besonderes ist. Auch die auffallend genaue Zeitangabe der persönlichen Lebenssituation Josefs und Marias, zweifellos sehr bedeutsam, darf nicht als Hinweis dafür angesehen werden, daß Matthäus hier eine chronologisch exakte Darstellung des Lebens Jesu beginnen will. Alles ist (nur) Teil des einen Evangeliums über Jesus Christus. Für unsere zusammenfassende Angabe des Aussage-Inhaltes von 1,1–25 bedeutet das: Das in 1,16.18–25 im einzelnen Aufgeführte kann und muß, zusammengeschaut und dadurch sachgerecht, wie folgt angegeben werden (die Erfassung des Textes in Hinsicht auf die rechte Übersetzung und der ersten theologischen Erfassung, Abschnitt I und II, ist dabei, weil zuvor erfolgt, wegweisend): Es ist der Bote des Herrn, also Jahwe selbst, der Josef, ausdrücklich als „Sohn Davids“ angesprochen, den Auftrag gibt, dem, den Maria gebären wird, den viel-sagenden Namen „Jesus – Jahwe rettet“ zu geben und ihn im Sinne des israelitisch-jüdischen Gesetzes und Brauches zum „Sohn David“ zu erklären, mit allen damit angesagten Rechtsfolgen (1,20f). Damit findet auch die in 20 betont mit-genannte Angabe „das in ihr Gezeugte ist aus heiligem Geist (d. i. aus Gott)“, die dem gilt, den Maria gebären wird, eine zusätzliche Klarheit. Das gilt dementsprechend und folgerichtig auch für die Aussage in 1,18c: „sie hatte (trug) im Schoße aus heiligem Geist (d. i.: aus Gott)“. Diesen Satz hatten wir ja in seiner auffal110
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III.
Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
lenden Offenheit und (scheinbaren) Unentschiedenheit des Aussagens erkannt. Es ist in 18c als das angegeben, von dem Josef sich betroffen fühlte (19) und dem er gott-gebührende Ehrerbietung bereiten wollte, was der Bote des Herrn bestätigt, wenngleich zum Inhalt des Auftrags an Josef macht (20–21). Wir erkennen, daß sowohl in 18c und in dessen Folge in 19 und in 20–21 Genannte immer der ist, der „Jesus“ heißen wird. Das Offenhalten der Aussagen in 18,19 und 20–21, für das wir uns entschieden haben, findet seine volle Bestätigung, damit aber auch die Klarheit über das, was dort zunächst, wie man meist meint, höchstens entfernt angedeutet wäre, aber auch vielfältig mißgedeutet wird.74 Daß dem, den Maria gebären wird, der Name „Jesus“ gegeben werden soll, begründet der Bote des Herrn, also Jahwe selbst deutlich: Er wird der sein und das vollbringen, was der Name sagt, kündet: Jahwe rettet. Er ist also persönlich Jahwe-Heil und er erfüllt das, in seinem Lebensauftrag (hier Unterscheidungen wie „irdisches Leben und Wirken“ oder „eschatologischer Auftrag“ u. ä. zu erkennen bzw. anzubringen, ist als deplaziert anzusehen). Im Evangeliumtext wird das bei vielen Gelegenheiten offenkundig und eindeutig sichtbar. So ist es dieser „Jesus“, von dem in 18–25 eindeutig die Rede ist, den Jahwe selbst im Geschehen des Getauft-Werdens durch Johannes „seinen Sohn, den Geliebten“ nennt (3,17).75 Alles bisher in 18–21 74 Hier sei nochmals nachdrücklich auf das verwiesen, was wir in den Abschnitten I und II zu diesen
Versen herausgestellt haben. Auf anderes werden wir noch in den folgenden Darlegungen zu sprechen kommen, in denen wir die tatsächlich vorhandenen Aussagen von Mt 1 und Lk 1 sowie von Röm 1,3f und Gal 4,4 und auch von Phil 2 und Joh 1 zusammenzuschauen uns bemühen werden. 75 Hier ist auch auf die folgenden Stellen im MtEv hinzuweisen, die alle in ihrer Weise das gerade Herausgestellte betont aussagen. So wird im unmittelbar folgenden Kapitel 2 zur Flucht nach Ägypten von Matthäus dieses Schriftwort zitiert, das mit der bezeichnenden Wendung „damit erfüllt würde, was vom Herrn (u`po. kuri,ou) durch den Propheten gesagt (dia. tou/ profh,tou le,gontoj) war: ‚Aus Ägypten habe ich meinen Sohn (to.n ui`o,n mou) gerufen‘“ (2,15). In Hos 11,1, dem hier verwendeten Zitat, ist das Volk „Israel“ angesprochen, in ihm irgendwie jeder Israelit; so auch Jesus. Und doch dürfte es im matthäischen Text eine wesentlich tiefere Bedeutung haben. ––– In Mt 8,27 findet sich zum Erleben des Geschehens der Sturmstille auf das Wort Jesu dieser Satz: „Die Menschen waren voll Staunens sprechend: Wer ist dieser? Ihm gehorchen die Stürme und das Meer!“. Die Frage ist als rhetorische zu verstehen, nicht als eine, der Auskunft gegeben werden soll (vgl. ähnlich Ps 8,2 u. ä.). Der hoti-Satz im Griechischen gibt den Grund des Erstaunens für das an, was sie als Ereignis erleben. Sie stellen fest: Da geschieht, was Jahwe allein vermag; das tut Jesus; also ist Jesus Jahwe?! Diese Stelle wird meist mißverstanden. Schon allein daß „potapo,j evstin ou-toj“, mit „was für ein Mensch ist dieser“ übersetzt wird, verfälscht den Text (Gaechter, MtEv 276; auch viele andere). Ps 89,9f und Ps 107, bes. 23–31 sind hinreichender Beleg für das Recht unserer Wiedergabe des Textes; auf die Kommentare können wir hier nicht weiter eingehen. Die Stelle Mt 14,33 bringt das Bekenntnis derer, die die andere See-Begebenheit mit Petrus erlebten: „die im Schiffe waren, huldigten ihm kniefällig und sagten: ‚Wahrhaftig, Sohn Gottes bist du (avlhqw/j qeou/ ui`o.j ei=)‘“. ––– Weiters ist auf das Petrus-Bekenntnis in 16,16 hinzuweisen, das in seinem Kontext 16,13–20 gelesen werden muß, um die volle Wucht der Aussage zu begreifen. ––– Das Verklärungsereignis ist ähnlich tief zu verstehen wie das in 3,13–17 geschilderte, wo der Sprechende („Stimme aus der Wolke sprechend – fwnh. evk th/j nefe,lhj le,gousa“) sich als Vater Jesu erweist: „Dieser ist mein Sohn der Geliebte, an dem ich Wohlgefallen habe – ou-to,j evstin o` ui`o,j mou o` avgaphto,j (wir beachten wieder die Artikelsetzung) „. ––– Es kann hier auch auf das Gleichnis der
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Abschnitt A:
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Herausgehobene wird nochmals tiefer in 22–23 ausgesprochen. Im Rückblick auf Jes 7 kündet Matthäus davon, daß ja Jahwe selbst in dem in 1,18–21 Genannten der ist, der erfüllt (nicht die Verheißung erfüllt sich, wie meistens ganz unpersönlich behauptet wird!), was er damals verheißend angesagt hatte (Jes 7 und in Jes insgesamt). Damals sollte die Frau, die den dort Verheißenen gebären würde (wer in 7,14 mit dieser Frau und dem Neugeborenen genau, gar namentlich gemeint war, ist bekanntlich in der Zeit und im Text der Bibel nirgends klar erkannt und ausgesprochen worden; erst in Mt 1,23 ist es offenkundig), ihn „Immanuel“ nennen. Jetzt, da Matthäus schreibt, ist es die Jahwe- und Jesus-glaubende Gemeinde, die aufgrund des persönlichen Daseins und Wirkens Jesu erkannt hat und preisend anerkennt, daß er dieser „Immanuel“ in Jes 7,14 ist, es im Wirken vollbracht hat und darin bleibt, was „Immanuel“ als Wirklichkeit unaufhörlich erleben läßt: Gott-mit-uns, was ja schlicht dasselbe sagt, was „Jahwe – Ich-bin-euer (Gott)“ ausspricht (28,20).76
3. Josef und Maria in Mt 1
Es wird zwar immer wieder die Auffassung vertreten, daß in den (sog.) Kindheitsgeschichten des MtEv Josef als Hauptperson zu gelten hat, in Lk 1–2 dagegen Maria, da die dortigen Erzählungen ihre je eigen-artigen Aussagen bringen, so z. B. der Bote des Herr im MtEv mit Josef spricht, im LkEv dasselbe der Maria kundtut.77
bösen Weinbergpächter hingewiesen werden, in dem Jesus selbst bezeichnend von dem einzigen spricht, den der Weinbergbesitzer noch hat, um ihn zu senden:Mt 21,33–43. 76 Vgl. dazu nochmals das im Vorausgehenden zu Gott als Hauptsubjekt dessen, was Mt 1 inhaltlich vorbringt, Herausgestellte. Wir werden am Ende dieses Abschnittes „Der theologische Aussagegehalt von Mt 1“ nochmals darauf zurückkommen, wo auf zusätzlich anzuerkennende Aussagen wie auch auf solche Erkenntnisse kurz einzugehen sein wird, die schon als implizite, also theologisch schlußfolgernd erfaßte anzusehen sind, nicht als explizit im Text vorgegebene. 77 Hier einige Beispiele aus Mt-Kommentaren: Schiwy (Mt) schreibt: „Während Lukas die Kindheitsgeschichte mehr aus der Sicht Marias berichtet hat, erzählt Matthäus, wie Joseph die Geburt Jesu erlebt haben mag“ (35). Daß schon die Kategorie „Kindheitsgeschichte“ fehl am Platze ist, haben wir oben schon herausgestellt. Von der Geburt Jesu ist in Mt 1–2 überhaupt keine Rede, am wenigsten davon, „wie Joseph sie erlebt hat“. ––– Bei Trilling (Mt) lesen wir: „Da ist zunächst die Gestalt des Joseph. Sie steht ganz im Vordergrunde, wie in den lukanischen Berichten Maria. Alles ist von seinem Standpunkt her beobachtet …“ (24). ––– Schmid (Mt) sagt es so: „Da fällt auf, daß hier, wie schon im Stammbaum und in den weiteren Teilen der Kindheitsgeschichte, Joseph (bei Lukas Maria) in der Vordergrund tritt. Die vorliegende Szene ist vom Standpunkt Josephs aus erzählt. Wie Maria sich dabei verhielt, ist dem Erzähler unwichtig“ (41). ––– Grundmann Mt sieht es wieder ähnlich: „Die Eigenart der Erzählung bringt es mit sich, daß die Rolle des Joseph besondere Bedeutung gewinnt, während Maria, sehr im Unterschied zur lukanischen Vorgeschichte, stark zurücktritt“ (66).
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III.
Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
Bei einigermaßen aufmerksamem Lesen der Texte ist jedoch unverkennbar, daß in Mt 1 in jedem Vers, der irgendwie von Josef spricht, Maria gleichfalls genannt ist. Noch genauer geschaut zeigt sich, daß jeder dieser Verse zugleich auch Jesus zur Sprache bringt, ja daß Jesus immer derjenige ist, weswegen überhaupt zu Josef und zu Maria Wichtiges vorgebracht erscheint.78 Das klar zu sehen und zu werten, ist für das Einsehen und Auswerten der tatsächlichen Aussage-Inhalte des Textes unabdingbar – an sich etwas Selbstverständliches für jedes Lesen biblischer Texte. Daher wird hier zugleich von Josef und Maria in ihrer Relation (zunächst so offen formuliert) zu Jesus Christus und dementsprechend zu Gott, Jahwe gesprochen, weil es der Text selbst so hält. Im Vers 16, dem letzten Glied der Generationenkette, die Matthäus mit Bedacht und Absicht (1,17) auf Jesus Christus hinauslaufend strukturiert hat, findet sich eine ungewohnte Fülle von Bestimmungen, die Jesus selbst und zugleich Josef und Maria betreffen. Was im einzelnen in dem äußerst kurz formulierten Satz angeführt wird, ist im Sinne der planvollen Genealogie zu lesen, zu werten und auszulegen. Obwohl Matthäus selbst den Schlußsatz 1,16 äußerst erklärungsbedürftig ansieht – er fügt ja sogleich die Verse 18–25 an, um Näheres auszusagen –, war es offenkundig 78 Vers 16 nennt Josef als letztes Glied der Genealogie „Sohn Davids“ und bestimmt ihn sogleich als
„Mann Marias“ (die damit bei ihrem ersten Genanntsein auch sogleich als „Frau Josefs“ angegeben ist); aus ihr ist Jesus geboren (die erste weitere eindeutige Charakterisierung nach „Sohn Davids, Sohn Abrahams“: 1,1). Mit Vers 17 gibt Matthäus an, wie er die Genealogie in ihrer Eigenart verstanden wissen will. Vers 18 nennt genau wie 16 in synonymer Wortwahl Maria die Frau Josefs (dem Josef verehelicht, womit Josef wieder als „Mann Marias“ bezeichnet ist). Maria „hat im Schoße aus Gott“, womit der (wenn auch in gänzlich offener Angabe) genannt ist, den Maria nach 16 und 20.21.25 gebiert, Jesus. Gemäß Vers 19 will Josef „sie“ (d. i. Maria) nicht öffentlicher Ehrfurchtslosigkeit ausgeliefert wissen um dessentwillen, den sie im Schoße trug: Jesus. Gemäß 1,20 spricht der Bote des Herrn Josef ausdrücklich als „Sohn Davids“ (16!) an und nennt Maria namentlich seine Frau (gunh,), indem er bestätigt, wovon Josef betroffen war, dem „im Schoß haben“ Marias, das/der ja Jesus ist. Vers 21 gibt als Auftrag des Boten an, was geschehen wird und wie Josef sich verhalten soll: Sie, Maria also, wird gebären und Josef soll ihn Jesus nennen. Vers 23 gibt den Verheißungstext Jes 7,14 in seiner Anwendung auf Jesus an, zugleich mit deutlichem Bezug auf Maria. Vers 24 bekundet die Auftragserfüllung durch Josef in Bezug auf seine Frau, also auf Maria in ihrem augenblicklichen Stand, nämlich den „Sohn gebären werden“, der ja Jesus ist. Schließlich gibt Vers 25 Näheres über das Verhalten Josefs an: „er erkannte sie (d. i. seine Frau Maria) nicht, bis sie den geboren hatte, dem er den Namen Jesus auftragsgemäß gab. –– Eine gleiche Weise, stets von Josef und Maria im Blick auf Jesus zu sprechen, findet sich übrigens auch im folgenden Kapitel 2 des MtEv. Bei jeder Nennung Josefs wird auch Maria angeführt (mit Ausnahme von 2,11, wo allein „Maria, die Mutter des Kindes“, das ja Jesus ist, genannt wird). In Vers 13 erhält Josef vom Boten des Herrn den Auftrag, „das Kind und seine Mutter“ (d. i. Jesus und Maria) zu nehmen und zu fliehen, was Vers 14 fast wörtlich wiederholt. Entsprechendes, wieder in derselben Aussageweise, findet sich in 2,19–21. Damit sind alle Josef-Stellen genannt. Maria, zuvor schon einmal allein mit Namen in 2,11 als „seine (d. i. Jesu) Mutter“ genannt, begegnet noch ein Mal in 13,55: „… des Zimmermanns Sohn. Heißt nicht seine Mutter Maria …“. – Etwas Ähnliches findet sich übrigens in Lk 1–2; das gleichzeitige Nennen von Josef und Maria zusammen mit Jesus ist nicht zu übersehen, sollte vielmehr voll ausgewertet werden (für das LkEv werden wir es bei dessen Besprechung auch tun).
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Abschnitt A:
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doch seine Absicht, die Aussage zur Herkunft Jesu Christi in dieser Darstellungsform vorzubringen und sie so in dem in 20–24 Verkündeten aufgipfeln zu lassen. (In den Abschnitten I und II haben wir das ins einzelne gehend besprochen; darauf können wir hier aufbauen.) In 1,16 wird Josef aufgrund der entscheidenden Generationenfolge als „Sohn Davids“ angegeben (und in 1,20 betont genau damit vom Boten des Herrn angesprochen). Zugleich wird er „der Mann Marias“ genannt, was in einem auch Maria als „Frau Josefs“ ansagt. Maria ist die Frau, „aus der geboren wurde Jesus, der Christus Genannte“. Wir bemerken: Josef und Maria werden in ihrem ersten Genanntwerden im MtEv überhaupt als Ehepaar im Hause Davids betont herausgestellt. Genau das wird in 18–25 deutlicher erklärt. In einer ungewöhnlich exakten Angabe wird die persönliche Lebenssituation Josefs und Marias klar angesagt: sie waren „verehelicht, aber noch nicht zusammengekommen“, was wie eine Datumsangabe klingt (und ja auch ist).79 Die Verse 20–24 geben nun eindeutig an, was von Gott her schon Wirklichkeit geworden ist und worin Josef als „Sohn Davids“ im Gedanken und Vollbringen-Wollen Gottes selbst wesentlich mit-beteiligt zu werden ausersehen ist. Das bisher in 1,16.18a.19 Ausgesprochene wird gleichsam rückwirkend bestätigt und in voller Klarheit verkündet. Es ist „aus Gott“, was Maria, die Ehefrau Josefs, „im Schoße hat“ und gebären wird (in 1,16 vorweg schon als Faktum ausgesprochen: „die geboren hat …“). Dieses soll sich ereignen zum Zeitpunkt, da Josef sie heimgeführt haben wird. Dazu wird er von Gott selbst entgegen seinen eigenen Erwägungen ermuntert, um dann zu erfüllen, wozu Gott ihn erwählt hat, daß er es tue. Das vermag nur einer, der im vollen Recht „Sohn Davids“ ist und auch persönlich vollbringt, was Gottes Auftrag ist. Es ist ja das, wozu sich Gott selbst in seinen Verheißungen (2 Sam 7; Jes 7 u. ö.) verpflichtet hatte. Josef soll dem israelitisch-jüdischen Recht entsprechend als Familienhaupt dem Kind die Rechtsgliedschaft im Hause Davids und dazu den Namen verleihen, den Gott vorgesehen hat und ihm zu geben aufträgt, mit allen Rechtsfolgen für Jesus. Von Josef hängt es ab, ob Gott das zu vollbringen vermag, was in Vers 21 in letzter Klarheit als sein eigener Entschluß angesagt ist: „sein Volk von ihren Sünden erretten“. Wir erkennen die ähnliche und doch gänzlich neue Geschichtssituation, wie sie zu der in Jes 7 angegebenen Zeit vorlag. Damals wandte sich Gott an Achaz, der sich jedoch strikt verweigerte und daher die Verheißung als Gottes Androhung verstehen mußte: Gott wird handeln und das Heil herbeiführen gegen die, die sich als von ihm Erwählte doch seinem Willen widersetzen. So wird in 79 Es ist gut, sich das gerade Betonte durch nochmalige Lektüre dessen klar vor Augen zu stellen, was
wir dazu ausführlichst in den Abschnitten I und II als Untersuchungsergebnis vorgelegt haben, weil gerade zu Mt 1 nach wie vor viel Unbegründetes und Unsachliches, ja Phantastisches behauptet wird. – Wir können hier kurz auch darauf hinweisen, daß auch in Lk 1 bei der ersten namentlichen Nennung Marias zugleich und wesentlich Josef mit-genannt wird. Von beiden wird in dieser ersten Angabe über sie gesagt, sie seien miteinander verehelicht. Mehr dazu in der Besprechung des Textes Lk 1–2 sowie in der folgenden Zusammenfassung aller einschlägigen ntl. Texte zur Herkunft Jesu Christi.
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III.
Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
1,23 sogleich mit-ausgesprochen, daß dieser Jesus in seinem Leben und Lebenswerk von Anfang an „Immanuel – Gott-mit-uns“ war und es bleibend ist. Die Gemeinde derer, die glauben und Gottes Weg akzeptieren und mitgehen, nennt ihn so aufgrund ihres tatsächlichen Erlebens jedenfalls seit seinem sog. öffentlichen Auftreten, über seinen realen Tod hinweg kraft der Auferweckung durch den, der ihn dazu zuerst den Sündern ausgeliefert, ja gleichgestaltet hatte (Gal 4,4; Röm 8); und der ist Gott selbst. „Immanuel“ im Mund der Glaubensgemeinde ist anerkennendes Ant-Worten auf das Wort Jahwes selbst hin. Das stand somit auf dem Spiele, als sich der Bote des Herrn an Josef wandte: Jahwe ermuntert ihn, Maria, seine Frau, die diesen Jesus trägt, heimzuführen und in diesem Sinne den Eheschluß zu besiegeln, so daß er in der rechtlichen Lage ist, diesen Jesus rechtsverbindlich in das Haus Davids aufzunehmen. Jahwe vertraut den, den Maria gebären wird, der „aus Gott ist“ und „Jesus“ im Sinne Gottes ist und deswegen so heißen soll, dem Josef an. Und Josef erfüllt, was Gott ihn zu tun einlädt und aufträgt; er nimmt seine Frau und in ihr das Kind zu sich. Er verbleibt weiterhin dabei, diesen Jesus in seine Vater-Sorge und Vater-Schutz zu nehmen. Das „fürchte dich nicht, Maria und in ihr das Kinde heimzuführen“ (20) findet seine Entsprechung in dem mehrmaligen Auftrag des Boten des Herrn: „Nimm das Kind und seine Mutter und flieh …“: 2,13; das mit 2,15 in eins gelesen werden muß: „damit sich erfüllte, was der Herr (Kyrios – Jahwe) gesprochen hat durch den Propheten, das sagt: „Aus Ägypten rief ich meinen Sohn“ (dazu auch 2,19f). In 1,24–25 wird bekundet, daß Josef das erfüllte, was Jahwe aufgetragen hat. Damit erfüllt sich die Verheißung (Jes) im Mit-Tun des Geschöpfes. Maria „gebiert Sohn“ (25; „Sohn“ hier ohne Artikel), also was/wen sie „im Schoße hatte aus Gott“ (18c). Sie gebiert nicht ihren Sohn noch den Josefs, sondern den, der ganz „Gottes“ ist. Wer dieser „Sohn“ genauer ist – weder in 20 noch in 21 und auch nicht in 25 ist der Ausdruck „Sohn Gottes“ verwendet! –, das ist aus dieser Stelle 1,18–25 allein noch nicht deutlicher, als es im Mt-Text tatsächlich steht, ausgesprochen; die Offenheit der Rede kann aber anregen, im MtEv und im NT insgesamt eine klärende Antwort zu finden. Ein erster Hinweis steht in Mt 2,15, worauf wir schon hingewiesen haben.80 In 1,25 wird in äußerster Kürze, dazu im Nebensatz ausgesprochen, daß Maria „(den) Sohn geboren hat“, in derselben Formulierungsweise, die sich in 1,23 im Zitat Jes 7,14 findet. Es fällt auf, wie knapp und fast nebenbei diese Feststellung gemacht ist, was sich sogleich in 2,1 wiederholt. Im ganzen Kapitel 2 wird Maria nie mit Namen genannt; es gibt nur die Formel nimm das Kind und seine Mutter“, in der stets das Kind zuerst genannt, und mit „seine Mutter“ klar Maria mit-genannt ist. Nur noch einmal, in der Frage der erstaunten Nazarener „Heißt seine Mutter nicht Maria?“ (13,55), wird Maria mit Namen genannt. Das MtEv spricht somit, zusammenfassend gesagt, von Josef und Maria stets von beiden gemeinsam, niemals nur von dem einen oder dem anderen für sich allein. Das 80 Vgl. dazu, was oben in Anm. 1 auf S. 8 herausgestellt wurde.
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
ist in Mt 1,16.18.20.25 ganz offenkundig, da sie sogleich als Ehepaar genannt werden. In 2,11 ist zwar zunächst nur „das Kind und seine Mutter“ gesagt, doch mit dieser Formel, die im Folgenden öfter wieder eingesetzt erscheint, und zwar stets mit Josef, der den an ihn ergehenden Auftrag in Bezug auf „das Kind und seine Mutter“ erhält bzw. ihn ausführt: 2,13.15.19–23. Josef und Maria werden somit ab 1,16 stets als miteinander-verehelicht vorgestellt, durch die Nennung von Josef sogleich dem Hause Davids zugehörig erklärt, was ja der entscheidende Punkt ist. Für un-voreingenommene, aber die Rechtsgewohnheit im israelitisch-jüdischen Raum kennende und beachtende Leser ist damit ausdrücklich und offensichtlich mit Absicht herausgestellt, daß Josef und Maria einen Ehevertrag geschlossen haben, gemäß dem damals üblichen Rechtsbrauch, nämlich dem Sich-Kennenlernen, Sich-Liebgewinnen und sich zur Ehe Entschlossen-Haben und so die Ehe rechtsgemäß und, was wichtig ist, rechtsverbindlich eingegangen sind. Es hat für uns hier keinen Anlaß dazu noch einen Sinn, spätere mariologische und josefologische (in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Frankreich versucht) Fragen und Überlegungen anzustellen oder zu bedenken. Wichtig ist hier zu sehen, wie der Text Mt 1–2 (und übrigens auch Lk 1–2) ganz konkrete Situationen im Ehe-Leben des Josefs und der Maria anführen bzw. als geschehen benennen. Neben Gott und Jesus sind sie Subjekte im Geschehen, das bekundet wird. Aus „Sach“-Gründen wird Maria (in 1,18: „im Schoße habend“) bzw. Josef (in 1,20f: Auftrag zur Heimführung und Namengebung) zunächst allein genannt, doch stets in ihrem unmittelbar mit-genannten ehelichen Miteinander als Ehepaar. Das gilt auch für die Aussage in Mt 13,55 („… ist er nicht der Sohn des Zimmermanns, heißt seine Mutter nicht Maria …“). Daher, alles in allem: Gott vertraut seinen Sohn für sein Heilswerk ausdrücklich einem Ehepaar des Hauses Davids an! Im MtEv ist dazu keinerlei Rede (auch nicht andeutungsweise) von einer Aufkündigung der Ehe Josefs und Marias, gar im Auftrag Gottes, etwa wegen ihrer (offenkundig absolut unerhörten) Weise ihrer Beteiligung am Heilswerk Gottes. Auch das in 1,24f angedeutete Sich-Verhalten Josefs Maria gegenüber ist bei Kenntnis von Dtn 24 eindeutig klar und widerspricht keineswegs dem Bestand ihrer Ehe. Vgl. zu allem hier Gesagten die Besprechung des Textes Mt 1 insgesamt in den vorausgegangenen Abschnitten.81
4. Abschließende Bemerkungen
Wir hatten uns in diesem Abschnitt „Der theologische Aussagegehalt von Mt 1“ vorgenommen, die vom Evangelisten selbst intendierten und als solche klar und explizit sprechenden Aussage-Inhalte von Mt 1 (nur um die geht es hier) zu erfassen. Die be81 Vgl. zum Ganzen den Exkurs „Das Ehepaar Josef und Maria in der ntl. Bekundung des Heilsge-
schehens“.
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Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
stimmende Frage war und bleibt: Von wem und von was ist gemäß der erkennbaren Intention des Evangelisten selbst unmittelbar die Rede. In den Kommentaren und ihnen folgenden theologischen Abhandlungen finden sich nämlich sehr häufig Feststellungen, die als im Mt-Text explizit ausgesprochen herausgestellt werden, tatsächlich dort aber keine gültige Begründung haben. Sie sind daher als Text-Auslegungen in weiterem Sinne anzusehen. Sie bringen vielleicht sachlich berechtigte Folgerungsaussagen, die im Text implizit Enthaltenes (was als solches auszuweisen wäre) erschließen und entfalten. Sie werden dann explizit Gesagtem beigefügt bzw. eingemischt, dabei jedoch oft als gleichgewichtige, ja sogar als vorrangige und sinnbestimmende Text-Aussagen angesehen und vorgetragen. Damit meinen wir jetzt solche Feststellungen, die Wesentliches des Mt-Textes und seines Aussagegehaltes betreffen, es aber durch diese Beurteilungsweise mißdeuten oder überfordern, ja auch verfälschen. Das sei an einem Beispiel aufgezeigt.82 Das äußerst bedenkliche Verständnis von 1,18 82 Um den Haupttext zu entlasten, sei das Beispiel hier ausführlich vorgestellt. (Einzelbelege für das
jetzt Anzuführende beizubringen, würde den Raum sprengen. Wir verweisen auf die vielen bisher schon zitierten Kommentartexte in den vorherstehenden Anmerkungen, in den Abschnitten I und II, sowie in den Anhängen I und II, wo sich vieles dazu finden läßt.) Viele Kommentatoren sehen es in 1,16 als „ausdrücklich ausgesprochen“ an, daß Josef „nicht der leibliche Vater Jesu“ sei. Diese Feststellung ist typisch für diese Art des Auslegens biblischer Texte: als ausdrücklich ausgesprochen wird bei gegebener Gelegenheit etwas bezeichnet, was nicht der Fall ist, und auch, wie hier, was im Text selbst überhaupt nicht gesagt noch angezielt ist. Es ist in Mt 1 klar erkennbar, daß 1,16 als Endglied, besser noch: als Zielpunkt der von Matthäus in der Absicht seines Evangeliums konzipierten Genealogie eine wirklich eigen-artige Formulierung aufweist, die nicht einmal seinen eigenen Wendungen in 2–15 entspricht. Sie sagt etwas aus, das einer eigenen Erklärung bedarf, die Matthäus ja selbst unmittelbar folgend bringt: 18–25. In 1,16 wird eindeutig und klar von Josef in der Generationenfolge als Sohn des Jakobs gesprochen; er wird dazu als der Mann Marias benannt, „aus der Jesus geboren wurde, der Christus genannt wird“. Das ist eindeutige Rede. Die Spannung, die 1,16 durch diese Weise der Rede aufbaut, ist die Absicht des Autors, der weiß, daß er in 18–25 bisher absolut Unerhörtes und Nie-Erfahrenes zur Sprache bringen muß, aufgrund der ihm vorliegenden Tradition der allerersten Jahwe- und Jesus-Glaubenden, nicht aufgrund menschlicher Einsichten in den Lauf der Geschichte, sondern weil Gott selbst Neues hat geschehen lassen. Diese geschehenen Fakten bringt Matthäus in 18–25 zur Sprache, wie er es für seine Evangelium-Schrift für angemessen hält. In 1,18b wird zu Josef und Maria und deren persönlicher Lebenssituation in positiver Rede angegeben: „Sie waren verehelicht und bevor sie zusammengekommen waren, fand es sich …“. Das ist eine in damaliger Zeit und Umwelt problemlos verstandene Zeitangabe. Diese bezieht sich klar erkennbar auf das in 18c angegebene Faktum: „eu`re,qh – es fand sich …“. Der zweite Teil der Zeit-Bestimmung in 18b, „bevor sie zusammengekommen waren“, könnte, wenn er für sich allein stehend und rein sachlich betrachtet würde, durchaus als „sie waren noch nicht zusammengekommen“ verstanden werden. Doch das gäbe der Aussage in 18b.c eine neue, dazu negative Nuancierung, die der Text so nicht aufweist und auch nicht intendiert. Doch genau das geschieht in vielen Kommentaren. Denn meistens wird 18c zunächst nur in seinem ersten Teil beachtet: „sie hatte im Schoße“, was aber einfach als „sie war schwanger“ gelesen und so „ausgewertet“ wird: Maria, verehelicht und doch noch nicht mit Josef zusammengekommen, wird als schwanger erfunden. Von diesem Verständnis der (verkürzt gelesenen) Aussagen in 18.a. b. c wird dann wie selbstverständlich folgernd das verstanden, was 1,19 ausspricht: Josef schöpft Verdacht auf Ehebruch und will aus Gesetzestreue Maria nach jüdischem Recht verstoßen. Das verhindere
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
(wir haben darauf in den vorigen Abschnitten nachdrücklich hingewiesen) hat dazu geführt, den eigentlichen Aussage-Inhalt von 1,16.18–25 unter die gänzlich verfehlte Überschrift „die Geburt Jesu“ zu stellen.83 Davon ist dort faktisch überhaupt keine Rede (1,25 enthält im Nebensatz nur die Zeitangabe „bis sie (den) Sohn gebar“). Mehr noch: In 1,16.18–25 sei, so das bekannte und oft unbekümmert wiederholte Ergebnis dieser „Auslegung“, im wesentlichen die „jungfräuliche Empfängnis“ wie die „jungfräuliche Geburt Jesu“ verbindlich bekundet, und zwar als Grund- und Hauptaussage des Mt-Textes selbst, so daß im Endergebnis dieses Teilstück von Mt 1 unter dem zum Schlagwort avancierten Ausdruck „Jungfrauengeburt“ nicht nur vorgestellt und interpretiert, ihm vielmehr in vielen Kommentaren sogar ein eigenständiger Exkurs gewidmet wird. Unter diesem, zum Hauptthema von Mt 1 gemachten Stichwort (übrigens nur im Deutschen vorkommend und eher als eine Wort-Mißbildung anzusehen) wird dann seitens der Exegeten die theologische Vereinbarkeit der Aussagen von Mt 1 (und Lk 1) mit den in Gal 4,4, Phil 2 und Joh 1 vorliegenden diskutiert (und oft sogar negiert). Sie ist das entscheidende Thema sogar für dogmatisch-systematische Auseinandersetzungen geworden, so daß dieser Ausdruck theologischen Tagungen
freilich der Auftritt des Engels des Herrn, der ja Josef überhaupt erst über den wahren Sachverhalt aufkläre. Nachdem das durchdiskutiert worden ist, besinnt man sich noch auf das bisher übergangene Teilstück in 18c: „… aus heiligem Geist“. Das wird freilich als Auskunft verstanden, die Matthäus für seine Leser vorzeitig eingefügt habe, was Josef ja erst in 1,20 erführe. Aus dieser (verfehlten) „Einsicht“ in den Text 1,18.20 wird jetzt gefolgert: Wenn Maria zwar „verehelicht, aber eben noch nicht mit Josef zusammengekommen war“, dann war Josef nicht der, durch dessen Zutun (wie die immer wiederverwendete Formulierung lautet) die Schwangerschaft Marias herbeigeführt wurde. Vielmehr sage dieser Kurzsatz „aus heiligem Geist“, daß er, die göttliche Schöpfermacht, das erfüllt hat, was im normal-natürlichen Geschehen der Mann vollführe. Das wird zur Sprache gebracht einerseits mit Formeln wie „vaterlose Empfängnis“, „ohne menschlichen Vater“ u. ä., andererseits mit „jungfräuliche Empfängnis“, „jungfräuliche Geburt“, „unversehrte Jungfräulichkeit“ u. ä. ausgesprochen. Alle diese Formeln werden ausgeweitet zu „vaterlose Geburt“ und „jungfräuliche Geburt“ bis hin zu „Jungfrauengeburt“, mit welchem Wort man dann den Hauptinhalt des ganzen Textes Mt 1 (wie dann auch für Lk 1) meint sachgerecht ins Wort zu bringen. Unter diesem Titel werden umfangreiche Exkurse der Auslegung von Mt 1 angefügt. Diesen zuletzt aufgereihten Formeln und der Frage nach ihrer Berechtigung werden wir uns noch angelegentlich zu widmen haben. Siehe dazu die späteren Kapitel und Abschnitte unserer Untersuchung. 83 Als Überschrift für 1,18–25 wird in den meisten Fällen „Die Geburt Jesu“ gesetzt. Einige Kommentatoren bringen ihren eigenen Vorschlag, so Schmid (Mat) 41: „Das Geheimnis der Geburt Jesu“; Schnackenburg (Mat; NEB): „Die Herkunft Jesu vom Heiligen Geist“ (19); Wiefel (Mat): „Der geistgezeugte Messias“ (30); Frankemölle (Mat): „die ‚himmlische Genealogie‘“ (148). Von der Geburt Jesu ist in 1,18–25 überhaupt keine Rede; in 1,25 steht im Nebensatz nur: „bis er geboren war“ (was 2,1 wiederholt). Warum wird nicht schlicht zur „Überschrift“ das genommen, was Matthäus selbst deutlichst angibt: „Die Herkunft Jesu war so“ (18a), wenn man schon meint, Zwischenüberschriften setzen zu müssen. Einzig fand sich (wieder einmal) die beste Möglichkeit bei Grundmann (Mat) 65: „Seine Herkunft aus Gott“, was auch sachlich sogleich deutlichst das Eigentliche benennt (mit 1,18c.20; ohne deren Mißdeutung, auf die wir aufmerksam machten). Vgl. im übrigen oben S. 2 Anm. 4 und das in Anhang II Zusammengestellte.
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III.
Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
und Büchern zum Titel gegeben worden ist.84 In Anbetracht dieses beispielhaft vorgebrachten Sachverhaltes – es wären noch manche weiteren beizubringen – erscheint es als geraten, die folgenden abschließend-klärenden Bemerkungen klar sprechend vorzubringen; sie sollen Wichtiges vor Augen halten. a)
Wir hatten zu Anfang von Gott als dem Hauptsubjekt in Mt 1 ausführlich gesprochen. Dazu hier noch einige klärende Bemerkungen im Sinne dieses Abschnittes. Eine Angabe von einem Sein oder Wirken o. ä., das ausdrücklich und betont Gott allein zugesprochen wird, findet sich in Mt 1 nicht. Die einzige Aussage, die Gott selbst unmittelbar und allein benennt, mit der Präposition „aus“, aber ohne Zugabe eines Verbums o. ä., ist 18c: „aus heiligem Geist“ (wir haben es als „aus Gott“ zu verstehen erkannt; s. o.), was in 1,20 mit einem Zusatz wiederholt wird: „das/der in ihr Gezeugte ist aus heiligem Geist (aus Gott)“. Wir haben auch erkannt, daß das eine ungewöhnlich offene Formulierung ist, da sie nicht einmal etwas angibt, was als „Wirken“, „Tun“ o. ä. zu lesen wäre. Die Wendung „aus Gott“ sollte auch nicht als Subjekt-Angabe, als Satzgegenstand begriffen werden, weil ja kein Satz vorliegt. Es könnte als mit-angedeutet erscheinen, was aber erwiesen sein müßte. Denn wir sahen, daß „aus Gott“ keinerlei Angabe darüber hergibt, was Gott und wie er es tat/wirkte. Wir sollten auch nicht voreilig an „Wunder“-Wirken Gottes (was nur er allein zu wirken imstande ist) denken, weil diese Kategorie ohnehin wenig klar ist. Eine Formulierung, die ausdrücklich Gott-allein angeben möchte, wäre schon als eine Auslegung weiteren Sinnes einzustufen. Auf diese (durchaus beunruhigende) Offenheit der Formulierung in 18c werden wir später intensiv eingehen; dazu mahnen nämlich einschlägige neutestamentliche Aussagen in ihren Formulierungsweisen.85 Alle anderen Stellen in Mt 1, die Gott zum Hauptsubjekt (in dem hier angegebenen Sinne) haben, beziehen in irgendeiner Weise Geschöpfe mit ein. Das versteht sich wie selbstverständlich, wenn von Gottes Sprechen, Verheißen, Beauftragen u. ä., die Rede ist, das sich ja immer an einen entsprechenden Adressaten wendet, und diesem etwas als Wort Gottes zu verstehen gibt. Das liegt vor in den Fällen, wo Gott Geschöpfe an und in dem beteiligen will, was er 84 Darauf haben wir schon oben hinweisen müssen. Hier nochmals einige eklatante Beispiele: Cam-
penhausen, Die Jungfrauengeburt in der Theologie der alten Kirche 1962); H. J. Brosch u. J. Hasenfuß (Hrsg.), Jungfrauengeburt gestern und heute (!!), 1969; K. Suso Frank, R. Kilian, O. Knoch, G. Lattke, K. Rahner zum Thema Jungfrauengeburt, 1970; so der Buchtitel selbst); R. Pesch, Über das Wunder der Jungfrauengeburt. Ein Schlüssel zum Verstehen, 2002. 85 Weil wir uns hier streng daran halten, den Aussage-Inhalt von Mt 1 zu erheben, ist ein Blick auf Lk 1 jetzt (noch) nicht angebracht, wenngleich beide Texte zusammengeschaut sich in vielem gegenseitig ergänzen. Dieses Zusammenschauen der ntl. Texte zur Herkunft Jesu Christi werden wir nach Besprechung der einzelnen einschlägigen Texte (Mt 1; Lk 1; Gal 4,4; Phil 2; Joh 1) in einem besonderen Abschnitt durchführen und dabei rückwirkend auch die Einzeltexte nochmals besser verstehen.
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
selbst zu wirken beabsichtigt, es aber nur dann vollbringen will, wenn das Geschöpf sich auf sein Wort hin zu empfangen bzw. geschehen lassen öffnet, ihm zustimmt und dann sogar durch sein Mit-Tun (welcher Art auch immer) entspricht. Das sahen wir z. B. in 1,20–23 durch den entscheidenden Einbezug Josefs in das, was Gott persönlich Wirklichkeit werden lassen will, nämlich die Davidssohnschaft dessen, der schlicht „aus Gott ist“, und damit seine eigene Verheißung, die er ja in früherer Zeit versprochen hatte, nämlich gemäß dem Bericht in Jes 7 durch den in seinem Namen sprechenden Propheten, dem er das ja vor seinem Aussprechen, ihn beauftragend, eingeben mußte. Damit wäre schon die spezifische Art des Zusammenwirkens Gottes mit seinem Geschöpf benannt, die für das biblische Prophet-Sein und ProphetWirken charakteristisch ist: Gott, besser jetzt sogar: Jahwe spricht, wenn sein Prophet spricht, selbst – und doch durch den Mund seines genau dazu berufenen Propheten. Dieser wird dazu in seiner konkreten Lebenssituation von Jahwe selbst zum Zu- und Einstimmen in dem angesprochen, was Jahwe zuerst diesem individuellen Menschen kundtun „muß“ und wozu er ihn beauftragt, nämlich Zeichen und Wort Jahwes persönlich zu werden und zu sein. Jahwe „muß“ ihm zuerst zu verstehen geben, daß er und was er wörtlich verkünden (oder androhen) soll, und zwar als das Wort, das eindeutig Jahwe spricht, wenn es der Prophet ausspricht. Jahwe gibt dem Propheten das Vermögen und die Macht, im Wort seines Verkündens seine Hörer auf Glauben hin das zu hören, anzunehmen und zu verstehen zu geben, was Jahwe spricht, so daß, wer des Propheten Wort nicht annimmt, Jahwes Wort nicht annimmt. Matthäus hat diesen ganz eigen-artigen biblischen Sachverhalt formelhaft in seinen Einleitungssätzen für die Prophetenwort-Zitate der Bibel ausgesprochen, die er meint in sein Evangelium wörtlich einbringen zu sollen, weil er das Evangelium Jahwes schreiben will, das „seit dem Anfang“ war und ist, was es ist. Die erste Bibelzitation in diesem Sinne steht in 1,22f mit Jes 7: „Das alles aber ist geschehen, damit erfüllt würde das vom Herrn (Kyrios, Jahwe!) Gesprochene durch den Propheten, der spricht …“. Mit diesen Bemerkungen haben wir ins Bewußtsein gerufen, was für alle Stellen der Bibel gilt, die von den Propheten Jahwes oder den Boten Jahwes (hw"hy> %a;l.m;) oder sonstwie von Jahwe in Anspruch genommenen und beauftragten Menschen (Mose und manche andere) berichten. In ganz bestimmter Hinsicht gilt dies in Mt 1 für Josef, den Jahwe persönlich-namentlich erwählt und darauf anspricht zu vollbringen, was er selbst verwirklichen will, nämlich dem in 1,18c.20.21.25 noch ohne Namen Genannten rechtskräftig die Sohnschaft Davids und den Namen JESUS zu verleihen. Dazu hatte er sich ja selbst verpflichtet in den viel früher ergangenen Verheißungen. Das erinnert auch daran, daß die ganze Geschichte, die in 1,2–17 beispiel- und vorbildhaft angeführt wird, in Wirklichkeit die ist, die Jahwe initiierte durch seinen, ihn selbst bindenden und einbindenden Bund des gemeinschaftlichen Lebens mit seinen Geschöpfen, den er ihnen dazu angeboten, sie dahinein eingeladen hat, und ihn nur in Gemeinsamkeit, nicht in einsamen Entschlüssen und Taten sich ereignen läßt. Diese
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Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
klärenden Bemerkungen zu dem, was wir für Mt 1 mit dem Stichwort „Hauptsubjekt“ für Gott vorgestellt hatten, finden ihre Weiterungen in dem Folgenden. b)
In Bezug auf Jesus Christus erweist es sich als wichtig, folgende Bemerkungen vorzubringen. In 1,1 wird Jesus Christus offenkundig so mit Namen genannt, wie es dem zur Zeit des Matthäus allgemein gewordenen Brauch entspricht (s. Paulus). Doch wie auch sonst im NT, so kennt dieses namentliche Nennen Jesu Christi in Mt 1 auch bezeichnende Unterscheidungen. In 1,1 dürfte es schlicht der übliche Name dessen sein, von dem Matthäus „das Buch der Geschichte“ schreiben will. In 1,16 findet sich das erste Mal eine Differenzierung: „VIhsou/j o` lego,menoj cristo,j – Jesus, der Genannte Christus“. Offensichtlich wird damit dem Jesus dieses „Christus“ zugesprochen, was nie umgekehrt vorkommt, daß Christus als „der Jesus Genannte“ gelten könnte. Der Name „Jesus“ gibt also mehr und noch anderes zu verstehen, als „Christus“ allein sagt (und ist). „Jesus“ so kann man es formulieren, ist der eigentliche, persönliche Name, den Matthäus entsprechend fast nur verwendet und der auch in dem vollen Rufnamen „Jesus von Nazareth“ seinen Niederschlag gefunden hat.86 In 1,21 gibt Jahwe persönlich den Auftrag, dem in 18c.20.21 Genannten, der geboren wird, den (Gott-gewählten!) Namen JESUS zu geben, den Jahwe selbst auch sogleich durch das erklärt, was dieser, wenn er geboren ist, wirken wird. Aus dem, was in 1,1.16.18–25 im einzelnen zu oder über Jesus ausgesagt ist, könnte erwartet werden, daß Matthäus ihn auch deutlich als „Sohn Gottes“ bezeichnen würde (was zugleich eine gewisse Antwort auf die ständige Frage wäre, wer dieser Jesus bei Matthäus überhaupt und in seinem „Wesen“ ist). Doch findet sich in Mt 1 keine derartige Angabe, was beachtet bleiben muß. Erst in 2,15, im dortigen Zitat Hos 11,1, heißt es: „Aus Ägypten rief ich meinen Sohn“, was auf das „Kind“ bezogen ist, dessen Mutter in Mt 2 immer mit-genannt wird, das Jahwe dem Josef anvertraut hatte, also deutlich Jesus meint. In 2,15 ist er somit klar als „Sohn Jahwes“ bezeichnet, wenngleich nicht im ausdrücklichen Bezug auf seine Herkunft. Alle weiteren Stellen, die im MtEv von Jesus als „Sohn“ sprechen, sind mit diesem Wort in 2,15 vor-angezielt.87 Man könnte nun meinen, das in 1,20 gesetzte „to. 86 Vgl. dazu, was wir oben in diesem Abschnittes herausgestellt haben. 87 Nach Mt 21,15 sind folgende Stellen des MtEv zu nennen, in denen wörtlich die Wendung „Sohn
Gottes“ vorkommt oder etwas hier zu Beachtendes ausgesagt ist. Satan spricht Jesus zweimal versucherisch so an: „Bist du der Sohn Gottes, so befiehl … so stürze dich hinab“ (4,3.6). Der Bericht endet so: „Engel kamen herbei und dienten ihm“, was offensichtlich sein Gott-Sein zum Ausdruck bringt. Durch den Satz 10,40: „Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf. Wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat“ ist deutlich gesagt, wer Jesus ist und wie er sich von Gott gesandt weiß. In den ungemein reichen Versen 11,25–30 spricht Jesus deutlichst von seinem Vater und von sich als Sohn, worauf hier nur hingewiesen sei; eine hinreichend Auswertung würde den Raum sprengen. – In 25,34 sagt Jesus dieses Urteil: „Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters! Nehmt das Reich in Besitz …“, womit er klar als Sohn Gottes bezeichnet ist. – Im Garten Getsemani betet
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Abschnitt A:
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ga.r evn auvth/| gennhqe.n evk pneu,mato,j evstin a`gi,ou – das in ihr Gezeugte ist aus heiligem Geist (aus Gott)“ könne doch als „Sohn“ gelesen und verstanden werden. Man sollte aber, wenn es um das in Mt 1 explizit Ausgesagte geht – und das ist hier ja das Thema – die Offenheit der Formulierungen in Mt 1 gelten lassen, zumal genna,w ein viel reicheres Bedeutungsfeld abdeckt.88 Eine weitere Frage, die immer wieder auftaucht, ist es, wer genau mit „Jesus“ genannt ist. In vielen Kommentar-Aussagen wird oft spezifisch vom „Menschen Jesus“ gesprochen und das (so genannte) Mensch-Sein Jesu ausdrücklich ausgesagt behauptet. Dazu ist im Bezug auf Mt 1 dies zu sagen: In Mt 1 gibt es keine Aussagen, die unterscheidende bzw. ausschließende Differenzierungen oder Spezifizierungen in Bezug auf Jesus vorbringen oder andeuten würden. Faktisch wird nämlich in den Kommentaren oft wie selbstverständlich von der „menschlichen Natur“ Jesu, von seiner „irdischen Existenz“ und auch von seinem „Daseinsbeginn als Mensch“ gesprochen. Alle diese irgendwie abgrenzenden Kategorien in der Auslegung der Aussagen in Mt 1 anzuwenden, ist unbegründet und unberechtigt. Die werden von außen an den Text herangetragen und sind kaum als biblisch fundierte Sprechweise anzusehen. Den Namen „Jesus“ zum Beispiel auf den (sog.) „Irdischen“ beschränkt zu verstehen, wird von keiner Aussage in Mt 1 suggeriert. Den Begriff „menschliche Natur“ spezifisch für den (sog.) „irdischen Jesus“ anzusetzen, ist nirgends veranlaßt. Die Formulierungsweise des Matthäus ist, wie wir vielfältig gesehen haben, ungemein offen und trägt einen so reichen Bedeutungsinhalt, daß alle spezifizieren wollenden Begriffe oder Wörter immer zu kurz greifen. Damit soll keineswegs behauptet werden, es sei unmöglich, in dem und neben dem in Mt 1 explizit Ausgesprochenen auch implizit enthaltende Inhalte gültig erheben zu können. Es ist genau umgekehrt: Weil Matthäus so formuliert, wie es sein Text zeigt (und den hat er wohlüberlegt geschrieben!), deswegen sagen die einzelnen Sätze entschieden mehr, als es vordergründiges, übereiltes oder oberflächliches Lesen meint heraushören zu können. Wir werden das am entsprechenden Ort unserer Untersuchung zu besprechen haben. Darauf sei hier hingewiesen. c)
Wir haben schon im Punkt 4 auf das Faktum hinweisen müssen, daß in vielen Kommentaren der Text Mt 1,18–25 in den dort vorgelegten Gliederungen die Überschrift „Die Geburt Jesu“ (zu Unrecht!) trägt, die wesentlichen Aussagen von 1,16.18–25 hingegen unter dem thematischen Titel „Jungfrauengeburt“ besprochen und erklärt, ja meist sogar zusätzlich in einem ausführlichen Exkurs religionsgeschichtlich und Jesus: „Mein Vater, wenn es möglich ist …“ (26,39.42), was ihn deutlich als Sohn Gottes erkennen läßt. An diesen Stellen erscheint es nicht die Aussage zu sein, die dort jeweils das mit „Sohn Gottes“ Angesprochene als das Hauptbekenntnis herausstellen möchte; es ist aber klar ausgesagt. 88 Vgl. dazu das zum Text früher Hervorgehobene und im Anhang I.9 den Exkurs „genna,w“.
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III.
Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
biblisch thematisch entfaltet und diskutiert werden. Dafür gibt das in Mt 1 explizit Ausgesprochene jedoch weder einen Grund noch das Recht. Was die Bildung dieser Wortprägung motiviert hat, sind nämlich Feststellungen zu Inhalten, die als implizit mit-ausgesagt – zu Recht oder nur vermutlich, bleibe hier offen – angesehen werden, die dann in ihrer Zusammenschau mit außerbiblischen und auch nach-biblischen Vorstellungen dazu geführt haben, auf den matthäischen Text überhaupt solche fremden Begriffe und Konzeptionen anzuwenden. Wir haben in den zuvorstehenden Abschnitten schon erkannt und hervorgehoben, was Matthäus tatsächlich ausdrücklich bekundet (und was nicht), und daß er in ungewöhnlich offenen, doch inhaltlich reichen Wendungen das vorträgt, was er meint evangelium-gemäß sagen zu sollen. Ausdrücke wie „jungfräuliche Empfängnis“, „jungfräuliche Geburt“, „Jungfräulichkeit“ u. ä. kommen bei ihm überhaupt nicht vor, auch nicht andeutungsweise. Nur einmal begegnet das Wort „Jungfrau“, nämlich in 1,23 im Jes-Zitat 7,14 LXX. Es besteht bekanntlich (noch) keine endgültige Klarheit darüber, was im hebräischen Text damit genau angesagt ist. Das gilt um so weniger für die LXX-Versionen, die ja selbst unentschieden bleiben. Bei Matthäus steht die LXX-Variante „parqe,noj“. Doch das rechtfertigt keineswegs, von daher in unseren heutigen Sprachen zur Angabe bestimmter Aussagen in 1,16.18–25 das von ihm abgeleitete Adjektiv „jungfräulich“ einzubringen, um damit den eigentlichen Aussage-Inhalt des matthäischen Textes mit ihm gültig zur Sprache zu bringen. Es überfordert den Text, aus ihm die bekannte logische (wie man meint) Folgerung zu ziehen: Matthäus will, wie schon der Jes-Text es tut (tut er das nachweislich?), ausdrücklich und betont sagen, jene „parqe,noj“ und folglich Maria habe ihr Kind „jungfräulich empfangen“ und auch „jungfräulich geboren“. Man mag meinen, das erschließen zu dürfen, ja zu müssen. Doch auch damit wäre mit-gesagt, daß der Text selbst es erkennbarerweise explizit so nicht sagt. Schaut man auf den in den Kommentaren eingesetzten Überlegungsgang, der für die Aussagen in 1,16 und dann in 1,18.23.25 zur Verwendung von „jungfräulich“ geführt hat, dann zeigt sich dies: Wegen der tatsächlich eigen-artigen Formulierung von 1,16 (wir haben sie besprochen) wird gefolgert, daß Josef nicht der leibliche Vater Jesu ist, Jesus also, wie es oft formuliert wird, „ohne Zutun eines menschlichen Vaters empfangen“ ist. Maria hingegen sei, weil sie Jesus geboren hat, seine leibliche Mutter, die ihn, weil ohne Zutun eines Mannes, „jungfräulich empfangen“ habe. Vom verneinten Faktum wird die Tatsache der Eigenart des Empfangens bestimmt! Ist das aber vertretbar und wird man so dem Text wirklich gerecht? Wir weisen hier auf die untragbare Fragwürdigkeit derartiger Bestimmungsversuche hin, die man selbst heraufbeschwört, indem man die schlichten, positiv-affirmativen Aussagen des Textes meint durch negative Abgrenzungen ausdeuten und klären zu müssen.89 Dasselbe Problem handelt man 89 Es soll nicht abgestritten werden, daß für die Feststellung bestimmter Tatsachen neben und nach
der Angabe ihrer faktischen Gründe, auch negative Abgrenzungen gegen nichtgegebene, sondern vielleicht vermutete Ursachen o. ä. klärend, ja auch verdeutlichend eingesetzt werden können.
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Abschnitt A:
Mt 1 — Der Text, seine Übersetzung und die theologische Erfassung seiner Aussagen
sich ein, wenn man, wie es oft geschieht, 1,18b voreingenommen liest und ausdeutet. Von Josef und Maria wird dort eindeutig und wegen des dort angesprochenen Sachverhaltes auch betont ihre momentane Lebenssituation herausgestellt, mittels genauer Zeitangabe: „als sie verehelicht waren und bevor sie zusammengekommen waren, fand sich …“. Wenn man das ohne weiteres negativ gewendet liest: „sie waren noch nicht zusammengekommen“ oder „sie hatten das gemeinsame Eheleben noch nicht begonnen“, und daraus dann nur dieses eine schlußfolgert: „also ist Josef nicht der leibliche Vater Jesu“ und zugleich „also hat Maria jungfräulich empfangen“, dann müßte man doch wegen der dabei angewendeten Logik eigentlich schließen: Beide waren und sind (noch) jungfräulich, jedenfalls in Bezug auf das „im Schoße haben“ Marias (1,18c). Das wird freilich nie so behauptet (warum eigentlich nicht?).90 Dasselbe fragwürdige „Verstehen“ der besprochenen Verse wird auch sogleich auf 1,19 angewendet. Da Maria in der angegebenen Zeit als „schwanger“ gefunden wurde, mußte ihre Schwangerschaft von einem anderen (unbenannt bleibenden) Mann herrühren, da Josef ja zuvor ausdrücklich ausgeschlossen war (1,16.18b). Deswegen verdächtigt Josef, so wird in dieser Voreingenommenheit 1,19 gelesen, Maria rechtens des Ehebruchs und erwägt, was für ihn zu tun sei. Auch das wird in den Text hineingelesen, der etwas ganz anderes in positiver Rede sagt. Gleichzeitig wird aber für Maria selbst wieder auf „jungfräuliche Empfängnis“ geschlossen.91 Das findet dann vermeintlich in 1,25 seine Bestätigung. Matthäus, so heißt es, habe diesen Text so formuliert, um nicht nur die „jungfräuliche Empfängnis“ Marias, sondern auch die „jungfräuliche Geburt Jesu“ aus ihr herauszustellen: „er erkannte sie nicht, bis sie gebar“. Bei der hier angewendeten Logik müßte man doch eigentlich folgern, daß von beiden, Maria und Josef die bleibende „Jungfräulichkeit“ gelte, was wieder nie geschieht. Aus all dem hier Besprochenen verstehen wir die verfehlte Erfindung des Unwortes „Jungfrauengeburt Jesu“, das den Haupt-Inhalt von Mt 1 sachlich gültig ansage. Daß der gesamte Text Mt 1, wie wir gesehen haben, Gott, Jahwe, als Hauptsubjekt nicht nur des formulierten Textes, sondern zuerst und grundlegend des bekundeten Geschehens ist, wird schlicht übersehen und bleibt unausgewertet. Darüber haben wir klare Feststellungen machen können, indem wir den Text selbst, und zunächst in seinen explizit ausformulierten Faktenangaben sprechen ließen. Wir werden auf die Probleme, auf die wir hier eindringlich aufmerksam gemacht haben, in einem späteren wichtigen Doch etwas sachlich bestimmen nur mittels Negierungen und ohne realgegebene und begriffene Angaben, ist unsinnig und wertlos. Wir werden das gerade in Bezug auf das, was man mit „Jungfrauengeburt“ glaubt sachlich richtig angeben zu können, im folgenden noch eingehend verfolgen. 90 In dieser Frage zeigt sich deutlich, daß faktisch viel später aufgekommene Fragestellungen an den früher geschriebenen Text herangetragen werden. Das ist für die eigentümliche Energie der Forschung, die man der Behauptung der „Jungfrauengeburt“ widmet, charakteristisch. Auch dem werden wir uns zuzuwenden haben. 91 Vgl. dazu, was wir oben im Abschnitt zur rechten Übersetzung und in dem zur theologischen Erfassung der Aussagen in Mt ausführlich dargelegt haben.
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III.
Kernpunkte des Aussage-Inhaltes von Mt 1
Abschnitt, dort sogleich für Mt 1 und Lk 1 zusammen, zu sprechen kommen müssen. Erst dadurch können wir zu entsprechend ausgewogenen Aussagen gelangen.92
92 Hier sei auf diesen noch folgenden Abschnitt hingewiesen, wo wir alle wichtigen ntl. Texte zur
Herkunft Jesu Christi zusammenzuschauen versuchen werden. S. d.
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Abschnitt B Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
I. Zur textentsprechenden und sachgerechten Übersetzung Anders als es für Mt 1 erachtet wurde, besteht keine Notwendigkeit, den ganzen Text Lk 1–2 Vers für Vers auf den Fragepunkt dieses Abschnittes hin durchzugehen. Daher betrachten wir jetzt nur die Stellen, wo eine eklatant inkorrekte oder schlicht falsche Übersetzung vorliegt. Wir bleiben auch hier dem Grundgebot treu, bei jedem einzeln zu besprechenden Text stets auf das Ganze des LkEv wie des jeweiligen unmittelbaren Kontextes zu achten, da isoliert betrachtete und ausgedeutete Stellen bekanntlich einseitig, wenn nicht sogar falsch verstanden werden.
1. Lk 1,11
Der Text lautet: w;fqh de. auvtw/| a;ggeloj kuri,ou e`stw.j evk dexiw/n tou/ qusiasthri,ou tou/ qumia,matoj – Es erschien ihm aber (der) Bote (des) Herrn stehend zur Rechten des Rauchopferaltares. Wie schon zu Mt 1,20 näher erklärt wurde, so ist Wert auf die rechte Übersetzung von a;ggeloj mit „Bote, Gesandter“ zu legen, da im Deutschen das Wort „Engel“ faktisch zu massiven Mißdeutungen anleitet.1 Daß auch hier in Lk 1,11 sowohl a;ggeloj wie ku,rioj ohne Artikel stehen, sollte nicht übersehen werden, wie auch schon für Mt 1,20 und andere Stellen näher begründet wurde.2 Schürmann gibt den Vers 1,11, der absolut klar spricht, auf diese eigenartige Weise wieder: „Es erschien ihm aber ein Engel des Herrn – der stand zur Rechten des Rauchopferaltares“, ihn also durch einen trennenden Bindestrich zerreißt, ohne daß man dazu Gründe erkennt. Wir erinnern uns da an Mt 1,18c, womit oft Ähnliches geschieht und, wie wir gesehen haben, zu gänzlich unberechtigten Auslegungen des Textes führt.3 Bezüglich der 1 2
3
Vgl. dazu, was in der Besprechung von Mt 1 schon näher ausgeführt und begründet wurde. Siehe dazu die Erklärungen im entsprechenden Abschnitt zu Mt 1. Hier sei zusätzlich auch auf 1,26.38 hingewiesen, wo zweimal o` a;ggeloj erscheint. In 1,26 avpesta,lh o` a;ggeloj Gabrih.l avpo. tou/ qeou/; 1,38: kai. avph/lqen avpV auvth/j o` a;ggeloj. Vgl. die Ausführungen oben zu Mt 1,18c, die dort Essentielles herausstellen, während es hier in 1,11 keine wichtige Bedeutung hat; es soll aber doch für große Aufmerksamkeit der Text-Leser geworben sein.
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I.
Zur textentsprechenden und sachgerechten Übersetzung
Artikellosigkeit von a;ggeloj wie kuri,ou ist auch auf Lk 1,16 hinzuweisen. Dieser Text sagt wörtlich: evpistre,yei evpi. ku,rion to.n qeo.n auvtw/n – „Er wird sie hinwenden auf den Herrn ihren Gott“. Ku,rioj ohne Artikel meint in diesem wie ähnlichen Kontexten Jahwe, auch im NT. Es ist eine Formulierung, die im AT häufigst vorkommt, wie „Jahwe ist euer (oder dein) Gott“. Da ist Jahwe der eigentliche Name, während „Gott“ ihn bezeichnet mit dem, was er tut: Jahwe allein ist Gott-der-Retter. Durch die LXX wurde Jahwe meistens mit Kyrios ersetzt, niemals übersetzt. In 1,16 fällt die Artikelsetzung auf, da es ja wörtlich heißt: „zum Herrn, dem ihren Gott“, recht gut wiederzugeben mit „zu Jahwe, ihrem Gott“, da im Deutschen der Artikel im deklinierten Pronomen erkennbar erhalten ist.
2. Lk 1,27
Der Text lautet: pro.j parqe,non evmnhsteume,nhn avndri. w-| o;noma VIwsh.f evx oi;kou Daui.d kai. to. o;noma th/j parqe,nou Maria,m – (gesandt) zu(r) Jungfrau (die) verehelicht mit (dem) Mann, dessen Name (war) Josef aus (dem) Hause David, und der Name der Jungfrau (war) Maria. Was die rechte Übersetzung angeht, so ist zunächst auf die gängige, jedoch verfehlte Wiedergabe von evmnhsteume,nhn mit „verlobt“ hinzuweisen. Wir haben im Abschnitt zu Mt 1 schon darauf aufmerksam machen müssen, daß diese Wiedergabe des griechischen Wortes im NT allein schon dadurch als inkorrekt, ja als die Sache verfälschend erwiesen ist, weil es sowohl im israelitisch-jüdischen wie übrigens auch im hellenistischen Raum so etwas überhaupt nicht gab, was „Verlobung“ genannt wird.4 Auch der Text Lk 1–2 nennt Josef schlicht avnh,r – (Ehe)Mann Marias, was ja unmittelbar mit-bedeutet, daß Maria gunh, – (Ehe)Frau des Josef ist. Es ist daher richtig, wenn z. B. Schürmann evmnhsteume,nh in 2,5 mit „Frau“ übersetzt.5 Was dies alles für das rechte Verständnis von Lk 1 bedeutet, werden wir im folgenden Abschnitt zur theologischen Erfassung sehen.
3. Lk 1,34
Dieser Vers hat bei Exegeten, Theologen und vor allem Mariologen viele Fragen und entsprechende Antwortversuche ausgelöst; er wird meist sogar mit einer zum Schlagwort gewordenen Formel bezeichnet, die als Überschrift zahlreicher wis4 5
Siehe dazu die Ausführungen im entsprechenden Abschnitt oben. Außerdem sei auch hier nochmals auf den Exkurs zum jüdischen Ehe- und Familienrecht aufmerksam gemacht. Vgl. Schürmann, Lk-Kommentar, zu 2,5: Frau: S. 98.
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Abschnitt B:
Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
senschaftlicher Arbeiten dient: Die Marienfrage. In der gesamten Diskussion wird gänzlich unbeachtet belassen, daß es ein lukanischer Text ist (wie alle anderen natürlich auch), der in 1,34 steht, und keineswegs ein historisch verbürgtes Zitat einer wörtlich so gestellten Frage seitens Maria, deren Wortlaut unmittelbar die damals tatsächlich vom Boten wie von Maria gesprochenen Sätze wiederholt, die folglich auch die situationsgebundene Erlebnisstimmung Marias offen an den Tag legt. Für alle anderen Worte der sprechenden Personen im LkEv wird das selbstverständlich nie beansprucht. Für 1,34 wird dagegen jeder einzelne Sprachausdruck wörtlichst auf seinen namentlich-persönlichen Aussage-Inhalt wie geistig-seelischen Hintergrund abgehorcht, mit weitreichenden Erkenntnissen, die man meint aus ihnen für den verbindlichen christlich-kirchlichen Glauben gewinnen zu können, ja zu müssen. Dabei ist über Jahrhunderte hin jedenfalls in deutschsprachiger Exegese wie Theologie unbemerkt geblieben, daß der griechische (wie Vulgata-lateinische) Text 1,34 eine falsche Übersetzung erfahren hat, die unbesonnen immer weiter und weiter verwendet wird. Bei Lukas jedenfalls heißt es: ei=pen de. Maria.m pro.j to.n a;ggelon\ pw/j e;stai tou/to( evpei. a;ndra ouv ginw,skw. Diese absolut unproblematische Formulierung (des LkEv!) sagt daher im Deutschen schlicht dies: „Es sprach aber Maria zum Boten: Wie wird das geschehen, weil ich (den, besser noch: meinen) Mann nicht erkenne“. Die gerügte Übersetzung sagt es so: „… weil ich keinen Mann erkenne“. Wenn von Lukas wirklich „keinen Mann“ zu sagen beabsichtigt gewesen wäre, dann hätte er sicher anders formuliert, nämlich mit „ouvdei,j“, was aber das „ouv“ in 1,34 niemals hergibt oder auch nur andeutet.6 Der Fragesatz Marias im Lk-Text (!) versteht sich ohne alle Schwierigkeit oder Rätselhaftigkeit, wenn man das in 1,26–38 Gesagte im Gesamtzusammenhang von Lk 1–2 wirklich beachtet und bleibend gelten läßt. Das bewegt uns zu unserer etwas paraphrasierenden Übersetzung: „weil ich meinen Mann noch nicht erkenne“. Rein sprachlich betrachtet, ist die (erklärende) Beifügung von „noch“ berechtigt, weil es zahlreiche Beispiele dafür in anderen, aber ähnlichen Texten gibt.7 Wenn beachtet wird und bleibt, daß Maria im Text wie selbstverständlich zum Boten 6
7
Es seien einige ähnlich gelagerte Fälle auf geführt, die ouvdei,j verwenden. Lk 4,24: avmh.n le,gw u`mi/n o[ti ouvdei.j profh,thj dekto,j evstin evn th/| patri,di auvtou; Lk 16,13: Ouvdei.j oivke,thj du,natai dusi. kuri,oij douleu,ein; 1 Kor 8,4: kai. o[ti ouvdei.j qeo.j eiv mh. ei-j. – ouvdei,j mit Genitivus partitivus: Mk 11,2: evfV o]n ouvdei.j ou;pw avnqrw,pwn evka,qisen“; Lk 14,24: le,gw ga.r u`mi/n o[ti ouvdei.j tw/n avndrw/n evkei,nwn tw/n keklhme,nwn geu,setai, mou tou/ dei,pnou; Joh 13,28: tou/to Îde.Ð ouvdei.j e;gnw tw/n avnakeime,nwn pro.j ti, ei=pen auvtw/|; Apg 5,13: tw/n de. loipw/n ouvdei.j evto,lma kolla/sqai auvtoi/j; 27,34 u. a. – ouvdei,j mit evk: Lk 1,61: kai. ei=pan pro.j auvth.n o[ti ouvdei,j evstin evk th/j suggenei,aj sou o]j kalei/tai tw/| ovno,mati tou,tw|; Joh 7,19: kai. ouvdei.j evx u`mw/n poiei/ to.n no,mon; Joh 16,5; Mt 11,27: kai. ouvdei.j evpiginw,skei to.n ui`o.n …“; u. a. – Für ouvdei,j im Sinne von „niemand: Mt 6,24; 9,16; Mk 2,21f; 5,4; 7,24; Lk 5,36f.39; Joh 1,18; 1 Kor 2,11; 3,11 u. a. – Für ouvdemi,a: Joh 16,29; 18,38; Apg 25,18; 27,22; Phil 4,15 u. a. – Für ouvde,n: Joh 10,41; 15,24. Es sei auf zwei Arbeiten hingewiesen, die das genügend offendecken: J. B. Bauer, Monstra te esse matrem, Virgo singularis! Zur Diskussion um Lk 1,34, MüThZ 9 (1958) 124–135; ders., Bib 45 (1964) 535–540: Philologische Bemerkungen zu Lk 1,34.
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I.
Zur textentsprechenden und sachgerechten Übersetzung
von ihrem Mann spricht, und wenn man „ouv“ und „ouvdei,j“ nicht verwechselt oder gar vertauscht, dann liegt in 1,34 eine eindeutig klare Sprachwendung vor – und viele selbsterfundene Probleme melden sich erst gar nicht. Die weitere, ausführliche theologische Einsichtnahme wird das hier Gesagte weiter erklären, worauf hingewiesen sei.
4. Lk 1,35
Dieser Vers ist die erklärende Auskunft des Boten auf die Frage Marias, die bekanntlich vom hebräischen parallelismus membrorum geprägt ist, was für das Verständnis der Aussage bedeutsam ist; beide Glieder entsprechen sich auch dem ausgesprochenen Inhalt nach. Es wird artikelloses pneu/ma a[gion mit gleichfalls artikellosem du,namij u`yi,stou formuliert. Es zeigt sich angeraten, dies auch in der Übersetzung sichtbar zu halten. Im Deutschen ist das auch gut möglich, in dem bekanntlich artikellos gesetzte Substantive o. ä. in einem Satz nicht verwendet werden können: „Heiliger Geist wird über dich kommen und des Höchsten Macht wird dich überschatten“. Zur Bedeutung für die theologische Erfassung dieser Ansage s. weiter unten.
5. Lk 2,9
Hier steht artikelloses a;ggeloj kuri,ou. Das oben zu 1,11 Gesagte gilt auch hier, was bestätigt wird durch das sogleich folgende do,xa kuri,ou. So auch 2,13, wo es bemerkenswert so formuliert erscheint: kai. evxai,fnhj evge,neto su.n tw/| avgge,lw| plh/qoj stratia/j ouvrani,ou aivnou,ntwn to.n qeo.n kai. lego,ntwn\ do,xa evn u`yi,stoij qew/| kai. … Hier steht a;ggeloj mit Artikel, wie auch qeo,j, an den sich der Preis richtet, an dessen Anfang sich qeo,j wieder artikellos findet. In 2, 15 heißt es wieder: oi` a;ggeloi, und ebenso empfängt hier qeo,j den Artikel. In 2,20 schließlich nochmals: aivnou/ntej to.n qeo,n. Wir bemerken, daß wir der Setzung wie Nichtsetzung des Artikels im ntl. Griechisch nicht ohne genaues Zuschauen sogleich eine theologische Bedeutung zusprechen dürfen. Auch dazu wurde oben Entscheidendes gesagt.
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Abschnitt B:
Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
II. Zur theologischen Erfassung von Lk 1–2 1. Zur Absicht dieses Abschnittes
Es sei hier ausdrücklich auf das aufmerksam gemacht, was wir dazu oben zum Abschnitt „Zur theologischen Erfassung von Mt 1“ näher ausgeführt haben. Das gilt auch hier und wird nachdrücklich zur Kenntnisnahme empfohlen, weil es uns für das rechte Verständnis der Aussagen auch des Lukas entscheidend erscheint. Wir werden hier jedoch nicht den gesamten Text Lk 1–2 theologisch zu erfassen suchen, sondern wegen der besonderen Eigenart des lukanischen Evangeliums nur die für unser Hauptthema wichtigen Passagen bzw. Verse näher einsehen. Da wir nach der Herkunft Jesu Christi im Zeugnis der Heiligen Schrift und ihrer dortigen sprachlichen Bekundung Ausschau halten, genügt es, die Aussage-Stellen jetzt näher zu betrachten, die selbst genau das als Thema zeigen. Wir gehen deswegen hier auf exegetische o. ä. Fragestellungen bzw. Erkenntnisse nicht ein, betrachten daher den Text selbst, diesen freilich auch in seiner theologisch-exegetischen Erschlossenheit. Auch auf das im Abschnitt zur rechten Übersetzung Gesagte müssen wir jetzt nicht mehr eingehen.
2. Lk 1,1– 4
Lukas gibt seinem Werk, später als Evangelium bezeichnet, ein Vorwort, durch das er seine Absicht bekundet, dieses zu schreiben. Die Form und die Sprache dieses Vorwortes richtet sich an griechischen Schriftstellern aus, hat jedoch auch seine Eigenheit, sogar im Vergleich mit den anderen Evangelien, die es zu beachten gilt, wenn man das ganze Werk verstehen will. Es ist ein „äußerst prägnantes Prooemium“ und „enthält geradezu die lukanische Theologie in nuce“, wie Schürmann es benennt.8 Wir halten uns vor Augen, was Lukas ganz offenkundig als seine literarische Absicht und seine Zielsetzung betont erklärt. Er will, was zuvor schon andere taten, eine Erzählung (dih,ghsij) verfassen von den Ereignissen (pra,gmata), „die unter uns zur Erfüllung gebracht worden sind, wie sie uns die überliefert haben, die Augenzeugen von 8
Schürmann, Lukas-Kommentar 1. Der volle Text lautet: „Luk stellt seiner Schrift ein äußerst prägnantes Prooemium voran. Trotz aller Konventionalität läßt dieses erkennen, wie sehr der Verfasser sich Gedanken gemacht hat über die ihm zugewachsene Aufgabe und deren Durchführung. Enthält es doch ‚geradezu die lukanische Theologie in nuce‘“ (1; Zitat aus Klein, Lukas 1,1–4 als theologisches Programm 214).
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II.
Zur theologischen Erfassung von Lk 1–2
Anfang und Diener des Wortes (logos) gewesen sind“ (1,1–2). Mit seiner Schrift will er seinen Adressaten Theophilos (und in ihm wohl alle angesprochenen Hörer und Leser) „von der Zuverlässigkeit der Worte (lo,goi) überzeugen, über die er unterwiesen (kathch,qhj) worden ist“. In diesen Sätzen ist eine Reihe von sehr bezeichnenden Angaben enthalten. So meint „Erzählung (dih,ghsij)“ eine Darstellung oder einen Bericht von Geschehnissen, ohne daß damit an das gedacht wäre, was wir heute, zumal in wissenschaftlicher Betrachtung, in Bezug auf historisch Geschehenes und als solches Verifizierbares so nennen. Der Ausdruck ist hier entschieden weiter gefaßt, was folglich auch für das gilt, was dieser „Bericht“ des Lukas enthalten soll. Er will nämlich jene „Ereignisse“ zu Wort bringen, „die unter uns zur Erfüllung gebracht worden sind“, und zwar „wie sie uns die überliefert haben, die Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind“. Das ist eine nicht zu übersehende Charakterisierung dessen, was Lukas hier „Bericht“ nennt, und damit auch für das, was dieser enthalten soll. Wir brauchen hier nicht auf die vielfältigen Erklärungsversuche dieser äußerst kurz formulierten Bestimmungen näher einzugehen, wir stellen vielmehr heraus, was tatsächlich, wenn auch aufs kürzeste, damit angesagt ist. Die Wendung „Ereignisse, die unter uns in Erfüllung gebracht worden sind“, ist theologisches Passiv (Schürmann fügt „von Gott“ in den Text ein). Damit, so können und müssen wir es sehen, ist wie selbstverständlich gesagt, daß Gott „unter uns“ so präsent und tätig war (und ist), daß davon als von erlebten, erfahrenen und daher auch aussprechbaren und erzählend mitteilbaren Geschehnissen die Rede sein kann, ja sein muß. Das ist in der unübersehbaren Zusammenfügung von „Ereignissen, die Augenzeugen hatten und die diese in den Dienst des Verkündigens eingesetzt haben“ klar ausgesagt. Das griechische Wort lo,goj ist daher sowohl für die „Ereignisse“ selbst (auch als pra,gmata bezeichnet: 1,1) wie für die Bekundungsrede (lo,goj: 1,2; in 1,4 im Plural) gesetzt und greift somit die Sachbedeutung des hebräischen rb'D' auf, das genau diese Bedeutungsfülle zeigt. Damit ist mit-behauptet, ja es ist sogar als lebendig bewußte und gewußte, und nicht erst zu begründende Überzeugung vorausgesetzt, daß Gott überhaupt „unter uns“, also mitten in unserem, der Menschen Leben und in der Welt Da-Seiender „vorkommt“ und erfahrbar/mitteilbar wirkt. Dieses „Wirken“ kann vielfältigst als von anderem Unterscheidbares, ja sogar als „Neues, bisher noch nie Erlebtes“ angesagt werden. Diese Feststellung ist ein Rufzeichen für alle, die das Wort – dies jetzt in seiner Ganzen biblischen Bedeutungsfülle gemeint – der Bibel (auch) nach historischen, literarkritischen und sonstigen (selbst-bestimmten) Gesetzen und Methoden einzusehen trachten. Lukas gibt den pra,gmata wie den ihnen entsprechenden lo,goi noch eine weitere Kennzeichnung, die aufmerken läßt: die pra,gmata in 1,1 werden von Lukas „Erfüllung(sgeschehen)“ genannt. Sie stehen als erfahren und mitteilbar/verkündbar in einem viel größeren Lebensbereich als dem, der mit „unter uns“, dieser zunächst nur als die lebende Generation verstanden, angegeben ist. Wir dürfen und müssen dieses sagen: Die gemeinten „Ereignisse“ sind geschehen innerhalb einer „Geschich131
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Abschnitt B:
Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
te“, die einen Anfang im Unvordenklichen, einen „Verlauf “ (keinen mechanisch funktionierenden Ablauf!) und ein „Wohinaus“ kennt. „Künftiges“ ist in manchem vielleicht erahnbar, aber von „uns“ im Heute nicht oder noch nicht einsehbar, verstehbar und folglich sachlich gültig bekundbar oder gar berechenbar. Dieses Künftige ist für uns heute noch ganz offen; es kann in geschenkter Hoffnung (die selbst ja immer irgendwie ein eigenartig sicheres Wissen verleiht) erwartet werden (wozu es eines freien Entschlusses bedarf, dieses Hoffen wirklich zu tun). Es wird aber oft auch als bedrückend „dunkel“ empfunden. Es ist Lebenserfahrung, daß wir uns von alle dem, wenngleich nur als Offen-Zukünftiges gewußt, real beeindruckt fühlen, da es unsere persönliche „Lebensstimmung“ im Heute wesentlich mit-bestimmt.9 Damit ist unverkennbar der Rahmen angesprochen, den die Bibel insgesamt immer mitvoraussetzt, wenn sie von „Geschichte“ handelt, eben auch als Lebensauftrag heute. Wir setzen in diesen Sätzen bewußt viele Ausdrücke in Anführungszeichen, nicht um vage Ungeklärtheiten zu signalisieren, sondern um einerseits auf ihr Gegründetsein im biblischen Text aufmerksam zu machen, zugleich aber auch auf das sicher eigenartige Faktum, daß wir genau „wissen“, was wir im menschlichen (Miteinander)Leben mit „Hoffnung“, mit „Ungewißheit aller Zukunft“ u. ä. ansprechen, im wirklich erfahrenen und anerkannten Nicht-Wissen, wie wir das alles dann „rechtfertigen“ könnten, wenn wir, mit Recht oder auch unberechtigt, nach „Erklärung“ dessen gefragt würden, wovon wir da eigentlich reden. Dem bisher Herausgestellten ist noch ein Weiteres anzufügen, das in 1,1 genannt ist und gründliche Beachtung finden muß. Es ist in dem theologischen Passiv mitangesprochen, das ja Gott selbst als den aktiven Grund für das benennt, was bekundet wird. Auch Schürmann weist darauf mit Nachruck hin, wenngleich sich zeigt, daß er es in seinen weiteren Aussagen nicht durchhält. Es heißt bei ihm: „Anders als Apg 2,11 (megalei/a tou/ qeou/) verhüllt hier Luk passivisch das Agieren Gottes. Gottes Handeln im Christusereignis sichtbar zu machen ist ihm ein wichtiges Anliegen, das seine Darstellung Seite für Seite charakterisiert“ (4f). Das „verhüllt“ in diesem Satz, 9
Wir möchten dabei hier bewußt nicht von „Eschatologischem“ (im heute exegetisch meist gebrauchten Verständnis), als gewußt End-Gültigem sprechen, das real „Schlußpunkt“, Stillstand o. ä. wäre, weil uns die Bibel sogar für den Letzt-Zeitpunkt (meist „Jüngster Tag“ oder „Tag des Herrn“ genannt) der voll-brachten Verheißung ankündigt, daß er zugleich der (Neu)Anfangspunkt für das Leben (auch „Geschichte“?) ist, da Gott der sein wird, der nach 1 Kor 15,28 dann (erst) „alles in allem“ ist, wobei Gott selbst sicher bleibend „wahrer Gott und das ewig-währende Leben“ (1 Joh 5,20) ist, jedoch „erst ab jenem (erst noch kommenden) Tag“, da sich der am Kreuz für uns gestorbene und von eben diesem Gott auferweckte Sohn Jesus Christus sich ihm, dem Vater, unterworfen haben wird (1 Kor 15,28 im dortigen Kontext). Das ist auch eine Anmerkung dazu, wie schnell wir schon dem (sog.) Christusereignis eschatologische Qualität und Bedeutung zusprechen, gar von „präsentischer Eschatologie“ reden. Es hat, ja, End-gültiges bewirkt, aber eben doch indem es wieder „Neuschöpfung“ o. ä. meint, die immer noch auf das „absolut Endgültige“ hin eröffnet ist. Wir bewegen uns hier in einer bezeichnenden Vagheit unseres „Wissens“ und seiner gültigen Auswortung, die wir deutlich erkennen, aber deswegen auch als solche werten müssen. Vgl. dazu nur, was im Artikel „Tag des Herrn“ im LThK 9 (2000) 1228–1230 gesagt wird.
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II.
Zur theologischen Erfassung von Lk 1–2
im Blick auf das theologische Passiv gemeint, ist genau so verfehlt (in der Bibel ist es gerade offenes, wenngleich ehrfürchtig zurückhaltendes Sprechen von Gott!) wie die schon hier wie selbstverständlich gesetzte Begrenzung auf das (sog.) Christusgeschehen, in dem Gott „handelt“. Das wird noch deutlicher in dem etwas später vorkommenden Satz zum Gebrauch von plhroforei/n: „(es) ist hier doppeldeutig gebraucht; es meint zunächst wie plhrou/n die ‚Vollendung‘, speziell die zeitlicher Gegebenheiten. ‚Zum Abschluß gekommen‘ sind die christologischen Heilsereignisse aber für Lukas in der Auferstehung und Erhöhung Jesu … ‚Erfüllungscharakter‘ jener Geschehnisse, … die selbst – als ntl. Ereignisse und Feste – im Licht der Verheißung stehen, werden – weil anfänglich erfüllt – zu Verheißungen der Vollerfüllung …“ (5). Auffällig ist wieder, daß von „christologischen Heilsereignissen“ gesprochen wird, obwohl doch von Gottes Wirken in Verheißung und jetzt in deren Erfüllung die Rede ist. So formuliert es Schürmann auch einen Satz später selbst: „Als ‚erfüllte‘ Ereignisse … behalten diese Gott-gewirkten Ereignisse ihre dann eschatologische Gegenwärtigkeit en hemin“ (5).10 Hier zeigt sich die eigenartige Blickverengung auf „Christologisches“ im Erklären dessen, was doch zuvor immer als Gottes Heilswirken und folglich Da-Sein Gottes (Jahwe!) in der Welt (nicht nur in der Schar der Glaubenden) angesprochen wurde. Alle Stellen, die das „Christusereignis“ erzählen bzw. künden, sind rechtens als Gottes-Ereignisse anzusprechen, das um so mehr, als ja auch schon die faktisch 10 Wir bringen hier einige der Passagen aus Schürmanns Einleitungstext ganz: „Das von ihm sonst
nicht gebrauchte Verbum plhroforei/n ist hier doppeldeutig gebraucht; es meint zunächst wie plhrou/n die ‚Vollendung‘, speziell die zeitlicher Gegebenheiten. ‚Zum Abschluß gekommen‘ sind die christologischen Heilsereignisse aber für Lukas in der Auferstehung und Erhöhung Jesu, die ja auch bevorzugt Objekt des apostolischen marturei/n zu sein haben, wobei freilich – vgl. Apg 1,21f; 10,39 wie hier – das Zeugnis vom Erdenleben Jesu eingeschlossen sein muß. Gleichzeitig will Luk aber auch wohl den ‚Erfüllungscharakter‘ jener Geschehnisse zum Ausdruck bringen, der ja in besonderer Weise in dem glorreichen ‚Abschluß‘ – der Auferweckung und Erhöhung des Gekreuzigten – manifest wird, Geschehnisse, die selbst – als ntl. Ereignisse oder Feste – im Licht der Verheißung stehen, werden – weil anfänglich erfüllt – zu Verheißungen der Vollerfüllung. … Als ‚erfüllte‘ Ereignisse der h`me,rai auvtai, (Apg 3,24) behalten diese gottgewirkten Ereignisse ihre dann eschatologische Gegenwärtigkeit evn h`mi/n. Dieses h`mei/j umgreift die ganze ‚Erfüllungszeit‘; die ‚Christuszeit‘ zwischen dem vergangenen und dem ausstehenden Christusgeschehen, meint also die Generation der Endzeit, der die Christusereignisse ob ihres Erfüllungscharakters – zumindest materialiter – immerdar ‚nahe‘ bleiben“ (5f). –– „Vermutlich war Luk ein heilsgeschichtlicher Aufriß der peplhroforhme,na pra,gmata auch darum wichtig, weil gerade in solcher Gesamtschau das ihm wichtige Handeln Gottes im Christusgeschehen herausgearbeitet werden konnte: Der Weg Jesu, der durch den Tod in die Auferstehung (und Erhöhung) führte, läßt den Erfüllungscharakter der Ereignisse besonders aufleuchten“ (13; dort auch noch einmal „Kunde von Christus-Ereignissen“). „Die Funktion seiner Schrift ist somit nicht primär als eine ‚fundamentaltheologische‘ bestimmt, als wenn mit Hilfe der historischen Vernunft die historische Zuverlässigkeit der Verkündigung erwiesen werden müsse; vielmehr handelt es sich grundlegend um eine theologisch-geistige Funktion, die der Glaubenszustimmung unmittelbar dient. … Darin wird dem Glauben … inhaltlich in besonders glaubwürdiger Weise die Gottgewirktheit des berichteten Heilsgeschehens deutlich“ (14 u. 15).
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vorgelegte „Christologie“ im Grunde von Jesus von Nazareth kündet, der mehr ist als der „Mensch Jesus“, wie es oft ausdrücklich betont wird: Er ist Sohn des Vaters, und zwar in jener Fülle des Erlebt-Seins, die tatsächlich erst in der Zeit des Lebens Jesu vor und nach seinem Tod für uns am Kreuz und der Auferweckung dieses Sohnes durch den Vater und den ihrem (gemeinsamen!) Weiter-Wirken in ihrer Glaubensgemeinde (diese historisch „greifbar“ in ersten Jüngern, als werdende Kirche, die Gott aus Juden und Heiden beruft, gestaltet und zum Neu-Leben befähigt und ermächtigt) offenbar und dadurch aussprechbar wurde, was sich im Erleben dieses Neu-Beginns als Gegenwart und Wirken des einen Geistes des Vaters und des Sohnes ins Bekenntnis- und Verkündigungswort bringen ließ. Jahwe ist der Gott Israels und der Kirche (beide sind Jahwe-Gemeinde!), wie er sich selbst im Lebensgeschehen Jesu von Nazareth zu erkennen, zu glauben und zu lieben schenkt. Diese Zeit ist „erfüllte Zeit“, der „Tag Jahwes“, der das Bisherige neu-werden ließ (oft als „Neuschöpfung“ bezeichnet, was aber gerade kein Etwas-anderes-Erschaffen, als Ersatz für das durch die Sünde Verunstaltete, ist). Diese sich als Liebe schenkende und darin Liebe stiftende Zuneigung Jahwes zu seiner Schöpfung auch noch nach deren Verweigerung zeigte sich im anerkennenden Antworten der Neu-Glaubenden in bekennendem Dank und sprach und spricht sich aus im Ja-Wort lebendiger Gottes- und Nächstenliebe. Das ist, was Lukas in seinen ersten Versen „als seine Theologie in nuce“ (nochmals Schürmann 1) bezeichnet, was er durch sein Evangelium wie auch in der Apg ins kirchliche Wort gebracht hat.11 11
Was wir gerade gerügt und zu korrigieren gefordert haben, findet sich bei Schürmann in seinem Kommentar sogleich nochmals in dem einleitend Gesagten zum Abschnitt „Präludium: Jesu Ursprünge in Gott (1,5 – 2,52)“ massiv wieder: „Luk stellt seiner Evangelienschrift mit Lk 1–2 ein ‚Präludium‘ voran. Diese Bestimmung der Funktion von Lk 1–2 im Ganzen der Evangelienschrift hilft dem theologischen Verständnis des in diesem ‚Vorbau‘ Gemeinten“ (18); dann weiter: „Luk hat Traditionen gefunden, die sein (d. i. im Kontext Jesus: R. S.) ‚Kommen‘ und sein ‚Gesandtsein‘ durchmeditiert und durchreflektiert hatten und so theologisch ausholender – von Jesu Ursprung in Gott her – verstanden … Wie schon immer im evrco,menoj (3,16) Jesu sein Gesandtsein von Gott her mitgemeint war: diese Ursprünge in Gott und das Kommen von Gott her mußten theologisch entfaltet werden. … Das Christusereignis eröffnet sich als ‚Sprachereignis‘, im Wort eben nicht nur im apostolischen Kerygma, sondern auch in der apostolischen Homologese, im Zusammenhang beider erst wird das Christusereignis zur Christusoffenbarung für uns, zu einer Zusage in Zuspruch und Anspruch … in besonderer Weise gläubiges Christusbekenntnis, nicht nur Christusverkündigung … In Jesus kommt alle Verheißung zu ihrer eschatologischen Erfüllung, darin leuchtet seine Funktion und sein Wesen auf … In diesem Bekenntnis scheint Luk die Gottessohnschaft Jesu besonders betonen zu wollen“ (19–20). Und weiter: „Das über die theologische Funktion von Lk 1–2 Gesagte mag helfen, die hier gewählte literarische Art theologisch besser verständlich zu machen und auch gattungsmäßig treffsicherer zu bestimmen. Es ist ein tiefsitzendes Mißverständnis, die jenseitig-endzeitliche Christusoffenbarung könne nur in einem historischen Bericht moderner Historiographie adäquat ins Wort kommen“ (21). Dazu sogleich weiter: „… denn es geht in Lk 1–2 darum, die Vollendung allen heilsgeschichtlichen Handelns Gottes in Christus deutlich werden zu lassen und damit die Erfüllung aller Prophetie“ (23). –– Das alles bestätigt unsere Kritik an den Kommentaren. Zur Frage der vorherrschenden christologischen
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3. Lk 1,26–38
Wie schon betont wurde, so wenden wir uns diesen Versen in der genannten Absicht zu, den lukanischen Text auf seine theologischen Aussagen hin zu befragen, insbesondere was die Herkunft Jesu Christi betrifft. Fachexegetische Fragen und dazu gegebene Antwort(versuche) wie auch die, die den Lukas-Text auf seine implizit vorhandenen oder wenigstens erschließbaren Inhalte untersuchen, bleiben hier zunächst bewußt unbeachtet, da wir seine unmittelbaren theologischen Aussagegehalte, und zunächst nur sie, erfassen wollen. a) Lk 1,26–27
Der Text selbst lautet: VEn de. tw/| mhni. tw/| e[ktw| avpesta,lh o` a;ggeloj Gabrih.l avpo. tou/ qeou/ eivj po,lin th/j Galilai,aj h-| o;noma Nazare.q pro.j parqe,non evmnhsteume,nhn avndri. w-| o;noma VIwsh.f evx oi;kou Daui.d kai. to. o;noma th/j parqe,nou Maria,m – Im sechsten Monat aber wurde der Bote Gabriel von Gott in die Stadt Galiläas namens Nazareth gesandt zu der mit dem Mann namens Josef aus dem Hause David verehelichten Jungfrau, und der Name der Jungfrau (war) Maria. Nach 1,5–25 beginnt Lukas mit der Vorstellung der Personen, die in dem hier Folgenden sprechen, hören und handeln. Zuerst wird der Bote Gabriel genannt, ausdrücklich als von Gott gesandt (an anderen ähnlichen Stellen als a;ggeloj kuri,ou benannt), mit dem Auftrag, das Wort Gottes selbst vorzutragen. Somit ist im jetzt Folgenden Gott, besser sogar: Jahwe, als der eigentlich Sprechende, seinen Antrag Stellender und Erklärender benannt, was zum theologischen Verständnis der Verse unbedingt zu beachten bleibt. Der Bote agiert hier, wie es in der Bibel an vergleichbaren Stellen gilt: er ist wesentlich „mehr“, als es z. B. die Propheten sind, die ja auch Sprecher u. ä. Gottes waren und sind.12 Sodann werden Maria und Josef auf besonders bemerkenswerte Weise vorgestellt. Der Bote war, so wird es formuliert, in die Stadt Nazareth (der Name wird ausdrücklich besonders, nachträglich, genannt) gesandt zu der mit dem Mann namens Josef aus dem Hause Davids (auch hier ist der Name besonders, wieder nachstehend genannt) verehelichten Jungfrau; dann wird der Name dieser verehelichten Jungfrau hervorhebend genannt: der Name der Jungfrau (war) Maria. Das alles läßt aufmerken, da, wie allseits anerkannt, Lukas selbst diesen Text gestaltet hat, u. a. in Parallelbildung zu der und nur selten vorkommenden theologischen Auslegungen der Evangelien (was in diesen selbst aber gerade nicht vorgegeben ist) erfordert einen Exkurs. In ihm wird diese auffallende Denk- und Sprechweise der Kommentatoren kritisch vorgestellt und beurteilt, da sich bei näherem Zusehen doch ein Defizit bemerkbar macht, das es zu überwinden gilt. S. Exkurs „Theologie – Christologie“. 12 Hier sei auf früher gegebene Erklärungen zu a;ggeloj kuri,ou verwiesen, z. B. zu Mt 1,20, was die genauere Bedeutung dieser Formel a;ggeloj kuri,ou in der Bibel angeht; s. oben …; dazu auch Anhang I. „a;ggeloj kuri,ou“.
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ähnlichen Situation des Priesters Zacharias und seiner Frau Elisabet. Die erste Spezifizierung in diesem Satz betrifft Josef. Er wird betont als aus dem Hause Davids stammend erklärt. Das ist ein untrüglicher Hinweis auf die entsprechende Jahwe-Verheißung, die Lukas in 1,32f so formuliert: „und ihm wird Kyrios, der Gott, den Thron seines Vaters David geben und er wird herrschen über das Haus Jakob in Ewigkeit“. Damit ist der Heiland/Retter, der Messias angesagt wie an ähnlichen ntl. Stellen: Mt 1; Röm 1,3 u. a. Dieser so qualifizierte Josef ist in 1,27 als „avnh,r – Ehemann der Jungfrau Maria“ (und diese folglich als „gunh, – Ehefrau“ Josefs) erklärt, zunächst noch ohne weitere Auskunft (anders als es in Mt 1,18f geschieht). (Erst in Lk 2,4f nennt Lukas Josef aufs neue, mit derselben Charakterisierung wie hier in 1,27. Dort gibt übrigens Schürmann das evmnhsteume,nh für Maria mit „Maria, seine Frau“ wieder, womit das dafür in 1,27 stehende „verlobt“ von ihm selbst korrigiert ist. Daß diese Auskunft über Josef, den Mann Mariens, von entscheidender Bedeutung ist, muß hier nicht erst herausgearbeitet werden, weil durch andere ntl. Stellen hinreichend klar. Auffallen kann in 1,27 jedoch die Zusammenfügung von „parqe,noj – Jungfrau“ mit „evmnhsteume,nh – verehelicht“. Damit hat Lukas die spezielle Lebens- und Familiensituation von Josef und Maria schon genauer angegeben, wie es sogleich aus 1,34–36 ersichtlich wird.13 Beide sind rechtskräftig verehelicht (daher für beide avnh,r bzw. gunh, gesetzt), doch noch nicht „zusammengekommen“ (einer der Fachausdrücke für den (Fest)Tag des Beginns des gemeinsamen Ehe- und Familienlebens, auch „Heimführung“ genannt); damit sind beide noch „jungfräulich“, wenngleich schon verehelicht.14 Das ist mit der für damalige Hörer/Leser des israelitisch-hellenistischen Raumes unmittelbar verstandenen, für Hörer/Leser späterer und heutiger Zeit jedoch wegen Unkenntnis des jüdischen Rahmens widersprüchlich klingenden Zusammenfügung von „verehelicht“ und „(noch) Jungfrau“ angesprochen. In 1,26 ist folglich, weil ein Ehepaar im Hause Davids angesprochen wird, ganz offenkundig die Davidssohnschaft des Verheißenen als Sinnspitze des Satzes benannt. Daher ist es auch nicht text-entsprechend, wenn man wie z. B. Schürmann hier die Jungfräulichkeit Mariens als den Hauptpunkt der Aussage bezeichnet.15 Wenn er von einer bewußten zweimaligen Setzung des Wortes Es sei wieder auf den Abschnitt zur rechten Übersetzung hingewiesen. Sodann auch auf den Exkurs zum jüdischen Ehe- und Familienverständnis. 14 Vgl. hier das im Exkurs zu „Jungfrau; Jungfräulichkeit; jungfräulich u. ä.“ Dargelegte. 15 Die einschlägigen Sätze bei Schürmann lauten: Zu 1,26 schon verkürzend: „Auch die Sendung des Engels zu einer Jungfrau – im Kontrast zu einem im Heiligtum amtierenden Priester 1,11–20 – ist für damalige jüdisches Empfinden ungewöhnlich. Gott offenbart sich nun, wo und wem er will“ (42). Dann zu 1,27: „Gleich einleitend wird zweimal betont auf Mariens Jungfräulichkeit hingewiesen, wobei schon – die Nähe zu VV 31ff und 34ff beweist das (s. dort) – an Is 7,14 LXX erinnern soll. Mariens Verlobung muß hier schon – nicht erst 2,5 – erwähnt werden, damit die Davidssohnschaft V 32 von dem verheißenen Kinde Mariens ausgesagt werden kann, die nach jüdischer Auffassung nur vom Vater her begründbar war und demzufolge im NT auch einhellig auf Josef zurückgeführt wird“ (42). Wir bemerken: Die Nennung „Jungfrau“ wird sogleich als „zweimalige Betonung der Jungfräulichkeit“ gewertet, und die Verehelichung, zumal mit einem Da13
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„Jungfrau“ spricht, eben um die „Jungfräulichkeit“ als das hier besonders Betonte hinzustellen, so wird das der tatsächlichen und offenkundigen Aussage-Intention des Lukas nicht gerecht. In 1,27a wird als die erste und eigentlich mit der Sendung und dem Ankommen des Boten anvisierte Person mit „parqe,noj evmnhsteume,nh – verehelichte Jungfrau“ angesagt und damit, wenn man da von einem Vorrang des einen vor dem anderen überhaupt sprechen will (warum eigentlich?), dann kann das, wie das unmittelbar im Satz Folgende es klar sagt, nur die Betonung des „evmnhsteume,nh“ sein, eben wegen der anvisierten Davidssohnschaft. Doch sollte man hier derartige „Wertungen“ unterlassen und den Text selbst zunächst einmal aussprechen lassen, ihn hören und dann auch gelten lassen. b) Lk 1,28–29
Der Aussage-Inhalt dieser wie der weiteren Verse dieses Kapitels wird schon seit der Zeit der apostolischen Väter allzu schnell, und dann oft sogar einseitig interessiert mariologisch gelesen, interpretiert und ausgewertet. Wegen unserer schon mehrmals betonten Absicht, zunächst den vom Evangelisten selbst erkennbar intendierten Aussage-Inhalt seines Textes theologisch zu erfassen, werden wir jetzt besonders aufmerksam sein müssen, diese unsere Intention auch aufrechtzuerhalten. Damit verhindern wir gerade nicht ein wie immer geartetes und begründetes Weiter-Suchen, etwa nach implizit mit-ausgesagten oder mit-intendierten Inhalten Ausschau zu halten und so speziellere theologische wie spirituell bedeutsame Tiefengehalte im Text des Evangelisten zu entdecken und weiter zu erschließen. In unserer Intention gewinnen wir vielmehr gerade dafür das Fundament. Wir hören daher die folgenden Verse auf ihre fundamentalen Aussagen hin ab und halten sie deswegen für weitere Erschließungen begründet offen. Und noch etwas anderes rufen wir uns jetzt bewußt in Erinnerung. Der Evangelientext, den wir hier vor Augen haben, ist erkanntermaßen ein Text, den Lukas, der in manchem auf frühere Textaussagen und -formulierungsweisen zurückgreift, gestaltet und auch sprachlich geformt hat. Wir lesen daher sachgerecht den lukanischen Text im Wissen, daß es der Evangelist selbst war, der ausgesucht und für seinen eigenen Aussagewillen auch literarisch geformt hat, was wir heute lesen und auf seine eben von Lukas selbst intendierte Bedeutung hin befragen. Wir werden sogleich sehen, eine welche grundlegende Bedeutung das hat, dafür stets wach zu bleiben. Um dabei nicht ins Uferlose der mannigfaltigen Auslegungsverständnisse der Fachexegeten vididen, wird gar nicht weiter genannt. Diese selbst, falsch als „Verlobung“ bezeichnet, „müsse hier erwähnt werden, „damit die Davidssohnschaft ausgesagt werden kann, weil nur vom Vater her begründbar“. Dem wird später aber ständig angefügt, daß Josef nicht der Vater Jesu ist, was ja, so heißt es weiter, der Grund und die Wirklichkeit der Wundertatsache sei: „vaterlose Empfängnis“! Jeder hier gesetzte Ausdruck ist auf seine reale Berechtigung zu hinterfragen, wenn man von der Herkunft Jesu Christi gemäß dem LkEv richtig sprechen will.
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(und anderer) zu geraten, beschränken wir uns in den Hauptlinien auf ein Gespräch mit dem Lukas-Kommentar Schürmanns. Der Vers 28 beginnt: „der Bote trat bei ihr (Maria) ein und sprach“, und zwar zunächst einen Gruß. Im Vergleich zu Lk 1,11, wo es heißt „der Bote erschien (w;fqh) stehend zur Rechten des Altars“, fällt diese Formulierung auf, wie auch in 1,38b die besondere Erwähnung des Weggehens des Boten. Aus beidem zu schließen, Lukas wolle hier von einem schon bestehenden „vertrauten Umgang des Engels mit der ‚Begnadeten‘“ sprechen (Schürmann 43), dürfte übertreiben, da doch von einem einmaligen (nicht gewohnten) Geschehen die Rede ist. Lukas will ja, wenngleich erzählerischgestaltend, ein „Gespräch“ Gottes mit Maria bekunden, nämlich von einem Ansinnen Gottes selbst an Maria, das diese versteht, worauf sie antwortet und das Gott verdeutlichend noch näher erklärt, wie es die folgenden Verse entfalten. Der Bote begrüßt Maria mit bemerkenswerten Worten: „Sei gegrüßt, Begnadete, der Herr (d. i. Ku,rioj – Jahwe!) ist mit dir“. Die uns geläufige Wiedergabe der Vulgata (gratia plena – voll der Gnade) übertreibt schon die griechische Formulierung „Begnadete“. Ob Lukas mit „der Herr ist mit dir“ bewußt den Namen „Jahwe“ heraushören lassen wollte (vgl. etwa Mt 1,23), lassen wir, wenngleich denkbar, hier noch offen. Es im Zusammenlesen mit den folgenden Versen eingeschlossen so zu hören, ist mit dieser ersten Feststellung nicht verhindert.16 Im Vers 29 bringt Lukas die erste Beeindruckung Marias zur Sprache. Daß dies darstellend-erzählerisch geschieht, ist wieder zu beachten. Was er da formuliert, ist auf sein Wesentliches hin zu befragen. Es ist vom Verwirrtsein Marias durch das die Rede, was der Bote als Gruß vorbringt; sie überlegt, was damit wohl für sie gemeint sein könnte. Schürmann erklärt es wieder sehr bezeichnend; er spricht von einer „ehrenden und verheißungsvollen Anrede“ (was der Text aber so sicher nicht aussagt). Dann aber deutet er den Vers als Erzählelement, das Lukas mit einer bestimmten Absicht einfügt, nämlich „um dem Engel durch diese wortlose ‚Frage‘ im folgenden Gelegenheit zu geben, seine dunkel andeutenden Worte zu erläutern“! Damit ist doch behauptet, daß die Bemerkung des Verses 29 vom Verwirrtsein Marias und ihrem 16 Was Schürmann kommentarartig zu 1,28 sagt, dürfte eine Überinterpretation bzw. ein Erschließen
von impliziten Inhalten sein: „Die schlichte und doch so große Anrede kecaritwme,nh wird V 30 durch den Engel selbst interpretiert: ‚Du hast Gnade gefunden bei Gott‘. Obgleich dieses GnadeFinden ‚im Blick auf ‘ etwas ist – also hier die messianische Mutterwürde vorausschaut –, geht doch die Begnadung (wie in Gen 6,8; 18,3) der danach erzählten göttlichen Tat voraus, besteht nicht schlechthin in dieser. Die Begrüßung des Engels muß aus der literarischen Art derartiger ‚Ankündigungen‘ heraus verstanden werden. … So ist Maria (wie Daniel in Dn 9,23: R. S. aus dem Kontext) als kecharitomene auch begnadet, die nachfolgende Engelbotschaft 1,30.35ff als Offenbarung Gottes zu empfangen und gläubig zu verstehen. … So antizipiert auch kecharitomene in gnadenhaft effektiver Weise, was im Folgenden verheißen wird: Gottes Gnade bereitet sich die jungfräuliche Messiasmutter … Das Verb meint mehr als eine bloße ‚Auserwählung‘; in welche Tiefen es aber hinabreicht, ist aus dem Wort und dem Kontext mit nur philologischen Mitteln nicht sichtbar zu machen“ (44f).
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Nachdenken dichterische Erfindung ist. Damit der Bote (!) erst Gelegenheit hat, klarer auszudrücken, was er zu sagen hat … – damit wird die schriftstellerische Darbietung für den Hörer/Leser verlebendigt! Ist daher vielleicht alles dort Gesagte erzählerische Fiktion? Wir werden auf diesen Fragepunkt noch einmal stoßen, dort sogar bei einem äußerst bedeutsamen Satz, nämlich in 1,34, wo die (sog.) Marienfrage als Stilmittel erklärt wird. Hier in 1,29 soll es eine Einfügung sein, die dem Hörer/Leser die (auch erfundene?) Sache wirksam zu Herzen gehen lassen soll? Genau diese Art des Kommentierens wollen wir ja in unserer theologischen Erfassung der genuinen Textaussagen nicht angewendet wissen (womit anderen Weisen einer theologischen Auswertung bzw. Weiterentfaltung kein Verbotsschild entgegengehalten ist; doch sollten sie als solche anerkannt sein). Daher belassen wir Vers 29 in seiner von Lukas intendierten, erzählerisch-vermittelnden Offenheit.17 c) Lk 1,30–33
Der Text beginnt: „Und der Bote sagte ihr: Fürchte dich nicht, Maria!“ Das ist das in der Bibel sehr oft begegnende Wort Jahwes bzw. seines Boten, das als erstes an den gerichtet ist, dem Jahwe sich in einer bestimmten Situation zu erkennen gibt, um ihm eine Auskunft zu geben oder einen Auftrag u. ä. zu erteilen. Damit ist das eigenartige persönliche Betroffensein des Adressaten ausgedrückt: Ehrfurcht, erregtes und staunend-erwartendes Empfinden des Sich-angesprochen-Erlebens noch vor allem Wissen, wer oder was ihn wozu an-spricht; es hat nichts mit Schrecken oder Angst zu tun. Nach diesem Vertrauen weckenden Wort sagt der Bote: „Du hast nämlich Gnade gefunden bei Gott“, eine ungemein offene Formulierung, zumal nach dem „Du Begnadete; der Herr ist mit dir“ der Begrüßung ausgesprochen. Diese Aussage in 30b kann als Wiederholung oder Bestätigung des Begrüßungswortes angesprochen werden; es bleibt aber doch immer noch offen, was dieses „du hast Gnade gefunden“ eigentlich genau besagen will. Was heißt hier „finden“, zumal „Gnade finden bei Gott“? Ähnlich aufregend offen zeigt sich „finden“ in Mt 1,18b, zumal es dort sogar im Passiv ohne jede Angabe dessen steht, der es tat, dieses dort gemeinte „finden“.18 Soll hier in Lk 1,30 von einer Tat, gar einem bewußt vollzogenen Tun, einer „Leistung“ Ma17 Wir brauchen hier zur Bestätigung unserer Auffassung und Vorgangsweise nur die Anmerkung zu
zitieren, die Schürmann selbst seinem schon zitierten Text (s. vorige Anmerkung) beifügt, nämlich zum Aussageinhalt der Formel kecaritwme,nh in 1,28, das die Vulgata mit „gratia plena“ wiedergibt: „Das gratia plene (Vg) erlaubt eine tiefere Ausdeutung. Aber Luk schreibt hier nicht wie Apg 6,8 plh,rhj ca,ritoj (vgl. auch Joh 1,14), und Verben auf o,w wie carito,w können, müssen aber nicht die Fülle ausdrücken, vgl. Campe a. a. O. 201f. Ein fülligeres Verständnis bei Cole, a. a. O., und Bourassa, a. a. O. (Daß sachlich die unbefleckte Empfängnis Mariens eingeschlossen sei, ist eine Erkenntnis, die wir nicht mit Hilfe der philologisch- historischen Methode erheben, sondern nur dem Tiefblick des kirchlichen Glaubensbewußtseins verdanken können …)“ (45, Anm. 34). 18 Vgl. dazu das oben in der Besprechung von Mt 1 dazu im Abschnitt zur Übersetzung Mt 1,18b Gesagte.
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Abschnitt B:
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rias die Rede sein, einem gezielten Suchen oder gar auf Gott hin Wirken, und sei es ein thematisches Gebet? Der Ausdruck „finden“ läßt von sich aus, wenn er in einem Aussagesatz erscheint, immer alles offen (übrigens nicht nur in der deutschen, sondern auch in der hebräischen, griechischen und lateinischen Sprache), wenn nicht eine irgendwie erklärende nähere Bestimmung beigegeben ist. Daher belassen wir es auch hier zunächst wieder in seiner ganz eigenartigen Offenheit; es könnte aus dem folgenden Versen gegebenenfalls offenbar werden, was genau gemeint ist. Daß hier jedenfalls etwas Entscheidendes, von Gott allein Herrührendes ins Wort gebracht ist, dürfte klar und dementsprechend zu beachten sein. Der Vers 31 bringt eine erste an Maria gerichtete Ansage: kai. ivdou. sullh,myh| evn gastri. kai. te,xh| ui`o.n kai. kale,seij to. o;noma auvtou/ VIhsou/n – und siehe, du wirst im Schoß empfangen und (den) Sohn gebären, und du sollst seinen Namen JESUS nennen. Dieser Satz ist keineswegs als „Verheißung“ oder als „Geburtsankündigung“ zu lesen. Das wird oft behauptet, weil er sich in seiner Ausformulierung an Stellen der Bibel ausrichte und von daher seinen Sinn offendecke. Vor allem wird Jes 7,14 als der Text angegeben, nach dem 1,31 fast bis aufs Wort gestaltet sei. Dort erklärt der Text jedoch eindeutig, daß es eine Verheißung ist, die der Prophet gegen den sich verweigernden Achas, also gegen das Haus David von Gott her zu sprechen hat, und zwar mit dem Inhalt, daß von Jahwe her etwas Unerhörtes geschehen wird, das zwar die Geburt des Angekündigten mitnennt, doch nicht als den eigentlichen Inhalt der Verheißung. Für Lk 1,12–17 kann die Bezeichnung „Geburtsankündigung“ gesetzt werden, zumal dort Zacharias u. a. auf sein lange währendes Bitten hin angesprochen wird, wobei aber die Geburt keineswegs als der eigentlich hervorgehobene Inhalt des Gotteswortes zu gelten hat. Hier in 1,31 handelt es sich aber im Kontext um ein Gottes eigenes, unerahnbares Ansinnen bekundendes Wort, das zunächst etwas ansagt, das Gott geschehen zu lassen plant, und gibt anschließend den Auftrag an Maria, dem Geborenen (von dem ja erst 32 Näheres ausgesagt wird) den Namen JESUS zu geben. In Jes 7,14 ist dem Achas Gottes fester Entschluß entgegengehalten, der eine dort Unbekannte nennt, für die das Prophetenwort gilt. Hier in 1,31 mag Lukas einzelne Wörter oder auch die Folge „empfangen – gebären – Namen nennen“ rezipiert haben, das mit ihnen Angesagte ist jedoch gänzlich anderes.19 Die weitere, unmittelbar folgende Auskunft über sein eigentliches, an Maria gerichtetes Ansinnen in 32 macht das überdeutlich. Für das in 1,31 Erstgenannte, „du wirst/sollst im Schoß empfangen“, ist das offenkundig. Das Gebären ist an sich eine natürliche Folge des Empfangen-Habens, während die Namennennung Auftrag ist, der persönlich und bewußt erfüllt werden soll. Aus alle dem folgt, daß „Geburtsankündigung“ eine Bezeichnung ist, die die Sache verfehlt. Gott bekundet in der lukanischen Formulierung sein Ansinnen, das Heil für Israel
19 Vgl. dazu das im Exkurs zu Jes 7,14 und seine „Verwendung“ in Mt 1 und Lk 1 Herausgestellte.
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und alle Welt zu bereiten, und dies durch Mit-Wirken derer, die er dazu erwählt und mitzutun befähigt.20 Der Vers 32 bringt das erklärend-offenbarende Wort Gottes selbst über den, den er von Maria zu empfangen wünscht, um ihn zu gebären und seinen Namen zu geben. Es sind vornehmlich Jahwe selbst bezeichnende Wendungen, die von dem JESUS zu Nennenden im Futur ausgesagt sind. Dadurch ist aufs deutlichste angegeben, wer der ist und was er als Lebensaufgabe aufgetragen bekommen hat, was er folglich persönlich erfüllen soll, wenn er geboren ist, d. h. in das Geschehen der Welt hineingestellt wird, um seinen Auftrag zum Heil eben dieser Welt zu erfüllen, der sich in seiner Eigentlichkeit erst im Kreuzesgeschehen oder gar des Geschehens, das Auferwecktwerden und Erhöhung durch Gott heißt, voll offenbart. Die aus der Bibel her geläufigen Formeln wie „groß sein“, „Sohn des Höchsten“, „Herrscher“ sind Gottesprädikate, die Gott selbst auf ihn anwendet, die also nicht als erst seitens der Glaubenden „angewendete“, eigentlich nur Gott zustehende „Begriffe“ zu gelten hätten. Diesen von Gott dem zu Empfangenden und dann zu Gebärenden Jesus zugesprochenen Gottesprädikate ordnet der Text im selben Atemzug auch „Davidsohn“ bei (Kyrios, der Gott wird ihm den Thron seines (!) Vaters David geben), auch im Futur sprechend wie die Gottesprädikate. Der von Maria zu Empfangende wird somit im einen und selben 20 Wir verwenden hier mit voller Absicht dieses recht offene Wort „Ansinnen“, da im zur Gänze
beachteten Kontext Lk 1,5–2,52 ein Planen, Erwägen und vorbereitendes Wirken Gottes selbst auf sein Ziel hin offenbar wird, das wesentlich zunächst immer ein Werben um Zustimmung und ein-stimmendes Geschehen-Lassen, ja dann auch Mit-Wirken derer ist, denen das end-gültige Heil aller Welt von ihm, Jahwe, gewidmet, nicht wortlos aufgezwungen ist. Erfüllen soll sich dieser Heilsplan nicht durch zuvor von Gott längst Festgelegtes oder ursächlichwirkendes Vor-Bestimmtes und deswegen auch unweigerlich Eintreffendes, das Gott rücksichtslos in All-Macht allein vollbringt. Im LkEv ist vielmehr alles auf das Geschehen des Kreuzesereignisses hin ausgerichtet. Das wird denen von Anfang an klar gemacht, die Gott zum Mit-Wirken an und in seinem eigenen (auch leidvollen!) Sich-selbst-Dahingeben beruft, d. h. einlädt, wenigstens durch antwortendes Geschehen-Lassen dessen, was Gott real auf sich nimmt. Dieses so verstandene Ansinnen Gottes klingt in 1,31 erstmals deutlich, wenngleich noch verhalten, an: „Du wirst (ein ganz offenes Futur), du sollst – so mein Antrag an dich – im Schoß empfangen“. Im Wort „empfangen“ ist wesentlich und zuerst ein Geben bzw. Gegebenwerden angesagt, weil es nur durch „nehmen“, „annehmen“ u. ä. getan werden kann. „Empfangen“ setzt immer jemand anderen voraus, der geben will und dieses sein Geben-Wollen auch bekunden und zum Annehmen einladen muß. „Empfangen“ ist nämlich kein Selbst-Machen, kein eigenes Produzieren, ja nicht einmal Mit-Bewirken dessen, was zum Empfangen-Werden dargereicht (keineswegs aufgezwungen) wird. Daß das Zum-empfangen-Geben zudem auch immer erst dann sich voll verwirklicht, wenn das Annehmen seitens des Empfangenden bewußt geschieht und geschehen ist, zeigt die andere Seite des Empfangens. Dieses tatsächlich willentlich vollzogene Annehmen läßt Geben sich verwirklichen und voll-bringen, läßt Gabe werden und sein. Auch dieses Wort „Gabe“ sagt immer schon wesentlich und bleibend Empfangen-worden-Sein mit aus. Wir bemerken, daß immer irgendwie Personales, etwas dem freien und bewußten Willen Entspringendes vorausgesetzt ist, wenn die Ausdrücke „Geben“ und „Empfangen“ in ernst gemeintem Gebrauch rechtens verwendet werden. Genau das sehen wir im ersten Teil des Satzes Lk 1,31 angesagt. Es ist das ganz konkrete Ansinnen an Maria. Dem werden in 31 und 32 ausführliche Elemente angefügt, die weitere Auskunft schenken.
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Abschnitt B:
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Satz als Gottessohn und Davidssohn zugleich angesprochen. Dieser ist folglich der, den zu empfangen Maria eingeladen und aufgerufen ist. Das bleibt für alles Weitere zu beachten und gelten zu lassen. Im Anschluß an die Besprechung der Aussagen des Verses 32 ist noch auf ein Faktum aufmerksam zu machen. Damit ist die oft begegnende Auslegung gerade dieses Verses als Messias-Ankündigung gemeint, was wir jetzt wegen unserer Hauptintention im einzelnen nicht zu betrachten haben, sondern als ungerechtfertigt aufzuzeigen, weil das eine theologisch motivierte Folgerung darstellt, die der Text selbst gar nicht aussagt, vielleicht sogar als Überinterpretation angesehen werden muß. So sagt etwa Schürmann zu 1,32f dies: „Im folgenden wird das verheißene Kind grundlegend als der erwartete Messias aus dem Hause Davids beschrieben … ‚Sohn des Allerhöchsten‘ wird das Kind sein. Der unmittelbare Kontext (VV 32b-33 im Vergleich mit 2 Sam 7,13.14.16 …) läßt zunächst nur an eine Messiasprädikation denken. Daß damit aber nicht nur ein Titel verliehen, sondern etwas Vorgegebenes zum Ausdruck gebracht wird, in dem die messianische Herrschaft erst gründet, wird im Zusammenhang mit V 35f deutlich: ‚Größe‘ und ‚Gottesherrschaft‘ eignen schon dem irdischen Jesus. … Die ‚ewige Dauer‘ seiner Herrschaft zeigt an, wie sehr hier die altisraelitisch-irdische Messiasvorstellung spätjüdisch bzw. urchristlich transzendiert ist“ (47f). Bemerken wir: Im lukanischen Text kommt der Ausdruck „Messias“ überhaupt nicht vor! „Sohn des Allerhöchsten“ als „Messiasprädikation“ anzusprechen, verfehlt den Text; schon in ihm ist sicher entscheidend mehr angesprochen: Der diese Prädikation (wenn man dieses Wort hier verwenden will) Erhaltende ist „Sohn des Allerhöchsten“, also „Sohn Jahwes“, und dieser wird das zu vollbringen haben, was „Messias“ (u. a.!) heißen kann. Nicht der Messias wird „Sohn des Höchsten“ genannt, gar seitens der Glaubenden; er ist es im Auftrag Gottes!21 Zusammenfassend heißt es bei Schürmann dann so: „Die christologische Aussage von VV 32f mit ihrer atl.-jüdischen Diesseitseschatologie bleibt zurück hinter der von VV 35f, wo zumal der Gottessohntitel vertieft verstanden ist“ (49, mit Verweisen auf weitere Stellen). Beachten wir: Im ganzen Text Lk 1–2 kommt der Ausdruck „Cristo,j“ nur zweimal vor, ohne daß Lukas aber erkennen
21 Dem sei eine weitere Passage aus Schürmanns Kommentar beigegeben: „Aufgrund seiner Gottes-
sohnschaft wird dem Kinde … der Davidsthron gegeben werden … Auch die Ordnungen dieser Welt werden dereinst durch Christus beherrscht und ihre Erfüllung finden im Königtum Christi. Seiner messianischen Herrschaft auf Erden über Israel wird ewige Dauer verheißen – in Aufnahme der Prophetie von 2 Sam 7,16 (vgl. Gn 49,10). … Zukunftsschau des Königtums Christi … Verwirklichung des Königtums Christi … daß die atl. Prophetie auch die Heilung der Ordnungen dieser Welt zum Zukunftsheil gerechnet hat und daß die Erlösung durch Christus eine totale ist“ (48 und 49). Bemerkenswert: Die vollkommen klare und konkrete Aussage in 32: „es wird ihm Gott der Herr den Thron seines Vaters David geben“ wird hier durch Schürmann abstraktpassivisch gefaßt: „Aufgrund seiner Gottessohnschaft wird dem Kinde der Davidsthron gegeben werden“! Macht das den vorliegenden Text klarer? Und ist z. B. „Davidsthron“ für „Thron seines Vaters David“ nicht eine ungute Verkürzung des Gesagten?
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II.
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ließe, ob er damit etwas Besonderes, also eine Auslegung andeuten möchte.22 Für alle anderen in 1–2 begegnenden Gottesprädikate von christologischen Bezeichnungen zu sprechen, wird den tatsächlichen Aussagen des Textes nicht gerecht. d) Lk 1,34
Wie wir schon im Abschnitt zur rechten Übersetzung der Lk-Texte herausgestellt haben, so hat dieser Vers 34 eine ungemein vielfältige Fülle an ausdeutenden Auslegungs- und Verständnisversuchen ausgelöst. Das im genannten Abschnitt Herausgearbeitete wird hier vorausgesetzt. Es sind im Grunde zwei Ursachen, die Problemfragen auslösten. Da ist einmal die Auffassung zu nennen, die sog. Marienfrage sei als „Stilmittel“ anzusehen, d. h. als vom Evangelisten schriftstellerisch gebildet, und dann zweitens die verfehlte Übersetzung des Marienwortes mit „weil ich keinen Mann erkenne“. Zu beiden Problemen sei hier nur folgendes gesagt, damit hinreichend verständlich wird, was wir selbst dann anschließend zu 1,34 als seinen theologisch erkannten Aussagegehalt angeben zu sollen meinen. Die Aussage des Verses 34 als von Lukas im Sinne eines in schriftstellerischer Absicht zwischen 1,31–33 und 1,35–37 eingefügten Satzes anzusehen, diese Marienfrage daher als ein übliches Stilmittel zu verstehen und auszulegen, die den Leser besonders aufzumerken aufruft, ist als in sich unlogisch und widersinnig anzusprechen. Wenn man nämlich zu Anfang des Kommentars für den Gesamttext des LkEv überhaupt und nachdrücklich (und das gänzlich textgerecht) festgestellt und nachgewiesen hat, daß Lukas als Autor seinen Text erkennbar kunstvoll selbst gestaltet hat, und zwar mit ausdrücklicher Widmung an den hochgebildeten Theophilos, und sich somit vor allem an eine gebildete Leserschaft wendet, dann kann man unmöglich für einige wenige Verse behaupten, sie seien bewußt als schriftstellerische Stilmittel eingesetzt, um an gegebener Stelle den Leser besonders zum Aufmerken zu bewegen. Einen einzelnen Vers als Einschub in unmittelbar zusammengehörige Sätze im Blick auf die Leser zu erklären, der insgesamt sich gezielt an seine definierte Leserschaft richtet, entbehrt jeder Logik. Man beruft sich für die besondere Redeweise des Lukas in 1,26–38 als Grund meist darauf, daß dieser Text insgesamt (wie übrigens auch 1,5–22 und ebenso Mt 1,18–25) dem atl. Schema der Geburtsankündigung nachgebildet sei, auch was seine Darstellungsweise anbelangt. Dort seien solche Einschübe in die laufende Erzählung üblich, um die Hörer/Leser um so aufmerksamer zu stimmen. Dazu ist ein Text aus dem Buch Räisänen recht aufschlußreich. Er schreibt gerade in Bezug auf 1,23 22 Die Texte, die sicher bemerkenswert sind, lauten so: 2,11: o[ti evte,cqh u`mi/n sh,meron swth.r o[j evstin
cristo.j ku,rioj (wir beachten das unmittelbare Nebeneinander „Soter“, „Christos“, „Kyrios“ im Nominativ). Dann 2,26: kecrhmatisme,non u`po. tou/ pneu,matoj tou/ a`gi,ou mh. ivdei/n qa,naton pri.n Îh'Ð a'n i;dh| to.n cristo.n kuri,ou; hier die üblichere Wendung mit Kyriou im Genitiv. Ob in diesen Texten der Ausdruck „Christos“ nur im gängig gewordenen Messias-Verständnis oder nicht doch in einem gefüllteren (und zugleich offenen) Sinne zu verstehen ist, muß gefragt bleiben.
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Abschnitt B:
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dies: „Zu den alttestamentlichen Annuntiationsgeschichten gehört als wesentlicher Bestandteil der Widerstand oder der Zweifel des Empfängers der Botschaft. Dieses Motiv bringt Spannung in die Erzählung und bereitet deren Klimax in der Antwort des Engels vor (es folgen Beispiele, wie Gen 17,17f; 18,21: Ex 3,11 – 4,17; Ri 6,15; Apg 10,14: R. S. aus dem Kontext). … Es wird deutlich: Die Form einer Annuntiationsgeschichte verlangt eine unverständige Frage seitens des Menschen. Die Frage der Maria muß als ein literarisches Motiv, als ein Stilmittel verstanden werden, die für den Fortgang der Geschichte sorgen soll. Der Erzähler hat den Vers 34 als Einleitung zur Botschaft des Engels (V. 35) verstanden, in der die Perikope ihren Höhepunkt findet. Die Hauptsache wird in V. 35 ausgesprochen: Gott tut sein Werk. V. 34 präzisiert und sichert den Inhalt der Engelsbotschaft“ (97f).23 Wenn für 1,34 die Kategorie „Stilmittel“ angewendet wird, dann stellt sich unvermeidbar die Frage, wie die Aussagen, die durch das Stilmittel besonders herausgehoben werden, zu bewerten sind. Welchen realen Aussagecharakter haben 1,28–33.35– 38? Woher nimmt der Evangelist die einzelnen Aussage-Elemente – oder welche von ihnen sind gleichfalls als Stilmittel, wenn auch anderer Art, zu werten? Wer eigentlich 23 Es seien zur Verdeutlichung der Problemlage einige weitere Beispiele gebracht. Schürmann sagt:
„Maria glaubt, und sie wird deswegen V 45 gepriesen. Sie begehrt auch kein beweisendes Zeichen, wie Zacharias das (1,18) tat. V 34 ist ein überrascht-verwunderter Ausruf, dem das Wie unverständlich ist und der darum danach fragt, nicht eine ablehnende Verneinung. Im Sinne des Erzählers hat die Frage … zunächst eine schriftstellerische Funktion: nämlich die nähere Erklärung VV 35ff zu ermöglichen und vorzubereiten (wie parallel die Frage nach dem Zeichen V 18 den Redegang des Engels VV 19f veranlaßt und vorbereitet hat)“ (49). Michl (1969) schreibt in seinem Beitrag „Die Jungfrauengeburt im Neuen Testament“ (165–184) u. a. dieses unter Berufung u. a. auf Gewieß: „Die Marienfrage, Lk 1,34“: „Eine Deutung sieht in der Frage ein literarisches Stilmittel; … liegt im Bericht des Lukas das literarische Schema der Verkündigung zugrunde, bei dem der Angesprochene eine Frage stellt, die zur weiterführenden Darlegung der Botschaft veranlaßt. So dient hier die Frage Marias dazu, das theologische Hauptanliegen der Erzählung herauszustellen, nämlich die von Gott gewirkte jungfräuliche Empfängnis des Messias. Der Sinn der Frage wird einzig durch die V. 35–37 folgende Antwort des Engel bestimmt. Der Evangelist legt der Jungfrau die Frage in den Mund; sie ist aber von ihm erfunden und im Hinblick auf V. 35 gewählt und dient als Wegweiser zum vollen Verständnis der Engelsmitteilung“ (160; vgl. das dort Folgende ebenso wie 171–173). ––– Schneider (1971) formuliert es in seinem Beitrag „Jesu geistgewirkte Empfängnis (Lk 1,34f)“ so: „Die Form der Geschichte entspricht atl Verkündigungsgeschichten … Die entscheidenden Verse 34–35 … gehen vermutlich auf die Hand des Lk zurück, wenn der Evangelist auch dabei … auf bereits formuliertes Bekenntnisgut zurückgriff …. Gleichzeitig hat er dabei das Stilmittel der Rückfrage Mariens an den Engel (v. 34) verwendet, das sich auch in der Zachariasgeschichte (1,19f) findet und den alt Annuntiationsgeschichten entspricht … das die Frage ein lukanisches Stilmittel ist, das den Leser auf einen wichtigen Sachverhalt hinweist … Der Hervorhebung der wunderbaren, jungfräulichen Geburt aus Hl. Geist dient … die Frage Marias 1,34. Lukas legt sie – wenigstens in dieser Form – der Jungfrau in den Mund, damit der Leser die Bedeutung dessen erfassen kann, was V. 35 verheißen wird“ (108 und 109; unter Berufung auf Gewieß; ähnlich auch in Schneider Lukas-Kommentar 50f). Weitere Kommentar-Stellen zu 1,34 als Stilmittel: Wilckens (1981) 54 (mit weiterer Entfaltung in 57f); Wiefel (Lk): 53 (mit Kontext dort); Radl (Lk): 61 u. 64f mit weiterer Erklärung; Schmithals (Lk): 27 u. 28; Beilner (1973) 96. U. a.
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II.
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hat diese „Ankündigungsworte“ und die in ihnen ausgesprochenen „Qualifizierungen“ des Kindes zuerst ausgesprochen – oder sind auch sie fiktive Darstellungsmittel? Doch wofür dann eigentlich? Einen Fingerzeig zur Beantwortung dieser Fragen geben die Kommentatoren damit, daß sie von einem Ankündigungsschema o. ä. sprechen, das schon in der atl. Bibel vorliege und dort oft verwendet sei.24 Mit dieser Auskunft wird jedoch das Problem nicht gelöst, sondern nur weiter hinausgeschoben. Denn es bleibt ja dann die Frage, wie die atl. Autoren (des biblischen Textes!) zum Aussage-Inhalt und zu diesen sprachlichen Darstellungsweisen gelangten, wie auch, wer oder was sie motiviert hat, überhaupt derartiges aufzuschreiben. Woher kamen sie auf den Gedanken, diese sog. Geburtsankündigungsschemata zu erfinden – oder lagen diese Schemata längst vor, noch ohne konkreten Inhalt, ohne namentliche Personen, auf die sie anwendbar würden? Kurz: Haben wir es prinzipiell und von Anfang an bei allem wie auch immer schriftlich Verfaßtem mit Literarisch-Fiktivem zu tun, das etwas „aus-spricht“, was ursprünglich nicht in einem real Geschehenen (ob „Ereignis“, „Tat“ oder „zu-gewirktes“ „anderes“ zu nennen) als irgendwie „Zum-Verstehen-Gegebenes“, also zu Empfangendes vor-gelegen ist, sondern dem Geist dessen entsprang, der es sogar als anderen schriftlich Mit-teil-bares zum Auf- und Anzuneh-
24 Wir bringen hier nur zwei Beispiele für das gerade Herausgestellte. Räisänen (1969) kommt öfter
auf die sog. Ankündigungsgeschichten zu sprechen, wenn er zu Mt 1,18–25 und Lk 1 etwas Wichtiges bemerken will. So zu Lk 1,34, wo er auf die „Struktur der Erzählung“ zu sprechen kommt: „Zu den alttestamentlichen Annuntiationsgeschichten gehört als wesentlicher Bestandteil der Widerstand oder der Zweifel des Empfängers der Botschaft. Dieses Motiv bringt Spannung in die Erzählung und bereitet deren Klimax in der Antwort den Engels vor (er bringt dafür alt. Beispiele; R. S.). Die Form einer Annuntiationsgeschichte verlangt eine unverständige Frage seitens des Menschen. Die Frage der Maria muß als literarisches Motiv, als ein Stilmittel verstanden werden …“ (97 u. 98). Dann: „Nach dem allgemeinen Schema der Annuntiationsgeschichten teilt der Engel ein Zeichen mit, damit Maria die Zuverlässigkeit der Botschaft prüfen kann“ (104), dann ebenso: „Die Ökonomie der Erzählung fordert hier eine Erwiderung der Maria (1,35)“ (113); und zu Lk 2,21–40 u. a.: „Es kann sich nur um ein Motiv handeln, das aus der Geburtsgeschichte Samuels stammt“ (125). Zeller (1981) stellt in seinem Beitrag „Die Ankündigung der Geburt – Wandlungen einer Gattung“ (27–48) zunächst zu „Die Strukturelemente der Geburtsankündigung und ihre Funktion“ dieses heraus: „Stellen wir die neutestamentlichen Geburtsankündigungen nebeneinander, so fällt gleich ins Auge, daß sowohl die Ankündigung der Geburt des Johannes an Zacharias (Lk 1,5–23) wie die der Geburt Jesu an Maria (Lk 1,26–38) oder an Josef (Mt 1,18–25) einen ähnlichen Aufbau zeigen. Diese Ähnlichkeit ist offensichtlich nicht darin begründet, daß es sich um dasselbe Ereignis handelt. Vielmehr folgen alle diese Erzählungen einem Schema, das wir auch schon im AT entdecken können, wo Vater oder Mutter durch einen Boten Gottes die Geburt eines Kindes – es ist natürlich immer ein Sohn! – verheißen wird. Ein Beispiel, in dem wir fast alle Elemente der ntl. Texte wiederfinden, ist Ri 13,2–24“ (27). Das wird sogleich entfaltet, und es werden „die Strukturelemente“ vorgestellt; es sind deren acht! Dazu wird dann gesagt: „Die Geburtsankündigung hat also die Funktion, ein kontingentes Geschehen – und das ist manchmal ärgerlich zufällig … – darzustellen: das Kind als Gabe Gottes. Dabei soll schon vor der Geburt die Sinnrichtung dieses Handelns deutlich werden. Die Geburt ist nur der Anfang einer die Enge des Elternhauses sprengenden göttlichen Rettungstat“ (29).
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Abschnitt B:
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mendes beurteilte.25 Liegt in diesem Falle tatsächlich ein „Schema“ einem Erzählten schon voraus, durch welches es zur Sprache gebracht werden kann? Dasselbe anders gewendet gefragt: Liegt dem mit-teilend zu Erzählenden überhaupt ein real Geschehenes, in seiner Wahrheit (was ist diese?) Ver-nommenes, Erfahrenes und Verstandenes (was ist „verstehen“?), irgendwie Geschautes (wofür steht „sehen“ eigentlich in seinen vielen „Varianten“?) und Gehörtes (was alles besagt „hören“?) zugrunde, also auch „zuvor“ – oder ist in seinem Ursprung alles Auszusprechende und dann auch Aus-Gesagte nur Erdichtetes, geistig „Entstandenes“ und von des Wortes Mächtigen (Dichter) in sprachlich übermittelbarer Rede Dargebotenes? (Damit sprechen wir dem wirklichen Dichterwort keineswegs seine ihm eigene Würde ab!) Aber es ist doch zu fragen, woher z. B. Lukas „weiß“, was er in seinem Werk sprachlich darbringen will. Dazu gibt uns Lukas eigentlich in 1,1–4 längst seine Auskunft. Doch auch dort beruft er sich auf „Augenzeugen“ (wer ist das? und wie geschieht das rechtens und in Wahrheit und Wahrhaftigkeit, was dieses Verbum „sagt“?) dessen, was er darbieten will. Wußten diese, was sie eigentlich „bezeugten“, sogar in Auftrag-Erfüllung (u`phre,tai tou/ lo,gou) durch jemand anderen als sie selbst? Wir kommen schließlich nicht daran vorbei, es als gültig und wahr anzuerkennen, daß Gott – und darin als er selbst, Gott, erkennbar und verstehbar! – von Menschen, die er zu Zeugen und Überbringern im selben Geschehen seinerseits berief, sie zum Wahrheit-Mitteilen befähigte und sich ihnen mitgeteilt hat, und das sogar so, daß er selbst auch das Zeugnis-Wort seiner Zeugen von Anfang an mit-beglaubigt hat und mit-trägt. Ob wir für diese Zeugenaussagen nun verschiedenste Weisen des Zur-Sprache-Bringens vorfinden, es variiert nur das eine und selbe.26 25 Wir stehen hier übrigens vor dem Grundgeheimnis unseres mitmenschlichen Miteinander-Le-
bens wie Sprechens und Hörens, nämlich dem, worin sich die erkenntnistheoretisch prinzipielle Fundamental-Frage offen zeigt: Was ist Wirklichkeit und was ist Sprechen-Können, Sprache und ausgesprochene Wirklichkeit? Sind beide „Wirklichkeiten“ sachidentisch dasselbe, oder je ein wirklich anderes? Was ist das menschliche Wort, das „etwas“ sprechend-real vermitteln, mitteilen kann, in realer Wahrheit und Wahrhaftigkeit? Wie „gültig“, „sachlich richtig“ können unsere AusSagen sein und sind sie das jemals, wenn ja in welchem „Grade“ und „Ausmaß“, in welcher Fülle? Wir wissen (in der Lebendigkeit, in der wir uns als Menschen „wissen“), daß alle diese gestellten Fragen nicht erst solche des Literaturwissenschaftlers, des Exegeten und Theologen wie übrigens auch der Naturwissenschaftlers u. a. sind, sondern eines jeden Menschen, der Mensch ist, wenn er bewußt und wissentlich sein Miteinander-Leben mit seinen Mit-Menschen im Miteinander-Sprechen und Aufeinander-Hören wie Einander-Verstehen bedenkt. Wir müssen diese erkenntnnistheoretischen (!) Fragen und (vielleicht unlösbaren) Probleme hier nicht erst selbst behandeln und aufweisbar richtig lösen. Denn sie sind im konkreten Leben durch unser „selbst-verständliches“ Vollziehen erst gar nicht gestellt! 26 Wir sind hier offensichtlich prinzipiell vor die Frage gestellt, ob wir in unseren christlichen Theologien überhaupt von einem „Gott“ sprechen (können und müssen), der in dem realen Sein und Geschehen dessen erfahrbar und deswegen auch in Wahrheit aussagbar „vorkommt“, „da-ist“ und, wie auch immer, erlebbar „wirkt“, das wir „Welt-Geschehen“ und „Welt-Geschichte“ nennen, oder ob Gott als „transzendentales Wesen“ anzusehen ist, das menschlichem „Denken“ entspringt. Es
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II.
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Die Kategorie „Geburts- und Ankündigungsgeschichten“ auf Lk 1 (wie auch Mt 1) anzuwenden, mag für das literaturwissenschaftliche Verstehen des Textes auch in seiner exegetischen Erschließung angebracht, von bedeutsamen Wert und daher unverzichtbar sein. Sie reicht jedoch zur Erfassung des theologischen (in der vollen christlichen Bedeutung dieses Wortes!) Verständnisses der konkret ganz eigenartigen Bibel-Texte nicht hin, die ja Auskunft geben über Leben, Empfindungen, Handlungen und (sprachlich oder wie immer erfolgte) Wort-Äußerungen namentlich unverwechselbarer und unvertretbarer Personen, zu denen zu allererst Gott, Jahwe, selbst gehört. Solcherart Kategorien (wie auch zahlreiche andere in der Theologie zweifellos zu verwendenden Ausdrücke und Redewendungen) sind ja durch Abstraktion gewonnene Allgemein-Begriffe (welchen Grades auch immer), die das Konkret-Einmalige gerade nicht mehr mit-aussagen (können). Für das in der Bibel überhaupt und insgesamt schriftlich Dargebotene – die Bibel jetzt ausdrücklich als „Wort Gottes“ im israelitisch- christlichen Verständnis und Gebrauch verstanden, das ja unvergleichlich eigennamen-einmalig ist wie Jahwe selbst – gilt uneinholbar: Es ist ausdrücklich und erklärtermaßen das konkret namentlich gemeinte Ereignis und Zu-Wort-Gebrachte dessen, was Jahwe-Ereignis in Wort und Tat ist, das sich mit namentlich-unverwechselbaren Menschen (Geschöpfen) in und an dem GottGeschaffenen verwirklicht hat und weiter sich verwirklicht, das „Wirklichkeit/Welt“ und „Wirk-Geschehen/Geschichte“ heißen kann. Das gilt noch einmal spezifischer – wegen seiner konkreten Faktizität! – und neu-einmalig für die neutestamentlichen Texte, die mit der anerkanntermaßen analogielosen Bezeichnung „Evangelium Gottes (Jahwes)“ in die Weltliteratur „eingeordnet“ erscheint. Unter „Evangelium“ sind da nicht nur jene vier spezifisch so genannten Schriften des NT zu verstehen, sondern alle „Evangelium“-haltigen Bekundungen im Kanon der ntl. Schriften, in welcher Weise auch immer sie das eine „Evangelium“ vermitteln, berichten, verkünden und einfordern. Zum Verstehen und theologisch-vollen Erfassen der Text-AussageGehalte der Bibel (Alten wie Neuen Testaments) ist es zwar unumgänglich, sich (sog.) menschlicher Sprache und ihrer Sprach-Wendungen und Begriffe zu bedienen. Diese sagen dann auch, sachgerecht eingesetzt, wirklich Gültiges, Biblisch-Wahres aus. Es darf dabei jedoch von diesen jeweils zweifellos rechtens verwendeten Allgemein-Begriffen und deren Bedeutungsumfang her nicht gültig bestimmt werden, was die genuin biblischen Formulierungen „ersten Grades“, d. h. die Sätze der Bibel selbst sagen (mit welchen Worten immer sie es tun), so als ob der End-Sinn in der theologischen Erfassung letztlich doch nur von jenen Begriffsverständnissen her seine mögliche und aufweisbare Gültigkeit haben kann. Dabei zeigen auch die biblischen Texte stets einen „Überschuß“ an Aussage-Fülle, die nicht ein für alle Mal ausgeschöpft sein wird, weil bleibend „Wort Gottes“, das nie aus-gesagt ist, wohl immer neu spricht. ist dieselbe Frage, die sich für das sog. Auferstehungswunder ergibt. Wir brauchen hier darauf nicht mit einer Lösung zu antworten. Vgl. das im entsprechen Exkurs zu Sagende.
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Abschnitt B:
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Diese Überlegungen zu Methodenfragen in der Lesung biblischer Texte zeigen deutlich, daß die Weise, wie Lk 1,34 recht erfaßt werden kann und muß, mit der Einordnung in die Kategorie „Geburts- und Ankündigungsgeschichten“ und auch die Wertung als „Stilmittel“ des Erzählens dem Text nicht gerecht wird. Es führt eher zu Mißverständnissen. Dasselbe ist in ähnlichem Sinne von jenen Auslegungen von 1,34 zu sagen, die sich an die falsche Übersetzung halten. Das muß nicht weiter begründet werden, da sinnvollerweise nur ein richtig gelesener Text eine Auslegung verdient. Daher können wir sorglos die vielfältigen Interpretationen der „Marienfrage“ hier außer Betracht lassen (und sie anderen Auswertungsansätzen zur Klärung empfehlen, die allerdings rechtens angewendet und zielführend sein müssen). Daher gilt es jetzt, an 1,34 die einzig sachgerechte Frage zu stellen: Was will Lukas als Evangelist selbst mit diesem Satz kundtun? Wir vergewissern uns nochmals des ganzen Kontextes von 1,26–38. Zu Anfang werden die Personen in ihrer momentanen Lebenssituation vorgestellt. Zuerst wird der Bote Gabriel genannt als Gesandter Gottes, der, wie das folgende zeigt, der Maria etwas von Gott eröffnen soll, somit Überbringer, vielleicht auch Erklärer dessen ist, was ihm von Gott mitzuteilen aufgetragen ist. Dann wird die Adressatin genannt als die, der der Bote Gottes Wort (dessen Inhalt zu Anfang noch offen ist) zu überbringen (und, wie sich zeigt, näher zu erklären) hat. Das wird in einer eigentümlichen Weise genau spezifiziert angegeben, und zwar in dieser Reihenfolge: Maria ist Bürgerin in Nazareth, mit einem Mann aus dem Hause Davids namens Josef verehelicht und heißt Maria. Der Lukas-Text stellt sie also vor als „mit ihrem Mann Josef verehelichte Jungfrau“. Es wird hier betont gesagt, daß dieser ihr Ehemann (so wird Josef ja schlicht wie selbstverständlich vorgestellt) aus dem Hause Davids stammt (was für damalige Leser sogleich auf etwas Besonderes aufmerksam macht!). Wenn Josef so schlicht „Ehemann der Maria“ genannt wird, folgt unmittelbar, daß Maria als „Ehefrau des Josef “ erklärt ist. Was dann in 1,34 zusätzlich hinzugefügt wird, nämlich die Aussage dieser Ehefrau Maria, daß „sie ihren Ehemann (noch) nicht erkenne“, läßt somit im Gesamtzusammenhang wie selbstverständlich die in 1,31–34 angesprochene spezifische, person- und datum-geprägte Situation Jung-Verehelichter gemäß dem israelitisch-jüdischen Recht und Brauch erkennen. Das findet sich in Mt 1,18 genauso klar und deutlich gesagt: „Sie waren verehelicht, bevor sie zusammengekommen waren“. Genauer als in Lk 1,26–34 und Mt 1,18–25 kann man eigentlich die konkrete Lebenssituation nicht mehr angeben. Daher versteht sich die Frage Marias im LukasText (!) ohne jedes Problem: Maria bekennt sich als Ehefrau und als ihren Ehemann noch nicht erkennend, beides „gleichzeitig“. Maria ist nämlich noch nicht heimgeführt, wie der andere Fachausdruck im jüdischen Recht und Brauch es bezeichnet, und somit hat das eheliche Zusammenleben mit Josef, ihrem Ehemann, noch nicht begonnen. Von daher bestimmt sich übrigens auch die Verwendung von parqe,noj für
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II.
Zur theologischen Erfassung von Lk 1–2
die verehelichte Maria in 1,27.27 Es ist auch auf die Formulierungsweise im Lukas-Text 1,34b zu achten: evpei. a;ndra ouv ginw,skw. Wir haben schon im Abschnitt zur rechten Übersetzung die richtige Wiedergabe dieses Versteils herausgestellt. Für ginw,skw ist an den einschlägigen Bibelstellen als übliche Bedeutung dieses Verbs im Gebrauch für das hier Gesagte „ehelicher Umgang“ angegeben.28 Es begegnet sowohl allein für den 27 Es ist bezeichnend, welche Akzente seitens der Kommentatoren in dem gerade besprochenen Text
herausgehoben werden – und welche nicht. Wieder Schürmann als ein Beispiel. Auch bei ihm findet sich „verlobt mit einem Manne namens Josef “. Dann sogleich zu Beginn der Auslegung von 1,26: „Auch die Sendung des Engels zu einer Jungfrau – im Kontrast zu einem im Heiligtum amtierenden Priester 1,11–20 – ist für damaliges jüdisches Empfinden ungewöhnlich. Gott offenbart sich nun, wo und wem er will“ (War das in früherer Zeit anders? Die Bibel hat von Anfang an viele Beispiele! Wozu also diese Bemerkung?) (42). Dann zu 1,27: „Gleich einleitend wird zweimal betont auf Mariens Jungfräulichkeit hingewiesen, wobei schon – die Nähe zu VV 31ff und VV 34f beweist das (s. dort) – an Is 7,14 LXX erinnert sein soll. Mariens Verlobung muß hier schon – nicht erst 2,5 – erwähnt werden, damit die Davidsohnschaft V 32 von dem verheißenen Kinde Mariens ausgesagt werden kann, die nach jüdischer Auffassung nur vom Vater her begründbar war und demzufolge im NT einhellig auf Josef zurückgeführt wird“ (42). Wo findet Sch. in 1,26 die zweimalig betonte (!) Jungfräulichkeit Mariens, zumal der Text „Jungfrau“ sagt und nicht „Jungfräulichkeit“ betont herausstellt? Und woher nimmt Sch. den Grund für seine Feststellung „Mariens Verlobung muß schon hier … erwähnt werden“? Tatsächlich sagt Lukas nicht einfach „Jungfrau“, sondern „verehelichte Jungfrau“ (evmnhsteume,nh steht als Partizip Passiv adjektivisch unmittelbar hinter parqe,noj und spezifiziert dieses folglich!). Das wird dann im Kommentar überhaupt nicht mehr beachtet. Dann heißt es 46 in der Anm. 40 u. a.: „Wer sieht, daß der Gedanke der jungfräulichen Empfängnis der ganzen Erzählung (vgl. v 35) konstitutiv innewohnt, wird nicht daran zweifeln, daß hier vor allem Is 7,14 LXX den Erzähler beeinflußt: er wird dementsprechend schon das doppelte parqe,noj VV 27f verstehen: s. dort“. Dies ist alles in den Text hinein-gelesen. In 1,26–38 insgesamt begegnet nie die sog. „jungfräuliche Empfängnis“, am wenigsten im von Sch. als Beleg genannten Vers 25! Es wird ausschließlich nur Gottes Wirken angesagt; es wird weder von „Empfängnis“ noch gar von „jungfräulicher Empfängnis“ gesprochen! Diese wäre nur als implizit angedeutet anzusprechen, wobei es jedoch die Frage bleibt, was man dafür eigentlich in 1,26–38 in berechtigten Anspruch nehmen könnte. 28 Es ist eigenartig, wie knapp die entsprechenden Wörterbücher auf ginw,skw eingehen. Im EWNT 1 (1980) findet sich unter „Sonstiges“ diese Angabe: „Mt 1,25; Lk 1,34 vom geschlechtlichen Verkehr, sowohl im Munde des Mannes als auch der Frau. Diese Redewendung ist dem AT geläufig (z. B. Gen 4,1,17.25: 19,8), aber auch dem heidnischen Hellenismus (als Semitismus?) nicht unbekannt (oft bei Plut.)“ (598f). Im ThWNT 1 (1933) findet sich nur dieser einzige Satz als uns interessierende Auskunft im Zusammenhang mit der Erklärung von [dy: „Daher kann [dy Objekte erhalten, die im Griechischen zu ginoskein kaum oder nicht gesetzt werden können wie Schläge (1 S 14,21), Kinderlosigkeit (Js 47,8), Krankheit (Js 53,3), Gottes Strafe oder Rache (Jer 16,21; Ez 25,14). Wohl ist in LXX in diesen Fällen meist ginoskein gebraucht; besser würde meist aisthanestai sein, und es ist charakteristich, daß der Unterschied zwischen ginoskein und aisthanestai nicht empfunden wird. In diesem Zusammenhang ist wohl auch der Gebrauch von [dy für den geschlechtlichen Umgang zu verstehen (Gn 4,1.17.25 etc, nicht nur vom Mann, sondern auch von der Frau gesagt Nu 31,18.35; Ri 21,12“ (696). – Bauer, Wörterbuch gibt zu ginw,skw diese Bedeutung: „5. v. Beischlaf (…) m. Akk. v. Mann (Gen 4,1.17; 1 Kö 1,18; Jdt 16,22); Mt 125 (zu Mt 2,24.25 vgl. sachl. Plut. …); v. Weib (Ri 11,39; 21,12 …) Lk 1,34 (…)“ (320). – Bemerkenswert auch, was Zerwick, Analysis zu ginw,skw in 1,34 sagt: „ginw,skw cognosco (scl per copulam maritalem; euphem. hebr.) a..;. ouv gin. describit statum virginalem cum implicita voluntate retinendi eum“ (130).
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Abschnitt B:
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Mann wie auch allein für die Frau gesetzt, auch dort wo der andere Ehepartner nicht mitgenannt wird. Was an sich wohl selbstverständlich ist, nämlich daß „ehelicher Umgang“ immer „Miteinander-Umgang-Haben“ bedeutet, das wird oft übersehen oder gar ignoriert. Deswegen ist mit „ich erkenne nicht“ hier auch „wir erkennen uns nicht“ mit-ausgesagt. Damit ist schlicht das (auch Menschen damaliger Zeit bewußte) Wissen um das Faktum angesprochen, daß es des Wir-Aktes von Mann und Frau bedarf, einem Kind das Dasein zu schenken; in ihm „agieren“ beide in gemeinsamem Akt, in dem der einzelne zwar „nur“ seinen natur-bestimmten „Anteil“ „leistet“, doch in gleich-bedeutsamer und aufeinander abgestimmter Weise. Ein Ehepartner allein zeugt nicht das Kind; auch erfüllt keiner von beiden den Hauptanteil zu dessen Werden und Daseinsbeginn. Deswegen ist die Frage des lukanischen Textes nach dem „wie geschieht das“ im Gefolge des Botenwortes „du sollst/ wirst im Schoße empfangen … und wirst gebären“ gleichsam selbstverständlich. Denn es bedarf, gemäß dem allgemeinen „Vor“-Wissen, des spezifischen Aktes, damit die Frau „empfängt“ und dann zur naturvorgegebenen Zeit „gebiert“. Deswegen verweist die Formel der Fragestellung genau darauf hin: die Verehelichten, doch noch nicht zusammengekommenen Josef und Maria (diese allein sind hier ja spezifisch gemeint!) vollziehen miteinander noch nicht den Akt, der naturbestimmt das erst ermöglicht (und bekanntlich auch nicht immer in jedem Fall bewirkt), was „Empfängnis“ genannt wird. Diese ist ja nicht das (aktiv-bewußte) Tun, das die Frau, gar allein, vollbringt.29 Nach dieser Sowohl die Bemerkung „euphem. hebr.“ befremdet, da das in den biblischen Texten nie anklingt, wie auch das dezidierte Sprechen von „status virginalis cum implicita voluntate retinendum eum“, was durch nichts gerechtfertigt ist. 29 Siehe zur Frage des rechten Verständnisses von „Empfängnis“ u. ä den Exkurs zu „genna,w „. ––– Zur Wiedergabe von 1,34b im Deutschen seien folgende Beispiele gebracht. Schmithals übersetzt so: „da ich doch keinen Mann habe“; im Kommentar dazu wird nichts weiter gesagt. ––– Rengstorf übersetzt: „da ich keine Gemeinschaft mit einem Manne habe“ und bietet dazu keine weitere Erklärung. ––– Gaechter (Lk-Kommentar) übersetzt: „weil ich einen Mann nicht erkenne“; als Kommentar dazu: „Maria glaubt, und dann erst sucht sie für die auftauchende Frage Lösung. Die Frage macht die menschliche Unmöglichkeit bewußt, Mutterschaft und Jungfrauenschaft zu vereinen … Die Frage Mariens leitet zugleich auch die göttliche Erklärung ein, die dieses Geheimnis finden soll (1,35). Lukas … die Frage schien ihm wichtig; denn die läßt aufhorchen. Wir haben auch selbst die Frage: Wie kann Jungfrauenschaft und Mutterschaft vereinigt werden?“ (45f). ––– Schneider (Lk-Kommentar) gibt den Text so wieder: „Wie soll das geschehen, da ich mit keinem Mann zusammenlebe“ (47). Das wird nicht weiter kommentiert. ––– Radl (Lk-Kommentar) bleibt bei der falschen Übersetzung „da ich keinen Mann erkenne“ und sagt zu 1,34: „Das größere Rätsel ist aber die Frage V 34. Das Problem besteht darin, daß sie ‚für eine Braut absurd ist‘ (Zitat Bultmann)“. Zur Erklärung gibt es verschiedene Theorien. … Was wir vor uns haben, ist offenbar keine dem Text über Johannes angepaßte Erzähltradition, sondern ein dem Redeabschnitt jenes Berichts nachgestalteter Verkündigungsdialog und damit ein vom Grund auf redaktioneller Text. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage Marias ein redaktionelles, im Grunde künstliches, in ihrer literarischen Funktion erklärbares Element, nämlich als gesteigertes Gegenüber zu dem vergleichbaren Einwand des Zacharias“ (57f). Dazu noch: „Bei der Frage 34 nimmt Lukas allerdings in Kauf, daß der Einwand, der sie begründen soll, wie oben festgestellt, selbst ganz unbegründet
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II.
Zur theologischen Erfassung von Lk 1–2
Klärung des tatsächlichen Inhalts von 1,34 können wir zu 1,35 weiterschreiten, mit dem auf die Frage Marias hin der Bote antwortet. e) Lk 1,35
Die Antwort des Boten lautet: pneu/ma a[gion evpeleu,setai evpi. se. kai. du,namij u`yi,stou evpiskia,sei soi\ dio. kai. to. gennw,menon a[gion klhqh,setai ui`o.j qeou/ – Heiliger Geist wird über dich kommen und des Höchsten Kraft wird dich überschatten; deshalb wird das Geborene heilig genannt werden, Sohn Gottes. Zur rechten Übersetzung brauchen wir hier nichts weiter zu sagen; wir versuchen vielmehr, den Aussage-Gehalt dieses Boten-Satzes im lukanischen Text theologisch zu erfassen, was am besten sogleich im Gepräch mit dem geschieht, was Schürmann dazu festzustellen meint. Der Bote spricht offensichtlich von dem, was Gott zu tun gedenkt. Es wird dies in einem vom hebräischen parallelismus membrorum geprägten Satz gesprochen; beide Satzglieder sagen somit dasselbe, bei dem auch auffällt, daß sowohl pneu/ma a[gion wie du,namij u`yi,stou ohne Artikel gesetzt sind. Die Formel „heiliger Geist wird über dich kommen“ ist durch ihr häufiges Vorkommen sowohl im AT wie im NT ohne Problem verständlich. Wie wir schon für Mt 1,18–25 feststellen konnten, so erweist sich das artikellose pneu/ma a[gion als ein eigenartig offener (Sprach)Ausdruck für Gott „Jahwe“ selbst, sein konkretes Da-Sein aufgrund seines Sich-gegenwärtig-Gebens mit erkennund verstehbarem Sinn- und Gehaltgeben seines konkret geprägten (eben nicht „allgemeinen“) Da-Seins (Jahwe-Seins, wenn man es so formulieren darf, um in solchen Fällen jegliche Abstraktheit auch im Sprechen zu vermeiden). Es gibt eine Fülle von möglichem Zur-Sprache-Bringen dieses Ausgesagten in seiner (von Gott selbst!) gemeinten und offengedeckten Inhalts- und Bedeutungs-„Fülle“. Es ist das jeweilige Da- und Wirk-Quellgrund-Sein Gottes selbst, das in diesen Fällen mit pneu/ma a[gion angesprochen erscheint.30 Wegen dieser großen Offenheit der Bezeichnung pneu/ma ist. Aber nur so kommt der Evangelist zu der beabsichtigten christologischen Aussage. Er braucht das Wort Marias „da ich keinen Mann erkenne“, wenn er von der geistgewirkten Empfängnis Jesu sprechen will. So unverständlich dieser Hinweis der Verlobten in der vorausgesetzten Situation auch ist, er ist literarisch notwendig, wenn Jesu Ursprung aus dem Geist Gottes und damit seine in diesem Sinn zu verstehende Gottessohnschaft zur Sprache kommen soll“ (65). Das hier Gesagte ist schon ärgerniserregendes Lesen und Mißdeuten des Textes, der dort tatsächlich steht. 30 Es sei hier wieder auf den Exkurs „pneu/ma a[gion“ in den ntl. Texten“ hingewiesen, in dem diese Sinnfülle (und folglich bezeichnend reiche Offenheit) hingewiesen wird. Hier sei nur das Folgende zu dem im Haupttext oben Herausgestellten angefügt. Tatsächlich erweist sich ja schon im AT hw"hy>-x;Wr – pneu/ma kuri,ou u. ä. als fast identische Namen-Bezeichnungen für Jahwe allein. Doch ist gerade darauf zu achten, daß wohl eine „Sach“-Identität von Jahwe allein und hw"hy>-x;Wr angesprochen erscheint, aber deswegen die Vielfalt der Weisen von dem einen und selben Jahwe zu sprechen ihren Grund sicher darin hat, daß bei einem jeden Sprechen von Jahwe und seinen Wirk-„Weisen“ schon im AT immer darauf Bedacht genommen ist, daß alles rechte (!) Reden von Jahwe immer nur „etwas“ auszusagen imstande ist und deswegen sogar für solche Wendungen wie hw"hy>-x;Wr, hw"hy> %a;l.m; der Name allein seine Fülle nicht auszusagen vermag. Das darf nicht so ver-
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Abschnitt B:
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a[gion ist folglich genau auf den Kontext zu achten, in dem diese Wendung eingesetzt ist. So dürfen und müssen wir dieses feststellen: Gemäß dem Lukas-Text ist von 1,26– 33 her eindeutig klar, von wem auch in 1,35 die Rede ist. Es ist Maria, die in ihrer momentanen Lebenssituation von Gott angesprochen ist, und das mit einer ungewöhnlich anmutenden, aber von Gott intendierten offen- und klargelegten „Sach“und „Wirk“-Absicht, die geschehen, verwirklicht und vollbracht werden soll, worin Maria „irgendwie“ ihren von Gott ausersehenen „Platz“ hat. Darauf zielt ja die Frage Marias 1.34 (ob die nun von Lukas selbst ursprünglich formuliert oder von ihm vorgefunden wurde). Vers 1,35 scheint, vorschnell gelesen, Antwort genau auf diese Frage (die meist mit viel zu engem Sinn gelesen wird) in 1,34 zu geben. Bei näherem Zusehen zeigt sich jedoch, daß schon die Frage Marias „pw/j e;stai tou/to – wie soll das alles geschehen“ das in 1,31–33 insgesamt Ausgesprochene meint, und daß auch der Bote, also Gott!, entschieden „mehr“ kundtut. Wir sollten das vor der Einsichtnahme in 1,35–38 offenhalten. Es könnte (wir vermuten jetzt aus erfolgter Zur-Kenntnisnahme der Aussagen 35–38; daher „könnte“) sich herausstellen, daß seitens Gottes „anderes“ gesagt erscheint, nämlich daß das, was wir meinen als Antwort auf 34 erwarten zu müssen, gerade nicht ausgesagt wird, wenngleich es – erstaunlich – doch der Frage gerecht wird. Der erste Teilsatz sagt: „heiliger Geist wird über dich kommen“. Wir wissen inzwischen, daß „heiliger Geist“ hier wegen seiner erkannten allgemeinen Offenheit und wegen des Kontextes in 1,26–38 schlicht als „Jahwe selbst“ zu verstehen ist (wobei wir nach wie vor die allgemeine Offenheit gelten lassen!).31 Wir betonen hier die Notwendigkeit des Offenlassens der Textaussage deswegen besonders, weil in ihn sehr oft Erstaunliches hineingelesen und er dementsprechend interpretiert und ausgedeutet wird. Ein Musterbeispiel dafür gibt Schürmann mit seinen einleitenden (!) Sätzen für die Auslegung von 1,35a: „Die Frage (d. i. 34: R. S.) hat der folgenden Erklärung des Engels den Weg bereitet: Die Verlobte wird ohne ehelichen Verkehr, eben als Jungfrau (V 27), empfangen. … die Erklärung des Wie gegeben. pneuma hagion – wegen des Parallelismus und der Artikellosigkeit gleichbedeutend mit der dynamis Gottes zu nehmen – wird das Wunder in ihr wirken, die schöpferische Allmacht Gottes, bei dem ‚nichts unmöglich ist‘ (V 37). Gemeint ist das Pneuma, das am Anfang der Schöpfung über den Wassern schwebte (Gn 1,2) und für die Zukunft als aus der Höhe herabkommend erwartet wird (Is 32,15)“ (52). Daß aus 35a als Erstes „die Verstanden werden, daß mit hw"hy>-x;Wr, hw"hy> %a;l.m; ein „anderer“ genannt würde als Jahwe und daher von „zweien“ die Rede sei. Die „Vokabeln“ „Geist Jahwes“, „Bote Jahwes“ wie hw"hy>-rb;d> – „Wort Jahwes“ geben den „einen und selben“ an, Jahwe (auf den „Monotheismus“ der Bibel hier hinzuweisen, wäre absurd, weil die nur Jahwe kennt, der allein rechtens „der Gott Israels“ ist; deswegen ist aber nicht Jahwe ein Gott). Alle diese gewählten Beispiele dafür, wie und was in der Bibel von pneu/ma a[gion gesprochen erscheint, sind u. a. auch dadurch charakterisiert, daß es sich immer um konkrete, namentlich genannte Geschöpfe/Menschen und in deren spezifischen Lebenssituation handelt, von denen diese Geist-Erlebnisse ausgesagt sind (von ihnen selbst wie auch den jeweiligen „Berichterstattern“). Das mit-zu-beachten ist zum Verständnis auch von Lk 1,35–37 unabdingbar. 31 Die Begründung ist in dem zuvor Entfalteten gegeben.
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II.
Zur theologischen Erfassung von Lk 1–2
lobte wird ohne ehelichen Verkehr, eben als Jungfrau (mit Bezug auf 1,27!) empfangen wird“ ausgesagt behauptet wird, ist ungeheuerlich. Der Text sagt „nur“: „heiliger Geist wird über dich kommen“, ohne jede (von uns erwartete) Erklärung, „was“ damit genau gesagt sein soll. Der vom Boten gesprochene Satz, dem ja noch ein weiterer (doch im Sinne des hebräischen Parallelismus der Bibel zu verstehender) Satz unmittelbar folgt, sagt alles, was Jahwe hier meint sagen zu sollen (wie übrigens Maria gemäß 1,38 auch genau versteht!). Wir nehmen dieses eine Beispiel einer Fehlinterpretation als neuerliche Aufgabe, den Text selbst zu Ende sprechen zu lassen und so herauszuhören, was er kundtut. Der soeben schon genannte Parallelsatz in 35 sagt auf seine Weise, nämlich mit „du,namij u`yi,stou evpiskia,sei soi“ das, was wir aus „heiliger Geist wird über dich kommen“ herausgehört und ausgesprochen haben: Jahwe selbst wird das Ausgesagte tun. Es ist gemäß biblisch gewohnten Sprechens (wenngleich in einzelnen, konkreten Fällen angewendet) ohne Weiteres verständlich.32 Schürmann spricht von „gleichbedeutend“ für beide Formulierungen (pneuma und dynamis). Das ist zu unterschreiben, darf jedoch nicht dazu verführen zu übersehen, daß der Text eben dasselbe in zwei sprachlichen Ausformulierungen sagt (warum?); eine hätte genügt (so sagen wir). Wir haben den Text selbst gelten zu lassen – und zunächst nur, was er und wie er es ausspricht. „pneu/ma a[gion“, so haben wir erkannt, ist ein ungemein offener Ausdruck. Dasselbe gilt übrigens für „über dich kommen“. Dieses Verb, für sich allein verstanden, kann vieles aussagen.33 Im Kontext wird hinreichend klar, 32 Das Verb evpiskia,zw steht hier in 1,35a parallel zu evpe,rcomai und ist in gleicher Weise als offen spre-
chend anzusehen. Vgl. dazu Apg 5,15. Zur Erklärung der Bedeutung dieses Verbs werden meist folgende Stellen angeführt: Apg 5,15 mit „überschatten, seinen Schatten werfen“; „bedecken“ m. Akk. d. Pers. von der Gegenwart Gottes bekundenden Wolke (vgl. Ex 40,35 …) Mt 17,5; Lk 9,34; Mk 9,7 (m. Dat.; Ps 90,4): So Bauer, Wörterbuch 590; dort fügt er Lk 1,35 mit einer ganz eigenartigen Bedeutung hinzu: „als geheimnisvoll verhüllender Ausdruck für das, was Maria befähigt, das göttl. Kind zu gebären“ (591). Das ist schon eine Ausdeutung, die zu diskutieren ist. Es bleibt dabei, daß evpiskia,zw ein offener, für Unterschiedliches im AT wie im NT eingesetztes Wort ist. Die Bedeutung in 1,35a wird im folgenden noch zu besprechen sein. 33 Im ThWNT 2 (1935) wird für evpe,rcomai diese Verwendung angegeben: „Der Gebrauch des Wortes im Neuen Testament ist von zwei Ausnahmen (Eph 2,7 u. Jk 5,1) abgesehen auf die Lk-Schriften beschränkt. In übertragenem Sinn hat es die Bdtg über jem kommen; ein Stärkerer kommt über den Schwächeren (Lk 11,22). Von dieser Bedeutung her wird der religiös-theologische Gebrauch des Wortes verständlich. Der heilige Geist, der als göttliche Kraft vorgestellt wird, kommt über die von Gott begnadeten Menschen. Von der Verheißung des heiligen Geistes, der über begnadete Menschen kommen wird, ist 2mal die Rede: Lk 1,35 (Verheißung an Maria) u Ag 1,8 (Verheißung an die Jünger bei der Himmelfahrt Jesu). Die übrigen Stellen bei Lk (…) beziehen sich auf künftiges Verderben …“ (678). Hierzu ist kritisch zu bemerken: „Der sog. religiös-theologische (was ist das?) Gebrauch wird verständlich (?) aus der (einzigen!) Stelle Lk 11,22 ‚der Stärkere über den Schwächeren‘“: das kann berechtigt nicht gesagt werden. Dann wird ‚der heilige Geist‘ ohne jede Begründung „als göttliche Kraft vorgestellt“ (wo? In 1,35a stehen „Geist“ und „Kraft nacheinander, mit je anderer Genitiv-Bestimmung. Auch widerspricht es allem ntl. Gebrauch von „(heiligem) Geist“, ihn als „Kraft die von Gott über begnadete Menschen kommt“ zu bezeichnen. Die angegebenen Beispiele allein sagen dies nicht aus. Das EWNT 2 (1981) sagt, mit Quellenangabe, dies:
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Abschnitt B:
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was es hier aussagt (und was also nicht): Es ist das Kommen des heiligen Geistes „über“ Maria angesagt, ohne Angabe eines wie immer gearteten Wirkens oder „Beeindruckens“ in oder mit diesem „kommen über“. Dieselbe Feststellung hat für „überschatten“ zu gelten, was ähnlich offenbleibend dieses sagt: „wird dich überschatten“. Auch dieses Verb gibt, für sich allein genommen, keine nähere Auskunft über „Wirkungen“ o. ä. Wieder sind wir auf den Kontext verwiesen, in dem du,namij irgendwie als Ausdruck für „Macht, Kraft, Vermögen, Fähigkeit“ klar ausgesagt ist, und zwar näher durch den Genitiv „u`yi,stou“ bestimmt: „des Höchsten“, also genauer von Gottes (Jahwes) Kraft die Rede ist, allerdings wieder so, daß deren „Wirken“ oder „Auswirkung“ mit keiner näheren Angabe versehen ist. Daher ist auch das zunächst gelten zu lassen: es ist eine offene Ansage.34 Eines ist eindeutig klar: 1,35a erklärt, daß Gott dieses zu tun gedenkt, „über dich kommen“ und „dich überschatten“, und dies der Maria in ihrer jetzigen Lebenssituation vom Boten Gottes kundgetan wurde; mehr steht da zunächst nicht. (Auf die möglichen oder auch ungerechtfertigten weiteren Auslegungen und Interpretationen von 35a müssen wir jetzt noch nicht zu sprechen kommen.) Wir wenden uns vielmehr den Aussagen von 35b zu, die der Text selbst unmittelbar anschließend vorbringt. Der Text 35b schließt mit „dio. kai. – deswegen (auch)“ an 35a an; damit ist das, was jetzt gesagt wird, irgendwie als Folge dessen angegeben, was in 35a Ausdruck fand. Dabei haben wir mitzubeachten, daß 1,35 das schon in 1,31–33 Gesagte klärend ergänzt bzw. verdeutlicht. Schon in 32 ist Jesus (!) „groß“, besser „Groß(er)“ (als Namen-Bezeichnung für Jahwe im AT) und „Das Komp. von erchomai ist lukanisches Vorzugswort. … Die neutrale Bedeutung herbeikommen liegt Apg 14,19 vor … Die Bedeutung über jemand (epi mit Akk. Lk 1,35 …) begegnet häufig im negativen Sinn … Zwei von Lukas wohl aufeinander bezogene Stellen sprechen (bei persönlicher Anrede der Verheißungsempfänger) vom „heiligen Geist“, der über Maria (1,35) bzw. die ‚Apostel‘ (Apg 1,8) kommen wird (…)“ (51f). Bauer, Wörterbuch, wiederholt dieselben Feststellungen (563f). Insgesamt zeigt sich die Offenheit der Wendung. Für 1,35 heißt das, daß sie von sich aus allein nichts Näheres herauslesen läßt. 34 Zur Bedeutung von du,namij u`yi,stou in 35a ist dies zu beachten: Für u[yistoj gibt Bauer, Wörterbuch diese, uns jetzt angehende Bedeutung an: o` u[yistoj der Allerhöchste v. Gott (…) o` qeo.j o` u[y. Mk 5,7; Lk 8,28; Ag 16,17; Hb 7,1 (Gen 14,18. Dafür o` u[yistoj der Allerhöchste (…) AG 7,48; 1 KI 29 … Dafür ohne Art. u[yistoj Lk 1,35.76. ui`o.j u`yi,stou V. 32 (v. Christus)“ (1681f). Damit ist in 35a folglich Gott genannt, wenngleich in einer besonderen Weise. Dazu steht es im Genitiv zu du,namij, was selbst durch u`yi,stou näher bestimmt erscheint. Zu diesem du,namij ist dieses festzustellen: Wir halten uns an die Bestimmungen, wie sie in EWNT 1 vorgelegt sind. „d. hat (im NT: R. S.) einen großen Bedeutungsumfang. Das zeigen die verschiedenen Worte, mit denen es verbunden oder in parallelen Aussagen gebraucht wird … Ein Kennzeichen Gottes ist seine d.: … Im AT können Macht und Name Gottes synon. gebraucht werden. Bei den Rabbinen ist ‚Macht‘ eine Umschreibung für den Gottesnamen … Auch Mk 14,62 ist d. Ersatzwort für den Eigennamen Gottes … Gottes Macht und Gottheit sind synon. Aussagen“ (861f). Es seien noch Mt 26,64 und Mk 14,62 angegeben, wo bezeichnenderweise du,namij schlicht für „Gott“ steht: o;yesqe to.n ui`o.n tou/ avnqrw,pou evk dexiw/n kaqh,menon th/j duna,mewj kai. evrco,menon … So erscheint du,namij als (ein) Name, der für Jahwe stehen kann. – Wieder zeigt sich, daß auch du,namij ein sehr offener Ausdruck ist, was für das Verständnis von 1,35a unbedingt zu beachten bleibt.
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II.
Zur theologischen Erfassung von Lk 1–2
„Sohn des Höchsten“ benannt, was in 35b vom Geborenen aufs neue ausgesprochen wird: „Heiliger (wieder Name Jahwes)“ und „Sohn Gottes“. Dies gilt, wie immer man meint 35b philologisch richtig erfassen zu müssen.35 Die Feststellung Schürmanns „to. gennw,menon ist also als Subjekt zu nehmen, a[gion als Prädikatsnomen“ gilt sicher; was er jedoch sogleich hinzusagt, „wobei ui`o.j qeou/ als lose Apposition angefügt wird“ (54f), mindert den Aussage-Gehalt doch wieder. Insgesamt ist in 1,35 das in 35a Gesagte als „sachliche“ Begründung für das in 35b Ausgesprochene anzusehen. Das heißt aber, daß ausdrücklich Gottes Tun („über dich kommen“ und „dich überschatten“) als das angesprochen ist, was Jesu (!) real-namentliche Benennung als sein „Wesen“ und Sein ansagt: Heiliger, Sohn Gottes; der Geborene ist das, weil Gott jenes tat. Wenn es als nötig angesehen wird, muß man sogar sagen: Gott allein „wirkte“ dies, was Jesus ist (nicht erst wird!). Wir sollten auch dieses in seiner eigenartigen Offenheit zur Kenntnis nehmen. Was Gott da eigentlich tat und was alles die Wirkung dieses Tuns Gottes (beachten wir nochmals: nur „über dich kommen“ und „dich überschatten“!) näherhin und genau war, kann – sofern überhaupt berechtigt – nur durch folgernde Erschließung der faktischen Text-Aussagen erhoben werden. Das ist hier (noch) nicht unsere Aufgabe. Wir versuchen hier ja zunächst das klar zu erfassen, was der Text selbst sagt.36 f) Lk 1,36–37
Von diesem Vers wird oft, ähnlich wie für 1,34, behauptet, er sei für die Leser, nicht als für Maria geltend, gebracht: „Die unerhörte Erklärung des Engels in V 35 muß gegen Zweifel – der Leser, nicht Mariens – abgeschirmt werden“, meint Schürmann (56) mit vielen anderen. „Er will demonstrieren, daß Gott auch eine jungfräuliche Empfängnis bewirken kann: Die späte, ebenfalls wunderbar gewirkte Schwangerschaft Elisa35 Schürmann geht sehr ausführlich auf dieses Problem ein (S. 54–55). Es ist für das rechte Verständ-
nis der Aussagen in 35b nicht ganz unbedeutend. Wir zitieren einige Sätze aus Schürmann: „Die mehrdeutige Formulierung ist nicht so zu verstehen, daß hinter a[gion ein e;stai kai zu ergänzen und klhqh,setai zu ui`o.j qeou/ zu ziehen ist … (es) folgt in LXX und im NT kale,sqai dem Prädikatsnomen in derartigen Wendungen regelmäßig. Letzteres spricht auch gegen den Versuch, to. a[gion zu gennw,menon zu ziehen und als Subjekt durch das Prädikatsnomen ui`o.j qeou/ bestimmt werden zu lassen. Dabei verlöre a[gion seinen Akzent; gerade das Zustandekommen der ‚Heiligkeit‘ Jesu durch das pneu/ma a[gion soll aufgezeigt werden. … ui`o.j qeou/ lose Apposition. Diese wird beigegeben … auch aus christologischen Gründen. Die christologische Aussage ist der von Röm 1,3 auffallend verwandt … Lk 1,35 ist die ‚Heiligkeit‘ und ‚Gottessohnschaft‘ aber … nicht erst mit der Auferweckung und Erhöhung (…) bewirkt, sondern schon der menschlichen Natur Jesu in ihrer irdischen Existenzphase zuerkannt“ (54f; das wird noch weiter besprochen). Nicht allen der in diesem Zitat gebrachten Feststellungen ist zuzustimmen; es sollte nur beispielhaft das philologische (und dann auch exegetische) Problem aufgezeigt sein. – 36 Wir werden uns allen diesen Auslegungsweisen noch spezifisch zuwenden, wenn wir die Wendungen „jungfräuliche Lebensentstehung“ u. ä., die sehr oft gebraucht werden, kritisch auf ihren Sinn und ihre Berechtigung betrachten werden.
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Abschnitt B:
Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
beths … beweist, daß Gott alles vermag (vgl. Gen 18,14a): Er kann auch eine jungfräuliche Empfängnis bewirken“, behauptet Schürmann weiter (56f). Das ist im besten Falle eine auf manchen Umwegen erreichte Folgerung aus der Text-Aussage, die selbst nicht mit einer Silbe davon spricht.37 Wir lassen gelten, was wir lesen: Der Bote (also immer noch: Gott selbst) gibt Maria diese Auskunft, mit dem sicher wichtigen Zusatz: „o[ti ouvk avdunath,sei para. tou/ qeou/ pa/n r`h/ma – denn nicht ist unmöglich bei Gott jedes Wort/Sache“ (hebr.: „ist denn etwas zu wunderbar für Jahwe?“; Lk zitiert die LXXFassung). Daß Lukas diesen Vergleich mit Elisabet in Steigerung zu 1,8–17 bringt, gilt, weil ja anerkannt ist, daß er sein ganzes (!) Evangelium kunstvoll gestaltet hat. Daraus folgt jedoch nicht, daß er im Text selbst von so etwas wie „jungfräuliche Empfängnis“ spricht. Daher belassen wir es hier zunächst bei dem gerade Festgestellten.38 g) Lk 1,38
Dieses Wort Marias bezieht sich im Kontext von Lk 1–2 auf die ganze Boten-Rede 1,28–37, nicht nur 35–37. Zum Ganzen spricht Maria dieses antwortende, ein- und zustimmende Wort. Wir beachten, daß es offensichtlich auf Gott hin gesprochen ist: „Siehe – Magd des Herrn (Jahwe).Mir geschehe gemäß deinem (Gottes!) Wort“. Damit ist – jedenfalls im Lukas-Text – klar gesagt, daß Gott etwas der Maria klar zu verstehen gegeben hat, und zwar etwas, das ihr in ihrer spezifischen Lebenssituation gesagt und zur Kenntnis gebracht wurde – und das war insgesamt etwas Unerhörtes, ja Unerahnbares (wir brauchen das hier nicht nochmals im einzelnen zu zeigen, aber doch wach vor Augen halten). Dazu spricht sie ihr „Siehe – Deine Magd“. Und: „geschehe mir“. Damit ist das Begriffen-haben Marias schlicht mit-ausgesagt, daß sie selbst keinen irgendwie gearteten Verhaltensauftrag seitens Gottes erhalten hat, und somit geschehen lassen soll (und nun auch will), was Gott kundgetan hat und selbst zu erfüllen gedenkt – wenn Maria einstimmt, es also ihrerseits geschehen läßt. Von irgendeinem Mit-Wirken o. ä. ist keine Rede. Auch Formulierungen wie „an ihr“ oder „in ihr“ geschehen lassen sind nicht gerechtfertigt, da wir ja gar nicht wissen, was mit den in 28–37 sehr vielsagenden, aber dabei doch sehr offen bleibenden Worten genau (gar ausführlich) ausgesprochen worden ist. Der weitere Text des LkEv selbst wie auch andere ntl. Texte können dann noch mehr zu dem zu sagen haben, als wir zunächst nur in 1–2 lesen. Auch sollte nicht vermutet werden, daß Lukas von allen 37 Wir werden uns den Fragen, die in bezug auf Formeln wie „jungfräuliche Empfängnis“ u. ä. und
„Gottes Bewirken dieser Art Lebensentstehung Jesu“ speziell zuwenden, wenn wir die Frage zu beantworten versuchen, aus welchen ntl. Text-Aussagen derartiges überhaupt seitens der Exegeten und Kommentatoren herausgelesen wird. Sie begegnen allzu oft, als daß man über sie hinwegsehen dürfte. Es sind aufgrund verschiedenster Vor-Einsichten selbstverfertigte Schwierigkeiten mit dem Text und seiner rechten Interpretation, die es aufzudecken und zu überwinden gilt. 38 Siehe dazu die später folgenden zusammenfassenden Feststellungen, die herausheben, was genau die Text-Aussagen aussprechen, und was eindeutig nicht ausgesagt ist.
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II.
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ihm zuvor geschriebenen ntl. Texte überhaupt keine Kenntnis hatte (er muß nicht nachweislich alles gelesen haben), so etwa von dem, was in Röm 5 und 8, in Gal 4, in Phil 2,5–11 und Joh 1 jedenfalls als konkretes Glaubenswissen der ersten Generation judenchristlicher wie heidenchristlicher Gemeinden tatsächlich (schon) vorlag. Auch wenn wir das in Einzelheiten nicht durch Lukas rezipiert vorfinden, so kann man sinnvoll nicht annehmen, er habe von alledem schlicht keine Kenntnis genommen, als er den Plan seines Werkes faßte. Wir nehmen nur nochmals davon Kenntnis, daß auch das Wort Marias in 38 eindeutig bestätigt, daß Gott ihr bekundet hat, was er Wirklichkeit werden zu lassen gedenkt.
4. Lk 1,39–80
Aus diesen Versen betrachten wir jetzt nur die Sätze und Aussagen, die bezüglich der Herkunft Jesu Christi auf ihre Weise das eine oder andere dazu Festzustellende ansagen. Wir setzen nach wie vor die aufgrund exegetisch-fachlicher Arbeiten gewonnenen Erkenntnisse voraus, um die Aussage-Inhalte theologisch zu erfassen. Im Vers 42, im Grußwort Elisabets an Maria, begegnet „o` karpo.j th/j koili,aj sou – die Frucht deines Leibes“. Im lukanischen Kontext mit 2,26–38 zusammengeschaut ist das offensichtlich als das zu verstehen, was Maria im Schoße trug nach dem antragend an sie ergangenen Worte Jahwes und ihrem einstimmenden „es geschehe mir“ (38) und noch vor ihrem Gebären. Wir können mit vollem Recht sagen: Es ist damit konkret (und ungekürzt) das angesagt, was ihr von Gott selbst zuvor in 1,31–33.35–36 insgesamt kundgetan wurde. „Frucht des Leibes“ besagt hier das „Empfangene, noch nicht Geborene“. Das wird sogleich in 43 näher bestimmt: Maria, die Elisabeth aufgesucht hat und vor ihr steht, wird von dieser „mh,thr tou/ kuri,ou mou – Mutter meines Herrn“ benannt. Streng genommen wird somit schon die „mh,thr – Mutter“ genannt, die diese Leibesfrucht empfangen, aber noch nicht geboren hatte, eben (noch) im Schoße trug. Die Genitiv-Bestimmung „meines Herrn (Kyrios – Jahwe)“ sagt, als wessen „Mutter“ Maria von Elisabeth bezeichnet wird. „Kyrios“ wird im Kontext Lk 1–2 sowohl Gott (Jahwe) wie auch der geborene Jesus genannt.39 Wenn Elisabeth „meines Herrn“ sagt, erscheint es nicht als absolut entschieden, ob „Gott“ oder „Jesus“ (etwa als der, der „Messias“ sein wird) angesprochen ist. Man könnte auf Joh 20,28 hinweisen, wo Thomas an den auferweckten Jesus den Ausruf richtet: „o` ku,rio,j 39 In Lk 1–2 sind es folgende Stellen in den ku,rioj für Gott begegnet: 1,6.9 (beide zusammen 21:1
mit qeo,j).15.16 (evpi. ku,rion to.n qeo.n).17.25.28.32 (ku,rioj o` qeo.j).38.46.58.66.68 (ku,rioj o` qeo.j tou/ VIsrah,l).76; 2,9 dort 2x, einmal in der Vulgata mit „Deus“ wiedergegeben).15.22.23.24.39. – Für Jesus in 2,11: evte,cqh u`mi/n sh,meron swth.r o[j evstin cristo.j ku,rioj; es ist zugleich die einzige Stelle in der Cristo,j direkt mit ku,rioj verbunden ist. Dann 2,26 cristo.j kuri,ou im Munde des Simeon im Anblick des Kindes Jesus.
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Abschnitt B:
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mou kai. o` qeo,j mou“, wobei beides den einen Jesus meint. Das kann für unsere Frage zu Lk 1,43 aber nicht (ohne weiteres) eindeutige Klarheit schaffen. Daher ist es hier noch offenzulassen, ob der Name „Jesus“ nicht vielleicht doch tiefer und reicher von ihm sagt, wer er (in Fülle) ist, zumal Gott selbst den Auftrag gab, ihn so zu nennen (und Matthäus gibt dazu die Erklärung: Mt 1,21; s. d.). „Jesus“ sagt ja wörtlich: „Jahwe rettet (sein Volk)“. Eigenartigerweise gehen die Kommentatoren auf diese eigenartige Formel „Mutter meines Kyrios“ gar nicht näher ein. Wir werden dem später genau nachzugehen haben, da sich die Frage ja immer wieder stellt, wer „Jesus von Nazareth“ wirklich ist, „in Fülle“ (um es unvoreingenommen zu formulieren). Der Vers 1,45 bringt nochmals einen bemerkenswerten Satz der Elisabeth: „selig, die geglaubt hat, was ihr vom Herrn (Kyrios) gesagt wurde“. Hier ist „glauben“ offensichtlich auf Kyrios bezogen, genauer auf das, was „gesagt wurde vom Kyrios“. Ob man nun mit Schürmann „vom Herrn her“ übersetzen will oder nicht schlicht „vom Herrn gesagt“ – auf jeden Fall ist es der Kyrios, der das der Maria kundgetan hat, was Elisabeth hier anspricht. Demnach hat Maria Jahwe vernommen und ihm glaubend abgenommen, was er ihr zusprach (das ist in 1,31–33.35–36 angegeben). So der Text; dazu muß man nichts weiter fragen. Im Lobgesang der Maria 1,46–55 wird im ersten Vers direkt der angesprochen, an den der Hymnus gerichtet ist: Megalu,nei h` yuch, mou to.n ku,rion( kai. hvgalli,asen to. pneu/ma, mou evpi. tw/| qew/| tw/| swth/ri, mou. Damit ist eindeutig und klar Jahwe angeredet. Sein Wirken, seine „Huld von Geschlecht zu Geschlecht“ und nun speziell die Erwählung Marias ist das Thema dieses Lobgesangs, der ganz an den Kyrios gerichtet ist, von dem bisher in Lk 1 die Rede war. Er wird „qeo,j swth,r“, „o` dunato,j“ genannt, und „a[gion to. o;noma auvtou/ „. Zugleich wird die Huld/Barmherzigkeit dieses Kyrios, den Maria lobpreist, angeführt, die er durch alle Generationen allen erwiesen hat, besonders „unseren Vätern“, dem „Abraham und seinem Samen (Nachkommenschaft)“. Hier werden alle bisher verwendeten Namen, Prädikationen usw. aufgegriffen, die uns schon in 1,30–33.35–38 aufgefallen sind. Sie erklären sich gegenseitig und nennen zugleich auch das Geschehen (Geschichte), das vom Kyrios (Jahwe!) aufgrund seiner Huld initiiert (Schöpfung), begonnen und seitdem ungebrochen gestaltet worden ist und kein Ende kennt. Wir nehmen dies hier zunächst nur als den Kern des Aussage-Gehaltes dieses Liedes zur Kenntnis. Er geht mit so vielem, im NT als Evangelium zur Sprache Gebrachten überein, daß wir das am gegebenen Ort eingehend betrachten müssen. Was gerade für 1,42–55 hervorgehoben wurde, wiederholt sich auch in den folgenden Versen 1,57–80. In 58 wird der „Kyrios“ in seiner Huld der Elisabeth gegenüber genannt und in 66 die „cei.r kuri,ou“ angesagt, die „mit dem Johannes war“. Dem folgt sogleich der Lobgesang des Zacharias, der ähnlich wie der Marias so beginnt: „Euvloghto.j ku,rioj o` qeo.j tou/ VIsrah,l“. Dessen Erlösungswirken für dieses sein Volk, seit alters durch seine Propheten verkündet und erklärt, hat jetzt „das Horn der Errettung aufgerichtet im Haus seines Knechtes David“ (69f). Wieder werden „unsere Väter“, besonders „Abraham unser Vater“ angeführt. Das Kind Johannes wird 158
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II.
Zur theologischen Erfassung von Lk 1–2
„profh,thj u`yi,stou“ genannt werden, wofür als Begründung betont angegeben wird: Denn du wirst einhergehen „vor dem Kyrios, zu bereiten seine Wege“. Er wird „Erkenntnis des Heils seines Volkes, das in der Vergebung der Sünden besteht“ bringen, das aus dem herzlichen Mitleid unseres Gottes ergeht (76–78). Wir nehmen wieder den Gleichklang aller Namen, Prädikationen und Ausdrücke für Gottes Heilswirken zur Kenntnis; sie werden ganz „einheitlich“ in allen Versen von Lk 1–2 eingesetzt.
5. Lk 2,1–52 a) Lk 2,1–20
Dieser Abschnitt wird meistens so verstanden, wie es Schürmann formuliert: „Die Geburt Jesu in der Davidsstadt und ihre Verkündigung vor den Hirten“, welch letzteren Teil er so benennt: „Die Verkündigung vor den Hirten und ihre Bestätigung“. Wieder gehen wir auf literarische wie exegetische Untersuchungsergebnisse nicht weiter ein, setzen sie vielmehr als eingesehen voraus und erheben das, was zur theologischen Erfassung für unsere Fragestellung klar erkennbar ausgesagt erscheint.40 Die Verse 2,1–7 überschreibt Schürmann mit „Die Geburt Jesu in der Davidsstadt“ und beginnt so: „Ohne jedes biographische Interesse, aber auch ohne alle erbauliche Ausmalung wird VV 67 mit denkbar wenigen Worten das große Heilsereignis erzählt, mit erstaunlicher Verhaltenheit, als ob der Erzähler Furcht hätte, durch Mitteilung näherer Umstände und Erwähnung von interessierenden Einzelheiten das 40 Schürmann nennt 2,1–21 „Weihnachtserzählung“ und sagt dazu: „sie will weder historisierend
über die Geburt Jesu protokollarisch berichten noch als gemütvolle Legende der Erbauung dienen. Die haggadisch-apokalyptische Erzählkunst Palästinas hatte bessere Möglichkeiten, geschichtliche Geschehnisse mit erzählerischen Mitteln zur Sprache zu bringen und deren Verkündigungs- und Bekenntnisgehalt gläubig und theologisch auszudeuten. Unser Erzähler (damit ist Lukas gemeint!: aus dem Kontext R. S.) stellt ‚das Wickelkind im Futtertrog‘, von dem VV 6f schlicht erzählt wird, sinnerhellend in zwei Lichtkegel: Der erste strahlt es mehr mild und andeutend aus der Tiefe der Zeiten an, aus denen die prophetische Verheißung leuchtet. Das eigentliche Licht aber fällt ‚apokalyptisch‘, offenbarend, von oben ein. So wird in das Dunkel unserer unverständlichen Herzen zweifach Licht gebracht, daß es darin komme ‚zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes auf dem Antlitz Christi‘ (2 Kor 4,6). … Das factum historicum eröffnet sich erst als Offenbarungsgeschehen in der Wort-Offenbarung, ohne die das Ereignis nicht offenbarend eröffnet würde. Hinter unserer schlichten Erzählung steht somit ein tiefes Verständnis, wie es zu ‚Offenbarung‘ kommt: In Zusammenspiel von prophetischer Erhellung und apokalytischer Er-Öffnung“ (97). Diese eher fundamentaltheologisch klingende Auskunft vor dem Kommentieren selbst als richtungweisend zu erklären, wäre intensivst kritisch zu betrachten. Ist das, was hier zur „Offenbarung“ als theologisch eingebürgertem Fachausdruck behauptet wird, überhaupt akzeptabel? Wir lassen es dabei, darauf hingewiesen zu haben, und verfolgen unsere Weise, den Text selbst theologisch zu erfassen, weiter.
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Abschnitt B:
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Ereignis nur zu verstellen: ‚Sie gebar ihren erstgeborenen Sohn …‘. Was in VV 6–7 sonst noch … gesagt wird, dient nur der erzählerischen Vorbereitung des in V 12 gegebenen Zeichens“ (98). Wir heben heraus, was für unsere Frage bedeutsam ist. In Vers 4 werden ausdrücklich Josef und Maria, beide als miteinander Verehelichte, hervorgehoben mit Einschluß des Hinweises auf Josefs Davidssohnschaft (Bethlehem). Das war ja auch die Anfangsinformation in 1,26f. In Vers 5 wird hinzugefügt: „die schwanger (e;gkuoj) war“. Von der Geburt selbst wird mit wenigen Worten berichtet.41 In 2,8–14, der Verkündigungsdarstellung, fallen die Worte des Boten durch ihre Fülle an theologisch bedeutsamem Gehalt auf, die ungemein konzentriert angesagt erscheint. Wieder ist es der a;ggeloj kuri,ou, der an die Hirten „herantritt (evpe,sth auvtoi/j)“, diesmal so, daß „do,xa kuri,ou perie,lamyen auvtou,j – die Herrlichkeit des Herrn sie rings umstrahlte“, was sie „in große Furcht“ brachte.42 Der Bote nimmt ihnen die lastende Furcht durch die Ankündigung des Euangelion, das er mitteilt, das „dem ganzen Volk“ gewidmet ist. Denn: „o[ti evte,cqh u`mi/n sh,meron swth.r o[j evstin cristo.j ku,rioj evn po,lei Daui,d – denn geboren ist euch heute der Retter, der ist Christus-Herr, in der Stadt David“. Wir bemerken wieder die betonte Auskunft „in der Stadt David“; die Davidssohnschaft Jesu ist, wie im NT immer wieder, ein festes Element der Verheißung wie der Erfüllung. Entschieden wichtiger ist die Benennung des Geborenen mit dreifacher Wendung: Soter, Christos, Kyrios, wobei das zuerst genannte Soter genauso wie das dritte, Kyrios, Gottes-Namen sind. Damit ist deutlich der Geborene als „irgendwie“ Gott-Seiender (wenn es hier so formuliert werden darf) angegeben, während „Christos“ ja zunächst immer mit dem Genitiv „kuri,ou“ 41 Die Kommentare halten sich, wenngleich sie die Unhistorizität der Erzählung betonen, eigenartig
weitschweifend mit Überlegungen und Vermutungen auf, die Textaussagen einsichtig zu machen. Für den Zensus mag das noch Sinn haben. Die Feststellung Schürmanns, „daß das Kind gewickelt und in den Futtertrog gelegt wurde, ist als Vorbereitung auf das V 12 genannte Zeichen erzählt. Das Wickeln verdeutlicht dort nur, was die Bezeichnung bre,foj noch nicht eindeutig sagt: Die Hirten sollen einen Säugling suchen, ein erst kürzlich geborenes Kind, eben ein ‚Wickelkind‘“ (104). Ist das nicht eine absurde Vorstellung: Der Erzähler will erst später etwas für ihn Wichtiges vorbringen, und dafür bringt er zuvor eine „Vorbereitung“, damit das auch verständlich wird!? Desgleichen so ernsthaft die Frage zu stellen und zu beantworten versuchen: „Wo befand sich diese Krippe?“, kann nur ein Zeichen dafür sein, daß man den eigenen Aussagen nicht traut und sich den nebensächlichsten Fragen zuwendet (immerhin zwei Seiten bei Schürmann!). 42 Bezeichnend ist, was Schürmann einleitend zu 2,8–20 vorweg sagt: „Mag die Krippe 2,1–7 noch so sehr angestrahlt worden sein vom Lichte der Prophetie – es bleibt eine doch nur schwer zu glaubende Behauptung, das Kind in der Krippe sei der Verheißene und die Erfüllung aller Menschheitssehnsucht. Ein Wickelkind im Futtertrog – es bedarf schon eines deutenden Wortes, wenn solches Paradox glaubwürdig werden soll! Solch kurioses „Zeichen“ kann erst signifikativ werden durch ein Offenbarungswort von oben, in einer Wort-Offenbarung: Ohne eine solche ist ein Ereignis nicht personal „zugesprochen“, so daß es nicht als „Offenbarung“ ankommt. So bedarf es des Lichtes aus der Höhe. Eben solche Offenbarung wird nun mit Mitteln der haggadisch-apokalyptischen Erzählkunst der Zeit, dazu mit Hilfe vieler biblischer Reminiszenzen, zur Darstellung gebracht – eine bedeutungsgeladene Erzählweise, die sich freilich nur einer kindlichen Gläubigkeit erschließen wird“ (106f).
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II.
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verbunden steht. Das bedeutet: Der Gott-Seiende ist bestimmt, das zu sein und zu erfüllen, was/wer mit „x;yvim' Messias“ im AT benannt ist. Was damit angesagt ist, wurde ja erst im Leben Jesu von Nazareth an/in/mit ihm offenbar, ja eigentlich nach seiner Auferweckung (bzw. in letzter Wahrheit erst, wenn der „Tag Jahwes“ der Vollendung, da ist, wenn sich der sein Messias-Sein-vollendet-habende Sohn dem Vater unterworfen hat, Gott-alles-in-allem sein wird (1 Kor 15,24–28).43 Zu Vers 13–14 notieren wir, daß der Lobpreis Gott (qeo,j) gewidmet ist, in 14 noch genauer „do,xa evn u`yi,stoij qew/|“. So dürfte auch Kyrios in 15 schlicht „Gott“ ansprechen: to. r`h/ma tou/to to. gegono.j o] o` ku,rioj evgnw,risen h`mi/n, was sich in 20 wiederholt. b) Lk 2,21–40
Vers 21 scheint zunächst nur eine Information zu bringen, in Parallele zu dem in 1,59ff Ausgesprochenen. Zur theologischen Erfassung ist es allerdings unabdingbar zu beachten, wovon hier faktisch die Rede ist, spezifisch nochmals für Jesus. Tatsächlich bringt Lukas in 2,21–52 insgesamt das als Euangelion-Wort ausführlich zur Sprache, was Paulus in Gal 4,4 in (dort begründeter) Kürze so formuliert: „Als aber die Fülle der Zeit kam, entsandte Gott seinen Sohn, geworden aus (der) Frau, geworden unter (das) Gesetz, damit er die unter (dem) Gesetz (Stehenden) loskaufe, damit sie die Sohnschaft empfingen“. Das erscheint in Lk 2,21–50 wie ein ausführlicher Kommentar durch den „Bericht“ der entsprechenden Fakten ausgesprochen. Daher werden wir
43 Bedenklich erscheint die Auslegung von 2,8–11 durch Schürmann. Er sagt: „Die Hirten bieten hier
ein bedeutsames und deutungsmögliches Milieu für den Messias: Der Stammvater Jesu, der König David, weidete auf den Feldern Bethlehems seine Herden (…) und wurde von dort von Gott ins Königtum berufen (…) … als ein messianisches Motiv zu verstehen … Die Hirten … haben in der Perikope unverkennbar die erzählerische Funktion, die Messianität Jesu ins Licht zu stellen“ (108f). Beachten wir: Messianität (Abstraktum!) Jesu! Auch alles Weitere konzentriert Sch. auf das Messias-Sein Jesu. Es fallen Worte wie „messianische Freude“ (zu 9f), „das messianische Heil“ (zu V. 14), „die ‚messianische‘ (diese Anführungszeichen bei Sch. selbst: R. S.) Errettung, in der das endgültige Heil zukommt“ (11). Dann zum Soter-Titel (so Sch.): Er „begegnet im NT für Gott und den Messias erst in den späteren Schriften. … völkische Rettergestalten … Dabei ist der Titel hier so messianisch überhöht wie Lk 1,69.71.74, für Luk wie 1,77 und Apg 5,31 (13,23) die Sündenvergebung einschließend“ (111). Das wird sogleich noch so spezifiziert: „Außer in 1,43 (…) wird in Lk 1–2 nur Gott Kyrios genannt, so daß Xristos Kyrios (…) 2,11 auffällig ist … Der Kyrios-Titel erläutert so – möglicherweise nicht nur für hellenistische Ohren – den Christus-Titel … So oder so ist hier der Christus-Titel interpretiert“ (111f). Und noch dazu: „Der Engelruf V 14 begleitet als Akklamation das Kommen des Messias“ (113). Hier liegt wieder ein Musterbeispiel vor für die (unberechtigte!) Konzentration aller Aussagen zu Jesus als „christologisch“ zu verstehende. Jesus selbst bekommt „christologische“ Titel. Wendungen wie „Messias-Christologie“ werden in ihrer Absurdität gar nicht mehr erkannt. Denn sogar der Messias (des AT!) wird „christologisch“ begriffen. Diesen ganzen Fragekomplex widmen wir uns ja im Exkurs „Theologie und Christologie in den Kommentar-Texten“; s. d.
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Abschnitt B:
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dem im einzelnen genau nachgehen, was bei Lukas ausformuliert vorgelegt wird.44 In Vers 21 werden der (Fest)Tag der Namengebung und der der Beschneidung in eins genannt: Am achten Tag nach der Geburt. Die Kommentatoren widmen dem in 21 Ausgesagten kaum Beachtung (Schürmann begnügt sich mit ganzen 9 Zeilen: 119); die Namengebung gemäß dem Auftrag des Boten sei das Wichtige, die Beschneidung nur die Situationsangabe (Schürmann 119). Daß in 21 jedoch für jeden Israeliten entscheidende Lebensereignisse genannt sind, die ihn erst – gleichsam als Weiheakte – zum „wahren“ Israeliten konstituieren, bleibt im Dunklen (und wird vielleicht auch gar nicht bemerkt). Ein Kind israelitischer Eltern wurde nicht schon aufgrund von Zeugung und Geburt Familienmitglied. Das Neugeborene mußte vielmehr vom Familienvater als Familienhaupt in einem häuslichen, religiös-rechtlichen Akt zum Sohn bzw. zur Tochter dieser Eltern erklärt werden. (Nicht alle Neugeborenen wurden auf diese Weise Voll-Mitglied der namentlichen Familie! Es gab auch nicht-akzeptierte Geborene, die deswegen auch nicht die Rechte der betreffenden Familie besaßen.) Das ist ja mit dem ausdrücklichen Auftrag an Maria (Lk 1,31) bzw. Josef (Mt 1,21.25) gemeint, diesem Kind seinen (diesmal von Gott selbst) bestimmten Namen zu geben. Erst dadurch wurde der von Maria Geborene überhaupt der, was er von Gott her war, zunächst als Gabe an die Eltern (und in ihnen an die heilsbedürftige Welt) und zugleich und in einem als Lebensaufgabe für sich persönlich. Entsprechendes gilt es zu beachten, wenn von der Beschneidungsfeier eines Neugeborenen die Rede ist. Es war für Israel konstitutive Pflicht, dem neugeborenen Sohn seinen religiösrechtlichen Status als Israelit kraft der Beschneidung zu vermitteln. Die Theologie des (Alten) Bundes sieht in der pflichtmäßig zu vollziehenden Beschneidung des geborenen Knaben den (man könnte ihn durchaus sakramentalen nennen) Ritus, durch den dieser aufgrund göttlichen Gebotes in das Bundesvolk aufgenommen wird. Die Abstammung von israelitischen Eltern und somit von Abraham genügt bei aller ihrer Bedeutsamkeit noch nicht. Die Beschneidung ist Vorbedingung und Zeichen der alt.-heilvollen Zugehörigkeit zum auserwählten Volk. Sodann bedeutet die Beschneidung die Befähigung und Deputation des Israeliten zum (alt.-bundlichen) Kult. Die Beschneidung verlieh die grundlegende alt.-kultische Reinheit (vgl. Ez 44,1–9). Der innere Zusammenhang zwischen Beschneidung, Kult und Priestertum ist unübersehbar in der Verbindung, die die atl.-jüdische Theologie zwischen der Beschnei44 Vgl. zur folgenden theologischen Erfassung von Lk 2,21–52 folgende ausführliche Darlegung zu
diesem Thema: R. Schulte, Die Mysterien der „Vorgeschichte“ Jesu, in: Mysterium Salutis 111/2, Einsiedeln 1969, 23–58. Dieser Abschnitt bringt das dort Darzustellende unter dieser Gliederung: 1. Das Mysterium des Inkarnationsgeschehens: Empfängnis und Geburt Jesu Christi, 2. ‚… unter das Gesetz gestellt‘: a. Die Beschneidung Jesu Christi; b. Die Darstellung Jesu Christi im Tempel; c. Der Zwölfjährige im Tempel. Dort wird ausführlich das erarbeitet und dargestellt, was hier nur in aller Kürze geschehen kann. Zugleich sei hier auf folgende einschlägige Kapitel im selben Werk hingewiesen: R. Schulte, Die Vorbereitung der Trinitätsoffenbarung: MySal II, 1967, 49–84; ders., Das Christusereignis als Tat des Vaters: MySal III/1, 1970, 49–85.
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Zur theologischen Erfassung von Lk 1–2
dung, näherhin sogar zwischen dem in der Beschneidung vergossenen Blut und dem des Paschalammes erkennt und wertet. Das Blut der Beschneidung wurde als Blut des Bundes angesehen. Wie dem auf die Türpfosten gestrichenen Blut des Paschalammes, so wird auch dem Beschneidungsblut das huldvolle Vorübergehen Jahwes und die Rettung aus Ägypten zugeschrieben. (Wir erkennen hier schon, daß das in 1,22–24.27.39–50 ausdrücklich Herausgehobene in diesen Zusammenhang gehört.) Schließlich ist der Israelit aufgrund der Beschneidung Teilhaber der Verheißungen (Gen 17,4,14). Sie stellt gleichsam einen von Gott gestifteten „Rechtsanspruch“ auf das Erbe jener Verheißung dar, die an Abraham und dessen Nachkommenschaft im Bundesschluß ergangen und in der Beschneidung „besiegelt“ war (vgl. Jer 4,4; Ez 44,7; Dt 10,16; Röm 2,25–29). Die „Namengebung“, die ja zuerst seitens Gottes selbst geschieht, dann durch die von ihm (einladend) Beauftragten (Josef und Maria als Ehepaar im Hause Davids!) und dann durch das „Volk“, das ihn so oder so als den erfährt, der er ist und sein Lebenswerk vollbringt: JESUS – Jahwe rettet, der dann auch, im Aufgreifen des Verheißungswortes Jahwes in Jes 7 und 9 wie aufgrund lebendiger Erfahrung, IMMANUEL – Gott(Jahwe)-mit-uns heißt (Mt 1,23; 28,20), und das auch im Sinne des Geschehens der Namengebung Gottes-des-Vaters, wie es in Phil 2 ausgesprochen ist. Die Verse 22–24 werden meistens unter der Überschrift „Darstellung Jesu im Tempel“ ausgelegt. Tatsächlich wird dreierlei aufgeführt: das Reinigungsgesetz, das die Geboren-Habende betrifft, dann das, was mit „Darstellung“ (pari,sthmi/parista,nw) bezeichnet wird, mit Berufung auf Ex 22,28f; 13,2.12.15; 34,19; Nm 3,13; 8,17, wo von der „Auslösung“ der männlichen Erstgeburt gesprochen wird. Der Lukas-Text nennt die Reinigung der Wöchnerin sogar mittels des Gesetzestextes sehr genau (24b). Zur Erfüllung hatte die Frau am Nikanor-Tor des Tempels das Opfer dem Priester zu übergeben, der sie dann für kultisch wieder „rein“ erklärte. Zu diesem Akt hatte weder der Vater mit zum Tempel zu kommen, noch mußte das Kind dabei sein (Lukas bringt es im Plural: Tag ihrer Reinigung). Deswegen ist 22b genau zu lesen: „Sie brachten ihn hinauf nach Jerusalem, parasth/sai tw/| kuri,w| – um ihn dem Herrn anzubieten, bereitzustellen“.45 Dafür wird in 23a mit Ex 13,2 u. a. (s. oben) die Begründung ange45 Die Wiedergabe von parasth/sai tw/| kuri,w| mit „Darstellung Jesu im Tempel“ ist zu allgemein,
so daß kaum erkennbar wird, was hier im Grunde ausgesprochen wird. Schürmann bringt diese eigenartige Formulierung: „Dem Erzähler geht es sichtlich nicht nur darum, die gewissenhafte Gesetzeserfüllung (vgl. V 39) herauszustellen, denn die Reinigung der Mutter berichtet er nur nebenbei und den Loskauf der Erstgeburt verschweigt er, um allen Akzent auf die ‚Darstellung‘ Jesu zu legen, in deren Verlauf prophetische Stimmen das Kind als den erwarteten Messias erkannten“ (121). Vom „Messias“ ist im Text gar keine Rede; auch „verschweigt“ der Evangelist hier nichts; was „Darstellung“ nun wirklich meint, wird kaum erhoben. Was mit parasth/sai genau angesprochen ist, erklärt Reicke in ThWNT 5 (1954) 839 recht gut so: „Wenn zB Lk 2,22 über die Darstellung Jesu im Tempel parasth/sai tw/| kuri,w| sagt, ist am besten an das Aufstellen eines sakralen Dieners vor seinem Herrscher zu denken. Vermutlich meint der Erzähler, daß Jesus schon jetzt, ungefähr wie Samuel oder ein Nasiräer, grundsätzlich in den Dienst Gottes gestellt und geweiht
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Abschnitt B:
Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
geben: „Alles Männliche, das den Mutterschoß öffnet, soll Dem-Herrn-Geheiligt erklärt werden“. Wenngleich mit diesem Kurz-Zitat des vollen Gesetzestextes die „Auslösung“ angesprochen wird, so ist mit keinem Wort deren Erfüllung genannt, weder hier bei Lukas, noch sonst irgendwo im NT. Der Akt in Jerusalem, wie der Evangelist ihn beschreibt, war daher das Heilig-Erklären, d. h. das für Gott und seinen Dienst Bereitstellen. Das haben wir zu verstehen gerade als Akt von Josef und Maria, denen ja im ankündigenden Gespräch (Mt 1,21 bzw. Lk 1,31–33.35) klar gesagt war, wer der Sohn ist und welche Lebensaufgabe er zu erfüllen hatte. Den Akt im Tempel in Jerusalem müssen wir daher als konkrete Bestätigung Josefs und Marias ihres Ja-Wortes erkennen, das sie dem Boten des Herrn (also Jahwe) gegeben bzw. durch ihr gehorsames Tun bezeugt hatten. Kurz: Sie geben diesen, ihnen geschenkten Sohn frei für das, was Gott mit ihm vor-hat. Die weiteren Verse bestätigen das deutlich. (Es ist übrigens keine andere Aussage der gesamten Bibel bekannt, wo ein derartiger Akt seitens der Eltern eines Kindes erwähnt oder auch nur angedeutet ist.).46 Die Verse 25–38 berichten von der Begegnung des Simeon mit den Eltern Jesu und ihrem Kind bei deren Tempelbesuch, wo dann auch noch die Prophetin Anna hinzutritt. In Bezug auf unsere Fragestellung sei nur darauf hingewiesen, daß Josef und Maria wie selbstverständlich als Eltern Jesu benannt erscheinen. Das Loblied des Simeon richtet sich im ersten Teil an Gott (de,spota – Herr) in Dankesworten, die widerspiegeln, was in 1,26–38 ausgesprochen wurde. Die Verse 39–40 bringen gleichsam eine Abschlußnotiz in Bezug auf den zuvor geschilderten Tempelbesuch Josefs und Marias mit ihrem Sohn Jesus. Wir beachten jedoch auch, daß vom „no,moj kuri,ou – Gesetz des Herrn (Jahwe)“ die Rede ist, das sie erfüllt hatten. Es enthält wieder einen Anklang an Gal 4,4, wo „unter das Gesetz geworden“ dem „entsandt sein von Gott“ zugeordnet ist. Darauf wird noch zurückzukommen sein. c) Lk 2,41–52
Diese Verse überschreibt Schürmann eigenartigerweise mit „Finale: Erweis der Weisheit und Gottessohnschaft Jesu“ (132). Tatsächlich wird von der ersten Teilnahme Jesu an der Paschafest-Wallfahrt gesprochen, die allen Juden ab dem Jahr der Volljährigkeit, d. h. mit der Vollendung des 13. Lebensjahres aufgetragen war. Wichtig ist da zuerst die Notiz, er sei zwölf Jahre alt gewesen, da er die übliche Pascha-Wallfahrt
wird. In diesem Sinne sei hier das Gesetz über die Heiligung des Erstgeborenen (Ex 13,2.12–15) erfüllt worden (v 23)“. 46 Es sei nochmals auf den Beitrag in MySal 111/2 (R. Schulte) hingewiesen, wo das gerade Betonte noch deutlicher erklärt wird. Ebenso ist dort eine eingehende Reflexion zur Frage der Auslösung des Jesus-Knaben, die ja nicht erfolgt ist, zu finden, die den ganzen ntl. Horizont dieser Gesetzesvorschrift theologisch einordnet.
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II.
Zur theologischen Erfassung von Lk 1–2
mit den Eltern zum ersten Mal erlebte (41f).47 Alles weiter Geschilderte geschah, „als die Festtage zu Ende gegangen waren“ (43). Dem folgt die Erzählung des von diesem Jesus und seinen Eltern Erlebten, das alles bemerkenswerterweise im Tempel in Jerusalem sich ereignete. Da von „Finale (wessen eigentlich?)“ zu sprechen, ist nur möglich, wenn man eine Gliederung des ganzen LkEv bringen will, an die Lukas selbst nie gedacht hat.48 Deshalb wenden wir uns hier nur dem in 2,41–51 tatsächlich Ausgesagten zu. Da ist, wie schon herausgehoben, vom ersten Paschafestbesuch Jesu die Rede, (wobei man wissen wollen muß, was alles damit an israelitisch-jüdischer Religiosität und theologischer Bedeutung angesagt ist: Was war real-heilsgeschichtlich das Pascha Jahwes, was hatte es an konstituierendem Gewicht für Israel! Der Tempel als Ort der Präsenz Jesu (welcher Art auch immer) wird bei sehr bezeichnenden seltenen Gelegenheiten genannt, eigentlich nur hier in 2,22.27, dann durch Satan „auf die Zinne des Tempels geführt“ (4,9), dann am Ende seines Lebens, da er Einzug hielt in Jerusalem (19,45.47) und dort seinen Tod fand am Kreuz.49 Auch die Erwähnung 47 Zum Verständnis dieses ersten Paschafestbesuches gerade des Zwölfjährigen muß man wissen,
wie die jüdischen Knaben im Gesetz unterrichtet und erzogen wurden. Es war Pflicht des Vaters, den Sohn zu den ihn jeweils verpflichtend treffenden Gesetzen durch Eingewöhnung zu erziehen. Die Beobachtung aller Vorschriften war endgültig mit Eintritt in die Geschlechtsreife gefordert. Der israelitische Knabe war somit mit vollendetem 13. Lebensjahr zur Beobachtung aller Gesetze verpflichtet und trug übrigens von da auch die eigene volle Verantwortung für Gelübde u. ä. Die Verpflichtung zur Teilname am Paschafest begann mit vollendetem 13. Lebensjahr. Somit ist die in Lk 2,41–52 gemeinte Wallfahrt nach Jerusalem zum Paschafest des erst zwölfjährigen Jesus eine der Einübung und Gewöhnung. (Zivilrechtliche Mündigkeit trat mit dem 20. Lebensjahr ein.) 48 Es ist ungemein aufschlußreich, sich die Gliederung des LkEv nach Schürmann vor Augen zu halten; ob sie den Intentionen des Lukas selbst entspricht, ist anzuzweifeln. Wir geben diese Gliederung aus Platzgründen nur in ihren großen Zügen wieder: DAS PROÖMIUM (1,1–4) PRÄLUDIUM: Jesu Ursprünge in Gott (1,5 – 2,52) I. Abschnitt: Die Verheißung (1,5–56) II. Abschnitt: Die Erfüllung (1,57–2,40) 1. Die Geburt des Johannes und die Prophetie des Zacharias (1,57–80) 2. Die Geburt Jesu und die Prophetie des Simeon und der Anna (2,1–40) a) Die Geburt Jesu in der Davidsstadt und ihre Verkündigung an die Hirten (2,1–21) b) Der Prophetische Hinweis des Simeon und der Anna (2,22–24) c) Abschließender Ausblick auf die Kindheit und Jugendzeit Jesu (2,40) Finale: Erweis der Weisheit und Gottessohnschaft Jesu (2,41–52) DAS KORPUS DER EVANGELIENSCHRIFT ERSTER HAUPTTEIL: DER ANFANG VON GALILÄA AUS (3,1 – 4,44) ZWEITER HAUPTTEIL: JESU ÖFFENTLICHES WIRKEN UND LEHREN IM LANDE DER JUDEN (5,1 -19,27) usw. 49 Die (wenigen!) Stellen, an denen der Tempel genannt wird, sind diese: Lk 1,9.21f (Zacharias im Tempeldienst); 2,22 (sog. Darstellung Jesu im Tempel); 2,27.37 (Simeon bzw. Anna); 2,46 (Maria und Josef finden Jesus im Tempel); dann zweiter und letzter Tempelbesuch Jesu: 19,45.47 (Verkäufer-Austreibung; er lehrte im Tempel), so auch 20,1; 21,5 (des Tempels Herrlichkeit wird dem Jesus zur Betrachtung anempfohlen); 21,37.38 (Jesus lehrt im Tempel); für die Bereitung des Paschafestes in Lk 22 keine Erwähnung des Tempels; 22,52 (Hauptleute der Tempelwache; 22,53 (Jesu Wort
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Abschnitt B:
Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
Jerusalems geschieht nur an wenigen Stellen des LkEv, ähnlich aufschlußreich wie die des Tempels im Leben und eben am Ende des Lebens Jesu.50 Vom ersten Paschafestbesuch, den Jesus erlebte, wird nichts Näheres ausgesagt, nur daß die Eltern das ganze Fest mit ihm begehen. Weil auf die Pflicht der jährlichen Mitfeier aufmerksam gemacht ist, kann man vermuten, daß mit-ausgesagt sein soll, daß er sein Leben lang dieses auch tat. Ausdrücklich wird dazu nie mehr ein Wort gesagt, mit Ausnahme eben seines Letzten Ganges in den Tod. Der Nachdruck liegt in 2,41–51 auf dem Geschehen nach dem Paschafest: Sein Verbleiben im Tempel, und sein Gefundenwerden „mitten unter den Lehrern, ihnen zuhörend und sie befragend“ (46f). Man staunte „über sein Verständnis und seine Antworten“, was sicher mit Bedacht so herausgehoben sein soll, jedoch noch nichts weiter aussagt. Anders dann, als die Eltern, die ihn suchten, in dieser Situation finden und ihre Fragen an ihn richten, die auch einen Vorwurf gegen sein Verhalten enthalten. Für uns jetzt wichtig ist, wie Jesus und mit welchen Worten er sich antwortend äußert. Zunächst die Bekundung seines Staunens, in Frageform gekleidet: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist?“ Wir müssen zu verstehen trachten, das, was vom Evangelisten hier angesagt erscheint, in seiner theologischen Tiefe ein-zu-sehen. Man kann es nicht „Erweis der Weisheit und Gottessohnschaft Jesu“ nennen, was hier geschieht und eher fragend als in aufweisendem Sprechen an-gesagt ist. Was war zuvor in 1,5 – 2,38 gesprochen, gehört und im Gehorsam getan und erfüllt worden, seitens Gottes selbst wie der von ihm bestellten Boten und Menschen, also schon als offenbare Wirklichkeit begriffen? Deswegen die Antwort Jesu nur in zwei Fragesätzen, ohne jedes weitere Wort! Dazu wird sogleich in 2,15 in unmittelbarer Folge auf „daß ich sein muß in dem, was meines Vaters ist“ (dies zudem auf Maria und Josef als seine Mutter und seinen Vater hin gesprochen!) die Auskunft gegeben: „Er zog mit ihnen hinab nach Nazareth und unterwarf sich ihnen (war ihnen gehorsam)“! Wie kann das alles zusammengeschaut werden (ohne hier „theologisch“-systematisches Sich-klar-Machen zu versuchen!)? an die, die ihn gefangen nehmen: „Tag für Tag war ich bei euch im Tempel“); 23,45 (der Vorhang im Tempel zerreißt); 24,53 (nach der Aufnahme in den Himmel waren die Apostel im Tempel Gott lobend). 50 Erwähnung Jerusalems im LkEv: 2,22.25.41.43.47 (die Eltern Jesu bringen ihn nach Jerusalem; sodann zur Simeon-Begebenheit, sowie zur Pascha-Mitfeier Jesu); 4,9 (Satan führt Jesus auf die Zinne des Tempels); 5,17 u. 6,17 (Ortsangaben); 9,31 (Rede vom Ende, das Jesus in Jerusalem finden soll); 9,15 (Jesus richtet seinen Blick auf J., als die Tage seiner Aufnahme näher herankamen); 9,53 ähnlich; 10,30 (im Gleichnis vom Samaritaner); 13,4 (Bewohner von Jerusalem); 13,22 (Hingehen nach Jerusalem); 13,22(Jesus zog weiter nach Jerusalem); 13,32ff („und vollbringe Heilungen heute und morgen; erst am dritten Tag komme ich damit zu Ende. Aber heute und morgen und übermorgen muß ich wandern, denn es geht nicht an, daß ein Prophet anderswo als in Jerusalem den Tod findet“; Weherufe über J.); 17,11 (Gang nach Jerusalem); 19,11 (als er nahe bei J. war); 21,20 (Belagerung Jerusalems); 21,24 (Jerusalem von den Heiden zertreten); 23,28 (Wort an die weinenden Frauen); 24,13 Emmausjünger); 24,18.33 (ebenso); 24,52 (Jünger nach seiner Aufnahme in den Himmel).
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II.
Zur theologischen Erfassung von Lk 1–2
Wir lassen dazu alle schon angeführten Worte und Geschehen, die sich in Lk 1,1–2 finden und begriffen worden sind, wie auch das später im LkEv noch über Jesus Ausgesagte selbst sprechen. Dann gilt dies: In 49 nennt Jesus in seinem ersten im LkEv überlieferten Wort Jahwe seinen Vater (womit er sich als dessen Sohn weiß, als Jahwe-Sohn). Das tut er in seinem antwortenden Rückfragesatz an Maria, die zu ihm mit „ich und dein Vater“ gesprochen hat (dem von Jesus überhaupt nicht widersprochen wird: sie sind es). Dann spricht Jesus das (für das LkEv ungemein bedeutsame) „muß“ seines Lebens aus: „in dem sein, was seines Vaters ist“. Mit diesem Letzteren kann der Tempel gemeint sein, in dem er ja das Wort spricht. Es kann aber auch entschieden mehr zum Klingen gebracht sein: „Des Vaters (Jahwe!)“ ist ja in Lk 1–2 die Verwirklichung des Heils für Israel und alle Welt angesagt: das ist es, worin Jesus seinen ur-eigenen Platz zugewiesen bekommen hat (eben von seinem Vater!), den er im Gehorsam gegen diesen Heilswillen in aller unerhörten Konkretheit ausfüllen und vollbringen „muß“. Das ist jedenfalls, im Kontext des ganzen LkEv, schon in Lk 1–2 als reale Wirklichkeit angeklungen, wie dann auch das Wort Jesu an die EmmausJünger in 24,26 es wieder ausspricht, übrigens wieder mit einem Fragesatz: „Mußte der Messias nicht dieses leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?“ Darin klingt auch wieder an, was in Gal 4 aufs kürzeste ausgesprochen (und dann dort weiter entfaltet) wird. So finden wir hier das von keinem Geschöpf-Hirn je Ausdenkbare, nicht einmal Erahnbare!; denn woher hätte man etwas, das in sich wenigstens erfinderisch aus schon Vorhandenem oder Erlebtem erahnend einschlösse, das nur erschlossen zu werden bräuchte? Hinreichend deutlich ausgesprochen: Der Sohn Jahwes wird „Messias“ (eine „Erfindung“ Jahwes, wenn wir dieses Wort nicht als längst definiert „voraussetzen“), um es ein Menschenleben lang (wer bestimmt, was das real heißt?) zu sein und es als solcher menschgewordene Jahwe-Sohn durch sein konkretes (nicht vor-programmiertes!) Leben zu vollbringen. Denn Jahwe beteiligt dabei auch Menschen-des-Unheils (was ja alle seit der Ursünde sind), damit er, Jahwe, erlangen kann, was er als Heilswillen für sich festgelegt hat. Jahwe fragt dafür in Lk 1 (und Mt 1) bei Maria (und Josef) an, ob sie geschehen lassen wollen, was Jahwes Wille ist; er gibt aus Liebe seinen Sohn zum Heil der Welt dahin (Jo 3,16) (Tat des Vaters, „bevor“ er die Erlösung geschehene Wirklichkeit werden läßt) und bietet diesen, von ihm als Heilsgabe bestimmten Dahingegebenen den Menschen zur Annahme, zum Ihn-Empfangen an, auf daß sie sich ihr und der Welt Heil schenken lassen. (Gott hat weder GeschöpfSein noch Wieder-im-Heil-Sein aufgezwungen – die Macht dazu hätte er, wie wir urteilen, durchaus. Das ist ja das Wesensmerkmal göttlichen Wirkens: aus Liebe.) So wird der Maria dieser zum Dahingegeben-Sein auserkorene Sohn, der darin durch Selbstdahingabe im Gehorsam der Sohnesliebe eingestimmt hatte, zum Empfangen angetragen, indem ihr klargemacht wird, wer dieser sein und welche Lebensaufgabe er haben wird (Lk 1,32–33.35–36; dazu auch noch Lk 2, 34–35). Dem Josef trägt Jahwe an, den eigenen Plan nicht zu verwirklichen, sondern seine Frau und das Kind, das sie „aus Gott seiend“ (Mt 1,18) trägt, zu sich zu nehmen und gemäß dem israelitischen 167
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Abschnitt B:
Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
Recht zu seinem Sohn zu erklären und ihn in seine Lebensaufgabe hineinzuführen, die Davidssohnschaft heißt, in der er Jesus heißen und sein soll: Jahwe rettet. Auch Josef entspricht durch Gehorsamstat dem Ansinnen Gottes, und erst dadurch vermag dieser seinen Auftrag wirkkräftig zu erfüllen. Dieser vom Vater dahingegebene Sohn läßt es an sich und mit sich geschehen, was aller Welt zum Heile dient, indem er sich auch den Menschen im Gehorsam unterwirft, die Gott erwählt hat, durch ihr Einstimmen in seinen Willen das Heil konkrete Wirklichkeit werden zu lassen. Diese führen diesen Sohn, den Gott ihnen zum Sohn anvertraut hat, in die israelitische, dem Heilsstand dienende, ebenfalls gott-geschenkte Rechtsverpflichtung ein, erfüllen diese ihrerseits (Beschneidung) und leiten ihn an, desgleichen seinerseits selbst zu tun (Paschawallfahrt u. a.). Es fällt ja auf, mit welchem Nachdruck Lukas gerade von dem Erfüllen aller Gesetze durch die Eltern Jesu und Jesu selbst berichtet: 1,21 (Beschneidung, Namengebung); 1.22–24 (Reinigungsopfer; Bereitstellen des Kindes im Tempel Gottes); 1,27f (wiederholte Betonung der Gesetzeserfüllung); 1,39 (ebenso); 1,41ff (Paschafest-Teilnahme).51
III. Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2 1. Gott — Hauptsubjekt in 1– 2; bedeutsame Aussagen
Wie wir schon in Mt 1 feststellen konnten, so zeigt sich auch in Lk 1–2 die beachtliche Tatsache, daß in dem dort Bekundeten Gott als das Hauptsubjekt erscheint. Schon in 1,1 ist das für das ganze LkEv gleichsam programmatisch erklärt. In dem „äußerst prägnanten Prooemium seiner Schrift“ (so Schürmann) nennt Lukas als Grundabsicht seiner Arbeit, „von den Ereignissen, die unter uns in Erfüllung gebracht worden sind, wie sie uns überliefert sind“, aufzuschreiben. Das theologische Passiv dieses Satzes erklärt klar Gott als den, der diese Erfüllungsereignisse bewirkt hat. Schon allein daraus ist zu ersehen, daß auch das LkEv „Evangelium Gottes“ sein will, mit allem, was das faktisch bedeutet. Dieses in 1,1 Angekündigte verkürzt Schürmann, wenn er das meint so ausdrücken zu sollen: „Gottes Handeln im Christusgeschehen sichtbar zu machen ist ihm ein wichtiges Anliegen, das seine Darstellung Seite für Seite charakte51
Zur tieferen Erfassung des gerade Dargestellten vgl. R. Schulte, Die Mysterien der „Vorgeschichte“ Jesu, in Mysterium Salutis 111/2, Einsiedeln, 23–58. Dort wird noch eindringlicher auf das Erleben Jesu Christi selbst während dieser ersten Phase seines Lebens eingegangen.
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
risiert“ (5).52 Lukas will, wenn man es mit diesen leider üblich gewordenen Ausdrük52 Schürmann schreibt zur Erklärung von 1,1b (peplhroforhme,nwn evn h`mi/n pragma,twn) dies: „An-
ders als Apg 2,11 (ta. megalei/a tou/ qeou/) verhüllt Lukas hier passivisch das Agieren Gottes. Gottes Handeln im Christusgeschehen sichtbar zu machen ist ihm ein wichtiges Anliegen, das seine Darstellung Seite für Seite charakterisiert“ (4). Das theologische Passiv „verhüllt“ keineswegs, sondern gibt (in der Sprache der Bibel) klar zu verstehen, daß Gott wirkt bzw. gewirkt hat. Deswegen ist 1,1b wörtlich von dem die Rede, was Gott „unter uns“ erfüllt hat, was mit „Agieren Gottes“ richtig, wenngleich wenig schön, angegeben werden kann. Daß jedoch sogleich von „Handeln Gottes im Christusereignis“ gesprochen wird, verkürzt unberechtigt das von Lukas Gemeinte. Das „erfüllen“ meint hier mehr als nur die Erfüllung dessen, was Gott zuvor verheißen oder angekündigt hat; es ist als „vollbringen“ zu verstehen, meint also alles, was Gott „unter uns vollbracht hat“ (1,1) und was, so müssen wir hier hinzufügen, dem Lukas im Sammeln des schon von andern Berichteten bekannt geworden war, und das ist entschieden mehr als Gottes „Handeln im Christusgeschehen“. Das sagt übrigens Schürmann selbst: „So selbstverständlich geht es um die Verfasser und Leser allein bewegenden peplhroforhme,na evn h`mi/n pra,gmata (V 1), daß der Inhalt der beabsichtigten Schrift nicht einmal vorab ausdrücklich (etwa wie Apg 1,1) thematisch herausgestellt werden muß“ (3). Das schränkt er aber sogleich wieder ein, wenn er damit „alles, was Jesus getan und gelehrt hat“ meint (3 u. ö.). Diese Unentschiedenheit der Inhaltsangabe für das LkEv und dessen Aussagen zeigt sich auch in weiteren Bemerkungen Schürmanns zur Absicht und Durchführungsweise dessen, was Lukas vorträgt. Noch im selben soeben zitierten Text heißt es weiter: „Da aber das Ziel, die avsfa,leia der kirchlichen Unterweisung unter Beweis zu stellen, nur durch Rekurs auf die apostolische Paradosis erreicht werden konnte …“ (3). Von „Beweis“ und „Nachweis“ u. ä. wird dann im Kommentar öfters ausdrücklich gesprochen, so z. B. 8 („den Beweis für diese ihm wichtige Behauptung“); 10 („Kann er doch den beabsichtigten Nachweis, daß die kirchliche Unterweisung sicher gründe, nur durch einen ‚Identitätsbeweis‘ führen … Diese Aufgabe verlangt aber eine Traditionserhellung“); 14: „Damit leistet Luk der nachapostolischen Kirche einen lebenswichtigen Dienst bei der subjektiven Glaubensbegründung“; 16f: „… in Lk (und Apg) eine charakteristische Theologie greifbar wird – vermutlich nur eine reflektierte Systematisierung … der Durchschnittsanschauung der Zeit …“. In den folgenden Stellen wird das noch deutlicher gesagt, so: „Luk vermag … dieses ‚Kommen‘ Jesu nicht mehr so unreflektiert mit dessen erstem Auftreten zur Verkündigung zu identifizieren … Luk hat Traditionen gefunden, die sein ‚Kommen‘ und sein ‚Gesandt-sein‘ durchmeditiert und durchreflektiert hatten und so theologisch ausholender … verstanden … die Ursprünge (d. i. Jesu) in Gott und das Kommen von Gott her mußten theologisch entfaltet werden“ (19f; s. auch 24f). Wichtiger noch ist es, auf die einleitenden (!) Sätze Schürmanns zu 1,26–38 (die er mit „Ankündigung der Geburt Jesu“ überschreibt) hinzuweisen: „Es geht letztlich darum, die dem Glauben feststehende Messianität und ‚Gottessohnschaft‘ Jesu theologisch zu gründen (!). Das geschieht durch den Aufweis (!), wie Jesus sein menschliches Dasein der schöpferischen Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau verdankt“ (40; auf diesen Text kommen wir später kritisch zu sprechen). Zu 1,27 u. a.: … muß erwähnt werden, damit die Davidsohnschaft V 32 von dem verheißenen Kinde Mariens ausgesagt werden kann, die nach jüdischer Auffassung nur vom Vater her begründbar war …“ (42). Zu 1,26–38 wird in der Besprechung des rechten Verständnisses u. a. dies gesagt: „die Behauptung der vaterlosen Lebensentstehung steht V 35 im Dienst einer christologischen Denkbemühung, die deutlich mit dieser Begründung operiert, … kausal zu argumentieren (!)“ (63). Zu 1,28 u. a.: „Hier ist die Mutterschaft Mariens – anders als 1,27 als Messias-Mutterschaft theologisch gewertet (!)“. Zu 2,1–20 heißt es: „Das Erzählungsinteresse liegt in 2,1–20 beim Erweis (!), daß Jesus der verheißene messianische ‚Retter‘ ist …“ (118). Zu 1,36f findet sich noch diese Feststellung: „… es will demonstrieren (!), daß Gott auch eine jungfräuliche Empfängnis bewirken kann … Die hier (wie Mt 1,18–25) zutage tretende ‚apologetische‘ Tendenz beweist (!), daß das Wissen um die jungfräuliche Lebensentstehung … es
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Abschnitt B:
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ken angeben will, das Gottesgeschehen aufschreiben. Das „Erfüllungszeit“ Genannte ist nicht „Christuszeit“ (ebd.), da die „gottgewirkten Ereignisse“ mehr sind als „Christusereignisse“ (ebd.). Die Evangelien nur „christo-logisch“ zu lesen und auszulegen, wird ihnen in keiner Weise gerecht.53 Wir verbleiben hier bewußt und ausdrücklich bei unserer Absicht, zuerst einmal das tatsächlich Ausgesprochene im LkEv zu erheben, was weiteres Nach-Denken ja keineswegs verhindert oder gar verbietet. Daher stellen wir das im Titel genannte Faktum heraus, daß in Lk 1–2 (weil im LkEv überhaupt) Gott als das Hauptsubjekt des dort Bekundeten gilt, eben weil es der Text so wird hier schon gegen Zweifel verteidigt (!)“ (56 u. 57). Daß alle diese „Beweis“-Darbietungen dem Lk-Text nicht gerecht werden, wird im folgenden noch deutlich herausgestellt. 53 Hier sei auf eine auffallende Tatsache hingewiesen: Gegenüber dem häufigen Vorkommen von „Christologie“ und „christologisch“ begegnen die Ausdrücke „Theologie“ und „theologisch“ nur an ganz wenigen Stellen des Kommentars! Sieht man von den Zitierungen anderer Autoren ab, in denen „Theologie“ und „theologisch“ angetroffen werden (so z. B. 1; 17; 64), so meinen bei Schürmann diese Ausdrücke vor allem die Tätigkeit dessen, der „Theologisches“ als seine Arbeit betreibt und entsprechend vorstellt. So wird von „fundamentaltheologischer Funktion“ gesprochen, von „theologisch-geistiger Funktion von Textstellen“ in 1–2 (14; in 18 heißt es: „Diese Bestimmung der Funktion von Lk 1–2 im Ganzen der Evangelienschrift hilft dem theologischen Verständnis des in diesem ‚Vorbau‘ Gemeinten“). Der Ausdruck „theologisch“ wird im Kommentar zu 1–2 (nur diese Kapitel haben wir jetzt im Blick) an einigen Stellen in unspezifiziert-offenem Sinn für das Bedenken, Erfassen und Darstellen eingesehener Aussageinhalte angewendet, jeweils in signifikanter Weise. Zu 1–2 heißt es u. a.: „Lukas hat Traditionen gefunden, die sein (d. i. Jesu) ‚Kommen‘ und sein ‚Gesandtsein‘ durchmeditiert und durchreflektiert hatten und so theologisch ausholender – von Jesu Ursprung in Gott her – verstanden … Diese Ursprünge in Gott und das Kommen von Gott mußten theologisch entfaltet werden“ (20). Und dazu: „Die Perikopen (d. i. die Einzelstücke in 1–2) wollen zwar die ‚Anfänge‘ Jesu theologisch meditieren und sein Verhältnis zu Gott gläubig erfassen helfen; den Sinn des Christusereignisses entbergen … Daß neben dem angegebenen theologischen Interesse Luk auch ein biologisches bestimmt, trifft nur entfernt zu“ (21). Das wird sogleich nochmals so gesagt: „Das über die theologische Funktion von Lk 1–2 Gesagte mag helfen, die hier gewählte literarische Art theologisch besser verständlich zu machen und auch gattungsmäßig treffsicherer zu bestimmen“ (21; Ähnliches findet sich 26; s. d.). Eine weitere Stelle läßt etwas Bedenkliches erkennen: „Die Erzähltendenz der Verkündigungsszene ist eminent christologisch: Es geht letztlich darum, die dem Glauben feststehende Messianität und ‚Gottessohnschaft‘ Jesu theologisch zu gründen, Das geschieht durch den Aufweis …“ (40). Daß Jesus, mit Lukas ganz konkret gesprochen, der Sohn Gottes und der Christus/Messias ist, wird durch Schürmann mittels der Abstrakta „Messianität“ und „Gottessohnschaft“ (letztere in Anführungsstriche gesetzt!) angesagt. Es sei „den Glauben Feststehendes“ (was soll damit eigentlich gesagt sein?), das aber erst noch „theologisch zu gründen“ sei (tut das Lukas überhaupt in diesem Text?). Dazu die weitere befremdende Aussage: „Die schöpferische Tat des pneu/ma a[gion im Schoße der Jungfrau wird also betont (!), um die ‚Heiligkeit‘ Jesu zu begründen (!)“ (54; muß die ‚Heiligkeit‘ Jesu überhaupt „begründet (was ist hier damit gemeint?)“ werden?). Ähnliches gilt für das zu 1,42 Gesagte: „Hier ist die Mutterschaft Mariens (Abstraktum für ein absolut Einzigartiges!) theologisch gewertet“ (68). Was mag das sein: das Persönlichste des Gott-gestifteten Geheimnisses Marias theologisch werten? Wozu ist „Theologie“ im Christlichen berufen? – Mit diesen hier angeführten Beispielen sind auch schon alle Stellen, in denen überhaupt „Theologie“ und „theologisch“ im Kommentar zu 1,2 begegnen, aufgeführt! „Theologie“ wird dort nie als Rede von oder über Gott verwendet. Demgegenüber ist für das in 1–2 Bekundete sehr oft „Christologie“ oder „christologisch“ eingesetzt.
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
sagt. Die „Gottgewirktheit des berichteten Heilsgeschehen“ (so Schürmann selbst: 15 u. ö.) ist offenkundig das, was Lukas darzustellen beabsichtigt. So überschreibt er den Text 1,5 -2,52, den er in seiner „Funktion im Ganzen der Evangelienschrift“ als „Präludium“ bzw. „Vorbau“ bezeichnet, mit „Jesu Ursprünge in Gott“ (18). (Von der Fragwürdigkeit, in dem einen „Evangelium“ von einem „Präludium“ oder „Vorbau“ zu sprechen, der immerhin 2 Kapitel umfassen soll, hier abgesehen; dazu ist andernorts hinreichend gesprochen worden.) Der Text setzt bezeichnenderweise im Tempel an, wo Gott (Jahwe) in seinem Boten selbst mit Zacharias spricht und sein Ansinnen anträgt: 1,13: „Dein Flehen ist erhört …“. Das theologische Passiv spricht ein Re-agieren Gottes als erstes offen aus, das von ihm sogleich in seinem Wirken des Errettens hineingenommen und mit ungeahnten Sinn erfüllt wird. Johannes, der Sohn des Ehepaares Zacharias und Elisabets, wird in göttlicher Berufung „vor Jahwe hergehen und so dem Herrn ein williges Volk bereiten“ (13–17). Diesem ersten Vorgang entspricht der weitere, in dem Gott sich an Maria wendet, wieder um seinen Heilsplan zu verfolgen. Im Boten kommt Gott zum Menschen mit seinem Ansinnen, Israel und aller Welt das Heil zu bringen, was sich im Grußwort an Maria in kürzester Form, doch alles, eben Gott Jahwe aus- und zusprechend, als die Wirklichkeit bekundet: Jahwe ist mit dir. Dieses Gruß-Wort kündet an, daß und wie Jahwe in neuer, bisher unerhörter Weise sich selbst und sein Schöpfungswerk verwirklichen und wahr-machen will – im Antrag an Maria zu ein-stimmender Annahme dessen, was, ja wer der ist, den Gott zum Empfangen ihr und in ihr aller Welt schenken möchte. Die Weise des Beteiligt-Werdens, die Maria er-fragt, um verantwortlich zuzustimmen, erklärt Jahwe selbst auf sich-offenbarende Art, wofür er auch nur er selbst die Begründung und Aufklärung ist und sein kann. Den Text 1,26–38 als „Ankündigung der Geburt Jesu“ zu sehen und zu bestimmen, wird dem, was da tatsächlich gesagt wird, überhaupt nicht gerecht. Es ist ein Ansinnen und ein Antrag Gottes an Maria, der sogleich auch einen Auftrag erteilt: Du sollst seinen Namen JESUS nennen. Jahwe selbst gibt den Namen kund und in und mit ihm das Sein („Wesen“) und das alles entscheidende, weil vollendende Wirken dessen, den zu empfangen (anzunehmen) und ihn zu seinem Wirken Gott zu weihen: 2,22f, Maria eingeladen, nicht gezwungen wird, das heißt ihn in dem, „was seines Vaters ist“ (Tempel: 2,49), für das bereitzustellen (frei zu geben), was wiederum und immer noch „Gottes ist“, nämlich „Gott ist mit dir/euch“, auf wirksame Wirklichkeit hin.54 Das findet seine Bestätigung im Wort Elisabeths: Selig, die geglaubt hat, daß die Erfüllung dessen geschehe, was ihr vom Herrn (Jahwe!) gesagt wurde. Damit erlangt auch die Antwort Marias in 1,39 nochmals eine beachtenswerte Klarheit: Mir geschehe, was Du gesagt hast. In allen diesen Versen ist Gott 54 In 1,26–38 ist keinerlei wie immer zu verstehendes Mit-Tun Marias an dem die Rede, was dort
Gott ihr als sein Ansinnen und folglich als seine Selbst-Bewahrheitung zuspricht. Auch nicht andeutungsweise findet sich dort solches vor. Wenn man es betont sagen will (warum eigentlich?), dann muß man sagen: Gott allein und sonst niemand und nichts!
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allein der Sich-Offenbarende, der zu-spricht, was er zu tun sich anschickt, und was folglich sein Heil-Wirken initiiert und vollbringen wird, alles einladend und um Zuund Einstimmen bittend vorgebracht. Genau dem entspricht die Antwort Marias: Mir geschehe gemäß deinem Wort. Sie beläßt es Gott allein, wozu er sein Wort gab und was er folglich zu tun sich entschlossen hat, ohne eine dem Geschehen vorhergehende Detail-Erklärung zu erwünschen, die die Zustimmung erleichtern könnte. Maria antwortet auch nicht einfach: Es geschehe! Die Formulierung „mir geschehen, was dein Wort anträgt“ ist gerade wegen ihres absoluten Offenbleibens auf Gott hin unahnbar reich in ihrem Gehalt.55 Was wir so an Einzelheiten genannt haben, die klar hervortreten lassen, was wir mit dem Wort „Hauptsubjekt“ für Gott in Lk 1–2 bezeichnen, findet seine deutliche Bestätigung in den vier Lobpreisungen Gottes allein in Lk 1–2. In allen ist es schlicht Gott, Jahwe, dem diese Lieder geweiht sind, und das stets auf Grund dessen, was erlebt und erfahren wurde (nicht: was theologisches Nachdenken herausgefunden zu haben vermeint). Was Elisabeth erfahren hat, das drängt sie zu dem bewundernden Wort: So hat der Herr (Jahwe!) mir getan! Dasselbe singt Maria in 1,46–55 in dem ungemein reichen Lied aus ihrem Herzen, wenngleich sich zunächst „nur“ ein Erstes dessen ereignet hatte, was das Wort Jahwes ihr zugesprochen hatte. Dasselbe gilt für das Preislied des Zacharias. Es richtet sich nicht nur an Gott, sondern erzählt dessen Großtaten in früherer Zeit und jetzt, in diesen Tagen, mit namentlich Genannten. Auch das Lied des Simeon hat nur dieses eine Thema: Dank für das, was er gesehen hat als Gottes Werk. Daß Maria das Kind in Bethlehem geboren hat, wird in 2,6f „mit denkbar wenigen Worten (als) das große Heilsereignis erzählt“ (Schürmann 98). Und sogleich geschieht das Wort Jahwes in der Verkündigung an die Hirten, die in das Loblied Jahwes mündet, das sein Wirken besingt. Die Hirten berichten, was sie erlebt und gehört haben, denen, die in Bethlehem weilten; dann „preisen sie Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten“ (20). Auch das, was in 2,21–52 berichtet oder ausgesprochen wird, richtet sich stets daran aus, was Jahwe früher und jetzt wirkt und als wer er sich erwiesen hat. Auf einzelnes brauchen wir hier nicht mehr einzugehen. Es sei jedoch betont daß es sich in Lk 1–2 in allem, was dort verkündet, berichtet und besungen wird, nicht um historische Aufweise und Beurkundungen im heutigen Sinn handelt (wenngleich Historisches wesentlich enthalten ist!), und auch nicht um Darlegungen christo-logischer, mario-logischer, josefo-logischer Erkenntnisse, ja auch nicht um theo-logisch Erkanntes und Begriffenes handelt, wenn unter diesen Termini unser heutiges begrifflich-einordnendes Erfassen und Entfalten der Inhalte christlichen Glaubensgutes verstanden wird (dem selbst hier ihr Recht nicht abgesprochen wird). Die Evangelien geben persönlich-namentlich gebundenes Konkretes 55 Daß hier ein Nach-Fragen fällig ist, was dies alles im konkreten Fall des Angesprochenseins Ma-
rias durch Gott in seiner Fülle bedeutet, ist offenkundig. Wir werden uns dem am gegebenen Ort zu widmen haben. Darauf sei hier hingewiesen.
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
zur Sprache. Sie nennen bzw. sprechen von Jahwe, von Jesus, von Josef und Maria, von Geschehenem und Geschehendem von diesen her und durch sie Gewirktes usw.; und die Worte, mit denen diese Bekundung sich vollzieht, sind keine Begriffe, auch keine Titel, keine reflektiert gerechtfertigte sachlich „richtige“ Termini, Symbole oder Metaphern, sondern die Sprach-Ausdrücke, die die konkret geschehene Lebensgeschichte Gottes selbst mit seinen Geschöpfen ausgebildet hat, in konkret je neuer Lebenssituation, die in ihrer gar nicht seltenen Hilflosigkeit des Sagens doch voll und klar erfaßt und auch in ihrer Bedeutung für das konkret-wahre Leben verstanden wurden und werden.56
2. Jesus Christus: Bemerkenswertes in Lk 1–2
Zunächst sei auf folgendes Faktum aufmerksam gemacht: Der in den paulinischen Schriften oft begegnende „volle“ Name „Jesus Christus“ findet sich im LkEv nicht ein Mal! Ausnahmslos alle Aussagen, die Jesus und sein Wirken, Leiden und Sterben zur Sprache bringen, sind unter Verwendung des (allein stehenden) Namens „Jesus“ angesagt. Demgegenüber begegnet „Christus“ allein stehend nur an relativ sehr wenigen Stellen, und das jeweils in signifikanter Weise. So ist im Text Lk 1–2 (den allein wir hier auf unsere Frage hin untersuchen) „Christus“ in 2,11 und 2,16 in ausgesprochen spezifischem Sinn zu verstehen. Die Formulierung in 2,11 (o[ti evte,cqh u`mi/n sh,meron swth.r o[j evstin cristo.j ku,rioj evn po,lei Daui,d) ist überaus reichhaltig, was zahlreiche unterschiedliche Auslegungen findet, zumal wegen de Zusammenfügung von „Soter“, „Xristos“ und „Kyrios“ in Bezug auf das geborene Kind in der Krippe. „Christus“, hier 56 Wir werden die Frage bezüglich der rechten christlichen Glaubenssprache, d. h. des rechten Aus-
Sprechens des Glaubensgutes im hymnisch bzw. kerygmatisch bekennenden Bekunden und Verkünden wie auch in den Formen der Glaubensrede und ihrer literarischen Darstellung der exegetisch gewonnenen Erkenntnisse und ihrer intellektuell be-denkend weiter begriffenen Einsichten durch wissenschaftliches Bemühen, das sich als (christliche!) Theologie, gar Dogmatisch-Systematische Theologie, Apologie u. a. versteht, noch in einem besonderen Kapitel besprechen. Hier sei nur auf dieses eine hingewiesen: In Lk 1–2 findet sich auffallend häufig „Herr“ dann gesetzt, wenn ausdrücklich Gott selbst spricht bzw. von ihm und seinem Wirken die Rede ist. Da bekanntlich in der LXX Jahwe nie geschrieben noch ins Griechische übersetzt, sondern dafür das Wort „Kyrios“ eingesetzt ist, ist in den biblischen Texten an den entsprechenden Stellen für „Kyrios – Dominus – Herr“ im Grunde stets „Jahwe“ zu lesen und zu verstehen. Da zudem für das rechte Gottesverständnis der Bibel gilt, daß Jahwe allein der Gott Israels (und überhaupt) ist, so ist auch im betreffenden Kontext „~yhil{a/ – qeo,j – Gott“ letztlich stets als „Jahwe“ zu lesen und zu verstehen. In Lk 1–2 dürfte das für alle Stellen gelten, an denen „qeo,j“ oder „Herr“ steht; es sind diese: 1,9.1 6.25.28.30.32.38.43.46f.58.64.68; im Kapitel 2: 2,9.13f.15.20.23.26.28.37.39.40.52. In allen anderen Kapiteln des LkEv ist das entsprechende Vorkommen weitaus geringer. Für das volle und rechte Verständnis der faktischen Aussagen in Lk 1–2 dürfte diese Beobachtung sehr bedeutsam sein; sie weist jedenfalls den Weg.
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zusammen mit der Davidstadt genannt, verweist offensichtlich auf den „Messias“ im spezifischen Sinn der Davidssohnschaft und ihrer Gott-bestimmten Bedeutung. Unmittelbar angeschlossen ist „Kyrios“. Ob hier „Christus“ als Hoheitstitel, der das Kind, also Jesus näher bestimmt, oder ob „Kyrios“ als Titel zu gelten hat, der den Christustitel interpretiert (so Schürmann 111f), können wir hier als unentschieden offen lassen.57 Die andere Stelle (2,16) ist in mehrerer Hinsicht bezeichnend und aufschlußreich. Die Rede ist von der „Offenbarung vom heiligen Geist (u`po. tou/ pneu,matoj tou/ a`gi,ou; beides mit Artikel)“, die dem Simeon zu verstehen gab, er werde erst dann sterben, wenn er den „Gesalbten“ (offensichtlich x:yvim)' (leibhaftig) gesehen hat. Aus dem Kontext ist eindeutig klar, daß „Christus – Messias“ hier in seiner biblischen Bedeutung zu lesen ist.58 – Im weiteren Verlauf des LkEv ist das Vorkommen von „Christus“ allein stehend ebenso bemerkenswert. So in Lk 3,15: Aus der damals allgemeinen MessiasErwartung versteht sich die Frage des Volkes in Bezug auf Johannes den Täufer, „ob er wohl der Messias“ ist“. Wir können das hier übergehen, weil kein unmittelbarer Bezug auf Jesus gegeben ist. Anders verhält es sich mit dem Petrus-Bekenntnis in 9,20: Du bist der Christus/Messias Gottes (to.n cristo.n tou/ qeou/; beide Namen mit Artikel). Gemäß diesem Bekenntnis bei dieser Anfrage Jesu selbst an seine Jünger bezüglich der Volksmeinung ist offensichtlich ausgesagt: Jesus ist es, der als Messias Gottes erwartet wurde. Damit macht es eine deutliche Aussage darüber, wer Jesus persönlich von Gott her ist. Man sollte da nicht an einen Titel (welcher Art auch immer) denken, den „man“, also Menschen dem Jesus verliehen haben. Die unmittelbar anschließende Leidensvoraussage im Kontext des LkEv insgesamt zeigt die größere Tiefe des Christus-Bekenntnisses klar an. – Im Munde Jesu findet sich Christus/ Messias an bedeutsamen Stellen. So in 4,41, wo von den Kranken, die Jesus heilte, und den Dämonen, die ausfuhren, berichtet wird, wird dies gesagt: „Sie schrien und 57 Schürmann in seinem Lk-Kommentar: „Außer 1,43 … wird in Lk 1–2 nur Gott Kyrios genannt, so
daß Xristos Kyrios … in 2,11 auffällig ist“ (111). Er diskutiert dort verschiedene Interpretationen. Zu einer heißt es: „Der Kyrios-Titel erläutert so … den Christus-Titel. Bedenken gegen diese Lösung erheben sich aber, wenn man sieht, daß hier der neugeborene irdische Jesus so tituliert wird, wie das gerade für Luk charakteristisch ist … So könnte doch luk Redaktion vorliegen. So oder so ist hier der Christus-Titel interpretiert (wie ähnlich Lk 23,2 durch basileu,j), vermutlich doch erst für hellenistische Leser“ (111f). Hier zeigt sich die (selbsterfundene) Problematik der rechten Auslegung, wenn man überhaupt in dieser Sache von Titeln meint sprechen zu sollen. „KyriosTitel“ ist schlicht ein Unwort. Dasselbe gilt für die ganz selbstverständlich eingeführte Rede vom „irdischen Jesus“. Schürmann spricht am hier genannten Ort vom „neugeborenen irdischen Jesus“, der „tituliert wird“ (111). Woher kommt diese eigentümliche Rede vom „neugeborenen irdischen Jesus“ in Bezug auf den in 1,31–33 von Gott selbst mit reichhaltigen Worten charakterisierten Jesus (dem Kind, das Maria im Schoße haben wird, soll sie, wenn geboren, diesen Gott-bestimmten Namen geben!), von dem in 1–2 noch vieles unter diesem Namen ausgesagt wird? Wir werden zu diesen Fragen etwas weiter unten im Punkt 4 noch Stellung beziehen; s. d. 58 Was „Christus – Messias“ jeweils in seiner Bedeutungsfülle im einzelnen tatsächlich besagt, ist jeweils nur im Kontext der betreffenden Verwendung dieses Ausdruckes zu entscheiden. Die uns interessierenden Stellen werden entsprechend an ihrem Ort gelesen und ausgewertet.
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sagten: Du bist der Sohn Gottes. Und er bedrohte sie und ließ sie nicht reden, weil sie wußten, daß er der Messias war“. Damit ist „Sohn Gottes“ und „Christus/Messias“ in Jesus dieser eine, so daß beides vollgültige Ansage dessen ist, wer in Person und was als Beauftragter Gottes Jesus ist. Auf dasselbe zielt auch die Frage Jesu an die Sadduzäer und Schriftgelehrten in 20,41–43: „Wie kann man behaupten, der Messias sei der Sohn Davids? Sagt doch David selbst: … Der Herr sprach zu meinem Herrn … David nennt ihn also ‚Herr‘, wie kann er da sein Sohn sein?“ Der tiefe Gehalt wie zugleich das Offenlassen der (vollen) Antwort (die gibt ja das Leben Jesu!) sprechen für sich. Das wird nochmals, fast wie in einem Kommentar, bestätigt durch die Frage Jesu an die Emmaus-Jünger in 24,26, zusammen mit 24,46 gelesen: „Mußte nicht der Messias dies leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen“ und „so steht geschrieben: Der Messias muß leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen und verkündet werden …“. Von diesen Versen her empfangen die Stellen der Passionsgeschichte ihr entscheidendes Licht: In 22,67: „Die Ältesten … sagten: Wenn du der Messias bist, so sag es uns!“; dazu noch: „Du bist also der Sohn Gottes? … Ja, ich bin es“. Dasselbe in 23,2: „Er sagt, daß er der Messias, der König sei“; und auch in 23,35: „nun rette er sich selbst, wenn er der Messias Gottes, der Erwählte ist!“, wozu auch 23,39 gehört: „Bist du nicht der Messias. Dann rette dich selbst und uns!“. Alle diese Stellen werfen ihr Licht auch zurück auf die entsprechenden Aussagen in Lk 1–2.59 Deswegen ist es klar, daß diese Namen bzw. Auftragsbenennungen „Jesus“, „Christus/Messias“, „Kyrios – Herr“, „Retter (Heiland)“ alles andere sind als Titel oder Hoheitsbezeichnungen. Lukas hat sie im vollen Bewußtsein des gewachsenen Reichtums ihrer Aussage-Tiefen vom Anfang an bis nach der Auferweckung verstanden, so daß „Jesus“ schon in 1–2 als Name (Gott-bestimmt!) in seiner Bedeutungsfülle zu lesen und zu verstehen ist, die in der (so genannten) irdischen Lebenszeit voll erst am „Ende“ auf Glauben hin geschenkt war. Diese Namen und Benennungen dürfen daher in 1–2 nicht nur von den (wirklichen oder vermuteten) Vorlagen früherer biblischer Texte in ihrem vollen Aussagegehalt gelesen und verstanden werden, sondern in dem zur Zeit des Lukas in der Kirche längst begriffenen Bedeutungsreichtum. Dasselbe gilt für „Messias/ Christos“, das vom (sog.) AT allein her nicht den vollen Gehalt dessen bringt, was Jahrzehnte nach dem Erleben Jesu jedenfalls in den Lukas schon vorliegenden ntl.
59 Wie sorglos Schürmann mit dem Text umgeht, zeigt der folgende Satz: „Luk ordnet den Sohnestitel
häufig mit dem Christustitel zusammen, so 4,41; 22,67.70; Apg 9,20.22“ (48 Anm. 58). Abgesehen davon, daß vom „Sohnestitel“ und „Christustitel“ gesprochen wird, so kommt „Christus“, wie wir gesehen haben, erstaunlich selten vor, noch weniger die angesprochene Zusammenordnung von beiden genannten „Titeln“. Es sind nur zwei Stellen im LkEv und die eine in Apg 9, so daß von „häufig“ überhaupt nicht gesprochen werden kann; auch werden beide Namen nicht von Lukas zusammengefügt, sondern von Gott in seiner Geschichte mit Israel!
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Schriften (Paulus!) bekundet und homologisch und kerygmatisch gesungen und verkündet wurde.60 In seinem ankündigenden Antrag an Maria in 1,31–35 bestimmt Gott selbst den Namen dessen, den Maria empfangen und gebären soll: „Du sollst seinen Namen JESUS nennen“ (31). Dieser Jesus wird von Gott selbst, schon bevor Maria ihren Auftrag erfüllt, durch die Angabe näher charakterisiert, wer er ist und als wer er sich erweisen wird: „Er wird Groß(er) sein und Sohn des Höchsten genannt werden“ (32a). Beide „Prädikationen“ (es sind Namen!) stehen gleichwertig nebeneinander; das „und“ bezeichnet keine zeitliche oder sonstige Folge (etwa aufgrund des Erlebens seitens Glaubender). Dazu ist festzustellen: „Groß“ und „Höchster“ sind biblische Gottesbenennungen, besser Gottesnamen, die Jahwe (und nur ihn!) nennen. Die Wendung „Sohn des Höchsten“ erklärt somit unmittelbar und eindeutig den Höchsten, also Jahwe, als „Vater Jesu“. Das Futur im Wort Gottes an Maria in 1,31–35 ist offensichtlich als Gottes Verheißungswort zu lesen, in das Jahwe sich selbst persönlich schon hineingebunden hatte (s. Jes 7,14 u. ö.), um es zu gegebener Zeit erlebbare Seins-Wahrheit werden und sein zu lassen (zum Heil der Welt, wie es in 32b.33 angesagt ist): Jahwe bewahrheitet und verwirklicht sein Wort in Geschichte. Diesem Jesus, der „Groß“ und „Sohn des Höchsten“ ist und heißt, wird „Gott der Herr“ (ku,rioj o` qeo,j – Jahwe) „den Thron Davids, seines Vaters geben“ (32b). Hier ist die Aufeinanderfolge des im einzelnen Ausgesagten bzw. mit Namen Genannten bemerkenswert: Jesus – Sohn des Höchsten – Gott der Herr – Thron und Herrschaft – David sein Vater. Das Vater-Sein Davids ist das zuletzt Genannte; das „Thron“ und „Herrschaft über das Haus Jakob“ Angesagte ist das Wesentliche. Denn diese sind ja von Gott selbst schon viel früher zunächst dem David selbst verbindlich zugesprochen, dann zu späterer Geschichtszeit dem in Jes 7 genannten Sohn (dort der Name „Immanuel“ im Verheißungswort Jahwes!), der Achaz gegen seinen Widerspruch für das Haus David und in ihm der Welt verbindlich verheißen war, durch Jahwe selbst. So ist das Sohn-Gottes-Sein dessen, der von Maria geboren und von ihr den Namen „Jesus“ erhalten soll, hier klar und eindeutig ausgesagt: Es besteht offensichtlich, „bevor“ Gott sich antragend-ankündigend an Maria wendet. Denn in, mit und durch ihn will Gott das zuvor Verheißene realwahre Wirklichkeit werden lassen. Er wird dieser ganz bestimmte Sohn Davids werden. Dabei ist das Hauptgewicht der Ankündigung nicht auf die Davidssohnschaft im Sinne der natürlichen Abstammung gelegt, sondern auf die Thron-Nachfolge und die ewige Herrschaft im Haus Jakob.61 Im Vers 35 antwortet der Bote des Herrn, also Jahwe auf 60 Den damit angesprochenen Problemen, die mit den üblich gewordenen Begriffen wie Hoheitstitel“
(meistens in den christologischen Fragestellungen verwendet), „Gottesprädikationen“ (die, wie es immer wieder formuliert wird, auf Jesus übertragen werden) u. ä. aufgestellt sind, werden wir uns in einem besonderen Exkurs zuwenden; darauf sei hier verwiesen. 61 Was Schürmann zu 1,32f als Auslegung meint sagen zu sollen, ist nicht akzeptabel: „32f Im folgenden wird das verheißene Kind grundlegend als der erwartete Messias aus dem Hause Davids beschrieben. Ganz anders als in 1,15b.c wird hier nun die ‚Größe‘ des verheißenen Kindes … als
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die Anfrage Marias mit der Ansage dessen, was er, Jahwe, zu tun sich entschlossen hat. Es ist, wie wir schon gesehen haben, Gott allein als der erklärt, der handeln/ wirken (hilflose Wörter!) wird, damit sein Verheißungswort von ihm her und aus ihm seine Erfüllung, d. h. seine Wahrheit und Wirklichkeit erlange. Dabei wiederholt Jahwe, was er selbst zuvor schon in 1,31f ausgesprochen hatte. Aufgrund des eigenen Seins und Wirkens Gottes wird das/der Geborene „heilig genannt werden, Sohn Gottes“.62 Dieses Verständnis der besprochenen Verse wird durch die Antwort Marias an Gott in 1,38 bestätigt: „Mir geschehe nach deinem Wort“. Wir erkennen: Der, dem Maria den Namen „Jesus“ (der in 1,31 nicht übersetzt oder erklärt wird; anders Mt 1,21) geben soll, wird in Lk 1 mit folgenden Wendungen näher charakterisiert (sie sprechen je als einzelne wie zusammengeschaut Bedeutungsvolles aus): „Groß“, „Sohn des Höchsten“, „Thronerbe Davids“ (32), „Herrschender über das Haus Jakob“, dessen „Reich kein Ende hat“ (33), „Heilig“ und „Sohn des Höchsten“ (35). Alle diese wie eigennamentlich klingende Benennungen gelten dem, dem Gott den Namen „Jesus“ (als Haupteigennamen) zu geben aufträgt. Sie zeigen alle das persönliche Sein und den Lebensauftrag Jesu näher an. Umgekehrt erscheint es übrigens nie, daß „Jesus“ zur Spezifizierung eines anderen angewendet würde, was auch in Bezug auf „Christus“ als (gebräuchlich gewordenen) Eigennamen gilt. Für das LkEv insgesamt haben wir dieses Auffallende schon erkannt (s. o.). In Lk 2 werden alle Begebnisse und Aussagen namentlich mit „Jesus“ oder mit entsprechenden Pronomina u. ä. („er“, „ihn“, „das Kind“) berichtet oder vorgestellt (2,11 „geboren“; 2,12.16.17.22.27.33.34.40.43). In 2,52 ist „Jesus“ alleinstehend gesetzt: „Jesus nahm an Weisheit zu …“. Eine Spezifizierung, die wir schon besprochen haben, finErfüllung der prophetischen Worte 2 Sam 7 und in Anklang an Is 9,5f näher bestimmt: ‚Sohn des Allerhöchsten‘ wird das Kind sein. Der unmittelbare Kontext (VV 32b-33 im Vergleich mit 2 Sam 7,13.14.16; 1 Chr 22; und Ps 2,7; 89,27–30) läßt zunächst nur an eine Messiasprädikation denken. Daß damit hier aber nicht nur ein Titel verliehen, sondern etwas Vorgegebenes zum Ausdruck gebracht ist, in dem die messianische Herrschaft erst gründet, wird im Zusammenhang mit V 35b deutlich: ‚Größe‘ und ‚Gottessohnschaft‘ eignen schon dem irdischen Jesus …“ (47f). Vom „Messias“ (x:yvim' – Gesalbter) ist in den angegebenen Texten überhaupt keine Rede! „x:yvim' – cristo,j“ ist ein Prädikat neben anderen, das auf Jesus angewendet wird. Hier bei Schürmann liegt ein Beispiel vor für die (leider) allgegenwärtige Engführung aller ntl. Aussagen zu Jesus auf „christo-logisch“. Hier wird in der Auslegung sogar „Groß“ (Sch. macht daraus „Größe“!), „Gottessohnschaft“ (in 32 „Sohn des Höchsten“) u. a., alles „Prädikate“, die Gott meinen, als „Messiasprädikation“ bezeichnet. Wir werden auf dieses Problem noch eigens einzugehen haben; s. d. 62 Die Auslegung von 1,35 durch Schürmann ist unzureichend und irreführend: „Das eigentliche Erzählungsinteresse der ganzen Perikope lichtet sich hier: die ‚Heiligkeit‘ und ‚Gottessohnschaft‘ Jesu bis in die Ursprünge seines Wesens in Gott zu verankern – ein Versuch, dem in anderer Weise auch der Stammbaum dienen will … so geschieht hier neue Schöpfung … Weil das Kind in seinem Ursprung gänzlich gottgewirkt ist, wird es durch und durch ‚heilig‘ sein … Die schöpferische Tat des pneu/ma a[gion im Schoße der Jungfrau wird also betont, um die ‚Heiligkeit‘ Jesu theologisch zu begründen“ (53f). Auch dem mit dieser Auslegung errichteten Problem werden wir uns im folgenden noch zu widmen haben; s. d.
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Abschnitt B:
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det sich in 2,11: „geboren ist euch (der) Heiland, der ist Christus Herr“ (s. o.). Die Benennung „Heiland“ kann auch in 2,30 im Lied des Simeon vorliegen: „Meine Augen haben gesehen dein Heil (to. swth,rio,n sou)“. Einmalig ist der Satz Jesu an Josef und Maria in 2,49: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem meines Vaters sein muß (evn toi/j tou/ patro,j mou dei/ ei=nai, me)?“ Dies bestätigt unsere Erklärung zu 1,31–35, nämlich daß dort in eindeutiger Redeweise Jahwe als der „Vater Jesu“ bekundet ist (s. o.). Daher gilt: „Christus“ ist eine Benennung, die für Jesus gilt und von ihm eine spezifizierende Aussage macht (was nie umgekehrt der Fall ist). Immer ist es Jesus, von dem einzelnes bekundet wird, das jeweils nur eine Teil-Aussage über ihn enthält. Was in den betreffenden Stellen an reichen Aussage-Inhalt ausdrücklich ausgesagt wird, haben wir schon erhoben. Alles in allem beachtet ist zu sagen: Alle Aussagen zu Jesus sind (wenn man schon meint, so unterscheidend sprechen zu müssen, was aber keineswegs geboten ist!) jesu-logischer Art und folglich jesu-logisch zu lesen und zu interpretieren, keineswegs christo-logisch. Es steht keine biblische Kategorie zur Verfügung, die Letzteres rechtfertigen würde. Wenn wir, was zweifellos geboten erscheint, vor allem theologisch-systematischen Zusammenschauen und Ausdeuten (im heutigen Sinn!) die Bibel und die Apostolische Kirche zunächst selbst und allein sprechen lassen, dann stellen sie genügend an Denk- und Sprachmöglichkeiten zur Verfügung, um die Bibel als Wort Gottes vollgültig zu verstehen (was keineswegs ein Weiterdenken mit allen seinen Folgen verhindert, sondern überhaupt erst ermöglicht und begründet, ja dazu aufruft).63
3. Josef und Maria als die Eltern Jesu
Wie wir es schon für Mt 1–2 feststellen konnten, so werden Josef und Maria auch in Lk 1–2 immer zusammen aufgeführt. Sogleich im ersten Vorkommen ihrer Namen in 1,27 werden beide ausdrücklich als Ehepaar im Hause Davids genannt.64 Auch die Anfrage Marias an den Boten des Herrn (1,34) spricht von beiden in ihrer momentanen gemeinsamen Lebenssituation: Sie sind verehelicht und haben das eheliche Miteinanderleben gemäß damaligem jüdischen Brauch noch nicht begonnen.65 In 2,4f wird berichtet, daß Josef zusammen „mit Maria, seiner Frau“ nach Bethlehem, der Stadt Davids zur Aufzeichnung zog, „weil er aus dem Hause und Stamme Davids war“. Wir bemerken die unmittelbare Zusammennennung von Josef aus der Davids63 Hier sei auf den Exkurs „Theologie – Christologie; eine Problemanzeige“ im Anhang I hingewie-
sen; dort besprechen wir das gestellte Problem sogleich im Blick auf alle ntl. Texte, die wir in dieser Untersuchung betrachten. 64 Vgl. dazu die ausführlichen Darlegungen oben A.III.3 65 Dazu sei auf unsere Besprechung von Mt 1 im Teil A hingewiesen, wo ausführlich zu dem jetzt angesprochenen Fragekomplex entsprechende Erkenntnisse vorgelegt werden.
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familie mit seiner Ehefrau, die in diesem Sinne rechtlich in den Stamm Davids eingegliedert war. Die Hirten gehen auf Geheiß des Boten des Herrn nach Bethlehem und „finden dort Maria und Josef und das Kind in der Krippe“ (2,16; wir beachten hier die Reihung der Namen). – Josef allein wird im LkEv dann noch an zwei Stellen genannt: Mit dem kurzen Satz 3,23 wird der Übergang des Berichtes des (sog.) öffentlichen Auftretens Jesu (3,1–22) hergestellt, der zugleich das erste Glied des lukanischen Stammbaumes Jesu ist: „Und Jesus war, als er begann, ungefähr 30 Jahre; (er) war (der) vermeintlich (der) Sohn (des) Josef, des Heli, des Matthat …“.66 Dieser Aussage entspricht die des Verses 4,22: „Und alle … wunderten sich … und sprachen: Ist dieser nicht Sohn Josefs?“.67 – Maria wird an folgenden Stellen allein genannt: Zunächst im Bericht von ihrem Besuch bei Elisabet in 1,39.41.56. Sodann wird der Lobpreis Marias (1,46–55) eingeleitet mit: „Und es sprach Maria: …“ (46). Daß an diesen Stellen Maria allein genannt wird, versteht sich problemlos. Dann ist die Bemerkung darüber, wie Maria sich dem Erlebten gegenüber verhält, an zwei Stellen angegeben. In 2,19 heißt es: „Maria aber bewahrte alle diese Worte (wohl das hebräische rb'D' in seiner Bedeutung Wort, Rede, Geschehnis), sie im Herzen überdenkend“. Ähnlich dann in 2,51: „Seine Mutter bewahrte alle diese Worte in ihrem Herzen“. Schließlich ist das Wort des Simeon an Maria in 2,34f anzugeben: „(er) sprach zu Maria: Siehe, dieser … und auch durch deine Seele wird ein Schwert hindurchgehen“. In den zuletzt genannten Fällen waren übrigens auch Josef und das Kind mit dabei. Daher gilt, daß beachtenswerterweise Josef und Maria in Lk 1–2 immer gemeinsam aufgeführt erscheinen, und zwar in ihrem gott-gewählten Bezug zu Jesus. Wir beachten, daß auch in Lk 1–2 von Josef und Maria ganz selbstverständlich als Ehepaar im Hause Davids die Rede ist. Es werden z. B. die ersten zwölf Lebensjahre Jesu im Sinne und in der Weise des israelitisch-jüdischen Familienlebens in ihren für Israeliten wichtigen Momenten hervorgehoben. Das gilt besonders für die penible Gesetzeserfüllung, in die der junge Israelit durch den Vater durch Unterricht und Einübung eingeführt werden mußte (vgl. dazu auch Gal 4,4). In solchem Zusammenhang sind Wendungen wie „Eltern Jesu“ voll verstehbar; sie sprechen schlicht vom Ehepaar Josef und Maria, denen ja Gott selbst seinen Sohn als ihren Sohn anvertraut hat. Daß diese, hier nur angedeutete Tatsache in den Aussagen des ntl. Textes nie Thema einer exegetischen und theologischen Überlegung angesehen worden ist, bleibt rätselhaft im Anblick auf die vielen eingehenden „mariologischen“ u. ä. Überlegungen und Abhandlungen. 66 Wir geben den Text in möglichst engem Anschluß an den griechischen wieder. Meist wird über-
setzt: „Er war, wie man annahm, ein Sohn des Josefs“. Da „ui`o,j“ ohne Artikel steht und im dort folgenden nur mittels des Genitivs das Sohn-Sein erklärt wird, sollte auch für Jesus in seinem Bezug zu Josef schlicht „Sohn“ beibehalten bleiben, da „ein Sohn“ statt des artikellosen „ui`o,j -Sohn“ Irriges suggeriert. Wir brauchen das hier nicht weiter zu verfolgen. 67 Vgl. die vorige Anmerkung. Auch hier in 4,22 steht artikelloses „ui`o,j“, das somit schlicht den tatsächlichen und offensichtlich allgemein akzeptierten Status Jesu als Sohn Josefs gemäß jüdischem Recht aussagt.
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Abschnitt B:
Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
Dadurch wird theologisch und christologisch wichtigen Aussagen Unrecht getan. Wir werden am gegebenen Ort dieses Problem noch weiter zu besprechen haben.68
4. Weitere bemerkenswerte Feststellungen a) Zu einigen befremdlichen Aussagen über Gott und sein Wirken
Wir haben oben Gott als Hauptsubjekt dessen herausgestellt, was in Lk 1–2 bekundet ist (III.1). Dem dort Aufgeführten sind einige Feststellungen der Kommentare anzufügen, die äußerst bedenklich, wenn nicht gar inakzeptabel sind. Sie entsprechen von Grund auf nicht dem in 1–2 tatsächlich Ausgesagten. Wir meinen damit das Sprechen vom Wirken Gottes, von Wundern und anderen gottgewirkten Taten, d. h. von Ereignissen, die Gott zum Urheber haben und entsprechende Tatbestände erwirken. Dasselbe gilt für das Sprechen vom Eingreifen und (Heils)Handeln Gottes in der Geschichte Israels wie des Lebens einzelner namentlich Genannter. Insbesondere das vom Evangelisten zur Herkunft Jesu Christi Bekundete wird mittels dieser Denkund Sprechweise ausgelegt und ausgedeutet. Das hat letztlich dazu geführt, den eigentlichen Hauptaussageinhalt von 1–2 mit der sachlich verfehlten (jedoch allgemein üblich gewordenen) Wortbildung „Jungfrauengeburt“ anzugeben und exegetisch und systematisch-theologisch zu diskutieren. Der Lk-Text selbst verwendet nie diese Art zu reden; er bedient sich vielmehr der biblisch begründeten Denk- und Sprechweise. Es ist das freilich ein allenthalben bedrängendes Problem, für das erzählend-bekundende Reden vom Dasein und Tätig- wie Wirksam-Sein Gottes in unseren heutigen Sprachen die rechten Allgemeinbegriffe und gültigen Sprachausdrücke zu finden und bibelgerecht einzusetzen. Noch bedrängender zeigt sich das im heutigen theologischwissenschaftlichen Sprechen, wenn es herauszuarbeiten und darzustellen gilt, was die heilige Schrift uns heute zu sagen hat. Für den Kommentar Schürmanns (wie für viele andere) ist festzustellen, daß er sich gerade an wichtigen Stellen von 1–2 nicht an die von Lukas selbst verwendeten Verben und Redeweisen hält, sondern eine Terminologie gebraucht, die in vielem sachfremd, ja sogar ausgesprochen verfehlt ist. Wir nehmen uns hier nur die Kommentar-Aussagen zu 1–2 vor, die für unsere eigentliche Untersuchungsfrage (Herkunft Jesu Christi) von entscheidender Bedeutung sind. An zwei Text-Beispielen wird deutlich sichtbar, worauf wir zu sprechen kommen müssen. In ihnen begegnet nämlich das kritisch zu Hinterfragende kumulativ.69 Das erste 68 Vgl. zum Ganzen den Exkurs „Das Ehepaar Josef und Maria in der ntl. Bekundung des Heilsge-
schehens“. 69 Wir haben oben betont, daß wir, um nicht ins Uferlose zu gelangen, hier nur auf den Kommentar
Schürmanns für Beispiele zurückgreifen, was auch für das jetzt Folgende gilt. Andere Kommentare wurden eingesehen, was hier aus Platznot nicht dokumentiert werden kann.
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
Beispiel: Einführend zur Auslegung von 1,5–56 (Überschrift: Die Verheißung) lesen wir: „Die beiden Verkündigungsperikopen 1,4–25 und 1,26–38(39–56) erzählen in mancher Hinsicht schematisch nach einer Weise, die schon im AT für Geburtsverheißungen (…) und göttliche Sendungen (…) vorgeprägt war … Die Erzählung denkt heilsgeschichtlich im Schema Verheißung – Erfüllung (s. o.): Schon die erste Erzählung über die wunderbare Lebensentstehung des Johannes scheint zwar – isoliert gelesen – mit ihrer Kumulation von Anspielungen alles zusammen und auf den Höhepunkt bringen zu wollen, was Gott in den alten Tagen an großen Männern der Vorzeit ähnlich getan hat. In Zusammenordnung mit der zweiten Verkündigungserzählung will sie aber vor allem zeigen, wie sehr Gottes bisheriges Heilshandeln am Ende in Jesus seine unüberbietbare Höhe bekommt“ (25f). – Das zweite Beispiel stammt aus den einleitenden Sätzen zu 1,26–38 („Ankündigung der Geburt Jesu“) und lautet so: „Die Erzähltendenz der Verkündigungsszene ist eminent christologisch: Es geht letztlich darum, die dem Glauben feststehende Messianität und ‚Gottessohnschaft‘ Jesu theologisch zu gründen. Das geschieht durch den Aufweis, wie Jesus sein menschliches Dasein der schöpferischen Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau verdankt. Der Bericht schildert von Anfang bis Ende … Gottes Wirken im Lichte der Prophetie Jes 7,14 LXX; … es geht aber nicht nur darum, die Verheißung der Jungfrauengeburt als erfüllt zu bezeugen; die Lebensentstehung Jesu ist dem Bericht vielmehr wichtig, weil an ihr christologische Aussagen deutlich werden: (unmittelbar) Jesu ‚Heiligkeit‘ und (mittelbar) die in Gott gründende ‚Gottessohnschaft‘ offenbaren sich darin; vgl. V 35. So wird Jesu ‚Messianität‘… gleich zu Beginn stabil fundiert, und zwar auf einem Bekenntnis, auf einer christologischen Wesensaussage: Jesus ist der ‚Heilige‘ Gottes, der aus einer Jungfrau geborene ‚Sohn Gottes‘ und als solcher ‚Messias‘“ (40). In diesen Textpassagen begegnet eine beachtliche Anzahl von Wendungen, die in ihrer sprachlichen Wortbildung und in der ihnen zugewiesenen sachlichen Bedeutung auffallen. Es sind diese: „Verkündigungserzählungen“ und „Geburtsverheißungen“; das „Schema Verheißung – Erfüllung“; „Gottes Wirken, Senden, Heils-handeln“; die „unüberbietbare Höhe des bisherigen Heilshandelns Gottes“; „schöpferische Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau“ als „Wunder“ (mit „wunderbar“); „Jesu ‚Gottessohnschaft“; „Verheißung der Jungfrauengeburt“; „Jesu menschliches Dasein“; „Lebensentstehung des Johannes und Jesu“; „christologische Wesensaussage“ und „eminent christologisch“; „aus einer Jungfrau geboren“. Auf nur befremdlich klingende Wendungen gehen wir hier nicht weiter ein, wie etwa diese: „die in Gott gründende ‚Gottessohnschaft‘ Jesu“ (40). In ihr ist das einfache und ohne weiteres gut verstehbare „Sohn Gottes“ durch das Abstraktum Gottessohnschaft (zusätzlich mit Anführungsstrichen geschrieben) ersetzt; dazu wird die umwerfende Tatsache festgestellt, daß für Jesus Sohn Gottes zu sein „in Gott gründet“! – Wir gehen jetzt den angegebenen Punkten einzeln nach.
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Abschnitt B:
Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
aa. Wir haben schon früher festgestellt und besprochen, daß die Einordnung von 1,5– 25 und 1,26–38 in das Schema der sog. Verkündigungserzählungen und Geburtsverheißungen des AT problematisch ist; es verschleiert die Sicht auf das dort tatsächlich Ausgesagte.70 Es wird von einer Überbietung der ersten durch die zweite Ankündigung gesprochen, und das dazu, die Eigenart des Wirkens Gottes in diesen Geschehen herauszustellen.71 Das wird meist so verstanden und vorgestellt, daß es ein besonderer schriftstellerischer Kunstgriff des Evangelisten sei, um die alles überragende Bedeutsamkeit Jesu herauszustellen. Lukas dagegen will, wie er in 1,1 sagt, das aufschreiben, „was geschehen ist unter uns“. Ein „Überbieten“ des einen durch ein anderes in Lk 1 zu sehen, ist eine Erfindung der Kommentatoren, die meinen, Komparative oder vom Evangelisten beabsichtigt komparativ sprechende Darstellungen aus dem Text lesen zu können oder zu müssen.72 Die aufeinander folgenden Ereignisse in der Geschichte Gottes mit Israel zeigen jedoch deutlich an, daß – wenn man schon meint, so sprechen zu müssen – Gott in seiner Treue sich-selbst überbietet im Sich70 Vgl. dazu das oben Herausgearbeitete in Bezug auf das Befolgen von Erzählschemata in dem bi-
blisch-geschichtlich zu Bekundenden und dessen Darstellung im biblischen Text. 71 Das im zitierten Text gegebene Stichwort „Überbietung in den Johannes- und Jesusbegebenheiten“
(so Schürmann 25) findet sich noch öfter. So heißt es: „Die verheißende Doppelerzählung 1,26– 38(39–56) ist geschlossener und konzentrierter als die Ankündigung 1,5–23(24–25), dazu überbietet sie den ersten Bericht inhaltlich. Man könnte das Verhältnis mit dem eines ‚klimaktischen Parallelismus‘ vergleichen: Die zweite Aussage übersteigt die erste und führt weiter. So wunderbar die Empfängnis des Johannes war: im Zusammenhang illustriert sie doch nur die Möglichkeit des noch größeren Wunders im Schoße Mariens (VV 36f.39–56). Die Doppelerzählung mit ihren beiden Teilen 1,26–38.39–56 überschattet so die in sich zweiteilige Erzählung 1,5–23.24–25, subsumiert sie und macht sie sich dienstbar … Es geht nicht mehr nur darum, die Größe des Johannes und den Verpflichtungscharakter seiner Predigt zu erweisen; vielmehr soll an der wunderbaren Lebensentstehung des Johannes deutlich werden, daß Gott selbst eine jungfräuliche Empfängnis nicht unmöglich ist (vgl. 1,36f.45). Johannes ist Jesus im Zusammenhang untergeordnet – nicht aber so sehr als dessen ‚Vorläufer‘ (das deutet Luk nur V 17 an); vielmehr wird hier die ‚Größe‘ Jesu (1,32) an dem ‚großen‘ Johannes in der Weise illustriert, daß seine Lebensentstehung als noch wunderbarer hingestellt wird“ (27f). Das wird später nochmals wiederholt: „Die Erzählung von der Geburt Jesu bildet innerhalb des zweiten Teils der Vorgeschichte das überbietende Gegenstück zu der von der Geburt des Johannes. Mit ihr kommt der siebenfältige Erzählkranz auf seinen hohen Gipfel“ (97). 72 In den in der vorigen Anmerkung vorgelegten Texten ist deutlich angegeben, was man meint komparativisch verstehen zu müssen. Formulierungen wie „wunderbare Empfängnis des Johannes“ und „das noch größere Wunder im Schoße Mariens“ haben aber im Text keinerlei Fundament. „Wunder“ gebraucht Lukas in 1–2 nie; um so weniger bringt er wertende Vergleiche zwischen dem einen und dem anderen Bekundeten als „wunderbares“ und „noch wunderbareres Faktum“. Es ist überhaupt nicht die Absicht des Lukas zu erkennen, die „Lebensentstehung Jesu“ (auch dazu: Was ist das?) mit der des Johannes oder das Geschehen der „Empfängnis des Johannes“ mit der (sog.) „jungfräulichen Empfängnis Jesu“ vergleichend-wertend zu bekunden oder das eine dazu zu benutzen, um das andere als das alles Überragende betont darzustellen („hinzustellen“ schreibt Schürmann). Auch die Wendung „unüberbietbare Höhe des Heilshandelns Gottes in Jesus“ (26) ist absolut unangebracht; denn wer will ermessen, und womit?, wann und wo Gott an seinem „Unüberbietbaren Ende“ (ebd.) angelangt ist?
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
Mühen um das Heil der Welt. In dieser Geschichte sieht man, zurückschauend, ein wiederholtes Scheitern Gottes in der Verfolgung seines Heilsverwirklichungsplanes, das jedoch aufgrund des Sich-Verweigerns derer, denen er das Heil schenken, und nicht machtvoll aufzwingen wollte und will. Davon handelt doch gerade Jes 7 (und Jes insgesamt wie die Propheten), auf das sich Lukas bezieht. Wird das berücksichtigt, dann erkennt man, daß ja auch mit der Geburt Jesu noch keineswegs der Gipfel (so Schürmann) erreicht war, sondern, gerade dem LkEv zufolge, erst auf dem Kalvarienberg im Kreuzestod dieses Heilandes. Denn wäre dieser in seinem öffentlichen Lebensauftrag zum gott-geschenkten Zeitpunkt angenommen worden (hier müssen wir aus heilsgeschichtlicher Sicht im Konjunktiv reden, der jedoch geschehene brutale Wirklichkeit bekundet), so hätte Golgota kein Heils-Ort werden müssen!73 bb. Wir haben einleitend an zwei Beispielen, denen zahlreiche weitere Texte zugesellt werden können, gezeigt, daß in den Kommentaren zur Angabe eines „Tuns“, „Tätigseins“ und „Agieren“ Gottes in dem in 1–2 Bekundeten Wendungen wie „Wirken“, „Handeln“, „Eingreifen“ u. a. eingesetzt werden, die im Lk-Text gar nicht vorkommen. Dort sind es ganz andere Verben und entsprechende Substantive wie „Gott spricht“, „er sendet“, „gibt Gnade“, „erbarmt sich“, „ist besorgt um“ und zahlreiche andere, die das mit ihnen Ausgesagte eigentlich deutlich genug zu verstehen geben.74 Durch 73 Was von Gott her im Falle der Annahme Jesu seitens derer, zu denen er im Kairos Gottes gesandt
war, Wirklichkeit geworden wäre, haben wir nicht zu reflektieren; es geht ja um die wirklich geschehene Geschichte. Zugleich muß die Feststellung des LkEv und der ganzen Heiligen Schrift beachtet bleiben, daß ja auch mit dem Kreuzestod Jesu noch längst nicht das erreicht war, auch von Gott her noch nicht, was sich erfüllen sollte in den folgenden Tagen der Auferweckung Jesu durch Gott, in der Aufnahme Jesu, der Geistsendung, der Kirchengründung durch Gott und in allen weiteren Heilsgeschehen bis hin zu dem „Termin“, den Paulus in 1 Kor 15,28 genau angibt. In alle dem jetzt Genannten muß unbedingt mit-gesehen und mit-beachtet werden, daß vom Dasein und Wirken Gottes in diesem Welt-Geschehen die Rede ist und sein muß, als historisch Sich-Ereignendes, wobei die Frage, ob wir das nach historischen Methoden und Beurteilungsweisen heutigen Verständnisses einholen können, hier deplaziert und müßig ist. 74 Ein Überblick über alle in 1–2 von Lukas verwendeten Verben und Substantive ist sehr aufschlußreich. In 1.1 begegnet „erfüllen“ im theologischen Passiv, in Bezug auf pra,gmata (pra/gma nach Bauer: das, was getan ist, Tatsache, Ereignis). Das Verb pra,ssw bedeutet nach Bauer: „vollbringen, tun (oft ohne Unterschied zu poiei/n)“. So sagt 1,1 tatsächlich: „was Gott erfüllt hat, sind die Ereignisse, die Lukas aufschreiben will“, nicht, wie oft übersetzt wird, „die geschehenen Begebenheiten“. In 1,11 ist vom Boten des Herrn (also von Gott) das Erscheinen und Sprechen ausgesagt, was bedeutet: Gott macht sich bemerkbar, hörbar, wahrnehmbar. Dazu sogleich 1,13: „Der Bote sprach: Dein Gebet ist erhört“ (theol. Passiv; also Gott erhört). In 1,19: „Ich bin Gabriel, gesandt mit dir zu sprechen und dir zu verkünden“ (wieder theol. Passiv und Sprechen-im-Namen-Gottes, was ja sagt: Gott sendet, spricht, gibt sich und sein Anliegen zu verstehen, verkündet frohe Botschaft). – In 1,20 findet sich wieder „erfüllen“ im theol. Passiv; ähnlich 1,57. – In 1,25 sagt Elisabet: „so hat mir der Herr getan“; der Dativ ist zu beachten; die gängige Übersetzung „an mir getan“ (so auch Schürmann) und deren Anwendung verfälschen die Aussage (dazu ist oben im Haupttext die Richtigstellung gegeben; s. d.). Das Verb „tun“ mit purem Dativ findet sich auch im Munde Marias 1,49: „Denn Großes hat mir getan der Mächtige“. Das erinnert an 1,38: „Mir geschehe nach deinem
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Abschnitt B:
Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
die Wortwahl und Formulierungsweise der Kommentare wird die Aussage des LkTextes selbst oft entstellt, wenn nicht gar mißdeutet. Für die Textstellen in 1–2 zur Herkunft Jesu Christi ist das von alles entscheidender Bedeutung. Das sei zunächst an zwei Beispielen aufgewiesen; wir werden dann dem damit aufgeworfenen Problem systematisch nachgehen. Ein erstes Beispiel: Der Satz der Elisabet in 1,25 „so hat der Herr (Kyrios) mir getan in den Tagen, da er gnädig darauf sah, von mir zu nehmen meine Schmach“ wird im Kommentar so wiedergegeben: „Elisabeth anerkennt ihre Schwangerschaft als Tat Gottes, der gnädig die Schmach ihrer Kinderlosigkeit von ihr nahm“ (39). Das ist schlicht eine Verfälschung der Text-Aussage. Denn dort hat das Tun (pepoi,hken) des Kyrios das „gnädig darauf schauen“, d. h. das Darum-Besorgtsein Gottes zum Inhalt, die Schmach von ihr zu nehmen (so Schürmann selbst: 39 Anm. 84). Schwangerschaft ist keine Tat, am wenigstens Gottes, sondern stets FolgeZustand eines Tuns/Wirkens (davon ist in 1,23–24 auch ausdrücklich die Rede). Was genau Gott in diesem Fall konkret getan hat (pepoi,hken), ist überhaupt nicht angegeben. Folglich ist die Offenheit der Aussage gelten zu lassen, wenn zuerst das explizit Ausgesprochene erhoben werden soll.75 – Ein zweites Beispiel: Im einleitenden Text Wort“. Zu 1,49 ist auch 1,48 bedeutsam: „er hat hingesehen auf die Niedrigkeit seiner Magd“ als Angabe dessen, was Gott getan hat (was sicher kein „Wirken“ im gängig eingesetzten Sinn bedeutet); s. dazu auch, was oben zu 1,26 herausgestellt wurde. – Das oben zu 1,28 Festgestellte („der Herr, Kyrios, ist mit dir“) läßt an Mt 1,23 und 28,20 denken: Immanuel ist Gottesname = er selbst!; es bedeutet unmittelbar Gottes persönlichen Selbstvollzug (wenn man so formulieren muß), das, worin man persönlich da-ist und es lebt. – In 1,35 ist hervorzuheben: „heiliger Geist wird über dich kommen“ und „Kraft des Höchsten wird dich überschatten“: beide Verben geben an, was Gott in dem, was in 1,35 in biblischen Wendungen formuliert ist, tun wird. Was das, näherhin spezifizierend gefragt, genau ist, was Gott da tut (um mit Lukas zu sprechen), ist nicht erklärt; auch Maria ließ es offensichtlich offen, als sie sagte: „Mir geschehe, was du gesagt hast“ (38). – In 1,51 steht: „er tat Macht(tat) – Vepoi,hsen kra,toj“, was anschließend mit „zerstreuen“, „vom Thron stürzen“ näher und offensichtlich beispielhaft bestimmt wird. – In 2,9 ist die Rede von der „Herrlichkeit (do,xa) des Kyrios, die die Hirten umstrahlte (kommt nur in Lk 2,2,9 und Apg 26,13 vor!). – In 2,15 steht; „das Wort/Faktum, das geschehen (gi,nomai) ist, das der Herr (ku,rioj) uns kundgetan hat“. 75 Zur Formel „die Schwangerschaft der Elisabet Tat Gottes“ seien noch diese Kommentar-Aussagen angefügt, weil in ihnen weitere unberechtigte Wendungen eingesetzt sind. Zu 1,57ff sagt Schürmann im gegebenen Kontext: „Mit der Geburt eines Sohnes erweist sich die Engelverheißung von 1,13 als erfüllt. In der … Verwandtschaft wird dieses Ereignis als eine Großtat der Barmherzigkeit Gottes an der betagten kinderlosen Frau gewürdigt“ (82; wir bemerken den Ausdruck „Großtat der Barmherzigkeit Gottes“, der im Text keine Begründung hat). – Zu 1,5–25 heißt es einleitend u. a.: „Johannes … weil seine Sendung ganz in Gott gründete. Das wird illustriert (!) durch das wunderbare Eingreifen Gottes bei seiner Lebensentstehung schon im Mutterschoße … an der wunderbaren Lebensentstehung des Johannes soll deutlich gemacht (!) werden, daß selbst eine jungfräuliche Empfängnis nicht unmöglich ist“ (27). Die Formulierungsweise in diesen Sätzen ist unerträglich. Von „Gottes Eingreifen im Schoße der Mutter“ zu sprechen ist sachlich und sprachlich untragbar. Und daß vom „Wunder“ in der Elisabet deswegen die Rede sei, um die „jungfräuliche Empfängnis“ als „nicht unmöglich“ zu erweisen, widerspricht dem Lk-Text auch in dessen gänzlich anderer Intention und faktischer Aussage. – Zu 1,36f liest man u. a.: „es will demonstrieren, daß Gott auch eine jungfräuliche Empfängnis bewirken kann: Die späte, ebenfalls wunderbar gewirkte Schwan-
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
zur Auslegung von 1,26–38, den wir oben schon zitiert haben, heißt es bei Schürmann: „… die ‚Gottessohnschaft‘ theologisch zu gründen. Das geschieht durch den Aufweis, wie Jesus sein menschliches Dasein der schöpferischen Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau verdankt. Der Bericht schildert von Anfang bis Ende (vgl. VV 27.30f.34ff ) Gottes Wirken im Lichte der Prophetie Is 7,14 LXX …, die Verheißung der Jungfrauengeburt als erfüllt bezeugen; die vaterlose Lebensentstehung Jesu ist dem Bericht wichtig, weil an ihr christologische Aussagen deutlich werden“ (40).76 Hier ist vieles dringend zu hinterfragen. Aus welchen Wörtern oder Aussage-Elementen des LkTextes liest (oder erschließt) Schürmann das, was er einleitend (!) zu 1,26–38 so vorbringt? Worin gründet eine solche Auslegung, und mit welchem Recht? Wie spricht dagegen der Lk-Text, und welche Ausdrücke verwendet er? Das ist für 1–2 bei unvoreingenommenem Lesen eindeutig und klar, gerade auch in Bezug darauf, was Gott „tut“. In 1,30 spricht Gott (in seinem Boten) mit Maria, die er zuvor (1,28) als „Begnadete“ begrüßt und ihr sein „Mit-dir-Sein“ zugesprochen hatte.77 In 1,32 erklärt sich „Gott der Kyrios“ als den, der „den Thron geben wird“, worin die ganze Geschichte Gottes mit Israel ins Wort gebracht ist, mit dem von Gott selbst bestimmten „Sach“Inhalt seiner Verheißung. Auf die Anfrage Marias spricht Gott (er gibt sein Wort!). Er eröffnet, was er zu tun beabsichtigt: „heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ (35).78 Die Antwort Gottes ist im (biblisch häufig gebrauchten und stets recht verstandenen) Parallelismus membrorum formuliert. So sagt beides dasselbe eine aus: Gott gedenkt das zu tun, was dieser Satz ausspricht.79
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gerschaft der als unfruchtbar geltenden Verwandten Elisabeth, die schon im 6. Monat ist, ist nun öffentlich bekannt. Sie beweist, daß Gott alles vermag“ (56; s. dazu das zum vorher besprochenen Text Gesagte). Wir beachten, daß diese einleitend-zusammenfassenden Kommentarsätze, die sich auf 1,26–38 („Die Ankündigung der Geburt Jesu“!) beziehen, als „theologische Gründung für das dem Glauben Feststehende“ (muß das theologisch gegründet werden?) ausgegeben werden! Dieses wird in der „Messianität und ‚Gottessohnschaft‘ (in Anführungsstriche!)“ gesehen! Die Aussage erscheint zugleich reduziert auf „sein menschliches Dasein“. Von den mit „Ankündigung der Geburt Jesu“ überschriebenen Versen heißt es dann: „Der Bericht schildert (!) … Gottes Wirken …“! Die „Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau“ wird als „schöpferisch“ spezifiziert, was dann sogleich mit „vaterlose Lebensentstehung“ nochmals näher erklärt wird! Das „Begnadete“ in 1,28 ist als theologisches Passiv zu verstehen: Gott begnadet; es bekundet daher Gottes freies, persönlich-präsentisch-währendes „Tun“. Gott selbst gibt Maria diesen ihren Namen „Begnadete“ durch sein Tun. Und das in 1,28 sogleich mit dem zusätzlichen und doch dasselbe sagenden Zuspruch des eigenen Mit-dir-Seins, das ja persönlich-aktiver Seins- und Selbstvollzug ist: Ich bin, d. h. ich „tue“, „vollziehe“ mein eigenes Ich-selbst-Sein in dieser von mir frei bestimmten Weise; ich „mache“ mich-selbst zu dem, der dieser Mit-dir-Seiende ist. Das ist Gottes Immanuel-Sein, auf eine namentlich von ihm selbst genannte und angesprochene Person hin. Vgl. dazu das im Abschnitt B.II.2.3 Vorgetragene bezüglich der rechten Übersetzung und zur theologischen Erfassung von Lk 1–2. Zum rechten Verständnis der Wendungen „heiliger Geist wird über dich kommen“ und „Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ sei auch auf den Exkurs 1.7 „Heiliger Geist“ (Geist bzw. heiliger Geist als Gottesname) hingewiesen, sowie auf folgende Lexika-Artikel: evpe,rcomai in EWNT 2,51f
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Abschnitt B:
Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
Von einem Wirken oder Bewirken, gar von einer „schöpferischen Tat im Schoße Marias“ spricht 1,35 gerade nicht! Auch andere Kommentarfeststellungen Schürmanns zu 1–2, die ähnlich sprechen, haben kein gültiges Fundament in dem im Lk-Text explizit Ausgesagten.80 Wir gehen jetzt den Kommentarstellen nach, in denen (wenngleich unberechtigt) vom Wirken Gottes spezifisch in Bezug auf die Herkunft Jesu Christi gesprochen wird.
(G. Schneider) und ThWNT II.678 (J. Schneider); evpiskia,zw in EWNT 2, 85–87 (G. Schneider). In ihnen wird auf die eigenartige Offenheit der jeweils betreffenden Wortbedeutung dieser Verben hingewiesen. S. d. 80 Folgende Text-Stellen des Kommentars Schürmanns, die ausdrücklich von „Tat Gottes“, von „Wunder“, vom „Wirken“, gar „schöpferischem Wirken Gottes“ u. ä. sprechen, ohne dafür im Lk-Text ein gültiges Fundament zu haben, seien hier zitiert und gegebenenfalls kritisch besprochen. Zu 1,5–25 heißt es u. a.: „So wunderbar die Empfängnis des Johannes war … die Möglichkeit des noch größeren Wunders im Schoße Mariens … das wunderbare Eingreifen (!) Gottes bei (!) seiner Lebensentstehung schon im Mutterschoße“ (27). – Zu 1,28 u. a.: „… geht doch die Begnadigung (wie Gn 6,8; 28,3) der danach erzählten göttlichen Tat voraus … So antizipiert auch kecharitomene in gnadenhaft effektiver (!) Weise, was im Folgenden verheißen wird: Gottes Gnade (!) bereitet sich (!) die jungfräuliche Messiasmutter (!)“ (44). – Zu 1,35 u. a.: „pneuma hagion … wird das Wunder in ihr wirken (!), die schöpferische Allmacht Gottes, bei dem „nichts unmöglich ist“ (37). „Das Bild (!) von der ‚Überschattung‘… durch die dynamis Gottes meint den gleichen schöpferischen Vorgang (!): Gottes Allmacht wird im Schoße Mariens ein Kind (!) erschaffen (!)“ (52). Dem wird sogleich hinzugefügt: „im AT und NT, wo Gott wunderbar mitwirkte (!) bei der Erzeugung (!) des Isaak … nur daß Gottes schöpferische Tätigkeit hier nun bis zur jungfräulichen Lebensentstehung (!) gesteigert (!) ist. … Weil das Kind in seinem Ursprung (!) gänzlich (!) gottgewirkt (!) ist, wird es durch und durch (!) ‚heilig‘ sein … Gottes Pneuma wird ihm schöpferisch lebenspendend (!) das Dasein (!) geben“ (52; 53f). Dazu wird sogleich (55) diese erstaunliche Feststellung gemacht: „Die Prädikation (!) hyios ist hier also charakteristisch vertieft verstanden – wenn auch noch nicht die metaphysische Tiefe (!) erreicht ist, die sie bei Paulus und Johannes hat. Die Aussage, die hier über den ‚Anfang‘ (!) Jesu gemacht ist, betrifft vordergründig nur mehr sein gottgewirktes irdisch-menschliches Sein. Das Wissen, daß Jesus als der Messias Geistträger (!) ist, ist hier (und Mt 1,18.20) überhöht bis zur Aussage über Jesu geistgewirkten (!) Ursprung (!)“. – Zu 1,38 u. a.: „Das Wort Mariens … da es in höchster Weise passive Verfügbarkeit (!) und aktive Bereitschaft (!) in einem bezeugt, tiefste Leere und höchste Fülle zugleich (!) … Die Bereitschaft (!) Mariens hat Gott Raum gegeben (!), der nun sein Wunder (!) wirkt“ (58). – Zu 1,39–45 u. a.: „Hier steigert sich das Bekenntnis zu den gottgewirkten Anfängen (!) in einem dankerfüllten Hymnus, der im kleinen schon die ganze Vollendung sieht“ (64). – Zu 1,46–49 u. a.: „Der prophetische Blick (!) sieht die Vollendung der Taten Gottes schon in ihrem kleinen Anfang. Dieser kleine Anfang aber verbirgt sich unter der Freude einer werdenden Mutter (VV 46b-49), besteht in dem, was Gott in ihrem Schoße wunderbar gewirkt hat“ (64 und 71). – Zu 1,48: „Die Heilstat Gottes … wird nun konkret genannt und als persönliche Heilstat (mou) an der jubelnden ‚Magd‘ beschrieben. Maria hat nun die Gewißheit, daß die Verheißungen des Engels VV 31ff.35 sich in ihrem Schoße erfüllt haben“ (73). Das wird sogleich weitergeführt: Zu 1,49–51: „Vom Dank für die Großtat Gottes geht das Lied dann anbetend über zum Lobpreis … Gottes Machttat (wird) nun … als ‚Erbarmen‘ charakterisiert (!)“ (74f). – Zu 1,57: „Mit der Geburt eines Sohnes erweist sich die Engelverheißung von 1,13 als erfüllt. In der Nachbarschaft … wird dieses Ereignis als eine Großtat (!) der Barmherzigkeit (!) Gottes an der betagten kinderlosen Frau (!) gewürdigt“ (82).
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
In den schon zitierten (und zahlreichen anderen) Beispielen wird in auffallender Weise von einem Wirken Gottes zu Beginn des Lebens Jesu gesprochen. Es ist von der „Lebensentstehung Jesu“ sowie von „Anfängen“ oder „Anfang“ bzw. von „Ursprüngen“ oder „Ursprung Jesu“ die Rede.81 „Ursprünge Jesu“ findet sich sogar als Überschrift zu 1,5 – 2,52 („Präludium: Jesu Ursprünge in Gott“ (18)!) Zu Beginn des Kommentars heißt es: „Luk hat Traditionen gefunden, die sein (d. i. Jesu) ‚Kommen‘ und sein ‚Gesandtsein‘ durchmeditiert und durchreflekiert hatten und so theologisch ausholender – von Jesu Ursprung her – verstanden. … Mit den ‚Ursprüngen‘ des Verco,menoj (3,16) hatte es seine besondere Bewandtnis … diese Ursprünge in Gott mußten (!) theologisch entfaltet werden“ (19f).82 Was damit genauer gemeint ist, wird in der Auslegung von 1,35 in gewisser Weise näher erklärt: „Das eigentliche Erzählungsinteresse (!) der ganzen Perikope (d. i. dort 1,32–38 „Ankündigung der Geburt Jesu“!) lichtet sich hier (d. i. in 1,35): die ‚Heiligkeit‘ und ‚Gottessohnschaft‘ Jesu bis in ihre Ursprünge seines Wesens in Gott verankern – ein Versuch, dem in anderer Weise auch der Stammbaum dienen will: Wie Adam von Gott erschaffen ward (vgl. 3,38) und dadurch in einem Sohnesverhältnis zu Gott steht, so – und doch ganz anders – geschieht hier neue Schöpfung, nachdem die Kette der Zeugungen (vgl. 3,32) abgerissen ist. Weil das Kind in seinem Ursprung gänzlich gottgewirkt ist, wird es durch und durch ‚heilig‘ sein … Gottes Pneuma wird ihm schöpferisch lebenspendend das Dasein geben, darum sein innerstes Wesen bestimmen und es ‚heilig‘ machen“ (53f; dazu 55: „Jesu geistgewirkter Ursprung“). Es fällt besonders auf, daß in Bezug auf die „Ursprünge Jesu“ gleichzeitig und im selben Kontext von den „Ursprüngen seines Wesens in Gott“ und von „neuer Schöpfung“ zur Bestimmung seines „Sohnesver81 Es ist unerfindlich, warum Schürmann von „Ursprung“ und „Ursprüngen“ wie von „Anfang“ und
„Anfängen“ in Bezug auf Jesus spricht, die Wörter einmal im Singular, dann im Plural sowie mit oder ohne Anführungszeichen setzt, und zwar im selben Abschnitt. Es zeigt sich auch daran, daß das, was er jeweils meint sagen zu sollen, oft fragwürdig ist. 82 Das wird dort noch weiter entfaltet. Auffallend dabei der Plural „Ursprünge“ und „Anfänge Jesu“, sogar „in Gott“ (20–21), dessen Sinn nicht erkennbar ist. Eine gewisse Klärung findet das in dem, was dann später mit diesen Ausdrücken tatsächlich angesprochen wird. So z. B. in der einleitenden Bemerkung zu 1–2: „… gläubige Erzählweise …, die die Ursprünge Jesu in Gott gläubig bekennt und sie mit Hilfe typologischen Schriftverständnisses … zur Ausdeutung bringt … Wie nun in Lk 1–2 Jesu ‚Anfang‘ zurückmeditiert wird in die ‚Ursprünge‘, werden auch die Anfänge des Täufers mit zurückverlegt. Das Glaubensinteresse, das die Anfänge Jesu immer schon mit den Auftreten des Täufers verknüpft hatte“ (24 und 25). Auch die folgenden Aussagen Schürmanns sind sehr aufschlußreich (doch insgesamt inakzeptabel): „Das eigentliche Erzählinteresse (von 1,33–35; R. S.) lichtet sich hier: die ‚Heiligkeit‘ und ‚Gottessohnschaft‘ Jesu bis in die Ursprünge seines Wesens in Gott zu verankern … Weil das Kind in seinem Ursprung gänzlich gottgewirkt ist, wird es durch und durch ‚heilig‘ sein … sein innerstes Wesen bestimmen“ (53f; s. dazu 55: „Aussage über Jesu geistgewirkten Ursprung“). Es sei auch auf die Aussagen zu Lk 3,1–4,44 („Der Anfang von Galiläa aus“) hingewiesen: „Für Luk liegt auf dem ‚Anfang‘ Jesu in Galiläa ein starker Akzent …“ (147); dann auch zu 3,21–22.23–28, das die Überschrift hat „Jesu Ursprung in Gott“: „Jesu ‚Kommen‘ (3,16; 4,16), seine ‚Sendung‘ (4,18) wurzelt in Gott“ (188). Das ist dort so formuliert ohne jeden Bezug zu den zu Anfang vielfältigen Bemerkungen zu den „Ursprüngen Jesu“.
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Abschnitt B:
Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
hältnisses zu Gott“ die Rede ist, das mit dem Adams verglichen wird. Die Formulierung „Gottes Pneuma wird ihm lebenspendend das Dasein geben“ wiederholt auf ihre Weise, was schon zuvor oft betont herausgestellt wurde. Dort setzt Schürmann sehr oft den Ausdruck „Lebensentstehung“ ein, jeweils mit erstaunlichem AussageInhalt, der jedoch in Bezug auf Jesus untragbar ist.83 Diese Wendung findet sich in bezeichnender Formulierungsweise zuerst in der einleitenden Erklärung zum Verständnis und zur Auslegung von 1,5–25 in Bezug auf Johannes und Jesus eingesetzt. Dort heißt es: „Die Erzählungsabsicht des – isoliert gelesenen – Berichts ist es, an den wunderbaren Anfängen des Johannes zu illustrieren, wie sehr er ‚ein Großer vor Gott‘ (1,15) gewesen ist … weil er schon ‚vom Mutterschoße an‘ mit Heiligem Geist erfüllt war (1,15) und seine Sendung gänzlich in Gott gründete. Das wird illustriert durch das wunderbare Eingreifen Gottes bei seiner Lebensentstehung schon im Mutterschoße …; (es) soll an der wunderbaren Lebensentstehung des Johannes deutlich gemacht werden, daß Gott selbst eine jungfräuliche Empfängnis nicht unmöglich ist (vgl. 1,36f.45) … vielmehr wird hier die ‚Größe‘ Jesu (1,32) an dem ‚großen‘ (1,15) Johannes in der Weise illustriert, daß seine Lebensentstehung als noch wunderbarer hingestellt wird“ (27f).84 „Erzählungsabsicht des Berichts“ meint in diesem Satz of83 Das Wort (der Begriff ) „Lebensentstehung“ ist ein gänzlich unüblicher Ausdruck und im Blick
auf namentlich-individuell genannte Menschen kaum anwendbar; er ist nicht nur in sich problematisch, sondern irreführend. „Entstehen“ ist ein intransitives Verbum und gibt, mit dem Genitiv „Leben“ vereint, das Werden dessen an, der „entsteht“. „Lebensentstehung“ könnte vielleicht für das stehen, was in den Naturwissenschaften „Urzeugung“ genannt wird, das bekanntlich „elternlose Zeugung, Abiogonie, Generatio spontanea“ meint – wobei nach wie vor diskutiert wird, ob es so etwas gab oder gibt. Somit ist diese Wortbildung absolut deplaziert, wenn es im Falle des „Werdens“ eines namentlich genannten, individuellen Menschen in Bezug auf dessen Zeugung, Empfängnis, sein Wachsen im Mutterschoß und die Geburt angewendet wird. Schürmann spricht von „Vorgängen der Lebensentstehung“ und vom „Eingreifen Gottes bei seiner (d. i. Johannes) Lebensentstehung“ (26 u. 27). Wir werden das noch weiter zu besprechen haben. – Mit „Lebensentstehung“ im Schürmann-Text wird übrigens auch das Sprechen von „Ursprüngen“ des Johannes bzw. Jesu wegen seiner Deplaziertheit als unangebracht bzw. unglücklich neuerlich erkannt. 84 Diesem zitierten Text unmittelbar zuvor finden sich diese vielsagenden Sätze: „Die Erzählung (d. i. im Kontext: 1,5–56, das mit „Die Verheißung“ überschrieben ist) denkt heilsgeschichtlich im Schema Verheißung – Erfüllung (s. o.): Schon die erste Erzählung über die wunderbare Lebensentstehung des Johannes scheint zwar – isoliert gelesen – auf den Höhepunkt bringen zu wollen, was Gott in alten Tagen an großen Männern der Vorzeit getan hat … Heilsgeschichtliche Deutungen und Wesensaussagen werden gegeben, indem Gottes Vorausbestimmung und Handeln schon vor der Geburt geschildert werden. Für ein volkstümliches, lebensnahes Denken, das gläubig sieht, haben ja die Vorgänge der Lebensentstehung von jeher eine große Transparenz; da das Geheimnis Gottes in ihnen west, sind sie befähigt, theologische Aussagen anschaulich und lebensnah zu machen“ (26). Schon dieser Text, der die Auslegung von 1,5–56 erst einleitet, ist angefüllt von kryptischen Ausdrücken und Behauptungen. Daß eine „Erzählung (!) heilsgeschichtlich denkt (!) im Schema (!) Verheißung – Erfüllung“, ist rätselhaft, zumal wenn dafür angegeben wird, „was Gott in alten Tagen (?) an großen Männern (?; in den biblischen Beispielen, die dazu im Kontext gegeben werden, ist von den Frauen Sara, von der Frau des Manoach und Hanna die Rede !) der Vorzeit (?) getan (!) hat“. Es ist von der „wunderbaren Lebensentstehung des Johannes“ die Rede.
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III.
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fensichtlich die „Sache“, die „erzählt“, d. h. bekundet sein soll. Hier wird das Eigentliche als „illustriert an bzw. durch ein anderes“ als es selbst erklärt; dasselbe meint ja wohl auch das „es soll deutlich gemacht werden“. Was also eigentlich angesagt sein soll, ist „wie sehr er (Johannes) ‚ein Großer vor Gott‘ gewesen ist“. Das wird „illustriert“ (was hier wohl „offendecken“ oder als „implizit, aber deutlicher erkennbar aus einem anderen entfaltbar“ meinen dürfte). Was etwas „illustrieren“ soll oder kann, muß entsprechend offenkundiger und irgendwie bekannter sein. Das ist hier: „Weil er schon ‚vom Mutterschoße an‘ mit Heiligem Geist erfüllt war und seine Sendung gänzlich in Gott gründete“. Und das wird sogleich auch illustriert, und zwar „durch das wunderbare Eingreifen Gottes bei seiner Lebensentstehung“! Aber auch das ist plötzlich nicht das Eigentliche der Aussage. Denn es „soll an der wunderbaren Lebensentstehung des Johannes“ etwas anderes „deutlich gemacht werden, (nämlich) daß Gott selbst eine jungfräuliche Empfängnis nicht unmöglich ist“. An diesem TextBeispiel dürfte deutlich geworden sein, eine welche Problematik mit der Wahl und dem Einsatz des (ganz unüblichen) Wortes „Lebensentstehung“ hier heraufbeschworen ist. Trotzdem ist sein Gebrauch aufgegriffen worden und beherrscht mit dem jeweils mit ihm Gemeinten die gesamte Ausdeutung des Textes 1,26–38 im Kontext des 1. Kapitels wie dann auch die von Schürmann weit ausgeführte Diskussion um die „Jungfrauengeburt“ (39–69)! Das wird deutlich durch die Übersicht über die anderen Stellen der Verwendung von „Lebensentstehung“. So findet sich im einleitenden Text zu 1,26–38 (das mit Ankündigung der Geburt Jesu“ überschrieben ist!), also noch vor der eigentlichen Auslegung des Lk-Textes, eine Reihe von Aussage-Elementen gerade im Miteinander mit „Lebensentstehung“, die überaus aufschlußreich sind.85 Es Es ist die Frage: Muß das, was in 1,5–56 zur angekündigten Geburt des Johannes klar und eindeutig gesagt ist, so verkompliziert angesagt werden, gar deswegen, um es einsichtiger zu machen? Es wird von „volkstümlichem, lebensnahem Denken, das gläubig sieht“, gesprochen. Was soll damit und ggf. gegen wen angesagt sein, zumal wenn behauptet wird, daß „die Vorgänge (!) der Lebensentstehung … befähigt (!) sind, theologische Aussagen (was meint das? biblische?) anschaulich und lebensnah zu machen (!)“ – was diese also von sich aus nicht leisten? Weiters: „es haben ja die Vorgänge (!) der Lebensentstehung von je her (?) eine große Transparenz, da das Geheimnis Gottes in ihnen west (?)“. Dazu die Frage: Gilt das für die „Lebensentstehung“ eines jeden individuellen Menschen; und wenn ja, was ist dann hier spezifisch gemeint? Soll da etwa das angesprochen sein, was z. B. Ps 139 uneinholbar eindrucksvoll ausspricht (und Ps 8 und 19 nicht weniger)? Was ist dann aber im Falle des Johannes und, vor allem, Jesu anders oder neu? An diesem Beispiel sei aufgewiesen, wie unnötige Fragen, die man an den Lk-Text stellt, und voreilige Behauptungen die schlichten und grund-verständlichen Aussagen des LkEv nur entstellen und das Offenkundige verstellen, ja zur Sprachlosigkeit verurteilen. 85 Wegen seiner Bedeutsamkeit bringen wir hier den Text nochmals (fast) ganz; die Besprechung s. oben im Text. „Die Erzählungstendenz der Verkündigungsszene ist eminent christologisch: Es geht letztlich darum, die dem Glauben feststehende Messianität und ‚Gottessohnschaft‘ Jesu theologisch zu gründen. Das geschieht durch den Aufweis, wie Jesus sein menschliches Dasein der schöpferischen Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau verdankt. Der Bericht schildert von Anfang bis Ende (vgl. VV 27.30f.34ff ) Gottes Wirken im Lichte der Prophetie Is 7,14 LXX, die ihn gänzlich und von Grund auf gestaltet. Es geht dabei aber nicht nur darum, die Verheißung der Jungfrau-
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Abschnitt B:
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werden Einzelangaben vorgelegt, die im Grunde alle das eine und selbe (mit jeweils anderen Worten) aussagen sollen. Sie haben jedoch im Text 1,26–38 selbst (und auch im gesamten 1. Kapitel des LkEv) kein gültiges Fundament. Es heißt: Die „Messianität und die ‚Gottessohnschaft‘ Jesu“ sollen theologisch gegründet werden.86 Diese „theologische Gründung“ geschieht durch den „Aufweis (!), wie Jesus sein menschliches Dasein (!) der schöpferischen Tat (!) Gottes im Schoße einer Jungfrau verdankt“. Dieser „Aufweis“ geschieht aber eigenartigerweise mittels des „Berichtes“, „der von Anfang bis Ende das Wirken Gottes im Lichte von Is 7,14 LXX schildert (!). Es geht (jetzt anders formuliert) darum, die Erfüllung der Verheißung der Jungfrauengeburt (die in Jes 7,14 vorliege!)“, zu bezeugen. Diese (sog.) „Jungfrauengeburt“ wird sogleich mit „vaterlose Lebensentstehung“ identifiziert, die „dem Bericht wichtig“ sei. Alle diese einzeln genannten Aussage-Elemente werden in den folgenden Sätzen und Seiengeburt als erfüllt zu bezeugen; die vaterlose Lebensentstehung Jesu ist dem Bericht vielmehr wichtig, weil an ihr christologische Aussagen deutlich werden: (unmittelbar) Jesu ‚Heiligkeit‘ und (mittelbar) die in Gott gründende ‚Gottessohnschaft‘ offenbaren sich darin; vgl. V 35. So wird Jesu ‚Messianität‘ und sein ‚messianisches‘ Wirken – von dem die Evangelienschrift des Lukas berichten will – gleich zu Beginn stabil fundiert, und zwar auf dem Bekenntnis, auf einer christologischen Wesensaussage: Jesus ist der ‚Heilige‘ Gottes, der aus einer Jungfrau geborene ‚Sohn Gottes‘ und als solcher der ‚Messias‘ (welche Reihenfolge für Lukas nicht umkehrbar ist“ (40). 86 Es ist unerfindlich, warum Schürmann in den einleitenden Sätzen zu 1,26–38 diese eigentümlichen Abstrakta-Bildungen einsetzt, die im Lk-Text nie vorkommen. Wenn er sagt, es solle die „Messianität und ‚Gottessohnschaft‘ Jesu theologisch gegründet“ sowie das „messianische Wirken“ „stabil fundiert“ werden, weil sie eine „christologische Wesensaussage“ wären, so ist dazu dies zu sagen: Von alle dem ist in 1,26–38 überhaupt keine Rede! Nicht einmal „Christos“ begegnet dort. Es sind theologische (heutiger Fachsprache!) Begriffe und Wortbildungen, die das konkret-einfache und voll verstehbar Gesagte des Lk-Textes (verständlicher?) „wiedergeben“ sollen. Zu „Messias“ (das als „christologischer Titel“ verstanden wird!) und dem von Schürmann damit Gemeinten werden wir uns im folgenden ausdrücklich zuwenden (s. u.). „Gottessohnschaft“ (wiederholt in Anführungsstrichen geschrieben und auch als „christologischer Titel“ verstanden!) ist, wenn es von „Sohn des Höchsten“ (32) abgeleitet wird, eine absolut unzulässige Abstraktion. Denn im Falle Jesu ist „Sohn Gottes“ der unverwechselbare und nie für irgend jemand anderen rechtens anwendbare Eigen-Name Jesu. Dessen „Wesen“ kann durch keinen wie immer gebildeten Allgemeinbegriff (was Abstrakta stets sind!) angegeben werden. Das gilt auch für „Vaterschaft Gottes“, wenn in Bezug auf den „Sohn Gottes“ angewendet, der Jesus (wenn man unbedingt will: die zweite göttliche Person) ist. („Sohn Gottes“ wird in der Bibel ja auch in Bezug auf bestimmte Menschen bezogen angewendet.) Gleiches ist auch zur Formulierung Schürmanns „im Schoße einer Jungfrau“ und „aus einer Jungfrau geborene ‚Sohn Gottes‘“ zu sagen. Es ist in die Erinnerung zu rufen, daß der Lk-Text von Maria (wie auch von Elisabet persönlich) spricht. Sie ist nicht „eine Jungfrau“; denn das ist ein Allgemeinbegriff wie „Jungfräulichkeit“. Was gemäß 1,26–38 bekundet ist, ist derart „neu“ und „unerhört“, daß nur das Nennen des persönlichen Namens für die gelten kann und darf, die von Gott selbst mit „Maria, Du Begnadete“ angesprochen ist. „Jungfrau“ mit unbestimmtem Artikel (!) verfälscht oder verbagatellisiert das dort Bekundete. Man muß es forciert so sagen: Jesus ist nicht von einer Jungfrau, sondern von der Gott-erwählten Maria empfangen und geboren worden. Was Maria – wenn man meint, so etwas unbedingt erfragen zu müssen – in ihrem persönlichen momentanen Lebensstand (wenn man will: nach Leib und Seele) war, ist in 1,27 (im Kontext 1,28–36) hinreichend deutlich gesagt!
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ten bestätigt und mit Nachdruck hervorgekehrt. Dazu ist vielerlei kritisch zu bemerken. So liegt in 1,26–38 überhaupt kein Fundament dafür vor, ausdrücklich von einer „schöpferischen Tat Gottes“, gar „im Schoße einer Jungfrau“ sprechen zu können oder zu müssen. Das haben wir längst erkannt und muß hier nicht wiederholt werden.87 (Wir verbleiben hier nachdrücklich in unserer Absicht, das vom Lk-Text explizit Ausgesprochene zu erheben; implizit ggf. Mit-Ausgesagtes steht hier nicht zur Diskussion.) Die „schöpferische Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau“ wird unvermutet auf „das menschliche Dasein Jesu“ bezogen. Das läßt fragen, ob sich folglich alle Stellen mit „Lebensentstehung“ nur auf dieses „menschliche Dasein“ Jesu beziehen. Die Einsichtnahme in die fraglichen Kommentarstellen vermittelt letztlich eine Unentschiedenheit, da eine Harmonisierung der Aussagen nicht möglich erscheint, zumal Schürmann im Blick auf andere einschlägige Textstellen im NT eigenartige Ansichten vertritt, die ungerechtfertig erscheinen. Wir verbleiben folglich beim Verständnis des Lk-Textes selbst und haben dafür auch schon die Begründung gegeben. So verstehen wir nach wie vor „Jesus“ und was von ihm im LkEv selbst gesagt wird (zunächst) im „vollen“ Sinn seiner-selbst, als der er, wie wir gesehen haben, in Lk 1–2 namentlich im Reichtum seines „Seins“ bekundet ist. In diesen Zusammenhängen, in denen Schürmann die Wendung „Lebensentstehung“ (des Johannes wie Jesu) ungerechtfertigt, wie wir gesehen haben, einsetzt, be87 Von Gottes „schöpferischer Tat“ u. ä. ist in Bezug auf die „Lebensentstehung“ des Johannes und
Jesu öfter die Rede. Zu 1,25 haben wir schon auf das Sprechen von der „Schwangerschaft Elisabeths als Tat Gottes“ kritisch hingewiesen, weil im Lk-Text davon keine Rede ist (s. o.). Von ihr wird auch noch später ausdrücklich gesprochen, nämlich zu 1,39f (56). In Bezug auf Jesus wird von „schöpferischer Tat (bzw. Wirken)“ erstmals im oben zitierten Text (zu S. 40) gesprochen, die dort als „Tat im Schoße einer Jungfrau“, d. h. Marias, näher spezifiziert wird. Es wird dort auch mit „Wirken Gottes“ gleichgesetzt. Diese Weise des Sprechens findet sich öfter. Zur Auslegung von 1,28 wird zur Wendung „Gnade finden“ u. a. dies gesagt: „hier (wird) schon auf die messianische Mutterwürde vorausgeschaut – geht doch die Begnadigung (wie Gn 6,8; 18,3) der danach erzählten göttlichen Tat voraus“ (44). Zu 1,35 wird u. a. dies herausgestellt: „pneu/ma a[gion wird das Wunder in ihr wirken, die schöpferische Allmacht Gottes, bei dem ‚nichts unmöglich‘ ist (V 37). Gemeint ist das Pneuma, das am Anfang der Schöpfung über den Wassern schwebte (Gn 1,2) und für die Zukunft als aus der Höhe herabkommend erwartet wird (Is 32,15) … durch die du,namij Gottes meint den gleichen schöpferischen Vorgang: Gottes Allmacht wird im Schoße Mariens ein Kind erschaffen (!)“ (52). In diesem Satz ist das letzte Teil untragbar, da er von dem Jesus ausgesagt ist, von dem in 1,26–38 deutlichst die Rede ist, was schon in der zitierten einleitenden Feststellung auf das „menschliche Dasein Jesu“ reduziert wurde. Den, den Maria gemäß 1,31.35 tatsächlich empfangen und geboren hat, so ungeschützt als „von Gottes Allmacht erschaffenes Kind“ anzugeben, widerspricht dem, was 1,26–38 bekundet. Dasselbe ist zu folgendem Text zu sagen: „Weil das Kind in seinem Ursprung (!) gänzlich gottgewirkt (!) ist, wird es durch und durch ‚heilig‘ sei … Gottes Pneuma wird ihm schöpferisch lebenspendend (!) das Dasein geben (!), darum sein innerstes Wesen bestimmen und ‚heilig‘ machen (!). Die schöpferische Tat (!) des pneu/ma a[gion im Schoße der Jungfrau (!) wird also betont, um die ‚Heiligkeit‘ Jesu theologisch zu begründen (!) … ‚Heilig‘ ist Jesus an unserer Stelle, weil er vom Heiligen Geist im Mutterschoße gebildet (!) wurde; das pneu/ma a[gion hat ihn ‚heilig‘ gemacht (!)“ (54).
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gegnet auch die Verwendung von „Wunder“ bzw. „wunderbar“ häufig. Dazu ist zu bemerken, daß der Lk-Text dieses Wort nie verwendet! Eigenartigerweise steht es bei Schürmann auch ausschließlich nur im Kommentar zu Lk 1–2. So heißt es einleitend zum Abschnitt „Die Verheißung. 1,5–56“: „Die Erzählung denkt heilsgeschichtlich im Schema Verheißung – Erfüllung: Schon die erste Erzählung über die wunderbare Lebensentstehung des Johannes scheint … auf den Höhepunkt bringen zu wollen, was Gott in alten Tagen an großen Männern der Vorzeit ähnlich getan hat“ (26). Dazu sogleich: „Die zweite Aussage übersteigt die erste und führt weiter. So wunderbar die „Empfängnis des Johannes war: im Zusammenhang illustriert sie doch nur die Möglichkeit des noch größeren Wunders im Schoße Mariens (VV 36f.39.56)… Das wird illustriert durch das wunderbare Eingreifen Gottes bei seiner Lebensentstehung schon im Mutterschoße … Es soll an der wunderbaren Lebensentstehung des Johannes deutlich gemacht werden, daß Gott selbst eine jungfräuliche Empfängnis nicht unmöglich ist (vgl. 1,36f.45) … daß seine (d. i. hier: Jesus! R. S.) Lebensentstehung noch wunderbarer hingestellt wird“ (27f).88 Im Kontext der Auslegung von 1,39–45 heißt es u. a.: „Wenn der ‚Anfang‘ (vgl. Mk 1,1) Jesu hier zurückgeschaut ist bis zu einer wunderbaren gotttgewirkten Lebensentstehung, dann wandert damit auch der Anfang dessen (d. i. des Johannes) zurück …“ (67). In allen diesen Stellen ist nicht erkennbar, warum Schürmann überhaupt diese Begriffe „Wunder“ und „wunderbar“ einsetzt. Was soll mit ihnen nach dem Lk-Text noch deutlicher herausgestellt sein? Auffällig ist allerdings, daß nur im Kontext der Aussagen zur Lebensentstehung des Johannes und Jesu diese Wörter oder Begriffe angewendet sind, und das sogar in vergleichend-wertendem Sinn.89 Letztlich dient es bei Schürmann der Charakterisierung der „jungfräulichen“ bzw. „durch den Geist bewirkten vaterlosen Empfängnis“ (s. o.), die als eigentlicher Hauptaussage-Inhalt von 1,26–38 angesehen wird. Das bestätigt 88 Weitere Text-Beispiele dazu. Zu 1,17 wird u. a. dies gesagt: „Denn Gottes Wunder in den Tagen der
Väter sollen sich in dieser Heilszeit gesteigert wiederholen. Nach dieser Einleitung, die das kommende Wunder vorbereitet … kann nun die eigentliche Erzählung beginnen“ (31).- In der Auslegung von 1,34 wird u. a. von der „Vaterlosigkeit dieser Empfängnis“ gesprochen, „daß nämlich die jungfräuliche Empfängnis stattfand … daß sich die wunderbare Empfängnis nach dem Ja-Wort Mariens V 38 ereignet hat …“ (50). Dazu sogleich im dort Folgenden: „… als Jungfrau empfangen … pneu/ma a[gion … wird das Wunder in ihr wirken, die schöpferische Allmacht des Gottes, bei dem ‚nichts unmöglich ist‘ (V 37)“ (52). Dazu wird erklärend noch angefügt: „Die Vorstellung bleibt also in den Bahnen des AT und NT, wo Gott wunderbar mitwirkte bei der Erzeugung des Isaak … Gottes schaffende Tätigkeit bis zur jungfräulichen Lebensentstehung gesteigert ist“ (53). Im Kontext der Auslegung von 1,36f finden sich diese Feststellungen: „… will demonstrieren, daß Gott auch eine jungfräuliche Empfängnis bewirken kann: Die spätere, ebenfalls wunderbar gewirkte Schwangerschaft der als unfruchtbar geltenden Verwandten Elisabeth … ist öffentlich bekannt. Sie beweist, daß Gott alles vermag (vgl. Gn 18,14a): Er kann auch wunderbar eine jungfräuliche Empfängnis bewirken“ (56). Zum Wort Marias in 1,38 lesen wir u. a.: „Die Bereitschaft Mariens hat Gott Raum gegeben, der nun sein Wunder wirkt“ (58) 89 Vgl. dazu, was wir in dem zuvor Besprochenen kritisch betrachtet haben, wo wir erkannt haben, daß der Kommentator mehr und anderes aus diesen Versen herausliest als sie selbst sagen wollen.
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III.
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der Blick auf die nähere Auslegung und Ausdeutung von 1,35 durch Schürmann. Er versteht diesen Vers ja als die Antwort Gottes (er schreibt: „Erklärung des Engels“) auf die Frage Marias „Wie wird das geschehen“ (34).90 Diese Wie-Frage sieht er ausgelöst von dem, was in 1,31–33 als Rede des Boten (also Gottes) angesagt ist.91 Dafür hatte er schon als Quintessenz herausgehoben (kaum zu Recht), daß Maria „empfangen und Mutter des erwarteten Messias werde“ (46) und daß darin auch die „Vaterlosigkeit der Empfängnis angedeutet“ sei.92 Von daher versteht sich der eigenartige erste Satz in der Auslegung von 35a: „Die Frage hat die folgende Erklärung des Engels bereitet: Die Verlobte wird ohne ehelichen Verkehr, eben als Jungfrau (27) empfangen. In parallelistischer Form und andeutenden Bildern wird die Erklärung des Wie gegeben“ (52).93 Es ist unverzeihlich, den Text 35a, die Antwort Gottes an Maria persönlich!, als konkretisierende Erklärung (die sich sogar andeutender Bilder bedient) für das zu verstehen, was Gott selbst 31–33 angesagt hat. Mit „heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ kündet Gott selbst etwas absolut Neues und auch in 31–33 oder früher überhaupt noch nie Angesagtes oder mit real schon einmal Geschehenem Vergleichbares an, sein eigenes, auch von Gott bisher noch nie als geschichtlich sich verwirklichendes „Tun“, das sich ja überhaupt erst nach dieser Ankündigung ereignen soll – Gott gibt ja nicht irgendwem, auch keinem Propheten (vgl. dazu Jes 7, das eine Vor-Ankündigung gegen Achaz ist, ohne 90 Vgl. dazu, was wir oben in 111.2 zu 1,26–38 ausführlich dargelegt haben. 91 Zu diesem Text haben wir eine Reihe ähnlicher Aussageweisen zu den früheren Zitaten angege-
ben, die hier nicht wiederholt werden müssen; s. d. 92 Diese Formulierungen verwendet Schürmann in der Auslegung von 1,30f: 46 u. 47. Sie geben an,
was er dann eingehend weiter diskutiert. 93 Der volle Text dieser Stelle sei hier seiner Wichtigkeit wegen geboten: „Die Frage hat der folgenden
Erklärung des Engels den Weg bereitet: Die Verlobte wird ohne ehelichen Verkehr, eben als Jungfrau (27), empfangen. In parallelistischer Form und andeutenden Bildern wird die Erklärung des Wie gegeben: pneu/ma a[gion – wegen des Parallelismus und der Artikellosigkeit gleichbedeutend mit der du,namij Gottes zu nehmen – wird das Wunder in ihr Wirken, die schöpferische Allmacht des Gottes, bei dem ‚nichts unmöglich‘ ist (V 37). Gemeint ist das Pneuma, das am Anfang der Schöpfung über den Wassern schwebte (Gn 1,2) und für die Zukunft als aus der Höhe herabkommend erwartet wird (Is 32,15). Das Bild von der ‚Überschattung‘ – auch die beiden parallelen Verben müssen sinnverwandt verstanden werden – durch die du,namij Gottes meint den gleichen schöpferischen Vorgang: Gottes Allmacht wird im Schoße Mariens ein Kind erschaffen. (Dann der nächste Abschnitt in Kleindruck.) Wie eine Wolke wird Gottes Macht über ihr walten und in ihr wirksam werden – wie die Schechina nach Ex 40,35 in einer Wolke über dem Offenbarungszelt weilte und es dann erfüllte. Auch ist an die Wolke auf dem Berge der Verklärung 9,34 parr zu erinnern: Wie die du,namij Gottes hier Maria ‚überschattet‘, so dort die ‚Wolke‘ die Jünger. Die Vorstellung bleibt also im Rahmen des AT und NT, wo Gott wunderbar mitwirkte bei der Erzeugung des Isaak, Samson und Samuel (und des Johannes) – nur daß Gottes schaffende Tätigkeit hier bis zur jungfräulichen Lebensentstehung gesteigert ist. Röm 4,17–20 und Gal 4,23 werden wir belehrt, wie sehr zeitgenössische Vorstellungen diese atl. Aussagen weiterdenken konnten: gege,nnhtai … diV evpaggeli,aj (Gal 4,23), gennhqei.j … kata. pneu/ma (Gal, 4,29). Von dorther ist es nicht mehr sehr weit bis Lk 1,35“ (53).
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Abschnitt B:
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namentlich Genannte), sondern der Maria persönlich als sein Ansinnen kund, ihre Zustimmung erwartend.94 Wie Schürmann in seinem Kommentar nehmen wir uns die beiden Teile des Parallel-Satzes einzeln vor und schauen, was er meint daraus ersehen zu sollen. Zu „heiliger Geist wird über dich kommen“ wird als Aussage-Inhalt dies behauptet: „pneu/ma a[gion wird das Wunder in ihr wirken, die schöpferische Allmacht Gottes … Gemeint ist das Pneuma, das am Anfang der Schöpfung über den Wassern schwebte (Gn 1) und für die Zukunft als aus der Höhe herabkommend erwartet wird (Is 32,15)“ (52). Für die „schöpferische Funktion (!) des Geistes“ (so 54, Anm. 93) werden zahlreiche Belege vorgebracht, die sich jedoch alle als fehl am Platze erweisen. Sie haben mit dem in 1,35 Bekundeten nichts zu tun und können es um so weniger erklären.95 Es sind im Grunde nur Beispiele zum biblischen Verstehen des pneu/ma a[gion (besser noch: hw""hy> x:Wr) im allgemeinen und in den konkreten Fällen des Vorkommens im besonderen. Auf 35a angewandt verdunkeln die aus ihnen abgeleiteten Erkenntnisse nur die absolute Neuheit des von Gott her angesagten Geschehen-Werdens. Am ärgerlichsten erscheint es, wie Schürmann und viele andere mit ihm hier auf Gen 1,2 und 2,7 als Beleg für ihre Ansicht Bezug nehmen. Bekanntlich wird das rechte Verständnis von Gen 1,2 in der atl. Exegese nach wie vor diskutiert. „~yhil{a/ x:Wr (Jahwe)“ kann dort auch recht gut „Gottessturm“ meinen, „der über den Wassern schwebte“. Von 94 Vgl. dazu, was wir oben in II.2 herausgestellt haben. 95 In der Anmerkung 93 der S. 54 heißt es: „Die schöpferische und lebenspendende Funktion des
Geistes wird im AT und NT öfter erwähnt, z. B. Gn 1,2; 2,7; Ri 16,17; Ps 33,6; 104, 29f (vgl. Weish 7,22–27); 147,18; Job 27,3; 32,8; 33,4; Ez 37,1–14; Is 44,3f; Spr 8,22ff; Weish 7,22–27f; 15,11; Jdt 16,14; dann Röm 1,4; 3,11.14; Joh 3,5f; 6,63.“. Zu Gen 1,2 und 2,7 haben wir oben im Text Stellung genommen. Ri 16,17 muß ein Druckfehler sein. Es finden sich in Ri folgende Stellen mit „Geist“: Ri 3,10; 6,23; 11,29; 13,25; 14,6.16; 15,19. In allen diesen Stellen findet sich das Verb „kommen über“ (der Geist, der über die jeweils Genannten kam) und das allein geht mit 1,35 konform. Die „Sache“, um die es in 1,35 geht, ist jedoch eine gänzlich andere. Ps 33,6 ist gleichfalls kein Vergleichstext. Dort ist (wie im Parallelismus geläufig) im einen Satz vom „Wort Jahwe“ und vom „Hauch seines Mundes“ (hw"hy> rb;d> – wyPi x:Wr – pneu/ma tou/ sto,matoj) die Rede, als Gebietend-Sprechen im Sinne dieses Doppelausdrucks. Auch der Hinweis auf Ps 104,29ff ist unangebracht. Dort findet sich x:Wr in Bezug auf die Menschen (oder gar alle Lebewesen): „ihren Geist = Lebenshauch“, und für Jahwes Geist („deinen Geist“; Jahwe ist angesprochen) eingesetzt. Es ist nur die Verwendung der selben Vokabel „Geist“ (die ja sehr vieles angeben kann), die mit 1,35 konform geht. Ps 147,18 hier beizubringen, ist für das Verstehen von 1,35 absolut unangebracht (was hier nicht erst aufgewiesen werden muß). Job 27,3 kann wohl mit Gen 2,7 zusammengeschaut werden, in ihm klingt aber 1,35 überhaupt nicht an. Das gilt ähnlich für Job 32,8 und 33,4. Auch Ez 37,1–14 enthält nichts, das gerechtfertigt mit 1,35, gar erklärend, gleichgesetzt werden kann. Auch Jes 44,3f zeigt nichts an, was mit 1,35 etwas zu tun hätte: „So spricht Jahwe, der dich geschaffen und gebildet hat vom Mutterleib an … Denn ich gieße Wasser über lechzendes Land … Ich gieße meinen Geist aus auf dein Geschlecht und meinen Segen auf deine Sprößlinge“. Zur Angabe der Stellen Spr 8,22ff, Weish 7,22f und 15,11 ist nichts anderes zu sagen, als daß sie gänzlich unpassend, ja ärgerlich ist. Röm 1,4 und 8,11.14 sind genauso unangebracht (die sprechen von etwas gänzlich anderem) wie es für die Angabe von Joh 3,5f und 6,63 zur näheren Erklärung für Lk 1,35 gilt.
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
irgendeinem Beteiligtsein im erschaffenden „Wirken“ Gottes (Gen 1,3–31) ist jedenfalls mit keiner Silbe die Rede, noch weniger vom eigenen „schöpferischen Wirken“ des in Gen 1,2 genannten Geistes/Gotteshauches.96 In 2,4b-25 wird in Bildrede das Wirken Gottes (Jahwe Elohim) „beschrieben“; es liegt dort erkennbar kein Sach-Bericht vor. Es heißt: „Jahwe Gott bildete aus Staub vom Erdboden den Menschen und blies in seine Nase Lebenshauch (vp,n< – pnoh.n zwh/j – spiraculum vitae). (Darunter sind auch nicht „Leib und Seele“ als „Bestandteile“ des Menschen zu verstehen!) Schon die Zusammenschau von Gen 1,2 und 2,7 als vom selben „Geist“ sprechend ist irrig, der Hinweis auf 1,35 absurd. Die im zitierten Text (Anm.) angegebenen Stellen Ps 33,6; 104,29ff und 147,18 sagen etwas aus, das mit 1,35 überhaupt nicht vergleichbar ist.97 Die fehlgehenden Hinweise auf Röm 1,3f und 8,11.14 und auf Joh 3,5f und 6,63 (die mit 1,35 nur die Vokabel pneu/ma gemeinsam haben) lassen deutlich erkennen, daß es für 1,35 eben keine Stellen gibt, die auch nur andeutungsweise von etwas Vergleichbarem sprechen, was dort für unvoreingenommene und sich offen haltende hörwillige Leser euangelion-gemäß bekundet und verstehbar verkündigt wird. Das LkEv will ja gerade (auch) das bisher absolut noch nie Geschehene, auch von Gott her oder durch ihn nicht, das sich „unter uns ereignet hat“ (1,1), bekunden und als Evangelium festzuhaltendes Glaubensgut „aufschreiben“.98 Das gilt auch für das, was in 1,26–38 und also in 1,35 ausgesprochen ist, ohne Zweifel in Verwendung der damals üblichen Sprachen, ihrer Sprachwörter und Sprachspiele, die aber eben keine vereinbarten mathematisch-fixen Symbole sind, die festgelegt-einmalige Bedeutungsinhalte haben, sondern lebendig und so frei sind, wie es den menschlichen Sprachen eigen ist. Erst der jeweilige konkret-lebendige Sprechakt, und in ihm auch wesentlich die Betonung, der bestimmte Nachdruck, kurz die Musik des Sprechens gibt ihnen doch ihren vom Sprecher frei gewählten Sinn, der auch vom Angesprochenen herausgehört werden kann.99 96 Hier seien diese Kommentare genannt: Cl. Westermann, Genesis 1. Teilband, 1974, darin bes. 102–
152. – L. Ruppert, Genesis. Ein kritischer und theologischer Kommentar, 1. Teilband, Würzburg 1992. 97 Siehe dazu die Bemerkungen oben. 98 Es sei auf das zurückverwiesen, was wir dazu oben schon betont herausgestellt haben. 99 Nochmals verweisen wir darauf, daß es hier zunächst darum geht, das vom Lk-Text selbst Ausgesprochene klar zu erheben. Schürmann weist bei entsprechender Gelegenheit selbst darauf hin, daß „zunächst die Intention des Textes“ zu eruieren ist: 63 im dortigen Kontext. Aus „du wirst im Schoße empfangen“ (1,31) in Verbindung mit 1,35 sogleich auf eine „schöpferische Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau“ als vom Lk-Text selbst intendierte Aussage zu schließen, ist nicht gerechtfertigt. Auch das „heiliger Geist wird über dich kommen“ in 1,35 spricht nicht selbst von „einem schöpferischen Vorgang durch die dynamis Gottes im Schoße Mariens“ (52). Es ist eine eigentümlich offene Redeweise, die jedoch in der Bibel häufig begegnet und deswegen in jedem Einzelfall auf ihre dortigen klar erkennbaren (oder auch geheimnisvollen) Aussagegehalte hin abgehört werden muß. Dasselbe gilt für „dich überschatten“. Es geht nicht an, aus dieser Formulierung hier das herauszuhören, was mit ihr an anderen Bibelstellen ausgesagt erscheint. Prinzipiell muß darauf hingewiesen werden, daß die Verwendung z. B. von alttestamentliche Wendungen in der Darstellung
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Abschnitt B:
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Auch für das im Kommentar Schürmanns zu „Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ deutend Ausgesagte gilt dasselbe Urteil. Die Rede von der „Überschattung“ betrachtet er als „andeutendes Bild“ für das mit ihm eigentlich Gemeinte, das er ja so ausformuliert: „es meint den gleichen schöpferischen Vorgang: Gottes Allmacht wird im Schoße Mariens ein Kind erschaffen“. Wir haben schon erkannt, daß die Auslegung von „heiliger Geist wird über dich kommen“ als „wird das Wunder in ihr wirken“ sich als ungerechtfertigt erweist. Die Wiederholung dieser Ausdeutung für „überschatten“ ist schon deswegen genau so unbegründet; sie ist irreleitend. Schürmann vergleicht ja im unmittelbar folgenden Abschnitt nicht das „wird dich überschatten“ des Lk-Textes, sondern das in seiner Formulierung Angegebene zum „eigentlichen“ Aussage-Sinn des Bildes „Überschattung“ durch einen doppelten Wie-Satz: „wie eine Wolke …“ und „wie die Schechina …“. Die jetzt zur weiteren Erklärung angegebenen Schriftstellen Ex 40,35 und Lk 9,34 parr sind durch das Wort „Wolke“ bestimmt, womit 35a näher gedeutet werden soll. Der erste Satzteil „wie eine Wolke wird Gott über sie (Maria) walten und in ihr wirksam werden“ läßt jedoch fragen, was dieser Vergleich eigentlich sagen will. Warum in Bezug auf „überschatten“ in 35a eine „Wolke“ zum Vergleich nehmen, da doch Gott selbst genannt ist, der das „tut“. Und warum wird das mit „überschatten“ deutlich genug Angesagte durch „walten über“ (was ist das?) und „in ihr wirksam werden“ ergänzt oder gedeutet? Was sollen die Ausdrücke eigentlich sagen? Der dort folgende Hinweis auf Ex 40,35 könnte auf den ersten Blick Klareres vorbringen, doch dieser Vers wird irgendwie willkürlich eingeführt. Schürmann gibt den Text paraphrasierend und allerdings auch (Bekundung) von später Geschehenem oder ihren Tatbeständen ihren Eigen-Charakter (noch) nicht bestimmt. Es liegen (auch schon für alt. Ereignisse) keine end-gültig fixierten Sprachmöglichkeiten bereit, mit denen die real geschehenden Ereignisse oder Tatbestände oder Neu-Gewordenes im jeweils geschichtlich neuen Geschehen hinreichend deutlich und allgemein verstehbar ausgesprochen werden können oder gar müssen. Dem Geschichtlich-Neuen, bisher Unerhörten ist kein Darstellungs-Schema voraus. Schon vorhandene Sprachwendungen und Begriffe müssen in bestimmten Fällen eine wirklich neue Bedeutung erlangen. Konkret gesprochen: Neutestamentliches kann nicht schon durch alttestamentliche Sprach-Wendungen allein voll-gültig verstanden und bekundet ausgesagt werden. Dazu dieses Beispiel: Die Rede von Geburtsverheißungen oder von Ankündigungsschemata stehen ja keineswegs vor solchen Ereignissen konkreten namentliche Ansagen zur Verfügung. Es ist das jeweilige konkrete Geschehen, das bestimmt, was ausgesagt sein soll. Da mag der faktisch geschehende oder geschehene Vorgang „gleichartig“ sein, das aber eben der Natur der Sache oder der (Teil)Vorgänge wegen, nicht wegen eines vorhandenen Erzähl-Schemas. Wenn eine Geburt angekündigt werden soll, ist es klar, daß das vorausgeht, was „Empfängnis“ genannt wird. Nur wie diese Wirklichkeit wird, ist nicht schon durch die Ankündigung der Geburt fixiert. Daher ist die Offenheit der von Lukas gewählten Formulierungen (auch wenn sie sich an atl. Texten ausrichtet oder solche Neues sagen läßt) zunächst grundsätzlich zu beachten und gelten zu lassen. Es gilt zu sehen, daß die Wendungen „heiliger Geist wird über dich kommen“ und „des Höchsten Kraft (Macht) wird dich überschatten“ nichts darüber aussagen, was da im Falle Jesu (!) genau geschieht bzw. wie der das „vollbringt“, von dem das „über dich kommen“ und „dich überschatten“ als sein (bisher unerhörtes, weil noch nie geschehenes) Tun ausgesagt wird oder werden soll.
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
entstellend wieder: „wie die Schechina in einer Wolke über dem Zelt weilte und es dann erfüllte“. Der Ex-Text sagt es ziemlich anders: „Da bedeckte (LXX: evka,luyen) die Wolke das Offenbarungszelt und die Herrlichkeit Jahwes erfüllte (LXX: evplh,sqh) das Zelt. Mose konnte nicht in das Offenbarungszelt eintreten, denn es überschattete (LXX: evpeski,azen) die Wolke auf/über ihm und die Herrlichkeit Jahwes erfüllte es“. Beide Ausdrücke, die „Wolke“ (auch im Hebr. mit Artikel) und die Herrlichkeit Jahwes, benennen Jahwe namentlich. „Überschatten“ steht erst im (von Schürmann nicht mehr beigezogenen) 40,36, in ähnlicher Bedeutung wie „bedecken“ in 35. Beiden Verben ist „erfüllen“ zugesellt, das auch ein „Tun“ Jahwes (mit sich selbst) ansagt, ohne daß wieder „Genaueres“ beigefügt ist. Doch „trotz“ ihres eigenartigen Offenbleibens geben „Wolke“, „überschatten“, „bedecken“ und „erfüllen“ deutlich genug zu verstehen, was mit ihnen von Jahwe an Gewichtigem verstehbar ausgesagt ist.100 Als zweite 100 Schürmann gibt den Ex-Text „Und die Wolke bedeckte das Offenbarungszelt …“ wieder mit „Wie
die Schechina in einer Wolke über dem Zelt weilte und es dann erfüllte“. Der Ausdruck „Schechina“ kommt bekanntlich in der hebräischen Bibel gar nicht vor; er ist eine rabbinische Bezeichnung für die Gegenwart Gottes in der Welt. „Wolke“ ist im Buch Exodus der Hauptausdruck für das Gegenwärtig-Sein Jahwes bei seinem Volk, über ihm, ihm voraus, beschützend und errettend um es herum usw. So meint „Wolke“ hier (wie oft in Ex, Nm und Dt) Jahwe selbst wie ja auch du,namij u`yi,stou in 35a „Kraft Gottes“ sagt. Von der „Schechina in der Wolke“ zu sprechen und die dort eingesetzten Verben der Schechina zuzuweisen, verdunkelt jedenfalls das in Ex 40,35 Ausgesagte, vor allem wenn „bedecken“ und „erfüllen“ in zeitlicher Differenz („dann“) gelesen wird, um so mehr das „in ihr schöpferisch tätig werden“, das weder Ex 40,35 noch Lk 1,35 aussagen. Wir belassen es bei der Offenheit der lukanischen Formulierung. – Es sind übrigens nur wenige Stellen in der Bibel überhaupt, in denen „überschatten“ vorkommt. Von Gott (Jahwe) als sein „Tun“ ausgesagt, findet es sich in Ps 91,4: „Mit seinem Flügeln überschattet (beschirmt) er dich, unter seinen Fittichen bist du geborgen“. Hier ist offenkundig das Beschützen/Umsorgen der Henne (Vogelmutter) als Bild (Metapher) angewandt und damit auch angedeutet, was Gott „tut“, wenngleich es dabei auch sehr offen bleibt. Ähnliches findet sich in Ps 140,8: „Jahwe, mein Herr, du meine mächtige Hilfe, du überschattest (beschirmst) mein Haupt am Tage des Kampfes“. In Weish 19,7 heißt es: „Es erschien die Wolke, die das Lager überschattete, und es tauchte trockenes Land auf, wo vorher Wasser war“. Damit ist irgendwie das Kommen und Gegenwärtig-Sein Gottes angesagt, das auch Wirkung in der Natur hatte, wo sich Israel beim Auszug aus Ägypten unter Gottes Schutz und Hilfe befand. In Bar 5,7–9 steht: „Gott hat ja geboten, es sollen abgetragen werden alle hohen Berge und die ewigen Hügel und die Täler aufgefüllt zu ebenem Land, daß Israel sicher dahinziehen könne unter Gottes Herrlichkeit. Und Wälder und allerlei duftendes Gehölz, sie überschatten Israel auf Gottes Geheiß“. Dieser Text spricht deutlich genug. Eine Hilfe zu genauerem, d. h. artikulierterem Verstehen von 1,35a liegt in ihnen allen nicht vor. Doch geben sie Mut, die Offenheit von „überschatten“ gelten zu lassen und doch herauszuhören, was es am gegebenen Ort an Unerhörtem ausspricht. Im NT begegnet evpiskia,zw nur an drei Stellen! In Apg 5,15 in Bezug auf den gewünschten Petrus-Schatten zwecks Heilung. Dabei wird Petrus aber nicht verstanden, der durch sein willentliches Tun agiert (und also heilt), sondern dessen Schatten in seinem Vorübergehen auf Kranke fällt. Die zweite Stelle findet sich in Mt 17,5 parr (Mk 9,7 u. Lk 9,34) in der Schilderung der Begebenheit der Verklärung Jesu. Diesen Text besprechen wir oben ausführlich. Die dritte Stelle ist Hebr 9,5, wo „überschatten“ in Bezug auf die „Kerube der Herrlichkeit, welche die Versöhnungsplatte überschatteten“, steht. Damit sind alle Schrifttexte mit „überschatten“ genannt, welcher Überblick viel zu verstehen gibt.
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Abschnitt B:
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Schriftstelle bringt Schürmann Lk 9,7 parr als Beleg für „Wolke“, der 35a näher verstehen lassen soll. Er tut es in einem ärgerlichen Satz: „Auch ist an die Wolke auf dem Berge der Verklärung zu erinnern: Wie die du,namij Gottes hier Maria ‚überschattet‘, so dort die ‚Wolke‘ die Jünger“. In diesem Satz fällt besonders die bedenkenlos behauptete Gleichheit („so wie hier … so dort“), dessen auf, was Lk 35a mit „Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ und was Lk 9,34 mit „die Wolke, die die Jünger überschattete“ aussprechen. Im Falle Marias kündet Gott selbst an, was er zu tun gedenkt, was also noch gar nicht geschehen ist. Die Begebenheit in Lk 9,34 hat sich aber längst ereignet; von ihr wird berichtet (im Sinne des euangelion). Dazu ist das Wort Gottes an Maria, die empfangen und gebären soll, auf ihre Wie-Frage hin gesprochen. Den Jüngern wird mit keiner Silbe etwas erklärt, am wenigsten etwas, das mit dem vergleichbar wäre, was Schürmann aus 35a meint heraushören zu sollen: „Gottes Macht wird über sie walten und in ihr wirksam werden“ (53). Lk 9,34 parr spricht von etwas ganz anderem; nur das Verbum „überschatten“ ist gemeinsam, das jedoch nicht etwas besagt, das nur eine einzige, mathematisch-festgelegte Real-Bedeutung hat. In Lk 9,34 parr spricht Gott aus der Wolke, so daß die „Wolke“ dort nicht einfach dasoder denselben, eben Gott benennt. Von einem irgendwie gearteten Wirken in den Jüngern ist absolut keine Rede (wie übrigens ja auch in 35a nicht).101 Eigenartigerweise wird auf andere Bibelstellen mit „überschatten“ kein Bezug zum Vergleichen oder näheren Erklären genommen, die Schürmann ja nicht unbekannt gewesen sein können. Dieselbe Beurteilung gilt auch für das Beispiel, das Schürmann mit dem Satz „Die Vorstellung bleibt also in den Bahnen des AT und NT, wo Gott wunderbar mitwirkte bei der Erzeugung des Isaak … – nur daß Gottes schaffende Tätigkeit hier nun bis zur jungfräulichen Empfängnis gesteigert ist“ beibringt. Absurd ist es, die Aussage Gottes selbst in 35a überhaupt als „in den Bahnen des AT und NT bleibend (was sind diese „Bahnen“ des AT und NT?) zu erklären. Dazu wird beispielhaft darauf hingewiesen, 101 Zu den Texten über das Verklärungsgeschehen ist hier dieses besonders herauszustellen. Bezeich-
nend ist nämlich, daß nachdem Jesus schon verklärt und als solcher in seiner Herrlichkeit geschaut war und Mose und Elija erschienen waren und mit ihm sprachen, ja Petrus sein Vorhaben, drei Hütten zu bauen, dem Herrn kundgetan hatte, dieses geschah: „während er noch redete, siehe eine leuchtende Wolke (nefe,lh fwteinh,: ohne Artikel) überschattete sie“ (Mt 17,5; Mk 9,7 sagt es so: „es geschah sie überschattende Wolke: evge,neto nefe,lh evpiskia,zousa auvtoi/j: Lk 9,34: „es geschah (evge,neto) Wolke und überschattete sie“). Mit dem Pronomen „sie“ sind alle gemeint, die zuvor genannt wurden: Jesus, Mose, Elija und die anwesenden Apostel; sie alle fanden sich in diesem Geschehen „überschattet von der Wolke“. Und dann dies weitere Geschehen: „kai. ivdou. fwnh. evk th/j nefe,lhj le,gousa – und siehe, Stimme (ohne Artikel) aus der Wolke sprechend“ (Mt 17,5; Mk 9,7: kai. evge,neto fwnh. evk th/j nefe,lhj; Lk wie Mt). Die hier genannte Wolke ist noch dieselbe eine des Ereignisses. Sie selbst „tut“ neben oder nach dem „überschatten“ nichts weiteres. Aus ihr spricht die „Stimme“ (ein Hinweis auf die Taufszene Mt 3,16f („kai. ivdou. fwnh. evk tw/n ouvranw/n le,gousa“; Mk 1,11 genau so, ohne ivdou,; Lk 3,22: „kai. fwnh.n evx ouvranou/ gene,sqai“, ist hier sicher erlaubt). Mit dieser Wendung wird zwar seitens der „Stimme“ ein Hören als Tun der Angesprochenen erwartet; sie selbst „tut“ aber ihnen nichts an, noch weniger wird sie in ihnen „schöpferisch wirksam“ (wie Schürmann es für 35a bei Maria behauptet; s. o.).
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
„daß Gott wunderbar mitwirkte bei der Erzeugung des Isaak, Samson, Samuel (und des Johannes) – nur daß Gottes schaffende Tätigkeit hier nun bis zur jungfräulichen Lebensentstehung gesteigert ist“. Wo liest das Schürmann im AT, Gottes Mitwirken bei der „Erzeugung“ eines Menschen? Und ist also das von Gott selbst angekündigte „Tun“, nämlich „überschatten“ u. ä., ein Mitwirken Gottes an dem, was jemand anderer tut, leistet, gar erzeugt? Der angeschlossene Halbsatz deckt freilich auf, was das eigentliche Interesse Schürmanns überhaupt ist: „nur daß Gottes schaffende Tätigkeit hier nun bis zur jungfräulichen Lebensentstehung gesteigert ist“. Das ist ja tatsächlich das, was die Auslegung von 1,26–38 von Anfang an bewegt und leitet, wie wir schon mehrmals gesehen und betont herausgestellt haben.102 Auf die dort noch folgende Zusatz-Feststellung gehen wir später im entsprechenden Abschnitt genauer ein. Eigenartig mutet jedenfalls die Bemerkung an, daß „von Röm 4,17–20 und Gal 4,23.29 es nicht mehr sehr weit bis Lk 1,35 ist“, da doch Lukas 20 Jahre nach Gal und Röm geschrieben hat. b) „Messias“ – „Christus“
Im Kommentar Schürmanns zu Lk 1–2 zeigt sich ein eigenartig auffallender Gebrauch der Ausdrücke „Messias“ und Christus“ und ihrer verschiedenen Kombinationen mit weiteren Bestimmungswörtern. Obwohl doch beide Benennungen den einen und selben bezeichnen, „Christus“ nämlich eindeutig das Übersetzungswort von „x:yvim' – Messias“ im griechischen ist und daher beide in gleicher Weise den „Gesalbten (Jahwes)“ nennen, wird „Messias“ im Kommentar zu 1–2 oft mit einer ihm eigenen Bedeutung eingesetzt. Gerade in den kommentierenden Sätzen zu Lk 1–2 begegnet diese eigenartige Sprechweise, die offensichtlich doch etwas zu Unterscheidendes herausstellen soll. Es herrscht oft seitenlang die eine, dann die andere Formulierungsweise vor, ohne daß dafür ein Grund erkennbar ist. Dem ist nachzugehen, weil sich dahinter doch eine bestimmte Voreingenommenheit des Kommentators kundzutun scheint, die sich allerdings schwer genau angeben läßt. Wir haben schon gesehen, daß er die Absicht des Lukas für seine Schrift, nämlich das „von Gott unter uns Erfüllte (Vollbrachte)“ (1,1) evangelium-gemäß darzustellen, auf das „Handeln Gottes im Christusgeschehen“ verkürzt bzw. eingeengt wahrnimmt und bespricht. Es zeigt sich, daß er im Sprechen über Jesus vornehmlich „Christus“ einsetzt, aber oft auch „Messias“ gebraucht, obwohl beide denselben meinen. Warum wird überhaupt das Übersetzungswort für beides, „Gesalbter“, nie bzw. nur in spezifischen Fällen 102 Schon in den einleitenden Sätzen, also noch vor der eigentlichen Auslegung von 1,26–38 ist die
Rede vom „Aufweis, wie Jesus sein menschliches Dasein der schöpferischen Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau verdankt“ (40), was noch durch die Formeln „Verheißung der Jungfrauengeburt“, „vaterlose Lebensentstehung Jesu“ und „Jesus ist der ‚Heilige‘ Gottes, der aus einer Jungfrau geborene ‚Sohn Gottes‘“ weiter erklärt ist. Auch in der Auslegung von 1,5–25 wird immer wieder auf dieses „Wunder im Schoße Mariens“ voraus-hingewiesen, wie wir gesehen haben.
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Abschnitt B:
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der Ausdeutung verwendet? Wozu gelegentlich der nochmals besondere Einsatz von „Messias“ neben „Christus“, und das an relevanten Stellen deutlich unterscheidend? Es wird von „Messianität“ (abstrakter Begriff !) Jesu, von seinem „messianischen Wirken“ gesprochen, doch nie von „Christianität“ oder „christianischem Wirken“. Tatsächlich zeigt sich dieses Auffallende: In den ersten 40 (!) Seiten des Kommentars, in denen erstaunlich wenige Male Jesus namentlich genannt wird, begegnen nur mit „Christus“ gebildete Wendungen bzw. Sätze. und zwar in allen wesentlichen und entscheidenden Kommentaraussagen dort.103 Erstmals und plötzlich finden sich in den einleitenden (!) Sätzen zur erst noch folgenden Auslegung von 1,26–38 die Abstrakta „Messianität“ und „Gottessohnschaft Jesu“ (40).104 Von diesen wird behauptet, sie seien „dem Glauben feststehend“ und seien „theologisch zu gründen“. Dazu diene der Bericht (!) 1,26–38; dieser bezwecke den „Aufweis (!), wie Jesus sein menschliches Dasein der schöpferischen Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau verdankt. … So wird Jesu ‚Messianität‘ und sein ‚messianisches‘ Wirken … stabil fundiert, und zwar auf einer christologischen Wesensaussage: Jesus ist der ‚Heilige‘ Gottes, der aus einer Jungfrau geborene ‚Sohn Gottes‘ und als solcher der ‚Messias‘“ (40). Ein erstaunlicher Satz, der nur mit Abstrakta bzw. in Anführungszeichen gestellten „christologischen Wesensaussagen“ operiert und der exegetischen Auslegung gleichsam als Themenangabe vorausgeschickt wird! Diese Formulierungen werden, wohlgemerkt, zur Charakterisierung Jesu (oder doch nur seines „menschlichen Daseins“?) eingesetzt, wenngleich sie im Lk-Text selbst nie, auch nicht andeutungsweise vorkommen.105 Be103 Das einzige Vorkommen von „Messias“ betrifft die Stelle der Geburtsankündigung Johannes des
Täufers an Zacharias, wozu der Kommentator sagt: „Die vorhergesagte Freude … wird Freude und Jubel ob der Heilsgabe Gottes … unter den künftigen Hörern und Jüngern des Johannes sein. Damit ist noch nicht gesagt, Johannes sei eine Messiasgestalt, sosehr er als eschatologische Heilsgestalt gewertet ist … das Heil des Messias kommt in Sicht“ (33). Die eingesetzten Ausdrücke sind hier eher theologische Allgemeinbegriffe, betreffen jedenfalls nichts Konkretes in Bezug auf Jesus, das hier zwar vorausgesetzt wird, wovon aber in Lk 1 (noch) nicht die Rede ist. Die beanstandete Formulierungsweise findet sich tatsächlich konzentriert auf den ersten 40 Seiten des Kommentars. Wir geben die mit „Christus“ gebildeten Stellen an und fügen die weiteren ab S. 40 noch vorfindlichen hinzu. „Christusgeschehen‘: 5; 9; 13 (Gotteshandeln im Christusgeschehen); 23 (heilsgeschichtliches Handeln Gottes in Christus); 24. Dann: 115; 117; 141. Eine Formel wie „Messiasgeschehen“ kommt nie vor! – „Christusereignisse“: 5; 13; 15; 20 (2x); 21; 24. Später: 64; 68. – „Christusbekenntnis“: 20; und 120; 131; 139. – Christus-Offenbarung“: 20; 21; dazu 115; 120 (Offenbarung Gottes in Christus). – „Christusverkündigung“: 20; 21; 24; und: 99; 131. „ChristusHomologese“ und „Christuskerygma“: 21; dann 64; 81; 139. Alle diese Formulierungen haben keine ähnlichen, mit „Messias“ gebildeten Wendungen als Korrelat. 104 Der voll zitierte Text dieser einleitenden Sätze findet sich oben S. 47, Anm. 1. 105 Dem zuletzt zitierten Satz fügt Schürmann noch dieses an: „Je stärker man sieht, daß Lk 1,26–38 eine Christuserzählung ist, desto deutlicher tritt gleichzeitig ans Licht, wie sehr hier auch ein mariologischer (Hervorhebung durch Schürmann) Aussagewille am Werke ist, der mit wenigen Strichen … und mit einer fast verstummenden Ehrfurcht ein Marienbild skizziert (!), das nicht auszuholen ist“ (40). Was zuvor „Bericht zum Aufweis …“ hieß, wird hier „Christuserzählung“ genannt, nicht „Messias-Erzählung“, was doch eher den zuvor verwendeten Abstrakta entsprochen hätte.
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
achten wir, daß die genannten Abstrakta gerade dort gehäuft und fast ausschließlich verwendet werden, wo ausgesprochen Konkret-Namentliches (z. B. auch in Bezug auf Maria), ja absolut Göttlich-Einmaliges zu verkünden und gegebenenfalls erklärend zu deuten ist. Ab dieser Auslegung von 1,26–38 (41–64) begegnen dann im Kommentartext im weiteren Verlauf des 1. Kapitels fast ausschließlich mit „Messias“ gebildete Wendungen bzw. deutende Ausformulierungen. Daß da ausdrücklich und namentlich Jesus gemeint ist, ist keine Frage. „Christus“ wird für ihn dort nur selten eingesetzt; „Messias“ herrscht vor. Das gilt z. B. auch für die Auslegung der Lobpreisungen der Elisabet beim Besuch Marias, des Lobliedes Marias (Magnificat) und des Zacharias (Benedictus) (65–94, zu 1,39–79).106 Bezeichnend ist auch, daß gerade im Anschluß an die Auslegung zu 1,26–38 seitenlang die ausführliche Diskussion über die Fragen zur „Jungfrauengeburt“ vorgelegt und beurteilt wird. Die Fragwürdigkeit der theologischen Abstrakta-Bildungen wird hier ganz offenkundig, worauf wir noch eindringlich einzugehen haben. Wir verbleiben hier noch bei der Auflistung der „Messias“bzw. „Christus“-Verwendung in Bezug auf die auffallende abwechselnde Ausschließlichkeit ihres Einsatzes. Ab Beginn der Auslegung von 2,1–52 verändert sich die Sprechweise aufs neue radikal. Es wird weiterhin von Jesus gesprochen, das jedoch in einer signifikant neuen Weise. Lukas verwendet, wie wir gesehen haben, cristo,j ganz selten.107 In Lk 1–2 steht es in 2,11 im verkündenden Satz des Boten Jahwes an die Hirten, und in 2,26 in der Ansage des Versprechens an Simeon durch den heiligen Geist. Schürmann setzt aber schon in seinen einleitenden Kommentarsätzen zur Auslegung von 2,1–7 das voraus, was erst in 2,11 und 2,26 ausgesprochen und von ihm ausgedeutet wird. Der Doch sogleich wird 1,27–37 mit „Botschaft Gottes“ bezeichnet, da diese Verse „die eigentliche Botschaft bringen“. Dieser Unausgewogenheit der Formulierungen des Kommentators werden wir im folgenden noch weiter nachzugehen haben, um die Gründe dafür zu finden. Denn die könnten sie verständlich machen. 106 Die wenigen Stellen, an denen „Christus“ gesetzt ist, sind diese: „Christuserzählung“ für 1,26–38 (dort auch „Bericht“ genannt) findet sich S. 40. – Im kleingedruckten Absatz zu 1,32f stehen, von „Messias“-Sätzen umgeben, diese Wendungen: „Königtum Christi“ (3x); „christologische Aussage von VV 32f “; dazu der Hinweis, „daß die Erlösung durch Christus eine totale ist“ (49). – Zu 1,35b heißt es in der betreffenden Bemerkung so: „… aus christologischen Gründen. Die christologische Aussage ist der von Röm 1,3f auffallend verwandt“, worauf aber der Zusatz folgt: „Das Wissen, daß Jesus als der Messias Geistträger ist, ist hier überhöht bis zur Aussage über Jesu geistgewirkten Ursprung“ (55). – Zu 1,42–45 begegnet, wieder umgeben von gehäuft eingesetztem „Messias“, „Jubel über das Christusereignis … der Gruß der Christusträgerin (!) … Christusbekenntnis … Anbruch der Messiaszeit“ (68). – Im einleitenden Satz zur Auslegung von 1,57–66 steht dies: „… in der Eulogie und Prophetie 1,67–75.76–79 …, wo in geistlicher Hellsichtigkeit die Gnadenheimsuchung des himmlischen Lichtes in Jesus (1,76–79) verkündet und gepriesen wird. In dieser ChristusHomologese ist der ‚Prophet des Allerhöchsten‘… fast überblendet von dem Weihnachtslicht …“ (81). 107 Alle Lk-Stellen mit „Christus“ haben wir oben III.2 vorgestellt und besprochen.
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Abschnitt B:
Lk 1–2 — Text – rechte Übersetzung – theologische Erfassung seiner Aussagen
entscheidende Satz lautet: „Die unverhältnismäßig breite Einleitung dazu VV 1–5 läßt … das eigentliche Glaubensinteresse erkennen; sie stellt das Geschehnis ins Licht der Verheißung: Jesus wird geboren in der Davidsstadt Betlehem (V 4; vgl. 11), was ihn als den Cristo,j erweist“ (98). Der ganz ungewöhnliche Einsatz des griechischen Wortes Cristo,j in diesem Satz, das ja in 1–7 noch gar nicht vorkommt, zeigt, daß Gewichtiges gesagt sein soll. Aus Platzgründen erheben wir das genauer in der Anmerkung.108 Die eingehende Einsichtnahme dort zeigt, daß in der Ausdeutung Schür108 Wir hinterfragen hier den oben zitierten Satz Schürmanns nicht exegetisch, sondern insofern er
seine zusammenfassende Wiedergabe des Aussageinhaltes dessen ist, was Lukas in 2,1–7 bekundet. Er beruft sich dabei selbst auf 2,11, jedoch indem er nur ein einziges Wort vom dort Gesagten aufgreift und es bestimmend sein läßt: cristo,j. Es fällt etwas auf, das im ganzen Kommentar Schürmanns nur in dieser Auslegung begegnet: Das griechische Wort cristo,j, das übrigens in 2,1–7 gar nicht vorkommt, übernimmt er in seinem deutsch geschriebenen Text und läßt es das entscheidende Stichwort sein. Tatsächlich wird mit dem oben zitierten Satz zu 2,1–7 die Aussage des Lk-Textes auf den Kopf gestellt. Nicht das Geschehen, daß Jesus in der Davidsstadt geboren wird, erweist ihn als den Xristos, sondern gemäß 2,11 (auf das sich Schürmann beruft!) offenbart Gott den Geborenen als „Soter, der ist Xristos Kyrios“. Dieser ist es, der aus den in 2,1–7 deutlich genug angegebenen Gründen in Betlehem geboren und daher dort zu finden ist. Schürmann benutzt 2,11 selektiv, um seine eigene, vorgefaßte Sicht schon in der Auslegung von 2,1–7 auszubreiten. (Auch darf doch der gesamte Aussagegehalt des 1. Kapitels nicht vergessen sein!) Das Stichwort „Xristos“ bestimmt schon die Ausdeutung von 2,1–7, nämlich mittels dessen, was erst 2,11 ausdrücklich sagt. Das bestätigt sofort dieser Satz zu 2,2f: „Jesus ist nicht nur der in der israelitischen Vergangenheit Erwartete und prophetisch Verheißene (auch das ist eine Umkehrung des Faktischen: erwartet wurde, was und weil es von Gott verheißen war!: R. S.), er ist auch der Erfüller aller bewußten und unbewußten menschlichen Sehnsüchte in der weiten Völkerwelt. Darum wird nachher (V 11) das neugeborene Kind nicht nur als der in Israel erwartete ‚rettende‘ ‚Christos‘ vorgestellt werden, sondern als Erfüller aller heidnischen Erwartung: als der ‚Kyrios‘ über Kosmos und Geschichte. Die messianische Freude (!) wird ‚allem Volk‘ zuteil werden (V 10). … Für den Erweis der Messianität Jesu ist sowohl die davidische Herkunft … wie die Geburt in Betlehem … wichtig“ (102). Das alles ist von Jesus ausgesagt, mit dem für die Auslegung von 2,1–7 charakteristischen Bleiben bei den griechischen Wörtern von 2,11. Das zeigt auch der Text zu 2,7: Vom Betlehem-Motiv und Krippen-Motiv her wird „das Kind als möglicher messianischer Prätendent charakterisiert“ (104), und so „ahnt der schlichte Glaube verheißungsvolle Zukunft, etwas Besonderes: Der Soter und Xristos (im deutschen Text bleiben die griechischen Wörter erhalten!) in einem Futtertrog VV 11f “ (105). Hier ist auch schon wieder „messianisch“ und „Messianität“ eingesetzt, was nun wieder vorherrschend wird. In der Auslegung von 2,9–11 fällt dasselbe auf, jetzt sogar in reicherer Ausdeutung: „Der Engel verkündet … daß nun die große messianische Freude anheben soll … messianisches Heil“ (119). Was Lukas so sagt: o[ti evte,cqh u`mi/n sh,meron swth.r o[j evstin cristo.j ku,rioj evn po,lei Daui,d, gibt Schürmann so wieder: „Denn es wurde euch ein Retter geboren, der Christus, der Herr – in der Stadt Davids“. Und die Auslegung dazu: „Das Heilsinteresse stellt die swth,r-Funktion betont voran. Es geht um die rettende Funktion, bevor gesagt wird, von wem das Heil kommen soll. Geboren ist nun der ‚Heiland‘ (vorher: „Retter“: R. S.), und zwar ist dieser mit dem erwarteten Messias identisch, der – wie bedeutungsvoll angefügt wird – in der Davidsstadt geboren ward. Es handelt sich also nicht um irgendeine, sondern um die ‚messianische‘ Errettung, in der das endgültige Heil zukommt“ (110). Auch diese zusätzliche Bemerkung ist wichtig zu beachten: „Cristo.j ku,rioj ist vielleicht auch palästinensisch möglich. Es könnte hier ein hA'hy> x:yvim' frei übersetzt sein, wobei der griechische Übersetzer im Sinne von Ps 2,2 LXX (= Apg 4,26) und 109,1 LXX (= Apg 2,35; vgl. 2,36) christologisch verstanden hätte. Der Kyrios-Titel (!)
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III.
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manns von 2,1–14 die Wortwahl wieder vermehrt und dann fast ausschließlich zu „Messias“, „Messianität“ und „messianisch“ tendiert. Dasselbe ist auch in Bezug auf 2,15–38 und deren Auslegung und Ausdeutung festzustellen. In 2,26 findet sich ja die zweite Stelle der seltenen Verwendung von Cristo,j im LkE. Lukas setzt dort, so wie in 2,11, Cristo,j ein und Schürmann gibt es in seiner Übersetzung mit „Christus“ (2,11) bzw. „Gesalbter“ (2,26) wieder, verwendet aber in der Auslegung meistens „Messias“ und deutet damit den Text aus. Schon zu 2,25 heißt es: „Daß Simeon … mit der ‚Tröstung Israels‘, d. h. mit dem baldigen Kommen des messianischen Heils, rechnete, ist schon in Vorbereitung auf VV 26.29–32 gesagt“ (123f). Dann zu 2,26: „Die Tatsache, daß er mit dem Kommen des Messias rechnete … liegt der ihm zuteil gewordenen Offenbarung voraus, die als ein einmaliges Geschehen verstanden wird … auf den Antrieb des Geistes (vgl. auch 4,1) gerade im rechten Augenblick in den Tempel zu gehen und dort in dem Kindlein Jesus den erwarteten Messias Gottes (vgl. Ps 89,49) zu erkennen … Anlaß einer großen messianischen Offenbarung im Tempel Gottes … hier geht die Erwartungszeit in die messianische Zeit über: Der alte Prophet erkennt und verkündet lobpreisend in dem Neugeborenen die Ankunft des Messias. Die Seligpreisung der Augen, die das ersehnte messianische Heil sehen dürfen (vgl. 10,23f), erfüllt sich. Das geistgewirkte Zeugnis enthüllt die Christuswirklichkeit in diesem Kinde“ (124–125). Am Ende dieses Passus, in dem sonst nur vom „Messias“ die Rede ist, findet sich plötzlich auch „Christuswirklichkeit“; warum nicht folgerichtig „Messiaswirklichkeit“ – oder soll doch eine neue Nuance angedeutet sein? Auch im Absatz zu 2,29f zeigt sich dasselbe: Stets ist am Anfang „Messias“, „messianisch“ u. ä. genannt, und am Ende wieder: „Im Blick auf Christus bekommt das Sterben einen neuen Sinn; des Christusheils gewiß wird der Weg in das Todesland friedvoll“ (125). In den folgenden Abschnitten ist wieder „Messias“ das Stichwort. Dort wird es auch in Bezug auf Maria eingesetzt, z. B. zu 2,34: „… ist doch das Schicksal ihres Kindes das des Messias Israels und entsprechend ihr eigenes Leid das der Messiasmutter. … Aussagen über die – die Ablehnung des Messias mitleidende – Messiasmutter“ (127 und 128; dazu auch im Text bis S. 131).109 Außer der Bevorzugung von „Messias“ erläutert so … den Christus-Titel (!) … Daß hier der neugeborene Jesus so tituliert (!) wird, wie das gerade für Luk … charakteristisch ist. So könnte doch luk Redaktion vorliegen. So oder so ist hier der Christus-Titel interpretiert (wie ähnlich Lk 23,2 durch basileu,j), vermutlich doch erst für hellenistische Leser“ (111f). Im übrigen ist der ganze Passus dieser Auslegung fast durchweg mit „Messias“ dargestellt. Es hätte aufgrund des ausdrücklichen Vorkommens von „Christus Herr“ (2,11) durchaus auch alles mit „Christus“ dargeboten werden können, ohne daß dadurch Wichtiges ungesagt geblieben wäre. 109 Die Formel „Messiasmutter“ oder „Messiasmutterschaft“ findet sich im Kommentar zu Lk 1–2 öfter, so „messianische Mutterwürde“ und „Gottes Gnade bereitet sich die jungfräuliche Messiasmutter. … die auf die Messias-Mutterschaft hin gewährte Begnadigung (vgl. V 30) in ihrer Tiefe …“ (44). Dann: „Maria ist – als Mutter des Messias – die begnadetste aller Frauen“ (67). Dazu: „Mit Maria – der ‚Mutter des Glaubens‘ – begann der Glaube auf Erden. Weil sie ‚Mutter des Glaubens‘ ist, wurde sie leiblich die Messiasmutter. Hier ist die Mutterschaft Mariens schon sehr vertieft
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Abschnitt B:
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gegenüber „Christus“ ist kein Sinn-Unterschied zwischen beiden festzustellen. Dem werden wir noch näher nachgehen. Im Kommentartext zu 2,41–52 (eigenartigerweise überschrieben mit „Finale: Erweis der Weisheit und Gottessohnschaft Jesu“) wird nur von „Jesus“ namentlich gesprochen (132–139). Nur auf der letzten Seite und im Zusatz-Abschnitt „Zur Traditionsgeschichte von Lk 1–2“ finden sich Wendungen wie „christologische Aussagen“, „Christusbekenntnis“, „Christuskerygma“ und „Christusgeschehen“, die vor allem ganz zu Anfang (9–25) den Kommentartext prägten (s. d.), ohne daß dafür hier ein Grund erkennbar wäre. Im Folgenden wollen wir zu erkennen versuchen, warum Schürmann diese eigenartige Bevorzugung von „Messias“ statt „Christus“ (oder überhaupt „Gesalbter“) zeigt. Was verbindet er mit „Messias“ als Besonderes, so daß er ein allseitiges Verbleiben beim lukanischen „Christus“ als nicht sinnvoll ansieht? Warum „Messias“, da es doch nur ein Hebraismus zu sein scheint, wenn für „Christos“ „Messias“ gesetzt wird? Wir befragen dazu zunächst alle Textstellen, die von „Messianität“ sprechen. Das ist ja offensichtlich ein erst späterer, theologisch neu gebildeter Ausdruck. Sein Gebrauch durch Schürmann bleibt meistens im Allgemeinen; er steht dort eher als eine selbstverständliche Kategorie. Er findet sich erstmals eingesetzt auf S. 40, und zwar als „christologische“ Kategorie: „Die Erzähltendenz (d. i. von 1,26–38) ist eminent christologisch: Es geht letztlich darum, die dem Glauben feststehende Messianität und ‚Gottessohnschaft‘ Jesu … theologisch zu gründen“.110 Was diese genauer sind, bleibt offen. Im folgenden wird dafür als „christologische Wesensaussagen“ Jesu „Heiligkeit“ und „die in Gott gründende Gottessohnschaft“ genannt und damit Jesu „Messianität“ und „messianisches Wirken“ als „stabil fundiert“ erklärt. Jesus ist als „Sohn Gottes“ der „Messias“. Nähere Angaben werden nicht geboten. In der Anmerkung 10 der Seite 42 findet sich dazu diese Feststellung: „Die Erzählung (d. i. im Kontext über das Verhältnis von Josef und Maria: R. S.) hat die Tendenz, die Davidssohnschaft von Josef her und damit die Messianität Jesu aufzuzeigen“. Was diese „Messianität Jesu“ genauer ist, wird auch dort nicht gesagt; der Hinweis auf die Davidssohnschaft gibt verstanden; sie war nicht nur eine leibliche (43), sondern zuvorkommend eine geistliche, wie in Zusammenschau mit V 38 gedeutet werden muß“ (69; wir haben hier nicht über diese Aussage exegetisch oder theologisch zu diskutieren, wenngleich Wichtigstes dazu gesagt werden muß). Es treten noch diese Stellen hinzu: „ihre Würde als Messiasmutter“ (74). In der Auslegung von 2,34–36 begegnen „Messiasmutter“ (127; 128; 129; 130; s. dazu den obigen Text). Es ist vielleicht angebracht, hier auch darauf hinzuweisen, daß nie die Wendung „Christusmutter“ begegnet, wohl ein (einziges) Mal „Christusträgerin“, allerdings bei einer Gelegenheit, die die ganze Problematik dieser Wort-Bildung aufdeckt. Zu 2,42–44 hieß es u. a.: „Hier ist die Mutterschaft Mariens … theologisch gewertet (!). … Elisabeth preist sich selig ob der Ehre des Besuches der Messiasmutter … Mit ihrer Frage setzt Elisabeth die Begrüßung fort … Gleichzeitig gibt sie – befähigt vom Heiligen Geiste (V 41) – die gültige Ausdeutung des physiologischen Geschehens (!) von V 41. Der Gruß der Christusträgerin löst die tiefen Geisteskräfte, eschatologischen Jubel und Christusbekenntnis aus … Anbruch der Messiaszeit“ (68). Der Text wäre in vielfältiger Weise zu diskutieren, wozu hier jedoch nicht der Ort ist. 110 Der voll zitierte Text dieser Stelle findet sich oben S. 128, Anm.1.
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III.
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allerdings einen Fingerzeig, dem wir aufgrund weiterer Texte folgen werden.111 Zur Geburt Jesu gerade in Betlehem werden diese ausdeutenden Bemerkungen gemacht: „Das eigentliche Glaubensinteresse … stellt das Geheimnis ins Licht der Verheißung: Jesus wird geboren in der Davidsstadt.„ was ihn als den Cristo,j erweist“ (98). Damit – auf der folgenden Seite wird es „Betlehemmotiv genannt – könnte ein Element der „Messianität“ angesagt sein, nämlich die „Davidssohnschaft“; eindeutig klar ist es nicht. Dazu gibt eher dieser Satz einige Auskunft: „Für den Erweis der Messianität Jesu ist sowohl die davidische Herkunft … wie die Geburt in Bethlehem – der Prophetie Mich 5,1 entsprechend – wichtig“ (102). In Mich 5,1 ist jedoch von einem cristo,j keine Rede, sondern vom „Herrschenden“ (a;rcwn). Die „Herrschaft“ wäre damit eine Komponente des Allgemeinbegriffs „Messianität“, was wir weiter zu verfolgen haben. Zu 2,8 sagt der Kommentar u. a.: „… das Hirtenmilieu der Geburtsgeschichte Jesu im Sinne der Erzählung als ein messianisches Motiv zu verstehen. … unverkennbar die erzählerische Funktion, die Messianität Jesu ins Licht zu stellen“ (18 u. 109). Das gibt immer noch keine befriedigende Antwort auf unsere Frage nach der Sach-Bedeutung von „Messianität“; es ist wieder ein Hinweis, nicht mehr. Ein Überblick über die Stellen, in denen „Messias“ bzw. „messianisch“ eingesetzt sind, könnte mehr aussagen. Schon die erste Stelle, wo „Messias“ begegnet, macht offenkundig, daß es sich faktisch um eine zu einem Allgemeinbegriff gebildete Benennung handelt. Im Blick auf Johannes den Täufer, dessen Geburt erst angekündigt ist, wird von „Messiasgestalt“ gesprochen, zugleich von einer „eschatologischen Heilsgestalt.112 Diesem Ausdruck gesellen sich ähnliche zu, wie „Messiasvorstellung“, „Messiasprädikation“, „Messias-
111 Zu 1,32f ist eine Bemerkung gemacht, die hier zitiert sei, da sie Hinweise zu einem rechten Ver-
ständnis von „Messianität“ enthalten, dem aber noch näher nachzugehen ist: „Im folgenden wird das verheißene Kind grundlegend als der erwartete Messias aus dem Hause Davids beschrieben … Der unmittelbare Kontext … läßt zunächst nur an eine Messiasprädikation denken. Daß damit hier aber nicht nur ein Titel verliehen ist (im Kontext „Sohn des Allerhöchsten“: R. S.), sondern etwas Vorgegebenes zum Ausdruck gebracht wird, in dem die messianische Herrschaft erst gründet, wird im Zusammenhang mit V 35b deutlich …“ (47). Zu 1,35 schreibt Schürmann in einer zusammenfassenden Bemerkung: ‚‘… hat man häufig versucht … eine ursprünglichere (judenchristliche) Form der Erzählung zu gewinnen, der es noch nicht um den Nachweis der vaterlosen Lebensentstehung Jesu, sondern nur um den Nachweis seiner davidischen Abstammung und damit seiner Messianität gegangen sei …“ (55f). Wenngleich hier keine näheren Angaben gemacht sind, so ist der Hinweis auf die „vaterlose Lebensentstehung“ und damit auf die (sog.) Jungfrauengeburt bedeutsam. Wir werden dem nachzugehen haben. 112 Zu 1,14 heißt es u. a.: „Die vorhergesagte Freude des Zacharias … ist vielmehr Freude und Jubel ob der Heilsgabe Gottes unter den künftigen Jüngern des Johannes. Damit ist noch nicht gesagt, Johannes sei eine Messiasgestalt, sosehr er als eschatologische Heilsgestalt gewertet ist; mit ihm wird … das eschatologische Heil unmittelbar Ereignis, und das Heil des Messias kommt in Sicht“ (33).
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Abschnitt B:
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zeit“ und noch andere.113 „Messias“ (und nicht „Christus“) ist als theologisch-ordnender Oberbegriff gebildet und wird so eingesetzt. Das gilt z. B. auch für die Bezeichnung „Messiasmutter“ für Maria in ihrem häufigen Gebrauch, obwohl in den entsprechenden Lk-Stellen der Name „Christos“ gar nicht verwendet ist oder er zu vermuten wäre.114 „Messias“ wird aber gerade auch in Bezug auf die „Lebensentstehung Jesu in Maria“ angewendet. Dafür dieses Beispiel: „Das Wissen, daß Jesus als der Messias Geistträger ist, ist hier (d. i. im Kontext zu 1,35) … überhöht bis zur Aussage über Jesu geistgewirkten Ursprung“ (55; woran sich noch zur näheren Erklärung anschließt: „Nachweis der vaterlosen Lebensentstehung Jesu … Nachweis seiner Messianität“: 56).115 Die Formel „Jesus als Messias“ (nie „Jesus als Christus“!) begegnet auch 81 („Gnadenheimsuchung Gottes im Messias Jesus“); 128 („sich zum Messias Jesus bekennende Gemeinde“ mit „Ablehnung des Messias“: 129). Die Rede ist oft vom „Kommen des Messias“ bzw. von der „Ankunft des Messias“.116 Dem entspricht 113 Zu 1,35 wird u. a. dies gesagt: „… wird hier das Messiassein von ersten Augenblick der Entste-
hung an ausgesagt (für Jesus, im Kontext: R. S.). Die ‚ewige Dauer‘ seiner Herrschaft zeigt an, wie sehr hier die altisraelisch-irdische Messiasvorstellung … transzendiert ist“ (48). Zu 1,32f hieß es zuvor: „Im folgenden wird das verheißene Kind grundlegend als der erwartete Messias aus dem Hause Davids beschrieben … ‚Sohn des Höchsten‘ wird das Kind sein … läßt zunächst nur an eine Messiasprädikation denken … in dem die messianische Herrschaft erst gründet …“ (47). Zu 1,43f findet sich u. a. dies: „Die avgalli,asij ist dabei … eschatologischer Jubel über den Anbruch der Messiaszeit …“ (68). Zu 1,78 lesen wir: „Da diese avnatolh, Israel ‚heimsuchen‘ wird, verbirgt sich hinter dieser bildhaften Andeutung Gott oder der Messias, im Text, wie er heute vorliegt, wahrscheinlich letzterer … Im griechischen Raum konnte der verfestigte Messiasname avnatolh auch vom Verbum xrz = avnate,llw – „aufgehen“ her verstanden werden … Dieses aufleuchtende Licht des Messias …“ (92; auch 126). Zu 2,8 wird diese Bemerkung gemacht: „Die Hirten bieten hier ein bedeutsames und deutungsmögliches Milieu für den Messias: Der Stammvater Jesu, der König David, weidete … das Hirtenmilieu der Geburtsgeschichte Jesu im Sinne der Erzählung als ein messianisches Motiv zu verstehen“ (108). 114 Der Ausdruck „Messiasmutter“ begegnet oft, so zu 1,28 („… die messianische Mutterwürde … jungfräuliche Messiasmutter … Messias-Mutterschaft“: 44); zu 2,42 („Maria ist – als Mutter des Messias – die begnadetste aller Frauen“: 67); dazu sogleich: zu 2,45 („Mit Maria – der ‚Mutter des Glaubens‘ begann der Glaube auf Erden. Weil sie ‚Mutter des Glaubens‘ ist, wurde sie leiblich die Messiasmutter. Hier ist die Mutterschaft Mariens schon sehr tief verstanden; sie war nicht nur eine leibliche (V 43), sondern zuvorkommend eine geistliche …“: 69; s. den Kontext 67–69); auch 2,51–55 („Im Lichte der Verheißung 1,31ff wird das 1,46–50 besungene Geschehen der Lebensentstehung des Messias im Schoße Mariens als der Anfang vom Ende verstanden“); dazu auch 74; 127; 128; 129; 130. Der (mögliche) Ausdruck „Christusmutter“ kommt nie vor; wohl begegnet 1mal „Christusträgerin“ (68 zu 1,43f!), was freilich auch ein unnötiges Gebilde ist. 115 Dazu diese Feststellung Schürmanns: „… in der Perikope (d. i. 1,26–38) hat das Faktum der vaterlosen Empfängnis seinen eigenen – das „Sohnsein“ begründenden – christologischen Aussagewillen“ (63), mit der Anm. 160 dort: „Das Judentum scheint die Erwartung einer vaterlosen Entstehung des Messias nicht gekannt zu haben; …“. Dazu dieser Satz in der Auslegung von 1,51–55: „… das besungene Geschehen der Lebensentstehung des Messias im Schoße Mariens …“ (75). 116 Dazu diese Textstellen: „Kommen des Messias“: „… das erwartete Kommen des Messias … hat Erfüllungscharakter, was Luk besonders wichtig ist (vgl. Apg 3,21): Der Messias aus dem Hause Davids wurde schon vor alters prophetisch vorherverkündet“ (87; 89). Dazu in Bezug auf 2,11:
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auch die häufige Redewendung vom erwarteten Messias“, zumal dieser meistens als „Messias für Israel“ o. ä. bestimmt wird.117 Die Zusammenschau von „Messias“ und „Rettung“ u. ä. findet sich oft. In allen diesen in diesem Sinne besprochenen Lk-Texten selbst steht das Wort „Christos“ nie; „Messias“ ist offensichtlich ein erst späterer theologisch eingeführter Oberbegriff für verschiedene Aussagen über Jesus. Auch in den oft herangezogenen biblischen Texten, die zwecks Beleg aufgeführt werden, ist keine Rede von „x:yvim' – Messias – Christos“. Die Wendung „messianisch“, ein von „Messias“ abgeleitetes Adjektiv, wird faktisch für fast alle Jesus-Aussagen angewendet, was sich dabei aber kaum auf einen entsprechenden Wortgebrauch der betreffenden Bibelstellen berufen kann. Alle Anwendungsstellen von „messianisch“ hier aufzuführen erübrigt sich.118 Die Formel „messianische Herrschaft“ lenkt den Blick auf alle die Kommentaraussagen, die vom „davidischen Thron“ und von der dem Davidshaus gegebenen Herrschaft u. ä. sprechen, die hier besonders aufschlußreich sind. Dem gehen wir näher nach und fragen, welche alttestamentlichen Bibelstellen Schürmann als (mehr oder weniger gültige) Belege beibringt. Im Kontext der Auslegung von 1,30f heißt es u. a.: „In gehobener Sprache … wird Maria, in Anspielung auf die Prophetie Is 7,14, nun verheißen, sie werde empfangen und Mutter des erwarteten Messias werden“ (46; wir bemerken die eigenartige Wiedergabe des Lk-Verses, der keine „Verheißung“, sondern Ankündigung ist und von „empfangen im Schoße und „Anbruch des eschatologischen Heils in der Ankunft des Messias … machtvolle Kommen des Heiland-Messias zur letzten Rettungstat“ (112; 113). Zu 2,26 u. a.: „Die Tatsache, daß er mit dem Kommen des Messias rechnete … in dem Kindlein den erwarteten Messias … in dem Neugeborenen die Ankunft des Messias“ (124f). 117 Dazu diese Stellen: Zu 2,11 u. a.: „Geboren ist nun der ‚Heiland‘, und zwar ist dieser mit dem erwarteten Messias identisch“ (110; vgl. dazu auch schon 47). Vgl. sodann auch noch 121 und 124. Zu „Messias für Israel“ seien diese Texte genannt: Zu 1,67–79 heißt es u. a.: „Während der erste Teil (VV 68–75) Gottes endzeitliches Handeln, die Sendung des Messias für Israel … besingt …“84). Zu 2,34a: „… ist doch das Schicksal ihres Kindes das des Messias Israels …“ (127; s. den Kontext; dazu auch 129: „Ablehnung des Messias durch Israel“, was auch 130 u. 131 genannt wird). 118 Wir geben einige Beispiele für den Gebrauch von „messianisch“, in denen ganz offen bleibt, was das sachlich genau besagt. Zu 1.35 wird im dortigen Zusammenhang von einer „messianischen Aufgabe“ gesprochen, ohne jede nähere Angabe. Zu 1,54f (Teil des Magnificat) wird von „messianischer Neuordnung“ und „messianischer Erneuerung“ gesprochen, die Israel und dann auch die Völker angeht, auch von der „Erfüllung der Verheißung an die Väter“ (wobei „im Zusammenhang an das Kommen des Messias zu denken sei“), ohne daß Näheres erkennbar wäre, ganz abgesehen davon, daß „Christos“ gar nicht, auch nicht andeutungsweise genannt ist. Zum ersten Teil des Benedictus wird gesagt, „der Psalm (ist) ein messianisches Jubellied, das auf das Kommen Jesu zurückschaut“, „da Gott seinem Volke den rettungbringenden Messias erstehen ließ“; „Christos“ findet sich überhaupt nicht, und „messianisch“ könnte als Adjektiv das „Objekt“ des Liedes angeben, das selbst aber nicht „messianisch“ ist (86; dazu auch „messianischer Lobpsalm“ 89). – Zu 2,8 heißt es: „das Hirtenmilieu der Geburtsgeschichte Jesu im Sinne einer Erzählung als ein messianisches Motiv zu verstehen … die Hirten ein bedeutsames und deutungsmögliches Milieu für den Messias“ (108). Dazu sogleich auch: „… daß nun die große messianische Freude anheben soll … messianisches Heil … der erwartete Messias“ (110): alles offene, ja willkürlich geprägte Wendungen. Wir brauchen das hier nicht weiter zu verfolgen.
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Abschnitt B:
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Sohn gebären“ spricht!). Weder in 1,30f noch in Jes 7,14 (im hebräischen wie im LXXText) ist etwas von „Messias“ gesagt! Jes 7 ist tatsächlich die Ankündigung (keine Verheißung!) Jahwes bekundet, was er, gegen den Plan des Achaz geschehen zu lassen gedenkt (wann das geschehen wird, ist ganz offen). Die ohne Namen angeführte Frau (Jungfrau, junge Frau) wird/soll empfangen und dem geborenen Sohn (der noch keinen Namen hat) den Namen IMMANUEL geben (der Text läßt offen, ob im Auftrag Jahwes oder aus eigenem oder wie immer fremdbestimmtem Willen; das Futur kann durchaus als imperatives verstanden sein). „Erwarteter Messias“ ist in den Text unbegründet hineingelesen. Dasselbe gilt für die dort folgende Aussage zu 1,32f: „Im folgenden wird das verheißene Kind grundlegend (!) als der erwartete Messias aus dem Hause Davids beschrieben (!)“ (47). Die Anmerkung 50 weist dazu auf diese Belegstellen hin: „Vgl. die Verheißungen 2 Sm 7,12–16; Jer 23,5; 33,15; Zach 3,8; Is 11,10“. Zu diesen ist festzustellen: In 2 Sm 7,12–16 kommt „Messias“ überhaupt nicht vor! Die Rede ist vielmehr, als Verheißung, von „einsetzen und sein Königtum bestätigen … Ich will den Thron seiner Königherrschaft für immer befestigen, Ich will ihm Vater sein und er soll mir Sohn sein … Dein Haus und dein Königtum sollen immerdar vor mir Bestand haben. Dein Thron soll für immer gegründet sein“. Das ist es, worauf sich 1,32f berufen könnte, und nicht ein „Messias“-Sein.119 Ähnliches wird in dem weiteren Auslegungstext zu 1,32f gesagt, mit manchen anderen Nuancen: „Aufgrund seiner Gottessohnschaft wird dem Kinde – an dessen davidische Abstammung noch einmal (vgl. V 27) erinnert wird – der Davidsthron gegeben werden. Hier ist die atl. Prophetie wie 1,68–75; 22,28–30 realistisch und ernst auf Erden erfüllt vorgestellt: Auch die Ordnungen dieser Welt werden dereinst durch Christus beherrscht und ihre Erfüllung finden im Königtum Christi. Seiner messianischen Herrschaft auf Erden über Israel wird ewige Dauer verheißen“ (48). In diesem Text wird ausnahmsweise „Christus“ gesetzt, allerdings mit der kuriosen Bemerkung, daß „Christus und seinem Königtum messianische Herrschaft auf ewig verheißen“ sei. Wir bemerken den Oberbegriff-Charakter (wie wir es nannten) von „Messias“ sogar über Christus und Jesus, den eine vermeintlich theologische Einsicht erfunden hat. In den dazu angefügten Anmerkungen werden weitere Schriftstellen zum Beleg vorgelegt, die alle das-
119 Zu den anderen „Belegstellen“ ist dieses zu sagen: Zu Jer 23,5: „Messias“ steht nicht da! Vielmehr
ist vom Sproß die Rede, „den Jahwe dem David erstehen lassen wird. Der wird als König herrschen und weise walten und für Recht und Gerechtigkeit im Lande sorgen. In seinen Tagen wird Juda Heil erfahren, und Israel in Sicherheit wohnen“. Wieder geht es eindeutig um Königtum und Herrschaft, um Heil für Israel. In Jer 33,15 ist dasselbe wiederholt gesagt. – In Sach 3,8 findet sich nichts von „Messias“; es heißt nur: „Siehe, ich lasse meinen Knecht ‚Sproß‘ kommen und ich werde die Schuld des Landes fortschaffen an einem Tag“. Es ist irgendwie von Sündenrettung die Rede, durch Jahwe selbst. – In Jes 11,10 heißt es: „An jenem Tag wird Jahwe zum zweiten Mal die Hand erheben, um sich den Rest seines Volkes zu erwerben“. Vom „Messias“ ist keine Rede; es ist nur einer der vielen Verheißungssätze, die aber hier nichts einbringen.
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
selbe Fragwürdige anzugeben scheinen.120 In den von Schürmann selbst beigezogenen Stellen im obigen Text findet sich „Messias“ überhaupt nicht. Für 2 Sm sahen wir das schon; s. o. Für Gn 49,10 gilt dasselbe dort Gesagte; für Ps 89,30 und 1 Makk gleichfalls. In der Anmerkung 63 wird noch auf folgende Stellen hingewiesen: 3 Kg 9,25; Is 37,25; Mich 4,7; 1. Makk 2,57; und mit der zusätzlichen Bemerkung „Der Messias als Vollender der Davidsherrschaft“ auch auf Dn 9,11; Ez 17,22ff. Zu allen diesen Stellen ist zu sagen, daß in ihnen nie vom „Messias“ die Rede ist, sondern immer von der Herrschaft, die dem David, dem Davidsthron usw. von Jahwe gegeben bzw. zugesprochen worden sind auf ewige Zeiten. Damit haben wir einen wichtigen Hinweis, was Schürmann faktisch mit „Messias“ ansprechen will.121 Zur Auslegung von 1,79 findet 120 In der Anm. 55 der Seite 48 heißt es: „Ursprünglich kann im Lichte von Ps 2,7 an die endzeitliche
messianische Inthronisation gedacht gewesen sein“ (mit Berufung auf Hahn 288 u. 307). Dieser Psalm spricht jedoch vom „Sohn“, nicht vom „Messias“! In der Anmerkung 58 heißt es u. a.: „Luk ordnet den Sohnestitel häufig dem Christustitel zusammen, so in 4,41; 22,67.70; Apg 9,20.22“. Abgesehen davon, daß überhaupt von „Sohnestitel“ und „Christustitel (gegen deren Verständnis bei Lukas!) gesprochen wird, kann auch von „Zusammenordnung durch Lukas“ in den (wenigen!) angegebenen Stellen keine Rede sein. 121 Wir bringen hier die entscheidenden Kommentarstellen in Bezug auf die Davidssohnschaft bzw. Davidsherrschaft, die tatsächlich oder auch nur vermeintlich auf „Messias“ oder „messianisch“ hin gelesen werden können (soweit sie nicht schon zitiert wurden): Zu 1,72ff heißt es u. a.: „Gott bekennt sich zu dem mit den Vätern geschlossenen Bund und dem Abraham gegebenen Schwur (V 73) und sendet – wie verheißen (V 70) – den Messias aus dem Hause Davids (VV 68f), der Israel politische Freiheit schaffen wird (V 71), damit das Gottesvolk ungestört Gott dienen kann (V 75) … Der Psalm erwartet einen auf Erden auftretenden und wirkenden Messias aus dem Hause Davids“ (89). Zu 1,35 lesen wir u. a.: „Wie V 32 das me,gaj durch ui`o.j u`yi,stou seine nähere Bestimmung empfing, so in anderer Weise hier das a[gion durch ui`o.j qeou/. Und wie schon V 32 die ‚Gottessohnschaft‘ im Zusammenhang der messianischen Inthronisation vorgeordnet war (s. d.), so ist sie hier mit der Gottgewirktheit des persönlichen menschlichen Seins gegeben – deutlich vor einer messianischen Aufgabe“ (54). Zu 2,49 ist u. a. dieses gesagt: „Die Innigkeit dieser GottHörigkeit Jesu ist im Worte Jesu als Vater-Sohn-Verhältnis charakterisiert. Im Lichte des Gesagten ist dieses Verhältnis zunächst als ein persönlich-religiöses, nicht vordergründig als ein amtlichmessianisches geschildert. Nicht als Inhaber des Davidsthrons ist Jesus hier – wie 1,32 – Sohn; … Wird doch Jesus an unserer Stelle gar nicht unmittelbar mit der Sohnesprädikation belegt“ (136; zu diesen Aussagen wäre einiges zu sagen, wozu aber kein Platz gegeben ist). – Zum Stichwort „Heil“ seien diese Stellen genannt: „das erwartete messianische Heil“ (90; zu 1,76–79). Zu 2,9f u. a.: „V 14 wird der Rahmen Israels dann ausdrücklich gesprengt und das messianische Heil weltweit gesehen … Es handelt sich also nicht um irgendeine, sondern um die ‚messianische‘ Errettung, in der das endgültige Heil zukommt“ (110). Zu 2,25 lesen wir u. a.: „Daß er (d. i. Simeon) mit der ‚Tröstung‘, d. h. mit dem baldigen Kommen des messianischen Heils rechnete, ist schon in Vorbereitung auf VV 26.29–32 gesagt“ (123f; ähnlich 125 und 126; 131). – Zu „Retter“ und „Rettung“, in Bezug auf „Messias“ eingesetzt, sind diese Stellen zu nennen: Zu 1,68f heißt es u. a.: „… die heilbringende Gnadenheimsuchung Gottes … Diese aber hat nun begonnen, da Gott seinem Volke den rettungsbringenden Messias erstehen ließ … Der Aorist h;geiren sieht im ‚Erwecktwerden‘ des Messias dem ganzen Zusammenhang nach (vgl. 1,26–56) ein Ereignis der jüngsten Vergangenheit“ (86). Dazu sogleich dies: „Wie die lu,trwsij (V 68), die swthri,a (V 69) näherhin verstehbar ist, sagt V 71: Gottes Erlösungstat und die von diesem Messias gewirkte ‚Rettung‘ wird formelhaft mit den Worten von Ps 105,10 LXX heilsgeschichtlich-politisch beschrieben …“ (87; ähnlich 102).
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Abschnitt B:
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sich dieser bemerkenswerte, ja befremdliche Satz: „Die Aufgabe des von oben kommenden Lichtes wird die Erleuchtung sein, wie mit den Worten von Is 9,2 (und Ps 106,10) gesagt wird. Is 9 ist aber der Messias das Licht – so also auch hier. Diese messianische ‚Erleuchtung‘ meint inhaltlich das … angekündigte ‚Heil‘, genauer: die ‚Sündenvergebung‘ von V 77. … Dieses aufleuchtende Licht des Messias wird dann helfen, den ‚Friedensweg‘ zu finden … Auch Is 9 ist der Messias nicht nur Licht, sondern auch Friedensbringer“ (92). Dazu ist zu bemerken: Im Jes-Text findet sich keinerlei Grund, vom „Messias“ zu sprechen, wenn dies atl.-biblisch, und nicht theologisch-systematisch verstanden wird. Die dort tatsächlich genannten (Licht, Heil, Friedensweg, Sündenvergebung usw.) sprachlichen Ausdrücke sagen selbst deutlich genug, was gekündet werden soll; sie benötigen keine übergreifende Kategorie; diese nimmt ihnen sogar ihren Aussage-Reichtum. Alles in allem betrachtet ist dieses festzustellen: Im Kommentar Schürmanns werden die Wendungen „Messias“ und „messianisch“ in den mit ihnen vorgebrachten Aussagen als theologisch-systematisierende Kategorien zur Auslegung und Ausdeutung von Lk 1–2 angewendet, welcher Text selbst sich jedoch einer anderen, vor allem reicheren Sprache und Wortwahl bedient. Diese sind ohne Zweifel weitgehend, wenngleich keineswegs allein und ausschließlich, an Vorstellungs- und Formulierungsweisen der alttestamentlichen Bibel ausgerichtet bzw. von ihnen angeregt und auch sachlich-inhaltlich geprägt. Wir haben gesehen, daß das LkEv (und überhaupt das NT) im Grunde einen viel reicheren Wortschatz einsetzt, der mit den nivellierenden späteren Allgemeinbegriffen nicht mehr erfaßt und lebendig erkannt werden kann. Dafür ist jetzt „Messias“ ein augenfälliges Beispiel. Denn „x:yvim' – cristo,j (LXX) – Gesalbter“ wird im AT nicht nur in Bezug auf Davidssohnschaft und Davidherrschaft eingesetzt, sondern sehr oft auch für den oder die Priester (diese im alttestamentlich-vielfältigem Sinn verstanden).122 Das greift der Hebräerbrief ausdrücklich auf (vgl. bes. 1,9; dann auch, in weiterem Sinn, 3,1; 5,5f; 7,17f; 9,11). Der Kommentar greift nur auf David-Herrschaft bezogene Texte Zu 2,11 u. a.: „Das Heilsinteresse stellt die swth,r-Funktion betont voran. Es geht um die rettende Funktion, bevor gesagt wird, von wem das Heil kommen soll. Geboren ist nun der ‚Heiland‘, und zwar ist dieser mit dem erwarteten Messias identisch … ‚messianische‘ Errettung, in der das endgültige Heil kommt“ (110; dazu auch 111). „Messias“ als „Friedensbringer“ findet sich 99; 111 und 114. 122 Im AT wird „Gesalbter“ im Buch Leviticus fast ausschließlich im Bezug auf „Priester“ eingesetzt: 4,5.16; 21,10.12 u. a. In 1 und 2 Sm herrscht die Anwendung auf David und seine Berufung und Bestallung vor (wir brauchen die einzelnen Stellen hier nicht zu belegen). In den Psalmen ist auch meistens der Bezug auf David gegeben, doch auch auf ganz Israel als dem „Gesalbten Jahwes“ wie auf Joseph (in Ägypten). Bei den Propheten findet sich kein Beleg, mit der einen, beachtenswerten Ausnahme in Jes 45,1: „So spricht Jahwe zu Cyrus, seinem Gesalbten, dessen Rechte er ergriffen hat … (4) Um meines Knechtes Jakob willen, um Israels, meines Auserwählten … willen rief ich dich beim Namen …“. Wir sehen, schon im AT ist „Gesalbter“ kein festgelegtes Wort oder Begriff. – Auf die Unabgeschlossenheit des Verständnisses von „Gesalbter“ im AT weist auch der Artikel „Messias“ in LThK 7,169–171 (Hossfeld) hin, der dort sogar „Bibeltheologische Überlegungen z. alt. Messianismus“ vorlegt, also auch nicht ohne dieses Abstraktum meint operieren zu können.
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
zurück.123 Selektierende Anwendung biblischer Wort- und Begriffsgehalte, die zu theologisch-systematischer Begrifflichkeit erstarrt sind, ist oft der Grund für neue, auch exegetisch-theologische Festlegungen geworden, die im Nachhinein Diskussionen ausgelöst haben, die gerade daran kranken, daß man von derartigen, allgemein üblich gewordenen Vorstellungen, Wörtern und Begriffen später nicht mehr meint sich lösen zu können. Dafür ist „Messias“ ein eklatantes Beispiel, aber auch „Jungfrauengeburt“, welche Wortbildung bekanntlich für die theologische Erfassung des Aussagegehaltes von Lk 1 (wie auch Mt 1) zum Haupt-Wort geworden ist. Dem werden wir uns im jetzt folgenden Absatz zuwenden. c) „Jungfrauengeburt“?
Wie wir schon gesehen haben, so faßt Schürmann einleitend zur Auslegung von Lk 1,26–38 zusammen, was seiner Ansicht nach dort ausgesagt wird. Er wendet in Bezug auf „Messianität“ und „Gottessohnschaft“ Jesu, die dort „theologisch gegründet“ würden, diese Formeln an: „das menschliche Dasein Jesu schöpferische Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau“; „Jes 7,14 Verheißung der Jungfrauengeburt“; „vaterlose Lebensentstehung (Jesu)“; „christologische Wesensaussage: Jesus der ‚Heilige Gottes‘, der aus einer Jungfrau geborene ‚Sohn Gottes‘“.124 Alle diese genannten Aussage-Elemente seien wesentlich bestimmend für das in 1,26–38 Bekundete und daher für Lk 1 insgesamt. Diese höchst anfechtbaren Angaben und Feststellungen sind der Anstoß dafür, nachzufragen, aus welchen Gründen für den wesentlichen Aussagegehalt von 1,26–38 überhaupt der Ausdruck „Jungfrauengeburt“ verwendet wird und als exegetisch-theologisch gültige Inhaltsangabe gilt. Was soll mit dieser Wendung sachlich ausgesagt werden? Wir fragen daher umfassend danach, aus welchen explizit sprechenden Text-Aussagen des LkEv diese fragwürdige Terminologie hergeleitet wird bzw. wo sie als gerechtfertigt und unübersehbar vorliegt. Dazu diese Feststellungen: Das Wort „Jungfrau“ findet sich im ganzen LkEv nur ein einiges Mal angewandt, nämlich für Maria in 1,27: „… gesandt zur verehelichten Jungfrau Maria“. Auch das Wort „Jungfrauschaft/Jungfräulichkeit“ ist nur einmal verwendet, nämlich in 2,36 (parqeni,a) von der Prophetin Hanna ausgesagt: „sie hat nach ihrer Jungfrauschaft sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt“. Das Adjektiv „jungfräulich“ findet sich im gesamten NT gar nicht! Die Stelle 2,36 spricht mit Jungfrauschaft in Bezug auf Hanna offensichtlich die Zeit bzw. ihr Befinden vor der Ehe an; eine betonte „Jungfräulichkeit“ ist nicht angegeben. Für 1,27 läßt sich bei unvoreingenommenem Lesen dieses sagen: Maria wird dort „verehelichte Jungfrau“ genannt. Die Wortwiederholung 123 Man könnte durchaus begründet an Lk 2,21–29 eine Überlegung zu „Gesalbter Jahwes“ anschlie-
ßen, nämlich im Blick auf die eigenartig formulierte Schilderung der Beschneidung und (sog.) Darstellung Jesu im Tempel anstellen. Es sei verwiesen auf das oben in II.5.b Herausgestellte; s. d. 124 Der Text ist vollständig wiedergegeben oben S. 128, Anm. 1.
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„Jungfrau“ in 27c („der Name der Jungfrau war Maria“) bezieht sich klar auf die zuvor in 27a genannte verehelichte Jungfrau und gibt ihren Namen an. Dort eine „zweifache Betonung der Jungfräulichkeit Mariens“ zu erkennen, entbehrt jeder Berechtigung. Das Abstraktum „Jungfräulichkeit“ entspricht nicht dem Text.125 Die Wortkombination von „verehelicht“ und „Jungfrau“ könnte für den, der das damalige jüdische Eheund Familienrecht nicht kennt, erklärungsbedürftig sein. Dazu gibt Maria selbst in 1,34 eine einfache Klarstellung mit dem Satz: „da ich (meinen) Mann (noch) nicht erkenne“, welcher Satz freilich richtig gelesen und interpretiert werden muß. Dazu dies: Maria weiß sich vom Boten des Herrn zu der Zeit besucht und angesprochen, da ihr persönlicher Lebensstand das Verehelicht- und Noch-nicht-zusammengekommen-Sein war.126 Wenn man unbedingt will, kann man (vermeintlich deutlicher und ausführlicher) sagen: Maria wird in 1,27 schlicht und ohne sonderliche Betonung Jungfrau genannt, wie es für den sie damals betreffenden persönlichen Lebensabschnitt für damalige Juden selbstverständlich war, so auch als normal angenommen und ausgesprochen wurde: Jungfrau ist und meint die Frau vor dem Eheschluß; und auch die Jung-Vermählte, aber noch nicht „heimgeführte“ Frau war in dem Sinne Jungfrau, daß sie noch keinen ehelichen Umgang hatte; weitere, spezifizierende Elemente des Jungfrau-Seins in diesen Versen zu lesen und auszudeuten versuchen, ist deplaziert; denn der Text selbst gibt dazu keinerlei Anlaß. Ebenso unangebracht ist es, in 1,27 für das schlichte „Jungfrau“ das Abstraktum „Jungfräulichkeit“ einzusetzen (Schürmann spricht von „zweimal betonter Jungfräulichkeit“ und argumentiert da125 Schürmann sagt zu 1,27 in seiner Auslegung dieses: „Gleich einleitend wird zweimal betont auf
Mariens Jungfräulichkeit hingewiesen, wobei schon – die Nähe zu VV 31ff und VV 34f beweist das (s. d.) – an Is 7,13 LXX erinnert sein soll. Mariens Verlobung muß hier schon – nicht erst 2,5 – erwähnt werden, damit die Davidssohnschaft V 32 von dem verheißenen Kind Mariens ausgesagt werden kann, die nach jüdischer Auffassung nur vom Vater her begründbar war und demzufolge auch im NT einhellig auf Josef zurückgeführt wird. Denn von diesem – nicht von Maria oder von beiden – soll hier (wie Mt 1,20) die davidische Abstammung ausgesagt werden. Die Wortstellung läßt nur diese Deutung zu“ (42). Hier werden wieder mehrere Dinge in verkehrter Ordnung gesehen und behauptet. Nicht weil Lukas jüdischen Auffassungen entsprechen will, „muß“ (!) er zu Maria und Josef das sagen, was im Text steht, sondern weil er das berichtet (im Sinne des Evangeliums Gottes), was geschehen ist, was Gott getan und initiiert hat und tun wird. Von „zweimaliger Betonung der Jungfräulichkeit Mariens“ sprechen und mit keiner Bemerkung auf das eingehen, was der Text deutlich sagt, nämlich daß Maria mit Josef aus dem Hause Davids verehelicht (fälschlich „verlobt“!) ist, ist untragbar und verfälscht die Textaussage. Wenn in 1,27 etwas als „betont“ bezeichnet werden soll, dann ist es die Davidssohnschaft Josefs, das aber nicht aus Gründen theologischer oder sonstiger Logik, sondern weil Gott eben an Maria (und auch nicht, wie es heißt, an „eine (unbestimmter Artikel!) Jungfrau“ herantrat zu dem Zeitpunkt, da dies ihre momentane Lebenssituation war: mit Josef verehelicht. Gott läßt seinen Sohn den Sohn Davids werden, um seine Verheißung zu realisieren. Auch ist in 2,5 absolut keine Rede von „Verlobung“. 126 Vgl. dazu das oben in A. I.2 und 3 und in B.II.3 zu Mt 1,16 und 1,18 Herausgearbeitete. Matthäus spricht dort das auch in Lk 1 27.34 Ausgesagte für Josef und Maria in einem Satz aus: „sie waren verehelicht und bevor sie zusammengekommen waren“. Vgl. dazu alles, was dort zum Ehe- und Familienstand vorgetragen ist, wie auch den dort angegebenen Exkurs.
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III.
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mit), weil dadurch Fragestellungen heraufbeschworen werden, die der Lk-Text keineswegs anregt oder gar fordert. Wir halten daher weiter Ausschau nach dem, was Schürmann als explizit in Lk 1–2 ausgesprochen behauptet. Im oben zitierten Text sagt er, daß Jes 7,14 die „Verheißung der Jungfrauengeburt“ enthalte. Für diese Stelle Jes 7,14 ist bekanntlich bis heute keine einmütige Auffassung erreicht, was dort mit „parqe,noj“ genau ausgesagt sein soll, so daß der Ausdruck „Jungfrauengeburt“ (den man für Lk 1,26–38 in Bezug auf Jesus meint einsetzen zu müssen) gänzlich unangebracht ist. Somit kann der Text Jes 7,14 höchstens für die sprachliche Ausformulierung bei Lukas verglichen werden (zumal der Ausdruck ja auch dort deplaziert ist), nicht für das dort sachlich Bekundete. Im oben zitierten Kommentartext finden sich noch zwei weitere Feststellungen zu 1,26–38, die wichtig sind. Es heißt, dort werde der „Aufweis“ geliefert, „wie Jesus sein menschliches Dasein der schöpferischen Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau verdankt“ und deswegen sei von „vaterloser Lebensentstehung Jesu“ die Rede; er habe als „der ‚Heilige‘ Gottes, der aus einer Jungfrau geborene ‚Sohn Gottes‘ und als solcher der ‚Messias‘“ zu gelten. Das sei nämlich eine „christologische Wesenaussage“ (ebd.).127 Wir erkennen, daß „Jungfrauengeburt“ als formelhaft-zusammenfassende Kurzangabe für die Realbestimmung des sehr offenen Wortes „tun“ („Tat“) Gottes und dessen entscheidenden Folgen, wie sie im konkreten Fall 1,26–38 bekundet sind, dient.128 In der im Kommentar folgenden seitenlangen Diskussion zur „Jungfrauengeburt“ begegnen immer wieder diese fraglichen Feststellungen und Formulierungsweisen. Im Lk-Text wird nun tatsächlich von Gott und 127 Wir haben schon öfter auf die Problematik hinweisen müssen, die durch die eigenartig unter-
scheidenden Kategorien „christologisch“ und „theologisch“ (absolut unnötig) heraufbeschworen wird, ohne daß dafür im uns hier beschäftigenden Lk-Text selbst Sachgründe vorliegen. Es sei an die Stelle in den einleitenden Sätzen zur Auslegung von 1,28–38 erinnert; wo „die Erzähltendenz der Verkündigungsszene als eminent christologisch“ erklärt wird. Diese Charakterisierung begegnet häufig. So wird zu 1,32 dies gesagt: „Die christologische Aussage von VV 32f mit ihrer alt-jüdischen Diesseitsechatologie bleibt zurück hinter der von VV 35, wo zumal der Gottessohntitel (!) vertieft verstanden ist“ (49). Dazu auch: „… aus christologischen Gründen. Die christologische Aussage ist der von Röm 1,3f auffallend ähnlich, … die Existenzweise Jesu als erhöhter hyios Theou … durch das pneuma hagiosynes bewirkt wird …“ (55). Zu Jes 7,14 findet sich diese Bemerkung: „Erst auf einer späteren Stufe der christologischen Meditation und Explikation konnte der Beginn des Erdendaseins Jesu und damit Jes 7,14 LXX für die Unterweisung und christologische Denkbemühung interessant werden“ (60; so nochmals 61). 128 Die Wendung „Jungfrauengeburt“ wird oft ohne nähere Bestimmung pauschal für das in 1.26– 38 Ausgesagte als christologische bzw. theologische Inhaltsangabe eingesetzt, so S. 40; 56; 60: 61 (5mal). In Lk 2, das die „Geburtsgeschichte Jesu“ (so Schürmann) bringt, wird jedoch dieser Ausdruck nie verwendet. Nur für das in 1,26–38 Ausgesagte begegnet er, wie dann vor allem in der dort vorgelegten und kritisch betrachteten Diskussion um die Historizität dessen, was mit „Jungfrauengeburt“ bezeichnet ist. Die Zusammenfügung von „Tat Gottes in Schoße einer Jungfrau“ und „Jungfrauengeburt“ könnte als unangebracht angesehen werden. Doch es ist Schürmann selbst, der es in seinem Text tut: S. 40 offenkundig; in den Textstellen 27; 39 („ihre (d. i. Elisabets) Schwangerschaft als Tat Gottes“ mit 27 zusammengeschaut); 71; 74–75; diese immer in ihren unmittelbaren Kontext gelesen.
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seinem „Tun“, von seinem „Tätig“- und „Aktiv“-Sein gesprochen, allerdings mittels konkret-positiv sprechender Verben.129 Dementsprechend wird auch die jeweilige „Reaktion“ Marias auf Gottes „Tun“ zur Sprache gebracht. Es wird das konkret genannt, was Gottes „Tun“ auf Maria hin erfahrbar geschehen ließ/läßt (wenn es sich um ein Tun im Aktiv oder theologischen Passiv handelt) oder geschehen lassen will/ wird (wenn es in Ankündigung vor dem realen Geschehen ausgesagt wird). (Wir übernehmen hier bewußt das Wort Marias in 1,38 „mir geschehe nach deinem Wort“; denn „geschehen“ ist ein Verb, das eindeutig und zugleich überaus offen spricht.)130 Der Überblick über das so zur Sprache Gebrachte zeigt wieder dasselbe: Es widerspricht dem Lk-Text, das von ihm tatsächlich konkret sprechend Bekundete mittels Abstrakta oder späterer theologischer Sprachformeln vorzulegen und auszudeuten. Deswegen fragen wir weiter: Woher rührt das Faktum, daß in den Kommentaren überhaupt derart selbstverständlich von „Jungfräulichkeit“, „vaterlose, jungfräuliche Empfängnis“, „Jungfrauengeburt“ usw. die Rede ist, obwohl der Lk-Text alles das nicht kennt? Was wird mit diesen Formeln eigentlich als Aussage von 1,26–38 hervorgekehrt, um es noch weiter auszudeuten? Der Überblick über die entsprechenden Kommentarstellen könnte das aufzeigen.131 Alles in allem gesehen zeigt die Zusam129 Vgl. dazu, was wir oben S. 124, Anm. 1 und in den dortigen Anmerkungen zum Verben-Gebrauch
im Lk-Text herausgestellt haben. In 1,26–38 finden sich folgende Verben angewendet: (den Boten) senden (26); begrüßen (mit sachlich bestimmtem, Maria persönlich-betreffenden Gehalt ((28); geben (32); „kommen über sie (Maria)“ und „Maria überschatten“ (35). Alle diese Verben bezeichnen etwas Konkretes und unmittelbar Verstehbares, wenn auch in 1,26–38 zugleich geheimnisvoll-reiches Göttliches, das Gott Maria gegenüber und auf sie hin aktiv-wirksam „getan“ hat bzw. „tut“, das aber genau als solches erfahrbar war (ist) und verstanden wurde (wird). Von einem irgendwie gearteten Wirken, gar schöpferischem Wirken Gottes in Maria oder im Schoße Marias o. ä. (u. U. mit Angabe des konkret Gewirkten) spricht der Text mit keiner Silbe, auch nicht andeutungsweise. Das sollte seitens der Ausleger gesehen und beachtet werden. 130 Vgl. dazu die Angabe in der vorigen Anmerkung. Hier sind diese Verben zu nennen: gesegnet werden/sein(28): betroffen sein (vom Grußwort Gottes) (29); Sohn im Schoße empfangen werden /sollen und gebären werden (31); den Namen Jesus geben (als Auftrag Gottes: (31); „überkommen über sie (Maria)“ und „sie überschatten“ (35), beides als Ankündigung (nicht schon das Geschehen selbst) von zukünftigem „Tun“ Gottes; dieses von Gott Gesagte hört, erfaßt und versteht Maria; denn sie sagt antwortend: „mir geschehe nach deinem Wort“ (38). Sie gibt diese ihre Antwort nicht im Zusichern eines eigenen Tuns oder Mittun in dem Angekündigten, doch im Nicht- oder Noch-nicht-Genaueres-Wissen dessen, was Gott tatsächlich in oder mittels dieses „kommen über sie“ und „sie überschatten“ konkret-detailliert zu „tun“ gedenkt. Sie läßt Gott tun, was er gesagt hat, mit diesem klaren, doch gänzlich offenen persönlichen Zustimmenswort „mir geschehe“ und eben nicht „es geschehe“), was du mir gesagt und zu verstehen gegeben hast. Der pure Dativ dieses Satzes ist unbedingt zu beachten! Schließlich ist das Fortgehen und Fortgegangensein des Boten genannt (39), das Maria selbst erlebt hat, wie das Ein/Hinzutreten des Boten zu Beginn des dort Bekundeten (28). 131 Die Ausdrücke „Jungfrau“ und „Jungfrauschaft/Jungfräulichkeit“ finden sich im ganzen LkEv jedes nur einmal; „jungfräulich“ kommt nie vor. Wir bringen hier die Stellen, in denen diese Wörter im Kommentar Schürmanns begegnen (das ist oft der Fall) zusammen, mit den wichtigsten Zusätzen zum rechten Verständnis. Im schon oft zitierten Text der S. 40 wird von „Gottes schöpfe-
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III.
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menstellung dieses: In allen zitierten Kommentarstellen wird der Ausdruck „Jungfrauengeburt“ oft verwendet, doch offensichtlich als ein Oberbegriff, dessen Konzeption und Sinnbedeutung nie näher besprochen, erläutert oder gar begründet wird. Er ist eine irgendwann erfundene Floskel, die wie selbst-verständlich eingesetzt wird. Von der Geburt ist hier im jeweiligen Kontext nie die Rede; alles spricht vielmehr von der „Empfängnis Jesu“, und das in vielerlei Hinsicht. Die gesamte Diskussion um das Thema „Jungfrauengeburt“ wird schon im Kontext der Auslegung von 1,26–38, also rischer Tat im Schoße einer Jungfrau“ als „christologische Wesensaussage (Jesus ist der aus einer Jungfrau geborene ‚Sohn Gottes‘)“ gesprochen, was dort auch mit „Jungfrauengeburt“ bezeichnet wird. Dazu: „Die Sendung des Engels zu einer Jungfrau – in Kontrast zu einem Priester 1,11–20 – ist ungewöhnlich“ (42; Lukas spricht in allen diesen Stellen namentlich von Maria!). Der Text S. 46 (Anm. 36) sagt Ähnliches, wie auch 52; 60; 75. – Der Ausdruck „Jungfräulichkeit“ in Bezug auf Maria ist in der Auslegung von 1,27 in eben so offenem Sinn wie „Jungfrau“ gesetzt, allerdings ganz unberechtigt, wie wir gesehen haben („zweifache Betonung von Jungfräulichkeit“: 42; dazu in Anm. 8: „Der Gedanke der Jungfräulichkeit“). In der Darlegung der Diskussion zur sog. Marienfrage (49–52) begegnen die Wendungen „Vorsatz zur Jungfräulichkeit“ und „Jungfräulichkeitswille“ (52 3x; dazu auch „Entschluß zur Jungfräulichkeit“: 52). – „Jungfrau“ allein (womit Maria gemeint ist) findet sich neben den schon genannten Stellen noch S. 52: „Die Verlobte wird ohne ehelichen Verkehr, eben als Jungfrau (V 27), empfangen“. Dazu: „Das Wissen um die Lebensentstehung Jesu im Schoße einer Jungfrau“ mit folgendem „jungfräuliche Empfängnis Jesu“ (60). Dazu ist die Wendung „Jungfrauenkind“ (45, Anm. 36) zu nennen. – Das Adjektiv „jungfräulich“ ist oft eingesetzt, und das jeweils in bemerkenswerter Bedeutung. Unmittelbar auf Maria bezogen heißt es zu 1,28: „Gottes Gnade bereitet sich (!) die jungfräuliche Messiasmutter. Der Text läßt der gläubigen Meditation Spielraum, die auf die Messias-Mutterschaft hin gewährte Begnadigung (vgl. V 30) in ihrer Tiefe auszuloten“ (44; auf die exegetische wie theologische Fragwürdigkeit dieses Satzes können wir hier nicht näher eingehen, obwohl dringend Einspruch erhoben werden muß). „Jungfräulich“ begegnet oft mit „Empfängnis“ verbunden, wobei dieses Wort selbst eigenartig unbestimmt bleibt, ob es sich auf Maria bezieht oder auf Jesus. „Empfängnis“ meint einmal die „Empfängnis des Gottessohnes“(45), dann die „unbefleckte Empfängnis Mariens“(48, Anm. 34). Weiter: „Empfängnistermin“ (46); „wunderbare Empfängnis“(50: „daß sie sich nach dem Ja-Wort Mariens V 38 ereignet hat“); „zukünftige Empfängnis (V 31)“ (51). „Jungfräuliche Empfängnis“ an folgenden Stellen: Zu 15–25 u. a. dies: „So wunderbar die Empfängnis des Johannes war … die Möglichkeit des noch größeren Wunders im Schoße Mariens … soll an der wunderbaren Lebensentstehung des Johannes deutlich gemacht werden, daß Gott selbst eine jungfräuliche Empfängnis nicht unmöglich ist“ (27; wir bemerken den hier angesprochenen wertenden Vergleich, der S. 56 wiederholt mit „daß Gott auch eine jungfräuliche Empfängnis bewirken kann“ vorgetragen wird). Weiters diese Stellenangaben mit „jungfr. Empf.“: 46, Anm. 40; 50 (jungfr. Empf. mit „wunderbare Empfängnis“); 56; 57; 59; 60 („jungfr. Empf. Jesu“; 61 2x. Dazu gehören auch die Stellen mit „jungfräuliche Lebensentstehung Jesu“: 53 (… wo Gott bei der Erzeugung des Isaak … wunderbar mitwirkte – nur daß Gottes schaffende Tätigkeit hier nun bis zur jungfräulichen Lebensentstehung gesteigert ist“); 57; 59 (zusammen mit „Jungfrauengeburt“ (3x)); 63; 75 („Lebensentstehung des Messias im Schoße Mariens“); 118. Dazu gehören ebenso die Stellen mit „vaterloser Empfängnis“; „vaterlose Lebensentstehung Jesu“ zusammen mit „Jungfrauengeburt“ (40); „Vaterlosigkeit der Empfängnis“ (47); „Vaterlosigkeit dieser Empfängnis“ zusammen mit „jungfräulicher“ und „wunderbarer Empfängnis“ (50); „vaterlose Lebensentstehung Jesu … Aussage von der Jungfrauengeburt.-. jungfräuliche Empfängnis“ (56); „durch den Geist gewirkte vaterlose Lebensentstehung“ (62; dasselbe 2x auf der folgenden Seite, zusammen mit „jungfräulicher Lebensentstehung“); „vaterlose Lebensentstehung des Messias“ (63, Anm. 160).
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in der Ausdeutung des Ankündigungstextes vorgelegt und besprochen. Die Reflexionen und Behauptungen konzentrieren sich auf „Empfängnis“ und „Lebensentstehung Jesu“. Dabei gilt es als Hauptaussage, was dort einleitend genannt wurde: „“Jesus verdankt sein menschliches Dasein der schöpferischen Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau“ (so Schürmann 40). Dem sind diese Formulierungen als gleich-bedeutend beigesellt: „vaterlose Lebensentstehung Jesu“ und „der aus einer Jungfrau geborene ‚Sohn Gottes‘“ (ebd.). Wir haben dazu schon feststellen können, daß „vaterlose Lebensentstehung“ im jeweiligen Kontext mit „jungfräulicher Lebensentstehung“ abwechselnd verwendet wird, und daß beides auch „jungfräuliche Empfängnis“ genannt wird, im Grunde immer dieselbe „Sache“ bezeichnend. Zudem wird bei diesen verschiedenen, doch letztlich dasselbe meinenden Formeln aller Nachdruck darauf gelegt, hervorzukehren, daß das mit ihnen Ausgesagte „im Schoße einer Jungfrau“ geschehen bzw. verwirklicht worden ist, eben wie es zu Anfang ausdrücklich als „schöpferische Tat Gottes“ bezüglich des (werdenden) „menschlichen Daseins Jesu“ erklärt wird. Aus alle dem ist deutlich ersichtlich, daß „vaterlose Lebensentstehung Jesu“ tatsächlich eine negativ-abgrenzend erklärende Formulierung für „schöpferische Tat Gottes“ ist, mit der Gott als der angesagt sein soll, der dies allein gewirkt hat. Wenn und weil diese „schöpferische Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau“ Jesus „entstehen“ ließ, dann ist mit dieser schlichten Aussage eigentlich alles vollgültig und klar angegeben; es muß keineswegs ausdrücklich und betont auch noch hervorgehoben werden, was nicht der Fall war oder ist bzw. wer in dieser „Lebensentstehung Jesu“ nicht gewirkt oder mitgewirkt hat. Gerade wenn diese „Lebensentstehung Jesu“ sogar ausdrücklich als „neue Schöpfung“, zumal im Rückblick auf Adam, durch den betonten Ausschluß alles Nicht-Göttlichen (Geschöpflichen) angesagt sein soll, dann müßte sinnvollerweise von „elternloser Lebensentstehung“ die Rede sein, nicht aber von „vaterlos“. Denn das bringt nochmals einen ganz eigenartigen neuen Akzent in den Text. Offensichtlich hat die Wortwahl „vaterlos“ bzw. gleichbedeutend „jungfräulich“ einen anderen Beweggrund als die Betonung Gott-allein, d. h. schöpferisch. Diese andere treibende Motivation, im Kontext 1,26–38 betont „jungfräulich“, „vaterlos“ u. ä. einzusetzen, wird zwar nie deutlich angegeben, dürfte aber im Willen eines ausdrücklichen Sprechens von dem sein, was die spezifische „Jungfräulichkeit“ Marias ausmacht. Die gesamte Diskussion zur „Jungfrauengeburt“, die Schürmann zur Auslegung von 1,26–38 vorlegt und bespricht, also noch vor aller Beachtung des faktisch Geschehenen („Empfängnis“ und „Geburt Jesu“), zeigt das aufs deutlichste: Es geht nicht eigentlich um Gottes Tat, auch nicht um Jesus (es wird von ihm oft nur als „irdischem“ oder „historischem Jesus“ oder von seinem „menschlichen Dasein“, von „seinen Erdentagen“ gesprochen), sondern darum, das „Marianische“ herauszustellen. Es zeigt sich nämlich, daß „vaterlos“, „jungfräulich“ u. ä. zunächst immer eine negativ-abgrenzende Funktion im Hinblick auf Maria und dem Besonderen ihres
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III.
Zu einigen Kernaussagen in Lk 1–2
Einbezogenseins in dieses Geschehens erfüllen.132 Das Adjektiv „jungfräulich“ wird ja nie der Maria selbst zugeschrieben, sondern der „Empfängnis“, der „Lebensentstehung Jesu“ u. ä. Diese letztgenannten Wendungen erhalten den spezifizierenden Zusatz durch „jungfräulich“.133 Alle diese aufgeführten Beispiele der faktischen Verwendungsweisen von „Jungfräulichkeit“, „jungfräuliche“, „Vaterlosigkeit“ u. ä. im Kommentartext (Lukas selbst gebraucht sie außer den beiden Einmal-Setzungen in 1,27 und 2,36 nie) lassen erkennen, daß die Ausdrücke etwas angeben, was nicht der Fall ist, was nicht vorliegt oder geschieht bzw. der jeweils Genannte nicht gewirkt oder an ihm nicht mitgewirkt hat, was bekundet wird. Gerade auch „Jungfrauengeburt“ zeigt diesen negativen Aussagebefund. Etwas Nicht-Seiendes oder Nicht-Geschehenes als Wesensinhalt für einen tatsächlichen Zustand oder ein Wirken und Gewirktes anzugeben, entbehrt jeden Sinnes. Die „schöpferische Tat Gottes im Schoße einer Jungfrau“ mit der Formel „Jungfrauengeburt“ ansagen oder erklären wollen, ist schlicht absurd. Zur weiteren Klärung dieses ganzen Problemfeldes setzen wir ein eigenes Kapitel an im Abschnitt der Zusammenschau aller neutestamentlichen Texte in Bezug auf die Herkunft Jesu Christ.
132 Die in der vorhergehenden Anmerkung zitierten Stellen zeigen das eindeutig. In diesem Kom-
mentartext zu 1,35a finden sich alle genannten Ausdrücke vereint und in ihrer logischen Zuordnung: „Die Frage (34) hat der folgende Erklärung des Engels den Weg bereitet: Die Verlobte wird ohne ehelichen Verkehr, eben als Jungfrau V 27), empfangen. … pneu/ma a[gion wird das Wunder wirken, die schöpferische Allmacht des Gottes, bei dem ‚nichts unmöglich‘ ist (V 37). Gemeint ist das Pneuma, das am Anfang der Schöpfung über den Wassern schwebte … Gottes Allmacht wird im Schoße Mariens ein Kind erschaffen“ (52). Dazu dieser Rückverweis: „… soll an der wunderbaren Lebensentstehung des Johannes deutlich gemacht werden, daß Gott selbst eine jungfräuliche Empfängnis nicht unmöglich ist“ (27, zu 1,5–25). Dazu auch: „die Vaterlosigkeit der Empfängnis“ (47), und im selben Kontext: „Vaterlosigkeit dieser Empfängnis … jungfräuliche Empfängnis … wunderbare Empfängnis“ (50; dazu auch: „… daß hier Gottes schaffende Tätigkeit (!) nun bis zur jungfräulichen Lebensentstehung gesteigert ist“ (53). 133 Es ist in diesem Zusammenhang stets mitzubeachten, daß auch die Ausdrücke „Lebensentstehung“ und ‚‘Empfängnis“ eigenartig ungeklärt und offen bleiben, dabei aber für scheinbar SelbstVerständliches oder gänzlich Eindeutiges stehen. „Empfängnis“ hat oft den Genitivus subjectivus, ebenso oft auch den Genetivus objectivus bei sich (Empfängnis Jesu – Empfängnis Marias). Damit ist einmal die Empfangende, dann der Empfangen-Werdende gemeint, wobei auch „empfangen“ nie ein eigen-bewirktes Tun bezeichnet. Mit ihm verhält es sich genau so wie mit „Entstehen“ (Lebensentstehung). Es ist zwar eine aktivisch klingende „Tätigkeit“ (Verbum – Tätigkeitswort) ausgesprochen, doch kann es selbst auch die eigentliche Ursache dieses „Entstehens“ sein, oder durch eines anderen Wirken geschehen, wie die Formel „Gottes schaffende Tätigkeit bis zur jungfräulichen Lebensentstehung gesteigert“ (53) offendeckt. In allen Fällen ist eine Adjektiv-Beifügung unsinnig.
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Abschnitt C Zur Herkunft Jesu Christi gemäß Gal 4,4f Der Text Gal 4,4f wird neben anderen Stellen der Paulusbriefe oft besonders auch dann ausgewertet, wenn die Herkunft Jesu Christi näher besprochen werden soll, zumal im Vergleich mit anderen ntl. Aussagen wie zur Zusammenschau mit diesen. Paulus bringt in Gal 4,4f im Rahmen seiner ermahnenden Argumentation in Betracht der aufgetretenen Mißverständnisse in der Galater-Gemeinde zur Sprache, was er für dringend notwendig erachtet. Er lenkt ihren Blick auf die Bekehrung zu Jesus Christus, die sie erlebt haben und zu ihrem Lebensprinzip im Glauben werden ließen. Er ruft sie in die ursprüngliche Lebenshaltung zurück. Er ruft ihnen das Evangelium in die Erinnerung, das sie von ihm empfangen haben, vor allem durch neuerlichen Hinweis auf das, was Gott für sie und alle Heilsbedürftigen längst getan hat. Das Wirken Gottes in ihrer Glaubensgeschichte ist ja eklatant das, was das Werden der Kirche überhaupt charakterisiert. Dazu beginnt Paulus in Kap. 3 mit einer Rückbesinnung auf die glaubensentscheidende Situation Abrahams vor Gott. Er beleuchtet dazu, gerade auch im Blick auf die Situation der Galater in ihrer augenblicklichen Gefährdung, das Glaubenserlebnis Abrahams, das von Gott unter die Heilsverheißung für alle Menschen gestellt ist und bleibt. Abraham hat durch sein Glauben Gott entsprochen und das Verheißene nicht durch Gesetzeserfüllung zu erreichen getrachtet. „So sollte der Segen Abrahams den Heiden durch Christus Jesus zuteil werden, damit wir den verheißenen Geist durch den Glauben empfingen“ (3,14). Das macht Paulus durch seinen Vergleich mit einem Testamentgeber und seinen Erben deutlich. Er zeigt, daß Gott den Erben den Geist geschenkt hat durch die Verheißung (3,18). Daher ist in 4,1 vom Erbe die Rede, das uns zur festgesetzten Zeit zuteil wird, die Gott bestimmt hat. Genau in diesem konkreten Zusammenhang mit der Situation der Galater steht die Überlegung in Kap. 4. Um also 4,4–7 wirklich im Sinne des Paulus zu verstehen, ist diese konkrete Argumentationsweise und ihre Beabsichtigung zu sehen; sie ist keine missionarische Bekundung allgemeinen Glaubensinhaltes, sondern wiederholendes Angebot eines für die Galater lebensnotwendigen Nach-Denkens in ihrer Gefährdetheit. Deswegen ist dieser Text in keiner Weise auf eine umgreifende Ausformulierung der Glaubensbotschaft des Paulus hin angelegt und daher auch von uns heute so zu lesen. Paulus bekundet nicht, am wenigsten umfassend, seinen Gottes- und ChristusGlauben und darf daher auch nicht daraufhin befragt werden. Wir werden sogleich erkennen, wie wichtig es ist, darauf mit Nachdruck hinzuweisen, weil dieser Text oft in einer Weise gelesen und verstanden wird, die intensiv sogar das reflektiert, was dort nicht steht (doch „eigentlich“ zu erwarten wäre?) und warum Paulus solches nicht vorbringt. Paulus argumentiert mittels der geschehenen Heilsgeschichte in Verheißung wie Erfüllung: „… ou[twj kai. h`mei/j( o[te h=men nh,pioi( u`po. ta. stoicei/a 218
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Abschnitt C:
Zur Herkunft Jesu Christi gemäß Gal 4,4f
tou/ ko,smou h;meqa dedoulwme,noi\ o[te de. h=lqen to. plh,rwma tou/ cro,nou( evxape,steilen o` qeo.j to.n ui`o.n auvtou/( geno,menon evk gunaiko,j( geno,menon u`po. no,mon( i[na tou.j u`po. no,mon evxagora,sh|( i[na th.n ui`oqesi,an avpola,bwmenÅ – Als aber die Fülle der Zeit kam, entsandte Gott seinen Sohn, geworden aus (der) Frau, geworden unter (das) Gesetz, damit er die unter (dem) Gesetz (Stehenden) loskaufe, damit wir die Sohnschaft empfingen“. Wir betrachten jetzt die Teile dieses Satzes auf ihren unmittelbaren Aussage-Inhalt hin, den Paulus ihnen offensichtlich in seinem Gedankengang gab. Was Paulus schlicht sagt („als die Fülle der Zeit kam“), liest z. B. Schlier so: „Als aber der Abschluß der Zeit kam, entsandte Gott seinen Sohn …“ und erklärt diese Aussage auf bezeichnende Weise. Er versteht und interpretiert „plh,rwma tou/ cro,nou“ als „den Abschluß, das Vollgewordensein der Zeit“, was dann weiter so ausgedeutet wird: „Der Begriff setzt voraus, daß Gott die Zeit und alle Äonen in seiner Gewalt hat, und daß er dieses Maß zur Durchführung bringt, damit das Ende dieses Äons und den Anbruch des kommenden Äons herbeiführt. Solches Vollsein der Zeit hat nach Paulus nun aber die Sendung Jesu Christi gebracht. Das Ende der Zeit ist mit der Erscheinung des Sohnes Gottes im Kosmos Ereignis geworden“.1 Hier ist zu fragen, ob diese (weite) Ausdeutung der Stelle berechtigt ist. Offenkundig bezieht sich die „Fülle der Zeit“ im Kontext auf 3,15–18 (Paulus wählt als Beispiel die Testamentsausfertigung und die entsprechende Zeitbestimmung) und 3,23.25, wie dann auf 4,1.2 („evfV o[son cro,non“ 1
Schlier, Galater-Kommentar (1989) 194f. Schlier bespricht 4,3–7 noch weiter: 196–200, was hier nicht weiter verfolgt werden muß. Wenigstens folgende Sätze mögen es zeigen, welche Fülle der Ausdeutung er bringt (was als solches nicht zu kritisieren ist, doch geht es uns hier zunächst um die Erfassung dessen, was Paulus argumentativ selbst hervorhebt). Schlier 196: „Die Erscheinung Jesu Christi beruht auf dem Akte der göttlichen Entsendung. Das evxape,steilen setzt als Ausgangspunkt natürlich die Gegenwart Gottes voraus. In solchem Zusammenhang verweist die Bezeichnung als ui`o.j auvtou/ auf die ‚Präexistenz‘ des göttlichen Gesandten hin, d. h. auf das immer schon ihm eignende göttliche Sein, vgl. Röm 1,3f; 8,3.29.32; 1Kor 8,6; 2Kor 8,9; Phil 2,6ff; Kol 1,13ff. Der Eintritt des Endtermins der Welt, die Beendigung der Zeit, offenbart sich in der Entsendung des Sohnes Gottes als des ewigen göttlichen Grundes, Mittels und Zieles des Daseins (1Kor 8,6; Kol 1,13ff ). Die Endzeit ist die Zeit, in der das göttliche ‚Prinzip‘ unseres Daseins, Christus Jesus, in dieses Dasein eingebrochen ist. Die Erscheinung Christi Jesu in diesem Äon beruht auf dem Akte der Entsendung, sie besteht in der Menschwerdung. Der Sohn Gottes ist gesandt als der in die Natur des Menschen, die durch die Frau bestimmt wird, Hineingegebene, als der ‚aus der Frau Gewordene’. Gi,nesqai evk meint die Herkunft des gesandten Sohnes vom Weib, zielt also, obwohl es ‚geworden‘ und nicht ‚geboren‘ (gennw,menon) bedeutet, auf die menschliche Geburt dieses göttlichen Gesandten, … Es betont die wahre Menschheit des Sohnes. Zu seiner Menschheit gehört nicht nur seine Natur, sondern auch seine Geschichte. Die Geschichtlichkeit seiner Erscheinung hebt der zweite Zusatz hervor: geno,menon u`po. no,mon = unter das Gesetz geworden = dem Gesetz unterworfen. Was diese Unterwerfung unter das Gesetz für den Sohn bedeutete, war schon 3,13 gesagt. Hier ist mehr an die Gleichheit des Geschickes des Gesandten mit denen gedacht, denen zugute die Sendung geschehen war. Jenes völlige Hingegebensein des Sohnes in den Kosmos, jenes durch Geburt und Leben sich vollziehende Eingehen in die konkrete Wirklichkeit des Menschen hatte das Ziel, diejenigen zu befreien, die unter dem Gesetz standen, V. 5. Das sind dem ganzen Zusammenhang nach (V. 3!) ohne Zweifel alle Menschen, d. h. aber Juden und Heiden.“
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Abschnitt C:
Zur Herkunft Jesu Christi gemäß Gal 4,4f
und „a;cri th/j proqesmi,aj tou/ patro,j“). Eine Reflexion über Gottes Geschichtsmacht sowie über Äonen-Ende wie Äonen-Anfang hat Paulus hier nicht im Sinn. Es ist der Zeitpunkt der Verheißungserfüllung angesprochen und der Zeitpunkt der Sendung des Sohnes zum gott-bestimmten Termin. Was diese Textstelle weiter andeutet, steht jetzt nicht zur Diskussion. Paulus sagt dann weiter: „Gott (ent)sandte seinen Sohn“. Dieser Passus wird oft zunächst in Bezug auf 4,4a („als die Fülle der Zeit kam“) betrachtet. Dabei wird er in seiner Schlichtheit an dieser Stelle meist überfrachtet gedeutet.2 Im Blick auf 4,5–7 kann genau gesagt werden, worauf Paulus hier mit Nachdruck hinweist, indem er dort den Zielpunkt und Auftrag dieser Entsendung im Zusammenhang seiner Mahnung an die Galater bestimmt: „damit er die unter dem Gesetz Stehenden (damit sind hier alle Menschen, Juden wie Heiden, gemeint) loskaufe, damit (2x i[na) wir die Sohnschaft empfingen (was weiter ausgeführt wird)“. Damit ist auch „Sohn“ genauer bestimmt: der, durch den wir das empfangen haben, was Gott verheißen hatte, wenngleich es jetzt für alle Christ-Gewordenen, für Paulus wie Galater, in unahnbarem und tiefem Sinn Wirklichkeit geworden ist: Die Sohnschaft (ui`oqesi,a!) ist mehr als Kindschaft, auch als Adoption! Weiteres ist hier noch nicht zu sagen. Paulus fügt aber, bevor er diese Zielsetzung der Sendung des Sohnes angibt, eine zweigliedrige 2
Als ein Beispiel für viele sei Mußner, Galaterbrief-Kommentar (1974) 269f zitiert: „Weil die Sendung des Sohnes zugleich aber die Erfüllung der Verheißungszeit ist, darum bedeutet hier plh,rwma tou/ cro,nou mehr als nur ein kalendermäßiges Zu-Ende-Kommen einer bestimmten Zeit; die Vollendung ist als Erfüllung der Zeit zugleich ihre heilsgeschichtliche Sinngebung, ihr Vollmaß. Sie ist aber nicht das ‚natürliche‘ Ergebnis, die ‚natürliche‘ Reife eines bestimmten Zeitraums (cro,noj) der Geschichte, sondern freie und unberechenbare Setzung Gottes, der allein das Geheimnis der Zeiten kennt. Mit der in der Sendung des Sohnes angekommenen ‚Fülle der Zeit‘ „wird nicht die Zeit als solche aufgehoben, sondern vielmehr das Heilshandeln Gottes unmittelbar in die Historie hineingestellt; im geschichtlichen Ereignis des irdischen Jesus … vollzieht Gott seine eschatologische Tat“ (Delling). Die Sendung des Sohnes durch Gott ist kein metahistorisches, eh und je sich ereignendes Geschehen, sondern eine einmalige, geschichtliche Tat (Aorist evxape,steilen), und der Bürge für die geschichtliche Konkretion dieses Handelns Gottes ist der fleischgewordene Sohn Gottes selbst, da er „aus einem Weib geboren wurde“ (geno,menon evk gunaiko,j), ‚dem Gesetz unterstellt‘ (geno,menon u`po. no,mon). Zur Formulierung geno,menon evk (gunaiko,j) vgl. auch Röm 1,3 (peri. tou/ ui`ou/ auvtou/ tou/ genome,nou evk spe,rmatoj Daui.d kata. sa,rka); PFlor 382, 38 (o` Vex evm@ou/# geno,menoj ui`oj @M#i,laj ovno,mati). Der Apostel betont damit die wahre und wahrhafte Menschheit des Sohnes, die durch das ‚Geborenwerden aus einem Weib‘ bestimmt ist, ‚ohne die jungfräuliche Geburt ausdrücklich ins Auge zu fassen‘ (Schlier). „Den Apostel interessiert hier … nicht, wie Jesus geboren wurde. Es genügt ihm zu verkünden, daß der Sohn Gottes Mensch wurde und daß den Menschen dadurch die Gotteskindschaft geschenkt wurde (Gal 4, 6 f)“ (H. Räisänen). Was besagt das zweite Partizipialattribut geno,menon u`po. no,mon im Hinblick auf Christus? Rein sprachlich gesehen, bedeutet gene,sqai u`po. no,mon = gestellt (unterworfen) werden unter das Gesetz (vgl. 1 Makk 10,38 tou/ gene,sqai u`fV e[na: unter den Hohenpriester). Das Gestelltwerden Christi ‚unter Gesetz‘ will neben dem ‚Geborensein aus einem Weib‘ hervorheben, daß er nicht nur Mensch unter den Menschen wurde, sondern darüber hinaus Jude und als solcher dem Gesetz unterstellt. Mit der Feststellung, daß Christus ‚unter das Gesetz gestellt‘ war, verbindet er die Aussagen des V 4 mit jenen des Kontextes (Verheißung – Gesetz; Segen – Fluch).“
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Abschnitt C:
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Partizipalbestimmung für „seinen Sohn“ an, die den Sohn im Entsendetwerden und -sein näher qualifiziert. Beides wird mit demselben Partizip „geworden“ und ihm beigeordneten Präpositionsformeln in auffallender Weise formuliert. Nicht mit einem zu erwartenden Substantiv (z. B. als Bote) oder in Infinitiv-Angabe (z. B. zum Verkünden, Heilen) wird das Entsenden und also Gesandter-Sein genauer bezeichnet; es heißt vielmehr: „geworden aus (der) Frau“ und „geworden unter (das) Gesetz.“ Damit ist für „geworden“ das „was“ angegeben, was der zuvor „sein Sohn“ Genannte geworden ist, was er bis zu diesem Termin des Gesendetwerdens nicht oder noch nicht (das bleibt offen) war. Das Passivpartizip „geworden“ läßt offen, wer oder was dieses „werden“ durch sein Wirken/aktiv-Tun bestimmte und bewirkte, oder ob das „Gewordene“ es „aus sich selbst“ wurde (ein Kind wird ein Erwachsener). Der Passus „geworden unter (das) Gesetz“ läßt sich gut als „unter das Gesetz gestellt“, ihm „untergeben“ mit sachlicher Berechtigung verstehen, und zwar im Kontext durch den ihn entsendenden Gott vorgesehen und gewirkt. Das sagen die „i[na“-Sätze 4,5 deutlich aus. Offen bleibt aber immer noch, wie Gott dies tat bzw. was und wodurch er es vollführte. Das können wir hier beruhigt so offen lassen, da es andere PaulusStellen gibt, die darauf näher eingehen; hier ist klar an das gedacht, wovon wir durch diesen „Sohn“ befreit werden sollten und wurden, um in Folge davon die Sohnschaft geschenkt zu bekommen. Dazu noch diese Bemerkung: Offensichtlich deutet Paulus in 4,4b etwas in äußerster Kürze an, das er eher einleitend bzw. begleitend im Gang seiner Argumentation in seiner Auseinandersetzung mit den Galatern mit-ausgesagt wissen will. Das in der zweigliedrigen Partizipalbestimmung Herausgestellte ist für ihn wie wohl auch für die Galater kein Problempunkt und daher auch für spätere Leser dieses Briefs nicht als etwas anzusehen, das Paulus hier aufklärend-belehrend oder korrigierend vorbringt. Es ist daher mit Recht in seiner sehr offenen Redeweise zu lesen und auszuwerten und nicht für andere Problemstellungen argumentativ einzusetzen oder gar zu pressen. Paulus (wie übrigens jeder biblische Autor) muß nicht bei jeder Gelegenheit alles erschöpfend ausformulieren, was zu seiner Glaubensüberzeugung zählt. Das gerade Herausgestellte gilt auch für die erste Partizipalbestimmung „geworden aus der Frau“, und das in einem besonderen Maß, da es eine ungewöhnlich heftige Diskussion ausgelöst hat, was Paulus genau gesagt hat bzw. deutlicher hätte sagen müssen.3 Tatsächlich sind alle drei in 4,4b stehenden Wörter, „geno,menon“, „evk“ und „gunaiko,j“, je für sich genommen wie als volle Formel, zum Problem geworden. Das „geno,menon“ haben einige Kopisten, mit oder ohne Bedacht, zu „genno,menon“ erweitert. Auch in unseren Übersetzungen wird das zu schlicht empfundene „geworden“ mit „geboren“ wiedergegeben, was als möglich erscheinen mag wegen des folgenden 3
Siehe dazu die im Anhang II. vorgelegten Beispiele von entsprechenden Kommentar-Aussagen. Dort werden eine Reihe von Texten aufgeführt, die freilich eingehend zur Kenntnis genommen werden müssen, um die hier angesprochene Problematik in ihrem Gewicht zu erkennen.
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„aus (der) Frau“ (wie für „geworden unter das Gesetz“ rechtens „unterstellt dem Gesetz“ gelesen werden kann). Es gibt gewichtige Gründe, „genno,menon“ nicht als dem Text gerecht werdend zu sehen und folglich „geno,menon“ voll gelten zu lassen; dem wollen wir zunächst folgen.4 Dann stellen sich die Exegeten die Frage, welche Bedeutung Paulus selbst dem Wort „gunaiko,j“ an dieser Stelle seiner Argumentation gegeben hat. Es werden mehrere Sinngebungen und somit Aussageinhalte benannt, zum Teil mit weitreichenden Konsequenzen zum Verständnis von Gal 4,3–7. Mit diesen brauchen wir uns für unsere spezielle Thematik nicht auseinanderzusetzen. Wir werden der Offenheit der Redeweise des Paulus an dieser Stelle am ehesten gerecht, wenn wir sie zunächst in sich selbst betrachten. Ganz anders ist es zu beurteilen, wenn Autoren meinen, Paulus hätte hier eigentlich „parqe,noj“ statt „gunaiko,j“ setzen müssen. Zumal mariologisch interessierte Theologen betrachten 4,4 bekanntlich in ihrer bezeichnenden Weise. Wir blicken jetzt zunächst nur auf die Bedeutungen, die für „gunaiko,j“ faktisch angeführt und gegebenenfalls weiter ausgewertet werden. Am schlichtesten wird es in Strack-Billerbeck III zu Gal 4,4 gesagt: „a. einfache Umschreibung für ‚Menschenkind‘ (mit Stellenangaben); b. mit verächtlichem Nebensinn = ‚hinfälliger, sündiger Mensch‘. Gleichbedeutend mit ‚Weibgeborener‘ ist ‚Erdgeborener‘ = ‚Menschenkind‘ (jeweils mit Stellenangaben)“ (570). Ähnlich offen belassen es Schelkle, Vanhoye, Campenhausen („ganz allgemein das Geschlechtswesen, von dem zu stammen das Kennzeichen aller Menschen ist“), Räisänen („ganz allgemein ‚Frau‘; Geschlechtsbezeichnung“), Knoch („Geschlechtswesen; menschliche 4
Vgl. dazu A. Vanhoye, La Mère du Fils de Dieu selon Gal 4,4, Marianum 49 (1978) 237–247, mit vielen Hinweisen auf die entsprechende Literatur in den Anmerkungen. Wir zitieren einige wichtige Sätze; sie sprechen für sich. „Saint Paul déclare donc que le Fils de Dieu est né d’une femme. Il affirme la maternité divine de cette femme … On s’est demandé pourquoi il ne s’est pas exprimé de façon plus précise et n’a pas dit ‚né de la Vierge Marie‘ ou, au moins, ‚né d’une vierge‘. Le Père Lagrange a très bien répondu que ce genre de précision n’entrait pas dans la perspectives de Jesus de Nazareth, mais de montrer l’abaissement du Fils de Dieu‘“ (240; das wird dort weiter ausgeführt: R. S.). Dann: „Si nous restions à ce point de notre analyse, nous pourrions conclure que le texte de Gal 4,4 affirme la maternité divine, mais ne dit rien de la conception virginale … phrase du A. Legault, qui estime que le texte et le contexte ‚ne comportent aucune allusion, si voilée soit-elle, à la maternité virginale de Marie‘. Nous ajouterions que cette omission n’a rien d’étonnant, car elle est exigée par la perspective particulière qui est celle de Paul en ce passage. L’omission ne peut donc être invoquée comme argument contre la conception virginale. Il y aurait plutôt lieu d’observer que la formulation utilisée par Paul s’accorde sans difficulté avec la tradition des évangiles de l’enfance, puisqu’elle presente le Christ comme le Fils de Dieu, d’une part, et comme ‚né d’une femme‘, d’autre part, sans fait aucune mention de paternité humaine. … il reste vrai que rien n’est dit explicitement de la virginité de la mère du Fils die Dieu et que la perspective du texte s’opposer à la mention de ce privilège“ (244f). Dazu noch: „… le mode d’expression montre que la notation de Paul sur la mère du Fils de Dieu appelle positivement des compléments. En eux-mêmes, les termes ne disent absolutement rien d’une conception virginale de Jésus ou d’une pureté immaculée de Marie; ils expriment uniquement le fait de l’humble naissance, sans en préciser le moins du monde les modalités. Mais le genre paradoxale de la phrase oblige à conclure que les termes choisis ne dissaint pas tout …“ (246f).
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Mutter“). Schweizer benennt es spezieller: „der übliche jüdische Ausdruck, der die Ärmlichkeit und Schwäche des Menschen betont“. Bei Mußner findet sich spezifisch für Gal 4,4 dieses ausgesagt: „Zur Formulierung ‚genomenon ek gynaikos‘ vgl. auch Röm 1,3 (…) … Der Apostel betont damit die wahre und wahrhaftige Menschheit des Sohnes, die durch das ‚Geborenwerden aus einem Weib‘ bestimmt ist“ (269f). Was hier das auffällige „wahre und wahrhaftige Menschheit“ eigentlich ansagen soll, ist nicht klar (oder sind damit schon spätere dogmatische Festlegungen gemeint?), zumal in der dazugehörigen Anmerkung vom „natürlichen Menschen“ gesprochen wird, in Bezug auch auf Hi 14,1 und Mt 11,11. Ähnlich unbestimmt, wenn nicht fragwürdig erscheint, was Schlier genau aussagen will, wenn er zu 4,4 dieses sagt: „Der Sohn Gottes ist gesandt als der in der Natur des Menschen, die durch die Frau bestimmt wird, Hineingegebene, als der ‚aus der Frau Gewordene …‘. Es betont die wahre Menschheit des Sohnes. Zu seiner Menschheit gehört nicht nur seine Natur, sondern auch seine Geschichte“ (196). Es bleibt unklar, was Schlier als Exeget des Gal hier mit „Natur“ und dann mit „Geschichte“ ansprechen will. Dazu sei sogleich auf einen Satz bei Knoch hingewiesen, der sogar angibt, was in 4,4 nicht gemeint ist: „Hier geht es Paulus nicht um die Messianität Jesu, sondern um die Herausstellung des echten Menschseins Jesu“ (53).5 Es fällt bei allen diesen Beispielen auf, daß, soweit wir 5
Es seien hier die genannten Beispiele genauer wiedergegeben und weitere hinzugefügt. Schelkle, Theologie des NT II, 152 erklärt „Frau“ in 4,4 zunächst ähnlich wie Strack-Billerbeck, doch fügt er dort im „§ 10 Inkarnation“ doch erstaunliche Angaben hinzu: „Hinsichtlich der Niederschrift ist wohl der früheste Text Gal 4,4f von der Menschwerdung des Gottessohnes“ (151). Dem wird diese Erklärung von „geworden aus der Frau“ beigegeben: „Vielleicht ist die Sprache schon formelhaft. Geburt bedeutet den Übergang vom Nicht-Sein zum Sein. ‚Aus dem Weibe geworden‘ kennzeichnet den Eintritt dessen ins geschichtliche Sein, der schon war. Indem der Sohn Gottes das menschliche Sein annahm, trat er auch in die menschliche Geschichte ein. Dies bedeutet die Unterwerfung unter das Gesetz“ (152). Vanhoye setzt bei entsprechender Gelegenheit: „enfants des femmes, être faibles et fragiles“, in Mar 40 (1978) 242. – Mußner bringt zu 4,4 u. a.: „Zur Formulierung ‚genomenon ek (gynaikos)‘ vgl. auch Röm 1,3 (… genomenou ek spermatos David kata sarka); PFlor 382, 38 (…). Der Apostel betont damit die wahre und wahrhaftige Menschheit des Sohnes, die durch das ‚Geborenwerden aus einem Weib‘ bestimmt ist“ (269f; dazu Anm. 117: Die Wendung ‚genomenon ek gynaikos‘ entspricht in 1 QHod XIII, 14; XVIII, 12f.16 dem hebräischen ‚jilud ischah, womit der natürliche Mensch gemeint ist; vgl. auch 1 QS XI,20f (… Menschenkind … der vom Weib Geborene … seine Form ist aus Staub …‘; ein ähnlich negativer Ton liegt auf dem Ausdruck in Hi 14,1; Mt 11,11 (…); Esr-Apk 8,35)“. – Campenhausen zu Gal 4.4. u. a.: „Daß Paulus den Gottessohn hier von einem ‚Weibe‘ geboren sein läßt, soll lediglich die Erniedrigung bis zum gemeinen Los aller Menschen hervorheben … Das ‚Weib‘ bedeutet in einem solchen Zusammenhang nicht den Gegensatz zur ‚Jungfrau‘, sondern ganz allgemein das Geschlechtswesen, von dem zu stammen, das Kennzeichen aller Menschen ist, die von Haus aus eben nichts weniger als ‚göttlichen Geschlechtes‘ sind“ (13). – Räisänen zu Gal 4,4 u. a.: „der Ausdruck ‚Weib‘ ist nicht betont … gyne bedeutet ganz allgemein ‚Frau‘. Das Wort ist lediglich eine Geschlechtsbezeichnung …“ (17). – Beinert (1973) zur Stelle: „Ihm geht es darum, die wahre Menschheit Jesu hervorzuheben … Mensch ohne Abstrich … Wenn Paulus dabei auf die Geburt aus dem Weib abhebt, dann will er nur ein in der jüdischen Literatur gebräuchliches Synonym für ‚Mensch‘ verwenden“ (21). – Knoch (1970) sagt: „Hier geht es Paulus nicht um die Messianität Jesu, sondern
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sehen, keiner der Exegeten für das wie immer angesprochene Menschsein sowohl aller Menschen (auf die sich ja Gal 4 insgesamt bezieht) wie hier besonders des Sohnes Gottes das Sünder-Sein, das seit Adam Aus-der-Sünde- und In-der-Sünde-Sein als das sachlich letzt-gemeinte Mensch-Sein angesehen sein muß, von dem Paulus selbst ausdrücklich und betont in Röm 8,3–4 wie auch in 2 Kor 5,21 (s. dort den Gesamtkontext!) spricht, in Röm 8 sogar mit derselben Formulierung: „er sandte seinen Sohn im Fleisch der Sünde …“. Wenn schon „Menschsein“ aus „geworden aus der Frau“ zu erschließen sein soll, dann reicht „Natur“, „Schwachheit“, und was weiter genannt wird, gar nicht aus, um das dort gemeinte „Menschsein“ genau zu benennen. Damit soll das fach-exegetisch errungene Verständnis von Gal 4,4 nicht verurteilt sein. Doch gilt es, die Offenheit der paulinischen Formulierung gelten zu lassen, wenn dann doch der biblisch-theologische Gehalt zu sehen und zu erheben ist. Da ist es nicht nur erlaubt, sondern geboten, einen Einzelvers des NT im und aus dem Gesamtkontext der Heiligen Schrift einzusehen zu versuchen und voll auszuschöpfen. Daher gilt: In Gal 4,4 ist gerade nicht von der „Natur“ des Menschen überhaupt die Rede, sondern vom verunstalteten, durch die (Ur)Sünde (wie immer diese in der Bibel „erklärt“ sein mag) tod-geweihte konkret-geschichtliche Mensch-Sein (dieses individuell wie gesamtheitlich gesehen). Das genau dürfte Paulus in 4,4 mit der zweigliedrigen Formel „geworden aus der Frau – geworden unter das Gesetz“ im Gesamtkontext des Galaterbriefes (wie in seinen anderen Schriften) vor Augen haben, wenngleich aufs kürzeste und daher sehr offen ins Wort gebracht. Wir werden dem später noch genauer nachgehen. Dasselbe gilt für die Fragen, die das „geworden“ hier wie an den anderen Stellen des NT aufwerfen kann, wie auch nach dem genauen Wie dessen Ausschau halten, was eigentlich Gott selbst und was der Sohn selbst in dem Geschehen „getan“, „gewirkt“ (und ich möchte im Blick z. B. auf Joh 3,16–18; Lk 22,39–46 und ähnliche Stellen hinzufügen: „empfunden“, „gelitten“) haben. Eine weitere Frage meldet sich in diesem Kontext dadurch an, daß von mehreren Autoren ein wichtiger Hinweis auf die sog. „Präexistenz“ dessen behauptet wird, der als „Sohn Gottes“ „geworden aus der Frau, geworden unter das Gesetz“ gesandt wird, um die Erlösung zu bringen. Was hier als Frage gemeint ist, wird z. B. durch folgenden Satz Schliers deutlich: „Die Erscheinung Jesu Christi beruht auf dem Akte der göttlichen Entsendung. Das evxape,steilen setzt als Ausgangspunkt natürlich die Gegenwart Gottes voraus. In solchem Zusammenhang verweist die Bezeichnung des um die Herausstellung des echten Menschseins Jesu … ‚Weib‘ ist hier gebraucht im Sinne von Geschlechtswesen, menschlicher Mutter“ (53). – Schlier, Gal, sagt zu 4,4 u. a.: „Der Sohn Gottes ist gesandt als der in der Natur des Menschen, die durch die Frau bestimmt wird, Hineingegebene, als der ‚aus der Frau Gewordene‘ … Es betont die wahre Menschheit des Sohnes. Zu seiner Menschheit gehört nicht nur seine Natur, sondern auch seine Geschichte …“ (196). – Schweizer (Mt) zu Gal 4,4: „Wenn Paulus Gal 4,4 die Wendung ‚vom Weibe geboren‘ für Jesus verwendet, dann ist dies der übliche Ausdruck, der die Ärmlichkeit und Schwäche des Menschen betont, also Jesus gerade nicht von anderen abhebt …“ (15).
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ui`o.n auvtou/ auf die ‚Präexistenz‘ des göttlichen Gesandten hin, d. h. auf das immer schon ihm eignende göttliche Sein, vgl. Röm 1,3f; 8,3.29.32; 1 Kor 8,6. 2 Kor 8,9; Phil 2,6ff, Kol 1,13ff. Der Eintritt des Endtermins der Welt, die Beendigung der Zeit offenbart sich in der Entsendung des Sohnes Gottes als des ewigen göttlichen Grundes, Mittels und Zieles des Daseins (1 Kor 8,6, Kol 1,13ff ). Die Endzeit ist die Zeit, in der das göttliche ‚Prinzip‘ unseres Daseins, Christus Jesus, in dieses Dasein eingebrochen ist. Die Erscheinung Christi Jesu in diesem Äon beruht auf dem Akte der Entsendung, sie besteht in der Menschwerdung“ (196; das alles wird im dort Folgenden noch weiter besprochen). Hier drängt sich unausweichlich die Frage auf, warum das, was Paulus dort sagt, derart umständlich und wortreich problematisierend „exegetisiert“ wird.6 Daß „Entsenden“ die „Gegenwart“ (Existenz) dessen „natürlich 6
Hier sei auf die vielen Ungereimtheiten im Text Schliers aufmerksam gemacht, da sie für viele exegetischen Behauptungen auch anderer Arbeiten symptomatisch sind (den vollen Text s. o.). Im Satz vor dem oben zitierten ist gesagt: „Das Ende der Zeit ist mit der Erscheinung des Sohnes Gottes im Kosmos Ereignis geworden“ (195; zu 4,4a). Dann folgt: „Die Erscheinung Jesu Christi beruht auf dem Akt der göttlichen Entsendung“. Ob „seinen Sohn“, ohne die weiteren Spezifizierungen in 4,4b und weiterhin, so einfach mit „Jesus Christus“ identifiziert werden darf, ist bei der Offenheit des Textes sehr fraglich. „Erscheinung Jesu Christi“ ist andernorts im NT doch immer, meist „Epiphanie“ genannt, etwas prinzipiell anderes, nämlich vom sog. irdischen bzw. vom auferweckten Jesus ausgesagt (was auch wieder nicht absolut gilt, zudem in unterschiedlicher Bedeutung). Diese angemahnte Vorsicht gilt so auch dem später folgenden Satz bei Schlier: „Die Erscheinung Jesu Christi in diesem Äon beruht auf dem Akte der Entsendung, sie besteht in der Menschwerdung“. Abgesehen davon, was nach „Entsendung“ mit „Akt der Entsendung“ gemeint sein mag, zumal wenn die „Erscheinung“ „auf dem Akt der Entsendung beruht“, ist zu fragen: Was soll in diesem Kontext „Gegenwart Gottes“ als „Ausgangspunkt“ des evxape,steilen eigentlich sein, zumal wenn die „Erscheinung Christi Jesu in der Menschwerdung besteht“? Mit „Menschwerdung“ ist wieder ein späterer, dazu gleichfalls fragwürdiger Begriff gewählt, der nicht biblisch ist (wie übrigens auch „Inkarnation“), zudem nur im Deutschen sprachlich möglich und als Verbform (Inifinitiv) mit -ung einmal gebildet worden ist (die Wortform mit -ung wird sehr oft mit Recht als sprachlich unschön empfunden, zumal wenn sie sogar sachlich bedenklich ist, was für „Menschwerdung“ genau zutrifft). Was Schlier mit dieser Wortwahl ausgesagt hat, ist dringend zu hinterfragen; er schreibt: „… Menschwerdung. Der Sohn Gottes ist gesandt als der in die Natur des Menschen (!), die durch die Frau bestimmt wird (!), Hingegebene, als der ‚aus der Frau Gewordene‘.; Gi,nesqai evk meint die Herkunft des gesandten (kursiv im Text!) Sohnes vom Weib, zielt also, obwohl es ‚geworden‘ und nicht ‚geboren‘ (gennw,menon) bedeutet, auf die menschliche Geburt dieses göttlichen Gesandten … Es betont die wahre Menschheit des Sohnes“ (196). Wieder die Frage: Paulus sagt „Gott entsandte seinen Sohn“; ist damit der Gesandte „göttlich“ zu nennen und wenn ja, in welchem genauen Sinne? Und ist der Mensch-Gewordene (von „Menschwerdung“ hier abgeleitet) durch die „menschliche Geburt“ (was ist damit genau gemeint: „menschliches (Mit)Zeugen und Gebären“ oder „nur“ „menschliches Gebären“?) der „Sohn Gottes“, von dem Paulus das „Gott sandte seinen Sohn“ aussagt, der also als Sohn schon Mensch geworden war, „bevor“ er „aus der Frau geworden“ ist, so daß, um mit Schlier zu sprechen, die Herkunft des gesandten (nicht: zu sendenden!) Sohnes die „Menschwerdung“ vor diesem „aus der Frau geworden (und unter dem Gesetz geworden)“ zu sehen ist – oder ist die Geburt, das Gebären, als der Akt anzusehen, der „Menschwerdung“ war? Die Frage ist um so dringender gestellt wegen der bei Schlier noch folgenden Sätze: „Zu seiner Menschheit gehört nicht nur seine Natur (was ist das hier?), sondern auch seine Geschichte. Die Geschichtlichkeit seiner Erscheinung (!) hebt der zweite Zusatz hervor: genomenon hypo nomon
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voraussetzt“, der das tut, dürfte niemandem, der einen solchen Satz hört, ein Problempunkt sein. Jedem, der das Verb „entsenden“, das auf jemanden, der (irgendwie) mit-benannt wird, hin bezogen ist, wird auch dessen Existieren selbstverständlichst klar sein. In diesem Text wird allerdings etwas ganz Unerwartetes gesagt: „Die Bezeichnung (!) des ui`o.n auvtou/ verweist auf die ‚Präexistenz‘ des göttlichen Gesandten hin, d. h. auf das immer schon ihm eignende göttliche Sein“. Was soll „Präexistenz“, gar mit Anführungsstrichen geschrieben, hier bedeuten? Es ist offensichtlich ein vor und außerhalb dieses Textes vor-gegebener unbiblischer (philosophischer?) Begriff, den auch in unserer Umgangssprache kaum jemand bei einer solchen Gelegenheit verwenden wird. Schlier formuliert auch bezeichnend: „Die Bezeichnung … verweist auf die ‚Präexistenz‘ des Gesandten“, was sogleich „verdeutlicht“ wird: „d. h. auf das immer schon ihm eignende göttliche Sein“. Dieses Letztgenannte folgt doch wohl aus „sein Sohn“, und hat von sich selbst her keine „Erklärung“ durch „Präexistenz“ nötig. Wenn „Präexistenz“ tatsächlich „das immer schon ihm eignende Sein“ dessen sachlich aussagen soll, den Gott entsendete, dann wäre es Verunklarung der Aussage des Paulus. Es ist von „seinem Sohn“ die Rede (übrigens wird hier nicht Christus Jesus oder einfach Christus gesagt, wie Schlier es in den Text einträgt, sondern „seinen Sohn“) und darin mit-ausgesprochen Gott als Vater benannt. Damit ist an sich das „Sein“, auch das „ihm eignende Sein“ des Sohnes hinreichend deutlich mit-erklärt, ohne Betonung, aber auch ohne alle aufteilenden Zeit-Angaben. „Existenz“ und folglich „Präexistenz“ will etwas anderes sagen als „Sein“. Hier von Äonen, Beendigung der Zeit, Eintritt des Endtermins der Welt zu sprechen, ist Eintragung von Nicht-imText-Stehendem, nicht Auslegung des Gesagten (Paulus, ja überhaupt niemand muß in einem tatsächlich formulierten Satz immer alles gesagt oder auch nur angedeutet haben, was gegebenenfalls als logisch rechtens aus ihm deduziert werden kann oder auch muß). Nochmals verweisen wir auf die (vielleicht ungemein) offene Redeweise, die hier in der zweigliedrigen Formel „geworden aus der Frau – geworden unter das Gesetz“ von Paulus verwendet wird. „Präexistenz“ ist eine viel später gebildete theologische Kategorie (über deren Berechtigung wir hier nicht zu diskutieren haben), die für die theologische Ausfaltung auch bestimmter biblischer Aussagen eingesetzt worden ist. Diese aber zur exegetischen Auslegung eines biblischen Textes einzusetzen, ist prekär.7
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= unter das Gesetz geworden = dem Gesetz unterworfen“ (196). Diese Anmerkungen mögen hier genügend deutlich machen, daß für eine erste theologische Einsichtnahme in den Text des Paulus das Beachten und Geltenlassen der Offenheit der Aussage unbedingt erfordert ist; sonst werden dem Text selbst schon Inhalte zugesprochen, die erst durch Vergleiche und, vor allem, durch Weiter-Denken erschlossen werden, bei bleibender Problematik, wie sie sich hier bei Schlier gezeigt hat. Auch andere Autoren bringen in ihren exegetischen wie theologischen Auswertungen der GalStelle Ähnliches. Dazu einige Beispiele. Mußner sagt im Kommentar u. a. dieses: „So scheint es, daß in Gal 4,4f ein vorpaulinisches Verkündigungsschema vorliegt … Im ersten Teil … findet sich der Sendungsgedanke und in diesem die Präexistenzchristologie. Denn daß in den oben an-
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Von besonderem Interesse sind die besprochenen Texte zu Gal 4,4, insofern sie zum Anlass wurden für mariologische Fragestellungen. Diese sind nicht Thema unserer Untersuchung; auf sie muß hier jedoch wenigstens hingewiesen werden, weil man in Gal 4,4 Eigentümliches ausgesagt sieht. Wir bringen dieses sprechende Beispiel: Schelkle schreibt zu Gal 4,4 im HThG II.112 im Artikel „Maria. I. Biblisch“ diesen bezeichnend zusammenfassenden Satz: „Gal 4,4 nennt Paulus die Mutter Jesu ohne Namen. Da er aber die Familie Jesu und die ‚Brüder Jesu‘ mit Namen kennt (1 Kor 9,5: Gal 1,19), wird er auch den Namen der Mutter gekannt haben. Doch stellt Paulus bereits die Bedeutung der Mutterschaft Mariens dar. Sie ist der Ort, wo sich der Übergang des ewigen Sohnes Gottes in die menschliche Natur und Geschichte ereignete (/ Inkarnation; /Jesus Christus). Dies ist Marias besondere Auszeichnung vor den Menschen“.8 Das ist eine den Text Gal 4,4 aus besonderem Interesse schon
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geführten Texten (d. i. Röm 8,3f; Joh 3,16f; 1 Joh 4,9 u. Gal 4,4: R. S. aus dem Kontext) bei der Aussage über den Sohn, den Gott sendet, der christologische Präexistenzgedanke impliziert ist, ist sicher … Paulus scheint die Sohn-Gottes- und Präexistenzchristologie schon übernommen zu haben; ihre Anfänge reichen weit zurück“ (272f). Dazu sagt er in der Anm.134: „Vgl. auch Kramer, Christos – Kyrios – Gottessohn, 111: ‚Mit der Vorstellung der Sendung des Gottessohnes in die irdische Existenz ist … die seiner Präexistenz vorausgesetzt, so daß wir die Aussage der Formel als Sendung des Präexistenten in die irdische Existenz (ab „Sendung …“ gesperrt geschrieben, wohl im Befolgen der Schreibung Kramers: R. S.) umschreiben können. Damit tritt der Unterschied der Gottessohnvorstellung unserer (d. i. Kramers: R. S.) Formel zu der von R 1,3b klar zutage: Wird da der Irdische (der Messias) bei der Auferstehung zum Gottessohn eingesetzt, ‚adoptiert‘, so ist er dort der Präexistente, der in die irdische Existenz hineingesandt wird. Adoptierte irdische Gestalt – gesandte präexistente Gestalt, so können die beiden Vorstellungen umschrieben werden‘‘‘. – Eichholz bemerkt (Die Theologie des Paulus im Umriß, 126): „Immer ist der Sohnestitel bei Paulus so verstanden, daß der Träger des Titels schon von allem Anfang an der Sohn ist. Deshalb heißt es: Gott sandte seinen Sohn. Paulus hat diesen Gebrauch des Titels selbst schon der Tradition entnommen. Sendungsformel und Dahingabeformel sind schon vorpaulinisch … man könnte von einer Inkarnations-Christologie sprechen. Der Titel umgreift die ganze Geschichte Jesu Christi und haftet an keinem Datum. Er ist allen Daten voraus‘“ (272 Anm. 134). Mußner hatte im Haupttext noch nach Erwähnung des „christologischen Präexistenzgedankens“ (s. o. im Text) diesen Satz folgen lassen: „Für Joh kann das aufgrund seiner übrigen Christologie nicht in Abrede gestellt werden“. Dem folgt in Anm. 135: „Vgl. auch Schnackenburg, Joh-Ev I, 290–302. Auf das Woher der Präexistenz- und Sendungschristologie gehen wir hier nicht ein (vgl. zu ihr etwa Blank …); vielleicht hat sie ihren Ursprung in der Applikation der ‚Weisheit‘ auf Jesus Christus (vgl. dazu Schweizer …) … Was Die Applikation der alt.- frühjüdischen Aussagen über die Weisheit angeht, so müßte nach ihrer Veranlassung und Berechtigung gefragt werden. Wahrscheinlich wurde sie aus der nachösterlichen Reflexion über das Offenbarungsgeheimnis Jesu geboren, die möglicherweise ihren Ursprung in dem sich vor Ostern manifestierenden Selbstbewußtsein Jesu hat“ (272f).Ähnliches, und doch nochmals anders Formuliertes findet sich im Buch „Maria in Glaube und Frömmigkeit“ (ohne Hrsg.), Rottenburg 1954, im Unterabschnitt „II. Maria als Repräsentantin und Mittlerin“ seitens Schelkle nach Besprechung der sog. Stammbäume Jesu zu Gal 4,4 angeführt. Es heißt dort: „Diese Bedeutung der Geburt Jesu aus Maria hebt auch Paulus hervor (Gal 4,4: … Text). Gottes Sohn hatte schon immer bei Gott das göttliche Sein und teilte mit dem entsendenden Gott die Ewigkeit. Die Entsendung geschah in der Menschwerdung. Sie bedeutet ein Doppeltes,
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weiter ausdeutende Feststellung; sie ist sicher nicht exegetische Erkenntnis. Doch von dem Neutestamentler Schelkle verfaßt gibt sie eine Auskunft über das Textverständnis selbst, die beachtlich ist, aber die von Paulus unmittelbar intendierte Aussage sicher nicht trifft. Noch einmal anders verhält es sich im Beitrag Geiselmanns im oben erwähnten Buch „Maria in Glaube und Frömmigkeit“ unter dem Titel „Marienglaube und Marienmythos“ (39–91). Dort erklärt er vorab unter der Überschrift „Die dogmatische Interpretation der Heiligen Schrift“ (53–58): „Es gilt also zunächst und zuerst den marianischen Glaubensgehalt der Heiligen Schrift zu erheben. Wir gewinnen ihn auf dem Wege der dogmatischen Interpretation der Heiligen Schrift“ (53; das erklärt G. dort näher: R. S.). So haben wir daher zu verstehen, was Geiselmann dann unter „Die paulinische Christologie – die Grundlage der Mariologie“ (69–71) ausführt, dem er noch den Abschnitt „Die synoptische Mariologie – die Konkretisierung der paulinischen ‚Mariologie‘“ folgen läßt (72f). Damit erkennen wir, was G. und wie er es darbieten will; dazu brauchen wir hier nicht Stellung zu beziehen. Es ist ja das, dem wir hier nicht nachgehen; uns geht es darum, zu eruieren, was die biblischen Stellen selbst und zuerst kundtun.9 Es ist allzu offensichtlich, wie in diesem Beitrag Geiselmanns das seitens einiger Exegeten schon weiter ausdeutend Formulierte selektiv aufgegriffen und weitergedeutet, jedoch erkennbar mittels längst vor-gefaßter (viel späterer) dogmatischer Verstehens- und Redeweise ins Wort gebracht wird. Was wir schon am Text Schliers kritisch beleuchtet haben (s. oben), wird hier deutlich erkennbar als „exegetische Grundaussage“ dazu verwendet („Auswertung der Heiligen Schrift“ genannt), längst Formuliertes biblisch zu „begründen“ und zu „bestätigen“. Dem werden wir uns noch ausführlich in der zusammenfassenden Besprechung zu widmen haben. Die überschnelle Anwendung späterer theologischer (dogmatischer oder systematischer) Begriffe auf die anerkannt äußerst offene sprachliche Darstel-
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den Eintritt in die menschliche Natur wie in die menschliche Geschichte. In das menschliche Dasein tritt der Sohn ein durch die Geburt aus dem Weibe, in dem er die menschliche Natur empfängt. Den Eintritt in die Geschichte zeigt Paulus besonders an durch den Satz, daß der Sohn unter das Gesetz getan wurde. Bei Paulus findet sich keine Schilderung der geschichtlichen Einzelheiten der Menschwerdung und keinerlei mariologische Erzählung. Aber eines tritt schon hervor: Die Mutter des Christus muß genannt werden als der Ort, in dem sich der entscheidende Überschritt des ewigen Sohnes in die menschliche Natur und Geschichte vollzog. Durch dieses Tor schritt der Sohn Gottes aus der göttlichen Präexistenz in die menschliche Geschichte. Die Mutter steht zwischen Gott und den Menschen. Hier vollzog sich die heilsgeschichtliche Entscheidung. Mit Gal 4,4 bezeugt Paulus, daß die Mutter Jesu mit dem Evangelium zu verkünden ist. Er nennt ihren Namen nicht. Aber er kannte ihn sicher ebenso, wie er die ‚Brüder Jesu‘ mit Namen kannte (Gal 1,19). Das Wort von Maria als der Mittlerin, das Mt. 1,16 und Gal 4,4 implicite ausgesagt erscheint, wird an anderen Stellen des Neuen Testamentes noch offenbarer ausgesprochen“ (15). Es erübrigt sich hier für uns, die Beliebigkeit solcher Ausdeutung von Schrifttexten aus un-biblischen Interessen kritisch zu betrachten und zurückzuweisen. Der Text spricht für den, der lesen will, selbst. Für ein ausführliches Zitat der bemerkenswerten Äußerungen Geiselmanns, die dringend zu hinterfragen sind, reicht hier der Platz nicht aus. Wir bringen daher den Text im schon oben angekündigten Anhang II (Texte der Kommentare zu Gal 4,4).
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lung des Gott-Gewirkten ist dringend auf ihre Berechtigung hin zu hinterfragen, hier z. B. die unbiblischen Begriffe „Menschwerdung“, „Inkarnation“, „Präexistenz“ wie auch „jungfräuliche Empfängnis“ u. ä., die jedenfalls der Gal-Brief (wie eben auch die anderen ntl. Schriften) nicht kennt und deren Verwendung er auch keineswegs stützt. Schließlich sei noch auf eine Eigentümlichkeit der Kommentar-Aussagen aufmerksam gemacht, die kritisch zu hinterfragen ist, weil sie eine ungute Vereinseitigung der biblischen Aussagen und ihrer Auslegungen darstellt. Es sei zu Anfang in einer Kurz-Formel so angesagt, was wir meinen: Im Gal-Brief wird in einer auffallenden Deutlichkeit Gott als das eigentliche Hauptsubjekt des dort bekundeten Heilswirkens betont herausgestellt, und nicht, wie es meistens formuliert wird, Christus als Messias. Daher sind diese Texte, wenn es schon unterscheidend-spezifisch so gesagt sein soll, nicht christo-logisch, sondern theo-logisch zu lesen und auszulegen. Das sei näher begründend am Gal-Brief aufgezeigt. Paulus nennt sich dort im Briefeingang: „Paulus, Apostel nicht von Menschen, auch nicht durch Menschen, sondern durch Jesus Christus und Gott Vater, der ihn auferweckt hat von den Toten“. Sein Segensgruß lautet: „Gnade euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus, der sich für unsere Sünden dahingab, damit er uns herausreiße aus dem gegenwärtigen bösen Äon nach dem Willen Gottes und unseres Vaters. Ihm sei Ehre!“. Schon in 1,1 werden Gott Vater und Jesus Christus zusammen und zugleich in bezeichnender Unterschiedenheit genannt. Gott Vater (ohne Artikel!) wird genauer charakterisiert durch sein Auferwecken des im ersten Vers zuvor genannten Jesus Christus (das Wort „Sohn“, das man erwarten möchte, ist nicht gesetzt!). Im Segensgruß heißt Gott „unser Vater“, und „Jesus Christus“ steht zugeordnet an zweiter Stelle, mit der Charakterisierung durch sein Sich-Dahingeben „nach dem Willen Gottes unseres Vaters“; diesem gebührt „Ehre in alle Ewigkeit“. Bei aufmerksamem Lesen bemerkt man schon in den ersten Versen dieses ganz eigen-artige Nennen Gottes als „Gott Vater“, und Jesus Christus in auffallender „Relation“ zu dem „Gott Vater“ Genannten. Denn hier ist er (noch) nicht ausdrücklich „Sohn“ dieses Vaters genannt, vielmehr als der von ihm Auferweckte und der im Gehorsam ihm gegenüber für uns, die in der Sündenexistenz leben, sich dahingegeben Habender. Dieses Miteinander und zugleich eigen-artige Unterschieden-Sein beider begegnet im Gal-Brief immer wieder und stets in bezeichnender Sprechweise. So heißt es in 4,4: „Gott entsandte seinen Sohn, geworden aus (der) Frau, geworden unter (das) Gesetz, damit er die unter (dem) Gesetz (Stehenden) loskaufe, damit wir die Sohnschaft empfingen“. Hier wird der, den Gott entsendet, als „Sohn“ angegeben, und zugleich der Empfang unserer Sohnschaft als das Ziel des Wirkens dieses gesandten Sohnes angesagt. Unsere Sohnschaft ist offensichtlich als die des „Sohnes Gottes“ anzusehen, uns geschenkt. Das überhöht 4,6 noch deutlich so: „Weil ihr Söhne seid, sandte Gott (jetzt hier als „Gott Vater“ zu verstehen) den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, der ruft Abba,
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Vater“.10 Wir rufen also (als Erlöste) Gott im Geiste des Sohnes Gottes (oder: dieser Geist ruft in uns) mit „Abba, Vater“ an, so wie es dieser „Sohn des Vaters“ seinerseits schon immer tut (wenngleich im Gal-Brief das nicht ausdrücklich im Munde Jesu begegnet), eben weil wir kraft des Werkes des „Sohnes Gottes“ „Söhne“ dieses Vaters geworden sind. Die Formulierung „Gott sandte den Geist seines Sohnes in unsere Herzen“ ist besonders zu vermerken, zumal es noch öfter begegnet (s. z. B. 2,19–21!).11 Doch nicht genug: In allen diesen Versen ist auch von uns, den Menschen, den erlösungsbedürftigen wie schon erlösten, in ihrem seitens Gottes des Vaters begründeten Dasein die Rede (und nirgends ist Gott für sich und in sich gesehen das Thema). So in 1,1.3.4.5; 4,4–7 im Briefeingang und in entscheidend wichtigen Passagen. Paulus bringt keine Gotteslehre, die etwa die erste Verkündigung an die Galater aufs neue bekräftigen und ergänzen wollte. Vielmehr ist stets unmittelbar und konkret von Gott und seinem Mit-uns- und Für-uns-Sein und -Wirken die Rede, indem sein eigenes Gott-, besser noch: Jahwe-Sein in seinem persönlichsten Selbst-Engagiertsein (wenn man zunächst ganz un-theologisch einfach so sprechen darf) zur Sprache kommt, weil aus Liebe in Liebe schenkend dahingegeben, dem Schicksal gerade der verunstaltend-pervertierten Lebensgeschichte sich ausliefernd und dem eigenen Todsein nicht ausweichend.12 Manche Kommentar-Aussagen lassen es als wichtig erscheinen, alle Textstellen des Gal-Briefes, in denen Jesus Christus mit diesem seinem vollen Namen oder aber „Christus“ allein u. ä. gesetzt ist, zu beachten. Wir nehmen sie uns geordnet vor, um zu erkennen, ob es tatsächlich etwas Bemerkenswertes festzustellen gilt oder ob dort nicht doch etwas in den Text hineingelesen wird, das er selbst nicht sagt. „Jesus Christus“ wird ausdrücklich mit vollem Namen in 1,1 im Zusammen mit „Gott Vater“ 10 Im griechischen Text lautet der Ruf 4,6: „kra/zon\ abba o` path,r“. Zur rechten Übersetzung und Aus-
legung sagt M. Zerwick, Analysis philologica Novi Testamenti graeci, Romae 1953) dies: „kra/zon: ptc. neutr. clamans. – o` path,r loco vocativi serviliter reddit statum emphat. vocabuli aram. abba.“ (422). Daher ist „Vater“ schlicht als die Übersetzung von „Abba“ anzusehen; der Artikel ist daher im Deutschen ohne Bedeutung. ––– Hier seien alle Stellen angeführt, an denen „Gott Vater“ begegnet: 1,2.3.5 (die Texte stehen hier oben im Haupttext); 3,26 (Pa,ntej ga.r ui`oi. qeou/ evste dia. th/j pi,stewj evn Cristw/| VIhsou/); 4,2 zusammen mit 4,4–6 (a;cri th/j proqesmi,aj tou/ patro,j … o[te de. h=lqen to. plh,rwma tou/ cro,nou( evxape,steilen o` qeo.j to.n ui`o.n auvtou/ … ui`oqesi,an). – Qeo,j im Satz allein findet sich 1,24 (kai. evdo,xazon evn evmoi. to.n qeo,n); 2,21 (ouvk avqetw/ th.n ca,rin tou/ qeou/); 3,8 (o[ti evk pi,stewj dikaioi/ ta. e;qnh o` qeo,j); 3,18 (tw/| de. VAbraa.m diV evpaggeli,aj keca,ristai o` qeo,j); 4,8 (Valla. to,te me.n ouvk eivdo,tej qeo.n); 4,9 (nu/n de. gno,ntej qeo,n( ma/llon de. gnwsqe,ntej u`po. qeou/); 6,16 (eivrh,nh evpV auvtou.j kai. e;leoj kai. evpi. to.n VIsrah.l tou/ qeou/). 11 Der Text 2,19–21 mit seinem reichen Aussagegehalt: „Denn ich bin durch das Gesetz für das Gesetz gestorben, damit ich für Gott lebe. Ich bin mit Christus zusammen gekreuzigt. Es lebt nicht mehr Ich, es lebt in mir Christus. Was ich aber jetzt im Fleische lebe, lebe ich in dem Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich mir zugute preisgegeben hat. Ich beseitige die Gnade nicht. Denn wenn durch das Gesetz Gerechtigkeit (kommt), dann ist Christus für mich vergebens gestorben.“ Auch das in 3,2.3.5.14 Ausgesprochene ist hier zu beachten. 12 Siehe dazu nochmals Gal 2,19–21 (Text in der vorigen Anmerkung).
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genannt; in 1,3 gleichfalls, doch als „ku,rioj VIhsou/j Cristo,j“ näher bestimmt. In 1,12 sagt Paulus, daß er das Evangelium nicht von Menschen empfangen habe, sondern diV avpokalu,yewj VIhsou/ Cristou/. In 2,4 spricht er von der „Freiheit, die wir in Christus Jesus haben“. Die Umkehr der Namensfolge, die noch öfter begegnet, zeigt keine besondere Bedeutung an. In 2,16 bringt Paulus beide Namensfolgen im selben Satz, wobei in den unmittelbar folgenden Versen auch „Christus“ mehrmals allein gesetzt steht (2,16–21). Ähnliches zeigt sich in 3,1.14.22.26, wo im Kontext auch „Christus“ mehrmals allein erscheint. Die Stellen 4,14 und 5,6 werden in gewissem Sinn der Sache nach, die sie bringen, am Schluß des Briefes in bestimmter Anhäufung wiederholt; diese zeigen u. a. auch, was nicht so oft der Fall ist, das persönliche Betroffensein des Paulus, das er von Jesus Christus empfindet bzw. lebt.13 – „Christus“ allein stehend begegnet oft.14 Wir haben schon darauf aufmerksam gemacht, daß es im jeweiligen Kontext mehrmals im selben Sinn wie der voll zitierte Name „Jesus Christus“ verwendet ist, ohne daß etwas Besonderes damit ausgesprochen erscheint; es ist immer schlicht als Name gesetzt wie die anderen Wendungen auch. Für die Verwendung des Christus-Namens ist es angebracht festzustellen, daß nie ein ausgesprochen messianisches Verständnis betont angesagt erscheint, was das Messias-Amt angeht. Das wird ja, oft sogar mit alt. Zitaten begründet, von dem „Christus“ genannten Jesus seitens der Kommentatoren behauptet. Im Gal-Brief ist das aber offensichtlich kein hervorEs seien folgende Beispiele zitiert: 1,15f: „Als es aber dem, der mich von Mutterleib ausgesondert und durch seine Gnade gerufen hat, gefiel, mir seinen Sohn zu offenbaren, damit ich ihn unter den Heiden verkündige, da wandte ich mich sogleich nicht an Fleisch und Blut um Rat …“. – Den Text 2,19–21 haben wir oben schon zitiert; s. d. – In 6,14.17 heißt es: „Ich aber will mich allein des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. In Zukunft mache mir niemand mehr Mühe; denn ich trage die Wundmale Jesu an meinem Leibe“. Dieser letzte Vers ist übrigens die einzige Stelle im Gal-Brief, wo Paulus „Jesus“ allein gesetzt hat. – 14 Texte, in denen „Christus“ allein gesetzt ist: 1,22 spricht von evkklhsi,ai evn Cristw/|, dem Schlier diesen Satz widmet: „… sind die einzelnen christlichen Kirchen am Ort, wobei freilich das en Xristo nicht denselben abgeschliffenen Sinn hat wie unser Adjektiv ‚christlich‘“ (63). In 2,16 steht es mit „Jesus Christus im selben Satz, daher mit derselben Bedeutung: der Mensch „wird gerecht mittels des Glaubens an Christus Jesus, und auch wir sind zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden aus Glauben an Christus …“. In 17–21 steht „Christus“ allein noch 5mal, einmal mit dem Zusatz „unser Sterben in Christus“, dann „ich bin mit Christus zusammen gekreuzigt … es lebt in mir Christus“, dem dann noch bezeichnend folgt: „ich lebe in dem Glauben an den Sohn Gottes“. In 3,13 steht: „Christus hat uns losgekauft …“, dem in 14 „Christus Jesus“ folgt wie weiter in 17: „der eine Same, dem die Verheißung galt (Abraham), ist Christus“. In 3,26–29 folgt dem „… dem Aufseher bis auf Christus“ in 24 dies: „ihr seid alle Söhne Gottes durch den Glauben in Christus Jesus; denn alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen … Wenn ihr aber Christus gehört, so seid ihr folglich Abrahams Same“. Wir erkennen an dieser Stelle wieder, daß „Christus“ allein denselben vollen Sinn hat wie „Christus Jesus“. Ähnliches gilt für 5,1.2.3.6.24, wo manches zuvor Gesagte wiederholt wird, und zwar in gewichtigen Wendungen. Das gilt auch für 6,2.17.18. – Der Vers 17 ist die einzige Stelle, an der Paulus den Namen „Jesus“ allein nennt. 13
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Abschnitt C:
Zur Herkunft Jesu Christi gemäß Gal 4,4f
zuhebender Topos. Bedenklich mutet höchstens an, daß von einigen Kommentatoren Gal-Aussagen mit dem Namen „Christus“ belegt werden, wo im Text selbst der Name gar nicht vorkommt.15 Wir können dieserart fragwürdige Auslegungen hier wegen des eigentlichen Zieles unserer Untersuchung auf sich beruhen lassen.16
Als Beispiel sei folgender Text Schliers gebracht. Er überschreibt in seinem Kommentar 4,1–11 mit: „Die Lage der Erben vor und nach der Sendung Christi“. Er erklärt das, indem er „das Kommen Christi“ neben „das Sohnsein der Christen“ anführt (188). Dann: „Die Zeit bis zum Kommen des Glaubens, und d. h. bis zur Ankunft Christi ist die Zeit der Sklaverei unter die Weltelemente gewesen“ (190). Dazu: „Hinsichtlich des Seins sind die Menschen der Möglichkeit nach durch das Kommen Christi Söhne Gottes“ (199). Im Paulus-Text kommt der Ausdruck „Christus“ überhaupt nicht vor, vielmehr ist immer vom „Sohn“ die Rede, und davon, daß Gott seinen Sohn entsandt hat, damit wir als „Erben Gottes“ die „Sohnschaft“ und also das Erbe empfangen könnten. Dazu noch: „Solches Vollsein der Zeit (d. i. 4,4: R. S.) hat nach Paulus nun aber die Sendung Jesu Christi gebracht … Die Erscheinung Jesu Christi beruht auf dem Akte der göttlichen Entsendung, sie besteht in der Menschwerdung“ (195 und 196). –– Borse erklärt zu 4,3 u. a.: „Indem er beide Zustände der Knechtschaft gegenüber der durch Christus gebrachten Mündigkeit und Sohnschaft auf eine Stufe stellt, muß er zwangsläufig eine Wertminderung des Gesetze gelten lassen. Alles, was vor der Ankunft Christi Grund zur Unfreiheit war, … entspringt einer Epoche der Unmündigkeit“ (142). Dazu zu 4,4 u. a.: „So ist ‚die Fülle der Zeit‘ … nicht nur Abschluß, sondern auch Erfüllung der Erwartungen. Sie ist der Anbruch des messianischen Heils … Weil Christus ebenfalls dem Gesetz unterstellt worden war, konnte er die unter dem Zwang des Gesetzes lebenden Juden durch seinen Kreuzestod aus der Sklaverei freikaufen. … Christus bringt in seiner Erscheinung … gerade den Zustand des Unmündigen und Sklaven zur Darstellung …“ (143–144). Daß im Paulus-Text „Christus“ gar nicht begegnet und daß immer Gott der Handelnde ist, wird schlicht übersehen und alles auf Christus bezogen. 16 Vgl. dazu das in den Exkursen dazu Gesagte, vor allem zu „Theologie und Christologie“ im Anhang I.
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Abschnitt D Röm 1,3f und die Herkunft Jesu Christi Im Briefeingang des Römerbriefes hat Paulus in den Versen 3–4 offensichtlich eine Formel verwendet, die ihrer Aussageweise und ihrem Aussageinhalt nach dem Paulus vorgelegen hat und die er mit Absicht am Anfang seines Schreibens anführt, um seinen Adressaten in Rom den Hauptinhalt seines Evangeliums zu bekennen. Wir brauchen hier nicht auf die vielfältigen Untersuchungen einzugehen, die den Grundgehalt dieser Formel in ihrer Urfassung zu erheben suchen, wie auch die Besonderheiten, die Paulus in sie eingetragen hat. Wir nehmen vielmehr im Wissen um diese Textprobleme und die dazu vorgeschlagenen Klärungen jetzt nur zur Kenntnis, was Paulus selbst (in der nur einleitenden Rede) in 1,3–4 zur Herkunft Jesu Christi zu Wort kommen läßt. Wir lassen die Offenheit des in formelhafter Kürze Bekundeten bewußt gelten. Auch eine Zusammenschau mit den im Haupttext noch folgenden Aussagen über Jesus Christus haben wir hier (noch) nicht zu versuchen. Paulus hat ja in seiner Begrüßung keineswegs das eigentliche Thema seiner Schrift thesenhaft ansagen wollen. Der Text Röm 1,2–4 lautet so: … euvagge,lion qeou/( o] proephggei,lato dia. tw/n profhtw/n auvtou/ evn grafai/j a`gi,aij peri. tou/ ui`ou/ auvtou/ tou/ genome,nou evk spe,rmatoj Daui.d kata. sa,rka( tou/ o`risqe,ntoj ui`ou/ qeou/ evn duna,mei kata. pneu/ma a`giwsu,nhj evx avnasta,sewj nekrw/n( VIhsou/ Cristou/ tou/ kuri,ou h`mw/n – Evangelium Gottes, das er zuvor verheißen hat durch seine Propheten in den heiligen Schriften von seinem Sohn, dem gewordenen aus (dem) Samen Davids dem Fleische nach, dem eingesetzten zum Sohn Gottes in Macht dem Geist der Heiligkeit nach, seit der Auferstehung der Toten, Jesus Christus unserem Herrn (eigene Übersetzung). Wir bemerken, daß Paulus vom Evangelium Gottes spricht, zuvor verheißen durch seine Propheten (also als Gottes eigenes Wort) in den heiligen Schriften, das von „seinem Sohn“ kündet, dessen voller Name erst am Ende von 1,4 genannt wird. Damit ist Jesus Christus zu Beginn des Briefes (1,1) klar als der „Sohn Gottes“ deklariert, von dem dann im ganzen Brief die Rede ist, und zwar dort im Vollverständnis und in der Sprache des Paulus selbst (gemäß seinem persönlichen Anliegen dieses Schreibens an die Römer). Die verwendete Formel betrachten wir jetzt nicht in ihrem zu vermutenden Wortlaut und Inhalt, wenngleich Paulus sie teilweise aufgegriffen hat. Was er bringt, sind Elemente einer Bekenntnisformel, die Paulus bei den von ihm Angesprochenen als bekannt oder im allgemeinen Gebrauch voraussetzt. Im Begrüßungssatz sollen sie aber nicht thesenhaft das Thema des Briefes nennen. Tatsächlich wird vom „Evangelium von seinem Sohn“(1,1.2) in 1,3–4 in einer Art Zweizeiler einführend einiges bekundet. Dieser muß nicht, wie oft behauptet, als antithetischer Parallelismus angesehen wer-
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Abschnitt D:
Röm 1,3f und die Herkunft Jesu Christi
den.1 Was Paulus einführend im Blick auf sein folgendes Schreiben ausspricht, das 1
Dazu einige Beispiele: Schlier bringt es so: „Die beiden Zeilen sind im knappen Partizipialstil gehalten und stellen … einen antithetischen Parallelismus dar. Dabei kann man eine dreifache Kongruenz feststellen: tou genomenou – tou horisthentos, ek pneumatos David – ex anastaseos nekron, – kata sarka – kata pneuma. Läßt das schon an eine fixierte Formel denken, so wird diese Annahme nicht nur durch die Passivformulierung unterstützt …, sondern auch dadurch, daß die Antithese kata sarka – kata pneuma, sofern sie Jesus Christus charakterisiert, auch sonst in überlieferten Formeln auftaucht (vgl. 1 Tim 3,16; 1 Petr 3,18; Joh 6,63). Paulus selbst kennt sonst keine christologische Aussage im Schema ‚nach dem Fleisch – nach dem Geist‘. … Wir haben also den Tatbestand vor uns, daß der Apostel … das Evangelium ‚vom Sohn Gottes‘ … zu verstehen gibt, über dessen weiteren Inhalt er ein Zweifaches und Gegensätzliches in einer von ihm überkommenen und interpretierten Formel darbietet: ‚…‘ (er zitiert nochmals 1,4: R. S.). … (nach eingehender Besprechung der Elemente dieses Verses: R. S.) unpaulinisch ist die Formulierung pneuma hagiosynes und von daher der mit ihr ausgesprochene Gegensatz zu sarx. … Dann hätte die Paulus bekannte Glaubensformel dem Sinn nach von Jesus Christus erklärt: ‚Der geworden ist aus dem Samen Davids dem Fleische nach, der bestellt wurde zum Sohn Gottes dem Geist der Glorie nach aus (= kraft) der Auferstehung von den Toten‘. Dabei wird ‚aus dem Samen Davids dem Fleisch nach‘ nichts anderes meinen als die irdische Seinsweise Jesu Christi, der aber kata pneuma hagiosynes zum Sohn Gottes eingesetzt wurde. … Die Paulus vorliegende Formel, die vielleicht in den Bereich eines hellenistischen Judentums in Rom verweist, hat sich jedenfalls von einer adoptianistischen Tendenz entfernt und kennt den absoluten Gegensatz des Jesus Christus kata sarka und, kraft seiner Auferstehung von den Toten, des Jesus Christus im Geist der Glorie. Die Interpretation des Apostels ist eine Unterstreichung dieses Gegensatzes und für die römische Gemeinde eine Kundgabe seines Evangeliums“ (24; 26; 27). ––– Lohse spricht mehreres an, wobei eine harmonisierende Zusammenschau eher erschwert ist. Es heißt zunächst: „Der Gegensatz sarx/pneuma wird vom Apostel häufig in anthropologischem Sinn verwendet, niemals jedoch zur Bezeichnung von himmlischer und irdischer Sphäre (so jedoch 1 Tim 3,16; 1 Petr 3,18; 4,6)“ (64). Dann: „Die erste Zeile spricht von Christi Herkunft von David … wird Jesu irdische Existenz durchaus als messianisch qualifiziert … Die zweite Zeile … überbietet damit die Aussage, die im ersten Satz über die irdische Existenz Jesu gemacht wird … Der Auferstandene wurde in seine himmlische Würde eingesetzt“ (65). Dann später: „Die Auferweckung entrückt ihn in einen anderen Bereich der Herrschaft, denn ‚nach dem Fleisch‘ und ‚nach dem Geist‘ unterscheiden zwei Bereiche (wie irdisch und himmlisch). … Die Überbietung der geschichtlichen Existenz Jesu durch die Erhöhung kommt durch die Einfügung des Gegensatzes kata sarka – kata pneuma stark zur Geltung“ (73 u.75). ––– Zeller sagt zu 1,4 u. a.: „Auch die hymnischen Christustexte 1 Tim 3,16 und 1 Petr 3,18 stellen den menschlichen und den durch die Auferstehung erschlossenen göttlichen Bereich einander mit den Begriffen ‚Fleisch‘ und ‚Geist‘ gegenüber. Der Gegensatz dürfte der Überlieferung zugehören“ (35). ––– Wilckens bespricht das hier zur Frage Stehende intensiv S. 56–65; es sei darauf verwiesen, da ein Zitat hier zu viel Raum in Anspruch nehmen würde. ––– Hahn bringt manche dezidierten Erklärungen zu 1,3–4; wir zitieren in kurzen Auszügen das Entscheidende: Das ek spermatos David selbst wird als unproblematisch angesehen, jedoch „das kata sarka gibt der Aussage des ersten Gliedes einen neuen Akzent, da die genealogische Wendung hierdurch eine sehr wesentliche Näherbestimmung erhält. sarx und pneuma sind in dieser Formel als Bezeichnungen der irdischen und himmlischen Sphäre verwendet … In Röm 1,3 besagt der präpositionale Zusatz, daß die Herkunft aus dem Geschlecht Davids gerade die Zeit des irdischen Jesus qualifiziert … Es ist daher nicht auffällig, daß der Titel ‚Davidssohn‘ alsbald ‚den Messias‘ im Stande seiner Menschlichkeit und Niedrigkeit‘ bezeichnet und somit dem jüdischen Hoheitsprädikat ein spezifisch christlicher Sinn aufgeprägt ist“ (253f). „Sind sarx und pneuma Bezeichnungen des menschlichen und des göttlichen Bereiches, damit also auch Bezeichnungen der irdischen und
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ist jedenfalls dieses: Für Jesus Christus (1,1), des „Sohnes Gottes“ (1,3) und „unseres Herrn“ (1,4) wird betont die davidische Herkunft hervorgehoben. Der Satz genome,nou evk spe,rmatoj Daui.d selbst sagt nichts Genaueres, dieses eine aber in hinreichender Klarheit: „geworden aus dem Samen Davids“, was in biblischer Sprechweise schlicht die (rechtsverbindliche) Herkunft aus dem Hause Davids im erwarteten, weil verheißenen Sinn (vgl. z. B. 2 Sam 7,1–16) bedeutet.2 Das „geno,menoj – geworden“ sollte nicht ohne weiteres mit „geboren“ wiedergegeben werden (das wäre schon Interpretation), sondern in seiner Offenheit verbleiben. Es gibt schon im Römerbrief selbst wie in anderen ntl. Schriften wichtige ausformulierte Aussagen, die zur Behutsamkeit mahnen (s. Röm 8, bes. 8,3–4 u. a.).3 Der zweite, wieder im Genitiv (nach peri,) gefaßte Aussa-
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himmlischen Welt, dann muß kata pneuma hagiosynes als eine Bestimmung der himmlischen Existenzweise angesehen werden. … erweist die Struktur dieses Zweizeilers, daß hinsichtlich der beiden christologischen ‚Stufen‘ ein jeweils charakteristisches Ereignis genannt wird, in V. 3 die Geburt Jesu, in V. 4 seine himmlische Inthronisation … Es geht also um den jeweiligen ‚Initiationsakt‘ dieser Zweistufenchristologie, um die Geburt als den Beginn der irdischen Wirksamkeit als Davidssohn, um die Erhöhung als Anfang der Existenzweise kata pneuma hagiosynes als Gottessohn und messianischer König, und dabei markiert die Auferstehung geradezu den zeitlichen Wendepunkt zwischen Niedrigkeit und Hoheit Jesu“ (256 u. 257). In den Kommentaren wird „geworden aus (dem) Samen Davids“ unterschiedlich interpretiert. Bei Schlier lesen wir im dortigen Kontext (zu 1,3f) nur dies: „Dann hätte die Paulus bekannte Glaubensformel dem Sinn nach von Jesus Christus erklärt: ‚Der geworden ist aus dem Samen Davids dem Fleisch nach, der bestellt wurde zum Sohn Gottes …‘. Dabei wird ‚aus dem Samen Davids dem Fleisch nach‘ nichts anderes meinen als die irdische Seinsweise Jesu Christi, der aber kata pneuma hagiosynes zum Sohne Gottes eingesetzt wurde. Es handelt sich keineswegs um eine ‚Zwei-Stufen-Theologie‘, die Jesus als den irdischen Messias (im ersten Glied) und als den Inthronisierten (im zweiten Glied) bekennt. So mag vielleicht eine Formel gelautet haben, die hinter der dem Apostel vorgegebenen stand …“ (26). ––– Stuhlmacher sagt zu 1,2–3 u. a. dies: „… deshalb hat das Evangelium einen klaren Inhalt: Es erzählt vom irdischen Weg und Werk des messianischen Gottessohnes, der als Mensch aus jener Sippe hervorging, die Träger der Verheißung von 2. Sam 7,12–14 ist …“ (22). ––– Lohse schreibt zu 1,3–4 an gegebener Stelle: „Die erste Zeile spricht von Christi Herkunft von David. Dabei handelt es sich jedoch nicht einfach um eine genealogische Angabe, zu der die sog. Stammbäume Jesu (Mt 1,1–7; Lk 3,23–38) zu vergleichen sind. Vielmehr wird Jesu irdische Existenz durchaus als messianische qualifiziert. Als Sohn Davids erfüllte er die Verheißungen der Schriften und der Hoffnung Israels …“ (65). Vgl. auch Michel zu 1,3–4 im Kommentar 73–74. ––– Hahn kommt im Abschnitt „Jesus als Davidssohn im hellenistischen Judenchristentum“ intensiv auf Röm 1,3f zu sprechen. Wir zitieren hier, was in unserer Zusammenstellung zur Frage steht: „Die erste Zeile bietet im einzelnen keine besonderen Probleme. ginesthai ek ist in genealogischen Aussagen geläufig und kommt auch in christologischen Zusammenhängen vor … sperma für die Nachkommenschaft ist im alttestamentlich-jüdischen wie griechischen Sprachgebrauch häufig … ek pneumatos David taucht im NT noch Joh 7,42; 2 Tim 2,5 … auf. Soweit enthält die Formel keine Besonderheiten und schließt sich an die alte Tradition an, die im Grundbestand der Stammbäume erkennbar geworden ist“ (252f). Alle diese hier zitierten Stellen sind auch in jeweiligen weiteren Kontext zu lesen, wo freilich einige Problem-Aussagen gemacht werden, auf die wir sogleich noch eingehen werden. Der Text Röm 8 ist ungemein reich an theologischen, christologischen und pneumatologischen Aussagen (wenn man dieserart Unterscheidung und Verdeutlichungen meint anführen zu müssen), die alle die Heilsnotwendigkeit, das Heilswirken Gottes und den Heilsstand der Glaubenden
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Röm 1,3f und die Herkunft Jesu Christi
geteil bekennt den zuvor genau benannten „Sohn Gottes Jesus Christus“ als „eingesetzt zum Sohne Gottes in Macht seit der Auferstehung der Toten“. Auch das ist aufs kürzeste ins Wort gebracht (wohl aus der Urform mit-übernommen). Was es hier bei Paulus, wieder nur im einführenden Grußwort, an Aussage-Fülle bedeutet, wird ja im Brief selbst ausführlichst dargestellt. Das sollte aber in 1,4 nicht schon hineingelesen werden; die Offenheit des Sprechens ist auch hier anzuerkennen. Wir können das für unser Frageziel gelten lassen. Wir haben sogleich nochmals den Blick auf das Beieinander beider Genitivaussagen zu werfen, weil manche Kommentare doch meinen, hier wäre eine Entscheidung für das volle Verständnis von 1,4a unaufschiebbar. Die als „antithetischer Parallelismus“ angesprochene Doppelformulierung „kata. sa,rka“ und „kata. pneu/ma“ findet sich zweifellos vor. Beides steht ohne jedes Verbindungswort hintereinander ausgesagt. Das für 1,4 oft verwendete Stichwort „antithezur Sprache bringen. Darin ist u. a. eine unübersehbare Bekundung des Herkommens des Heilandes ausgesprochen: „Denn was das Gesetz nicht vermochte, worin es schwach war durch das Fleisch – Gott sandte seinen Sohn evn o`moiw,mati sarko.j a`marti,aj kai. peri. a`marti,aj kate,krinen th.n a`marti,an evn th/| sarki, – damit der Rechtsanspruch des Gesetzes durch uns erfüllt werde, die wir nicht nach Maßgabe des Fleisches sondern des Geistes wandeln“ (3–4). Das dürfte ein genauer Bescheid sein, wenn Näheres zu „geworden aus dem Samen Davids“ (1,4) gesagt werden muß. Ähnlich, und das sogar ebenfalls mit der Wendung „geworden“, heißt es in Gal 4.4: „Als aber die Fülle der Zeit kam, entsandte Gott seinen Sohn, geworden aus (der) Frau, geworden unter (das) Gesetz, damit er die unter (dem) Gesetz (Stehenden) loskaufe, damit wir die Sohnschaft empfingen“. Auch zu dieser Stelle kann man fragen, wie das „geworden“ genauer verstanden sein will (wir kommen darauf zu sprechen, wenn Gal 4,4 einzusehen ist); zunächst ist auch hier die Offenheit des Ausdrucks gelten zu lassen. Nicht anders verhält es sich auch in Bezug auf Phil 2,7.8. Dort findet sich „evn o`moiw,mati avnqrw,pwn geno,menoj“ und dann „evtapei,nwsen e`auto.n geno,menoj u`ph,kooj me,cri qana,tou“. Hier mag man auch fragen wollen, was Christus Jesus, o]j evn morfh/| qeou/ u`pa,rcwn, genau getan hat im Vollbringen dessen, was in Phil 2 ausgesprochen ist, und wie er das tat, etwa das Annehmen (morfh.n dou,lou labw,n) der Knechtsgestalt (und was ist diese genau?). Auch für Gal 3,13 (geno,menoj u`pe.r h`mw/n kata,ra) gilt es zu fragen, was genau damit gesagt sein soll. Diese Beispiele genügen, um zu erkennen, daß jede einzelne Stelle klärt (oder auch offen läßt), was mit ihr im entsprechenden Kontext ausgesprochen werden soll; denn keine will unmittelbar alles deutlich aussagen, was im gegebenen Fall ins Wort gebracht, gegebenenfalls ja bewußt nur andeutend, sein soll, auch wenn es mit Wendungen geschieht, die für sich selbst betrachtet reich an Aussagemöglichkeiten sind. ––– Die allzu einseitige Betonung der Auferstehung für Jesus Christus wie für das Heil findet sich im Röm-Brief gerade nicht. So heißt es in 5,8–11: „Gott erweist seine Liebe zu uns dadurch, daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren … Denn wurden wir durch den Tod seines Sohnes mit Gott versöhnt, so werden wir um so sicherer, nachdem wir versöhnt sind, durch sein Leben errettet werden …“. In 8,3f lesen wir: „Gott sandte seinen eigenen Sohn in der Gestalt des Fleisches und um der Sünde willen und verurteilte dadurch die Sünde an seinem Fleische …“. Dem entspricht, was Paulus zur Taufe sagt: „Oder wißt ihr nicht, daß wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, auf seinen Tod getauft sind? Wir sind also durch die Taufe auf den Tod mit ihm begraben. Wie aber Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferstanden ist, so sollen auch wir im neuen Leben wandeln … So betrachtet auch ihr euch als solche, die tot sind für die Sünde, die aber leben für Gott in Christus Jesus … Denn der Sünde Sold ist der Tod, das Gnadengeschenk Gottes aber das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn“ (6,4.11.23; s. dazu auch 8,11.32).
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tischer Parallelismus“ hat seinen Grund in der Auffassung des Sinnes von „peri. tou/ ui`ou/ auvtou/ tou/ genome,nou evk spe,rmatoj Daui.d kata. sa,rka( tou/ o`risqe,ntoj ui`ou/ qeou/ evn duna,mei kata. pneu/ma a`giwsu,nhj evx avnasta,sewj nekrw/n“. Um das rechte Verständnis dieser (wie man meint) Doppel-Aussage wird nach wie vor gerungen. Gelegentlich begegnet neben der meist vertretenen Auffassung „antithetischer Parallelismus“ doch auch, beide Satzteile seien (auch) in ihrer Aufeinanderfolge als Nacheinander des Ausgesagten (sie stehen ja tatsächlich ohne jedes Verbindungswort hintereinander) zu verstehen. Dem ist zuzustimmen, und wir möchten jedenfalls zur Frage stellen, ob nicht dieses Nacheinander mit der Lebensgeschichte „Jesu Christi, des Sohnes Gottes, unseres Herrn“, von der Paulus im Brief ja ausführlich sprechen wird, erklärt sein kann. Für uns kann jetzt dieses gelten: Zum rechten und hinreichend klaren Verständnis des einleitend-kurzen Satzes 1,1–4 selbst genügt, das einzelne dort Ausgesagte schlicht in seiner Satzfolge zu lesen und jedenfalls zunächst einmal gelten zu lassen (was nicht hindert, weitere Erkenntnisse aufzuspüren). Dann sagt der Vers 1,4, nach „Evangelium Gottes“ (1,1) „von seinem Sohn“ (4a), als erstes dieses: „geworden aus dem Samen Davids dem Fleische nach“. Das ist eine im NT gängige Formel, die sogar in Röm 9,3.5.8 und 11,14 verwendet ist. In 9,3 heißt es: u`pe.r tw/n avdelfw/n mou tw/n suggenw/n mou kata. sa,rka. Die damit Angesagten werden in 9,4a sogleich mit Namen genannt: oi[tine,j eivsin VIsrahli/tai. Ihr spezifisch Eigenes wird in seinem Reichtum herausgestellt: „ihrer sind die Sohnschaft und die Herrlichkeit und die Bündnisse und die Gesetzgebung und der Kult und die Verheißungen“ (4b), ja „ihrer sind die Väter kai. evx w-n o` Cristo.j to. kata. sa,rka( o` w'n evpi. pa,ntwn qeo.j euvloghto.j eivj tou.j aivw/naj( avmh,n“ (5). Deutlicher kann es nicht erklärt werden, was 1,3–4 einleitend ansagt.4 Daß in der betonten Angabe der Herkunft aus dem Davidsstamm nichts Näheres über das genauere Wie dieses Abstammens Jesu ausgesagt ist, dürfte keine wirklich beunruhigende Frage aufwerfen, da es sich ja nur um den Begrüßungssatz des Briefes handelt, der allerdings Reiches bekundet. Dort sollte man nicht eine ausgeführte Theologie erwarten (dazu besser sogleich den ganzen Brief lesen). Was dann in 1,3–6 weiter, immer noch in einleitender Rede, ausgesprochen ist, muß keineswegs antithetisch zur Abstammungsaussage gelesen werden; es erscheint als weitere Angabe, die freilich irgendwie auf die Geschehensfolge in dem Gesamt-Ereignis dessen, was als „Evangelium Gottes“ verkündet wird, hindeutet und so gesehen auch einen zeitlichen Aspekt
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Was die (vermeintliche) antithetische Zuordnung von „kata. sa,rka – kata. pneu/ma“ angeht, so ist es ungemein aufschlußreich, wenn man die Wendungen „kata. sa,rka“ und „kata. pneu/ma“ und deren Verwendung bei Paulus einzeln und je für sich auf ihre Aussage-Bedeutung hin betrachtet. Es stellt sich eine erstaunliche Vielfalt des Aussagegehaltes heraus, um so mehr, wenn überhaupt „sa,rx“ und „pneu/ma“ (und manche andere einschlägige Ausdrücke) je ihren reichen Bedeutungen bei Paulus bzw. im ganzen NT (ja der Gesamtbibel) nach in den Blick genommen werden. Das kann in einer einzigen Anmerkung nicht geschehen; wir verweisen auf den umfangreichen Artikel „sarx“ im ThWNT 7 (1964) 98–151 (Schweizer, Baumgärtler, Meyer).
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Abschnitt D:
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hat. Für unsere Frage jedoch nach der Herkunft Jesu Christi brauchen wir darauf nicht näher einzugehen (wenngleich wir es weiter im Blick behalten).
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Abschnitt E Die Herkunft Jesu Christi gemäß Phil 2,5–11 Wir betrachten im folgenden den sog. Christushymnus Phil 2,5–11 nur im Sinne unserer Untersuchung zur Frage nach der Herkunft Jesu Christi.1 Die vielfältigen exegetischen, formgeschichtlichen und sonstigen theologischen Erkenntnisse und Feststellungen setzen wir dabei voraus und gehen ihnen nicht im einzelnen nach. Das ist als Vorarbeit geschehen, so daß wir uns jetzt direkt auf die Beantwortung unserer Hauptfrage konzentrieren: Was sagt der betreffende Text selbst, so weit es als explizit ausgesprochen klar erkennbar ist. Das zu beachten ist gerade für Phil 2,5–11 unbedingt wichtig, was jede aufmerksame Einsichtnahme in die uferlose Literatur dazu unmittelbar bestätigt. Wir lassen wie bisher die jeweils vorhandene Offenheit und Unabgeschlossenheit der unmittelbaren Textaussagen für jede weitere notwendig und sinnvoll erscheinende Betrachtung und Interpretation des Textes bestehen; wir setzen mit unseren Ergebnissen weiteren Untersuchungen keine Grenzen.
1. Einsichtnahme in die Textaussagen von Phil 2,5–11
Weil der sog. Christushymnus (in der Grundsubstanz) von Paulus vorgefunden und hier in den Kontext seines Briefanliegens eingefügt wurde, fragen wir jetzt nach dem, was der uns vorliegende Paulus-Text aussagt. Er spricht offensichtlich (wie der Vortext) in hymnischer Weise von Jesus Christus, von seinem Sein und seiner Lebensgeschichte speziell zur Zeit seines persönlichen Eingebundenseins in das Heilswerk Gottes und wie dies ihn persönlich betraf und was er „getan“ und erfüllt hat. Der Hymnus, und Paulus mit ihm, spricht von dem, was sich geschichtlich ereignet hat. Die dazu verwendete Sprache ist die des biblischen Bekundens des Wirken Gottes in und mit seiner Schöpfung; sie erzählt, was geschehen ist und wie sich die darin Beteiligten, Gott und die beteiligten Menschen, verhalten haben. Es sind keine hi1
Von der Herkunft Jesu Christi wird in Phil 2,5–11 nicht ausdrücklich gesprochen. Es ist von dem persönlichen Werden dessen die Rede, dem die Gottesgestalt eignete. Das geschieht durch die Angabe dessen, was dieser in dem dort genannten Geschehen aus seinem freien Ermessen vollbracht hat, das offensichtlich das Heilsgeschehen war (was meist verkürzt „Christusgeschehen“ genannt wird). Was faktisch in 2,5–11 näherhin ausgesprochen ist, wird gerade in der Diskussion zur „Jungfrauengeburt“ in mancherlei Hinsicht mit dem konfrontiert, was in Mt 1–2 und Lk 1–2 dazu vorgebracht erscheint und das meistens sogar als etwas miteinander nicht Harmonisierbares behauptet wird. Das ist der Grund, warum wir diesen Text 2,5–11 auf seinen Aussage-Inhalt hin befragen. Wegen der uferlosen Literatur zu Phil beschränken wir uns hier auf das Gespräch mit dem Kommentar von Gnilka, Freiburg 21976. Weitere Autoren werden ggf. hinzugezogen.
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Abschnitt E:
Die Herkunft Jesu Christi gemäß Phil 2,5–11
storisch aufweisbaren und historisch-kritisch zu beglaubigenden Bekundungen oder Dokumentationen. Es ist die Sprache des einsehenden, folgsamen und bekennenden wie dankenden Glaubens, nicht die eines argumentierenden Abhandelns. In diesem Sinne sind auch die Zeitkategorien zu verstehen, nämlich in der Weise des Erzählens und Berichtens der alttestamentlichen Geschichtsbücher, der Evangelien, ja auch unseres eigenen Erzählens der persönlichen Lebensgeschichte. Das zu beachten erweist sich gerade für den Hymnus (!) Phil 2,5–11 als unbedingt notwendig, da in diesem Text sowohl für Gott wie für Jesus Christus und die Geschöpfe – Mächte und Gewalten, Menschen – die Zeitkategorien und Zeitangaben in gleich-bedeutendem Sinn gewählt sind. Das zeigt sich sogleich in 2,6: Das griechische mit „in der Gestalt Gottes seiend hielt er nicht daran fest, Gott gleich zu sein“ Ausgesagte wird im Deutschen meist so wiedergegeben: „er, der in Gottes Gestalt war, hielt nicht daran fest …“. Das Verständnis dieses „seiend“ bzw. „war“ hat bekanntlich eine vielfältige Diskussion ausgelöst, ob es sich dabei um das göttlich-ewige Sein handelt (kann es darin Vergangenheit geben?) und ob Jesus Christus sich hat dessen zu einem bestimmten Zeitpunkt (h`gh,sato: Aorist) entäußern können, und es tatsächlich getan hat. Es wird von einem Geschehen gesprochen, dessen „Ausgangspunkt Gott ist“ (112). „Das Interesse des Liedes ist auf das von dorther in Gang gekommene Geschehen gerichtet“ (ebd.). Dem so angesagten Geschehen „sind die VV 7 und 8 gewidmet. Der mit kai. anhebende Satz in V 7d bedeutet einen Neuansatz, in dem Sinn, daß … die ersten drei Wendungen die Menschwerdung, die folgenden das Menschsein beschreiben“ (117). Damit sind auch schon neue Stichwörter genannt, die für die Auslegung des Hymnus im Paulus-Text maßgeblich und bestimmend werden: Präexistenz, Menschwerdung, Menschsein, zu denen sogleich auch Inkarnation stößt. Dieser Eigenart des Auslegens haben wir uns eingehend zu widmen, um sie zu verstehen und richtig zu werten. Insgesamt gesehen, ist als erstes dieses festzustellen: In 2,5–11 ist von Jesus Christus die Rede, der im ganzen Brief immer derselbe ist, auch wenn er gelegentlich nur „Jesus“, dann nur „Christus“ wie auch „Jesus Christus“ und „Christus Jesus“ genannt wird. In den Paulus-Briefen liegt bekanntlich diese offene Sprechweise allgemein vor. So meint „Jesus“ nicht etwa nur den sog. „irdischen Jesus“ oder den „Menschen Jesus“ o. ä., auch wenn an der betreffenden Stelle dieses „Spezifische“ besonders angesprochen wird. Ebenso wird „Christus“ nicht allein für das sog. „Messias- Sein“ beansprucht. Auch wenn „Jesus“ im konkreten Fall als der „Sohn Gottes“ betont wird, so doch nie in gewolltem Absehen von anderem seines Seins. Auch Formulierungen wie „himmlischer Christus“ u. ä. führen zu unnötigen Problemstellungen, zumal es solche Wendungen im Paulus-Text gar nicht gibt. Daher gilt: In 2,5–11 ist immer der eine und selbe Jesus Christus gemeint, wie er zuvor schon in 1,1 – 2,4 genannt wurde, und dann in 2,5 ausdrücklich; daran schließt sich alles in 2,6–11 Ausgesagte mit Ein-
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Abschnitt E:
Die Herkunft Jesu Christi gemäß Phil 2,5–11
satz des Pronomens „er“ an.2 Immer ist Jesus Christus ganz und persönlich gemeint, auch wenn in bestimmtem Fall nur ein „Element“ vorgehoben wird. Dasselbe betrifft sogleich besonders den Gebrauch des Wortes morfh, und seines Aussage-Inhaltes im Kommentar. Der erste Satzteil von 2,6 gibt den Ausgangspunkt dessen an, was Jesus Christus (5) in dem Geschehen, von dem die Rede ist, getan hat und in welcher „Gesinnung“ er es vollbrachte: „in der Gestalt Gottes (evn morfh/| qeou/) seiend erachtete er (sein) Gott-gleich-Sein nicht selbstsüchtig als Eigenes, sondern er entäußerte sich-selbst …“. Auf den hier anklingenden zeitlichen Aspekt bzw. die (irgendwie zu verstehende) Zeit-Folge gehen wir später ein. Zunächst schauen wir auf morfh, und das damit im Paulus-Text Angesagte, wie es in den Kommentaren ausgedeutet bzw. interpretiert wird. Im Text spricht ganz offensichtlich das „in Gottesgestalt seiend“ dasselbe aus wie das „Gott-gleich-Sein“; beides meint, wenn man es so sagen darf, sachlich dasselbe, doch je mit anderen Worten formuliert.3 Was den tatsächlichen Bedeutungsinhalt des Ausdrucks morfh, in diesem Textstück ausmacht, ist Thema
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Im Kommentar-Text sei auf folgende einander abwechselnde Aussage-Weisen hingewiesen. Zu 2,5 wird zunächst ausdrücklich und wiederholt vom „Christusgeschehen“ gesprochen, das in 2,5–11 zur Sprache komme (109). Dann heißt es: „Wenn demnach en Xristo Iesou in V 5b in der Reihe der übrigen en-Xristo-Aussagen einzuordnen ist … Auf keinen Fall wird man für Paulus einen Unterschied zwischen der Formel en Xristo Iesou und der Formel en Xristo machen dürfen, ihre Verwendungen sind völlig promiscue. In Verbindung mit Xristo bringe sie (d. i. die Formel en Xristo) das Bestimmtsein durch Jesus Christus, die mit Christus angefangene Geschichte, das eschatologische Geschehen von Kreuz und Auferstehung zum Ausdruck“ (109f). Etwas später dann: „… jener Aspekt … daß nämlich das In-Christus-Sein, das die pneumatische Seinsweise Christi und das Wirken Christi durch sein Pneuma voraussetzt, in der Weise ein Bestimmtsein durch Jesus Christus bedeutet, als ein Sich-Befinden im Einfluß- und Machtbereich des persönlichen Christus darstellt“ (110; Hervorhebung durch Gnilka). Die Wendung „der himmlische Christus“ u. ä. findet sich S. 114 („das himmlische Sein Christi“); 115 (2x „himmlischer Christus“); 117 (zu 2,6 „einai isa Theo“!). Dann steht auch „Jesus“ im selben Sinn-Gebrauch, so 121: „Was Jesus von den Sündern unterscheidet, sei sein Gehorsam … liegt die statuierte Verschiedenheit Jesu darin, daß er von der morphe Theou herkommt und den Gehorsam vollzieht … Jesu wesentliche Existenz …“ (das wird 122 weiter besprochen, doch mit „Christus“). Ähnlich abwechselnder Gebrauch auch 127: „Die neue Ausrichtung, die in Phl 2,10f gegeben ist, besteht darin, daß jetzt alles radikal auf Christus übertragen ist. Die Huldigung aller geschieht en to onomati Iesou … ‚Im Namen‘ darf nicht abgeschwächt werden, etwa derart, daß Jesus die Ermöglichung … schaffte für die Huldigung, die im Grunde genommen Gott gelte … Befremdlich mag erscheinen, daß ausgerechnet jetzt der Name des Geschichtlichen (!; ist Jesus doch nur der Irdische?) fällt … aber dann hätte man sich auch des Christusnamens bedienen können. Der Jesusnamen kann in diesem Zusammenhang nur die Realität des Menschseins dessen betonen, der hier erhöht wurde“. Ähnliches begegnet 131. Auch das Sprechen von der „Christologie des Liedes“ für 2,6–11, das ja von Jesus Christus spricht, und zwar „theologisch“, ist bezeichnend vereinfachend oder gar verkürzend. Im Kontext dieses Hymnus sind beide Wendungen eher im Sinne des Parallelismus membrorum zu verstehen. Mittels dieserart Sprechens wird ja dasselbe gleichsam zweimal gesagt, das „mit anderen Worten“. Dadurch wird die „Seins“-Fülle des Auszusagenden gleichsam voller zum Verstehen gegeben; sachlich sprechen beide Sätze vom einen und selben.
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vielfältigster Untersuchungen, auf die wir im einzelnen nicht eingehen können.4 Zur Beantwortung der Frage weisen wir auf folgendes hin: Es fällt unmittelbar in den Blick, daß meistens mit Wörtern und Begriffen Klärung gesucht wird, die auf philosophische Verständnisse und Verwendungsgebrauch zurückgreifen. Damit kann sicher die eine und andere nähere Bedeutungsnuance sichtbar werden. Doch um volle Klärung zu erreichen, ist gerade hier auf eine prinzipielle Vorbedingung allen rechten Verstehens aufmerksam zu machen: Es gilt das begrifflich uneinholbare Faktum gelten zu lassen, daß mit dem in 2,6–11 und in der Heiligen Schrift überhaupt Bekundeten etwas tatsächlich Absolut-Einmaliges zur Sprache kommt, eben Jahwe und sein Heilshandeln in und mit und durch Jesus von Nazaret (dieser in seinem vollen, begrifflich letztlich mit schon zuvor vorhandenen einsichtsvollen Worten unaussprechlichen Sein, Leben und Wirken, Sterben und Auferwecktsein gemeint!). Das 4
Hier einige Beispiele der Bemühung Gnilkas, das rechte und möglichst volle Verständnis von morphe in 2,6–11 zu gewinnen. Auf der Grundlage des Forschungsergebnisses, das J. Behm vorlegt, sagt er: „In der LXX … wird es verwendet für Gestalt, Bild, Ausdruck. Dabei ist bemerkenswert, daß er als korrespondierender Begriff zu phone und in Verbindung mit opsis in Erscheinung treten kann, was beides auf seine Weise die Orientierung an der individuellen Erscheinungsform dokumentiert. Behm überträgt das LXX-Verständnis von morphe auf Phil 2,6, indem er auch hier die sichtbare Ausprägung der göttlichen Seinsweise gekennzeichnet sieht, spezifiziert diese Erklärung aber noch dadurch, daß er morphe und doxa identifiziert … en morphe Theou hyparchon ist nach Behm schließlich gleichbedeutend mit ‚gehüllt sein in, bekleidet sein mit doxa als göttlicher Erscheinungsform (Gewand)“‘ (Gnilka 113). Käsemann weist auf einen Bedeutungswandel von morphe in hellenistischer Zeit hin mit der Feststellung: „Wie metamorphousthai jetzt nicht mehr bloß die Wandlung des Aussehens und der Gestalt, sondern des Wesens bezeichnet, so meine morphe ‚hier nicht mehr das einzelne als gestaltetes Ganzes, sondern die Daseinsweise in einer bestimmten Ausrichtung, also etwa in göttlicher Substanz und Kraft‘“ (113; Hervorhebung offensichtlich durch Käsemann). Schweizer „möchte dem Vorschlag, der für Substanzwechsel plädiert, nicht zustimmen, sondern setzt sich für Status, Position, Stellung ein. Wenn Christus sich in der Stellung Gottes befinde, weise das auf das Wesen und sei alttestamentlich empfunden, da das AT … das Wesen eines Dinges noch mit seiner Erscheinung verknüpft‘“ (113). Das diskutiert Gnilka noch weiter und befindet dann: „Die Präposition evn, noch dazu in Verbindung mit ei=nai gleichkommendem u`pa,rcein, ist im Sinn des Bestimmtseins durch etwas zu interpretieren … Das himmlische Sein Christi … kann aber nicht die Gestalt und auch nicht die Stellung oder der Status sein, es ist die das Sein von seinem Wesen her prägende Daseinsweise, ein Begriff, der an Natur herankommt, sich jedoch nicht mit ihm deckt“ (114). Dieser Überblick kann zunächst genügen. Er gibt reichlich Aufschluß für die eigenartige Hilflosigkeit in der Bestimmung der tatsächlichen AussageBedeutung von morphe in 2,6 (und 2,7). Wir beachten die einzelnen hier vorgeschlagenen bzw. eingesetzten Ausdrücke und fragen, was eigentlich genau mit ihnen erklärend angesprochen sein soll, jedoch ohne sie hier auch zu diskutieren. Denn eines fällt auf jeden Fall besonders auf: Es sind keine biblischen, sondern sehr viel später eingeführte philosophische o. ä. Wörter und Begriffe, die zum Erklären beigezogen werden. Und dabei unterbleibt es, diese eingesetzten Bedeutungen selbst klar zu bestimmen. Es sei nur auf „Sein“, „Dasein“, „Daseinsweise“, auf „Exsistenz“, „Substanz“, „Substanzwechel“ u. a. aufmerksam gemacht: Was meint z. B. „Dasein“ und daneben „Daseinsweise“, was meint das „Wesen“ eines Dinges (113), etwa „essentia“ im Gegenüber zur „existentia“ (was ja sonst oft gemeint ist)? Die oben angegebenen Beispiele zeigen das jetzt Gemeinte und Erfragte sehr deutlich an. Dem ganzen näher nachzugehen, ist hier nicht der Ort.
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kann gar nicht anders zur Sprache kommen als nur mittels der unverwechselbaren, unersetzbaren und unvertretbaren Namen, nämlich JHWH, JESUS, IMMANUEL, die in und mit sich selbst sagen, d. h. verlautbaren, wer und was die „sind“ und „tun“, die diese Namen haben und „tragen“: aufgrund ihrer eigenen unerhörten Kundgabe in Werk und Wort (rb'D'!). Mit diesen Namen, und wieder allein mit ihnen, kann auch das offen-liegende „Sein“ und „Betroffen- und Gestaltet-Sein“ derer ins gültige Wort kommen, die die Jahwe- und Jesus-Bekundung erlebt haben und dankend-lobend bekennen. Auch sie haben keine, gar vorgegebene Möglichkeit wahren Sprechens als die, die sie selbst persönlich als „Zeugen Jahwes bzw. Jesu“ geworden sind; sie müssen von sich sprechen, denn sie sind Jahwe-Glaubende, und damit wird ihr (ihnen zuteil gegebenes!) eigenes Sein in seinem „Eigentlichen“ offen-gelegt, für alle die, die bezeugte Wahrheit als diese annehmen und im Annehmen auch begreifen. Die vielgestaltete Jahwe-Wahrheit Gottes wie Jesu und aller Geschöpfe ist ursprünglich von Jahwe selbst bezeugt, kann aber aufgrund seines Zu-verstehen-Gebens von denen, die die Selbstbezeugung Jahwes hören und lebensmächtig annehmen, auch be-dacht, eingesehen und weitervermittelt werden, so hilflos die dazu gewählten Worte auch immer sein mögen; weil sie wahres Bekenntnis sind, künden sie verständliche Wahrheit. Die Verse 2,6–8 künden in hymnischem Sprechen (nicht in kerygmatischer oder argumentierender Weise!) von dem, was Jesus Christus in und mit diesem seinem InGottesgestalt- und Gott-gleich-Sein, d. h. mit sich-selbst zu bestimmtem „Zeitpunkt“ seines persönlichen Lebens tatsächlich wirkungsvoll getan hat: Im Wissen um sich selbst erachtete er es als für sich angezeigt, sich nicht selbstgewiß-selbstherrlich für sich selbst „auszuwerten“ und einsetzen zu sollen, sondern „er entäußerte sich-selbst Sklavengestalt annehmend“, er „wurde menschengleich, und in (seiner) Erscheinung als Mensch gefunden“. Auf die ausufernde Diskussion, was in diesem Satz die einzelnen Wörter und Begriffe genau bedeuten, brauchen wir hier nicht näher einzugehen.5 Auf folgendes sei jedoch mit Nachdruck hingewiesen. In allen diesen Aussage-Teilen ist offensichtlich von Jesus Christus immer im Vollsinn seines persönlichen Seins und seines geschichtlich-„punktuellen“ freien „Umgangs“ mit sich selbst die Rede. Da hat eine Unterscheidung, die das eine vom „himmlischen Christus“, das andere vom „Irdischen“ angesagt sehen will, im Text keinerlei Grund. Das ist eine wichtige Feststellung für das rechte Lesen und Auslegen dieser Stelle. Das „er entäußerte sich Sklavengestalt annehmend“ ist gleichsam der Akt, durch den und in dem er „menschengleich“ wurde („werden“ hier im aktiven Sinn verstanden) und daher „in (seiner) Erscheinung als Mensch zu finden war und gefunden wurde“. Das „e`auto.n evke,nwsen – er entäußerte sich-selbst“ ist hier für den ausgesagt, der „in Gottesgestalt
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Die Kommentare geben dazu hinreichende Feststellungen. Vgl. bes. Gnilka, 112–124; U.B Müller, 1993, 89–106.
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seiend im Gott-gleich-Sein“ lebt und bleibt, was er ist.6 Es wird mit keiner Silbe gesagt oder als seine eigene Tat angesagt, daß er etwas zu sein aufgibt, auf etwas verzichtet oder es weg-gibt o. ä. Der Aussage Gnilkas „Er gab auf, was er besaß. Gott wurde Mensch!“ (118) muß vehement widersprochen werden, weil der Text genau das nicht sagt. Das „nicht selbstherrlich-selbstsüchtig werten und festhalten“ (V 6) meint kein 6
Das Verb „bleiben“ bringt nicht der Text (der selbst deutlich genug spricht), sondern wir setzen es zur Klärung dazu, gegen jeden Gedanken von Verzicht o. ä. Denn es ist betont festzuhalten, was der Text sagt, weil in den Kommentaren meistens falsche Auslegungen geboten werden. Es sei auch auf folgende Wörterbuch-Aussagen hingewiesen: Im EWNT 2 heißt es zu 2,7 u. a.: „Vom unmittelbaren Kontext des Hymnus her und unter Beachtung von 2 Kor 8,9 (wo evptw,ceusen plou,sioj w;n geradezu pln Kurzformel für die christologisch-inkarnatorische Paradoxie ist) zielt der harte Ausdruck ab auf die sich selbst aufgebende Erniedrigung und die der göttlichen Seinsweise sich beraubende Verarmung. Daß der Tod nicht ausgeblendet, vielmehr als gehorsame Konsequenz der Menschwerdung beim Namen genannt wird, zeigt den radikalen Realismus des schon vor Pls verkündeten Heilsgeschehens“ (697; Hervorhebungen alle durch Lattke selbst). Ähnlich auch ThWNT 3. Dort lesen wir u. a.: „(Es) ist als entfernteres Obj to. ei=nai i;sa qew/| sinngemäß zu ergänzen, und dieser Begriff nimmt evn morfh/| qeou/ u`pa,rcwn gleichbedeutend auf. … Gemeint ist …, daß der himmlische Christus seine göttliche Gestalt, seine gottgleiche Seinsweise nicht selbstsüchtig ausnutzte (…), sondern kraft eigener Entscheidung sich ihrer entäußerte, auf sie verzichtete, indem er Sklavengestalt annahm, dh menschengleich wurde. Subjekt zu evke,nwsen ist nicht der Fleischgewordene, sondern der Präexistente. Die Einheit der Person wird stark empfunden. Ihr Wesen behält diese, aber ihre Seinsweise vertauscht sie, ein wirkliches Opfer!… Den besten Kommentar gibt die Parallele 2 K 8,9: …“ (661; A. Oepke). Diesen beiden Beispielen aus Wörterbüchern zum NT ist massiv zu widersprechen, wenn mit dem von ihnen Gesagten das tatsächlich ausgesprochen sein soll, was der Paulus-Text Phil 2,5–8 sagt. Das e`auto.n evke,nwsen als „harter Ausdruck“ zielt keineswegs „auf die sich selbst aufgebende (!) Erniedrigung und die der göttlichen Seinsweise (!) sich beraubende (!) Verarmung (!)“ (Lattke 697). Sich dazu auf 2 Kor 8,9 zu berufen ist absolut deplaziert (wo L. „geradezu eine pln Kurzformel für die christologisch-inkarnatorische Paradoxie (!)“ meint lesen zu können). Ähnlich sind diese Formulierungen Oepkes zu beurteilen: „Subjekt zu evke,nwsen ist … der Präexistente … Gemeint ist, daß der himmlische Christus (!) seine göttliche Gestalt (!) nicht selbstsüchtig ausnutzte …, sondern kraft eigener Entscheidung sich ihrer (!) entäußerte (im Text: e`auto.n!), auf sie verzichtete (ist „verzichten“ sachidentisch mit dem hier stehenden keno,w?), indem (!) er Sklavengestalt annahm, dh menschengleich wurde“ (661). Auch die betonte Aussage zur „Einheit der Person“ (was ist hier mit „Person“ genau gemeint, da es doch absolut kein biblischer, sondern später, dazu vielfältig verstandener Begriff ist?) gesagt wird: „Ihr Wesen behält sie, aber ihre Seinsweise vertauscht (!) sie“. Was meint da „Wesen“, was „Seinsweise“, und das zusammen mit Person?? – Zum Verständnis von evke,nwsen gerade in Phil 2,5–6 sei auch auf Folgendes aufmerksam gemacht: Phil 2,5–11 ist Teil eines Hymnus, den Paulus in seinem Anliegen gleichsam verwendet, nicht etwa als Beleg für ein bestimmtes christologisches Glaubensgut einsetzt, auf das hinzuweisen wäre. Ein Hymnus (!) spricht bekanntlich eine frei-gewählte, gelegentlich sogar neu erfundene Sprache für das zu Feiernde. Er bedient sich dabei längst vorliegender Sprechweisen und (Alltags)Wörter ebenso wie bisher ungewohnter, dichterisch neu „erfundener“ Sprachspiele. Man kann nicht mittels lexikalischer Erhebungen den Bedeutungsgehalt einzelner hymnisch eingesetzter Wörter und Metaphern eindeutig zu bestimmen versuchen, was der Dichter im betreffenden Fall ins Wort bringen wollte; man muß den Text sprechen, ja singen lassen – und kann dadurch doch klar „begreifen“, was da gesagt wird – auch wenn es lexikalisch auch später nicht „einzuordnen“ ist. Muß nicht genau das gerade auch für diesen Text beachtet bleiben?
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Entsagen, keinen Verzicht und kein Aufgeben/Ablegen. Das wird im Text 2,6–7 durch die zusätzlich-beigeordnete Angabe „Sklavengestalt annehmend“ deutlich genug gesagt. Es ist auch keine Rede von einem Tausch oder Austausch (statt Gottesgestalt Knechtsgestalt) o. ä. Das bedeutet: Jesus Christus, von dem die Rede ist, bleibt der, der er ist; er nimmt als dieser Er-selbst die Sklavengestalt an, und als dieser wird er „gefunden“, weil er als solcher „erscheint“ (was ja nicht meint: was er nur scheinbar von sich zu erkennen gab). Damit ist übrigens auch keineswegs mit-ausgesagt, daß Jesus Christus seit diesem Akt nicht mehr „in Gottesgestalt und Gott-gleich-Sein“ erscheinen konnte (weil „aufgegeben“) und erschienen ist.7 Davon singt der Hymnus überhaupt nicht. Daher ist mit allem Nachdruck festzuhalten, daß der Hymnus, zumal in der Paulus-Fassung, wohl von der Annahme der Sklavengestalt und des Menschgleichseins durch Jesus Christus (der volle Sinn dieses Namens ist aufrechtzuerhalten!), doch mit keinem Wort von einem Weggeben oder Verzichten, welcher Art auch immer, spricht. Wohl ist von der Gesinnung die Rede, in der er das vollzogen hat, was hymnisch bekundet wird. Das ist in 2,8–9 deutlich herausgestellt. (Es mag bemerkt werden, daß wir uns hier tunlichst jeglicher üblich gewordenen Terminologie enthalten und keine theologisch gängig gewordener Wendungen bedienen, wie Präexistenz, Menschwerdung, Inkarnation, Wesen u ä., eben um das Sprechen des Textes selbst, und zunächst nur das, zu hören und zu verstehen, um es dann auch voll gelten zu lassen.)8
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Zum rechten Verständnis des Ausdrucks „Erscheinung“ bzw. „erscheinen“ innerhalb des biblischen Kontextes vgl. den entsprechenden Artikel in LThK 3 (1995) 827–831 (J. Kremer). Wir verstehen und gebrauchen dieses Wort im Sinne der ntl. Texte und ihres rechten Verständnisses, zugleich im Wissen um die Schwierigkeit eines gültigen begrifflichen Erfassens des mittels dieses Ausdrucks Ausgesprochenen. Es sei auf die eigenartigen Überlegungen hingewiesen, die zu 2,6 „ouvc a`rpagmo.n h`gh,sato to. ei=nai i;sa qew/|“ angestellt werden, nämlich im Nachforschen, was Jesus Christus als der Präexistente nicht getan hat, aber hätte tun können, und statt dessen „sich-selbst entäußerte“: Gnilka 115–177. Er beginnt so: „Es sind die ersten Anfänge eines Nachsinnens über das präexistente Sein Christi, aber es ist viel mehr an dem vom Präexistenten herkommenden Heilsgeschehen als an diesem selbst orientiert. Dieses Geschehen wird im folgenden entfaltet. Die Aussagespitze liegt in einer Gegenüberstellung dessen, was nicht geschah, obwohl es hätte geschehen können und nach Lage der Dinge dem Betrachter sogar als das Erwartungsgemäße erschiene, und dessen, was sich ereignete“ (115). Es wird über einen „inneren Kampf, eine Versuchung des himmlischen Christus“ reflektiert: „Die Spielarten der auf diesem Feld liegenden Auslegungen sind mannigfaltig. Die Versuchung wird als von Gott kommende oder nur als eine angesehen, in die sich der himmlische Christus selbst hineinbringt oder nur als Möglichkeit betrachtet, sie wird zum Fall der Engel oder zur Versuchung Adams im Paradies in Parallele gesetzt“ (115). Es erübrigt sich, zu solcherart exegetischer Auslegung überhaupt ein Wort zu verlieren. Die Bibeltexte sind kein Spielfeld für experimentelle Teste oder Hypothesenversuche.
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2. „Präexistenz“, „Menschwerdung“, „Inkarnation“ – sinnvolle Kategorien für das Verständnis von Phil 2,5–11? a) Präexistenz, Präexistenter
Wir sind schon öfter auf den in der Auslegung gerade von Phil 2,5–11 eingesetzten Ausdruck „Präexistenz“ und „der Präexistente“ für Jesus Christus gestoßen; er ist eine wie ein Name eingesetzte Kategorie für den dort zu Anfang (2,5) namentlich genannten Jesus Christus. (Es sei hier sogleich zu Anfang unserer Bemerkungen die Feststellung betont, daß „der Präexistente“ in den ntl. Kommentaren tatsächlich eine nur auf Christus angewendete Wortbildung ist, die z. B. nie für den Heiligen Geist noch für Gott zu Bezug auf deren (heils)geschichtliches Wirken gebraucht wird. Näheres dazu später.) Tatsächlich ist das Wort „Präexistenz“ ein erst sehr spät eingeführter theologischer Begriff und alles andere als ein in den biblischen Sprachen und Vorstellungen begründeter Ausdruck. Ein entsprechendes Verb oder Substantiv findet sich weder im Hebräischen noch im Griechischen und Lateinischen (vom Neulatein hier abgesehen). Philosophisch gefragt und gesehen gibt es keinerlei Anlaß, mit dieserart Wörtern und Begriffen umzugehen. So fragt es sich, was mit diesem Ausdruck eigentlich gemeint und folglich wofür diese Kategorie dienlich oder hilfreich sein soll. Schauen wir auf ihren Einsatz in den Kommentartexten, so wird sie wesentlich mit dem Beginn der heilsgeschichtlichen Sendung Jesu Christi und seines entsprechenden Tätig-Werdens und Wirkens verbunden (und das, wie gesagt, ausschließlich nur auf Christus bezogen).9 Die im jeweiligen unmittelbaren Zusammen9
Im Kommentar Gnilkas zu 2,5–11 ist zunächst immer von Christus die Rede. Dieserart Wendungen herrschen vor: „Bestimmtsein durch Christus; die mit Christus angefangene Geschichte, das eschatologische Geschehen von Kreuz und Auferstehung“ (110); dann: „Bereich der Christusherrschaft; das In-Christussein, das die pneumatische Seinsweise Christi und das Wirken Christi durch das Pneuma bedeutet, als ein Sich-Befinden im Einfluß- und Machtbereich des persönlichen Christus“ (110; Hervorhebung durch Gn.) u. a. – Auch die Auslegung von 2,6 beginnt in dieser Redeweise. Doch dann wechselt das namentliche Subjekt, Jesus Christus, zu „der Prä-existente“. In der Diskussion der Bedeutung von morphe heißt es zunächst noch: „Das himmlische Sein Christi ist eben darin in einzigartiger Weise ausgezeichnet, da es nicht bloß durch Gott, sondern durch die morphe Gottes bestimmt und geprägt ist. … Es sind die ersten Anfänge eines Nachsinnes über das präexistente Sein Christi, aber es ist viel mehr an dem vom Präexistenten herkommenden Heilsgeschehen als an diesem selbst orientiert“ (114). Ab dann ist der „Präexistente“ als der andere Name für Jesus Christus gesetzt, gelegentlich abwechselnd mit „himmlischer Christus“. Dazu diese Beispiele: „Im Betrachten des Präexistenten … Versuchung des himmlischen Christus … die morphe Theou, in der sich der Präexistente befindet … der irdische Lebensweg Christi … Vorspiel der Versuchung in der Präexistenz“ (115). Im folgenden begegnen noch weitere bemerkenswerte Formulierungen; so: „… die Paradoxie der Aussage gerade darin, daß das präexistente Gottwesen seine Selbigkeit preisgebe und das annehme, was dem Göttlichen entgegengesetzt und deshalb nichtig ist“ (119) mit „… hier der Weg des Präexistenten, der von sich aus die Sklaverei
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hang begegnende Wendung „himmlischer Christus“ mit demselben Aussage-Sinn wie „der Präexistente“ weist auf eine Fährte hin, den Grund für die Erfindung dieser eigenartigen Kategorie zu finden, der allerdings hinterfragt werden muß.10 Offensichtlich geleitet vom (unbegründeten) Verständnis von 2,6, welchen Vers man vom vor-geschichtlichen, d. h. „ewigen“ Sein und Lebensvollzug Jesu Christi sprechend meint verstehen zu sollen, und dem folgenden Vers 7a.b, mit dem „das von Gott her sich in Gang setzende Geschehen“ (117) angesprochen sei, das jedenfalls von einer „irdischen Daseinsweise“ spreche, wird das „himmlische Dasein“ Jesu Christi als
des Menschen auf sich nimmt“ (120); dazu: „Vom Eintritt des Präexistenten in die Menschheit wird fortgefahren zur Betrachtung des geschichtlichen Menschen“ (121). In der folgenden Diskussion zu 2,8 finden sich diese Redeweisen: „Der Präexistenzgedanke ist dem Verfasser des Liedes nicht aus der Bibel zugewachsen, auch nicht aus der Weisheitsliteratur, … der wesentlich von biblischen Traditionen beeinflußte Verfasser mußte den Präexistenzgedanken, wenn er ihn fremden Einflüssen verdankt, notwendig umgestalten … Das gehorsame Eingehen auf die Verfaßtheit der irdischkontingenten Existenz findet seinen sprechendsten Ausdruck im Tod“ (123). Dann in der Besprechung von 2,11 u. a.: „In der epiphanen Kyriotes liegt nun auch das ‚Mehr‘, das der Erhöhte gegenüber der Präexistenz besitzt“ (129). Im Exkurs 3 („Das vorpaulinische Christuslied“) stehen diese Angaben: „Nach dem Lied ist der präexistente Christus en morphe Theou und gottgleich … während für die Theologie des Apostels das Schema Kreuz und Auferstehung prägend ist, denkt der Verfasser des Liedes im Schema Erniedrigung und Erhöhung, wobei die Erniedrigung bis in die Präexistenz Christi ausgeweitet ist … Die Offenbarung des Präexistenten in Erniedrigung und Gehorsam gewinnt durch den paulinischen Kontext gesteigerte Bedeutung“ (132 u. 133; vgl. dazu auch noch 144–147). 10 Hier sei auf die auffallende Tatsache hingewiesen, daß in den Kommentaren nie Bildungen wie „himmlischer Jesus“ oder „der präexistente Jesus“ o. ä. begegnen. Der Grund dafür dürfte darin zu sehen sein, daß „Jesus“ faktisch doch stets verkürzt den „historischen“ oder „irdischen Jesus“ bzw. den „Menschgewordenen“ in seinem „Mensch-Sein“ bezeichnet. Das wird beispielhaft an folgendem Text Gnilkas deutlich: Zu 2,10 sagt er: „Die neue Ausrichtung, die in Phil 2,10f gegeben ist, besteht einmal darin, daß jetzt alles radikal auf Christus übertragen ist. Die Huldigung aller geschieht evn tw/| ovno,mati VIhsou/. Zwar hängt das Geschehen wesentlich am Theos, insofern er den neuen Herrscher präsentiert, aber seine Intention ist es, daß die Welt dem Präexistenten huldigt. … Befremdlich mag erscheinen, daß ausgerechnet jetzt der Name des Geschichtlichen fällt … Der Jesusname kann in diesem Zusammenhang nur die Realität des Menschseins dessen betonen, der hier erhöht wurde“ (127; vgl. dazu auch 131). „Christus“ wird hier offensichtlich als der umfassendere „Oberbegriff “ eingesetzt und der Name „Jesus“ ins Christusgeschehen eingeordnet. Das ist in Wirklichkeit eine Entstellung der klaren Text- Aussage (zumal wenn man 2,5 nicht einfach vergißt). (Nebenbei bemerkt: Neben der alles beherrschenden Wendung „Christusgeschehen“ findet sich nie „Jesusgeschehen“!) Welches Subjekt der Vor-Hymnus hatte, wissen wir nicht. Der von Paulus verwendete Teil hat nur das Pronomen „er“, das jedoch in und durch 2,5 eindeutig und betont „Christus Jesus“ als den vollen, alles „einzelne“ einfassenden und umfassenden Namen hat: Christus Jesus. Dessen ungeachtet faktisch dann doch alles auf „Christus“ zu konzentrieren bzw. zu reduzieren, widerspricht eklatant dem Paulus-Text, auch dann, wenn bei ihm gelegentlich (!) „Jesus“ oder „Christus“ alleinstehend begegnen. Hier ist es gänzlich unangebracht, darauf nicht streng zu achten. Vgl. zu diesem „Problem“ das, was wir in der vorigen Anmerkung und in der Anm. 2 zu E.1 herausgestellt haben.
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„Präexistenz“ begrifflich zu fassen gesucht.11 Wir bemerken allein schon bei diesen Andeutungen eine eigenartige Zusammenfügung mehrerer Sachverhalte, die die Bildung dieses sonst gänzlich ungewohnten Ausdrucks motiviert zu haben scheint. Was wird nämlich mit ihm in Phil 2,5–11 spezifisch zur Sprache gebracht? Das „in Gottesgestalt seiend“ (2,6) Jesu Christi (meist mit „er war in Gottesgestalt“ übersetzt) gebe an, so meint man lesen zu müssen, was vor dem mit dem Satz „er erachtete nicht … sondern er entäußerte sich-selbst“ Angesagten sein realer Daseins-Zustand war. Hier wird unversehens eine eigenartige Zeit-Folge im Sein Gottes selbst wie in seinem Wirken in Geschichte angesagt (besser: erfunden), und zwar aufgrund der Darstellungsform (grammatische Zeiten des Verbs), die wegen ihrer begrifflichen Ungereimtheiten verwirrt.12 Wegen der Aorist-Bildungen – solche sind im hymnischen Singen über Eine kritische Besprechung der Frage nach dem Sinn, der Notwendigkeit und Berechtigung dieses Begriffs „Präexistenz“ wie „der Präexistente“ (in den Kommentaren zum NT ausschließlich für Jesus Christus eingesetzt!) erfordert einen Exkurs. Denn mittels dieser Wendungen werden bei den Gelegenheiten, wo sie überhaupt begegnen (es sind sehr wenige, allerdings bedeutsame), dort jedoch als bedeutungsvoll eingesetzt werden, unterschiedlichste Dinge angesprochen und erklärt bzw. theologisch-wissenschaftlich gültig ins Wort zu bringen versucht. Sie sind ja offensichtlich im Sinne von Allgemein(ober)begriffen intendiert, mit denen mehrere Sachverhalte begrifflich kategorisiert erfaßt werden sollen. Was soll aber „Präexistenz“ real erfassen und gültig zur Sprache bringen, gerade auch im Blick darauf, daß diese Kategorie ausschließlich auf Christus bezogen erscheint, bei nur wenigen Gelegenheiten, sonst aber unbekannt ist? Dazu sind die Kommentare zu den einschlägigen Stellen (vor allem Gal 4,4; Phil 2,5–11 und Joh 1,14 bzw. 1,1–18) zu befragen, und das möglichst in Zusammenschau aller dieser Stellen. S. dazu das im folgenden Abschnitt G. „Unbiblische Wörter“ Ausgesagte. 12 Es sei hier eine Zwischenüberlegung angestellt, die Hilfreiches anbieten möchte. Die Formulierung in 2,6–7 „er war in Gottesgestalt“ und „er entäußerte sich-selbst und nahm Knechtsgestalt an und wurde menschengleich“ (so meist die deutsche Übersetzung) muß im Sinne des Paulus gelesen werden. Er hat ja im Aufgreifen des Vor-Hymnus keineswegs seine eigene Verstehensweise vergessen oder korrigiert. Diese bleibt vielmehr der verbindliche Hintergrund zum Verständnis dessen, was Paulus den Philippern sagen will. Das bedeutet auf jeden Fall dies: Jesus Christus hat (für Paulus wie überhaupt) eine eigene urpersönliche Lebensgeschichte, in der das Heil Wirklichkeit geworden ist. Das bedeutet unmittelbar auch, daß Gott es ist, der das erste „Subjekt“ dieser Lebens- und Heilsgeschichte ist, die Gott selbst persönlich mit-erlebt und gestaltet. Das „er war“ und „er wurde“ (und entsprechend anderes im Text) ist, was die angewendeten grammatischen Zeiten angeht, durchaus in dem Sinne zu verstehen, wie wir unser eigenes eine Leben er-leben und davon erzählen, in seinen frühen, dann späteren „Zeiten“ (die alle „vergangene“ Zeiten sind, aber eben unser Leben sind, nicht waren), dann in der sog. Gegenwart, die Jahre dauern kann, aber als das eine Jetzt erlebt wird (um hier von der sog. Zukunft noch zu schweigen). Dieses persönlich-lebendige Wissen um sich-selbst und seine Lebensgeschehnisse im Geschehen-Sein („Vergangenes“), im Jetzt-Geschehen und im Geschehen-Werden unserer „Zukunft“ ist gerade nicht historisch-wissenschaftlich erforschbar und verstehbare und dann verstandene Geschichte. Die historische Wissenschaft hat dokumentierte (in ihrem Sinne) Zeugnisse anderer als ihre Quelle, und sie erfaßt das Geschehene und auch hinreichend eindeutig und kontrollierbar-wahrhaftig Bezeugte auf wissenschaftlich-methodische Weise, mittels selbst-gelenkter Art des Blicks und der Zeugnis-Beurteilung, um es dann in den Kategorien der historischen Wissenschaft auch darzustellen, zu „erzählen“. Auf diese Weise wird schon jede persönlich-eigene Lebensgeschichte einer menschlichen Person nie erfaßt und „verstanden“, zumal das sog. Persönliche des einzelnen In-
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Gottes Sein, Empfinden und (heils)geschichtlichem Wirken in biblischer Erzählweise selbst-verständlich und in ihrem eigenen Aussage-Sinn voll verstehbar, auch was die dabei gegebenenfalls verwendeten grammatischen Zeit-Folgen betrifft – wird hier plötzlich auf das „immer schon“, d. h. „ewige“ Sein und Leben Gottes geschaut. Es wird eine spezifische und prinzipielle Unterscheidung zwischen „Göttlichem“ und „Himmlischem“ auf der einen Seite, und „irdischem“, „geschöpflich-menschlichem Sein, Dasein und Handeln“ auf der anderen Seite ontologisch geltend gemacht und erklärt, sogar für Jesus Christus. Das „himmlische Sein“ und die entsprechende „Daseinsweise“ des „himmlischen“ Christus werden zunächst als vor dem „in Gang kommenden Geschehen“ (112) als ewig-während gesehen. Für das in Phil 2,5–11 Bekundete (das, so heißt es, dort als Heilsgeschehen berichtet werde) sei „Gott der Ausgangspunkt“ (112; wir bemerken die befremdliche Benennung Gottes als Ausgangspunkt dessen, was doch offensichtlich er-selbst im eigenen Empfinden, Erwägen, Entscheiden und Erfüllen seiner Seins- und Wirkmacht „tut“ und vollbringt!). Genau in diesem Kontext heißt es dann: „das Interesse des Liedes ist nicht auf eine Definierung des Seins Christi in der Welt Gottes gerichtet oder konzentriert, sondern auf das von dorther in Gang kommende Geschehen“ (112). Hier könnte die Unterscheidung von Göttlich-ewigem (in sich selbst als solchen währenden) „Sein“ und „Leben“ (über das nichts berichtet wird noch werden kann) noch vor allem Wirk-„Anfang“ (Entschluß zum Wirken) und dem Wirken Gottes in Geschichte gemeint sein, das sich überhaupt erst verwirklichen und sich als dieses bekunden muß, wovon folglich auch berichtet und gekündet werden kann. Alles das könnte einen Aufschluß geben und eine (erste) Antwort auf unsere Frage sein, wozu „Präexistenz“ eigentlich dienen soll. Damit wären Ausdrücke wie „Sein Gottes“, „in Gottesgestalt sein“ u. ä. und deren AussageGehalte ebenso wie auch die im Berichten verwendeten grammatischen Zeitkategorien vielleicht erfaßt. Aber schon die Wendung „Existenz“ für „Sein“ will ja im üblichen Sprachgebrauch durchaus „anderes“ sagen als bloß „sein“. „Existieren“ hat schon einen ganz bestimmten, meist einengenden Akzent. Es bedeutet Da-Sein, im unterscheidenden Gegenüber zu So- oder Dieses-Sein (Wesen im philosophischen Sinn). „Prä-existenz“ wäre dann Vor-Existenz oder Zuvor-Dasein in Bezug auf etwas (zeitlich oder auch sonst sachlich gesehen). Die in 2,5–11 gebrauchten Verben ei=nai und u`pa,rcein sind zwar lexikalisch gesehen sehr offen und entscheiden nicht schon von sich aus, was mit ihnen im konkreten Fall genau gesagt sein soll bzw. gesagt ist. Sie sprechen in diesem Fall jedoch ganz klar und eindeutig. Hier ist in ihnen nicht eine Spur von einem spezifizierten „da-sein“ oder gar „zuvor-sein“ erkennbar – es sei dividuums nur ihm selbst zugänglich ist. Daher ist für die biblische Geschichte Gottes und deren Verständnis nur das Zeugnis Gottes selbst Quelle und Verstehensgrund allen geschichtlichen Wissens der Geschichte, die die Lebensgeschichte Gottes mit denen ausmacht, mit denen er nach seiner freien Wahl diese eine Lebensgemeinschaft „eingegangen“ ist („Bund“) und der er zuerst die Wahrheit und Treue schenkt. – Diese Überlegung auf das (Schein)Problem „Präexistenz“ einmal zu realisieren, dürfte ungemein klärend wirken.
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denn, man meine damit den Geschehens-„Beginn“ des „Tuns“, das in 2,7–8 genau (mittels anderer Verben) angegeben und „berichtet“ wird: evke,nwsen, labw,n, evtapei,nwsen, geno,menoj u`ph,kooj. Für dieses „Tun“ jedoch die Existenz, gar die ZuvorExistenz des handelnden Subjekts besonders zu betonen, ist absurd. Dann wäre jeder, der handelt oder wirkt, zu Beginn dieses seines Tuns als „präexistent“ zu erklären. Dann müßte man auch für Gott seine „Präexistenz“ in Bezug auf sein Schöpfungswirken und auf sein konkret-geschichtliches Heilswirken betont herausstellen. Nur: Was bringt das ein? Muß Selbstverständlichstes, von jedem verständigen Menschen fraglos Mit-Eingesehenes erst betont vorweg-erklärt werden? Der oben gebotene Überblick (Anm. 9 dieses Abschnittes) zeigt, was den tatsächlichen Einsatz des Ausdrucks „Präexistenz“ angeht, dieses Bild: Das zu 2,6 im Kommentar Gesagte ist für unsere Frage sehr aufschlußreich. Die Rede ist dort vom „Sein des himmlischen Christus“ (auch schon eine sehr fragwürdige Formel). Von ihm wird dieses prononciert gesagt: „(es) ist eben darin in einzigartiger Weise ausgezeichnet, daß es nicht bloß durch Gott, sondern durch die morfh, Gottes bestimmt und geprägt ist … es ist die das Sein von seinem Wesen her prägende Daseinsweise, ein Begriff, der an Natur herankommt, sich jedoch mit ihr nicht deckt“ (114). Dazu sogleich: „Es sind die ersten Anfänge eines Nachsinnens über das präexistente Sein Christi“ (ebd.). Dem folgen auf der nächsten Seite noch diese befremdenden Angaben: „Eine Reihe von Exegeten verharren im Betrachten des Präexistenten und sehen in ouvc a`rpagmo.n h`gh,sato … eine Versuchung des himmlischen Christus angedeutet. … alten Streitfrage, ob a`rpagmo,j eine Sache betrifft, die schon im Besitz des Präexistenten ist … für etwas ansehen, was die morfh, qeou/, in der sich der Präexistente befindet, noch übertrifft.“ Bezeichnend ist, alle diese Aussagen zusammengeschaut, daß zunächst vom „himmlischen Sein Christi“ (dieses durch die morfh, Gotttes „in ausgezeichneter Weise bestimmt“) die Rede ist, und dann unvermittelt der „Präexistente“ gleichsam als Synonym für diesen „himmlischen Christus“ eingesetzt und auf ein „erstes Nachsinnen über das präexistente Sein Christi“ aufmerksam gemacht wird. Wo findet der Exeget im NT und frühchristlicher Zeit ein solches Nachsinnen? Jedenfalls wird plötzlich „präexistentes Sein“ als anderer Ausdruck für „himmlisches Sein Christi“, offenbar mit demselben Sach-Inhalt, gesetzt, ohne daß angegeben würde, was dieser Ausdruck hier überhaupt sagen soll. In weiteren folgenden Stellen begegnet derselbe Vorgang.13 Aufs Ganze gesehen, und noch abgesehen von der gleichfalls unbegründe13
Weitere einschlägige Stellen sind diese: Zu 2,7 heißt es u. a.: Gnilka bringt als Beispiel einen Text von Georgi; dieser „sieht die Paradoxie der Aussage in 2,7 gerade darin, daß das präexistente Gottwesen seine Selbigkeit preisgebe und das annehme, was dem Göttlichen entgegengesetzt und deshalb nichtig ist“ (119). Der Text strotzt von inakzeptablen Formeln. Phil 2,7 enthält sicher alles andere als eine „paradoxale Aussage“ (ein Tausch wird dort gerade nicht angegeben, weswegen unmöglich von einer Paradoxie gesprochen werden kann; das wäre ja genau das eigentlich Gefeierte!). Dann ist „präexistentes Gottwesen“ statt schlicht Jesus Christus des Textes untragbar, was nicht erst erwiesen werden muß. „Selbigkeit“ mag man als Wortprägung wählen; doch sollte
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ten Reduzierung der Aussagen in 2,5–11 auf „Christus“, erscheint „Präexistenz“ und vor allem „der Präexistente“ letztlich als gänzlich inhaltsleere Begriffe, die gerade für die ungemein sinnvollen Worte und Sätze des Hymnus (!) zum Hauptstichwort gewählt wurden und zu einer christologischen Kategorie geworden sind; es wird von Präexistenz-Christologie (neben manchen anderen Christologien) gesprochen.14 b) „Menschwerdung“ und „Inkarnation“ in Phil 2,5–11?
Die Ausdrücke (Begriffe) „Menschwerdung“ und „Inkarnation“ begegnen im Kommentar zu 2,5–11 mehrmals. Sie sind eingesetzt als theologisch übliche Allgemeinbegriffe, die als sachlich und gültig angesehen und auch in der Auslegung ntl. Texte gebraucht werden. Der erste Einsatz dieser Ausdrücke findet sich in der Besprechung von 2,7, welcher Text voll zitiert sei, da er in vieler Hinsicht aufschlußreich ist. Zu 2,6 hieß es zuvor: „Der Ausgangspunkt ist Gott“, und einleitend zu 7–8: „… des von Gott her sich in Gang setzenden Geschehens“ (112 u. 117). Dann: „Diesem Geschehen sind die VV 7und 8 gewidmet. Der mit kai. anhebende Satz in V 7d bedeutet dabei einen Neuansatz, in dem Sinne, daß – um es vorwegzunehmen – die ersten drei Wendungen die Menschwerdung, die folgenden das Menschsein beschreiben. Der Gedankengang verläuft so, daß die Konkretion und damit auch die Dramatik sich steigert. man dazu sagen, was das eigentlich bedeuten soll (man sollte es nicht den Leser erahnen lassen!). Dasselbe gilt für das Abstraktum „Göttlichkeit“ ausgerechnet für das in 2,5–11 Ausgesagte! ––– Zu 2,7 wird später noch dies gesagt: „Vom Eintritt des Präexistenten in die Menschheit wird fortgefahren zur Betrachtung des geschichtlichen Menschen. … Für den Weg des Geschichtlichen ist das evtapei,nwsen bestimmend“ (121). Auch hier sind die gewählten Wendungen text-widrig. Weder ist in 2,7 von einem „Eintritt des Präexistenten“ die Rede, noch kann Jesus Christus (so der Text!) einfach als „geschichtlicher Mensch“ angesehen werden, so daß er dann sogar „der Geschichtliche“ genannt werden könnte. Das alles im einzelnen zu diskutieren und zu zeigen, ist hier nicht der Raum. ––– Zu 2,11 heißt es u. a.: „In der epiphanen kurio,thj liegt nun auch das ‚Mehr‘, das der Erhöhte gegenüber seiner Präexistenz hat“ (129). Auch hier müssen wir es beim puren Zitat belassen, da ein Eingehen auf die exegetischen Probleme hier zu weit führen würde. Wir beachten die gleichsam namentliche Verwendung von „Präexistenz“. ––– Im Exkurs „Das vorpaulinische Christuslied“ finden sich u. a. diese Sätze, in denen wir nur auf die bezeichnende Verwendung des Ausdruck „Präexistenz“ aufmerksam machen: „Nach dem Lied ist der präexistente Christus evn morfh/| qeou/ und gottgleich. Paulus betont seinerseits die Überordnung Gottes Christus gegenüber“ (132, zur Frage nach dem Einfluß des Paulus in den Text, den er zitiert). Dazu auch: „Während für die Theologie des Apostels das Schema Kreuz und Auferstehung prägend ist, denkt der Verfasser des Liedes im Schema Erniedrigung und Erhöhung, wobei die Erniedrigung bis in die Präexistenz Christi zurück ausgeweitet ist“ (132). 14 Wir verweisen auf den Artikel „Präexistenz Christi“ mit seiner bezeichnenden Gliederung „I. Biblisch-theologisch; II. Systematisch-theologisch“ LThK 8 (1999) 487–491: H. Merklein; G. L. Müller. Dazu auch den Artikel „Präexistenz- vorstellungen“ (Gliederung: „I. Religionsgeschichtlich; II. Philosophie- u. theologieschichtlich; III. Neureligiös“): LThK 8 (1999) 491–493. In diesen Artikeln wird die ganze Problematik des Begriffs „Präexistenz“ offenkundig, wenngleich in vielem zu hinterfragen bleibt, was dort behauptet und als allgemein anerkannt vorgelegt wird. Dazu mehr im folgenden Abschnitt G.II.
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‚Er entäußerte sich‘ wird verdeutlicht mit der ‚Daseinsweise des Sklaven‘. Bleibt dabei auch noch unscharf, was gemeint ist, wird mit dem ‚Gleichbild der Menschen‘ der Prozeß zu einem gewissen Abschluß gebracht. Die Welt Gottes ist gänzlich verlassen, die niedere Menschenwelt ist endgültig erreicht“ (117f). Dazu folgt sogleich: „Es ist nichts Geringeres angesagt als die die Welt (Hervorhebung durch Gn.!) verändernde Tat, als das eschatologische Geschehen. … Wenn also schon e`auto.n evke,nwsen die Menschwerdung bezeichnet, stellt sich die Frage, wie diese gedacht ist. Der Gegensatz, der die VV 6 und 7 bestimmt, läßt nur die Antwort zu: Er gab auf, was er besaß. Gott wurde Mensch! Die Trennung, die zwischen der Welt Gottes der der Menschen existiert, konnte nur durch diesen Schritt überbrückt werden. … daß (das Lied) die Inkarnation des Gottwesens aussagt“ (118). Zu diesem Text sind in Bezug auf unser Anliegen eine Reihe von Fragen zu stellen bzw. kritische Bemerkungen zu machen. Zunächst widerspricht es dem Text, 2,7–8 als „dem Geschehen gewidmet“ anzusprechen (117), das „in Gang kommt“ und „Gott als Ausgangspunkt hat“ hat. 2,5–11 ist ein Hymnus; er berichtet nicht, noch beschreibt (119) oder schildert (118) er ein Geschehen. Wenn man es unbedingt so formulieren möchte, dann müßte man sagen: Er erzählt oder benennt singend das, was der und in welcher Gesinnung er es getan hat (hier ist zunächst nur das offenst sprechende Verb am Platz!), der persönlich und allein das Subjekt der in 2,7–8 eingesetzten Verben ist, auch wenn in 2,9 und 2,11 Gott (Vater) als der bekundet wird, der dem zuvor Genannten (Jesus Christus!) zuteil werden läßt, was dort angegeben ist.15 Es heißt: „Die ersten drei Wendungen beschreiben (!) die Menschwerdung, die folgenden das Menschsein“. Zunächst noch abgesehen davon, daß dort weder die Wendung „Menschwerdung“ noch „Menschsein“ steht oder auch nur angedeutet wird, so ist festzustellen, daß im Hymnus selbst eine solche Folge (die sogar einen „Abschluß“ hat: 120) mit keinem Wort angedeutet erscheint. Von „Menschwerdung“ wie von „Menschsein“ wird in 7–8, wenn man den Text wirklich selbst sprechen läßt, kein Wort gesagt. Es heißt vielmehr von Jesus Christus: „er entäußerte sich-selbst Knechtsgestalt annehmend“. Er tat das! „Entäußern“, in sich und für sich allein genommen (Lexikon-Wort), sagt nichts näher „Erklärendes“ darüber aus, was er da eigentlich an oder mit sich-selbst „gemacht“ hat.16 Im Es darf während der Auslegung eines (längeren) Textes zwischendurch nicht vergessen werden, was zu Anfang schon erkannt und festgestellt wurde. Es gilt daher für den ganzen Text 2,5–11 gelten zu lassen, daß jedenfalls in 2,5–8 Jesus Christus (nur mit „er“ im Anschluß an 2,5 benannt) das Subjekt der dort begegnenden entscheidenden Verben ist. In 2,9–11 ist Gott das Subjekt, jedoch als der, der auf das in 6–8 Bekundete „reagiert“, so daß auch für 9–11 Jesus Christus der bleibt, „um den es geht“. Daß erst in 2,11 Gott Vater genannt wird, muß gesehen werden, was freilich nicht bedeutet, er, Gott Vater, sei an oder in dem absolut nicht beteiligt, was dort Jesus Christus „tut“; denn mit der Nennung des Vaters in 2,11 (dort ohne Genitiv, d. h. ohne Nennung dessen, dem er Vater ist) ist Jesus Christus von Anfang an (2,5) auch als Sohn des Vaters (11) mit-bezeichnet zu verstehen, wenngleich er im unmittelbaren Zusammenhang so nicht genannt wird. 16 Es gilt anzuerkennen, daß 2,5–11 ein Hymnus ist, den Paulus vorgefunden und hier, mehr oder weniger vollständig und wörtlich, im Anliegen seines Briefes an die Philipper verwendet. Für ei-
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konkreten Zusammenhang 2,5–11 ist mit „sich-selbst entäußern“ eine ganz bestimmte, selbst frei (!) gewählte Gesinnungsstimmung und Haltung angegeben, in der er das tat, was „Knechtsgestalt annehmend“ ansagt. Denn „entäußern“ steht nicht einfach da, sondern zusammen mit „Knechtsgestalt annehmend“. Beides „tut“ er (Jesus Christus!) gleichsam „in einem“, wobei das „sich-selbst entäußern“ durchaus als das seelisch-emotional „Gewichtigere“ gelten kann, nämlich im Blick auf die persönliche, die Person zutiefst treffende und bestimmende Haltung, in der dieses „annehmen“ gerade der Knechtsgestalt getan wird. Auf keinen Fall dürfen diese beiden Verben als aufeinander folgende Akte angesehen werden.17 Auch zu „Knechtsgestalt annehmend“ wird nichts Näheres oder „Deutlicheres“ erklärt, wie eigentlich der Gottgleiche das vollführte und woher er die Knechtsgestalt nimmt, um sie sich persönlich anzueignen (alles hilflose Formulierungsversuche, die jedoch eingesetzt werden müssen, um das in den Kommentaren fälschlich Behauptete zurückzuweisen). Ähnliches ist sodann auch zu evn o`moiw,mati avnqrw,pwn geno,menoj festzustellen. Bekanntlich ist gi,gnomai genauso wie „werden“ ein ganz eigenartiges Tätigkeitswort. Im Deutschen wird es sowohl für die das Futur angebenden Zeitformen wie auch für Passiv-Formen verwendet, kann also den aktiven Akt des „Werdens“ angeben, aber auch das „Erleiden“ (Passiv) aufgrund der Aktion eines anderen ins Wort bringen. In beiden Fällen ist übrigens damit nicht gesagt, was genau der Werdende selbst vollbringt (wenn ein Futur angesprochen wird) bzw. wer oder was die Aktion setzt, die das „Erleiden“ des nen Hymnus gilt unbestritten, daß dessen Dichter seine eigene „Regie“ des Darstellens hat, zumal wenn es sich um ein lobpreisendes Lied handelt. Da muß man die gewählten und eingesetzten Verben wie überhaupt das Ganze selbst sprechen lassen und ihnen zuhören, was sie sagen. Man sollte bei ihnen keine theologisch oder philosophisch bestimmten Unterscheidungen und Betonungen suchen. Der Dichter wählt aus dem Sprachschatz, den er zur Verfügung hat oder den er „irgendwoher“ von anderen übernimmt, frei aus und bestimmt selbst (und allein), was er im konkreten Fall seines Singens die einzelnen verwendeten Lexika-Wörter sagen lassen will, in seinem Anliegen, oder er gibt ihnen sogar einen „neuen“, bisher so noch nicht verwendeten Sinn. Er kann Metaphern übernehmen, aber auch neu erfinden. Deswegen bestimmen z. B. nicht die Lexika noch Fachbücher, was er in 2,6 mit ouvc a`rpagmo.n h`gh,sato oder mit e`auto.n evke,nwsen genau sagen durfte und gesagt hat. Das gilt für alle diese dichterisch gestalteten Texte, was keineswegs verhindert, ihre Bedeutung vielfältig nachforschend zu ergründen zu versuchen. Maßgeblich bleibt jedoch der Text selbst. 17 Wir weisen nochmals mit Nachdruck darauf hin, daß von einem (Aus)Tausch, welchen Sinnes auch immer, nirgends die Rede ist. Dazu sei, neben dem, was wir dazu oben schon gesagt haben, auf folgende inakzeptable Sätze hingewiesen. Zu 2,7 heißt es u. a.: „ ‚Er entäußerte sich‘ wird verdeutlicht (!) mit der ‚Daseinsweise des Sklaven‘. Bleibt dabei noch unscharf, was genau gemeint ist, wird mit dem ‚Gleichbild der Menschen‘ der Prozeß (!) zu einem gewissen Abschluß gebracht. Die Welt Gottes ist gänzlich verlassen, die niedere Menschenwelt ist endgültig erreicht. … Der Gegensatz, der die VV 6 und 7 bestimmt (tut er das überhaupt? R. S.), läßt nur die Antwort zu: Er gab auf, was er besaß. Gott wurde Mensch! Die Trennung, die zwischen der Welt Gottes und der der Menschen existiert, konnte (!) nur durch diesen Schritt überbrückt werden“ (118). Dazu auch: „Das Anliegen des Satzes besteht … darin, … den grundlegenden Wandel zu veranschaulichen. An die Stelle der bestimmenden Göttlichkeit tritt die bestimmende Sklaverei“ (119).
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anderen bewirkt (Hinweis hier auf das sog. theologische Passiv). Ähnlich im Griechischen, was an ntl. Beispielen offenkundig wird. So steht geno,menoj z. B. in Gal 4,4 in passiver Verwendung: Gott handelt, seinen Sohn sendend geno,menon evk gunaiko,j und geno,menon u`po. no,mon; beides hat Gott als „Urheber“. Anders verhält es sich mit der Aussage in Joh 1,14. Sie lautet: Kai. o` lo,goj sa.rx evge,neto – Und das Wort ist Fleisch geworden, was offensichtlich als „Tat“ des Logos angesagt ist, von dem 1,1–14 spricht. Entsprechend ist auch Phil 2,7c das evn o`moiw,mati avnqrw,pwn geno,menoj, das im Gefolge von „er entäußerte sich- selbst“ gesetzt ist, zu lesen (und folglich richtiger so zu übersetzen: „zum Gleichbild der Menschen geworden“).18 Für alle diese Verben, „entäußern“, „annehmend“ und „geworden“, und was sie sagen, ist genau zu beachten, daß sie und in welcher Weise sie einander zu- und zusammengeordnet sind (mit kai. in 7d beginnt eine zweite Dreiergruppe von Verben). „Knechtsgestalt annehmend“ und „zum Gleichbild der Menschen geworden“ geben beide dasselbe zu verstehen, sagen es aber mit je anderen Worten, die dabei auch ihren eigenen Aussage-Inhalt behalten und mit-ansagen, um so „dasselbe“ in seiner unaussprechlichen Fülle ins hymnische Wort zu bringen. Wir bemerken weiters ausdrücklich, daß der Text neben dou/loj – Knechtsgestalt von „zum Gleichbild der Menschen geworden“ spricht und nicht einfach „Mensch geworden“ sagt. Damit ist es verwehrt, für 2,7–8 einfach von „Menschwerdung“ zu sprechen. – Die weitere Dreiergruppe formuliert: „und der äußeren Erscheinung nach als Mensch erfunden erniedrigte er sich-selbst gehorsam geworden bis zum Tod, Tod am Kreuz“. Diese Wendungen als „Beschreibung des Menschseins“ (nach Menschwerdung) zu begreifen, ist absurd. Der Versteil 7d erklärt das, was zuvor in 2,7a. b.c ausgesprochen war, als etwas, das für die, die Jesus erlebt haben, auch wirklich erfahrbar war und tatsächlich erfahren wurde. So wird das evke,nwsen von 7a durch evtapei,nwsen gleichsam wiederholt, durch ein anderes Wort, das sachlich dasselbe anders aussagt. Hier begegnet zudem das zweite Mal geno,menoj, das wieder das persönliche „Tun“ Jesu Christi (7.a.b) herausstellt: Er wurde gehorsam, eine Wendung, die für alle, die die Jesus-Bekundung des NT kennen, einen unüberhörbaren Klang hat. Mit „bis zum Tod“ ist entschieden mehr ausgesagt als nur „ein Leben lang“. Vielmehr ist aufs kürzeste das alles Entscheidende bekundet: Jesu Christi Tod am Kreuz, eine Formel, die aufs deutlichste auf das Pascha-Geschehen hinweist. Wieder muß betont werden, daß alle diese Aussage-Teile in 7d und 8 von entschieden mehr als bloß von „Menschsein“ Jesu Christi sprechen.
18 Die Verseinteilung von 7 und 8 ist unglücklich; sie widerspricht dem griechischen. Gnilka über-
setzt schon korrigierend, doch ungenügend. Er schreibt: „… sondern er entäußerte sich selbst, Sklavendasein annehmend, ein Gleichbild der Menschen wurde er; und im Äußern erfunden als Mensch erniedrigte er sich selbst (und) wurde gehorsam bis zum Tod …“. Richtig muß es heißen: „sondern er entäußerte sich-selbst, Knechtsgestalt annehmend, ein Gleichbild der Menschen geworden; und in der Erscheinung als Mensch erfunden erniedrigte er sich selbst gehorsam geworden bis zum Tod am Kreuz …“.
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Als Ergebnis dieses Überblicks kann festgehalten werden: Der Text Phil 2,5–11 gibt keinerlei Anlaß, seinen reichhaltigen konkreten Aussage-Inhalt überhaupt mit dem Begriff „Menschwerdung“ wie „Inkarnation“ zusammenfassend wie im einzelnen anzusprechen.19 Diese Begriffe sind in der Suche nach gültigen systematisierenden Kategorien erst relativ spät gebildet und in die theologische Sprache eingeführt worden. Es verbietet sich, das, was in Phil 2,5–11 tatsächlich ins hymnische Wort gebracht ist, unter diese Kategorien einzuordnen, das um so mehr, als es sich um die lobpreisende Bekundung eines sogar in der Geschichte Gottes selbst absolut Einmaligen handelt, das kein Vergleichbares kennt.
19 Der Begriff „Inkarnation“, der nur viermal gesetzt erscheint, wird tatsächlich als synonymes Wort
für „Menschwerdung“ gebraucht, meist sogar in einem Text, in dem „Menschwerdung“ das Stichwort ist für das, was dort verhandelt wird. Die folgenden Beispieltexte zeigen das hinreichend deutlich. In der Auslegung von 2,7 findet sich u. a. dies: „Wenn also schon e`auto.n evke,nwsen die Menschwerdung bezeichnet, stellt sich die Frage, wie diese gedacht ist. Der Gegensatz, der die VV 6 und 7 bestimmt, läßt nur die Antwort zu: Er gab auf, was er besaß. Gott wurde Mensch! … daß es die Inkarnation des Gottwesens aussagt“ (118; das wird nochmals betont: „… die Gedankenrichtung weist auf die Inkarnationsaussage“: 119). – In der weiteren Besprechung von 2,7 heißt es: „Der Duktus des gedanklichen Fortschritts … bleibt … bewahrt, wenn man o`moi,wma mit Gleichbild übersetzt. Es geht dem Dichter um die volle Inkarnation“ (121). Die eigenartige Wendung „volle Inkarnation“ versteht sich aus der Diskussion um das rechte Verständnis des MenschSeins in 2,7. Dazu diese Beispiele: Es wird vom „wirklichen Menschenleib“ gesprochen (121). Zu 2,8 wird u. a. dieses gesagt: „Präexistensgedanke … Er betont im Hinblick auf den Menschgewordenen nicht bloß den Gehorsam, sondern auch die ganze Realität des Menschseins. … die radikale Beschränkung auf menschliches Dasein im Sinne des konkreten …, konkretes geschichtliches Tun und Erleiden, tätige Anerkennung der Zufälligkeit und Begrenztheit des Menschseins in all seinem Ausgeliefert- und Bedingtsein, seiner Unabgeschlossenheit und Unvollkommenheit. Das gehorsame Eingehen auf die Verfaßtheit der irdisch-kontingenten Existenz findet seinen sprechendsten Ausdruck im Tod“ (123). Dann: „… ist die tapei,nwsij des Einen aber in der Tat nicht zur Imitation vorgegeben. Sie beruht auf sich. In ihr offenbarte sich das Gottwesen als Mensch, im Fleisch“ (124). – „Inkarnation“ findet sich noch in diesem Satz: „… macht darauf aufmerksam, daß das Schema von Inkarnation und Erhöhung, das das Lied beherrscht, mit dem paulinischen von Kreuz und Auferstehung konkurriert …“ (124). Vgl. dazu die Aussagen im folgenden Abschnitt G. V. u. VI.
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Abschnitt F Die Herkunft Jesu Christi nach Joh 1, insbesondere 1,14 Wie bei dem zuvor besprochenen Text Phil 2,5–11, so schauen wir hier auch auf Joh 1,14 im Sinne unserer Untersuchung zur Frage nach der Herkunft Jesu Christi. Wegen der Eigenart dieses Textes Joh 1,14 müssen wir allerdings auch besonders aufmerksam auf 1,1–18 insgesamt achten. Denn nur innerhalb dieses Kontextes (und natürlich des ganzen JohEv) ist hinreichend eindeutig zu erheben, was in diesem Text explizit ausgesagt erscheint.1
1. Der Aussagegehalt von Joh 1,14
Bei einem einzelnen und zudem sehr kurzen Satz wie 1,14 mag es auf des ersten Blick sinnlos erscheinen, die Frage nach dem von ihm explizit Ausgesagten zu stellen. Hier ist es aber in jeder Hinsicht angebracht, diesen Satz selbst zunächst wirklich allein sprechen zu lassen, freilich unter Beachtung seines eigenen, zumal hymnusartigen Kontextes. Wir tun es sogleich im Gespräch mit einem Kommentar (Schnackenburg), damit deutlicher hervortritt, was in 1,14 tatsächlich gesagt ist. Wir schauen dazu auf den uns faktisch vorliegenden Joh-Text, der ja offensichtlich Teile eines vorgegebenen, in das JohEv übernommenen Hymnus enthält, der zwar auch selbst als dieser exegetisch erhoben werden muß, was aber unsere Aufgabe hier nicht bestimmt. Wir schauen auf den Johannes-Text und lassen ihn sprechen. Kai, – und. Das ist unbestritten ein Neuansatz im bewußten Anschluß an 1,1–5.10. Der, von dem in 1,1–5-9–20.22 als dem Subjekt des Satzes gesprochen wird, ist auch hier wieder, dazu prononciert, als Subjekt gesetzt. So reiht sich 1,14 in die kai,-Folge von 1,1–5 ein bzw. schließt sich, mit nochmals wiederholtem kai, in 14b, an diese Folge an. (Daß diese Folge-Sätze alle mit kai, einsetzen, fällt ohne Zweifel auf und sei daher notiert, rät aber auch, es zu beachten und zu werten!) o` lo,goj – das Wort. Damit ist in 1,14 nicht nur der in 1,1 so Genannte wiederholt an den Anfang des Satzes gestellt. Vielmehr will dieses neu aufgegriffene o` lo,goj, jetzt als „dieser Logos“ verstanden, offensichtlich alles das als gesagt und als begriffen beachtet wissen, was in 1,1–13 zur Sprache gebracht wurde. Es ist ungerechtfertigt, ja 1
Wir betrachten Joh 1,14 hier wegen der kaum übersehbaren Fülle der Literatur nur beispielhaft im Gespräch mit dem einschlägigen Joh-Kommentar Schnackenburgs, Freiburg 21967.
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Abschnitt F:
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text-verfälschend, jetzt selektiv nur einiges als zuvor betont Genanntes nochmals anzuführen. So verfährt Schnackenburg, der so schreibt: „In unüberhörbarer Paradoxie wird gesagt, daß der an Gottes Seite weilende, mit göttlicher Würde bekleidete, ganz vom göttlichen Leben erfüllte Logos (gibt das überhaupt das in 1,1 Gesagte wieder??) in die Sphäre des Irdisch-Menschlichen, des Stofflich-Vergänglichen eintrat, indem er Fleisch (Hervorhebung durch Schnackenburg!) wurde“ (241). In diesen Kommentarsätzen wird einiges des in 1,1–5 Ausgesagten nicht schlicht wiederholt aufgeführt, sondern es wird durch andere Worte und kaum berechtigte Formeln „interpretiert“ vorgestellt. Natürlich ist nicht alles in 1,1–13 Gesagte nochmals zu wiederholen; aber selektiv nur einiges nochmals zu betonen, verdunkelt das in 1,14 tatsächlich Bekundete. Das wird sogleich deutlich an Folgendem: Das h=n in 1,1.2.3.4.5.9.10 ist ein imperfectum durationis (Zerwick), bedeutet also nicht einfach „war“, gar als Präteritum, sondern „währendes“ sein, somit „war“ und „ist“, mit allen Folgen für das rechte Verständnis von 1,14 (und des JohEv insgesamt). Daher gilt, daß die Aussage 1,14 nicht nur von dem „an der Seite Gottes Weilenden (auch das schon eine Verkürzung des in 1,1b Ausgesagten!)“ spricht, sondern auch von dem (es ist derselbe!), der „in der Welt war/ist, und durch den die(se) Welt geworden ist, und die ihn nicht erkannte“ (10). Schnackenburg verkürzt und verfälscht die Bekundung 1,14, wenn er schreibt, daß dieser „Logos in die Sphäre des Irdisch-Menschlichen, des Stofflich-Vergänglichen eintrat (!), indem (!) er Fleisch wurde“ (241). Das stellt die tatsächliche Aussage 1,14 auf den Kopf! In 1,14 ist eindeutigst gesagt: „Der in der Welt (von Anfang an) Seiende, durch den die(se) Welt geworden ist, die ihn jedoch nicht an- und aufnahm (warum sie dies nicht tat, wird hier nicht näher gesagt!)“ (1,10), der „wurde Fleisch“. Es sind gerade keine neuen Verben eingesetzt; auch werden keine näheren Angaben zum Wie dieses „Tuns“ („werden“) gebracht, und die „Welt“ wird nicht wertend, einengend oder genauer definierend bestimmt! (Übrigens: „In diese Welt Kommende“ sind nach 1,19 die (d. i. alle) Menschen!).2 2
Das in 1,1b ausgesprochene h=n pro.j to.n qeo,n wird mit „an Gottes Seite weilend“ eingeengt. Denn ei=nai mit pro.j bedeutet schlicht „bei, auf hin“, ob zeitlich oder räumlich verstanden, oder auch – das ist bedeutsam! – als intentionalpersönliches „Tun“ (Selbstvollzug der Person) dessen, von dem es ausgesagt wird; es hat also eine Aussage-Fülle, die offengehalten bleiben muß, auch wenn der Text selbst nichts Genaueres kundtut. Der schlichte, aber alles (wenngleich Unauslotbares!) aussagende Satz 1,1c „Gott war der Logos“ kann unmöglich mittels „mit voller göttlicher Würde bekleidet“ und „ganz vom göttlichen Leben erfüllt“ auslegend wiedergegeben werden; das tun ist eine Ungeheuerlichkeit. Wenn Schnackenburg zur Besprechung von 1,14 mit solchen Formulierungen meint beginnen zu müssen, dann müßte er folgerichtig hier alle seine zuvor gegebenen Kommentaraussagen zu 1,1–13 wiederholen – wenn sie in sich richtig und begründet gültig sind. Offenbar hat er jedoch die Absicht, die „unüberhörbare Paradoxie“ des in 1,14a Angesagten auszuformulieren. Doch 14a bringt keine paradoxale Formel, sondern ein Geschehen(es) ins Wort, wie immer man sich von diesem „Ereignis Gottes“ betroffen erleben mag. Der durch 1,1–13 reichhaltigst Charakterisierte tat es; er wurde Fleisch! – Hier kann auch auf 1,10 (mit Rückgriff auf 1,3) hingewiesen werden, wo das Verb „werden“ mehrmals begegnet, irgendwie passivisch aufgrund des „Tuns“ des Logos verstanden.
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sa.rx evge,neto – er wurde Fleisch. Beide hier eingesetzten Wörter sind gleichsam eins nach dem anderen in den Blick zu nehmen, um so hervorzuheben, was sie in diesem ihrem Kontext zur Sprache bringen. Wir beginnen mit „evge,neto – er wurde“. Wir hatten schon öfter die Eigenart gerade dieses Verbs „werden“ aufmerksamst zu beachten. Mit ihm, aktivisch verstanden, kann das „Tun“ dessen bezeichnet werden, von dem die Rede ist, meistens im Sinne des Futurs (das Kind wird ein Erwachsener); es kann aber auch, passivisch verstanden, das angeben, was durch das Agieren eines anderen zu erleiden ist (er wird gelobt; Leideform). In 1,14 ist evge,neto aufgrund des Kontextes klar im aktivischen Sinn zu verstehen; es ist die „Tat“ des Logos angesprochen. Dazu muß allerdings sogleich mit-beachtet sein und bleiben, daß „werden“, wenngleich als „Tat“ dessen genannt, von dem die Rede ist, überhaupt keine nähere Angabe mitaussagt, was der Betreffende da „tut“ oder wie (womit, wodurch?) er dieses „werden“ vollbringt. Dieses ganz eigentümliche Offensein und -bleiben der Real-Bedeutung des Verbs „werden“, wenn nach dem Was und Wie solchen „Tuns“ gefragt wird, haben wir schon öfter erkannt und darauf besonders achten müssen, weil oft Bedeutsamstes offenkundig wird.3 Gelegentlich gibt das, worauf sich das aktivisch eingesetzte „werden“ unmittelbar bezieht, schon eine nähere Auskunft, was jedoch nicht immer der Fall ist. Schauen wir daher auf 1,14, was es in seinem Kontext sagt. Es heißt: „Er wurde Fleisch“. Gibt in diesem Fall der Ausdruck „Fleisch“ eine nähere Auskunft? Die Vielfalt der Versuche, den wesentlichen und hinreichend eindeutigen AussageGehalt dieses Wortes „Fleisch“ im Kontext des JohEv zu erfassen und begründet anzugeben, ist allzu bekannt, um sagen zu können, die gewünschte Klarheit sei erreicht. Die Variationsbreite der im Kommentar vorgetragenen Feststellungen eines einigermaßen deutlich sprechenden und dazu wirklich gültigen Aussage-Gehaltes von „Fleisch“ ist unübersehbar.4 Lexikalische, religions- und begriffsgeschichtliche, 3
4
Auch der dort folgende Satz entspricht nicht dem, was 1,1–14 klar ausspricht: „Der Logos war schon (!) in einer geistigen Weise (?) in der Welt anwesend und wirksam, wenn er auch auf Ablehnung bei den Menschen stieß (VV 10f – 3. Strophe); nun aber geschieht das Unfaßbare: Er kommt sogar (!) ins Fleisch, wird Mensch und schlägt sein Zelt unter den Menschen auf “ (241). Das „h=n – war“ wird im Kommentartext durch „schon“ (das der Joh-Text nicht sagt!) doch irgendwie näher bestimmt, wohl ausgelöst durch den mißverstandenen Aorist evge,neto. Daß der Logos „in einer geistigen Weise schon in der Welt anwesend und wirksam war“, wird einfach behauptet, ohne daß erklärt würde, was unter „in einer geistigen Weise“ eigentlich verstanden werden soll. Der JohText selbst kennt keine unterschiedene „Weisen“ des In-der-Welt-Seins des Logos, etwa vor und nach dem mit evge,neto Bezeichneten. Daß er „anderes“ gemäß 1,14 gleichsam zusätzlich wurde, ist keine andere Seinsweise des Logos. Auch wird die Textaussage „die Welt erkannte ihn nicht“ mit „Ablehnung bei den Menschen“ keineswegs gültig ausgelegt. – Für die eigenartige Redeweise von Seinsweisen s. auch die bemerkenswerten Sätze S. 242, wo auch von „Veränderung der Seinsweisen“ gesprochen wird. –– Zur bleibenden Offenheit der Bedeutung des Verbs „werden“ sei auch auf unsere Besprechung von Phil 2 hingewiesen: oben E.2.b. Kommentar-Texte, die zur Bedeutung von „Fleisch“ gerade in 1,14 Näheres anzugeben versuchen: In der „Einführung in den Prolog“ lesen wir u. a.: „die Wahl von sa,rx für die Menschwerdung braucht zunächst im Hinblick auf 1 Tim 3,16a; vgl. Röm 1,3; Hebr 5,7; 10,20; 1 Petr 3,18 nicht zu
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ja auch bibeltheologische Untersuchungen können hier offensichtlich grundsätzlich nichts end-gültig Verbindliches offenzudecken versuchen. Heißt das aber, daß im Endergebnis schlicht überhaupt nicht aussprechbar ist, was sich in 1,14 als bekundet vorfindet? Unsere Antwort auf diese Frage, die wir hier geben möchten, geht von der Grund-Überzeugung aus, daß vor allen Versuchen der gültigen Angabe des eigentlichen Aussage-Inhaltes von „Fleisch“ in 1,14 das alles Entscheidende vorher und zuerst und bleibend zur Kenntnis zu nehmen und anzuerkennen ist. Damit meinen wir dies: Es handelt sich in 1,14 um ein absolut einmaliges Ereignis innerhalb der Heilsgeschichte, ja der Lebensgeschichte Gottes selbst mit seiner Schöpfung, das hier ins bekundende und bekennende, ja hymnisch zu feiernde Wort gebracht ist. Wie dem überraschen, trägt aber im Logos-Hymnus doch einen besonderen Akzent, da nicht die irdische und spätere ‚pneumatische‘ Seinsweise wie in jener alten sarx-pneuma-Christologie gegenübergestellt werden, sondern aller Nachdruck auf das Eintreten des Logos in den irdisch-stofflichen Bereich fällt …“ (207). –– Zu 1,12 wird u. a. gesagt: „Ähnlich wie in der Gnosis der Gesandte aus der himmlischen Welt inmitten der irdischen Fremde die Seinigen findet, die seine ‚Offenbarung‘ hören und Gnosis lernen, trifft im Joh der fleischgewordene Gottessohn auf Menschen, die ihm zuhören“ (237). –– Zu 1,14 finden sich bezeichnende Angaben: „In unüberhörbarer Paradoxie wird gesagt, daß der an Gottes Seite weilende, mit voller göttlicher Würde bekleidete, ganz von göttlichem Leben erfüllte Logos in die Sphäre des Irdisch-Menschlichen, des Stofflich-Vergänglichen eintrat, indem er Fleisch wurde. … Der Logos war schon in einer geistigen Weise in der Welt anwesend und wirksam, wenn er auch auf Ablehnung bei den Menschen stieß (VV 10f – 3. Strophe); nun aber geschieht das Unfaßbare: Er kommt sogar ins Fleisch, wird Mensch und schlägt sein Zelt unter den Menschen auf; … dürfte dieses geschichtlich-einmalige und besondere Kommen des Logos im Fleisch schon ab V 9 vorausgesetzt sein; jetzt wird es in seiner vollen Realität herausgestellt“ (241). Dazu sogleich weiter: „Mit evge,neto wird eine Veränderung in der Seinsweise des Logos angesagt: Vorher war er in der Herrlichkeit bei seinem Vater (vgl. 17,5.24), jetzt übernimmt er die Niedrigkeit der irdisch-menschlichen Existenz; vorher war er ‚bei Gott‘ (1,1b), jetzt schlägt er sein Zelt bei den Menschen auf, und zwar in menschlicher Gestalt, in der vollen Realität der sa,rx, um nach der Rückkehr zu seinem Vater die Herrlichkeit der himmlischen Seinsweise wiederzuerlangen (17,5). … Die Inkarnation, das ‚Kommen im Fleische‘, geschieht, um den irdischen Menschen die himmlische Offenbarung und das göttliche Leben zu bringen (vgl. 3,31–36). Das ‚Fleisch-Werden‘ des Logos bezeichnet also einen Wendepunkt in der Heilsgeschichte; … der Weg des Erlösers hinab ins Fleisch und durch das Fleisch empor zur himmlischen Herrlichkeit“ (242). Dem folgt sogleich: „Warum spricht der Logoshymnus vom ‚Fleisch‘-Werden und nicht einfach vom ‚Mensch‘-Werden? Das absolut stehende sa,rx ist nicht schlechthin eine Umschreibung für ‚Mensch‘ (wie pa/sa sa,rx 17,2), sondern im joh. Denken Ausdruck für das Irdisch-Gebundene (3,6), Hinfällig-Vergängliche (6,63), gleichsam das Typische rein menschlicher Seins-weise im Unterschied zu allem Himmlisch-Göttlichen, Göttlich-Geistigem. … Dagegen ist das Moment des sündigen, zur Sünde neigenden oder der Sünde verhafteten Fleisches (1 Joh 2,16) hier nicht gegeben; Christus im Fleische ist für Joh nicht Repräsentant. der adamitischen Menschheit wie für Paulus (Röm 8,3), sondern Heimführer der erdgebundenen Menschen in die himmlische Welt des Lebens und der Herrlichkeit … Das in der Inkarnation vom Logos angenommene ‚Fleisch‘ ist die Voraussetzung für den blutigen Kreuzestod (vgl. Joh 19,34; 1 Joh 5,6). Sa,rx sagt die volle Menschheit an; …“ (242 u. 243). Wir können zu den einzelnen Beispieltexten aus Platzgründen hier keine kritischen Bemerkungen anbringen, obwohl sie äußerst notwendig sind; wir belassen es den Lesern, die bei wachem Betrachten der Aussagen selbst auf die zu beanstandenden Aussageteile stoßen werden.
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Schöpfungswerk Jahwes, dann seinem Erlösungsratschluß kein Gedanke oder gar ein besonderes, angebbares „Tun“, Denken oder Wirken, nicht einmal in Gott selbst!, zuvor war und daher vergleichbar oder deswegen auch begrifflich erfaßbar neben und nach ihm real bestand oder bestanden hat, so auch dem in 1,14 Bekundeten nicht. Es ist in einem absoluten Sinn einzig-artig, was 1,14 ausspricht (schon „einzig-artig“ ist dafür kein adäquater Ausdruck, da er schon zu zählen scheint). Die einzig mögliche, aber voll-gültige Antwort gibt das JohEv als euvagge,lion tou/ qeou/. Besser noch: Die Antwort ist der, der als JESUS IMMANUEL erlebt wurde! Er, und einzig er war/ ist er-selbst, war/ist wer und was er ist und ließ sich selbst erkennen, um glaubend angenommen und bekenntnishaft bekundet werden zu können, in seiner, ihm allein eigenen Wahrheit, er-selbst in Person – bzw. der Vater! Dieses ein für alle Mal grundsätzlich allem Verstehen- und Begreifen-Wollen bleibend voraus-gesetzt, haben alle klärend-auslegende Versuche, das „er wurde Fleisch“ näher bzw. mit anderen Worten auszusprechen, ihre Berechtigung und sind, wenn berechtigt erfolgt, fruchtbar für die Einsichtnahme in die unauslotbare Fülle dessen, was jedenfalls die Heilige Schrift in ihrer schlichten und zugleich reichen Ausformulierungsweise bekundet und zum Er-und Mit-Leben schenkt. Mit dieser Erkenntnis des tatsächlichen Aussage-Inhaltes von 1,14 ist zugleich auch schon festgestellt, daß dann, wenn das dort Bekundete als „geschichtliches Ereignis“ (241) zu verstehen ist, innerhalb einer schon von Gott und Geschöpf her geschehenden Geschichte (meist Heilsgeschichte genannt, wenngleich sie entschieden mehr ist) geschehen, tatsächlich von einem realen Da-Sein und Wirken/Handeln Gottes selbst gesprochen wird, weil davon in Wahrheit zu sprechen ist. Gemäß 1,14 gilt das, wenn es real so gemeint ist, auch für 1,9f und 1,14 zusammengeschaut: „Er, der in der Welt war/ist, der wurde Fleisch“. Von daher gesehen ist folglich prinzipiell und vor aller theologischen Erfassung anzuerkennen, daß Gott persönlich und eben auch der Logos persönlich (da er Gott ist) in dieser Geschichte da-ist (an-wesend und sie mit-erlebend!) und somit geschichtlich erfahrbar wirkt/handelt. Wenn demgegenüber doch behauptet wird, daß Gott der Welt gegenüber (d. i. in seiner Welt lebend), nämlich transzendent ist, dann ist das ein offener, prinzipieller Widerspruch gegen eigene Auffassungen sowohl von Gott wie von Welt. Daher greifen auch sog. historische Untersuchungen (im heutig-allgemeinen Verständnis) im Falle 1,14 (wie in vielen anderen; vgl. Auferweckung Jesu Christi!) prinzipiell zu kurz, mit allen Folgen für eine Theologie, die sich dieser prinzipiellen Beschränkung (vielleicht unbewußt und unbemerkt) unterzieht. Damit haben wir im Grunde auch schon 1,14b und 14c für unsere Frage hinreichend erfaßt und verstanden. Tatsächlich findet sich dort ja das ausgesagt, was wir für 1,14 erkannt und vorgetragen und womit wir es begründet haben: „Er wohnte unter uns (!); und wir (!) haben seine Herrlichkeit geschaut (!) als des Einzig-gezeugten vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“. Mit diesen Sätzen ist hinreichend eindeutig das Woher des Logos, der Fleisch wurde, angegeben, wie gerade auch das Woher der 260
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uns geschenkten Möglichkeit, das alles gültig zu erkennen, um es zu bekennen und zu leben.
2. „Präexistenz“, „Menschwerdung“, Inkarnation“ – sachlich gerechtfertigte Begriffe für das Verständnis von 1,1–14? a) „Präexistenz“
In seiner „Einführung in den Prolog“ (Joh 1,1–18) verwendet Schnackenburg den Begriff „Präexistenz“ auffallend häufig, ohne ihn näher zu bestimmen. In der Frage nach Absicht und Ziel dieses „Prologes“ zum JohEv heißt es sogleich so: „Außer den Versen 1,6–8 (und 15) besteht keine unmittelbare Verbindung (von 1,1–5: R. S. aus dem Kontext) zum Folgenden (etwa über die Zeit der Jugend und Zurückgezogenheit); die Präexistenz und Inkarnation des Logos wird (wenigstens in dieser oder einer ähnlichen Form) im Ev kaum reflektiert oder rekapituliert (außer 1,30; 8,58; 17,5); die ‚Schlußbemerkung‘ 20,30f nimmt darauf keinen Bezug und scheint das Ev auf die Zeit des Wirkens Jesu in der Welt (die Zeit der ‚Zeichen‘) zu beschränken“ (198). Zu einer etwas anderen Meinung über den „Prolog“ wird dieses gesagt: „Wenn Lukas seinem Ev, verglichen mit dem Mk-Ev, eine ‚Kindheitsgeschichte‘ vorausgehen ließ und Matthäus unter anderen Gesichtspunkten sein Ev mit einer Genealogie und weiteren, die davidische Herkunft Jesu stützenden Erzählungen begann, kann man verstehen, daß Joh aufgrund seines Christusbildes die ‚Geschichte‘ Jesu bis in seine Präexistenz zurückverfolgen, den ‚Anfangsbericht‘ in den ‚Uranfang‘ verlegen und davon preisend-bekennend künden wollte. Dann ist der Prolog nicht nachträglich, nicht wie zufällig zum Ev hinzugewachsen, sondern theologisch überlegt, aus christologischen Gründen vorausgeschickt …“ (198). Das alles wird noch weiter bedacht und besprochen.5 Entscheidend ist, daß noch vor der Auslegung des Joh-Textes selbst 5
Schnackenburg fügt noch eine andere Möglichkeit des Verständnisses des Prologs an, die allerdings irgendwie dasselbe, doch nochmals anders sagt: „In der Tradition der Evangelienschreibung stehend, wollte der Verf. gewiß einen Bericht geben, der das Wirken Jesu auf Erden beschreibt, wie er es im Glauben sah (20.30f); aber er wollte auch entsprechend seinem Christusglauben den üblichen Rahmen sprengen und das Geheimnis der Herkunft Jesu (das im Ev oft genug aufleuchtet) seinen Lesern gleich am Anfang enthüllen. Das lag in seiner Intention, aber diese Aufgabe zu lösen, war nicht einfach. Darum benutzte er – das muß hier gleich hinzugenommen werden (s. u. 2) – ein urchristliches Lied, das Christus in seiner Präexistenz und Inkarnation besang, kommentierte es mit einigen Zusätzen und verband es durch Klammern mit dem EvBericht“ (199). Die Fragwürdigkeiten dieses Gedankens übergehen wir hier; es wird aber sichtbar, was „Präexistenz“ eigentlich bedeuten soll und auf wen es angewendet wird. In diesem Fall nämlich auf Jesus („das Wirken Jesu auf Erden“), dann aber auf den Christusglauben, der „Geheimnis der Herkunft Jesu“ genannt wird, und „das Lied, das Christus in seiner Präexistenz und Inkarnation besang“.
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die Kategorie „Präexistenz“ gleichsam als Oberbegriff für das eingesetzt wird, was Joh in 1,1–5 zum Logos ausführt. Es wird von der „Präexistenz des Logos“ gesprochen (199 u. ö.); es wird auf die „drei Seinsweisen Christi“ in den „urkirchlichen ‚Christushymnen‘“ hingewiesen: „Präexistenz – irdisches Leben – Erhöhung“, die „auch in dem Christushymnus des Prologs zu erkennen“ seien (200). Was so zunächst nur einführend festgestellt wurde, erscheint dann ausdrücklich im Kommentar zum Text. So findet sich zu 1,1 dieser erste Satz: „Drei fundamentale Sätze beschreiben (!) das präexistente, ewiggöttliche Sein des Logos“ (209). Dann im sogleich Folgenden: „Es ist das personale ‚Wort‘, das in geschichtlicher Zeit Stunde ‚Fleisch‘ wurde, Jesus Christus, dessen Existenz hier bis in die ‚Vorzeit‘ der Welt, in die göttliche Ewigkeit zurückgeführt wird. Die Wendung (d. i. „im Anfang“) will nicht den Existenzbeginn der geschaffenen Welt markieren, sondern das vorweltliche Sein des Logos ausdrücken. Was schon ‚im Anfang‘ existierte, hat einen Vorrang vor aller Schöpfung. … Er existierte schon damals, absolut, zeitlos-ewig. Es ist eine reale, personale Präexistenz (vgl. 1 Joh 1,1; 2,13a), ein Gedanke, der sich in dieser Klarheit nur im Christusbekenntnis der christlichen Gemeinde findet“ (209).6 Im weiteren Verlauf der Auslegung wird dann anstelle von „Präexistenz des Logos“ oft auch „Präexistenz Christi“ gesetzt bzw. vom „präexistenten Christus“ gesprochen (214 u. ö.), somit „Logos“ und „Christus“ einfach synonym verstanden, was jedoch so einfach nicht dem Joh-Text entspricht. Bezeichnend ist sodann diese Formulierungsweise, die sich in der Auslegung von 1,9 findet: „Der christliche Hymnus aber besteht darauf, daß der Logos, Christus in
6
Vom Logos wird hier überhaupt nicht gesprochen, wenngleich er allein in 1,1–5 genannt ist! –– Auch die folgende Stelle ist aufschlußreich: „Die Schau der do,xa des inkarnierten Logos bleibt auch für den späteren Glaubenden durch das ‚Zeugnis‘ derer, die das Ereignis seines geschichtlichen Auftretens miterlebt haben, möglich, und unter diesen Zeugnissen ist an dieser Stelle das des Täufers wertvoll, weil es die Präexistenz des Logos, die vorher hymnisch-bekenntnismäßig hingestellt wurde, bestätigt“ (199). Wir bemerken im oben zitierten Text das oftmalige Vorkommen von „existieren“ bzw. „Existenz“, „Existenzbeginn der geschaffenen Welt“ usw., die im Joh-Text gar nicht begegnen. Der Ausdruck „Prä-Existenz“ findet hier bezüglich der mit ihm intendierten Sach-Aussage eine bestimmte Klärung, zumal da es im Text weiter heißt: „er (d. i. im Kontext der Logos in seinem „vorweltlichen Sein“: R. S.) existierte schon damals (!), absolut, zeitlos-ewig“ (im oben zitierten Text 209). Es ist zu fragen: Wo findet der Autor diese Wendungen und Begriffe „existieren“, „schon damals“, „absolut“, „zeitlos-ewig“, die ja der Joh-Text gar nicht kennt und auch nicht suggeriert? Diese Weise zu formulieren wird jedoch weiter angewendet: „VV 1–3 sind keine für sich stehende kosmologische Betrachtung, sondern die erste Strophe eines christlichen Preisliedes auf den Erlöser. So erklärt sich die Bestimmtheit, mit der vom ‚Wort‘ personale Aussagen (!) gemacht werden: er ‚war‘ schlechthin (!), wie eine Person im Selbststand existiert (!), er ‚war bei Gott‘, wie (!) Personen beieinander sind (!), ‚er war Gott‘, wie (!) man das Wesen (!) von Personen beschreibt (!). Mit dem Person-Charakter des Logos ist eine deutliche Trennlinie gegenüber der jüdisch-hellenistischen Weisheitsspekulation gegeben. … Diese ‚Vorgeschichte‘ (!) enthüllt im Ursprung das Wesen (!) und im Wesen die Vollmacht des irdischen (!) Jesus“ (209f). Diese frei erfundene Denk- und Redeweise geht dort noch weiter: 210–212; wir haben durch Zeichen deutlich gemacht, was sehr kritisch anzusehen ist.
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seiner vorirdischen Existenz, diese Fähigkeit und Kraft besaß und in seiner Heilssendung aufs neue bestätigte, weil sie ihm wesentlich eignet (fwti,zei) und weil er das ‚wirkliche‘ Licht ist“ (229). In diesem Satz ist die wie selbstverständlich formulierte Identifizierung von „Logos“ und „Christus in seiner vorirdischen Existenz“ äußerst bemerkenswert. Der „Logos“ erscheint hier mit „vorirdischer“ Christus näher definiert bzw. die „Präexistenz des Logos“ mit „Christus in seiner vorirdischen Existenz“; das ist schlicht als Unmöglichkeit anzusprechen. Auch folgender Satz in der Auslegung von 1,18 ist äußerst bezeichnend, in dem nämlich der Logos mit „Jesus“ auf eigenartige Weise in eins gesetzt wird: „Das einzigartige Sohnesverhältnis Jesu zu Gott dem Vater entfaltet Joh in den Offenbarungsreden seines Ev; für ihn ist der irdisch Sprechende identisch mit dem Logos, von dem der Hymnus sang, so daß sich die Aussagen über die Präexistenz, Gottesnähe und Göttlichkeit des Logos (1,1) in der Selbstbezeugung Jesu fortsetzen (!). Der Inkarnierte hält das unmittelbare Gotteswissen seiner Präexistenz (!) fest, der vom Himmel Herabgestiegene (!) bleibt sich seiner himmlischen Erfahrung (!) bewußt (vgl. 3,32)“ (255).7 Es ist eine Ungeheuerlichkeit, den Text 1,1 („Im Anfang war der Logos, und der Logos war bei Gott, und Gott war der Logos“!) mit der Formel „Aussagen von der Präexistenz, Gottesnähe und Göttlichkeit des Logos“ wiederzugeben. In Wirklichkeit ist das eine Bagatellisierung des unerhört reichen Aussage-Inhaltes des Prolog-Textes. Was dieser schlicht und voll verstehbar in ganz normaler Sprache aussagt, wird mittels erfundener, nichts Konkretes mehr enthaltender Abstrakta angegeben, die nur dieses eine vollbringen: Den Joh-Text in nichtssagendes Dunkel verbannen.8 7
8
Schockierend ist auch dieser Satz Schnackenburgs zu 1,1b: „Das ‚bei Gott‘ ist nach räumlicher Vorstellungsweise gesagt, von der Distanz der Welt zu Gott her gesehen: das ‚in Gott (Vater)‘ drückt vom Standpunkt des auf Erden befindlichen Sohnes seine unvorstellbar tiefe und enge Gemeinschaft mit dem Vater aus, die doch ihren Grund in jenem vorweltlichen Sein ‚bei Gott‘ hat. Im Übergang zum Ev-Bericht findet der Evangelist die beides zusammenfassende Formulierung ‚der an der Brust des Vaters ruht‘ (1,18)“ (211). Zum Begriff „Präexistenz“ bringt Schnackenburg einen besonderen Exkurs, dem er bezeichnenderweise diese Überschrift gibt: „Der Präexistenzgedanke“ (290–302). Es geht also nicht eigentlich um eine Wirklichkeit bzw. ein Ereignis oder das „Was“ (Wesen) einer „Person“, sondern um einen Gedanken, eine Vorstellung bzw. Auffassung. Der erste einleitende Satz ist sehr aufschlußreich: „Es dürfte kaum zweifelhaft sein, daß Johannes der Täufer mit seinem Zeugnis für die Präexistenz Jesu (damit ist 1,30 angesprochen: R. S.) das christliche Bekenntnis ausdrücken soll. … interessiert die religionsgeschichtliche Frage, aus welchen Voraussetzungen der Gedanke an die reale Präexistenz eines Menschen vor seiner Geburt, ja vor der Weltschöpfung (vgl. zu 1,1) auftauchen und sich festigen konnte. Auch die Präexistenz ist sicher kein neuer, vom Himmel gefallener Gedanke; aber der nähere Anknüpfungspunkt des christlichen Bekenntnisses ist nicht nebensächlich. … Sind die jüdischen Voraussetzungen des Präexistenzgedankens ausreichend, um den christlichen Glauben an den präexistenten Erlöser zu erklären, gewiß nicht im Sinne einer bloßen Anwendung jüdischer Theologumena, sondern einer eminenten Übersteigerung …“ (290; es ist äußerst bezeichnend, daß nicht von „biblischen“, sondern von „jüdischen Voraussetzungen“ die Rede ist!). So versteht sich der erste Punkt: „Jüdische Präexistenzgedanken“ (291–296). Was dort verhandelt wird, zeigen die folgenden Zitate: Es beginnt mit: „Nach der jüdischen Theologie existieren für sie bedeutsame
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Insgesamt ist dieses festzuhalten: Schnackenburg verwendet in seinem Joh-Kommentar den Ausdruck „Präexistenz“ in der in der Theologie üblich gewordenen und wie selbstverständlichen Bedeutung, zumal auf Joh 1,1–18. Der Begriff wird nirgends genauer erklärt noch der Sinn seines Einsatzes aufgewiesen. Er ist offensichtlich ein von außen an Joh 1 herangetragener Begriff. Meistens ist er im wörtlichen Sinn als „Prä-Existenz“ verstanden, wobei „Existenz“ (und entsprechend „existieren“) das Da-Sein (dem im philosophischen Sprachgebrauch an sich das So- bzw. Dieses-Sein als Korrelat zugeordnet ist) meint. Das „Prä“ betont für „Existenz“ ein „vor“, „zuvor“ im Blick auf das andere, das meist mitgenannt wird (wenngleich auch oft nur das entsprechende Adjektiv „prä-existent“ gesetzt erscheint, das aber allein für sich gar nichts Konkretes ansagt).9 Der vielfältige Einsatz von „Präexistenz“ (und „präexistent“), den wir aufgewiesen haben, macht deutlich, daß dieses gerade der springende Punkt ist: Das „vor-weltlich“ bzw. „vor-irdisch“ ist das Wesentliche. Dies ist vor allem im zeitlichen Sinn verstanden („vor der Existenz des Kosmos“; „das uranfänglich-ewige Sein des Logos“; „der Logos ist wirklich schon vor der Schöpfung da“; „vorweltliches Sein des Logos“ u.a.: 210f). Doch alle diese Formulierungen mit den von ihnen ausgesagten Sinnbedeutungen gehen, wie die Text-Beispiele erweisen, fehl. Aufs Ganze gese-
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Dinge (!) schon vor der Erschaffung der Welt, und sie bringt dafür jeweils Schriftbegründungen bei. Die Aussagen betreffen meist eine Präexistenz in den Gedanken und Plänen Gottes …“ (291). Daher wird zuerst von der „jüdischen Lehre von der Präexistenz bestimmter theologischer Größen“ (?!) gesprochen (291–294), dann von der „apokalyptischen Vorstellung vom präexistenten ‚Menschensohn‘“ (294–296), der als „präexistentes Himmelswesen“ bezeichnet wird (294). Es folgt dann als zweiter Unterpunkt „Der gnostische Präexistenzgedanke“ (297–300). Wir können hier nicht auf eine nähere Diskussion eingehen; es zeigt sich aber, was alles mit dem „Präexistenzgedanken“ bezeichnet wird, und wir können fragen, was das alles faktisch mit Joh 1 zu tun hat. Tatsächlich bringt Schnackenburg eine Zusammenfassung „Der Präexistenzgedanke im Joh-Ev“ (300–302). Die wichtigsten und uns angehenden Sätze seien zitiert: „Die Aussagen über die Präexistenz des joh. Christus (!), zu denen außer den Stellen im Prolog und dem Zeugnis des Täufers (1,30 vgl. 15) noch seine Selbstaussagen in 6,32; 8,58 und im Hohepriesterlichen Gebet (17,5.24) gehören, aber indirekt noch viele weiteren Stellen hinzukommen, in denen er seine Präexistenz voraussetzt (…), zeigen im Vergleich mit den jüdischen und gnostischen Texten eine unverkennbare Eigenart, obwohl man auch gewisse Berührungen feststellen kann. Für den jüdischen Bereich wurde auf die Ähnlichkeit des joh. präexistenten Logos mit der ‚Weisheit‘ schon genügend hingewiesen, aber auch die reale und personale Präexistenz des Logos, die keine Entsprechung findet, hervorgehoben“ (300). Dann: „Achten wir auf die Präexistenz-Aussagen selbst, so haben sie eher jüdischen als gnostischen Charakter. … Die Herkunft der joh. Präexistenz-Aussagen kann nun aber auch positiv aufgezeigt werden, nämlich aus der schon vor Joh liegenden urchristlichen Christologie. Paulus gibt wenigstens ein Beispiel dafür, wie ein Jude durch Spekulation über Schrifttexte zu Präexistenz-Aussagen gelangen konnte: in der Deutung des in der Wüste mit Israel wandernden Felsen auf Christus (1 Kor 10,4) …“ (301f). Dazu: „… nach der erkennbaren Entwicklung der Christologie kann und muß man fragen, ob die an Christus glaubende Gemeinde nicht auf andere Weise zu ihren Präexistenz-Aussagen gelangt ist … Joh jedenfalls dürfte primär an die urkirchliche Christologie angeknüpft und diese weitergeführt haben“ (302). Diese „urchristliche Christologie“ wird allerdings nie aufgewiesen! Text-Beispiele dafür finden sich im obigen Haupttext sowie in dort angegebenen Anmerkungen.
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hen müßte man nämlich, wenn der auf diese Weise verwendete (aber nie erklärte) Begriff einigermaßen sinnvoll und gültig wäre, zuerst und vor allem die „Präexistenz“ Gott zusprechen. Denn er (wenn man es so formulieren möchte) existiert allein absolut vor allem und jedem, in allen möglichen Sinnbedeutungen. Gott (mit dem JohEv gesprochen: der Vater) ist in Gottselbst der, vor allem und von dem alle und alles her „existiert“, um so mehr und absolut vor allem, das von ihm her überhaupt so etwas wie „Sein“ und „Da-Sein“ hat, das dieses Wort verdient. Weil das gerade nie begegnet, daß von Gottes absoluter „Prä-Existenz“ gesprochen wird, deswegen sind alle anderen Verwendungen von „Präexistenz“ in theologischen Kontexten nach-rangig bzw. partizipieren am Sein Gottes aufgrund seines Sich-Mitteilens.10 b) „Menschwerdung“, „Inkarnation“
Daß im Kommentar zu Joh 1,1–18 diese allgemein üblichen Ausdrücke „Menschwerdung“ und „Inkarnation“ wie selbstverständlich verwendet werden, fordert, so dürfte es allgemeine Überzeugung sein, keine besondere Aufmerksamkeit. Auch daß diese Wendungen wahrscheinlich von 1,14 her ursprünglich gebildet worden sind, wird als indiskutabel gelten. Doch bei näherem Zusehen zeigt sich eine Problematik, die schließlich Christologie und Theologie überhaupt prinzipiell betrifft. Wenn nämlich die neutestamentliche Grundlage dieser Begriffe genauer hinterfragt wird, so zeigt sich in aufregender Weise, in welchem Ausmaß diese irgendwann erstmals eingesetzten und dann allgemein übernommenen Benennungen bzw. Begriffe ganze Problemfelder betreffen, die vom Text des NT selbst her betrachtet gar nicht existieren (müß10 Wir weisen hier auch ausdrücklich auf den Artikel „Präexistenz Christi“ mit seinen Unterab-
schnitten hin: LkThK 8 (1999), 487–491, sowie auf den Artikel „Präexistenzvorstellungen“ mit den bezeichnenden Unterabschnitten „I. Religionsgeschichtlich; II. Philosophie- und theologiegeschichtlich; III. Neureligiös“: ebd. 491–493. Im erstgenannten Artikel bringt H. Merklein im Abschnitt „I. Biblisch-theologisch“ diese Aussagen zum Begriff: „Der Begriff ‚Präexistenz‘ wird im chr. Kontext in der Regel auf Christus bezogen. Er faßt dem Wortsinn nach dessen Existenz vor seinem ird. Auftreten (/Inkarnation) ins Auge. Religions- u. traditionsgeschichtlich, aber auch sachlich geht es primär um die christologisch definierte Vermittlung eines protolog. bzw. eschatolog. Gegenübers, v. dem aus die gegebene Welt (transzendentalphilosophisch od. symbolischkonstruktivistisch) mit einem letzten Sinn versehen werden kann“. Dann werden „religions- und traditionsgesch. Vorgaben“ und der „neutestamentliche Befund“ vorgelegt. Wir können hier nicht näher darauf eingehen, bemerken aber die Eigenart dieser von einem Exegeten stammenden Aussagen. Im „Systematisch- theologischen“ Abschnitt (G. L. Müller) fällt der erste Satz besonders auf: „Mit dem Begriff Präexistenz ist die Grundlagenproblematik der system. Christologie benannt. Das zentrale Bekenntnis z. /Selbstmitteilung Gottes erweist sich nur unter der Voraussetzung als logisch konsistent, wenn das Wort, das Fleisch geworden ist (Joh 1,14), v. Selbstsein Gottes getragen wird (in ihm subsistiert) u. so in der Personalrelation des Sohns z. Vater ‚der wahre ‚Gott‘ ist (1 Joh 5,20)“. Auch auf das dort weiter Vorgetragene können wir hier nicht eingehen. Bezeichnend ist, daß beide Autoren von einem ausgesprochen theologischen Begriff sprechen, den sie sogar als unaufgebbar ansehen. Wir werden auf diese Problematik später noch einmal zu sprechen kommen müssen. S. den folgenden Abschnitt G.II.
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ten). Genau hierher gehören auch „Menschwerdung“ und „Inkarnation“ (und ähnliche), vor allem im Blick darauf, wofür sie schon in der exegetischen Auslegung des JohEv eingesetzt erscheinen, obwohl sie im Text selbst nicht begegnen noch von ihm suggeriert werden.11 Wir nehmen jetzt zur klareren Einsichtnahme dieses Problemfeldes die Kommentar-Aussagen Schnackenburgs zum Anlaß, diesem Fragekomplex auf den Grund zu gehen.12 Zu 1,14 beginnt der Autor sogleich so: „Der Logoshymnus erZu „Menschwerdung“ und „Inkarnation“ als (leider) üblich gewordenen Wendungen bzw. Begriffen sei dies vorweg gesagt. „Menschwerdung“ ist eine Wortbildung, die nur im Deutschen vorkommt, in anderen Sprachen gar nicht begegnet noch überhaupt möglich ist. Die Wörterbücher weisen stets auf „Inkarnation“ im Gebrauch der anderen Sprache hin. Im LThK findet sich unter „Menschwerdung“ nur eine einzige Zeile, nämlich der Verweis auf „Hominisation“ und „Inkarnation“ (LThK 7, 1998, 137)! „Menschwerdung“, wenngleich oft gebraucht, ist neben „Fleischwerdung“ offenbar von Joh 1,14 her gebildet worden. Es bringt jedoch die dortige Aussage wesentlich verkürzt ins Wort. In seinem Kommentar bringt Schnackenburg die Frage vor: „Warum spricht der Logoshymnus vom ‚Fleisch‘-Werden und nicht einfach vom ‚Mensch‘-Werden?“ (243). Es ist schon prekär, vom Verb „werden“ das Substantiv „Werdung“ abzuleiten, nicht nur, weil es sprachlich unschön klingt (Bildungen mit der Endung -ung sind sprachlich sehr oft mißlich), sondern aus sachlichen Gründen. Mit „werden“ wird ja meist, ob im Sinne einer Futur- oder einer Passiv-Aussage in gleicher Weise, etwas eher Punktuelles, ein Faktum o. ä. angegeben, während „Werdung“ etwas suggeriert, das mit einem Allgemeinbegriff angegeben wird bzw. werden kann, das gleichsam von „mehrerem“ ausgesagt werden kann oder irgendwie etwas Dauerndes angibt. Die Aussage 1,14 ist ohne Zweifel mit dem vielfältig verwendbaren „werden“ gebildet, bekundet aber ein absolut Einmaliges der Lebensgeschichte Gottes, für das jeder Allgemeinbegriff unangebracht ist und die Bildung eines Abstraktum auf jeden Fall unmöglich. Dasselbe ist übrigens auch von „Fleischwerdung“ zu sagen, das ja gleichfalls oft verwendet wird. Man sollte daher das Wort „Menschwerdung“ prinzipiell aus der theologischen Sprache entfernen. – Zu „Inkarnation“ ist dieses zu bemerken: Die biblischen Sprachen kennen eine derartige oder ähnliche Wortbildung überhaupt nicht. Im Griechischen ist ein entsprechendes Wort unbekannt. „Inkarnation“ ist in späterer Zeit im Lateinischen erfunden worden, begegnet frühestens ab dem 3. Jahrhundert. Dasselbe gilt für das Verb „incarnare“ bzw. „incarnari“ mit „incarnatus“. Im Nizänischen Glaubensbekenntnis findet es sich griechisch so: to.n ))) dia. th.n h`mete,ran swthri,an katelqo,nta kai. sarkwqe,nta( evnanqrwph,santa( paqo,nta ))), was lateinisch schon modifizierend so wiedergegeben wird: qui propter nostram salutem descendit, incarnatus est et homo factus est et passus est; die deutsche Version sagt beides wieder anders: der um unseres Heiles willen herabgestiegen und Fleisch und Mensch geworden ist, gelitten hat … (DH 125). Die lateinische Formel allein hat „incarnatus“, was im Deutschen (bewußt?) doch mit dem dem Griechischen näheren „Fleisch (und Mensch) geworden“ übersetzt ist. Tatsächlich gibt ja „incarnatus“ sarkwqe,nta um den Preis wieder, daß das Ausgesagte doch ziemlich anders verstanden wird, vor allem wenn es allein für sich eingesetzt wird. Wir werden das oben in der Besprechung der Texte aufmerksam beachten müssen. 12 Der wichtigste Text sei hier zitiert: „Der Logoshymnus erreicht nun seinen Höhepunkt … In unüberhörbarer Paradoxie wird gesagt, daß der an Gottes Seite weilende, mit voller göttlicher Würde bekleidete, ganz vom göttlichen Leben erfüllte Logos in die Sphäre des Irdisch-Menschlichen, des Stofflich-Vergänglichen eintrat, indem er Fleisch (Hervorhebung Schnackenburg) wurde. Das ist ein neues (kai, …), einmaliges und einzigartiges Geschehen, ein wirkliches Ereignis (evge,neto). Der Logos war schon in einer geistigen Weise in der Welt anwesend und wirksam …; nun aber geschieht das Unfaßbare: Er kommt sogar ins Fleisch, wird Mensch und schlägt sein Zelt unter den Menschen auf. Im jetzigen Aufbau des Prologes … dürfte dieses geschichtlich-einmalige und besondere Kommen des Logos im Fleisch schon ab V 9 vorausgesetzt sein; jetzt wird es in seiner vol11
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reicht nun seinen Höhepunkt (wieso „Höhepunkt“? R. S.) … In unüberhörbarer Paradoxie wird gesagt, daß der an Gottes Seite weilende, mit voller göttlicher Würde bekleidete, ganz vom göttlichen Leben erfüllte (damit soll 1,1 wiedergegeben sein!) Logos in die Sphäre des Irdisch-Menschlichen, des Stofflich-Vergänglichen eintrat, indem er Fleisch wurde (Hervorhebung Schnackenburg)“ (241). Der Joh-Text sagt „nur“ schlicht „der Logos wurde Fleisch“. Von einem „Eintreten in die Sphäre (welcher Art auch immer)“ ist dort keinerlei Rede, auch nicht andeutungsweise, am wenigsten in eine solche Sphäre, wie sie Schnackenburg beschreibt (übrigens auch sehr fragwürdige Ausdrücke verwendend). Aus welcher „Sphäre“ käme denn dieser „Eintretende“; verläßt er jene um in die „neue“ zu gelangen? Alles Fragen, die hier deplaziert, ja absolut unnötig sind.13 Bezeichnend ist die Formulierung des Aussage-Inhallen Realität herausgestellt. … Das Ereignishafte des wunderbaren Vorgangs der Menschwerdung des göttlichen Logos kommt nach den vielen h=n (VV 1 4 9 10) durch das evge,neto zum Ausdruck. … Der für die Christologie fundamentale Satz kann nicht heißen: ‚Der Logos wurde zu Fleisch‘, … Er kann aber auch nicht den Sinn haben, daß der Logos nur in fleischlicher Verkleidung erschien … Mit evge,neto wird eine Veränderung in der Seinsweise des Logos angesagt. Vorher war er in Herrlichkeit bei seinem Vater (vgl. 17,5.24), jetzt übernimmt er die Niedrigkeit der irdisch-menschlichen Existenz; vorher war er ‚bei Gott‘ (1,1b), jetzt schlägt er sein Zelt bei den Menschen auf, und zwar in menschlicher Gestalt, in der vollen Realität der sa,rx, um nach der Rückkehr zu seinem Vater die Herrlichkeit der himmlischen Seinsweise wiederzuerlangen (17,5). … Die Inkarnation, das ‚Kommen im Fleische‘, geschieht, um den irdischen Menschen die himmlische Offenbarung und das göttliche Leben zu bringen (vgl. 3,31–36). Das ‚Fleisch-Werden‘ des Logos bezeichnet also einen Wendepunkt in der Heilsgeschichte, eröffnet eine letzte (‚eschatologische‘) Heilsmöglichkeit für die Menschen; der Weg des Erlösers hinab ins Fleisch und durch das Fleisch empor zur himmlischen Herrlichkeit wird auch zu einem Weg für alle, die sich ihm im Glauben anschließen (vgl. 14,2f 6)“ (241–242). Hier ist nicht der Ort, auf einzelne exegetische und Auslegungsfragen eigens einzugehen, obwohl zu zahlreichen Feststellungen dringend kritisch Stellung zu beziehen ist. Wir machen beispielhaft nur auf das im zitierten ersten Satz zu Erkennende aufmerksam: Die Aussage 1,14 wird dort auf den Kopf gestellt durch die sicher bewußte Formulierung: „der Logos trat in die Sphäre des Irdisch- Menschlichen ein, indem dem er Fleisch wurde“. Die Aussage „er wurde Fleisch“ wird eingesetzt für das, wodurch das „Eigentliche“ vollzogen wurde, das im „Eintreten in diese andere Sphäre (!)“ besteht bzw. bestand. Zudem bleibt die Charakterisierung dieser „Sphäre“ im JohEv absolut unbegründet, trotz der vorgelegten „Beweis“-Stellen. Wir kommen auf diese noch näher zu sprechen. 13 Dieses „Eintreten in …“ begegnet im Kommentar zu 1,1–18 öfter. So heißt es im Blick auf 1,1– 14 einmal: „Nach dem jetzigen Aufbau des Prologs sind eher drei Abschnitte zu unterscheiden: VV 1–5 das präexistente Sein des Logos; VV 6–13 das Kommen des Logos zur Menschenwelt, und zwar in einer andeutenden Weise schon das des inkarnierten Logos, sowie seine unbegreifliche Ablehnung; VV 14,16 bzw. 18 das Ereignis der Inkarnation und seine Heilsbedeutung für die Glaubenden. … zu der Zeit des geschichtlichen Kommens Christi, zur Inkarnation des Logos …“ (203). Ähnliches in dieser Stelle: „… sondern aller Nachdruck auf das Eintreten des Logos in den irdisch-stofflichen Bereich fällt“ (207). Dann wird zu 1,14 im betreffenden Kontext u. a. dies gesagt: „… vorher war er ‚bei Gott‘ (1,1b), jetzt schlägt er sein Zelt bei den Menschen auf, und zwar in menschlicher Gestalt … Die Inkarnation, das ‚Kommen im Fleische‘, geschieht, um den irdischen Menschen die himmlische Offenbarung und das göttliche Leben zu bringen (vgl. 3,31–36). Das ‚Fleisch- Werden‘ des Logos bezeichnet also einen Wendepunkt in der Heilsgeschichte … der
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tes von 14a, daß „der Logos in diese (andere) Sphäre eintrat, indem er Fleisch wurde“. „Er wurde Fleisch“ wird damit näher (und deutlicher?) erklärt als „Eintreten in …“. Das „evge,neto – er wurde“ wird als „einmaliges und einzigartiges Geschehen, ein wirkliches Ereignis (was soll hier mit „wirkliches Ereignis“ eigentlich prononciert angesagt sein?)“ bezeichnet. Dieses eigentümliche Verstehen von „evge,neto“ in 14a findet in den dort folgenden Sätzen seine weitere Erklärung, die zugleich auch noch anderes betont herausstellt: „Das Ereignishafte des wunderbaren Vorgangs (!) der Menschwerdung (!) des göttlichen Logos kommt nach den vielen h=n (VV 1 4 9 10) durch das evge,neto zum Ausdruck. … Mit evge,neto wird eine Veränderung in der Seinsweise des Logos angesagt: Vorher (!) war er in Herrlichkeit bei seinem Vater (vgl. 17,5 24), jetzt (!) übernimmt er die Niedrigkeit (?) der irdisch-menschlichen Existenz (!); vorher (!) war er ‚bei Gott‘ (1,1b), jetzt (!) schlägt er sein Zelt bei den Menschen auf, und zwar in menschlicher Gestalt (!), in der vollen Realität der sa,rx (!), um nach (!) der Rückkehr zu seinem Vater die Herrlichkeit der himmlischen Seinsweise (!) wiederzuerlangen (17,5)… Die Inkarnation, das ‚Kommen im Fleisch‘, geschieht, um den irdischen Menschen (gibt es auch andere Menschen? R. S.) … das göttliche Leben zu bringen (vgl. 3,31–36). Das ‚Fleisch-Werden‘ des Logos bezeichnet also einen Wendepunkt in der Heilsgeschichte; … der Weg des Erlösers hinab (!) ins Fleisch und durch das Fleisch (was meint hier „durch“? R. S.) empor (!) zur himmlischen Herrlichkeit … heilsgeschichtliche ‚Ereignisfolgen‘ (Zitat Geiselmann) – ähnlich wie in Phil 2,5–11“ (242).14 Hier wird das „Ereignishafte“ des sa.rx evge,neto als „wunderbarer Vorgang (!) der Menschwerdung (!) des göttlichen Logos“ charakterisiert, was später dann mit „Inkarnation“ bezeichnet wird. Diese wird als „das Kommen im Fleisch“ erklärt. Das „geschieht“ (evge,neto) als das „Unfaßbare: Er kommt sogar (!) ins (!) Fleisch, wird Weg des Erlösers hinab ins Fleisch und durch das Fleisch empor zur himmlischen Herrlichkeit wird auch zum Weg für alle, die sich ihm im Glauben anschließen“ (242). 14 Vom Ereignis der Inkarnation ist sehr oft die Rede. So heißt es in der „Einführung in den Prolog“ am Ende: „Nur mit dem Aufweis der göttlichen Herkunft des Offenbarers konnte seine einzigartige Heilsbedeutung ins rechte Licht gerückt werden, wie sie dann in Wort und Wirken des irdischen Jesus zur Sprache … kommt. Damit aber ist der ‚Prolog‘ eher ein theologischer ‚Anfangsbericht‘, eine gläubige Kundmachung der ‚Vorgeschichte‘, die ihre Wende zur ‚Geschichte Jesu‘ im Ereignis der Inkarnation erreicht“ (200; dazu „Ablehnung seines Wirkens in der Menschheit vor der Inkarnation … heilbringendes Ereignis der Inkarnation“: 202; ähnlich auch 203; und nochmals: „… erscheint die Inkarnation als das unerhörte neue Gnadenereignis, wie es auch die paradoxale Formulierung zum Ausdruck bringt, daß der Logos sa,rx wurde“: 204). – Zur Frage der Zeit-Folgen im Sprechen von der Inkarnation sind folgende Beispiele zu berücksichtigen: In der „Einführung in den Prolog heißt es u. a.: „… die Ablehnung seines Wirkens in der Menschheit vor der Inkarnation beklagt … Ereignis der Inkarnation …“ (202). Dann: „Hat sich ein urchristliches Lied jemals mit der Zeit vor der Inkarnation beschäftigt, wie es hier vorausgesetzt wird?“ (203). Zu 1,1 heißt es einmal im betreffenden Kontext: „Wie alles im Logoslied ist auch diese Aussage auf die Tätigkeit des Logos in der Welt, auf seine Lebens- und Lichtfunktion für die Menschen (V 4) und seine Gnadenmitteilung nach der Inkarnation (VV 14 16) hingeordnet; …“ (211). Vgl. dazu auch noch die Sätze auf den Seiten 229; 230 und 232.
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Mensch und schlägt sein Zelt unter den Menschen auf … jetzt wird das Kommen des Logos im Fleisch (!) … in seiner vollen Realität (!) herausgestellt“ (242 und 241).15 Schließlich findet sich in dieser zitierten Stelle auch die Erklärung, was mit jener „Sphäre des Irdisch-Menschlichen, des Stofflich-Vergänglichen“ gemeint ist, in die der Logos in der Inkarnation „eintrat“: „Mit evge,neto wird eine Veränderung (!) in der Seinsweise (!) des Logos angesagt“; „jetzt übernimmt (!) er die Niedrigkeit der irdisch-menschlichen Existenz (wo ist davon überhaupt die Rede? R. S.), … schlägt sein Zelt bei den Menschen auf (1,14 sagt: „unter uns“!), und zwar in menschlicher Gestalt (?), in der vollen Realität (!) der sa,rx …“ (242). Wo Schnackenburg das alles in 1,14 liest, bleibt sein Rätsel. Das alles wird im folgenden nochmals mit anderen, doch bedeutsamen Worten ausgesagt. Das beginnt mit der bezeichnenden Frage an den Hymnus-Text: „Warum spricht der Logoshymnus vom ‚Fleisch‘-Werden und nicht einfach vom ‚Mensch‘-Werden?“ (243). Die Antwort ist sehr aufschlußreich: „Das absolut stehende sa,rx ist nicht schlechthin eine Umschreibung für ‚Mensch‘ (wie pa/sa sa,rx 17,2), sondern im joh. Denken Ausdruck für das Irdisch-Gebundene (6,63), gleichsam das Typische rein menschlicher Seinsweise im Unterschied zu allem Himmlisch-Göttlichen, Göttlich-Geistigem … im inkarnierten Logos senkt sich der Himmel auf die Erde herab‘ (woher nimmt der Autor dieses Wissen? R. S.). Dagegen ist das Moment des sündigen, zur Sünde neigenden oder der Sünde verhafteten Fleisches (1 Joh 2,16) hier nicht gegeben (woher diese Auskunft über Nicht-Gemeintes im 15
Die Wendung „Menschwerdung“ wird weniger oft gebraucht als „Inkarnation“; beide Ausdrücke sind offenbar synonym verstanden, wobei aber „Inkarnation“ doch irgendwie als Oberbegriff gilt. So heißt es einmal in der „Einführung in den Prolog: „… Bekenntnis zum inkarnierten Erlöser … Inkarnationsaussage … Die Bevorzugung der Theologie des ‚Wortes‘ vor der der ‚Weisheit‘ könnte auch mit dem Offenbarungsgedanken zusammenhängen; die Wahl von sa,rx für die Menschwerdung braucht zunächst im Hinblick auf 1 Tim 3,16a; vgl. Röm 1,3; Hebr 5,7; 10,20; 1 Petr 3,18 nicht zu überraschen (der Verweis auf die angegebenen Texte verwirrt! R. S.), trägt aber im Logos-Hymnus doch einen besonderen Akzent, da nicht die irdische und spätere ‚pneumatische‘ Seinsweise wie in jener alten sarx-pneuma-Christologie gegenübergestellt werden, sondern aller Nachdruck auf das Eintreten des Logos in den irdisch-stofflichen Bereich (!) fällt“ (207; s. dazu auch diese Formulierung: „… nicht eine mythische Gestalt, sondern eine göttliche Person, die dann in Jesus Christus Mensch wurde …“: 220). Weiteres wird dann zum „Vorgang der Menschwerdung des göttlichen Logos“ in der Besprechung von 1,14 ausgesagt; s. 242–244. Dort begegnet auch die Rede von der „christlichen Lehre vom menschgewordenen Gottessohn nach der Inkarnationsaussage von 1,14“, näherhin: „Es ist ein neues, ureigenes und besonderes Bekenntnis zu dem geschichtlich gekommenen, in einer einmaligen menschlichen Persönlichkeit (!) ‚faßbaren‘ (1 Joh 1,1), in der Realität des ‚Fleisches‘ erschienenen Heilbringer“ (244). Dazu sei auch ein Beispiel aufgeführt, wo vom „menschgewordenen Logos“ gesprochen wird: In der „Einführung in den Prolog“ heißt es u. a.: „Wenn der Hymnendichter auch von der Inkarnation her denkt, so gewinnt die präexistente Wirksamkeit (und Ablehnung) des Logos doch dafür einen hohen Aussagewert: Nach dem Scheitern aller Heilsversuche in der vorchristlichen Menschheit … erscheint die Inkarnation als das unerhörte neue Gnadenereignis, wie es auch die paradoxale Formulierung zum Ausdruck bringt, daß der Logos sa,rx wurde. … die Aufnahme oder Ablehnung des menschgewordenen Gottessohnes, Glauben und Unglauben gegenüber Jesus Christus alles Interesse beansprucht“ (204).
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Abschnitt F:
Die Herkunft Jesu Christi nach Joh 1, insbesondere 1,14
Text? R. S.). Sa,rx sagt die volle Menschlichkeit (was ist das?) an …“ (243). Aus allen diesen Sätzen wird deutlich, wofür „Inkarnation“ eingesetzt wird und was es aussagen soll. Äußerst bezeichnend ist diese Formulierung: „das in der Inkarnation vom Logos angenommene ‚Fleisch‘ ist die Voraussetzung für den blutigen Kreuzestod (vgl. Joh 19,34: 1 Joh 5,6). Sa,rx sagt die volle Menschlichkeit an“ (243). Mit ihm wird das Ereignis angesprochen und erklärt, was der Logos „in ihr“ getan hat: er hat „ ‚Fleisch‘ angenommen“! Dabei wird „Fleisch“ als „volle Menschlichkeit“ deklariert, ohne jede weitere Erklärung. (Die absurden Verweise auf die genannten Joh-Texte übergehen wir hier; in ihnen ist von dem, was Schnackenburg mit i