Die Heiraten der Hohenzollern: Verwandtschaft, Politik und Ritual in Europa 1640-1918 9783666370304, 9783525370308, 9783647370309

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Die Heiraten der Hohenzollern: Verwandtschaft, Politik und Ritual in Europa 1640-1918
 9783666370304, 9783525370308, 9783647370309

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© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft

Herausgegeben von Gunilla Budde, Dieter Gosewinkel, Jürgen Kocka, Paul Nolte, Alexander Nützenadel, Hans-Peter Ullmann

Frühere Herausgeber Helmut Berding und Hans-Ulrich Wehler (1972–2011)

Band 207

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Daniel Schönpflug

Die Heiraten der Hohenzollern Verwandtschaft, Politik und Ritual in Europa 1640–1918

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Mit 5 Abbildungen und 1 Tabelle Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-37030-8 ISBN 978-3-647-37030-9 (E-Book) Gedruckt mit Unterstützung der Dr. Jacques Koerfer-Stiftung und des Centre Marc Bloch. Umschlagabbildung: Hochzeit Ernst August von Braunschweig mit Prinzessin Viktoria Luise von Preußen © ullstein bild © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. – Printed in Germany. Satz: textformart, Göttingen Druck und Bindung: e Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Herrschaft auf Dauer: Heiraten und die Entstehung des preußischen Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1.1 Die Gesetze des Hauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1.2 Der Fortbestand des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1.3 Heirat und territoriale Expansion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Eine gute Partie: Regeln der Partnerwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.1 Pflicht und Neigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2.2 Ebenbürtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2.3 Das Gleichgewicht der Heiratsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Nachbarschaft und Ferne: Der Heiratskreis der Hohenzollern . . . . . 113 3.1 Dimensionen des hohenzollernschen Heiratskreises . . . . . . . . 114 3.2 Varianten der Status- und Besitzwahrung im Heiratskreis . . . . . 120 3.2.1 Nahe Verwandtschaft: Das Haus Hessen . . . . . . . . . . . 122 3.2.2 Die Oranier: eine »Dynastie in der Republik« . . . . . . . . . 124 3.2.3 Die Welfen: Reichstraditionen und britische Verfassung . . 127 3.2.4 Späte Verwandte: die Romanow . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3.3 Kompatibilität zwischen dynastischen Systemen . . . . . . . . . . 135 4. Verwandtschaft und Freundschaft: das außenpolitische Potential von Fürstenheiraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4.1 Hohenzollern und Oranier im 17. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . 162 4.2 Hohenzollern und Hannover im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . 168 4.2.1 Verbündete im Aufstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4.2.2 Verwandtschaft und Konkurrenz: gescheiterte Eheprojekte (1723–1740) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4.2.3 Eine Schwester als Unterpfand: Friedrich II. und das anti-britische Ehebündnis von 1744 . . . . . . . . . . . . 177 4.2.4 Ein preußisch-niederländisch-britisches Dreiecksverhältnis (1767 bis 1791) . . . . . . . . . . . . . . . 183 5 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

4.3 Hohenzollern zwischen Romanow und Royals im 19. Jahrhundert 191 4.3.1 Preußisch-russische Bande: die Heirat von Prinzessin Charlotte mit dem russischen Großfürsten Nikolas (I.) im Jahr 1817 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4.3.2 Heirat mit Hindernissen: die Eheschließung von Prinz Friedrich (III.) Wilhelm mit der Princess Royal Victoria (1858) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 5. Bindungsrituale: Fürstenhochzeiten als politische Inszenierung . . . . 207 5.1 Festsequenzen und Öffentlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 5.2 Zeichen der Verbundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 5.3 Liebe und Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 6. Das Europa der Dynastien: Verwandtschaftliche Verflechtung und europäisches Bewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 6.1 Europa als Braut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 6.2 Vertrautheit und Fremdheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 6.3 »Dynastische Internationale«? Hochadelige Verwandtschaftsstrukturen in Europa . . . . . . . . . 265 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Anhang: Die Heiraten der brandenburgischen Hohenzollern 1640–1918 288 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326

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Vorwort Die Idee zu einer Geschichte der europäischen Fürstenheirat kam mir im Jahr 2000 als zwei starke Eindrücke etwa gleichzeitig auf mich wirkten: erstens das Erlebnis, als Bräutigam an einer Hochzeit teilzunehmen, und zweitens die Lektüre von Johannes Paulmanns Buch »Pomp und Politik«. Ersteres vermittelte mir eine lebendige Anschauung von der Heirat als einem »totalen gesellschaftlichen Phänomen« im Sinne Marcel Mauss’, letztere eine Idee von der historischen Aussagekraft der Repräsentationskultur europäischer Monarchien. Von diesen ersten Impulsen bis zum Erscheinen des vorliegenden Buches sind dreizehn Jahre vergangen. Eine wichtige Etappe markierte, am 19. Dezember 2009, die Habilitation durch den Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität, der eine frühere Version des Manuskriptes zugrundelag. Auf diesem langen Weg habe ich von vielen Seiten Unterstützung erhalten. Danken möchte ich an erster Stelle Gisela Bock, in deren Arbeitsbereich für Westeuropäische Geschichte an der Freien Universität Berlin ich zehn Jahre lang tätig war. Sie hat die Entstehung dieser Arbeit vom Anfang an gleicher­ maßen mit konstruktiver Kritik wie mit guten Ideen und Ratschlägen begleitet. Mein Doktorvater Volker Hunecke blieb auch bei diesem zweiten Buch ein wichtiger Ratgeber. In den Kreisen der Monarchie-, Hof-, Adels- und Dynastieforschung profitierte ich vom Austausch mit Birgit Aschmann, Thomas Biskup, Christopher Clark, Michaela Hohkamp, Claudia Jarzebowski, Martin Kohlrausch, Jürgen Luh, Claudia Nolte, Claudia Opitz-Belakhal, Torsten Riotte, Claudia Ulbrich, Monika Wienfort und Richard Wortman. Durch Ute Frevert und ihre anregende Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung bin ich für die Geschichte der Emotionen sensibilisiert worden. Neben vielen Kollegen und Studierenden an FU und HU Berlin möchte ich mich auch bei der Direktion und den Wissenschaftlern des Centre Marc Bloch bedanken; aus dem wissenschaftlichen Austausch, insbesondere mit Elisabeth Décultot, Denis L ­ aborde und Karsten Lichau im Rahmen der Arbeitsgruppe »Europa als politischer Kommunikationsraum: Medien, Öffentlichkeiten und Emotionen« habe ich großen Gewinn gezogen. Dank des John  F. Kennedy Memorial Fellowship des Minda de Gunzburg Center for European Studies an der Harvard University, wo ich in der Widener Library auf unerwartet reiche Bücher- und Quellenbestände europäischer Provenienz stieß, konnte ich ein Jahr nicht nur dem Konzipieren und Verfassen der Arbeit widmen, sondern von der anregenden Atmosphäre eines herausragenden Forschungszentrums profitieren. Ein Stipendium des Deutschen Historischen Instituts London, im Übergang zwischen den Direktoren Hagen Schulze und Andreas Gestrich, ermög7 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

lichte mir die Arbeit in den britischen Archiven. Zum Abschluss der Arbeit trug der Gay-Lussac-Humboldt-Preis des Ministère de l’Education Supérieure et de la Recherche bei. Er erlaubte es mir, mich für eine konzentrierte Arbeitsphase nach Paris zurückzuziehen. Dem Deutschen Historischen Institut Paris, das mich als Gastwissenschaftler akzeptierte, sei für die gute Aufnahme gedankt. Nicht nur wissenschaftlich fruchtbar, sondern ein ganz besonderes Erlebnis war die Arbeit in den Royal Archives in Schloss Windsor. Königin Elisabeth II. danke ich für die Erlaubnis, in den Archiven ihres Hauses forschen und Quellen in diesem Buch zitieren zu dürfen. Der Leiterin der Royal Archives, Pamela Clark, sowie ihrer Mitarbeiterin Allison Derrett sei für ihre Hilfsbereitschaft und Unterstützung gedankt. Das Manuskript hat von der kritischen Lektüre der Gutachter, Prof. Dr. Heinz Duchhardt und Prof. Dr. Johannes Paulmann, seinem Nachfolger im Amt des Direktors des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte in Mainz, sehr profitiert. Den Herausgebern der »Kritischen Studien zur Geschichts­w issenschaft« möchte ich nicht nur für die Aufnahme in die Reihe, sondern auch für die kritische Lektüre des Manuskriptes danken, dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht und insbesondere Daniel Sander für die angenehme Zusammenarbeit. Mit Dankbarkeit denke ich auch an die Unterstützung vieler Helfer zurück: Henning Holsten, Cristina Schulz und Mascha Stähle haben bei der Arbeit in den Archiven und bei der Auswertung der Quellen große Hilfe geleistet. Anna Sidorova hat für mich die Quellen im Staatsarchiv der Russischen Föderation in Sankt Petersburg gesichtet. Die Drucklegung war durch eine großzügige Förderung der Dr. Jacques ­Koerfer-Stiftung möglich. Das Centre Marc Bloch hat die Bildrechte finanziert. Für beides bin ich überaus dankbar. Schließlich danke ich von Herzen meiner Frau Sinje Schönpflug und meinen Kindern Luisa und Jakob. Sie mussten lange Jahre ertragen, dass mich ­neben meiner eigenen noch einige hochadelige Familien intensiv beschäftigten.

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Einleitung Die letzte große Hochzeit der preußischen Königs- und deutschen Kaiser­familie wurde im Frühjahr des Jahres 1913 in Berlin gefeiert. Prinzessin Viktoria ­Luise, die einzige Tochter Wilhelms  II., heiratete Prinz Ernst August von Cumberland, den späteren Herzog von Braunschweig. Als am Morgen des 21. Mai die Prachtkarosse mit dem Brautpaar vom Lehrter Bahnhof durch das Brandenburger Tor und die Allee Unter den Linden entlang zum Schloss fuhr, waren die Straßen von jubelnden Berlinern gesäumt. Verwandte der Hohenzollern aus ganz Europa, unter ihnen der König von Großbritannien und der russische Zar, wohnten den Festlichkeiten bei. Das Ereignis, festgehalten in einem der ersten Farbfilme, versetzte Berlin fast eine Woche lang in einen Ausnahmezustand. Nichts deutete darauf hin, dass nur wenige Jahre später in Weltkrieg und Re­ volution das Europa der Dynastien, das den Kontinent viele Jahrhunderte lang geprägt hatte, für immer untergehen würde. Die an der Vermählung beteiligten Fürstenhäuser, Hohenzollern und Welfen, hatten 1913 großen Wert darauf gelegt, den privaten Charakter ihrer neuerlichen Familienverbindung zu betonen. Die Ehe sei allein deshalb zustande gekommen, weil sich Prinz und Prinzessin  – ganz gegen die Absichten ihrer Familien – ineinander verliebt hätten.1 Trotz dieser Betonung von individuellen Gefühlen ließen es sich die zeitgenössischen Beobachter, die durch Zeitungen und Festberichte ein breites Publikum erreichten, nicht nehmen, die politische Bedeutung des Ereignisses herauszustellen. Während die monarchietreue Presse den massenhaften Zuspruch der Untertanen als einen Beweis für die Vitalität der bestehenden Ordnung wertete, waren in den Organen der Linken, allen voran dem »Vorwärts«, zornige Stellungnahmen zu lesen: Wie war es möglich, dass Tausende von Arbeitern jubelnd am Straßenrand standen, wenn der Zar, dem »der Fluch der in den russischen Kerkern Schmachtenden nachschalle«,2 vorbeifuhr? Doch nicht nur das Verhältnis zur Monarchie, sondern auch preußische und deutsche Außenbeziehungen wurden 1913 von den Medien ausgelotet. Verschiedene Beobachter betonten, dass die neue Familienverbindung geeignet sei, die Spannungen aufzulösen, die 1866 durch die preußische Annektion Hannovers entstanden waren. Einige Artikel verwiesen darüber hinaus auf den weiteren Rahmen der europäischen Politik. So räumte die »Frankfurter Zeitung« ein, dass »die Geschicke der Völker je länger desto weniger von dem persön­ lichen Willen ihrer Monarchen bestimmt werden«, dennoch knüpfe »der poli1 Paulmann, Verwandtschaft, Vorbild und Rivalität, S. 364 ff. 2 Aus aller Welt. Des Zaren Blutrichter, in: Der Vorwärts, 22.5.1913.

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tisch Denkende und Empfindende an diese Monarchenbegegnung gerade nach den bangen Monaten, die die europäische Welt durch den Balkankrieg erlebt hat, freudigere Aspekte für die Zukunft«.3 In den Kommentaren zu dieser letzten großen Hochzeit im Königs- und Kaiserhaus fehlte es also nicht an Hinweisen auf ihre innen- und außenpolitische Bedeutung; die Zeitgenossen betonten jedoch auch, dass dynastische Feste unter den gewandelten Bedingungen des frühen 20. Jahrhunderts nicht mehr die gleiche Wirkung entfalten könnten, die sie einst gehabt hätten. Damit wurde auf eine nicht näher bestimmte Vergangenheit verwiesen, in der Fürstenheiraten ein noch wirkungsvolleres Mittel der Politik gewesen sein müssen. Beide Prämissen, die den Zeitgenossen offenbar als selbstverständlich erschienen, müssen hinterfragt werden: Spielten Verwandtschaft und dynastische Rituale in der frühneuzeitlichen Politik tatsächlich eine prägende Rolle? Welchen politischen Zwecken dienten Fürstenheiraten im 17. und 18. Jahrhundert? Waren solche Strategien erfolgreich? Wie veränderte sich der Stellenwert des Dynastischen beim Eintritt in die »bürgerliche« Epoche, die mit dem Zeitalter der Revolution begann? Die Geschichte der Fürsten und ihrer Staaten war einst eine »Königs­disziplin« der europäischen Historiographie. Trotz des Endes vieler europäischer Monarchien im Ersten Weltkrieg und trotz der in den 1970er Jahren vorgetragenen Forderung nach einer »Geschichte von unten« ist das Interesse an diesen Themen nie ganz eingeschlafen. Seit den 1990er Jahren hat sogar eine regelrechte Renaissance der Geschichtsschreibung über die gekrönten Häupter Europas eingesetzt, die nun auch soziale und kulturelle Aspekte der Monarchie in den Blick nimmt. Anknüpfend an Klassiker – wie Norbert Elias’ Studie über die Gesellschaft am Hof Ludwigs XIV.,4 Richard Alewyns Deutung des Barockfestes5 oder David Cannadines Arbeiten zur Erfindung von Traditionen in der britischen Monarchie des 19. Jahrhunderts6 – widmet sich die Forschung verschiedenen Gegenstandsbereichen: Fürsten und Fürstinnen finden wieder die Aufmerksamkeit der Historiker und werden nicht nur individuell in Biographien, sondern auch kollektiv als spezifische gesellschaftliche Gruppe in den Blick genommen.7 Die Hofforschung ist in verschiedenen europäischen Ländern zu einer eigenen interdisziplinären Forschungsrichtung avanciert.8 Herrscher­ 3 Die Hochzeitsfeier am Kaiserhof. Die Monarchenbegegnung, in: Frankfurter Zeitung, 23.5. 1913, Morgenausg. 4 Elias. 5 Alewyn. 6 Cannadine, The Context, Performance and Meaning of Ritual. 7 Campbell Orr, Queenship in Europe; dies., Queenship in Britain; Cosandey, »La blancheur de nos lys«; dies., La reine de France; Nolte, Principes; Schulte; Weber, Der Fürst. 8 Seit 2007 vereinigt das Court Studies Forum vier wissenschaftliche Gesellschaften in Europa: die Society for Court Studies, das Centro Studi Europa delle Corti, das Centre de Recherche du Chateau de Versailles und das Instituto Universitario La Corte en Europa der Universidad Autónoma in Madrid. In Deutschland sind – neben umfangreicher individueller und projektbezogener Forschung  – die Residenzen-Kommission der Göttinger Akademie der

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liche Inszenierungen sind – etwa in Peter Burkes Arbeiten über Ludwig XIV.9 oder Richard Wortmans Darstellung der Romanow10  – zu einem Thema der Geschichtswissenschaft geworden. Barbara Stollberg-Rilingers paradigmatische Studien zum Zeremoniell haben, ebenso wie Johannes Paulmanns Buch über Monarchenbesuche, das Verständnis für die konstitutive Bedeutung der symbolischen Kommunikation in der Fürstenwelt vertieft.11 Eine wachsende Forschungsliteratur widmet sich auch den Kulturen des höfischen Fests und Theaters.12 Längst wird die Geschichte der regierenden Häuser in der Neuzeit nicht mehr als ein allmählicher Prozess des Niedergangs gedeutet. Vielmehr faszinieren die Beharrungskräfte, die Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit einer Herrschaftsform, die bis 1918 das politische und gesellschaftliche Leben in Europa bestimmte. In diesem Sinne versteht Volker Sellin »Restauration« nicht mehr als einmaliges Ereignis, sondern als einen Dauerzustand der Monarchie im 19. Jahrhundert.13 Auch wird das Königtum nicht mehr als Gegenkraft, sondern vielmehr als Rahmen der bürgerlichen Gesellschaften und Nationen in der beginnenden Moderne angesehen.14 Dies sind wichtige Argumente für eine umfassende Umdeutung des 19. Jahrhunderts, für die Arno J. Mayer die griffige Formel von der »persistence of the Old Regime«15 geprägt hat. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich die historische Forschung in wachsendem Umfang auch der fürstlichen Familie und Verwandtschaft zugewandt. Die Arbeiten von Heinz Reif zum niederen Adel in Westfalen haben familiäre Strategien zum jahrhundertelangen Erhalt von »Stamm und Namen« ana­ lysiert.16 Der hohe Adel, welcher Gegenstand dieses Buches ist, bediente sich ganz ähnlicher Mechanismen; das zeigen umfassende Forschungen über regie Wissenschaften und die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel zu wichtigen Zentren der Hofforschung geworden. Von 1993 bis 2006 publizierte darüber hinaus die Zeitschrift »Majestas« zahlreiche Beiträge zum Thema. Einen Einblick in die jüngere Debatte bieten Adamson; Bauer, Die höfische Gesellschaft; Dickens. 9 Burke, Ludwig XIV. 10 Wortman, Scenarios of Power. 11 Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider; Paulmann, Pomp und Politik; zum Forschungsstand bis 1990 s. Vocelka, Die Forschungslage zur Zeremonialgeschichte. 12 Jacquot u. Konigson; Mulryne; für einen Überblick über die internationale Forschung bis zum Jahr 2000 s. Watanabe-O’Kelly u. Anne Simon; zum Hoftheater: Behar u. WatanabeO’Kelly; Daniel. 13 Sellin ist auch ein guter Wegweiser zur anwachsenden Literatur über die Monarchie im 19. Jahrhundert, die sich mit dem Phänomen der Restauration ebenso befasst wie mit Krisenmomenten der Monarchie, etwa dem Thronverzicht, dem Attentat gegen Monarchen oder dem fürstlichen Exil: Richter u. Dirbach; Mazeau; Mansel u. Riotte. 14 Wienfort, Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft; Hanisch; Gollwitzer, Die Funktion der Monarchie in der Demokratie; Werner, Fürst und Hof im 19. Jahrhundert. 15 Mayer. 16 Vor allem Reif, »Erhaltung adeligen Stamms- und Namens«, ders., Westfälischer Adel, insb. S. 78–121, 240–314; siehe auch Hufschmidt, Adlige Frauen im Weserraum; Schraut; Treskow.

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rende Familien des Mittelalters und der Frühen Neuzeit etwa von Karl-Heinz Spieß, Lucien Bély, Stephanie Marra oder Stephanie Walther.17 Dennoch distinguierten die Regierungsrechte den im Vergleich zum Gesamtadel kleinen Kreis der regierenden Häuser. Souveränität war Voraussetzung dafür, dass Heiraten innen- und außenpolitische Bedeutung erlangen konnten. Mit der Heiratspolitik regierender Häuser haben sich in den letzten Jahrzehnten Beatrix Bastl, Alfred Kohler, Pierre Lamaison, Michael Stolleis, Retha Warnicke, Tobias Weller und Renate Zedinger befasst.18 Günter Barudio, Thomas Biskup, Franz-Reiner Erkens, Abby Zanger und Carmen Ziewes haben die politischen Bedeutungen von fürstlichen Hochzeitsinszenierungen interpretiert.19 Doch es fehlt bei diesen Pionierstudien zur Geschichte der Fürstenhochzeit an einer umfassenden Betrachtungsweise, die der Tatsache Rechnung trägt, dass es sich bei Heiraten – in der Terminologie von Marcel Mauss – um ein »totales gesellschaftliches Phänomen« handelt. »In diesen … kommen alle Arten von Institutionen gleichzeitig und mit einem Schlag zum Ausdruck: religiöse, rechtliche und moralische – sie betreffen Politik und Familie zugleich; ökonomische – diese setzen besondere Formen der Produktion und der Konsumption oder vielmehr der Leistung und Verteilung voraus; ganz zu schweigen von den ästhetischen Phänomenen, in welche jene Tatsachen münden, und den morphologischen Phänomenen, die sich in diesen Institutionen offenbaren.«20 Der auf die pluralen Bedeutungen gesellschaftlicher Phänomene gerichtete Blick der Ethnologie hat die vorliegende Arbeit inspiriert. Sie nähert sich ihrem komplexen Gegenstand daher nicht mit einer einzigen, geschlossenen Methode, sondern wählt in den sechs Teilen verschiedene Zugänge, um die viel­fältigen Bedeutungs- und Funktionsschichten des Ereignistyps Heirat abzutragen: Das Konnubium war für Erhalt und Wachstum der hochadeligen Familie und ihres Besitzes ebenso unerlässlich wie für ihre soziale Distinktion. Es diente als Mittel zur standesgemäßen Versorgung des Nachwuchses, doch auch als Instrument zum Aufbau und zur Pflege dynastischer Außenbindungen. Heiraten hatten gleichermaßen rechtliche und religiöse, diplomatische und emotionale Dimensionen, und Hochzeitsfeste waren aufwändige Ritualgefüge, in denen – oft auf höchstem künstlerischen Niveau  – politisch-gesellschaftliche Vorstellungen und Zustände symbolisch abgebildet, verhandelt und in breite Öffentlichkeiten kommuniziert wurden. Die über Jahrhunderte andauernde zentrale gesellschaftliche Bedeutung der Fürstenhochzeit erklärt sich gerade aus dieser »Totalität« im Sinne Mauss’. Nur eine plurale Herangehensweise erlaubt daher

17 Spieß, Familie und Verwandtschaft; Bély; Marra; Walther. 18 Bastl, Habsburgische Heiratspolitik; Kohler; Oberhammer; Lamaison, Tous cousin?; Stolleis ; Warnicke; Weller; Zedinger; als Einführung eignet sich Lebe. 19 Barudio; Biskup, The Transformation of Ceremonial; Erkens; Vocelka, Habsburgische Hochzeiten; Wagner; Zanger; Ziwes. 20 Mauss, S. 17 f.

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ein angemessenes Verständnis von fürstlichen Heiraten, deren Multifunktionalität häufig ihrem effizienten strategischen Einsatz entgegenstand. Darüber hinaus verspricht eine Beschäftigung mit den pluralen Bedeutungen von Fürstenhochzeiten im 17.  bis 20.  Jahrhundert Erkenntnisse über verschiedene miteinander verschränkte Forschungsthemen: Erstens trägt sie zur Geschichte der Staatsbildung in Europa bei. Den ursächlichen Zusammenhang zwischen Dynastie und Staat hat die Forschung längst behandelt, die Rolle fürstlicher Heiraten für denselben jedoch bislang unterschätzt. Zweitens bereichert sie die Geschichte der Außenpolitik. Diese hat lange Zeit Staaten und Regierungen, Krieg und Diplomatie, Verträge und Völkerrecht in den Mittelpunkt gestellt und mittlerweile auch gesellschaftliche und kulturelle Faktoren entdeckt;21 doch es gilt, das Bild der neuzeitlichen Außenpolitik durch die bislang wenig berücksichtigte Dimension von dynastischer Verwandtschaft, Beziehungen, Emotionen und Ritualen zu vervollständigen. Drittens wirft sie die Frage nach dem Verhältnis von vormoderner und moderner Politik auf. Hier sind Erkenntnisse darüber zu erwarten, inwieweit die große politische Relevanz fürstlicher Verwandtschaft mit dem Eintritt in die Moderne zurück- oder gar verlorenging. Ist die herrschende Vorstellung eines Bedeutungsverlustes von Fürstenheiraten im 19. Jahrhundert, gleichsam als lange Vorgeschichte der Götterdämmerung von 1918, plausibel? Ein Blick, der die Vielfalt der Bedeutungen verwandtschaftlicher Praktiken erfasst, kann jedoch zeigen, dass zwar einige der hergebrachten Funktionen fürstlicher Heiraten am Ende der Frühen Neuzeit verlorengingen, sich andere aber erhielten, wandelten oder unter veränderten Rahmenbedingungen sogar neue, größere Bedeutung gewannen. Entsprechend wird sich die Frage von Kontinuität und Wandel in jedem der sechs Teile neu stellen. Viertens hält die Beschäftigung mit Fürstenhochzeiten Antworten auf die Frage der Europäisierung bereit. Die Vorbereitung und Durchführung solcher Akte stellten ohne Frage Momente intensiver grenzüberschreitender Kommunikation und Verflechtung dar. Doch die Beschäftigung mit denselben ist auch geeignet, überzogene Vorstellungen von der Vorreiterrolle einer »dynastischen Internationale« im Prozess des Zusammenwachsens der europäischen Gesellschaften und Kulturen zu korrigieren. Fünftens wird dem gängigen Bild der Hohenzollern als einer kriegerischen Sippe eine neue, lieblichere Facette hinzugefügt. Ist es gar zulässig, die bekannten, auf die Habsburger gemünzten Verse zu variieren: Bella gerant allii, tu felix Prussia nube? In einem im Jahr 1983 an der Sorbonne gehaltenen Vortrag sprach der französische Ethnologe Claude Lévi-Strauss über Brückenschläge zwischen Ethno­ logie und Geschichte. Als Beispiel für interdisziplinär zu bearbeitende Felder wählte er die Geschichte der Dynastien und verglich die Bourbonen zur Zeit Ludwigs  XIV. mit japanischen, pazifischen und nordamerikanischen Herr21 Zum Stand der Forschung und Methoden in der Geschichte der internationalen Beziehungen im 18. und 19. Jahrhundert s. Duchhardt, Balance of Power und Pentarchie; Erbe, Revolutionäre Erschütterung.

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scherfamilien.22 Lévi-Strauss’ weit durch Zeit und Raum gespannte und häufig auf dem allzu festen Glauben an die Existenz universeller und über die Jahrhunderte stabiler Muster beruhende Vergleiche sind zu recht kritisiert worden. Gleichwohl gibt es kaum ein zweites Feld, auf dem sich die Zusammenarbeit zwischen Ethnologie, Soziologie und Geschichte als so fruchtbar erwiesen hat wie bei der Erforschung der Familie in Vergangenheit und Gegenwart. Aus dieser interdisziplinären Kooperation hat die Geschichtswissenschaft gelernt, Familien und Verwandtschaftsverbände als zentrale gesellschaftliche Institutionen zu verstehen. In der Perspektive der Familiengeschichte stellen sich Heiraten als Element eines Denk-, Handlungs- und Beziehungsmusters dar, welches den dauerhaften Erhalt und das Wohlergehen eines verwandtschaftlichen Kollektivs zum Ziel hat; andere wichtige Faktoren desselben sind die Regulierung von Sexualität und Reproduktion, der Umgang mit Besitz – seine Verteilung, Nutzung und Weitergabe zwischen den Generationen –, die Rollen- und Aufgabenzuweisung an Mitglieder der Familie, die Binnen- und Außenbeziehungen sowie die Familienidentität, die durch Erziehung und Soziabilität, die Regulierung von Gefühlen, durch religiöse Praktiken, Geschichtsbewusstsein, Rituale und Feste und nicht zuletzt durch die Rhythmen des familiären Alltags gestiftet wird.23 Umgekehrt hat die historische Forschung dazu beigetragen, dass langlebige Entwicklungsprozesse in verschiedenen sozialen Milieus und die Vielfalt europäischer Familienformen präziser erfasst werden konnten.24 Besonders intensiv ist die adelige Familie erforscht worden, die sich von anderen sozialen Schichten durch spezifische Formen der Verregelung und Verrechtlichung unterscheidet. Die Faszination, die von der adeligen Familie ausgeht, resultiert nicht nur aus der besonders guten Quellenlage, sondern auch aus der Tatsache, dass es Adelsclans gelang, sich über Jahrhunderte erfolgreich auf Spitzenpositionen in Gesellschaft, Kirche und Staat zu behaupten. Neuere Arbeiten zur vergleichenden Sozialgeschichte des Adels geben schlüssige Antworten auf die Frage nach den langfristigen Mechanismen des »Obenbleibens«.25 Für diesen Erfolg entscheidende Veränderungen des adeligen Familienmodells vollzogen sich demnach an der Epochenschwelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit, in einer langen Phase des Übergangs vom 15. bis zum 17. Jahrhundert. Auch wenn ein Blick auf das europäische Panorama unterschiedliche Entwicklungen offenbart, lassen sich einige weitverbreitete Faktoren der Transformation feststellen: Im 22 Lévi-Strauss, Histoire et ethnologie. 23 Zur Familiengeschichte: Ariès, Geschichte der Kindheit; Burguière, Histoire de la famille, Bd. 3; Gestrich, Geschichte der Familie; Goody, Die Entwicklung von Ehe und Familie; Laslett; Shorter; Segalen; Stone. 24 Lipp; Mathieu; Sabean, Kinship in Europa. 25 Überblicksdarstellungen zur Adelsgeschichte in der Neuzeit: Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit; Lieven; Reif, Adel im 19. und 20. Jahrhundert; Sikora, Der Adel in der Frühen Neuzeit; Wienfort, Adel in der Moderne; Asch u. Schlögl; Wehler; Leonhard u. Wieland.

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Epochenübergang ging die gewohnheitliche Verregelung familiärer Vollzüge in Verrechtlichung über, als sich adelige Familien in vielen Regionen Europas Hausgesetze zulegten. Ein Kernproblem dieser Rechtsgattung war der Modus der Weitergabe von Ämtern und Besitz zwischen den Generationen. Während im mittelalterlichen Adel die väterliche Autorität für die Regelung des Erbes bestimmend war und der Vater – im Rahmen gewohnheitsrechtlicher Gebräuche – über die Verteilung des Erbes unter seinen Nachkommen entscheiden konnte, setzte sich seit dem Spätmittelalter in immer mehr adeligen Familien das Prinzip der männlichen Primogenitur durch. Nicht der vom Familienoberhaupt bevorzugte, sondern der älteste Sohn sollte nun zum Nachfolger in dessen politischen Ämtern, zum Oberhaupt der Familie sowie zum Haupterben des Familienbesitzes werden. Die im Mittelalter verbreitete Praxis der Erbteilung ging zurück. Stattdessen erklärten viele adelige Familien den Kern des Familien­ besitzes, vor allem das Territorium, für unteilbar und unveräußerlich. Das Risiko der Zersplitterung des familiären Eigentums war damit ebenso reduziert wie die Möglichkeit des Familienoberhauptes, über gemeinschaftlichen Besitz zu verfügen. Auch Heiraten waren ein zentrales Thema der Hausgesetze. Es galt, die Gefahr des Besitzverlustes durch Heiraten weiblicher Familienmitglieder in andere Häuser zu bannen. Dies bedeutete im Gegenzug, dass für nachgeborene Söhne und für Töchter neue Versorgungsmechanismen – in der Regel in Form von Apanagen bzw. Ehegütern – etabliert werden mussten. Der familiäre Besitz entwickelte sich zu einem Gemeinschaftsgut, das über Generationen bewahrt und vor dem Zugriff einzelner geschützt wurde.26 Auf der Schwelle zur Neuzeit wandelte sich auch das Selbstbild der adeligen Familien. Die zunehmende Betonung der agnatischen Abstammung schlug sich in neuen Genealogien nieder, die, anders als bislang, den »Mannesstamm« in den Mittelpunkt stellten.27 Die Darstellungsformen dieser neuen genealogischen Vorstellungen waren vielfältig. Sie reichten von familiengeschichtlichen Traktaten bis hin zu literarischen Texten, von unterschiedlichen Stammbaumvarianten bis zu künstlerischen Darstellungen in Ahnengalerien und Familienportraits. Auch für die Erziehung, insbesondere des Erstgeborenen, musste die zunehmende Durchsetzung der männlichen Primogenitur und des neuen Familienbildes Konsequenzen haben. Intensivierte Erziehungsanstrengungen mussten dazu beitragen, dass die Rechte, Pflichten, ja, der gesamte Habitus des Mitgliedes einer Dynastie internalisiert wurden und sichergestellt wurde, dass Wissen und Fertigkeiten für spätere Aufgaben bereitstanden. Für die »optimierte Erscheinungsform«28 der regierenden Familie, die in der ersten Hälfte der Frühen Neuzeit in vielen Varianten entstand, hat sich der Be26 Mineo; Nolte, Der kranke Fürst; Rogge; Schmid; Schulze, Das Erb- und Familienrecht; Schwarzmaier; Spring; Wolf, The Family of Dynasties; ders., Prinzipien der Thronfolge. 27 Burguière, La généalogie; Melville; Moeglin, Les dynasties princières; Schuster, Familienund Geschlechterbewußtsein; Tscherpel. 28 Weber, Dynastiesicherung und Staatsbildung, S. 95.

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griff »Dynastie« eingebürgert. Es handelt sich dabei aber nicht um einen zeitgenössischen Terminus. Bis zum 18.  Jahrhundert wurde die Adelsfamilie in der Regel als »Haus«, »Sippe« oder »Geschlecht« bezeichnet.29 Erst die Aufklärungskritik an den herrschenden Häusern bediente sich des Dynastiebegriffes, der ursprünglich vor allem auf außereuropäische Herrscherhäuser bezogen und negativ konnotiert war. In der Anwendung auf europäische Fürstenfamilien unterstrich er das aufklärerische Anliegen, staatliche, d. h. »öffentliche«, Angelegenheiten und die »privaten« Belange der Fürstenfamilie strikt voneinander zu trennen. Voraussetzung für eine solche Auslegung des Terminus war ein gewandelter Begriff vom »Staat«, der nicht nur den Machtbereich oder Herrschaftsapparat des Fürsten, sondern vor allem den öffentlichen, dem Gemeinwohl verpflichteten Charakter desselben bezeichnete.30 Anders als die aufgeklärten Gelehrten des 18.  Jahrhunderts hat die spätere historische Forschung nicht den Gegensatz von Dynastie und Staat betont, sondern vielmehr auf die untrennbare Verbindung zwischen beiden hingewiesen. »Die Dynastie war das Erste und Bodenständige in der Entwicklung zum modernen Staate«, schrieb schon Friedrich Meinecke in »Die Idee der Staatsräson«.31 Als »dynastischer Staat« wird eine frühe Form von Staatlichkeit bezeichnet, die vom Typus des rationalen und bürokratischen Anstaltstaates noch weit entfernt ist.32 Der »dynastische Staat« ist durch familiären Besitz der Herrschaftsressourcen und durch die große Bedeutung des verwandtschaftlichen Personenverbandes für Regierung, Verwaltung und Heer charakterisiert. Nicht »Der Staat bin ich«, sondern »Der Staat sind wir« war sein leitendes Prinzip. Die Dynastien sahen, wie Herbert Rowen in seiner Studie über »proprietary dynasticism« unterstrichen hat, die Ausübung des höchsten Staatsamtes und anderer einflussreicher Positionen als ihr ureigenstes und erbliches Recht, den Staat als ihren Besitz an.33 Hausgesetze regelten den Zugang zur Regierung, garantierten die Integrität des Staatsterritoriums sowie die Regierungsrechte der ersten Familie des Reiches; sie hatten somit Verfassungsrang.34 Gewiss war die dynastische Herrschaft zu keiner Zeit »absolut«. Sie hatte sich mit anderen mächtigen Gruppen auseinanderzusetzen, die häufig ebenfalls verwandtschaftlich organisiert waren. Wie Friedrichs II. Selbstbezeichnung als »erster Diener seines Staates« zeigt, waren der dynastischen Herrschaft auch Vorstellungen von Gemeinwohl nicht fremd; doch über ihre Umsetzung entschied der Dynast, nicht die Allgemeinheit. Die Loslösung des Staates von der Dynastie war ein langwieriger Prozess, der in Deutschland erst dann vollständig zum Abschluss kam, als der letzte Kaiser 29 Schwab, S. 254 f. 30 Koselleck, S. 23–25. 31 Meinecke, S. 327. 32 Über den dynastischen Staat: Benadusi; Bonney; Crest; Hanley; Heimann; Kunisch u. Neuhaus; Meyer; Reinhard, Das Wachstum der Staatsgewalt; Rowlands. 33 Rowen, The King’s State. 34 Mohnhaupt.

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und die übrigen Fürsten des Deutschen Reiches abdankten. Im 19.  Jahrhundert blieben zentrale Elemente des dynastischen Staates erhalten: Die fürst­liche Macht wurde zugunsten der Macht der Untertanen und Bürger beschnitten, aber in den meisten europäischen Ländern nicht abgeschafft. In vielen Verfassungen des 19.  Jahrhunderts fanden sich Elemente der dynastischen Hausgesetze. Gewiss konnte das Staatsterritorium jetzt nicht mehr als erblicher Besitz der Dynastie angesehen werden, doch es blieb unteilbar und unveräußerlich.35 In den Begriffen der »Dynastie« und des »dynastischen Staates« kommt die enge Verbindung zwischen Familie und Politik zum Ausdruck. Weil die Fürstenfamilie eine der Wurzeln des Staates war und lange Zeit seine zentrale Institution blieb, muss potentiell jedes Handeln im Interesse der Dynastie und jedes Handeln durch ihre Mitglieder auch als politisches bzw. staatliches Handeln ange­ sehen werden. Familiengeschichte und Staatengeschichte verschränken sich, und dynastische Vermählungen heißen zu Recht auch »Staatsheiraten«36. Die Einsicht in den Zusammenhang von hausgesetzlicher Entwicklung und Staatsbildung hat die Forschung befruchtet, aber lange Zeit auch den Blick eingeengt. Nicht nur die Modi von Sukzession und Erbe trugen zur Ausprägung von dynastischer Staatlichkeit bei, sondern auch Heirat und verwandtschaft­ liche Vernetzung. Eine umfassende Betrachtungsweise muss sich nicht nur dem agnatischen, d. h. über den Mannesstamm definierten Haus, sondern auch der »kollateralen« oder »kognatischen«, d. h. über weibliche Linien oder Familienmitglieder verbundenen Verwandtschaft zuwenden. Es ist kein Zufall, dass es frauen- und geschlechtergeschichtliche Forschungen waren, die sich zuerst mit dieser Fragestellung befassten. Sie haben die oft einflussreichen weiblichen Akteure der Dynastien und ihre vielfältigen, von den männlichen abweichenden Rollen sichtbar gemacht, welche die Historiographie bis dahin kaum wahrgenommen hatte.37 Auch in diesem Buch kommen nicht nur Könige und Prinzen, sondern auch viele Frauen vor: Fürstinnen und Fürstengattinen, Prin­ zessinnen als Töchter und Bräute, hochadelige Mütter, Tanten und Großmütter als Ehevermittlerinnen. Selbst wenn in der vorliegenden Studie die geschlechtergeschichtliche Perspektive nicht im Mittelpunkt steht, darf nicht darüber hinweggegangen werden, dass Heiraten im hier betrachteten Zeitraum eine Angelegenheit von Männern und Frauen waren. Ihr Verhältnis soll zumindest dort zum Thema werden,  wo dies zu überraschenden Erkenntnissen oder zu einem tieferen Verständnis der Fragen von Verwandtschaft, Politik und Ritual führt. Neue Einsichten in den Zusammenhang von Dynastie, Heiraten und Staatswerdung verspricht das Studium von Hausgesetzen. Darüber hinaus ist eine Beschäftigung mit dem umfangreichen dynastischen Expertenwissen – in Form von Nachschlagewerken, Fachbüchern, Stammbäumen und juristischen Texten  – nötig, vor allem aber die Analyse der politischen Praxis, in der sich 35 Stickler. 36 Stolleis. 37 Wunder, S. 9–27; Hohkamp; Rogge, Nur verkaufte Töchter?; Ruppel.

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der Zusammenhang von Fürstenhochzeit und Staat konkretisierte. Wie Hermann Weber treffend bemerkt hat, kann »eine Auskunft über die Bedeutung von Dynastien für die europäische Geschichte … gerade von der dynastischen Heiratspolitik am ehesten erwartet werden«.38 Der Zusammenhang von Dynastieformierung und Staatsbildung prägte auch die Geschichte der Hohenzollern. Das Geschlecht stammte ursprünglich aus Schwaben. Im 12.  Jahrhundert erwarb der Hohenzoller Friedrich I. das Amt des Burggrafen von Nürnberg, und im Jahr 1415 wurde seinem Nachfahren Friedrich VI. die Kurwürde der Mark Brandenburg übertragen.39 Die Anfänge der Dynastie­bildung in der gegenüber den älteren schwäbischen und fränkischen Linien zunehmend dominanter werdenden brandenburgischen Nebenlinie, die erst später als »Haus Brandenburg« im Rahmen des »Gesamthauses Hohenzollern« bezeichnet wurde, sind in das Jahrhundert nach dieser Rangerhöhung zu datieren. Im 15.  Jahrhundert bildete sich in Cölln und Berlin eine neue hohenzollernsche Residenz heraus. Mit der »Constitutio Achillea« von 1473, welche Primogenitur, Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit zu den Prinzipien der Weitergabe des Familien­ besitzes erklärte, entstand die Grundlage der späteren Hausverfassung. Ebenfalls im 15. Jahrhundert begann die – durch die Arbeiten von Jean Moeglin über historisch-genealogische Literatur erforschte  – Verfestigung dynastischen Bewußtseins der brandenburgischen Hohenzollern.40 Durch die detaillierte Rekonstruktion der hohenzollernschen Lebenswelten des 15. Jahrhunderts, welche wir Cordula Noltes Studie »Familie, Hof und Herrschaft« verdanken, wissen wir jedoch auch um die Fluidität in dieser Phase der Familiengeschichte.41 Flexible Strukturen und unablässiger Wandel der Funktionen und Rollen von Familienmitgliedern legen es nahe, die Familie nicht als eine Struktur, sondern als einen Prozess kontinuierlicher Veränderung zu denken.42 Normen und Wirklichkeit klafften, wie Bernard Derouet und Ste­phanie Walther betont haben, vielfach auseinander; die Akteure rangen um ihre Handlungsspielräume.43 Bis etwa 1600 wurden die Regelungen der »Achillea« nur selten zur Grundlage des familiären Handelns. Fürstliche Machtvollkommenheit, nicht dynastische Regeln bestimmten nach wie vor die Erbpraxis. Erst der Ansbacher Vergleich von 1603 änderte dies. Mit ihm endete ein Erbkonflikt unter Brüdern mit dem Sieg des ältesten von ihnen, Joachim Friedrich, der sich rechtfertigend auf die »Achillea« bezog. Erst in Folge dieses Aktes wurden männliche Primogenitur, Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit strikt durch­ geführt. Der Kern des hohenzollernschen Landbesitzes wurde hiermit – ebenso 38 Weber, Die Bedeutung der Dynastien für die europäische Geschichte, S. 8. 39 Überblicksdarstellungen zur Geschichte der Hohenzollern: Clark, insb. S. 24–39; Heinrich; Hintze; Hubatsch; Neugebauer; Stamm-Kuhlmann. 40 Moeglin, »Toi burgrave de Nuremberg…«; ders., Dynastisches Bewusstsein und Geschichtsschreibung; ders., L’utilisation de l’histoire. 41 Nolte, Familie, Hof und Herrschaft. 42 Dies., Gendering Princely Dynasties, S. 709. 43 Derouet; Walther.

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wie die Regelungen der Vererbung – dauerhaft fixiert; ein dynastischer Staat begann zu entstehen. Erst im 19. Jahrhundert begann sich die Hausverfassung im Prozess der Konstitutionalisierung zu wandeln. Was einst der dynastische Staat gewesen war, wurde jetzt mehr und mehr als ein öffentliches Gut angesehen, auf dessen Regierung das Staatsvolk Einfluss zu nehmen verlangte. Der König wurde zum Inhaber des höchsten, allerdings nach wie vor nach dem Prinzip der männlichen Primogenitur vergebenen Staatsamtes. Den Dynastien erkannten die Verfassungen des 19. Jahrhunderts nur mehr eine Rolle als Lieferanten fürstlichen Nachwuchses zu. Die Entwicklung von Dynastie und Staat in Brandenburg-Preußen ist seit dem 19. Jahrhundert intensiv erforscht worden, ohne dass der Beitrag von Heiraten und verwandtschaftlicher Verflechtung systematisch Berücksichtigung fand. Verlässliche Kenntnisse über hohenzollernsche Heiraten liefern vornehmlich die wissenschaftlichen Biographien über einzelne Mitglieder der Dynastie sowie einige Einzelstudien.44 Die umfangreichen Bestände in den Personalreposituren des Brandenburgisch-Preußischen Hausarchivs, welche die Heiraten des Kurfürsten-, Königs- und Kaiserhauses betreffen, sind bislang noch nicht im Licht einer übergeordneten Fragestellung betrachtet worden. In diesem im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem aufbewahrten Korpus sind die Korrespondenzen der fürstlichen Familie sowie  – häufig aus anderen Provenienzen zusammengefasst – die Akten der Hofbehörden und zum Teil auch des Außenministeriums enthalten, die Vermählungen betreffen. Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen 88 von Töchtern und Söhnen des Hauses Brandenburg zwischen 1640 und 1918 geschlossene Heiraten. Insgesamt verehelichten sich im genannten Zeitraum 42 Hohenzollerinnen und 36 Hohen­ zollern. Zwölf von ihnen traten mehrfach vor den Altar. Zwei Ehen wurden innerhalb des brandenburgisch-preußischen Hauses geschlossen, zwischen der regierenden Linie und der Linie Schwedt. Sieben der 88 Hohenzollernehen waren nicht standesgemäß, d. h. die Familie betrachtete sie als ungültige Miss­ehen oder versah sie als morganatische Ehen mit einem minderen Rechtsstatus.45 Der lange, epochenübergreifende Untersuchungszeitraum erklärt sich aus dem Bestreben, die mit geologischer Langsamkeit vor sich gehenden Wandlungsprozesse einer über Jahrhunderte in ihren Grundzügen stabilen soziokulturellen Praxis beobachten zu können. Mit dieser »étude de longue durée« ist auch die Absicht verbunden, einer verbreiteten historiographischen Tendenz entgegenzuwirken, welche die »Sattelzeit« als eine Phase beschleunigter Transformation ansieht, ohne diese Auffassung allerdings durch einen eingehenden Blick auf das Vorher und Nachher zu prüfen. Während das Ende des Untersuchungszeitraumes, das mit dem Untergang der Welt der Dynastien zusammenfällt, keiner weiteren Erklärung bedarf, ist der Anfangspunkt mit einer gewis44 Bastgen, Berner, Neigebaur, Oncken. 45 Eine Übersicht aller bei der Auswertung berücksichtigten Fälle sowie der Verweis auf die einschlägige genealogische Literatur zu den Hohenzollern finden sich im Anhang.

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sen Willkür gewählt. Für die vierziger Jahre des 17. Jahrhunderts spricht zum einen die Tatsache, dass sie – versinnbildlicht durch den Westfälischen Frieden von 1648 – den Anfang einer neuen Ära der europäischen Geschichte bedeuteten. Zum anderen beginnt in diesem Jahrzehnt auch der Aufstieg BrandenburgPreußens unter dem Großen Kurfürsten, der mit der für den weiteren Verlauf der Hohenzollerngeschichte so prägenden Heirat mit der oranischen Prinzessin Luise Henriette im Jahr 1646, aber auch mit einer die opulente Hofkultur König Friedrichs I. vorbereitenden Prachtentfaltung einherging. Im ersten Kapitel werden zunächst die Zusammenhänge zwischen hohenzollernschen Hausgesetzen, Heiraten und der staatlich-territorialen Entwicklung Brandenburg-Preußens analysiert. Dies erfordert erstens eine Einführung in die wichtigsten Stationen der Hausrechtsentwicklung, die hier fixierten Heirats­normen und ihre Bedeutung für die Entstehung des preußischen Staates (1.1). Zweitens soll gezeigt werden, dass rechtmäßige Heiraten die einzige Quelle legitimen Nachwuchses und damit eine unabdingbare Voraussetzung für die praktische Umsetzung des in den normativen Texten vorgezeichneten ­Weges dauerhafter Staatskontinuität darstellten. Zwar sprachen die Hausgesetze von Ewigkeit, doch Geburten und Todesfälle sorgten dafür, dass sich Größe und innere Struktur der Dynastie unentwegt änderten. Im Jahr 1701 bestand die Hauptlinie der Hohenzollern lediglich aus einer dreiköpfigen Klein­ familie; das gesamte Haus Brandenburg, inklusive der Seitenlinien Schwedt und Sonnenburg, umfasste nicht mehr als neun Personen. In der Regierungszeit Friedrichs II. schien sogar das Aussterben der hohenzollernschen Hauptlinie zu drohen. Der Monarch arbeitete durch die Verheiratung seiner Brüder und durch kontinuierliches Drängen zur Prokreation gegen das drohende Ende der Dynastie an. Solche Probleme kannten die Hohenzollern im 19. Jahrhundert nicht. 1871, im Jahr der Reichsgründung, umfasste das Haus Brandenburg 23 Personen, und Sorgen um den Fortbestand waren überflüssig. Wie die Hohenzollern mit dem Problem familiärer Kontinuität zurechtkamen, soll auch ein Blick auf die Demographie der Hohenzollern zeigen. Durch das umfangreiche genealo­ gische Material sind demographische Eckwerte wie Nuptialität, Heiratsalter und eheliche Fruchtbarkeit zu ermitteln. Um die Spezifik des Hauses Hohenzollern zu zeigen, ist ein Vergleich der für die Hohenzollern erhobenen Daten mit denen anderer Adelspopulationen vonnöten – etwa mit den anderen regierenden Häusern in Europa, dem von Volker Hunecke analysierten venezianischen Adel des 18. Jahrhunderts oder dem hessischen Adel, der von Gregory W. Pedlow demographisch erfasst wurde (1.2).46 Doch dynastische Herrschaft über Generationen verlangte nicht nur die Stabi­lisierung des eigenen Territorialbesitzes durch Gesetze, welche die Ent­ stehung fremder Erbansprüche unterbanden, und ausreichenden Nachwuchs; sie erlaubte auch territoriale Expansion auf der Grundlage familiärer Ansprüche. Heiraten konnten ein probates Mittel zu deren Erwerb sein. Allerdings war 46 Hunecke; Pedlow; für einen gesamteuropäischen Vergleich s. Peller.

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der Weg von einem durch Eheschließung erworbenen Anspruch bis zum Hissen des Adlers über neuen Gebieten häufig weit. Ohne Diplomatie, Justiz und Krieg ließ sich territoriale Expansion in der Regel nicht realisieren. Sind Heiraten deshalb als nebensächlich für Gebietsgewinne anzusehen? Wie lange dienten sie als Legitimation für expansive Gelüste? Die Transformation des dynastischen in einen modernen Staat und ihre Auswirkungen auf die Erwerbsfunktion fürst­ licher Heiraten stehen am Ende des Kapitels 1.3, welches sich mit den verwandtschaftlichen Aspekten territorialer Expansion befasst. Im Kontext einer Studie über die politische Bedeutung von Fürstenhoch­ zeiten mag der Inhalt des zweiten Teils des Buches zunächst überraschen; denn dieser widmet sich Strategien und Normen der Heirat, die auf den ersten Blick als unpolitisch erscheinen können. Der Teil  beginnt mit der Deutung einer Quelle, welche die Suche nach einer Braut für den späteren Kaiser Wilhelm II. dokumentiert. Dessen Eltern er­wägen zwar durchaus politische Gründe bei ihrer Entscheidung über die richtige Gattin, behandeln jedoch auch die »Neigung« des prospektiven Bräuti­gams, Charakter und Gesundheit der Zukünftigen sowie die Frage der Ebenbürtigkeit mit großem Ernst. Im Mittelpunkt des Kapitels 2.1 steht das spannungsreiche Verhältnis zwischen der Autorität des Familienoberhauptes und dem Recht der Ehekandida­ ten, ihre Eheentscheidung frei und ungezwungen zu treffen. Das Kapitel diskutiert die widersprüchlichen und wandelbaren Auffassungen der Zeitgenossen über dieses Thema ebenso wie eine Reihe von Einzelfällen, in denen elter­licher und kindlicher Willen voneinander abwichen. Das Problem der freien Eheentscheidung und Partnerwahl ist verbunden mit dem Thema der »Liebe«, das daher ebenfalls in diesem Kapitel behandelt wird. Standen die Gefühle von Prinzen und Prinzessinnen der von den Eltern repräsentierten dynastischen Autorität entgegen? Lange Zeit wurde die Sattelzeit als Zäsur in der europäischen Gefühls­ geschichte angesehen. Philippe Ariès hat in seinen Studien zur Geschichte der Kindheit die These aufgestellt, dass sich in der modernen Kernfamilie nach 1800 die affektiven Bindungen intensivierten und Liebe zur Voraussetzung einer Ehe wurde.47 Ariès’ Thesen haben in der Forschung weite Verbreitung gefunden. Die Abgrenzung zwischen einer »lieblosen« zweckgerichteten Familie der Frühen Neuzeit und einer emotional aufgeladenen, individuelle Bedürfnisse zunehmend berücksichtigenden Familie der Moderne ist allerdings inzwischen in Frage gestellt worden. In neueren Studien wird demgegenüber im Anschluss an die These von David Sabean und Hans Medick betont, dass sich Emotionen und materielle Interessen gegenseitig durchdrangen und formten.48 Darüber hinaus hat sich der methodische Umgang mit Gefühlen durch die Rezeption und Weiterentwicklung von Niklas Luhmanns Werk »Liebe als 47 Ariès, Liebe in der Ehe. 48 Grundlegend neben Medick u. Sabean auch Peters, Ökonomie der Liebe; eine Anwendung auf den Adel unternimmt Lesemann.

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Passion« ver­ändert. Neuere Studien zur Gefühlsgeschichte betonen den kollektiven und norma­tiven Charakter von Emotionen. Liebe wird als »sozialer Code« verstanden, der sich in Gefühlssemantiken niederschlägt. »Der Code«, so Luhmann, »er­mutigt, entsprechende Gefühle zu bilden«.49 Welcher Stellenwert wurde dem »Gefühl« im Sprechen über die vornehmlich strategische Entscheidung der hochadeligen Heirat eingeräumt? Wie veränderte sich die Liebes­ semantik in der Hohenzollerndynastie vom 17.  bis zum 20.  Jahrhundert? Ist Johannes Schmidts These zutreffend, dass in der Vormoderne »Freundschaft« und »Liebe« äquivalente Begriffe zur Charakterisierung einer guten Ehe waren, während in der Sattelzeit »Liebe« nicht nur eine neue Bedeutung annahm, sondern auch das Konzept der ehelichen »Freundschaft« verdrängte?50 Als Quellen für die Be­antwortung dieser Fragen sind vor allem Korrespondenzen, Tagebücher und Memoirenliteratur relevant. Die »Liebe« war, soll hier argumentiert werden, in den meisten Fürstenhochzeiten keine Gegenkraft zum politischen Kalkül. Nicht zuletzt durch die Erziehung wurde sichergestellt, dass Kinder fürstlichen Familien im rechten Augenblick die gewünschten Gefühle an den Tag legten. Auch wenn sich Liebessemantik und Praktiken der Eheanbahnung im 19. Jahrhundert wandelten, wurde die Auffassung, dass Liebe und dynastische Strategien nicht im Widerspruch stehen durften, nicht aufgegeben. Die Bedeutung dieser Tatsache für die politische Geschichte der Fürstenheirat liegt auf der Hand – und dies ist, wie sich noch zeigen wird, nicht die einzige Art und Weise, wie Gefühle und Politik miteinander verbunden waren. Im Kapitel 2.2 geht es um die Partnerwahl als Mittel zur Konfirmation des sozialen Status einer Dynastie. Heiraten im Kreis der »Ebenbürtigen«, d. h. Gleichrangigen, führten zu einer verwandtschaftlichen Abschließung gegenüber dem niederen Adel, was in der Konsequenz dessen Ausschluss von Regierungsämtern bedeutete und daher politisch überaus relevant war. Untersucht werden gleichermaßen die Normen wie die Praxis der Eben­bürtigkeit im Haus Hohenzollern. Von Interesse ist vor allem die Frage, ob in der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraumes die Observanz der Eben­bürtigkeitsregeln weniger strikt gehandhabt wurde. Das legen Heinz Reifs Studien zur Transformation adeliger Partnerwahl im 19. Jahrhundert nahe, die eine vorsichtige Öffnung adeliger Heiratskreise dokumentieren.51 Es ist zu untersuchen, ob in den regierenden Häusern ähnliche Entwicklungen zu beobachten sind wie im niederen Adel. Erste Untersuchungen auf diesem Feld – wie Silke Marburgs Studien über die Wettiner zur Zeit König Johanns von Sachsen52 – lassen dies zweifelhaft erscheinen. Sie deuten nicht nur auf Stabilität, sondern sogar auf Verschärfung 49 Luhmann, Liebe als Passion, S. 9. 50 Schmidt, Das Verhältnis von Freundschaft und Liebe; Eickels. 51 Reif, »Erhaltung adligen Stamms und Namens«, S.  290–297; ders., Westfälischer Adel, S. ­240–259. 52 Marburg, »Das Ansehen hat man umsonst.«, S.  361–64; dies., Europäischer Hochadel, S. 263–279.

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der Heiratsregeln in den obersten Rängen des Adels hin. Auch die Hohen­zollern rückten nicht von den Ebenbürtigkeitsregeln ab, im Gegenteil ist eine Hebung der Standards im 19. Jahrhundert bemerkbar. Kapitel 2.3 widmet sich schließlich der Ehegüterpraxis und damit einem weiteren Aspekt von Heiraten, der nur auf den ersten Blick unpolitisch ist. Die von dem französischen Ethnologen Marcel Mauss eingeführte und von Claude LéviStrauss fortentwickelte Theorie der Gabe in archaischen Gesellschaften ist für die Interpretation der materiellen Seite von Heiraten fruchtbar. Bei Fürstenheiraten ging es nicht nur um Gewinne und Verluste oder das Übervorteilen einer anderen Familie beim Tausch einer Tochter gegen andere Güter. Vielmehr sind die von Mauss und Lévi-Strauss an zahlreichen Beispielen aus außereuropäischen Kulturen, aber auch aus der antiken und germanischen Welt nachgewiesenen Elemente des Gleichgewichtsdenkens zumindest ansatzweise auf die Fürstenheirat anwendbar. Auch die fürstlichen Ehegüter wurden in der Regel so ausbalanciert, dass am Ende beide Seiten einen etwa gleichgroßen Anteil gaben. Der Nutzen solchen Gleichgewichts bestand nicht in der Gewinnmaximierung, sondern im Erweis gegenseitiger Ehrerbietung und der daraus erwachsenden gegenseitigen Bindung der gleichermaßen Gebenden.53 Im Mittelpunkt des Kapitels über die Ehegüterpraxis steht daher die Frage, inwieweit die hohenzollernschen Heiraten ökonomisch lukrativ waren und inwiefern Politik und materielle Interessen miteinander interferierten.54 So wird sich in den drei Kapiteln des zweiten Teils zeigen, dass bei der Ehe­ entscheidung in Fürstenfamilien Strategien zum Tragen kamen, die nicht im engeren Sinne dem Bereich der Politik angehörten und doch die Wirksamkeit der Fürstenhochzeit als politisches Instrument maßgeblich beeinflussten. Denn Charakter und Gesundheit der Braut, Neigung, Ebenbürtigkeit und Ehe­ güter hatten einerseits durchaus politische Implikationen, andererseits führte die Notwendigkeit der Optimierung ganz unterschiedlicher, manchmal sogar widersprüchlicher Ziele aber auch dazu, dass Heiratspläne politische Absichten hintenan stellen mussten. Im dritten Teil weitet sich der Blick. War bis hierher vornehmlich die Hohenzollerndynastie Gegenstand der Betrachtung, rücken nun diejenigen Familien ins Sichtfeld, mit welchen die Hohenzollern regelmäßig verwandtschaftliche Bande knüpften. Wie weit erstreckte sich der Heiratskreis der brandenburgischen Kurfürsten- und preußischen Königsfamilie? Die im Kapitel 3.1 vor­ genommene Analyse der häufigsten Heiratspartner zeigt, dass bei den Hohenzollern der Kreis der Familien, mit denen regelmäßig Ehen geschlossen wurden, durchaus übersichtlich war. Konfessionelle, verwandtschaftliche und räum­ liche Nähe prägte den Heiratskreis. Diese Feststellung wirft neue Fragen über den politischen Nutzen von Heiraten auf: Welche politischen Zwecke verfolgten 53 Mauss, Die Gabe, S. 27–49. 54 Über Systeme der Mitgiftkontrolle siehe Molho, S.  298–324; Reif, Westfälischer Adel, S. 254 ff.

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Ehebündnisse mit den weniger mächtigen benachbarten Familien des Heiligen Römischen Reiches? Welche der im Heiratskreis häufig mit den Hohenzollern verbundenen Familien wiesen überhaupt ein ausreichendes Gewicht auf, um als ernstzunehmende politische Partner für die auf der europäischen Bühne agierenden Hohenzollern zu gelten? Wieso waren Heiraten mit den mächtigsten Familien Europas so selten? Die Begrenztheit des hohenzollernschen Heiratskreises ist darüber hinaus ein erster Hinweis darauf, dass die verbreitete Vorstellung einer »europäischen Familie der Dynastien« zu relativieren ist. So waren die brandenburgischen Hohenzollern etwa mit den katholischen Familien im Süden des Reiches und Europas nicht oder nur entfernt verwandt. Darüber hinaus erweist sich der hohenzollernsche Heiratskreis trotz seiner konfessionellen und räumlichen Begrenztheit als überraschend heterogen: Ein hohes Maß an Ähnlichkeiten verband die protestantischen Familien aus dem Norden des Reiches. Sie verfolgten ähnliche Strategien wie die Hohenzollern. Für die politisch einflussreicheren Familien, die über andere Reiche Nordeuropas herrschten, galt dies jedoch nicht. Sie waren vielmehr von unterschiedlichen Familienrechten und -kulturen geprägt. Entsprechend setzte, wie das dritte Kapitel dieses Teils zeigen wird, die Anbahnung von Ehen mit dem Haus Hannover oder den Romanow intensive Bemühungen zur Überwindung dynastisch-kultureller Unterschiede voraus. Ähnlichkeit stellte also nicht immer eine Voraussetzung für die Beziehungen zwischen Dynastien dar; vielmehr konnten »grenzüberschreitende Familienbeziehungen«55 intensive gegenseitige Wahrnehmung und Austausch zwischen Akteuren in Gang setzen, die sich einigermaßen fremd waren. Bei diesem Schritt der Analyse wurden zusätzlich zu den Akten des brandenburgisch-preußischen Hausarchivs auch Forschungen zu und Quellenmaterial von anderen Häusern herangezogen. In den Blick genommen wurden insbesondere die Archive solcher Dynastien des hohenzollernschen Heiratskreises, die ein besonders großes politisches Gewicht hatten und anderen Kulturkreisen in Europa angehörten. Zu diesen ist die britische Königsfamilie zu rechnen, mit der die Hohenzollern während des gesamten Untersuchungszeit­ raumes enge verwandtschaftliche Verbindungen pflegte. Das Archiv der britischen Königsfamilie in Windsor wurde dazu ebenso benutzt wie die National Archives in Kew und die Royal Library in London. Durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv der Russischen Föderation war die Auswertung ausgewählter Quellen der russischen Zarenfamilie möglich. Eine Sichtung der in Den Haag aufbewahrten Archive der Oranier konnte noch nicht vorgenommen werden. Hier musste die Auswertung der edierten Quellen, der Forschungsliteratur sowie einzelner ausgewählter Stücke aus der Koenigliken Bibliothek reichen. Das erscheint wegen der intensiven Erforschung der hohenzollernsch-

55 Zur historischen Relevanz von grenzüberschreitenden Familienbeziehungen s. Nolde u. Opitz, S. 1–16.

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oranischen Beziehungen durch Horst Lademacher und andere als vertretbar. So verlagert sich die Untersuchung von der Nahaufnahme einer einzigen Dynastie zum gleichsam mit mittlerer Brennweite aufgenommenen Bild eines weiteren Kreises verwandter Häuser. Bei der Untersuchung von Vernetzung, Ähnlichkeiten und Unterschieden sowie Interaktionen im hohenzollernschen Heiratskreis kommen erste Zweifel an der Vorstellung einer »europäischen Familie der Dynastien« auf; vielmehr scheint das hochadelige Verwandtschaftsnetzwerk von Binnengrenzen und Heterogenität geprägt zu sein – eine These, die hier nur angerissen, im weiteren Verlauf der Argumentation jedoch aufgegriffen und weiter verfolgt wird. Angesichts der Heterogenität der Dynastien und der schwierigen und langwierigen Eheanbahnung im europäischen Kontext stellt sich die Frage, inwieweit Verwandtschaftsnetzwerke als Grundlage politischer Kooperation tauglich waren. Dieser Frage wendet sich der vierte Teil zu, in dem die mittlere Brennweite beibehalten wird. Während die ersten drei Teile politische Implikationen verwandtschaftlicher Praxis behandelt haben, wird nun das Feld der Diplomatie betreten, um an ausgewählten Beispielen die verwandtschaftlichen Aspekte der politischen Praxis zu bestimmen. Hier muss die These der Ethnologen geprüft werden, ob Tauschbeziehungen zwischen Clans tatsächlich den Übergang »von der Feindschaft zur Allianz, von der Furcht zum Vertrauen, von der Angst zur Freundschaft« bewirken konnten.56 Für Catherine Radziwill gab es noch zu Beginn des Ersten Weltkriegs keinen Zweifel, dass »the relations of the various European empires and kingdoms depended considerably upon the direction in which these alliances where contracted«.57 Dass Beziehungen, vor allem »Freundschaft« und »Gefolgschaft«, für die fürstliche Außenpolitik des Mittelalters und der Frühen Neuzeit eine ebenso große Rolle spielten wie Verträge und Völkerrecht, hat auch die Forschung längst zur Kenntnis genommen.58 Über die spezifischen politischen Wirkungen dessen, was bis ins 19. Jahrhundert in der Regel als »alliance familiale« oder »lien de sang« bezeichnet wurde, wissen wir hingegen wenig. Welche politischen Folgen schrieben die Zeitgenossen der ehelichen Verbindung zu? Bei der Untersuchung dieser Frage steht eine Serie solcher Fälle von Heiraten der Hohenzollern mit den Oraniern, Hannoveranern und Romanow im Mittelpunkt, die tatsächlich vom politischen Geschäft auf der europäischen Bühne beeinflusst wurden und ihrerseits dieses beeinflussten. Welche Absichten und Erwartungen im Bezug auf Heiraten wurden formuliert? Welche Strategien wurden thematisiert? Wie veränderte sich die Auffassung der Akteure von den politischen Möglichkeiten der fürstlichen Eheschließung? Wie sind die tatsächlichen Folgen einzuschätzen? Insgesamt ist dieser Teil von einer gewissen Skepsis gegenüber allzu allgemeinen und allzu weitgehenden Vorstellungen von der diplomatischen Wirksamkeit von Heiraten geprägt, wie sie zum 56 Lévi-Strauss, Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft, S. 127. 57 Radziwill, The Royal Marriage Market of Europe, S. V. 58 Althoff; Eisenstadt u. Roninger; Oschema sowie Schmidt, Freundschaft und Verwandtschaft.

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Teil  bei historischen Akteuren, aber auch bei Historikern vorherrschen. Eine Typologie diplomatischer Funktionen von Ehe­schließungen soll helfen, eine Serie von Einzelfällen in differenzierter Weise auf die von den Akteuren verfolgten Absichten und die tatsächlichen Folgen hin zu untersuchen. Der fünfte Teil knüpft unmittelbar an die Untersuchung von Heiraten und Diplomatie an. Er betrachtet Hochzeitsfeste als Bindungsrituale, d. h. als Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln. Dass die äußeren Formen der höfischen Welt nicht nur leeren Pomp, Genuss- und Verschwendungssucht beinhalteten, sondern als Zeichensystem die politische Ordnung abbildeten und dadurch perpetuierten, ist eine Erkenntnis, die schon Norbert Elias’ und Jürgen von Krüdeners Arbeiten über die höfische Gesellschaft zugrundelag: »Der höfische Aufwand diente zunächst und vordergründig der Repräsentation von Macht.«59 An dieser grundsätzlichen Auffassung haben auch die Relativierungen und Differenzierungen der These, dass höfische Repräsentation ein Werkzeug zur Disziplinierung des Adels durch den König gewesen sei, nicht gerüttelt.60 Durch methodische Inspiration von der Kommunikationstheorie und der Ethnologie – insbesondere Victor Turner, Arnold van Gennep und Clifford Geertz wurden intensiv rezipiert61 – hat sich das methodische Instrumentarium der Forschung zum höfischen Fest und Zeremoniell entscheidend erweitert. Insbesondere die Betrachtung derselben als Rituale hat neue Aspekte beleuchtet. Rituale sind durch Normierung geregelte, sich wiederholende kollektive Handlungsmuster. Sie haben insofern einen performativen Charakter, als sich im symbolischen Handeln eine Zustandsveränderung vollzieht. Im Fall der Heirat wird der Übergang von der Ledigkeit zur Ehe begangen, eventuell auch die Transformation von konfliktuösen zu harmonischen Beziehungen zwischen zwei Clans. Rituale sind Inszenierungen, die auf Wirkung in einem Kollektiv abzielen und dem Alltagshandeln – etwa durch besondere Kleidung oder Nahrung – entzogen sind. Sie weisen über sich hinaus, indem sie eine soziale, politische oder metaphysische Ordnung versinnbildlichen. Ferner sind Rituale nicht vollständig planbar; unvorhergesehene Variationen und Störungen können auftreten und sogar auf die symbolisierte Ordnung zurückwirken. Unter solchen Prämissen sind unterschiedliche monarchische, dynastische und höfische Rituale untersucht worden. Krönungs- und Huldigungsfeiern, Reichstage, Todesfeiern und verschiedene Formen des Zeremoniells haben die FrühneuzeitForschung intensiv beschäftigt.62 Hochzeitsfeiern eröffnen hier insofern neue Perspektiven, als in ihnen nicht nur politisch-gesellschaftliche Binnen-, sondern auch Außenbeziehungen zum Tragen kamen. 59 Krüdener, S. 21; Horowski. 60 Duindam, S. 97–136. 61 Gennep; Turner, The Ritual Process; Geertz. 62 Berns; Berns u. Rahn; Duchhardt, Herrscherweihe und Königskrönung; Möseneder; Stollberg-Rilinger, Zeremoniell als politisches Verfahren.

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Als zentral für das Ritual wird das Wechselspiel zwischen der »technischinstrumentellen« und der »symbolisch-expressiven« Ebene angesehen.63 Im Fall der Hochzeiten könnte man argumentieren, dass im Früh- und Hochmittel­ alter der kirchliche Akt und die »copula carnalis« in Verbindung mit höfischen Festlichkeiten die Gültigkeit der Heirat garantierten, während im späten Mittelalter zusätzlich juristische Instrumente hinzukamen. Erst dann spezifizierten Ehepakte, die durch Rituale in Kraft gesetzt werden mussten, die Bedingungen der Familiengründung. Darüber hinaus können auch Friedens- und Allianzverträge, zu deren Bekräftigung Ehen verabredet wurden, als »technisch-instrumentelle« Akte mit anschließender symbolischer Bekräftigung angesehen werden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde in Deutschland mit der standesamtlichen Trauung ein neuer bürgerlicher Rechtsakt mit eigenem Zere­moniell in das Rechtsgeschäft und das Festgeschehen eingefügt. Das wachsende Vertrauen in »technisch-instrumentelle« Akte, so wurde im Rahmen von modernisierungstheoretischen Ansätzen argumentiert, sei als eine Delegitimierung des »Symbolisch-Expressiven« anzusehen.64 Gegen die hinter solchen Deutungen stehende Vorstellung, Rituale seien in der Moderne nachrangig geworden, betont die moderne Fest- und Ritualforschung die fortdauernde Relevanz symbolischer Kommunikation auch außerhalb der Höfe und auch noch nach dem Übergang in die Moderne.65 Verloren Hochzeitsfeste im 19. Jahrhundert ihre politische Bedeutung zugunsten von sachlicheren Formen der Politik? Die Fürstenhochzeit ist bisher kaum als außenpolitischer »Ereignistyp«66 untersucht worden. Da die vorliegende Studie ihren Gegenstand vor allem in jenen Zügen zu erfassen sucht, die ihn von anderen höfischen Ritualen unter­scheiden, sollen hier nicht  – wie in anderen Studien  – die im Zeremoniell gespiegelten Rangfragen im Mittelpunkt stehen. Vielmehr geht es um die Inszenierung von Verwandtschaft und verwandtschaftlich-politischen Bindungen und ihre Bedeutung für die symbolische Kommunikation zwischen Dynastien.67 Wie wurden Beziehungen in rituelle Handlungen, Sprache und Symbole umgesetzt und transformiert? Die Semantik von Bindung und Beziehung zeigt sich in allen Abschnitten des Ereignistyps Fürstenhochzeit. Besonders augenfällig sind sie bei der Brautfahrt, die als Reise zwischen zwei Residenzen Beziehungen darstellt. 63 Stollberg-Rilinger, Symbolische Kommunikation, 497 f. 64 Holenstein, S. 507, 511 ff. 65 Andres, Die Sinnlichkeit der Macht, 7 f.; Andres u. Schwengelbeck, Das Zeremoniell als politischer Kommunikationsraum, 31 f.; Cannadine, Introduction: Divine Rites, S.  5 ff.; Jahn; Nolte u. Hettling; Schwengelbeck, S.  13 f.; Stollberg-Rilinger, Vormoderne politische Verfahren, S. 9–24; hier wird Bezug genommen auf Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 223 ff. 66 Zum Konzept des »Ereignistyps« und zu den Debatten über das Verhältnis von Ereignis und Strukuren s. Paulmann, Pomp und Politik, S. 25–27. 67 Zur Kommunikation zwischen Höfen s. Bauer, Höfische Gesellschaft und höfische Öffentlichkeit, S. 29 ff.

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Der Einzug der Braut versinnbildlicht die Huldigung durch ihre zukünftigen Untertanen und damit deren Akklamation eines neuen dynastisch-politischen Bandes. Doch auch in den Dekorationen und Aufführungen wird, immer wieder auf neue Weise, das durch die Ehe gestiftete Band symbolisiert. Der fünfte Teil wendet sich darüber hinaus einem spezifischen und besonders aussagekräftigen Leitmotiv der Bindungssemantik zu: der Liebe. Die emotionale Bindung ist bereits im zweiten Teil dieser Arbeit in den Blick genommen worden. Während sie uns zunächst als emotionale Regung und Norm interessiert hatte, geht es jetzt um ihre Politisierung. War um 1700 die »Liebe« eine Gegenkraft zum Krieg und – verkörpert durch die Göttin Venus – eine allegorische Versinnbildlichung positiver Beziehungen, wurde sie um 1800 allmählich umkodiert. Je stärker eine emotionale Beziehung zwischen den Ehegatten gefragt war, desto mehr spielte diese auch in den politischen Diskursen rund um die Ehe eine Rolle. Zum einen diente sie zur emphatischen Betonung der Beziehung zwischen Monarch und Untertanen, die Hubertus Büschel als »Unter­ tanenliebe« bezeichnet hat.68 Zum anderen war sie aber auch Symbol zum Ausdruck positiver Außenbeziehungen.69 Das Heraufbeschwören positiver Gefühle vor einer breiten Öffentlichkeit, das mit einer scheinbaren Entpolitisierung dieses Ereignistyps einherging, war maßgeblich dafür verantwortlich, dass Fürstenheiraten auch im 19. Jahrhundert noch eine politische Bedeutung bei­ gemessen werden kann. Zum Verständnis des Wandels, den das höfische Fest und die dabei präsentierte politische Bindungsinszenierung in der Neuzeit vollzogen, ist es darüber hinaus nötig, über die kommunikativen Kontexte zu reflektieren, in denen diese standen. Ausgangspunkt solcher Reflexionen ist bis heute vor allem die von Jürgen Habermas entwickelte Theorie eines »Strukturwandels der Öffentlichkeit«.70 Habermas’ Vorstellung, dass eine ursprünglich vornehmlich von den Interessen der Mächtigen bestimmte Form der »repräsentativen Öffentlichkeit« von einer »bürgerlichen Öffentlichkeit« abgelöst worden sei, in der Pluralität, Partizipation und zunehmend freie Meinungsäußerung geherrscht habe, wird zunehmend kritisiert. Im fünften Teil wird über ein differenzierteres und den komplexen kommunikativen Situationen des höfischen Festes angemesseneres Konzept reflektiert, den Wandel vom 17. zum 20. Jahrhundert zu fassen. Dieser Versuch geht zunächst von der erstaunlichen Stabilität der höfischen Festpraxis über viele Jahrhunderte aus, die sich an festen, als Tradition gepflegten Formen und Inhalten festhielt. Es gilt, die Verschiebungen innerhalb dieses festen Rahmens zu analysieren und zu zeigen, wie sich ein Ereignistyp durch allmähliche und vorsichtige Veränderungen wandelnden gesellschaft­

68 Büschel; Giloi untersucht das Verhältnis zwischen Monarch und Untertanen in deutschen Fürstentümern anhand materieller Kultur, wie etwa monarchische Devotionalien. 69 Zur Tradition des Zusammenhangs von Außenpolitik und Hofkultur s. Smuts. 70 Habermas.

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lichen Bedingungen anpasste, ohne dabei seine ursprünglichen Funktionen der Herrschaftsstabilisierung und Beziehungspflege zu verlieren. Die Beschäftigung mit den Heiraten der Hohenzollern führt – allein schon durch den Blick auf grenzüberschreitende Vernetzung und Kommunikation – von einer national begrenzten zu einer europäischen Sicht auf die Hohenzollern und ihr Reich Preußen. Für die Zeitgenossen der preußisch-hannoverschen Heirat von 1913, die am Anfang der Einleitung zu Wort gekommen sind, war die europäische Dimension von Heiratsfesten offenbar eine Selbstverständlichkeit. Es stellt sich die Frage, ob die Erforschung der Vernetzung fürstlicher Dynastien einen neuen Blick auf die Geschichte Europas erlaubt, wie dies Pierre Lamaison in seinem Ansatz einer »Généalogie de l’Europe« versucht hat.71 Im sechsten Teil soll der Versuch unternommen werden, diese Frage aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Dazu ist es nötig, das Kameraobjektiv nochmals zu wechseln und eine Weitwinkeloptik zu benutzen, die es uns erlaubt, den ganzen Kontinent in den Blick zu nehmen. Die sich wandelnde Bedeutung der Dynastien für Europa hat die Geschichtswissenschaft bislang nur ganz am Rande beschäftigt. Dabei verwies schon Heinz Gollwitzer in seiner Pionierstudie »Europabild und Euro­ pagedanke« auf »die souveränen Häuser, die durch Verwandtschaftsbande … in einer natürlich-übernationalen Gemeinschaft verankert waren«. »Staats­ besuche« und »Freierfahrten« hätten diese Gemeinschaft bestätigt, und die »Solidarität der Throne« sei auch im Zeitalter des Staatsegoismus und des Nationalstaates erhalten geblieben.72 Ähnlich formulierte es Heinz Duchhardt in seinem vielzitierten Aufsatz »Was heißt und zu welchem Ende betreibt man  – euro­ päische Geschichte?«: »Ein Moment, das zum Eindruck der Einheit des Kontinents wesentlich beitrug, stellte die soziale Vernetzung seiner adeligen Führungsschichten dar … Die Eheschließungen der Herrscher, der Thronfolger, der Prinzessinnen über die Grenzen und über weite Räume hinweg schufen ein so dichtes soziales Netzwerk, daß dem Außen­stehenden der gesamte europäische Hochadel als eine einzige große Familie erscheinen mochte.«73

Die Frage nach der europäischen Geschichte lässt sich bekanntlich auf viel­fache Weise stellen und beantworten. Methodisch am wenigsten umstritten ist der ideen- und symbolgeschichtliche Zugang. Das »gedachte Europa«, wie es Hartmut Kaelble genannt hat, ist bereits eingehend untersucht worden. Blickt man in die Zeit vor Anfang des 20. Jahrhunderts, stößt man unweigerlich auf die Vorstellung, dass die Einheit Europas auf dem Gleichgewicht und der fried­lichen Koexistenz der christlichen Fürsten beruhe. Das »Europa der Könige«, wie ­Victor Hugo es bezeichnet hat, existierte nicht nur im Denken, es prägte – wie

71 Lamaison, Atlas de la civilisation occidentale. 72 Gollwitzer, Europabild, S. 50. 73 Duchhardt, Was heißt…, S. 197.

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etwa Paul Schroeder gezeigt hat – zumindest in Momenten auch die politischdiplomatische Praxis des 17. bis 20. Jahrhunderts.74 Das »Europa der Dynastien« ist eng mit dem »Europa der Könige« ver­ bunden; gleichzeitig öffnet es den Blick für wenig beachtete Gegenstandsbereiche. Durch eine Kontextualisierung der Monarchen im weiteren Zusammenhang ihrer Familie und Verwandtschaft eröffnen sich neue Zugänge: Erstens soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern Ähnlichkeiten, Verflechtungen und Interaktionen im Verwandtenkreis mit der Herausbildung eines europäischen Bewusstseins im Kreis der dynastischen Akteure einhergingen. Dazu wird ein erneuter Blick auf die Festkultur der Fürstenheiraten geworfen, der sich auf die festlichen Inszenierungen von Europa richtet. Im zweiten Kapitel dieses Teils wechselt die Perspektive. Die wort- und bildreichen Anrufungen der Europa bei Hochzeitsfesten sollen nun anhand einiger Beispiele  mit den Erfahrungen der Akteure konfrontiert werden. Für sie wird Europa tatsächlich zum »Erfahrungsraum«75 allerdings sind ihre Erfahrungen oft eher unangenehmer Natur. Sie erleben Fremdheit im höfischen Kontext, der ihnen, wenn die Vorstellung einer gemeinsamen Sphäre und Kultur des euro­ päischen Hochadels richtig wäre, doch vertraut sein sollte. Abschließend geht es darum, den vergleichenden und verflechtungsgeschicht­ lichen Ansatz, der bereits auf den hohenzollernschen Heiratskreis angewandt wurde, auf die gesamteuropäische Ebene auszuweiten: Ist es mit Blick auf sämtliche Königshäuser Europas zulässig, von einer »großen Familie der euro­ päischen Dynastien« zu sprechen? Oder muss der Akzent auf die Binnengrenzen des Europas der Dynastien gelegt werden? Mit diesem Blick über die gesamteuropäische Landkarte des »Europas der Dynastien« endet die Analyse; die Schlussbemerkung unternimmt den Versuch, die in der Arbeit getrennt behandelten Dimensionen zusammenzuführen.

74 Schroeder, S. 5–11. 75 Rees u. Siebers.

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1. Herrschaft auf Dauer: Heiraten und die Entstehung des preußischen Staates

Nach Max Webers klassischer Definition ist ein rationaler Staat eine »menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes … das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht«.1 Weber selbst hat die Notwendigkeit der Historisierung dieser Definition betont, die sich auf den modernen Staat bezieht. In Mittelalter und Früher Neuzeit war die das Gewaltmonopol beanspruchende »menschliche Gemeinschaft« in der Regel noch klein: Der Begriff »Staat« (bzw. »é[s]tat«, »stato« oder »estate«) bezeichnete den  – meist unzusammenhängenden  – Landbesitz einer Familie.2 Dieser war erblich und wurde einem zumeist männlichen Familienmitglied anvertraut. Mit dessen machtvoller Position ging die Verantwortung für die Familie (auch für die zukünftigen Generationen), für die Wahrung und Mehrung des Besitzes, aber auch für Land und Leute einher. Idealerweise kam das Interesse des einzelnen Herrschers mit dem der Familie und des Staates zur Deckung, wie die von Friedrich II. in seinem Testament formulierte Aufforderung – »ich empfehle allen meinen Verwandten … ihre persönlichen Interessen dem Wohle des Vaterlandes und dem Vortheil des Staates zu opfern«3 – illustriert. Allerdings rangen in der Vormoderne Fürstenfamilien mit anderen Machteliten – der Kirche, dem Adel und auch untereinander – um das »Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit«.4 Darüber hinaus fehlte zur Durchherrschung weit gestreuter Territorien die nötige Infrastruktur. Um den Zugriff zu verbessern, griffen Fürsten auf die Dienste von Beratern und Beamten, auf zivile und militärische Exkutivorgane zurück, ohne dass dadurch jedoch ein regelrechter Verwaltungs- und Staatsapparat entstand. Nicht ein »anstaltsmäßiger Herrschaftsverband«5, sondern vielmehr ein Personenverband stand an der Spitze der politisch-sozialen Hierarchie, und die Mitglieder der Dynastie spielten am Hof, in der Verwaltung und in der Armee zentrale Rollen.6 Insofern existierten in der Vormoderne Formen von Staatlichkeit, welche durch wesentliche Züge des Weberschen Herrschaftstypus des »Patrimonialismus« charakterisiert 1 Weber, S. 1043. 2 Skinner, S. 91 f.; Koselleck, S. 8 f. 3 Testament Friedrichs II. vom 8.1.1769, in: Volz, Die Werke Friedrichs des Grossen, Bd. 7, Berlin 1913, S. 290. 4 Reinhard, Power Elites and State Building, S. 5–9. 5 Weber, S. 1042. 6 Zum Konzept des Personenverbandstaates s. Althoff, S. 5–10; zur institutionell-staatlichen Einbindung der Dynastie s. Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 125–210.

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sind.7 Dessen ursprüngliche Prägung durch »Sippe« und »Hausverband« betont Weber durchaus, konzentriert sich jedoch vor allem auf die Untersuchung der Vormachtstellung monarchischer Zentralfiguren; im Folgenden wird daher der in der Einleitung eingeführte Begriff des »dynastischen Staates« verwandt. Er akzentuiert die bis in die Moderne wirkende Einbindung des Herrschers in eine als ewig gedachte Familie und lenkt den bislang vor allem auf die Herrschaftsverhältnisse im Inneren des Staates gerichteten Blick auf die zwischenstaatliche Ebene. Der Begriff ist aber nur dann geeignet, Formen der Staatlichkeit des 16.– 18. Jahrhunderts zutreffend zu beschreiben, wenn er nicht zu eng verstanden wird: Prozesse der Staatsbildung, die nicht oder nur bedingt mit der Dynastie in Zusammenhang zu bringen sind, dürfen nicht ausgeklammert werden. Viele staatliche Institutionen entstanden zunächst in der Absicht, die dynastischen Interessen wirkungsvoller durchzusetzen, mündeten jedoch in genau jene Verselbständigungs- und Rationalisierungsprozesse, an deren Ende der moderne Staat stand. An diesen Zusammenhang dachte Heinz Dollinger, als er schrieb, dass die Monarchie des 19.  Jahrhunderts sich in »tragischer und paradoxer Weise … gerade auch mit ihren positiven Leistungen von einst blockierte«.8 Parallel zu diesen institutionellen Verschiebungen wandelten sich der Begriff des Staates und das Verhältnis zwischen Fürst, Staat und Untertanen. Schon die Antike hatte den Staaat als Res publica verstanden, und diese Vorstellung war im Mittelalter keineswegs vollständig verloren gegangen. Bis in die Frühe Neuzeit lag jedoch die Entscheidung darüber, wie die Verantwortung für das Allgemeinwohl politisch umzusetzen sei, vornehmlich beim Herrscher. Erst das 19. Jahrhundert zog aus der hergebrachten Vorstellung vom Staat als einer öffentlichen Sache die Konsequenz, die Souveränität zwischen Herrscher und Volk zu teilen. Damit war die Idee vom Staat als Familienbesitz obsolet, und die Dynastie lebte mehr von ihrer gesellschaftlichen als von ihrer staatlich-politischen Bedeutung. Sogar ein Staat ohne König und Königsfamilie rückte so in den Bereich des Möglichen. Die Geschichte von Dynastie und Staat in der Zeit vom 17. bis zum 20. Jahrhundert bewegt sich daher im Spannungsverhältnis zwischen zwei Staatstypen: der Herrschaft rivalisierender Fürstenclans einerseits und dem Anstaltsstaat auf der Basis der Volkssouveränität andererseits. Beide Typen waren mitein­ ander verflochten, und zwischen dem Anfangs- und Endpunkt eines langfristigen Transformationsprozesses, der erst mit dem Jahr 1918 abgeschlossen war, entstanden vielfältige Mischformen. Bis dahin waren Heiraten von Mitgliedern der fürstlichen Familie vor allem aus drei Gründen von großer Bedeutung für den Staat: Erstens stellten sie ein Risiko für seine territoriale Integrität dar. Töchter, welche mit Männern aus anderen Dynastien verheiratet wurden, verließen ihre Herkunftsfamilie, um Mitglieder des Clans ihres Mannes zu werden. Die ethno­logische Fachliteratur spricht hier von einem »viri­lokalen« 7 Weber, S. 170 ff., 284 ff., 739–745. 8 Dollinger, S. 334.

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bzw. »patrilokalen« System, das nur Männer als dauerhafte und tragende Mitglieder des Clans, Frauen hingegen als Objekte des Tauschs mit anderen Familien ansah.9 Nur ein familiäres Regelwerk, das in andere Familien heiratende Töchter vom Familienerbe ausschloss, konnte verhindern, dass durch Ehe und späteres Erbe Besitz in die Hände anderer Dynastien wechselte. Ein solches Regelwerk entstand bei den Hohenzollern seit dem 15.  Jahrhundert. Die Haus­gesetze verlangten einen förmlichen Erbverzicht der hohenzollernschen Bräute; Mitgift und Aussteuer wurden als Entschädigung für die damit verlorenen Ansprüche angesehen. Diese Praxis blieb bis 1918 bestehen, obwohl die frühneuzeitliche Vorstellung, dass das Staatsterritorium erblichen Besitz der Hohenzollern darstellte, im Lauf der Jahrhunderte verlorenging. Die Entwicklung der Hausgesetze, der Staatsverfassung und deren Konsequenzen für die Dynastie und insbesondere die Heiraten der ersten Familie werden im Abschnitt 1.1 beschrieben. Doch Heiraten waren nicht nur ein Risiko für den fürstlichen Familienbesitz, sondern stellten zweitens auch eine unerlässliche Voraussetzung für die Herrschaft auf Dauer dar. Anders als die Heiraten der Töchter, welche nach dem familiären Regelwerk die Familie verließen und so potentiell zur Zerstreuung des Besitzes beitrugen, waren die Heiraten der Söhne ein Garant für den Fort­ bestand der Dynastie. Die Vermählung männlicher Familienmitglieder war der einzige unanfechtbare Weg, der Dynastie zu legitimem Nachwuchs zu verhelfen. Sollte die Vorstellung einer übergenerationellen Gemeinschaft Wirklichkeit werden, mussten die Oberhäupter der Dynastie dafür sorgen, dass eine ausreichende Anzahl von Söhnen mit jungen, gesunden Bräuten verheiratet wurde. Der Erhalt des dynastischen Staates hing unmittelbar von der ehelichen Fruchtbarkeit ab (1.2). Doch konnte drittens nicht nur der Erhalt, sondern auch die Erweiterung des Territorialbesitzes durch Heiraten bewirkt werden. Dazu war es nötig, Bräute für die Söhne der Hohenzollern zu finden, die Land oder zumindest Erbansprüche mit in die Ehe brachten. Das war möglich, weil nicht alle Dynastien Töchter vom Erbe ausschlossen und fast alle Dynastien Töchtern ein substitutives Erbrecht für den Fall zugestanden, dass das Haus, dem sie angehörten, im Mannesstamm ausstarb. Solche Erbtöchter waren allerdings auf dem Heiratsmarkt besonders umworben. Die Kurfürsten von Brandenburg sind bekanntlich durch das Anheiraten einer Erbtochter in den Besitz Preußens gekommen. Allein dieser Vorgang lässt die These, dass Heiraten maßgeblichen Einfluss auf den preußischen Staat ausüben konnten, plausibel erscheinen. Aus den drei genannten Funktionen der Heirat für die Staatsbildung wird auch deutlich, dass Tochterund Sohnesheiraten in der Regel fundamental unterschiedliche Prämissen hatten: Verlustrisiko bei den ersteren, Gewinnchancen bei den letzteren. Das Ringen um das aus der Ehe des Großen Kurfürsten mit der niederländischen Prinzessin Luise Henriette stammende oranische Erbe zwischen 1640 9 Lévi-Strauss, Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft, S. 188–193.

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und 1730 illustriert die Chancen und Schwierigkeiten des Landerwerbs durch Heiraten. Die Geschichte des oranischen Erbes steht daher im Mittelpunkt des Abschnitts 1.3, der darüber hinaus auch die Frage behandelt, warum das »Erheiraten« von Land im 19. Jahrhundert nicht mehr möglich war. Eine Antwort auf diese Frage muss beim Zusammenhang von Dynastie und Staat ansetzen. Weil das Staatsgebiet seit dem Zeitalter der Französischen Revolution nicht mehr als Besitz der Dynastie, sondern als Gut der Gemeinschaft angesehen wurde, ver­ loren die Hausgesetze für die Entwicklung des preußischen Staates an Bedeutung. Die Vorstellung, dass Teile des Staatsgebietes vererbt werden konnten, musste vor diesem Hintergrund annähernd absurd erscheinen.

1.1 Die Gesetze des Hauses Jede Form der Familie gehorcht geschriebenen oder ungeschriebenen Gesetzen. Im Hochadel nahm die Verregelung spezifische Formen an; sie ging in Verrechtlichung und schließlich in Verstaatlichung über. In vielen Familien verwuchsen einzelne Rechtstexte wie Testamente, Erbverbrüderungen, Familien- oder Heiratsverträge zu einem »Hausgesetz«, das über viele Generationen hinweg die Grundlage des familiären Lebens darstellte. Dieses galt nicht nur für den familiären Binnenbereich, sondern definierte auch die Beziehungen der Dynastie zu anderen mächtigen Familien sowie zu den Untertanen. Entsprechend hat sich für diese Rechtsform neben dem Begriff »Hausgesetz« auch der Terminus »Hausverfassung« eingebürgert. »Verfassung« kann hier analog zur kumulativen britischen Konstitution verstanden werden; es gibt aber auch Fälle, in denen Hausgesetze im Sinne des modernen Verfassungsbegriffes in einem systematisch gegliederten Text niedergelegt wurden. Das war bei den Hohenzollern allerdings nicht der Fall. Verfassungscharakter konnten Hausgesetze auch deshalb haben, weil sie durch Ständevertreter, durch andere Fürsten oder den Kaiser bestätigt wurde und damit staats- oder sogar völkerrechtlichen Rang erhielten. Der Verfassungsrang wird schließlich dadurch deutlich, dass im 19. Jahrhundert einzelne Paragraphen der Hausverfassung Eingang in die Staatsverfassung gefunden haben.10 Es ist problematisch, die Entwicklung der hohenzollernschen Hausgesetzgebung als gradlinigen oder gar zielgerichteten Prozess zu beschreiben, an dessen Ende der moderne Staat stand. Diese spezifische Rechtsform folgte vielmehr den sich wandelnden Zielen einer Familie – insbesondere dem Bedürfnis, Chancen und Risiken für den familiären Besitz in einer bestimmten Konstellation gerecht zu werden. Insofern sollte die Hausgesetzgebung als das Ergebnis einer turbulenten Familiengeschichte verstanden werden, die von Erfolgen 10 Zu den Begrifflichkeiten von »Hausverfassung« und »Hausgesetzen« s. Kunisch u. Neuhaus, S. 1–86.

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und Rückschlägen, von Konflikten und Kontingenzen gekennzeichnet ist und in der Norm und Praxis nicht immer zur Deckung kamen.11 In der folgenden Darstellung werden drei Entwicklungsphasen beschrieben: Eine erste Phase umfasst das 15. und 16. Jahrhundert und ist von flexiblen hausrechtlichen Regeln geprägt; in einem zweiten Abschnitt, der im 17.  Jahrhundert anzusetzen ist, werden wandelbare Rechtsformen zu dauerhaft gültigen Normen; dies ist als ein entscheidender Schritt auf dem Weg von der Herrscherfamilie zur Dynastie anzusehen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts beginnt der Prozess der Verstaatlichung des dynastischen Besitzes, der jedoch erst im 19. Jahrhundert zum Abschluss kommt. Das Folgende zeigt jedoch, dass es unmöglich ist, eine organische Entwicklung in ein rigides Entwicklungschema zu pressen. Bis etwa 1600 waren die Familienangelegenheiten der brandenburgischen Hohenzollern zwar schon längst ins Stadium der Verrechtlichung eingetreten; es war jedoch noch kein striktes und dauerhaft gültiges familiäres Regelwerk etabliert. Nach der Belehnung der Familie mit dem Kurfürstentum Brandenburg im Jahr 1417 wurde das Land zunächst von den Hohenzollernresidenzen in Franken aus regiert.12 Es dauerte etwa ein Jahrhundert bis sich eine eigenständige und dauerhaft in Brandenburg residierende Linie herausbildete. Das Eigenbewusstsein der brandenburgischen Hohenzollern manifestierte sich gleichermaßen im Bau eines Residenzschlosses in Cölln auf der Spreeinsel seit 1443 wie in der Einrichtung einer Grablege des brandenburgischen Familienzweiges im Kloster Lehnin durch Kurfürst Johann Cicero, der hier 1499 als erster Hohenzoller bestattet wurde. Insbesondere Kurfürst Albrecht Achilles bemühte sich um eine historische und identitäre Verortung des Zweiges. Er propagierte zum einen eine den mittelalterlichen Verwandtschaftsvorstellungen entsprechende Genealogie, die gleichermaßen über männliche wie weibliche Linien bis nach Troja zurückreichte, und ließ zum anderen durch seinen Kanzlisten Albrecht von Eyb eine durch die Hausurkunden quellenmäßig abgesicherte Abstammungslinie ausarbeiten, für die ausschließlich das agnatische Prinzip leitend war.13 Hier zeigt sich – wie auch in vielen anderen genealogischen Texten der Zeit – das Neben­ einander unterschiedlicher Vorstellungen der fürstlichen Familie.14 Im 15. und 16. Jahrhundert wurden weiterhin die aus Franken mitgebrachten Gebräuche im Umgang mit dem Familienbesitz praktiziert; dazu gehörte die Vorstellung, dass in der Regel nur männliche Nachkommen sukzessionsberechtigt waren. Bei der Entscheidung, wie der Besitz von einer Generation auf die nächste transferiert werden sollte, blieb dem Familienoberhaupt bis ins 16.  Jahrhundert ein gewisser Spielraum. Nicht nur konnte der Vorstand des Hauses in seinem Testament bestimmen, welcher seiner Söhne ihm nachfol11 Derouet; Walther. 12 Zum Verhältnis von Franken und Brandenburg s. Nolte, Die markgräfliche Familie. 13 Thumser, S. 59–116. 14 Moeglin, Dynastisches Bewusstsein und Geschichtsschreibung; ders., »Toi burggrave de Nurem­berg…«; ders., L’utilisation de l’histoire; Herrmann.

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gen sollte, sondern es stand ihm auch frei, das Territorium aufzuteilen. Kleinere Erbzuteilungen an Töchter kamen vor. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, die gemeinschaftliche Nachfolge mehrerer Söhne anzuordnen; bei der Teilung war sowohl temporäre Teilung (d. h. Rückfall des Erbes beim Tod des Erben) als auch dauerhafte Teilung (d. h. Weitervererbung an die Nachkommen des Erben) möglich. So vererbte der erste Kurfürst von Brandenburg aus dem Haus Hohenzollern, Friedrich  I., seinem ältesten Sohn das Fürstentum Bayreuth, seinem drittgeborenen Sohn Ansbach und setzte seine zweit- und viertgeborenen Söhne, die beide ebenfalls Friedrich hießen, gemeinschaftlich als Herrscher über die brandenburgischen Besitzungen ein. Dieser Zustand sollte nach dem Willen des Vaters sechzehn Jahre anhalten, danach stand es den Brüdern frei, das Land zu teilen. Die Einheit des brandenburgischen Besitzes wurde dadurch gesichert, dass nach dem Tod jedes Bruders sein Anteil dem anderen zugeschlagen werden sollte. Nur der Bruder, der länger lebte, konnte das Ererbte seinen Kindern weitergeben.15 Die verschiedenen Optionen der Besitzweitergabe brachten unterschiedliche Chancen und Risiken mit sich. Die freie Auswahl des Nachfolgers unter allen Söhnen eröffnete die Möglichkeit, den geeignetsten auszuwählen und ungeeignete zu übergehen. Gleichzeitig bestand jedoch die Gefahr der Instabilität durch Rivalität zwischen Brüdern. Teilung ermöglichte zwar eine solide Versorgungsbasis für mehrere oder gar alle Brüder, brachte aber die Gefahr der Zersplitterung der Familie und des Territoriums mit sich. Je kleiner ein Territorium, desto größer war die Gefahr, von anderen geschluckt zu werden. Diese Risiken mussten gegeneinander abgewogen werden. Bis zum Spätmittelalter setzten  – wie Karl-Heinz Spieß und andere gezeigt haben – die Familien des Hochadels auf reichen Kindersegen und nahmen die damit verbundenen Versorgungslasten in Kauf.16 Die Bereitschaft zur Teilung des Besitzes war hoch, und der Versorgung möglichst vieler Nachkommen wurde gegenüber der Sicherung des Besitzes der Vorrang gegeben; das gilt auch für die Hohenzollern. Strenggenommen widersprach die gängige Erbpraxis der Hohenzollern im 15. und 16. Jahrhundert geltenden Normen. In der Goldenen Bulle Karls des IV. aus dem Jahr 1356 war für die brandenburgische Mittelmark, auf der die Kurwürde ruhte, Primogenitur und Unteilbarkeit festgelegt worden. Die Sukzession sollte vom Vater auf den erstgeborenen Sohn bzw. – falls nicht vorhanden – auf den in »wahrer väterlicher Linie« stehenden ältesten Bruder erfolgen. Doch an diese alten Gesetze fühlte sich die aus Franken nach Osten expandierende Sippe offenbar nur dann gebunden, wenn sie ihnen gelegen kamen. So berief sich das Testament des Albrecht Achilles, die »Constitutio Achillea« von 1473, auf die Goldene Bulle. Darin teilte der Kurfürst sein fränkisch-brandenburgisches Reich in drei Teile und ordnete folgende Vorgehensweise an: Sein ältester Sohn sollte die Mark Brandenburg und ihre Nebenlande ungeteilt erhalten; die 15 Schulze, Hausverfassung, S. 29, 125 f. 16 Spieß, Familie und Verwandtschaft, S. 199–397.

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fränkischen Besitzungen wurden zwischen den jüngeren Söhnen aufgeteilt. Alle weiteren Brüder sollten in den geistlichen Stand treten. Sollte es nur noch zwei Söhne geben, könne sich der ältere entscheiden, ob er das fränkische oder das brandenburgische Erbe antreten wolle. Die Rolle der Töchter unterschied sich davon grundlegend: Sie sollten bei ihrer Heirat förmlich auf jegliches Erbe verzichten und wurden dafür mit einem Heiratsgut von 10.000 rheinischen Gulden abgefunden. Erben konnten sie nur in dem Fall, dass kein männliches Mitglied des Hauses mehr am Leben war.17 Dieser Fall eines substitutiven Sukzessionsrechtes ist, wie das Folgende zeigen wird, in der Familiengeschichte niemals eingetreten. Zwar schien Prinzessin Wilhelmine, Tochter des preußischen Königs Friedrich  Wilhelm I. und spätere Markgräfin von Bayreuth, bis zur kaum noch erhofften Geburt ihres Bruders Friedrich im Jahr 1713 Alleinerbin zu werden. Doch wurden frühzeitig Pläne geschmiedet, sie mit einem Mitglied der Nebenlinie in Schwedt zu verheiraten, um die Sukzession eines anderen Hauses zu vermeiden. Dass weibliche Familien­mitglieder nur im dynastischen Notfall Haupterbe und Sukzession antraten, bedeutete nicht, dass sie nicht kleinere Besitztümer – Gebäude, Land, Wertsachen oder Kunstgegenstände – als Geschenk erhalten oder erben konnten. In den Hausgesetzen, deren Kernfunktion die Wahrung dynastischen Besitzes war, erscheint die Fürstenheirat also vor allem als Risiko. Die Chancen auf Besitz­erwerb und die Möglichkeiten der Beziehungspflege durch verwandtschaftliche Verbindung spielen in diesem Kontext keine Rolle. Johann Cicero, der Sohn des Albrecht Achilles, orientierte sich an den Regelungen seines Vaters, aber der Enkel Joachim I. teilte die märkischen Lande erneut zwischen seinen Söhnen. Erst in der nächsten Generation wurden diese – weil Erben früh starben  – wieder zusammengefügt. Auch das Testament des Kurfürsten Johann Georg von 1596 sah die Teilung vor. Der Erstgeborene, Joachim Friedrich, focht das Testament jedoch – mit Verweis auf die Goldene Bulle und die »Constitutio Achillea« – an. Die Umstände erlaubten es ihm, die Teilung zu verhindern; denn es zeichnete sich ab, dass beide fränkischen Linien ohne männlichen Nachfolger bleiben würden. So konnte Joachim Friedrich seine Brüder mit Ländern im Süden abfinden. Die Unteilbarkeit der brandenburgischen Besitzungen wurde im Geraischen Vertrag von 1598/99 festgelegt und im Onolzbacher (Ansbacher) Vergleich vom 11. Juni 1603 von den Brüdern des Kurfürsten akzeptiert.18 Der Vergleich von 1603 enthielt, anders als frühere Urkunden, eine Ewigkeitsformel. Die Regelungen seien »vonn nuhn ahn zue Ewigenn Zeittenn zue halten, wie dann dieselbe pro Pacto, pro statuto familiae, quod transit in formam contractus, ja weil dieselbe dergestaltt, wie angezogenn, confirmiret, pro pragmatica sanctione et lege publica zue achtenn.«19 Die Bezeichnung als 17 Schulze, Hausverfassung, S. 32, 150. 18 Zu den Umständen siehe Neugebauer, Bd. 1, S. 99 ff. 19 Schulze, Hausverfassung, S. 176.

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»öffentliches Gesetz« weist auf den Verfassungscharakter hin, der durch ständische Zustimmung bekräftigt wurde. Der Vergleich nannte auch die Gründe für die Inkraftsetzung dieser neuen Regelung, nämlich die Gefahr der »­schwechung oder zertheilung ihrer güetter unnd Vermögenß, dadurch die hoheitt und würde eines geschlechts nicht erhaltten werdenn kann«.20 Schon vor dem Vergleich waren die Prinzipien der männ­lichen Primo­ genitur, der Unveräußerlichkeit und der Unteilbarkeit des hohenzollernschen Familienbesitzes in Brandenburg immer wieder zur Anwendung gekommen, doch zum ersten Mal wurden sie hier mit dem Anspruch auf dauerhafte Wirkung formuliert. Aus fallbezogenen Rechten waren nun »ewige« geworden. Es ist der Wille erkennbar, gemeinschaftlichen dynastischen Besitz auf Dauer zusammenzuhalten, ihn gegen Zersplitterung und Nachfolgekonflikte zu sichern. Wie in der »Constitutio Achillea« lautete die Regel, dass es im Haus Hohen­ zollern nur einen brandenburgischen Kurfürst und zwei fränkische Mark­grafen geben solle. Der Kurfürstentitel sollte von nun an nur noch vom Herrn der brandenburgischen Lande getragen werden können, der überdies Oberhaupt des Gesamthauses war. Der erbliche Besitz sollte unveräußerlich sein, lediglich neu dazu gewonnener Besitz durfte vom Fürsten verkauft werden. Unterschiede zur »Constitutio Achillea« zeigen sich unter anderem in den Versorgungsmechanismen für jüngere Söhne und für Töchter. Es war nun die Pflicht der erbenden und sukzedierenden Erst-, Zweit- und Drittgeborenen, die Versorgungsleistung für die übrige Familie zu erbringen.21 Für ihre Brüder, die weder Land geerbt noch ein geistliches Amt innehatten, war ein Deputat von jährlich 6.000  Talern seit dem 18.  Lebensjahr vorgesehen. Einer der jüngeren Brüder sollte statt des Deputats das Meistertum in der Mark Brandenburg erhalten. Alle diejenigen männlichen Nachkommen, die in den Genuss der familiären Versorgung kamen, mussten sich schriftlich zur Einhaltung der »Achillea« und des Onolzbacher Vergleichs verpflichten. Die weiblichen Nachkommen sollten bis zur Heirat unterhalten werden, dann stand ihnen ein Heiratsgut zu, das für Töchter aus der Kurlinie bis zu 20.000 Gulden, aus den fränkischen Linien bis zu 12.000 Gulden betragen sollte. Unmittelbar vor der Hochzeit waren sie zu einem schriftlichen Erbverzicht verpflichtet.22 Das hier skizzierte System entspricht in seinen Grundzügen den Verfahrensweisen der »Erhaltung adeligen Stamms und Namens«, die Heinz Reif am Beispiel des westfälischen Adels untersucht hat.23 Es erfüllte verschiedene miteinander in Zusammenhang stehende Funktionen. Es deklarierte den Besitz – Ämter, Länder, Rechte – zu gemeinschaftlichem Familienbesitz, zu des20 Ebd. 21 Über die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Oberhäupter der einzelnen Linie auch das Heiratsgut der Töchter ihrer Brüder schuldig waren, entbrannte ein langer Rechtstreit; siehe dazu: Moser, Bd. 12, 2, S. 223 ff. 22 Schulze, Hausverfassung, S. 185. 23 Reif, »Erhaltung adligen Stamms und Namens«.

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sen Erhalt jedes Mitglied der Familie auf seine Weise beitragen sollte, aber von dem auch alle profitieren sollten. Vor allem sicherte es das Kernterritorium vor Teilung; es dämmte die Gefahr des Geschwisterzwistes und des Eingriffs von außen durch unmissverständliche Nachfolge- und Versorgungsregelungen ein. Gleichzeitig setzte es den Ausschluss der Töchter von der Erbfolge fest. Die um 1600 getroffenen hausgesetzlichen Regelungen wurden mehrfach missachtet und später modifiziert, doch in den Grundzügen erhielten sie sich bis zum Ende der Dynastie. Mit der Thronfolgeregelung sowie den Prinzipien von Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Kernterritoriums war in Brandenburg der entscheidende Schritt zur Ausprägung einer Dynastie und damit eines dynastischen Staates entstanden. Weder der Fürst noch ein anderes Familienmitglied durfte den höheren Zwecken einer als ewig gedachten Familie zuwiderhandeln. So waren um 1600 die Weichen für eine dauerhaft gültige Hausverfassung gestellt worden. Dieser Prozess und das dadurch veränderte Selbstbild, vor allem aber die Eigenständigkeit und Führungsrolle der brandenburgischen Hohenzollernlinie spiegelt sich in der genealogischen Literatur der Zeit wider: Die 1580 gedruckte »Chronica des Chur und Fürstlichen Hauses der Marggrafen zu Brandenburg« von Reiner Reineck griff die Vorstellung einer Herkunft aus dem römischen Adel auf, modifizierte sie allerdings insofern, als er die Zollern als einen Ableger der Welfen bezeichnet.24 Die schwäbischen Wurzeln wurden hier nicht erwähnt. Im Jahr 1598, also parallel zum Abschluss des entscheidenden Familienpaktes, veröffentlichte Andreas Angelus eine branden­ burgische Landesgeschichte, in deren drittem Buch die Dynastie der brandenburgischen Kurfürsten als eigenständiger Mannesstamm dargestellt wird;25 ähnlich präsentierte Johannes Cernitius die Hohenzollern in seiner reich bebilderten Genealogie von 1626.26 All dies spricht dafür, die Jahre um 1600 als eine Zäsur in der Familiengeschichte und das 17. und 18. Jahrhundert als eine neue Phase anzusehen, die durch die Wirkung dauerhaft geltender Rechtsnormen geprägt war. Doch auch nach der Festigung der Hohenzollern als Dynastie blieben die Hausgesetze Anlass zu Konflikten und divergierenden Auslegungen. So hatte der Große Kurfürst, anders als um 1600 festgelegt, in seinen Testamenten (das letzte wurde am 16.  Januar 1686 abgefasst) vorgesehen, seine nachgeborenen Söhne nicht mit Geld zu entschädigen, sondern Sekundo­genituren – allerdings mit eng umgrenzten Rechten  – einzurichten. Aus dem Abweichen von den hausgesetzlichen Regelungen hätte sich durchaus ein höheres Risiko von Zersplitterung und innerfamiliärem Konkurrenzkampf ergeben können; gleichzeitig erhöhte sich so die Chance auf den Fortbestand der Dynastie. Friedrich Wilhelms ältester Sohn, der spätere König Friedrich I., setzte diese testamen­ tarischen Anordnungen jedoch bei seinem Regierungsantritt außer Kraft. Es 24 Reineck. 25 Angelus. 26 Cernitius.

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gelang ihm, seine Brüder davon zu überzeugen, Versorgungszahlungen statt der Sekundogenituren zu akzeptieren.27 Ein weiteres Beispiel für Friedrich Wilhelms Umgang mit den Regeln des Hauses ist die Tatsache, dass er seine zweite Ehefrau Dorothea mit Land ausstattete. Es handelte sich um das Amt Schwedt-Vierraden, das schon früheren Kurfürstinnen als Wittum gegeben worden war. Anders als seine Vorgänger gestand der Große Kurfürst Dorothea jedoch zu, die Rechte an diesen Ländereien an ihre Nachkommen zu vererben. Durch die Stiftung eines Fideikommisses am 28. Juni 1670 entstand so in der nächsten Generation eine neue Nebenlinie – allerdings ohne eigene Souveränitätsrechte. Die Schwedter Linie existierte bis ins Jahr 1788, dann fiel der Besitz an die Kurlinie zurück.28 Auch wenn er Wert auf die Versorgung seiner Gattin und Söhne legte, ging der Kurfürst lediglich kalkulierbare Risiken ein; ein Zerfall des Hauses drohte wegen seiner Anordnungen nicht. Dass er am Zusammenhalt des Gesamt­ hauses interessiert war, zeigt außerdem sein Zugehen auf die Nebenlinien des Hauses Hohenzollern. Er war es, der Verhandlungen mit der schwäbischen Linie begann, die allerdings erst unter seinem Nachfolger in einen neuen Hausvertrag münden sollten. Friedrich III. unterzeichnete das »Pactum gentilicium« vom 26. November 1695. In dem Vertrag sicherten sich die Vertreter der schwäbischen, fränkischen und kurbrandenburgischen Linien gegenseitige Unterstützung zu und legten gemeinsame hausrechtliche Regeln fest. Gleichzeitig wurde der brandenburgische Kurfürst zum Haupt des Gesamthauses, also auch der schwäbischen Linie erklärt. Außerdem wurde bestimmt, dass die kurfürstliche Linie der schwäbischen Linie sukzedieren sollte, falls diese keine männlichen Nachkommen habe. Der Erbfall trat nicht ein; im 19. Jahrhundert – durch den Staatsvertrag vom 7. Dezember 1849 – übertrugen die Nachfolger der schwäbischen Linie der preußischen Krone ihre Regierungsrechte. Der Heimfall der fränkischen Besitzungen an die Brandenburger war schon vor dem »Pactum gentilicium« durch die älteren hausrechtlichen Regelungen fixiert worden. Er erfolgte am 22. Dezember 1791, als der kinderlose Markgraf Karl Alexander gegen eine Leibrente von 300.000 Gulden zugunsten der preußischen Krone auf seine Herrschaftsrechte in Franken verzichtete. Dieser Schritt war durch Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. in einer langen Serie von Ver­ handlungen und Verträgen vorbereitet worden, die im zweiten Abschnitt dieses Kapitels noch ausführlicher dargestellt werden.29 Hatten das 15. und 16. Jahrhundert im Zeichen der fortschreitenden Separierung der brandenburgischen von der fränkischen Linie gestanden, waren das 18.  und 19.  Jahrhundert von

27 Schulze, Hausverfassung, S. 46 f.; Wintzingerode, Schwierige Prinzen, S. 52–58; Marschke, S. 112–119. 28 Schulze, Hausverfassung, S. 48–50; Wintzingerode, Schwierige Prinzen, S. 63–69; Marschke, S. 120–122. 29 Schulze, Hausverfassung, S. 65 ff.

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einer Wiedervereinigung aller drei Linien unter brandenburgisch-preußischer Führung gekennzeichnet. Die ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts waren von einer Ausweitung der hausgesetzlichen Regelungen zum Schutz des familiären Kernbesitzes geprägt. König Friedrich Wilhelm I. trug dazu durch sein »Edikt von der Inalienabilität der alten und neuen Domänengüter«30 vom 13. August 1713 bei. Er bestätigte darüber hinaus eine geheime Verordnung seines Vaters aus dem Jahr 1710, die darauf abgezielt hatte, den Wirkungsbereich der Hausverfassung zu erweitern. Hier waren ausdrücklich nicht nur die ererbten, sondern auch »di­ejenigen acquisitiones an Graf- und Herrschaften« und »sonst von uns angeschafften Sachen«31 für unveräußerlich erklärt worden. Auch parallel zu diesen hausrechtlicher Modifikationen, die nach dem Erwerb der Königskrone im Jahr 1701 erfolgten, verstärkte sich die Produktion genealogischer Literatur. Noch unter dem Großen Kurfürst erschien Johann Wolfgang Rentschs »Brandenburgischer Ceder-Hein«32. Johann Ulrich ­Pregnitzer, Professor an der Universität Tübingen, bemühte sich  – kurz nach 1701 und aus naheliegenden Gründen – um den Nachweis der karolingischen, also königlichen Wurzeln der Hohenzollern.33 Ähnliches versuchte auch Johannes Michael Heineccio, Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, in einer »Diatribe Genealogica«.34 Im langen 19. Jahrhundert ging die dauerhafte Verrechtlichung der Dynastie in Verstaatlichung über. Der Übergang vom beweglichen zum unteilbaren, unveräußerlichen und in männlicher Primogenitur vererbten Familienbesitz hatte den Anfang des dynastischen Staates markiert. Doch das »Wachstum der Staatsgewalt«35 ging weiter und nahm neue Formen an. Um 1800 setzte sich die schon lange latent vorhandene Vorstellung endgültig und mit praktischen Konsequenzen durch, dass es sich beim Staat um eine »öffentliche Sache« handle. Auch wenn schon der Große Kurfürst äußerte, dass er einer öffentlichen Institution vorstehe (»rem esse populi, non meam privatam«), und Friedrich II. sich als »erster Diener seines Staates« bezeichnete, war das in der Praxis nicht viel mehr als eine neue Formel für jene althergebrachte Verpflichtung gegenüber Land und Untertanen, welche im Mittelalter als »Schutz und Schirm« bezeichnet worden war. Als Vorspiel zu politischen und juristischen Veränderungen ist die Ent­ stehung einer neuen Rechtsgattung seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts 30 Ebd., S. 203–205. 31 Ebd., S. 57 f. 32 Rentsch. 33 Pregitzer. 34 Heineccio. Diese und auch die reichhaltige genealogische Literatur des späteren 18. Jahrhunderts sind, mit Ausnahme der familiengeschichtlichen Schriften Friedrichs II., bislang nicht eingehender analysiert worden; daher sei hier auf die wichtigsten Werke verwiesen: Abel, Leuthinger; Falckenstein; Scriptores rerum Brandenburgensium; Gundling; Buchholtz; K ­ üster. 35 Reinhard, Das Wachstum der Staatsgewalt.

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anzusehen: des Fürstenprivatrechts.36 Bei letzterem handelte es sich nicht um eine normative Rechtsform, sondern vielmehr um eine aus dem Versuch der Kompilation von Hausgesetzen verschiedener Familien resultierende Rechts­ debatte. Der Jurist Josef C. Kohler umriss deren Aufgabe folgendermaßen: »Das Privat-Fürstenrecht wird nach dem Herkommen und nach den Familienverträgen der einzelnen zu dem Stande gehörigen Häuser ausgeübt, und in soferne verhält sich ein Handbuch des Privatfürstenrechtes zu diesen Rechtsparticularitäten, wie eine wissenschaftlich geordnete Einleitung, um das Particularrecht zu verstehen, zu ergänzen, und – hier vorzüglich – die autonomische Fortbildung in den Familienverträgen vorzubereiten und zu leiten.«37 Das Anwendungsgebiet des Privatfürstenrechtes war vor allem die Lösung strittiger Fragen, für welche die Hausgesetze keine Regelungen vorsahen.38 Diese juristische Debatte dokumentiert, dass zumindest im Begrifflichen eine Trennung zwischen öffentlichem Staats- und Völkerrecht und privatem dynastischen Recht vorgenommen wurde. Allerdings war es vornehmlich von analytischem Wert, wenn der königlich dänische Justizrat Johann Christian von Majer in seiner »Allgemeinen Einleitung in das Privat-Fürstenrecht überhaupt« (1783) von den im Herrscher vereinigten »beyderley Personen, die Person des Menschen und des Fürsten« sprach.39 Majer scheidet sodann das öffentliche Handeln des Fürsten, das Handeln im Sinne des gemeinschaftlichen Besten, vom privaten, das nur seinem eigenen Nutzen diene. Zum ersteren rechnet er etwa das Einstellen von Beamten oder das Führen von Kriegen, zum letzteren Heiraten oder Lustreisen. Doch in der Wirklichkeit waren die verschiedenen Handlungsfelder der fürstlichen Politik nicht zu trennen. Mit dem Allgemeinen Preußischen Landrecht von 1794 fand die Unterscheidung zwischen dem König als Staatsoberhaupt und als privater Person Eingang in einen normativen Rechtstext. Hier wurden die Pflichten des preußischen Staates gegenüber seinen »Bürgern und Schutzverwandten« festgelegt, und ihre Einlösung wurde als Aufgabe des Staatsoberhauptes definiert. Zum ersten Mal in der brandenburgisch-preußischen Geschichte wurde in einem Rechtstext zwischen »Majestätsrechten« und »Privatrechten des Landesherrn und seiner Familie« unterschieden.40 Domänen und Kammergüter wurden als Besitz des Staates bezeichnet, deren Nutzung dem König oblag. Diese Regelungen weisen darauf hin, dass hier der Staat nicht mehr als dynastischer Besitz verstanden wurde, sondern als ein allgemeines Gut, durch dessen Nutzung der König 36 Seiner Entwicklung im 19. Jahrhundert widmet sich sehr kundig die Studie von Gottwald. 37 Kohler, Handbuch des deutschen Privatfürstenrechts, S. IV. 38 Zu den frühen umfassenden Privatfürstenrechts-Summen, die nicht nur einzelne Bereiche, sondern das gesamte Rechtsgebiet betrachteten, gehörte Neumann. Es folgten Moser sowie Pütters einflussreiche Schriften zum Thema: Beyträge zur nähern Erläuterung; Erörterungen und Beispiele; Primae lineae iuris privati principum; Sylloge. Zu den ersten Bibliographien des Fürstenprivatrecht s. Weber, Ratio status, et quae eo pertinent. 39 Majer, S. 2. 40 Hattenhauer, 2. Teil, 13. Titel, S. 589 f.

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in die Lage versetzt wurde, den Verpflichtungen gegenüber den Staatsbürgern nachzukommen. Folgerichtig wird auch die Kategorie der privaten Güter der Dynastie definiert: »Was Personen aus der Familie des Landesherren durch eigene Ersparniße, oder auf andere Art, gültig erworben haben, wird, so lange von dem Erwerber oder seinen Erben keine ausdrückliche Einverleibung erfolgt, und soweit darüber durch Familienverträge und Hausverfassungen nicht ein Anderes bestimmt ist, als Privateigenthum betrachtet.«41 Das Allgemeine Landrecht war – trotz der geringen unmittelbaren Konsequenzen, die es im Verhältnis von Dynastie, Staat und Volk hatte  – ein Meilenstein. Während der Staat zu einem allgemeinen Gut und zum Garant von Rechten seiner Bürger wurde, teilte sich der König in ein Staatsoberhaupt, dem die Nutzung des staatlichen Besitzes oblag, und eine private Person; die Dynastie wurde eine Privatfamilie. Die Los­ lösung des Staats von der Dynastie war vorangeschritten. Auf der Grundlage dieser Neudefinition erfolgten im frühen 19.  Jahrhundert weitere Schritte. 1809 wurde als Maßnahme zur Bezahlung der gewaltigen napoleonischen Kontributionen beschlossen, dass die Domänen veräußert werden könnten, wenn dies durch eine Notlage des Staates notwendig würde.42 Weitere Maßnahmen erfolgten nach dem Ende der Reformzeit. Dazu gehörte – weiterhin im Kontext der Überschuldung des Staates – die »Verordnung wegen der künftigen Behandlung des gesamten Staatsschuldenwesens vom 17. Januar 1820«,43 die für den Unterhalt von König und Hof 2,5 Millionen Taler aus den Garantien für die Schuldner Preußens ausnahm. Diese Krondotation, die zur Anfüllung eines Kronfideikommißfonds genutzt und 1859 zum ersten Mal erhöht wurde, bedeutete, dass der königlich-dynastische Etat zum ersten Mal in der preußischen Geschichte vom allgemeinen Staatsetat getrennt wurde. Daneben sicherte sich die Dynastie »privates« Familienvermögen. König Friedrich Wilhelm I. hatte schon 1733 einen »Hausfideikommiss« gestiftet, welcher bis zum Ende der Dynastie den Königen und Kaisern zur Verfügung stand. Im Testament Friedrich Wilhelms III. wurde der sogenannte »Königlich-prinzliche Familienfideikomiss« angelegt, der zum größten Teil aus Geldwerten bestand. Später kam der »Krontresor« hinzu, welcher aus den beim Pariser Frieden von Preußen erzielten Einnahmen entstand und durch Leihgeschäfte stark vermehrt wurde (bis 1840 auf fünf Millionen Taler). Neben diesen fideikommissarisch gebundenen Vermögensformen, die ausschließlich familiären Zwecken dienten, gab es individuellen Privatbesitz nach zivilrechtlichen Maßgaben. So kristallisierte sich allmählich deutlicher heraus, was der Unterschied zwischen öffentlich-staatlichem, familiärem und individuellem Besitz war. Diese Trennung schlug sich auch in den Verwaltungsstrukturen nieder. 1819 wurde zur Verwaltung des dynastischen Besitzes, der Hofstaaten, sowie zur Oberaufsicht 41 Ebd., 14. Titel, § 13, S. 590. 42 Schulze, Hausverfassung, S. 72 f. 43 Ebd., S. 76.

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über Etikette und Zeremoniell das Hausministerium und das Oberst-Kämmereramt eingerichtet.44 Seit 1848 wurden die Akten der königlichen Familie aus dem Staatsarchiv entfernt und in ein eigenes Hausarchiv überführt. Die revidierte Verfassung vom 31. Januar 1850, die Preußen in eine konstitutionelle Monarchie verwandelte, gab der vermögensrechtlichen und institutionellen Trennung von Staat, König und Dynastie eine noch größere Relevanz. Einschneidende Veränderungen brachte der zweite Paragraph der Verfassung, der die Entscheidungen über die Grenzen des Staatsgebietes dem Gesetzgebungsverfahren unterwarf und damit die hausrechtlichen Bestimmungen über Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Territoriums ersetzte. Das Gesetz­ gebungsverfahren bestimmte der König nicht allein, sondern zusammen mit dem Parlament. Somit hatten die Bürger zumindest theoretisch über ihre Vertreter Einfluss auf die Gestalt des Staatsgebietes. Folgenschwer war auch die Aufnahme der einst hausgesetzlichen Thron­ folgeregelung in die Verfassung. In § 53 heißt es: »Die Krone ist, den König­lichen Hausgesetzen gemäß, erblich in dem Mannsstamme des Königlichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge«. Indem die Sukzessionsregeln zu öffentlichen Gesetzen erklärt worden waren, wurden die anderen Hausgesetze (soweit sie nicht gegen die Verfassung verstießen und damit ungültig wurden) zu privaten Familienangelegenheiten deklariert. Nach der Verfassung hatte die Dynastie vor allem die Aufgabe, das Staatsoberhaupt hervorzubringen und zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig bedeutete die Aufnahme der männlichen Primogenitur in die Verfassung das Ende der alleinigen dynastischen Kontrolle über die Hausverfassung; jeder Verfassungsparagraph, auch der § 53, konnte im Gesetzgebungsverfahren geändert werden. So bekleidete der König  – in verfassungsrechtlicher Perspektive  – als Staatsoberhaupt ein Staatsamt, in seinen Gesetzgebungs- und Etatentscheidungen musste er die Mitwirkung der gewählten Vertreter des Volkes akzeptieren, als Familienoberhaupt aber war der König ein Privatmann. Dass der Staat eine »öffentliche Sache« war, bedeutete – anders als noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – nicht mehr nur, dass er zum Wohle der Öffentlichkeit, sondern auch durch Mit­wirkung der Öffentlichkeit existierte. Verstaatlichung des dynastischen Besitzes meint im Kern dessen schrittweise Umdefinition vom gemeinschaftlichen Familienbesitz zum allgemeinen Besitz zum Nutzen der Öffentlichkeit. Das neue Verhältnis von Staat und Dynastie schlug sich, wie schon in der Vergangenheit, in veränderten Modi dynastisch-historischer Repräsentation nieder. Wilhelm II. ließ eine in Stein gehauene Ahnenreihe der Hohenzollern im Berliner Tiergarten errichten: die Siegesallee. Hier drückte sich, ähnlich wie auch im Hohenzollernmuseum im Schloss Monbijou, der hergebrachte dynastische Anspruch, aber auch die neue konstitutionelle Rolle in einer volkspädagogischen Maßnahme im öffentlichen Raum aus.45 44 Neugebauer, Bd. 2, S. 115. 45 Lehnert; Luh.

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Die Entwicklungen bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten die Entscheidungsgewalt des Monarchen durch das Parlament eingehegt und die verfassungsmäßige Rolle der Dynastie auf die Lieferung von Nachwuchs für den Thron reduziert. Das der Verfassung zugrundeliegende Verständnis vom König als einer Privatperson, die ein öffentliches Amt innehat, und von der Dynastie als einer Privatfamilie kann durchaus als Zurückdrängung der Dynastie gewertet werden. Es scheint paradox, dass der Prozess der Verrechtlichung, der schließlich in Verstaatlichung mündete, zwar zunächst die Dynastie stabilisierte, deren Rechte jedoch im Verlauf des 19. Jahrhunderts einschränkte und sie 1918 überflüssig erscheinen ließ. Ist es zumindest aus verfassungsgeschichtlicher Perspektive also richtig, von einem Bedeutungsverlust der Dynastie vom 18. zum 19. Jahrhundert zu sprechen? Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Prozess der Konstitutiona­ lisierung den Besitz und die politischen Einflussmöglichkeiten des Königs und seiner Familie reduziert hatte. Doch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war in der preußischen und reichsdeutschen Verfassungswirklichkeit die Entscheidungsgewalt des Monarchen nach wie vor weitreichend; durch den Aufstieg zur Kaiserwürde und zur Kolonialmacht hatte sich der Radius seiner Aktivi­täten vergrößert und damit der Glanz der Dynastie vermehrt. Auch wenn ihr der Verfassungsrang abgesprochen worden war, blieb die Dynastie die erste Familie, ihr Leben fand unter aller Augen statt, Geburts- und Todesfeierlichkeiten und Heiraten waren nach wie vor Staatsakte. Zusätzlich, doch diese These wird im fünften Kapitel eingehender diskutiert, eröffnete gerade die Codierung der Dynastie als »privat« ganz neue Möglichkeiten breiter Identifikation und populärer Politisierung, welche die Bedeutung der Dynastie eher steigerten als reduzierten.

1.2 Der Fortbestand des Staates Im Rahmen einer Strategie, die Herrschaft und Besitz einer Familie auf Dauer wahren wollte, musste die Sorge um Nachwuchs zwangsläufig ein zentrales Element sein. Dass sie Kindern das Leben schenken konnte, machte zu einem nicht geringen Teil  den Tauschwert einer Tochter aus. Dementsprechend waren Fruchtbarkeitsrituale ein zentrales Element im Hochzeitsfest. Zwar war in der Neuzeit der Vollzug der Ehe im Rahmen der Feierlichkeiten kein öffent­ licher Akt mehr; die Türen des Brautzimmers schlossen sich zur Hochzeitsnacht. Doch die »copula carnalis« blieb ein zentrales Moment der Eheschließung, das erst deren Rechtsgültigkeit besiegelte. Vor der Tür des Brautzimmers, in dem das Brautpaar nach dem Hochzeitsball verschwand, verteilte man noch bis ins 19.  Jahrhundert Kopien des Strumpfbandes der Braut als Symbol des Hymen. Besonders explizit zeigten sich Fruchtbarkeitsmotive in der allegorischen Sprache der Barockfeste. So wurde an der Tür zum Hochzeitsgemach des 45 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

späteren Friedrich Wilhelm I. und Sophie Dorothea von Hannover eine »vergnügte Ruhe« gewünscht.46 Bei den Divertissements zu dieser Gelegenheit erschien die Fruchtbarkeit als Thema mit vielen Variationen. Ein Sinnspruch im Feuerwerk wünschte, dass der Fürst seine Krone »auf die späteren Nachkömmlinge fortpflanzen möchte«.47 Dem Monarchen rief man in einem Singspiel zu: »Lebe und sehe sehr viele Kinder und Kinderskinder.« In einem Gelegenheitsgedicht hieß es: »Es mag dem theuren Friderich / An keinen Helden-Enkeln fehlen! / Es mag sein Preussen ewiglich / Viel Helden von dem Friderich / Viel Fridrichs-Helden ewig zehlen!«48 Bei dieser im Jahr 1706 geschlossenen Ehe erschien die Beschwörung der Fruchtbarkeit allerdings auch besonders notwendig. König Friedrich I. hatte aus erster Ehe eine Tochter; sein erster Sohn Friedrich August aus zweiter Ehe war wenige Monate nach der Geburt gestorben. So ruhten alle Erwartungen auf dem inzwischen herangewachsenen zweiten Sohn, Kronprinz Friedrich W ­ ilhelm, und seiner neuen Gattin. Schon vor der Eheschließung hatte König Friedrich an seine Schwiegermutter Sophie von Hannover über seine Wünsche an die Vermählung geschrieben, er werde versuchen »ihn, sobald er 18 Jahre wird, zu verheiraten, da ich nur den einzigen Sohn habe und gern Kinder von ihm sehen wollte, damit mein Haus fortgepflanzt werde«.49 Als dieses Paar zwei Jahre später immer noch nicht mit einem Thronfolger aufwarten konnte, ging der verwitwete König Friedrich I. im Alter von 51 Jahren nochmals eine Ehe mit einer dreiundzwanzigjährigen Prinzessin aus dem Haus Mecklenburg-Schwerin ein, um so aus eigener Kraft den Fortbestand der Dynastie in einer neuen Generation zu sichern. Die Möglichkeit, auf die mit männlichem Nachwuchs gesegnete Schwedter Seitenlinie auszuweichen, wurde ebenfalls in Erwägung gezogen. Die Sorge des Familienoberhauptes galt jedoch vornehmlich dem Nachwuchs aus der Hauptlinie. Sie wurde vom Kronprinzen und seiner Gattin erst sechs Jahre nach der Eheschließung zerstreut. Zwei potentielle Thronfolger waren bis dahin im Säuglingsalter verstorben, eine Tochter – die spätere Wilhelmine von Bayreuth – überlebte. Im Januar 1712 erlebte König Friedrich I., der mit seiner fast dreißig Jahre jüngeren dritten Frau keine Kinder mehr gehabt hatte, doch noch die Geburt und das erste Lebensjahr eines Enkels. Dass dieser die insbesondere durch Infektionskrankheiten bedrohten Kleinkindjahre überstehen würde, konnte der König auf dem Totenbett nur hoffen. Doch der Enkel überlebte, und aus dem Hoffnungsschimmer in einer Krise der Dynastie wurde nach seinem Regierungsantritt im Jahr 1740 der »große« Friedrich. Auch dieser Monarch, der vor allem als Feldherr, Politiker und Philosoph in die Geschichte eingegangen ist, musste sich bei der Bewälti46 Die Grosse preussisch- und lüneburgische Vermählungs-Freude, S. 46. 47 Ebd., S. 60. 48 Ebd., S. 71. 49 Friedrich I. an Kurfürstin Sophie, 13.3.1705, in: Schnath, S. 63.

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gung einer Nachwuchskrise bewähren. Obwohl seine Mutter, die aus Hannover stammende Königin Sophie Dorothea, insgesamt vierzehn Kinder zur Welt brachte und außer Friedrich noch drei weitere Söhne das Erwachsenenalter erreichten, zeichnete sich bald ein erneuter dynastischer Engpass ab. Kronprinz Friedrich hatte 1733 mit Widerwillen und unter dem Druck seines Vaters die Braunschweiger Prinzessin Elisabeth Christine geheiratet. Doch es waren wohl weniger Widerwille als vielmehr gesundheitliche Probleme, die dazu führten, dass Friedrich II. der Fortpflanzung in seiner Ehe von Anfang an keine Chance gab. Schon bald nach dem Regierungsantritt kündigte er seinem jüngeren Bruder August Wilhelm an, dass er der nächste in der Thronfolge sei. Das vollständige Fehlen von männlichem Nachwuchs in der nächsten Generation erfüllte den jungen König, der im ersten Schlesischen Krieg die Gefahren für sich und seine Brüder erlebt hatte, lange Zeit mit Sorge.50 Noch bevor der Friedensvertrag unterzeichnet war, betätigte sich Friedrich als Familienstratege. Als ersten Schritt brachte er die schon unter seinem Vater geplante Vermählung seines zehn Jahre jüngeren Bruders August Wilhelm mit der Welfenprinzessin ­Luise Amalie zustande. Sie wurde am 6. Januar 1742 im Weißen Saal des Ber­ liner Schlosses gefeiert. Parallel bedrängte er seinen 38 Jahre alten, unverheirateten Cousin zweiten Grades, Markgraf Karl Albrecht aus der Sonnenburger Linie des Hauses, eine Ehe mit einer württembergischen Prinzessin einzugehen: »Vous considerez donc que nous, qui sont de la Maison de Prusse, sommes obligez de faire tout ce qui peut aboutir au bien et à la conservation de l’Etat.«51 Der Markgraf möge bedenken, dass es in den verschiedenen Linien des Hauses keinen männlichen Nachwuchs gebe. Der Markgraf entzog sich dieser dringlichen Bitte mit dem Verweis auf seine bescheidenen finanziellen Verhältnisse, die durch den Erwerb des Gutes NeuQuiliz – des heutigen Neu-Hardenberg – noch schlechter geworden seien. Weiterhin gab der Markgraf an, eine Aversion gegen die – ihm im übrigen gänzlich unbekannte  – württembergische Prinzessin zu haben. Er führte auch aus, »que le mariage en général est accompagné de beaucoup de désagrément et d’inquiétude«.52 Friedrichs Angebot, die markgräfliche Ausstattung aufzubessern und auch andere Kandidatinnen in Erwägung zu ziehen, konnte Karl nicht umstimmen. General von Kalckstein, der im Auftrag des Königs unter vier Augen mit dem Markgraf sprach, überbrachte Friedrich die Neuigkeit, dass dem Heiratsplan eine Mätresse im Wege stehe, die zwar über fünfzig Jahre alt und beständig krank sei, dass aus dieser Verbindung jedoch Kinder hervor­ 50 Kunisch, Friedrich der Grosse. Der König und seine Zeit, S. 224–250; ders., Friedrich der Große, Friedrich Wilhelm II. 51 »Sie dürfen nie vergessen, dass wir, die wir zum Haus Preußen gehören, verpflichtet sind, alles zu tun, was der Erhaltung des Staates dient.« Friedrich II. an Markgraf Karl, o. D., GStA PK, HA I, Rep. 36, Nr. 10, Bl. 7. 52 »dass die Ehe im Allgemeinen von vielen Unannehmlichkeiten und Sorgen begleitet ist«; Markgraf Karl an Friedrich II., 22.12.1743, ebd., Bl. 9/10.

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gegangen seien, weshalb der Markgraf ihr »reconnoissance schuldig« sei.53 Friedrich reagierte auf diese Neuigkeiten mit dem Angebot, die unehelichen Kinder in den Adelsstand zu erheben, worauf sich der Markgraf – nicht ohne auch für seine Mätresse um Nobilitierung zu bitten – zu einer durch einen Vorwand verschleierten Brautschau in Hessen-Kassel bereitfand. Sah es zunächst so aus, als hätte der König mit Erfolg in die Zukunft des ­Hauses investiert, gelang es allerdings Markgraf Karl, der Zeit seines Lebens unverheiratet bleiben sollte, die Angelegenheit zu verschleppen, bis von anderer Seite Entlastung kam: Luise Amalie, die Gattin von Friedrichs Bruder Friedrich August, wurde im September 1744 von einem Stammhalter entbunden. Doch der König erwartete mehr. Schon im Frühjahr des folgenden Jahres ermahnte er seinen Bruder. Dieser habe eine hohe Meinung von sich, wenn er sich für einen »gewaltigen Kindererzeuger« halte; »das armselige eine Kind, das Du erzeugt hast«, stelle »die Zukunft des Hauses nicht so sicher, wie es wünschenswert wäre«.54 Immer wieder kam Friedrich in der Korrespondenz auf das leidige Thema zu sprechen. Die Ehe sei die »nützlichste Thorheit der Menschen … Ich wünschte, man merkte davon mehr in Deinem Hause. Geschieht das nicht bald, so müßte man Dir den kleinen Prinzen fortnehmen und Dich wie die Legehennen behandeln, denen man die Eier wegnimmt, damit sie neue legen.«55 Wenige Monate später verglich er seinen Bruder mit den Hirten Corydon und Seladon, die alle neun Monate mit ihren Gattinnen Kinder zeugten: »Du aber, lieber Bruder, bist seit fünf Jahren verheiratet und die Prinzessin hat nur ein einziges Kind.«56 Friedrich richtete seine Appelle zur Prokreation übrigens ausschließlich an die männlichen Mitglieder seines Hauses. War es unschicklich, einer Frau mit einem solchen Anliegen zu kommen, oder ging der König davon aus, dass sich die weiblichen Mitglieder der Dynastie, wenn ihre Männer sie dazu aufforderten, ihren ehelichen Pflichten nicht entziehen konnten? Drei Jahre nach dem Thronfolger brachte Luise Amalie einen zweiten Sohn zur Welt. So schien die Zukunft zunächst gesichert; das galt umso mehr, als Friedrich 1752 und 1755 auch seine beiden jüngsten Brüder, Heinrich und August Ferdinand, und schließlich 1765 auch seinen Neffen Friedrich Wilhelm zum Tragen des Ehejochs überreden konnte. Letztere Eheschließung begründete er auch mit den Notwendigkeiten der Thronfolge.57 Doch die Sicherheit, in der sich König Friedrich wiegen zu können glaubte, erwies sich als trügerisch: 1758 war sein Bruder August Wilhelm und damit der designierte Thronfolger verstorben. Knapp zehn Jahre später, im Jahr 1767, verschied August Wilhelms zweitgeborener Sohn Friedrich Heinrich Karl im 53 Von Kalckstein an Friedrich II., 31.12.1743, ebd., Bl. 12/13. 54 Friedrich II. an Prinz August Wilhelm, 7.4.1745, in: Volz, Briefwechsel Friedrichs des Großen, S. 65. 55 Friedrich II. an Prinz August Wilhelm, 17.4.1746, in: ebd., S. 74 f. 56 Friedrich II. an Prinz August Wilhelm, 9.10.1746, in: ebd., S. 91. 57 Friedrich II., Mémoires depuis la paix d’Hubertsbourg (1775), in: Preuß u. Menzel, Bd. 6, Berlin 1847, S. 16.

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Alter von neunzehn Jahren bei einem Manöver im Schloss zu Protzen bei Fehrbellin. Da die Ehe von Friedrichs Bruder Heinrich kinderlos geblieben war, August Ferdinands Verbindung in den bis dahin verflossenen zwölf Ehejahren nur eine Tochter hervorgebracht hatte und auch Neffe Friedrich Wilhelm lediglich mit einer Tochter aufwarten konnte, musste der Chef des Hauses Brandenburg-Preußen erneut um dessen Fortbestand bangen. Neidvoll blickte er auf seine nördlichen Nachbarn, das Haus Mecklenburg. Auf dessen Besitzungen hatten die Hohenzollern Ansprüche, doch die Mecklenburger sorgten durch rege Fortpflanzung dafür, dass diese niemals fällig würden: »Ils sont d’une fecondité a repeupler une Garrene, tandis que la Sterilité de Notre famille nous menace de sa fine prochaine.«58 Nach den Todesfällen ruhte die Thronfolge in der nächsten Generation auf einem einzigen Prinzen, Friedrichs Neffen Friedrich Wilhelm, der sich darüber hinaus nicht als zukünftiger Monarch empfahl. Auch diesen feuerte der ­König zu mehr Engagement für den Fortbestand des Hauses an. Ahasverus von Lehndorff, Kammerherr der Königin, berichtet, wie Friedrich II. seinem Neffen –  verbunden mit einem Vortrag über die Notwendigkeit legitimer Nachkommenschaft – den Verkehr mit seiner Mätresse untersagte.59 Der Neffe Friedrich Wilhelm ließ sich seine Geliebte Hermine Encke lange Zeit nicht ausreden; dennoch währte die bange Phase nur zwei Jahre. Zwar trug Friedrichs Lieblingsbruder Heinrich nichts zur Lösung des Problems bei, aber der vom König wenig geschätzte jüngste Bruder August Ferdinand und seine aus der Schwedter Linie stammende Gattin machten sich die Erhaltung von Stamm und Namen des Hauses Brandenburg rasch nach Eintreten der Nachfolgekrise zur Aufgabe. Die arme Luise absolvierte ab dem vierzehnten Jahr ihrer Ehe, die bis dahin nur eine Tochter hervorgebracht hatte, einen wahren Gebärmarathon: Sieben Kinder, davon sechs in zehn Jahren, schenkte sie der Dynastie und hatte danach noch genügend Kraft, ihr Leben bis in die Restaurations­ zeit fortzusetzen. Parallel sorgte der Chef des Hauses Brandenburg dafür, dass die zerrüttete erste Ehe des Thronfolgers und Neffen Friedrich Wilhelm 1769 geschieden und wenige Monate später eine neue mit der siebzehnjährigen Friederike Luise von Hessen-Darmstadt geschlossen wurde. In den »Mémoires depuis la paix de Hubertsbourg jusqu’à la paix de Teschen« beschreibt Friedrich II. seine Motive ausführlich. Die Ehe habe nicht den Erwartungen des königlichen Hauses entsprochen. Der Gatte habe sich einer »vie crapuleuse« hingegeben, die schöne Prinzessin sich dafür gerächt. So sei alle Hoffnung auf Nachkommen vergeblich gewesen; dann sei auch noch Prinz Heinrich an den Pocken gestorben. Die Brüder des Königs haben klar zu verstehen gegeben, dass sie sich niemals 58 »Sie sind von einer Fruchtbarkeit, die ausreichen würde, um ein Kaninchengehege zu bevölkern, während die Unfruchtbarkeit unserer Familie uns mit baldigem Aussterben bedroht.« Friedrich II., Testamant (sic!) politique (1768), in: Dietrich, S. 656. 59 Schmidt-Lötzen, S. 470 f.

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von einem »bâtard« die Rechte auf die Thronfolge würden streitig machen lassen. Alle diese Gründe hätten für die Trennung der Ehe gesprochen. Die Wahl einer neuen Gattin sei schwer gewesen, doch nach einigem Suchen habe man die Prinzessin von Hessen-Darmstadt gefunden.60 Das frischgebackene Kronprinzenpaar gab dem Drängen des Familienoberhauptes nach: Acht Geburten in den vierzehn ersten Ehejahren waren die beeindruckende Bilanz. Dieses im Vergleich zu anderen männlichen Mitgliedern der Dynastie verantwortliche Verhalten wurde meist vergessen, wenn man Friedrich Wilhelm II. den »dicken Luderjahn« nannte. Sein Erstgeborener, ebenfalls Friedrich Wilhelm genannt und später Vater einer großen Kinderschar, regierte Preußen bis 1840. Seit der aktiven und schließlich erfolgreichen Familienpolitik Friedrichs II. und bis zum Ende der Monarchie waren die Hohenzollern nie wieder von Nachwuchssorgen geplagt worden. Im Jahr 1882 erreichte der Kindersegen sogar ein nie dagewesenes Ausmaß. Am 6. Mai 1882 wurde Prinz Wilhelm, der erste Urenkel Wilhelms I., geboren. Eine zeitgenössische Fotografie, die auch als Bildpostkarte Verbreitung fand, zeigt den Kaiser mit Kronprinz Friedrich (III.) Wilhelm, dessen ältestem Sohn Wilhelm und dem neugeborenen Wilhelm auf dem Schoß. So schien die Thronfolge auf Generationen gesichert; tatsächlich aber regierte Friedrich III. nur 99 Tage, und die Dynastie musste abdanken, bevor aus dem Säugling der deutsche Kaiser Wilhelm III. werden konnte. Die beschriebenen Phasen prekärer oder aber reichlich gesicherter Thronfolge zeigen, dass der Fortbestand der Dynastie nur zeitweise ein drängendes Problem und damit ein vorrangiges Motiv der Heiratsstrategien darstellte. Umgekehrt erweist sich, dass die Bemühungen der Hohenzollernfamilie, generative Engpässe zu vermeiden, offenbar von Erfolg gekrönt waren. Diese wandte eine auf Sicherheit bedachte Strategie an, welche vor den Kosten und Mühen zahlreicher Eheschließungen nicht zurückschreckte. Das ist keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. So bediente sich etwa der venezianische Adel des 18. Jahrhunderts einer als minimalistisch zu bezeichnenden Strategie. Hier wurde Wert auf einen »schlanken, geradlinigen Stammbaum«61 gelegt und jeweils nur so vielen männlichen Mitgliedern der Familie das Ehejoch auferlegt, wie zum Erhalt des Stammes unerlässlich schien. Brachten die wenigen Verbindungen, auf denen die Hoffnung des gesamten Hauses ruhte, keinen Nachwuchs, war es um das Haus geschehen. Die Hohenzollern hingegen sicherten sich durch die Verheiratung eines großen Teils der männlichen Mitglieder der Familie ab. Für den Fortbestand der Dynastie gibt es vier bestimmende demographische Größen: erstens den Anteil der vermählten männlichen Mitglieder der Dynastie, zweitens das Alter der angeheirateten Bräute, drittens die eheliche Fruchtbarkeit und viertens die Sterblichkeit. Die beiden erstgenannten Faktoren stehen, zumindest theoretisch, in einem Zusammenhang mit dem dritten: 60 Friedrich II., Mémoires depuis la paix de Hubertsbourg (1775), in: Preuß u. Menzel, Bd. 6, Berlin 1847, S. 23. 61 Hunecke, S. 132.

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Abb. 1: Kaiser Wilhelm I. mit seinem Sohn, Enkel und Urenkel im Jahr 1882, Fotografie (ullstein bild, Nr. 01071584).

Je mehr Männer des Hauses heirateten und je jünger ihre Bräute waren, desto wahrscheinlicher war reichlicher Nachwuchs für das Haus. Die demographischen Kennzahlen sind aus dem genealogischen Material ohne Schwierigkeiten zu ermitteln. Der Anteil der Verheirateten an der Gesamtheit der heiratsfähigen, das heißt über 14jährigen, Söhne der brandenburgisch-preußischen Hohenzollern, die Nebenlinien Schwedt und Sonnenburg eingerechnet, lag bei den Geburtsjahrgängen 1640–1900 bei 66 Prozent. Die Veränderung im Laufe der Jahrhunderte ist deutlich: Für die Geburtsjahrgänge 1640–1800 ergibt sich eine Heiratsfrequenz von 62 Prozent; bei den im 19. Jahrhundert Geborenen war die Quote der Verheirateten mit 73 Prozent wesentlich höher.62 Diese Heirats62 Als heiratsfähig wurden hier, wie es das Privatfürstenrecht nahelegt, Prinzen ab ihrem 14. Lebensjahr angesehen. Grundlage war die Annahme, dass in diesem Alter die Fähigkeit, aus freien Stücken in die Ehe einzuwilligen, vorauszusetzen war.

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frequenzen sind im europäischen Vergleich eher hoch. Sie liegen deutlich über den Daten für den venezianischen Adel des 18. Jahrhunderts, von dessen Söhnen nur gut die Hälfte in den Stand der Ehe trat.63 Auch verglichen mit den anderen regierenden Familien Europas, die Sigismund Peller demographisch untersucht hat, heiratete ein höherer Anteil der Hohenzollernsöhne.64 Die Heiratsfrequenz der Brandenburger entsprach etwa der Quote, die Gregory Pedlow für den besonders heiratsfreudigen hessischen Adel errechnet hat.65 Bei der Suche nach den Ursachen des Anstiegs vom 18. zum 19. Jahrhundert fällt die Tatsache ins Auge, dass in der Zeit bis 1800 eine starke Diskrepanz zwischen der Hauptlinie und der Sonnenburger Nebenlinie bestand. So geht die Kurzlebigkeit der Linie Sonnenburg, die durch den Markgrafen Albrecht Friedrich und seine Gattin Maria Dorothea gegründete wurde, ganz eindeutig darauf zurück, dass keiner der Söhne, die das heiratsfähige Alter erreichten, in den Stand der Ehe trat. Über die Ursachen können nur Vermutungen angestellt werden; die mäßige finanzielle Ausstattung der Sonnenburger Linie mag eine Rolle gespielt haben. Im Gegensatz dazu wurden in der Seitenlinie Schwedt alle männlichen Nachkommen verheiratet, was allerdings deren Aussterben im Jahre 1788 nicht verhindern konnte. Rechnet man die niedrige Heiratsfrequenz der Sonnenburger Linie aus den Daten bis 1800 heraus, nähern sich die Gesamtheiratsquoten der brandenburgischen Hohenzollern vor und nach 1800 an. Das Heiratsalter der männlichen Hohenzollern lag bei Erstheiraten der brandenburgisch-preußischen Hauptlinie zwischen 1640 und 1918 bei gut 25 Jahren; vor 1800 heirateten die Söhne im Schnitt mit 24,4, nach dem Beginn des 19. Jahrhunderts mit etwa 27 Jahren. Auch wenn diese für den Fortbestand des Hauses nicht unmittelbar relevant waren, sollen die Daten für die Nuptialität der Hohenzollerntöchter genannt werden. Sie präzisieren die Erwartungen an weibliche Familienmitglieder: Die Quote der unverheirateten Töchter aus dem Hause Hohenzollern lag deutlich niedriger als die ihrer Brüder. Von den 43 zwischen 1640 und 1900 geborenen Mädchen, die ihr zwölftes Lebensjahr erreichten und damit als heiratsfähig galten, blieben nur drei unverheiratet. Eine von diesen dreien verstarb bereits mit 16 Jahren: Prinzessin Luise (1709–1726) aus der Sonnenburger Linie erreichte damit zwar ein Alter, in dem so manche ihrer weiblichen Angehörigen schon unter der Haube war, dennoch ist ihre Jungfernschaft wohl mit dem frühen Tod zu erklären. Zwei weitere Töchter, Amalie (1723–1787), eine Schwester Friedrichs  II., und Friederike (1745–1808), Enkelin von Markgraf Philipp Wilhelm von Schwedt, dienten der Dynastie und der Kirche als Äbtissin von Quedlinburg beziehungsweise Herford in prestigeträchtigen Ämtern, die auch ihre Versorgung gewährleisteten. Dieser Einzelfälle ungeachtet kann festgehalten werden, dass es für eine Tochter aus dem Hause Hohenzollern 63 Hunecke, S. 193. 64 Peller, S. 89. 65 Pedlow, S. 36 f.

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in der Regel keine Alternative zur Ehe gab. Das unterschied die Hohenzollerntöchter deutlich von den Söhnen des Hauses, von denen circa ein Drittel unverheiratet durchs Leben ging. Das durchschnittliche Alter der Hohenzollerntöchter bei ihrer ersten Ehe stieg von etwa 18 Jahren zwischen 1640 und 1800 auf etwa 20 Jahre zwischen 1800 und 1918. Sie heirateten damit im Schnitt sieben Jahre früher als ihre Brüder. Entscheidend für den Fortbestand der Familie war neben der Heirats­frequenz der Söhne das Alter der von ihnen heimgeführten Bräute. Denn je jünger die Bräute waren, desto länger dauerte ihre fruchtbare Lebensphase während der Ehe und desto mehr Kinder konnten sie potentiell der Dynastie gebären. Die Prinzessinnen, welche zwischen 1640 und 1918 ins Haus Hohenzollern einheirateten, waren im Schnitt knapp 21 Jahre alt; auch hier lag das durchschnitt­ liche Heiratsalter nach 1800 deutlich höher: Bei Ehen zwischen 1640 und 1800 waren es im Durchschnitt 18,6 Jahre; zwischen 1800 und 1918 dagegen 22,5. Die einheiratenden Bräute waren also im Durchschnitt älter als die heiratenden Töchter der Hohenzollern. Offenbar war  – angesichts durchgehend gesicherter Thronfolge und sinkender Säuglings- und Kleinkindsterblichkeit – die Optimierung der Fruchtbarkeit in der preußischen Königsfamilie des 19. Jahrhunderts weniger wichtig. Stattdessen wurde bei Töchtern und Söhnen größerer Wert auf die charakterliche Reife zum Ehestand gelegt. In diesem Sinne schrieb etwa Augusta, Gattin des späteren Wilhelm  I.: »Mein Schwager Albrecht hat sich nach meiner Ansicht viel zu früh verheiratet. Das hemmt ihn in der vorteilhaften Entwicklung, die er vorher zu nehmen versprach.«66 Das durchschnittliche Heiratsalter der von den Hohenzollern angeheirateten Bräute ist  – wie die von Pedlow in einer Synopse zusammengestellten europäischen Daten zeigen67 – im Vergleich mit dem anderer europäischer Adelspopulationen niedrig. Allerdings wären eingehendere Untersuchungen nötig, um präzise Aus­sagen über die Spezifik des niedrigen weiblichen Heiratsalters in der preußischen Königsfamilie machen zu können. Mit dem Heiratsalter der Frauen in unmittelbarem Zusammenhang steht in Gesellschaften, in denen kontrazeptives Verhalten eine untergeordnete Rolle spielt, die eheliche Fruchtbarkeit. Auch wenn ein umsichtiges Familien­ oberhaupt wie etwa Friedrich II. hier durch seine Überredungskünste Einfluss zu nehmen versuchte, blieben die Erfolge der ehelichen Fortpflanzung einer Vielzahl von Faktoren unterworfen. Im Durchschnitt wurden in den Ehen der männlichen Hohenzollern mit ihren in der Regel nicht aus dem Haus stammenden Gattinnen 4,8 Kinder geboren. Bei der Berechnung dieses Mittelwerts sind fünf Ehen nicht berücksichtigt, die gar keine Kinder hervorgebracht haben und bei denen daher Unfruchtbarkeit zu vermuten ist; sie machten 14 Prozent der Gesamtzahl der Ehen aus. Auch die morganatischen Ehen, die keinen für die Dynastie relevanten Nachwuchs hervorbrachten, haben hier keine Be66 Zit. nach: Zeidler u. Zeidler, S. 73. 67 Einen Überblick bietet Pedlow, Tab. 3.4, S. 42.

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rücksichtigung gefunden. Ein Blick auf die Intervalle zwischen den Geburten zeigt, dass die Kinder der Hohenzollernmänner etwa in einem Zwei-JahresRhythmus geboren wurden (siehe Tabelle 1). Da biologisch weitaus kürzere Zyklen möglich sind, spricht vieles dafür, dass die Prokreation durch Enthaltsamkeit oder kontrazeptive Maßnahmen – etwa durch Stillen – gedrosselt wurde. Für die Annahme einer gewollten Kontrolle der Reproduktion spricht darüber hinaus, dass das jeweils letzte Kind der dem Haus Hohenzollern angehörigen Paare im Durchschnitt elf Jahre nach der Eheschließung geboren wurde und dass die Ehefrauen ihr letztes Kind im Mittel in einem Alter von 29 Jahren zur Welt brachten. Dies ist ein Anzeichen dafür, dass die reproduktiven Möglichkeiten nicht ausgeschöpft wurden. Tab. 1: Durchschnittliche Intervalle zwischen Geburten Bis 1. Geburt

603 Tage (1,65 Jahre)

1. – 2. Geburt

917 Tage (2,50 Jahre)

2. – 3. Geburt

790 Tage (2,16 Jahre) 

3. – 4. Geburt

1055 Tage (2,89 Jahre)

4. – 5. Geburt

764 Tage (2,09 Jahre)

5. – 6. Geburt

857 Tage (2,35 Jahre) 

6. – 7. Geburt

659 Tage (1,80 Jahre) 

Gegen das Bestreben, im Hauptstamm ausreichend viele Nachkommen zu einer komfortablen Absicherung zu erzeugen, arbeitete der Tod. Auch im Haus Hohenzollern war eine hohe Säuglings- und Kleinkindsterblichkeit zu verzeichnen. Von den zwischen 1640 und 1900 geborenen Mädchen starben etwa 22  Prozent vor dem Erreichen des fünften Lebensjahres; bei den Jungen waren es ungefähr 24  Prozent. Die Säuglings- und Kleinkindsterblichkeit war im 18. erwartungsgemäß deutlich höher als im 19. Jahrhundert: Von den zwischen 1640 und 1800 geborenen Töchtern starben 22,7 Prozent, von den zwischen 1800 und 1900 geborenen nur noch 18  Prozent. Bei den Jungen der gleichen Jahrgänge war der Rückgang bei weitem deutlicher: von 28 Prozent auf 18,6 Prozent. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug in den Jahrgängen 1­ 640–1900 bei den Männern des Hauses etwa 41 Jahre; die Lebenserwartung vor 1800 lag mit circa 35 Jahren signifikant unter der mittleren Lebenserwartung nach 1800, die ungefähr 48 Jahre betrug. Die Werte bei den ihnen angetrauten Gattinnen liegen bei durchschnittlich 66 Jahren für den gesamten Zeitraum; diejenigen, die vor 1800 geboren waren, lebten im Schnitt 58 Jahre, die danach geborenen 54 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

72. Die mittlere Lebenserwartung der Töchter des Hauses ließe sich zwar ebenfalls anhand des genealogischen Materials berechnen, doch da diese in der Regel als Gattinnen oder Witwen eines Ehemannes starben, der zu einem anderen Haus gehörte, ist dies im engeren Sinne keine Frage der Demographie der Hohenzollern. So führten eine recht hohe männliche Nuptialität, ein recht niedriges und im Verlauf des Untersuchungszeitraumes nur leicht ansteigendes Heiratsalter der einheiratenden Bräute und eine solide eheliche Fruchtbarkeit bei den Hohenzollern zu dem dynastisch-demographischen Erfolg, dass Stamm und Namen über Jahrhunderte bewahrt werden konnten. Das Prinzip einer gewissen sichernden »Überproduktion« an Nachwuchs, das im 18.  Jahrhundert zeitweise vernach­ lässigt worden war, funktionierte im 19.  Jahrhundert. Eine Garantie konnte eine solche Strategie allerdings nicht bieten. Viele Dynastien starben aus, obwohl sie beim Heiraten auf Sicherheit gesetzt hatten. Unfruchtbarkeit, fehlender männlicher Nachwuchs und Tod waren Risiken, welche die Dynastien kaum be­ einflussen konnten. Auf der Suche nach einer »guten Partie« war nicht ausschließlich das Alter ausschlaggebend. Für den Fortbestand des Hauses musste auch auf Gesundheit geachtet werden. Wissen über körperliche Gebrechen von Einzelpersonen und Erbkrankheiten in Familien kursierte im Hochadel. Über den Gesundheitszustand einzelner Mitglieder hochadliger Familien versuchte sich die jeweils andere Familie vor der Vermählung zu informieren. Im 18. Jahrhundert, als Ehen häufig ohne persönliche Kenntnis der prospektiven Partner zustande kamen, wurde in Einzelfällen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Heirats­ kandidaten durch Dritte in Augenschein zu nehmen. Das konnte auf mehr oder weniger diskrete Weise geschehen. Der Fall der Wilhelmine von Bayreuth, die sich vor einem Gesandten des britischen Königs entkleiden und examinieren lassen musste, ist – wenn er überhaupt der Wahrheit entspricht – eine Ausnahme. Doch das Einholen von Informationen über die Gesundheit von Kandidatinnen entsprach durchaus den Gepflogenheiten. Als Friedrich II. im Jahr 1759 nach einer britischen Prinzessin als Gattin für seinen Neffen Friedrich Wilhelm Ausschau hielt, instruierte er den Baron Knyphausen in London: »Il faut chercher dans la femme, qu’on lui donne, premièrement une bonne santé, pour qu’on puisse en attendre de la fécondité, en second lieu une bonne humeur et, si l’on peut, une figure agréable.«68 Eine britische Heirat würde gut in sein außen­ politsches System passen; doch sollte man auf britische Prinzessinnen lieber ganz verzichten, »si leurs règles ne sont pas bien réglées«. Knyphausen solle sich 68 »Bei der Frau, die man ihm gibt, sollte man erstens auf gute Gesundheit achten, damit man von ihr Fruchtbarkeit erwarten kann, zweitens sollte sie umgänglich sein, drittens, wenn möglich, eine angenehme äußere Erscheinung haben.« Ordre an Knyphausen, 13.11.1959, Anlage zu einem Brief Friedrichs II. an Finckenstein, 9.11.1759, in: Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Bd. 18: 1759, Berlin 1891, S. 624.

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mit den »détails de femmes« vertraut machen und zu diesem Thema in unauffälliger Weise die Ärzte befragen. Als 1767 eine Heirat der preußischen Prinzessin Wilhelmine mit dem Erbstatthalter der Niederlande anstand, verlangten die Oranier ein ärztliches Zeugnis über den Gesundheitszustand der Prinzessin. Ihr Onkel, König Friedrich II., ließ es anfertigen und übersandte es postwendend mit der Bemerkung: »ma ­nièce se porte à merveille, et … assurement elle peuplera, si on s’y prend bien pour seconder sa fécondité.«69 Zusätzlich beschrieb er einem niederländischen Abgesandten die Eigenschaften seiner Nichte, wobei er den Akzent allerdings mehr auf den guten Charakter, die Schönheit und gute Erziehung als auf die Gesundheit legte.70 Ähnliche Gepflogenheiten prägten auch das 19. Jahrhundert, als den Ehen in der Regel eine persönliche Brautschau durch den Bräutigam vorausging. Vor der 1817 gefeierten Heirat zwischen dem russischen Großfürsten Nikolaus und der preußischen Prinzessin Charlotte wurde der russische Gesandte Graf Benckendorff instruiert, die prospektive Braut auf möglichst diskrete Weise unter die Lupe zu nehmen.71 Sein Antwortbrief zeugt davon, dass er diese Aufgabe ernst nahm. Neben den vielen Qualitäten nennt er auch körperliche Schwächen, wenn er betont, dass die Gesundheit der Prinzessin C ­ harlotte wegen ihres allzu schnellen Wachstums stets fragil gewesen sei, sich jedoch seit einigen Monaten festige.72 Auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spielte Gesundheit bei der Brautschau noch eine wichtige Rolle. John Röhl ist davon überzeugt, dass Kronprinzessin Victoria eine Ehe des späteren Kaisers Wilhelm II. mit seiner Cousine Ella von Hessen und bei Rhein verhinderte, weil hier die erbliche Über­ tragung der Bluterkrankheit zu befürchten war.73 Dass Prinz Wilhelm selbst an einer körperlichen Behinderung litt und seine charakterliche Entwicklung und Geistesvermögen den Eltern Sorgen bereitete, hat bei der Eheanbahnung keine erkennbare Rolle gespielt. Auch in allen anderen untersuchten Fällen erregten die individuellen Qualitäten der Braut bei weitem höhere Aufmerksamkeit als die des Bräutigams. Das ist ein weiterer Verweis auf das Verständnis von Töchtern als ein Tauschobjekt, dessen Wert sich in prüfbaren Kriterien bemaß. Sowohl die soliden Fortpflanzungsraten, die auf eine Beachtung demo­ graphischer Grundsätze hindeuten, als auch das Augenmerk für die Auswahl 69 »Meine Nichte erfreut sich bester Gesundheit und … wird gewiss zum Bevölkerungswachstum beitragen, wenn man ihrer Fruchtbarkeit engagiert zur Seite steht.« Friedrich  II. an Herzog Karl von Braunschweig, 5.8.1766, in: Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Bd. 25: 1766, Berlin 1899, S. 183. 70 Extrait de la conversation du roi de Prusse avec le conseiller privé de Larrey, zit. nach: Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Bd. 26: 1767, Berlin 1900, S. 360. 71 Maria Feodorowna an Graf Benckendorff, 14.2.1815, GARF 728-1-619. 72 Benckendorff an Maria Feodorwna, 3./15.3.1815, GARF 728-922-2. 73 Röhl, Wilhelm II., Bd. 1, S. 348–50.

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gesunder Bräute spricht dafür, dass die Hohenzollern systematisch für den Fortbestand der Familie arbeiteten. Die dynastischen Engpässe des 18.  Jahrhunderts wiederholten sich im 19. Jahrhundert nicht. Seit der Regierungszeit Friedrich Wilhelms II. war an standesgemäßem Nachwuchs kein Mangel. Dynastie und Staat standen, was ihre menschlichen Ressourcen anging, auf einem soliden Fundament. Die Steuerung der Heiraten war dazu ein wichtiges Mittel.

1.3 Heirat und territoriale Expansion In der populärwissenschaftlichen Literatur ist bisweilen davon die Rede, dass Länder oder Rechte einer Braut »als Mitgift mitgegeben« worden seien. »Hier ließen sich Schätze gewinnen und ohne Kosten-, Kauf- oder Kriegsaufwand Grafschaften, Herzogtümer und Königreiche arrondieren, ausweiten, verdoppeln«, heißt es etwa in einem Überblickswerk über die europäische Heiratspolitik.74 Tatsächlich stellte Besitz oder Ansprüche darauf ein weiteres wichtiges Kapital einer Braut dar, und die Vorstellung der Staatserweiterung durch Ehe ist in der Geschichte durchaus Wirklichkeit geworden. In der Regel standen ihr jedoch verschiedene Faktoren entgegen: Erstens haben die Ausführungen über die Hausgesetze gezeigt, dass die Barrieren gegen den Verlust von Besitz über verheiratete Töchter immer höher wurden. Gewiss gab es Ausnahmen, und auch die Hohenzollern sahen einige kleinere Besitztümer als »feudum masculo-femininum« vor. So wurde etwa das Fürstentum Mörs durch König Friedrich I. zum Erbe für Nachkommen beiderlei Geschlechts erklärt; gleiches galt unter seinem Nachfolger für die Stadt Stettin.75 Da jedoch nicht nur bei den Hohenzollern, sondern auch bei vielen anderen europäischen Dynastien Töchter bei der Heirat vom Erbe ausgeschlossen wurden, verringerte sich die Wahrscheinlichkeit, »ein Königreich als Mitgift« zu erwerben. Erben im größeren Stil konnten nur noch Töchter einer im Mannesstamm ausgestorbenen Dynastie; ihre Chancen wurden noch reduziert durch Erbverträge zwischen Dynastien. Zweitens waren ererbte Besitztümer und Rechte in der Regel keine Mitgift. Letztere bestand – wie im dritten Abschnitt des folgenden Kapitels noch aus­ geführt wird – in der überwiegenden Zahl der Fälle aus einer Geldsumme, während Titel und Besitz auf anderen Wegen von der Braut in die Ehe eingebracht wurden. Zwar konnte sich der Gatte eventuelle Titel seiner Frau gleich nach der Heirat im Vertrauen auf die eigene Machtfülle zulegen, doch dauerte es häufig Jahrzehnte bis diese Übertragung auch von höheren Instanzen, etwa dem Kaiser, und anderen Dynastien, die eventuell ebenfalls Erbansprüche geltend machten, anerkannt und damit dauerhaft gültig wurde. Aus den konkurrierenden Ansprüchen ergaben sich häufig nicht nur komplizierte Verhandlungen, 74 Lebe, S. 18. 75 Moser, Bd. 12,1, S. 855.

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sondern handfeste militärische Auseinandersetzungen, die gelegentlich europäisches Ausmaß erreichten. Dieser Aspekt wird in der Vorstellung vom »Königreich als Mitgift« nicht berücksichtigt. Drittens wurden bei der Heirat häufig nur mögliche Ansprüche auf späteres Erbe erworben. Erst der Erbfall, etwa nach dem Tod eines Vaters oder Bruders, leitete die tatsächliche Übertragung des Besitzes ein. Die Einlösung von Ansprüchen konnte nicht nur konfliktträchtig sein, sondern auch lange Zeit – zuweilen mehrere Jahrhunderte  – in Anspruch nehmen. Mancher angebliche Geniestreich der Heiratspolitik stellt sich beim näheren Hinsehen als ein geschicktes nachträgliches Agieren mit Rekurs auf eine Verbindung dar, deren spätere Folgen bei ihrem Eingehen unmöglich vorhergesehen werden konnten. Im Folgenden soll die Rolle von Erbansprüchen durch Heiraten in Preußens internationalen Beziehungen dargestellt werden; dabei wird es auch um die Frage gehen, wann und warum Ansprüche ihre Bedeutung verloren. Johannes Kunisch hat darauf hingewiesen, dass im 17. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts – als sich die pfälzische, spanische, polnische und österreichische Erbfolge zu europäischen Kriegen ausweiteten – die Fragen von Sukzession und Erbe von zentraler außenpolitischer Bedeutung waren: »Fast alle Kriegshändel in dieser Epoche haben eine gemeinsame Ursache: den Erbfall einer Dynastie.«76 Kunisch hat allerdings auch betont, dass weniger die Ansprüche als vielmehr das sich auf sie berufende Ruhm- und Expansionsstreben der Fürsten der Grund dafür gewesen sei, dass der Krieg in der Frühen Neuzeit zum Dauerzustand wurde. Ansprüche und ihre Einlösung waren die einzig legitime Form, territoriale Expansion zu realisieren. Daran anknüpfend hat auch Johannes Burkhardt die dynastischen Erbschaftsfragen als einen zentralen Faktor für die »Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit« identifiziert. Da Burkhardt den Krieg als Folge defizitärer Staatlichkeit in der Frühen Neuzeit interpretiert, deutet er die Sukzessionsproblematik als »eine der fatalsten Schwachstellen frühmoderner Staatlichkeit und ein[en] Destabilisierungsfaktor für den Frieden«.77 Die sich in Europa durchsetzenden männlichen Primogenitur- und Erbfolgeregelungen sorgten zwar bei vorhandenem männlichem Nachwuchs für klarere Verhältnisse, erweckten im Fall einer vakanten oder unsicheren Thronfolge jedoch umso sicherer die Begehrlichkeiten anderer Familien. Weil Ansprüche, Außenpolitik und Krieg so eng miteinander verbunden waren, kann es nicht erstaunen, dass die Kurfürsten von Brandenburg und Könige von Preußen, denen von Zeitgenossen und Historikern vor allem militärische Kompetenz attestiert wurde, auch auf dem Gebiet der Heiratspolitik aktiv waren. Der spektakulärste Erfolg der Hohenzollern auf diesem Gebiet war der sukzessive Erwerb des ehemaligen Deutschordenslandes Preußen und der am Rhein gelegenen Territorien Kleve, Mark und Ravenstein. Diese Doppel­ erbschaft ist in die europäischen Annalen eingegangen und vielfach a­ nalysiert 76 Kunisch, »La guerre c’est moi!«, S. 21; siehe auch Czempiel. 77 Burkhardt, Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit, S. 540.

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worden;78 eine ausführliche Darstellung ist, auch weil die Vorgänge in die Zeit um 1600 fallen und damit außerhalb unseres Untersuchungszeitraums liegen, hier nicht nötig. An drei zentrale Aspekte dieses Heiratscoups sei jedoch erinnert: Erstens ist bemerkenswert, dass bei diesem Erfolg die brandenburgischen und die fränkischen Linien zusammenwirkten. Am Anfang stand die Besetzung des vakanten Hochmeisteramtes im Ordensland Preußen durch einen fränkischen Hohenzollern; dieser Schritt war durch eine fränkisch-polnische Heirat – zwischen dem Markgrafen Friedrich dem Älteren und der polnischen Prinzessin Sophie – vorbereitet. 1511 wurde deren Sohn Albrecht zum Hochmeister gewählt, 1525 das Ordensland säkularisiert und Albrecht vom polnischen König mit dem so entstandenen Herzogtum Preußen belehnt. Aus dynas­tischer Perspektive war bedeutsam, dass mit dem Herzogtitel auch die Möglichkeit der Vererbung an die männlichen Nachkommen einherging. Damit waren die Grundlagen für eine dauerhafte Regierung des Hauses Hohenzollern in Preußen gelegt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war jedoch die fränkische Linie des Hauses mit männlichen Nachkommen nicht reich gesegnet, eine dynas­ tische Krise deutete sich an und ließ es ratsam erscheinen, die brandenburgische Linie in die Herrschaft über Preußen einzubeziehen. Der preußische Herzog Albrecht vermittelte eine Heirat zwischen dem brandenburgischen Kurfürsten Joachim  II. und der polnischen Königstochter Hedwig, die im Jahre 1535 geschlossen wurde. 1563 wurde eine Mitbelehnung des brandenburgischen Kurfürsten in Preußen erwirkt. Da der Sohn des preußischen Herzogs Albrecht, Albrecht Friedrich, an einer Geisteskrankheit litt, wurde ihm ein Verwandter zur Seite gestellt. Dieser Aufgabe kam ab 1577 der fränkische Markgraf Georg Friedrich nach. Nach dessen Tod im Jahre 1603 (der auch das Ende der fränkischen Linie bedeutete) diente der brandenburgische Kurfürst Joachim Friedrich als Vormund für »unsers freindtlichenn liebenn Vettern deß iezigenn Blödenn Herzogenn Albrechtt Friedrichenn«.79 Zweitens ist deutlich, dass im Fall der preußischen Erbangelegenheit Heiratspolitik von vornherein strategisch eingesetzt wurde und nicht Heiraten erst im Nachhinein geschickt genutzt wurden. Dass hier etwas zu erben war, lag auf der Hand: Herzog Albrecht Friedrich war zwar nicht regierungs-, aber durchaus zeugungsfähig. Er hatte mit seiner Gattin Marie Leonore, über die noch zu sprechen sein wird, sieben Kinder, von denen die zwei Söhne früh verstarben. Die verbleibenden Töchter waren daher in der Reihenfolge ihrer Geburt die Erbinnen des Herzogtums Preußen. Der brandenburgische Kurfürst Johann ­Georg erkannte die Chance und bewerkstelligte eine doppelte Verbindung. Im Jahr 1594 verheiratete er, wobei er Konkurrenten wie den polnischen König aus dem 78 Zur Einführung: Neugebauer, Bd. 1, S. 111–130; Hintze, S. 150–165; Heinrich, S. 59–78; Lebe, S. 165–182; Schulze, Hausverfassung, S. 41–45; für Einzelaspekte s. Jürgensmeier; Vollmer. 79 Der Geraische Hausvertrag, Onolzbach den 11. Juni 1603, zit. nach: Schulze, Hausverfassung, S. 182.

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Feld schlug, seinen Enkel Johann Sigismund mit der präsumptiven Erbtochter Anna. Johann Georgs Sohn Joachim Friedrich ehelichte 1603 Annas jüngere Schwester Eleonore. So wurde der Anspruch aufs Erbe nicht nur doppelt befestigt, sondern auch der Kurfürst zum Schwager seines eigenen Sohnes. Die Heirat zwischen Johann Sigismund und Anna von Preußen war jedoch nicht nur wegen der Ansprüche auf das Herzogtum Preußen von Interesse. Anna war der Inbegriff einer Erbtochter, weil sie auch noch Ansprüche auf ein großes mütterliches Erbe hatte. Ihre Mutter Marie Leonore war die Tochter des Herzogs Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg. Zwar hatte sie einen älteren Bruder, doch dieser war – wie ihr Gatte – von schwacher geistiger Gesundheit und überdies kinderlos, so dass die Chancen auf ein Erbe Marie Leonores gut standen. Mit Anna von Preußen hatte sich die brandenburgische Linie der Hohenzollern also eine überaus interessante Partie gesichert. Drittens illustriert der Fall, dass mit dem Gang der Erbprinzessin zum Traualtar zwar ein wichtiger Schritt vollzogen war, dass das Heiraten allein jedoch noch keine neuen Territorien und Rechte bringen konnte. Der Erwerb Preußens, insbesondere jedoch der Erwerb des Jülich-Klevischen Erbes bedurfte weiterer, lang andauernder Anstrengungen. Als 1618 der regierungsunfähige Albrecht Friedrich starb, sukzedierte, wie von langer Hand geplant, ein branden­ burgischer Hohenzoller, Albrechts Schwiegersohn Johann Sigismund. Dessen Enkel, dem Großen Kurfürst, gelang es im Jahr 1657, die Herrschaft über Preußen weiter zu festigen; der polnische König erkannte ihn als souveränen Herrscher an. Das wiederum war die Voraussetzung für den Erwerb der preußischen Königskrone im Jahre 1701. Die Heiraten hatten also Ansprüche geschaffen, die allerdings durch politisches Handeln, durch Diplomatie und Krieg, weiter gefestigt werden mussten. Auf die Notwendigkeit der Durchsetzung von Ansprüchen verweist Monique Valtat, wenn sie schreibt, dass die Könige und Thronfolger sich zwar stets aus politischen Gründen verheirateten, dass aber kein Heiratsvertrag je zur Eingliederung eines Territoriums in den Herrschaftsbereich der französischen Krone geführt habe.80 Das Zusammenwirken verschiedener außenpolitischer Instrumente erwies sich auch für den Erwerb von Annas mütterlichem Erbe als notwendig. Der Erbfall trat im Jahre 1609 ein, als Annas Onkel kinderlos starb. Die Territorien Jülich, Kleve und Berg sollten nach preußischer und brandenburgischer Auf­fassung nun an die Hohenzollern fallen. Doch neben der Hohenzollernfamilie meldeten auch andere Dynastien Ansprüche an. Der sächsische Kurfürst war ein aussichtsreicher Kandidat, ebenso Pfalzgraf Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg, die beide verwandtschaftliche Verbindungen aufweisen konnten; mit weniger Aussicht auf Erfolg prätendierten auch der Herzog von PfalzZwei­brücken, der Herzog von Bouillon sowie einige andere Kandidaten. Brandenburger und Pfälzer wollten die Sache rasch entschieden sehen und ergriffen Besitz von den herrenlosen Gebieten. Der Kaiser drohte mit militärischer Inter80 Valtat, S. 70.

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vention. Um die anderen Kandidaten zu entmutigen, fanden der Kurfürst und der Pfalzgraf im Xantener Vertrag von 1614 eine zumindest provisorische Einigung. Ersterer erhielt Kleve, Mark und Ravensberg, letzterer Jülich und Berg. Bevor aus dieser vorläufigen Einigung eine endgültige wurde, verging allerdings noch ein bewegtes halbes Jahrhundert, in dem Brandenburg an vielen Fronten um seine Ansprüche kämpfen musste. Selbst an diesem Glücksfall dynastischer Politik, der den Flächenbesitz der brandenburgischen Kurfürsten von ca. 40.000 auf ca. 80.000 Quadratkilometer verdoppelte, zeigt sich deutlich, dass der Erwerb von Land ein langwieriges und aufwändiges Geschäft und Heiratspolitik nur ein Bauteil in einem kom­plexen Gesamtmechanismus war. Durch Heiraten wurden zwar Ansprüche erworben, aber diese ohne diplomatische und militärische Mittel durchzusetzen, war angesichts der scharfen Konkurrenz zwischen den europäischen Fürstenstaaten unmöglich. So brachte der Westfälische Friede Brandenburg weitere Gebiets­ gewinne, die nicht nur auf der im Krieg behaupteten Position, sondern auch auf Erbansprüchen beruhten. Der Erwerb von Teilen Pommerns berief sich auf den Erbfolgevertrag von Grimnitz aus dem Jahr 1529, den Pommern und Brandenburg in einer Situation der Bedrängung geschlossen hatten. Wegen der anhaltenden Bedeutung von Ansprüchen für die Politik entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine eigene Fachliteratur, welche die Frage der Ansprüche verwissenschaftlichte. Derartige Kompilationen waren für den Fürsten und seine Berater, die über die Ansprüche des eigenen Hauses ein weitergehendes Expertenwissen auf der Grundlage der Archive haben mussten, zwar nur eine zusätzliche Informationsquelle; sie konnten jedoch wegen ihrer breiten Perspektive auf die dynastische Landschaft in ganz Europa nützlich sein. Darüber hinaus öffneten sie das Wissensgebiet für breitere gebildete Kreise. Das bekannteste dieser Werke war das dem preußischen Geheimrat von Ilgen gewidmete »Theatrum historicum praetensionum et controversarium illustrium in Europa« von Christoph Hermann Schweder.81 Hier wurde an die genealogische Literatur angeknüpft, diese jedoch erstens im gesamteuropäischen Überblick dargestellt und zweitens um die aus den genea­ logischen Zusammenhängen resultierenden Rechtsfragen und -konflikte erweitert. Schweder begab sich mit diesem Text auf eine Gratwanderung, da er sich Kompetenzen des Arcanums und sogar eine eigene Meinung anmaßte. Der Anspruch, mithilfe einer aus »Historia«, »Geographia«, »Jurisprudentia« und »­Genealogia« zusammengesetzten Wissenschaft aus »Fürsten im Krieg« »Fürsten in Eintracht« zu machen, war auf dem Titelkupfer des Nachschlagewerkes dargestellt; in der Einleitung betont Schweder jedoch, dass in vielen Fällen die Rechtslage so uneindeutig sei, dass nur ein Krieg den Streit entscheiden könne.82

81 Schweder; weitere Beispiele für praetensiones-Literatur: Müller, Königlich-spanischer Vermählungs-Saal; Zenner u. Altenberg; Zschackwiz; Desing; Lünig; Schowart. 82 Zu Schweder s. Kunisch, Der Nordische Krieg, S. 45 f.

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Entsprechend der Widmung an einen in den Diensten der Hohenzollern stehenden Geheimrat wird den brandenburgisch-preußischen Ansprüchen im »Theatrum historicum« eine große Bedeutung beigemessen. Das Werk erschien im Jahr 1712, und so kann es nicht verwundern, dass diejenige Erbangelegenheit, die im frühen 18. Jahrhundert nicht nur Preußen ganz unmittelbar betraf, sondern auch ganz Europa beschäftigte, hier als erstes und am ausführlichsten behandelt wird: die Frage des oranischen Erbes. Am Anfang dieser Erbangelegenheit stand die Ehe des Großen Kurfürsten mit der Oranierin Luise ­Henriette im Jahr 1646. Diese Ehe barg neben Chancen auf ein politisches Bündnis, das im vierten Teil noch zum Thema wird, durchaus auch Hoffnungen auf territorialen Gewinn. Dass Luise Henriettes Vater nur einen männlichen Nachkommen und dieser noch keine Erben hatte, ließ Luises Wert auf dem Heiratsmarkt steigen. Zudem hatte der Brautvater ein Testament aufgesetzt, das seine Töchter für erbberechtigt erklärte, falls sein einziger Sohn ohne Nachfolger sterben sollte. Luise Henriette stand entsprechend dieser Festlegungen in der oranischen Thronfolge an zweiter Stelle; das war angesichts der hohen Krankheitsund Todesrisiken der Zeit eine aussichtsreiche Position. 1650, drei Jahre nach der Eheschließung, sah es auch für kurze Zeit so aus, als würde der Erbfall zugunsten Brandenburgs schneller als gedacht eintreten. Luises Bruder Wilhelm starb kinderlos. Doch seine Witwe war hochschwanger. Acht Tage nach seinem Tod wurde sie von einem Sohn entbunden und beendete die Thronfolgekrise. Aus dem Stammhalter des Hauses Oranien wurde einer der einflussreichsten Herrscher der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts: der Erbstatthalter der Nieder­ lande und englische König Wilhelm III. Als Dynast war Wilhelm hin­gegen wenig erfolgreich. Er starb 1702 kinderlos; so wurde sowohl in den Niederlanden als auch in England eine Regelung der Thronfolge nötig. In Preußen, gerade Königreich geworden, erweckte der Tod Wilhelms  III. die Hoffnungen, die seine Geburt zunächst zerstreut hatte, zu neuem Leben. König Friedrich I., der Cousin Wilhelms III., sah den Nutzen der oranischen Gebiete in unmittelbarer Nachbarschaft von Cleve und sich als rechtmäßigen Haupterben, wobei er sich auf das Testament von Luises Vater ebenso stützte wie auf ein älteres Vermächtnis des Renatus von Oranien, der explizit eine Teilung des Familienbesitzes verboten hatte. Die Erinnerung an diese lange zurückliegenden Rechtsakte war vor allem deshalb von Bedeutung, weil sich mehrere andere Interessenten für das oranische Erbe anmeldeten. Dazu gehörten naturgemäß andere Linien des Hauses Oranien, vor allem die Linie NassauDietz, die Wilhelm III. zu seinen Erben eingesetzt hatte. Auch hier prallten also unterschiedliche Ansprüche aufeinander, auch hier erwiesen sich schließlich Diplomatie und Krieg als die einzigen Mittel, um zum Ausgleich der Interessen zu kommen. Den Anspruch auf Mörs, Lingen und das Fürstentum Neuenburg löste Friedrich I. durch sofortige Besetzung ein. Der Erbfolgestreit wurde überlagert durch zwei miteinander verschränkte Konflikte europäischen Ausmaßes: den Spanischen Erbfolgekrieg, an dem Preußen beteiligt war, und den Großen Nor­ 62 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

dischen Krieg. Im Friedensvertrag von Utrecht, der den Spanischen Erbfolgekrieg beendete, wurde auch die Frage des oranischen Erbes behandelt. Der preußische König trug von nun ab den Titel des Fürsten von Neuenburg und durfte die Festung Geldern behalten, die einst Friedrich Wilhelm  I. erobert hatte. Frankreich erhielt hingegen das Fürstentum Orange und die burgundischen Besitzungen der Oranier; die Linie Nassau-Dietz wurde dafür entschädigt. Zur endgültigen Regelung der Erbstreitigkeit mit der Linie Nassau-Dietz kam es allerdings erst 1732. Preußen erhielt die Erbgüter Herstall, Montfort und Turnhout, welche aber später wieder veräußert wurden. Die Ergebnisse der langen Konflikte um die oranische Erbschaft waren also eher bescheiden; der Fall ist dennoch geeignet, die Rolle von Heiraten beim Landerwerb zu illustrieren. Angeheiratete Frauen aus anderen Familien brachten Ansprüche mit. Diese eröffneten politische Optionen, die jedoch machtpolitisch einzulösen sowie völkerrechtlich abzusichern waren. Mit den Konflikten um das oranische Erbe war das Zeitalter der »praeten­ siones« noch lange nicht vorbei, auch nicht für Preußen. In den drei Schlesischen Kriegen, die Preußen endgültig zur europäischen Mittelmacht machten, ging es um ein Territorium, auf das die Hohenzollern im 16. Jahrhundert Ansprüche erworben hatten. Darüber hinaus hatte das Problem der weiblichen Thronfolge in Österreich, welches die Habsburger mit der Pragmatischen Sanktion zu lösen versucht hatten, den Anlass für den Angriff auf Schlesien ge­boten. Nun kann es keinen Zweifel daran geben, dass Friedrich II. aus purem Expan­ sionsstreben den Feldzug gegen die Habsburger begann. Gleichwohl hielt er sich insofern an die außenpolitischen Gebräuche des 18.  Jahrhunderts, als er seine Eroberungen durch Erbrecht zu legitimieren suchte. Das galt auch für die vielfach und zu recht angeprangerte Teilung Polens, die in erbrechtlicher Hinsicht als eine Fortsetzung des Kampfes um das den brandenburgischen Kur­ fürsten zugesicherte Erbe des Pommernherzogs Bogislaw XIV. dargestellt werden konnte. Das Bild von der Außenpolitik des 18. Jahrhunderts wäre gewiss zu ein­seitig, wenn man ausschließlich die militärisch ausgetragenen Konflikte zwischen expansionistischen Familienclans berücksichtigte. Insbesondere Heinz Duchhardt hat darauf hingewiesen, dass sich im 18. Jahrhundert bereits alternative Vorstellungen und Praktiken von internationaler Politik manifestierten. Propagiert durch große Denker von Abbé Saint-Pierre bis hin zu Immanuel Kant begannen sich das Ideal des Friedens und konkrete Vorschläge zu seiner Wahrung, etwa durch diplomatische Kongresse, Konferenzen und andere internationale Institutionen, zu verbreiten.83 Deren friedensstiftende Wirkung war allerdings begrenzt. Die Fürsten bedienten sich ihrer vor allem dann, wenn sie – wegen Erschöpfung der Ressourcen für den Krieg oder anderer Gründe – ohnehin zum Frieden geneigt oder gezwungen waren. Auch dynastische Konflikte, bei denen die Ansprüche verschiedener Häuser gegeneinander standen, konn83 Duchhardt, Friedenswahrung im 18. Jahrhundert; ders., Gleichgewicht der Kräfte.

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ten bisweilen mit diplomatischen oder völkerrechtlichen Mitteln gelöst werden. Ein Beispiel hierfür ist der 1788 erfolgte Heimfall des fränkischen Erbes an die brandenburgischen Hohenzollern. Die brandenburgische und die fränkischen Linien des Hauses Hohenzollern hatten nie das Bewußtsein dafür verloren, dass sie zum gleichen Haus gehörten. Um 1700 wurden Maßnahmen ergriffen, um die Linien noch enger miteinander zu verbinden. Ein entscheidender Schritt war der Abschluss eines »Pactum gentilicium« im Jahre 1695, welches das Verhältnis der drei Linien zueinander näher bestimmte. Insbesondere wurde festgelegt, dass beim Aussterben einer Linie des Hauses Hohenzollern die verbleibenden deren Erbe und Sukzession an­ treten sollten. Diese vertragliche Regelung wurde durch Heiraten besiegelt: Am 30.  März 1703 heiratete Prinzessin Elisabeth Sophie, Tochter aus der zweiten Ehe des Großen Kurfürsten, Christian Ernst von Bayreuth; Friederike, Tochter König Friedrich Wilhelms I., wurde 1729 mit Karl von Ansbach vermählt, ihre Schwester Wilhelmine zwei Jahre später mit Friedrich Erbprinz von Bayreuth. In der Spätphase der Regierungszeit Friedrichs  II. wurde schließlich die völkerrechtliche Absicherung der brandenburgischen Sukzession in Franken erreicht. Der Friedensvertrag von Teschen, der im Jahr 1779 den bayerischen Erb­folgekrieg beendete, enthielt auch die Zusicherung, dass Österreich die Vereinigung des fränkischen und brandenburgischen Familienbesitzes in der Hand der preußischen Krone nicht vereiteln würde. Die russische Zarin fungierte als Garantin des Vertrages. Diese völkerrechtlichen Regelungen verhinderten, dass es zu weiteren Konflikten kam, als 1791 der letzte Markgraf von Ansbach, Karl Alexander, abdankte. Der mit friedlichen Mitteln erreichte Erbfall war eine der letzten Erweiterungen des preußischen Territoriums auf der Grundlage dynastischer Ansprüche. Das Zusammenwirken von Diplomatie, Verwandtschaft und Krieg, das die Politik des 18. Jahrhunderts geprägt hatte, wurde durch die Epoche der Franzö­ sischen Revolution und Napoleons beendet. Drei Gründe für diese Entwicklung sind zu nennen: Erstens war der Prozess der fortschreitenden Verregelung und Verstaatlichung dynastischen Besitzes für das Ende des Anspruchsdenkens von Bedeutung. Die die Außenpolitik lange Zeit prägende dynastische Dimension kollidierte mit der diskursiven und schließlich auch konstitutionellen Trennung von »öffentlichem« Staatsgebiet und »privatem« Besitz der Dynastie. Eine Vererbung von Territorien war von dem Moment an nicht mehr möglich, als diese als Staatsgebiet und damit als öffentlicher Besitz definiert waren. Zweitens spielten die Veränderungen des europäischen Systems in der Ära der Revolutionskriege für das Ende des Anspruchsdenkens und damit der Erbfolgekriege eine entscheidende Rolle. Paul Schroeder hat eine Reihe von Elementen genannt, welche die europäische Außenpolitik in der ersten Hälfte des 19.  Jahrhunderts prägten. Als ausschlaggebend für die Stabilität des Friedens nach 1815 erachtet er die geteilte Hegemonie zwischen Großbritannien und Russland, die durch völkerrechtliche Verträge und einen verbesserten diplomatischen Verkehr gesicherte Friedensordnung, vor allem aber eine gewandelte 64 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Mentalität, welche nach den Erfahrungen einer Epoche verheerender Kriege stärker nach Mechanismen des Ausgleichs suchte. Der Verzicht auf dynastische Begründungen für außenpolitische Ansprüche war laut Schroeder ein Teil dieses Mentalitätswandels: »Dynastic marriages, once the essence of international politics, now became only an ornament to it.«84 Im Kontext des neuen Denkens in der europäischen Außenpolitik scheinen völkerrechtliche, ethisch-politische und nationale Begründungen für politische Interessen die älteren dynastischen verdrängt zu haben. Drittens war für das Verschwinden des Anspruchsdenkens sicher nicht nur das Trauma der Revolutionskriege, sondern gleichermaßen der Erfolg der napoleonischen Politik verantwortlich. Mit dem revolutionären und napoleonischen Frankreich trat eine Macht auf, die sich auf Erbansprüche weder berufen konnte noch wollte. Ironischerweise agierte die Grande Nation, die sich auf Freiheitsund anfangs auch Friedensideale berief, jedoch  – ganz anders als es die Friedenstheoretiker der Aufklärung prophezeit hatten – als Kriegsmacht. Ansprüche auf Eroberungen wurden anfangs mit universellen, unter Napoleon dann mit imperialen Prinzipien begründet. Es liegt nahe, dass die anderen Mächte aus dieser Lektion lernten. Angesichts der stupenden Erfolge der napoleo­ nischen Außenpolitik, die sich zwar dynastischer Mittel intensiv bediente, jedoch nicht mit »Ansprüchen« argumentieren konnte, legten auch die anderen Staaten das Denken in Familienansprüchen ab und richteten die Außenpolitik, sei sie friedlich, sei sie kriegerisch, an Bedürfnissen aus, die der dynastischen Begründung nicht mehr bedurften.85 »Erbfolgekriege, welche die zwischenstaatliche Politik der Frühen Neuzeit geprägt hatten, fanden nicht mehr statt«, folgert Johannes Paulmann, der gleichwohl einräumt, dass es »Reste territorialdynastischen Denkens mit politischen Auswirkungen gab«.86 Auch ein Blick auf die Geschichte der preußischen Außenpolitik spricht für ein rasches und vollständiges Ende der Anspruchspolitik nach 1815. Zwar wurde Preußen auf dem Wiener Kongress ein großer Teil  seiner bis zu den Revolutionskriegen erworbenen Territorien erstattet und damit die Idee her­ gebrachter Rechte anerkannt, doch die Erwerbspolitik des werdenden Hegemonialstaates nahm von dieser Zeit an wenig Rücksicht auf Ansprüche, die aus der Vergangenheit herrührten. Das zeigt sich am deutlich­sten in der Zeit der Einigungskriege. Schon 1848 hatte sich die Schleswig-Holstein-Frage gestellt und zu kriegerischen Auseinandersetzungen geführt. Der Konflikt war damals, obwohl beide Seiten nationalistische Töne anschlugen, im Kern ein dynastischer. Wer hatte die rechtmäßigen Ansprüche auf Schleswig, der dänische König oder die Augustenburgische Linie des Hauses Oldenburg? Experten für das Fürstenprivatrecht begründeten die Ansprüche beider Konfliktparteien. Preußen griff im Namen des Deutschen Bundes militärisch ein. Im Jahr 1866, als die Frage 84 Schroeder, S. 575–582, Zitat S. 579. 85 Thamer. 86 Paulmann, Pomp und Politik, S. 92.

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Schleswigs erneut virulent wurde, beendete Preußen das Ringen durch die Annexion. Hier wurde also eine Konfliktsituation anderer Dynastien genutzt, um eigene Interessen durchzusetzen.87 Die Dynastie der Augustenburger beharrte, auch wenn sie keine Chancen hatte, auf ihrem Recht auf die Herrschaft. Erst der Tod des Herzogs Friedrich  VIII. milderte die außenpolitischen Spannungen. Im selben Jahr wurde Hannover sowie Teile Hessens und Nassaus annerktiert. Auch in diesen Fällen richtete sich die Annexionspolitik Preußens auf Territorien, mit denen seit Generationen enge Verwandtschaftsverhältnisse und zum Teil Erbverträge bestanden; doch war kein Erbfall eingetreten, der eine Übernahme gerechtfertigt hätte. So ist der Befund, dass vom 18. zum 19. Jahrhundert ein Wandel des außenpolitischen Systems stattgefunden hatte, am Beispiel der Hohenzollern plausibel nachzuweisen. Erbfragen verloren seit den Revolutionskriegen ihre Bedeutung für die internationale Politik. Damit entfiel das doppelte Anliegen von Fürstenheiraten, familiären Besitz gegen Zugriff von außen zu sichern und gleichzeitig Ansprüche auf die Güter anderer Familien zu erwerben. Der strukturelle Beitrag von Ehen zum dynastischen Staat reduzierte sich damit auf das Liefern von legitimem Nachwuchs für das höchste Staatsamt. Dies ist –  neben den schon genannten haus- und staatsrechtlichen Aspekten –  ein weiterer Beleg dafür, dass sich Dynastie und Staat in den Transformationen von der frühen zur späten Neuzeit voneinander zu lösen begannen. Die Erwartung eines Abbé Saint-­ Pierre allerdings, der glaubte, durch den Verzicht der Fürstenhäuser auf erbliche Ansprüche einen ewigen Frieden begründen zu können, ging dennoch nicht in Erfüllung. Eher traf das Gegenteil zu: Im 19. Jahrhundert musste ein Fürst, um sich mit Waffengewalt ein Territorium einzuverleiben, noch nicht einmal einen Erbanspruch vorweisen.

87 Hagelstein.

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2. Eine gute Partie: Regeln der Partnerwahl

Nur wenige Quellen illustrieren die Komplexität einer Heiratsentscheidung im Haus Hohenzollern in so anschaulicher Weise wie das Mémoire der Eltern des Prinzen Wilhelm (II.) anlässlich der Heirat ihres Sohnes.1 Das Schreiben diente dem Zweck, den Chef des Hauses, also Kaiser Wilhelm I., von der von den Eltern präferierten Prinzessin zu überzeugen. »Unser Sohn Wilhelm«, so leiteten Friedrich und Victoria ihre im April 1879 niedergeschriebenen Ausführungen ein, »hat uns im engsten Vertrauen gestanden, daß die älteste Tochter des Herzogs Friedrich von Schleswig-Holstein, Auguste Viktoria, einen so tiefen Eindruck auf ihn gemacht habe, daß er den dringenden Wunsch habe, erfahren zu können, ob eine Annäherung möglich sei … Von unserem elterlichen Standpunkt aus haben wir ihm erwidert, daß wir grundsätzlich unseren Kindern freie Wahl nach Herzens-Neigung behufs Gründung ihres Hausstandes lassen wollten.« In ihrer Denkschrift sprechen die Eltern sechs grundlegende Kriterien der Partnerwahl an. Erstens thematisieren sie das Recht der Brautleute auf freie Gattenwahl, das in der christlichen und weltlichen Ehelehre fest verankert war und sich in der Realität dennoch selten gegenüber der elterlichen Autorität durchsetzen konnte. Die Ehefreiheit biete dem zu verheiratenden Sohn die Möglichkeit, seiner »Herzens-Neigung« zu folgen. Zweitens thematisieren die Eltern Wilhelms das Problem der adelsrechtlichen Stellung der Braut. Anlass zur Sorge boten verbreitete Zweifel an der Ebenbürtigkeit der Nachkommenschaft des Herzogs von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg wegen seiner Ehe mit einer Gräfin Danesscjold-Samsöe: »Wenn nun auch viele Rechtsgelehrte und Sachverständige die Grundlosigkeit dieser Zweifel aus dem PrivatFürsten-Recht nachwiesen, … so wäre es im Hinblick auf die Stellung unseres ältesten Sohnes zur deutschen und zur preußischen Krone durchaus erforderlich, mit peinlichster Gewissenhaftigkeit jegliche Bedenken erwähnter Art zu beseitigen, ehe an eine Familienverbindung gedacht werden kann.« Ehepartner von Mitgliedern der preußischen Königsfamilie mussten aus einem ebenbürtigen, das heißt in der Regel einem regierenden Haus stammen. Innerhalb des durch dieses Kriterium gebildeten erlesenen Zirkels gab es Rangunterschiede. Wilhelms Eltern betonen daher zur Legitimierung der von ihnen präferierten Braut, die »nur« Tochter eines Herzogs war, dass bei »Betrachtung

1 Mémoire des Kronprinzenpaares vom 30.4.1879, GStA PK, BPH, Rep. 53, N I, Nr.  1a, Bl. 9–24; daraus stammen auch die folgenden Zitate.

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der denkbaren Partien für unseren Sohn … bemerkt werden [muss], daß solche aus königlichen Häusern nicht zu Gebote stehen«. Drittens kommen die familienplanenden Eltern auf politische Gründe zu sprechen: »Eine andere Schwierigkeit, welche zu verzeichnen ist, besteht in der Haltung des Vaters der jungen Prinzessin seit der Einverleibung von SchleswigHolstein, da er auf seinem Rechte und Anspruche auf jene Herzogtümer nicht verzichtete, mithin dem preußischen Hofe gegenüber eigentlich wie ein Prätendent dasteht, so daß sein Erscheinen an demselben mit großen Verlegenheiten verbunden ist.« Ähnlich äußern sich die Eltern über »die Tochter des Herzogs von Nassau, Hilda, welche von ihrem Vater nimmer hergegeben werden würde, da er die Feindschaft mit uns sehr scharf und schroff betont«. Bei der Vermählung Wilhelms ermöglichte erst der Tod des Brautvaters den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen; die Heirat konnte schließlich als eine Versöhnung zwischen Hohenzollern und Holstein-Glücksburg nach den Konflikten um die Annexion Schleswig-Holsteins angesehen werden. Viertens spielt das Heiratsalter in den Überlegungen eine Rolle: »Um auf die Frage der Eheschließung selbst überzugehen, so läßt der Umstand, daß unser Sohn erst im Januar zwanzig Jahr alt war, es dringend wünschenswerth erachten, daß noch ein paar Jahre verstreichen, ehe er sich vermählt.« Andererseits führten die Eltern das Argument an, dass, nachdem von vier Söhnen bereits zwei verstorben waren, es »im Interesse unserer Dynastie geboten« erscheine, den Erstgeborenen so bald wie möglich zu verehelichen. Für frühes Heiraten sprach der Wunsch nach zahlreicher Nachkommenschaft und der Umstand, dass sich politische Konstellationen schnell ändern und damit die Konjunktur für eine bestimmte Ehe rasch zu Ende sein konnte, für ein »nicht gar zu zartes Alter« die persönliche Reife für den Ehestand und bei den Bräuten die seelischen Folgen einer allzu frühen Trennung von der Herkunftsfamilie. Als fünftes Kriterium wird die Konfession diskutiert. Mischehen waren möglich, aber in der Praxis des Hauses sehr selten.2 Bei der Revue von nicht weniger als achtzehn Konkurrentinnen der zukünftigen preußischen Kaiserin Auguste Viktoria werden sechstens und letztens charakterliche und körperliche Eigenschaften ins Feld geführt. Genannt wird etwa »die Tochter des verstorbenen Herzogs Georg von Mecklenburg-Strelitz, welche kränklich, nicht hübsch und vollständig russisch sein soll«, oder »die Tochter des Prinzen Adolf von Schwarzburg Rudolstadt (Schwester der Großherzogin von Schwerin), Prinzessin Thekla, welche beschränkt sein und sehr unvortheilhaft aussehen soll«, sowie »die beiden jüngsten Töchter der Fürsten von Waldeck, welche wenig ­Aeußeres haben, und einer Familie angehören, in der die Schwindsucht herrschen soll«. Dass körperliche und geistige Gesundheit für die Mutter zukünftiger Generationen des Hauses eine entscheidende Rolle spielte, ist bereits betont worden. Schönheit, gute Manieren und Bildung waren für die Familie ebenso 2 Siehe dazu Kapitel 3.2.

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wichtig, denn das neue Familienmitglied musste den Anforderungen des höfischen Lebens gewachsen sein. Die Eltern Wilhelms kamen nach dieser umfassenden Revue möglicher Partien zu dem Schluss, die Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein trete »als eine schöne, graziöse liebenswürdige Erscheinung hervor, von vorzüglichen Eigenschaften des Geistes und Charakters, von braven, rechtschaffenen Eltern sorgfältig erzogen«, sei also die ideale Gattin für den Prinzen. Bekanntlich überzeugte das Plädoyer; die Heirat zwischen dem preußischen Prinzen Wilhelm und Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein fand am 27.  Februar 1881 in Berlin statt. Das Mémoire der Eltern Wilhelms zeigt einige der zentralen Charakteri­stika der Heiratsentscheidung. Es nennt nicht nur unterschiedliche Kriterien der Partnerwahl, die gegeneinander abgewogen werden mussten; es wird auch ein Kreis von Personen sichtbar, der unmittelbar an der Eheentscheidung beteiligt war. Die Fäden bei der Eheanbahnung zogen im vorgestellten Fall offenbar die Eltern des prospektiven Bräutigams. Andere Quellen zeigen, dass insbesondere dessen Mutter, Kronprinzessin Victoria, für die Verheiratung ihres Sohnes eine aktive Rolle spielte und der prospektive Bräutigam Wilhelm in der Denkschrift als wesentlich einflussreicher dargestellt wird, als er tatsächlich war. Das letzte Wort hatte der Chef des Hauses, Kaiser Wilhelm I. Neben den Familienmitgliedern wurden Experten für standesrechtliche Fragen beratend hinzugezogen. Der tatsächliche Personenkreis, der zur Entscheidung beitrug, war allerdings deutlich größer als aus der Quelle ersichtlich ist. Mitglieder der holsteinischen Familie spielten eine wichtige Rolle. Regierungsmitglieder und höfische Beamte beider Seiten, unter ihnen auch der Reichskanzler Bismarck, wurden nach ihrer Meinung gefragt. Weiterhin wird aus dem Mémoire deutlich, dass bei der Heirats­entscheidung nicht nur die Hausgesetze, sondern darüber hinaus verschiedene andere Regel­ systeme zu berücksichtigen waren. Dazu gehörten die kanonischen und staatlichen Ehenormen ebenso wie die bereits eingeführte Gattung des Privatfürstenrechts. Das folgende Kapitel widmet sich der Heirat zunächst als einem komplexen Entscheidungsprozess, der nicht nur den im engeren Sinne politischen Strategien unterlag. Im Mittelpunkt des Interesses steht im ersten Abschnitt das spannungsreiche Verhältnis zwischen der Autorität des Familien­ oberhauptes und dem freien Konsens der Heiratskandidaten.3 Im selben Abschnitt wird mit der »Herzens-Neigung« auch das Ehemotiv angesprochen, das die ­Eltern des Prinzen Wilhelm als erstes genannt hatten. Ziel ist es, die Vorstellung eines Gegensatzes zwischen  – durch das Familienoberhaupt erzwungenem  – strategischem Kalkül und »Liebe« der Brautleute zu hinterfragen. In den folgenden Kapiteln werden weitere zentrale Motive und Regel­systeme einer Fürstenheirat analysiert: Im Kapitel 2.2 werden Normen und Praxis der 3 Die Rollen anderer Akteure aus Familie, Hof oder diplomatischem Apparat werden im weiteren Verlauf der Arbeit untersucht; vor allem im Kapitel 3.3 sowie im Teil 4.

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Ebenbürtigkeit im Haus Hohenzollern in den Blick genommen. Das Kapitel 2.3 analysiert die Praxis des Ehegüterrechts bei den Hohenzollern. In allen drei Kapiteln dieses Teils wird es darum gehen, das den Entscheidungsprozess prägende Verhältnis von familiären Normen und Interessen sowie dessen Transformation vom 17. bis zum 20. Jahrhundert zu analysieren.

2.1 Pflicht und Neigung Die Vorstellung, dass ein Mensch frei in der Wahl seines Ehepartners und der beiderseitige Konsens der Eheleute essentielle Voraussetzung der Heirats­ entscheidung sei, ist im europäischen Rechtsempfinden seit der Antike verankert. Auch die auf dem Konzil von Trient fixierte katholische Ehelehre legt besonderes Gewicht auf den Konsens der Eheleute;4 in der protestantischen Welt galt dieser Grundsatz ebenfalls, es wurde jedoch ein größerer Akzent auf die Ausbalancierung desselben mit der elterlichen, insbesondere väterlichen Autorität gelegt. Entsprechend wurde von den Autoren des Privatfürstenrechts Entscheidungsfreiheit in Ehedingen als göttliches und natürliches Recht an­gesehen. So argumentiert etwa Myler von Ehrenbach in seiner 1664 veröffentlichten »Gamologia«: »In matrimonio enim contrahendo summa libertas, et consensus liberrimus esse debet.«5 Gleichwohl räumt er ein, dass im Fall von Mitgliedern regierender Häuser der Nutzen – er nennt Erbchancen und Bündnismöglichkeiten – über der Neigung steht. Er untermauert diese Auffassung mit einem Zitat des schottischen Schriftstellers John Barclay: Dieser habe betont, dass es den Privatleuten vorbehalten sei, Heiraten aus Freundschaft (»ex amicitiae affectu«) zu schließen. Ein König hingegen sei dazu gezwungen, seine Ehe nach politischen Notwendigkeiten auszurichten. Als der Liebste erscheine – so ­Barclay  – stets derjenige, der durch besondere Nützlichkeit die Macht stützt, und jene Verbindungen werden am sichersten Zustimmung finden, die irgendwelche Reiche befestigen.6 Aus der hohen Stellung der Königsfamilien begründet Myler Einschränkungen der Partnerwahl und auch die Notwendigkeit zur Anerkennung von Autoritäten über die Eheentscheidung. Es gebe Länder, in denen der König den Ehen des hohen Adels zustimmen müsse, und dies sei durchaus sinnvoll. Anordnungen des Hausvorstandes – ob zu Lebzeiten oder testamentarisch – seien ebenso wie Vereinbarungen der Agnaten für die Mitglieder des Hauses bindend. Eine Ehe ohne das Einverständnis des Vaters sei, so Myler, unzulässig.

4 Zapp, S. 141–189. 5 »Beim Schließen einer Heirat muss nämlich der höchste Grad von Freiheit und der freieste Konsens gewährleistet sein.« Myler von Ehrenbach, S. 6. 6 Ebd., S. 28.

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Auch Johann Friedrich Wilhelm Neumann betont in seinem 1751 veröffentlichten »De Matrimoniis principum commentatio« die grundsätzliche Freiheit der Eheentscheidung, die nicht einmal in dynastischen Notsituationen aufge­ hoben sei.7 Ein Mitglied einer fürstlichen Familie könne diese Freiheit allenfalls freiwillig durch einen Pakt einschränken oder sogar auf ihre Ausübung verzichten.8 Das heiße aber nicht, dass die Kinder ihre Verbindungen nach eigenem Gutdünken wählen sollen, sondern dass der Hausvorstand die Eheentscheidung nicht ohne ihre Zustimmung treffen könne. Eine gute Erziehung, fügte Neumann hinzu, sei Voraussetzung für kindlichen Gehorsam im entscheidenden Moment, und anders als Gewalt und Betrug seien Lockmittel (»illecebrae«), Schmeicheleien (»blanditiae«)  und Überredungskunst (»persuasio«), welche die Seele gleichsam erweichten, durchaus legitim. Eine Entscheidung, der ein seelischer Kampf vorausgegangen ist, sei keineswegs als eine erzwungene anzusehen. Diese feinen Unterschiede, die Neumann anspricht, spiegeln deutlich die Praxis wider. Selten wurde gegen den erklärten Willen der Kinder entschieden, doch die Palette der Mittel, welche den Konsens der Kinder erwirkte, war groß.9 Johann Jakob Moser argumentiert noch gegen Ende des 18.  Jahrhunderts ähnlich, wenn auch mit anderem Akzent. Er leitet die freie Partnerwahl aus dem natürlichen und göttlichen Recht her, betont aber, dass Kinder »bey ihrer Vermählung auf den Konsens ihrer Eltern, zumalen des Vaters, grosse Reflexion machen, und selbigen nicht zur Seite setzen«.10 Während seine Vorgänger darauf beharrt hatten, dass Heiratsentscheidungen nicht ohne die Kinder zu treffen seien, erinnert er an die Autorität der Eltern. Einschränkungen der freien Eheentscheidung seien aber dann zulässig, wenn sie im Hausrecht begründet lägen; dies könne ebenso ein generelles Eheverbot wie einen Heiratszwang bedeuten: »Wo keine besondere Pacta, Dispositionen, u.d. vorhanden sind, da bedienet sich ein nachgebohrener Herr billig der libertatis naturalis.«11 Die Hausgesetze und Gebräuche der Hohenzollern spiegeln diese allgemeine zwischen Konsensrecht und väterlicher Autorität vermittelnde Rechtsauffassung wider; in einem Pakt zwischen der brandenburgischen und der schwäbischen Linie wurde festgelegt, dass Missehen, welche »ohne Vorbewust und Einwilligung des Capitis Familiae et Lineae geschloßen und vollzogen worden«12, den Verlust von Erbe und Titel für die Kinder nach sich zögen. Doch das ist eine Minimalforderung; die Praxis war vielmehr von elterlicher Planung, Leitung und Autorität, von selbstverständlich vorausgesetztem kindlichem Gehorsam und von durch mehr oder minder sanften Druck erreichten Konsens 7 Neumann, De Matrimoniis principum commentatio, S. 12. 8 Ebd., S. 58. 9 Ebd., S. 63. 10 Moser, Bd. 12, 2, S.12. 11 Ebd., S. 15. 12 Pactum gentilitium zwischen Brandenburg und Hohenzollern, 30.1.1707, zit. nach: Schulze, Hausverfassung, S. 201.

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geprägt. So erlebte es etwa Kronprinz Friedrich Wilhelm (I.), der seiner Großmutter Sophie von Hannover schrieb, dass sein Vater ihm »noch ein Jahr Zeit lassen [würde] und auch dann nicht mich zwingen, gegen meine Neigung eine Frau zu nehmen«.13 Von einer freien Entscheidung spricht der Kronprinz wohlgemerkt nicht. Vom Regelfall, in dem die – mehr oder weniger liberal gehandhabte – väterliche Autorität nicht durch kindlichen Eigensinn in Frage gestellt wurde, heben sich Einzelfälle ab. Einige Situationen innerfamiliären Konfliktes über Ehen sollen im Folgenden als Beispiel für die Durchsetzungsmöglichkeiten väter­ licher Autorität und die Schwäche der Ehefreiheit dienen. Als väterlicher Tyrann ist insbesondere Friedrich Wilhelm I. in die Geschichte eingegangen. Der Soldatenkönig war ein militärisch strenger, zu Wutausbrüchen neigender Mann; darüber hinaus spielten für sein Verhalten der Pietismus und dessen hohe Anforderungen an Selbstkontrolle und systematische Lebensführung eine Rolle. Wilhelmine, die älteste Tochter des Soldatenkönigs und spätere Markgräfin von Bayreuth, hat mit ihren Memoiren eine (allerdings nicht immer verlässliche) Quelle für die Vorgeschichte ihrer Ehe verfasst. Sie beschreibt die Anbahnung und die damit einhergehende, nicht enden wollende Kette von Konflikten, die mit List und lautstarken Auseinandersetzungen bis hin zur körperlichen Gewalt ausgetragen wurden.14 Die Interessen des Königs kollidierten immer wieder mit denen der Königin, die noch während Wilhelmines Hochzeit mit dem Markgrafen von Bayreuth an dem von ihr gehegten Plan einer hannoverschbritischen Doppelhochzeit festhielt, sowie mit deren Partei am Hof; gleichzeitig durchkreuzte aber auch immer wieder Widerstand der Tochter die Pläne beider Eltern. In diesen Auseinandersetzungen wurden freie Eheentscheidung sowie väterliche und mütterliche Autorität zum Thema. Laut Wilhelmines Memoiren soll der König seine Minister zur Königin gesandt haben, um sie von weiteren Verhandlungen mit der britischen Königsfamilie abzuhalten. Die Minister erläuterten der Königin, dass die Väter weiterreichende Verfügungsrechte über die Kinder hätten als die Mütter und führten zum Beleg Bibelstellen an. Die Königin soll darauf mit dem Exempel Bethuels geantwortet haben, der »auf den Heiratsantrag des Dieners Abraham für seinen Herren Isaak erwiderte: Lasset die Tochter rufen, und fraget sie nach ihrem Willen. … Er (der König) will den Neigungen seiner Tochter Gewalt antun.«15 Später versuchten Wilhelmine und ihre Mutter, die vom König favorisierte Ehe mit einem der Markgrafen von Schwedt durch eine ebenso endogame, aber prestigeträchtigere Verbindung mit dem Erbprinzen von Bayreuth zu ver­ hindern. Der König soll eingewilligt, daran jedoch schmerzliche Konsequenzen gekoppelt haben: »Sehr wohl«, zitiert Wilhelmine ihren Vater, »es bleibt nur eine kleine Schwierigkeit, auf die ich Sie aufmerksam machen will, nämlich, daß ich 13 Kronprinz Friedrich Wilhelm an Kurfürstin Sophie, 28.3.1705, in: Schnath, S. 63 f. 14 Jarzebowski. 15 Weber-Kellermann, S. 151.

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ihr weder Aussteuer noch Mitgift geben, noch ihrer Hochzeit beiwohnen werde, da sie ihren Willen dem meinen vorziehen wird. Wäre sie meinen Wünschen gefolgt, so würde ich sie mehr noch als meine andern Kinder bevorzugt haben; an ihr ist es, sich zu entschließen, wem von uns sie gehorchen will.«16 Durch diese Einschränkungen wäre das junge Paar nicht nur eines Teils seines Unterhalts verlustig gegangen, sondern die Ehe wäre wie eine unrechtmäßige erschienen. Dass sich die Bayreuther Verwandten auf einen solchen Pakt eingelassen hätten, ist zu bezweifeln. Der Vater rückte allerdings  – angesichts der nicht ermüdenden Bemühungen seiner Gattin und der gescheiterten Verhandlungen mit dem britischen Botschafter Hotham  – später von seinen Drohungen ab und fügte sich dem Plan einer fränkischen Verbindung. Wilhelmine soll der Entschluss ihres Vaters von vier Abgesandten mitgeteilt worden sein: »Der König verspricht Ihnen, falls Sie gehorchen, Sie doppelt so sehr zu begünstigen wie seine anderen Kinder … Wenn Sie aber all diesen Vernunftgründen zum Trotz und wider Erwarten auf Ihrer Weigerung beharren, so haben wir Sie auf Befehl des Königs … un­ verweilt nach der Festung Memel in Litauen zu bringen.«17 Die Entscheidung gegen den Wunsch der Mutter stürzte Wilhelmine in innere Konflikte: »Ich war in einer furchtbaren Aufregung, lief im Zimmer hin und her und zerbrach mir den Kopf, wie ich dem König gehorchen könnte, ohne mich mit der Königin zu entzweien.«18 Doch wenig später reiste der Markgraf schon an, und die Ver­ lobung wurde begangen. Noch während der kurz darauf stattfindenden Heirat versuchte die Mutter, den britischen Faden zu spinnen. Wilhelmine jedoch hatte den Widerstand aufgegeben und schritt mit dem Markgrafen von Bayreuth zum Traualtar. Zornentbrannt soll die Königin sie daraufhin vom mütterlichen Erbe ausgeschlossen haben. Nach langen Auseinandersetzungen hatte sich Wil­ helmine also den väterlichen Plänen unterworfen. Wichtigstes Druckmittel des Vaters (in gewisser Weise auch der Mutter) waren materielle Güter gewesen; bei Ungehorsam drohte der Wegfall der familiären Unterstützung durch Mitgift bzw. mütterliches Erbe. Dass die bayreuther Familie in eine güterlose Ehe eingewilligt hätte, ist allerdings unwahrscheinlich. Gewiss ging es Wilhelmine in ihren Memoiren weniger um eine möglichst wahrheitsgetreue Darstellung als vielmehr um den Versuch, ihren Vater ins Unrecht zu setzen und den durch ihn ausgeübten Zwang als möglichst drastisch darzustellen. Als Illustration für die Palette der Möglichkeiten, durch das »Erweichen der Seele« einen Konsens zu erwirken, sind ihre Erinnerungen dennoch aussagekräftig. Zum Teil  der preußischen Legende ist auch die Verheiratung von Wilhelmines Bruder, des Kronprinzen Friedrich (II.), geworden. Dessen Revolte, der Fluchtversuch und die Hinrichtung seines Freundes Katte sind so häufig dar-

16 Ebd., S. 162. 17 Ebd., S. 246. 18 Ebd., S. 247.

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gestellt worden, dass eine Wiederholung unnötig ist.19 Die Zustimmung des Kronprinzen, eine Ehe einzugehen, war das letzte Zugeständnis, das der Vater vor der Freilassung aus der Küstriner Gefangenschaft verlangte. Der Sohn, dessen Widerstand nach der Hinrichtung seines Freundes gebrochen war, willigte ein. Die Aussicht, zwischen verschiedenen Kandidatinnen entscheiden zu können, vor allem aber die Hoffnung auf eine glänzende britische Partie zerschlugen sich bald. Der König hatte entschieden, dass Friedrich die Welfenprinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern in die Ehe führen sollte. Friedrich war über diese Wahl enttäuscht; er beklagte vor allem Elisabeths Mangel an Schönheit, Bildung und Esprit. Doch seinen Einwänden wurde nur mit Strenge begegnet. Die väterliche Autorität setzte sich durch, und Friedrich gewann durch seine Fügung die Unabhängigkeit, die einem verheirateten Mann zustand. Der Zwang zur Eheschließung mit einer vom Vater gewählten Partnerin war hier Element einer unerbittlichen Strategie zur Erzwingung des kindlichen Gehorsams, die selbst Freiheitsentzug einschloss. Dementsprechend stellte Kronprinz Friedrich seinen Ehekonsens in einem Brief an seinen Vater vom 19. Februar 1733 als einen Akt kindlichen Gehorsams dar: »Allergnädigster Vater! Ich habe heute die Gnade gehabt, meines allergnädigsten Vaters Brief zu empfangen, und ist mir lieb, daß mein allergnädigster Vater mit der Prinzessin zufrieden ist. Sie mag sein wie sie will: so werde ich jederzeit meines allergnädigsten Vaters Befehl nachleben; und mir nichts lieberes geschehen kann, als wenn ich Gelegenheit habe meinem allergnädigsten Vater meinen Ge­horsam zu bezeugen.«20 Auch im 19. Jahrhundert zählte die elterliche Autorität bei der Eheentscheidung noch mehr als die Neigung der Betroffenen. Ein spektakulärer Fall einer durch väterliche Intervention verhinderten Ehe ist die Anbahnung einer Verbindung zwischen Prinz Wilhelm – dem späteren Kaiser Wilhelm I. – mit der Prinzessin Elisa Radziwill, die im Jahr 1826 nach sechs für die beiden Heiratswilligen qualvollen Jahren endgültig scheiterte. Dieser Fall, der vor allem wegen der breiten Debatte über Ebenbürtigkeit von Interesse ist, wird im zweiten Abschnitt dieses Kapitels noch eingehend behandelt. Hier soll er nur als ein weiteres Beispiel für die Lösung möglicher Spannungen bei der Entscheidungsfindung dienen. Auch wenn Vater und Sohn über die Ehesache unterschied­liche Auffassungen hatten, zog Wilhelm die Möglichkeit einer Verweigerung des Gehorsams nicht ernsthaft in Erwägung. Der Prinz versuchte mit allen Mitteln, den Vater umzustimmen, er gab eigene Gutachten zur Ebenbürtigkeitsfrage in Auftrag und versuchte, Unterstützer am Hof zu finden. Als der Vater jedoch endgültig entschieden hatte, war es für ihn selbstverständlich, dass er sich der Entscheidung zu beugen hatte.

19 Mit neuen Einzelheiten und Reflexionen sowie Verweisen auf die ältere Literatur s. Kunisch, Friedrich der Grosse. Der König und seine Zeit, S. 11–71. 20 Kronprinz Friedrich an Friedrich Wilhelm I., 19.2.1733, zit. nach: Paulig, S. 310.

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Abb. 2: Vermählung des Kronprinzen Friedrich (II.) mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern im Jahr 1733, Kupferstich (ullstein bild, Nr. 00202648).

Die genannten Fälle, in denen Heiraten durch vehement durchgesetzte väter­ liche Autorität erzwungen oder verhindert wurden, sind Ausnahmen. Der allergrößte Teil der Eheentscheidungen wurde zwar von den Eltern getroffen, dies führte jedoch nicht zu Konflikten oder zum Widerstand der Kinder. Diese waren vielmehr von klein auf an den Gedanken gewöhnt worden, dass das dynastische Interesse über dem persönlichen und die väterliche Autorität über der eigenen Freiheit stand. Gehorsam war –  wie die Literatur über hochadelige Erziehung nahelegt –  für Kinder der königlichen Familie selbstverständlicher Teil des Habitus und wurde nicht als Widerspruch zur herausgehobenen Position der Familie empfunden. Er war Teil des breiten Anforderungsprofils an fürstlichen Nachwuchs, das je nach Geschlecht und Stellung in der Familie variierte.21 Bemerkenswert an den hier dargestellten Fällen ist, angesichts der ansonsten fundamental unterschiedlichen Geschlechterrollen bei der Fürstenehe jedoch, dass Söhne wie Töchter, Erst- wie Nachgeborene offenbar in gleichem Maße der väterlichen Autorität unterworfen waren. 21 Zur adeligen und fürstlichen Erziehung Conrad; Im Dienste Preußens; Neumann-Strela; Ende­mann; Funck u. Malinowski sowie mit wichtigen neuen Erkenntnissen auch Kollbach, die sich gegen die verbreitete Vorstellung einer Verbürgerlichung des Adels durch die aufklärerischen Erziehungsnormen und Praktiken wendet. Sie weist hingegen nach, dass der Ursprung neuer Erziehungsideale des 18. Jahrhundert vor allem die Hofmeistererziehung war.

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Welchen Part spielten bei der offenbar nur in der Theorie freien Eheentschei­ dung die Gefühle der Betroffenen? Lässt sich der im Mémoire der Eltern von Prinz Wilhelm hergestellte Zusammenhang zwischen der freien Gattenwahl und dem Gefühl in der Wirklichkeit der Fürstenfamilie wiederfinden? Die Vorstellung eines im Übergang zum 18. Jahrhundert erfolgten Siegeszuges der ­affektiven Bindungen in der Familie gehörte lange Zeit zu den verbreiteten Annahmen. Die Arbeiten von Philippe Ariès schilderten die Entwicklung von einer vornehmlich nutzorientierten und lieblosen Familie des Mittelalters und der Frühen Neuzeit zur modernen Kernfamilie, deren Binnenraum durch stärkere Gefühlsbindung geprägt gewesen sei.22 Dies inspirierte Lawrence Stone und Edward Shorter zu ihren großen Entwürfen, welche die Entwicklung von Liebe und Ehe in der Moderne als Begleiterscheinung der fortschreitenden Befreiung des Individuums interpretierten. Bei der Eheanbahnung und Partnerwahl hätten sich individuelle Vorlieben, emotionale Entflammung, Seelenverwandtschaft und sexuelles Begehren als zunehmend wichtige Faktoren erwiesen und den Weg zur Liebesehe geebnet.23 In Peter Gays Studie über die Geschichte der Liebe wird die These eines grundlegenden Wandels bekräftigt, allerdings dennoch eine gegenläufige Deutung vorgelegt. Für Gay brachte das 19. Jahrhundert zwar durchaus neue Liebesdiskurse und -praktiken, keineswegs jedoch eine Befreiung der Emotionalität. Vielmehr habe auch das bürgerliche Zeitalter der Liebe und den Trieben strikte Regeln auferlegt und sei deshalb von einem »nie endenden Kampf zwischen Freiheit und Kontrolle« geprägt.24 Die Einflüsse einer Geschichte der Moderne als Zeitalter fortschreitender Affektkontrolle, wie sie Norbert Elias entworfen hat, sind hier offensichtlich. Der »repressive« Charakter der romantischen Liebe des 19.  Jahrhunderts wurde auch in der frühen geschlechtergeschichtlichen Forschung unterstrichen. Durch die emotionale Profilierung männlicher und weiblicher Geschlechtercharaktere, betonte etwa Karin Hausen, sei die unterlegene Position der Frau in der Paarbeziehung des 19. Jahrhunderts perpetuiert worden.25 In den jüngeren Arbeiten von William Reddy wird die These eines beschleunigten gefühlsgeschichtlichen Wandels um 1800 bestätigt. Reddy argumentiert, dass die Französische Revolution der seit dem frühen 18. Jahrhundert existierenden Strömung der Empfindsamkeit zum Durchbruch verhalf.26 Die Annahme eines tiefgreifenden Wandels in der Geschichte der Liebe sind seit den 1980er Jahren gleichermaßen durch theoretische Überlegungen wie 22 Ariès, Geschichte der Kindheit, S. 502–555; ders., Liebe in der Ehe. 23 Stone, passim, insb. S. 4–9; Shorter, S. S. 56–65, 120–167. Diese Vorstellung findet sich auch in den einschlägigen Nachschlagwerken: Ariès u. Duby, Bd. 4, S. 531–541; Burguière, Geschichte der Familie, Bd. 3, Frankfurt 1986, S. 170–79. 24 Gay, S. 9. 25 Hausen. 26 Folgende Titel geben einen Überblick über Grundlagen und aktuelle Debatten der Gefühlsgeschichte: Bähr; Bourke; Frevert, Gefühlswissen; Reddy; Rosenwein; Trepp, Code contra Gefühl?; Wickberg.

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durch empirische Forschungen hinterfragt worden. David Sabean und Hans Medick haben darauf hingewiesen, dass Emotionen und materielle Interessen nicht zwangsläufig im Gegensatz, sondern in einem Verhältnis gegenseitiger Beeinflussung zueinander standen. Interessen formten die Gefühlswelt, und Emotionen konnten umgekehrt auch der Durchsetzung von Strategien helfen. Diese Sichtweise richtete sich gegen die etablierte Vorstellung, dass einer nutzorientierten Vormoderne eine romantische Moderne folgte.27 In theoretischer Hinsicht hat sich das Instrumentarium der Gefühls­ geschichte stark erweitert. Insbesondere die Rezeption von Niklas Luhmanns soziologischer Theorie der »Liebe als Passion« hat zu fruchtbaren Neuansätzen geführt. Luhmann versteht Liebe nicht als ein Gefühl, sondern als einen »Kommunikationscode, nach dessen Regeln man Gefühle ausdrücken, bilden, simulieren, anderen unterstellen, leugnen … kann«, als ein »Verhaltensmodell …, das gespielt werden kann, das einem vor Augen steht, bevor man sich einschifft, um Liebe zu finden«.28 Diese konstruktivistische Neufassung des Problems ist bis heute vielfach aufgegriffen und variiert worden. In diesem Sinne plädiert etwa Barbara Rosenwein für die Analyse von Gefühlssemantiken in historisch wandelbaren »emotional communities«, und Daniel Wickberg konzipiert eine »­History of Sensibilities«. Es sind Zweifel angebracht, dass ein so komplexes psychisches, physisches und soziales Phänomen wie das Gefühl in Sprache und Symbolen vollständig zu erkennen ist. Doch was bleibt dem Historiker, der auf die schriftlichen oder bildlichen Zeugnisse vergangener Gefühle zurückgeworfen ist, als sich auf die Interpretation historisch wandelbarer, sozial und situativ zu verortender Gefühlssemantiken zu konzentrieren? Neuere empirische Studien haben die Zweifel an einer tiefgreifenden gefühlsgeschichtlichen Transformation in der »Sattelzeit« weiter verstärkt, indem sie einerseits die ehelichen Liebeskonzepte der Frühen Neuzeit und andererseits die strategischen Zwänge des 19. Jahrhunderts herausstellten. So haben B ­ eatrix Bastl und Anke Hufschmidt, Silke Lesemann, Stephanie Marra und Sophie Ruppel anhand unterschiedlicher Adelspopulationen untersucht, wie Interessen und Emotionen in der Frühen Neuzeit ineinandergriffen und sich gegenseitig formten. Sie wiesen nach, dass eheliche Liebe im Adel der Frühen Neuzeit durchaus ein verbreiteter Gefühlsanspruch war.29 Darüber hinaus erwies sich in Forschungen zum 19. Jahrhundert die romantische Liebe des »bürgerlichen Zeitalters« vielfach als ein literarisches Konstrukt ohne allzu große Wirkungen auf die Praktiken.30 Auch haben neuere geschlechtergeschichtliche Arbeiten die ältere Vorstellung einer Polarisierung der Geschlechtercharaktere durch Emo­

27 Medick u. Sabean. 28 Luhmann, Liebe als Passion, S. 23. 29 Bastl, Tugend, Liebe, Ehre, S. 356–375; Hufschmidt, Adlige Frauen im Weserraum, S. 251– 262; Lesemann; Marra, S. 105–111; Ruppel, 121 ff. 30 Habermas, Frauen und Männer des Bürgertums, S. 266–314.

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tionen hinterfragt und differenziert.31 So scheint es für das 19. Jahrhundert – im Sinne von Medicks und Sabeans Ansätzen – sinnvoll zu sein, eine »Ökonomie der Liebe«32 in Rechnung zu stellen. Die Forschung hat auch die Frage beschäftigt, inwieweit das Erblühen der romantischen Liebe im 19.  Jahrhundert, die häufig als »bürgerlich« apostrophiert wird, auf den Adel anwendbar ist. Erste Antworten liefert eine Studie von Silke Marburg über den König Johann von Sachsen. Marburg kann aus den Korrespondenzen der sächsischen Königsfamilie nachweisen, in welcher wohl­ dosierten und kontrollierten Art und Weise Emotionen ihren Platz in einer weitgehend strategisch bestimmten Entscheidung fanden. Grundsätzlich hatten strategische Fragen Vorrang, im 19. Jahrhundert vor allem die Frage der Ebenbürtigkeit. Wenn positive Gefühle das dynastische Kalkül begleiteten, war es umso besser. In diesem Sinne wurde den Kindern erlaubt, sich zwischen verschiedenen, von den Eltern ausgesuchten Partnern zu entscheiden. In anderen Fällen wurden Kinder, wenn die Entscheidung der Eltern getroffen war, in der Hoffnung auf Brautschau geschickt, dass sie sich für den Partner, der ohnehin ausersehen war, auch erwärmen konnten. Vor allem aber setzte sich das Kennenlernen vor der Ehe durch, das im 18. Jahrhundert eher die Ausnahme ge­ wesen war. In den meisten Fällen erfüllten Kinder aus hochadeligen Familien die Erwartungen, indem sie sich bei der Brautschau wie geplant in den Aus­ erwählten »verliebten«.33 Diese Ergebnisse sprechen nicht dagegen, dass im Adel und im Hochadel im 19. Jahrhundert eine neue Semantik der Liebe Einzug hielt und zu Veränderungen in den Verhaltensmustern der Eheanbahnung führte, ohne dass deshalb das aus der langen Geschichte der Dynastien hergebrachte Ideal eines Einklangs von Strategie und Liebe in Frage gestellt worden wäre. Die wechselvolle Geschichte der Liebe im Haus Hohenzollern ist noch nicht geschrieben. Auch hier können, da sie ein großes und schwieriges Unterfangen darstellt, nur einige Umrisse skizziert werden. Von Interesse ist zunächst die Vorstellung, die man sich im 17. und 18. Jahrhundert von der ehelichen Liebe machte. Waren die Heiraten reine Sachentscheidungen oder wurden Gefühle der Zu- oder Abneigung als Argument zugelassen? Welche Konnotationen hatte der Begriff »Liebe« im Bezug auf die Ehe? War seelische oder körperliche Sehnsucht zu einem zukünftigen Ehepartner üblich? Wie verhielten sich füreinander Bestimmte zueinander? Wurden Liebe oder verwandte Gefühle wie Freundschaft, Vertrauen, Einklang nach Abschluss der Ehe zum Ausdruck gebracht? Der folgende Abschnitt kann keine erschöpfenden Antworten auf diese Fragen geben, wirft jedoch einige Schlaglichter auf die im Umfeld von Hohenzollernheiraten zum Ausdruck gebrachten Gefühle.

31 Ebd., S.  263; Trepp, Sanfte Männlichkeit und selbständige Weiblichkeit; die Kritik an ­Hausen, S. 15 f. 32 Peters. 33 Marburg, »Das Ansehen hat man umsonst«.

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»Matrimonium est summus amicitiae gradus«, hatte Myler von Ehrenbach in seiner »Gamologia« aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts formuliert.34 Er meinte damit – wie der Kontext des Zitats deutlich zeigt – nicht die Freundschaft zwischen den verwandtschaftlich verbundenen Familien, sondern zwischen den Ehepartnern. Tatsächlich waren die Begriffe »Freundschaft« und »Liebe« – wie auch Johannes Schmidt gezeigt hat – in der Frühen Neuzeit nahezu synonym; erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begannen sie sich semantisch zu differenzieren.35 Bis dahin bezeichneten beide Begriffe die Erwartung, dass sich bei oder nach der Heirat, auch wenn die Eheschließung unter elterlicher Leitung und nach strategischen Gesichtspunkten zustande kam, Harmonie und emotionaler Gleichklang einstellen möge. Dieser Gleichklang war gleichzeitig Voraussetzung und Ergebnis guter ehelicher Kooperation. Solche ehelichen Gefühle waren gewiss keine Gegenkräfte zur familiären Strategie, sondern ein Element derselben. In der Regel fühlten sich Eltern und Kinder solchen gleichermaßen materiellen wie emotionalen Strategien verpflichtet. Eine vom Zeremonienmeister Johann von Besser im Jahr 1700 verfasste Passage bringt dies zum Ausdruck: Der Kurfürst sei davon überzeugt, dass es bei Heiraten zuerst auf den Einklang der Charaktere ankäme. Die Bedingungen für die Verheiratung seines Sohnes seien günstig, da die füreinander Bestimmten seit ihrer Kindheit eine gegenseitige Zuneigung füreinander empfunden hätten und dass es daher wie ein Beschluss des Himmels erscheine, dass sie bestimmt sein, zusammen zu leben. Wegen dieser günstigen Voraussetzungen handele es sich um eine für beiden Seiten überaus glückliche Heirat, die zur Festigung der guten Beziehungen zwischen den beiden erlauchten Häusern beitragen werde.36 Zuneigung und eheliches Glück werden hier also als günstige Bedingungen für politische Verbindungen angesehen. Den Begriff »Liebe« verwendet Johann von Besser allerdings nicht. Eine sprechende Quelle für eheliche Gefühle im 17.  Jahrhundert sind die Memoiren der Herzogin Sophie von Hannover, die zwar keine Hohenzollerin, aber immerhin in engem schwieger- und großmütterlichen Verhältnis zu den Brandenburgern in der Zeit Friedrichs (III./I.) stand. Sophie beschreibt ihr erstes Treffen mit ihrem Ehemann Ernst August von Hannover im Jahr 1658 folgendermaßen: »J’étois bien aisée de le trouver aimable, parce que j’estois résolue de l’aimer.«37 Die emotionale Bindung, eine »sincère passion«, wird hier zu einer Frage des Willens, der guten Absichten und der Anerkennung günstiger Charaktereigenschaften. Sophie betont »l’estime que son mérite m’avoit toujours donné pour lui«.38 Die frischgetraute Braut ist in der Lage, ihren 34 »Die Ehe ist der höchste Grad der Freundschaft.« Myler von Ehrenbach, S. 7. 35 Schmidt, Das Verhältnis von Freundschaft und Liebe. 36 Mariage de la Princesse Louise de Brandenbourg fille de S. A. l’Electeur Frédéric III. Relation inacheveé de Mr. De Besser, 1700. BPH, Rep. 45, W, Nr. 8. 37 »Ich war erleichtert, ihn liebenswert zu finden, denn ich war entschlossen, ihn zu lieben.« Köcher, S. 61. 38 »die Wertschätzung für ihn, die mir sein Verdienst stets eingeflößt hat.«; ebd., S. 62.

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Gatten mit ihrer Entschlossenheit zu guter ehelicher Gemeinschaft zu über­ raschen und damit sogar Leidenschaft auszulösen. Ihr Mann habe zunächst geglaubt, sie stünde ihm gleichgültig gegenüber, da er sie ja nur aus Interesse geheiratet habe. Doch dann sei er so von ihr eingenommen gewesen, dass es ihr schien, als würde er sie ihr ganzes Leben lieben »et moy j’en estois si idolâtre que je me croyois perdue, quand je ne le voyois pas.«39 Die eheliche Liebe, die aus fester Entschlossenheit resultierte, währte zwar nur für wenige Jahre. Doch laut den Memoiren der Herzogin, deren Darstellungsstrategien in Rechnung zu stellen sind, erlebte das strategisch verbundene Paar durchaus eine Phase inten­ siver Zuneigung. Eine ähnliche Entschlossenheit zu ehelicher Liebe lässt sich auch anhand der Anbahnung der zweiten Ehe des Kurprinzen Friedrich (III./I.) zeigen. Die strategischen Absichten lagen hier klar auf der Hand, war doch die erste Gattin des Kurprinzen nach wenigen Ehejahren verstorben und hatte keinen Thron­folger zur Welt gebracht. Gleichwohl thematisierte der König in einem Brief an die Brautmutter auch Gefühle. Er versichert, um von ihr geäußerte Bedenken zu zerstreuen, dass er »nur für Ihre Liebden Augen haben werde … Weil ich der Prinzessin für diesmal nicht schreiben kann, bitte ich, sie in meinem Namen zu küssen und ihr mein sehnlichstes Verlangen, sie zu sehen, zu bezeugen.«40 Nach der Eheschließung überschüttete der König seine Braut mit Aufmerksamkeiten, wie ihre Mutter zufrieden vermerkte: Es verginge nicht ein Tag, an dem der König seiner Braut keine Geschenke machte. »Un amant n’en pourrait pas faire davantage pour sa maîtresse.«41 Die Bereitschaft zu emotionalem Engagement wurde offenbar nicht nur von Frauen, sondern auch von Männern zum Ausdruck gebracht. Auch mehr als ein halbes Jahrhundert später, bei der Heirat von Prinzessin Luise Ulrike, der Enkelin Friedrichs I. und Schwester Friedrichs II., stellte sich beim ersten Treffen mit ihrem Bräutigam kurz vor der Hochzeit im Sommer 1744 verlässlich das eheliche Glück ein. Der schwedische Botschafter Tessin schildert die Ereignisse bei der Ankunft der Braut im schwedischen Carlskrona. Der Bräutigam habe das Boot betreten und sei vom Anblick der Prinzessin überwältigt (»frappé et ébloui«) gewesen. Bei einer solchen Begegnung müsse man froh sein, wenn man nicht den Verstand verlöre. Nach dem Essen hätten sich die Eheleute allein in einen ruhigen Winkel zurückgezogen. Dort habe sich gleich »un air de confidence« eingestellt. Während der Bericht des Botschafters den Prinz als von seinen Gefühlen überwältigt dargestellt, legt er der Braut nur wohldosierte Komplimente in den Mund. Sie sei sehr zufrieden und finde, der

39 »und deshalb liebte ich ihn so abgöttisch, dass ich mich verloren glaubte, wenn ich ihn nicht sah«; ebd., S. 64. 40 Kurprinz Friedrich an Herzogin Sophie, 5./15.8.1684, in: Schnath, S. 6. 41 »Ein Liebhaber könnte für seine Geliebte nicht mehr Aufwand betreiben.« Kurfürstin ­Sophie an Hans Caspar von Bothmer, 13.12.1706, in: Doebner, S. 241.

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Prinz sei »mieux que son portrait«.42 Die Prinzessin schilderte den Beginn eines Verhältnisses gegenseitiger ehelicher Verpflichtungen auch in einem Brief an ihren königlichen Bruder, dessen Erwartungen als Familienoberhaupt sie zu erfüllen hatte. Darin bestätigt sie, dass das erste Treffen bestens verlaufen sei, dass ihr Bräutigam sie mit Aufmerksamkeiten überschüttet und alles versucht habe, um ihr eine Freude zu breiten. Sie habe daher Grund zu der Annahme, dass sie der glücklichste Mensch auf Erden sein werde.43 Ein weiteres Beispiel für den Gleichklang zwischen Emotionen und familiären Interessen liefern die Erinnerungen der aus dem Haus Hohenzollern stammenden Prinzessin von Oranien. Die Nichte Friedrichs  II. schildert die Eheanbahnung mit ihrem zukünftigen Gatten als einen – auch von ihr selber – langgehegten Plan: »Depuis mon enfance, j’avais témoigné une prédilection décidée pour l’établissement en Hollande et un dégoût extrême pour la Suède et le Danemark.«44 Auch der königliche Onkel behandelte die Angelegenheit sachlich, wenn er schrieb, dass er sich freue, dass die Braut »contente« mit seiner Auswahl sei. Er versicherte ihr, dass es stets sein Ziel gewesen sei, ihr eine möglichst vorteilhafte Stellung zu sichern.45 Diese unpersönliche Herangehensweise an die Partnerwahl korrespondierte mit der Tatsache, dass die Prinzessin ihrem Zukünftigen vor der Eheschließung nur einmal kurz begegnet war. Zwar hatte der Statthalter ein Jahr vor der Ehe den Wunsch geäußert, seine prospektive Braut persönlich kennenzulernen. Der geplante Besuch wurde jedoch abgesagt. Friedrich II. betonte in einem Brief an den Herzog von Braunschweig, dass er seine Nichte niemals auf eine Messe (»une foire«) schicken würde, um einen Gatten zu finden. Allerdings würde er sie keineswegs verweigern, wenn man bereit wäre sie so zu nehmen wie sie ist.46 Der König wünschte seiner Nichte eine glückliche Ehe, brachte in einem mit Ironie verfassten Brief an seine Schwester jedoch auch seine Skepsis gegenüber der Liebe zum Ausdruck: »Ma vieille physiognomie figurera en public, mais un oncle n’est qu’un comparsa assez inutile à des pareilles noces, l’amour seul y devrait présider; c’est sous ses auspices que devraient se former de tels liens, mais qu’est-ce que l’amour en ce siècle? Une fantaisie passagère, le goût d’un moment que vieillit pendant la bénédiction nuptiale, et qui est octogénaire le lendemain des noces; Messieurs les princes surtout traitent cet engagement en bagatelle, leur femme est regardée plutôt comme un meuble de 42 Copie de la lettre du Comte de Tessin au Sr. de Rudenschold de Carlscrona du 9 d’avril 1744, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 86. 43 Arnheim, S. 10. 44 »Seit meiner Kindheit zeigte ich eine entschiedene Vorliebe für eine Verbindung mit Holland und eine extreme Abneigung gegen Schweden und Dänemark.« Volz, Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Oranien, S. 81. 45 Friedrich II. an Prinzessin Wilhelmine, 24.6.1767, in: Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Bd. 26: 1767, Berlin 1900, S. 361. 46 Friedrich  II. an den Herzog von Braunschweig, 17.8.1766, in: Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Bd. 25: 1766, Berlin 1899, S. 192.

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famille ou comme un premier domestique que leur dignité veut qu’ils entretiennent, que comme la compagne fidèle de leur bonne et mauvaise fortune ou comme l’unique objet pour lequel ils prodiguent leur amour.«47

Doch so bewusst das Oberhaupt des Hauses und die zu vermählende Prinzessin im Vorfeld das familiäre Interesse an der bestmöglichen Partie in den Vordergrund stellten und so konsequent auf die Möglichkeit verzichtet wurde, ein emotionales Band vor der Ehe zu stiften, so verlässlich stellte sich auch – noch während der Hochzeitsfeierlichkeiten – die eheliche Harmonie ein. Davon zeugen die Brautbriefe der Prinzessin, die auf der Fahrt nach Holland und in den ersten Wochen ihres Lebens in Den Haag entstanden. In einem Brief an ihren Onkel Friedrich II. schreibt sie über ihren Ehemann, dass er ihr in aller nur vorstellbarer Weise seine Freundschaft beweist : »Plus on le connoit plus on est obligé de l’aimer.«48 Auch hier wird die eheliche Liebe durch freundschaftliches Verhalten verdient und erscheint geradezu als Verpflichtung. Strategische Planung und festes Vertrauen auf die Kraft des guten Willens, christlichen Charakters und gründlicher Erziehung bei der Entstehung ehelicher Harmonie scheint –  so legen es die Quellen nahe –  die Vorstellung von der Eheschließung zu prägen. Die Beispiele und Hinweise sind so häufig, dass von einem allgemeinen Denk- und Handlungsmuster in der »emotional community« der Hohenzollernfamilie bis zum 18.  Jahrhundert gesprochen werden kann. Die Entstehung eines emotionalen Bandes gehörte fest zu den An­sprüchen an eine Fürstenehe; von Heiratenden wurde erwartet, dass sie inmitten der rauschhaften und ermüdenden Festlichkeiten, in diesem Moment des Überganges in eine neue Lebensphase, die erwünschte Gefühlshaltung entwickelten. Das konnte durch Worte und Gesten, durch Äußerungen in Briefen und Tagebüchern geschehen oder zumindest im Rückblick der Memoiren behauptet werden. Gleichermaßen scheint es jedoch für die familiäre Gemeinschaft selbstverständlich gewesen zu sein, dass die bei der Eheschließung zum Ausdruck gebrachten emotionalen Wallungen sich nicht dauerhaft fortsetzen

47 »Meine alte Physiognomie wird noch einmal in der Öffentlichkeit zu sehen sein. Aber ein Onkel ist ein unnützer Komparse bei einer solchen Hochzeitsfeier, bei der allein die Liebe den Vorsitz haben sollte. Nur unter ihren Auspizien sollten eheliche Bande geknüpft werden; aber was bedeutet Liebe in diesem Jahrhundert? Eine flüchtige Fantasie, das Vergnügen eines Moments, das schon während der Einsegnung zu altern beginnt, und das schon am nächsten Morgen achtzigjährig zu sein scheint. Die Herren Prinzen behandeln ihre ehelichen Verpflichtungen als Bagatelle, ihre Frau sehen sie mehr als ein Familienmöbel oder als seine erste Dienerin an, die zu unterhalten ihre Würde verlangt, als als eine treue Gefährtin in guten wie in schlechten Zeiten oder als ein einzigartiges Wesen, das sie mit ihrer Liebe überhäufen.« Friedrich II. an Königin Ulrike von Schweden, 14.9.1767, in: Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Band 26: 1767, Berlin 1900, S. 242. 48 »Je mehr man ihn kennt, desto mehr ist man verpflichtet, ihn zu lieben.« Wilhelmine an Friedrich II., 10.11.1767, GStA PK, BPH, Rep. 56, I W 14, Bd. 1a, Bl. 58.

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mussten. Nach der Trauung und den Anfängen eines neuen Lebens konnte man in der Regel zum ehelichen Tagesgeschäft übergehen. Wegen des offenbar tiefen Vertrauens in die Entstehung ehelicher Liebe war das gegenseitige Kennenlernen vor der Ehe nicht unbedingt nötig. In den Fällen, wo es doch stattfand, wurde dies von den Beobachtern besonders betont. So schrieb der preußische Zeremonienmeister Johann von Besser über den Erbprinz von Hessen, dass dieser nicht den Gebräuchen der meisten großen Herren folge, die ihre Versprochenen nur durch Portraits oder aus Berichten anderen kennten.49 Der Jurist Johann Jakob Moser bekräftigt in seinem »Familien-Staats-Recht« von 1775 den in der Lektüre der Heiratsquellen entstehenden Eindruck, dass das Kennenlernen vor der Ehe unüblich war. Zwar kannten sich die Heiratskandidaten in den Fällen, in denen die Ehe im engsten Verwandtenkreis oder unter Nachbarn geschlossen wurde; doch ansonsten verließ sich das 18. Jahrhundert auf das Eintreten einer Bindung bei der Ehe: »Von Rechtswegen sollte man billig auch darauf sehen, ob die Gemüther derer Personen, welche einander heurathen sollen, zusammen taugen. Und zuweilen geschieht es; wie dann gewisse Exempel belegen, daß zu solchem Ende die beede Hauptpersonen forderist resp. an einem dritten Ort zusammen gekommen seynd, um einander kennen zu lernen: Es wird aber dieses unter Chur- und Fürsten, etc mehr als zu offt aus den Augen gesetzt, dahero auch nachher die Ehen gerathen, wie sie gerathen.«50

Darüber hinaus muss der Vollständigkeit halber auch erwähnt werden, dass »Herzensneigung« in ganz seltenen Fällen durchaus als Gegenargument zu den familiären Interessen in Anschlag gebracht wurde. Das geschah jedoch fast ausschließlich dann, wenn eine Heirat verhindert werden sollte. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Heiraten häufig in Unkenntnis des Partners geschlossen wurden, war mangelnde Zuneigung als Argument gegen eine bestimmte Verbindung fast immer plausibel. So berichtet der Statthalter Wilhelm Friedrich in seinem Tagebuch, dass im Jahr 1646 die niederländische Prinzessin Luise Henriette die Eheanbahnung mit dem brandenburgischen Kurfürst Friedrich Wilhelm mit dem Hinweis zu verhindern versuchte, dass sie dadurch zu einem bloßen Objekt materieller Interessen würde. Es sei zu beklagen, dass sie für Geld und ein wenig Land so unglücklich sein und verkauft werden solle. »Och, wass ick doch doot of wass ick een bourin [Esel], soe mocht ick och iemantz nehmen die ick kende, nae mijn sinn en die ick liefhad.«51 Die Prinzessin hatte einen Geliebten am oranischen Hof, den sie gern geheiratet hätte. Der Verweis auf das Gefühl als Motiv der Heiratsplanung hatte hier keine Chance. Nach der Heirat allerdings fand auch Luise Henriette sich schnell in die neue Rolle – die innere Verpflichtung zu ehelicher Harmonie obsiegte. 49 Mariage de la Princesse Louise de Brandenbourg fille de S. A. l’Electeur Frédéric III. Relation inacheveé de Mr. De Besser, 1700, GStA PK, BPH, Rep. 45, W Nr. 8. 50 Moser, Bd. 12,2, S. 203 f. 51 Visser, S. 293 f.

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Fast ein Jahrhundert später erschütterte eine der größten Eheaffären der Hohen­zollerngeschichte die Familie: die bereits angesprochene Verheiratung der beiden ältesten Kinder König Friedrich Wilhelms I., Friedrich (II.) und Wilhelmine. Auch im Fall der am Ende langer Querelen vom Vater erzwungenen Heirat von Wilhelmine, der älteren Schwester Friedrichs II., mit dem Markgrafen von Bayreuth, wurde – zumindest im Rückblick der Memoiren – Neigung zum Gegenargument gegen eine Verbindung. Die Prinzessin betonte, dass eine gute Ehe auf gegenseitiger »Achtung und Rücksicht«, auf »Zuneigung« beruhe: »Nichts fällt uns schwer, wo wir lieben; aber kann man lieben, ohne wieder geliebt zu werden? Die wahre Liebe duldet keine Teilung.« Daher könne sie keinen Gatten akzeptieren, der Verhältnisse mit Mätressen hat. »Ich wünschte nur einen wirklichen Freunde, dem ich mein Herz und mein ganzes Vertrauen zu schenken vermöchte.«52 Ein solches Loblied auf die Liebe ist allerdings in den Kontext zu stellen, in dem es aufgeschrieben wurde. Die Prinzessin kannte zur Zeit ihrer Vermählung weder den Prinzen von Wales, den ihre Mutter für den Geeigneten hielt, noch den Markgrafen von Bayreuth, den ihr Vater favorisierte. Wilhelmine mobi­ lisierte aber im Rückblick ihrer Memoiren das Emotionale, um die Ablehnung des unliebsamen väterlichen Kandidaten zu begründen. Wilhelmines Wunsch nach einer britischen Heirat, im Sinne ihrer Mutter, entsprang keineswegs der Sehnsucht nach Liebe, sondern dem Streben nach Prestige. Als Waffe kindlichen Widerstandes gegen väterliche Tyrannei erscheint das Herz auch in den Briefen von Wilhelmines Bruder Friedrich aus der Zeit vor ihrer Vermählung: »Laß Dich also durch keine Rücksicht auf mich einschüchtern und folge immer nur dem Gebot des Herzens; das ist in solchen Fällen der beste Führer.«53 Doch trotz dieser strategischen Bedeutung der Gefühle als Argument ist zu konstatieren, dass das emotionale Element durchaus zur Ver­f ügung stand und rechtfertigende Ansprüche stellen konnte. Später, als aus Wilhelmines Bruder der König Friedrich  II. geworden war, argumentierte auch der Sonnen­ burger Markgraf Karl Albrecht, der sich nicht in die dynastische Heiratspolitik einfügen wollte, mit dem Gefühl: »Doch werden dieselben mir die justice wiederfahren lassen, daß ich diese Printzessinnen zur forderst schon möge.«54 Er wolle daher die Kandidatinnen, die der König für ihn im Auge hatte, zumindest persönlich kennenlernen. Die hier gesammelten Einzelfälle reichen nicht aus, um eine solide begründete Aussage über die Liebe im Hause Hohenzollern bis zum Ende des 18. Jahrhunderts treffen zu können. Doch deuten sie immerhin darauf hin, dass die Vorstellung einer »lieblosen« Ehe der Frühen Neuzeit nicht zutrifft. Die »Liebe«  – bzw. »Freundschaft«, »Neigung« –  bei und nach der Eheschließung war ein Topos, der in der Regel nicht im Widerspruch zu strategischer Planung stand. 52 Weber-Kellermann, S. 128 f. 53 Friedrich an Wilhelmine, Frühjahr 1731, in: Preußen, »…solange wir zu zweit sind.«, S. 30. 54 Markgraf Karl an General von Kalckstein, 4.1.1744, GStA PK, HA I, Rep. 36, Nr. 10, Bl. 15.

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Veränderte sich die Liebessemantik und die Praxis der Eheanbahnung und -schließung im Haus Hohenzollern um 1800? Auf den ersten Blick scheint daran gar kein Zweifel möglich. Die Jahre um 1800 sind immerhin die Epoche von Königin Luise, die von August Wilhelm Schlegel zur »Königin der Herzen« stilisiert wurde. Wie kein zweites preußisches Paar stehen Friedrich Wilhelm III. und seine Gattin für das Eindringen von Empfindsamkeit und romantischem Liebesideal in die höfische Welt. Hatte sich tatsächlich etwas verändert oder waren es nachträgliche Zuschreibungen, die diesen Befund hervorgebracht haben? Der Prozess der Eheanbahnung zwischen dem preußischen Thronfolger und der mecklenburgischen Prinzessin am Anfang der 1790er Jahre verlief, was die Entscheidungsvorgänge angeht, nur zum Teil in den Bahnen des 18. Jahrhunderts. Es waren der preußische König, der Vater des Bräutigams, und die Großmutter der Braut, welche die Heirat geplant hatten. Der König hatte die heiratsfähigen Mädchen der Familie persönlich in Augenschein genommen und für gut befunden. Im Vergleich zu den Heiraten ihrer Vorfahren waren Kronprinz Friedrich Wilhelm und sein jüngerer Bruder Friedrich Ludwig allerdings insofern in einer neuen Situation, als sie ihre Bräute vor der Heirat zu Gesicht bekamen. In Frankfurt wurden zwei Brüder und zwei Schwestern zusammengebracht. Mindestens zwei Treffen fanden statt. Der ältere Bruder hatte das Recht auf die erste Entscheidung. Viel Zeit blieb ihm dafür allerdings nicht: Am 13. März sah er die Schwestern zum ersten Mal, fünf Tage später wurde von ihm die Verkündigung seiner Wahl erwartet, im Dezember 1793 wurde Hochzeit gefeiert.55 Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich – ausgehend von dem Zusammen­ treffen in Frankfurt –  eine Korrespondenz zwischen den zur Ehe Ausersehenen entspann, wie es sie in den bisher dargestellten Fällen nicht gegeben hatte. Zwar war das Austauschen artiger Floskeln unter zukünftigen Eheleuten durchaus üblich, doch zwischen Friedrich Wilhelm und Luise entspann sich ein Briefaustausch in einem ungewohnten Ton. Selbst ein trockener und wortkarger Mann wie Kronprinz Friedrich Wilhelm gab seinen Gefühlen in Briefen offen Ausdruck: »Ich fühle mich als der glücklichste Sterbliche auf der Erde.«56 Ein anderes Mal schrieb er emphatisch: »Meine Zuneigung für Sie wächst an jedem Tage, an dem ich Sie sehe, und macht mir die lange Zeit, die wir noch warten müssen, ehe wir uns ganz vereinigen können, vollends lang und unerträglich.«57 Luises Antworten waren in der Wortwahl vorsichtiger als seine. Doch auch sie machte aus ihren Gefühlen kein Hehl: »Ich sehne mich danach, Sie wiederzu­ sehen, behalten Sie mich immer lieb, teurer Prinz, denken Sie auch manchmal an Ihre Freundin.«58 Solche Gefühlsregungen der Partner vor einer Heirat hatte es im Haus Hohen­zollern vor diesem Zeitpunkt nur selten gegeben. Es gibt nur vereinzelte 55 Bailleu, Aus der Brautzeit; ders., Königin Luise als Braut. 56 Friedrich Wilhelm an Luise, 26.3.1793, in: Griewank, S. 48. 57 Ebd., S. 65. 58 Ebd., S. 66.

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Beispiele für das voreheliche Austauschen von Liebesbriefen. Eines davon sind die verliebten Zeilen, die zwischen dem Markgrafen Friedrich Wilhelm und der »schöne(n) Printzes« Sophie von Preußen ausgetauscht wurden.59   Diese Einzelfälle können jedoch kein Argument gegen die These sein, dass bis zum 18. Jahrhundert in den meisten Fällen die Heirat und vor allem die Monate, die unmittelbar auf sie folgten, die eigentliche Zeit des Kennenlernens und der Verbalisierung gegenseitiger Gefühle waren. Seit Friedrich Wilhelms und L ­ uises Liebesbriefen wurde das voreheliche »Verlieben« jedoch bei weitem häufiger. Damit etablierte sich eine neue Kultur der Eheanbahnung, die im Verlauf des 19.  Jahrhunderts zur Regel werden sollte. In der folgenden Generation  – bei den Kindern von Friedrich Wilhelm und Luise – war die voreheliche Thematisierung von Gefühlen schon beinahe eine Selbstverständlichkeit. Gleichwohl hatten auch dann noch strategische Planung und elterliche Lenkung bei Heiraten oberste Priorität. Gewünscht war keinesfalls, dass die Kinder der königlichen Familie bei der Suche nach ihren Partnern ihrem Herzen freien Lauf ließen. Vielmehr war den Eltern daran gelegen, dass die Kinder die im Rahmen des Familieninteresses getroffene Wahl durch ihr emotionales Engagement bekräftigten. In gewisser Weise hatten sich damit die Ansprüche an Prinzen und Prinzessinnen verstärkt. Nicht nur Gehorsam, sondern Enthusiasmus bei der Verfolgung dynastischer Ziele war jetzt gefragt. Im Regelfall waren die Kinder der Königsfamilie in der Lage, diesen Ansprüchen zu genügen. Als Beispiel dafür kann etwa die Vorgeschichte der im Jahr 1817 geschlossenen Ehe von Charlotte, der ältesten Tochter Friedrich Wilhelms III. und Luises, dienen. Die Pläne für eine Familienverbindung reichen bis in das Jahr 1805 zurück. Doch die russische Zarinmutter brach die kaum begonnenen Verhandlungen ab. Das Motiv für die Skepsis ist auf der politischen Ebene zu suchen; die europäische Konstellation und die Haltung Preußens gegenüber Napoleon war 1805 noch so unbestimmt, dass der Zar nicht wissen konnte, auf welche Bündniskonstellation er sich mit einer Allianz einließ. Doch der Vorwand, unter dem die Anfrage abgelehnt wurde, lautete, dass man der Herzensentscheidung der Prinzessin nicht durch elterliche Absprachen vorgreifen wolle. Das bereits bekannte Muster, Gefühle zur Verhinderung einer Anbahnung ins Feld zu führen, hatte sich also erhalten. In weiter zurückliegenden Fällen hatten es allerdings vorrangig die betroffenen Prinzen und Prinzessinnen vorgebracht, während es hier von einer Heiratsvermittlerin kam.60 1809, bei einem Besuch des preußischen Königspaares in Sankt Petersburg, fanden neuerliche Absprachen zwischen Luise und Maria Feodorowna, der Mutter des Zaren, statt. Doch erst in der stabileren Situation nach dem Sieg über 59 Wintzingerode, Schwierige Prinzen, S. 319. 60 Ähnlich wurde gegen Ende des 19.  Jahrhunderts auch angesichts einer von Kaiser Wilhelm  II. angeregten, von den Oraniern aber unerwünschten Heirat der niederländischen Kronprinzessin Wilhelmina mit Heinrich von Mecklenburg-Strelitz argumentiert; dazu: Fasseur, S. 169 f.

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Napoleon, der nicht zuletzt auf der Festigkeit der russisch-preußischen Allianz beruhte, wurden die Pläne konkretisiert. Auf der Reise nach Paris im März 1814 machte Großfürst Nikolaus inkognito in Berlin Station und sah Charlotte flüchtig. 1815 lieferte die Rückkehr Napoleons von Elba Anlass für eine erneute Westeuropareise; im Juni erreichte Nikolaus Berlin. Dieser Besuch hatte offiziellen Charakter, und der Großfürst und sein Bruder verbrachten zwei Tage im Kreis der preußischen Königsfamilie.61 Über Nikolaus’ Gefühlsleben beim Kennenlernen berichtet Charlottes Bruder in einem Brief: »Denken Sie sich, er scheint unbändig verliebt, er spricht so oft, so sonderbar gezwungen von Charlotte, daß ich sehe es ist nicht gezwungen, c.a.d. von andern abgerichtet, wie wohl Fürstenliebe abgerichtet wird, ich glaube, mich nicht zu täuschen. Ja vorgestern vormittag, in seinem Garten, als ich mit ihm einen Moment allein war, hat er mir geradezu davon gesprochen, wie er glaubte, daß es nicht möglich sei, sie zu sehen, ohne sie zu lieben etc. etc., viel feuriges und schönes.«62 Die von den planenden Familien erhofften Gefühle hatten sich also eingestellt. Charlotte äußerte sich in einem Brief an ihren Bruder Friedrich Wilhelm (IV.) zunächst etwas vorsichtiger. Sie wisse nicht viel mehr, »als daß er mir gefällt, und ich glaube sicherlich, mit ihm glücklich sein zu können«.63 Nach dem ersten Kennenlernen setzte eine regelmäßige Korrespondenz zwischen den beiden einander Versprochenen ein, in der sie sich gegenseitig ihren Alltag schilderten und immer wieder intensive Gefühlsschilderungen einflochten: »Adieu Cama, adieu mon amie, ma seule consolation, tout ce que j’ai de plus cher au monde, mon autre moi-même, pensez quelquefois à celui qui mourrait s’il savait que vous l’avez oublié«, schrieb Nikolaus etwa an Charlotte.64 An anderer Stelle beschreibt er seine Tränen nach der Abreise seiner Zukünftigen.65 Charlottes Antworten waren weitaus weniger emphatisch, aber ohne Frage emotional: »Mon cher et bien aimé Nicolas, mon coeur vous suit. Je suis profondement triste, et je ne ressentirais de vrai bonheur que le jour de votre retour.«66 Diese Briefe waren, auch wenn sie den Wünschen der Eltern entsprachen, Ausdruck einer in der Hohenzollernfamilie neuen Gefühlslehre, bei der zur Anbahnung einer Ehe auch lyrische Worte und Sehnsuchtsbekundungen gehörten. Brautvater Friedrich Wilhelm betonte darüber hinaus in einem Brief an die Zarin, dass die Liebe ihrer Kinder von ganz allein gekommen sei, ohne jedes 61 Schiemann, Geschichte Rußlands, Bd.  1, Berlin 1904, S.  191 f.; Lincoln, S.  62 u. 65–72; Grimm, S. 62. 62 Kronprinz Friedrich Wilhelm an Ancillon, 17.7.1815, zit. nach: Schiemann, S. 193. 63 Charlotte an Prinz Friedrich Wilhelm, 10.9.1815, zit. nach: ebd., S. 192. 64 »Adieu Cama, adieu meine Freundin, mein einziger Trost, mein Teuerstes auf Erden, mein anderes Ich. Denken Sie hin und wieder an einen, der sterben würde, wenn er erführe, dass Sie ihn vergessen haben.« Nikolaus an Charlotte (Abschrift), 7./19.11.1815, GARF 728-1-982. 65 Nikolaus an Charlotte (Abschrift), 31.10./12.1.1815, ebd. 66 »Mein teurer und geliebter Nicolas, mein Herz folgt Euch. Ich bin zutiefst betrübt; erst bei Ihrer Rückkehr werde ich wieder echte Freude empfinden können.« Charlotte an Nikolaus (Abschrift), 24.10./5.11.1815, GARF 728–1-2368, Bl. 13.

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Zutun der Familie und auch ohne jede Politik. Der Großherzog Nikolaus und seine Tochter Charlotte hätten schon eine gegenseitige Neigung verspürt, bevor ihre Eltern ihre Intentionen offenlegten. Die Zustimmung der Eltern hätte nur den Segen zu ganz und gar freien und selbständigen Gefühlen gegeben.67 Auch wenn diese Aussage mit der Chronologie und Entwicklung der Ereignisse nicht übereinstimmt, ist sie aussagekräftig. Sie zeigt, dass im 19. Jahrhundert das Bedürfnis wuchs, den politisch-strategischen Anteil an Eheentscheidungen zu leugnen. Die befriedigte Feststellung, dass es sich bei einer Verbindung um eine Liebesheirat handele, entwickelte sich zum Topos. Die Emotionalisierung der Heirat führte jedoch  – wie sich noch zeigen wird  – keineswegs zu einer Entpolitisierung, sondern vielmehr zu einer neuen Form politischer Wirksamkeit von Hochzeiten. Das bei der preußisch-russischen Heirat von 1817 vorgefundene Muster einer elterlichen Planung, die bis in die Gefühlsregungen der Kinder vordrang, lässt sich auch in anderen Fällen finden. So entsprach die preußisch-britische Heirat von 1858 elterlichen Wünschen, die zu einer Zeit erwachten, als die Heiratskandidaten noch Kinder waren. Dank der reich dokumentierten Geschichte des britischen Königshauses sind hier noch deutlicher als im Fall von 1817 die elterlichen Bemühungen um das Zustandekommen der erwünschten Gefühle nachzuvollziehen. Das prospektive Paar hatte sich schon in der Adoleszenz zum ersten Mal gesehen. Es war kein Zufall, dass gerade Prinzessin Victoria den aus Preußen angereisten Prinz Friedrich Wilhelm so kundig durch den Glas­ palast der Weltausstellung führen konnte. Im Jahr 1855 wurde dann ein Treffen in Schloss Balmoral vor der Kulisse des schottischen Hochlandes inszeniert, bei dem die Anbahnung vorangetrieben werden sollte. Ein Brief des zukünftigen Brautvaters Prinz Albert an Baron Stockmar zeigt, wie das Aufeinandertreffen der Kandidaten gelenkt wurde. Darin betont er, dass es der Prinzessin für gewöhnlich nicht gestatten würde »to flirt with young gentlemen of her own rank«.68 Doch in diesem Fall sei es gerechtfertigt, vom Programm so weit ab­zurücken, dass die jungen Leute Gelegenheit hätten, sich miteinander aus­ zusprechen. Auch wenn die Pläne der Eltern seit vielen Jahren feststanden, wurde hier das Erblühen einer jungen Liebe in Szene gesetzt. Fritz und Vicky spielten ihre Rollen zur größten Zufriedenheit aller Betrachter. Bei einem Ausflug auf den ­Craig-na-Ban fanden sie einen unbeobachteten Moment. Fritz pflückte Heidekraut für seine Zukünftige, überreichte es mit einem Kuss und machte Andeutungen über eine gemeinsame Zukunft.69 Sie errötete und wies ihn nicht zurück. In Tagebüchern und Briefen wurde dieser Erfolg vielfach beschrieben, kommentiert und bejubelt. Queen Victoria schrieb in begeistertem Ton an Prinzessin Augusta, die Mutter des Bräutigams, dass die Aussprache zwischen 67 Brief Friedrich Wilhelm an Maria Feodorowna, 30.10.1818, GARF 728-1-490. 68 Prinz Albert an Stockmar, 19.9.1855, RA VIC/MAIN/Y/189/26. 69 Pakula, S. 50 f.

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den füreinander Bestimmten ganz wie erhofft verlaufen sei: »Mit pochendem Herzen erwarteten wir seinen Besuch, da (wie ich gestehen muß), wir fürchteten, unser Kind könnte ihm (weil sie noch so jung ist) nicht gefal­len.«70 So war die Liebe genau an die Stelle gefallen, welche der elterliche Wille seit langem gewählt hatte. Alle beteiligten Akteure trugen das Ihre dazu bei, dass Kalkül und Emotionen nicht in Konflikt miteinander gerieten. Wenige Tage nach dem gelungenen Treffen konnte Prinz Albert zufrieden Vollzug melden: »Die jungen Leute sind heftig ineinander verliebt … Während tiefe, sicht­liche Revolutionen in den Gemütern der beiden jungen Leute und der Mutter vor sich gingen, die sie gewaltig erschütterten, war mein Gefühl mehr das einer heiteren Freude und Dankbarkeit gegen Gott.«71 Bei der Eheanbahnung des Prinzen Wilhelm (II.), die John Röhl unter der Überschrift »Kabale und Liebe«72 beschrieben hat, wirkten ähnliche Mechanismen. Wilhelms Mutter, Kronprinzessin Victoria, zog die Fäden und wollte den Prinzen von einer Tochter aus dem Hause Hessen, die sie zuerst selbst befürwortet, dann aber wegen Angst vor einer erblichen Krankheit verworfen hatte, fort- und zu Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-GlücksburgAugustenburg hinbewegen. Wilhelm wehrte sich zu­erst gegen eine solche Umlenkung seiner Gefühle. Doch als er die neue Kandidatin kennenlernte, änderte sich seine Meinung rasch. In seinen Briefen an die Braut und die Familie bediente er sich eines ausgeprägt emotionalen Vokabulars, um seinen gewandelten Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Seine Umgebung und insbesondere Wilhelm I. waren überrascht und sogar befremdet über diesen »Amourschwung«, der sich in so kurzer Zeit vollzogen hatte. Der Kaiser glaubte zu recht an »eine vorbereitete u. instigirte, zum Zünden gebrachte Absichtlichkeit«.73 Ähnlich wie für seinen Vater das schottische Balmoral, wurde für Prinz Wilhelm das niederschlesische Schloss Primkenau, Besitz des Herzogs von Holstein-Augustenburg, zum Schauplatz erblühender Liebe. Im April 1879 traf Prinz Wilhelm dort ein, um sich der Gefühle seiner zukünftigen Braut zu versichern. Nach der Verlobung wurde das Schloss noch zweimal zum Schauplatz amouröser Annäherungen. Wilhelms offensiv zur Schau gestelltes Gefühlsleben kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch hier die vielfach beschworene Herzensneigung den dezidierten Wünschen seine Mutter für die Partnerwahl entsprach. In seinen Briefen bedient er sich eines emotionalen Vokabulars, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen: »Bei meinem Aufenthalt in Primkenau bin ich vollständig mit mir klar und eins geworden, daß die tiefe, innige und herzliche Neigung, welche ich seit einem Jahr zu meiner Cousine Viktoria gefaßt habe eine wahre

70 Queen Victoria an Kronprinzessin Augusta, 20.9.1855, RA VIC/MAIN/Z/61/5. 71 Prinz Albert an Stockmar, 2.10.1855, zit. nach: Jagow, Prinzgemahl Albert, S. 307. 72 Röhl, Wilhelm II, Bd. 1, S. 339–378. 73 Ebd., S. 375.

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und feste ist. Ich bin auch, getraue ich mir zu sagen, in innerer Beziehung mit ihr genug eins, ohne sonst ihr etwas gesagt zu haben.«74 Vieles hatte sich im Liebesleben des 19. Jahrhundert geändert, doch im Kern war alles geblieben, wie es war: Zu den Gehorsamspflichten der Kinder gegenüber den Eltern und der Familie war nun noch die Erwartung des Verliebens zur gewünschten Zeit und in den gewünschten Partner gekommen. Nicht mehr nur freundschaftliche Liebe und Bereitschaft zu harmonischer Kooperation, sondern individuellere und intensivere Gefühle schon vor der Ehe waren nun gefragt. In gewisser Weise war die Unterwerfung unter die dynastischen Interessen im 19. Jahrhundert dadurch noch größer geworden. Gleichzeitig wurde es zur Gewohnheit, politische Einflüsse auf Heiraten zu leugnen. In diesem Sinne schrieb noch Kaiser Wilhelms II. ältester Sohn in seinen Erinnerungen: »Ein gütiges Geschick hat es gefügt, daß meine Wahl frei von einengenden politischen oder dynastischen Rücksichten auf die Frau fallen konnte, der ich von Herzen zugetan war, und die auch mir gern ihre Hand gegeben hat. Wir haben uns in echter aufrichtiger Zuneigung zueinander gefunden.«75 Daran dass die Liebesehe ein vielbemühter Topos in der Hohenzollernfamilie des 19. Jahrhunderts war, kann also kein Zweifel bestehen. Doch gegenüber den diskursiven Ver­änderungen scheint die Praxis eher stabil. Es gab allerdings Einzelfälle, in denen nicht nur das Reden, sondern auch das Handeln auf eine Liebesheirat jenseits dynastischer Interessen und elter­lichen Einflusses schließen lassen. Dazu gehören einige der morganatischen Heiraten, die im Kapitel 2.2 dargestellt werden. Dort wird auch die unglück­liche Liebe zwischen Prinz Wilhelm (I.) und Elisa von Radziwill zum Thema werden  – einer der seltenen Fälle, in denen der Wunsch nach einer romantischen Bindung mehrere Jahre gegen die erklärten Wünsche der Familie aufrechterhalten wurde. Zu den zu nennenden Ausnahmen gehört auch die 1879 geschlossene Verehelichung der preußischen Prinzessin Luise Margarete mit Arthur Duke of Connaught. Dieser war mit den mütterlichen Ermahnungen von Queen Victo­ ria nach Berlin gereist, er solle sich nur nicht zu einer Hochzeit mit der Tochter des preußischen Prinzen Karl überreden lassen. Er versprach es, tat dann aber genau das Gegenteil. Der Prinz berichtete nach England von seinen Gefühlen für die preußische Prinzessin Luise Margarete, und schließlich ließ sich die königliche Mutter erweichen.76 Doch diese Fälle, in denen der Tatbestand einer Liebesheirat plausibel erscheint, lassen den Regelfall umso deutlicher zutage treten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die Konstellationen von Kalkül, Gehorsam und Liebe vom 18.  zum 19.  Jahrhundert verschoben, ohne dass sich Grundsätzliches änderte. Die väterliche Autorität blieb erhalten. Nach wie vor wurden die Heiraten in eine politisch-soziale Gesamtstrategie ein­ 74 Wilhelm an Viktoria, 28.4.1879, GStA PK, BPH, Rep. 53, N I, Nr. 1a, Bl. 1–2. 75 Erinnerungen des Prinzen Wilhelm, zit. nach: Aretz, S. 361. 76 Arthur Duke of Connaught an Queen Victoria, 14.2.1878, RA VIC/ADDA15/2717.

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gebettet. Es änderte sich allerdings die Art und Weise, wie die Eltern ihre Autorität handhabten. Im 18. Jahrhundert wurde von den Brautleuten erwartet, dass sie die Eheentscheidung der Eltern gehorsam akzeptierten, um dann nach der Eheschließung Harmonie in ehelicher Kooperation zu zeigen. Im 19. Jahrhundert standen prospektive Partner unter dem Erwartungsdruck, die Wahl der Eltern schon vor der Ehe durch emotionale Äußerungen und romantisches Verhalten zu akklamieren und damit zu Hoffnungen für den weiteren harmonischen Verlauf der Beziehungen Anlass zu geben. Dies galt offenbar gleichermaßen für beide Geschlechter. Vielleicht lag es am übermächtigen Einfluss der Eltern, dass die Polarisierung emotionaler Verhaltensmuster –  etwa zwischen dem werbenden Mann und der umworbenen Frau –  sich im Hochadel weitaus weniger zeigte als im Bürgertum. Prinzen und Prinzessinnen standen nur sehr kleine Spielräume zur Verfügung, um sich das komplexe und zunehmend das Individuum betonende Geschlechterspiel der Liebe des 19. Jahrhunderts zu eigen zu machen. Ihre Emotionen waren nicht Gegenpol, sondern zusätzliche Verstärkung dynastischer Interessen. Dennoch bemühten sich die Hohenzollern im 19. Jahrhundert, den drohenden Vorwurf, das Leben der Königskinder würde der kalten Staatsraison unterworfen, zu entkräften. In diesem Sinne war es ganz und gar rational, im Vorfeld von Ehen auf Gefühle zu setzen.

2.2 Ebenbürtigkeit Die Eltern des Prinzen Wilhelm hatten in ihrem am Anfang des Kapitels zi­ tierten Mémoire eine prospektive Gattin für ihren Sohn zu verteidigen, deren Ebenbürtigkeit von Mitgliedern der Königsfamilie, des Hofes und der Öffentlichkeit in Frage gestellt wurde. Gutachten von anerkannten Fachleuten wurden eingeholt, um die so geweckten Zweifel zu zerstreuen und den Weg zur Ver­ehelichung zu ebnen. Nicht nur in diesem Fall, sondern bei allen Hohenzollernheiraten war Ebenbürtigkeit eine, vielleicht sogar die wichtigste Bedingung für eine vollwertige Ehe im Kreis des Hochadels des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Nach dessen Ende waren zwar die Kriterien der Ebenbürtigkeit neu zu definieren, doch der Anspruch gleichrangigen Heiratens blieb bestehen. Das Gros der Familien, mit denen das Haus Hohenzollern Ehen einging, war bei der Ebenbürtigkeit über jeden Zweifel erhaben. Dennoch konnte es eine in Einzelfällen kontrovers diskutierte und nicht allgemeingültig zu klärende Frage sein, wo genau die Trennlinie zwischen gleichgestellten und ungleichen Familien verlief und welche Verbindung als ebenbürtig anzusehen war. Seit dem Mittelalter hatten adelige Familien begonnen, die Unterscheidung zwischen regierenden und nicht-regierenden Häusern beim Konnubium zunehmend zu berücksichtigen und rein hochadelige Heiratskreise auszuformen. Die Vor­stellung prägte sich aus, dass Ehen zwischen hohem und niederem Adel als 91 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Missehen anzusehen seien, die für Frau und Kinder den Ausschluss von Titel, Sukzession und Erbe bedeuteten. Weiterhin etablierte sich das ursprünglich in Norditalien gebräuchliche Instrument der morganatischen Ehe, bei welcher ein reduzierter Rechtsstatus bereits bei der Eheschließung fixiert wurde. Hierin unterschied sich die morganatische von einer Missehe, bei deren Abschluss keine gültigen Absprachen über die Rechtsfolgen getroffen wurden.77 Einige Dynastien fixierten Regeln für Ebenbürtigkeit in ihren Hausgesetzen, andere Häuser richteten sich in diesen Fällen ausschließlich nach Gewohnheitsrecht. Die Orientierung an familieninternen Regelungen erklärt, warum zwar alle Familien bei der Heiratsentscheidung ihre Vorstellung von »standesgemäßen« Heiraten berücksichtigten, diese sich jedoch unter den Adelsfamilien des Reiches und in gesteigertem Maße in Europa voneinander unterschieden. Seit dem 17.  Jahrhundert ist das Bestreben erkennbar, das komplexe Regel­ gebiet der Ebenbürtigkeit von Ehen durch im Heiligen Römischen Reich anerkannte allgemeine Grundsätze zu ordnen. Auch für diesen Prozess spielte das Privat­fürstenrecht eine zentrale Rolle. Der »aequalitas«, das heißt der Gleichheit von Alter und Religion der Heiratskandidaten sowie der »Ebenbürtigkeit«, wurde ein zentraler Stellenwert eingeräumt. So leitete Myler von Ehrenbach in seiner »Gamologia« von 1664 von antiken Autoren ab, dass in ungleichen Ehen »discordia maritalis«78 verbreitet sei. Er fügte hinzu, dass diese auch deswegen problematisch sei, da eine nicht fürstliche Gattin einem fürstlichen Gemahl »die Stühl nachtragen«79 müsse. Exakte Gleichrangigkeit, gar ein »arithmetisches Verhältnis, bei dem der Herzog die Tochter eines Herzogs, der Markgraf die eines Markgrafen und der Graf die eines Grafen in die Ehe führt« seien jedoch unnötig; vielmehr genüge ein »geometrisches Verhältnis«80, bei dem keine großen Rangunterschiede zwischen Ehepartnern geschaffen würden. Im 18. Jahrhundert wurden diese Grundsätze präzisiert und differenziert. Johann Stephan Pütters Standardwerk »Über Mißheiraten Teutscher Fürsten und Grafen« behandelt die Frage der Ebenbürtigkeit mit besonderer Ausführlichkeit und Strenge. Sein Hauptaugenmerk gilt der Binnendifferenzierung des Reichsadels. Hier ist grundsätzlich der schon bei den älteren Autoren betonte Unterschied zwischen hohem, das heißt regierendem oder im Reichstag vertretenem Adel, und niederem Adel ausschlaggebend; zum ersteren gehören in der Regel nur Reichsfürsten und Reichsgrafen. Pütter belässt es nicht bei dieser generellen Unterscheidung, sondern geht ins Detail: Die Reichsritterschaft schließt Pütter nicht in den Kreis des Hochadels ein.81 Er räumt jedoch ein, dass Ehen zwischen Reichsgrafen und Familien des Stiftsadels nicht als Mißehen anzusehen seien. 77 Zur Geschichte der Ebenbürtigkeit: Kühn; Sikora, Ungleiche Verbindlichkeiten; ders., Eine Missheirat im Hause Anhalt; ders., »Mausdreck mit Pfeffer«.; Willoweit. 78 Myler von Ehrenbach, S. 88. 79 Ebd., S. 90. 80 Übers. nach ebd., S. 91. Vgl. auch Neumann, S. 165 ff. 81 Pütter, Über Mißheirathen, S. 403.

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Allerdings bezweifelt er, ob diese Art der Ehe dem Ansehen eines Reichsgrafengeschlechtes zuträglich sei.82 Kaiserliche Standeserhöhung zum Zweck einer Angleichung des Status hält Pütter für illegitim. Weiterhin weist er darauf hin, dass Erhebungen in den Grafenstand, die weder Sitz und Stimme im Reichstag noch Landesherrschaft mit sich bringen, für eine Ebenbürtigkeit mit dem Hochadel nicht hinreichen.83 Pütter befasst sich auch mit der Frage, inwieweit diese Prinzipien auf Ehen mit Partnern aus ausländischen Familien übertragbar seien; insbesondere beschäftigt ihn die Behandlung von Familien aus Ländern, in denen ein Unterschied zwischen hohem und niederem Adel nicht gemacht wird – als Beispiele führt er Polen, Dänemark und Schweden an.84 Grundsätzlich sieht er außerhalb des Reiches ausschließlich königliche Geschlechter als ebenbürtig an; der Aufstieg neuer Geschlechter zur Souveränität bringe somit auch die Eben­bürtigkeit mit sich. Hingegen seien Fürsten und Grafen außerhalb des Reiches für gewöhnlich »Unterthanen und Privatgüterbesitzer«85. Pütter schließt in den Kreis der dem hohen Reichsadel Ebenbürtigen auch nicht-königliche Geschlechter ein, welche Landeshoheit besitzen; als Beispiel führt er die Medici an. Darüber hinaus betont er, dass die Nachkommen der Prinzen von Geblüt und auch Familien, die einst über Landeshoheit verfügten, in den Kreis der Ebenbürtigen einzubeziehen seien. »Mit allen nachherigen Häusern französischer Ducs, Marquis, Comtes, Vicomtes wäre es eine ganz andere Sache gewesen.«86 ­Pütter gehörte mit seiner erfolgreichen Privatfürstenrechtslehre zu den striktesten Kommentatoren der Ebenbürtigkeitsfrage. Johann Jakob Moser, der wenige Jahre vor Pütter einen ausführlichen Kommentar zum Privatfürstenrecht und den rechtlichen Fragen der Ehe vorgelegt hat, argumentiert weitaus liberaler. Zwar stimmt er mit Pütter überein, dass ein vornehmes Haus nur durch eine exklusive Heiratspolitik seinen Status auf Dauer wahren könne, weist aber auch darauf hin, dass  – jenseits von Haus­ gesetzen und -gebräuchen – keine Rechtsnorm oder -praxis bestehe. Angesichts historischer Fälle und der Rechtsprechung der Reichsinstanzen hält er alle Partner für den Hochadel ebenbürtig, welche vier adelige Vorfahren auf­zuweisen haben.87 Im 19. Jahrhundert war Mosers historische und positiv-rechtliche Betrachtungsweise der privaten Rechte von Fürsten unter Juristen weitaus verbreiteter als Pütters normative. So nahm sich etwa der Heidelberger Staatsrechtsprofessor Helmut Zoepfl der Ebenbürtigkeitsproblematik an. Er ging scharf mit Pütter ins Gericht, dem er historische Unkenntnis vorwarf. Die Vorstellung, dass es sich 82 Ebd., S. 441. 83 Ebd., S. 462. 84 Ebd., S. 344 f. 85 Ebd. S. 465. 86 Ebd. 467. 87 Moser, Bd. 12,2, S. 136.

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bei Ehen zwischen hohem und niederem Adel um Missheiraten handele, habe es im Mittelalter nicht gegeben. Vielmehr sei es erst im 13. Jahrhundert im Kreis der Reichsstände üblich geworden, sich vom übrigen Adel zu distinguieren. Das habe in der Heiratspraxis und schließlich in den hausrechtlichen Fixierungen seit dem 16. Jahrhundert seinen Niederschlag gefunden. Erst im 18. Jahrhundert habe sich in der schon mehrfach erwähnten Wahl-Kapitulation Karls VII. eine reichsweite Rechtsgrundlage gefunden, die allerdings unspezifisch gewesen sei. Zoepfl betont, dass diese lediglich die Ehen mit Bürgerlichen ausschließe. Im Bezug auf das Ausland hingegen gebe es gar keine reichsrechtlichen Regulierungen,88 und das übrige Europa dürfe nicht mit den spezifischen Kate­gorien des Reiches betrachtet werden. Einem deutschen Fürsten stehe es schlecht zu Gesicht, eine Ehe mit einer Familie abzulehnen, aus welcher der König eines anderen Landes eine Gattin akzeptieren würde. Führe eine Familie den Grafen-, Fürsten- oder Herzogstitel, komme es auf die Ahnenprobe gar nicht mehr an.89 Noch im frühen 20. Jahrhundert äußerte sich Emil Abt in ähnlicher Weise zur Frage der Missheiraten. Wie für Moser und Zöpfl und in Abgrenzung von ­Pütter steht für Abt nicht der rechtssetzende, sondern der rechtshistorische Aspekt im Vordergrund. Sein Blick auf Geschichte und Gegenwart der mediatisierten Häuser ermöglicht es ihm darüber hinaus, das Phänomen gleichsam von seinen Rändern her zu betrachten und nicht nur die strengste Observanz der vornehmsten Familien, sondern den gesamten Kreis der regierenden Häuser in den Blick zu nehmen. Hier kann er auf breiter Quellenbasis erneut zeigen, dass die Ebenbürtigkeitsregeln in Hausgesetzen und in Gewohnheitsrechten des hohen Adels uneinheitlich und häufig weiter gefasst waren, als Pütters enge Definition nahelegt. Weiterhin argumentiert Abt, dass präzise Normen des Kaisers und des Reichskammergerichts fehlen. Die in der Literatur häufig herangezogene Formulierung aus der Wahlkapitulation Karls VII., dass sich der Kaiser verpflichte, alle Kinder aus »ohnstreitig notorischer Mißheirat« von Titeln und Würden des Vaters auszuschließen, lasse viele Deutungen zu. Welche Ehen als solche anzusehen waren, sei auch in späteren Kapitulationen nicht definiert worden. Die pragmatisch-historische Betrachtungsweise bestimmt auch Abts Ausführungen über die Ebenbürtigkeit mit europäischen Familien, die nicht dem Reich angehörten. Die entscheidende Frage ist hier, welche – außer den allgemein als ebenbürtig anerkannten königlichen und regierenden fürstlichen Familien – noch als gleichrangig angesehen werden. Einen der Reichsstandschaft entsprechenden Status gab es in vielen Ländern nicht; darüber hinaus stellte sich im 19. Jahrhundert die Frage, wie mit den vornehmen Familien aus Republiken umzugehen war. Titel allein konnten keine verlässliche Grundlage sein. So trifft Abt die weitreichende Feststellung, dass in Republiken »diejenigen Familien ebenbürtig« seien, »welche nach der Lebenserhaltung und gesellschaftlichen 88 Zoepfl, S. 94. 89 Ebd., S. 101.

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Stellung zu den angesehensten des Landes gehören«.90 In Abts Darstellung zeichnet sich eine neue Sicht ab. Nicht die Etablierung allgemeingültiger Rechtsnormen sei das Entscheidende, sondern die Einsicht, dass es sich bei der Ebenbürtigkeit um eine »soziale Frage« handele, die zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten unterschiedliche Antworten er­ fahren habe. Solche Auffassungen vom Fürstenprivatrecht dürfen jedoch nicht dahin­ gehend missverstanden werden, dass Ebenbürtigkeit in den regierenden Familien nicht streng beachtet wurde. Die vornehmsten und mächtigsten Familien des Hochadels fragten in der Regel nicht nach der weitest möglichen Auslegung allgemeiner Regeln, sondern sie distinguierten sich durch die Schaffung möglichst exklusiver Heiratskreise, deren Grenzen durch hausspezifische Regel­systeme geschaffen wurde. So waren Pütters strikte Ansichten zwar wissenschaftlich angegriffen worden, aber prägten dennoch die Praxis der vornehmsten Häuser in Europa. Auch die brandenburgischen Hohenzollern achteten auf strenge Einhaltung der Ebenbürtigkeit. Deren Hausgesetze formulierten zwar keine expliziten Regeln für die Standesgemäßheit von Ehen für die eigene Linie. Doch wurden in den Familienpakten von 1695 und 1707 vom regierenden Kurfürst bzw. König der fürstlich-sigmaringischen Linie strikte Vorschriften gemacht: Es sei bekannt, »daß Fürstliche Häußer durch standmäßige Heyrathen im Auffnehmen erhalten werden, hergegen durch ungleiche und unanständige Matrimonia in Abfall und Verachtung kommen; so ist noch verabredet, daß man von Seiten deren Fürsten von HohenZollern solches auch fernerhin evitiren wolle und solle«.91 Sollte eine unstandesgemäße Heirat dennoch zustande kommen, so hätten die Kinder aus dieser Ehe keinen Anspruch auf Namen und Titel der Familie, noch dürften sie in deren Ländern sukzedieren; lediglich ein jährliches Deputat zur Bestreitung des Unterhalts stehe ihnen zu. Der Familienpakt von 1707 präzisierte diese Regelungen noch dahingehend, »daß die Heyrathen so unter dem Grafen Stand geschehen, vor ungleich geachtet« werden und die Nachkommen der Titel und des Sukzessionsrechts verlustig gehen, wenn »solches inaequale matrimonium ohne Vorbewust und Einwilligung des Capitis Familiae et Lineae geschloßen und vollzogen worden«.92 Die vertragliche Festlegung der sigmaringer Linie durch die brandenburgische ist ein Zeichen dafür, dass letztere, auch wenn für sie keine schriftlichen Regeln vorlagen, strenge Ebenbürtigkeitsregeln gewohnheitsmäßig beachtete. Eine Erklärung Friedrichs II. an den neugewählten Kaiser Karl VII. bestätigt dies.93 90 Abt, S. 158. 91 Pactum gentilitium oder Erbeinigung zwischen dem Chur- und Fürstlichen Hause Brandenburg an einem, dann dem Fürst- und Gräflichen Hause Hohenzollern am andern Theile vom 20./30.11.1695, zit. nach: Schulze, Hausverfassung, S. 194. 92 Pactum gentilitium zwischen Brandenburg und Hohenzollern, 30.1.1707, zit. nach: Schulze, Hausverfassung, S. 201. 93 Pütter, Über Mißheiraten, S. 287 f.

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In der Ehepraxis verließ sich das Haus Hohenzollern im 18.  und 19.  Jahrhundert weder auf die schwankenden Definitionen des Fürstenprivatrechtes noch auf die aus Hausgesetzen und Observanz hervorgegangene Regel, dass nur Mitglieder anderer souveräner Häuser zu heiraten seien; vielmehr verfolgte die brandenburgisch-preußische Linie eine Strategie, welche – soweit sich dies praktisch realisieren ließ – auf Heiraten mit Partnern aus möglichst hochrangigen Häusern ausgerichtet war. Die Einhaltung rechtlich definierter Regeln war nicht das Ziel dynastischer Raison, sie stellten bestenfalls Mindeststandards dar. Tieferer Sinn war es vielmehr, der eher abstrakten Vorstellung eines Ranges einen greifbaren Ausdruck zu verleihen. Jeder Heiratsakt bekräftigte so beide Seiten in einem Akt gegenseitiger Anerkennung. Insofern war es nur konsequent, dass die Missachtung von Ebenbürtigkeitsregeln in einer Dynastie als rangmindernd angesehen wurde und im Extremfall zur Ausgrenzung aus Heiratskreisen führen konnte. Ebenso liegt auf der Hand, dass sich Heiratskreise bei wachsendem oder sinkendem Rang wandeln mussten. Eine Analyse der in den Jahren 1640 bis 1918 gewählten Partner des Hauses Hohenzollern bestätigt diese Annahme. Im Untersuchungszeitraum lässt sich eine allmähliche Optimierung des Ranges von Heiratspartnern erkennen, für welche die Erhebung zum Königtum 1701, der Aufstieg zur europäischen Macht im 18.  Jahrhundert und nicht zuletzt auch die durch die napoleonische Vorherrschaft bewirkten Modifikationen der Adelslandschaft des Reiches von Bedeutung waren. Der schrittweise Aufstieg zeichnete sich in einer allmäh­lichen Rangsteigerung der Heiratspartner ab. Als eine Messgröße für das Prestige des Heiratskreises kann die Anzahl der darin vertretenen königlichen Dynastien gelten. Waren im 17.  Jahrhundert lediglich vereinzelte Kontakte zum schwedischen Königshaus geschlossen worden, kam durch die Heirat von 1706 eine direkte Verbindung zum späteren britischen Königshaus zustande, die 1791, 1858 und 1879 bekräftigt wurde. Letztere beiden Ehen wurden mit dem Haus Sachsen-Coburg-Gotha geschlossen, also einer Familie, die nicht nur die britische, sondern zusätzlich die belgische, portugiesische und bulgarische Königskrone innehatte. Die Verbindungen von 1646 mit den Erbstatthaltern und späteren Königen der Niederlande aus dem Haus Oranien wurden durch weitere Heiraten in den Jahren 1767, 1791, 1825 und 1878 intensiviert. 1744 wurde Luise Ulrike, eine Schwester Friedrichs  II., als schwedische Königin positioniert. 1817 heiratete Prinzessin Charlotte den russischen Großfürsten Nikolaus. 1889 verehelichte sich die preußische Prinzessin Sophie mit Konstantin, dem künftigen griechischen König. Ferdinand, Mitglied des sigmaringischen Zweiges der Hohenzollern, akzeptierte die Thronfolge in Rumänien und wurde später rumänischer König. Seit der zweiten Hälfte des 18.  und verstärkt im 19.  Jahrhundert verband regelmäßig erneuerte, direkte Verwandtschaft die brandenburgisch-preußischen Hohenzollern mit den exklusivsten Familien Nord- und Osteuropas. Die vom 18. zum 19. Jahrhundert wachsende Selektivität wird durch das Beispiel des Hauses Radziwill dokumentiert. Drei Ehen zwischen den Häusern 96 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Radziwill und Hohenzollern hatte es im 17.  und 18.  Jahrhundert gegeben, in den Jahren 1613, 1681 und 1796. Doch die Eheanbahnung zwischen Prinz Wilhelm, dem späteren Kaiser Wilhelm I., und Elisa Radziwill in den Jahren zwischen 1819 und 1826 scheiterte. Die Vettern Wilhelm und Elisa hatten sich in Berlin kennengelernt, und die Faszination des Prinzen für die junge Prinzessin, welche als Darstellerin in einer Theateraufführung zu brillieren verstand, erwachte.94 Wilhelm, der als zweitgeborener Sohn zu diesem Zeitpunkt nicht mit der Thronfolge rechnete, hatte noch keine festen Eheabsichten geäußert, als der Hausminister Sayn-Wittgenstein bereits das erste Gutachten über die Ebenbürtigkeit der Familie Radziwill in Auftrag gab. Die Denkschrift des Geheimen Rates von Raumer vom 1.  März 1819 kam zu dem Ergebnis, dass Elisas Familie nicht ebenbürtig sei. Die Radziwills seien zwar einst zu Reichsfürsten ernannt worden, doch sie verfügten weder über Landeshoheit noch über Sitz und Stimme im Reichstag. Der Fürstentitel allein reiche zum Beweis der Eben­ bürtigkeit nicht aus. Auch die Regel, dass die Abstammung von einem regierenden Haus die Ebenbürtigkeit mit sich brächte, akzeptierte Raumer nicht; denn die Abstammung vom litauischen Adel sei nicht zweifelsfrei nachweisbar, und der polnische Adel kenne gar keine Unterscheidung von hohem und niederem Adel. Auch die Präzedenzfälle, die erwähnten drei Heiraten zwischen den Häusern Hohenzollern und Radziwill, wollte Raumer nicht gelten lassen und brachte dagegen das Argument der Rangerhöhung der Hohenzollern an: Seit den ersten Heiraten zwischen den Häusern sei »das Haus Preußen zur Königswürde und Majestät gestiegen und das wenn auch noch so achtbare und ehrwürdige Radziwillsche Geschlecht ist an Macht, Reichtum, Ansehen gesunken«.95 Zusätzlich stellte sich die für die Juristen der Zeit brennende Frage, wie sich die durch die Bundesakte von 1815 bestätigten Mediatisierungen auf Fragen der Ebenbürtigkeit auswirkten. Eine jüngere Studie von Dorothee Gottwald zeichnet die Debatten des 19. Jahrhunderts nach. Die Jahre zwischen 1815 und 1848 seien von einer Expertendebatte geprägt gewesen, die angesichts der napoleonischen Bereinigungen der deutschen Landkarte nach neuen Grundlagen suchte; in ihrem Kern ging es zunächst darum zu klären, ob – und für welche Gruppen  – das Fürstenprivatrecht angesichts der Neuerungen der napoleonischen Zeit als Gattung überhaupt noch Geltung beanspruchen konnte.96 Der Fall ­Radziwill war im Kontext derartig schwankender Definitionen doppelt kompliziert, da das Haus de facto ja seine Souveränität im Reich nicht verloren, sondern diese nie besessen hatte. Weitaus pikanter aber war Raumers Argument, bereits bei der hohen­ zollernsch-radziwillschen Ehe von 1796 zwischen Luise von Preußen und Fürst Anton Radziwill, den in Berlin lebenden Eltern der jetzt zur Diskussion stehenden Elisa, habe es sich um eine unstandesgemäße Verbindung gehandelt. Zwar 94 Der Briefwechsel der beiden ist ediert in Jagow, Jugendbekenntnisse. 95 Kurt von Raumer, Gutachten vom 1.3.1819, zit. nach: Jagow, Wilhelm und Elisa, S. 21. 96 Gottwald, S. 9–52.

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komme das Wort »morganatisch« in den Akten an keiner Stelle vor, doch gebe es zahlreiche Hinweise darauf, dass Friedrich Wilhelm  II. dieser Ehe ein besonderes Statut hatte geben wollen. Für aussagekräftig hielt Raumer eine ungewöhnliche Formulierung der Verzichtserklärung der Braut ­Luise, die den vollständigen Erb- und Sukzessionsverzicht auch bei Aussterben des Mannesstammes verlangte. Die Hochzeit sei darüber hinaus nicht im königlichen Schloss gefeiert worden, und es habe kein Fackeltanz stattgefunden. Diesem Gutachten folgten weitere von Raumer und anderen Fachleuten, die zusätzliche Argumente lieferten: So wurde angeführt, dass die Bundesakte von 1815, in welcher die mediatisierten Häuser als ebenbürtig anerkannt wurden, auch eine Klärung der Stellung der Familien außerhalb des Reiches mit sich bringe. Die Bundesakte impliziere, dass außerhalb des Reiches ausschließlich souveräne Familien dem Hochadel des Reiches ebenbürtig seien. Diese Auslegung der Bundesakte wurde später von der anderen Seite scharf kritisiert. In einem von Prinz Wilhelm in Auftrag gegebenen Gegengutachten des Juristen Savigny vom 26. Juli 1822 wurde der Akzent jedoch auf einen anderen Punkt gelegt. Savigny betonte erstens, dass die Radziwills dem polnischen Hochadel zuzurechnen seien, zweitens, dass die Reichsfürstenwürde, auch wenn sie nicht mit Landeshoheit oder mit Sitz und Stimme im Reichstag einherginge, durchaus zur Ebenbürtigkeit ausreiche. Weiterhin wurde als Beleg dafür, dass es sich bei der Ehe von 1796 nicht um eine unebenbürtige gehandelt habe, das Argument angeführt, dass Prinzessin Luise den Titel »Königliche Hoheit« weiter habe tragen dürfen.97 Der Streit von Familienmitgliedern und Rechtsgelehrten, der viele hundert Seiten füllte, ohne indes ein endgültig klärendes Argument hervorzubringen, ist ein Spiegel der unsicheren Rechtsgrundlage, auf der die Debatte stand. In gewisser Weise wurde hier der Streit der Gelehrtenschulen, den einst Moser gegen Pütter geführt hatte, fort- und in der Praxis umgesetzt. Der König, dem im Laufe der Zeit zahlreiche Gutachten zugingen, war, auch wenn er schwankte, letztlich nicht von der Ebenbürtigkeit Elisas zu überzeugen. Er zeigte sich jedoch bereit, nach einer Lösung zu suchen, welche seinem Sohn eine Neigungsheirat ermöglichen sollte. Verhandelt wurde über eine rang­ erhöhend wirkende Adoption Elisas; zunächst sollte der Zar, später ein Mitglied der preußischen Königsfamilie diesen Akt vollziehen. Jedoch fand sich am Ende keiner der Genannten bereit, als Adoptivvater aufzutreten. Bevor nach weiteren Auswegen gesucht werden konnte, sorgte die Ehe­ anbahnung von Wilhelms jüngerem Bruder Carl für das Ende der jahrelangen Verhandlungen. Das Haus Sachsen-Weimar, mit dem bereits verhandelt wurde, wollte nämlich seine Tochter an Carl nur hergeben, wenn die Ehe mit Elisa ­Radziwill als morganatische Ehe geschlossen würde. Die großherzogliche

97 Ebd., S.  96. Vgl. in rechtfertigender Absicht Karl Friedrich Eichhorn, Das Verhältniß des hochfürstlich Radziwill’schen Hauses; s. auch Schiemann, Prinzessin Elisa Radziwill und Prinz Wilhelm.

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Familie spekulierte wohl darauf, dass die Verbindung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.) kinderlos bleiben würde und die Thronfolge dann  – Wilhelm überspringend – direkt auf den dritten Sohn Carl übergehen würde. Aus der Tochter des Großherzogs wäre dann eine Königin geworden. Das war die Situation, die Friedrich Wilhelm dazu bewog, die Angelegenheit Radziwill zu beenden. Im Juni 1826 verkündete der König seinen Entschluss, dass Wilhelm endgültig auf Elisa verzichten müsse. 1829 heiratete der Prinz Augusta von Sachsen-Weimar, bekannte sich aber auch danach noch offen zu seiner Jugendliebe und erinnerte sich ihrer mit Wehmut, als sie 1834 starb. Die gescheiterte Verbindung mit den Radziwills ist ein Einzelfall, aber dennoch geeignet, um die sukzessive Verschärfung der Ebenbürtigkeitskriterien bzw. ihre immer schärfere Auslegung zu dokumentieren. Das Argument, der Aufstieg des Hauses müsse sich in seinen verwandtschaftlichen Verbindungen nieder­ schlagen, ist darin zu greifen. Zweifel an der Ebenbürtigkeit gab es auch im Vorfeld der Heirat zwischen Prinz Wilhelm, dem späteren Kaiser Wilhelm  II., und seiner Gattin A ­ uguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg. Sie entstammte zwar einer Seitenlinie des Hauses Oldenburg und damit einer der alten Königsdynastien Europas, doch war die augustenburgische Linie nicht nur niemals zur Souveränität gelangt, sondern sie hatte sich darüber hinaus auch bei vergangenen Heiraten nicht an den strengen im Reich gültigen Regeln orientiert. Vielmehr hatte sie sich die weitaus liberalen Ebenbürtigkeitsvorstellungen des dänischen Königshauses zu Eigen gemacht. Stein des Anstoßes war aus preußischer Sicht eine Heirat von Auguste Viktorias Großvater mit einer Tochter der dänischen Adelsfamilie Dannescjold-Samsöe, die von illegitimen Nachkommen des dänischen Königshauses abstammte. Auch andere Mitglieder der Familie hatten sich mit Vertretern des niederen Adels und in Einzelfällen sogar mit Bürgerlichen vermählt. So gab es eine Tante Auguste Viktorias, die mit dem Kieler Chirurgieprofessor Friedrich Esmarch verheiratet war. Die wiederholte Versündigung am Ebenbürtigkeitsrecht habe, so die Auffassung der missliebigen Kommentatoren, das blaue Blut der Augustenburger gleichsam ver­wässert. In der preußischen Kaiserfamilie wurde gescherzt, dass, falls bei Wilhelm und seiner Frau Nachwuchs zu erwarten sei, »alles billig und einfach durch Onkel Esmarch besorgt werden« könne.98 Das Murren von Familie und Hof wurde am deutlichsten von Friedrich Karl, einem Sohn des Prinzen Carl, formuliert. »Für den künftigen König und Deutschen Kaiser hätte ich eine vornehmere Partie gewünscht … In dieser Zeit, wo die Throne leicht wanken, wird diese Heirath, fürchte ich, Deines Sohnes Thron nicht befestigen.«99 In der Heiratsangelegenheit mit dem Haus Hohenzollern rettete die Augustenburger schließlich ihre Zugehörigkeit zu dem königlichen Haus Oldenburg. 98 Friedrich (III.) an Victoria, 24.3.1880, zit. nach: Röhl, Wilhelm II, Bd.  1, München 1993, S. 368. 99 Friedrich Carl an Victoria, 25.3.1880, zit. nach: ebd.

99 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Das Gutachten des Leipziger Jura-Professors Emil Friedberg, mit Bezug auf ältere Schriften aus dem Kontext der schleswig-holsteinischen Erbfolgefrage, verwies auf den Grundsatz, dass alle Mitglieder und Linien eines ebenbürtigen Hauses dann als gleichberechtigt zu gelten hätten, wenn sie in ihrem eigenen Haus anerkannt würden. Die Kritiker der Verbindung verstummten angesichts dieser juristischen Klärung nicht; der Kaiser, der als Oberhaupt des Hauses das letzte Wort hatte, war allerdings bereit, dem Urteil eines angesehenen Ex­ perten zu folgen. Die politische Seite der Heirat, der nach wie vor bestehende augustenburgische Anspruch auf Schleswig-Holstein, schien für ihn schwerer zu wiegen.100 Entsprechend dem Wunsch, den Kreis des hohen Adels geschlossen zu halten und innerhalb desselben so vornehm wie möglich zu heiraten, wurde der Grundsatz der Ebenbürtigkeit streng observiert. Zur Flankierung dieser selektiven Partnerwahl war es aber auch nötig, dass in den wenigen Fällen, in denen nicht-standesgemäße Ehen geschlossen wurden, diese entweder für ungültig erklärt oder als »morganatische« Ehen unter ein minderes Rechtsstatut gestellt wurden; das bedeutete, dass eine angeheiratete Frau und ihre Kinder nie vollgültige Mitglieder des Hauses werden konnten. Die Gesamtzahl der Missehen und morganatischen Ehen zwischen 1640 und 1918 ist gering; unter den 88 Ehen, welche in diesem Zeitraum geschlossen wurden, sind nur sieben un­standesgemäße zu finden. Alle sieben Fälle betreffen männliche Mitglieder der Dynastie. Wie schon die demographische Analyse gezeigt hat, wurden die Töchter des Hauses fast ohne Ausnahme in legitime Ehen gegeben. Ledig durften nur die wenigen geistlichen Frauen bleiben; unstandesgemäße Ehen für Töchter waren bei den Hohenzollern offenbar undenkbar. Von 1640 bis zum Tod Friedrichs II. im Jahr 1786 ist nur eine einzige Missheirat bekannt; diese im Jahr 1695 geschlossene Verbindung, die hausgesetz­ liche Regeln und die Autorität des Familienvorstands in eklatanter Weise missachtete, erregte großes Aufsehen und bot sogar Stoff zu einem Roman von Benoît Patono.101 Markgraf Karl Philipp, ein Sohn aus der zweiten Ehe des Großen Kurfürsten, befand sich in militärischer Mission in Norditalien und am ­Turiner Hof des Herzogs von Savoyen. Dort lernte er die Witwe eines adeligen Hofmannes, Katharina von Balbiano, kennen und verliebte sich in diese ge­ bildete und schöne Frau. Eine Ehe kam allein schon wegen des konfessionellen Unterschiedes kaum in Frage. Schwerer wog jedoch der niedrige Adelsrang der begehrten Italienerin, welche die von Hausgesetzen und -observanz aufgestellten Mindestanforderungen nicht erfüllte, geschweige denn die Ambitionen eines zur Königswürde strebenden Kurfürstenhauses befriedigen konnte. Karl Philipp war sich dieser Schwierigkeiten bewusst und sein Stiefbruder, der Kurfürst, versuchte aus der Ferne, im Bund mit dem Herzog von Savoyen und ört100 Jörg Johannsen-Reichert; Weiberg. 101 Patono; eine quellennahe Deutung, die Patono in vielen Punkten widerlegt, findet sich bei Neigebaur.

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lichen kirchlichen Würdenträgern die Ehe zu verhindern. Doch Karl Philipp und Katharina benutzten ein Schlupfloch der tridentinischen Ehelehre, die sogenannte »assistentia passiva«. Sie bestand darin, vor einem Geistlichen in Anwesenheit zweier Zeugen eine beiderseitige Eheerklärung abzugeben. Dieses Verfahren führte zu einer gültigen Ehe, auch wenn der Geistliche von dem Ansinnen der Ehewilligen überrascht wurde. Karl und Katharina legten es auf eine solche »assistentia passiva« an, als sie am 29.  Mai 1695 einen Dorfpfarrer auf das Jagdschloss La Veneria kommen ließen und ihm dann, unter den Protesten einiger anwesender Brandenburger, ihre Erklärungen abgaben. Nach turbulenten Szenen in La Veneria zogen sich die Frischvermählten in den vom Mark­ grafen bewohnten Turiner Palazzo zurück, um die Ehe zu vollziehen und damit unumkehrbar zu machen. Der Herzog von Savoyen wurde als Verbündeter des brandenburgischen Kurfürsten zum Vollstrecker des Familienwillens. Er ließ die illegitime Markgräfin verhaften und im Kloster Santa Croce in Turin inhaftieren. Von hier schrieb sie eine Reihe von Briefen, welche später veröffentlicht wurden und zur Berühmtheit dieses Falles beigetragen haben. Beide Eheleute wurden bewacht, und jegliches weitere Treffen wurde verboten. Der Markgraf strengte daraufhin einen Prozess in Rom an, um die ihm nach kanonischem Recht angetraute Gattin zurückzuerhalten. Den Ausgang des Prozesses erlebte er jedoch nicht mehr, da er am 23. Juli 1695 im Lager vor Casale an einem Fieber erkrankte und starb. Der Papst bestätigte, dass dem Ehesakrament durch das gewählte Verfahren Genüge getan worden sei und dem Prinzen die Gattin zurückzugeben gewesen wäre. Von der Familie, die auch durch Geldangebote versuchte, Catharina zum Rücktritt von der Ehe zu bewegen, wurde die Heirat niemals anerkannt. Bei der italienischen Romanze des Markgrafen Karl Philipp handelt es sich um eines der im Haus Hohenzollern überaus raren Beispiele für das voll­ ständige Ausbrechen aus der dynastischen Raison und ein regelrechtes Aufbäumen gegen die Familiensitte und die Autorität des Oberhauptes. In diesem Fall zeigt sich, dass nur ein gewissenhaftes Mitwirken aller Familienmitglieder die Einhaltung dynastischer Regelsysteme gewährleisten konnte. Gegen das Ausscheren einzelner Familienmitglieder war die Familie machtlos. Konsequenzen für den familiären Besitz konnte das Verhalten des verliebten Markgrafen allerdings nicht haben, denn die Missheirat führte zum Ausschluss der Gattin und eventueller Kinder von jeglichem Erbe. Die Missheirat des Markgrafen Karl Philipp blieb bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ein Einzelfall im Haus Hohenzollern. Erst ein Jahrhundert später ging König Friedrich Wilhelm  II., nachdem er jahrelang mit einer Mätresse in enger Beziehung gelebt und fünf Kinder gezeugt sowie zwei ebenbürtige Ehen und eine Scheidung hinter sich gebracht hatte, zwei unstandesgemäße geheime Missehen ein. Beide waren vor allem deshalb möglich, weil Friedrich Wilhelm 1786 zum Chef des Hauses geworden war und damit niemandes Erlaubnis erfragen musste. Beide rührten aus dem inneren Konflikt zwischen den sexuellen Bedürfnissen des Königs und seinen religiös begründeten 101 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Befürchtungen her, die sich für ihn mit uneingesegneten Beziehungen verbanden.102 Beide waren besonders pikant, da er zum Zeitpunkt ihres Abschlusses ein verheirateter Mann war und somit mit Recht der Polygamie bezichtigt werden konnte. Dass seine zweite Frau die ehelichen Pflichten verweigerte, diente ihm als Argument für die Behauptung, dass die Ehe de facto gelöst sei. Partnerin in der ersten Missehe war Gräfin Elisabeth Amelie, genannt Julie, von Voß, eine Nichte des Grafen Finck von Finckenstein. Die Trauung soll in aller Heimlichkeit am 26. Mai 1787 in der Schlosskapelle stattgefunden haben. Es wurden keinerlei Schriftstücke aufgesetzt, so dass auch hier von einer Missehe, nicht von einer morganatischen Ehe zu sprechen ist. Julie von Voß wurde zur Gräfin von Ingenheim erhoben. Ihr Sohn, dessen Vater der König war, trug den Titel eines Grafen von Ingenheim. Julie wohnte im Charlottenburger Schloss, wo die Ehe nicht dauerhaft geheim bleiben konnte. So war der Skandal groß, über den Status einer Mätresse ist die geheim Angetraute nie hinausgekommen. Sie starb im Jahr 1789, und der König quälte sich erneut im Zwiestreit zwischen seinen sexu­ellen Bedürfnissen und seiner Frömmigkeit. Die Hofdame Sophie ­Gräfin von Dönhoff, eine reizvolle, musikalisch gebildete Frau, entwickelte sich zum Objekt der Begierde. Wiederum wurde im Geheimen und ohne Urkunden getraut. Sehr bald stellte sich heraus, dass das Paar nicht harmonierte. Die Gattin zog nach Neuchâtel. Nach einer kurzen, aber dramatischen Wiederbegegnung im Park Sanssouci wurden ihr ihre vom König gezeugten Kinder, welche den Titel Graf bzw. Gräfin von Brandenburg trugen, abgenommen, und sie wurde mit einer Pension nach Angermünde in die Uckermark ab­ geschoben.103 Diese zwei Missheiraten haben dem Ansehen des Königshauses geschadet. Eine große Gefahr für die dynastischen Strategien stellten sie jedoch nicht dar. Durch zwei vollgültige Ehen hatte Friedrich Wilhelm II. seine Pflichten gegenüber der Dynastie erfüllt. Gattinnen und Kinder der Missehen hatten keine Ansprüche erworben, die sie zur Teilhabe am Familienstatus und -besitz ermächtigten. Die ersten morganatischen Heiraten hat es im Haus Hohenzollern im 19. Jahrhundert gegeben. Friedrich Wilhelm III., der älteste Sohn und Nachfolger des Königs, der vier Mal heiratete, legte großen Wert darauf, bei seinem Regierungsantritt dem Eindruck von Unmoral im Königshaus, den sein Vater hinterlassen hatte, entgegenzuwirken. Dazu gehörten zunächst drakonische und vornehmlich für die Öffentlichkeit bestimmte Maßnahmen gegen die langjährige Mätresse seines Vaters, Wilhelmine Encke. Der Sohn machte mit der ihm 1793 angetrauten mecklenburgischen Prinzessin Luise ein intaktes, inniges Ehe- und Familienleben geradezu zum Markenzeichen seiner Regierung. Der Popularität des Königshauses war dies in hohem Maße zuträglich. Vierzehn Jahre nach dem Tod seiner Gattin Luise heiratete Friedrich Willhelm III. jedoch ein zweites Mal.

102 Zur Sexualität im fürstlichen Haus s. Bastl, Eheliche Sexualität. 103 Bringmann, S. 111–134.

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Ähnlich wie bei seinem Vater wäre es sicher verfehlt, von einer Liebesheirat zu sprechen. Während der Vater durch »geheime« Ehen den kirchlichen Segen für seinen sexuellen Betätigungsdrang suchte, sehnte sich der Sohn im fortgeschrittenen Alter wohl vor allem nach einer ihn gütig umsorgenden Schwester oder Tochter, die ihm eine Fortsetzung des häuslichen Lebens ermöglichte, nachdem sein letztes Kind das Haus verlassen hatte. Eine sexuelle Beziehung soll es zwischen Friedrich Wilhelm III. und Auguste von Harrach, die der König im Bad in Teplitz kennengelernt hatte, nicht gegeben haben. Es ist auch kein Nachwuchs aus der Verbindung entstanden. Auch diese Ehe wurde zunächst geheim geschlossen, sie erhielt jedoch von vornherein durch eine entsprechend aufgesetzte Urkunde den Status einer morganatischen Verbindung, bei welcher die Gräfin und ihre Nachkommen vertraglich von Sukzession, Titel und Erbe ausgeschlossen waren. Anders als bei den Missheiraten des 17. und 18. Jahrhunderts wurden jedoch Nadelgelder und Wittum zugesichert.104 Friedrich Wilhelm III. lüftete das Geheimnis um seine neue Gattin erst nach der Heirat und führte diese bei der Mittagstafel mit den Worten »Dies ist eine junge Dame, die ich Ihrem Wohlwollen empfehle« ein.105 Allerdings hatte auch Auguste, deren Status bei weitem besser war als der früherer Gattinnen aus Missheiraten und die jetzt den Titel einer Fürstin von Liegnitz trug, keine vorteilhafte Stellung am Hof; dem Rang nach war sie allen Damen am Hof nachgestellt. So spielte sie in den sechzehn Ehejahren eine Nebenrolle. Hof und Öffentlichkeit waren ihr nicht zugetan, und nicht einmal bei der Beerdigung des Königs, die ihre marginale Existenz am Hof beendete, durfte sie anwesend sein. Trotz des Missfallens der königlichen Familie an der neuen Gattin des Königs, die den anhaltenden Kult um die Königin Luise störte, konnte auch Friedrich Wilhelm  III. nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe den dynastischen Strategien zuwidergehandelt.106 Am Anfang der 1850er Jahre, als das preußische Königshaus angesichts der mit Mühe bewältigten revolutionären Unruhen ohnehin erschüttert war, gab es weitere Skandale und morganatische Ehen im Haus Hohenzollern. Prinz Adalbert, ein Neffe Friedrich Wilhelms III., heiratete am 20. April 1850 im Schloss Monbijou die weltberühmte Tänzerin Therese Elßler, aus der Theresa Freiin von Barnim wurde. Adalbert war so weit von der Thronfolge entfernt, dass dies für die dynastischen Strategien keine ernstlichen Folgen haben konnte. Gerede produzierte diese Verbindung, die weit aus der Sphäre von Hof und Hochadel hinausführte, dennoch. Parallel dazu entspann sich der größte Eheskandal der Hohenzollern im 19. Jahrhundert. Im Jahr 1830 war Prinz Albrecht, der jüngste Sohn Friedrich Wilhelms III., mit der niederländischen Prinzessin Marianne verheiratet worden. Die Eheleute fanden nicht zueinander und flüchteten sich in außerehe­ 104 Urkunde über unsere morganatische Ehe; zu den Heiratsgütern siehe Kapitel 2.3. 105 Harrach, S. 18. 106 Vgl. Stamm-Kuhlmann, König in Preußens großer Zeit, S. 517–520.

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liche Beziehungen. Marianne begann eine Affäre mit ihrem niederländischen ­Kutscher und wurde sogar von ihm schwanger. Hof und Berliner Gesellschaft waren außer sich. Der Gemahl, Prinz Albrecht, ging seinerseits auf Seiten­pfaden und wurde in Berliner Vergnügungsetablissements, unter anderem im gerade erst erbauten Krollschen Wintergarten, gesehen. Er knüpfte eine Beziehung zu Rosalie von Rauch, der Tochter des verstorbenen Kriegsministers General von Rauch. Die Ehe mit Marianne wurde, auch wenn der tiefreli­giöse Friedrich Wilhelm IV. strikt dagegen war, im Jahr 1849 geschieden. Marianne wurde die Schuld an der Zerrüttung der Ehe gegeben. Sie verlor ihre Kinder, musste Preußen verlassen und versuchte, in Sizilien mit ihrem Kutscher ein neues Leben zu beginnen. Als Prinz Albrecht bald nach der Scheidung mit dem Plan einer neuen, diesmal morganatischen Ehe aufwartete, erfüllte dies den König, der den Ruf des Hauses in Gefahr sah, mit Schrecken und Abscheu. Die Ehe wurde dennoch geschlossen und Rosalie zur Gräfin von Hohenau erhoben. Doch zu den Bedingungen der Ehe gehörte es, dass die Braut preußische Lande nicht mehr betreten durfte. Albrecht und Rosalie verließen Preußen und errichteten mit einer Zuwendung von mehreren Millionen Talern das Schloß Albrechtsberg in Sachsen. Erst Wilhelm  I. akzeptierte Rosalie von Rauch als Schwägerin.107 Morganatisch war auch die Heirat des fünften Sohnes von Wilhelm  II., ­Oskar, mit Ina von Bassewitz im Jahr 1914. Letztere gehörte zum landsässigen mecklenburgischen Adel und zum Hofstaat der Kaiserin Auguste Viktoria. Wilhelm II., Vater und Chef des Hauses, zögerte zwei Jahre, bevor er seine Einwilligung gab. Das Paar bezog nach seiner Heirat die Villa Quandt am Potsdamer Pfingstberg. Die vier Kinder waren nicht sukzessionfähig.108 Eine zeitgenössische Karrikatur anlässlich dieser Verbindung war mit folgendem Reim unterschrieben: »Sonst kommt Amor preußisch-bürokratisch / Heute kreuz­ fidel und morganatisch!« So ist unter den Königen Friedrich Wilhelm  II. bis Friedrich Wilhelm  IV. eine Zunahme der Missehen und der morganatischen Ehen gegenüber der Zeit davor und danach zu verzeichnen. Unter Wilhelm I. kehrte man wieder zu einer strengeren Observanz zurück. Von einem Bröckeln des ständischen Bewusstseins bei den Hohenzollern kann keine Rede sein. Morganatische Ehen waren keinesfalls ein Bruch mit dem Regelsystem der Ebenbürtigkeit, vielmehr seine Bestätigung und logische Konsequenz. Das spezifische Rechtsstatut verhinderte, dass Status und Besitz der Familie auf die Nachkommen aus solchen Familien übergehen konnten. Darüber hinaus waren Miss- und morganatische Ehen selten, und sie waren in der Regel Zweit- oder Drittehen oder wurden von Mitgliedern der Familie geschlossen, die in der Thronfolge weit hinten standen. In diesen Positionen der Erbfolge konnten sie durchaus dem dynastischen In-

107 Zeidler u. Zeidler, S. 64–127. 108 Zur Familie Bassewitz siehe Hueck, Bd. 1, Limburg 1972, S. 241 f.

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teresse zuträglich sein, indem sie die Entstehung von legitimem und damit mit Ansprüchen auf Versorgung versehenem Nachwuchs verhinderten. Auch wenn die Mechanismen gegenseitiger Status-Konfirmation hier nicht greifen konnten und Ansehensverlust drohte, boten morganatische Ehen Flexibilität, ohne die dynastischen Strategien in Gefahr zu bringen. Die Funktion der Ebenbürtigkeitsgesetze vor dem Hintergrund einer familiä­ ren Strategie zum Erhalt von Status und Besitz ist leicht zu bestimmen. Es ging darum, den Kreis der potentiellen Teilhaber an der höchsten Statusgruppe und ihren Besitz auf wenige Familien zu begrenzen und damit zu monopo­lisieren. Die Ebenbürtigkeit zog eine Grenze zwischen Hoch- und Niederadel. Mobilität zwischen Ständen durch Heirat wurde damit erschwert. Heiraten außerhalb des Kreises der standesgemäßen Familien hat es bei den Hohenzollern in Ausnahmefällen und nur bei Männern gegeben, sie wurden aber bei der Weitergabe von Ämtern, Status und Besitz so gestellt, dass kein Verlust entstehen konnte. Weiterhin lässt sich zeigen, dass adelsrechtliche Ebenbürtigkeit – das bestätigt die Ausführungen über die Rolle der Ehepraxis als Mittel der Status­wahrung – lediglich ein Minimalkriterium war. Innerhalb der Gruppe der Ebenbürtigen gab es das Bestreben, so hochrangig wie möglich zu heiraten. In diesem Sinne wies das Mémoire der Eltern Wilhelms II. ausdrücklich darauf hin, dass als Bräute für den zukünftigen Deutschen Kaiser Töchter königlicher Familien nicht zur Verfügung stünden. Dieser Hinweis dokumentiert das Bestreben, nicht nur ebenbürtig, sondern wenn möglich auch im gleichen Adelsrang zu heiraten. Von einer Erosion der hochadeligen Ehepraxis in Ebenbürtigkeitsfragen kann also nicht die Rede sein; im Gegenteil verschärften sich die Kriterien für Eben­bürtigkeit im 19. Jahrhundert; der Fall Radziwill ist hier charakteristisch. In diesem Punkt besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen dem hohen und dem niederen Adel. Mit dem gesellschaftlichen Wandel war dessen Exogamie mit anderen sozialen Gruppen, insbesondere dem Bürgertum, eine teils un­vermeidliche, teils lukrative Option. Die von der sozialgeschichtlichen Adelsforschung analysierte Vermischung von Teilen des Adels mit Teilen des Bürgertums gab es im regierenden Adel nicht; er blieb bis 1918 eine nach unten fast hermetisch abgeschlossene Kaste.

2.3 Das Gleichgewicht der Heiratsgüter In Claude Lévi-Strauss’ Ethnologie der Verwandtschaft, die Mauss’ Gaben­ theorie aufgreift und fortdenkt, wird zwischen verschiedenen Formen des Tausches unterschieden. Die modernen westlichen Gesellschaften scheinen, so Lévi-Strauss, ganz und gar vom Prinzip der Gewinnmaximierung geprägt. Tatsächlich haben sie aber ältere Formen des Tausches bewahrt. Charakteristisch für archaische Gesellschaften seien Formen des Tauschhandels, bei denen beide Seiten einen gleichartigen oder vergleichbar großen Einsatz leisten. Werde 105 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

das »Prinzip der Gegenseitigkeit«109 berücksichtigt, könne keine Seite einen ­Gewinn für sich verbuchen; statt eines einseitigen Vorteils entstehe ein gemeinschaftlicher oder ideeller Nutzen. Der ausgeglichene Tausch sei Voraussetzung für weitere Kooperation und gute Beziehungen. Als Beispiele für solche Formen des Tausches nennt er nicht nur die verwandtschaftlichen Muster außereuropäischer Kulturen, sondern auch Beispiele aus den heutigen westlichen Gesellschaften, etwa das Weihnachtsfest. Die hochadelige Heiratspraxis konnte beide Formen des Tauschs beinhalten und entsprach daher dem ethnologischen Konzept des »kompetitiven Tauschs«, das Régine LeJan auf die Eliten des Mittelalters angewandt hat. Bei Heiraten war das wichtigste Tauschobjekt eine Tochter. Ihr Tauschwert beruhte vor allem auf ihrer Fähigkeit, Leben zu schenken. Daneben schlugen ihre Schönheit, ihre Bildung, ihr Status und gegebenenfalls die von ihr mitgebrachten Ansprüche zu Buche. Die Familie der Braut gab eine Tochter; doch was erhielt sie dafür im Gegenzug von der Sippe des Bräutigams? Das Ungleichgewicht konnte auf unterschiedliche Weise von der Familie des Bräutigams ausgeglichen werden. Dies war erstens der Fall, wenn bei anderer Gelegenheit eine Ehe in umgekehrter Richtung geschlossen wurde. Zweitens tauschten bei der Heirat beide das immaterielle Gut eines hohen Rangs. Indem sich zwei Familien liierten, verliehen sie gegenseitig ihrer exklusiven Stellung Ausdruck und grenzten sich von dritten ab, die nicht über einen vergleich­ baren Rang verfügten. Es entstand demnach nicht für eine Seite ein Gewinn, sondern für beide ein gemeinsamer Nutzen. Wenn Rangunterschiede zwischen den sich verbindenden Familien vorlagen, trat allerdings eine andere Situation ein. Wenn eine Seite »nach oben« heiratete, konnte solcher einseitige Gewinn durch Gegenleistungen in anderer Form kompensiert werden. Drittens konnten –  wie der im vierten Teil  dargestellte Typus der »Heirat als Unterpfand« zeigen wird  – auch politische Gegenleistungen die Waage des Tausches aus­ balancieren. Viertens bestand die Gegenleistung der Familie des Bräutigams aber auch darin, dass sie der Familie der Braut die Versorgung einer Tochter abnahm. Diese Fragen wurden in den Eheverträgen oder genauer in jenen Paragraphen derselben geregelt, die sich mit den Ehegütern beschäftigten. Das Geschäft mit den Ehegütern stellte gleichsam einen Tausch im Tausch dar, bei dem wiederum Formen mit einseitigem Nutzen von anderen zu unterscheiden sind, bei denen die Gaben beider Seiten austariert waren. Die Ehegüter bestanden im Kern aus der Mitgift der Braut, der eine »Gegengabe« oder »Widerlage« entsprach, die der Bräutigam in die Ehe brachte. Erlaubt es dies, von einem Gleichgewicht der Ehegüter zu sprechen? Oder waren, insbesondere bei der Mitgift, Gewinne möglich? Wie entwickelte sich die Höhe der Ehegüter angesichts des steigenden Rangs der Hohenzollern? 109 Lévi-Strauss, Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft, S. 107–127.

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Monique Valtat schätzt in ihrer Studie über bourbonische Eheverträge die Bedeutung der Heiratsgüter als gering ein; entscheidend seien die politischen Interessen gewesen.110 Auch im Haus Hohenzollern scheint die Höhe der Mitgift kein entscheidendes Kriterium einer Heiratsentscheidung gewesen zu sein. Dafür spricht allein schon die Tatsache, dass Mitgiften in der Regel erst kurz vor dem Abschluss der Heirat verhandelt wurden – das heißt zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Rücktritt nur noch mit großem Schaden für alle Beteiligten möglich war. Auch die Beobachtung, dass die Verhandlungsakten in keinem der hier untersuchten Fälle ein zähes Ringen um Mitgiften dokumentieren, ist ein erstes Indiz für eine im Vergleich zu anderen Faktoren geringere Bedeutung der Mitgift für eine »gute Partie«. Die sogenannte »Heimsteuer« war die »zentrale Gabe der Frauenseite«.111 Diese auch »Zugeld« oder »Mitgift« genannte Summe zahlte der Vater der Braut bei der Heirat an deren Ehemann. Die Mitgift war Teil der familiären Versorgungsverpflichtung gegenüber einer Tochter; der Unterhalt derselben wurde hier durch eine einmalige größere Besitzübertragung gewährleistet. Damit endete die Versorgungsverpflichtung der Familie gegenüber der Tochter. Letztere verzichtete bei der Verheiratung auf alle weiteren Ansprüche auf Versorgung und Erbe durch ihre Herkunftsfamilie, und die Mitgift galt als Entschädigung für diesen Verzicht. Die Mitgift bestand im Hochmittelalter noch häufig aus immobilem Besitz, wurde jedoch seit dem 15. Jahrhundert im Adel des Reiches regelmäßig als Geldzahlung geleistet. Diese Umwandlung war ganz im Sinne der hausgesetzlichen Regelungen, die den Verlust von familiärem Besitz über kollaterale Verbindungen minimieren sollten. Zusätzlich zur Heimsteuer erhielten die Bräute in Mittelalter und Neuzeit eine »Heimfertigung« oder »Aussteuer« von ihrer Herkunftsfamilie, die aus Kleidung und Hausrat bestand.112 Mitgift und Aussteuer stellten den Beitrag der Brautfamilie zur Etablierung der Ehegemeinschaft dar. Weder die eine noch die andere Gabe ging allerdings in den Besitz der Braut über; vielmehr wurden sie der Familie des Ehemanns übertragen, der daraus die Kosten des stets in Gütertrennung lebenden Paares und der späteren Familie bestreiten sollte. Die Höhe der Mitgift war zwar theoretisch hausoder gewohnheitsrechtlich festgelegt, variierte aber je nach Zweig der Familie, Partner und verfügbarem finanziellen Vermögen. Mitgift und Aussteuer waren keine einseitigen Leistungen, sondern beruhten auf dem »Prinzip der Gegenseitigkeit«. Auch die Familie des Bräutigams steuerte Besitz zur Versorgung der neuen Gemeinschaft bei. Dazu gehörte vor allem die sogenannte »Gegengabe« (auch »Widerlage«, »Widergabe« oder »Gegengift« genannt), die in der Regel die gleiche Höhe hatte wie die Mitgift. Sie war jedoch keine Gegengabe an die Braut oder ihre Familie, sondern wie die Mitgift eine Gabe an die neue Ehegemeinschaft, deren Oberhaupt der Bräutigam vom 110 Valtat, S. 73. 111 Spieß, Familie und Verwandtschaft, S. 133. 112 Zur Aussteuer: Fine; Kaplan.

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Moment der Heirat an war. Weder Mitgift noch Widerlage durften im Verlauf der Ehe ausgegeben werden. Vielmehr sicherten sie die kontrahierenden Familien durch Verschreibungen auf gleichwertige Güter. Aus diesen flossen jährliche Einkünfte an den Bräutigam, die einem bestimmten, vorher festgelegten Prozentsatz entsprachen und die Grundlage des Familieneinkommens darstellten. Als sich das Bank- und Finanzwesen weiter entwickelt hatte, wurde die Summe aus Mitgift und Gegengabe auch verzinslich angelegt. Wenn hier vom »Gleichgewicht der Ehegüter« die Rede ist, so kann damit ausschließlich die Balance zwischen den Investitionen der beiden Familien gemeint sein. Die getauschte Tochter hatte nur wenig zu gewinnen. Sie war Tauschobjekt, nicht Tauschpartner. Ihr Mann gewann immerhin die materielle Grundlage für seine Familiengründung. Doch selbst wenn Mitgift und Gegengabe unter die Aufsicht des Mannes gestellt wurden, war die Braut nach der Eheschließung nicht ganz ohne eigene Einkünfte. Nach der Hochzeitsnacht erhielt sie von ihrem frisch angetrauten Ehemann die »Morgengabe«. Dies war eine Geldzahlung, die in ihrer Höhe etwa dem Wert der Aussteuer entsprach. Auch die Morgengabe konnte so investiert werden, dass sie absehbare jährliche Einkünfte abwarf. Über diese konnte die Ehefrau entscheiden. Je nach Arrangement konnten diese Einkünfte ein Teil der sogenannten »Hand-, Spill- und Nadelgelder« sein, mit denen die Ehefrau laufende Kosten, etwa für Kleidung, bestreiten konnte; es war auch möglich, dass Hand-, Spill- und Nadelgelder zusätzlich eingeräumt wurden. Morgengabe und Nadelgelder sicherten eine gewisse finanzielle Eigenständigkeit der Ehefrau. Die Eheverträge mussten außerdem die Frage regeln, was mit den Ehegütern, also der Gesamtheit der familiären Investitionen in das neue Paar, beim Tod eines der beiden oder beider Eheleute geschehen sollte. Für den Fall, dass der Gatte vor der Gattin starb, musste eine Witwenversorgung vereinbart werden. Deren Höhe wurde im Ehevertrag ausgewiesen; sie wurde – wie vorher die Kosten der Ehe – bis zum Tod der Ehefrau aus den Erträgen der Ehegüter bestritten. Zum Wittum gehörte in der Regel auch ein Witwensitz. Starb die Ehefrau vor dem Ehemann und waren keine erbberechtigten Kinder vorhanden, fiel das von der Brautfamilie eingebrachte Heiratsgut in vielen Fällen an diese zurück. Auch die Frage der Zweitehen musste geklärt werden. Wenn keine gesonderten Maßnahmen beschlossen waren, bestand aus Sicht der Mannesseite das Risiko, dass eine Witwe die Erträge ihres gesamten Heiratsguts aus erster Ehe und eventuell sogar ihren Witwensitz in eine zweite Ehe einbringen konnte.113 So konnte es geschehen, dass Heiratsgut aus erster Ehe an Kinder aus einer zweiten Verbindung vererbt wurde. Damit profitierte die zweite Familie von Gütern der Familie des ersten Mannes. Solche aus der Sicht der Familie des Mannes verlustreichen Operationen wurden zunehmend durch Sonderregelungen unterbunden. Dennoch konnten gerade diese Möglichkeiten die besondere Attraktivität 113 Spieß, Familie und Verwandtschaft, S. 158 ff.; Delille.

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der Heiraten mit Witwen ausmachen, welche sich ein zweites Mal auf den Heiratsmarkt begaben.114 Dass Hausgesetze und Traditionen starken Einfluss auf die Höhe der Heiratsgüter hatten, mag eine Erklärung dafür sein, dass sie selten zum Gegenstand von regelrechten Verhandlungen wurden. Heinz Reif hat darüber hinaus nachgewiesen, dass die Geschlossenheit der verwandtschaftlichen Formationen des Westfälischen Adels für die Höhe der Mitgift eine entscheidende Rolle spielte: »Im engeren regionalen Heiratskreis konnte man in dem Maße, in dem das geschlossene Heiratssystem fest etabliert war, die Brautschätze auf einem außerordentlich niedrigen Niveau gleichsam einfrieren, ohne dass sich die Heiratschancen der Töchter entsprechend verringerten.«115 Es hätten sich »Regelsätze« zwischen häufig heiratenden Familien eingespielt, zwischen denen Besitztümer bei reziproken Heiraten hin- und herwechselten. Es habe sogar die Praxis des Stundens von Mitgiften im Hinblick auf spätere Eheschließungen gegeben; umgekehrt sei auch Schuldenerlass eine Variante der Zahlung des Brautschatzes gewesen. Andere Studien bestätigen die Hypothese, dass Mitgiften nur in seltenen Fällen durch Verhandlung nach oben getrieben wurden.116 Die Fixierung von Mitgift und Gegengabe auf niedrigem Niveau war eine Besonderheit der nord- und osteuropäischen Häuser; im Süden und Westen Europas hingegen stiegen Mitgiften im 16./17. Jahrhundert kontinuierlich an.117 Vorhersehbare Kosten waren aus der Perspektive des Hausvorstandes günstig, konnten aber für die neu gegründeten Familien problematisch sein; dies hat etwa Johann Jakob Moser in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts betont. In früheren Zeiten, so Moser, als die Repräsentationspflichten geringer und die Preise niedriger gewesen seien, »waren die Heurathgüter derer Teutschen Dames zu diesem Zweck noch so ziemlich proportioniert«. Inzwischen sei das »Figurmachen« unumgänglich, und mit dem Heiratsgut, das »meistens in dem uralten Stande bleibt, lassen sich schlechte Sprünge … machen«.118 Bei der Untersuchung der Ehegüter im Haus Hohenzollern ist zunächst ein Blick in die hausgesetzlichen Regelungen nötig. Laut dem Ansbacher Vergleich von 1603 sollten die Töchter der brandenburgischen Linie 20.000 Gulden, die der fränkischen Linie 12.000 Gulden Mitgift erhalten. Ein Blick in hohenzollersche Eheverträge zeigt jedoch, dass die hausgesetzlich festgesetzten Werte durchaus variierten. Darüber hinaus ist deutlich, dass durch die hausgesetzliche Fest­ legung der Mitgift nur ein kleiner Teil des bei Heiraten relevanten Gutes geregelt war; Aussteuer, Widerlage, Morgengabe, Nadelgelder waren nicht angesprochen und daher flexibler. 114 Cavallo u. Lyndan; Kuiper; Neuhaus; Schattkowsky; Todd. 115 Reif, Westfälischer Adel, S. 78–121, Zitat S. 86. 116 Bély, La société des princes, S. 195–213, insb. S. 206 f.; s. auch Molho, S. 298–324; Spieß, Familie und Verwandtschaft, S. 131–161. 117 Zur Entwicklung der Mitgift im europäischen Adel siehe Hufton, S. 64–66. 118 Moser, Bd. 12, 2, S. 307.

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In den Grundzügen entsprechen die Ehepakte der Hohenzollern dem System von Gegenseitigkeit, das in den Forschungen über Mittelalter und Frühe Neuzeit herausgearbeitet worden ist: Mitgift und Widerlage, Aussteuer, Morgengabe, Hand-, Spill- und Nadelgelder und Wittum waren in eine Balance zu bringen.119 Trifft die Beobachtung zu, dass die Mitgiften und entsprechend die Gegengaben über die Jahrhunderte gleich blieben, während die Kosten des höfischen Lebens kontinuierlich anstiegen? Eine erste Antwort auf diese Frage kann mithilfe einer aus den Beständen des Ministeriums des königlichen Hauses stammenden Tabelle gegeben werden, welche die Heiratsgüter von etwa 25 brandenburgischen und preußischen Prinzen und Königen zwischen 1646 bis 1857 verzeichnet.120 Hier fällt auf, dass die in der Spalte »Heiratsgut« eingetragenen Summen, in welcher die Höhe von Mitgift bzw. Gegengabe verzeichnet ist, sich in einer Spanne zwischen 15.000 und 40.000 Taler bewegen. Nur vereinzelte Hochzeiten stechen durch signifikant höhere Heiratsgüter ab: So lag die Summe bei der Heirat des Kurfürsten Friedrich Wilhelm mit Luise Henriette von Oranien mit 120.000  Talern Heiratsgeld weit über dem Üblichen. Bei der 1823 geschlossenen Ehe zwischen Kronprinz Friedrich Wilhelm und Elisabeth Ludovica von Bayern wurden 100.000 Taler gezahlt, bei der Vermählung zwischen Albrecht von Preußen und Marianne der Niederlande sogar 200.000 Taler. Der weitgehenden Stabilität des Heiratsgutes steht ein sukzessiver Anstieg der Morgengabe und der Hand-, Spillund Nadelgelder entgegen. Diese schwankten zwar ebenso wie die Heiratsgüter, lagen aber im 17. Jahrhundert in der Regel zwischen 2000 und 4.000 Talern jährlich, im 19. Jahrhundert hingegen regelmäßig bei 6.000 Talern jährlich. Auch die vereinbarten jährlich zu zahlenden Wittumsverpflichtungen wurden tendenziell höher. Diese lagen im 17. Jahrhundert bei etwa 10.000 Talern pro Jahr, im 19. Jahrhundert jedoch bei etwa 30.000 Talern. Eine solche Entwicklung spiegelt den Anstieg der Ehekosten durchaus wider. Ein Blick auf einzelne Eheverträge von Töchtern des Hauses BrandenburgPreußen zeigt, dass die Verhältnisse hier ähnlich waren. Bei der Verheiratung der preußischen Prinzessin Wilhelmine im Jahr 1767 betrug die Mitgift 40.000 Taler und lag damit im Rahmen dessen, was auch bei den Heiraten der männlichen Hohenzollern üblich war. Die Mitgift wurde jedoch durch weitere 40.000  Taler an Paraphernalia, das heißt Sondervermögen der Frau, ergänzt.

119 Eine Sammlung der Eheverträge der Hohenzollern, die einst im Brandenburgisch-Preußischen Hausarchiv existierte, ist im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. So musste das Quellenmaterial anderweitig zusammengestellt werden: Hier wird zum einen mit Entwürfen der Eheverträge aus den Verhandlungsunterlagen gearbeitet, die das Risiko bergen, dass sie vor dem endgültigen Abschluss noch verändert wurden; zum Teil konnten die Exemplare der Eheverträge in den Archiven des jeweils anderen beteiligten Hauses heran­ gezogen werden. 120 Tabellarischer Überblick über Ehegüter bei Hohenzollernheiraten, o. D., GStA PK, Rep. 100, Nr. 1814.

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Darüber hinaus wurden 50.000 holländische Gulden als Morgengabe gezahlt, aus denen die Hand-, Spill- und Nadelgelder bezogen werden sollten.121 Bei der britisch-preußisch-niederländischen Doppelhochzeit von 1791 erhielten die Bräute, die in die Niederlande bzw. nach Großbritannien verheiratet wurden, ebenfalls je 40.000  Taler Mitgift. Die Paraphernalia waren in diesen Fällen allerdings mit 60.000  Talern noch höher. 50.000 holländische Gulden bzw. 6.000 Livres Sterling waren als Morgengabe veranschlagt.122 Ähnliche Summen waren auch bei der Heirat der Prinzessin Charlotte von Preußen mit dem russischen Großfürsten Nikolaus vorgesehen. Legt man zugrunde, dass eine Mark im Deutschen Reich etwa drei preußischen Talern entsprach, hatten sich die Summen bei der deutsch-britischen Vermählung von 1879 nur leicht erhöht. Die Mitgift betrug hier 150.000, also circa 50.000 Taler nach alter Währung; zusätzlich wurde die gleiche Summe der Braut als »Geschenk« mitgegeben. Eingehendere Studien wären nötig, um die Frage nach der Entwicklung des Heiratsgutes präziser zu beantworten. Die hier angeführten Zahlen deuten jedoch darauf hin, dass sich die Mitgift und Gegengabe im gesamten Unter­ suchungszeitraum weitgehend auf dem gleichen Niveau bewegten, während andere Teile des Heiratsgutes, also Aussteuer, Paraphernalia, Morgengabe sowie Hand-, Spill- und Nadelgelder allmählich anwuchsen, um den steigenden Bedarf einer hochadeligen Familie zu decken. Doch auch wenn die Summe der Heiratsgüter anstieg, blieb die Vorstellung, dass beide Familien vergleichbare Summen zu geben hätten, erhalten. Das Prinzip der Gegenseitigkeit – wohlgemerkt zwischen Familien, nicht zwischen Individuen – überdauerte die Wende zur Moderne. In allen drei Kapiteln dieses Teils hat sich gezeigt, dass es Motive und Regelsysteme für Heiraten gab, die nicht unmittelbar politisch waren. Gleichwohl hatten sowohl das Streben nach einer Neigungshochzeit mit einer gesunden, schönen, gebildeten und charakterlich vorzüglichen Braut als auch die Fragen der Ebenbürtigkeit oder des Ehegüterrechts politische Aspekte. Das stimmt erstens, weil im Kontext einer Dynastie Politik und Familienleben kaum zu trennen und alle Vollzüge zu einem gewissen Grad politisch waren; so war eine schöne und gebildete Braut zur höfischen Repräsentation geeigneter; eine hochrangige Hochzeit bewies den Status des eigenen Hauses und distanzierte mögliche Konkurrenten. Einfluss auf das Politische hatten die in diesem Teil  behandelten Motive und Regelsysteme aber zweitens auch in anderer Weise: Sie erweiterten das Spektrum der zu optimierenden Faktoren einer Eheentscheidung. Das konnte dazu führen, dass im engeren Sinn politische Absichten in 121 Verhandlungsakten und Entwürfe des preußisch-niederländischen Ehevertrags von 1767, GStA PK, BPH, Rep. 56, I W 5, Bl. 111. 122 Verhandlungsakten des preußisch-niederländischen Ehevertrages von 1791, GStA PK, BPH, Rep. 48, W II, Nr. 12; Verhandlungsakten des preußisch-britischen Ehevertrages von 1791, GStA PK, BPH, Rep. 48, W I, Nr. 9.

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den Hintergrund treten mussten oder sogar konterkariert wurden. Durch die Vielfalt der Motivlagen wurden die Möglichkeiten zum gezielten politischen Einsatz von Heiraten eingeschränkt. Die Vielfalt und Widersprüchlichkeit der Regelsysteme erweiterte  – um den Gedanken von Stephanie Walther aufzu­ greifen – die Handlungsspielräume der Akteure.123

123 Walther, S. 360 f.

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3. Nachbarschaft und Ferne: Der Heiratskreis der Hohenzollern

»Bis zum Ende des Ancien Régime, so kann man, etwas überspitzt, sagen, war Europa von einer einzigen Familie beherrscht, die aufgeteilt war in viele Linien, die große Familie der europäischen Dynastien«1, schreibt Andreas Kraus im Schlusskapitel eines Bandes über die europäischen Verflechtungen des Hauses Wittelsbach. In ähnlichem Sinne formuliert auch Lucien Bély: »Les rois constituaient une ›famille‹ et se considéraient tous officiellement comme frères et sœurs. Souvent, en tout cas, ils avaient des liens de parenté étroits.«2 Diese Vorstellung einer großen europäischen Familie der Dynastien, die in diesem Teil  mit Bezug auf die Hohenzollern und im sechsten Teil  im weiteren Kontext eines »Europa der Dynastien« behandelt wird, ist nicht nur in der Forschung, sondern auch im öffentlichen Bewusstsein und vor allem im Denken der hochadeligen Familien verankert. Tatsächlich lassen sich, ausreichende genealogische Kenntnisse vorausgesetzt, Verwandtschaftsbeziehungen von jedem Mitglied der Hocharistokratie zu jedem anderen rekonstruieren. Doch das darf nicht zu falschen Rückschlüssen verleiten. Viele dieser weitläufigen verwandtschaftlichen Beziehungen waren den Akteuren kaum bewusst oder hatten keinerlei praktische Relevanz. Demgegenüber setzten fürstliche Heiraten, wie auch der von Ethnologen betonte Unterschied zwischen der »biologischen« Verwandtschaft und den diese mit Sinn erfüllenden soziokulturellen Kon­ struktionen nahelegt, bewusste verwandtschaftliche Entscheidungen voraus und stellten – manchmal nur für kurze Zeit, oft aber für eine Generation oder länger – engen Kontakt und feste Kooperationsbeziehungen zwischen Familien her.3 Heiraten waren Momente intensiven Austauschs, und die durch mehrfache wechselseitige Verbindungen entstandenen Heiratskreise waren in der Regel durch intensive Kommunikation und vielfache Arten der Kooperation erfüllt. Heiratskreise, diese »Cluster« im Gewebe des europäischen Verwandtschafts­ netzwerks der großen Dynastien, waren allerdings nicht immer so weitläufig wie es die Vorstellung von der europäischen Familie der Dynastien nahelegt. Vielmehr waren die hochadeligen Heiratskreise durch die Suche nach Ebenbürtigkeit, nach konfessioneller Harmonie und durch die Privilegierung von benachbarten Familien begrenzt; die Begrenztheit und Stabilität des Heirats1 Kraus, S. 426. 2 »Die Könige bildeten eine ›Familie‹ und betrachteten sich offiziell als Brüder und Schwestern. Oft hatten sie enge verwandtschaftliche Verbindungen.« Bély, S. 8. 3 Schmidt, Soziologie der Verwandtschaft, insb. S. 26 ff.

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kreises trug dazu bei, dass Heiraten nur in Ausnahmefällen weit voneinander entfernt lebende Familien miteinander in Kontakt brachten. Für viele hoch­ adelige Familien in Europa waren die Heiraten mit fremden Dynastien ein seltener und gerade deshalb so bedeutsamer Ausnahmefall. Das Verhältnis von Nachbarschaft und Ferne, von Ähnlichkeit und Differenz im hohenzollernschen Heiratskreis wird im ersten Kapitel dieses Teils im Überblick dargestellt. Im Mittelpunkt steht die Frage nach den sozialen, kulturellen und räumlichen Grenzen eines durch bewusste Entscheidungen geschaffenen Verwandtschaftsverbandes. In einem zweiten Schritt werden ausgewählte Dynastien des hohenzollernschen Heiratskreises näher vorgestellt. Dabei finden einerseits Nachbar­ dynastien wie das Haus Hessen, andererseits entfernt lebende Familien wie die ­Romanow Berücksichtigung. Ziel dieses vergleichenden Blickes ist es, den Grad der Differenz im engeren Verwandtschaftsnetzwerk zu ermessen. Eine der Messgrößen dafür ist die in den Hausgesetzen greifbare Familienkultur. Zwar folgten alle Häuser im Heiratskreis einem Grundmuster der Wahrung von Status und Besitz, doch die vergleichende Betrachtungsweise lenkt den Blick auf Varianten dieses Musters, welche die Haus- und Staatsverfassung, Sukzession, Erbe und Heirat betrafen. Es wird sich zeigen, dass die Typen der Nahund Fernheirat, dass Heiraten in »vertraute« und »fremde« Zonen der dynastischen Welt keineswegs scharf voneinander zu trennen sind. Dennoch ist es sinnvoll, den Konstellationen von Nähe und Ferne, von Ähnlichkeit und Differenz Aufmerksamkeit zu schenken. Sie helfen, nicht nur das Bild der »europäischen Familie« und der sie angeblich verbindenden »europäischen Hofkultur« zu differenzieren, sondern stellen auch wichtige Grundlagen für die Analyse der verwandtschaftlich-politischen Interaktionen dar. Das Bewusstsein für die Heterogenität im Heiratskreis führt zu einem Problem, das vielleicht am besten mit dem Begriff der »Kompatibilität« bezeichnet werden kann: Welche Konsequenzen hatte es, wenn bei Heiraten Familien mit unterschiedlichen familiären Kulturen und Regelsystemen miteinander ins Geschäft kamen? Wie wurde mit den Unterschieden umgegangen? Welche Mittel gab es zu ihrer Überbrückung? Diese Fragen werden anhand einer Reihe von Eheverhandlungen im dritten Kapitel dieses Teils behandelt.

3.1 Dimensionen des hohenzollernschen Heiratskreises In den vorangegangenen Kapiteln sind die Kriterien der Partnerwahl im Haus Hohenzollern behandelt worden. Individuelle Eigenschaften  – wie Frucht­ barkeit, Gesundheit, Schönheit, Bildung oder guter Charakter  – wurden von Charakteristika unterschieden, welche die Herkunftsfamilie als ganze kennzeichneten; dazu sind etwa Rang, Konfession oder der Umfang des Besitzes zu rechnen. Weil für die Wahl von Partnern deren familiärer Hintergrund eine so 114 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

entscheidende Rolle spielte, wurden bei der Suche nach Ehegatten immer wieder Mitglieder der gleichen Familien in Betracht gezogen. Dies ist die Grundlage für die Entstehung von Heiratskreisen; damit kann abstrakt ein bestimmtes soziales oder kulturelles Milieu gemeint sein, konkreter aber auch eine begrenzte Gruppe von Familien, aus denen häufig und in gegenseitigem Austausch Partner gewählt wurden. Welche Kriterien bestimmten den Heiratskreis der Hohenzollern und welche Häuser gehörten dazu? Im Kapitel über Ebenbürtigkeit wurde bereits ausgeführt, dass Rangfragen die Auswahl der Partner maßgeblich bestimmten und entsprechend dem Aufstieg des Hauses Hohenzollern Heiraten mit immer ranghöheren Häusern realisiert werden konnten. Eine quantitative Auswertung der hohenzollernschen Heiraten zwischen 1640 und 1918 bestätigt diese Beobachtung. Im Folgenden werden 88 in diesem Zeitraum geschlossene Ehen der brandenburgischen Hohenzollern, inklusive der Linien Schwedt und Sonnenburg, in Hinsicht auf den Status der gewählten Partner ausgewertet. Je nach dem Rang werden diese in vier Gruppen aufgeteilt: Zur ersten Gruppe gehören Heiraten mit Partnern aus königlichen Linien, die zweite umfasst Vermählungen mit Nebenlinien aus Königshäusern, die dritte Verbindungen mit regierenden (also ebenbürtigen) Häusern, die aber nicht zur Königswürde aufgestiegen waren; die vierte die unebenbürtigen Heiraten. Eine quantitative Auswertung, welche die Veränderung des Anteils der Heiraten mit den einzelnen Statusgruppen in den Blick nimmt, kommt zu folgendem Ergebnis: In den Jahren 1640 bis 1743 fand keine einzige Heirat mit einer Königslinie statt. Im restlichen 18. Jahrhundert wurden zwei königliche Ehen, eine mit dem schwedischen (1744) und eine mit dem britischen Königshaus (1791), geschlossen. Von 1800 bis 1918 hingegen kamen neun Verbindungen mit königlichen Familien zustande. Für diese Steigerung war es gewiss nicht ohne Bedeutung, dass im 19.  Jahrhundert zahlreiche neue Monarchien ge­schaffen wurden. Dennoch illustrieren die genannten Zahlen das wachsende Ansehen der brandenburgisch-preußischen Hohenzollern und die Optimierung ihres Heiratskreises. Weiterhin zeigt sich, dass im Verlauf des Untersuchungszeitraumes nicht nur die Zahl der Ehebündnisse mit königlichen Linien anstieg, sondern auch Heiraten mit Nebenlinien solcher Familien nach 1800 häufiger auftraten als zuvor. Im Zeitraum zwischen 1640 und 1799 machten diese gut 15 Prozent aller Eheschließungen aus; von 1800 bis 1918 hingegen 25 Prozent. Entsprechend sank der A ­ nteil der Eheschließungen mit Häusern, die zwar ebenbürtig waren, doch zur Zeit der Vermählung keine Krone ihr eigen nennen konnte: Zwischen 1640 und 1799 stellte diese Gruppe noch 62 Prozent der Heiratspartner, nach 1800 schrumpfte ihr Anteil auf 45 Prozent. Im 19. Jahrhundert brachte also etwa jede zweite Heirat das Haus Hohenzollern mit einem anderen königlichen Haus in Verbindung. Die quantifizierende Auswertung von Rangverhältnissen stößt insofern an Grenzen, als sie nicht alle Nuancen der Hierarchien im Hochadel berücksichtigen 115 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

kann. In der Wahrnehmung der historischen Akteure musste eine Königskrone nicht zwangsläufig ein Insignium des höchsten Ranges sein. So waren beispielsweise die neuen balkanischen Königsdynastien des 19.  Jahrhunderts weniger angesehen als die etablierten. Darüber hinaus führte der Verlust einer Königskrone zwar zweifellos zu einem Rangverlust; das bedeutete jedoch keineswegs, dass deswegen bestehende verwandtschaftliche Allianzen abgebrochen wurden. Dieser Umstand kann jedoch in der hier vorgenommenen quantitativen Auswertung nicht nachvollzogen werden. Um eine eindeutige Kategorisierung zu ermöglichen, wurde eine Linie nur in dem Zeitraum als »königlich« ein­gestuft, in dem sie tatsächlich einen europäischen Thron besetzte. Das bedeutet, dass etwa das Haus Oranien nach dem Verlust der englischen Krone im Jahr 1702, das Haus Hessen nach dem Verlust der schwedischen Krone im Jahr 1751 oder das Haus Wettin nach dem Verlust der polnischen Krone im Jahr 1763 und vor dem Erwerb der belgischen im Jahr 1831 nicht als königliche Häuser an­gesehen werden. In der Tat wäre die These einer allmählichen Steigerung des hohenzollernschen Status, der sich in den geschlossenen Vermählungen spiegelt, noch weitaus stichhaltiger zu belegen, wenn man diejenigen Häuser, die einst eine Königskrone besessen hatten, diese aber später wieder verloren, ebenfalls als »königliche« Häuser gezählt hätte. Für die Erstreckung des durch Heirat geschaffenen Verwandtschaftsnetz­ werkes war wohl kein Faktor in so hohem Maße verantwortlich wie die Kon­ fession. Die Lehren über die Fürstenehe hatten »aequalitas« als eine wichtige Voraussetzung für eine gelungene Ehe benannt. Konfessionelle Harmonie war ein wichtiger Bestandteil des Ideals von Gleichheit zwischen Ehepartnern. In diesem Sinne hatten sich auch die Eltern Wilhelms II. in ihrem Mémoire geäußert: »In die katholischen Häuser von Österreich und Sachsen oder nach Russland könnte unser Sohn nicht heiraten, denn die Stellung einer römischkatholischen oder griechischen Prinzessin würde hierzulande eine gar zu schwere sein.«4 Die unangenehmen Folgen der Ehe Friedrich Wilhelms (IV.) mit Elisabeth, welche aus dem katholischen Haus Wittelsbach stammte und bei ihrer Vermählung mit dem Kronprinz die Konversion verweigerte, mögen zur Entstehung dieser Auffassung beigetragen haben. Der Glaube an »aequalitas« bedeutete jedoch nicht, dass vom calvinistischen Haus Hohenzollern keine Mischehen geschlossen worden wären.5 Dies hätte die Brandenburger auch vor große Probleme gestellt, denn calvinistische Dynastien waren in Europa selten. Im Heiratskreis der Hohenzollern waren lediglich wenige Häuser  – Oranien und Hessen-Kassel  – Glaubensgenossen. Die überwiegende Mehrheit der Heiraten wurde mit lutherischen Familien geschlossen. Hier hing es vom Einzelfall ab, ob eine Konversion der Braut als nötig angesehen wurde. Der am 13.  Juni 1645 geschlossene Ehepakt zwischen Luise 4 Mémoire des Kronprinzenpaares vom 30. April 1879, GStA PK, BPH, Rep. 53, N I, Nr. 1a, Bl. 9–24. 5 Einführend zur Mischehenfrage: Freist.

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Charlotte, der Schwester des Großen Kurfürsten, mit dem lutherischen Herzog von Kurland ermöglichte die Koexistenz der Konfessionen. Luise Charlotte musste nicht konvertieren. Ihr wurde ein eigener Seelsorger zugestanden, ihre Söhne sollten im lutherischen, ihre Töchter jedoch im reformierten Glauben erzogen werden.6 Der Ehevertrag der lutherischen Prinzessin Sophie ­Dorothea von Braunschweig, die im Jahr 1706 den preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm heiratete, enthielt einen Separatartikel, welcher der Braut Religionsfreiheit zusicherte, für die Kinder aber Erziehung nach den Glaubenssätzen der reformierten Kirche vorsah.7 Laut Hinrichs soll dieser Separatartikel gegen den Willen des Königs abgeschlossen worden sein. Leibniz war angesichts des andauernden Konfliktes über die Religionsfrage auf die Idee gekommen, beide Häuser im anglikanischen Ritus zu vereinen. Der König lehnte diese originelle Idee jedoch ab.8 Die späteren britisch-preußischen Ehen zeigen, dass Leibniz insofern recht hatte, als die Heiraten der reformierten Hohenzollern mit den Anglikanern des britischen Königshauses in konfessioneller Hinsicht unproblematisch waren. Eine solche Konstellation, bei der beide Partner ihrem Glaubensbekenntnis treu blieben, wurde auch bei der 1716 geschlossenen Verbindung zwischen Henriette Marie von Brandenburg-Schwedt und Friedrich Ludwig von Württemberg angestrebt.9 Gleichzeitig sind Fälle bekannt, bei denen Bräute zwischen den verschiedenen Richtungen des Protestantismus konvertierten. So wissen wir über die 1684 mit dem brandenburgischen Kurprinz Friedrich vermählte Prinzessin Sophie Charlotte von Hannover, dass sie vor der Heirat noch in Hannover am reformierten Abendmahl teilnahm und somit dem lutherischen Glauben entsagte.10 Auch Prinzessin Luise Ulrike, eine Schwester Friedrichs des Großen, wechselte anlässlich ihrer Heirat mit dem schwedischen Thronfolger im Jahr 1744 zum Luthertum. Die Quellen lassen die Konversion zwischen den Richtungen des Protestantismus als einen leicht zu vollziehenden Schritt erscheinen. Zwar begründete der schwedische Hof das Scheitern der im Jahr 1645 angestrebten Ehe zwischen dem Großen Kurfürsten und der schwedischen Königin ­Christina auch mit konfessionellen Differenzen; das muss jedoch angesichts der Häufigkeit von Ehen zwischen Lutheranern und Calvinisten als ein Vorwand an­gesehen werden. Zwischen 1640 und 1816 waren ausschließlich Heiraten mit calvinistischen, lutherischen und anglikanischen Familien geschlossen worden. Heirats­ angebote, die für eine Tochter des Hauses Hohenzollern eine Konversion zum Katholizismus oder gar zur Orthodoxie nötig gemacht hätten, waren zum Scheitern verurteilt. Der von Friedrich I. gefasste Plan, die Prinzessin Caroline 6 Opgenoorth, Bd. 1, S. 154; Seraphim. 7 Entwurf des Separatartikels vom 10.1.1707, GStA PK, BPH, Rep. 46, N 7. 8 Hinrichs, S. 292; Briefwechsel mit Leibniz zu dieser Frage: GStA PK, BPH, Rep. 46, N 2. 9 Hufschmidt, »den Krieg im Braut-Bette schlichten«, S. 349. 10 Kurprinz Friedrich an Herzogin Sophie, 11./21.4.1684, in: Schnath, S. 5.

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von Ansbach mit dem spanischen König zu vermählen, scheiterte an deren Ge­ wissensbissen. Die Prinzessin fürchtete eine »inquiétude éternelle«. Das Charlottenburger Umfeld spielte dabei eine Rolle: »Lutzburg n’était pas un lieu pour changer de religion, où il y  a Dr Spöner et tant de réfugiés et outre les domestiques de la princesse qui ne firent que pleurer.«11 Friedrich II. reagierte ablehnend auf eine Anfrage der Zarin und auf ein späteres Ersuchen des Königs beider Sizilien, die sich beide auf seine Schwester ­Luise Ulrike bezogen. Selbst im Jahrhundert, das dem Wiener Kongress folgte und das allgemein von einem freieren Umgang mit Religionsfragen geprägt war, schloss das Haus Hohenzollern nur wenige Heiraten mit orthodoxen oder katholischen Familien. Zwei Töchter des Hauses wurden an orthodoxe Prinzen verheiratet. 1817 gab der Witwer Friedrich Wilhelm III. seine Tochter Charlotte dem russischen Großfürsten Nikolaus zur Frau, und 1889 heiratete Prinzessin Sophie, Tochter des Hundert-Tage-Kaisers Friedrich III., den griechischen Thronfolger Konstantin. Letzterer stammte aus dem Geschlecht der Oldenburger, das traditionell lutherisch war; doch sein Vater war bei seinem Regierungsantritt zum orthodoxen Glauben konvertiert, um nicht das Schicksal seines Vorgängers, des katholisch gebliebenen und nicht zuletzt deshalb vom griechischen Thron vertriebenen Wittelsbachers Otto I., zu teilen.12 In den 1820er Jah­ ren kamen zwei Verehelichungen mit der ebenfalls aus dem Haus Wittelsbach stammenden bayerischen Königsfamilie zustande. Nur bei der zweiten Verbindung mit dieser katholischen Dynastie erfolgte eine Konversion bei der Vermählung. Ungeachtet dieser vier Einzelfälle ist der Heiratskreis der brandenburgischen Hohenzollern auch im 19. Jahrhundert in konfessioneller Hinsicht als einheitlich zu bezeichnen.13 Allein schon das Festhalten an konfessioneller Homogenität führte dazu, dass der hohenzollernsche Heiratskreis keine gesamteuropäischen Dimensionen annehmen konnte. Die Familien des katholischen Südens und des orthodoxen Ostens Europas kamen aufgrund der konfessionellen Barriere als Heiratspartner nur in Ausnahmefällen in Frage. Zwar waren die katholischen Hohenzollern der schwäbischen Linie Teil der südeuropäisch-katholischen Sphäre, und die rumänische Linie des Hauses vernetzte sich in der orthodoxen Welt, doch beide genannten Familienzweige gehörten wegen ihrer abweichenden Konfes­ sionen nicht zum Heiratskreis der brandenburgischen Hohenzollern. Ein genauerer Blick auf die am häufigsten mit den Hohenzollern verbundenen Familien zeigt, dass der Heiratskreis aus einer überschaubaren Gruppe von Familien bestand. Die meisten Heiraten wurden mit dem Haus Hessen ge11 »Lützenburg war wahrlich kein guter Ort, um die Konfession zu wechseln. Dort gab es Dr. Spöner und viele andere Calvinisten, unter anderem die Dienerschaft der Prinzessin, die unablässig jammerten.« Kurfürstin Sophie an Hans Caspar von Bothmer, 14.11.1704, in: Doebner, S. 231. 12 Zu konfessionellen Fragen der griechischen Monarchien im 19.  Jahrhundert siehe Goll­ witzer, Das griechische Königtum der Wittelsbacher. 13 Zu Lösungen in anderen Fällen von Mischehen siehe auch das Kapitel 3.3.

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schlossen. Diese Dynastie, die seit 1605 auch eine calvinistische Linie hatte, steuerte Partner zu 17 Prozent der Hohenzollernheiraten bei; mit einem ähnlichen Anteil waren die Wettiner im Heiratskreis vertreten. Immerhin 10 Prozent der Partner stellten die Welfen, jeweils etwas weniger die Häuser Oldenburg und Anhalt, Mecklenburg und Oranien. Lässt man morganatische und innerhalb des Hauses geschlossene Ehen beiseite, zeigt sich, dass die sieben genannten protestantischen Häuser mehr als 80 Prozent der Heiratspartner der Hohenzollern stellten. Für diese Konzentration spielte es sicher eine Rolle, dass Heiraten häufig durch die Vermittlung von Verwandten zustande kamen. So wurden mehr vorhandene Bindungen gestärkt als neue erschlossen. In diesem Sinne äußerte sich der preußische Zeremonienmeister Johann von Besser in einem Hochzeitsbericht aus dem Jahr 1700: Die Ehe zwischen Prinzessin Luise von Brandenburg und dem Erbprinz von Hessen-Kassel sei deshalb vielversprechend, weil sie bestehende harmonische Familienverbindungen fortsetze. Schon die Mutter der Braut sei eine Prinzessin von Hessen-Kassel gewesen, der Vater des Bräutigams stamme von einer brandenburgischen Mutter ab und habe auch eine brandenburgische Großmutter. So könne man wegen der engen Vernetzung und guten Erfahrungen der Vorfahren auch auf das Glück der neuerlichen Verbindung hoffen.14 Solche vielfältigen und von Generation zu Generation erneuerten Verflechtungen der Stammbäume waren die Regel im Heiratskreis. Die von David Sabean vertretene These, dass in bäuerlichen und bürgerlichen Milieus bis in das 18.  Jahrhundert wiederholte Verbindungen zwischen denselben Familien selten und erst im 19. Jahrhundert die Regel waren,15 lässt sich also nicht auf die regierenden Häuser übertragen. Grund dafür sind die ganz unterschiedlichen Regelsysteme, denen beide Populationen unterworfen waren. Anders als den durch vielfältige Eheverbote eingeschränkten Bewohnern von Stadt und Land war dem Hochadel im Verwandtenkreis nur die Geschwisterehe verboten. Der Vervielfachung von Bindungen zwischen zwei Familien, die durch verwandtschaftliche Ehevermittlung erleichtert wurde, stand daher nichts im Wege. Betrachtet man die sieben am häufigsten angeheirateten Häuser und die darin am häufigsten gewählten Linien, zeigt sich, dass die räumliche Erstreckung des engeren Heiratskreises durchaus überschaubar war. Von Magdeburg und Halberstadt, welche die westliche Grenze des Kernterritoriums der preußischen Könige markierten, war es nicht weit bis Kassel, Darmstadt und zu den übrigen hessischen Territorien, aus denen so viele Partner für preußische Prinzessinnen und Prinzen des Hauses stammten. Die Länder der häufig heimgeführten protestantischen Wettiner und Anhaltiner grenzten südlich an das Königreich Preußen. Mit den welfischen Territorien teilte Preußen eine langgestreckten Nordostgrenze. Die mecklenburgischen Länder erstreckten sich im Norden Brandenburgs. Auch zu den Stammsitzen der Oldenburger im Reich 14 Mariage de la Princesse Louise de Brandenbourg fille de S. A. l’Electeur Frédéric III. Relation inacheveé de Mr. de Besser, ohne Ort 1700, GstA PK, BPH, Rep. 45, W Nr. 8. 15 Sabean, Kinship in Europe, S. 18 f.

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mussten die Bräute nicht weit reisen. Die Oranier lebten zwar fern von Berlin, waren aber Nachbarn am Rhein, wo der preußische König im 18. Jahrhundert Streubesitz und im 19. Jahrhundert ausgedehnte Provinzen sein eigen nannte. So waren die Hohenzollern zumindest nach Norden, Westen und Süden von Verwandten umringt. Entsprechend waren »voisin« und »voisinage« im Kontext der Heiraten häufig verwandte Begriffe, die regelmäßig etwa in den Korrespondenzen der Eheanbahnung oder in den Präambeln der Heiratsverträge auftauchte. Nachbarschaft wurde, ebenso wie Rang- und Konfessionsgleichheit, als gute Voraussetzung für verwandtschaftliche und politische Beziehungen angesehen. Ein weiterer Faktor, der im 18. Jahrhundert ein allzu weites Ausgreifen der Hohenzollern in die europäische Ferne verhinderte, war das Verfolgen von endogamen Strategien. Mit »endogam« ist hier die Heirat innerhalb einer Linie oder zwischen verschiedenen Linien desselben Hauses gemeint. Aber solche Heiraten waren bei den brandenburgischen Hohenzollern die Ausnahme. So wurden insgesamt nur fünf Ehen zwischen der brandenburgischen und den Linien Schwedt, Ansbach und Bayreuth geschlossen, alle fielen auf das halbe Jahrhundert zwischen 1703 und 1755. Das Beispiel der Hohenzollern spricht daher gegen die Vorstellung einer großen europäischen Familie der Dynastien. Zwar gab es einzelne »interna­tionale« Heiraten, welche Verwandtschaft über weite Entfernungen hinweg stifteten und die Dynastie der Hohenzollern, die schon im 18. Jahrhundert Länder von der Memel bis zum Rhein vereinte, hatte zweifellos eine (nord-) europäische Dimension. Doch ein dichtes verwandtschaftliches Netz, das durch Eheschließungen, also bewusst gewählte Verbindungen, immer wieder aktualisiert und dichter geknüpft wurde, vereinigte die Hohenzollern vor allem mit benachbarten protestantischen Familien aus den nördlichen Regionen des Heiligen Römischen Reiches. Die »internationalen« Heiraten mit den Höfen in Den Haag, London, Stockholm, Sankt Petersburg oder Athen, welche auf die europäische Politik Brandenburgs und Preußens den größten Einfluss hatten, stellten die Ausnahme von der Regel der Nachbarschaftsehe dar. Zum Teil können sogar diese »Fernheiraten« als Verbindungen mit Nachbarn angesehen werden. Das galt für die Heiraten mit den Oraniern, die Nachbarn am Rhein waren, ebenso wie für die Eheschließungen mit dem britischen Königshaus, das aus dem benachbarten Hannover stammte, oder mit dem aus dem ursprünglich im Reich beheimateten schwedischen Königshaus Holstein-Gottorp.

3.2 Varianten der Status- und Besitzwahrung im Heiratskreis Im Folgenden soll das Problem von Einheit und Vielfalt, Ähnlichkeit und Diffe­ renz der europäischen Dynastien auf eine andere Ebene verlagert werden. Ausgangspunkt soll die für das Thema der hohenzollernschen Heiraten wichtige 120 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Frage nach den Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen den Hohenzollern und denjenigen Familien sein, mit denen sie häufige Verbindungen eingingen. Vergleichende Betrachtungen sind angesichts der Vielzahl der Dynastien und des dürftigen Forschungsstandes zu diesem Thema allerdings nur in eingeschränktem Maße möglich.16 Gleichwohl soll an dieser Stelle die Brennweite der Betrachtung zum ersten Mal verändert werden: das auf den Hohenzollern-Fall gerichtete Makro-Objektiv wird mit einer Linse mittlerer Brennweite vertauscht. Der hier unternommene Vergleich setzt auf verschiedenen Ebenen an: Erstens wird ermittelt, wie sich die hohenzollernschen Strategien zur Wahrung von Status und Besitz zu denen anderer Häuser verhielten, welche häufig Heiratspartner der Hohenzollern stellten. Der in der jüngeren Forschung verwandte Begriff des »dynastischen Modells« scheint für eine vergleichende Betrachtungsweise geignet, welche die Wechselbeziehungen zwischen den verglichenen Einheiten nicht ausblendet.17 Bei der Auswahl der verglichenen Dynastien wurde zum einen Wert darauf gelegt, dass mit dem Haus Hessen und den kon­tinentaleuropäischen Linien der Welfen solche Familien in der Vergleichsgruppe vertreten waren, die sich in Nachbarschaft zu den Hohenzollern befanden und mit denen besonders enge verwandtschaftliche Verbindungen bestanden. Zum anderen sollen jedoch auch solche Häuser einbezogen werden, die fern in anderen Kulturräumen residierten: Dazu gehören die Welfen auf dem britischen Thron sowie die Häuser Oranien (Erbstatthalter und Könige der Niederlande)  und die russischen Zaren aus dem Hause Romanow. Die Auswahl der vier Häuser, die zweifelsohne große Lücken lässt, ist von dem Bestreben bestimmt, ein etwaiges gemeinsames Muster, aber auch die Varianten innerhalb des verwandtschaftlich verbundenen Kreises herauszuarbeiten. Im Mittelpunkt des Vergleiches stehen die jeweiligen Hausverfassungen der vier Häuser sowie ihre Auswirkungen auf die Heiratspraxis: Zentrale Vergleichspunkte sind das Verhältnis von Dynastie und Staat, die Regelung von Sukzession und Erbe (insbesondere die weibliche Thronfolge), die Frage der Erbteilung und des Erbverzichts, die Versorgungsfragen sowie die Ehegüter­ praxis, schließlich –  da für die Heiraten entscheidend –  der Umgang mit der Frage der Ebenbürtigkeit. Wie groß waren hier die Unterschiede? Wurden sie im Untersuchungszeitraum kleiner oder größer? Diese vergleichenden Betrachtungen helfen, die hohenzollernsche Heiratspraxis, vor allem die Präferenzen bei der Partnerwahl, besser zu verstehen. Sie verweisen aber auch auf die euro­ päische Perspektive dieser Untersuchung: Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Dynastien können ein Indikator für europäische Homogenität oder Homogenisierung sein. Je ähnlicher sich die dynastischen Strategien waren bzw. wurden (und je mehr sie sich von nicht-europäischen Strategien unterschieden), desto stärker sind die Argumente für ein »Europa der Dynastien«. 16 Richtungweisend für eine europäisch vergleichende Geschichte der Dynastien ist Kunisch u. Neuhaus; weitere vergleichende Studien: Oresko; Elliott. 17 Kampmann, Einleitung, S. 7.

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3.2.1 Nahe Verwandtschaft: Das Haus Hessen Die meisten Eheverbindungen schlossen die brandenburgischen Hohenzollern mit den verschiedenen Linien des Hauses Hessen. Erste Bindungen zwischen den beiden Familien entstanden bereits im Mittelalter.18 Die verwandtschaftliche Nähe wurde seit dem 17. Jahrhundert zusätzlich durch die Tatsache befördert, dass Landgraf Moritz im Jahr 1605 zum Calvinismus übertrat und damit die Linie Hessen-Kassel noch attraktiver für die Hohenzollern werden ließ. War die verwandtschaftliche Nähe auch in der Ähnlichkeit der dynastischen Systeme beider Familien begründet? Auf den ersten Blick ist diese Frage zu verneinen. Die hausgesetzliche Situa­ tion im Hause Hessen unterschied sich von der brandenburgischen in einigen entscheidenden Punkten.19 Von der Praxis der Erbteilung verabschiedete man sich hier weniger konsequent, so dass dauerhaft zwei Hauptlinien entstanden. Darüber hinaus blieb die Versorgung mit Paragien, auch wenn sie nicht zur Aufteilung der landesherrlichen Rechte führte, in Hessen bis ins 19. Jahrhundert hinein üblich. Diese Form der Versorgung der Nachgeborenen war einer der Faktoren, die dazu führten, dass sich die Linie Hessen-Kassel zwar als bedeutende Familie des Heiligen Römischen Reiches etablieren und ein Landgraf aus ihren Reihen sogar den schwedischen Thron besteigen konnte, Hessen aber einer werdenden Großmacht wie Brandenburg-Preußen immer weniger das Wasser reichen konnte. Die hessischen Territorien waren im Mittelalter Nebenländer der Landgrafschaft Thüringen gewesen. Der erste Landgraf von Hessen, Heinrich das Kind, erbte die wenig bedeutenden hessischen Ländereien von seiner Mutter; in väterlicher Linie stammte er aus dem Haus Brabant. Erst im Jahr 1373 wurde Hessen als Reichslehen anerkannt und damit von Thüringen unabhängig. Die Herausbildung der hessischen Hausverfasssung, die damit begann, verlief nicht gradlinig. Landgraf Otto I. (1272–1328) hatte sein Testament auf den Prinzipien von männlicher Primogenitur und Unteilbarkeit etabliert. Doch die folgenden Jahrhunderte waren von Teilungen und –  durch das Aussterben von Seitenlinien bedingte – Wiedervereinigungen geprägt. Insofern handelte Landgraf Philipp »der Großmütige« durchaus nach den Gepflogenheiten seines Hauses, als er in seinem Testament vom 6. April 1562 die ihm in ihrer Gesamtheit zugefallenen hessischen Besitzungen auf seine vier Söhne verteilte.20 Starb einer der vier Brüder, sollten sich die übrigen seinen Anteil aufteilen. Gleichzeitig pochte der Erblasser auf die Unveräußerlichkeit des Familienbesitz: »Es ist auch unsere vätter­liche Verordnung und treuer Rath, daß sie keine Städt, Schlösser und

18 Schuster, Die Verwandtschaft der Häuser Hohenzollern und Hessen, S. 127. 19 Über das Haus Hessen: Schulze, Die hessischen Hausgesetze, in: ders., Die Hausgesetze, Bd. 2, S. 1–128; vgl. Franz. 20 Schulze, Die hessischen Hausgesetze, in: ders., Die Hausgesetze, Bd. 2, S. 15.

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Dörfer erblich wollen hinweg geben, noch verkauffen; denn wo sie das theten, würde das Land dadurch geschmälert.«21 Die Bekräftigung dieses für die Hausverfassung zentralen Vertragswerkes durch die Erben erfolgte in Form des »Ziegenheimer Brüdervergleiches« vom 28.  Mai 1568. Dieser legte die männliche Sukzession und Unveräußerlichkeit des Besitzes nicht nur für die Kontrahierenden fest, sondern stellte Regeln auf, die »künfftiglichen bey unseren allerseits Erben und Nachkommen, Fürsten zu Hessen, zu ewigen Zeiten, also steiff, fest und unverbrüchlich gehalten werden«.22 Ausführlich wurde auf die Rechte der Töchter aus dem landgräflichen Haus eingegangen. Diese mussten auf Sukzession und Erbe verzichten »und sich mit Ihrem verordneten Heurath Guth und Abfertigung  … begnügen«.23 Unverheiratete Töchter sollten, auch wenn ihr Vater verstarb, aus dem Familienvermögen 20.000  Gulden erhalten.24 Das den Töchtern zustehende Ehegut wird nicht beziffert, jedoch festgelegt, dass es je nach Art der Verbindung und Anzahl der auszusteuernden Töchter variieren soll und dass die Landschaft durch eine Ehe-Steuer dazu beizutragen habe.25 Ein subsidiäres Sukzessionsrecht der Töchter, wie es in Brandenburg existierte, war – wohl wegen der vielen gegenseitig erbberechtigten Bruderlinien – nicht vorgesehen. Nachdem in den Jahren 1584 und 1604 zwei der vier beerbten Brüder verstorben waren, brach jedoch Streit über die Aufteilung aus. Dieser dauerte auch nach dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges an und wurde phasenweise mit Waffengewalt ausgetragen. Erst der »Fried- und Einigkeitsrezess« von 1648, der Teil des Osnabrücker Friedensinstrumentes wurde, regelte die Besitzgrundlage der Linien Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt, die sich nicht wieder vereinigten. Dementsprechend entstanden ab dem frühen 17. Jahrhundert zwei distinkte Hausverfassungen. Für die hessen-kasselsche Linie wurde die vorher für das Gesamthaus festgelegte männliche Primogenitur übernommen und später vom Kaiser bestätigt.26 Der Modus der Versorgung für nachgeborene Söhne unterschied sich jedoch deutlich von Brandenburg: Im Hausvertrag vom 12. Februar 1627 wurde festgelegt, dass der Erstgeborene drei Viertel des Landes, die Nachgeborenen das restliche Viertel und die daraus anfallenden Einkommen und Rechte erhalten sollten, ohne dass ersterer allerdings die Hoheit über diese Länder abgeben musste.27 Das Viertel der Nachgeborenen fiel daraufhin an Ernst, den jüngsten Sohn des Landgrafen Moritz von Kassel. Es entstand die Rothenburgische Linie, die als katholischer Seitenzweig bis in das 19. Jahrhundert Bestand haben sollte. Um weitere Teilungen abzuwenden, wurde jedoch von Wilhelm VI. eine andere 21 Testament Philipps des Großütigen (6.4.1562), in: ebd., S. 61. 22 Ebd., S. 77. 23 Ebd. 24 Ebd., S. 78. 25 Ebd., S. 80. 26 Ebd., S. 18. 27 Ebd., S. 19.

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Form der Versorgung jüngerer Brüder vorgesehen. Er hatte in seinem Testament von 1658 eine Geldrente von 8.000 Gulden für die Nachgeborenen festgesetzt; die Teilungspraxis gehörte von nun an der Vergangenheit an. Das Haus Hessen-Kassel verlor in der napoleonischen Zeit die Gesamtheit seiner Besitzungen an das Königreich Westfalen. Nach der Rekonstitution des inzwischen kurfürstlichen Herrschaftsgebietes durch den Wiener Kongress erließ der Kurfürst von Hessen am 4. März 1817 ein neues Hausgesetz, das 1831 in eine Verfassungsurkunde für Hessen-Kassel einfloss. Noch ausführlicher als bislang waren hierin die Gesetze des Hauses dargelegt: Neben der männ­ lichen Primogenitur und Unteilbarkeit wurde hier auch die Frage der Volljährigkeit und Regentschaft behandelt. Für die Verheiratung war die Zustimmung des Landesherrn erforderlich. Diese Regelungen waren noch in Kraft, als das Haus Hessen-Kassel durch die preußische Annexion von 1866 die Regierung verlor. Das Haus Hessen, das die meisten Partner der Hohenzollern stellte, erlangte zu keiner Zeit seiner Geschichte ein vergleichbares politisches Gewicht, und das lange Festhalten an der Teilungspraxis mag unter anderem dafür verantwortlich sein. Andererseits machte jedoch in dem hier interessierenden Zeitraum zwischen 1640 und 1866 die dynastische Stabilisierung der beiden hessischen Hauptlinien große Fortschritte und mündete im Jahr 1831 in eine landständische Verfassung. Auch bei den Hessen war das 17. Jahrhundert die Kernphase der Entstehung einer dauerhaften Hausverfassung; die Landgrafen etablierten die strikte männliche Primogenitur in den Hauptlinien und Entschädigungen für die Nachgeborenen. Bei Heiraten zwischen den Häusern Hessen und Hohenzollern mussten daher keine größeren Unterschiede überbrückt werden. Der rigide Ausschluss von hessischen Prinzessinnen von der Thronfolge, der die Häuser Hessen und Hohenzollern unterschied und in der hessischen Verfassung von 1831 bestätigt wurde, bedeutete allerdings, dass sich die Hohen­ zollern kaum Hoffnung auf die Erheiratung von Besitz machen konnten. Doch das scheint kein vorrangiges Motiv für immer wiederkehrende Verheiratung ge­ wesen zu sein. Neben Nachbarschaft und konfessioneller Harmonie zwischen Hohenzollern und Hessen trug offenbar auch die hausrechtliche Ähnlichkeit zur Dichte des verwandtschaftlichen Netzes bei. 3.2.2 Die Oranier: eine »Dynastie in der Republik« Signifikante Unterschiede bestanden zwischen den Hausverfassungen der Hohenzollern und der Oranier. Letztere waren zwar als Calvinisten Anhänger der gleichen Konfession, doch ihr Verhältnis zu dem von ihnen regierten Staat war besonderer Natur. Die Familie Oranien-Nassau hatte ihre Wurzeln im Westen des Heiligen Römischen Reiches, insbesondere in der Gegenden der Lahn, erweiterte ihren Herrschaftsbezirk jedoch mit der Herrschaft über Breda und Vianden in die Niederlande. Im 16.  Jahrhundert wurde darüber hinaus durch 124 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Heirat das Fürstentum Orange in Südfrankreich erworben, was zwar zu einem gewaltigen Zugewinn an Prestige, jedoch nicht zu einer Verlagerung des Herrschaftsschwerpunktes in den Mittelmeerraum führte. Was das Haus Oranien-Nassau (und seine Nachfolgerlinie Oranien-Diez) als Heiratspartner interessant werden ließ, war weniger der gestreute Besitz oder die in Jahrhunderten angehäuften vielfältigen Feudaltitel als vielmehr sein Erfolg bei der Besetzung bestimmter Ämter. Verschiedene Mitglieder des Hauses Oranien hatten sich als »Stadhouder« in den niederländischen Provinzen bewährt. Das Amt des Statthalters hatte seine Wurzeln in der Zeit der burgundischen Niederlande, wo es in jeder Provinz einen Statthalter des meist in Brüssel residierenden Fürsten und für die Führung der Armee einen Generalkapitän gab. Später ernannten die aus der Ferne regierenden habsburgischen Herrscher darüber hinaus zeitweise Generalstatthalter.28 Dass das Statthalteramt nach dem Abfall der Niederlande nicht nur beibehalten, sondern sogar weiterhin den Oraniern übertragen wurde, resultierte vor allem aus dem Kampf Wilhelms des Schweigers für die Unabhängigkeit der Niederlande von Spanien. Wilhelm übte nach der Unabhängigkeitserklärung von 1581 die Souveränität gemeinsam mit den Ständen und nicht mehr im Namen eines fernen Herrschers aus. Nach Wilhelms Tod erhielt sein Sohn Moritz den Titel eines »Gouverneur en Capiteyn Generaal«, später allerdings bürgerte sich wieder der ältere Begriff »Statthalter« ein. Ihm oblag neben der militärischen Gewalt die Wahrung der calvinistischen Religion, die Gewährleistung der Justiz sowie die Besetzung der städtischen Magistrate.29 Auch wenn es sich anfangs um ein ad personam von den Generalständen vergebenes Amt handelte,30 begann sich doch daraus im 17.  Jahrhundert allmählich ein Erbamt zu entwickeln. Mit dem Erblühen der Niederlande zur Weltmacht wurden die Oranier zu einer bedeutenden Dynastie. Dem Oranier Friedrich Heinrich, der als Moritz’ Nachfolger Statthalter mehrerer Provinzen und auch als Generalkapitän oberster Befehlshaber der Union war, wurde der Titel »Hoheit« zugelegt; er erlangte mit der »Acte van survivance« von 1631 die Erblichkeit seiner Statthalterämter und des Generalkapitänsamtes zumindest für seinen Sohn.31 Das bedeutete aber für die späteren Nachfolger keine Garantie, wie die statthalterlosen Zeiten nach dem Tod Wilhelms  II. und  III. in den Jahren 1650–1672 sowie 1702–1747 belegen. Auch wenn im Jahr 1747 die Statthalterschaft als in männlicher und weiblicher Linie erblich erklärt wurde, musste sie – unter dem Druck demokratischer Bestrebungen – auch im 18. Jahrhundert als wenig stabiler Familienbesitz gelten.

28 Einführend zum Statthalteramt: Lademacher, Geschichte der Niederlande, insb. S. 13–34; Lademacher, Die Statthalter und ihr Amt; Mörke; Rowen, The Princes of Orange; Tamse. 29 Israel, S. 300–306. 30 Lademacher, Geschichte der Niederlande, S. 70. 31 Ebd., S. 84.

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Für die Oranier stellte sich die Frage der Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit als hausrechtliches Problem nur im Bezug auf ihren feudalen Besitz, nicht im Bezug auf die Niederlande. Die Weitergabe des Feudalbesitzes, davon zeugen die Auseinandersetzungen um das oranische Erbe, war von den Regelungen individueller Testamente bestimmt. Teilungen, Vereinigungen und gemeinschaftliche Regierung der einzelnen Linien waren hier ebenso möglich wie Vererbung an Frauen.32 Demgegenüber resultierte die Unteilbarkeit der Niederlande aus der Union von Utrecht, aus der die Republik hervorgegangen war. Der Statt­ halter hatte an die Republik keinerlei Besitzansprüche. So waren auch sämt­liche finanzielle Zuwendungen an die Statthalter und an Mitglieder ihrer Familie jeweils gesondert von den Provinzial- oder Generalständen zu bewilligen. Letztere hatten auch den Ehen der Statthalter zuzustimmen. An diesen Verhältnissen konnte auch der Nassauische Erbverein von 1783 und die »Fürstlich Oranien-Nassauische Primogenitur Constitution« von 1785 nichts ändern; denn die hier unter den verschiedenen Linien des Hauses Nassau ausgehandelten strikteren Unteilbarkeits- und Erbregeln bezogen sich lediglich auf den Feudalbesitz des Hauses. Eine wirkliche Verbindung von Haus- und Staatsverfassung konnte daher erst bei der Gründung des Königreiches der Niederlande zustande kommen. Nach der Befreiung vom napoleonischen Frankreich war Prinz Wilhelm VI. der Titel »Souveräner Fürst« angeboten worden; er akzeptierte und konzedierte sogleich die Verabschiedung einer Verfassung.33 Diese kam in dauerhafter Form nach der Gründung des Vereinigten Königreiches der Niederlande durch Beschluss des Wiener Kongresses am 24.  August 1815 zustande und enthielt ausführliche Regelungen für die königliche Familie. Dazu gehörte die Etablierung der Thronfolge nach dem Linealprinzip entlang der agnatischen Linie. Die weibliche Thronfolge war nun wie in Preußen nur in dem Fall erlaubt, dass das Haus im Mannesstamm ausstarb. Dieser Fall trat im Jahr 1890 ein; nach vielen Wilhelms bestieg jetzt eine Königin Wilhelmina den Thron. Die gleichberechtigte männliche und weibliche Thronfolge wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt. 1963 entschied sich das Parlament zunächst für das britische Modell der Thronfolge, bei dem Töchter dann sukzedieren konnten, wenn sie keine Brüder hatten. Erst seit 1983 gilt in den Niederlanden die Primogenitur unabhängig vom Geschlecht. Seit der Verstaatlichung der Krondomäne im Jahr 1822 wurden dem niederländischen König sowie den Prinzen eine jährliche Summe von den Generalständen zum Unterhalt bewilligt. Erst im Jahr 1887 wurde allerdings das Gesetz verabschiedet, das die Zustimmung der Generalstände für den Abschluss einer im Verfassungssinne gültigen Heirat voraussetzte. Das Haus Oranien war unter den außerhalb des Reiches ansässigen Familien diejenige, mit der die Hohenzollern bis zum Ende des 18. Jahrhunderts den

32 Schweder, S. 234–240. 33 Lademacher, Geschichte der Niederlande, S. 222.

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regsten Kontakt pflegten.34 Doch dieser intensive Austausch beruhte nicht auf hausrechtlichen Ähnlichkeiten. Die Heiraten mit den Oraniern konfrontierten die Hohenzollern bis zum Ende des 18. Jahrhunderts mit ganz andersartigen dynastischen und konstitutionellen Gepflogenheiten. Die dynastischen Regeln des Hauses Oranien-Nassau blieben bis zur Fixierung der männlichen Primogenitur im späten 18. Jahrhundert und damit deutlich länger als die der Brandenburger der mittelalterlichen Teilungspraxis verbunden. Gleichzeitig agierten die Oranier in einem konstitutionellen Umfeld, das sich von dem fortschreitenden Absolutismus in Preußen grundlegend unterschied. Erstaunlich ist, dass trotz dieser vielfältigen Umstände die Ehen zwischen den beiden Häusern nicht nur häufig, sondern in der Regel von besonders unkomplizierten Verhandlungen geprägt waren. Gleichwohl konnten sie angesichts der Unterschiede nicht von der gleichen dynastischen Routine geprägt sein und waren auch weniger häufig als Ehen der Hohenzollern mit ihren Nachbarn im Reich. 3.2.3 Die Welfen: Reichstraditionen und britische Verfassung Die beiden welfischen Hauptlinien Braunschweig und Lüneburg, mit denen die Hohenzollern sich regelmäßig ehelich verbanden, wiesen vorwiegend Ähnlichkeiten in der Struktur und Entwicklung der Hausregeln auf.35 In der braunschweigischen Linie war durch einen Brüdervertrag, das Pactum Henrico-Wilhelminum von 1535, früh eine männliche Primogeniturregelung verabschiedet worden.36 Die Observanz dieses Vertrages war allerdings nicht strikt, so dass es später immer wieder zu gemeinschaftlichen Regierungen und Teilungen kam. In der lüneburgischen Linie wurde erst durch das Testament des späteren Kurfürsten Ernst August von 1683 eine klare und dauerhafte Regelung getroffen.37 Die Kurlinie der Welfen, auch Haus Hannover genannt, war damit seit dem 17. Jahrhundert den gleichen Prinzipien verpflichtet wie die Hohenzollern. Nach der Thronbesteigung durch Georg  I. entstand eine neue Situation. Als britischer Monarch hatte er sich an die für das dortige Königshaus geltende Verfassung zu halten, die zum Teil erheblich von der hannoverschen (und damit auch der brandenburgischen) abwich.38 Um die Unterschiede zu ver­ stehen, ist ein Blick auf die Weichenstellungen der Tudorzeit ebenso erforderlich wie auf die Neuerungen der Glorious Revolution, in der sich die Grundzüge der neuzeitlichen britischen Sukzessionsordnung herausbildeten.39 Es waren zunächst Heinrichs VIII. Sorgen um die Thronfolge, die zu einer dauerhaften 34 Mieck, Westeuropareisen. 35 Für einen Überblick siehe Schulze, Die Hausgesetze, Bd. 1, S. 365–507. 36 Ebd., S. 428 ff. 37 Ebd., S. 474 ff. 38 Zu den Strukturen der Personalunion: Barmeyer, Hannover und die britische Thronfolge; Hatton, S. 93–146; Rexheuser. 39 Wende.

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Fixierung von Sukzessionsregeln führten. Heinrich ließ, jeweils nach Neuverheiratung, durch das Parlament drei Succession Acts verabschieden. Schon der erste dieser Akte, der die Thronfolge 1534 zugunsten von Anne Boleyns Tochter Elisabeth regelte, legte eine Erbfolge auf der Grundlage der Lineal-Primo­ genitur fest. Töchter waren dann erb- und sukzessionsberechtigt, wenn in der linealen Folge keine männlichen Nachfolger zur Verfügung standen, d. h. wenn sie keine Brüder hatten. Auch wenn das zweite Thronfolgegesetz von 1536 die erste Ehe und damit Elisabeth für illegitim erklärte, wurde an den Prinzipien des ersten durchaus festgehalten. Das dritte Nachfolgegesetz von 1543, das nach sechs Ehen, die nur einen Sohn hervorgebracht hatten, verabschiedet wurde, setzte dann zwei Töchter, Elisabeth und Maria, wieder als Nacherbinnen ein. So wurde zusätzlich zur männlichen und nachgeordneten weiblichen Lineal-Primogenitur das Prinzip etabliert, dass der König durch testamentarische Festlegungen seine Nachfolge regeln konnte. Der Unterschied zwischen dieser Thronfolgeregelung und der brandenburgisch-preußischen liegt auf der Hand. Weibliche Thronfolge war in Brandenburg nur vorgesehen, wenn das gesamte Haus über keinerlei männliche Nachkommen mehr verfügte, in Großbritannien hingegen war weibliche Thronfolge dann möglich, wenn in direkter linearer Abstammung keine Söhne vorhanden waren. Töchter waren hier also nicht nur die letzte Rettung vor dem Aussterben des Hauses, sondern hatten Vorrang vor lebenden männlichen Mitgliedern des Hauses, etwa noch lebenden Brüdern des Königs. Daraus ergibt sich auch, dass die erstgeborene Tochter eines britischen Königspaares als Zeichen ihrer potentiellen Thronfolgeberechtigung den Titel einer »Princess Royal« trug, während die Töchter der preußischen Kurfürsten oder Könige unabhängig von ihrer Geburtsposition lediglich »Prinzessin« hießen. Unter diesen Bedingungen ist es auch einleuchtend, dass der in Brandenburg-Preußen übliche Erbverzicht der Töchter bei der Heirat britischer Prinzessinnen nicht vollzogen wurde. Die Glorious Revolution bedeutete eine Umwälzung der englischen Ver­ fassung und insbesondere der königlichen Thronfolge- und Heiratsregelungen. Das revoltierende Parlament hatte Jakob II. zur Abdankung gezwungen und die Thronfolge der Stuart-Tochter Maria beschlossen. Die Bill of Rights von 1689 war dementsprechend nicht nur ein Rechts- und Freiheitskatalog für die Engländer, sondern auch ein Sukzessionsgesetz. Die etablierten Strukturen wurden nicht nur insofern in Frage gestellt, als sich das Parlament gegen den Willen des Königs stellte, sondern auch, weil in der Bill of Rights mit Maria und ihrem oranischen Mann Wilhelm eine Königin und ein König gleichzeitig eingesetzt wurden. Als es sicher war, dass Wilhelm und Maria keine Nachkommen haben würden, war es wiederum das Parlament, das sich für eine Regelung der Nachfolge einsetzte. Im Act of Settlement von 1701 wurde das Prinzip der Linealfolge berücksichtigt und auch die spezifische Form der weiblichen Thronfolge be­stätigt. Gleichzeitig wurde bestätigt, dass nur ein Protestant den britischen Thron besteigen dürfe und eine katholische Heirat von der Thronfolge ausschlösse. Auch diese Regelung unterschied sich von der preußischen, wo Misch128 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

heiraten zwar als unglücklich, jedoch keineswegs als relevant für die Thronfolge angesehen wurden. Darüber hinaus spiegelte sich die geteilte Souveränität des »King in Parliament« nicht nur in der Thronfolgeentscheidung, sondern auch in Fragen des königlichen Haushalts und in der Versorgung der Familienmitglieder wider. Schon Georg I. schöpfte große Teile seiner Haushaltsausgaben nicht mehr direkt aus den Einkünften des Landes, sondern griff auf eine vom Parlament zu bewilligende Zivilliste zurück.40 Georg III. verzichtete auf jegliches direkte Einkommen aus dem Land und bezog sämtliche Einnahmen aus der Zivilliste. Ausgenommen waren lediglich die Einkünfte aus dem königlichen »Privatbesitz« – einzelne bei der Krone verbliebene Ländereien wie etwa die Grafschaft Cornwall. In Preußen wurde diese Form der Finanzierung des königlichen Haushalts über eine Zivilliste erst im 19. Jahrhundert schrittweise eingeführt. Der preußische König hatte damit länger vollständigen Einfluss auf Umfang und Einsatz des Staatsvermögens. Die übrigen Mitglieder der britischen Königsfamilie waren in ähnlicher Weise von den Mittelbewilligungen des Parlaments abhängig. Die Erbteilung als Versorgungsinstrument war in England schon im Mittelalter, also im Vergleich mit Preußen sehr früh, abgeschafft worden. Zwar erhielten die Söhne des Königspaares Titel wie Prince of Wales, Duke of York oder Earl of Connaught, doch das waren reine Ehrentitel. Annuitäten für die Versorgung von erwach­ senen Mitgliedern der Familie sowie Mittel für die Ehegüter bei Heiraten mussten beim Parlament beantragt werden. Die Höhe sowohl der Zivilliste und der Versorgungsmittel als auch der Heiratsgüter hing somit vom Wohlwollen der Parlamentarier ab. Die Popularität der Königin Viktoria hing unter anderem damit zusammen, dass sie die »Privateinkünfte« des Königshauses zu vermehren wusste und damit den öffentlichen Haushalt von der Versorgung der ersten Familie entlastete. Unterschiede bestanden nicht nur bei den Sukzessions- und Erbregeln und den Versorgungsmechanismen, sondern auch bei der königlich-britischen Auffassung von Ebenbürtigkeit. Zwar war bereits in der Magna Charta ein Verbot des »disparagium« festgelegt; doch erwiesen sich in England die Standesgrenzen als weitaus durchlässiger als im Heiligen Römischen Reich. Auch bei Königen und Königinnen sind Heiraten mit Untertanen vorgekommen und wurden nicht als Missheiraten angesehen. Somit hatten sie auch keine Konsequenzen für den Status der betroffenen Personen. Zwei der sechs Gattinnen ­Heinrichs VIII. entstammten dem englischen Adel und damit dem Kreis der Untertanen des Königs. Eine Gattin Jakobs II. war Tochter des Advokaten Hyde und gleichwohl Mutter der zwei Königinnen Maria (1689–1694) und Anne (1702–1714). Das Instrument der morganatischen Ehe ist in England nicht zum Einsatz gekommen.41 40 Hatton, S. 144 f. 41 Radin.

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Das Haus Hannover, das sich nach 1714 auf die britischen Verfassungs­ traditionen einlassen musste, prägte seinerseits das britische Königtum in­ sofern, als es die im Reich gängigen strikten Vorstellungen von Ebenbürtigkeit mitbrachte. So begann sich allmählich die Vorstellung durchzusetzen, dass die Ehen der Königsfamilie in der Regel im illustren Kreis der regierenden Familien stattfinden sollten, sodass selbst die Peers den Royals nicht mehr eben­ bürtig waren. Die Praxis sah allerdings anders aus. In der Regierungszeit Georgs III. gab es zwei spektakuläre Fälle, bei denen Ebenbürtigkeitsvorstellungen miss­achtet wurden. Sein Bruder William Henry Duke of Gloucester and Edinburgh heiratete 1766 Maria, eine uneheliche Enkelin von Robert Earl of Walpole. Die Ehe wurde geheim in der Privatwohung der Braut geschlossen. Der König war gegen diese Verbindung, die nach hannoverschen Maßstäben eine Missehe war. Da die britische Verfassung jedoch keine Regelungen für Missheiraten vorsah, wurde Maria zur Duchess. Der König verweigerte ihr allerdings den Zugang zum Hof. Wenig später, im Jahr 1771, heiratete ein weiterer von Georgs Brüdern, Henry Duke of Cumberland and Strathearn, unter seinem Stand. Die Auserwählte war Lady Anne Horton, geborene Lutrell. Sie war Tochter eines Peers und war überdies in erster Ehe mit einem Commoner verheiratet gewesen. Auch hier hatte der König keine Handhabe, und die Dame wurde Mitglied seiner Familie. In Reaktion auf die beiden Fälle ließ Georg III. jedoch vom Parlament den Royal Marriage Act von 1772 beschließen, der im britischen Haus – ähnlich wie in vielen europäischen Hausverfassungen längst gang und gäbe – die strenge Kontrolle des Familienoberhauptes über die Ehen festlegte. Auch wenn das Gesetz keine Ebenbürtigkeitsregeln enthielt, näherte es doch die britischen Zustände den kontinentalen Gepflogenheiten an. Die königliche Kontrolle über die Heiraten war sowohl bei den Welfen im Reich als auch bei den Hohenzollern seit langem eine Selbstverständlichkeit. Der erste Testfall für das neue Gesetz war die im Jahr 1793 geschlossene Ehe von Georgs III. Sohn, Augustus Frederick Duke of Sussex, mit Lady Augusta Murray. Der König erklärte sie für ungültig, aus der Lady wurde kein Mitglied der Königsfamilie. Allerdings konnte das Oberhaupt der Familie nicht verhindern, dass der Duke of Sussex fast ein Jahrzehnt in dieser Mesalliance lebte.42 So trafen die Hohenzollern, wenn sie sich mit den kontinentalen Welfen­ linien verwandtschaftlich verbanden, auf ein recht ähnliches, wenn sie sich mit dem britischen Königshaus einließen, auf ein unterschiedliches dynastisches System. Die Trennung der Königreiche Großbritannien und Hannover, welche aus den unterschiedlichen Sukzessionsregeln resultierte und mit der Verabschiedung eines neuen hannoverschen Hausgesetzes einherging, legte diese Unterschiede noch einmal in aller Deutlichkeit offen.43 Die Unterschiede führ42 Eichhorn, Prüfung der Gründe. 43 Schulze, Die Hausgesetze, Bd. 1, S. 490 ff.

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ten zu komplizierten Eheverhandlungen. Viel diplomatisches Geschick war nötig, um sie zu überwinden. Das mag einer von verschiedenen Gründen gewesen sein, warum Heiratspläne zwischen den Dynastien der preußischen und der britischen Könige häufig scheiterten. Die Ehen mit den kleineren protestan­ tischen Familien des Reiches waren unkomplizierter und wohl nicht zuletzt deshalb häufiger. 3.2.4 Späte Verwandte: die Romanow Um den Variantenreichtum dynastischer Strategien innerhalb des Hohenzollernschen Heiratskreises aufzuzeigen, wird hier mit den Romanow noch eine weitere Dynastie betrachtet, mit der die Hohenzollern zwar nur eine einzige Heirat schlossen, allerdings durch Korrespondenz und Besuche enge verwandtschaftliche Beziehungen pflegten.44 Das Zarenreich war ein autokratischer Staat, und die Romanow regierten – anders als alle anderen Dynastien im hohenzollernschen Heiratskreis – bis zum blutigen Ende ihrer Herrschaft ohne nennenswertes konstitutionelles, parlamentarisches, ständisches oder gar gesellschaftliches Gegengewicht. Anders als im übrigen Europa konnten daher auch die russischen Zaren bis 1917 Haus­ gesetze als einseitige souveräne Akte erlassen, jede Form der äußeren Bestätigung war unüblich. Das russische Zarentum verfügte über eine bis ins Mittelalter zurück­ reichende gewohnheitsrechtliche Tradition.45 Erst im frühen 18.  Jahrhundert, unter Peter dem Großen, entstand das erste schriftliche und als dauerhaft gedachte Hausgesetz der russischen Zarenfamilie.46 Dieses Dokument widersprach nicht nur den älteren russischen Gewohnheitsrechten, sondern auch den westeuropäischen Entwicklungstendenzen. Peters »Statut über die Nachfolge auf dem Thron« vom 5. Februar 1722 stellte nämlich die Regelung der Nachfolge allein dem Ermessen des regierenden Herrschers anheim. Anlass zu dieser Regelung war Peters Unzufriedenheit mit seinem Erstgeborenen, dessen »absalomische Bosheit« im Statut angeprangert wird. Zwar wurde so die absolute Gewalt des Zaren bekräftigt, doch zugleich in einer Zeit, als auch die letzten europäischen Dynastien sich durch Hausverfassungen auf männlicher Primogenitur und Unteilbarkeit festlegten, ein ganz eigener Weg eingeschlagen. Wie zum Beweis der verbreiteten Auffassung, dass nur das Erb- und Erstgeburtsrecht dem dynastischen Staat Stabilität verleihen könne, war das russische 18. Jahr44 Einführend zu den Romanow: Torke; Almedingen; Stadelmann; Wortman, Scenarios of ­Power; zur Heiratspolitik Peters des Großen s. Roll. 45 Nitsche. 46 Zur Entwicklung im 18.  Jahrhundert siehe: Stökl; nach wie vor grundlegend und mit umfangreicher Quellenedition Schulze, Die Hausverfassungen, Bd.  2: Hollstein-Gottorp, S. 361–488, bes. S. 375 ff.

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hundert weniger von einer Praxis der durch individuelle testamentarische Verordnungen bewiesenen Herrscherstärke gekennzeichnet, als vielmehr von immer neuen Verstößen gegen den letzten Willen des jeweils letzten Monarchen, von Palastrevolutionen und Attentaten sowie von einer größeren Zahl von »Quereinsteigern«. Schon die Thronfolge von Katharina, der Gattin und Nachfolgerin Peters des Großen, stand im Widerspruch zu dessen Testament. Katharinas Versuch, die Freiheit des Zaren bei der Benennung seines Nachfolgers wieder zu begrenzen und das Prinzip der Primogenitur zu stärken, war zwar ein Vorgriff auf spätere hausrechtliche Regelungen, hatte aber zunächst eher negative Folgen für die Praxis. Von nun an berief sich jeder Anwärter auf diejenige Regelung, die seinen Anspruch am besten untermauerte. Die Situation im 18. Jahrhundert ist Auswirkung einer weitgehend regellosen, uneindeutigen und bitter umkämpften Thronfolge, die sich immer wieder durch Nachwuchsprobleme verschärfte. Erst durch Paul  I. und sein Statut vom 5.  April 1797 wurde Klarheit ge­ schaffen. Er fixierte die Linealfolge bei starker Bevorzugung der männlichen Deszendenz; der Thronfolger wurde jetzt als »Zarewitsch« bezeichnet, um ihn von anderen Großfürsten zu unterscheiden. Weibliche Thronfolge sollte – nach einem Jahrhundert, das von großen Zarinnen geprägt war – nur dann möglich sein, wenn männliche Erben fehlten. Sollte dieser Fall eintreten, hatte die älteste Erbtochter vor männlichen Nachkommen einer jüngeren Schwester Vorrang. Pauls Statut regelte auch andere Fragen der Familienkultur entsprechend den strengsten Vorkehrungen im Reich: Die Einheit und Unteilbarkeit des Reiches wurde deklariert. Heiraten ohne Zustimmung des Zaren galten jetzt als un­ gültig. Das Statut von 1797 regelte auch die Volljährigkeit und die Versorgungsleistungen für die Familienmitglieder; ein Departement für Apanagen wurde eingerichtet, um den Familienbesitz geschlossen zu verwalten. In Ergänzung zu Pauls Statut wurde 1820 in einem Edikt Alexanders I. das Konzept der morganatischen Ehe im russischen Hausrecht verankert.47 Anlass war der Wunsch von Alexanders jüngerem Bruder Konstantin, eine zweite Ehe einzugehen, nachdem seine erste Gattin, Juliane von Sachsen-Coburg-Saalfeld, aus Russland geflohen war. Nach der Scheidung wollte Konstantin die polnische Gräfin Joanna Grudzinska heiraten. Der Zar erlaubte die Zweitehe unter der Bedingung, dass eventuelle Kinder seines Bruders (die es allerdings nicht geben sollte) von der Thronfolge ausgeschlossen würden. Konstantin aber blieb Zare­witsch bis er, der die Last der Verantwortung scheute, in einer geheimen Erklärung auf seine Thronrechte verzichtete. Diese Deklaration wurde von Konstantin sogar nach dem Tod Alexanders geheimgehalten, das Zarenreich erlebte – trotz umfangreicher Hausgesetze – seine nächste Thronfolgekrise und im Dekabristenaufstand eine davon begünstigte Revolte. Konstantins jüngerer Bruder

47 Zur Fortsetzung der hausrechtlichen Entwicklung im 19. Jahrhunderts siehe Wortman, The Representation of Dynasty.

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Nikolaus hatte es dementsprechend nicht leicht, sich als neuer Macht­haber zu etablieren. In der großen Rechtskodifikation, die Zar Nikolaus 1832 in einem feier­lichen Akt erließ, wurde sowohl auf Pauls Statut von 1797 als auch auf die Ebenbürtigkeitsregeln von 1820 zurückgegriffen. An den Prinzipien von männlicher Primogenitur, Linealfolge mit subsidiärer weiblicher Thronfolge, Unteilbarkeit und auch an den Heiratsregeln rüttelte das Statut nicht. Der Detailreichtum dieses neuen Fundamentalgesetzes, das neben den Familienfragen auch Verfassungsstrukturen des autokratischen Staates – etwa die Rolle des 1810 geschaffenen Staatsrates – definierte, war jedoch bei weitem größer als jemals zuvor. Durch das Fundamentalgesetz von 1832 wurde Russland zu einem Reich mit geschriebener Verfassung; in ihrem Zentrum stand ein Monarch, der sowohl in seiner Rolle als Familienoberhaupt als auch in seinem Amt als Staatsoberhaupt uneingeschränkt walten konnte. Gegen spätere Änderungen durch den Zaren war das Fundamentalgesetz, das allein dem herrscherlichen Willen entsprang, ebensowenig geschützt wie gegen Zuwiderhandlung dessen, der in seiner Person das Gesetz verkörperte. Das Fundamentalgesetz macht gleichermaßen die Ähnlichkeiten wie die Unterschiede zum preußischen Fall deutlich. Was das Verhältnis von Haus- und Staatsverfassung angeht, waren Hohenzollern und Romanow bei seiner Ver­ abschiedung im Jahr 1832 in einer ähnlichen Situation. Erst durch die preußische Verfassungsentwicklung infolge der Revolution von 1848 entstanden deutliche Unterschiede. Was jedoch die reine hausgesetzliche Praxis angeht, hatte sich Russland durch Pauls und Nikolaus’ Reformen weitgehend an Preußen angepasst. Der durch Peter den Großen eingeschlagene Weg, der den Herrscher von jeder gesetzlichen Bindung löste, wurde damit wieder verlassen. Insgesamt zeigt der Vergleich zwischen vier Häusern aus dem hohenzollernschen Heiratskreis, dass es durchaus ein Grundmuster der Wahrung von Besitz und Status gab, auch wenn die Varianten vielfältig waren. Das zeigt sich zum einen auf der verfassungsgeschichtlichen Ebene. Alle betrachteten Länder  – nach regellosen Phasen auch Russland – beschritten im Verlauf der Neuzeit den Weg hausgesetzlicher Regelungen. Die Unterschiede des zeitlichen Verlaufes sind allerdings signifikant: Preußen und Hessen-Kassel gehörten mit ihren um 1.600 auf männlicher Primogenitur und Unteilbarkeit verpflichtenden Hausverfassungen zu den Vorreitern einer Entwicklung, die in anderen Dynastien weitaus später zum Tragen kam. Das Haus Hannover konsolidierte die Hausverfassung erst am Ende des 17. Jahrhunderts; dies war auch die Zeit, in der sich die Gesetze für das britische Königshaus verdichteten. Die Häuser Oranien und Romanow, die sich erst im späten 18. Jahrhundert für das Erstgeburtsrecht entschieden, erscheinen im Vergleich dazu als Nachzügler. Primogenitur und Linealfolge wurden in allen Reichen etabliert; allerdings wurde die für Heiratsfragen überaus relevante weibliche Thronfolge in den hier untersuchten Fällen unterschiedlich gehandhabt. Das in Frankreich anzu­ 133 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

treffende salische Gesetz, das in seiner striktesten Auslegung Frauen ganz von der Regierung ausschloss,48 gab es im hohenzollernschen Heiratskreis nur im Haus Hessen. Eine gleichberechtigte agnatisch-kognatische Thronfolge, wie sie etwa in Schweden in der Königsversicherung von 1720 formuliert wurde, war ebenso unüblich.49 Stattdessen wurde in allen hier untersuchten Hausverfassungen mit der agnatischen Primogenitur auch die subsidiäre weibliche Thronfolge eingeführt. Dabei stand die preußische, hessische, niederländische und russische Variante einer weiblichen Thronfolge, die nur beim völligen Aus­ sterben des Mannesstammes erlaubt war, dem britischen Modell entgegen, das Königstöchter, die keine Brüder hatten, zum Thron zuließ. Was die Eheaufsicht angeht, ist in allen Systemen die väterliche Autorität behauptet oder gestärkt worden. Konfessionelle Harmonie zwischen Eheleuten wurde explizit (Groß­britannien, Russland)  oder implizit (Preußen, Oranien) erwartet. In allen studierten Fällen wurden bis spätestens zum Ende des 18. Jahrhunderts die striktesten Ebenbürtigkeitsregeln etabliert, welche Heiraten nur innerhalb des Kreises der regierenden Häuser erlaubten. Die Unterschiede im Verhältnis von Haus- und Staatsverfassung schwächten sich im Verlauf des Untersuchungszeitraumes ab. Der britische König war und blieb in ein parlamentarisches System eingebunden, und im 19. Jahrhundert trat auch den Oraniern, den Kurfürsten von Hessen-Kassel und den Hohenzollern ein Parlament zur Seite. Allein der Zar blieb bis zum Ende seiner Regierungszeit Oberhaupt eines autokratischen Staates. Insofern haben wir es mit einem Heiratskreis zu tun, innerhalb dessen durchaus Unterschiede herrschten; sie waren umso größer, wenn die Hohen­ zollern auf der Partnersuche den Kreis der unmittelbaren Nachbarn verließen und die große weite Welt der europäischen Herrscherdynastien ansteuerten. Das mag einer von verschiedenen Gründen dafür sein, dass die Heiraten mit nachbarlichen Dynastien bei weitem überwogen. Die Binnenunterschiede erscheinen jedoch unbdeutend, wenn man die hier analysierten Dynastien außereuropäischen Herrscherfamilien gegenüberstellt. Der Vergleich mit den Osmanen, der hier nur angedeutet werden kann, ist in diesem Zusammenhang gleichermaßen naheliegend wie problematisch, ist diese Dynastie doch in verschiedener Hinsicht als der europäischen Welt zugehörig anzusehen. Im Hinblick auf verwandtschaftliche Systeme und Netzwerke ist dies allerdings wohl nicht der Fall: In den Familien der Sultane gab es zwar Verrechtlichung und seit den 1870er Jahren auch Verstaatlichung dynastischer Regeln, das familiäre Regelwerk blieb jedoch fundamental unterschiedlich. Das zeigte sich am auffälligsten in der Frage der Sukzession, die bei den Osmanen nicht dem Prinzip der männlichen Primogenitur unterlag, sondern der Entscheidung des Sultans. Unterschiedlich stellten sich auch die osmanischen Ehevorstellungen, geprägt von Polygamie und Konkubinat, dar. Bis ins 15.  Jahrhundert folgte die Aus48 Zum salischen Gesetz: Barbiche; Barbey; Viennot. 49 Zur schwedischen Königsversicherung: Buchholz; Runeby, S. 311 f.

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wahl der Ehefrauen durchaus den auch in Europa verbreiteten dynastischen Prinzipien. Doch in der Frühen Neuzeit traten die Sultane nur noch selten in den Stand der Ehe. Für die Reproduktion der Dynastie setzten sie zunehmend auf Konkubinen, d. h. im Harem lebende Sklavinnen. Diese stammten nicht aus ebenbürtigen Familien, sondern gehörten vielfach fremden Kulturkreisen an.50 Nur die noch ausstehende tiefergehende vergleichende Beschäftigung mit der Sultansfamilie und mit asiatischen Dynastien wird allerdings die These eines spezifischen »europäischen Typus« von Herrscherfamilie erhärten können. Insgesamt wurden die innereuropäischen Unterschiede im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts zunehmend geringer. Da trotz dieser Tendenz zur Homogenisierung dynastischer Prozeduren jedoch durchaus Unterschiede erhalten blieben, stellten die Vertragsabschlüsse zwischen Dynastien eine Herausfor­derung dar. Von den Anstrengungen zur Überbrückung von Unterschieden zwischen Familien handelt das nächste Kapitel.

3.3 Kompatibilität zwischen dynastischen Systemen Das letzte Kapitel hat gezeigt, dass bei den Dynastien im Hohenzollernschen Heiratskreis zwar ähnliche Strategien und Familienkulturen anzutreffen waren, dass es aber – insbesondere wenn Heiraten die Grenzen des Heiligen Römischen Reiches überschritten  – auch signifikante Unterschiede gab. Je unterschied­ licher die dynastischen Kulturen, desto größere Anstrengungen waren bei den Heiratsverhandlungen nötig, um sie zu überwinden. Im folgenden werden exemplarisch Verhandlungen von Eheverträgen in den Blick genommen, welche im Vorfeld der Ehe die rechtlichen und anderen Differenzen – Konfession, Ritual, Verfahren und Sprache  – offenlegten und Wege zu ihrer Überbrückung fanden. Als Beispiele bieten sich wegen des höheren Maßes an Unterschiedlichkeit vor allem die Heiraten mit Herrscherfamilien außerhalb des Reiches an. Während die großen Linien der Eheverhandlungen von den Oberhäuptern der beteiligten Häuser vorgegeben wurden, waren mit den Details und der Ausarbeitung der Eheverträge Minister, Beamte und Diplomaten befasst. Vermittlungs- und Klärungsbedarf bestand vor allem in religiösen Fragen, darüber hinaus mussten auch unterschiedliche haus- und staatsrechtliche Regelungen koordiniert, Verfahrensweisen und Gebräuche kompatibel gemacht werden. Je nach Bedeutung des Problems wurden über diese Fragen mündliche Absprachen getroffen, Paragraphen in die Eheverträge aufgenommen oder separate Verträge geschlossen. Vor den eigentlichen Verhandlungen lagen nicht nur, meist mündliche, Absprachen zwischen den beteiligten Familien, sondern es gab auch eine intensive Wissenszirkulation zwischen den beteiligten Beamtenstäben. Beschafft 50 Peirce, S. 28–56; Finkel, S. 132 f.

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wurde erstens genealogisches Spezialwissen. Die Familiengeschichte der jeweils anderen Dynastie wurde auf mögliche aus einer Heirat hervorgehende Ansprüche auf Ämter und Land abgeklopft. Den Spezialisten stand dafür in Form der Nachschlagewerke über »praetensiones« eine Fachliteratur zur Verfügung. Zweitens wurden anlässlich von Heiratsverhandlungen intensiv die Hausgesetze der anderen Seite studiert. Quellenmäßig nachweisbar ist dies für die preußisch-niederländisch-britische Doppelheirat von 179151 sowie für die preußisch-russische Heirat von 1817 und die preußisch-britische Vermählung von 1858, bei denen umfangreiche Rechtstexte und in der Vergangenheit geschlossene Eheverträge an den jeweils anderen Hof geschickt wurden. Drittens wurden in den Hofarchiven Präzedenzfälle von früheren Heiraten zwischen den beteiligten Häusern recherchiert, die Anhaltspunkte für die zu verhandelnde Verbindung und auch für die Überbrückung von Unterschieden gaben.52 Die Verhandlungspartner konnten sich jedoch nicht damit begnügen, einander ausführlich zu informieren. Sie mussten zu Ergebnissen kommen, mit denen beide Seiten zufrieden waren. Über die im Jahr 1646 geschlossene Heirat des Großen Kurfürsten mit Luise Henriette von Oranien, welche die erste Verbindung zwischen den beiden Häusern darstellte und daher größeren Verhandlungsbedarf vermuten lässt, gibt es leider nur unvollständiges Quellenmaterial. Das hängt wohl vor allem damit zusammen, dass der Tod des prospektiven Brautvaters Friedrich Heinrich sich abzeichnete und deshalb mit großer Eile zu Werke gegangen wurde. Die Verhandlungen vollzogen sich zum größten Teil  mündlich und sind bei weitem schlechter dokumentiert, als das gewöhnlich der Fall ist. Laut Ulrike Hammer, die sich eingehend mit der im Haag begangenen Eheschließung von 1646 befasst hat, konkretisierten sich die Hochzeitspläne erst im September 1646; am 7. Dezember desselben Jahres wurde bereits Hochzeit gefeiert.53 Ungewöhnlich ist die Tatsache, dass der Bräutigam zur Heirat anreiste. Dies war ein Bruch mit den hohenzollernschen und europäischen Traditionen, wo sich in der Regel die Braut auf Fahrt begab. Verhandlungen über diesen zentralen Punkt des Zeremoniells sind nicht überliefert; es ist jedoch zu vermuten, dass zum einen die finanzielle Situation des Kurfürsten am Ende des Dreißigjährigen Krieges und zum anderen das Kräfteverhältnis der Häuser für dieses Aufgeben einer zeremoniellen Position ausschlaggebend waren. 51 In den Verhandlungsakten von 1791 findet sich: Des Fürstlichen Gesamthauses Nassau im Jahre 1783 erneuerter Erbverein, GStA PK, BPH, Rep. 48, W II, Nr. 12; Fürstlich OranienNassauische im Jahre 1785 errichtete Primogenitur-Konstitution, ebd. 52 In den Verhandlungen für die schwedisch-preußische Heirat von 1744 wurden beispielsweise die Ehepakte der anderen Schwestern von Friedrich II. als Vorbild gewählt (Schreiben von Podewils und Borcke, 14.3.1744, GStA PK, BPH, Rep. 48, W II, Nr. 12). 1767 diente die Heirat von Ulrike, der Schwester Friedrichs II., aus dem Jahr 1744 als Präzedenzfall: Bericht über die Eheverhandlungen von Hertzberg und Finckenstein an Friedrich  II., 30.6.1767, GStA PK, BPH, Rep. 56, I W, Nr. 5, Bl. 81. 53 Hammer, Kurfürstin Luise Henriette, S. 56 f.

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Ausdruck von Verfassungsunterschieden war der Umstand, dass der Kurfürst vor seiner Verlobung am 22. November 1646 den Generalständen persönlich seine Absichten verkünden musste. Dieses Verfahren, das sich aus der republikanischen Verfassung der Niederlande und dem Zustimmungsrecht der Generalstände ergab, war vor dem brandenburgischen Verfassungshintergrund nicht nur ungebräuchlich, sondern undenkbar.54 Weiterhin zeigt ein Paragraph des Heiratsvertrages, dass hier unterschiedliche dynastische Systeme aufeinander trafen. Im Artikel IV wurde ausdrücklich das Recht der Braut auf das elterliche Erbe betont.55 Das war eine nach hohenzollernschen Maßstäben ungewöhnliche Regelung. Doch gerade dieser aus der Heirat erworbene Erbanspruch eröffnete für die Brandenburger ganz erhebliche Chancen. Spätere Verhandlungen zwischen den Häusern Hohenzollern und Oranien verliefen ähnlich reibungslos wie ihr Präzedenzfall von 1646; dies gilt sowohl für die oranisch-preußische Heirat von 1767 als auch für spätere Verehelichungen in den Jahren 1791, 1825 oder 1830. Konfessionelle Unterschiede waren zwischen den beiden reformierten Familien nicht zu überbrücken. Routiniert einigte man sich in allen Fällen über die Höhe der Heiratsgüter und das Zeremoniell, das insofern ungewöhnlich war, als – wie schon 1646 – die Bräutigame sowohl 1767 als auch 1791 – zur Verehelichung in die Residenz der Braut reisten. Die engen Familienbeziehungen – der niederländische Erbprinz Wilhelm war der Cousin der ihm 1791 angetrauten preußischen Braut Wilhelmine –, die klaren Präzedenzen,56 die Tatsache, dass aus den Niederlanden bewusst Unterhändler geschickt wurden, welche die deutsche Sprache verstanden,57 und wohl auch die Asymmetrie zwischen einer aufsteigenden Monarchie und einer zeitweise bedrohten Republik spielten hier eine zentrale Rolle. Auch die knapp hundert Jahre später stattfindenden Verhandlungen zwischen dem preußischen König Friedrich II. und dem schwedischen Monarchen Friedrich  I. aus dem Haus Hessen-Kassel, die eine Verheiratung der preußischen Prinzessin Luise Ulrike mit dem 1741 von den Ständen zum schwedischen Thronfolger gewählten Adolf Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorp zum Ziel hatten, geben Auskunft zur Frage der Kompatibilität.58 Durch die deutsche Herkunft der Hauptakteure war bei den Verhandlungen keine sprachliche Barriere vorhanden; die Unterlagen sind in französischer, zum Teil  sogar in 54 Ebd., S. 58. 55 Ebd., S. 60; Ehevertrag im Original: GStA PK, BPH, Rep. 35, NI, Nr. 1, Bd. 2. 56 Finckenstein u. a. an Friedrich Wilhelm II, 22.6.1791: »Le contrat de mariage de  S. A. R. ­Madame la Princess soeur de V. M. ayant été pris pour base de celui qu’il s’agit de d ­ resser, nous n’avons trouvé que deux changements notables dans le projet.« (GStA, BPH PK, Rep. 48, W II, Nr. 12). 57 Brief von Erbstatthalterin Wilhelmine an Friedrich II., 5.11.1790, GStA PK, BPH, Rep. 48 W II, Nr. 12. 58 Zur Einführung: Schnitter; Feuerstein-Praßer, »Einst Abgott des ganzen Königreiches, jetzt Gegenstand des Hasses«; Arnheim, S. 1–21.

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deutscher Sprache abgefasst. Gleichwohl waren die Verhandlungen zwischen den Dynastien, die sich vom Januar bis Juli 1744 hinzogen, keineswegs unkompliziert. Anfangs, als es um die großen Linien des auch als politische Allianz angelegten Abkommens ging, zeigten sich beide Seiten kooperativ. Zunächst wurde die Festplanung abgesteckt: In Berlin sollte im Sommer eine Ehe par procuration stattfinden, bei der Friedrichs jüngerer Bruder August Wilhelm den Bräutigam vertreten sollte. Der schwedische Botschafter Karl Gustav ­Tessin sollte dort auch die Ehepakte unterzeichnen und dann die Braut in ihre neue Heimat geleiten. An der Grenze zu Schwedisch-Pommern sollte sie von Abgesandten des schwedischen Königs empfangen werden und sich dann auf einer schwedischen Flotte einschiffen, um nach Carlskrona zu fahren. Dort sollte sie ihr zukünftiger Ehemann empfangen und nach Stockholm geleiten.59 Auch die konfessionelle Frage wurde gleich zu Anfang des Verhandlungsprozesses geklärt. Die schwedische Seite bestand auf einem Übertritt zur lutherischen Kirche, stellte aber frei, ob dieser Schritt schon in Berlin oder erst in Stockholm erfolgen sollte. Auch eine unauffällige Zeremonie, sozusagen en passant, in Stralsund wurde von schwedischer Seite vorgeschlagen. Der König sicherte zu, dass das Bekenntnis zum lutherischen Glauben schon in Berlin stattfinden solle. Nachdem diese Punkte geklärt waren, erklärte sich Friedrich  II. bereit, seine Einwilligung in die Heirat zu geben. Der schwedische Minister in Berlin reagierte überaus emotional auf diese Nachricht: »M. de Rudenschiold pleuvoit de joye quand je lui annoncois cette nouvelle, et il en étoit tellement saisi, qu’il ne me repondit d’abord que par des larmes et des paroles entrecoupées.«60 Er bat, auch wenn es für die offiziellen Notificationen noch zu früh war, die gute Nachricht schon in Umlauf bringen zu dürfen. Erst jetzt, wo es ohne großen Verlust an Ansehen kein Zurück mehr gab, wurde über Geld gesprochen. Zunächst setzte König Friedrich – nach dem Vorbild der Eheverträge seiner älteren Schwestern – das Heiratsgut auf 100.000 Ecus fest, davon 40.000 als Mitgift und 60.000 als Paraphernalia.61 Auch für die Verhandlung der Eheverträge wurden die Präzedenzfälle herangezogen. Podewils betonte jedoch, dass man, da die in der Vergangenheit geschlossenen Verträge nicht durchgehend mit den Gesetzen und der Verfassung Schwedens vereinbar seien, zur Abfassung eines neuen Entwurfes schreiten müsse.62 Die nun folgenden Verhandlungen sind geeignet, die Unterschiede zwischen den preußischen und schwedischen Gepflogenheiten zu illustrieren. Entgegen den preußischen Gewohnheiten war die schwedische Seite nicht bereit, die Morgengabe in den Besitz der Prinzessin zu geben. Stattdessen sollte 59 Entwurf eines Schreibens von Podewils an den König, 9.3.1744, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 86. 60 »Herr von Rudenschöld weinte vor Freude als ich ihm diese Neuigkeit verkündete, und er war davon so ergriffen, dass er mir nur mit Tränen und unterbrochenen Sätzen antworten konnte.« Podewils an den König, 12.3.1744, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 86. 61 Zur Begriffsklärung siehe oben, Kapitel über »Das Gleichgewicht der Ehegüter«. 62 Podewils an Friedrich II., 9.5.1744, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 86.

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sie angelegt und lediglich sechs Prozent pro Jahr an die Prinzessin ausgezahlt werden. Um diesen Verlust zu kompensieren, bot Rudenschöld im Namen der schwedischen Krone an, eine höhere Morgengabe einzusetzen und somit die regel­mäßigen Einkünfte der Prinzessin zu erhöhen. Darüber hinaus wurde ein üppiges Nadelgeld, bezahlt aus den Zinsen der Gegengabe, angeboten. Für die preußische Seite überraschend war auch die Mitteilung, dass die Prinzessin keinen eigenen Hofstaat mit nach Schweden bringen durfte. Vielmehr dienten der Kronprinzessin die gleichen Hofbeamten wie dem Prinzen, und die Hofdamen der verstorbenen Königin von Schweden sollten nun in ihren Dienst treten. Lediglich die Domestiken durfte die Prinzessin selbst einstellen oder entlassen. Das war – im Vergleich zu Preußen – eine deutliche Beschneidung des üblichen Entscheidungsspielraumes von Prinzessinnen. Als »point le plus difficile« bezeichnete der preußische Geheimrat H ­ einrich von Podewils die Frage, ob die von den Schweden mit einem großzügigen ­Wittum ausgestattete Prinzessin als Witwe ihren Wohnort würde frei wählen können. Die schwedische Verfassung verbiete den Verzehr des Wittums außerhalb der Landesgrenzen; lediglich kürzere Besuche in ihrer Heimat seien der Prinzessin erlaubt. Der König versah das zu diesen Punkten von Podewils an­ gefertigte Verhandlungsprotokoll mit einer Randnotiz, welche die Verhandler zu Kompromissbereitschaft und Zugeständnissen ermutigen sollte. Das ganze Arrangement sei so vorteilhaft, dass er keinerlei Schwierigkeiten sehe, den verbleibenden Wünschen der Gegenseite zu entsprechen.63 Die Schweden machten den Preußen ein Einlenken in den strittigen Fragen durch die Erhöhung der ohnehin schon großzügigen Heiratsgüter von ihrer Seite schmackhaft. Beim Wohnsitz im Witwenstand waren sie zu einem Kompromiss bereit: Mit Zustimmung der Stände sollte der Witwe das Verlassen des Landes erlaubt werden. Schließlich wiesen die schwedischen Unterhändler mit Blick auf eine Vererbung der Mitgift an die Kinder der Prinzessin auf die Tatsache hin, dass in Schweden Söhne und Töchter gleichermaßen erben und sukzedieren konnten. Podewils vermeldete überdies, dass diese Zugeständnisse und Änderungen mit einem Ultimatum verbunden waren und es nicht den Anschein habe, als könne man darüber hinaus noch Erfolge erzielen. Friedrich kommentierte mit der Randnotiz: »Vous n’avez qu’a signer.«64 Die Unterzeichnung erfolgte jedoch erst im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten. Davor lagen noch Verhandlungen über die Audienz des Botschafters, in deren Verlauf im Namen des schwedischen Kronprinzen feierlich um die Hand von Luise Ulrike angehalten werden sollte. Da sich der Botschafter von vornherein auf Friedrichs Sparsamkeit und Abneigung gegen diplomatisches Zeremoniell einstellte und daher auf einen Einzug verzichtete, fiel es Friedrich leicht, 63 Verhandlungsprotokoll von Podewils für den Königs, 8/9.5.1744, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 86. 64 »Sie müssen nur noch unterzeichnen.« Podewils an den König, 17.6.1749, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 86.

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ihm besondere Wünsche – wie etwa eine Essenseinladung an den Tisch des Königs  – zu erfüllen.65 So hatten die Verhandlungen von der ersten Anfrage bis zur Vertragsunterzeichnung etwa ein halbes Jahr in Anspruch genommen. Die Vorstellungen der beiden Höfe vom abzuschließenden Geschäft lagen nicht weit auseinander und konnten daher durch Kompromisse ohne größere Konflikte oder Krisen in den Verhandlungen überbrückt werden; darüber hinaus erwies sich hier die Erhöhung der eingesetzten Geldmittel als wirksames Argument. Dagegen erwiesen sich die Verhandlungen zur preußisch-britischen H ­ eirat von 1791 als diplomatischer Drahtseilakt. Bei der Vermählung von Frederick Duke of York mit der preußischen Prinzessin Friederike komplizierten vor allem Verfahrensfragen den Vertragsab­schluss; sie wurden allerdings mit religiösen Fragen verquickt. Der preußische König Friedrich Wilhelm  II., Vater der Braut, hatte bereits im Juli 1791 mit den niederländischen Unterhändlern die Verhandlungen abgeschlossen und den Ehepakt unterzeichnet. Darin waren als Heiratstermin die ersten Tage im Oktober und als Festort Berlin festgelegt.66 Nun hatte es sich der König in den Kopf gesetzt, eine Doppelhochzeit zu feiern und die preußisch-britische Vermählung unmittelbar im Anschluss an die preußisch-oranische stattfinden zu lassen; ausschlaggebend für diesen Plan waren Kostenfragen. Der Bräutigam, Frederick Duke of York, reiste schon im Frühjahr nach Berlin, um dort die Angelegenheit zu befördern. Er und der britische Botschafter am preußischen Hof, Sir Ewart, gerieten jedoch zunehmend in Bedrängnis, weil der preußische Plan für die von der britischen Verfassung vorgeschriebenen Schritte zur Vorbereitung einer Staatshochzeit keine Zeit ließ. Friedrich Wilhelm II. und seine Berater kannten die britischen Gesetze und Gebräuche offenbar nicht und wollten sich – nachdem sie in Kenntnis gesetzt wurden – nicht nach ihnen richten. Der britische König Georg III. hatte wenige Wochen nach dem preußisch-niederländischen Vertragsabschluss seine Zustimmung zur Heirat seines Sohnes Frederick Augustus gegeben; doch er hatte gleichzeitig betont, dass nach den britischen Gepflogenheiten eine Heirat im Herbst unmöglich sei.67 Laut dem Royal Marriage Act hatte eine Verkündung der Heiratsabsichten im Privy Council zu erfolgen, vor allem aber musste das britische Parlament die Mittel für das Heiratsgut bewilligen. Während des Sommers tagte das Parlament nicht, somit waren die Voraussetzungen für den Abschluss des Ehevertrages nicht gegeben. Gleichzeitig war aber die preußische Seite nicht bereit, die Hochzeitszeremonie ohne jegliche rechtliche Vereinbarung zu vollziehen. Als Lösung trafen der Duke of York und der Botschafter Ewart zwei eigenmächtige Entscheidungen, welche unter gewaltigem Zeitdruck ohne die Zustim65 Résolutions du Roi données à Charlottenbourg, 15.6.1744, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 86. 66 Projet de contrat de mariage, 6.7.1791, GStA, BPH PK, Rep. 48, W II, Nr. 12. 67 Copie d’une lettre du Roi d’Angleterre au Duc de York, 25.7.1791, GStA PK, HA I, Rep. 11, Nr. 73, Konvolut Nr. 156 C, Bl. 13/14.

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mung der britischen Krone getroffen und später von dieser auch nur zähneknirschend akzeptiert wurden: Zur Befriedigung des preußischen Königs wurde die Zeremonie im Oktober abgehalten. Dafür wurde eine wenn auch wenig stabile Rechtsgrundlage in Form eines Vorvertrages geschlossen, der aber – so bekräftigte der Botschafter – ohne jede Verbindlichkeit war. Insbesondere mit Rücksicht auf das Parlament musste der vorläufige Charakter dieses für die preußische Seite unverzichtbaren Dokuments betont werden. Die gefundene Lösung beruhte auf einem Argument, von dem beide Seiten wussten, dass es nur ein Vorwand war. Der britische Botschafter verwies zur Rechtfertigung der bereits unternommenen Schritte auf den konfessionellen Unterschied zwischen dem anglikanischen und dem reformierten Bekenntnis, der unter anderen Umständen nicht ins Gewicht gefallen wäre. Ewart schrieb an den Außenminister Lord Grenville: »The King of Prussia having made no difficulty on my mentioning from the beginning that it might perhaps be necessary to have the ceremony performed a second time by a Clergyman of the Church of England. I trust this reservation will enable Your L.d to have any informality corrected which may have happened from want of time.«68 Es war also der konfessionelle Unterschied, welcher einen Vorwand lieferte, die Verfahrens­ probleme zur beiderseitigen Zufriedenheit zu behandeln. Tatsächlich fand im November 1791 in der Kapelle des Londoner Buckingham House eine zweite Trauung nach anglikanischem Ritus statt, und im Verlauf der folgenden Monate wurden die nötigen britischen Vorbereitungen, vor allem die Parlamentsentscheidung über die Mitgift, vollzogen. Der Abschluss des endgültigen Vertrages zog sich noch bis zum Februar 1792 hin. Noch weitaus komplizierter gestalteten sich die Verhandlungen zwischen der preußischen und der russischen Seite im Vorfeld der Heirat von 1817. Hier konnte nicht auf verwandtschaftliche Traditionen zurückgegriffen werden; vor allem aber trat eine Vielzahl von Schwierigkeiten zu Tage, deren Wurzel zumeist die Differenz zwischen protestantischer und russisch-orthodoxer Religion war. Die Konversion der Braut wurde von der russischen Seite als unumgänglich angesehen. Charlotte versuchte  – mit Verweis auf Gewissensgründe – diesen Schritt zu verhindern. An ihren Vater Friedrich Wilhelm III. schrieb sie: »Sie können den Kaiser fragen, ob es erlaubt ist, daß ich meine Religion behalte; wenn es gar nicht angeht, wenn es das russische Volk und die Kaiserin Mutter mit Mißvergnügen bestrafen sollten, dann würde ich das Opfer bringen.« Sie würde sich dann jedoch »ausgestoßen aus der Familie« fühlen.69 In diesem Punkt war jedoch kein Kompromiss möglich; die Konversion wurde in einem Separatartikel des Ehevertrags geregelt.70

68 Botschafter Ewart an Lord Grenville, 6.10.1791, TNA: PRO, FO 353/17, Jackson Papers (Juli 1791-Juli 1792). 69 Charlotte an Friedrich Wilhelm II., 21.10.1813, GstA PK, BPH, Rep. 49 W 12. 70 Entwurf des Ehevertrages, o. D., GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 1965.

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Ein wichtiges Detail war die Bestätigung, dass zur Konversion ein Abschwören vom reformierten Glauben nicht notwendig sei. Charlotte legte eine förmliche Erklärung ab, in der sie einleitend betonte, dass die »Lehren der russisch griechischen Kirche in den wesentlichen Artikeln des christlichen Glaubens mit den Lehren der evangelisch reformierten Kirche … übereinstimmen«.71 Dieses Argument, das auch von anderer Seite vorgetragen wurde, sollte helfen, die konfessionellen Unterschiede zwischen den beteiligten Familien als unbedeutend erscheinen zu lassen. Charlotte nutzte es als Mittel gegen eine drohende förmliche Absage an ihren alten Glauben: Wegen der Ähnlichkeit der Konfessionen und weil sie noch kein Glaubensbekenntnis abgelegt habe (d. h. noch nicht konfirmiert war), sehe sie sich nicht verpflichtet, ihrem bisherigen Glauben förmlich zu entsagen. Mit der Konversion war auch die Frage nach der Unterweisung in den Lehren und Gebräuchen der orthodoxen Kirche und des russischen Hofes verbunden. Schon 1815, nach Nikolaus’ erfolgreicher Brautwerbung in Berlin, sprach dieser in seinen Briefen an Charlotte zum ersten Mal den Wunsch seiner Mutter Maria Feodorowna an, die Braut solle schon neun Monate vor der Heirat nach Sankt Petersburg kommen. Auch wenn er die Notwendigkeit gründlicher Vorbereitung für seine Zukünftige einsah, schien Nikolaus die Maßnahme zu befremden: »Que ferez vous ici 9 mois, seule?« Gewiss, so räumte er ein, fehle der Prinzessin noch die Erfahrung mit den russischen Gepflogenheiten. Doch angesichts ihres Geschicks und ihrer Liebenswürdigkeit würde sie wohl kaum neun Monate brauche, um sich an die russische Hofkultur zu gewöhnen.72 ­Nikolaus gab auch seiner Sorge um das Ansehen seiner Braut Ausdruck. Zar Alexander schien die Sorgen des Großfürsten zu teilen. Er besprach sich mit dem preußischen Gesandten von Schilden über die Sicht der preußischen Seite und signalisierte gegenüber Charlotte die Bereitschaft, den Petersburger Aufenthalt vor der Ehe zu verkürzen. Schließlich lenkte auch die Kaiserin­ mutter ein.73 Als die Heirat unmittelbar bevorstand, kam jedoch – wie ein Memorandum des Barons von Schilden belegt – das Thema eines mehrmonatigen Aufenthalts erneut zur Sprache.74 Schilden konnte den preußischen Hof jedoch beruhigen, da die russische Seite nicht auf diesem Punkt insistierte. Er betonte, dass auf keinen Fall der Eindruck erweckt werden dürfe, dass eine preußische Prinzessin für das Leben an einem fremden Hof nicht ausreichend vorbereitet sei: »Durch diese Abänderung, hinsichtlich der 6 Vorbereitungsmonate, wird die Stellung Ihrer Königl. Hoheit, indem dadurch jeder Gedanke, einer in Petersburg erst vollendeten Erziehung wegfällt, Ihrem Alter angemessen, und 71 Konversionserklärung, o. D., GStA PK, BPH, Rep. 49, W 12. 72 »Was würden Sie hier neun Monate lang ganz allein machen?« Großfürst Nikolaus an Prinzessin Charlotte, 13./15.1.1816, GARF, Koll. 728, Inv. 1, Dok. 982. 73 Zar Alexander an Prinzessin Charlotte, 14./26.1.1816, GARF. Koll. 728, Inv. 1, Dok. 1023. 74 Mémoire des Baron von Schilden für Friedrich Wilhelm  III., 8.3.1817, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 1966.

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die Prinzessin kann, mit aller Würde einer völlig ausgebildeten Fürstin, dort auftreten.«75 Unterricht in ihrer neuen Religion wurde der Prinzessin in Berlin erteilt. Auch die Forderung der russischen Seite, Charlotte müsse bei der Heirat ihren Namen ändern, beruhte auf religiösen Grundlagen. Es war die russische Auffassung, dass sich ein bei der Taufe verliehener Name bei der Konversion ändern müsse. Darüber hinaus bedeutete die Umbenennung die Möglichkeit einer Russifizierung. Darauf bezog sich der Vorschlag der russischen Seite, der – in Anlehnung an den herrschenden Zar Alexander und seinen Verbündeten und Freund Friedrich Wilhelm III. – Alexandra Feodorowna (Alexandra, Tochter Friedrichs) lautete. Friedrich Wilhelm, der diese Forderung für »très pénible«76 hielt, machte einen Gegenvorschlag. Ihm schwebte vor, den Taufnamen der Braut, Friederike Charlotte, als Feodora Feodorowna (Friederike, Tochter Friedrichs) ins Russische zu übersetzen. Baron von Schilden verhandelte noch unmittelbar vor der Hochzeit mit der russischen Königsfamilie über diese Frage, wurde aber mit einer Flut von Argumenten abgewiesen: Der Name Alexandra Feodorowna sei schon allgemein bekannt geworden, der Namenstag der Alexandra sei der Geburtstag der Zarin Katharina II., der stets festlich begangen würde, und der Name Feodora sei so altertümlich, dass er bei der russischen Bevölkerung unangenehme Assoziationen wecken müsse. Der preußische Unterhändler insistierte angesichts dieser heftigen Gegenwehr nicht.77 Auch die Terminfrage bereitete 1817 gewisse Schwierigkeiten, die religiöse Hintergründe hatten. So wurde von der russischen Seite, nachdem das Heiratsdatum schon festgelegt war, darauf hingewiesen, dass die geplante Ankunftszeit von Charlotte in Sankt Petersburg auf die Zeit des Petri-Fastens fiele und daher die Heirat verschoben werden müsse. Von Schöler, inzwischen preußischer Gesandter in Sankt Petersburg, vermutete jedoch, dass es sich bei diesen russischen Bedenken um einen weiteren Versuch handelte, die Prinzessin vor der Heirat nach Sankt Petersburg zu holen, um sie dort formen zu können.78 Er schlug daher vor, den Einwand zu ignorieren. Staatskanzler Hardenberg bat ihn – nach Rücksprache mit einem Berliner orthodoxen Geistlichen  –, darauf hinzuweisen, dass nach dem Petri- und vor dem Mutter-Gottes-Fasten ausreichend Zeit für eine Vermählung sei.79 Trotz der komplizierten Anbahnung und trotz einiger Eingewöhnungsschwierigkeiten der Braut in ihrer neuen Heimat wurde es eine harmonische Ehe, die ein Bindeglied zwischen zwei in der ersten Hälfte des 19.  Jahrhunderts besonders eng kooperierenden Dynastien darstellte. Da der russische Thronfolger Konstantin auf sein Anrecht verzichtete, konnte Char­ lottes Ehemann im Jahr 1825 den Zarenthron besteigen. 75 Ebd. 76 Friedrich Wilhelm III., ohne Adressaten, 13.3.1817, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 1965. 77 Schilden an Friedrich Wilhelm III., 3.7.1817, GStA PK, BPH, Rep. 49, W 12, 78 Schöler an Hardenberg, 10.3.1817, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 1965. 79 Hardenberg an Schöler, 23.8.1817, ebd.

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Zwei Jahre davor, 1823, war Charlottes Bruder Friedrich Wilhelm (IV.) in den Stand der Ehe getreten.80 Da seine Wahl auf eine Wittelsbacherin gefallen war, galt es auch hier, religiöse Differenzen zu überwinden.81 Prinzessin Elisabeth war eine Tochter aus der zweiten Ehe des bayerischen Königs Maximilian I. und Stiefschwester des späteren Königs Ludwig I. Letzterer war es auch, welcher seit 1818 eine Anbahnung zwischen den beiden bislang nicht näher verwandten Häusern betrieb. Das vielfach formulierte, jedoch einigermaßen vage politische Ziel sollte eine »engere Verbindung zwischen Nord- und Süddeutschland« sein.82 Der preußische König war wegen des konfessionellen Unterschiedes zunächst skeptisch. Am bayerischen Hof wurde allerdings verkündet, dass Elisabeth wegen ihrer protestantischen Mutter, aber auch wegen des erlahmten religiösen Eifers der Wittelsbacher geradezu ein Bedürfnis habe, zu konvertieren. Als die Angelegenheit konkreter und der prospektiven Braut für den preußischen Thronfolger die Gretchenfrage gestellt wurde, stellte sich heraus, dass man sich in ihr getäuscht hatte. Zwar war sie bereit, auf jeden Umgang mit katholischen Personen und auf einen eigenen Beichtvater zu verzichten, die Kommunion von einem von preußischer Seite bestimmten Priester zu empfangen, eine Privatkapelle zu unterhalten statt in die Pfarrkirche zu gehen und eine protestantische Einsegnung der Trauung zu akzeptieren. Doch auf keinen Fall wollte sie vor oder bei der Heirat einer protestantischen Konfession beitreten. Auf preußischer Seite war man daraufhin geneigt, das Projekt als erledigt zu betrachten. Doch der bayerische General Pappenheim reiste in Begleitung des Hofpredigers der bayerischen Königin, Schmidt, nach Berlin und erreichte in neuerlichen Verhandlungen, dass sich der preußische König auf einen Kompromiss einließ: Elisabeth sollte als Katholikin in die Königsfamilie aufgenommen werden, den Übertritt zum Protestantismus allerdings bald nach der Heirat vollziehen. Die bayerische Prinzessin jedoch wollte keinerlei Versprechungen machen und behielt sich vor, nur dann zu konvertieren, wenn ein längerer Aufenthalt am Berliner Hof ihre religiösen Überzeugungen gewandelt hätte. Der Kronprinz, der sich eine Heirat mit Elisabeth inzwischen sehnlich wünschte, drängte seinen Vater, weiter nachzugeben. Dieser wandte sich an das Oberkonsistorium, das die Bedingungen für eine gemischte Heirat präzisierte: Die Prinzessin müsse mit der übrigen Familie die calvinistische Predigt hören, sie dürfe keine Privatkapelle im Palast haben und auch keinen Beichtvater aus Bayern mitbringen, sie müsse sich zur Messe in die Hedwigskirche begeben, vor allem aber seien die Kinder in der reformierten Religion zu erziehen.83 80 Für biographische Behandlungen der Eheschließung s. Barclay, Anarchie und guter Wille, S. 69 ff.; Bissing, S. 9–27; Blasius, S. 62–70. 81 Zu den diplomatischen Verwicklungen mit dem Papst: Bastgen. 82 Sachsen, Der Übertritt der Kronprinzessin, S. 10. 83 Bastgen, S. 353 f.

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Der König ließ sich von diesem Kompromissvorschlag jedoch ebensowenig erweichen wie von einem Vermittlungsversuch des Zaren. Erst als ein sächsischer Prinz begann, um Elisabeth zu werben, nahm die Angelegenheit die entscheidende Wende. In dem Maße, wie sich die bayerisch-sächsische Heirat konkretisierte, weichte die preußische Position auf. Schließlich geriet Berlin durch ein Ultimatum aus München unter Druck. Der Berliner Hofbischof Rulemann Friedrich Eylert reiste nach Tegernsee und erreichte eine Übereinkunft. Am 2. September 1823 wurde offiziell um die Hand der Prinzessin angehalten. Drei Bedingungen wurden festgehalten: Erstens durfte die Wittelsbacherin katholisch bleiben und auch eine katholische Kapelle in ihrem Palast haben; ein katholischer Beichtvater wurde vom preußischen König ausgesucht; lediglich die Kinder aus der Mischehe sollten im reformierten Glauben erzogen werden. Die Zusage einer späteren Konversion, die für den König zentral blieb, gab Elisabeth in einem Brief an Friedrich Wilhelm III. Kurz vor dem ersten Teil der Hochzeitsfeier, bei der in München an Stelle des Bräutigams der Prinz Karl von Bayern an den Altar trat, wurde noch in Rom der Antrag auf einen Dispens gestellt. Das Dispensbreve erreichte München allerdings erst nach den Feierlichkeiten, sodass sich der päpstliche Nuntius aus »Krankheitsgründen« von den Feierlichkeiten entschuldigte. Elisabeths erste Jahre in Berlin waren von widersprechenden Erwartungen geprägt: Während der preußische Hof darauf drängte, das brieflich gegebene Versprechen so bald wie möglich einzulösen, setzten die Katholiken inner- und außerhalb Preußens darauf, dass die Kronprinzessin zu einer Botschafterin ihres angestammten Glaubens mitten im Stammland der Häresie würde. Im Jahr 1830 zerschlug sich diese Hoffnung jedoch: Elisabeth trat zum protestantischen Glauben über. Erst mit diesem Schritt löste sich die aus konfessioneller Differenz rührende Spannung, welche über der Ehe des preußischen Kronprinzen gelegen hatte. Komplizierte Verhandlungen gingen auch der preußisch-britischen Heirat im Jahr 1858 voraus. Das lag vor allem an den politischen Rahmenbedingungen. Die Verbesserung der Beziehungen nach dem Ende des Krimkrieges konnte jedoch nicht verhindern, dass die Verhandlungen zwischen den beiden in vielerlei Hinsicht unterschiedlichen und gleichzeitig mit dem Selbstbewußtsein von Großmächten auftretenden Dynastien auf vielerlei Hindernisse stießen. Nach einer längeren Phase der Anbahnung, welche – um den Verpflichtungen der britischen Königsfamilie gegenüber Privy Council und Parlament nicht vorzugreifen – geheim bleiben musste, wurden ab dem März 1857 die Verhandlungen in Gang gesetzt. Unmittelbar beteiligt waren neben dem britischen und dem preußischen Elternpaar und dem preußischen König vor allem die beiden Außenminister, Lord Clarendon in London und von Manteuffel in Berlin, ihre jeweiligen Gesandten und insbesondere von Bernstorff, der preußische Botschafter in London.84 In Berlin war darüber hinaus das Hausministerium unter 84 Zu Bernstorff: Alter.

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der Leitung des Hausministers von Massow involviert; in London auch immer wieder Premierminister Lord Palmerston, der vor allen Dingen die Interessen der Queen im Parlament zu vertreten hatte. Es würde zu weit führen, den verschlungenen Gang der sich vom März 1857 bis zur Unterzeichnung im Januar 1858 hinziehenden Verhandlungen in seinen einzelnen Schritten nachzuzeichnen. Immerhin sollen aber die für unsere Fragestellung relevanten Themenfelder angesprochen werden, welche am heftigsten umstritten waren und welche am deutlichsten die unterschiedlichen Positionen aufzeigen, die bei dieser Verhandlung aufeinander trafen. Berlin oder London? Die erste Entscheidung, die am Anfang der Heiratsverhandlungen zu klären war, war die Frage des Ortes der Trauung. In der Regel reisten die Bräute zur Vermählung zu ihrem Bräutigam; von dieser Regel wurde abgewichen, wenn der Rang der Braut höher war als der des Bräutigams – oder diesem zumindest entsprach. Die Queen scheint diese Frage von vornherein mit großer Bestimmtheit entschieden zu haben: »Whatever may be the usual practice of Prussian Princes, it is not every day that one marries the eldest daughter of the queen of England. The question therefore must be considered as settled and closed.«85 Die britische Königin betonte, dass es sich bei der zu Verheiratenden um ihre »eldest daughter« handelte, also eine Princess Royal mit – wenn auch ihren Brüdern nachgeordneten – Rechten auf die Thronfolge. Der prospektive Bräutigam war zu diesem Zeitpunkt kein Kronprinz, denn noch regierte ja sein Onkel, nicht sein Vater. So konnte die Reise des Bräutigams durchaus als ein Rangsignal angesehen werden, dessen genaue Bedeutung  – Über­ legenheit oder Gleichheit – offen war. Den Gesandten Bernstorff beschäftigte dieser Punkt, der vor den diplomatischen Verhandlungen entschieden worden zu sein scheint, in hohem Maße. Mit Instruktionen aus Berlin war er beim Außenminister Lord Clarendon vorstellig geworden, der den königlichen Brauteltern ein preußisches Memo­randum vorgelegt hatte.86 In seinen brieflichen Berichten über die darauf folgende Rücksprache mit Lord Clarendon merkte er an, dass »mehrere der zu erörternden Hauptpunkte … bereits mehr oder weniger zum Nachtheil des diesseitigen Hofes präjudiziert sind«. Er wolle sich vergewissern, ob es im Sinne des Königs sei, den Vorschlag der britischen Seite zu akzeptieren, obwohl er doch bedeute »daß die durchlauchtigste Braut der vornehmere Teil  ist, und daß daher das Ent­ gegenkommen in jeder Beziehung von der anderen Seite stattzufinden hat«.87 Auch war Bernstorff offenbar enttäuscht darüber, dass die preußische Anfrage wegen einer Prokurationsehe in Berlin oder zumindest einer doppelten Einsegnung  – nacheinander nach dem anglikanischen und dem evange­ lischen Bekenntnis –  vom britischen Hof energisch zurückgewiesen wurde. 85 Pakula, S. 61. 86 Englische Übersetzung des preußischen Memorandums vom 13.3.1857 mit Randnotizen, TNA: PRO, FO 64/469. 87 Bernstorff an Manteuffel (Abschrift), 2.4.1857, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 2286.

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Lord Claren­don hatte ihm mitgeteilt, dass eine doppelte Einsegnung überflüssig sei, »da beide höchste Verlobte der protestantischen Konfession angehörten und die Verschiedenheiten zwischen den beiden Kirchen, welche eigentlich nur in der Verfassung und nicht in den Glaubensartikeln beruhten, keine derartigen Skrupel von seiten des durchlauchtigsten Bräutigams hervorrufen dürften«.88 Bernstorff brachte weiterhin den Einwand hervor, dass Prinz Friedrich Wilhelm ihm gegenüber den Wunsch nach einer preußisch-evangelischen Trauung ausgesprochen habe und er an dem »alten deutschen Herkommen des Wechselns der Trauringe« besonders hinge; dies weniger aus religiösem als vielmehr aus einem »patriotischen Gefühl«.89 Zu diesem Punkt wurde dem preußischen Gesandten die Aussage von Prinz Albert übermittelt, dass das Wechseln der Ringe auch in einer anglikanischen Zeremonie möglich sei. Bernstorff betonte gegenüber seinem Minister andererseits auch die Vorteile eines Verzichts auf die doppelte Einsegnung: Es könne nicht im Interesse des preußischen Hofes liegen, den konfessionellen Unterschied zu stark zu betonen. Denn dies könne dazu führen, dass die »Ehe … im Licht einer gemischten Ehe erscheine«90. Das entspreche erstens nicht den Gebräuchen, denn eine Kon­version zwischen anglikanischer und reformierter Kirche sei unüblich, und zweitens berge es die Gefahr, dass die Prinzessin später nach einer eigenen Kapelle verlange. Die unguten Erinnerungen an die frühen Jahre der Ehe Friedrich Wilhelms IV. scheinen hier auf. Bernstorffs Berichte und Bedenken wurden vom Außenminister Man­teuffel Friedrich Wilhelm  IV. vorgelegt. »Allerhöchstdieselben haben sich bei dieser Gelegenheit ganz damit einverstanden erklärt, daß die Vermählung in London gefeiert werde. Es entspricht dies der Gleichheit der Stellung des hohen Paares. Ein Anerkenntniß, daß die durchlauchtigste Braut der vornehmere Theil sei, ist darin nicht zu finden.«91 Auf ein verwandtes Problem verwies auch die auf preußischer Seite ausgiebig diskutierte Frage, wie der Titel der Braut –  Princess Royal  – ins Deutsche zu übersetzen sei. Wichtigstes Anliegen war die Vermeidung der Über­ setzung »Kronprinzessin«, welche Victoria eine überlegene Position eingeräumt hätte. Gleichzeitig war es unpassend, den Titel als »königliche Prinzessin« zu verdeutschen; das hätte ihrem herausgehobenen Rang nicht entsprochen. Nach ausführlichen Konsultationen wurde der Vorschlag von Prinz Albert angenommen, Victoria in deutschen Dokumenten mit ihrem britischen Titel zu nennen.92 88 Bernstorff an Manteuffel (Abschrift), 1.4.1857, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 2286. 89 Ebd. 90 Ebd. 91 Manteuffel an von Massow, 7.4.1857, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 2286. 92 Verschiedene Schreiben in Vorbereitung der Verlobungsanzeige aus dem Zeitraum 2.– 17.5.1857, in: GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 2286, Bl. 12–44. Albert an Friedrich Wilhelm, 28.4.1857, RA VIC/MAIN/Z/67/21.

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Unproblematisch war die Einigung auf das Verfahren zur Verhandlung, Aufsetzung und Unterzeichnung des Ehevertrages, bei dem gleichermaßen britische wie preußische Präzedenzfälle berücksichtigt werden sollten.93 Neu war die von früheren Verhandlungen abweichende Idee, den Ehevertrag nicht in den Universalsprachen Französisch oder Latein, sondern in den Nationalsprachen Englisch und Deutsch abzufassen. Lange musste allerdings über die Heiratsgüter verhandelt werden, da hier unterschiedliche Vorstellungen aufeinandertrafen. Dabei konnte es vorerst nicht um die Höhe und Art des Heiratsgutes (Kapital oder jährliche Apanage) gehen, da dies von der Bewilligung des Parlaments abhing und es – wie immer wieder betont wurde – einen schlechten Eindruck machen würde, wenn die Familien durch das Sprechen über Summen dem Parlamentsbeschluss vorgriffen. Für die preußische Seite waren derartige Rücksichten ungewohnt. Die Familien konnten sich jedoch ohne Rücksicht auf Dritte darüber einigen, wie die Ehegüter von beiden Seiten auszubalancieren seien. Bernstorff berichtete von seinem ersten Treffen mit Lord Clarendon, dass die britische Seite davon ausgehe, »dass der durchlauchtigsten Prinzessin ausschließlich die Verwaltung, der Niesbrauch und das freie Verfügungsrecht darüber [über die Mitgift] zustehe«.94 Für die preußische Seite stellte das eine ungewöhliche Forderung dar, war es doch dort üblich, die Verwaltung des Vermögens der Ehefrau in die Hand ihres Mannes oder des Familienoberhauptes zu legen. Bernstorff wies den Außenminister darauf hin, dass diese Konstruktion die Folge haben müsse, dass die Ehefrau, ganz oder teilweise, die Kosten für ihren Hofstaat zu tragen hätte. Er legte darüber hinaus nahe, dass die weibliche Verfügung über die Mitgift Konsequenzen für Gegen-Vermächtnis, Wittum sowie die Hand-, Spill- und Nadelgelder haben müsse.95 Im Verlauf des Mai 1857 wurden die Anträge für die Mitgift im britischen Ober- und Unterhaus eingebracht. Die Opposition verhielt sich loyal und stellte die königlichen Anträge nicht in Frage.96 Einiges Unbehagen erweckte bei den königlichen Brauteltern allerdings ein Artikel in »The Times«, der positiv über den sparsamen Umgang der Queen mit öffentlichen Mitteln handelte, gleichzeitig aber ein klares Votum für eine einmalige Zahlung und gegen eine jähr­liche Rente abgab.97 Tatsächlich versuchte die Opposition, den Beschluss in diese Richtung zu lenken. Der Abgeordnete Roebuck gab etwa zu bedenken, welche Gefahren eine auf Lebenszeit gezahlte Rente an eine preußische Prinzessin barg: »Sir, we forget that this Royal lady is about to be allied to one of the great Powers 93 Die gegenseitige Überstellung von Ehepacten ist dokumentiert in: Bernstorff an Manteuffel, 14.4.1857, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 2288. 94 Bernstorff an Manteuffel, 1.4.1857, ebd. 95 Bernstorff an Manteuffel, 2.4.1857, ebd. 96 Über die Vorbereitungen der parlamentarischen Beschlüsse, siehe RA VIC/MAIN/Z/67 passim. 97 RA VIC/MAIN/Z/67/50.

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of Europe. With that Power – may God avert it! – we may be at war. … I cannot forget how England has recently been treated by Prussia.«98 Der Versuch, den Antrag mit politischen Argumenten anzugreifen, schlug allerdings fehl. Am Ende beschloss das Parlament sowohl die Mitgift als auch die Leibrente in der von der Königin beantragten Höhe: 40.000  Pfund Sterling Mitgift und 8.000 Pfund Sterling Leibrente. Nachdem somit die Summen festgelegt waren, schickte die britische Seite einen ersten Entwurf, bei dem die Frage der Heiratsgüter bereits etwas entschärft war: Die Mitgift sollte an un­ abhängige Commissioners – also weder an den Ehemann noch an das Familien­ oberhaupt – ausgehändigt werden; die Zinsen sollten an Prinz und Prinzessin ausgezahlt werden. Die jährliche Rente solle – nach dem Prinzip der Paraphernalia – der Prinzessin zur alleinigen Verfügung zustehen.99 Die preußische Seite erarbeitete auf dieser Grundlage ihre eigene Position.100 Die Veränderungsvorschläge wurden in einem Memorandum an den König ausführlich begründet. Da üblicherweise der regierende König die Mitgift erhalte und daher auch die Apanage für den Prinzen, den Hofstaat sowie die Hand-, Spill- und Nadelgelder sowie das Gegenvermächtnis und das Wittum zu stellen habe, bringe der britische Vorschlag gleichsam die Ehegüter beider Seiten aus dem Gleichgewicht. Der britische Vorschlag könne »zu der Meinung Anlass geben, als wenn die Prinzessin über dieselben [die Zinsen der Mitgift] mit solle disponieren können, wo es doch in der Natur der Sache liegt, daß der Prinz über diese Zinsen … allein zu disponieren haben muß.«101 Hierüber müsse durch einen Zusatz im entsprechenden Paragraphen Klarheit erzeugt werden. Zu klären sei auch die Frage, welche Personen aus dem Hofstaat auf die persönliche Rente der Prinzessin anzustellen seien und ob Morgengabe sowie Hand-, Spill-, und Nadelgelder überhaupt zu veranschlagen seien. Auf der Grundlage dieser Überlegungen wurde ein Gegenentwurf ausge­ arbeitet und nach London geschickt. Er sah kein Gegenvermächtnis, keine Hand-, Spill- und Nadelgelder vor. Es wurde ein Zusatzparagraph eingefügt, der festlegte, dass die Kosten der Ehe vornehmlich aus der Apanage des Prinzen in Höhe von 92.000 Talern bestritten würden. Im Bezug auf die Mitgift wurde der Gegenvorschlag gemacht, diese je zur Hälfte in Großbritannien und Preußen anzulegen und »zur Bestreitung der Kosten dieser fürstlichen Ehe«102 zu verwenden. Darüber hinaus wurde die Höhe des Wittums festgelegt. Bernstorff überreichte Lord Clarendon den Gegenvorschlag. Dieser zeigte sich enttäuscht über den »illiberal character of the Prussian Project & that I 98 Protokoll der Unterhausdebatte vom 22.5.1857, RA VIC/MAIN/Z/67/59. 99 Britischer Entwurf der Ehepacte, GStA PK, HA I., Rep. 100, Nr. 2288, B. 140–153; zu den Paraphernalia siehe oben Kapitel 2.3. 100 Vergleichender Entwurf der Ehepacte, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 2288, Bl. 177–194. 101 Ganz gehorsamster Memoire die Ehepakten seiner königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Wilhelm betreffend, 11.7.1857, GStA PK, HA I, Rep. 100, Hausministerium, Nr. 2288, Bl. 195–220. 102 Preußischer Entwurf der Ehepacte, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 2288, Bl. 232–239.

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sh[oul]d have been glad if a more generous spirit towards the Princess Royal had been exhibited«.103 Bernstorff verteidigte jedoch den preußischen Vorschlag, indem er der britischen Seite vorwarf, kein Vertrauen zu haben. Aus dem Briefwechsel zwischen Prinz Albert und Lord Clarendon wird deutlich, wie groß die Enttäuschung auf britischer Seite war: »Our principle ought to be that while the Prussians give nothing to the P[rince]ss, they ought not to take anything from her.«104 Nach langwierigen Konsultationen begann die britische Seite,  sich in zentralen Punkten zu bewegen; je stärker sie von ihrer ursprünglichen Auffassung über die Heiratsgüter abrückte, desto mehr sah sie sich auch im Recht, von Preußen Gegenleistungen zu fordern. Am 18. Dezember 1857 konnte dann die endgültige Version des Ehepaktes in London unterschrieben werden. Sie entsprach in zentralen Punkten den preußischen Wünschen: Die Mitgift von 40.000  Pfund Sterling sollte im preußischen Krontresor niedergelegt und die Zinsen sollten zur Bestreitung der Hofhaltung des jungen Paares eingesetzt werden. Der preußische König setzte ein ebenso hohes Gegenvermächtnis aus und verpflichtete sich, seinem Neffen eine jährliche Apanage von 92.000 Talern zu zahlen. Die Leibrente in Höhe von 8.000 Pfund Sterling sollte allein der Prinzessin zur Verfügung stehen. Das Wittum wurde auf 30.000 bzw. 40.000 Taler festgelegt, je nachdem, ob es für die Witwe eines Prinzen oder Kronprinzen gezahlt werden sollte. Trotz des britischen Einlenkens wurden in dem Vertrag allerdings weder eine Morgengabe, noch Hand-, Spill- und Nadelgelder vereinbart. Während der Verhandlungen hatte die preußische Seite in hohem Maße auch die Frage der weiblichen Thronfolge in Großbritannien beschäftigt. Der Princess Royal stand nach den britischen Gebräuchen das Recht auf die Thronfolge zu, wenn alle ihre Brüder verstürben. Entsprechend musste die preussische Seite auch zur Kenntnis nehmen, dass Victoria nicht – wie in Preußen üblich – bei ihrer Heirat einen Erbverzicht unterzeichnen musste. Die Wahrschein­ lichkeit, dass die Thronfolge auf Victoria oder ihre Kinder fallen würde, war angesichts der Tatsache, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits vier Brüder hatte, gering. Bernstorff hatte dennoch versucht, mit Clarendon über mögliche Konsequenzen einer auf Victoria oder ihre Kinder zukommenden Thronbesteigung zu sprechen. Doch die britische Seite verwies darauf, dass der Fall allzu unwahrscheinlich sei, um sich jetzt schon darüber Gedanken zu machen. Die preu­ ßischen Haus- und Außenminister akzeptierten, dass diese Frage wegen des »ungünstigen Eindrucks«105 in London aus den Verhandlungen herauszuhalten sei, räsonnierten aber dennoch ausgiebig darüber. Es sei wohl eher an der britischen als an der preußischen Seite, sich Gedanken über den Fall einer weiblichen Thronfolge zu machen, da dies ja bedeute, dass Großbritannien an das 103 Clarendon an Albert, 7.11.1857, RA VIC/MAIN/Z/67/81. 104 Albert an Clarendon, 26.11.1857, RA VIC/MAIN/Z/67/92. 105 Manteuffel an Massow, 5.5.1857, GStA, HA I, Rep. 100, Nr. 2288, Bl. 101–105.

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preußische Königshaus gelangen würde – und nicht umgekehrt. Die preußische Verfassung regele, dass der König von Preußen nicht ohne Einwilligung der beiden Häuser des Landtages Herrscher fremder Reiche sein könne. So käme es in Zukunft auf den Landtagsbeschluss bzw. auf eine Änderung des entsprechenden Verfassungsparagraphen an.106 Diese Sichtweise berücksichtigte allerdings nicht die aktuelle Situation, bei der mit Albert von Sachsen-Coburg-Gotha ein deutscher Prinz zum Gemahl einer britischen Königin geworden war. Nach Verhandlungen, die sich über acht Monate hingezogen hatten, war eine Einigung erreicht, die beide Seiten, wenn auch zähneknirschend, akzeptieren konnten. Der britischen Seite war es zumindest in Ansätzen gelungen, der Prinzessin Victoria durch eigene Einkünfte und Mitbestimmung über gemeinsame Einkünfte eine starke Stellung zu geben. Die preußische Seite hatte dies akzeptiert, dafür aber für die Tochter der britischen Königin weniger Aufwendungen gemacht als für andere Bräute. So konnte nach diesen Verhandlungen, die davon geprägt waren, dass auf preußischer Seite Friedrich Wilhelm IV. mit seinem Stab und nicht die Eltern des Bräutigams federführend waren, keine Seite ganz und gar zufrieden sein. Zur Harmonie zwischen den Familien hatten die Verhandlungen gewiss nicht beigetragen. Vielmehr stellten sie einen schwierigen Anfang für eine verwandtschaftliche Bindung dar, die sich auch in Zukunft als kompliziert erweisen sollte. In diesem Abschnitt über Kompatibilität ist auch an die Heirat des Prinzen Wilhelm im Jahr 1881 zu erinnern, der sieben Jahre später den deutschen Kaiserthron bestieg. Dieser Fall ist bereits besprochen worden und muss deshalb nicht nochmals ausgebreitet werden. Die Vermählung zwischen Wilhelm von Preußen und Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Glücksburg-Augustenburg zeigt, welche Folgen es haben konnte, dass die Ebenbürtigkeitsregeln in den europäischen Häusern unterschiedlich streng waren. Während das Haus Brandenburg besonders strikt darauf achtete, keine Ehen mit Mitgliedern nichtregierender Häuser zu schließen, herrschte im Haus Oldenburg – und insbesondere in den in Skandinavien regierenden Linien – eine weniger strenge Observanz. Hier kamen sogar Ehen mit Bürgern wie dem vielgeschmähten »Onkel Esmarch« zustande. Nach den Regeln des Hauses in ihrer striktesten Auslegung wären die Mitglieder des oldenburgischen Hauses damit als Heiratspartner nicht mehr in Frage gekommen; tatsächlich waren Heiraten mit diesem Haus aber recht häufig. Hier wurde mit einem Argument eine Brücke geschlagen, das nach den strikten Regeln des Hauses Brandenburg eigentlich keinen Bestand hätte haben dürfen: Jedes Mitglied eines souveränen und damit ebenbürtigen Hauses sei dann als ebenbürtig anzusehen, wenn es in seinem Haus als ebenbürtig akzeptiert wird. Die Verhandlungen über Heiraten und Eheverträge haben gezeigt, dass es bei Fernheiraten unterschiedliche Grade von Differenz gab und die zu überwinden­ 106 Ebd.

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den Hindernisse unterschiedlich groß sein konnten. Die Verhandlungen zwischen Hohenzollern und Oraniern warfen keinerlei Probleme auf; auf der Grundlage gleicher Konfession, gleicher hausrechtlicher Gebräuche und Gesetze und enger verwandtschaftlicher Bindungen ließ sich ein Heiratsvertrag reibungslos abschließen. Die 1791 geschlossene Ehe zwischen den Hohen­zollern und dem Haus Hannover hingegen zeigt, dass selbst zwischen eng verwandten Familien große Differenzen über Verfahrensfragen bestehen konnten. Spätere Heiraten zwischen den Hohenzollern und dem britischen Königshaus, vor allem die nach komplizierten Verhandlungen pompös begangene Hochzeit von 1858, bestätigen dies. Schließlich hat sich gezeigt, dass die Verhandlungen zwischen den Hohenzollern auf der einen sowie den Romanow und Wittelsbachern auf der anderen Seite vor allem durch Religionsdifferenzen und viele sich daraus ergebende Probleme zu einer Herausforderung für die Vermittler wurden. Gerade die von großen Unterschieden erschwerten Verhandlungen zeigen aber die Kompetenz, das Geschick, die Kreativität und die Routine der Vermittler. Sie waren Experten für die Überbrückung von Differenzen und brachten mit ihren Reisen, Korrespondenzen und Verhandlungen Austausch zwischen Häusern zustande. Dabei kam ihnen die Tatsache zugute, dass alle Seiten zum Erfolg gezwungen waren. Die Verhandlung der Eheverträge fand in einem Stadium der Heiratsangelegenheiten statt, in dem es kein Zurück mehr gab. Sie ließen kulturelle Differenzen sichtbar werden und erweisen sich gleichzeitig als Momente intensiven Austauschs, bei denen Wege der Vermittlung beschritten wurden. Die in jüngerer Zeit betonte Rolle von »grenzüberschreitenden Familienbeziehungen« als Agens des europäischen Kulturtransfers ist in solchen Vorgängen greifbar.107 Gleichwohl hat sich das Verhältnis von Nähe und Ferne, Ähnlichkeit und Differenz im Heiratskreis der Hohenzollern als komplexes analytisches Problem erwiesen. Denn Nähe und Ferne lassen sich nicht in allen Fällen eindeutig messen. Die Oranier waren am Rhein Nachbarn der Hohenzollern, sie ge­hörten der gleichen Konfession an, gleichzeitig lebten sie in räumlicher Ferne von Berlin in einem politisch-kulturellen Kontext, der vom preußischen sehr unterschiedlich war. Das Haus Hannover herrschte über angrenzende Territorien auf dem Kontinent und regierte gleichzeitig ein Reich, das auf einer Insel jenseits des Meeres lag und eine in Europa einzigartige Verfassung hatte. Der dort ansässige Teil des Hauses gehörte einer anderen Konfession an und bediente sich einer anderen Sprache. Solche Beispiele zeigen, dass es unmöglich ist, Nah- und Fernheirat trennscharf voneinander zu unterscheiden. Dennoch müssen wir uns bei der Betrachtung einzelner Heiratsfälle bewusst sein, dass zwischen dem häufigen Ereignis einer Heirat mit einer benachbarten, gleichkon­fessionellen, gleichsprachigen und von ähnlichen Hausrechten und -gebräuchen geprägten Dynastie und dem seltenen Fall einer Fernheirat in eine fremde Familienkultur gewaltige Unterschiede bestanden. Im Heiratskreis der Hohenzollern ist dar107 Nolde u. Opitz.

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über hinaus in Rechnung zu stellen, dass die »entfernten« und »fremden« Dynastien wie die Oranier des 17.  Jahrhunderts, die britischen Könige oder die Romanow politisch potent waren, während die benachbarten kleineren Häuser wie Hessen, Anhalt oder Mecklenburg den preußischen Herrscherfamilien nicht das Wasser reichen konnten. Diese Unterschiede, welche für die im nächsten Kapitel analysierten verwandtschaftlich-politischen Interaktionen überaus relevant waren, überlagerten die Kategorien von »nah« und »fern« und wirkten sich auf die Beziehungen aus.

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4. Verwandtschaft und Freundschaft: das außenpolitische Potential von Fürstenheiraten

In offiziellen Verlautbarungen über Fürstenhochzeiten fehlte es nicht an vollmundigen Beteuerungen über die Wirkungen, die mit ihnen erreicht werden sollten; insbesondere die Präambeln von Eheverträgen wurden genutzt, um die über den Akt hinausgehenden Ziele zu spezifizieren. Zur Verbindung der preußischen mit der britischen Königsfamilie im Jahr 1792 heißt es etwa, die Monarchen, die, »intimément unis par les liens les plus chers du sang et de l’amitié, ont consenti avec la plus vive satisfaction au mariage de leurs très chers enfants«.1 Auch die Präambel des parallel geschlossenen Ehevertrags mit dem niederländischen Erbstatthalter nannte »l’affection que les liens du sang et l’amitié … ont de tous temps inspiré«2 als Voraussetzung für die Eheentscheidung. In diesen Fällen, bei denen bereits verwandte Dynastien zusammenkamen, wurden also existierende »Blutsbande« und »Freundschaft« als Grundlage für eine weitere verwandtschaftliche Verbindung genannt. Im Jahr 1817, als es darum ging, mit den Hohenzollern und Romanow zwei Dynastien durch Heirat zu verbinden, die vorher noch keine direkte Verwandtschaft geschlossen hatten, lautete die Formulierung etwas anders: Zar und König hätten »mutuellement consenti à ce mariage, d’autant plus qu’indépendamment du bonheur qui résultera pour les deux époux de cette union et de leur bonne intelligence réciproque, ces nouveaux liens contribueront encore à l’affermissement de ceux qui subsistent déjà entre leurs dites Majestés«.3 Abgesehen davon, dass hier die persönliche Bindung zwischen den Brautleuten betont wurde, stellte sich auch die Wirkung der Ehe anders dar. Die weitere Befestigung der Monarchenbeziehungen wurde hier nicht als Voraussetzung, sondern als Folge der Ehe angesehen. Im Jahr 1858, als erneut eine britische Prinzessin und ein preußischer Prinz die Ehe eingingen, fand eine Formulierung Eingang in den Ehevertrag, welche die bereits zitierten variiert: Die kontraktierenden Monarchen, »bereits durch Bande der Verwandtschaft [in der englischen Version: »ties of consanguinity«] und Freund1 »auf das Engste verbunden durch die teuersten Bande des Blutes und der Freundschaft, mit größter Befriedigung der Heirat zwischen ihren lieben Kindern zugestimmt haben«; Entwurf eines Ehepaktes vom 26.1.1792, TNA: PRO, FO 64/23 (1792). 2 »die Zuneigung, welche die Bande des Bluts und der Freundschaft seit jeher genährt haben«; Entwurf eines Ehepaktes, o. D. (1791), GStA PK, BPH, Rep. 48, WII, Nr. 12. 3 »umso lieber zu dieser Heirat gemeinsam zugestimmt, als die neuen Bande – über das Glück der beiden Eheleute und ihr gegenseitiges Verständnis hinaus – zur Befestigung der Verbindung dienen werden, die zwischen den genannten Majestäten bereits besteht«; Entwurf eines Ehepaktes, o. D. (1817), GStA PK, HA I. Rep. 100, Nr. 1965.

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schaft verknüpft, haben für angemessen erachtet, diese Bande zwischen der Familie Ihrer Majestät und der Seiner Majestät des Königs von Preußen noch fester zu schließen, durch ein von beiden Seiten verabredetes Ehebündniß«.4 Verwandtschaft und Freundschaft sind in diesem Fall Grundlagen eines neuen Bündnisaktes. Die Ehe des preußischen Prinzen Wilhelm (II.) mit der schleswig-holsteinischen Prinzessin Auguste Viktoria im Jahr 1881 diente, laut Ehepakt, »zur Befestigung der zwischen beiden hohen Häusern obwaltenden aufrichtigen Freundschaft«.5 Die Präambeln der Eheverträge qualifizierten die fürstliche Ehe entweder als Moment der Stiftung oder als Schritt zur Verstärkung eines Bandes zwischen Monarchen und Dynastien. Dass die durch Heiraten aktualisierten Freundschafts- und Verwandt­ schaftsbeziehungen zwischen Monarchen oder Dynastien auch politische Bedeutung hatten, ergibt sich aus der Nähe von Dynastie und Staat, von »öffent­ licher« und »privater« Person des Fürsten.6 Wenn der dynastische Staat im Kern ein Personenverband war, dann stellten die Bindungen zwischen Mit­gliedern von Dynastien eine relevante Form des politischen Bandes dar, und »inter-national hieß in der Außenpolitik vor allem inter-dynastisch«.7 Das wird allein schon dadurch deutlich, dass Heiraten – obwohl gelegentlich als »affaires domestiques« bezeichnet  – eine zentrale Aufgabe der diplomatischen Apparate waren. Entsprechend ist zu erwarten, dass sich die in anderem Zusammenhang bereits behandelte allmähliche Trennung von Dynastie und Staat in der Heiratsdiplomatie niederschlug. Im frühen 19. Jahrhundert entstand mit dem Hausministerium in Preußen ein eigener Beamtenstab für dynastische Angelegenheiten. Doch selbst dann wurden Heiratsgeschäfte nicht aus den politischen Vorgängen ausgesondert, sondern mit ihnen in engstem Zusammenhang behandelt. In einer königlichen Instruktion oder diplomatischen Relation stand das Thema Heirat gleichberechtigt und verbunden mit den Themen Krieg oder Bündnis. Auch in den Korrespondenzen zwischen den Mitgliedern von Fürstenhäusern wurden gleichermaßen familiäre, höfische und politische Themen behandelt. Darin erwähnte »Freundschaft« oder »Blutsbande« meinten dementsprechend gleichermaßen »private« wie »öffentliche« Beziehungen. Das schließt nicht aus, dass es auch ganz und gar »unpolitische« Korrespondenzen zwischen Mitgliedern europäischer Dynastien gab. Doch je stärker Briefschreiber und -empfänger in der politischen Verantwortung standen, desto unwahrschein­ licher war das vollständige Ausblenden des Politischen.

4 Treaty between Her Majesty and the King of Prussia, for the Marriage of Her Royal Highness the Princess Royal with His Royal Highness the Prince Frederik William … of Prussia, 18.12.1857, RA VIC/ADDS/4. 5 Entwurf eines Ehepaktes, 17.1.1881, GStA PK, BPH, Rep. 53, N I, Nr. 3. 6 Zur Diskussion dieser Frage in der politischen Theorie des 16.  und 17.  Jahrhunderts s. ­Roshchin. 7 Tischer, S. 39.

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Doch trotz dieser Grundbedingungen stimmte die Wirklichkeit der Heiratspolitik nur selten mit den schönen Formeln der Präambeln überein. Darüber machten sich auch die Akteure keine Illusionen; so schrieb etwa Friedrich II. in seiner »Histoire de mon temps«, man solle nur nicht glauben, »que les liens du sang soient des motifs victorieux sur l’esprit des princes«.8 Tatsächlich waren »Freundschaft« und »Allianz« selten die einzigen Motive für eine Verbindung. Auch bestand stets das Risiko, dass die Anbahnung einer Ehe zu scharfen Konflikten führte. Darüber hinaus war es eher die Ausnahme als die Regel, dass die im Moment der Eheschließung ins Auge gefassten politischen Wirkungen auch tatsächlich eintraten. Daher scheint es angemessen, den Fürstenheiraten lediglich ein Bündnispotential zuzusprechen, das je nach dem politischen Gewicht der beteiligten Familien und dem politischen Kontext variierte und keineswegs immer ausgeschöpft wurde. Zum Verständnis des außenpolitischen Potentials der Fürstenheirat und der Möglichkeiten seiner Einlösung führt kein Weg an der Analyse von Einzelfällen vorbei, die vor allem die außenpolitischen Motive sowie Folgen von Fürstenheiraten miteinander vergleichen soll. Zum Ergründen der Motive für Eheschließungen müssen die Quellen über die strategischen Reflexionen der Akteure über Fürstenheiraten befragt werden. Welche Chancen werden vor allem im diplomatischen und familiären Brief­verkehr explizit oder implizit angesprochen? Welche konkreten Ziele werden verfolgt? Bei der Ordnung der Motivlagen soll eine Typologie helfen, welche an Tobias Wellers Studie über die mittelalterliche Heiratspolitik anknüpft und diese ausdifferenziert.9 Sechs Typen von außenpolitischen Heiratsmotiven sollen unterschieden werden: Traditionsheiraten: Wie im Kapitel über Heiratskreise beschrieben, wählten fürstliche Häuser ihre Ehepartner immer wieder aus einem engen Kreis von Familien. Auch die politischen Motive von Heiraten waren bisweilen vom Wunsch nach Stabilität geprägt und wurden so gewählt, dass sie bestehende verwandtschaftlich-politische Parteibindungen fortzuschreiben versprachen.10 Transformationsheiraten: Heiraten konnten als Instrument zur Veränderung von politischen Beziehungen dienen. Aus einem indifferenten, angespannten oder gar feindlichen Verhältnis konnte aufgrund des beiderseitigen Willens zur Herstellung einer Familienverbindung ein gutes werden; eine besonders ausgeprägte Form dieses Typus waren die von Tobias Weller als »Rekonziliations­ heiraten«11 bezeichneten Fälle. Hier waren Freundschaft, Bündnis oder Allianzverträge das Ergebnis von Eheschließungen.

8 »dass Blutsbande den Geist der Fürsten bestimmen würden«; Posner, S. 304. 9 Weller, S. 797–837. 10 Ebd., S. 799 f. 11 Ebd., S. 801.

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Bekräftigungsheiraten: Von zentraler Bedeutung ist die Bekräftigungsfunktion von Heiraten.12 Bis ins 19.  Jahrhundert hinein wurden außenpolitische Verträge durch verwandtschaftliche Verbindungen begleitet; häufig traf man unmittelbar beim Abschluss des Vertrages schriftliche oder mündliche Heiratsabsprachen. Die Heiraten dienten zur rituellen Flankierung unterschiedlicher Vertragsgattungen, vor allem als Garantie für bi- und multilaterale politische Allianzen oder für Friedensverträge. Sie konnten auch dazu dienen, bereits bestehende Bündnisse zu bestätigen, zu verlängern oder mit neuem Leben zu erfüllen. In solchen Konstellationen wirkte die Eheschließung als Akt symbolischer Bestätigung, gleichsam als verwandtschaftlich-rituelle Allianzhandlung oder Friedensfest, das die weitaus konkreteren schriftlichen Formulierungen diplomatischer Verträge flankierte. Diese Funktion entspringt der vormodernen, aber auch noch im 19. Jahrhundert wirksamen Vorstellung, dass politische oder rechtliche Akte der Validation durch einen rituellen Vollzug bedürfen. Die rituelle Bekräftigung war ein Akt intensiver Kommunikation mit höfischen und anderen Öffentlichkeiten und konnte mit kontextuell spezifischen Inszenierungen und sogar mit regelrechter Propaganda einhergehen. Die Bekräftigungsfunktion spielte im frühneuzeitlichen Europa, das aufgrund des geringen Insti­ tutionalisierungsgrades des dynastischen Staates von »Friedlosigkeit« geprägt war, eine zentrale Rolle.13 Weil verlässliche Mittel der Friedenssicherung noch nicht ausgeprägt waren, bemühten sich die Akteure um die Addition der ver­ fügbaren unzuverlässigen Mittel. Jede zusätzliche Bestärkung erhöhte die Verbindlichkeit, ohne sie allerdings garantieren zu können. Der Glaube an die Wirkung bekräftigender symbolischer Gesten war aber durchaus vorhanden, sonst hätten die Akteure die Kraftanstrengung, die es kostete, Außenpolitik und Familie miteinander zu verquicken, sicher vermieden. Für diesen dritten Typus soll der Terminus »Bekräftigungsheiraten« verwandt werden. Einflussheiraten: Die Möglichkeit zur Schaffung eines Kanals des Einflusses durch den Familienwechsel einer Tochter gehörte zu den wichtigsten Motiven der Eheschließung. Die so entstehende nähere persönliche Kenntnis und die verdichtete Kommunikation eröffneten Möglichkeiten der Verhandlung und des Einflusses. Diese Rolle von Familienmitgliedern als »ständige Gesandte« hat anhand geschwisterlicher Briefwechsel aus verschiedenen hochadeligen Familien der Frühen Neuzeit Sophie Ruppel untersucht.14 Die Kontinuität dieser Praxis bis ins 19. Jahrhundert betont Johannes Paulmann.15 Das geschah schon beim Hochzeitsfest, bei dem Vertreter zweier Dynastien und Höfe zusammentrafen, vor allem aber durch die aus der Verbindung langfristig resultierenden 12 Ebd., S. 798 f. 13 Burkhardt, Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit, S. 538 ff. 14 Ruppel, S. 180–211. 15 Paulmann, »Dearest Nicky…«, S. 159, 163; in diesem Sinne argumentieren für das 19. Jahrhundert auch Kann und McLean.

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Beziehungsnetze. Insbesondere der Einfluss der Braut an ihrem neuen Heimathof ist hoch anzusetzen. In diesem Sinne argumentierte Friedrich II., wenn er schrieb, »que des princesses élevées avec des sentiments de bonnes citoyennes ne desservent jamais leur patrie, mais que d’étrangères, suivant les principes de leur nation, auraient pu être très dangereuses dans le même poste«.16 Heirat als Unterpfand: Heiraten waren nicht nur ein Mittel, sondern auch ein Ziel außenpolitischer Bemühungen. So konnte eine Heirat, die beispielsweise aus Prestigegründen oder wegen Aussichten auf Erbansprüche gewünscht war, als diplomatisches Pfand oder Lockmittel zur Durchsetzung von Zielen wirken, die mit der Beziehung zwischen den beiden betroffenen Häusern nicht oder nur bedingt zu tun hatten. Bei diesem Typus wird erneut der Charakter der Heirat als ein Geschäft deutlich, bei dem unterschiedliche »Güter« gegeneinander getauscht werden: Die Familie der Braut gab eine Tochter und bekam dafür politische Gegenleistungen. »Erwerbsheirat«17: Da fürstliche Heiraten bis in die napoleonische Ära für den Erwerb von Ansprüchen auf Territorien und Rechte von Belang waren, diente dieser Typ – so wie tendenziell auch die »Einflussheiraten« und die Heirat als »Unterpfand«  – weniger der »Freundschaft« als vielmehr der Austragung dynastischer Konkurrenz. In der Erwerbsheirat zeigt sich der deutlichste Be­ rührungspunkt der verwandtschaftlichen Außenpolitik mit dem Prozess der Formierung des dynastischen Staates. In jedem Einzelfall ging es darum, das Risiko des territorialen Verlustes zu minimieren und die Chancen auf eigenen Erwerb zu maximieren und damit Potentiale für zukünftige staatliche Entwicklung zu schaffen. In einem zweiten Schritt der Analyse stellt sich die Frage, ob, und wenn ja wie, Heiraten die politischen Zwecke von Frieden und Allianz, die ihnen von den Akteuren zugesprochen wurden, wirklich erfüllten. Monique Valtat, welche die Eheverträge der Bourbonen untersucht hat, kommt zu dem Schluss, dass Frankreich im siebzehnten Jahrhundert seinen Heiratsallianzen treu geblieben sei.18 Könnte man Ähnliches auch über die Hohenzollern sagen? Wie lange hielten die guten (oder auch strategischen) Absichten, die im Rahmen von Eheverhandlungen angesprochen und in öffentlichen Inszenierungen dargestellt wurden? Gab es Konstellationen, in denen enge, immer wieder erneuerte Verwandtschaft dauerhafte politische Bündnisse trug?

16 »dass Prinzessinnen, die dazu erzogen sind, sich als gute Bürgerinnen zu fühlen, ihrem Vaterland niemals zum Nachteil gereichen, dass jedoch Ausländerinnen, die den Interessen ihrer Nation dienen, in derselben Stellung sehr gefährlich sein können«; Posner, S. 304. 17 Weller, S. 805. 18 Valtat, S. 8.

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Die Quellen sprechen – dies sei vorweggschickt – nicht dafür, dass die Akteure mit einer dauerhaften Wirkung von Familienverbindungen rechneten. Hermann Webers These, dass Heiraten mit ernsthaften Hoffnungen auf dauerhaften Frieden zwischen zwei Familien einhergingen, ist sicher nicht haltbar.19 Gewiss schreckte man in kriegerischen Konflikten davor zurück, den Verwandten zu töten, seine Territorien zu verwüsten oder sie ihm ganz zu nehmen.20 Doch die Erwartungen waren vor allem durch die Erfahrungen von Vertragsbrüchen und Konflikten zwischen verwandten Dynastien, von pragmatischem Vertrauen auf kurz- bis mittelfristige Effekte geprägt. Für die Folgen von Heiraten war darüber hinaus entscheidend, dass sie zwar allgemeine Absichten, aber keine konkreten Verabredungen betrafen. Solange sie nicht durch diplomatische Verträge, also Friedensverträge, Bündnisverträge und »Allianzen« im diplomatischen Sinne konkretisiert wurden, waren weder verwandtschaftliche noch freundschaftliche Verpflichtungen klar definiert. Nur ein gesonderter Vertrag konnte etwa den Bündnisfall festlegen, die Höhe von Subsidien oder Hilfstruppen klar regeln.21 Art und Umfang der Leistungen im Rahmen von Freundschaft und Verwandtschaft hingegen standen im Ermessen der Akteure. Verpflichtungen zu verschiedenen Partnern mussten gegeneinander abgewogen werden. Die mangelnde Präzision der beiden verwandten Konzepte machte sie in der Praxis flexibel und verminderte ihre Verbindlichkeit. Davon abgesehen konnte Freundschaft vergehen oder sogar gebrochen werden. Sie erhielt sich nur durch regelmäßige Aktualisierung in Freundschaftsbekundungen und freundschaftlichem Verhalten. Auch das verwandtschaftliche Band bedurfte der Pflege; wurde es vernachlässigt oder gar gebrochen, konnte dies zwar be-, aber nicht eingeklagt werden. Neben der Analyse von Motiven und Folgen von Fürstenheiraten soll, wenn auch nicht mit der gleichen Tiefe, drei weiteren Aspekten Aufmerksamkeit geschenkt werden, die für die Beantwortung der übergeordneten Frage nach dem außenpolitischen Potential relevant sind. Erstens gilt es, den Kreis der jeweils beteiligten Akteure in den Blick zu nehmen: Waren in der Heiratspolitik die gleichen Personen tätig wie in der Außenpolitik? Dabei soll besonderes Augenmerk auf die Heiratsvermittler in der frühesten Phase der Anbahnung gerichtet werden. Es wird sich hier erneut zeigen, dass insbesondere weibliche Mitglieder von Fürstenfamilien eine Rolle spielten, gerade weil sie in der Regel nicht zum Kreis der außenpolitischen Akteure gehörten und in diskreter Art und Weise Initiativen unternehmen konnten, die gleichsam inoffiziellen Charakter hatten. Scheiterten diese, war kein Gesichtsverlust zu befürchten. Das funktionierte unter Friedrich Wilhelm  I., bei dem die Ehefrau – teils gegen seinen Willen – heiratspolitisch aktiv wurde, genau so

19 Weber, Die Bedeutung der Dynastien, S. 15 f. 20 Vgl. Lossky, S. 168–169. 21 Peters, Können Ehen Frieden stiften?

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wie umgekehrt später bei Queen Victoria, in deren Auftrag der Prince Consort Albert viele dynastische Verbindungen vermittelte. Minister oder Diplomaten, die offiziellen Akteure der Außenpolitik, waren in der Frühphase der Anbahnung meist nur als diskrete Ratgeber gefordert. Sie waren allerdings in der Schlussphase für die Verhandlung der eher »technischen« Fragen, z. B. der Eheverträge zuständig. Zweitens ist es nötig, bei der Analyse der Einzelfälle auf die verwandten Begriffe und Redeweisen zu achten. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass im fürstlichen und diplomatischen Verkehr über Fürstenheiraten  – wie schon im Kontext von Pflicht und Neigung – häufig von Beziehungen, Gefühlen und Gemütszuständen die Rede ist. Eine Trennung zwischen der Sprache, in der außenpolitische Sachfragen verhandelt wurden, und der durch emotionale Tonlagen geprägten Sprache persönlicher Beziehungen scheint es nicht gegeben zu haben. Die Tatsache, dass zur Bezeichnung des verwandtschaftlichpolitischen Bandes der Terminus »Band des Blutes« mit den Termini »Verwandtschaft«, »Freundschaft«, »Union« und »Allianz« alterniert, legt nahe, dass den Begriffen ähnliche Bedeutungen zu eigen waren. Begriffsgeschichtliche Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Bedeutungen von »Freundschaft« und »Verwandtschaft« erst seit dem 17. Jahrhundert allmählich zu differenzieren begannen; erst dann entwickelte sich »Freundschaft« zu einem emotionalen Band und »Verwandtschaft« zu einer biologisch-sozialen Tatsache. Erst dann verstärkte sich auch jener Prozess, den Klaus Manger als »Individualisierung« der Freundschaft bezeichnet hat.22 Bis dahin, das heißt im Mittelalter und in der ersten Hälfte der Frühen Neuzeit, beschrieben beide Begriffe vor allem eine bestimmte Haltung und Handlungsweise. »Freundschaft« und »Verwandtschaft« konnten gleichermaßen Klientelbeziehungen bezeichnen wie ein Verhältnis zwischen Gleichberechtigten, die sich gegenseitig Friedfertigkeit, Schutz, Unterstützung und Hilfe schuldeten.23 So wie die Zugehörigkeit zu einer Dynastie Ver­pflichtungen bedeutete, war auch die freundschaftliche und verwandtschaftliche Bindung mit Vorstellungen von richtigem Verhalten belegt: Verzicht auf Aggression und Unterstützung in Auseinandersetzungen gehörten ebenso dazu wie Begünstigung in Geschäften und politischen Händeln.24 Drittens soll bei der Bearbeitung der Einzelfälle unter den genannten Aspekten die Frage der Transformation vom 17. zum 20. Jahrhundert im Auge behalten werden. Änderten sich Akteure, Motive und Strategien, Rede- und Denkweisen sowie die Wirkungen von Fürstenheiraten? Wurde das politische Konzept von »Freundschaft« durch das individuellere und emotionalere der »empfindsamen Freundschaft« abgelöst und dadurch die Übereinstimmung von »Freundschaft« und »Verwandtschaft« aufgehoben? Wurde das Heiratsgeschäft im 19. Jahrhundert zunehmend von der Außenpolitik getrennt? Wuchs die Skepsis gegenüber 22 Manger, S. 23 f. 23 Oschema, Freundschaft oder »amitié«?, S. 7–15; Eickels. 24 Althoff, S. 78 ff.

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den politischen Möglichkeiten von Heiraten? Wurden politische Ziele von Fürstenheiraten zunehmend bescheidener oder veränderten sie sich? Oder waren die realpolitischen Konsequenzen von Heiraten im 19. Jahrhundert geringer? Wir kehren mit diesem Problemkomplex zurück zu unserer Leitfrage nach dem Bedeutungsverlust der Fürstenheirat von der Vormoderne zur Moderne. Die hier skizzierten Aspekte sollen an einer Serie von politischen Heiraten untersucht werden, welche die Hohenzollern zwischen 1640 und 1918 mit den Häusern Oranien, Hannover bzw. Sachsen-Coburg-Gotha und Romanow schlossen. In den Abschnitten dieses Kapitels wird jeweils eine dynastische Zweierbeziehung exemplarisch beleuchtet. Zwar ist es künstlich, aus dem Netzwerk europäischer Dynastien einzelne Knoten herauszulösen, doch ist diese Reduktion aus analytischen Gründen vonnöten. Denn nur bei der eingehenderen Betrachtung von überschaubaren Konstellationen lassen sich Aussagen über das Ineinanderwirken von Politik und Verwandtschaft treffen. Der Blick auf bilaterale Partnerschaften schließt, wie das Folgende zeigen wird, die Ein­ beziehung weiterer Spieler und die Betrachtung von Dreier- oder Viererkonstellationen keineswegs aus: Die verwandtschaftlich-politische Bindung an Oranien im 17. Jahrhundert lenkt den Blick auf die Stuarts; die Beziehungen zum Haus Hannover im 18.  Jahrhundert schließen die Oranier sowie weitere Dynastien mit ein. Im 19.  Jahrhundert banden sich die Hohenzollern gleichermaßen an die Romanow wie an die Royals, blieben aber auch ihren niederländischen Verwandten treu.25 Zusätzlich zu den tatsächlich abgeschlossenen Heiraten wird der Blick auch auf Fälle zu richten sein, bei denen Verbindungen angebahnt wurden, aber nicht zustande kamen. Das Scheitern von Heiratsverhandlungen hatte bisweilen ebenso bedeutsame politische Folgen wie ihr Gelingen.

4.1 Hohenzollern und Oranier im 17. Jahrhundert Auf die brandenburgische Außenpolitik und auch auf das verwandtschaft­ liche Netzwerk der Hohenzollern kamen am Anfang des 17. Jahrhunderts neue Herausforderungen zu. Insbesondere der durch erfolgreiche Heiratspolitik der fränkischen Hohenzollern im Jahr 1614 herbeigeführte Zugewinn des Herzogtums Kleve und der Grafschaften Mark und Ravensberg, die circa 400 Kilometer westlich des Kernlandes lagen, ließ eine Umorientierung nützlich erscheinen. Während im 16. Jahrhundert die politisch wichtigen Heiraten des Hauses mit Dänemark und Polen geschlossen wurden und noch 1620 eine brandenburgische Ehe mit dem Schwedenkönig Gustav Adolf zustandekam, setzte um 1600 das Streben nach Verwandtschaft im Westen ein, das durch den Übertritt des 25 Überblicksdarstellungen über oranisch-preußische Verbindungen: Vetter; Keller.

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Kurfürsten Johann Sigismund zum Calvinismus (1613) befördert wurde.26 Ein Blick auf die Verbindungen des Hauses Brandenburg mit den Oraniern, für welche die Pfälzer und die Stuarts eine zentrale Rolle spielten, zeigt deutlich eine Neuausrichtung. Ein erster entscheidender Schritt auf dem Weg nach Westen war die 1616 geschlossene Heirat des brandenburgischen Kurfürsten Georg Wilhelm mit Elisabeth Charlotte von der Pfalz. Sie war Tochter des pfälzischen Kurfürsten Friedrich IV. und seiner Frau Luise Juliane von Oranien und somit Enkelin Wilhelms des Schweigers, also des niederländischen Statthalters. Durch diese Heirat kam eine erste kognatische Familienbeziehung zwischen Brandenburgern und Oraniern zustande.27 Bereits drei Jahre vorher hatte der Bruder der Pfälzerin Elisabeth Charlotte, der spätere Kurfürst Friedrich  V., die englische Königstochter Elisabeth Stuart geheiratet. Nach einem turbulenten Winter als König und Königin von Böhmen musste sich das deutsch-englische Paar ins niederländische Exil nach Den Haag flüchten. Somit war der brandenburgische Kurfürst nicht nur mit einer oranischen Prinzessin verheiratet, sondern auch mit einer am niederländischen Hof lebenden Engländerin verschwägert. Um diese erwünschte Konstellation zu festigen, wurde im Jahr 1631 eine zweite brandenburgisch-pfälzische Heirat geschlossen: Die brandenburgische Kurfürstentochter Marie Eleonore heiratete den Pfälzer Kurprinzen Ludwig Philipp, auch er Bruder von Elisabeth Charlotte. In der nachfolgenden Generation, unter dem Großen Kurfürsten, wurden die zunächst weitläufigen verwandtschaftlichen Kontakte der Branden­burger nach Westen enger. Zwischen 1634 und 1638 verbrachte der junge Friedrich Wilhelm einen mehrjährigen Bildungsaufenthalt in den Niederlanden und begründete damit eine bis zu Wilhelms II. Exil im niederländischen Haus Doorn andauernde Tradition regelmäßiger Herrscherbesuche in den Niederlanden.28 Die erste direkte Verwandtschaftsbeziehung zwischen Brandenburg und Oranien kam durch die 1646 geschlossene Ehe von Kurfürst Friedrich Wilhelm mit ­Luise Henriette von Oranien zustande. Die in Den Haag abgehaltene Zeremonie wurde in einem Gemälde von Jan Mytens festgehalten, das die genannten Familienverbindungen abbildet. Mytens, der bei der Vermählung im Großen Saal des Alten Hofes zu Den Haag anwesend gewesen war, stellte auf dem Bild etwa 120 Personen dar, zu denen neben dem Brautpaar auch die Brauteltern Friedrich Heinrich und Amalie von Oranien, der Bruder der Braut Wilhelm (II.) von Oranien mit seiner Gattin Maria Henrietta Stuart und Elisabeth Stuart, die Witwe des Winterkönigs sowie deren Tochter Louise-Hollandine von der Pfalz gehörten. So versinnbildlichte das Gemälde die Vision eines eng­maschigen grenzüberschreitenden Netzwerkes von vier Dynastien.29 26 Vetter, S. 100. 27 Zu oranien-nassauischen Verwandtschaftsverbindungen im 17. Jahrhundert s. Groenveld. 28 Mieck, Westeuropareisen, S. 6 f.; Opgenoorth, Bd. 1, S. 31–57. 29 Seidel, Die Darstellungen des Großen Kurfürsten, S. 67 ff.

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Abb. 3: Jan Mytens, Gemälde der Hochzeit des Großen Kurfürsten mit Luise Henriette von Oranien im Jahr 1646, Öl auf Leinwand (bpk, Nr. 00055921).

Welche politischen Hoffnungen wurden mit der preußisch-niederländischen Verbindung verfolgt? Auch wenn die Heirat auf der Linie einer langfristigen Strategie brandenburgischer Westbindung lag, war sie nicht von langer Hand geplant. Vielmehr hatte der Kurfürst viele Jahre auf das Zustandekommen einer Heirat mit der schwedischen Königin Christina gehofft, die an die bestehenden Familienbindungen aus der davorliegenden Generation angeknüpft hätte und für ihn zur Beilegung des Dauerkonfliktes um Vorpommern und als wichtige Allianz gegen Polen bei weitem ertragreicher gewesen wäre. Doch im Sommer 1646 stellte sich heraus, dass die Heirat mit seiner schwedischen Cousine nicht in Frage kam. Als Argument für die Beendigung der Anbahnung dienten dem schwedischen Reichskanzler Oxenstjerna einerseits der konfessionelle Unterschied, die zu nahe Verwandtschaft sowie die Tatsache, dass Christine keinerlei Zuneigung zu Friedrich Wilhelm empfinde. Politisch war für den Abbruch der Verhandlungen wohl eher von Bedeutung, dass die schwedische Seite am Ende des Jahres 1645, nachdem der Konflikt mit Dänemark beigelegt war, keine Notwendigkeit für eine Erneuerung der Familienallianz mit Brandenburg mehr sah und auch die Aufrechterhaltung der brandenburgischen Hoffnung auf eine solche keinerlei strategischen Vorteile mehr versprach. Schweden fühlte sich nun 164 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

vielmehr stark genug, seine Interessen auf dem Kontinent, vor allem in Pommern, gegen Brandenburg durchzusetzen.30 Seit 1640 war die Möglichkeit einer Verbindung zwischen dem Kurfürsten und einer oranischen Prinzessin immer wieder sondiert worden. Bei einem Aufenthalt des brandenburgischen Gesandten Winand Roth in Den Haag im April 1645 spielte das Thema einer Heirat, wenn auch in verklausulierter Art und Weise, eine Rolle. Als Roth der Prinzessin Luise Henriette begegnete, fragte er sie, ob sie einen Auftrag für ihn an den Kurfürsten hätte. Daraufhin sandte sie einen freundlichen Gruss. Die Brautmutter wurde bei weitem deutlicher, als sie den Gesandten über das Aussehen des Kurfürsten befragte und die Notwendigkeit einer Heirat betonte. Zum Engagement der Oranier trug sicher auch bei, dass die bis dahin für Luise Henriette erwogene Heirat mit dem englischen Thronfolger Karl (II.) angesichts des Bürgerkrieges nicht vielversprechend erschien. Tatsächlich sollte der Prince of Wales, der kaum sein Leben aus England retten konnte, bald nicht als königlicher Freier, sondern als Flüchtling nach Den Haag reisen. Im August 1646 wurde dann an den Heilquellen von Hornhausen zwischen dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm, seiner Tante Elisabeth und wahrscheinlich seiner zukünftigen Schwiegermutter Amalie die Ehe verabredet. Erst im Oktober gab der Kurfürst seine Absicht im Geheimen Rat bekannt und reiste nach Cleve und von dort schließlich nach Den Haag, um seine Braut zu freien und heimzuführen. Für Friedrich Wilhelm war mit dieser Heirat die Hoffnung auf die Unterstützung der Statthalter bei den ihn in dieser Schlussphase des Dreißigjährigen Krieges drückendsten Sorgen verbunden. In einer Ansprache vor den Generalständen brachte er seine politischen und verwandtschaft­ lichen Pläne vor. In der Rede ging es erstens um Friedrich Wilhelms Streben nach einer »sicheren und beständigen Alliance«31. Zweitens sprach der Kurfürst den Konflikt mit Schweden um Pommern an, für den er sich Unterstützung in den Verhandlungen in Münster und Osnabrück versprach. Drittens schilderte er die Zuwiderhandlungen des Pfalzgrafen zu Neuburg gegen den Xan­ tener Vergleich im Jülich-Clevischen Erbfolgestreit. Am Schluss seiner Ausführungen verkündete er – als Konsequenz des »guten Vertrauens« und der »treuen Nachbarschaft«  – mit den Niederlanden »in noch nähere Freundschaft … treten« zu wollen »und mit dero ältesten Princessin sich in eine Alliance der heiligen Ehe einzulassen«.32 Der Kurfürst versicherte, den Generalstaaten ein »beständiger treuer Freund und Nachbar zu sein und zu verbleiben«.33 Die Ansprache ist geeignet, die un30 Zur Heirat von 1646: Hammer, Kurfürstin Luise Henriette, S.  38 ff.; Bas, Hohenzollern und Oranien, S. 198 ff.; Opgenoorth, Bd. 1, S. 145–162; Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Großen Kurfürsten, Bd. 3, Teilband 2, S. 3–40 u. Bd. 4, Teilband 2, S. 3–146. 31 Kurfürst Friedrich Wilhelm, Mündlicher Vortrag des Kurfürsten bei den Generalständen, 13./23.11.1646, in: ebd., Bd. 4, Teilband 2, S. 62. 32 Ebd., S. 65. 33 Ebd.

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trennbare Verbindung zwischen Politik, persönlichen Beziehungen und Verwandtschaft in der Sprache wie in der Sache zu dokumentieren. Der Begriff »Alliance« wird hier gleichermaßen für ein preußisch-niederländisches Defensivbündnis wie für die geplante Ehe verwandt. Den Wunsch nach »Freundschaft« brachte der Kurfürst zum einen gegenüber einem Individuum zum anderen gegenüber den Generalstaaten als ganzen zum Ausdruck. Er erinnert an die Allianzen seines Vaters und seine dauerhaften Absichten, so dass die Freundschaft hier nicht als Eingabe eines Moments, sondern als langfristige Haltung erscheint. Die Ehe wird ausdrücklich als Mittel zum Ausdruck der Freundschaft dargestellt. Gleichzeitig geht es in der Rede um konkrete politische Kooperationen, deren Grundlage Freundschaft, Nachbarschaft und Verwandtschaft, deren Instrumente allerdings diplomatische Verträge sind. Die Folgen entsprachen diesen Absichten und Wünschen nur zum Teil. Die Ehe zwischen dem Großen Kurfürsten und der oranischen Prinzessin kam zustande, ein Defensivbündnis jedoch lange Zeit nicht. Der Statthalter Friedrich Heinrich setzte sich durchaus für brandenburgische Interessen in Münster und Osnabrück ein.34 Bei einer 1647 unternommenen brandenburgischen Expedition in das Herzogtum Berg, mit dem Friedrich Wilhelm den Pfalz­ grafen von Neuburg unter Druck setzen wollte, leisteten die Oranier jedoch keinerlei Waffenhilfe. Immerhin zahlten die niederländischen Generalstände bis 1648 300.000  Gulden an den brandenburgischen Kurfürsten. Mit dem kurz hinter­einander erfolgenden Tod von Friedrich Heinrich von Oranien und seinem Sohn Wilhelm  II. waren die Allianzpläne ohnehin hinfällig. Erst 1655 kam, nach einer längeren Verhandlungspause, eine Defensivallianz zustande. Die politischen Hoffnungen, die auf die Heirat von 1646 gesetzt worden waren, konnten so nur zu einem kleinen Teil eingelöst werden. Andere wechselnde Bündniskonstellationen mit Frankreich, Schweden und dem deutschen Kaiser, die ohne das Instrument der Heiratspolitik geschmiedet wurden, waren sowohl bei den Verhandlungen in Münster und Osnabrück als auch in den vier Jahrzehnten zwischen 1648 und dem Tod des Großen Kurfürsten im Jahr 1688 von größerem politischen Gewicht. Als wenig bedeutender und zwischen Großmächten gelegener Staat musste sich Brandenburg an seine stärkeren Nachbarn halten und mit diesen wechselnde Bündnisse eingehen, so wie dies der Große Kurfürst in seinem Testament von 1667 formuliert hatte.35 Erst als in den Niederlanden wieder ein Oranier, Wilhelm III., das Amt des Generalstatthalters innehatte, begannen sich die preußisch-niederländischen Beziehungen erneut zu intensivieren.36 Sowohl der Große Kurfürst als auch sein Nachfolger Friedrich III. unterstützten ihren niederländischen Neffen bzw. Cousin. Im Holländischen Krieg stand Brandenburg an der Seite der Nieder34 Umfangreiche Belege dafür in: Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Großen Kurfürsten, Bd. 4, Teilband 2, S. 3–40. 35 Politisches Testament des Großen Kurfürsten, 19.5.1667, in: Dietrich, S. 191. 36 Hahlweg, Untersuchungen zur Barrierepolitik Wilhelms III.

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länder gegen das übermächtige Frankreich. Als der spätere Wilhelm III., Sohn einer Engländerin und seit 1677 auch mit einer Engländerin, Maria, verheiratet, 1688 über den Kanal setzte und die »Glorious Revolution« in die Wege leitete, war Brandenburg sein Bündnispartner und stellte ihm 6.000 Soldaten zur Verfügung.37 1696, nach dem Tod seiner ersten Gattin, kam Wilhelm III. sogar auf Brautschau nach Cleve, doch die von ihrer Mutter mitgebrachte preußische Kurfürstentochter konnte ihn offenbar nicht überzeugen.38 So waren die niederländische und die englische Verbindung der Brandenburger in Wilhelm und Maria verkörpert. Diese Konstellation erklärt, warum Kurfürst Friedrich III. nicht nur Ansprüche auf das mütterliche oranische Erbe erhob, sondern sich auch gewisse Hoffnungen auf die Statthalterschaft und sogar auf den englischen oder schottischen Thron machte. Diese Hoffnungen trugen sicher dazu bei, dass der frischgekrönte preußische König Friedrich I. 1701/02 der Großen Allianz gegen Frankreich beitrat, welche England, die Niederlande und der Kaiser geschlossen hatten. Als Wilhelm III. 1702 ohne Nachkommen starb, stellte sich jedoch heraus, dass er schon vor langem eine Nebenlinie seines eigenes Hauses, Nassau-Dietz, für die Nachfolge bestimmt hatte. Friedrich I. versuchte, durch rasches Agieren zumindest einige Territorien im Westen zu erhalten. Doch der Erbkonflikt zog sich bis 1732 hin und endete aus brandenburgischer Sicht enttäuschend. Die im 17.  Jahrhundert zwar instabilen, aber doch immer wieder aktivierbaren verwandtschaftlich-politischen Bindungen zwischen den Häusern Brandenburg und Oranien wurden von den Erbstreitigkeiten überschattet und kamen für mehr als ein halbes Jahrhundert fast vollständig zum Erliegen. Schon 1701 hatten sich die vagen Hoffnungen auf die Thronfolge im Inselreich zerschlagen, als im Royal Marriage Act der Kur­ linie Hannover des Welfenhauses das Anrecht auf die Thronfolge in England zugesprochen wurde; im Jahr 1714 bestieg der Kurfürst von Hannover als Georg I. den britischen Thron. Die preußisch-oranischen Beziehungen im 17. Jahrhundert waren ohne Frage vom Ineinanderwirken verwandtschaftlicher und politischer Faktoren geprägt. Die beteiligten Akteure, gleichermaßen Familienmitglieder wie Diplomaten, hatten die politischen Intentionen einer Annäherung und Kooperation wortreich zum Ausdruck gebracht und die konkreten kurz- und mittel­fristigen Ziele  – Defensivallianz, Unterstützung beim Erwerb Pommerns und des jülich-clevischen Erbes – definiert. Die Begriffe »Freundschaft«, »Nachbarschaft« und »Verwandtschaft« verwandten sie dabei ohne erkennbare semantische Unterschiede; sie scheinen weitgehend austauschbar gewesen zu sein. Die Heirat von 1646 entsprach am ehesten jenem Typus, bei dem Beziehungen transformiert wurden. Sie sollte den Weg von einem eher distanzierten Verhältnis zu einer förmlichen Allianz ebnen. Gleichzeitig ist deutlich geworden, dass die guten persönlichen Beziehungen und die Versicherung gegenseitiger Ver37 Mieck, Westeuropareisen, S. 12 f. 38 Erkelens, S. 402.

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pflichtung von begrenzter Wirkung für die politische Praxis und die politischen Folgen der Vermählung ambivalent waren. Dass die projektierte Defensivallianz lange Zeit nicht zustande kam, muss als ein schwerer Rückschlag für die politischen Absichten auf brandenburgischer Seite gewertet werden. Zum Scheitern trugen sicher der bald nach der Eheschließung erfolgte Tod des niederländischen Statthalters Friedrich Heinrich und der Regierungswechsel bei. Dennoch blieb das Blutsband politisch nicht folgenlos: Die kurzfristigen militärischen und diplomatischen Ziele Preußens wurden von den Niederlanden unterstützt, mittelfristig wurde doch noch eine Defensivallianz geschlossen; in der Zeit Wilhelms III. erfolgten Hilfsleistungen in umgekehrter Richtung. Zu der Komplexität der politischen Wirkungen dieser Vermählung trug ohne Frage bei, dass sie aus preußischer Sicht auch Ansprüche auf oranischen Besitz begründete. Diese auf Erwerb gerichteten Interessen der Heirat standen im Widerspruch zu dem Versuch, Freundschaft zu stiften. Weitere brandenburgischniederländische Eheschließungen kamen, trotz einiger hoffnungsvoller Anfänge, allerdings nicht zustande. So stimmt die vom Großen Kurfürsten in seinem Testament geäußerte Feststellung, dass »wenig auf Allianzen zu bauen stehet«, zumindest zum Teil.39

4.2 Hohenzollern und Hannover im 18. Jahrhundert 4.2.1 Verbündete im Aufstieg Die hohenzollernschen Familienbeziehungen zur 1714 auf dem britischen Thron sukzedierenden Dynastie Hannover waren enger als die zu den früheren Königsfamilien des Inselreiches, den Stuarts und den Oraniern. Hohenzollern und Welfen lebten seit dem 15. Jahrhundert in Nachbarschaft. Die Zusammenarbeit beim parallelen Aufstieg des Hauses Hannover zur Kur- und der Hohenzollern zur Königswürde hatte die Bande gefestigt. Schlüsselfigur für die hohenzollernschen Beziehungen zur aufsteigenden hannoverschen Linie war in der zweiten Hälfte des 17. und am Anfang des 18. Jahrhunderts wiederum eine Pfälzerin: Sophie von der Pfalz, eine Tochter des schon mehrfach er­wähnten, seit 1620 im Haag lebenden Pfälzer Kurfürsten Friedrich und seiner Gattin Elisabeth Stuart. In den Niederlanden aufgewachsen, heiratete sie 1658 Ernst August von Braunschweig-Lüneburg, der 1692 Kurfürst von Hannover wurde. Ihre Tochter Sophie Charlotte heiratete 1684 – in unmittelbarem Zusammenhang mit dem brandenburgisch-hannoverschen Bündnisvertrag vom 2. August 1684 – den brandenburgischen Kurprinzen Friedrich. Dieser setzte vier Jahre später als Friedrich III. den Kurhut und 1701 als Friedrich I. die preußische Königskrone auf. Sophies Sohn Georg bestieg im Jahr 1714 den britischen Thron. 39 Politisches Testament des Großen Kurfürsten, 19.5.1667, in: Dietrich, S. 191.

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Im Jahr 1706 hatte ihre Enkelin Sophie Dorothea, Georgs Tochter, den preußischen Thronfolger Friedrich Wilhelm  (I.) geheiratet. So kam  erst eine pro­ spektive und dann eine direkte Verbindung zwischen den Hohenzollern und dem späteren britischen Königshaus zustande.40 Die Heirat von 1684 hatte fast zwanzig Jahre für recht harmonische Beziehungen zwischen den beiden Familien gesorgt. Die Beziehungen wurden durch die alljährlichen Besuche der Sophie von Hannover in Charlottenburg und die Gegenbesuche von Sophie Charlotte in Herrenhausen stabilisiert. Der enge briefliche und persönliche Kontakt zwischen Mutter und Tochter war auch die Grundlage des schon vor der Jahrhundertwende gefassten Planes, eine Ehe zwischen dem brandenburgischen Kurprinzen und der Tochter des hannoverschen Kurfürsten Georg Ludwig zu schließen.41 Die Jahre nach 1700 waren für solche Projekte jedoch wenig günstig. Noch im November 1700 war das »foedus perpetuum« zwischen den beiden Staaten erneuert worden. Doch das Jahr 1701 brachte für Hohenzollern die Königskrone und für Hannover, mit dem Succession Act, die Aussicht auf eine solche. Aus den Partnern im Aufstieg wurden zusehends Konkurrenten im Erfolg. Mit dem Tod der preußischen Königin Sophie Charlotte am 1. Februar 1705 litt auch das persönliche Band. Der Kurfürst von Hannover suchte in dieser Situation, durch die von seiner Mutter und Schwester geplante Heirat rasch eine neue Verbindung zu stiften. Angesichts der Ankündigungen des preußischen Königs, dass für seinen Sohn jetzt Zeit zum Heiraten sei und er ihm freie Wahl lassen wollte, glaubte er den Plan so gut wie umgesetzt.42 Bei Sophie Charlottes Beisetzung war vom langgehegten Heiratsprojekt die Rede. Doch die politischen Umstände in dieser Frühphase des Nordischen Krieges hatten dafür gesorgt, dass aus Gereiztheit und Dissens in vielen Einzel­fragen Gegnerschaft geworden war. Stoff boten Kleinkonflikte wie die preußische Truppenstationierung in Nordhausen, die Rechte auf die Festung Regenstein, der Titel eines Grafen von Hohenstein, den sich der preußische König zulegte, oder die hannoverschen Ansprüche auf Lockum. Ein Erbstreit um Lauenburg hatte  sogar den Aufmarsch von Truppen zur Folge. Diese und ähnliche Rangeleien vergifteten die Atmosphäre zwischen den Höfen. Politisch-persönliche Beziehungen litten. König Friedrich klagte, die Politik Georg Ludwigs suche förmlich nach Anlässen, ihn zu »choquiren«. Zum britischen Gesandten soll er gesagt haben, er würde seinen Sohn lieber tot als mit einer hannoverschen Prinzessin verheiratet sehen.43 Zu allem Überfluss war der hannoversche Kurprinz Georg mit einer Hohenzollerin, Caroline von Ansbach, liiert worden.44 Das war keineswegs Anlass zur 40 Zur dynastischen Dimension der hannoverschen Sukzession in Großbritannien s. Campbell Orr, Dynastic Perspectives; zu den genealogischen Zusammenhängen zwischen Hohen­ zollern und Welfen allgemein s. Wilhelm. 41 Krauske, Die Verlobung Friedrich Wilhelms I., S. 154. 42 Ebd., S. 157. 43 Krauske, Die Verlobung Friedrich Wilhelms I., S. 161. 44 Hanham.

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Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Familien. Der Diplomat Ilten schrieb, König Friedrich empfinde einen »chagrin mortel«.45 Tatsächlich hätte der Chef des Hauses die Fäden von Carolines Heirat gern selbst gezogen. Er liebäugelte mit dem Gedanken, Caroline mit seinem Sohn Friedrich Wilhelm zu verheiraten oder sie, nach dem frühen Tod seiner zweiten Gattin, sogar selbst zu ehelichen. Beide Optionen hätten den vertraglich geregelten Rückfall der fränkischen Besitzungen gestützt. Doch das Haus Hannover setzte sich durch. Als im Juli 1705 die mit den brandenburgischen kollidierenden Eheabsichten Georgs von Hannover bekannt wurden, bemühte sich seine Großmutter, die Wogen zu glätten. Der Prinz habe sich überraschend so sehr in Caroline verliebt, »dass er sich nach keiner anderen mehr umsehen wolle«. Für den branden­ burgischen Prinzen sei die Prinzessin ohnehin zu alt gewesen. »Gott wolle den lieben Kronprinzen auch so nach Wunsche versorgen, dass Eure Majestät und wir alle Freude daran haben mögen.«46 Friedrich I. wusste aber, dass die Verbindung in Konkurrenz zu seinen eigenen Plänen schon länger vorbereitet war. »Ich bitte doch gar sehr, mich nicht für einen Tölpel zu halten, sondern zu glauben, daß ich über vieles hinwegsehe, obwohl ich es schon sehe.«47 Sophie von Hannover rechtfertigte sich daraufhin und bezeichnete sich als zu unrecht beschuldigt.48 Der Ton der Briefe blieb unfreundlich. Friedrich war im Bezug auf seinen Thronfolger keineswegs so festgelegt, wie es angesichts seiner gereizten Reaktion auf die hannoversch-ansbachische Heirat den Anschein haben mochte.49 Vielmehr schwankte er zwischen der von Sophie von Hannover angebotenen Enkelin und zwei Prinzessinnen aus den Häusern Sachsen-Zeitz und Hessen-Kassel, zwischen einer oranischen Heirat, welche die hohenzollernschen Erbschaftsansprüche gestärkt hätte, und einer Verbindung mit einer Schwester Karls XII., durch die nicht nur die Beziehungen zu Schweden im beginnenden Nordischen Krieg intensiviert, Unabhängigkeit von der Haager Allianz geschaffen und, angesichts der Erfolge Karls XII. gegen Polen, neue Gestaltungsmöglichkeiten im Osten eröffnet worden wären, sondern eventuell – falls Karl weiterhin kinderlos blieb – sogar die schwedische Thronfolge hätte erreicht werden können. Die letztgenannten Ziele strebte auch Hannover an, weshalb von dieser Seite das schwedisch-preußische Ehebündnis massiv hintertrieben wurde. Karl XII. war, nach zwischenzeitlicher Abküh-

45 Bericht Ilten, 8.8.1705, zit. nach: Krauske, Die Verlobung Friedrich Wilhelms I., S. 163. 46 Kurfürstin Sophie an König Friedrich I., 27.7.1705, in: Schnath, S. 72. 47 König Friedrich I. an Kurfürstin Sophie, 7.8.1705, Schnath, S. 74. 48 Briefe der Königin Sophie Charlotte und der Kurfürstin Sophie aus Charlottenburg aus dem Jahr 1704 zeugen von intensivem Engagement für die Verheiratung der Markgräfin von Ansbach mit dem spanischen König; s. Doebner, S. 57–61; das Scheitern dieses Plans an der Religionsfrage wird in einem Brief der Kurfürstin Sophie an Hans Caspar von Bothmer, 14.11.1704 (ebd., S. 231) geschildert. 49 Zu den Alternativen und dem weiten außenpolitischen Kontext siehe: Hinrichs, S. 211–214, 223–232, 252–255.

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lung der Beziehungen, unter dem Eindruck der polnischen Krise im Jahr 1705 an einer Intensivierung der Beziehungen zu Berlin interessiert und schickte einen Entwurf für ein Bündnis. Dieses kam jedoch nicht zustande; Kronprinz Friedrich Wilhelm  – vom Vater um eine schriftliche Ausformulierung seiner Meinung gebeten – riet auch ausdrücklich davon ab. Seinem Oberhofmeister Graf Finck von Finckenstein schrieb er vor, was er bei der Rückkehr aus Stockholm über die mögliche schwedische Braut Ulrike Eleonore zu berichten hatte: »horrible, stupide, maliziös, von der äußersten Häßlichkeit, eine veritable Zwergin«.50 Damit war für den auf Äußeres bedachten Friedrich  I. die An­ gelegenheit erledigt. Am Ende entschied man sich für eine hannoversche Prinzessin, weil dringend an die Thronfolge gedacht werden musste, weil die Ansbacherin nicht mehr zu haben war und weil Ehen mit bedeutsameren Häusern falsche politische Signale gesendet hätten. Solange mit dem Haus Oranien keine Über­ einkunft über die Erbfragen und mit Schweden keine Einigung über den Umgang mit Polen erzielt war, gab es keinen Anlass, eine Hochzeit zu feiern. Außerdem kannte und schätzte der Kronprinz die Prinzessin Sophie Dorothea. Darüber hinaus spielte die gleichermaßen gegen Preußen wie gegen Hannover gerichtete Haltung des Kaisers eine Rolle, welche die beiden Monarchen einander näher brachte. So kam die Verbindung mit einer Kurfürstentochter zustande, die zunächst als weniger prestigeträchtig galt, da ihre Großmutter mütterlicherseits, Eleonore d’Olbreuse, nicht ebenbürtig und ihre Mutter, Sophie Dorothea »von Ahlden«, wegen einer angeblichen Beziehung zu einem Höfling ins Gefängnis gebracht worden war. Ihre Großmutter väterlicherseits, Sophie, die sie eigentlich hätte an­preisen müssen, schrieb über sie: »Wenn man keine Falken hat, muß man mit Enten auf die Beize gehen.«51 Die Vermählung zwischen Kronprinz Friedrich Wilhelm  (I.) von Preußen und der Prinzessin Sophie Dorothea von Hannover fand am 28. November 1706 in Berlin statt. Die Hoffnung auf die Harmonisierung der preußisch-hannoverschen Beziehungen ließ sich zumindest auf der dynastischen Ebene realisieren. Die Korrespondenzen zeugen von einem grundlegenden Stimmungs­ wandel. Sophie von Hannover schrieb nach Abschluss der Fest­lichkeiten, dass alle Wohlmeinenden sehr froh über diese Verbindung sein müssten.52 Zufrieden konstatierte sie auch die ausgezeichnete Aufnahme ihrer Tochter in Berlin. Die Prinzessin fühle sich wie »dans un château enchanté des fées, où tout brille d’or et d’argent« und wo »le roi va au-devant de tout ce qu’il croit lui pouvoir donner du plaisir«.53 50 Schulze, Das Project der Vermählung, S. 259. 51 Kurfürstin Sophie an König Friedrich I., 1.7.1705, in: Schnath, S. 69. 52 Kurfürstin Sophie an Hans Caspar von Bothmer, 10.8.1706, in: Doebner, S. 236. 53 »wie in einem verzauberten Feenschloss, wo alles von Gold und Silber glänzt«; »der König alles ermöglicht, von dem er glaubt, es könne ihr Vergnügen bereiten«; Kurfürstin Sophie an Hans Caspar von Bothmer, 13.10.1706, in: ebd., S. 241.

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Bei der Vermählung von 1684 hatte es sich um eine Bekräftigungsheirat gehandelt, die in eine längerfristige Parteibindung mündete. Trotz immer wieder auftretender Konflikte zweier ehrgeiziger Familien, deren Interessensphären sich überschnitten, war diese Allianz von einiger Dauer und wurde ent­ sprechend 1706 durch eine Traditionsheirat fortgesetzt. Das verwandtschaftlich-politische Bündnis der Dynastien im Aufstieg hielt bis in die Anfangsjahre der Regierungszeit von Friedrich Wilhelm  I. von Preußen und Georg  I. von Großbritannien. 4.2.2 Verwandtschaft und Konkurrenz: gescheiterte Eheprojekte (1723–1740) In den Anfangsjahren der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I., in welche das Ende des Spanischen Erbfolgekrieges und die zweite Phase des Großen Nordischen Krieges fielen, war das Verhältnis zwischen Preußen und Großbritannien instabil.54 Kurz nach dem Regierungswechsel in Berlin und London, im November 1714, kam ein gegen Schweden gerichtetes Bündnis zwischen den beiden frischgekrönten Häuptern und dem russischen Zaren Peter dem Großen zustande. Wenige Jahre später, in der Schlussphase des Nordischen Krieges, fanden sich Preußen und Großbritannien allerdings auf gegnerischen Seiten wieder: Das Schwinden der Großmachtstellung Schwedens ging mit dem allmählichen Aufstieg Russlands einher, und das russische Bestreben, den Ostseeraum zu kontrollieren, kollidierte mit britischen Handelsinteressen. In diesem Konflikt schlug sich Preußen zunächst auf die Seite des Zaren, während sich Großbritannien am 5. Januar 1719 mit dem Kaiser und Sachsen-Polen zusammenschloss. Nach der endgültigen Niederlage Schwedens ließ sich Preußen allerdings von Großbritannien, das zu große Gebietsverluste Schwedens verhindern wollte, zu dem moderaten Friedensschluss von Stockholm, am 1. Februar 1720, überreden. Es entfernte sich damit wiederum von der Position Russlands, das den Krieg weiterführen wollte. Schon 1723 war in Charlottenburg ein britisch-preußischer Vertrag geschlossen worden, zu dessen Abschluss Georg  I. sich persönlich eingefunden hatte.55 1725, nach dem Kongress von Cambrai, bekräftigte Friedrich Wilhelm I. in Herrenhausen den Bündniswechsel. Drei Jahre später überwogen jedoch Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung, und der preußische König verband sich im Berliner Vertrag vom 23. Dezember 1728 erneut mit dem Kaiser. Der kaiserliche Gesandte Graf Seckendorf war der Architekt dieses Bündnisses; am preußischen Hof wurde er durch den Minister Grumbkow unterstützt.

54 Zu den großen Linien der britischen Außenpolitik nach 1714 siehe Duchhardt, EnglandHannover und der europäische Frieden 1714–1748. 55 Hatton, S. 271 f.

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Hauptgegenstand des Vertrages war wieder einmal die niederrheinische Erb­ angelegenheit, in welcher der Kaiser Preußen Hilfe zusagte. Parallel veschlechterte sich das Verhältnis zwischen Preußen und Hannover aufgrund einer Reihe kleinerer Zwischenfälle. Nach einer Reichsexekution in Mecklenburg waren hannoversche Truppen dort stehengeblieben und verletzten preußische Ansprüche, dazu kamen Grenzstreitigkeiten und die Verhaftung von preußischen Werbern auf hannoverschem Gebiet. Friedrich Wilhelm ließ Truppen an der Grenze zu Hannover aufmarschieren, und alles schien zunächst auf einen Krieg hinzulaufen. Im letzten Moment gelang es den Kontrahenten jedoch noch, sich gütlich zu einigen. Auf dem europäischen Theater mehrten sich jedoch die Anzeichen für eine militärische Konfrontation größeren Ausmaßes. Um ein Mittel bemüht, Preußen auf seine Seite zu ziehen, griff Großbritannien zum Instrument der verwandtschaftlichen Politik. Schon 1723 in Charlottenburg und erneut 1725 in Herrenhausen war eine hannoversch-hohenzollernsche Doppelhochzeit ver­ abredet worden; Kronprinz Friedrich (II.) und seine Schwester sollten mit britischem Nachwuchs verheiratet werden. Angesichts der Annäherung an den Kaiser schienen diese Heiratsabsprachen den britischen Diplomaten am Ende der 1720er Jahre ein geeignetes Mittel zu sein, Preußen und seine wachsende Armee wieder auf ihre Seite zurückzuholen. Österreich und die österreichische Partei am Berliner Hof mussten dementsprechend gegen diese Pläne sein. Das war die Vorgeschichte eines heiratspolitischen Debakels, welches das Gegenteil der ursprünglichen Absichten bewirkte.56 Schon im Jahr nach dem Treffen von Herrenhausen bemerkte der preu­ßische Gesandte in London, »dass einige froideur sich hier gegen uns wendet«. Der britische König spiele auf Zeit: »Der König gab mir zur Antwort daß Er vor Sein Bluth mehr portiret, als jemand wäre, allein Er wollte sich in nichts forcieren lassen, sondern die Sache thun, wann Sie zur rechten Reiffe gekommen, und wenn Er es am besten thunlich finden würde.«57 Der französische König schlug eine Vermittlung vor und bot an, dass sein Botschafter »seine Vorstellung dieseswegen in Engelland thun könnte, ohne daß indessen Eur. Königl. Mayt. einige demarchen thäte, die den König in Engeland chagrinieren könten«.58 Friedrich Wilhelm I. entschied sich lange Zeit nicht zwischen den zwei ihm offenstehenden Bündnisvarianten. Während die britischen Heiraten großes Prestige versprachen, war es der Kaiser, der die Stellung des Brandenburgers im Reich und seine Erwerbungspläne im Westen zu unterstützen versprach. Auch der Hof war in der Heiratsfrage gespalten. Die Königin, der Minister ­K nyphausen und die betroffenen Kinder arbeiteten für die Heirat und nah56 Aus dem Erleben und Erleiden heraus, wenn auch in einigen Punkten falsch oder übertrieben, ist die preußisch-hannoveranische Annäherung und ihr Scheitern in den Memoiren der Wilhelmine von Bayreuth geschildert; Weber-Kellermann, S. 86 f., 92 f., 120 f., 172–183. 57 Wallenrodt an Ilgen, 12./23.4.1726, GStA PK, BPH, Rep. 47, Nr. 1205, Bl. 49 f. 58 Ilgen an König Friedrich Wilhelm I., 24.2.1726, GStA PK, BPH, Rep. 47, Nr. 1205, Bl. 11.

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men – offen und im Geheimen – Kontakt mit britischen und französischen Gesandten auf.59 Der hannoversche Gesandte in Berlin Stratemann warnte, dass der britische Gesandte du Bourgay intensiven Kontakt zu den Damen der Köni­ gin pflege, diese mit Geschenken gewogen mache und daher bei ihnen in der Gunst stehe.60 Der Gesandte Seckendorff und der Minister Grumbkow stemmten sich mit aller Kraft gegen die Verbindung, die einen erneuten Bündniswechsel Preußens bedeutet und den Berliner Vertrag von 1728 in Frage gestellt hätte. Gleich­zeitig beteuerte König Friedrich Wilhelm  I. auf eine Anfrage des britischen Hofes, dass das österreichische Bündnis und die britische Heirat keinerlei Wider­ spruch darstellten. Er unterstrich seinen Wunsch »de voir les deux maisons royales continuer dans les anciennes unions de sang et d’interêt, qui leur ont été depuis longtemps si glorieuses et si utiles tant par rapport au brillant qu’au solide«.61 Der im Jahr 1728 erfolgte Regierungswechsel auf dem britischen Thron brachte keinerlei Bewegung in die Angelegenheit. Nach wie vor beteuerte die britische Seite, sie sei zu einer Doppelhochzeit bereit. Die konkreteren preußischen Anfragen in dieser Sache wurden jedoch immer mit dem Hinweis verschoben, dass die Zeit noch nicht gekommen sei.62 Im April 1730 reiste der britische Gesandte Sir Charles Hotham nach Berlin.63 Er war instruiert, Preußen aus seiner Bindung an den Kaiser zu lösen und zu einem Verbündeten Großbritanniens zu machen. Geeignetes Vehikel zu diesem Zweck schien der seit langem ventilierte und in einem Brief der preußischen an die britische Königin in Erinnerung gerufene Heiratsplan. Die britische Vorstellung war, dass Kronprinz Friedrich mit der britischen Prinzessin Amelia, seine Schwester Wilhelmine mit dem britischen Thronfolger Frederick Louis Prince of Wales verheiratet werden sollte. Parallel verhandelten die Engländer mit dem Haus Oranien über eine Verbindung zwischen dem Prinz Statthalter Wilhelm (IV.) und Amelias älterer Schwester Anne. Die Heirat kam 1734 zustande; damit entschieden sich die Briten gegen eine eventuelle preußische Option für Anne.64  59 Kunisch, Friedrich der Grosse. Der König und seine Zeit, S. 27 ff. 60 Relation Stratemann, 5.11.1729, in: Wolff, S. 87. 61 »dass die beiden Königshäuser ihre alten Bande des Blutes und des Interesses fortsetzen, die seitdem so glorreich und so nützlich gewesen sind, sowohl im Bezug auf den Glanz wie auf handfeste Dinge«; Entwurf eines Briefes von Friedrich Wilhelm an den britischen Hof, o. D., GStA PK, BPH, Rep. 47, Nr. 1205, Bl. 85 f. 62 Bericht über eine Konferenz mit dem Gesandten de Burgue, 27.12.1728, GStA PK, BPH Rep. 47, Nr. 1206, 63 Ausführlich, quellengesättigt, doch mit nationalistischen Untertönen schildert Oncken den Vorgang. Er ist der Auffassung, dass der britische Hof keine echte Absicht hatte, die Heirat zu schließen; vielmehr sei das Heiratsangebot nur eine List gewesen, um Preußen für eine Allianz zu gewinnen. Für diese These fehlt jedoch ein eindeutiger Beleg. 64 Woelderink, S. 158.

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Der britische Vorschlag an die Hohenzollern ging mit dem Angebot einher, dass Prinzessin Amelia nach der Heirat zur Statthalterin von Hannover ernannt werden würde und das Kronprinzenpaar dort seinen Wohnsitz nehmen könne. Friedrich, der sich im permanenten Konflikt mit seinem Vater befand, musste diese Perspektive höchst vielversprechend erscheinen. Der König, zwischen der österreichischen und britischen Perspektive und den Hofparteien hin- und hergerissen, wollte sich jedoch weder endgültig für das britische Bündnis ent­scheiden, noch den Kronprinzen ins Erwachsenenleben entlassen: Er sei bereit, seine Tochter mit dem Prinzen von Wales zu verheiraten. Der Kronprinz sei weiterhin für eine britische Heirat mit der Prinzessin Amelia vorgesehen; diese solle aber erst in zwölf Jahren stattfinden.65 Das war Hotham und der britischen Krone jedoch zu wenig; sie forderten beide Heiraten – oder keine. Der Kronprinz versuchte durch heimliche eigene Verhandlungen mit dem britischen Gesandten, das Eheprojekt wenigstens für seine Schwester zu retten. Er beteuerte, dass er auch in zwölf Jahren seine Absicht, Amelia zu heiraten, nicht aufgeben werde. Dennoch endete Hothams Mission mit einem Eklat. Bei der Abschieds­ audienz überreichte der Gesandte dem König einige Unterlagen, die belegten, dass Grumbkow vom kaiserlichen Hof bezahlt würde. Der König warf das Doku­ment zu Boden und verließ den Raum, ohne den Gesandten zu verabschieden. Hotham sah seine diplomatische Würde verletzt und reiste aus Berlin ab. Vielleicht wäre die Krise noch zu bewältigen gewesen, wenn nicht Kronprinz Friedrich versucht hätte, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Sein Fluchtversuch, verbunden mit dem Plan, in Großbritannien persönlich um die Hand von Amelia anzuhalten, führte zum endgültigen Scheitern des britischpreußischen Heiratsprojektes und zu seiner erzwungenen Verheiratung mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern. Gleichzeitig entschied sich Friedrich Wilhelm I. in der angespannten Lage, in der sich ein europäischer Krieg abzuzeichnen schien, für das kaiserliche Lager und gegen Großbritannien.66 Dies sollte nicht der letzte Versuch einer britisch-preußischen Familien­ allianz sein. Noch bei der Heirat des preußischen Kronprinzen mit Elisabeth von Braunschweig-Bevern kommunizierte die britische Botschaft, dass der britische König durchaus wisse, dass der Thronfolger eine »grande aversion« für seine Braut habe und man daher doch seine Verbindung mit Prinzessin Amelia in Erwägung ziehen sollte.67 Im Jahr 1735 erreichte den preußischen König eine Relation des Legations­ rates Casper Wilhelm von Borcke aus London. Der Diplomat hatte bereits bei 65 Das Problem von Doppel- versus Einzelheirat hatte sich schon im Vorfeld des Treffens gestellt. Siehe den Brief von Borcke und Cnyphausen an Friedrich Wilhelm I., 4.2.1729, GStA PK, BPH Rep. 47, Nr. 1206, Bl. 16 f. 66 Koser, Geschichte Friedrichs des Großen, Bd. 1, S. 28–38; interessant sind die Anmerkungen in ebd., Bd. 4, S. 8. 67 Abschrift eines Briefes ohne Absender vom 16.12.1733, GStA PK, Rep. 47, Nr. 1207.

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der Verheiratung des Kronprinzen mit der Prinzessin von Braunschweig-Bevern eine zentrale Rolle gespielt und konnte demnach auf Erfahrungen in der Eheanbahnung zurückblicken. In seinem Bericht schilderte er die Initiative des britischen Kronprinzen Frederick Louis zu einer Eheanbahnung mit Friedrich Wilhelms I. Tochter Luise Ulrike. Dieser habe seinen Vater Georg II. um Erlaubnis zur Ehe gefragt und der britische König habe ihm die freie Wahl unter den in Frage kommenden Prinzessinnen zugesagt. Es stehe »dieser Sache auch nichts im Wege, als die froideur welche eine Zeitlang her zwischen Eure Königl. May. und dem hiesigen König. Hofe obgewaltet hat«.68 Auf diplomatischem Wege könne, so Borcke, in dieser Sache nichts erreicht werden. Die Minister wüssten zwar, dass Großbritannien einer Allianz mit Preußen bedürfe, wagten es aber nicht, dies dem König vorzuschlagen. Daher sei der einzige Weg, dass die Königinnen untereinander in Korrespondenz treten, um eine Anbahnung voranzutreiben. Es müsse allerdings peinlich darauf geachtet werden, dass weder der französische noch der kaiserliche Hof davon erführe, »weil beyde Höfe in der Uneinigkeit zwischen Preußen und Engeland ihr Interesse suchen, und sich vor nichts so sehr als vor der Wiederher-Stellung einer wahren Harmonie und Freundschaft fürchten«.69 Die Relation machte deutlich, dass es sich bei diesem Vorschlag einer preußisch-britischen Heirat keineswegs um einen offiziellen Antrag, sondern besten­ falls um Bemühungen auf dem Weg zu einem solchen handelte. Auf diesen Vorschlag ging Friedrich Wilhelm nicht ein, sondern befahl seinem Gesandten vielmehr, in der Hochzeitssache nichts weiter zu unternehmen. Stattdessen solle er sich um die Wiederherstellung der guten Beziehungen auf diplomatischem Weg bemühen. Er solle König oder Königin kontaktieren und ihnen nahe­legen, »in völliger Harmonie und nachbahrlicher vertrauter Correspondenz zu leben, zu solchem Ende auch einen traité d’amitié et de commerce mit Ihnen auf­ zurichten … zum besten des publici, wie auch zu beyden königlichen Häusern Interesse Beforderung, ingleichen zu des Evangelischen Wesens Wohlfahrt.«70 Von Borcke wurde in diesem Sinne tätig und sprach die Königin beim Quadrille-Spiel und kurz darauf den Minister Stanhope an. Dieser sagte zu, dem König von dem Anliegen zu berichten. Die britische Seite kam jedoch nicht auf diesen Vorschlag zurück, und der preußische König warnte davor nachzusetzen, damit nicht der Eindruck eines »empressement« entstünde. Wäre diese Verbindung zustandegekommen, hätte sie ganz und gar dem Typus der »Rekonzilia­ tionsheirat« entsprochen. Die Serie der gescheiterten Anbahnungen zwischen der britischen und der preußischen Königsfamilie setzte sich auch noch in der Zeit des Regierungs-

68 Borcke an Friedrich Wilhelm I., 10./21.1.1735, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 83. 69 Ebd. 70 Entwurf von Podewils und Thulemeyer für ein Schreiben Friedrich Wilhelms I. an Borcke, 19.2.1735, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 83.

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wechsels zwischen Friedrich Wilhelm  I. und Friedrich  II. fort. Im Verborgenen hatte man für Friedrichs Bruder Verhandlungen wegen einer Schwester der Kronprinzessin Elisabeth Christine aus dem Welfenhaus geführt. Die Engländer hielt man allerdings in dem Glauben, dass –  nachdem der Kronprinz nicht mit einer britischen Prinzessin verheiratet worden war – wenigstens sein Bruder zu einer solchen Verbindung zur Verfügung stehen würde. Die Lon­ doner Presse hatte die Neuigkeit einer britisch-preußischen Verbindung bereits veröffentlicht. Georg  II. konnte sich sogar noch weitergehende Projekte vorstellen. In einer Instruktion an seinen Minister Münchhausen hatte er vorgeschlagen, dass sich König Friedrich von seiner Gattin scheiden lassen und die vor zehn Jahren angestrebte Verbindung mit der britischen Prinzessin Amalie eingehen könnte. Als im Juli 1739 die Verlobung zwischen August Wilhelm von Preußen und Luise Amalie von Braunschweig-Bevern bekannt wurde, war die Empörung auf britischer Seite entsprechend groß.71 Zur Bekräftigung der diplomatischen Verträge von Charlottenburg (1723) und Herrenhausen (1725) sollte eine Doppelhochzeit dienen, die zusätzlich noch eine familiäre Tradition fortgesetzt hätte. Mehr als ein Jahrzehnt lang begleitete dieser Plan die preußisch-hannoverschen Beziehungen. Doch die Rahmenbedingungen einer wechselvollen Zeit, in denen beide Seiten immer neue Bündnisse eingingen, waren für seine Umsetzung nicht günstig. Was als rituell-verwandtschaftliche Festigung eines papierenen Bündnisses gedacht war, erwies sich zusehends als Stein des Anstoßes. Wäre die Heirat noch zustande gekommen, hätte sie wohl die Funktion einer Rekonziliationsheirat gehabt. Da sie jedoch scheiterte, wurde sie gleichermaßen zum Anlass wie zur Folge misslungener Beziehungen. 4.2.3 Eine Schwester als Unterpfand: Friedrich II. und das anti-britische Ehebündnis von 1744 Dem Regierungsantritt Friedrichs  II. folgte eine rapide Umorientierung der preußischen Außenpolitik, die jedoch die Chancen für die Verbesserung der Beziehungen zu Großbritannien lange Zeit nicht erhöhte. Mit dem Angriff auf Schlesien, den Friedrich noch 1740 ausführte, war die zwar nicht stabile, aber doch langjährige Bindung seines Vaters an Österreich hinfällig geworden. In der Hoffnung, eine französisch-österreichische Allianz zu verhindern, verbündete er sich mit Frankreich. Dieses Bündnis war so lange erfolgreich, bis nach dem Renversement des alliances im Jahr 1756 eine österreichisch-franzö71 Koser, Geschichte Friedrichs des Grossen, Bd.  1, S.  230 f. Andere Scheidungsgerüchte be­ sagten, dass Kronprinz Friedrich nach einer Trennung von seiner Gattin deren Schwester Luise Amalie heiraten sollte. Dazu: Acta betr. die unrichtige Notiz, daß der König Friedrich II. beabsichtige, sich von seiner Gemahlin zu trennen um die Prinzessin Amalie von Braunschweig zu heiraten, GStA PK, HA I., Nr. 2275.

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sische Allianz zustande kam.72 Das Haus Hannover hielt im preußisch-österreichischen Konflikt keineswegs zu den Berliner Verwandten. Vielmehr orientierte sich die britische Außenpolitik nach wie vor an der Tradition des »Old System« aus den Tagen Wilhelms III., welches auf einem Bündnis mit den Niederlanden und Österreich gegen das französische Hegemonialstreben beruhte. 1740 konnte Georg II. von seinen Beratern kaum davon abgehalten werden, an Maria-Theresias Seite gegen Preußen zu kämpfen. Von da an verlegte sich Großbritannien darauf, für einen Ausgleich zwischen Österreich und Preußen zu sorgen. Georg II. führte ein Heer auf den Kontinent und kämpfte bei Dettingen siegreich gegen die mit Preußen verbündeten Franzosen.73 Preußen suchte – zusätzlich zu dem in Friedrichs Augen nie ausreichend für seine Sache engagierten Frankreich – weitere Verbündete gegen Österreich; eine nähere Verbindung mit Russland war ein zentrales Ziel und verwandtschaft­ liche Politik ein Mittel dazu.74 1742 hatte die Zarin Elisabeth ihren Vizekanzler Bestushew nach einer preußischen Prinzessin, am besten Friedrichs Schwester Luise Ulrike, für den russischen Thronfolger fragen lassen. Friedrich II. hielt diese Idee für »dénaturée« und verwünschte all jene Politiker, »qui sacrifient jusqu’à leur propre sang à leur intérêt et à leur vanité.«75 Bei Prinzessinnen anderen »Blutes« hatte er allerdings weniger Skrupel. Er schlug die vierzehnjährige Anhalt-Zerbster Prinzessin Sophie Auguste Friederike vor. Tatsächlich machte sich die Prinzessin im Januar 1744 mit ihrer Mutter nach Petersburg auf und wurde, nachdem sie zum orthodoxen Glauben konvertiert war, zur Großfürstin Katharina Alexeijewna, worüber die Zarin erfreut war.76 1762 bestieg die Anhalterin als Katharina II. den Zarenthron. Friedrich II. plante von Anfang an, sich der Prinzessin als Werkzeug seiner Diplomatie zu bedienen. An den preußischen Botschafter in Sankt Petersburg schrieb er, dass er die Prinzessin genauestens instruieren solle. Sie solle das Vertrauen der Zarin gewinnen und bei ihr für die Ansichten des preußischen Königs werben.77 Um die Prinzessin zu noch größeren Anstrengungen in preußischer Sache anzuspornen, stellte Friedrich ihr eine Beförderung für eine Verwandte in Aussicht, welche ein Amt in der Abtei Quedlinburg innehatte.78 Folgenreich für die preußisch-russischen Beziehungen war auch die Tat­ sache, dass es der Zarin Elisabeth 1742 gelungen war, den entfernt mit dem schwedischen Königshaus verwandten schleswig-holsteinischen Prinzen Adolf 72 Zur friederizianischen Westeuropapolitik s. Mieck, Die Staaten des westlichen Europa; ders., Preußen und Westeuropa. 73 Schlenke, S. 104–122. 74 Posner, S. 302 f. 75 »die so weit gehen würden, ihr eigenes Blut für ihre Interessen und ihre Eitelkeit zu opfern«; ebd., S. 303. 76 Koser, Geschichte Friedrichs des Grossen, Bd. 1, S. 452 f. 77 Friedrich II. an Mardefeld, 13.1.1744, in: Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Bd. 3: 1744, Berlin 1879, S. 10/11. 78 Friedrich II. an Mardefeld, 4.4.1744, in: ebd., S. 79.

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Friedrich als schwedischen Thronfolger durchzusetzen. Sie nahm auch Einfluss auf dessen Verheiratung mit der preußischen Prinzessin Luise Ulrike, jener Schwester Friedrichs  II., auf welche sie vorher für ihren Thronfolger ein Auge geworfen hatte. Friedrich II. ließ sich nach anfänglichem Widerstand für dieses Projekt gewinnen.79 Aus seiner Perspektive bot es eine Reihe von politischen Chancen, welche er in seiner Korrespondenz mit dem preußischen Botschafter in Sankt Petersburg zum Ausdruck brachte. Für seine Zustimmung glaubte er die Entfernung der anti-preußischen Partei vom russischen Hof fordern zu können. Namentlich nannte er Iwan Iwanowitsch Schuwalow, den Favoriten der Zarin, seine Mutter und deren Gatten80 sowie vor allem den Vize­ kanzler Betushew.81 Weiterhin sah er die Heirat als Schritt zum Abschluss einer Defensivallianz zwischen Russland, Preußen und Schweden.82 Diese Allianz hatte für Friedrich vor allem den Zweck, ihm russische Unter­stützung und damit die Möglichkeit zu sichern, Österreich von einem Feldzug zur Rückeroberung Schlesiens abzuhalten.83 Sie sollte deshalb zumindest eine Garantie Schlesiens enthalten,84 noch besser aber die Zusage von Truppen in der Größenordnung von 10.000  Mann.85 Je länger sich die Verhandlungen über den Defensivvertrag hinzogen und je deutlicher das Zögern der Zarin wurde, desto vorsichtiger wurden auch Friedrichs Forderungen. Im Mai 1744 schrieb er an Mardefeld, dass es ihm weniger um die russischen Truppen, als vielmehr um die symbolische russische Unterstützung (»le nom russien«) ginge; dafür seien 2000 Dragoner oder Kosacken ausreichend.86 Friedrich  II. kommentierte den Bündnisplan im Rückblick in seinen Mémoiren: »C’était de ces deux alliances que devait dépendre la sûreté de la Prusse.«87 In der genannten Situation ging es Friedrich jedoch nicht nur darum, durch günstige verwandtschaftspolitische Schachzüge Verbündete zu finden, sondern er zielte auch darauf ab, die britischen Pläne auf dem Kontinent zu durchkreuzen. Denn die britische Königsfamilie bemühte sich, zusätzlich zu ihren traditionellen Verbindungen zu den Oraniern, mit denen zahlreiche Ehen geschlossen wurden, die nordischen Länder in ihre Bündnissysteme einzubeziehen. Dänemark hätte für Hannover ein willkommener Bündnispartner gegen Schweden werden können. Als ein weiterer Auslöser für die preußischschwedische Heirat  – neben den schwedisch-russisch-preußischen Allianz­ 79 Arnheim, S. 7; zu Prinzessin Ulrike Luise allgemein s. Rivière. 80 Friedrich II. an Mardefeld, 28.9.1743, in: Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Bd. 2: 1742–43, Berlin 1879, S. 427/28. 81 Friedrich II. an Mardefeld, 22.3.1744, in: ebd., Bd. 3: 1744, Berlin 1879, S. 62; »Reflexions«, 30.3.1744, in: ebd., S. 66. 82 Aufzeichnung Graf Podewils, 9.1.1744, in: ebd. S. 5. 83 Friedrich II. an Mardefeld, 30.3.1744, in: ebd., S. 69. 84 Friedrich II. an Mardefeld, 11.2.1744, in: ebd., S. 28. 85 Friedrich II. an Mardefeld, 3.5.1744, in: ebd., S. 118. 86 Friedrich II. an Mardefeld, 19.5.1744, in: ebd., S. 145. 87 »Von diesen zwei Allianzen hing die Sicherheit Preußens ab.« Posner, S. 304.

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bestrebungen –  ist die Tatsache anzusehen, dass Louisa, die jüngste Tochter Georgs II., mit dem dänischen Kronprinzen Friedrich im Dezember 1743 den Ehebund eingegangen war. Das widersprach nicht nur dem außenpolitischen Interesse Preußens, sondern auch den dynastischen seines Königshauses.88 Umso willkommener musste es Friedrich sein, dass er nicht als einziger seine Interessen durch diese Allianz verletzt sah. Der Briefverkehr aus der Anbahnungsphase der schwedisch-preußischen Heirat von 1744 betont das gemeinsame anti-britische Interesse ebenso wie den Wunsch nach einer Allianz. Am 3.  Januar erreichte Friedrich ein Brief des preußischen Gesandten Diestel aus Stockholm, in dem dieser ankündigte, dass die schwedische Königsfamilie – nach dem Bekanntwerden der britisch-dänischen Heirat – großes Interesse an einer Verbindung mit den Hohenzollern hätte und deswegen bald den Botschafter Tessin nach Berlin schicken wolle.89 Eine brandenburgisch-schwedische Heirat hatte es seit 1620 nicht mehr gegeben; damals hatte die brandenburgische Kurprinzessin Maria Eleonore den Schwedenkönig Gustav Adolf geehelicht. Seitdem waren die Beziehungen zwischen den beiden konkurrierenden Königshäusern von einer lange Serie von gescheiterten Heiratsprojekten gekennzeichnet: Von dem vereitelten Heiratsplan des Großen Kurfürsten 1646 ist schon die Rede gewesen. Fünfzig Jahre später hatte Friedrich Wilhelm (I.) eine schwedische Verbindung abgelehnt, bevor er die Ehe mit Sophie Dorothea von Hannover einging. Auch für Friedrich ­Wilhelms älteste Tochter Wilhelmine war einmal ein schwedischer Gatte erwogen und wieder verworfen worden. Dass 1744 noch einmal eine preußischschwedische Heirat zustande kam, lag entsprechend weniger an den großen Erwartungen, die man in ein Bündnis mit dem nordischen Königreich setzte, sondern vielmehr an Preußens Interesse, eine nord-östliche Allianz zu schmieden sowie Großbritanniens Pläne zu durchkreuzen, und Schwedens Absicht, Dänemark zu schaden. Die Anfrage aus Stockholm wurde bald durch eine Initiative des schwedischen Ministers Rudenschöld flankiert. Er wandte sich gleichzeitig an den für äußere Angelegenheiten zuständigen Staatsminister Heinrich Graf von Pode­w ils und machte ihm deutlich, dass der schwedische König eigentlich eine dänische Heirat seines Thronfolgers gewünscht hätte, dies aber unter den Bedingungen einer Annäherung Dänemarks an Großbritannien nicht mehr aufrechterhalte. Dem Duke of Cumberland habe man die Tochter des dänischen Königs als Braut angetragen, die in der Thronfolge direkt hinter ihrem Bruder stehe. Großbritannien wolle sich so zum »arbitre dans le Nord« aufschwingen. Der schwedische und der preußische König hätten das gleiche Interesse, sich gemeinsam mit dem russischen Hof den britischen Bestrebungen in den Weg zu stellen.90 Der preußische König war offenbar derselben Meinung. Er betonte, dass zusätzlich zu 88 Baker-Smith, The Daughters of Georg II., S. 200 ff. 89 Diestel an Friedrich II, 23.12./3.1.1743/44, GStA PK, Rep. 46, W 86. 90 Podewils an Friedrich II., 9.1.1744, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 86.

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der erwünschten Heirat zwischen dem schwedischen Thronfolger Adolf Friedrich und Friedrichs Schwester Luise Ulrike auch noch ein Defensivbündnis geschlossen werden solle. Wegen des gerade erst beendeten schwedisch-russischen Krieges, der eine bittere Niederlage für Schweden, bedeutende Gebietsverluste und das Zugeständnis einer holstein-gottorpschen Thronfolge auf dem schwedischen Thron brachte, schien Friedrich die russische Mitwirkung bei dem Verteidigungsbündnis entscheidend. Wenige Tage später ging ein Brief an den preußischen Gesandten in Sankt Petersburg ab. Baron von Mardefeld sollte Zarin Elisabeth von den Gefahren der britischen Politik für das »équilibre dans le Nord« berichten und in Erfahrung bringen, ob sie einer Allianz beitreten würde, welche das Ziel »de barrer le chemin aux vastes dessins de l’Angleterre« verfolge.91 Am Ende des Monats Januar kam die – angesichts der Vorgeschichte wenig überraschende – Rückmeldung aus Petersburg, dass die Zarin mit der Verbindung einverstanden sei.92 Kleinere Irritationen auf russischer Seite löste noch die Tatsache aus, dass ein schwedisch-dänischer Vertrag, der vor den Heiratsgeschäften in Angriff genommen worden war, trotz der neuesten Entwicklungen noch zur Unterzeichnung kam. Doch am Ende kam Ulrikes Heirat zustande, die Prinzessin stach von Stralsund aus in Richtung Schweden in See und wurde Kronprinzessin und später schwedische Königin. In dem Maße, wie die Position der schwedischen Krone gegenüber dem Reichstag in dieser Zeit geschwächt wurde, war dies allerdings ein wenig dankbarer Posten, und Schweden war – anders als Russland – kein einflussreicher Faktor in Friedrichs außenpolitischem Kalkül. Die gegen Großbritannien gerichteten Intentionen dieser Verbindung scheinen, wie eine Relation des preußischen Gesandten Andries nahelegt, in London durchaus ein Ärgernis gewesen zu sein. Der Gesandte beschreibt das Scheitern der britischen Bemühungen um den schwedischen Thronfolger als Gatten der britischen Prinzessin Amelia, die einst für Friedrich II. ausersehen war. Gleichzeitig drückte der britische Thronfolger gegenüber dem Gesandten seine Gefühle über Ulrikes schwedische Ehe aus. Die Prinzessin sei »ci-devant objet de mes vœux«, und er warne den Botschafter, dass er ihn sehr schlecht empfangen werde, wenn er käme, um ihm diese Mitteilung zu machen.93 So waren die mit der Heirat verbundenen Negativhoffnungen Wirklichkeit geworden, die Hoffnungen auf eine Dreierallianz jedoch zerfielen. Die Verhandlungen erwiesen sich als zäh. Der russische Vize-Kanzler Bestushew blieb im Amt. Er war gegen die Verbindung eingestellt und wusste es, die Zarin von seiner Haltung zu überzeugen. So blieb der Baron von Mardefeld erfolglos. Die preußisch-schwedischrussische Dreierallianz kam nicht zustande. Ein Defensivbündnis mit Schweden wurde zwar geschlossen, doch dieses hatte nur geringes Gewicht. 91 Entwurf eines Schreibens von Friedrich II. an Mardefeld, 11.1.1744, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 86. 92 Auszug aus der Relation von Mardefeld vom 28.1.1744, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 86. 93 Relation von Andries vom 3./14.4.1744, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 86.

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Das Renversement des alliances von 1756 transformierte die europäischen Bündnisstrukturen, und es blieb nicht ohne Auswirkungen auf das britischpreußische Verhältnis. Großbritanniens »Altes System«, beruhend auf dem Bündnis mit den Niederlanden und Österreich, kam angesichts der Annäherung Österreichs an Frankreich an sein Ende. Ende September 1755 schloss Großbritannien einen Subsidienvertrag mit Russland; dafür spielte der Wunsch eine Rolle, dass Russland Preußen zu einer Allianz mit Großbritannien bewegen könnte. Am 16. Januar 1756 wurde tatsächlich in Westminster eine Konvention unterzeichnet; ihr sollten weitere Verträge folgen. Als Friedrichs Siege bei Rossbach und Leuthen (November und Dezember 1757) auf der Insel bekannt wurden, erreichte seine Popularität einen ersten Höhepunkt. Friedrich spielte mit dem Gedanken, seinen Neffen Friedrich Wilhelm mit einer britischen Prinzessin zu verheiraten.94 Doch schon am Anfang der 1760er Jahre war der kurze britisch-preußische Honeymoon vorbei, wie etwa Mauduits Flugschrift »Considerations on the Present German War« eindrücklich belegt. Das »neue System«, in dem Großbritannien und Preußen Seite an Seite gestanden hatten, kam 1762 zu einem Ende.95 Der Phase politischer Annäherung entsprach jedoch keine verwandtschaftliche. Nach wie vor gab es zwar zahlreiche Verbindungen zwischen den Hohenzollern und den Welfen, aber sie etablierten Bande zwischen der Hauptlinie der einen und den Nebenlinien der anderen und keine direkten Heiraten zwischen den beiden Königsfamilien. Die preußisch-schwedische Ehe von 1744 ist der klassische Fall einer Heirat, die als diplomatisches Unterpfand diente. Eine Verbesserung der Beziehungen zur Schweden interessierte Friedrich den Großen nur am Rande. Die Ehe seiner Schwester war ihm vielmehr ein Werkzeug, um Wirkungen auf die Zarin Elisabeth und ihren Hof zu erzielen. Vor allem ein Defensivbündnis mit der Großmacht im Osten lag dem preußischen Monarchen nach dem Ersten Schlesischen Krieg am Herzen. Darüber hinaus sollte die Ehe mit Schweden die britischen Pläne im Ostseeraum durchkreuzen. Die Strategie war raffiniert, aber in der Folgezeit nur bedingt erfolgreich. Zwar gelang die Ausgrenzung des Hauses Hannover, was die Beziehungen nach den gescheiterten Eheprojekten der 20er Jahre weiter verschlechterte, doch die Allianz mit Russland scheiterte. Erneut hatte sich die Heiratspolitik, selbst in der Hand eines mit allen Wassern gewaschenen Taktikers, als schwer zu steuerndes Instrument der Außenpolitik erwiesen.

94 Friedrich II. an Finckenstein, 9.11.1759, in: Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Bd. 18: 1759, Berlin 1891, S. 624. 95 Schlenke, S. 171–265.

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4.2.4 Ein preußisch-niederländisch-britisches Dreiecksverhältnis (1767 bis 1791) Nähere Verwandtschaft zwischen britischer und preußischer Königsfamilie brachte die 1767 geschlossene Ehe zwischen der preußischen Prinzessin Wilhel­ mine und dem niederländischen Statthalter Wilhelm  V. Der Bräutigam war, weil sich die engen Heiratsbeziehungen zwischen den Royals und den Oraniern auch nach der Thronbesteigung des Hauses Hannover fortgesetzt hatten, Sohn einer britischen Prinzessin.96 Eine britisch-preußische Annäherung konnte die Verbindung jedoch schon deshalb nicht bewirken, weil auch der britische König Georg III. zeitweilig seine Schwester Louisa mit dem Erbstatthalter vermählen wollte und so eine Konkurrenzsituation entstand. In einem Brief an den preußischen Gesandten Thulemeyer im Haag betonte Friedrich, dass eine Allianz zwischen dem genannten Prinzen und seiner Nichte nicht nach dem Geschmack der Engländer sei.97 In dieser Situation versuchte der britische König, die seit 1760 gängigen antipreußischen Ressentiments zu mobilisieren.98 Die Briefe des preußischen Gesandten im Haag, Thulemeyer, zeugen vom Schwanken der Oranier zwischen der britischen und der preußischen Variante und von den diplomatischen Bemühungen Friedrichs II.99 Warum hat Friedrich  II. die neuerliche verwandtschaftliche Verbindung mit den Niederländern gesucht? Bei der preußisch-niederländischen Heirat von 1767 sei, so Bernhard Volz, »von keinerlei politischen Rücksichten … die Rede«100 gewesen. Tatsächlich war die Beziehung zu den Oraniern seit der Beilegung der Erbfragen, vor allem aber wegen des fortschreitenden Niederganges der einst blühenden Republik weitaus weniger wünschenswert als im 17. Jahrhundert. Friedrich selbst hat sich in seinem Testament von 1752 und an verschiedenen anderen Stellen in diesem Sinne über die Niederlande geäußert: »Son Gouvernement faible et sans credit devroit etre pacifique pour s’afermir et pour payer ses deptes … Mefians, incertains, jaloux et toutefois faibles et sans argent ils flotent entre diferens sentimens et seront cependant toutjour entrainéz par l’Angleterre.«101

96 Zu seiner britischen Mutter und ihrer Rolle in den Niederlanden s. Baker-Smith, A Life of Anne of Hannover. 97 Friedrich II. an Thulemeyer, 5.10.1766, in: Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Bd. 25: 1766, Berlin 1899, S. 252. 98 Campbell Orr, Dynastic Perspectives, S. 231 f. 99 Briefe von Thulemeyer vom 31.7 und 7.8.1764, in: Fruin, S. 4 f. 100 Volz, Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Oranien, S. 27. 101 »Ihre Regierung ist schwach und hat ihren Kredit verspielt; sie muss deshalb friedlich sein, um sich zu festigen und um ihre Schulden zu bezahlen … Misstrausch, unsicher, neidisch und dennoch schwach und ohne Geld schwanken sie zwischen verschiedenen Ansichten und werden am Ende stets England folgen.« Politisches Testament Friedrichs des Großen (1752), in: Dietrich, S. 334 f.

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Gleichwohl ist es falsch, die Allianz ausschließlich als ein »établissement honnête« für Friedrichs Nichte anzusehen, das »ne pouvait influer en rien dans la politique«102. Das Verhältnis zwischen Friedrich II., dem Erbstatthalter Wilhelm  IV. und seiner aus Großbritannien stammenden Gattin Anne war eng und freundschaftlich.103 Am Ende des Siebenjährigen Krieges, der Preußen an den Rand des Ruins geführt hatte, war auch die finanzielle Seite einer Annäherung nicht zu vernachlässigen. In diesem Sinne schrieb der niederländische Gesandte Verelst aus Berlin an den Ratspensionär van Hardenbroek: »Seine Majestät suchte diese Allianz vermutlich wegen des Geldes der Republik, um eine Hilfe in der Not gegen Österreich zu haben und wegen der großen Güter, der Macht und des Einkommens des Prinzen selbst.«104 Auch Dieudonné Thiébault, Chronist des preußischen Hofes, hob den Nutzen der Verbindung hervor. Die Politik habe bei dieser Gelegenheit perfekt mit den »affections particulières et per­sonnelles« harmoniert. Der König betrachte die Statthalterschaft als eine veritable erbliche Souveräntität. Dem Statthalter mangele, so soll Friedrich II. geäußert haben, nichts als der Titel, um ein König zu sein.105 Die Aufnahme der Heirat auf niederländischer Seite war zwiespältig. Auch wenn – wie Thulemeyer, der preußische Botschafter im Haag, betont – die Gegner dieser Allianz im Festtrubel nicht wagten, ihre Stimmen zu erheben,106 konnte es doch keinen Zweifel daran geben, dass Widerstand vorhanden war. Misstrauisch waren vor allem die anti-oranischen Kräfte, welche eine Stützung der Statthalterdynastie durch den neuen starken Mann in Europa nicht be­ fürworteten.107 Ihre Sorgen sollten sich als berechtigt erweisen. Friedrich nutzte diplomatische und dynastische Kanäle sowie militärische Drohgebärden, um Einfluss auf die niederländische Politik zu gewinnen. Selten tritt der Zusammenhang zwischen dynastischer Verbandelung und der politisch-militärischen Ebene so deutlich zu Tage wie in der Vorgeschichte der preußischen Intervention in den Niederlanden von 1787. Zwanzig Jahre nach einer »unpolitischen« Heirat sollte sich diese als politisch hochbrisant erweisen. Der Konflikt zwischen den Ratspensionären und den Statthaltern hatte in den Niederlanden eine Tradition, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreichte. Mit dem amerikanischen Unabhängigkeitskampf bildeten sich neue Parteien. Den Statthaltern standen nun nicht nur die Ratspensionäre, sondern auch eine aus dem Bürgertum hervorgegangene Demokratiebewegung, die »Patrioten«, entgegen. Das Haus Oranien baute auf britische Unterstützung, die Rats­ pensionäre und die Patrioten vertrauten hingegen auf diejenige Frankreichs. Der Jubel der Patrioten über die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten sowie 102 Friedrich II., Mémoires depuis la paix d’Hubertsbourg jusqu’à la paix de Teschen (1779), in: Preuß u. Menzel, Bd. 6, Berlin 1897, S. 18. 103 Ranke. 104 Krämer, S. 306. 105 Thiébault, S. 346. 106 Relation von Thulemeyer, 20.11.1767, GStA PK, BPH, Rep. 56, I W 5, Bl. 40. 107 Zum Preußenbild in der niederländischen Republik: Jongste.

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der Versuch der Ratspensionäre, eine von den Oraniern unabhängige außenpolitische Initiative zu ergreifen, bewog Großbritannien im Jahr 1780, in den Niederlanden zu intervenieren. Die Konfrontation zu Land und zur See, die 1784 ihren Höhepunkt erreichte, erwies die militärische Schwäche der Republik und gleichzeitig das politische Dilemma der Statthalter, die gezwungen waren, gegen ihre britischen Verbündeten ins Feld zu ziehen. Bis 1787 spitzte sich der innerniederländische Konflikt weiter zu und brachte die Republik an den Rand eines Bürgerkrieges.108 Von den Oraniern gleichermaßen wie von Großbritannien gedrängt, entschied sich der preußische König Friedrich Wilhelm II. zur Intervention. Den Anlass dazu bot eine wohlkalkulierte politische Provokation seiner Schwester Wilhelmine. Diese hatte sich von Nijmegen aus, wohin sich die Statthalterfamilie zurückgezogen hatte, nach Den Haag aufgemacht, um dort die orangistische Fahne hissen zu lassen. Damit sollte ein Zeichen gesetzt und das Signal zu einem orangistischen Aufstand gegeben werden. Doch am 28. Juni 1787 hinderte ein patriotisches Freikorps an der Goenjanverwellesluis die Reisegruppe der Statthalterin an der Weiterreise nach Den Haag. Wilhelmine trat nach einigen Stunden Zwangsaufenthalt den Rückweg nach Nijmegen an.109 In Berlin trafen Nachrichten ein, die diesen Zwischenfall aufbauschten. Friedrich Wilhelm II. musste zunächst denken, dass seine Schwester von den Generalständen festgenommen worden war. Auch als er die wahren Ereignisse kannte, verlangte er Genugtuung für die Schande, die seiner Schwester zugefügt worden war. Wenige Monate später begann er, Truppen an der nieder­ländischen Grenze zusammenzuziehen. Vor einer Invasion schreckte der preußische König jedoch zurück, fürchtete er doch die französischen Verbündeten der »Patrio­ ten«. Erst als die britische Seite ihm militärische Unterstützung gegen Frankreich zugesagt und glaubwürdig versichert hatte, dass Frankreich nach dem Ende des amerikanischen Krieges keinerlei Mittel zur Aufstellung einer schlagkräftigen Armee mehr zur Verfügung hatte, schlug Friedrich Wilhelm II. los. Am 13. September 1787 marschierten 20.000 preußische Soldaten in den Niederlanden ein. Wohl nicht zuletzt wegen des durch Friedrich den Großen begründeten Mythos der preußischen Armee brach der patriotische Widerstand in kurzer Zeit in sich zusammen. Am 20. September zog der Statthalter im Triumphzug in Den Haag ein. Im folgenden Jahr wurde der preußische König prunkvoll in der Residenz der Oranier empfangen. Wenig später schloss die Republik mit Großbritannien und Preußen Verteidigungsallianzen, und auch die beiden Großmächte verpflichteten sich im britisch-preußischen Vertrag von 1788 zur Stützung der Statthalterschaft und ihrer Rechte in der Republik. Dass die Heirat von 1767 einst zu einer preußischen Intervention zugunsten der Oranier führen würde, konnte bei ihrem Abschluss niemand ahnen. Friedrich II. war, auch wenn Wirtschaftsinteressen und die Einordnung der an 108 Zur patriotischen Revolution s. Brake. 109 Hierzu ausführlich Bootsma.

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Macht verlierenden Republik in die preußische Machtsphäre für das Projekt sprachen  – davon überzeugt, eine unpolitische Vermählung vollzogen zu haben. Lange Zeit gingen von diesem Band auch keine politischen Impulse aus. So handelte es sich beim Einmarsch seines Neffen Friedrich Wilhelm II. wohl eher um die nachträgliche politische Umdeutung einer seit langem bestehenden verwandtschaftlichen Bindung, als um die Einlösung einer auf Blutsbanden be­ ruhenden Verpflichtung. Während sich Preußen als Protektor der niederländischen Republik gerierte, veränderten sich auch die Beziehungen zwischen Großbritannien und Preußen zum Besseren. Noch intensiver als in den Jahren 1756–1762 und noch dauerhafter näherten sich nicht nur die beiden Dynastien an; Großbritannien wurde seit 1784 von einer Welle der Borussophilie erfasst, in deren Mittelpunkt die Faszination für Friedrich den Großen stand. Zahlreiche Schriften glorifizierten den preußischen König, Reisende machten in Berlin Station, und Künstler ließen sich kurzfristig oder dauerhaft im Umfeld des Hohenzollernhofes nieder. Auch die britische Königsfamilie entzog sich der Preußen- und Deutschlandbegeisterung nicht. Der deutsche Sprachunterricht erhielt einen höheren Stellenwert. Georg III. schickte seine Söhne ins Heilige Römische Reich, um dort eine mili­tärische und akademische Ausbildung zu erhalten. Zwei der Prinzen fühlten sich besonders nach Berlin hingezogen. Einer von ihnen war Ernest, Duke of Cumberland, der spätere König von Hannover. Er studierte die Werke des Hohenzollernkönigs, kam 1786 zum Studium nach Göttingen und freundete sich mit Friedrichs Neffen Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig an.110 Noch intensiver gestaltete sich die Beziehung von Frederick Augustus Duke of York, zu Deutschland. Er trug den Titel eines Fürstbischofs von Osnabrück, lebte viele Jahre auf dem Kontinent, besuchte regelmäßig Preußen und lernte Friedrich II. in dessen letzten Lebensjahren kennen. Auch auf diplomatischer Ebene waren diese Jahre von Zusammenarbeit geprägt. Der gegen den Kaiser Joseph II. gerichtete Fürstenbund ging von Preußen, Sachsen und Hannover aus. Der Duke of York spielte für das Zustandekommen des Bündnisses eine wichtige Rolle.111 1788 kamen dann die Allianzen zum Schutz der Niederlande zustande. Am Anfang der 1790er Jahre wurde das Dreierverhältnis durch Heiratspolitik konsolidiert. Die niederländische Prinzessin Luise heiratete 1790 den Braunschweiger Erbprinzen Karl Georg. 1791 kam es sogar zu einer das Dreiecksverhältnis getreulich abbildenden Doppelhochzeit, bei der in einem großen Festakt in Berlin der oranische Erbprinz Wilhelm seine preußische Cousine Wilhelmine und der borussophile britische Prinz Frederick Augustus ihre Schwester Friederike ehelichte.112 In familiären gleichermaßen wie diplomatischen Korrespondenzen stieß das Heiratsprojekt deshalb durch­gehend 110 Schütterle, S. 305–317. 111 Ebd., S. 318–26. 112 Zu einer der Bräute siehe Bas, Friederike Luise Wilhelmine.

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auf ein positives Echo. Der britische Außenminister Grenville lobte die Annäherung.113 Sein preußischer Kollege Schulenburg bezeichnete das Ereignis als neues Pfand der zwischen den beiden Höfen bestehenden Allianz.114 Auch der preußische König zeigte sich überzeugt, die Verbindung sei »propre à cimenter les liens d’amitié et d’alliance qui unissent nos deux Maisons«.115 Beabsichtigt war also eine klassische Form der Bekräftigungsheirat, bei der die Eheschließung einen diploma­tischen Akt konsolidieren sollte. In den Folgejahren vertieften sich die britisch-preußischen Beziehungen weiter. Die 1793 dem preußischen Thronfolger angetraute Luise von Mecklen­burgStrelitz war die Nichte der britischen Königin Sophie Charlotte und verlebte einige Jahre ihrer Kindheit in Hannover, wo ihr Vater das Amt des Statthalters innehatte. Ihre jung verwitwete Schwester Friederike war mit ihrem britischen Cousin Adolphus Frederick, Duke of Cambridge verlobt; die Verbindung wurde allerdings gelöst. Die außenpolitischen Konsequenzen der intensiven Familienkontakte waren jedoch nicht die erwünschten. Die durch Verträge gegebenen und durch Heiraten bekräftigten Versprechen Großbritanniens und Preußens zum Schutz der Oranier in der Republik sollten sich als wenig belastbar er­ weisen. Der 1792 von Preußen und Österreich gemeinsam unternommene Versuch, Ludwig XVI. von Frankreich in ähnlicher Weise zu restaurieren, wie dies 1787 mit Wilhelm V. von Oranien gelungen war, scheiterte bei Valmy. 1794/95 marschierte die französische Revolutionsarmee in den Niederlanden ein, und die Batavische Republik wurde gegründet. Den Oraniern gelang es, sich ins Ausland abzusetzen. Wilhelm V. und seine preußische Gattin Wilhelmine flohen nach Groß­britannien, wo sie die Königsfamilie aufnahm. Wilhelms Sohn und dessen preußische Ehefrau zogen hingegen das Berliner Exil vor.116 Die britisch-preußischen Beziehungen litten in der Zeit der napoleonischen Expansion, vor allem als Preußen im Jahr 1805 Hannover annektierte. Doch spätestens in der Schlacht von Waterloo – bzw. Belle-Alliance – stellte sich die Harmonie wieder ein. So war in den 1790er Jahren nach fast einem Jahrhundert gescheiterter Eheprojekte zwischen der preußischen und der britischen Königsfamilie wieder eine enge verwandtschaftliche Verbindung zustande gekommen. Sie wurde in einer Phase der politischen Harmonie und gemeinsamen Gegnerschaft gegen Frankreich möglich. Der Herausforderung durch die Truppen der Republik und Napoleons hatte dieses verwandtschaftliche Bündnis allerdings nichts ent­ gegenzusetzen und es wurde auch nicht erneuert, nachdem der Sturm der Revolutionszeit über den Kontinent hinweggefegt war. 113 Grenville an Ewart (Abschrift), 22.7.1791, GStA PK, HA I., Rep. 11, Nr.  73, Konvolut Nr. 156 C, Bl. 15. 114 Schulenburg an Ewart, 30.7.1791, ebd., Bl. 17. 115 »geeignet, die Bande der Freundschaft und der Allianz zu festigen, die unsere beiden Häuser verbinden«; Friedrich Wilhelm II. an Redern, 4.8.1791, GStA PK, HA I., Rep. 81, London, Nr. 164, Bl. 49. 116 Mieck, Westeuropareisen, S. 23 f.

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Wie der Blick auf das 17. und 18. Jahrhundert gezeigt hat, existierte in dieser Epoche die Verbindung von Politik und Verwandtschaft, ohne indes die Idealvorstellungen ewigen Friedens durch Heiratsbande zu erfüllen. Heiraten wurden zu begrenzten außenpolitischen Zwecken eingesetzt, umgekehrt schlugen sich konkrete, kurz- und mittelfristige politische Konstellationen immer wieder in verwandtschaftlichen Bindungen nieder. In den preußisch-hannoverschen Beziehungen im 18.  Jahrhundert kamen verschiedene Typen von politischen Heiraten vor: Mit den Verbindungen von 1684 und 1706 wurden Bündnisse konfirmiert bzw. fortgesetzt. Gleichzeitig hatte der Fall von 1706, der auf Konflikte folgte, durchaus auch Elemente einer Rekonziliationshochzeit; die Quellen aus dem Umfeld der Kronprinzenheirat von 1706 dokumentieren, wie sich eine angespannte Situation zwischen Dynastien nach den Festlichkeiten in eine harmonische wandeln konnte. Die preußisch-britisch-niederländische Eheschließung von 1791 hatte wiederum die Bekräftigung eines politischen Bündnisses zum Ziel. Relevant für das Verständnis der Wirkungsweisen von Heiraten sind jedoch auch jene preußisch-hannoverschen Fälle, bei denen die Anbahnung scheiterte oder wo Heiraten in bewusster Ausgrenzung und Konkurrenz geschlossen wurden. Hier waren die Folgen eben nicht Harmonie, sondern Verstimmung – die Fürstenhochzeit hatte nicht nur positive Potentiale. Wie ist es zu erklären, dass zwischen dem preußischen und dem britischen Königshaus, die seit Jahrhunderten miteinander verwandt waren, fast ein Jahrhundert lang keine Ehe geschlossen wurde, obwohl dies immer wieder versucht wurde? Die Gründe für das Scheitern der Doppelhochzeit zwischen den Kindern Friedrich Wilhelms I. und den Kindern Georgs I. sind vielfältig. Auf der politischen Ebene wirkte sich vor allem der Umstand aus, dass Preußen lange Zeit andere Allianzen als die britische suchte. Friedrich Wilhelms wichtigster Partner war und blieb Österreich. Zwischen Preußen und Hannover kam es zwar immer wieder zu Annäherungen, aber das Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Häusern überwog. Darüber hinaus gab es noch andere, weniger »strukturelle« Gründe für das Scheitern. Dazu gehörte vor allem das schlechte Verhältnis zwischen dem preußischen König und seinem Kron­ prinzen Friedrich. Der Vater nutzte die Heirat zur Demonstration seiner Autorität. Auch hier zeigte sich, dass Heiratspläne, wenn sie misslangen, das Gegenteil von dem Bewirken konnten, wozu sie ursprünglich gedacht waren. Ein illustratives Beispiel für das diplomatische Potential von Heiraten ist auch der Fall einer schwedisch-preußischen Heirat im Jahr 1744 – jener Fall, in dem am deutlichsten eine Eheschließung zum Unterpfand wurde. Hierbei handelte es sich um eine Vermählung, die auf politisches Bündnis zwischen Preußen, Russland und Schweden hinsteuerte. Andererseits hatte sie jedoch gleichzeitig eine anti-dänische Stoßrichtung, an der insbesondere der Zarin gelegen war, und einen anti-britischen Impuls, den auch der preußische König und die schwedische Königin teilten. Es ging darum, die weitere Ausdehnung britischen Einflusses, dessen Werkzeug unter anderem die verwandtschaftliche Politik war, einzudämmen. 188 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Die hier ausgebreiteten Fälle haben auch gezeigt, dass die Motivlagen von Heiraten sich nie vollständig in eine Typologie einordnen lassen. Die Grenzen zwischen Allianz- und Erwerbsheirat erwiesen sich im Jahr 1646, die zwischen Traditions- und Rekonziliationsheirat im Jahr 1706 als fließend. Entsprechend waren die Folgen von Heiraten ebenso vielfältig, ja sogar widersprüchlich wie die Motive, die ihnen zugrunde lagen. Die Vagheit der durch Heiraten geschaffenen politischen Zustände bestimmte das schwankende Verhältnis zwischen Motiven und Folgen. Im 18. Jahrhundert kann daher in den hier betrachteten »internationalen« Verbindungen der Hohenzollern weder Verwandtschaft noch Freundschaft als ein Element dauerhafter politisch-sozialer Strukturierung angesehen werden. Stattdessen entstanden immer wieder Konstellationen und Momente der Freundschaft, die zu markieren und zu verstärken eine der wichtigen politischen Funktionen von Heiraten war. In diesem Sinne äußerte sich auch Friedrich II. Er schrieb im Jahr 1765 über die französische Heiratspolitik: »Tous ces différents mariages … me font souvenir que Louis XIV fit la guerre au beau-père du duc de Bourgogne, son petit-fils, et que Louis XV en fit de même à Philippe d’Espagne. Par où et par autres pareils examples il paraît assez que les liaisons contractées par là ne durent qu’autant que les parties y trouvent leurs intérêts, et que, hors de cela, elles opèrent autant que rien.«117

Tatsächlich erwiesen sich die durch zwei Ehen validierten preußisch-hannoverschen Beziehungen im Verlauf des 18. Jahrhundert als überaus instabil; zwar gab es Phasen der Annäherung, doch auch Momente, in denen sich die eng­ verbundenen Familien auf unterschiedlichen Seiten wiederfanden. Dagegen zeigte die preußisch-niederländische Heirat von 1767, in welcher Art und Weise verwandtschaftliche Beziehungen nachträglich politisiert werden konnten. Für Friedrich Wilhelm  II. war es ein leichtes, seine Intervention in den Nieder­ landen als Sühnung der seiner Schwester angetanen Schmach hinzustellen, obwohl für diese Intervention auch ganz andere Gründe sprachen. Dass die politischen Wirkungen von Heiraten in der Frühen Neuzeit nicht überschätzt werden dürfen, zeigt allein ein kurzer Blick auf die weitere Landschaft der Außenpolitik: Nicht nur kamen verwandtschaftliche Allianzen zustande, die – wie die Heirat von 1767 – keine unmittelbar erkennbaren politischen Ziele verfolgten, sondern es gab vor allem viele politische Allianzen ohne jeglichen verwandtschaftlichen Bezug. Mit den Häusern jenseits der konfessionellen Grenze waren Bündnisse und Kooperationen auch ohne ehe­liche Bekräftigung möglich – auch wenn die »Konfession als Argument« nicht nur in 117 »All diese unterschiedlichen Heiraten … erinnern mich daran, dass Ludwig XIV. gegen den Schwiegervater des Herzogs von Burgund Krieg führte, der sein Neffe war, und dass Ludwig XV. es mit Philipp von Spanien ähnlich hielt. Diese und ähnliche Beispiele verdeutlichen, dass die derart geschlossenen Verbindungen nur so lange halten, wie die be­ teiligten Parteien darin ihr Interesse verwirklicht sehen, und dass sie darüber hinaus wenig bewirken.« Friedrich II. an den Staatsminister Rohd in Wien, 2.5.1765, in: Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Bd. 24: 1764/65, Berlin 1897, S. 183.

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Familiendingen, sondern auch in Beziehungen zwischen Staaten bis ins 18. Jahrhundert bedeutsam blieb.118 Darüber hinaus konnte ein Fürst im Verlauf seiner Regierung nur eine kleine Zahl von Ehen schließen. Kinder und andere heiratsfähige Familienmitglieder standen in begrenztem Umfang zur Ver­f ügung. Auch der Markt der möglichen Partner war nicht groß und darüber hinaus umkämpft. Heiraten waren als Ziel und Mittel der Außenpolitik also eine knappe und kaum präzise einzusetzende Ressource, und das außenpolitische Geschäft wäre zum Erliegen gekommen, wenn es sich vorrangig auf Heiratspolitik konzentriert hätte. Darüber hinaus ist im Fall der Hohenzollern zu beachten, dass die politisch potentiell wirkungsvollsten Heiraten mit den mächtigsten Fürstenfamilien Europas eher selten waren. Die Mehrheit der Verbindungen kam mit Dynastien des Reiches zustande, deren geringe politische und militärische Potenz eine Rolle auf der europäischen Bühne nicht zuließ. Auch solche verwandtschaftlichen Verbindungen hatten allerdings politische Bedeutung. Sie festigten klientelistische Beziehungen zwischen mächtigen und von ihnen abhängigen kleineren Dynastien. Als Beispiel dafür können die Beziehungen zwischen den Hohenzollern und dem Haus Anhalt-Dessau im 17. Jahrhundert dienen, bei denen sich Verwandtschaft und Patronage verbanden.119 Ähnliches ließe sich über die hohenzollernsch-hessischen Beziehungen sagen. Die dennoch enge Verbindung zwischen Verwandtschaft und Politik zeigte sich in der Zusammenarbeit zwischen dynastischen und diplomatischen Akteuren beim Heiratsgeschäft. Zwar gab es im 17. wie im 18. Jahrhundert heirats­ politische Vermittler – vor allem die weiblichen Mitglieder der beteiligten fürstlichen Familien, die wir in diesem Kapitel kennengelernt haben –, die sonst in der Außenpolitik keine Rolle spielten. Doch der größere Teil der an den Heiratsgeschäften beteiligten Familienmitglieder und Beamten beschäftigte sich ohne Unterschied mit diplomatischen und familiären Fragen. Spezialisten für Verwandtschaft gab es nicht und auch keine Akteure außerhalb der engen dynastisch-höfischen Zirkel, welche die europäischen Heiratsmärkte bespielten. Angesichts der Vermischung der Akteure kann es nicht wundern, dass weiter­hin auch beide Handlungsfelder in ein und derselben Sprache verhandelt wurden. Das Reden über Heiraten war ebenso von politischem Vokabular bestimmt, wie umgekehrt das Sprechen über Politik von Gefühlsbegriffen wie »chagrin«, »froideur«, »amitié« oder »joy« oder den vielfach zitierten Beziehungsvokabeln »Freundschaft«, »Harmonie«, »Union« oder »Allianz«. Diesen austauschbaren Begriffen war eine mangelnde Präzision gemeinsam, die sie einerseits attraktiv fürs politische Geschäft machte, andererseits aber auch als wenig zielführend erscheinen lässt. Sie bezeichneten nicht viel mehr als einen allgemeinen positiven Beziehungszustand, dessen Einlösung aber immer zu-

118 Burkhardt, Konfession als Argument. 119 Rohrschneider, S.  23 u. 126–133; allgemeiner zum Zusammenhang zwischen Verwandtschaft und Patronage s. Press.

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sätzlichen, meist vertraglichen Regeln, vor allem aber dem konkreten politischen Handeln vorbehalten blieb. Als schlagkräftiges Instrument der internationalen Politik in der Frühen Neuzeit waren Heiraten zu aufwändig, langwierig, vieldeutig und im Ergebnis zu unsicher. Ähnliches ließe sich allerdings über die anderen Werkzeuge der frühneuzeitlichen Außenpolitik – Diplomatie, Kongresse, Kriege – auch sagen. Heiraten waren ein unzulängliches politisches Mittel unter anderen in einer Zeit, in der sich alles dem Eigeninteresse der sich formierenden europäischen Staaten unterzuordnen hatte.

4.3 Hohenzollern zwischen Romanow und Royals im 19. Jahrhundert Zwischen dem 18. und dem 19. Jahrhundert liegt das Zeitalter der Revolution und damit eine Epochenschwelle, der insbesondere für die Geschichte der europäischen Außenpolitik eine große Bedeutung zugemessen wird.120 Es ist bereits gezeigt worden, dass sich in den Koalitionskriegen zwischen 1792 und 1814 ein Paradigmenwechsel vollzog. Während im 18. Jahrhundert die verwandtschaftliche Begründung politischer Ansprüche noch die Regel darstellte, löste sich das 19. Jahrhundert fast vollständig von dieser Logik. Es stellt sich die Frage, ob für die Bündnis- und Friedensfunktion der Ehe ein ähnlicher Bruch zu konstatieren ist. Waren im 19. Jahrhundert neue Akteure am Ehegeschäft beteiligt? Bedeutete die Erfahrung der napoleonischen Machtpolitik, die zwar die Ebene des Dynastischen nutzte, sich jedoch nie von ihr einschränken ließ, das Ende der dynastisch-politischen Friedens- und Allianzpotential der Fürstenheirat? Wirkte sie sich auf die Semantik von »Freundschaft« und »Verwandtschaft« aus? Und klaffte die Lücke zwischen Motiven und Folgen noch weiter? Die verwandtschaftliche Westbindung der Hohenzollern schwächte sich zwar im 19.  Jahrhundert ab, blieb aber erhalten. Mit dem britischen Königshaus, das vor der Jahrhundertwende zur engsten Verwandtschaft geworden war, wurden 1858 und 1879 weitere Ehen geschlossen; insbesondere die erste war – wie das Folgende zeigen wird –  mit hohen politischen Erwartungen befrachtet. Auch die 1815 zu Königen der Niederlande aufgestiegenen Oranier blieben Heiratspartner: 1825, 1830 und 1878 wurden weitere Ehen geschlossen. Da das Königreich der Niederlande jedoch im 19.  Jahrhundert, insbesondere seit dem Abfall Belgiens in der Revolution von 1830, weiter an politischer Bedeutung verlor, haben bei diesen Vermählungen politische Motive nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Wie das schon unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm II. der Fall gewesen war, verstand sich Preußen als Schutzmacht 120 Für Deutungen der Transformation um 1800 s. Erbe, Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht; Paulmann, Pomp und Politik, S. 56–130; Schroeder.

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der Niederlande. Für die Abschwächung der dynastischen Beziehungen war es auch von Belang, dass sich die Oranier zusehends für die Romanow als Heiratspartner interessierten und Verbindungen – etwa zwischen dem ältesten Sohn des niederländischen Königs Wilhelm I. mit der Großfürstin Anna Pawlovna – auch zustande kamen.121 Die Heiraten jüngerer Kinder Wilhelms mit Mitgliedern der Hohenzollernfamilie wurden zwar als Ausdruck der Familientraditionen gesehen, doch politische Bedeutung hatten sie kaum. Auch die 1878 zwischen dem fast sechzigjährigen Prinz Heinrich von Oranien und der jungen preußischen Prinzessin Marie, Enkelin eines Bruders von Wilhelm I., hatte kein außenpolitisches Ziel, sondern verfolgte vor allem die Absicht, die männliche Linie der Oranier vor dem Aussterben zu retten.122 Am Anfang des 20. Jahrhunderts versuchte Kaiser Wilhelm  II., die niederländische Königin Emma zur Vermählung ihrer Tochter Wilhelmina mit einem preußischen oder zumindest deutschen Prinzen oder Fürsten zu bewegen, um das bestehende freundlich-distanzierte Verhältnis zwischen den beiden Staaten zu befördern. Der preußische Gesandte im Haag, Pourtalès, verlieh den Ansichten der Monarchen Ausdruck, als er schrieb, dass Wilhelm II. es als seine Aufgabe ansehe, über die »volle Unabhängigkeit und Integrität der Niederlande … zu wachen. Diese Aufgabe würde unserem Aller­ gnädigsten Herrn wesentlich erleichtert werden, wenn der zukünftige Prinz­ gemahl der Niederlande nicht in deutsch-feindlichen politischen Auffassungen aufgewachsen wäre.«123 Dies bestätigt die ungleiche Position, in der politische Kooperation vor allem den Schutz der Niederlande durch das Reich bedeutete. Dass am Ende kein preußischer Prinz, sondern Heinrich von MecklenburgStrelitz Wilhelmina heimführte, nahm Wilhelm II. hin. Er war erleichtert, eine britische Verbindung verhindert zu haben. 4.3.1 Preußisch-russische Bande: die Heirat von Prinzessin Charlotte mit dem russischen Großfürsten Nikolaus (I.) im Jahr 1817 Prägender als die Fortsetzung der verwandtschaftlichen Bindung der Hohenzollern an die Häuser Oranien und Hannover (bzw. ihre Nachfolgerdynastie auf dem britischen Thron, Sachsen-Coburg-Gotha) war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die enge – und 1817 durch eine Heirat besiegelte – Verbindung, die mit den Romanow zustandekam.124 In der näheren Vergangenheit waren die Zaren und ihr Reich immer wieder Verbündete Preußens ge­wesen. Ins­ 121 Woelderink, S. 166. 122 Fasseur, S. 167. 123 Pourtalès an Staatssekretär des Äußeren, 9.6.1900, zit. nach: Lademacher, Kaiser Wilhelm II. und Königin Wilhelmina, S. 262. 124 Einen Überblick über russisch-preußische Beziehungen bieten Baumgart, PreußenDeutschland und Rußland; Kroll, Familieninteresse oder Staatsräson; Schulze Wessel; Thomas u. Wulff.

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besondere bei den polnischen Teilungen hatten Preußen und Russland gemeinsame Interessen verfolgt und waren – nachdem Polen 1795 ganz verschwunden war –  zu unmittelbaren Nachbarn geworden.125 Eine direkte familiäre Ver­ bindung, wie sie etwa am Anfang der 1740er Jahre von der Zarin Elisabeth angestrebt wurde, kam jedoch lange Zeit nicht zustande. Bei den Besuchen Peters des Großen in Berlin erschien die Zarenfamilie noch als barbarischer Clan aus einer fremden Welt. Friedrich II. hielt eine russische Heirat seiner Schwester für »dénaturé«. Gleichwohl vermittelte gerade er verschiedene Verbindungen zwischen den Romanow und kleineren deutschen Dynastien. Sein Einfluss auf die Verheiratung des russischen Thronfolgers Herzog Karl Peter Ulrich von Holstein-Gottorp mit der Prinzessin Sophie Friederike Auguste von Anhalt-Zerbst, die später als Katharina II. das russische Reich regierte, ist schon erwähnt worden. Auch bei der Ehe von Katharinas ältestem Sohn Paul mit Prinzessin Wilhel­mine von Hessen-Darmstadt im Jahr 1773 hatte Friedrich seinen Einfluss geltend gemacht. Deren Schwester hatte den preußischen Prinzen Friedrich Wilhelm (II.) geheiratet, so dass der preußische und der russische Thronfolger verschwägert waren. Als die russische Hessin kurz nach der Heirat im Jahr 1776 starb, waren es wiederum Friedrich und sein Bruder Heinrich, die eine Heirat vermittelten. Die württembergische Prinzessin Sophie ­Dorothea, später Zarin Maria Feodorowna, lernte den Großfürsten Paul in Potsdam und Rheinsberg kennen.126 Der gerade in Petersburg befindliche Prinz Heinrich lobte die Union als einen »nœud indissoluble« zwischen Russland und Preußen.127 Am Ende der 1790er Jahren hatten die paulinischen Reformen das dynas­ tische Regelsystem der Zarenfamilie weitgehend an die Gepflogenheiten des übrigen Europa angepasst. Dazu kam, dass seit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms III. im Jahr 1797 und des Zaren Alexander im Jahr 1801, des »Engels auf dem Thron«, sich die persönlichen Beziehungen zwischen den Monarchen und ihren Familien intensivierten. Das erste persönlichen Treffen zwischen den beiden Herrschern war vom Erbprinzen von Mecklenburg-Schwerin einge­ fädelt worden, der mit Helena, einer Schwester Zar Alexanders, verheiratet war. Die erste Zusammenkunft fand in Memel, an der russisch-preußischen Grenze, statt. Auf aufwendiges Zeremoniell wurde bewusst verzichtet; im Vordergrund standen das informelle persönliche Kennenlernen im kleinsten Kreis sowie die von beiden Monarchen geliebten Militärparaden.128 Zwischen Friedrich Wilhelm und Zar Alexander entspann sich eine Facette der Freundschaft, wie sie bis dahin zwischen den Hohenzollernherrschern und anderen europäischen 125 Zu den Konsequenzen der Nachbarschaft Stribrny. 126 Kroll, Familieninteresse oder Staatsräson?, S. 69 f. 127 Prinz Heinrich an Friedrich II., 27.4.1776, zit. nach: Bailleu, Briefwechsel König Friedrich Wilhelm’s III., S. X. 128 Ausführlichste Quelle für das Treffen in Memel ist der eigenhändige Bericht der Königin Luise, in: ebd., S. 531–537.

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Fürsten nicht existiert hatte. Sie ist geeignet, ein neues Konzept »empfind­ samer« Freundschaft zu dokumentieren. Bei den Treffen und in der Korrespondenz zwischen beiden herrschte ein persönlicherer und emotionalerer Ton. Das Vokabular ihrer Beziehung war nicht mehr darauf angelegt, höfliche Formeln gegenseitiger Verpflichtung zu tauschen, sondern jenseits allen Zeremoniells warm empfundene Zuneigung, innige geistige Verbundenheit, Sehnsucht nach Nähe auszudrücken. Das heißt nicht, dass das Bündnis nicht auch politisch gewesen wäre. Durch die gemeinsame Gegnerschaft gegen Napoleon wurde diese Freundschaft und das russisch-preußische Bündnis politisch befestigt. Bis 1805 hatte Friedrich Wilhelm  III. an der durch seinen Vorgänger begonnenen Neutralitätspolitik festgehalten. Er näherte sich jedoch im Herbst 1805 an die entstehende Dritte Koalition an und schloss im November desselben Jahres den Potsdamer Vertrag mit Russland. Einen Monat später, im Dezember 1805, wurde die dritte Koa­lition jedoch bei Austerlitz vernichtend geschlagen. Friedrich Wilhelm näherte sich nun Frankreich an, schwenkte schließlich aber erneut um und lieferte Napoleon im Herbst 1806 durch ein Ultimatum den Vorwand zum Angriff.129 Während die politischen Präferenzen des preußischen Königs in der ersten Hälfte des Jahres 1806 noch schwankten und er sich scheute, zwischen Napoleon und dessen Gegnern zu wählen, fragte der Zar – vermittelt über den Herzog von Braunschweig  – wegen einer Ehe zwischen dem preußischen Prinz Heinrich, einem Bruder des Königs, und der Großfürstin Katharina an. Der russische Vorstoß hatte das Ziel, den zaudernden preußischen Monarchen in die von Russland erwünschte Richtung zu bewegen. Die dynastische Initiative hatte einen klaren außenpolitischen Hintergrund. Nicht der König, sondern seine Gattin Luise ging auf diese Anfrage ein. Sie lobte das Projekt, das geeignet sei, die Bande zwischen den Reichen zu festigen. Sie fügte hinzu, dass sowohl der König als auch der Prinz diese Ver­bindung sehr wünschten. Im politisch-diplomatischen Register bezeichnete sie die Verbindung als »alliance aussi intéressante que désirable« und sprach gleichzeitig ganz persönlich von der »Freude« über diese Union und die »Liebe«, welche sie der Großfürstin als neuem Familienmitglied entgegenbringen würde.130 Die Antwort aus Petersburg kam erst drei Monate später, wofür sich der Zar entschuldigte. Ob Friedrich Wilhelm Napoleons Angebot, Hannover zu annektieren, annehmen würde, war im Juli 1806 noch unklar. In seinem Schreiben sah sich Alexander dennoch gezwungen zurückzurudern. Zum einen gab es noch eine bayerische Partie für die Großfürstin Katharina, welche noch nicht zurück­ gewiesen worden war. Zum anderen hatte die Zarin-Mutter –  »son pouvoir de mère reste sacré« – Einwände formuliert. Sie wünsche, dass ihre Tochter die 129 Über 1806 im Kontext der russisch-preußischen Beziehungen: Simms; Schulze Wessel, S. 754–763; Stamm-Kuhlmann, König in Preußens großer Zeit, S. 163–231. 130 Königin Luise an Alexander  I., 5./17.4.1806, in: Bailleu, Briefwechsel König Friedrich Wilhelm’s III., S. 454 f.

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Bekanntschaft ihres zukünftigen Ehemannes mache, bevor sie ihre Zustimmung zur Heirat gäbe. Die aktuelle Situation, »celui d’une crise générale«, sei einem persönlichen Treffen nicht zuträglich. Man solle deshalb noch ein Jahr warten. Der Zar versicherte, dass er sich der Idee dieser Verbindung zutiefst verpflichtet fühle und dass er nichts mehr wünsche, als die beiden Häuser noch enger vereint zu sehen.131 Der Verweis Maria Feodorownas auf die unsichere Lage war sicher nicht nur mit Bezug auf die prospektive Braut und ihre Eheentscheidung von Belang. Für ein Gelingen des verwandtschaftlich-politischen Projektes war es entscheidend, für welches politisch-militärische Bündnis sich der preußische König entscheiden und welche Konsequenzen das haben würde. Schließlich mobilisierte Friedrich Wilhelm gegen Napoleon, die preußische Armee wurde aber in der Schlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806 vernichtend geschlagen. Für eine Heirat war die Situation, in der die Großmachtrolle Preußens auf dem Spiel stand, keine gute Voraussetzung. Trotz der Niederlagen Preußens verpflichtete sich Alexander, dem westlichen Nachbarn zur Seite zu stehen, und stand – etwa bei Preußisch-Eylau –  auch zu seinem Wort. Nach der Niederlage von Friedland erklärte er sich jedoch rasch zu einem Waffenstillstand mit dem Empereur bereit, was aus Friedrich Wilhelms Perspektive wie Verrat am Bündnis aus­ sehen musste. Wenig später, bei den Friedensverhandlungen von Tilsit 1807, trat Alexander  – im Rahmen seiner durch die russischen Niederlagen beschränkten Möglichkeiten – als Freund Preußens auf. Dass er die Aufteilung Preußens verhindert habe, ist allerdings eine Legende der deutschen Historiographie. Da ­Napoleon die Auflösung Preußens nie ernstlich erwogen hatte, musste sie der Zar auch nicht verhindern.132 Das politische Bündnis mit Russland hatte für Preußen 1806/7 große Bedeutung. Doch Preußen war durch die Niederlage gegen Napoleon von einer Großmacht zum Juniorpartner geworden. Von Eheprojekten konnte vorerst nicht die Rede sein. Prinz Heinrich blieb unverheiratet, und Katharina wurde nach Oldenburg vermählt. Erst im Jahr 1809, bei einer Reise des preußischen Königspaares nach Sankt Petersburg, wo sie erneut mit offenen Armen empfangen wurden, sollen die ersten Verabredungen für die Verbindung zwischen der preußischen Prinzessin Charlotte und dem russischen Großfürsten Nikolaus getroffen worden sein.133 Doch bevor solche Pläne Wirklichkeit werden konnten, hatten die russisch-preußischen Beziehungen nochmals eine harte Probe zu bestehen. Bei Napoleons Einmarsch in Russland sah sich Preußen gezwungen, auf der Seite des Empereur zu kämpfen. In diesem Feldzug fanden sich die eng befreundeten Monarchen also auf entgegengesetzten Seiten wieder. In 131 Alexander  I. an Königin Luise, 3.7.1806, inkl. eingelegte Notiz der Zarin-Mutter Maria Feodorowna, in: ebd., S. 457–459. 132 Mieck, Die Rettung Preußens? 133 Maria Feodorowna an Friedrich Wilhelm  III., 14.1.1816, in: Bailleu, Briefwechsel König Friedrich Wilhelm’s III., S. 369.

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den Briefen an den Zaren betont Friedrich Wilhelm III., dass er sich in einer Zwangslage befinde, dass das staatliche über das persönliche Interesse gehe und dass seine Truppen den russischen nicht mehr Schaden zufügen sollten als nötig. Erst der Rückzug der Grande Armée aus Moskau, der den Anfang vom Ende des napoleonischen Reiches bedeutete, machte auch Preußen und Russland wieder zu Bündnispartnern. Bald führte eine Kette von Siegen die Alliierten bis nach Paris, und die dortigen Feiern wurden zum Gemeinschaftserlebnis der verbündeten Monarchen. Hier entstanden das die Nachkriegszeit prägende Viererbündnis und die »Heilige Allianz«, deren Gründungsdokument »Gerechtigkeit«, »Liebe« und »Frieden« zur Richtschnur fürstlichen Handelns erklärte. Im Moment des Sieges wurde aus den langgehegten Heiratsplänen Wirklichkeit. Auf der Reise nach Paris im März 1814 machte Großfürst Nikolaus inkognito in Berlin Station und sah Prinzessin Charlotte flüchtig. 1815 lieferte die Rückkehr Napoleons von Elba Anlass für eine erneute Westeuropareise; im Juni erreichte Nikolaus Berlin.134 Im Oktober 1815, Napoleon war inzwischen bei Waterloo zum zweiten Mal und endgültig besiegt, kam Nikolaus erneut in die preußische Hauptstadt und bald darauf auch sein Bruder Zar Alexander. Am 4. November 1815 fand die Verlobung statt. In den Korrespondenzen der unmittelbar Beteiligten stand wiederum die gleichermaßen politische wie persönliche Deutung der Ereignisse im Mittelpunkt. Friedrich Wilhelm III. beschwor in einem Brief an Maria Feodorowna die »relations intimes«135 mit dem russischen Kaiser und gab der Hoffnung Ausdruck, dass Russland und Preußen ihre Verbindung weiter festigen könnten. Seine Zeilen an den Zaren waren noch emotionaler und persönlicher. Er habe sich in den Jahren des engen und täglichen Austausches daran gewöhnt »de vivre avec vous et de vous ouvrir mon âme«.136 In schweren Zeiten habe die Gegenwart des Zaren seine Seele beruhigt. Im Sommer des Jahres 1817 wurde in Sankt Petersburg geheiratet. Beide Seiten priesen diese ganz auf der politischen Linie liegende Verbindung in höchsten Tönen und betonten gleichermaßen ihre persönliche wie ihre politische Bedeutung. Friedrich Wilhelm  III. sprach von der Freundschaft zwischen den Monarchen, der jegliches politische Kalkül fremd sei und dankte dem Himmel, der dieses Glück ermöglicht habe.137 Ausführlich tauschten sich die beiden Monarchen über väterliche Gefühle bei Abschied und Ankunft aus. Nach vollzogener Trauung spannte auch der Zar den Bogen von emotionaler und familiärer zu politischer Verbundenheit. Das gemeinsame Ziel einer »alliance indissoluble«138 zwischen Preußen und Rußland sei nun erreicht und die beiden Familien zu einer einzigen verbunden. 134 Schiemann, Geschichte Rußlands, Bd. 1, S. 191 f.; Lincoln, S. 62 u. 65–72; Grimm, S. 62. 135 Friedrich Wilhelm III. an Maria Feodorowna, 30.10./11.11.1815, in: Bailleu, Briefwechsel König Friedrich Wilhelm’s III., S. 368. 136 Friedrich Wilhelm III. an Kaiser Alexander, 3.1.1816, in: ebd., S. 267. 137 Friedrich Wilhelm III. an Alexander I., 3./15.4.1816, in: ebd., S. 270. 138 Alexander I. an Friedrich Wilhelm III., 1.7.1817, in: ebd., S. 282 f.

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Auch wenn nach 1817 keine weiteren Ehen zwischen den Hohenzollern und den Romanow geschlossen wurden, hätten die verwandtschaftlichen, politischen und kulturellen Kontakte zwischen den beiden Häusern kaum enger sein können. Die Ehe von Charlotte mit Nikolaus war ebenso solide wie einst die ihrer preußischen Eltern und hob sich somit positiv vom Familienleben Alexanders  I. ab. Treue und moralische Festigkeit, eheliche Liebe und Zuwendung zu den Kindern sollten den Respekt der Untertanen sichern und ihnen zum Vorbild gereichen. Beide teilten die Faszination für Paraden, Uni­ formen und Manöver, betonten aber auch gern ihre Abneigung gegenüber überflüssigem Pomp. Die dynastisch-politischen Beziehungen wurden durch häufige Besuche und Gegenbesuche am Leben gehalten. Ein erster Höhepunkt stellte die im Jahr 1821 bei einem fast einjährigen Besuch des Großfürstenpaares in Berlin gegebene ­öffentliche Vorstellung von Thomas Moores »Lalla-Rookh«. Charlotte, jetzt Alexandra Feodorowna, spielte die weibliche Hauptrolle in dem Liebesdrama, das in Tableaux vivants gestellt wurde, und Nikolaus die männliche. Die Bezüge zwischen der Geschichte einer Prinzessin, die in die Ferne reist, um den Prinz ihrer Träume in der Verkleidung als Dichter zu treffen, und der Realität waren nur zu eindeutig.139 1829 wurde anlässlich von Prinz Wilhelms Verheiratung und Charlottes Geburtstag am und im Potsdamer Neuen Palais ein Fest mit dem klangvollen Namen »Der Zauber der Weissen Rose« gegeben. Die große Darbietung im Stil eines mittelalterlichen Ritterfestes gehörte zu den aufwendigsten höfischen Festen, die jemals in Preußen stattgefunden haben. An dieser Stelle soll es lediglich die anhaltende Intensität gegenseitiger Besuche dokumentieren, die Teil der engen politischen Partnerschaft Preußens und Russlands in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren.140 Aufgrund der Abdankung seines älteren Bruders Konstantin wurde Nikolaus 1825 Nachfolger von Zar Alexander I. Die dynastische Verbindung wurde dadurch aufgewertet, und die Allianz zwischen Preußen und Russland hielt politisch, was sie dynastisch versprach. Nikolaus war von seinem älteren Bruder früh mit den Grundprinzipien der Heiligen Allianz vertraut gemacht worden. Er zeigte sich erfreut, dass Russland Europa eine Ära von Religion, Frieden und Gerechtigkeit beschere, und schrieb, er könne sich kein besseres politisches System vorstellen als eines, in dem Könige von der Vorsehung ausersehen seien, die Massen zu regieren.141 Es gab in der preußischen Geschichte keine Konstellation, in der persön­liche, dynastische und politische Beziehungen über so lange Zeit stabil und harmonisch blieben, wie die deutsch-russischen Familienbande zwischen 1817 und 1856. Noch im Krimkrieg verfolgte Preußen eine strikte Neutralitätspolitik, 139 Wortman, Scenarios of Power, Bd. 1, S. 247–264, bes. S. 262; Johannsen u. Polaschegg. 140 Zuchold. 141 Lincoln, Nicholas I., S. 70.

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von der Rußland profitierte und welche die Alliierten scharf kritisierten. Fast will es scheinen, als wäre dem 19. Jahrhundert geglückt, was im 17. und 18. Jahrhundert stets scheiterte: die Stiftung von Frieden durch Ehe. Die Eheschließung von 1817 kann gleichermaßen als Bekräftigungsheirat wie als der Anfangspunkt einer mehrere Jahrzehnte dauernden Ära von engen Familienbeziehungen und Frieden angesehen werden. Doch war es vielleicht weniger die Verwandtschaft, die Frieden stiftete; vielmehr erlaubte eine langandauernde europäische Friedensära die von der Politik weitgehend ungestörte Entfaltung enger verwandtschaftlicher Beziehungen. 4.3.2 Heirat mit Hindernissen: die Eheschließung von Prinz Friedrich (III.) Wilhelm mit der Princess Royal Victoria (1858) Verwandtschaftlich-politische Harmonie, wie sie zwischen Hohenzollern und Romanow bestand, hatte es in einer kurzen Phase im 18. Jahrhundert auch zwischen der preußischen Königsfamilie und dem Haus Hannover gegeben; in den letzten Lebensjahren Friedrichs II. war in Großbritannien eine wahre Borussophilie entstanden, die sich auch unter seinem Nachfolger – zumindest bis in die Anfänge des ersten Koalitionskrieges – erhielt. Doch im frühen 19. Jahrhundert setzten sich diese Beziehungen weitaus weniger vielversprechend fort. Unter dem Druck der napoleonischen Expansion in Europa erwies sich Preußen nicht als Stütze der anti-französischen Koalition. Darüber hinaus erlag Friedrich Wilhelm III. der Versuchung, auf ein Angebot Napoleons hin Hannover zu annektieren. In den Befreiungskriegen kämpften Preußen und Großbritannien allerdings Seite an Seite. Die letzte Bataille gegen Napoleon, welche die Engländer als »Battle of Waterloo«, die Preußen als »Schlacht von Belle-Alliance« bezeichneten, wurde zu einem gemeinsamen Erinnerungsort, Wellington und Blücher zu einem europäischen Heldenduo. Das waren Voraussetzungen für die britische Politik der Nachkriegszeit, die auf die Gründung und Erhaltung des Deutschen Bundes ausgerichtet war.142 Die direkten dynastischen Beziehungen zwischen den beiden Königsfamilien wurden in dieser Phase instabiler Harmonie allerdings nicht erneuert. Selbst im Jahr 1817, das den Tod der britischen Thronfolgerin Charlotte und daraus folgend eine Reihe von überstürzten Eheschließungen der als Familienväter bis dahin wenig engagierten Söhne Georgs III. brachte, kam es nicht zu einer weiteren preußisch-britischen Königsheirat. Die enge preußische Bindung an die Zarenfamilie trug sicher zur wachsenden Distanz bei, bedeutete sie doch für Preußen nicht nur ein stabiles Bündnis mit der mächtigsten Kontinentalmacht, sondern auch gegenseitige Bekräftigung in der Verfolgung einer strikt legitimistischen politischen Linie. Die britische Monarchie begann hingegen in eine andere 142 Gruner; einen Überblick über die Verwandtschaftsbeziehungen des britischen Königs­ hauses mit deutschen Fürstenfamilien bieten Urbach und Davis, The Victorians.

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Richtung zu steuern, die später in tiefgreifende Verfassungsreformen mündete. Dass unter diesen ungünstigen Rahmenbedingungen dennoch im 19. Jahrhundert eine weitere direkte Familienverbindung zwischen der preußischen und der britischen Königsfamilie zustande kam, lag an einer spezifischen Konstellation, die sich in den späten vierziger und fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts ergab. Dazu gehörte zum einen, dass der britischen Königin Viktoria mit Albert von Sachsen-Coburg-Gotha ein deutscher Fürst angetraut wurde, der heftig um die preußische Königsfamilie warb.143 Zum anderen war entscheidend, dass der Thronfolger Prinz Wilhelm sich dessen Werben nicht verschloss, während König Friedrich Wilhelm  IV. bis zum Ende seiner Regierungszeit an der dynastisch-politischen Bindung an Russland festhielt.144 Wilhelm war 1848 auf der Flucht vor den Berliner Revolutionsereignissen für einige Monate in London gewesen und hatte dort seine politischen Meinungen mit den liberalen Kreisen um den Prinzgemahl Albert abgleichen können. Von 1850 bis 1858 residierte er darüber hinaus fern vom preußischen Hof in Koblenz, wo er leichter eine unabhängige Position entwickeln konnte. Dort kam auch der Einfluss seiner aus dem liberalen Weimar stammenden Gattin ­Augusta zur Entfaltung. Wilhelm, seit 1840 präsumptiver Thronfolger, stand mit seinen Ansichten nicht alleine. Die Wochenblatt-Partei um Bethmann Hollweg, die auf Unterstützer in hohen Ämtern zählen konnte, favorisierte im Krimkrieg einen Anschluss Preußens an die Allianz der Westmächte. 1854 kam es zu einem heftigen Konflikt zwischen Prinz Wilhelm und seinem Bruder Friedrich Wilhelm  IV., da dieser zwei der führenden Vertreter der Wochenblatt-Partei, den preußischen Botschafter in London Bunsen und den Kriegsminister E ­ duard von Bonin, entlassen hatte. Beide hatten sich ohne Abstimmung mit dem König oder dem Außenminister für die Verbesserung der preußisch-britischen Be­ ziehungen eingesetzt. Die Brüder versöhnten sich am Ende wieder, doch der Richtungsstreit blieb bestehen.145 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum die Anbahnung einer britisch-preußischen Heirat in den 1850er Jahren weniger zwischen Berlin und London als vielmehr zwischen Koblenz und London stattfand. Verschiedene Personen kommen als Urheber dieses Projektes in Frage: der aus dem Haus Sachsen-Coburg-Gotha stammende belgische König Leopold I., dessen Neffe, der britische Prinzgemahl Albert, dessen Ratgeber Baron von Stockmar oder Prinz Wilhelms Gattin Augusta.146 Unabhängig von der Urheberschaft war es doch ganz unverkennbar, dass das Heiratsprojekt von allen beteiligten Akteuren am deutlichsten den vom britischen Königingatten Albert formulierten Grundsätzen entsprach. Er hatte sich seit der Heirat mit Viktoria um die preußischen Verwandten bemüht, und Friedrich Wilhelm IV. war Pate des Prince 143 Birke, Prinz Albert und die deutsche Frage; Grünthal; Paulmann, »Germanismus«. 144 Paulmann, »Dearest Nicky… «, S. 166 ff. 145 Rassow. 146 Pakula, S. 27 f.

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of Wales geworden.147 Seit der zweiten Hälfte der 1840er Jahre hatte er sich in Denkschriften und Briefen für ein unter liberalen Vorzeichen geeintes Deutschland eingesetzt. Den preußischen König und den Thronfolger bedachte er mit einer Flut von Briefen, die deutliche und konkrete Ratschläge zu einer Um­ lenkung der preußischen Politik enthielten.148 Durch eine Ehe von Wilhelms ältestem Sohn, Friedrich Wilhelm, und ­A lberts ältester Tochter Viktoria sollte das britisch-preußische Band gefestigt und in die Zukunft verlängert werden. 1851 reiste Prinz Wilhelm von Preußen mit ­Augusta und seinen beiden Kindern nach London zur Weltausstellung. Sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm war damals neunzehn, die britische Princess Royal elf Jahre alt. Sie begegneten sich zunächst im Buckingham Palace, später war sie seine Führerin im Kristallpalast. Die Queen schrieb an »Onkel L ­ eopold«, den König der Belgier, über das Kennenlernen: »Might this, one day, lead to a union! God knows, it would make us very happy, for I never saw a more amiable, unspoilt, & good young man than he is.«149 Doch der Ausbruch des Krimkrieges ließ diese Hoffnungen zunächst in weite Ferne rücken. Die britische Regierung und öffentliche Meinung richteten sich immer offener gegen Preußen, dessen Neutralität die russische Position stärkte.150 Auch in der britischen Königsfamilie stieß die Strategie Friedrich Wilhelms IV. auf Unverständnis und Empörung. Solche Dissonanzen, welche die Frequenz des Briefverkehrs deutlich geringer und den Ton unfreundlich werden ließ, wurden durchaus auch über die dynastischen Kanäle ausgetragen. Am 17. März 1854 schrieb Albert an Prinz Wilhelm, »daß Preußen und Deutschland nicht neutral bleiben können«151. Einen geradezu drohenden Ton schlug Albert in einem Schreiben vom Oktober 1854 an den Prinzen Wilhelm an. In Groß­britannien und Frankreich nehme die Erbitterung gegen Preußen zu, dessen Neutralität als die Hauptursache für das Andauern des Krieges angesehen werde. »Es ist viel Blut und von dem edelsten Blute geflossen, und es geht bei Völkern nicht anders als bei Thieren; wenn sie Blut gesehen haben, sind sie nicht mehr dieselben und nicht zu bändigen.«152 Auch ein Brief des preußischen Königs an die Queen spiegelt die Belastung der persönlichen Beziehungen wider. Friedrich Wilhelm klagte nicht nur über die Beeinträchtigung durch den Krieg, sondern auch über veränderte Gepflogenheiten: 147 Paulmann, Verwandtschaft, Vorbild und Rivalität, S. 348. 148 Zahlreiche Beispiele für solche Briefe in: Jagow, Prinzgemahl Albert. Exemplarisch etwa Prinz Albert an Friedrich Wilhelm  IV., 2.4.1846, in dem er diesem zur Eröffnung des Allgemeinen Landtages gratuliert und gleichzeitig zu rascherer Konstitutionalisierung drängt, S. 139–146, bes. 144 f. 149 Königin Victoria an Leopold I., 27.5.1851, zit. nach: Pakula, S. 31. 150 Baumgart, Zur Außenpolitik Friedrich Wilhelms IV. 1840–1858, S. 144. 151 Prinz Albert an Prinz Wilhelm, 17.3.1854, in: Jagow, Prinzgemahl Albert, S. 276. 152 Prinz Albert an Prinz Wilhelm, 23.10.1854, in: Berner, Aus dem politischen Briefwechsel, S. 11 f.

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»Seit 12 Jahren war es mir gestattet direct u ohne diplomatische ›Aufsicht‹ mit Ew ­Majestät correspondieren zu können. – Jetzt verlangt man eine Abschrift des Briefes für Ihren auswärtigen Minister, eine feyerliche Audienz u das Beyseyn des Ministers bey Übergabe des Briefes. Das tödtet jede HerzensErgießung, die Ew. Majestät so nachsichtsvoll aufgenommen hatten.«153

Im weiteren Verlauf des Handschreibens betont Friedrich Wilhelm  IV., dass sich durch den Tod Nikolaus’ I. die Notwendigkeit des Krieges verringert habe. Es sei Zeit, Frieden zu schließen. Ohne Umschweife forderte er von der Königin seine Beteiligung an zukünftigen Friedensverhandlungen als Lohn für einen even­tuellen Beitritt Preußens zur antirussischen Koalition. Der Brief schließt mit Grüßen und Küssen für verschiedene Familienmitglieder und einer besonderen Erwähnung der prospektiven Braut: »Sollte die Princess Royal noch eine Erinnerung an mich haben so bitt’ ich Ew Majestät dieselbe durch einen herzlichen Gruß zu erfrischen.«154 Trotz solcher persönlichen Ansprache ließ der Brief keinen Zweifel daran, dass Friedrich Wilhelm IV. das selbstbewusste Verhalten des britischen Premiers und des Außenministers zutiefst missbilligte. Für ihn war es undenkbar, dass – wie dies in Großbritannien zeitweise geschah – die Außenpolitik sich von der Königin unabhängig machte und diese geradezu zu kontrollieren schien. Friedrich Wilhelm hatte es dagegen verstanden, sein Außenministerium durch das Säen inneren Zwistes, bewusste Desinformation und widersprüchliche Anweisungen auszuschalten und die Zügel der Außenpolitik selber in die Hand zu nehmen. Zur Beantwortung der Frage, inwiefern verwandtschaftliche Beziehungen im 19.  Jahrhundert die Außenpolitik beeinflussen konnten, liefert dieses Schreiben wichtige Argumente. Gleichzeitig zeigt sich, wie die schrittweise Loslösung des Staates von der Dynastie sich auf die verwandtschaftliche Politik und insbesondere das Heiratsgeschäft auswirkte. Fürstliche Korrespondenzen bewirkten in diesem Fall keine Verbesserung der dynastischen und auch nicht der politischen Beziehungen. Zwar blieben Kommunikationskanäle zwischen den beiden Monarchen und ihren Familien trotz aller Belastungen bestehen, doch Verwandtschaft wurde hier nicht zur Gegenkraft von Konflikt und Krieg. Erst das Ende des Krieges, das sich seit dem im September 1855 erfolgten Fall von Sebastopol abzeichnete, sorgte für eine allmähliche Entspannung der Beziehungen. Die für Großbritannien guten Nachrichten von der Front trafen fast zeitgleich mit dem preußischen Prinzen Friedrich Wilhelm in Balmoral ein. Bei »Fritz’« Besuch in Schottland kam es, vor der Kulisse des schottischen Hochlands, zu den entscheidenden Schritten auf dem Weg zu einem neuen verwandtschaftlichen Band zwischen dem britischen und preußischen Königshaus. Die jungen Leute gestanden sich ihre Liebe, 153 Friedrich Wilhelm an Königin Victoria, 10.5.1855, in: Baumgart, Akten zur Geschichte des Krimkrieges, Bd. 2, S. 587. 154 Ebd., S. 589.

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anschließend wurden die Brauteltern gefragt und willigten ein. Auch wenn dieser Schritt nach wie vor »geheim« bleiben sollte, wurde doch durch ausführ­ liche Korrespondenztätigkeit dafür gesorgt, dass die Neuigkeit sich im Familienkreis verbreitete. So schilderte Queen Victoria den Heiratsantrag in einem Brief an Prinzessin Augusta, die Mutter des Bräutigams: »Theure Freundin, wie soll ich Dir unsre Freude schildern, als wir diese Worte vernahmen!«155 Auch an den Premierminister und den Außenminister wurde die Neuigkeit unter dem Siegel der Verschwiegenheit weitergegeben. Dass es sich dabei eher um ein »secret de la Commédie«156 handelte, war Prinz Albert durchaus klar. Auch die Unterschiede zwischen seinen familiären Interessen und der öffent­ lichen Meinung wurden von ihm antizipiert: »Was die Welt dazu sagen mag, dazu können wir nichts tun.«157 Doch nicht nur Prinz Albert, sondern auch der preußische König schien die britisch-preußische Familienverbindung in einer langfristigen Perspektive zu sehen, welche die aktuellen Verwerfungen als weniger wichtig erscheinen ließ. »Fritz’« Treffen mit der britischen Königsfamilie in Balmoral war sicher gegen den Willen der russischen Partei am preußischen Hof, aber es fand mit Zu­ stimmung des Königs statt, dessen Einverständnis mit der Brautschau unerläßlich war. Der König bezeichnete den Plan einer Heirat später sogar als Erfüllung »de … mes désirs depuis cinquante ans« und schilderte die Stationen einer von langer Hand geplanten Anbahnung, in deren Verlauf er sogar selbst mit dem Gedanken einer britischen Heirat gespielt habe.158 Dass sich das Verhältnis von Staat, Dynastie und Öffentlichkeit im Verlauf des 19. Jahrhunderts geändert hatte, zeigte sich nicht nur daran, wie einflussreich und unabhängig – zumindest in Großbritannien – Regierung und Ministerien geworden waren, sondern auch an der Tatsache, dass auf die Verbreitung der »geheimen« Neuigkeiten die Presse kontrovers reagierte. Waren derartige Heiraten bis dahin vornehmlich eine Frage von fürstlichen Familien und Diplo­ maten gewesen, so meldete sich hier die öffentliche Meinung zu Wort. Die Zeitungen schreckten, zumindest auf britischer Seite, vor scharfer Kritik nicht zurück. Die heftigsten Angriffe enthielt ein Artikel in der »Times« vom 3. Oktober 1855. Nicht einmal die Niederlage von Jena habe die Nachfolger von Friedrich  II. so erniedrigt, wie »the course adopted by the degenerate successor of Frederick the great during the last three years«. Damit habe, so die »Times«, Preußen seine Rolle als führende Macht und auch den Rückhalt in der eigenen Bevölkerung verloren. »The names of the Royal family are associated in the minds of the people with the notions of foreign subjection, national degradation, and the systematic sacrifice of Prussian interests to Russian influence.«

155 Königin Victoria an Prinzessin Augusta, 20.9.1855, RA VIC/MAIN/Z/61/5. 156 Prinz Albert an Prinz Wilhelm, 21.9.1855, in: Jagow, Prinzgemahl Albert, S. 305. 157 Prinz Albert an Lord Clarendon, 21.9.1855, in: ebd., S. 304. 158 Friedrich Wilhelm IV. an Prinzessin Augusta, 3.1.1856, RA VIC/MAIN/G/42/85.

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Nicht Liebe, sondern Hass kennzeichne deshalb das Verhältnis zwischen dem preußischen König und seinem Volk. Nun sei am Tag der Einnahme von Sebastopol der Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen in Balmoral eingetroffen. Es sei das Unglück der königlichen Familie, dass solche häuslichen Angelegenheiten öffentlich verhandelt würden, als Fragen von »policy and alliance«, welche für die Zukunft von Imperien und Königreichen von Bedeutung seien. Doch gerade weil dies so sei, sei eine familiäre Verbindung mit Preußen als der erste Schritt zu einem britischen Bündnis mit Russland anzusehen. »Why should we place a daughter of England in a situation in which devotion to her husband must be treason to her country  – why distract her mind between wishes for the welfare of the family which she has left and that into which she is to be received? … The people of England, at all events, has no wish to improve its acquaintance with a Prince of the House of HOHENZOLLERN.159

Beide königlichen Familien waren alarmiert über diesen scharfen Angriff. Gleichzeitig waren die Royals jedoch keineswegs in der Lage, öffentlichen Missfallensbekundungen Einhalt zu gebieten. Beruhigend schrieb Prinz Albert an den Baron Stockmar, dass der Brief »durch seine Übertreibung & Rohheit universal disgust erregt« habe.160 Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. reagierte weniger gelassen auf die anhaltend schlechte Presse. Anlässlich eines Artikels in der »Morning Post« mit »nouvelles infamies«, die er für die Meinung Lord Palmerstons hielt, wandte er sich auf dem Umweg über Augusta an ­Viktoria. Er bat seine Schwägerin, der britischen Königin von seiner Empörung zu berichten und von der »crainte de voir tomber l’édifice d’un de mes plus beaux rèves, de mon plus cher espoir devant la haine du Premier envers ma personne, envers la Prusse et envers d’autres!« Die Königin solle Schritte in die Wege leiten, um seine Ängste zu zerstreuen. Augusta möge Victoria davon in Kenntnis setzen, dass er Alexander II. zur Aufnahme von Friedensverhandlungen gedrängt habe.161 Der Ton und einzelne Formulierungen des Briefes ließen keinen Zweifel daran, dass Friedrich Wilhelm mit dem Abbruch der Heiratsanbahnung drohte, wenn die Queen den Verleumdungen gegen Preußen kein Ende setzte. Erneut zeigte sich hier, wie eng Politik, Verwandtschaft und nun auch die öffentliche Meinung zusammenhingen. Angesichts der außenpolitischen Konflikte und der schlechten Presse scheinen auch der Queen Zweifel an dem Heiratsprojekt gekommen zu sein. In ihr Tagebuch notierte sie: »I resent bitterly the conduct of the Prussian Court and 159 The Times, 3.10.1855. 160 Prinz Albert an Stockmar, 7.10.1855, RA VIC/MAIN/Y/189/28. Weitere Briefe der Familien wegen der negativen Presse in: RA VIC/MAIN/Z/61. 161 »Furcht, das Gebäude meiner schönsten Träume, meiner teuersten Hoffnung angesichts des Hasses des Premierministers gegen meine Person, gegen Preußen und andere einstürzen zu sehen!« Friedrich Wilhelm  IV. an Prinzessin Augusta, 3.1.1856, RA VIC/ MAIN/G/42/85.

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Government and do not like the idea now, of our Child going to Berlin, more or less the enemy’s den!«162 Bei keiner Hohenzollernhochzeit bis dahin war Ähn­ liches vorgefallen. Zwar hatte es von jeher innerfamiliäre und innerhöfische Konflikte über Heiraten gegeben, doch die Rolle der breiteren Öffentlichkeit blieb weitgehend auf die Akklamation beschränkt. Die Intervention eines einflussreichen Blattes wie »The Times« war in der Lage, den Fortgang des dynastisch-politischen Geschäftes empfindlich zu stören. Zur politischen Wirksamkeit von Heiraten gehörte nicht nur die Möglichkeit, politische Beziehungen durch familiäre zu bekräftigen oder umzulenken, sondern auch der mögliche Einfluss einer Braut in ihrem neuen Kontext. Im Fall der Princess Royal setzten Queen Victoria und Prinz Albert auf diesen Effekt. Albert bereitete Prinzessin Victoria besonders sorgfältig auf ihre neue Rolle vor. Seit der Verlobung arbeitete er in regelmäßigen Sitzungen an Vickys politischen Kenntnissen und bereitete sie auf die Schwierigkeiten vor, die ihr am preußischen Hof bevorstünden. Es ist sicher nicht übertrieben, von einer politischen »Mission« der britischen Prinzessin zu sprechen.163 Die Hochzeit im Januar des Jahres 1858 stand insofern unter neuen poli­ tischen Vorzeichen, als der Vater des Bräutigams, Prinz Wilhelm, im Oktober 1857 von seinem unheilbar kranken Bruder die Regierungsgeschäfte übernommen hatte. Der weitere Verlauf der preußischen Geschichte musste die hoch­ fliegenden Hoffnungen allerdings enttäuschen. Zwar war 1858 eine harmonische Ehe gestiftet worden;164 doch politisch blieb sie weitgehend folgenlos. Gewiss gab es in der sogenannten »Neuen Ära« kurzfristige Liberalisierungstendenzen, die jedoch bald im Konflikt über die Heeresreform an ihr Ende kamen. Von diesem Zeitpunkt an konzentrierten sich die Hoffnungen der britischen Königsfamilie und der liberalen Kräfte in Deutschland auf Kronprinz Friedrich Wilhelm und seine Frau Victoria, die jedoch am Hof zusehends isoliert wurden. Friedrich Wilhelm regierte im Jahr 1888 nur hundert Tage.165 Während der Regierungszeit Wilhelms II. erreichte der britisch-preußische Antagonismus einen Höhepunkt.166 In der Heiratspolitik des 19. Jahrhunderts galten in vielerlei Hinsicht noch die gleichen Gesetze wie in früheren Epochen: Politisches und Dynastisches waren eng miteinander verwoben. Auch in der beginnenden Moderne blieb der Glaube erhalten, dass durch eine Ehe politische Ziele verfolgt werden können. Die 162 Zit. nach: Pakula, S. 55. 163 Hessen. 164 Röhl, Bd. 1, S. 73–79. 165 Eine skeptische Auseinandersetzung mit Friedrich Wilhelms tatsächlichen Möglichkeiten zur Liberalisierung Preußens findet sich in Müller, Our Fritz. 166 Zu den England-Beziehungen Wilhelms  II. existiert eine reichhaltige Literatur: Cannadine, Willy, Bertie und Vicky; ders., Kaiser Wilhelm II. and the British Monarchy; Cecil; Kohut; Reinermann; Pogge von Strandmann; Steinberg; McLean, Royalty and diplomacy; ders., Kaiser Wilhelm II and the British Royal Family.

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preußisch-russische Heirat von 1817 hatte den Charakter einer Bekräftigungsheirat. Sie vertiefte das in der Heiligen Allianz geschmiedete politische Band und ergänzte es durch enge persönliche Beziehungen. Die preußisch-britische Heirat von 1858 ist zwar durch das Ende des Krimkrieges befördert worden, jedoch keineswegs als Bekräftigung des Friedensschlusses von 1856 anzusehen. Im Mittelpunkt des Kalküls stand hier vielmehr die – vor allem von Prinz ­A lbert formulierte – Vorstellung, dass über den Familienkontakt britischer Einfluss in Preußen geltend gemacht werden könne. Fast alle Typen von Heiraten überdauerten die Wende zur Moderne. Eine Ausnahme stellte lediglich die »Erwerbsheirat« dar, die in der Vormoderne den greifbarsten Beitrag zur Staats­ formierung geleistet hatte. Betrachten wir die politischen Folgen der Ehen aus dem 19.  Jahrhundert, zeigt sich – wie auch schon für frühere Jahrhunderte – ein ambivalentes Bild. Die preußisch-russische Heirat von 1817 stand im Kontext einer ausgesprochen wirksamen politisch-dynastischen Bindung. Bei der preußisch-britischen Vermählung von 1858 hingegen blieben die erwünschten Folgen weitgehend aus. Argumente für einen Bedeutungsverlust der Fürstenehe als politischem Instrument im 19. Jahrhundert lassen sich daraus nicht ableiten, denn von einem ambivalenten Verhältnis von Motiven und Folgen war die Verwandtschaftspolitik bereits im 18. Jahrhundert geprägt. Fürstenheiraten waren und blieben ein gebräuchliches, doch schwer kalkulierbares Instrument der Außenpolitik. Entsprechend blieb auch der Sprachgebrauch der Akteure, in dem verwandtschaftliche und politische Beziehungen ineinander übergingen, weitgehend der Gleiche. Zwar etablierten sich –  wie das Beispiel von Friedrich Wilhelm  III. und Zar Alexander zeigt – zwischen Monarchen die individuelleren und emotionaleren Freundschaftskonzepte, welche das 19.  Jahrhundert prägten. Doch die ältere Vorstellung einer gleichermaßen familiären wie politischen Freundschaftsbindung lebten gleichzeitig fort. Beide Konzepte scheinen in der Welt der Dynastien zu koexistiert zu haben. Deutlicher sind jedoch Veränderungen auf der Ebene der Akteure der Heiratspolitik, die ebenfalls vor der Folie der allmählichen Trennung von Dynastie und Staat zu deuten sind. Nach wie vor gab es im Kern einen gemischten Akteurs­k reis, in dem Familienmitglieder und Hofbeamte die tragenden Rollen spielten. Doch – insbesondere in Großbritannien – zeigte sich, dass neben diesen auch die Regierungen und Parlamente in einem nie dagewesenen Umfang an Einfluss gewannen. Sie repräsentierten in ihrer wachsenden Unabhängigkeit die Ermächtigung des modernen Staates auf Kosten der Dynastie. Die Vermehrung kontroverser Stimmen und Auffassungen komplizierte das Heiratsgeschäft. Sie ist ein deutliches Zeichen für die Transformation des politischen Systems in Großbritannien. Die Vorstellung, dass die politischen Beziehungen des Landes und die persönlichen Bindungen des Monarchen ein und dieselbe Sache waren, schwächte sich dadurch ab. In eine ähnliche Richtung weist auch der Protest der Öffentlichkeit, wie er sich etwa im Vorfeld der Vermählung von 1858 in der »Times« Bahn brach. 205 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Zwar belegt die Empörung den weiterhin verbreiteten Glauben an die Heirat als politisch relevantes Ereignis. Warum sonst hätte sich das Blatt so empört und besorgt über die politischen Folgen äußern sollen? Doch gleichzeitig ist er ein weiteres Anzeichen dafür, dass sich der Kontext, in dem die Hochzeiten stattfanden, zu ändern begonnen hatte. Die innerfamiliären und politischen Korrespondenzen zeigen, dass im 19.  Jahrhundert die Öffentlichkeit durchaus Einfluss auf die dynastische Politik gewannen und umgekehrt von ihr beeinflusst wurden. Fast scheint es, dass sich die Staaten in dem Maße, in dem sie sich von den Dynastien loslösten, den Öffentlichkeiten annäherten. Vom sich wandelnden Verhältnis zwischen dynastischen Heiraten und Öffentlichkeit handelt das folgende Kapitel.

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5. Bindungsrituale: Fürstenhochzeiten als politische Inszenierung

Dynastische Eheschließungen spielten nicht zuletzt deshalb eine Rolle für außenpolitische Beziehungen, weil sie mit einem Fest, einem rituellen und symbolischen Akt von großer Öffentlichkeitswirkung, besiegelt wurden. Ein solcher Akt verlieh den Beziehungen zwischen Dynastien eine Form, und er bot beiden Seiten die Möglichkeit zur Darstellung ihrer politischen Absichten vor anderen Dynastien und ihren Untertanen. Aber wie konnten Feste eine politische Wirkung entfalten? Welche Verfahren und Ausdrucksmittel hielt die höfische Festkultur bereit, um Bindungen zu stabilisieren oder zu transformieren? Wie änderte sich die Bindungsinzenierung im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts unter sich wandelnden gesellschaftlichen und politischen Bedingungen? Die politische Wirkung von Hochzeitsfesten beruhte zum einen auf der schlichten Tatsache, dass hier die wichtigsten Akteure der europäischen Außenpolitik zusammentrafen, gemeinsam speisten, tanzten, Kunst und Natur genossen, dabei persönliche Beziehungen herstellten oder vertieften sowie politische Themen besprachen. Zum anderen aber wirkte die Macht des Rituals. Rituelle Handlungsabläufe sind normiert, führen die Teilnehmenden aus dem Alltag in eine festliche, bisweilen sogar sakrale Sphäre und tragen symbolische Bedeutung. Die strukturalistische Schule, die auf den Prämissen von Emile Durkheims Religionssoziologie aufbaut, versteht das Ritual vor allem als symbolisches Abbild einer Gesellschaft. Seine Funktion sei die Bestätigung und Erneuerung der bestehenden Ordnung durch ihre Imitation im rituellen Vollzug. In diesem Sinne hat Norbert Elias die Rituale der höfischen Gesellschaft als ein Herrschaftsinstrument und die Regeln des französischen Hofes zur Zeit Ludwigs XIV. als Teil einer politischen Strategie zur Domestizierung und Entmachtung des Adels analysiert.1 Im Unterschied dazu haben Arnold van Gennep – und in Anknüpfung an diesen Victor Turner – das Veränderungspotential von Ritualen betont, welche den Zustand einer Person oder eines Kollektivs durch symbolische Handlungen transformieren. Auch derartige »Übergangsrituale«, zu denen Hochzeiten gehören, haben aber letztlich stabilisierende Wirkung, weil sie Gemeinschaften bei Veränderungen und »Störungen« in gege­ benen Bahnen lenken.2 Die ethnologischen und soziologischen Theorien des Rituals haben die Geschichtsschreibung zur Monarchie nachhaltig beeinflusst. Formen der symbo1 Elias, S. 120 ff. 2 Gennep, S. 136 f.; Turner, The Ritual Pro­cess. S. 95–113.

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lischen Repräsentation werden als integraler Bestandteil monarchischer Herrschaft angesehen. Auch David Cannadine beruft sich auf die Durkheimsche Ritualtheorie und auf Clifford Geertz’ Konzept der »dichten Beschreibung«, betont aber gleichzeitig die Grenzen ihrer Anwendbarkeit auf historische Fragestellungen und Gegenstände. Als Schwachstelle soziologischer und ethnologischer Methoden, welche die stabilisierende Wirkung von Ritualen betonen, sieht er vor allem deren Unvermögen, historischen Wandel zu erklären. Dieses Problem resultiere aus dem mangelnden Interesse für die komplexen und konfliktuösen gesellschaftlichen Kontexte, in denen Rituale stehen. Cannadine hält es hingegen für unerlässlich, die Veränderungen von Politik, Kultur und Gesellschaft in die Analyse monarchischer Kultur einzubeziehen. Die komplexen Kontexte seien dafür verantwortlich, dass ein Ritual zum Kristallisationspunkt von Konflikten werden könne.3 Rituale eröffnen, betont auch Barbara StollbergRilinger, »Spielräume, innerhalb derer Veränderungen möglich sind und die es zu einem Instrument der Umordnung von Rangpositionen und der Neuformulierung von Herrschaftsansprüchen machen können«.4 Cannadines Arbeiten über die britische Monarchie verfechten darüber hinaus die These, dass sich die Bedeutung symbolischer Kommunikation durch monarchisches Ritual im 19.  Jahrhundert nicht abschwächte, sondern verstärkte. Studien zur Geschichte der preußischen Monarchie, etwa über Königin Luise und den nach ihrem Tod entstehenden Mythos, über preußische Huldigungsrituale oder über die verstärkte Zeremonialisierung und Medialisierung monarchischer Politik im Wilhelminismus, haben diesen Befund bestätigt: Der Aufwand an öffentlichen Zeremonien, den das preußische Königshaus betrieb, erhöhte sich seit dem Zeitalter der Französischen Revolution.5 Als Ursache dafür wird der durch die revolutionären Herausforderungen erhöhte Legitimationsbedarf der Monarchie ebenso genannt wie die Notwendigkeit, die immer einflussreicher werdenden sozialen Gruppen Bürgertum und Arbeiterschaft in die dynastische Symbolwelt einzubeziehen. Verwandtschaftliche Feste, welche nicht nur für die Königsfamilie, sondern für jeden Untertanen eine große Bedeutung hatten, waren dazu besonders geeignet. Der Transformationsprozess des höfischen Festes vom 18. zum 19. Jahrhundert hat verschiedene Facetten, welche bisher häufig in den Kategorien der Habermasschen Öffentlichkeitstheorie analysiert wurden. Jürgen Habermas hat die typologische Unterscheidung zwischen »repräsentativer« und »bürgerlicher Öffentlichkeit« eingeführt. Der erste Typus sei schon im Mittelalter nachweisbar und finde sich bis ins 19. Jahrhundert am Hof, wo König und Adel ihren

3 Cannadine, The Context, Performance and Meaning of Ritual, S. 104 ff.; ders., Introduction: Divine Rites of Kings, S. 3 ff. 4 Stollberg-Rilinger, Zeremoniell als politisches Verfahren, S. 95 f. 5 Andres u. Schwengelbeck, Das Zeremoniell als politischer Kommunikationsraum, S.  43 ff.; Barclay, Ceremonial; Hull.

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Status in einem komplexen System von Ritualen, Verhaltensweisen und Codes abbildeten. Demgegenüber bilde sich »bürgerliche Öffentlichkeit« erst im Verlauf der Neuzeit heraus. Sie entstehe, wenn sich Privatleute – etwa im Theater oder als Leser einer Zeitung – zu einem Publikum formierten. Anders als die »repräsentative Öffentlichkeit« sei die »bürgerliche Öffentlichkeit« kontrovers, habe einen kritischen Impuls und könne so zu einer Gefahr für die bestehende Ordnung werden. Als »Strukturwandel der Öffentlichkeit« bezeichnet Habermas die allmähliche Ablösung des älteren durch den jüngeren Typ.6 Im Sinne der Habermasschen These hat etwa Thomas Biskup Einzüge in Braunschweig analysiert und gezeigt, dass sich um 1800 die Sichtbarkeit von sozialen Gruppen in dynastischen Festen erhöhte, die dort bislang nur eine marginale Rolle gespielt hatten, dass Feste Echos in einer zunehmend unabhängiger werdenden Medienwelt erzeugten und dass das Festgeschehen in dieser Öffentlichkeit eine spezifisch bürgerliche Umdeutung erfuhr.7 In jüngerer Zeit wird die These eines Strukturwandels der Öffentlichkeit differenziert. Erstens ist, etwa von Andreas Gestrich oder Esther-Beate Körber, darauf hingewiesen worden, dass die Vielfalt der in einer Gesellschaft an­ zutreffender Öffentlichkeitsformationen nicht unter die zwei von Habermas definierten Typen zu subsumieren ist.8 Zweitens ist in Arbeiten über die Frühe Neuzeit nachgewiesen worden, dass das höfische Fest niemals auf Formen der »repräsentativen Öffentlichkeit« beschränkt blieb. Gerade bei den feierlichen Entrées spielte ein breiteres Publikum eine entscheidende Rolle. Besonders scharf ist Ute Daniel mit Habermas ins Gericht gegangen. Mit Verweis auf die einschlägigen Arbeiten von Reinhart Koselleck und Roger Chartier hat sie insbesondere den Begriff der »bürgerlichen Öffentlichkeit« kritisiert. Die Institutionen, die von Habermas zu dieser gerechnet würden, etwa Lesegesellschaft, Logen oder die Presse, seien keineswegs im sozialgeschichtlichen Sinne bürgerlich, sondern sozial heterogen gewesen. Habermas ist sich, das zeigen entsprechende Passagen in seinem Werk, dieses Problems durchaus bewusst. Die dichte Durchdringung von höfischer und außerhöfischer Welt ist von ihm allerdings ebensowenig reflektiert worden wie das Fortleben höfischer Festkultur im angeblich bürgerlichen Zeitalter und die Formen »repräsentativer Öffentlichkeit« bis heute.9 In jüngerer Zeit haben Martin Kohlrauschs Überlegungen zu Monarchie und Medienrevolution im späten 19.  Jahrhundert neue Perspektiven auf den Strukturwandel der Öffentlichkeit geworfen. Für die Geschichte des 6 Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit; zur Einführung seiner analytischen Kategorien s. S. 54–85. 7 Biskup, The Tansformation of Ceremonial. 8 Gestrich, Absolutismus und Öffentlichkeit, insb. S. 28–33; Körber, insb. S. 388–406. 9 Daniel, How Bourgeois Was the Public Sphere…?; zum Stand der Debatte siehe auch Richter, »Prädiskursive Öffentlichkeit«; Schmidt, Das Reich und Europa; Horn Melton; Jörg Requate, Öffentlichkeit und Medien; Requate u. Schulze Wessel; Faulstich; Kunisch, Absolutismus und Öffentlichkeit.

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­ öfischen Festes ist die von ihm vertretene Vorstellung einer medialen Wende h um 1900 überaus fruchtbar.10 So wie Habermas’ Theorie sind auch andere gängige Vorstellungen über den Wandel der Monarchie im 19. Jahrhundert inzwischen in Frage gestellt worden. Die lange Zeit bestimmende These einer »Verbürgerlichung« der Monarchie wird heute skeptisch beurteilt. Zwar ist es nicht zu leugnen, dass Prozesse der Demokratisierung Fürsten zu größerer Rücksicht auf die Wünsche ihrer Untertanen zwangen und auch die Inszenierungsweisen von Herrschaft sich neuen Wert- und Geschmacksvorstellungen anpassten, doch ist das nur eine Seite des Prozesses. Viel stärker wird inzwischen betont, wie erfolgreich monarchische Eliten bei der Verteidigung ihrer Machtpositionen waren, wie treu sie dabei hergebrachten äußeren Formen blieben und wie sehr sie in diesen erfolgreichen Bestrebungen von weiten Teilen des Bürgertums unterstützt wurden, das bemüht war, seinen Platz in den geordneten Bahnen der Monarchie zu finden und sich zum Teil  sogar höfische Codes anzueignen.11 So unvollkommen wie die »Verbürgerlichung« der Monarchie musste auch ihre »Nationalisierung« sein, die stets im Spannungsverhältnis zum weiten fürstlichen Verwandtschafts­ horizont stand.12 Angesichts solcher Debatten gilt es, die Transformationsprozesse bei den hohenzollernschen Heiraten zwischen 1640 und 1918 präzise zu beobachten und nicht vorschnell in fertige Kategorien zu ordnen. Es scheint sinnvoll, bei der Bestandsaufnahme von der von Rudolf Schlögl vorgeschlagenen Unter­scheidung zwischen den bei Ritualen »Anwesenden« und ihren medialen Kontexten auszugehen.13 Ohne Frage änderten sich die Zahl und die Zusammensetzung der Anwesenden sowie die Rollen, die sie bei bestimmten Sequenzen des rituellen Vollzuges spielten. In Wechselwirkung damit wandelten sich auch die Art und Funktion der medialen Spiegelungen des Festes, und die Veränderungen waren Ergebnisse von politisch-gesellschaftlichem Wandel und Konflikten, welche zu Verhandlungen über rituelle Abläufe führten. Ein Verständnis dieser Veränderungen kann jedoch nur dann gelingen, wenn sie ins Verhältnis zu den bei weitem stärkeren statischen Elementen der Festkultur gebracht werden. Der für Kontinuitäten sensibilisierte Blick nimmt wahr, dass schon in der Frühen Neuzeit nicht nur Fürstenfamilie und Hof, sondern auch die Bürger ihre Rollen als Anwesende bei dynastischen Festen spielten und den Bürgern ein gewisser Raum zur Selbstdarstellung eingeräumt wurde. Eine vom Hof unab­ hängige mediale Spiegelung der Feste gab es allerdings zu dieser Zeit noch nicht. 10 Kohlrausch, Der Monarch im Skandal, insb. S. 48–53. 11 Befürworter der Verbürgerlichungsthese: Wienfort, Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft, S. 13; Gollwitzer, Die Funktion der Monarchie; Dollinger; kritische Revision der Verbürgerlichungsthese: Matzerath, Johann von Sachsen – ein »bürgerlicher« König?; StammKuhlmann, War Friedrich Wilhelm III. von Preußen ein Bürgerkönig? 12 Hambrecht; Hanisch; Pogge von Strandmann; Kroll, Zwischen europäischem Bewusstsein und nationaler Identität. 13 Schlögl, insb. S. 191–196.

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Inhalt, Form und Umfang bürgerlicher Mitwirkung an dynastischen Inszenierungen veränderten sich vom 18. zum 19. Jahrhundert, doch die angestammte Rolle der Stadtbürger als akklamierende Untertanen blieb lange Zeit erhalten. Nach wie vor ging es um herrschaftskompatible Selbstdarstellung. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, wie sehr die entstehenden Medienöffentlichkeiten in Preußen auch im 19. Jahrhundert noch der Kontrolle des Hofes unterlagen. Unabhängige, gar kritische Hofberichterstattung entwickelte sich nur zögerlich. Ein »Strukturwandel der Öffentlichkeit« im Habermasschen Sinne lässt sich in den festlichen Inszenierungen der Hohenzollern und in ihrem medialen Echo daher allenfalls in Ansätzen feststellen. Vielmehr vollzog sich eine allmähliche Verschiebung der Akzente, bei der eine bestehende Konstellation von anwesender und medialer, von dynastischer und bürgerlicher Selbstdarstellung bei den Inszenierungen in Schloss, Stadt und Medien in ihren Grundzügen erhalten blieb. Ludwig XIV., so ist in Peter Burkes Studie über den französischen Monarchen zu lesen, war sich der Tatsache bewusst, dass Feste nicht nur nach innen, sondern auch nach außen wirkten. Er erklärte dem Dauphin, dass sie auch dem Ausland »une impression très avantageuse de magnificence, de puissance, de richesse et de grandeur« vermittelten.14 Burkes Analyse der medialen Pro­ paganda Ludwigs XIV., die ein Bild des Monarchen in ganz Europa verbreitete, illustriert dies durch zahlreiche Beispiele. Auch der preußische Zeremonienmeister Johann von Besser war im Jahr 1700 davon überzeugt, dass dem brandenburgischen Kurfürsten wegen seiner »cérémonies magnifiques« die Bewunderung »de toute l’Europe« sicher sei.15 Für den preußischen Fall sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Arbeiten über die Königskrönung von 1701 von Interesse, welche zur Repräsentation der Krone gegenüber den Untertanen und gegenüber anderen Monarchen gleichermaßen beitrug.16 In ähnlichem Sinne deutet Johannes Paulmanns Monographie über die Geschichte der Monarchenbegegnung die Bedingungen und Formen symbolischer Kommunikation im Rahmen der europäischen Außenpolitik des 19.  Jahrhunderts. Paulmann zeichnet nach, wie Staatsbesuche Botschaften gleichermaßen an nationale und europäische Öffentlichkeiten sandten.17 In diesem Kapitel werden Rituale und symbolische Kommunikation bei Hohen­zollernhochzeiten des 17. bis 19. Jahrhunderts analysiert. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie das verwandtschaftlich-politische Ritual Bindungen und Beziehungen schaffte, darstellte oder interpretierte. Die festen Strukturen und der Wandel von Bindungsriten werden gleichermaßen in den Blick genommen. 14 »einen sehr günstigen Eindruck von Pracht, Macht, Reichtum und Größe«; Louis XIV, ­Mémoires, hg. von J. Lognon, Paris 1927, S. 135, zit. nach: Burke, Ludwig XIV., S. 14. 15 Mariage de la Princesse Louise de Brandenbourg fille de  S. A. l’Electeur Frédéric  III. et de S. A. le Prince héréditaire de Hesse-Cassel. Relation inachevée de Mr. De Besser, 1700, GstA PK, BPH, Rep. 45 W, Nr. 8, S. 6 verso. 16 Barmeyer; Sösemann, Zeremoniell und Inszenierung. 17 Paulmann, Pomp und Politik, insb. S. 337–400.

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Das erste Kapitel untersucht zunächst die Hauptsequenzen des Festes und die Frage, ob die Vorstellung eines Strukturwandels der Öffentlichkeit von der Vormoderne zur Moderne stattfand. Im zweiten Kapitel werden die »Zeichen der Verbundenheit« und insbesondere die semantische Einbettung einer Hauptfigur der Veranstaltung, der Braut, betrachtet. Sie spielte für die Inszenierung von Bindungen eine zentrale Rolle. Bei der Präsentation der Braut in Brautfahrt und Einzug trieben die Dynastien bei weitem mehr Aufwand als bei der Darstellung des sie empfangenden Bräutigams; das gilt selbst in jenen Ausnahmefällen, wo dieser zur Trauung in die Residenz der Braut reiste. Ein Entrée durfte ein anreisender Bräutigam bestenfalls gemeinsam mit seiner Braut abhalten. Die herausgehobene Darstellung der Braut scheint auf den ersten Blick im Widerspruch zu ihrer inferioren Rolle als »Tauschobjekt« zu stehen. Tatsächlich entspricht diese Inszenierungsweise aber der Darstellung jener Person, die die Qualität des Tauschaktes durch den Wert ihrer Eigenschaften und Güter determiniert. Bei Brautfahrt und Einzug konnte die Brautfamilie aufzeigen, wie viel sie gab; die Familie des Bräutigams, wie viel sie erhandelt hatte. Drittens widmet sich das Kapitel erneut der »Liebe«. Anders als im zweiten Teil wird es hier aber nicht um die Gefühle und Beziehungen zwischen den Eheleuten gehen, sondern um die sich wandelnden Inszenierungen von ehelicher und anderer »Liebe«, die ein Leitmotiv der Bindungsdarstellung war. Es wird sich zeigen, welche wichtige politische Rolle Strategien der Emotionalisierung für das Fürstenritual spielten  – insbesondere im 19.  Jahrhundert, in dem das Postulat des »Verliebens« der Ehe eine neue Intensität gab.

5.1 Festsequenzen und Öffentlichkeiten Eine hohenzollernsche Heirat glich einem Drama in drei Akten. Der zweite Akt, der Tag der Trauung, war der Höhepunkt. Er folgte im gesamten Untersuchungszeitraum einem festen, vom 17.  bis zum 20.  Jahrhundert nur minimal veränderten Muster.18 Ort der Trauung war in der Regel die Residenz des Bräutigams. Bei den Feierlichkeiten im Berliner Schloss begannen die Zeremonien mit der Ankleidung der Braut in den Gemächern der Königin und dem Aufsetzen der Brautkrone. Dann folgte ein Umzug des Brautpaars und der hohen Gäste durch die Prachtgemächer des Schlosses. Er war durch ein spezifisches Zeremoniell gekennzeichnet: Den Brautleuten kam an ihrem Ehrentag der höchste Rang zu. Die Unterzeichnung der Eheverträge und – seit 1874 – die standesamtliche Trauung waren Formalitäten, die ohne größeren zeremoniellen Aufwand absolviert wurden. Der Kern des Ritus war die kirchliche Trauung in der Kapelle des Berliner Schlosses. Hierzu fand ein durch den Hofgeist18 Einen Überblick über die Kernbestandteile des Zeremoniells bietet Stillfried-Alcantara.

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lichen abgehaltener Gottesdienst statt, bei dem das Ja-Wort gegeben und die Ringe getauscht wurden. Darauf folgte eine Festtafel für Familie und Gäste. Im Anschluss wurde der Fackeltanz zelebriert. Es handelte sich dabei um einen von der Rangordnung bestimmten Schreittanz, von Pauken und Trompeten begleitet, in dem die Staatsminister mit Fackeln vorangingen und das Brautpaar folgte. Braut und Bräutigam bezogen – in der Reihenfolge des Vorrangs – Familie und Gäste mit ein. Ursprung des Fackeltanzes waren die Zeremonien des mittelalterlichen Turniers. In seltenen Fällen wurde der Fackeltanz vom »Abtanzen der Brautkrone« gefolgt; dabei griff sich die Braut beim Tanz mit verbundenen Augen einen anderen Gast, dem dadurch eine Heirat im kommenden Jahr prophezeit wurde.19 Danach wurden Braut und Bräutigam in ihre jeweiligen Gemächer geführt und im kleinen Kreis entkleidet, das heißt ihrer Festtagsrobe entledigt. Schließlich wurde der Bräutigam zum Zimmer der Braut gerufen, und die Familie zog sich zurück. Vor den Türen des Brautgemaches wurde, als ein Symbol der Fruchtbarkeit, eine Replik des Strumpfbandes der Braut verteilt. Damit endete der Trauungstag. In den Tagen und Wochen nach der Trauung schloss sich der dritte Akt an, der den höfischen Vergnügungen, den sogenannten »divertissements«, gehörte. Während der Trauungstag von über die Jahrhunderte stabilen Formen geprägt war, musste bei den Vergnügungen die kulturelle Leistungsfähigkeit eines Hofes durch immer neue Variationen, Aneignungen und Überbietungen der gerade modischen Unterhaltungsformen unter Beweis gestellt werden. Dazu gehörten weitere Diners und Bälle, Gratulationsempfänge, die Ausstellung der Hochzeitsgeschenke, Oper, Theater, Feuerwerk, Illumination, Jagd, Besichtigungen und Landpartien. Das Programm variierte dabei in seinen Stilen und Moden. In der Zeit des Barock standen symbolische »Weltbilder« im Mittelpunkt, die ­R ichard Alewyn in so eindrücklicher Weise beschrieben hat.20 Später tanzten der kostümierte Fürst und seine Familie nicht mehr selber, die Kunst wurde professionellen Darstellern überlassen, und die höfischen Bühnen entwickelten sich zum wichtigsten Schauplatz der divertissements.21 Umfang und Aufwand der Hochzeitsfeste variierten stark. Ursache dafür war zum einen der Stand der Staatskasse, das Repräsentationsbedürfnis zu einer bestimmten Zeit und in einer bestimmten Konstellation. So waren die Heiraten zur Zeit König Friedrichs I., der im Rahmen der Königserhöhung den zeremoniellen Aufwand steigerte, besonders aufwändig. Im weiteren Verlauf des 18.  Jahrhunderts, sowohl unter dem Soldatenkönig als auch unter Friedrich II., wurde – nicht zuletzt wegen des Einflusses der aufklärerischen Zeremonialkritik – hingegen eher bescheiden gefeiert.22 Als Friedrich II. aus Anlass 19 Hinweis darauf, dass der Fackeltanz schon für die Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts erklärungsbedüftig war sind verschiedene Veröffentlichungen, u. a. Raumer. 20 Alewyn, S. 62–71. 21 Daniel, Hoftheater. 22 Schwengelbeck, Die Politik des Zeremoniells, S. 47 ff.

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der schwedischen Vermählung seiner Schwester Ulrike im Jahr 1744 ausnahmsweise aufwändigere Feste abhalten ließ, wurde dies von Beobachtern mit Erstaunen aufgenommen. Das Fest sei mit einer Magnifizenz abgehalten worden, die in Berlin ohne Vorläufer sei, schrieb der Baron von Bielfeld in seinen »­Lettres familières«.23 Friedrich  II. rechtfertigte den ungewohnten Pomp des Jahres 1744, der sich von der »frugalité« der Vorfahren unterschied: »Si cette pro­f usion naît de l’opulence, c’est une marque d’un état florissant: si elle a sa source dans l’esprit de dissipation des particuliers, alors cela mène à la ruine des familles, et cette magnificence ressemble dans ce cas à l’enflure d’un hydropique qui le conduit au tombeau.«24 In einer wegweisenden Studie hat Thomas Biskup unlängst gezeigt, dass sich Friedrich II. durchaus an diese Maxime hielt, und dass er Pomp und Zeremoniell nicht grundsätzlich abgeneigt war.25 In der Epoche der Französischen Revolution wurde – unter dem Eindruck Pariser Großveranstaltungen –  der Festaufwand erhöht, nach der Niederlage gegen Napoleon ging allerdings nicht nur die Berliner Bühne verloren, sondern es fehlte auch das Geld. In der Restaurationsära wurden Feste wieder opulenter. Das allmählicher Wiedererblühen der Festkultur schloss allerdings Momente ostentativen Verzichts nicht aus: 1793 verbat sich der Thronfolger und Bräutigam eine Illumination, die nach dem für Preußen unglücklichen Kriegsverlauf unangemessen erscheinen musste. Bei der niederländischen Heirat von Prinz Albrecht, die kurz nach der Revolution von 1830 stattfand, wurden Geschenke an die Armen verteilt.26 Die aktive Teilnahme an den Zeremonien des Trauungstages und an den Vergnügungen war, unabhängig davon wie opulent diese ausfielen, in der Regel einem erlesenen Kreis vorbehalten, zu dem neben den »hohen und höchsten Gästen« auch höfische Würdenträger, Beamte und Diplomaten zählten. Zusätzlich waren die Hoffähigen als Zuschauer im Schloss und an anderen Örtlich­keiten des Hofes und bei bestimmten zeremoniellen Seitenereignissen – wie etwa den Gratulationscours  – zugelassen. Verwandtschaft war lange Zeit das wichtigste Kriterium bei der Zusammenstellung der Liste der »hohen und höchsten« Gäste. Noch bei der prachtvoll gefeierten Heirat des späteren Soldatenkönigs im Jahre 1706 war kein einziger Gast zugegen, der nicht dem Haus oder Hof der Hohenzollern angehörte. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hingegen gaben sich bei Hochzeitsfesten zahlreiche regierende Häuser ein Stelldichein in Berlin. Bei der Doppelhochzeit von 1791 fanden sich neben dem 23 Bielfeld, S. 153; in ähnlichem Sinne äußerte sich auch Thiebault (S. 346) über die preußischniederländische Heirat von 1767. 24 »Wenn die Fülle aus dem Überfluss geboren ist, so ist sie das Erkennungszeichen eines florierenden Staates. Wenn ihre Ursache aber die Verschwungssucht einzelner ist, so führt dies zum Ruin ganzer Familien, und die Pracht ähnelt in diesem Fall den Schwellungen eines Wassersüchtigen, die diesen zum Grabe begleiten.« Posner, S. 314. 25 Biskup, Preußischer Pomp. 26 Zeidler u. Zeidler, S. 70.

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britischen und dem niederländischen Bräutigam, die zu dieser Gelegenheit in die Hauptstadt Brandenburg-Preußens reisten, auch der Herzog von SachsenWeimar, der Erbprinz von Braunschweig und seine Gattin, der Herzog von Mecklenburg-Strelitz, die Herzogin von Kurland, der Erbprinz von AnhaltDessau, Friedrich Wilhelm von Braunschweig, der Landgraf von Hessen-Darmstadt, der Prinz Friedrich von Oranien und Prinz Ludwig von Baden ein.27 Mit allen Häusern, von denen Vertreter zu dieser Heirat geladen waren, hatten die brandenburgischen Hohenzollern direkte verwandtschaftliche Beziehungen. Die Festgemeinde war das Abbild der engeren Verwandtschaftsverhältnisse der Dynastie, die Versammlung eines Heiratskreises. Es war kein Zufall, dass zu dieser Zeit kein Mitglied einer österreichischen, französischen, spanischen oder italienischen Herrscherfamilie je auf einer preußischen Heirat erschien. Erst viel später, in der Zeit Wilhelms  II., wurden die Gästelisten über den Heiratskreis hinaus erweitert. Die verbesserten Reisemöglichkeiten der Zeit spielten dafür ohne Frage eine Rolle. Zusätzlich zum engsten Verwandtenkreis lud man jetzt weitere Monarchen und deren Familienmitglieder ein. So waren 1905 bei der Heirat des Kronprinzen Wilhelm neben Mitgliedern der eng verwandten Fürstenfamilien von Russland, Dänemark, Schweden, Griechenland, Großbritannien, den Niederlanden, Belgien, Rumänien und Bulgarien auch weitläufigere Verwandte wie Franz Ferdinand von Österreich-Este, der Herzog und die Herzogin von Aosta und sogar außereuropäische Monarchen wie Prinz und Prinzessin Arisugawa von Japan und Prinz Chakrabongse von Siam zugegen.28 Die Königsfamilie und ihre »hohen und höchsten Gäste« stellten den engsten Kreis der Fest­öffentlichkeit dar. Sie verkörperten die Festgemeinde und vollzogen die zentralen rituellen Sequenzen persönlich. Das Beisammensein, das gemeinsame Erleben (und teilweise Erleiden) der rituellen Vollzüge spiegelte und prägte die Beziehungen innerhalb der Elite. Um den engsten Kreis der Öffentlichkeit formierte sich ein weiterer, der Kreis der hoffähigen Zuschauer, die Zugang zu den zentralen Festorten hatten, aber nicht – oder nur am Rande – aktiv beteiligt waren. Schon im 17.  Jahrhundert wurden die Festakte des engsten und des weiteren Kreises der Anwesenden medial vermittelt. Fama, die Göttin der sich rasch verbreitenden Neuigkeiten, war Gast bei fast jeder Hochzeitsfeier. Die ge­ flügelte Göttin fand sich auf Ehrenpforten und Fassadendekorationen, auf Gelegenheitsgemälden und Bilddrucken, auf der Opernbühne und im Feuerwerk. »Fama tuas volitans laudes per regna per urbes,/Inclyte Rex populis concelebrare studet«, hieß es unter einer Famadarstellung anlässlich einer Heirat im 27 Ordre dans lequel Leurs Majestés le Roi et les Reines, les Hauts Fiancés et tous les Princes et Princesses se rendront dans la sale blanche pour assister à la bénédiction nuptiale, GStA PK, HA I., Rep. 36, Nr. 804. 28 Allerhöchstbefohlene Ordnung der Feierlichkeiten bei der am 6. Juni 1905 im Königlichen Schlosse zu Berlin stattfindenden Vermählung … des Kronprinzen des Deutschen Reiches … mit … Herzogin Caecilie zu Mecklenburg, GStA PK, HA I., Rep. 89, Nr. 2945.

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Jahre 1708.29 Doch die Königshäuser verließen sich nicht nur auf das Wirken göttlicher Mächte. Die Höfe Europas wurden durch »Notificationen« von den Ereignissen in Kenntnis gesetzt. Darüber hinaus wurden Festberichte in Auftrag gegeben. Aus den Einleitungen solcher Festbücher kann man entnehmen, dass sie nicht nur für das eigene Land, sondern für weitere Verbreitung an anderen Höfen, im Adel und im gehobenen Bürgertum bestimmt waren. »Ich hoffe«, schrieb in diesem Sinne die Kurfürstin Sophie an den preußischen König, »daß alle Festlichkeiten, die vom Einzug in Magdeburg an vorgefallen sind, in einem Buch zusammengefaßt werden. Was ich davon vernommen habe, ist alles nach Frankreich zu Madame geschickt worden, die sicherlich alles bewundern wird, namentlich die prächtigen Geschenke Eurer Majestät an die Kronprinzessin«.30 Die Wirkungsabsicht formulierte der brandenburgische Oberzeremonien­ meister von Besser im Vorwort eines von ihm verfassten Heiratsberichtes aus dem Jahr 1700: »On peut dire d’un Heros, suivant la pensée d’un General ­Romain, qu’il ne lui est pas moins glorieux de bien ordonner un Festin, que de bien ranger une Armée en Bataille.«31 Über Fürstenheiraten wurde darüber hinaus in der Presse der unmittelbar beteiligten Länder berichtet. So entstand durch Übersetzungen und Korrespondentenberichte ein europäisches Medienecho. Schließlich wurden Fürstenheiraten von einer Flut von Gelegenheitsdrucksachen begleitet. Diese vielfältigen Medien ließen Fürstenheiraten schon im 17. Jahrhundert zu intensiven Momenten interkultureller Kommunikation werden. Medien weiteten den geographischen und den sozialen Raum, in dem die Feste wirkten. Gleichzeitig stellten sie, weil unter der Kontrolle der Höfe, eine zusätzliche, mit dem tatsächlichen Fest in Wechselwirkung stehende Deutungsebene dar. Nur bei den vom austragenden Hof in Auftrag gegebenen Medien war sicher, dass die Festinszenierung und Berichterstattung den selben Intentionen folgten. Die anwesenden »hohen und höchsten Gäste«, die privilegierten Zuschauer, die Zugang zum Schloss hatten, sowie die höfisch kontrollierten Medien stellten drei Facetten von Öffentlichkeit des dynastischen Festes dar; die Öffentlichkeit der Untertanen, das heißt im Rahmen der Feste vor allem des städtischen Bürgertums, das bei einer detaillierteren Analyse in noch kleinere Einheiten zerteilt werden müsste, war die vierte. Die Untertanen wurden am deutlichsten im ersten Akt des Festes, bei Fahrt und Einzug der Braut, in Szene gesetzt. Dieser begann mit Verabschiedungszeremonien in der Heimatresidenz. Nicht selten wurden unmittelbar vor der Abreise die Eheschließung per procura (d. h. mit 29 »Die eilende Fama sucht Dein Lob in Reichen und Städten, ruhmreicher König, mit den Völkern gemeinsam zu verherrlichen.« Gerken, Bl. 1. 30 Kurfürstin Sophie an König Friedrich I., 21.12.1706, in: Schnath, S. 110. 31 »Man kann, dem Gedanken eines römischen Feldherrn folgend, von einem Helden sagen, dass es ihm genauso viel Ruhm einbringt, eine Festlichkeit gut zu leiten wie mit Erfolg eine Armee in der Schlacht zu befehligen.« Mariage de la Princesse Louise de Brandenbourg fille de  S. A. l’Electeur Frédéric  III. et de  S. A. le Prince héréditaire de Hesse-Cassel. Relation inachevée de Mr. De Besser, o. O. 1700, GStA PK, BPH, Rep. 45 W, Nr. 8, S. 6 verso.

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einem Vertreter für den Bräutigam) oder die Verlobung gefeiert. Zum Abschied gehörte das Geleit der Braut durch Abgeordnete der Heimatfamilie, in der Regel höfische Beamte und Militär. An der Landesgrenze verabschiedete sich die Braut von ihren Begleitern, durchquerte das Niemandsland und wurde auf der anderen Seite von Abgesandten ihrer zukünftigen Familie begrüßt. Die Brautfahrt, einst mit der Kutsche, später mit der Eisenbahn absolviert, setzte sich in einer Kette von Festlichkeiten in den Städten und Festungen entlang der Reiseroute fort. Die Brautfahrt gipfelte im Einzug in der Residenz des Bräutigams. In Berlin fand dieser bis weit in das 18. Jahrhundert in der Regel von Osten her durch das Königstor bzw. Bernauer Tor und über die lange Brücke zum Schloss statt. Erst der Ausbau der westlichen Stadtbezirke, die Entstehung der Via triumphalis »Unter den Linden« und schließlich die Umgestaltung des Brandenburger Tors hatte die Verlegung der Entrées nach Westen zur Folge. Ziel beider Routen war das Berliner Schloss, wo die königliche Familie die Braut in Empfang nahm. Die Beteiligung des Stadtbürgertums an dynastischen Festen war nicht erst im 19.  Jahrhundert üblich; auch zur Zeit der brandenburgischen Kurfürsten und des frühen Königreiches Preußen gehörten die Untertanen fest zu Einzügen dazu. Als Beispiel für bürgerliche Beteiligung soll hier die Brautfahrt der hannoverschen Prinzessin Sophie Dorothea zu ihrer Heirat mit dem preußischen Kronprinz Friedrich Wilhelm dienen. Diese verließ Hannover, nach einer aufwändig gefeierten Prokurationsheirat, im November des Jahres 1706 im großen Festzug. Bei der Abreise war ganz Hannover auf den Beinen und »viele machten sich das Vergnügen/daß sie entweder von dem Walle/so lange sie nur noch eine Carosse sehen kunten/Ihr nachsahen/oder Sie auch gar einen ziemlichen Weg außer der Stadt mit begleiteten«.32 Bei der Ankunft in Magdeburg präsentierte sich nicht nur der örtliche Adel, sondern auch die Bürgerschaft, die mit über 4.000 Mann in Waffen die Braut mit Freuden-Salven empfing. Die Stadt hatte eine besondere Attraktion zu bieten: Auf der Spitze des Domturmes balancierte ein Artist, der mit einem Musketen­schuss das Signal für Kanonensalven gab und eine Fahne schwenkte.33 Später begab sich der Magistrat der Stadt zur Prinzessin und begrüßte sie mit einer Rede. Auf der nächsten Station der Brautfahrt, der Stadt Brandenburg, stand wiederum die Bürgerschaft unter Waffen. Zwei Ehrenpforten waren errichtet worden; der Festbericht beschreibt deren Form und Inschriften in allen Details, um so nicht nur die Ehrerbietung, sondern auch den Kunstsinn und die Bildung der Bürger zu dokumentieren. Die Durchfahrt der Prinzessin wurde mit Vokal- und Instrumentalmusik als »unterthänige Ehrbezeigung«34 begleitet. Bei der Weiterreise am nächsten Morgen wurde die Prinzessin von einer weiteren Attraktion überrascht: Auf der Havel veranstalteten bekränzte Schiffer 32 Die große Preußisch- und Lüneburgische Vermählungs-Freude, S. 21. 33 Ebd., S. 27. 34 Ebd. S. 31.

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eine Parade mit sechzig Kähnen zu ihren Ehren.35 In Spandau, der letzten Station vor der Ankunft in Berlin, waren die Ränder der Einfahrtsstraße mit jungen Fichten bepflanzt worden. Wieder gab es eine Ehrenpforte und salutierende Bürger unter Waffen.36 Doch alle Anstrengungen der Städte entlang der Reiseroute mussten an­ gesichts des Aufwandes beim Einzug in Berlin provinziell erscheinen, »von welchem man mit allem Rechte sagen kunte/daß er seines gleichen in der Welt wenig gefunden«.37 Die Königsfamilie ritt dem Brautzug eine Viertelmeile vor die Stadt entgegen. Der lange Zug der Braut wurde vor allem aus Mitgliedern des Berliner Hofes gebildet. Die Bürgerschaft säumte die Straßen und schloss sich »mit ihren Fahnen/Trummeln und Pfeiffen« dem Zug an.38 Die Bürger wurden angeführt von den geharnischten Vertretern der Fleischerinnung zu Pferde, ihnen folgten die Schneider, Schuster und Tischler »mit ihren rothen Zierrath von Hobel-Spänen auf denen Hüten«39 sowie viele andere Gewerke; insgesamt sollen 12.000 Bürger im Zug hinter der Braut durch die Ehrenpforte beim Königstor marschiert sein. Zugang zum Schloss erhielten diese Bürger nicht. Während die Braut, die Königsfamilie und ihr umfangreiches Gefolge auf dem Schlossplatz rechts abbogen und durch das Portal I in den Schlosshof und dann ins Schloss einzogen, ritten und marschierten die Bürger geradeaus weiter. Die letzten erreichten das Zentrum der Stadt erst gegen sieben Uhr, als die winterliche Dunkelheit schon über die Stadt gefallen war. Die massenhafte Beteiligung der Bürger war ein wichtiger Bestandteil der Veranstaltung. Ihre Anwesenheit, die Akklamation und Teilnahme an bestimmten Teilen der Zeremonie be­k räftigte den Zuspruch der Untertanen zur Herrscherfamilie und zur neuen Verbindung. Der den Bürgern zugewiesene zeremonielle Ort  – an den Rändern des Zuges und außerhalb des Schlosses – war dem der Königsfamilie und der Hoffähigen deutlich untergeordnet. Gleichzeitig nutzten die Bürger die Gelegenheit, ihre ökonomische und kulturelle Leistungsfähigkeit durch Kostümierung, Dekoration, Ansprachen und Musik herauszustellen. Das städtische Bürgertum stand im preußischen Barockfest nicht im Mittelpunkt, aber es war ohne Frage sichtund hörbar. Nach dem Tod König Friedrichs I. reduzierte sich der Aufwand bei dynastischen Festen drastisch. Entsprechend geringer waren die Möglichkeiten des Bürgertums, sich zu beteiligen. Erst die Feierlichkeiten der 1790er Jahre deuten auf einen Wandel hin. Das bürgerliche Engagement bei den Dekorationen wurde umfangreicher und kunstvoller. Nach wie vor war es vor allem der beim Einzug beschrittene Weg vom Stadttor zum Schloss, welcher der symbolischen Entfaltung des Stadtbürgertums einen  – wenn auch durch die Beamten des 35 Ebd., S. 31/32. 36 Ebd., S. 33. 37 Ebd., S. 34. 38 Ebd., S. 38. 39 Ebd., S. 39.

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Hofes kontrollierten – Raum bot. Die Bürger beteiligten sich als Zuschauer und als kunstvolle Dekorateure, welche die Strecke vom Stadttor bis zum Schloss durch Ehrenpforten, Blumen, Statuen, Bilder, Girlanden in einen dem Alltag entrückten Raum verwandelten. Nächtliche Illuminationen tauchten den städtischen Raum in ein prächtiges Spiel der Lichter. Die Beteiligung bürgerlicher Gruppen am Einzug wurde so augenfällig. Darüber hinaus entstanden jetzt gewandelte Formen des Festberichtes, die zwar nach wie vor der Kontrolle des Hofes unterlagen, sich aber stärker an den Bedürfnissen und Interessen eines bürgerlichen Publikums orientierten. Während die Berliner Zeitungen zumeist in nüchternem und offiziösem Ton berichteten, erschienen vermehrt monographische Festberichte, die sichtlich bemüht waren, das Erlebnis Hochzeit einem breiteren Publikum zu vermitteln. Zusätzlich wuchs die Zahl der kleinen Drucksachen, vor allem Gelegenheitsgedichte, an, welche den Gesetzen des bürgerlichen Geschmacks gehorchten.40 Die erste Feier, bei der sich die Öffnung zum bürgerlichen Publikum stärker bemerkbar machte, war die Doppelhochzeit des Kronprinzen Friedrich ­Wilhelm und seines Bruders Friedrich Ludwig mit den zwei mecklenburgischen Prinzessinnen Luise und Friederike. Hier bot, wie das auch schon im 18. Jahrhundert der Fall gewesen war, der Einzug der Braut Gelegenheit zur bürgerlichen Selbstdarstellung. Thomas Biskup hat sich mit der Feier in den Weihnachtstagen des Jahres 1793 eingehend beschäftigt und herausgearbeitet, wie bei dieser Gelegenheit, die im Jahr der Hinrichtung des französischen Königspaares und der Berliner Gesellenunruhen stattfand, eine Öffnung zu neuen Öffentlichkeiten stattfand.41 Während die Kernelemente des Festverlaufes unverändert blieben, wurden bei Dekorationen, beim Zeremoniell und in der medialen Berichterstattung neue Akzente gesetzt. So wurde die Reihenfolge der Karossen des Brautzuges auf Wunsch von Schöneberger Bürgern ge­ändert. Nicht die Hofdamen, sondern die Prinzessinnen sollten nun voranfahren, da sonst der Eindruck entstünde, »als solle der feierliche Zug den Hofdamen gelten«.42 Einen Bruch mit dem Gewohnten stellte auch die Anordnung des Königs dar, bei der zweiten Vermählung, am 26. Dezember 1793, die Pforten des Schlosses für die Berliner Bürger zu öffnen. Obwohl für die vielen Feiernden fast kein Platz mehr war, fühlte sich der König »mitten unter allen Klassen Seines Volkes doppelt glücklich … Mögen andre Könige und Fürsten ihr Glück darin suchen, gefürchtet zu werden; der unsrige will geliebt seyn, und ist es von Berlin, von Seinem ganzen Lande, wie es vielleicht noch keiner war.«43 In der Berichterstattung über dieses Ereignis, das angeblich 150.000 Schaulustige anzog, standen die aktive Teilnahme und die Anteilnahme der Berliner im Vordergrund. Der ausführliche Festbericht war »dazu bestimmt, denen Ein40 Zur Huldigungslyrik s. Andres, »Auf Poesie ist die Sicherheit der Throne gegründet«. 41 Biskup, Eine patriotische Transformation des Stadtraums? 42 Louisens und Friederikens … Ankunft und Vermählung in Berlin, S. 25. 43 Ebd., S. 35.

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wohnern von Berlin, die an der Freude eines festlichen Tages näheren Antheil nahmen, das Andenken daran lebhafter zurückzurufen«.44 Er eröffnete mit der Bemerkung, dass »die Feste eines Volkes … der Spiegel seines Charakters«45 seien. Die am Umzug beteiligten Bürger listete der Bericht namentlich auf und stellte heraus, dass es die jüdischen Bürger Berlins gewesen waren, welche die Ehrenpforte auf dem Forum Fridericianum bezahlt hatten. Auch die Namen der Künstler, Architekten und Handwerker, welche für Entwurf und Ausführung des Bogens verantwortlich zeichneten, fanden lobende Erwähung. Im Anhang des Festberichtes erschienen nicht nur die Ansprache des Berliner Magistrats am Potsdamer Tor, sondern auch viele der Gedichte, welche die Braut auf ihrer Fahrt zum Schloss entgegengenommen hatte. Eine Episode, die in der nationalen Erinnerung als Höhepunkt des Einzuges der Prinzessin Luise eingegangen ist, lässt sich aus den zeitgenössischen Quellen allerdings nicht nachweisen: Dass Luise einem Bürgermädchen, das ihr ein Gedicht überreichte, einen Kuss auf die Wange gedrückt haben soll, ist wohl eine nachträgliche Erfindung. Weder die Festberichte erwähnen diesen populären Verstoß gegen das Zeremoniell und die sozialen Grenzen noch das Tagebuch der Gräfin Voss, welche doch in der gleiche Kutsche nach Berlin einfuhr wie die Prinzessin.46 Auch Luise Radziwill, die persönlich an der Hochzeit teilnahm und darüber in ihren Memoiren berichtete, erwähnt die Szene nicht.47 Der Kuss, später ein Emblem für die Volksnähe der Königin Luise, ist wohl von Biographen nach Luises Tod erdichtet worden. Die bei der Heirat von Kronprinz Friedrich Wilhelm und Prinzessin Luise greifbaren Veränderungen verstärkten sich im 19. Jahrhundert. Stadtbürger waren Teil des Brautzuges, beteiligten sich an den kunstvollen Dekorationen des städtischen Raumes durch Ehrenpforten und Girlanden, überreichten Gedichte, vor allem aber erzeugten sie ein breiteres und viel­f ältigeres mediales Echo. Es waren vor allem diese Festberichte, Zei­tungsartikel und gedruckten Gelegenheitsgedichte, die eine bürgerliche Ausdeutung dynastischer Feste zuließen. Im gedruckten Text war es möglich, die Namen der Hunderten von Teilnehmern und Beiträgern zu erwähnen. Hier konnten die Gedichte, die in den Zeremonien meist stumm überreicht wurden, mit allen Strophen abgedruckt werden. Hier kamen auch die vielfältigen Feiern und Initiativen in Kirchen, Vereinen, Clubs, Schulen und Universitäten zu ihrem Recht, die nicht durch die Gegenwart der höchsten Herrschaften gesegnet waren. Der Hof war häufig weder Auftragnoch Geldgeber dieser Drucksachen. Die Kontrolle durch die Zensur verhinderte unliebsame Druckerzeugnisse, wirksamer war aber noch die Selbstkon­ trolle der Autoren, die sich bei dynastischen Gelegenheiten als treue Untertanen in Szene setzen wollten. Ihre Berichterstattung war gleichzeitig eine vom Hof 44 Ebd., S. 3. 45 Ebd., S. 5. 46 Voss, S. 64. 47 Radziwill, Fünfundvierzig Jahre, S. 76 f.

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gern gesehene, lebendige und »echte« Form der Huldigung durch ein liebendes Volk und ein Ruf der Bürger nach Aufmerksamkeit, wie dies in einem vom Bürgermeister überreichten Gedicht zum Empfang der bayerischen Prinzessin Elisabeth im preußischen Zeitz im Jahr 1823 deutlich wird: »Sieh, hohe Fürstin, was in unsrer Stadt … Heut laut im trunknen Jubelrufe schallt!«48 Dank der präzisen Buchführung über die Beteiligten tritt auch die sich wandelnde soziale Zusammensetzung der außerhöfischen Teilnehmer und Zuschauer zutage; immer häufiger beteiligten sich nun auch die unterbürger­lichen Schichten. Bei dem Einzug der britischen Prinzessin Viktoria im Jahr 1858 nahmen 20.000  Personen in Gala am Festzug teil; das war nur ein Bruchteil der Menge, die sich den Einzug von Tribünen, Balkonen, Fenstern, Laternenmasten, Leitern oder zu Fuß ansah und die Braut mit Hurrarufen begrüßte. »Wir müssen hierbei bemerken«, schrieb der Magistrat Krausnick, »daß die sämmtlichen Gewerke und die Fabrikarbeiter unsere Aufforderung zur Betheiligung bei der bevorstehenden Festlichkeit mit großer Freude und patriotischen Aeußerungen entgegennahmen und jetzt fortwährend bemüht sind, auch durch äußeren Schmuck ihre Anhänglichkeit an das angestammte Königshaus zu bezeugen«.49 Die Bereitschaft, durch Dekorationen und Teilnahme einen Beitrag zu leisten, überstieg bei weitem die Grenzen dessen, was möglich und erwünscht war. Eine zusätzliche Ehrenpforte für den Einzug in Potsdam, für welche die Stadt aufkommen wollte, wurde abgelehnt. Der König wünsche, »daß etwa die Hälfte des Betrages zur Stiftung eines Fonds verwendet würde, aus welchem alljährlich am 25. Januar hülfsbedürftige Personen mit einer milden Gabe erfreut werden könnten«.50 Ein Lampionzug der Berliner »Handlungsgehülfen« wurde ebenso verhindert51 wie eine gesonderte Repräsentation der Landeskirche.52 Zurück­ gewiesen wurde auch der – vielleicht vom Vorbild der britischen Eton-Boys oder entsprechenden hannoverschen Vorbildern angeregte – Antrag eines gewissen Max Jenisch, der sich erbot, zur preußisch-britischen Heirat von 1858 eine Gesellschaft von »100 anständigen jungen Leuten zwischen 18–20 Jahren zu bilden, um die feierliche Einholung des höchsten Paares dadurch noch feierlicher zu machen, daß wir den Wagen vom Brandenburger Thor bis zum königlichen Schloß eigenhändig ziehen«.53 Bei der Heirat des späteren Wilhelm II. im Jahr 1881 waren neben den traditionell beteiligten Bürgern und Handwerkern viele neue Gruppen aus der Stadt jubelnd, marschierend oder musizierend beteiligt: »mit Fahnen und Musik­ 48 Beschreibung der Feierlichkeiten, S. 15 f. Ergänzend dazu: Lyrischer Myrten-Strauss. 49 Krausnick an das Hausministerium, 16.1.1858, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr.  2287, Bl. ­146–150. 50 Stillfried an Flotwell, 21.1.1858, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 2287 Bl. 135. 51 Comité der Berliner Handlungsgehilfen an Graf Dohna, 24.1.1858, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 2287, Bl. 213–214. 52 Evang. Landeskirche Berlin an Graf Dohna, 30.1.1858, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 2287, Bl. 207; Ablehnungsschreiben: Bl. 208. 53 Max Jenisch an Graf Dohna, GStA PK, HA I, Rep. 100, Nr. 2287, Bl. 261.

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kapellen die Berliner Feuerwehr, der Gesangverein ›Lucretia‹, der Berliner Ruder­club ›Neptun‹, der Berliner Turnrath, der Berliner Bezirksverein des deutschen Kellnerbundes, sowie schließlich bis zur Ahorn-Allee die Arbeiter der Fabrik von Becker und Hofbauer … die Mitglieder der Rüdersdorfer BergInspection, die Berliner Turngemeinde und Turnerschaft, der Verein der Berliner Gastwirthe und die Arbeiter aus der Tabak und Cigarrenfabrik ›Uri‹ das Spalier bildeten.« Hinter dem Stadttor machten die Studierenden der Berliner Universität »im vollen Wichs« ihre Aufwartung.54 Die Berliner, die ihre Häuser schmückten, die Boulevards säumten und die durchfahrenden Karossen mit Hurra empfingen, blieben den Zeremonien bis zum Ende treu. Die symbolischen Verrichtungen im öffentlichen Raum wurden, nicht zuletzt durch das beherzte Eingreifen der Polizei, weitgehend un­ gestört vollzogen. So ist es legitim, die Öffentlichkeiten der Untertanen, die sich bei Brautfahrt und Einzug und in zahlreichen Druckerzeugnissen manifestierten, als eine Verlängerung, nicht als eine Gegenkraft der höfischen Öffentlichkeiten anzusehen. Gleichzeitig bedeutete stadtbürgerliche Mitwirkung immer mehr auch Selbstdarstellung und Ausdeutung der Festlichkeiten. Dadurch, insbesondere durch die Spiegelung der Hochzeiten in den bürgerlichen Medien, entstand ein Grad von Eigenständigkeit, der als Vorbedingung von kritischen Öffentlichkeiten angesehen werden kann, ohne allerdings den geringsten antimonarchischen Impuls zu enthalten. Erst in der zweiten Hälfte des 19.  Jahrhunderts entwickelten sich die Medien, die eine breite Vermittlung dynastischer Repräsentation überhaupt erst erlaubt hatten, zum Sprachrohr einer kritischen Öffentlichkeit. Bei der preußisch-britischen Heirat von 1858, die auf Seiten der preußischen Konservativen viele Gegner hatte, waren die Zeitungen auf preußischer Seite noch weitgehend ver­lässlich. Doch Presse und Öffentlichkeit in Großbritannien spielten zu dieser Zeit schon nach anderen Regeln. Seit Bekanntwerden der Vermählung hatte etwa »The Times« sich auf den preußischen Bräutigam eingeschossen und ihn und seine Familie – nicht zuletzt wegen der mangelnden preußischer Bündnistreue im Krimkrieg – mit hässlichen Anwürfen geschmäht.55 Auch die in Großbritannien fälligen Parlamentsdebatten über die Bewilligung von Mitgift und Aussteuer waren durchaus kontrovers und gaben Anlass für eine unabhängige öffentliche Debatte. Doch die Heirat von 1858 hielt, was ihre Vorgängerinnen versprachen, und selbst die größten Gegner in Großbritannien verstummten am Vermählungstag. Bei der Presseberichterstattung über den Hochzeitstag klärte sich die Stimmung. Die Berichte verlängerten wieder die Inszenierungen in Stadt und Schloss und vermittelten eine glatte Oberfläche, welche lediglich durch Freudenrufe und Tränen gekräuselt werden konnte. Selbst ein Mitarbeiter der vorher 54 Der Einzug, in: Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten ­Sachen, Nr. 96, 26.2.1881; Abendausgabe. 55 Siehe dazu Kapitel 4.3.

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Abb. 4: Der Potsdamer Platz bei der Hochzeit der Kaisertochter Viktoria Luise mit Ernst August von Cumberland im Jahr 1913, Fotografie (akg-images, Nr. 5-B1-D2-1913-5).

so kritischen »The Times« wandte sich ehrerbietig an das Lord Chamberlain’s Office um einen Platz auf einer Zuschauertribüne zu ergattern. »The Times« schrieb anlässlich der Einsegnung der Ehe in der Chapel Royal des St. James Palace: »Yesterday morning, … we all … assembled to witness a scene dear to the imagination of all from the cottages to the throne, from the nursery – ay, even to the deathbed. We saw the firstborn Princess of a very great realm by the side of the good and true hearted Prince who, having early regarded her opening graces and virtues, was now carrying her away to share his future throne.«56 Kritik wurde im Angesicht des Ereignisses lediglich an der Tatsache geübt, dass die Engländer, anders als die Preußen, keine Gelegenheit bekommen hatten, dem Paar bei einer öffentlichen Zeremonie Beweise ihrer Zuneigung zu bringen. Weniger positiv fielen allerdings die Berichte über den Einzug des jungen Paares in Preußen in der »Morning Post« aus, wo sich der Reporter über die grimmige 56 The Times, 3.2.1858.

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Kälte, die schlechte Behandlung der Presse-Vertreter und das Meer von künstlichen Blumen Unter den Linden erboste, die ebenso wenig mit echten zu verwechseln seien wie die mit stämmigen Beinen ausgestatteten Tänzerinnen der Staatsoper mit echten Feen.57 In Preußen setzte – wie Martin Kohlrausch herausgearbeitet hat – um 1900 ein grundlegender Wandel in der Medienlandschaft und ihrem Verhältnis zur Monarchie ein.58 Das machte sich schon bei der Kronprinzenheirat von 1905 bemerkbar, bei der sogar einige bürgerliche Blätter Kritik wagten. Zwar gab es nach wie vor die affirmativen Deutungen der monarchietreuen Presse, die betonte, Preußen sei »nicht groß geworden ohne seine Dynastie, und seine Dynastie konnte nicht mächtig und groß werden ohne das Volk, das ihr festes Fun­dament ist«.59 Doch es wurden auch andere Stimmen laut. Im »Berliner Tageblatt« erinnerte man am Einzugstag an »Notstände in unserem Vaterland«, derer sich die neue Kronprinzessin annehmen möge. Gemeint war die unterdrückte Stellung der Frauen in Preußen. Die Kronprinzessin möge allen Frauen ein Vorbild sein, welche »den Drang haben, Persönlichkeiten zu werden, die als vollwertige Gefährtinnen an des Mannes Seite treten wollen«.60 Die selbe Zeitung erlaubte sich ein erschöpftes »Uff – !«, nachdem die Feierlichkeiten vorbei waren.61 Noch weiter ging der sozialdemokratische »Vorwärts«, in dessen Berichterstattung sich beißender Spott und fundamentale Kritik am kaiser­lichen Pomp mischten. Doch erst am Vorabend des Ersten Weltkrieges wurde in Preußen heftige öffentliche Kritik anlässlich dynastischer Feste laut. Zwar schwelgten auch angesichts der Heirat von 1913, die mit einer neuen, Farbeffekte erzeugenden Kameratechnik gefilmt wurde, die kaisertreuen Blätter noch in Liebe und Treue, zwar fehlte es nicht an Berlinern, welche zu Tausenden die Straßen säumten und jubelten. Doch am linken Rand des Meinungsspektrums hatte man wohl den Eindruck, dass eine Kritik der Heirat, eben weil diese Anlässe der umfassenden Harmonie bedurften, ein besonders geeignetes Mittel waren, um das kaiserliche Regime zu treffen. So wurde in der »Frankfurter Zeitung« die Wirkung des Festes kritisch hinterfragt: »Unter den hunderttausend Zuschauern waren sicher tausende, die bei der Lektüre des Budgetkommissionsberichts mit der Faust auf den Tisch schlugen und schrieen, natürlich sei die teure Garde nur Spielzeug und diese drohnenhafte Adelsclique müsse ausgeräuchert werden. Aber jetzt unter den Linden, im Sonnenschein, bestaunten sie freudigen Auges diese Garde, kennen jedes Regiment und seine Geschichte, sind stolz, haben das Gefühl des Mitbesitzes und schreien Hurra!, so oft ein

57 Royal Marriage Festivities in Prussia, in: The Morning Post, 11.2.1858. 58 Kohlrausch, Der Monarch im Skandal, S. 45–83. 59 Berlin und die Hohenzollern, in: Vossische Zeitung, 4.6.1905, Morgenausgabe. 60 Gruss an die Kronprinzessin, in: 1. Beiblatt des Berliner Tageblatts, 3.6.1905. 61 Uff-!, in: ebd., 6.6.1905, Morgenausgabe.

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Ueberströmender oder ein Spaßvogel damit anfängt. Ich glaube nicht, daß all diese Begeisterten Monarchisten sind, aber alle sind sie anbiedernde Kenner dieses vorzüglich einstudierten militärisch-dynastischen Schauspiels.«62

Noch in dieser beißenden Kritik wird deutlich, wie stark zumindest die momentane Wirkung dynastischer Feste auf die Bevölkerung war. Der »Vorwärts« spielte bei der Festkritik eine Vorreiterrolle und trat den dynastischen Inszenierungen mit Verachtung entgegen. In spöttischen Reimen kritisierte er nicht nur die Dynastien, sondern auch den öffentlichen Zuspruch, den er zutreffend als Bedingung ihrer Herrschaft verstand: »Denn dieses findet kaum Bestreitung: / Ein Ferscht mitsamt Lakaienstaat / Verliert an jeglicher Bedeutung, / Wenn ihn kein Mensch mehr anhurrat.«63 Der Gleichklang zwischen Herrschenden und Beherrschten wurde im »Vorwärts« bewusst torpediert: »Wie ganz anders als in der mädchenhaften Phantasie stellt sich die Ehe dar, wenn die Familie sich vermehrt; und wenn bei den theuren Zeiten die Mäuler gestopft werden müssen.«64 Das gelte nicht für gekrönte Häupter, die mit dem Geld ihrer Untertanen ein prunkvolles Leben führen könnten. Die Begeisterung für die Fürsten sei eine »Blamage«,65 ein Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse. Der Verweis auf den krassen Unterschied zwischen dem Reichtum des Kaiserhauses und der Armut der Arbeiterklasse bestimmte die Bericht­ erstattung; nicht immer wurde er so ironisch vorgetragen wie in jenem kleinen Reim angesichts der Ausstellung der Hochzeitsgeschenke: »Ja, dort bestaunst Du feinster Güte,/O Mensch, von Ehrfurcht überhaucht,/Was solch ein fürst­ liches Geblüte/An seidnen Unterhöschen braucht!!«66 Hauptzielscheibe der Kritik bei der Hohenzollernheirat von 1913 war der Zar: »Es ist ein Zeichen des Verfalls der bürgerlichen Kultur, daß dieser Herrscher nach der blutigen Niederwerfung der Revolution von den Staatsoberhäuptern und Politikern der kapitalistischen Welt mit offenen Armen aufgenommen wurde, und seitdem eine beherrschende Rolle in der internationalen Politik spielt.«67 Doch auch andere Gäste waren nicht wohl gelitten. Anlässlich eines öffentlichen Auftritts des Herzogs von Cumberland wurde von einem tragischen Zwischenfall berichtet, bei dem dessen Automobil einen zwölfjährigen Jungen »mit dem Schmutzfänger« erfasste und schwer verletzte. »In der Familie Cumberland scheint das Automobil überhaupt eine verhängnisvolle Rolle zu spielen. Gestern erst war der Todestag des Prinzen Georg Wilhelm von Braunschweig, der bei Friesack (…) tödlich verunglückte. Und bei den Verlobungsfeierlichkeiten in Homburg wurde durch das Automobil des 62 Ulrich Rauscher, Prinzessinnen-Hochzeit. Anmerkungen, in: Frankfurter Zeitung, 24.5. 1913, Abendausgabe. 63 Humor und Satire: Spalier, in: Vorwärts, 23.5.1913. 64 Berliner Nachrichten: Hochzeit im Schloss, in: ebd., 25.5.1913. 65 Hochzeit, in: Beilage zum Vorwärts, 26.5.1913. 66 Humor und Satire: Hochzeitsausstellung, in: Vorwärts, 28.5.1913. 67 Der Zar in Berlin, in: Vorwärts, 22.5.1913.

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Prinzen Ernst August ein Knabe tödlich verletzt.«68 Für den »Vorwärts« stellten sich beide hohe Gäste des Familienfestes als zweifelhaft dar: Der Zar wird als »der Mann« bezeichnet, »dem der Fluch der in den russischen Kerkern Schmachtenden nachschalle«, der Herzog von Cumberland als ein rücksichtsloser Automobilist beschrieben.69 »Welch ein Segen«, seufzte der »Vorwärts«, »daß Wilhelm II. nur eine Tochter hat und nicht noch irgendein anderes Fürstenhaus außer den Cumberländern versöhnt werden muß«.70 Am Anfang des 20.  Jahrhunderts war mediale Berichterstattung in Preußen also nicht mehr ausschließlich Verlängerung der dynastischen Inszenierung, auch nicht mehr monarchietreue und untertänige Ausdeutung, sondern konnte schon Ausdruck einer Gegenöffentlichkeit sein. So lassen sich in der dreiaktigen Gesamtinszenierung von Hochzeitsfesten verschiedene Ebenen von Öffentlichkeit unterscheiden, die allerdings nicht in die Habermasschen Idealtypen von »repräsentativer« und »bürgerlicher Öffentlichkeit« einzupassen sind. Im engsten Zirkel versammelten sich die »hohen und höchsten Gäste«, welche bei den Festsequenzen der Trauung und den »divertissements« aktiv beteiligt waren. Diesen engsten Zirkel bezeichnet Habermas als »repräsentative Öffentlichkeit«. Die symbolischen Interaktionen im innersten Kreis waren jedoch, wie schon die Schilderungen von Verhandlungen über Hochzeitsfeiern gezeigt haben, von inneren Konflikten und divergierenden Ansprüchen geprägt. Die Öffentlichkeit der »hohen und höchsten Gäste« erfüllte also nur bedingt die Funktion einer getreulichen symbolischen Abbildung und damit Perpetuierung der bestehenden Ordnung, sondern präsentierte vielmehr einen im Vorfeld ausgehandelten Kompromiss aus den Darstellungsbedürfnissen der Beteiligten. An der Peripherie des innersten Kreises findet sich die weitere Öffentlichkeit der Hoffähigen, welche durch Anwesenheit, aber nicht durch aktive Teilnahme gekennzeichnet war. Schon früh, bereits im 17.  Jahrhundert, wurden die Vorgänge im innersten und im weiteren Zirkel der Fest­ öffentlichkeit durch mediale Berichterstattung wiedergegeben und gedeutet. Dieses Medienecho stand unter höfischer Kontrolle, aber allein schon aufgrund der Tatsache, dass verschiedene Höfe dazu beitragen konnten, entstanden Vielfalt und Dissonanzen, die ebenfalls der Vorstellung von »repräsentativer Öffentlichkeit« widersprachen. Gegen die Habermasschen Kategorien spricht aber vor allem die Konfiguration von Öffentlichkeit, die in der Beteiligung der Untertanen entstand. Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert bewegte sich die Mitwirkung der Stadtbürger, die auch im sozialgeschichtlichen Sinne unterbürgerliche Schichten umfasste, im Spannungsfeld zwischen Huldigung und Selbstdarstellung. Ohne Zweifel war die Tatsache, dass die Untertanen am Zug teilnahmen oder am Straßenrand standen und jubelten, Ehrenpforten bauten und Häuser illuminierten, Druck68 Ein Opfer des Festtrubels, in: ebd., 23.5.1913. 69 Aus aller Welt: Des Zaren Blutrichter; in: ebd., 22.5.1913. 70 Hochzeit, in: Beilage des Vorwärts, 26.5.1913.

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schriften und Gelegenheitsgedichte verfassten eine Form der Akklamation. Ihre huldigenden Beiträge erlaubten es ihnen aber zum anderen, bürgerliches und städtisches, später sogar proletarisches Selbstbewusstsein, Kunstverstand und Leistungsbereitschaft unter Beweis zu stellen und somit ihre Anwesenheit bei den Festen zu eigenen Zwecken zu nutzen. Insofern entspricht die Anwesenheit der Stadtbürger beim Fest und ihre mediale Betätigung weder einer »bürgerlichen« Öffentlichkeit« im Habermasschen Sinne – denn sie hat keinerlei kritischen Impuls – noch einer »repräsentativen Öffentlichkeit«, deren Absichten sie zwar durchaus nicht widerspricht, die aber den Eliten vorbehalten ist. Erst am Ende des 19. und verstärkt zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwuchs aus vorsichtiger stadtbürgerlicher Umdeutung der Huldigung eine distanzierte und kritische Öffentlichkeit. Zwar waren die Berliner Straßen bei königlichen Hochzeiten bis zum Ersten Weltkrieg voll von jubelnden Bürgern, und die Zuschauer nahmen die gewünschten Rollen ein; doch entwickelt sich ein kleiner Teil der medialen Berichterstattung zur Gegenöffentlichkeit. Erst dann gilt der Satz, den Richard Alewyn auf das Ende des höfischen Barockfestes gemünzt hat: »Wenn im strahlendsten Fest jäh die Türen auffliegen, ist es nur der Bürger, der hereintritt und die Fackel löscht, weil vor den Fenstern ein fahler Morgen erwacht ist.«71 Doch lange Zeit hat der Bürger die Fackel nicht gelöscht, sondern sich vielmehr in ihrem hellen Schein gesonnt.

5.2 Zeichen der Verbundenheit »Heyrath macht Friede« heißt der Titel eines »Trauer-Freuden-Spiel[s]« des sächsischen Hofdichters David Elias Heidenreich.72 Tatsächlich dienten die Dekorationen und rituellen Handlungen einer Fürstenhochzeit nicht nur der Darstellung und Bestätigung des Verhältnisses zwischen Fürst und Untertanen und auch nicht nur der Selbstdarstellung der Mächtigen vor anderen Monarchen, sondern sie versinnbildlichten auch Bindungen und Beziehungen zwischen zwei Dynastien und ihren Ländern. Wie waren die symbolischen Konstruktionen und Rituale beschaffen, welche zur Gestaltung politischer Beziehungen oder zur Bekräftigung diplomatischer Akte eingesetzt wurden? Zu den Symbolen der Verbundenheit, welche in die Kontexte verschiedener Festsequenzen und Öffentlichkeitsformationen einzuordnen sind, gehörten zunächst bestimmte Formen der Festdekoration. Ein schon im Mittelalter und bis ins 19.  Jahrhundert vorzufindendes Symbol für familiäre Verbundenheit war das Allianzwappen, bei dem die heraldischen Zeichen beider beteiligten Häuser miteinander verbunden wurden. Insbesondere Schleifen, Ketten und Bänder waren gebräuchlich, um die Verbindung zu versinnbildlichen. So gab 71 Alewyn, S. 17. 72 Heidenreich.

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es bei der preußisch-hannoverschen Heirat von 1706 in Spandau eine Ehrenpforte, auf der die Namen des Ehepaars »gar artig durcheinander verschlungen« dargestellt wurden, weiterhin einen »Adler und ein weißes Pferd/davon jener eine Kette am Halse hatte/mit welcher des weissen Rosses Zaum verknüpfet war«.73 Bei der preußisch-schwedischen Heirat von 1744 wurden bei einer Illumination des Stadtpalastes des schwedischen Botschafters die Waffen Schwe­ dens und Preußens sowie die verschlungenen Monogramme von Prinz und Prinzessin abgebildet.74 Anlässlich der britisch-preußischen Heirat von 1791 wird von einem »transparente[n] Gemählde« berichtet, »in welchen am erstern Tage die Genius von England und von Preussen, auf die Wappen dieser beiden Reiche gestützt, auf dem Altar Hymens ein Opfer brachten, über welchem die Göttin Fama die Namen Friedrich und Friederike vereinigte«.75 Ähnlich wie durch die Allianzwappen wurde auch durch das Nebeneinander der Staats­flaggen der beiden Länder ein Zeichen der Verbundenheit gesetzt. Ein Bericht über die Kronprinzenheirat von 1905 beschreibt die Berliner Feststraße: »Die Masten tragen wechselweise Banner in mecklenburgischen Farben mit dem Landeswappen, in den deutschen Farben mit dem Reichsadler und in Purpurfarben mit dem Namenszuge des Kronprinzenpaares.«76 Ein Zeitungs­ bericht über die preußisch-hannoverschen Heirat von 1913 streicht die Wirkung einer ähnlichen Dekoration und den Verweis auf eine Außenbindung heraus: »Gmunden in Sonnenglanz und Fahnenschmuck! (…) Unsere stolzen gelbweißen Fahnen beherrschen naturgemäß das Stadtbild. … Und in ritterlicher Huldigung vor der hohen Braut wehen hier und dort auch die schwarzweißen Fahnen im Winde – wohl zum ersten Mal am Gestade des Traunsees.«77 Zusammengehörigkeit wurde darüber hinaus durch die Aufnahme von weiteren Symbolen der anderen Familie oder des anderen Landes ins Zeichenprogramm signalisiert. So wurde gleichsam die Integration des Anderen im Eigenen zu einem Symbol der guten Beziehungen. Im Jahr 1744, bei der preußisch-schwedischen Vermählung, hatte die Braut ihre Diener in schwedische Livréen kleiden lassen.78 Bei der preußisch-oranischen Feier von 1767 präsentierte sich »vor dem Potsdammerthor (…) die hiesige löbl. Schützengülde zu Pferde, mit OrangeBändern an den Hüten«.79 1823 empfing die bayerische Prinzessin eine »Ehrengarde junger Studirender in einer der Baierischen ähnlichen Uniform«.80 1858 wurde beim Einzug der britischen Braut Victoria direkt hinter dem Brandenburger Tor ein Bereich abgesperrt, in dem sich die in Berlin befindlichen Eng73 Die Große Preußisch- und Lüneburgische Vermählungs-Freude, S. 33. 74 Bielfeld, S. 157. 75 Berlin, vom 4. Oktober, in: Berlinische Nachrichten, 4.10.1791. 76 Die Feststraße, in: Berliner Tageblatt, 3.6.1905. 77 Deutsche Volkszeitung, 1.3.1913, zit. nach: Konrich, S. 23. 78 Bielfeld, S. 151. 79 Berlin, vom 13. October, in: Berlinische Nachrichten, 13.10.1767. 80 Beschreibung der Feierlichkeiten, S. 29.

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länder versammeln sollten. 1881, bei der Vermählung des späteren Wilhelm II., begann die Via triumphalis für die Braut »mit einem Festmonument, errichtet im Angesicht von Bellevue von den Provinzialständen Schleswig-Holsteins, es war eine keck anstrebende Pyramide, aus grün umwundenen Pfeilern, von buntem Fahnenschmuck umspielt und die Wappen der Städte von Schleswig Holstein in reicher Entfaltung zeigend«.81 Ein häufig gewähltes Mittel war auch das Tragen von Uniformen des jeweils anderen Landes. 1913 erschien etwa der Prinz Ernst August »in der ­schmucken Uniform der Zieten-Husaren«.82 Bei der gleichen Gelegenheit trug der König von Großbritannien »preußische Generaluniform mit dem Abzeichen des Generalfeldmarschalls, der Kaiser die Uniform der Royal Dragons mit dem Hosen­ bandorden. Der Kronprinz hatte die Uniform des elften britischen Husaren­ regiments angelegt«.83 Doch ebenso wie die Symbole der Verbundenheit und die zahlreichen gegenseitigen Verweise waren bestimmte Sequenzen des Zeremoniells geeignet, Verbindungen und Beziehungen zu versinnbildlichen. In diesem Kontext ist gewiss zuerst an die Zeremonien des Trauungstages zu denken. Einsegnung mit priesterlicher Weihe und Ringtausch, gemeinsames Mahl, Fackeltanz und Hochzeitsnacht waren allesamt rituelle Elemente, welche die Bindung zwischen zwei Menschen, aber auch zwischen zwei Familien symbolisierten. In gewissem Sinne ist auch die Gesamtanlage des sich über viele Wochen hinziehenden Festzyklus’ einer Fürstenhochzeit als Inszenierung grenzüberschreitender Bindung zu interpretieren. Hochzeitsfeste begannen für gewöhnlich in der Residenz der Braut. Dort konnten Verlobungsfeierlichkeiten oder eine Ehe per procurationem stattfinden, immer aber wurden Abschiedsrituale abgehalten, deren Höhepunkt der Auszug der Braut war. Die Brautfahrt führte in die Residenz des Bräutigams, doch auch der Weg dorthin wurde mit einer Kette von Zeremonien und Festlichkeiten gestaltet. Jede Festung und jede Stadt an der Reiseroute trug durch aufwendige Inszenierungen dazu bei, die neue familiäre Verbindung als Bewegung im Raum sichtbar zu machen. Der Einzug der Braut in ihre neue Residenz, die Einsegnung und die darauf folgenden divertissements bildeten den Abschluss und Höhepunkt dieser gemeinsamen Feier zweier Dynastien, die auch ihre Gäste sowie ihre jeweiligen Untertanen einschloss. Die Anreise der Gäste zu den Festen, welche ihrerseits durch Zeremonien markiert wurden, weitete die räumliche Erstreckung der Festinzenierung noch weiter aus. Sie unterstrich ihren verbindenden Charakter. Brautfahrten, die im Kern der Bindungsinszenierung standen, sind in jüngerer Zeit mehrfach von Historikern bearbeitet worden.84 Besonders nachhal81 Die Vermählungsfeier in Berlin, II. der Einzug der Prinzessin Braut in Berlin, in: Illustrierte Zeitung. Die Vermählungsfeier in Berlin, 12.3.1881. 82 Konrich, S. 25 83 Ebd., S. 47 84 Spieß, Unterwegs zu einem fremden Ehemann; Ziwes.

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tig wirkte Abby Zangers Analyse der Heirat Ludwigs XIV. mit der spanischen Infantin Maria Theresia, in der sie die Ent- und Neueinkleidung der Braut an der Grenze als einen Akt der Vereinnahmung des weiblichen Körpers durch die neue Familie interpretiert. Am Körper der Braut vollzieht sich symbolisch die Eingemeindung in eine neue kulturelle Welt.85 Diese die Alterität zwischen Familien betonende Lesart ist kürzlich in einer Szene von Sophia Coppolas Film »Marie Antoinette« einem breiten Publikum präsentiert worden. Doch abgesehen davon, dass die Umkleidung der Braut an der Grenze eine Eigen­ heit des französischen Heiratsritus und im nördlichen Europa unüblich war, erfasst Zangers Deutung auch nur einer Facette des Geschehens. Denn die an der Grenze übergebene Braut war nicht nur das Unterpfand ihrer alten und die Beute ihrer neuen Familie, sondern ein Bindeglied zwischen zwei Monarchen, zwei Familien, ja, sogar zwei Völkern. Wie in Arnold van Genneps Theorie der »Übergangsriten« dargestellt, überlagerten sich hier verschiedene Bedeutungsund Inszenierungsebenen: der Übergang von der ledigen zur verheirateten Frau, der räumliche Übergang über die Staats- und die Residenzgrenze und der Übergang zwischen verschiedenen Beziehungszuständen zwischen den Dynastien.86 In Victor Turners Terminologie wäre hier von einem durch »Liminalität« geprägten Schwellenzustand zu sprechen.87 Bei den Heiraten der Hohenzollern wurden Bräute an der Grenze weder ausnoch um- oder angezogen; ein Einkleidungs- und Krönungsritual für die Braut fand vielmehr am Morgen, ein Entkleidungsritual am Abend des Trauungs­ tages statt. So fungierte die Grenze gleichzeitig als Trennlinie wie als Kontaktzone zwischen den Herrschaftsräumen zweier Dynastien. Der Grenzübertritt wurde im ersteren Sinne als Übergabe der Braut inszeniert. Es war der Punkt, an dem Vertreter der Herkunftsfamilie die Braut abgaben und Vertreter der neuen Familie die Braut in Empfang nahmen; gleichzeitig wurde hier die Wandlung der Braut von einem Mitglied der einen zu einem Mitglied der anderen Familie symbolisch vorweggenommen. Als signifikantes und gut dokumentiertes Beispiel für diese Vermischung von Abschied, Willkommen und Transformation kann ein Auszug aus einer Beschreibung der Heirat der Sophie Dorothea von Hannover mit Kronprinz Friedrich Wilhelm, dem späteren Soldaten­könig dienen. Beim Abschied aus Hannover im Winter 1706 wurde »die gantze Stadt empfindlich gerühret … / so / daß ein jeder bey solcher Abreise Dieselbe nochmahls zu sehen größtes Verlangen truge.«88 Die Braut überquerte anschließend die durch einen Erdhügel gekennzeichnete lüneburgisch-brandenburgische Grenze bei Brome. Nach dem Abschied vom heimatlichen Gefolge rollte ihre Kutsche allein weiter und verweilte einige Augenblicke im Niemandsland.

85 Views from the Border, in: Zanger, S. 68–97. 86 Gennep, S. 25–33. 87 Turner, Liminalität und Communitas. 88 Die große Preußisch- und Lüneburgische Vermählungs-Freude, S. 21.

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Der Festbericht betont die Gleichzeitigkeit von »zwey widrige Actus, nemlich eine Bewillkommnung und ein Abschied« und die davon ausgelöste emotionalen Vorgänge: »Auf einer Seite erregte die höchst-glückliche Ankunft dieser vortrefflichen Printzessin eine solche Freude, die die Feder in der Kürtze nicht beschreiben kan. Auf der anderen Seite verursachte der vorstehende Abschied in denen Gemüthern eine schmertzliche Veränderung.«89 Die Übergabe war zunächst eine Inszenierung, welche das Trennende zwischen den beiden Dynastien stärker betonte als ihre guten Beziehungen. Doch der Grenzübertritt bedeutete mehr als Verlust auf der einen und Gewinn auf der anderen Seite; er erzeugte einen Zugewinn auf beiden. Das Nacheinander von Trauer und Freude kann auch als gemeinsames emotionales Erlebnis beider Familien verstanden werden. Darüber hinaus steht der Grenzübertritt für eine Transformation der Braut. Nach dem Überqueren der Grenze habe diese gesagt: »Lasset die Fenster offen/daß mich jedermann siehet/denn ich werde ihre Landesmutter«.90 Weil die neue Rolle als Ehefrau eines zukünftigen Königs die alte als Tochter nicht beendete, erschien hier die Braut – zum ersten Mal in der Inszenierung – als Bindeglied zwischen zwei Familien, deren Vertreter an die Grenze gekommen waren.91 Die Leitmotive von Abschied und Willkommen, von Übergabe, Transformation und Bindung finden sich in vielen der untersuchten hohenzollernschen Heiraten; so etwa bei der preußisch-schwedischen Vermählung von 1744, welche die schmerzhafte Trennung der Braut von der Familie in Szene setzte. Bei einer Theateraufführung im Rahmen der Feierlichkeiten sei der Bruder des Königs, Prinz August Ferdinand, in die Loge der Königsfamilie getreten, habe sich an den Hals der Prinzessin geworfen und weinend beklagt, dass er sie nicht wiedersehen würde. »Les paroles furent un signal donné à la douleur qui étoit renfermée dans tout les cœurs, pour éclater avec la plus grande véhemence. La Princesse ne répondit que par des sanglots en tenant son frère dans ses bras. Les deux Reines ne purent retenir leurs pleurs, les Princes et les Princesses suivirent cet exemple.«92 Die preußisch-niederländische Heirat von 1767 unterschied sich insofern vom gängigen Muster, als hier der Bräutigam zur Heirat in die Residenz der Braut reiste. Dadurch gab es keine Brautfahrt, sondern eine Einholung – also eine gemeinsame Rückreise von Braut und Bräutigam – und dementsprechend 89 Ebd., S. 24. 90 Ebd., S. 24. 91 Ähnliche Aussagen sind von der britischen Prinzessin Victoria aus dem Jahr 1858 überliefert; diese soll nach dem Grenzübertritt geäußert haben: »Ich bin von dem Augenblick an, wo ich die preußische Grenze betrete, eine preußische Prinzessin und thue, was mein Mann thut.« Zit. nach: Die Einzugsfeier in Berlin, S. 31. 92 »Diese Worte waren das Signal, der tiefen Trauer freien Lauf zu lassen, die in allen Herzen eingeschlossen war. Die Prinzessin antwortete mit Schluchzen, wobei sie ihren Bruder in den Armen hielt. Die zwei Königinnen konnten ihre Tränen nicht zurückhalten und die Prinzen und Prinzessinnen folgten diesem Beispiel.« Bielfeld, S. 159 f.

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auch keine Übergabe der Braut an der Grenze. Das gemeinsam reisende Paar wurde in Berlin und Magdeburg verabschiedet, ein erstes Willkommen fand an der niederländischen Grenze bei Loo statt, wo auch Wilhelmines zukünftiger Hofstaat auf sie wartete. Feierliche Entrées wurden in Utrecht und Den Haag veranstaltet. Auch wenn bei einer solchen Konstellation die emotionale Transformation nicht in der gleichen Dichte inszeniert werden konnte, findet sich die angesprochene Abfolge von Trauer und Freude. Beim »zärt­lichen Abschied« haben sich, so die »Berlinischen Nachrichten«, Liebe, Ehrfurcht und »nur durch ungezweifelte frohe Hoffnungen gelinderte[r] Schmerz«93 gemischt. Friedrich II. schildert seine Emotionen in einem Brief an seine Nichte: »Je vous avoue que j’ai été très sensible à votre départ, vous êtes la vive image de ce digne enfant que j’ai pleuré et que je pleure encore. Je serais encore bien plus sensible à cette séparation, si je n’étais persuadé que vous serez heureuse.«94 Der mit­reisende Sekretär des niederländischen Erbstatthalters de Larrey berichtete Friedrich  II. von der Transformation der emotionalen Situation beim Grenzübertritt. Die Prinzessin sei bei ihrem Eintritt in die Republik von den Beifallsbekundungen einer großen Menge empfangen worden, welche der Ausdruck purer Freude gewesen seien.95 In dieser Konstellation war die bindende Wirkung weniger deutlich, aber dennoch vorhanden. Brautfahrt und gemeinsame Grenze fehlten auch im Festverlauf der Doppelhochzeit von 1791, bei der ebenfalls die Bräutigame nach Berlin gereist waren. Die symbolischen Aussagen über grenzüberschreitende Familienverbindungen waren daher den 1767 durchgeführten ähnlich. Die preußisch-britischen Heiraten waren allerdings häufig mit einer Dramatisierung der Überfahrt über den Kanal verbunden, welche die negative Gefühlslage des Abschieds verstärkte: »Madame la Duchesse  a beaucoup souffert du passage qui  a été plus de neuf heures, elles s’est evanuie peu de tems avant que le paquebot touchat terre et il a fallu la porter jusqu’à l’auberge.«96 Auch schon ihre Vorfahrin Prinzessin Ulrike auf dem Weg über die Ostsee nach Schweden hatte eine stürmische Überfahrt durchlitten, wie der Botschafter Tessin in einem Brief berichtet. Die Mühen der Reise verlängerten die Schmerzen des Abschieds und verstärkten die Freude von Ankunft und Empfang.97 93 Berlin, vom 13. Oktober, in: Berlinische Nachrichten, 13.10.1767. 94 »Ich gebe zu, dass mich ihre Abreise sehr berührt hat. Sie sind das lebendige Bild eines würdigen Kindes, um das ich geweint habe und noch weine. Die Trennung hätte mich noch stärker getroffen, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass Sie glücklich sein werden.« Friedrich II. an Prinzessin Wilhelmine, 14.10.1767, in: Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Bd. 26: 1767, Berlin 1900, S. 267. 95 Larrey an Friedrich II., 27.10.1767, GStA PK, BPH, Rep. 56, I W 5. 96 »Die Herzogin litt sehr unter der Überfahrt, die mehr als neun Stunden dauerte. Sie verlor wenige Augenblicke, nachdem das Schiff an Land anlegte, das Bewusstsein und musste zur Herberge getragen werden.« Redern an Friedrich Wilhelm II., o.D, GStA PK, HA I, Rep. 96, Nr. 150 G, Bl. 187, Bl. 23. 97 Tessin an Rudenschiöld (Abschrift), 9.4.1744, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 86.

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Wesentlich plakativer fiel die Bindungsinzenierung im Sommer 1817, bei der Brautfahrt der preußischen Prinzessin Charlotte nach Sankt-Petersburg aus. Der Grenzübertritt erfolgte in der Nähe der ostpreußischen Stadt Memel. Bevor die Braut unter Tränen den Schlagbaum passierte, hatte schon ihr Bräutigam, der russische Großfürst, seinen Fuß auf preußischen Boden gesetzt und das dort in Parade aufgestellte preußische Dragoner-Regiment mit einem kernigen »Guten Morgen Preußen!«98 begrüßt. Ein Zeitungsbericht über dasselbe Ereignis beschreibt eine noch weitergehende Verbrüderungsszene. Zwar sei den Offizieren beider Seiten das Übertreten der Grenze verboten gewesen, »doch, wie bei Freunden, die sich lange nicht gesehen haben, so auch hier wirkte das magische Band welches die Herzen beider Landesfürsten schon vereint hatte, auf beide Truppen-Abtheilungen, denn in wenig Augenblicken waren die russischen Truppen bei uns und beide Kommandos zu einem verschmolzen. Man sah überall nichts als Händedruck und Herzlichkeit«.99 Hier wird also die durch die Transformation der Braut symbolisierte Bindungswirkung durch plakative Verbrüderungsszenen verstärkt. Die Bindungs­ symbolik der Grenzüber­schreitung ist in allen angeführten Beispielen nur allzu deutlich. Im 19. Jahrhundert überlagerten sich die Inszenierungen der Hauptfiguren an der Grenze mit den Deutungen bürgerlicher Beobachter. Ein 1817 vom Königsberger Magistrat an die Braut Charlotte überreichtes Gedicht lautete: »Denn hier ist’s, wo sich nah die Marken scheiden/des Vaterlandes, das noch sein Dich nennt,/und unsers Nachbarvolkes, das vor Freuden,/Dich sein zu nennen hoffend jetzt entbrennt./So stehest Du verbindend zwischen beiden,/Und nimmer wird, was Du vereint, getrennt.«100 Bewegung im Raum wurde hier zum Abbild von Vernetzung, und Rituale von Abschied und Willkommen machten die Braut zu einem Bindeglied nicht nur zwischen zwei Familien, sondern sogar zwischen zwei »Nachbarvölkern«. Wenige Jahre später, bei der im Jahr 1823 gefeierten Heirat des Thron­ folgers Friedrich Wilhelm mit Elisabeth von Bayern, erfolgte der Grenzübertitt im oberfränkischen Töpen bei Hof. Hier stand die letzte von bayerischer Seite errichtete Ehrenpforte in Form des Brandenburger Tors. Sie war mit der Aufschrift »Sie sey Elisen die Pforte des Glücks!« versehen und stellte die Kulisse einer Rede des Präsidenten des Ober-Mainkreises, Freiherr von Welden, dar. Er rief Elisabeth das »letzte Lebewohl« zu, »in welches alle Anwesende mit dem tieffsten Gefühle einstimmten. I. K. H. verbargen die Rührung nicht, mit der Sie für dieses Lebewohl dankten, und verließen, mit einem von Allen verstandenen und Allen unvergeßlichen Scheideblick den vaterländischen Boden«. 98 Memel, den 23sten Juni, in: Königlich Privilegierte Berlinische Zeitung, 3.7.1817. 99 Vermischte Nachrichten, in: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 15.7.1817. 100 Königsberg, den 21sten Juni, in: Erste Beilage zum 80sten Stück der Königlich Privilegierten Berlinischen Zeitung von 1817, 5.7.1817

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Abb. 5: Einzug der Braut Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein durch das Brandenburger Tor im Jahr 1881, Zeichnung (akg-images, Nr. 1-V6-E1881-1).

Wenige Kilometer weiter nördlich lag das Örtchen Ziegenrück, Teil  einer bei Neustadt gelegenen preußischen Exklave. Seine Einwohner traf »das beneidenswerthe Glück, der erhabenen Gemahlin unsers Durchl. Kronprinzen den ersten Gruß Preußischer Unterthanen zu bringen. I. K. H. geruheten ein Gedicht von ihnen anzunehmen«.101 Hier zeigte sich erneut – und nicht zum letzten Mal – das vertraute Muster von Abschied und Willkommen, der Akzent hatte sich jedoch verschoben: Die Bindung zwischen zwei hohen Familien war jetzt Anlass zum gegenseitigen Bezug zweier Untertanenverbände. Die Empfindungen der Zuschauer beim Grenzübertritt der Braut rückten zunehmend ins Blickfeld der Berichterstattung. So war es nicht nur die Trauungszeremonie, eingebettet in Bindungsrituale vom Ringtausch, über Mahl und Tanz bis zur körperlichen Vereinigung der Brautleute, welche die Absicht zweier Dynastien zum Ausdruck brachte, sich durch ein neues Band zu einen, sondern auch Zeichen und rituelle Handlungen in allen anderen Sequenzen des Festverlaufes. Das deutlichste Beispiel dafür waren die im Wortsinne »liminalen« Inzenierungen von Grenzübertritten. Im Verlauf der Zeit verschoben sich allerdings die Akzente: Während am Anfang des 18. Jahrhunderts der Fokus der Berichte auf den aus dem höfischen Kontext stammenden Hauptakteuren und ihren Beziehungen ruhte, wurden im 19. Jahr101 Beschreibung der Feierlichkeiten, S. 10 f.

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hundert die bürgerlichen Betrachter immer wichtiger. In ihren Darstellungen entstand der Eindruck, dass aus Familienverbindungen Brücken zwischen Völkern entstehen könnten.

5.3 Liebe und Frieden Doch die Zeichen und rituellen Handlungen der Verbundenheit waren nur eines der Leitmotive der Inszenierung außenpolitischer Beziehungen, ein anderes die mit Ehe und Verwandtschaft einhergehenden Gefühlsäußerungen, die als politisches Signal eingesetzt werden konnten. »Liebe« war ein politisches Schlagwort. Die »neue« Politikgeschichte hat auf die fundamentale Bedeutung von Emotionen für politische Vorgänge hingewiesen.102 Am Beispiel der »Gefühlspolitik« Friedrichs II. hat Ute Frevert die Wechselwirkungen zwischen den emotionalen Inszenierungen und Gesten eines Königs im weiteren Rahmen einer spezifischen Gefühlskultur und der Reaktionen seiner Untertanen herausgearbeitet.103 Die Zusammenhänge zwischen Gefühlsdiskursen, politischer Inszenierung und öffentlicher Rezeption soll im Folgenden von den Barockfesten des späten 17. Jahrhunderts bis zu den Feiern am Vorabend des Ersten Weltkriegs untersucht werden. Dabei steht die These im Mittelpunkt, dass einerseits die sich wandelnden Öffentlichkeiten des Festes, andererseits eine Transformation der Liebessemantik zu Veränderungen in der Darstellung von Liebe und Frieden führten. In der Festkultur des Barock stellten Venus, Hymen und Mars in allego­ rischer Weise die Überwindung des Krieges durch die Liebe dar. Solche Darstellungen waren allgemeingültig und ließen sich auf alle Heiraten übertragen. Erst in den 1790er Jahren finden sich erste Anzeichen eines neuen öffentlichen Diskurses über die Liebe und Frieden in der Fürstenheirat. In dieser Zeit rückt die emotionale Bindung eines konkreten Paares, seine persönliche Annäherung und Bindung in den Fokus der Aufmerksamkeit. Die Liebesheirat wird nicht nur innerhalb der fürstlichen Familien zu einem Ideal, sondern auch für die Wahrnehmung fürstlicher Paare in der Öffentlichkeit. Die Gefühlsbindung des Paares strahlte gleichsam aus: Sie stand für harmonische Beziehungen zwischen zwei fürstlichen Familien und sogar zwischen deren zwei Völkern. So wurden Heiraten als Feste der Liebe zwischen Völkern inszeniert. Liebe und ihre politische Bedeutung waren im Barock vor allem ein zentrales Thema in den »divertissements«. In Maskeraden, Theater- und Opernauffüh102 Zur Rolle von Gefühlen in der Politik: Aschmann; Frevert, Vertrauen; Passerini u. Geppert; Siegrist. 103 Zu den »gefühlspolitischen Praktiken« s. Frevert, Gefühlspolitik, S.  51–73; zur Rezeption S. 74–114.

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rungen, im Ballett und im Feuerwerk wurden Gefühle in allegorischer Weise aufgegriffen. Die Komplementärfiguren Mars und Venus fanden sich in vielen der Inszenierungen, deren Inhalte wir dank der überlieferten Libretti kennen. Ihre Darstellung bei den Hochzeitsfeiern stehen in der Tradition der seit den 1670er Jahren einsetzenden Glorifizierung des Großen Kurfürsten als Kriegshelden, die Preußens in Wirklichkeit noch bescheidene militärische Potenz propagandistisch überhöhte.104 Das früheste Beispiel, das hier besprochen werden kann, stammt aus dem Jahr 1684. Es handelt sich um ein Ballett des Hof-Tanzmeisters Louis Dubreuil anlässlich der zweiten Heirat des Kurfürsten und späteren Königs Friedrich I. In der Aufführung tritt Mars auf, um den mächtigen Kurfürsten Friedrich Wilhelm zu sehen, dessen Kriegsglück ihn von Sieg zu Sieg eilen lässt. Mars muss aber feststellen, dass das Land dank dieses Fürsten »jetzo überall (…) sanft in Friedens-Armen lieget«.105 Merkur setzt den Kriegsgott davon in Kenntnis, dass seine Zeit vorüber ist: »Halt Mars, bey Zeit halt ein: Hör mich so dirs blieb’t: / Wiß/daß der Held / der uns den Frieden beygefüget / Dir heut von hier zu ziehn / den letzten Abschied giebt.«106 Mars tanzt noch mit einer Gruppe von »Combattanten«, zieht sich dann aber gen Himmel zurück. Das Theater wandelt sich in eine liebliche Landschaft, in der Nymphen die Ankunft der Flora und der Venus verkünden: »So mach’ sich dann des Krieges Greul-Gesichte, / Zum allerletzten Mal von unseren Augen fort / Und der so offt die Ruh der gantzen Welt zernichtte / Wend sich nur imer hin an andre Ort. / Komm’t reicht eure Liebes-Gaben/Amor, Vergnügen / komm’t / entzündt. / Dies irrdsche Göttin /  dies liebreiche Fürsten-Kind/Einem verliebten Printz sein Herz nach Lust zu laben.«107 Bald steigen Bacchus und schließlich die versammelte Götterschar herab, um ein Fest der Liebe zu feiern. Im Rahmen der gleichen Feier kam auch ein Sing- und Tanzspiel des Komponisten Giovanni Battista Farinelli zur Aufführung, das ähnliche Themen behandelte. Venus singt vom Sieg der Liebe über die Braut, die keinen größeren Helden zum Mann hätte finden können. Umgekehrt verliere der Held seine Freiheit an ein »œuvre de la beauté«.108 In einem späteren Bild steigt Venus gemeinsam mit Hymen vom Himmel herab und entfacht bei beiden Brautleuten die Liebe. Der Hochzeitsgott stimmt Venus zu, lobt die Schönheit der Braut, die Qualitäten des Prinzen und seines siegreichen Vaters, der durch Stärke Frieden gestiftet hat, und macht die beiden zu Mann und Frau.109 In ähnlichem Sinne, Liebe und Krieg als Gegenpole darstellend, kommentierte der Zeremonienmeister von Besser in einem Festbericht die Heirat von 104 Hahn, Dynastische Selbstdarstellung und Militärmacht, S. 127 f. 105 Übersetzung der Französischen Versen so zuvor sind gesungen worden, in: Dubreuil. 106 Ebd. 107 Ebd. 108 Farinelli, S. 6. 109 Ebd. S. 9.

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Erbprinz Friedrich von Hessen-Kassel und der brandenburgischen Prinzessin Luise im Jahr 1700: »Mais l’amour de ce grand Prince … n’osoit encore ­éclatter, parceque la Guerre étant encore pour lors dans sa plus grande fureur, S. S. E. étoit ­necessairement obligée … de se trouver à la teste de ses armées.«110 Erst als der Frieden geschlossen war, habe sich der Landgraf ganz der Zärtlichkeit hin­ geben können. Eine Aufführung, bei der achtzig Mitglieder des Hofes, darunter auch die jüngeren Markgrafen von Brandenburg, auftraten, wurde anlässlich der preußisch-kurhannoverschen Heirat von 1706 gegeben. Das Ballett war »Sieg der Schönheit über die Helden« betitelt. In seinem Verlauf wurde »Mars, nachdem er viel Königreich bezwungen/von der Schönheit der Venus (…) besieget und eingenommen«.111 Dieses allegorische Thema wurde auf den Kronprinzen appliziert, der bislang nur seinen »martialischen Neigungen«112 nachgegangen sei, jetzt aber von der »ausbündigsten Gestalt«113 seiner Gemahlin eingenommen und zur Liebe bekehrt worden sei. In den folgenden Aufzügen wird das Leitmotiv variiert und der Sieg der Amphitrite über Neptun, sowie der Sieg der Daphnis über Apollo tänzerisch und sängerisch dargestellt. Im der »Venus Victrix« geweihten Tempel singen die Götter den Schlußchor: »Es mag durch diesen Schönheits-Sieg / Ein Seegens-voller Liebes-Krieg / Mit Euch Vermählten sich vermählen!«114 So personifizierten die allegorischen Götterfiguren des Barockfestes Liebe und Krieg als gegeneinander wirkende Kräfte. Während im Ballett von 1684 der Friede ein Ergebnis des Sieges ist und die Liebe lediglich als die Feier des Friedens erscheint, wird in der Inszenierung von 1706 die Überwindung des Krieges durch die Liebe thematisiert. Der Konnex zwischen Liebe, Ehe und Frieden ist in beiden Festen deutlich. Hier bestätigen sich die in anderen historischen Kontexten gewonnenen Ergebnisse: »Love, marriage and human procreation became emblematic of both domestic and international harmony.«115 Der allgemein geringere Aufwand, der unter den preußischen Königen Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. bei dynastischen Feiern betrieben wurde, wirkte sich auch auf deren Überlieferung aus. Es sind kaum detaillierte Berichte über Feiern zwischen 1713 und 1786 erhalten. Insofern ist es auch schwer zu bestimmen, wie sich das Leitmotiv von Liebe und Politik in dieser Zeit entwickelte. Erst ab dem späten 18. Jahrhundert ist die Überlieferung wieder dich110 »Aber die Liebe dieses großen Fürsten … wagte es noch nicht zu erblühen, denn der Krieg tobte noch mit größter Wut. Seine Exzellenz war daher verpflichtet … an der Spitze seiner Truppen zu stehen.« Mariage de la Princesse Louise de Brandenbourg fille de  S. A. l’Electeur Frédéric III. Relation inacheveé de Mr. De Besser, 1700, GStA PK, BPH, W 45, Nr. 8. 111 Die große Preußisch- und Lüneburgische Vermählungs-Freude, S. 67 f. 112 Ebd., S. 68. 113 Ebd. 114 Ebd., S. 71. 115 Smuts, S. 221 f.

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ter. Die Analyse der reichlich fließenden Quellen aus dieser Zeit zeigt, dass die Thematik von Liebe und Politik mit neuen Akzenten erscheint. Dass 1791, bei der preußisch-niederländisch-britischen Doppelhochzeit, eine Gedenkmedaille geschlagen wurde, auf welcher die zwei Brautpaare und das Motto »Sanguinis & Amore junctis«116 abgebildet waren, ist noch kein Beleg dafür, dass sich der Rekurs auf die Liebe verstärkt oder verändert hatte. Auch ein von Souvenirhändlern und über Zeitungsannoncen vertriebener Fächer, in dessen Mitte Preußen, Großbritannien und Holland »durch die Götter Amor und Hymen am Altare des Friedens verbunden werden«, verweist eher auf die aus dem Barock überlieferte Tradition der Liebes- und Friedensallegorien.117 Neue Themen fanden sich hingegen in den der Braut gewidmeten Gedichten, welche die Zeitungen bei dieser Gelegenheit einrückten. Hier wurde nun nicht mehr nur die Liebe als göttliche Macht besungen, sondern auch das individuelle Liebesband zwischen den Brautleuten. Das Erleben der Liebe, das die Prinzessin »an des Jünglings klopfende(r) Brust« erfuhr, wurde zum Thema. Auch die dritte Auflage von Theodor von Hippels aufklärerisch-emanzipatorischem Traktat »Über die Ehe«, die den beiden preußischen Bräuten jener Doppelheirat gewidmet war, belegt, dass eine neue Zeit begonnen hatte. Sogar ein eigens zu diesem Zweck gereimtes Widmungsgedicht war dem Buch vorangestellt, in dem die »Liebe« zum Leitmotiv und das Ideal der Liebe auf die Königstöchter, aber auch die Untertanen projiziert wird: »Und Eure Völker seh’n entzückt,/Dass auch am Thron die Liebe wohnt.«118 Hippels Text, der anonym erschien (und zunächst fälschlicherweise Lichtenberg zugeschrieben wurde), war der Inbegriff eines neuen Liebes- und Ehedenkens. Dass der Moment einer Fürstenhochzeit genutzt wurde, um solchen Neuerungen öffentliche Aufmerksamkeit zu ver­schaffen, spricht für sich. Diese Rezeption und Ausdeutung korrespondierte mit der inneren Entwicklung der Dynastie, welche Liebesehen wünschte, wenn sie die Strategien des Hauses nicht durchkreuzten. Entsprechend wurde auch im Jahr 1793, bei der Doppelhochzeit des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (III.) und seines jüngeren Bruders Friedrich Ludwig mit zwei mecklenburgischen Prinzessinnen, in einem Festbericht die persönliche Bindung der Eheleute betont: »Nicht von Staatsgründen oder Familien-Verhältnissen, sondern von ihren Herzen wurden sie zwei edlen Fürstentöchtern zugeführt.«119 Doch es war weniger die Heirat als vielmehr die spätere Ehe und das Familienleben von Friedrich Wilhelm und Luise, welche sich als folgenreich erwies. In der öffentlichen Wahrnehmung des Kronprinzen- und Königspaares spielte, wie die wissenschaftliche Literatur über den Luisenkult zeigt, die Liebe eine wichtige Rolle. Die enge Be116 Kunstanzeige, in: Beilage zum 117. Stück der Königlich Privilegierten Berlinischen Zeitung, 29.9.1791. 117 Anzeigenteil, in: Königlich Privilegierte Berlinische Zeitung, 29.9.1791. 118 Hippel. 119 Louisens und Friederikens … Ankunft und Vermählung, S. 11.

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ziehung von König und Königin war Teil der Faszination, welche sie auf die Untertanen ausübten. Die Betonung inniger Bindungen innerhalb der könig­lichen Familie wirkte sich auf die Eheanbahnung von ihren Kindern aus. Sie sollten auch so harmonische Familien gründen wie ihre Eltern. Liebe und Harmonie innerhalb der ersten Familie des Reiches sollten die Grundlage für eine gute Regierung sein. Entsprechend wurden Hochzeitsfeiern zu gefühlsbetonten Inszenierungen, in deren Mittelpunkt die emotionale Paarbindung stand.120 Insbesondere die preußisch-russische Heirat von 1817 und die preußisch-bayerische Heirat von 1823 gerieten zu gefühlsbetonten dynastischen Festen. Zwei Paare wurden hier vom ersten schüchternen Kennenlernen bis zum Traualtar von der Öffentlichkeit begleitet. Nathalie Scholz und Matthijs Lok haben am französischen und niederländischen Beispiel nachgewiesen, dass in der Restaurationszeit Inszenierungen der »Liebe« nicht zuletzt der Abgrenzung von der napoleonischen Herrschaft dienten, die durch die Härte und Kälte revolutionärer Männlichkeit gekennzeichnet gewesen sei. Die Rückkehr »liebender« Herrscherfiguren und die Betonung des Weiblichen konnte so den Beginn einer neuen Ära signalisieren. Die integrierende Wirkung dieser Feiern rechtfertigte den Aufwand.121 Das öffnete den Weg für eine Neubestimmung des Verhältnisses von Liebe und Frieden. In dem Maße, in dem das Volk sich in »Liebe und Treue« an die Dynastie und an einen der Ehepartner band, wurde auch das Liebesband zwischen den Partnern zu einer Angelegenheit der Untertanen. Braut und Bräutigam, in inniger Liebe verbunden, wurden eine symbolische Verkörperung für die Verbindung zweier Häuser und zweier Völker. Darauf wies das Motto einer Ehrenpforte bei der preußisch-russischen Vermählung von 1817 hin: »Die Eintracht der Völker heiliget das neu geknüpfte Band.«122 In einem Bürgergedicht zur gleichen Gelegenheit hieß es: »Denn, sieh, das reinste menschlichste der Bande/Das dient uns zum sichern Unterpfande.«123 Bei der preußisch-bayerischen Heirat von 1823 war die Freimaurerloge Teutonia zur Weisheit in Potsdam mit einem thematisch ähnlichen Motto dekoriert: »Zwei Brudervölkern baut der Liebe schöner Bund/Auf heil’ger Eintracht Fels des Glückes Grund.«124 Ein anderes Gedicht propagiert bei gleicher Gelegenheit das Ideal der bescheidenen und reinen Liebe, das im einfachen Landleben herrsche, und deklariert es zum Vorbild für die glanzvolle Welt der Fürstenfamilien. Fürstenliebe dürfe nicht von Strategien bestimmt werden. Nur von der echten Liebe gehe eine Wirkung auf die Untertanen aus:

120 Schönpflug, Luise von Preußen, S. 116 ff. 121 Lok. 122 Königsberg, den 21sten Juni, in: Erste Beilage zum 80sten Stück der Königlich Privilegierten Berlinischen Zeitungen, 5.7.1817. 123 Ebd. 124 Beschreibung der Feierlichkeiten, S. 53.

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»Wie, wenn von einem glanzumstrahlten Thron Zum andern hin der Liebe Zauber wirkt? Wenn nicht zwei Opfer, die der Staaten Wohl Und Königspflicht, ach! Oft zu schwer, erheischt, Nein, zwei Beglückte, gegenseits erwählt Vom schönsten Trieb in edler Menschenbrust, Ein theures Fürstenpaar, von Thron zu Thron Sich nah’n die hohe Feier zu begeh’n? Wenn zweier hochverehrter Häupter Glück Uns Bürgschaft wird für zweier Völker Wohl? Wenn in der Herzen segenvollem Bund Eintracht und Lieb’ auch für die Völker blühn?«125

Ein Kommentator in der »Augsburger Allgemeinen Zeitung« geht in der Deutung der Verbindung von 1823 noch weiter, wenn er die Ehe als eine »Verbindung von welthistorischen Folgen« bezeichnet. Abgesehen von den politischen Konsequenzen, werden die konfessionellen besonders betont. Die Verbindung trage zur »Annäherung der beiden Religionsgemeinschaften« bei. Die Basis dafür wurde wiederum im Gefühl, in der »Vereinigung im Geiste der Liebe und der wechselseitigen Achtung«, gesehen. Deswegen sei es angemessen, die »Verbindung der zwei ersten deutschen Fürstenhäuser als eine Nationalangelegenheit« zu betrachten.126 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die neue Inszenierungsweise bereits fest etabliert, der Grad der Emotionalisierung hatte sich noch erhöht und die Möglichkeiten medialer Kommunikation entscheidend verbessert. Die emotionale Emphase richtete sich zuerst und vor allem auf das Brautpaar und seine Vorgeschichte. War das »Verlieben« während der Anbahnung der Heirat nun eine von den Dynastien erwünschte und zumeist gehorsam ins Werk gesetzte Ergänzung zur elterlichen Eheplanung, wurde sie während der Hochzeitsfeierlichkeiten zu einem omnipräsenten Leitmotiv von Festinszenierung und medialer Berichterstattung. Die von den Familien inszenierte Dramaturgie des Kennenlernens wurde jetzt zum Stoff für Zeitungen und Illustrierte. Ihre mit Bildern garnierten Berichte luden zum Schwelgen ein und erweckten häufig den Eindruck, als seien die Autoren beim Erblühen junger Liebe in Balmoral oder Primkenau dabei gewesen. Diese Form der Berichterstattung war angetan, den Beweis für die Echtheit der Liebe zwischen Braut und Bräutigam zu erbringen. Bei der Einholung der Braut vorgetragene oder veröffentlichte Liebeslyrik stellte weiterhin eine Ebene der in den Festinszenierungen dargestellten Emotionen dar. Im hohen Ton des Gedichtes drückte der reimende Untertan seine Gefühle aus. Wie im Märchen sei »Dornröschens Liebe« erwacht, habe der Prinz 125 Ebd., S. 15. Eine Sammlung von Gedichten zur Hochzeit Friedrich Wilhelms (IV.) mit Elisabeth von Bayern findet sich in Kratzer. 126 Augsburger Allgemeine Zeitung, 21.12.1823, zit. nach: Bastgen, S. 361.

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die Prinzessin in »goldener Karosse« aus »grünumranktem Schlosse« geholt.127 Dieses Gedicht aus der »Illustrierten Frauenzeitung« anlässlich der Heirat des Prinzen Wilhelm (II.) verbindet reale und märchenhafte Prinzenheiraten und bringt das Leben der hohen Häuser damit auf eine volkstümlich-vertraute Ebene. Die sonst eher spröde »Kreuzzeitung« veröffentlichte bei gleicher Gelegenheit ein Gedicht, das beschrieb, wie Wilhelm als Navigator auf einem mythisch-nebelbedeckten Meer die Geliebte entdeckt: »Ein Zeichen, daß die Liebe frei darf wählen,/Wenn Gottes Arm das Band der Seelen webt.«128 Ein Festbericht über die Heirat von Kaiser Wilhelms II. einziger Tochter Viktoria Luise von 1913 griff, diesmal in Prosa, das Thema der fürstlichen Liebesbindung als allgemeinmenschliche Lebenserfahrung auf: »Fürsten sind Menschen. Und wie es so oft den gewöhnlichen Sterblichen geht, so ging’s auch den beiden jungen fürstlichen Menschenkindern: die Liebe ergriff beider Herz! Und wenn gewiß beide auch der schier unüberwindlichen Schwierigkeiten, die sich dieser aufkeimenden Liebe entgegenzutürmen drohten, sich bewußt waren  – echte Liebe überwindet eben alles und hat gottlob auch alles überwunden.«129 Zur Betonung der echten emotionalen Bindung zwischen den Partnern gehörte die – nicht nur in den fürstlichen Korrespondenzen, sondern auch in den für die weitere Öffentlichkeit bestimmten Festberichten – in vielen Varianten zu findende Feststellung, dass Liebe für Fürstenehen wichtiger als politische oder strategische Überlegungen sein sollte. 1858 pochte etwa ein britischer Festbericht auf das Primat der Liebe: »A Royal marriage, though observed as a ­public festival, is commonly suspected to be a private misfortune … and therefore the first point for congratulation in the marriage of the Princess Royal must be, that it is not  a diplomatic scheme.«130 Zur Heirat des Duke of Connaught mit der preußischen Prinzessin Luise im Jahr 1879 findet sich ein ähnlicher Kommentar. 1879 war eine erneute Familienverbindung zwischen dem britischen und dem preußischen Königshaus politisch unerwünscht; insofern war die Behauptung, dass ausschließlich Gefühle der Verbindung zugrundelägen, plausibel: »The marriage has no political aspect. The Duke was free to choose his wife where he pleased, irrespective of any question of politics. He has selected  a Princess who ­represents no interest but that of affection. … As far as the marriage forms another link between the reigning Houses of England and Germany it is rather to be rejoiced than otherwise, as cementing more closely affectionate relationships already existing and affording them fuller development. But both the nations are too great and their separate interest too vast for the accidental circumstances upon the conduct of public affairs.«131 127 Extra-Ausgabe der Illustrierten Frauenzeitung, 12.3.1881. 128 Zum 26. Februar 1881, in: Neue Preußische Zeitung, 26.2.1881. 129 Konrich, Festbüchlein, S. 5 f. 130 The marriage of the Princess Royal, on Jan. 25, 1858. To His Royal Highness Frederick William of Prussia, London 1858. 131 The Morning Post, 13.3.1879.

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Eine vergleichbare Auffassung vertritt ein im »Berliner Tageblatt« abgedruckter Zeitungsartikel über die Heirat des späteren Wilhelm II. im Jahre 1881. Man lege ein hohes Gewicht darauf, »daß die Ehebündnisse, die auf Thronen geschlossen werden, mehr und mehr den Charakter von kalt berechneten politischen Konventionen verlieren, und daß an Stelle derselben maßgebend der Grundsatz tritt, daß sich das Herz zum Herzen findet!«132 Auch anlässlich der Thronfolgerhochzeit von 1905, die Prinz Wilhelm und die mecklenburgische Prinzessin Cecilie vereinte, betonte die »Tägliche Rundschau«, »daß es reine und tiefe Seelenneigung, daß es keinerlei politische oder dynastische Erwägungen waren, die dieses fürstliche Verlöbnis herbeiführten: ein Zeichen ehrlichen, offenen Menschentums auf den Höhen des Lebens, deren Dornen und Klippen den Regungen des Herzens zumeist keinen Raum gestatten«.133 Auch zur Hochzeit zwischen Hohenzollern und Welfen von 1913 schrieb die »Deutsche Volkszeitung«, sie wolle es sich versagen, »nach Art der betriebsamen Konjekturalpolitiker« Schlüsse aus der neuen Familienverbindung zu ziehen. »Ob der Liebesbund zweier edlen jugendlichen Herzen früher oder später auch politische Konsequenzen nach sich ziehen wird, das steht in Gottes Hand.«134 Das welfische Blatt befürchtete, dass durch die Heirat das Ziel einer Wieder­ herstellung des Königreiches Hannover gefährdet war. Liest man die Kommentare zu hohenzollernschen Heiraten von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1913, wird deutlich, dass der Eindruck, den Fürstenheiraten auf die Untertanen machten, vor allem auf der allgemein menschlichen Nachvollziehbarkeit »reiner« junger Liebe beruhte. Viele Zeitungsberichte schildern die kollektive Wirkung der individuellen Liebe eines Paares. So evozierte die »Vossische Zeitung« im Jahr 1858 »diese Augenblicke, deren Freudenfülle nur ein Vaterherz, ein Mutterherz ermessen kann, die mit gewaltiger Kraft die, wenn auch glänzende, doch beengende Prunkhülle der Fürstenhoheit durch­ brechen und das Rein-Menschliche zur unabweislichen Gefühlsherrscherin über die Strenge jedweder Förmlichkeit erheben«.135 Entsprechend beschrieb die »Illustrierte Montags-Zeitung« die selbe Hochzeit auch als emotionsgeladenes Gemeinschaftserlebnis mit identitätsstiftender Wirkung; sie habe eine »Vereinigung aller Menschen in demselben Gedanken, demselben Gefühl«136 ausgelöst. Ein britischer Kommentator der »Morning Post« brachte ähnliche Gedanken zu Papier: »The advantage of  a royal marriage, so far as the people are concerned, is that it brings … agreeable sensations home to the heart of 132 Dem hohen Brautpaar zur Feier des Einzuges in Berlin, in: Berliner Tageblatt, Nr.  96, 26.2.1881. 133 Der Einzug der Herzogin Cecilie, in: Tägliche Rundschau, 3.6.1905, Abendblatt. 134 Zit. nach: Konrich, Festbüchlein, S. 9. 135 Feierlicher Einzug ihrer Königlichen Hoheit, in: Königlich privilegierte Berlinische Zeitung, 9.2.1858. 136 Wochenschau, in: Berlin. Illustrirte Montags-Zeitung, 15.2.1858, RA F&V/WED/1858/ VICGED/PRESS CUTTINGS.

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a nation, and makes thousands partakers of  a pleasure which, in the case of a private wedding, is necessarily confined to a small circle.«137 Anlässlich der Heirat von Prinz Wilhelm im Jahr 1881 kam die »Illustrierte Zeitung« zu ähnlichen Schlussfolgerungen: »Das deutsche Volk denkt mit dem Herzen; sein politisches ist mit seinem Gemüthsleben auf das engste verwachsen. … Vor dem geistigen Auge des preußischen und deutschen Volkes wandelt sich daher der Ehebund des Kaiserenkels mit der Fürstentochter der Nordmark zum Symbol.«138 Auch wenn die emotionale und menschliche Seite hoher Heiraten für die positiven Reaktionen eine zentrale Rolle spielte, auch wenn kaltes Kalkül gegen warme Gefühle abgewertet wurde, wäre es ganz falsch, die politischen Aspekte zu übersehen, die gerade das plakativ Unpolitische hatte. Hochzeiten boten die Möglichkeit, große Teile der Bevölkerung für einige Tage aus ihrem Alltag zu reißen, den öffentlichen Raum in eine prächtig dekorierte Bühne zu verwandeln, flächige Bilder zu produzieren, Menschen emotional anzusprechen und ihnen ein integrierendes Gemeinschaftserlebnis zu verschaffen. Im Kern waren solche Veran­stal­tungen Momente der Identifikation der Untertanen mit dem Herrscher­haus, bei denen »Liebe und Treue« des Paares sich in der Liebe und Treue der Hurra-rufenden Untertanen spiegelten. Die aus dem Mittelalter stammen­den Huldigungsrituale setzten sich so unter neuen gesellschaftlichen, politischen und medialen Rahmenbedingungen fort. Doch die Untertanenliebe bezog sich nicht nur auf die eigene Herrscherfamilie und war deshalb auch zur Inszenierung außenpolitischer Botschaften geeignet. Offensichtlich ließ sich der Liebestopos auch auf zwei akklamierende Nationen erweitern. In einem Festbericht von Georg Friedrich Bandow von 1858 hieß es: »Hier also sind zwei Völker zu einem Familienfeste vereinigt, die, wie wenige andere Nationen, von gleicher freiwilliger und aus dem Herzen stammender Liebe und Verehrung zu ihrem Herrscherhause durchdrungen sind; und darum wird ein Bund, der Mitgliedern dieser Königshäuser ein neues dauerndes Lebensglück verheißt, einen bleibenden und unauslöschlichen Eindruck auch auf das Gemüth und die Zuneigung beider Völker üben.«139 Das Leitmotiv der durch Liebe verbundenen Völker prägte auch die Huldigungsgedichte an das »vereinigte … Paar, das Deutschland einigt und England«.140 Entsprechend hieß es in einem von Henry Robert Lumley gereimten Hochzeitsmärchen: »Love is triumphant, and has bound, In two young hearts and hands, two lands Your sages long have wished to see Joined in good faith and unity. 137 Marriage of the Princess Royal, in: The Morning Post, 26.1.1858, RA F&V/WED/1858/ VICGED/PRESS CUTTINGS. 138 Die Vermählungsfeier in Berlin, in: Illustrierte Zeitung, Nr. 1967, 12.3.1881. 139 Bandow, S. 6. 140 Die Einzugsfeier in Berlin, S. 56.

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England and Prussia are those lands, Victoria – Fred’rik join their hands; This union now must surely prove The law to rule the earth is love.«141

So allgemein scheint die Verzückung gewesen zu sein, dass sie eine satrirische Zeitschrift wie »Der Schalk« zur spöttischen Überzeichnung reizte. Hier reimten sich »Die Neuvermählten« auf »die Liebe-Beseelten«. Die Braut war die »holde Blüthe – die Perle der Meere« und der Bräutigam gar »der junge Aar«. Wie aus historischer Ferne klang in einem Wortspiel mit dem Namen Victoria die Erinnerung an die Allegorien der Barockzeit an: »Die Göttin des Sieges hat sich verwandelt und ist zur Liebesgöttin geworden.«142 Doch nicht nur die auf zwei Völker ausstrahlende Wirkung der Liebe zwischen zwei herausgehobenen Individuen konnte in solchen Momenten inszeniert werden. Neben verzückter Verbrüderung der Völker konnte die emo­ tionalen Bindung der Zuschauer an die hohen Herrschaften auch konkretere politische Botschaften mit sich bringen: Bei der preußisch-britischen Heirat von 1858 etwa wurde die Begeisterung der preußischen Bevölkerung für die Braut als Zustimmung zu den mit der Heirat britischerseits verbundenen Liberalisierungshoffnungen gesehen. Die Braut Victoria kommentierte »the great enthusiasm demonstrated on the occasion of our marriage« in einem Brief an ihren Vater als deutliche Absage an den auf russische Bündnisse setzenden preußischen Konservativismus.143 Selbst »The Times« räumte ein, dass »a popular demonstration of joy and delight at the matrimonial alliance … has taken place … the brighter this demonstration is, the deeper is the shade into which the Kreuz Zeitung Party and all its intriguers after a Russian, Austrian, or Bavarian alliances are thrown«.144 In derartigen Deutungen galt es, die gleichermaßen individuelle wie kollektive Bindungswirkung des emotionalen Geschehens in eine erwünschte poli­ tische Richtung zu lenken. So stand die Hochzeit von 1881 unter den Vorzeichen der Versöhnung zwischen Preußen und dem 1866 annektierten Schleswig-Holstein und ist daher eher als Harmonisierung innerhalb des Reiches denn als nationale Grenzen überschreitende außenpolitische Bindung zu verstehen. In diesem Sinne wurde in der »Illustrierten Zeitung« vom 12. März 1881 ein Gedicht zu Ehren des Brautpaars Prinz Wilhelm und Auguste Viktoria von Holstein-Augustenburg eingerückt. Der Prinz wird hier zum Eroberer, der »gefordert, was sein Herz begehrt«. Auch hier reimen sich konkrete politische Ereignisse und Emotionen. Die Brautwerbung wird – wenig zartfühlend – als 141 Lumley, S. 39. 142 Einzugsrede, die Schalk nächstens halten will, in: Der Schalk, 1.  Jg, Nr.  5, 3.2.1858, RA F&V/WED/1858/VICGED/PRESS CUTTINGS. 143 Princess Royal Victoria an Prinz Albert, 5.3.1858, RA VIC/MAIN/Z/1/8. 144 The Prince and Princess of Prussia, in: The Times, 8.2.1858.

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eine Wiederholung der Annektion gedeutet. Doch in dem Unterschied zwischen mit Waffengewalt erzwungenem und durch Werben gewonnenem Sieg liegt durchaus auch eine Friedensbotschaft. Das war ganz und gar im Sinne der Verfechter der preußisch-holsteinischen Heirat, welche diese als Versöhnungsgeste zwischen den durch die Annektion entzweiten Familien verstanden wissen und den Moment zur Propagierung dieser Absicht nutzen wollten. Auch 1913 war es noch eine von Tausenden Untertanen verfolgte Liebesbeziehung, die politischen Aussagen und Konstellationen Ausdruck verleihen und gut ein Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs breite Bevölkerungsschichten in den Bann schlagen sollte. Die Konzentration auf das Emotionale und die verwandtschaftlichen Beziehungen erlaubten, dass die Heirat von 1913 als ein Fest der Versöhnung erbitterter Gegner gesehen werden konnte. Sogar die deutsch-hannoversche Partei begrüßte »mit aufrichtigem Danke für Gottes gnädige Fügung die Verlobung S. Königlichen Hoheit …, als den ersten Schritt auf dem Wege des Friedens, und sie erblickt in der dadurch vollzogenen Annäherung der Fürstenhäuser Welf und Hohenzollern die Möglichkeit der Beendigung des Bruderzwistes zwischen den königstreuen Niedersachsen und dem preußischen Volke.«145 Die »B. Z.« beschreibt den »unmittelbaren Kontakt« zwischen den Fürsten, ein »nahes freundschaftliches Band«.146 Selbst der kritische »Vorwärts« schloss nicht aus, dass beim »Beisammensein der höchsten und allerhöchsten Herrschaften, die ja bekanntlich fast alle untereinander versippt und verschwägert sind«, auch »politische Fragen … zur Sprache gebracht werden«. Insbesondere die Probleme des Nahen und Fernen Ostens gäben dazu Anlass.147 So erlaubte gerade eine scheinbare Entpolitisierung der Fürstenheirat und die Konzentration auf das Private, das Zwischenmenschliche, auf Verwandtschaft und Gefühl, dass diesen Anlässen eine politische Funktion erhalten blieb. Die Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeit des Rituals schaffte Anlässe für die breitenwirksame Vermittlung politischer Inhalte. Seine positive emotionale Aufladung löste zumindest kurzfristig eine integrierende und harmonisierende Wirkung aus, bei denen die erste Familie des Staates als fühlende Menschen den Untertanen ganz nah war. Das ermöglichte aber auch eine positive Identifikation mit anderen Ländern und Nationen, die Teil des frohen Festes wurden. So können die Heiraten von 1858, 1881 und 1913, wenn auch in anderer Weise als frühere Feste, durchaus als Versöhnungs- und Friedensfeste verstanden werden. Es ist eine wenig beachtete Facette des Nationalismus im 19. Jahrhundert, dass nationale Identifikation nicht nur Abgrenzung von anderen Ländern, sondern, vermittelt über Zentralfiguren, auch Liebe zwischen Nationen möglich machte. In diesem Sinne war gerade das Private politisch.

145 Zit. nach: Konrich, Festbüchlein, S. 14. 146 B. Z. am Mittag, 22.5.1913, zit. nach: Konrich, Festbüchlein, S. 55. 147 Der Zar in Berlin, in: Vorwärts, 22.5.1913.

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6. Das Europa der Dynastien: Verwandtschaftliche Verflechtung und europäisches Bewusstsein

Die europäische Geschichte ist ein Projekt, dessen Impuls aus gegenwärtigen politisch-gesellschaftlichen Debatten stammt. Die Entstehung und das Wachsen der Europäischen Union haben das Bedürfnis geweckt, den aktuellen Formen der politischen Kooperation in der EU eine historische Dimension, gleichsam eine Vorgeschichte, zu geben. In diesem Sinne schrieb einer der Generaldirektoren der Europäischen Kommission, Spyros Pappas, im Jahr 1999: »History has not found its right place as a factor of European cohesion.«1 Die Histo­riker haben den Ball, der ihnen von der Politik zugespielt wurde, bereitwillig angenommen. Einige sind der Versuchung erlegen, politischen Bedürfnissen allzu angepasste Geschichten Europas zu liefern. So schuf der französische Historiker Jacques LeGoff in »La vieille Europe et la notre« eine elegante Erzählung, in der in zwei Jahrtausenden, geformt von Christentum, Renaissance und Aufklärung, eine »europäische Kultur« entsteht. LeGoff leugnet die dunklen Seiten der europäischen Geschichte – Inquisition, Kolonialismus, Nationalismus oder Genozid – nicht; doch für ihn gibt es keinen Zweifel daran, dass Europa seit der Antike existierte und sich in dauerhaftem Fortschritt weiterentwickelte. Diese teleologische Sichtweise erlaubt LeGoff auch hoffnungsvolle Ausblicke in die Zukunft: Europa sei in der Lage, seine Probleme zu überwinden, wenn es sich an die »Kraft seiner Kultur und seines gemeinsamen Erbes« erinnere.2 Jacques LeGoff ist nicht der einzige Historiker, der das aktuelle Bedürfnis nach einer positiven europäischen Traditionsbildung bedient. Die Mehrheit der Kollegen in der Zunft hat es jedoch verstanden, den von der Politik zugespielten Ball mit einem schwer zu kalkulierenden Effet zurückzugeben. Sie haben die Existenz Europas nicht als etwas Gegebenes angesehen, das nach vielen Metamorphosen zum gegenwärtigen Zustand, der Europäischen Union, geführt hat. Stattdessen betrachten sie Europa als das Ergebnis politischen Denkens und Wollens in Geschichte und Gegenwart. Das Schlagwort der »Europäisierung Europas« gibt diese Sichtweise wieder:3 Nicht nur im Zuge der europäischen 1 Spyros Pappas, Brussels and the European Identity, in: Haus der Geschichte der Bundes­ republik Deutschland (Hg.), The Culture of European History in the 21st Century, Berlin 1999, S. 39–45, hier S. 44, zit. nach: Stourzh, S. X. 2 LeGoff, S. 59. 3 Die erste mir bekannte Verwendung in dieser inzwischen weitverbreiteten Bedeutung stammt von Bourdet u. Mechtersheimer.

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Expansion wurden weit entfernte Völker den Kolonialherren unterworfen und »europäisiert«, sondern auch im Inneren des alten Kontinents bedurfte es politischer Initiativen und Kämpfe sowie der Dominanz wechselnder Hegemonial­ mächte, um europäische Identität und eine allmähliche Angleichung gesellschaftlicher Strukturen und Lebensweisen zu bewirken. Die Forschungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass Begriffe, Konzepte und Bilder von »Europa« zwar seit der Antike im Umlauf waren, jedoch ihre Verbreitung und politische Wirksamkeit starken Konjunkturen unter­lagen. Darüber hinaus wurden sie mit unterschiedlichen, teils widersprüch­lichen Inhalten gefüllt, von denen einige den Zielen der Europäischen Union diame­ tral entgegengesetzt waren. Als eindrückliches Beispiel dafür können etwa die faschistischen Europa-Konzepte angeführt werden, welche in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts Konjunktur hatten.4 Gewiss gab es politische Ordnungen, wie etwa den Westfälischen Frieden oder die Wiener Kongressakte, die auf Frieden und Ausgleich unter den beteiligten Staaten abzielten  – »Europa« wurde in diesen Kontexten jedoch nicht zum bestimmenden politischen Schlagwort. Ob sich die Gesellschaften des Kontinents, die europäischen Initiativen ausgesetzt waren und sich durch zunehmende Mobilität, Kommunikation und ökonomische Beziehungen vernetzten, im Verlauf der letzten Jahrhunderte tatsächlich ähnlicher geworden sind und ob sie sich somit von Gesellschaften in der übrigen Welt signifikant unterschieden, sind Fragen, die in der Forschung kontrovers diskutiert werden.5 Je genauer wir die Geschichte der Europäisierung kennen, desto weniger plausibel ist es, sie als einen kontinuierlichen, einheitlichen und gerichteten Prozess zu verstehen. Um den Abweg einer teleologischen Geschichtsbetrachtung zu vermeiden, kommt es darauf an, Ideen, Initiativen und Strukturen europäischer Integration als vielfältig und widersprüchlich, als diskontinuierlich, unvollständig und fragmentarisch darzustellen, ihre exklusiven Tendenzen ebenso zu thematisieren wie alternative, gegenläufige Entwicklungen. Geht man auf der Suche nach »Europa« nicht nur ins 19. Jahrhundert, sondern noch weiter zurück, stößt man unweigerlich auf ein Phänomen, das schon Victor Hugo als »Europa der Könige« und unlängst Dieter Langewiesche als »Europa der Macht« und »Europa der Tat« bezeichnet hat.6 Über die Rolle der Monarchie für die Europäisierung liegen bereits umfangreiche Forschungen vor. Die Begriffs- und Ideengeschichte hat sich mit den Vorstellungen einer europäischen Universalmonarchie ebenso befasst wie mit Theorie und Praxis des europäischen Gleichgewichts und europäischen Friedens.7 Die Symbol­ 4 Vgl. Bauerkämper. 5 Zur Frage europäischer Konvergenzen: Kaelble, Auf dem Weg zu einer europäischen Gesellschaft, S. 99–148; ders., Sozialgeschichte Europas, insb. S. 417–420. 6 Langewiesche, S. 6 f. 7 Burke, Did Europe exist before 1700?; Duroselle; Gollwitzer, Europabild und Europagedanke; Kamp­­mann, Universalismus; Paul.

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geschichte hat Europa-Bilder der Frühen Neuzeit und ihre häufig höfischen Kontexte untersucht.8 Die Geschichte der internationalen Beziehungen befasste sich mit den Ideen, Institutionen und Verfahren gesamteuropäischer Zusammenarbeit, insbesondere im Umfeld des Westfälischen Friedens und des Wiener Kongresses.9 Es kann nach Jahrzehnten der Forschung kein Zweifel daran bestehen, dass die mental-kulturelle ebenso wie die politische Bedeutung der Monarchien für den Prozess der Europäisierung groß ist. Eine Verschiebung der Perspektive vom »Europa der Monarchien« zu einem »Europa der Dynastien« öffnet den Blick für neue Gegenstandsbereiche. Zum einen stellt sich die Frage, ob die Fürstendynastie als ein europäischer Typus angesehen werden kann. Antworten hat Johannes Kunischs vergleichend angelegter Band »Der dynastische Fürstenstaat« gegeben, der vor allem über den Zusammenhang von Sukzessionsordnungen und Staatsbildung reflektiert. Kunisch formuliert die Frage, ob »es einen europäischen Zusammenhang in dem Bestreben nach grundsätzlicher Regelung der Sukzessionsfrage [gibt], der mehr darstellt als assoziatives In-Parallele-Setzen«, und ob »die Erbfolgeordnungen der verschiedenen europäischen Dynastien von solcher Beschaffenheit [sind], daß daraus auf ein Strukturprinzip der europäischen Staatsentwicklung geschlossen werden kann?«10 Der britische Historiker John  H.  Elliott hat über Monarchien geforscht, deren weit verstreute Territorien lediglich durch eine dynastische Klammer zusammengehalten wurden. Sein Interesse gilt einem »Europe of composite monarchies«; aus vergleichenden Betrachtungen über die Beherrschung dynastischen Streubesitzes erschließt er allgemeine Strukturen europäischer Staatlichkeit.11 Vergleichende Betrachtungen sind in der Darstellung der hohenzollernschen Heiratskreise bereits angestellt worden; die Dynastien sind jedoch noch in anderer Hinsicht ein lohnender Gegenstand der europäischen Geschichte: nämlich als Faktor der Europäisierung durch intensive grenzüberschreitende Verflechtung und Kommunikation und nicht zuletzt wegen eines den Kontinent überspannenden auf Verwandtschaft beruhenden Gemeinschaftsgefühls. Weniger auf das Gemeinschaftsgefühl der Dynastien als auf Verflechtung und Kommunikation hob Hermann Weber ab, als er in geradezu emphatischem Ton schrieb, dass gerade »eine europäische Geschichte … nicht übersehen [kann], daß unter den Faktoren, die in die europäische Vielfalt verbindende und einigende Züge hineinbringen, die Dynastien mit an erster Stelle stehen.« Sie seien auch dann noch die Klammer Europas gewesen, als sich im 19. Jahrhundert die Eigeninteressen der Staaten stärker auszuprägen begannen. Selbst im Zeitalter des Na-

8 Schmale, Geschichte Europas; Bußmann u. Werner. 9 Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte; Schroeder. 10 Kunisch u. Neuhaus, S. XII. 11 Elliott.

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tionalismus hielten sie noch »ein Netzwerk von Adern aufrecht, durch das auch weiterhin ein europäisches Leben strömen konnte«.12 Trotz der vielfach geäußerten Einsicht in die Bedeutung des Themas steckt die forschungspraktische Umsetzung eines solchen Projektes, das Dynastien als Faktor einer Geschichte der Europäisierung ansieht, noch in den Kinderschuhen. Selbst Pierre Lamaisons Werk mit dem vielversprechenden Untertitel »Généalogie de l’Europe« widmet sich dem Phänomen dynastischer Verflechtung nicht systematisch.13 Gewiss wurde in jüngerer Zeit eine Reihe von Forschungsprojekten angestoßen, welche die grenzüberschreitenden und europäischen Dimensionen dynastischer Netzwerke betonen.14 Was den preußischen Fall anbetrifft, sind die bi- und trilateralen Verbindungen des Herrscherhauses mit den britischen, niederländischen und russischen Dynastien in einer Reihe von großen Ausstellungsprojekten der letzten Jahre in den Blick genommen worden.15 Einzig Lucien Bélys Studie über die »société des princes« tritt dagegen mit dem Anspruch an die Geschichte der Dynastien heran, sie als ein »écheveau éuropéen«16 vor dem Fragenhorizont der gegenwärtigen europäischen Einigung zu bearbeiten. In Zeiten der europäischen Vereinigung, so Bély, sei es möglich, einen neuen Blick auf das Netz der Beziehungen zu werfen, das die Fürsten des Kontinents verband. Die verwandten Könige hätten – im Krieg wie im Frieden – das gleiche Weltbild verfochten.17 Bélys Darstellung ist vor allem an der gemeinsamen Kultur der Elite interessiert und untersucht sie im Bereich der Erziehung, der höfischen Kultur sowie anhand von Einzelbeispielen für dynastische Politik. In der Konzentration auf die Gemeinsamkeiten besteht allerdings auch die Schwäche von Bélys Darstellung. Die Komplexität der Vernetzungstrukturen und die Ambivalenz der Interaktionen wird allzu wenig berücksichtigt. Im Folgenden soll Bélys Ansatz daher erweitert werden. Im Sinne des von Wolfgang Schmale entworfenen Konzeptes einer »Europäistik«18 ist hier das Augenmerk auf verschiedene miteinander in Beziehung stehende Analyseebenen zu richten: Erstens wird auf die Dimension der Ideen, Symbole und Bilder – also des »gedachten« Europa der Dynastien – eingegangen und Europa-Inszenierungen auf Hochzeitsfesten analysiert. Welche Bilder von Europa wurden an den Höfen der Hohenzollern entworfen? Spielte bei Hochzeitsfesten der Zusammenhang von Verwandtschaft und europäischer Identität eine Rolle? Zu welchen Zeiten waren europäische Referenzen besonders intensiv? Im zweiten Abschnitt werden die feierlichen Europa-Inszenierungen hinterfragt: Inwieweit handelte es sich bei den Hochzeitsfesten der regierenden Häu12 Weber, S. 31. 13 Lamaison, Atlas de la civilisation occidentale. 14 Urbach; Opitz u. Nolde. 15 Preußen 1701; Macht und Freundschaft; »Onder den Oranje boom«. 16 Bély, S. 15. 17 Ebd., S. 8 f. 18 Schmale, Europäische Geschichte als historische Disziplin.

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ser um Manifestationen einer gemeinsamen europäischen Kultur? Dazu wird ein Blick auf das Verhältnis von Vertrautheit und Fremdheit im Erleben höfischer Feste durch die zeitgenössischen Akteure geworfen, um auszuloten, wie es tatsächlich um die gemeinsame Hofkultur bestellt war. Zu diesem Zweck werden die in Briefen und Tagebüchern dokumentierten Wahrnehmungen von Hochzeitsfeiern untersucht. Drittens sollen die inzenierten Vorstellungen eines verwandschaftlichen Europas am Grad der verwandtschaflichen Vernetzung gemessen werden. In der Perspektive des Weitwinkelobjektives wird am Ende dieser Arbeit ein Blick auf ganz Europa versucht. Anhand einer Datenbank über die Heiraten sämt­ licher königlichen Häuser in Europa soll gezeigt werden, von welchen Binnenund Außengrenzen das verwandtschaftliche Netzwerk geprägt war. Dabei kann an die vergleichende und verflechtungsgeschichtliche Analyse des hohenzollernschen Heiratskreises angeknüpft und die dort diskutierte Fragestellung auf die weitere europäische Situation übertragen werden. Im Zentrum des Interesses steht auch hier das Problem von Heterogenität oder Homogenität im Europa der Dynastien, das sich mit dem der Vernetzung überlagert: Waren Zonen dichter verwandtschaftlicher Vernetzung von Homogenität geprägt?

6.1 Europa als Braut Wolfgang Schmale hat nachgezeichnet, wie sich Bilder von Europa als weib­ licher Gestalt im 16.  und 17. Jahrhundert verbreiteten. In dieser Zeit entstanden die ersten Karten, in denen der Kontinent eine weibliche Gestalt annahm und die europäischen Reiche als deren Glieder dargestellt wurden. Häufig trug die weibliche Gestalt die Insignien einer Königin, und in wenigen Fällen erschien sie als königliche Braut. Ein Monarch, der die hegemoniale Stellung auf dem Kontinent beanspruchte, nahm also gleichsam Europa zur Frau – so wie die Krönung des französischen Königs als seine Hochzeit mit dem Königreich dargestellt wurde. Als Beleg führt Schmale unter anderem die Europakarte von Matthias Quad aus dem Jahr 1587 an, in welcher der Kontinent die Form der unverheirateten spanischen Infantin Isabella Clara Eugenia, Tochter des Königs Philipp II. annehme.19 Eine besonders sprechende Quelle für die Vorstellung Europas als Braut ist die im Jahr 1660 gedruckte »Relation von den Liebesneigungen der Allerschönsten Princessin Europa« des aus Nürnberg stammenden Gelehrten Michael Praun. Das wahrscheinlich Kaiser Leopold I. gewidmete Werk beschreibt die Geschichte Europas als die Geschichte einer schönen Prinzessin, die sich – manchmal zu ihrem Glück, manchmal zu ihrem Unglück – mit verschiedenen Freiern einlässt. In der Antike wurde sie zur Gattin des Jupiter und des Alexan19 Schmale, Europa – die weibliche Form, S. 225; ders., Europa, Braut der Fürsten.

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der, die sie groß und berühmt machten. Julius Caesar habe sie jedoch geschändet. Karl der Große wurde ihr letzter Gatte, da sie »beschlossen / mit niemand anders mehr einige Ehliche Verbündniß einzugehen / und alle ihre Herrschaft / länder / und Gewalt keinen andern Eheherrn mehr zu vertrauen / sondern dieselbige ihren Fürstl. Kindern und Encklen zu überlassen«.20 Von diesem Moment an gab es keinen einzelnen Gatten der Europa mehr; verschiedene sollten sich Europa teilen. Trotz der Machtunterschiede zwischen den Herrschern, trotz vergangener Streitigkeiten und trotz der berechtigten Ansprüche großer Gestalten sollte die Macht immer geschwisterlich unter ihnen geteilt werden. Die Vorstellung einer christlichen Fürstengemeinschaft wird hier also mit einer wenn auch allegorischen Verwandtschaftsvorstellung unterlegt. Innerer Frieden, geteilte Herrschaft und gemeinsamer Kampf gegen die »dicke finstere Heydnische Sclaverey« der Türken sollte allen Nachfahren der Europa als Verwandten ein Anliegen sein. Angesichts der Vorstellung von Europa als Braut kann es nicht überraschen, dass Europa bei dynastischen Festen und insbesondere bei Hochzeiten ein häufig gesehener Gast war. Schon für das 16. Jahrhundert lassen sich hierfür Belege finden. Am Wiener Hof wurde im Jahr 1571 die Hochzeit Karls von Innerösterreich mit Maria von Bayern begangen. Ein Höhepunkt des Festes war ein Turnier, das in eine Geschichte eingebettet war: den Streit der Göttinnen Juno und Europa. Zur Unterstützung der beiden traten  – dargestellt in einem aufwändigen kostümierten Zug – ihre Kinder und Freunde auf. Juno wurde von den Königen von Asien, Afrika und Amerika, Europa von ihren »Töchtern« Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland unterstützt. Auch die sieben freien Künste und die Jagdgöttin Diana, begleitet von wilden Tieren, folgten der Europa. Letztere kam schließlich, auf einem Ochsen reitend und von der Siegesgöttin begleitet, selbst auf den Turnierplatz. Es folgten die Tugenden, der Meeresgott Neptun und schließlich vier von Artus gesandte Ritter der Tafelrunde. Das »Ringelstechen« konnte beginnen.21 In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts häuften sich die Europa-Darstellungen bei höfischen Festlichkeiten.22 So wurde etwa in Versailles im Jahr 1665 der Mythos von Europa und dem Stier bei einem vom König getanzten Ballett aufgeführt.23 Am Stockholmer Hof tanzten im Jahr 1672 die »Mächtigen Euro20 Relation von den Liebesneigungen der Allerschönsten Princessin Europa. So dann von den wunderbahren Begegnüsse Ihrer mit weyland Käiser Carl dem Grossen erzeigten Fürstl. Jungen Herrn; und wie dieselbige nunmehr die beste Gelegenheit den Türcken zu bestreiten hätten. Abgelegt In den Parnaso vom Mercurio Platonissante [s. l. et t.], dargestellt nach: Alexander Wilckens: Quellenautopsie »Michael Praun (1660)«, in: Europabegriffe und Europa­vorstellungen im 17. Jahr­hundert. 21 Vocelka, Habsburgische Hochzeiten, S. 79–82. 22 Einführend zu den Europa-Diskursen um 1700: Burke, Did Europe exist before 1700?; Duchhardt, Europabewußtsein und politisches Europa; Schmale u. Felbinger; Wagner, Europa um 1700. 23 Ballet royal de la naissance de Venus.

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pas« eine Quadrille und vereinten sich zum Kampf gegen die Türken.24 Im Celler Schloss wurde im Jahr 1689 »Europe, pastorale, heroique« dargestellt. In diesem Pastorale wurde die geraubte Europa von ihrem Bruder Cadmus zurückerobert. Der Seitenhieb auf den französischen König war nur allzu deutlich: Auch später noch hätten Prinzen, die von der Schönheit der Europa betört waren, versucht, sie ganz allein zu besitzen, doch es habe sich immer ein Cadmus zu ihrer Befreiung gefunden.25 Ein Blick auf die Hohenzollernhochzeiten zwischen 1640 und 1918 offenbart, dass »Europa« zeitweise auch bei Hochzeiten in Brandenburg-Preußen Konjunktur hatte. Die Hochphase waren auch hier die Jahrzehnte vor und nach 1700, als sich Europa vor allem in den höfischen »divertissements« ein Stelldichein gab. Eines der frühesten erhaltenen Beispiele für eine Europainszenierung bei einer Hohenzollernhochzeit stammt aus dem Jahr 1662. Bei der Verheiratung des Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg, Mitglied der fränkischen Seitenlinie der Hohenzollern, mit Erdmuthe Sophie von Sachsen wurde ein Singspiel von Sigmund von Birken in Bayreuth aufgeführt. Dieses erzählt die Geschichte des Bräutigams Christian Ernst, der als ein Prinz auf Reisen dargestellt wurde. Drei Musen begleiten ihn auf seiner Fahrt durch Europa, nach »Fontarabie« (im Baskenland), Paris, Rom, Venedig und Den Haag. Die Flüsse des Kontinents berichten von den Ländern, die sie durchfließen. Clio lässt die europäische Geschichte seit der Antike Revue passieren. So zieht ein euro­päisches Panorama am Prinzen – und am Zuschauer – vorbei. Der Prinz kehrt in die Heimat zurück und hat von den guten Beispielen anderer Fürsten gelernt und damit die Voraussetzungen weiser Herrschaft geschaffen: »So ein Fürste / der wol reiset / lernet handlen mit Bedacht. / Lehrer such in Ost und Westen: die Exempel / sind die bästen.«26 Europa erscheint hier als Kultur- und Bildungsraum, dessen Verbindungen durch die europäischen Ströme repräsentiert werden und dessen Zusammenhalt durch eine gemeinsame Geschichte gegeben wird. Bei der 1684 gefeierten Vermählung des Kurprinzen von Brandenburg mit Sophie Charlotte von Hannover stellte der italienische Komponist Giovanni Battista Farinelli eine allegorische Oper auf die Beine. In der zweiten Szene preisen Amor und Hymenaeus das frischvermählte Paar. Der Ehegott Hymen besingt in einer Arie die militärischen Erfolge des Großen Kurfürsten bei Warschau und Fehrbellin und verspricht, dass es der Sohn ebenso tun würde. Aber er erinnert den Prinzen auch daran, dass eine lange Phase des Krieges den Kontinent hat erzittern lassen. Doch der Hochzeitsgott Hymen sagt eine bessere Zukunft voraus, in der alle christlichen Prinzen gemeinsam regieren werden, ohne Krieg. Der einzige Feind sei dann das Osmanische Reich:

24 Klöcker von Ehrenstrahl. 25 Evrope, Pastorale Heroiqve. 26 Birken.

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Et cette mesme Europe après tant de malheurs, Va voir changer ses maux en autant de douceurs. Tous les Princes chrêtiens Reunis et sans guerres Avec tranquillité regneront sur leurs terres. Ils n’emploiront l’ardeur de leurs grands mouvements, Qu’a combattre l’orgeuil des peuples Ottomans.27

Hier wird, im Gegensatz zum ersten genannten Beispiel, ein politisches Europabild evoziert. Zwar steht diese Inszenierung im Kontext eines dynastischen Festes, doch Verwandtschaft wird hier keineswegs als politisches Movens thematisiert. Die Gemeinschaft der christlichen Fürsten, welche in Frieden vereint sind und nur zur Waffe greifen, wenn es darum geht, gegen die Türken ins Feld zu ziehen, beruht auf politischer Weisheit. Dieser Beleg spricht also eher für ein Europa der Fürsten als für ein »Europa der Dynastien«. Bei der Heirat des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen mit Sophie Dorothea von Hannover feierten der Hof und die Gäste am 2. Dezember 1706 im Berliner Schloss eine »Masquerade der 4 Theile der Welt«. Vier Erdteile, Europa, Asien, Afrika und Amerika, wurden von je zwölf Paaren in den Kostümen unterschiedlicher Nationen dargestellt. Insgesamt waren somit 96 Mitglieder der Hohenzollernfamilie, ihre Gäste und Vertreter des Hofadels an dieser Maskerade beteiligt. Das Maskenspiel war nicht nur eine Darstellung geographischen Wissens und der Lust an Exotik, sondern hatte auch politische Untertöne. Europa wurde von Paaren repräsentiert, welche das Römische Reich, Germanien, Frankreich, Ungarn, Portugal, Polen, Spanien, die Niederlande, Schweden, Großbritannien und Russland darstellten. Die Weltgeltung Europas wurde nicht nur von der Tatsache unterstrichen, dass die Europäer zuerst den Festsaal betraten, sondern auch dass die europäische Delegation vom preußischen König, gewandet in Toga und Lorbeer, geleitet wurde.28 So variierten die Inszenierungen um 1700 verschiedene Leitmotive von Europa: als weibliche Form, als begehrenswerte Königstochter und Braut, als Kultur- und Geschichtsraum und als Machtsphäre friedliebender Monarchen, die sich gleichermaßen der Hegemonie eines einzelnen wie der Fremdherrschaft der Heiden heldenhaft entgegenstellten. In dieser Phase der Hohenzollern­ geschichte war der Begriff »Europa« vielfach und positiv konnotiert. Die Hohenzollern imaginierten sich zu dieser Zeit durchaus als Europäer – paradoxerweise geschah dies am intensivsten im Kontext der Feierlichkeiten des Barock, zu denen in der Regel nur Verwandte aus deutschen Nachbarfamilien eingeladen 27 »Und das selbe Europa wird nach so viel Unglück / seine Übel in ebensoviel Süße verwandelt sehen. / Alle christlichen Prinzen werden, vereint und ohne Kriege / in Ruhe über ihre Länder regieren. / Sie werden die Inbrunst ihrer tiefen Regungen / nur noch zum Kampf gegen den Stolz der ottomanischen Völker nutzen.« Farinelli, S. 10. 28 Die grosse Preußisch- und Lüneburgische Vermählungs-Freude, S. 48 f.; sowie der Ordner »Maskerade darstellend die 4 Weltteile«, GStA PK, BPH, Rep. 46, N 4a, Acta betr. die Ceremonialia,.

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waren. Dennoch war mit dem Begriff Europa gleichsam ein kulturelles und gesellschaftliches Ideal bezeichnet, dem zwar die Wirklichkeit nicht entsprach, das jedoch in der Gegenwelt des Festes seinen Platz beanspruchen konnte. Im 18. und 19. Jahrhundert setzten sich die aufwändigen Europa-Inszenierungen in den Hochzeitsfesten nicht fort. Die höfische Phantasie wandte sich anderen Sujets zu, statt der Götter- und Sagenwelt wurde jetzt zunehmend die irdische Sphäre dargestellt. Die Vorstellung eines von Fürsten garantierten europäischen Friedens war allerdings nicht vollständig abhanden gekommen. Auch fürderhin wurden bei Fürstenheiraten nicht nur bilaterale Allianzen beschworen, sondern auch Ideen von europäischer Harmonie oder gar »universalem und dauerhaftem Frieden«29. In dem Sinne soll Ludwig XIV. im Jahr 1700 zu seinem Enkel Philipp, der König von Spanien werden sollte, gesagt haben: »Soyez bon Espagnol, c’est présentement votre premier devoir; mais souvenezvous que vous êtes né Français pour entretenir l’union entre les deux nations; c’est le moyen de les rendre heureuses et de conserver la paix de l’Europe.«30 Selbst als sich das Ende des Europas der Dynastien näherte, konnten diese Vorstellungen noch mobilisiert werden. Bei der Vermählung des Kronprinzen Wilhelm im Jahr 1905 kommentierte die Zeitung »Der Tag«, Kaiser Wilhelm II. habe einen Wunsch, »den mit dem dritten Deutschen Kaiser zahlreiche Anhänger eines europäischen Zusammenschlusses geteilt haben«. Er handele nach dem Grundsatz, »daß ein bewaffneter Streit unter Christen und Europäern mehr und mehr als Bürgerkrieg empfunden werden müßte«.31 Auf den europäischen Gedanken spielte auch der jüdische Publizist Friedrich Dernburg an, als er 1905 schrieb: »In privaten Familien ist das Hochzeitsfest für die Familie, in einer Kaiserfamilie ist es da zu einem Prunkfest für die Fürstlichkeiten nicht bloß mehr Europas, sondern der Erde.«32 Auch im Jahr 1913, bei der letzten großen Heirat des Hohenzollernhauses vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, klammerten sich einige noch an die Vorstellung, dass durch die Kooperation verwandter Monarchen der Weg in den Krieg unterbrochen werden könne. Die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« kommentierte die Anreise des britischen Königspaares und des Zaren mit den Worten: »Gilt ihre Anwesenheit auch nur einem Familienfeste, so bildet doch die damit bekundete Herzlichkeit der persönlichen Beziehungen unter den drei Monarchen ein wertvolles Imponderabile für die Sicherheit des wechselseitig ungestörten Fortschritts der grossen Kulturnationen Europas.«33 29 Weber, Die Bedeutung der Dynastien, S. 15. 30 »Seien Sie ein guter Spanier, das ist derzeit Ihre erste Pflicht; aber erinnern Sie sich stets daran, dass sie als Franzose geboren sind und erhalten sie die Verbindung zwischen den beiden Nationen; das ist das beste Mittel, um sie glücklich zu machen und um den Frieden in Europa zu bewahren.« Zit. nach Bély, S. 19. 31 Die Vermählung des Kronprinzen, in: Der Tag, 6.6.1905. 32 Friedrich Dernburg, Die Kronprinzessin der Zukunft, in: Erstes Beiblatt des Berliner Tageblatts, 4.6.1905. 33 Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 21.5.1913.

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Die »Vossische Zeitung« widmete dem Ereignis einen ausführlichen Kommentar, in dem die Bedeutung für die europäische Politik herausgestrichen wurde. Zwar seien die »Zeiten … nicht mehr, wo fürstliche Heiraten über die Zugehörigkeit großer Länder zu dem einen oder anderen Reiche bestimmten, wo über Kronen durch Ehe oder Erbverträge verfügt wurde und wo die schöne Austria als glücklich galt, weil sie durch den Myrtenkranz erreichte, was andere Mächte durch Kriege erringen mußten.« Die Begegnung von Fürsten bei einem Familienfest habe nicht zwangsläufig politische Konsequenzen. »Gleichwohl sträubt sich das Gefühl der Menge gegen die Auffassung, als ob es sich bei der Zusammenkunft des deutschen Kaisers mit dem König von Großbritannien, dem Oberhaupt der größten Seemacht, und dem Kaiser von Rußland, dem Selbstherrscher der größten Landmacht, nur um ein Schauspiel handle, dem der Benedixsche Titel ›Die zärtlichen Verwandten‹ gebührte.« Angesichts eines drohenden Krieges mit Russland sei die Anwesenheit des Zaren als eine politische Aussage anzusehen: »Wäre die Lage so gespannt, daß ein naher Bruch erwartet würde, hätte der Zar seine Reise unterlassen, wiewohl er zu den nahen Verwandten des Brautpaares gehört.«34 Die persönliche Aussprache zwischen den Monarchen wecke Hoffnungen auf die Verbesserung die Beziehungen zwischen ihren Völkern. In derartigen Pressekommentaren drückt sich die gespaltene Auffassung der Zeit über Fürstenheiraten aus. Zum einen werden sie nicht mehr als zeitgemäße Form außenpolitischen Handelns angesehen, zum anderen kann die bürgerliche Presse – und selbst die Presse der Linken – nicht umhin, die Relevanz von Heiraten für die Beziehungen zwischen Regierungen und Ländern anzuerkennen. Angesichts der drohenden Kriegsgefahr wird das Zusammenkommen der Monarchen von Preußen, Großbritannien und Russland zu einem Friedenssignal an die Völker. Dies zeigt, dass das Echo der Vorstellungen von europäischem Frieden, die immer wieder auf Fürstenhochzeiten beschworen worden waren, auch im 20. Jahrhundert noch nachklang.

6.2 Vertrautheit und Fremdheit Ausdruck eines europäischen Verwandtschaftshorizontes im Hochadel waren nicht nur Inszenierungen bei Hochzeitsfesten, sondern auch das intensive Interesse der Dynastien an Verwandtschaftswissen, das durch den breiten, sich durch die Jahrhunderte ziehenden Strom von genealogischer Literatur belegt ist. Hier darf nicht nur an das gängigste Genre, den Familienstammbaum, gedacht werden. Diese Variante genealogischer Darstellung war nicht dazu angetan, die europäische Erstreckung familiärer Verbindungen zu visualisieren. Vielmehr ging es bei den Stammbäumen darum, die Erbfolge entlang der männlichen Linie zu verfolgen. Doch die Darstellung der Familiengenealogie als agnati34 Monarchen-Begegnung, in: Vossische Zeitung, 21.5.1913

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scher Stammbaum ist bei weitem nicht die einzige Form. In der Manuskriptabteilung der Berliner Staatsbibliothek wird beispielsweise ein Fotoalbum aus dem Besitz der preußischen Königsfamilie aus dem Jahr 1867 aufbewahrt. Es wurde auf Wunsch der Kronprinzessin Victoria, Tochter der Queen Victoria und Gattin des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, des späteren »Hundert-TageKaisers« Friedrich III., zusammengestellt, um – wie es auf dem Deckblatt heißt – die »nächste Verwandtschaft der Kronprinzlichen Kinder« darzustellen. Die »nächste Verwandtschaft« umfasst in diesem Album etwa hundert Personen, von denen knapp die Hälfte auf Fotografien abgebildet wird. Dargestellt werden nicht nur die preußischen Verwandten, sondern auch die der Kronprinzessin nahe stehende britische Familie: Victorias Eltern und Geschwister sowie deren Familien. Dieses Album, das den Zweck hatte, die kronprinzlichen Kinder mit dem Verwandtschaftsnetzwerk vertraut zu machen, zeigt, dass sich das verwandtschaftliche Bewusstsein nicht auf den Stammbaum reduzierte. Die Verwandtschaft über die weibliche Linie, die sogenannte »kognatische« oder »kollaterale« Verwandtschaft, spielte eine wichtige Rolle; sie stellte den Bezug zur europäischen dynastischen Welt her.35 Das Familienalbum für die kronprinzlichen Kinder ist nur ein Einzelstück und somit bestenfalls ein erster Hinweis auf das Selbstverständnis der Hohenzollern als europäisch vernetzte Dynastie. Aussagekräftiger ist die reichhaltige genealogische Fachliteratur, welche von der kurfürstlichen, später königlichen und kaiserlichen Familie in Auftrag gegeben, gesammelt und als Teil der Familienkultur auch rezipiert wurde. Sie zeugt vom Bewusstsein für verwandtschaftliche Vernetzung weit über die Landesgrenzen hinweg. Ihre Bedeutung kann nur ermessen werden, wenn die zentrale Rolle solcher Literatur für die Erziehung, Lektüren und Konversation von Fürsten berücksichtigt und auch in Betracht gezogen wird, welche großen Anstrengungen, auch finanzieller Art, unternommen wurden, um ihre Entstehung zu fördern. Für die Darstellung von weitreichenden Familienbeziehungen standen Formen zur Verfügung, welche – anders als die üblichen Stammbäume – die weite Erstreckung familiärer Beziehungen dokumentierten. Dazu gehören zum einen die sogenannten Allianzstammbäume, welche die verwandtschaftlichen Verbindungen zwischen zwei Häusern zum Thema haben. Sie wurden häufig im Umfeld von Eheschließungen angefertigt und ordneten das neue Band in eine historisch-genealogische Tradition ein. Ein anderes genealogisches Genre beruhte auf mittelalterlichen Traditionen. Es handelt sich hierbei um Stammbäume, die gleichermaßen kognatische wie agnatische Vorfahren einbezogen. Das Ziel war es hier, die Verwandtschaft mit einer möglichst großen Zahl von möglichst eindrucksvollen Vorfahren zu beweisen. Um 1700 waren vom französischen Hof etwa genealogische Traktate in Umlauf gebracht worden, in denen die Verwandtschaft Ludwigs XIV. mit Karl dem Großen nachgewiesen wurde. Solche Darstellung legitimierten das ludovizianische Hegemonialstreben. Den35 Die Königlichen Familien von England und Preussen.

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noch blieb dieses Argument für die französische Vorherrschaft nicht unwidersprochen. Auch der preußische König reagierte mit genealogischen Theorien, in denen seine Abstammung von den Karolingern nachgewiesen wurde. Dies versuchte etwa eine »Diatribe genealogica« aus dem Jahr 1707, geschrieben von Johannes Heineccio, einem Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. Auf dem Weg zurück zum »Spitzenahnen« wurden neun Jahrhunderte durchlaufen und sechs europäische Dynastien: das Haus von Karlmann, die Grafen von Nürnberg, die Herzöge von Lothringen, das Haus Habsburg und schließlich das Haus Zollern. Die politische Botschaft einer solchen genealogischen Fiktion liegt auf der Hand. Die preussischen Genealogen des 19.  Jahrhunderts, beispielsweise Graf ­Rudolf von Stillfried-Alcantara, die sich an den Standards der entstehenden Geschichtswissenschaft orientierten, rümpften über solche Traktate die Nase. Gleichwohl blieb das Genre des kognatisch-agnatischen Stammbaums erhalten, der von Berlin in die verwandtschaftliche, geographische und zeit­liche Ferne führte. Noch im Jahr 1911 veröffentlichte Freiherr Axel Albrecht von Maltzahn eine vielbeachtete Schrift mit dem Titel »Die 4096 Ahnen seiner Majestät des Deutschen Kaisers, König von Preußen, Wilhelm II«.36 Hierin werden die väterlichen und mütterlichen Ahnen Wilhelms  II. bis in die zwölfte Generation zurückverfolgt. Unter den Vorfahren befinden sich viele bedeutende Herrscher: etwa König Christian III. und andere Könige von Dänemark, Kaiser Ferdi­nand I. aus dem Haus Habsburg, Gustav I. von Schweden, der polnische König Kasimir II., der russische Zar Paul I. und somit auch dessen Vorfahren einschließlich Peter dem Großen, bedeutende Oranier wie Wilhelm III., Georg I. von Großbritannien und dessen Vorfahren von Jakob I. zurück bis zu Heinrich  VIII. Über die katholischen Stuarts war eine Verbindung zur fran­ zösischen Königsfamilie der Valois konstruierbar, die bekanntlich von den Capetingern abstammte. Ebenfalls zu Hugo Capet führte eine Verbindung über das von den Oraniern angeheiratete Haus Montpensier, das von Ludwig dem Heiligen abstammte. Maltzahns Werk zeichnete ein eindrucksvolles euro­ päisches Verwandtschaftspanorama. In diesem Sinne kommentierte es kurz nach dem Erscheinen auch Otto Hintze: Die »Phantasie unserer historisch interessierten Zeitgenossen wird gern bei der Vorstellung verweilen, daß alle die großen und glänzenden Gestalten der alten deutschen, ja europäischen Geschichte bis auf Karl den Großen … zu den Ahnen unseres Kaisers gehören«.37 Auch wenn solche Bezüge für die Herrschaftslegitimation des letzten Kaisers keine entscheidende Rolle mehr spielten, trug es doch zum Ansehen des M ­ onarchen bei, dass das Blut so großer Vorfahren in seinen Adern floss. Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um einen Eindruck davon zu vermitteln, dass sich die Mitglieder des Hauses Hohenzollern der Erstreckung ihrer europäischen

36 Maltzahn, Die 4096 Ahnen. 37 Hintze, S. 18.

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Verwandtschaft nicht nur bewusst waren, sondern das Wissen über sie sorgfältig pflegten. Anhand der genealogischen Literatur lernten die Mitglieder fürstlicher Familien von Kindesbeinen an, dass sie Teil eines weitverzweigten Familiennetzwerkes waren. Sie kannten ihre europäischen Verwandten lange bevor sie diese persönlich trafen. Intensiver Briefverkehr, Reisen und höfische Feste, bei denen Verwandte zusammenkamen, sorgten dafür, dass es nicht bei abstraktem Wissen blieb. Die Heiratspraxis der königlichen Familien war in besonderer Weise geeignet, europäische Horizonte zu eröffnen. Erstens galt es hier, Ehepartner auf dem »Royal Marriage Market in Europe«38 auszuwählen. Die Gattenwahl machte den Ausblick auf ein weites europäisches Panorama unerlässlich. Weitgesteckte Kenntnisse über europäische Familien, Allianzen, Ansprüche, Ebenbürtigkeit, Hausrechte und Traditionen waren nötig, um auf dem Feld verwandtschaftlicher Politik kompetent und erfolgreich agieren zu können. Doch ein europäischer Horizont wurde nicht nur bei der Auswahl von Partnern und der Eheanbahnung befördert, sondern auch bei der Durchführung von Heiraten. Dazu trug die mit Hochzeiten verbundene Reisetätigkeit bei und die Teilnahme an Festlichkeiten an einem anderen Hof. Je weiter das 19. Jahrhundert fortschritt, desto mehr auswärtige Gäste wurden geladen und desto »internationaler« wurden die Gesellschaften bei Fürstenheiraten.39 Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Reise zu einer Feierlichkeit in einer entfernten europäischen Residenz für die Beteiligten eine Reise in die »Fremde« war oder die Akteure hier Vertrautes wiederfanden und sich also stets in der Sphäre einer gesamteuropäischen Hofkultur bewegten, deren Regeln und Ausdrucksformen ihnen geläufig waren. Im ersteren Fall wäre der Effekt eine Erweiterung des europäischen Horizontes durch die Konfrontation mit euro­ päischer Vielfalt, im letzteren seine Bestätigung durch europäische Einheit. Am Berliner Hof orientierte man sich durchaus an international gebräuch­ lichen Standards, war aber gleichzeitig bemüht, die kulturelle Leistungsfähigkeit von Dynastie und Hof durch Erfindungen und Herausstellung lokaler Spezifizität unter Beweis zu stellen.40 Im 18. Jahrhundert etwa, als der Hohenzollernhof zunehmend unter den Einfluss der französischen Hofkultur kam, bedeutete dies keineswegs, dass in Berlin ausschließlich die Kultur von Versailles kopiert wurde. Andere Einflüsse, beispielsweise die italienische Oper oder das Vorbild des sächsischen Hofes, waren gleicher­maßen prägend. Darüber hinaus war das höchste Ideal immer die kreative Aneignung auswärtiger Kulturgüter, welche die Einbringung lokaler Besonderheiten keineswegs ausschloss. In einem Festbericht des preußischen Zeremonienmeisters Johann von 38 Radziwill, The Royal Marriage Market. 39 Vgl. Kapitel 6.1. Eine wichtige Quelle für die Wahrnehmung europäischer Hofkulturen sind auch Reiseberichte von Höflingen etwa Pöllnitz. 40 Reflexionen über dieses komplexe Verhältnis bei Paravicini, Zwischen Nachahmung und Abgrenzung.

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Besser von der Heirat im Jahr 1700 wird dies deutlich. Er beschreibt, dass er zur Vorbereitung der Feierlichkeiten die Festkleidung des Paares und der Höflinge aus Frankreich und anderen Ländern bestellt hätte. Dies sei nicht etwa geschehen, weil in Berlin keine vergleichbar schönen Kleider zu bekommen gewesen seien, sondern um das Ausland an der Freude der Berliner teilhaben zu lassen. In gleicher Absicht habe man auch Künstler für die Opernaufführungen von weither kommen lassen.41 Die Berliner Hofkultur, deren Hauptimpulse in den Jahren um 1700 aus Frankreich kamen, erweist sich als ein europäisches Potpourri. Gleichzeitig spielte das Lokale, das seinerseits auch immer eine Mischung aus Fremdem und Eigenen war, in höfischen Festen eine zentrale Rolle. Schloss und Residenzstadt wurden gleichermaßen zu Gegenstand und Bühne einer dynastischen Leistungsschau.42 Kein Festelement kann den Willen zur Darstellung der eigenen Residenz besser verdeutlichen als die Illuminationen, welche am Einzugs- wie am Trauungstag stattfinden konnten, aber auch als Höhepunkt der »divertissements« das lokale Umfeld ins rechte Licht setzten. Fassaden, aber auch Plätze und Monumente erschienen in neuem Licht. An den Illuminationen waren Mitglieder der Königsfamilie ebenso beteiligt wie der Berliner Adel und Privatleute. Die Festgemeinde bewegte sich – in einem Meer von Schaulustigen – in Kutschen von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten. Um sie herum strömten die Schaulustigen. Bei der Kronprinzenheirat von 1706 erstrahlten »alle Plätze und Strassen in dem schönsten Glantze«.43 Besonders prachtvoll war die Illumination bei der Heirat des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV. mit der bayerischen Prinzessin Elisabeth im Jahr 1823. Die Kommune von Berlin hatte aus eigener Kasse für die Erleuchtung einer Ehrenpforte sowie des Berliner und des Cöllner Rathauses gesorgt. Auf einem nahe der Langen Brücke vertäuten Spreekahn saß ein überdimensionaler Hymen am Steuerruder. Die Krone dagegen setzte die Prachtstraße Unter den Linden ins rechte Licht: »Wie sonst im Mondlicht alle die Prachtgebäude von der Schloßbrücke nach den Linden hinauf, das Zeughaus, die Universität, das Opernhaus, die katholische Kirche, die Bibliothek, die Academie, einen großartigen, in seiner Art einzigen Eindruck machen, so erhielten sie an diesem Abende durch tausend Flammen, welche an den Gebäuden in ihrer Umgebung brannnten, eine schöne Beleuchtung, und Scharnhorsts und Bülows Statuen vor der neuen Wache wurden gerade darum, weil sie kein fremder Lichtstrahl traf, sondern sie selbst mit der blendenden Weiße ihres Marmors aus der Nacht hervorleuchteten, mit mehrerer Aufmerksamkeit betrachtet.«44

41 Mariage de la Princesse Louise de Brandebourg … Relation inachevée de Mr. de Besser, Man. 1700, GStA PK, BPH, Rep. 45, W, Nr. 8. 42 Stollberg-Rilinger, Höfische Öffentlichkeit. 43 Die grosse Preußisch und Lüneburgische Vermählungs-Freude, S. 75. 44 Beschreibung der Feierlichkeiten, S. 126.

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Darüber hinaus wurden das Schloss, die Stadt und ihre Institutionen auch bei Tageslicht den Gästen präsentiert, etwa bei den zahlreichen Festtafeln und Bällen in den Palais von Familie und Würdenträgern. Ein besonders eifriger Berlin-Besucher war der niederländische Erbstatthalter Wilhelm, der 1767 mit der Prinzessin Wilhelmine vermählt wurde. Er besuchte im Rahmenprogramm seiner Vermählung die Königliche »Porcellain fabrique«, das Cadetten­haus und die Académie militaire.45 Häufig wurden zur Zerstreuung der Hochzeitsgesellschaft die Hohenzollernschlösser und andere Sehenswürdigkeiten in der Berliner Umgebung bereist. Im Jahr 1700, bei der Heirat von Luise, der Tochter des zukünftigen Königs Friedrich  I., waren Oranienburg, Lietzenburg, Potsdam und Lehnin im Besichtigungsprogramm.46 1706 war das kaum fertiggestellte Charlottenburg Ziel eines Ausflugs.47 Auch bei der Hochzeit von Philippine Charlotte, einer Tochter Friedrich Wilhelms I., im Jahr 173348 und vielen weiteren Festen wurde Charlottenburg besucht, das immer wieder auch für Trau­ ungen genutzt wurde.49 Mit dieser Mischung aus angeeigneten europäischen Hofkulturen und stolz präsentierten lokalen Leistungen rang der Berliner Hof um die Anerkennung der auswärtigen Gäste. So liegt es nahe, dass diese die Feierlichkeiten an einem fremden Hof als eine Mischung aus Vertrautem und Fremden erlebten. »Befremden« erlebten im Rahmen von Hochzeitsfeiern wohl am intensivsten die Partner, die zur Verheiratung in ein fernes Land reisten. Das waren in der Regel die Bräute und ihre Begleiter. Die Bräute waren es jedoch auch, die wegen ihres Lebens in einer zunächst fremden Kultur die intensivsten Kenntnisse über dieselbe erwarben und so langfristig zu kompetenten kulturellen Mittlern im Dienste der fürstlichen Familie wurden.50 Die wenigsten Bräute fühlten sich gleich nach der Ankunft am fremden Hof zu Hause, wie die Braut Sophie Dorothea, die im Dezember 1706 zur Hochzeit mit dem preußischen Kronprinzen nach Berlin reiste. Laut einem brieflichen Bericht ihrer Mutter, der Kurfürstin Sophie von Hannover, sagte eine Hofdame zu ihr: »Je serais bien embarassée dans un lieu où je ne connais rien.« Sie soll zurückgegeben haben: »Et moi, point du tout.«51 Welche Erfahrungen andere Bräute auf ihrer Fernreise zu Hochzeiten machten, zeigen Briefe und Tagebucheinträge, etwa die Quellen der Heimholung der Braut Wilhelmine durch den niederländischen Prinz Erbstatthalter Wilhelm im Jahr 1767. Die Vermählung hatte in Berlin stattgefunden; nach den Feier45 Berlin, vom 10. Oktober, in: Berlinische Privilegierte Zeitung, 10. Oktober 1767. 46 Vom Kurfürst Friedrich III. eigenhändig aufgesetzte Tagesordnung der Festlichkeiten vom 28. Mai bis 9. Juni, Man. 1700, GStA PK, BPH, Rep. 45, W 6. 47 Die grosse Preußisch- und Lüneburgische Vermählungs-Freude, S. 56. 48 Handschriftlicher Programmentwurf, 1723, GStA PK, BPH, Rep. 46, W 66. 49 Vgl. dazu Anh. 1, wo die Orte der Hohenzollernschen Trauungen verzeichnet werden. 50 Walsh, Verkaufte Töchter? 51 »Ich wäre an einem Ort, wo ich mich nicht auskenne, in großer Verlegenheit.« »Ich nicht im Geringsten.« Kurfürstin Sophie an Friedrich I., 21.12.1706, in: Schnath, S. 110 f.

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lichkeiten machte sich das frischgetraute Paar auf die Reise in die Niederlande. Der Kontakt der Braut mit der niederländischen Kultur begann mit der auf holländisch gesprochenen Empfangsrede eines Vertreters des Utrechter Stadtadels. Die Prinzessin war nicht in der Lage, die Grußworte zu verstehen; ihr Bräutigam habe die Güte gehabt, für sie in der Landessprache zu antworten; sie selber habe Französisch gesprochen.52 Zur Beschreibung der Reden der holländischen Seite verwendete sie das Wort »harangue«. Es bedeutet »feierliche Ansprache«, hatte aber auch im 18. Jahrhundert schon einen negativen Beigeschmack. Der »Dictionnaire de l’Académie française« von 1762 schreibt, man verwende das Wort umgangssprachlich auch für eine langweilige und unangenehme Rede.53 Aus dem Zusammenhang der Briefe wird deutlich, dass auch Wilhelmine die häufigen, langen und für sie unverständlichen Ansprachen der Holländer für schwer erträglich hielt. Auch der niederländische Unterhändler de Larrey räumte ein, dass Empfänge, Ansprachen und Diners für ihre Hoheit »étranges« wirken müssten.54 Fremdheit drückte sich jedoch nicht nur im Sprachlichen aus. Im Schloss Waldhaus angekommen, damals ein Nebensitz der Oranier, berichtet Wilhelmine vom Fortgang der Festlichkeiten. Beim ersten Empfang in der Hauptstadt sei eine unübersehbare Menge anwesend gesesen, alle seien ihr vorgestellt worden, aber sie kenne trotzdem bislang fast niemanden. Die Generalstände, der Geheimrat und die holländischen Stände hätten ihre holländischen »harangues« gesprochen, worauf sie wiederum auf französisch geantwortet habe. Das begleitende Zeremoniell beschreibt die Prinzessin als fremd. Vor allem störte es sie, dass der Prinz zum Empfang der Gäste an den Schlag ihres Wagen treten musste.55 Das fremde Zeremoniell wurde von ihr nicht nur als unangenehm empfunden, weil neue Gebräuche gelernt werden mussten, sondern auch, weil die Prinzessin das Entgegengehen bis zur Karosse als ein zu großes Ent­gegenkommen empfand. Das Befremden resultierte hier also aus dem republikanischen Geist des Zeremoniells. Weitere Begrüßungszeremonien warteten auf sie: »23 harangues, dans le même gout que les premiers, ceque étoit je l’avoue très ennuyant, il y avoit parmi tout ce monde des figures tres ridicules mais je n’ai pas rit, et l’on a admiré ma contenance«, berichtete die Prinzessin.56 Vor der fremden Menge beim Empfang rettete sie sich in ein französisches Gespräch mit dem britischen Botschafter. Doch die Prinzessin fand nicht nur fremde, unverständliche, ungehörige und lächerliche Dinge in Den Haag. Sie zeigte sich beim feierlichen Einzug in die Stadt auch beeindruckt von einer gewaltigen, aber geordneten Volksmenge. Den 52 Wilhelmine an Friedrich II., 2.11.1767, GstA PK, BPH, Rep. 56, I, W 14, Bd. 1a, Bl. 52. 53 »Harangue«, in: Dictionnaire de l’Académie française, Bd. 1, 4. Aufl., Paris 1762, S. 861. 54 De Larrey an Friedrich II., 10.11.1767, GstA PK, BPH, Rep. 56 I, W 5, Bl. 26. 55 Wilhelmine an Friedrich II., 2.11.1767, GstA PK, BPH, Rep. 56 I, W 14, Bd. 1a, Bl. 52. 56 »23 feierliche Ansprachen, im selben Stil wie die vorhergegangenen, das war, ich muss es eingestehen, sehr langweilig. Es gab unter den Anwesenden sehr lächerliche Figuren, aber ich habe nicht gelacht und man hat meine Contenance bewundert«, ebd.

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Haag gefiel ihr. Die Stadt sei fröhlich, auch wenn sie weder so schön noch so groß wie Berlin sei. Später kehrte sie inkognito nach Den Haag zurück, um die Prinzessin von Weilburg zu treffen. Der Kontakt war erfreulich: »elle parle joliment«.57 Auch andere vertraute Dinge begegneten ihr. Häufig besuchte sie etwa die Comédie française, die ihr »pas mauvaise«58 erschien. Schließlich versöhnte sie sich sogar mit den »harangues«. Die niederländischen Provinzen machten der Braut wertvolle Geldgeschenke. »A ce prix«, schrieb sie ihrem Onkel, »j’ai bien pu supporter quelque harrangue ennuyante«.59 Von den Bräuten, die 1791 Berlin in Richtung London und Den Haag ver­ ließen, sind keine ähnlich detaillierten Berichte bekannt. In einem Zeitungsbericht über den Empfang für die frischverheiratete Herzogin von York in London finden sich gewisse Anzeichen von Fremdheitserfahrungen: »The duchess speaks exceeding good English, but utters it with timidity.«60 Aus ihrem Verhalten schloss der Berichterstatter auf ihre Unsicherheit im Ungang mit unbekannten Formen: »Unaccustomed to the manners of England, it was rather a trying scene to a foreigner in so conspicuous a situation. Every eye was on her at once at the same time, inquisitively examining, and perhaps, comparing the productive charms of Prussia with the native growth of Britain.«61 Die Prinzessin wird im selben Bericht als »young stranger« bezeichnet. Erfahrungsberichte von der preußisch-russischen Heirat von 1817 zeigen, dass hier das Befremden der von Berlin nach Petersburg Gereisten noch weitaus größer war. Ihr Trennungsschmerz am Grenzübergang wurde durch den Anblick einiger ihr vertrauter Regimenter der russischen Armee gemildert.62 Doch einem den Brautzug begleitenden Zeitungskorrespondenten fielen nach dem Grenzübertritt in Memel die an der Straße stehenden russischen Juden und samojitischen Bauern auf. In Verbindung mit dem Pomp der orthodoxen Geistlichkeit hätten sie »einen schwer zu beschreibenden Eindruck auf ungewohnte Augen und Ohren gemacht«.63 Andererseits betont ein anonymer Bericht vom Ablegen des orthodoxen Glaubensbekenntnisses durch die Prinzessin Charlotte die Möglichkeit, mit dem zunächst Fremden vertraut zu werden. Die Prinzessin sei so von der Heiligkeit des Augenblick durchdrungen gewesen, dass sie die vielen Zuschauer vergessen habe und ganz unbefangen gegenüber allen »neuen Formen und Abweichungen« gewesen sei. »Ihr Ausdruck deutete lebendig an, daß es im Wesentlichen nur eine Religion giebt und daß allein menschliche Einrichtungen verschieden sind.«64 57 Ebd. 58 Wilhelmine an Friedrich II., 10.11.1767, GstA PK, Rep. 56, W 14, Bd. 1a, Bl. 58. 59 »Für solchen Lohn habe ich gern einige langweilige Ansprachen ertragen«, ebd. 60 London, in: The Times, 21.11.1791. 61 Drawing Room, in: The Times, 25.11.1791. 62 Lincoln, S. 66. 63 Schreiben aus Memel, vom 7. Juli, in: Königlich privilegierte Berlinische Zeitung, 19.7.1817. 64 Anonymer Bericht vom 8.7.1817, GStA PK, BPH, Rep. 49, W 12.

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Aufschlussreich ist auch das Fragment eines Berichtes von Charlottes Bruder Wilhelm (dem späteren König und Kaiser Wilhelm I.), der Befremden andeutet. Er beschreibt die Gefühle der Braut bei der Ankunft in Petersburg: »Hier scheint sie bald wahrgenommen zu haben, dass ihr Petersburg das nicht er­setzen kann, was sie in Berlin verlassen hat.«65. Seinem Bericht zufolge ließen die Sitten am russischen Hof zu wünschen übrig: »Nicolaus legte sich in Gegenwart der Kaiserin Mutter, mit Stiefel und Sporen, ganz ausgestreckt auf den Sopha, und blieb trotz aller Bitten der Mutter, in all unserer Gegenwart so liegen.«66 Von einer weiteren Verbindung mit dem Haus Hohenzollern, die von den Romanow gewünscht wurde, riet er dringend ab. Charlottes Briefe nach der Abreise ihres Bruders zeugen von einer tiefen Krise.67 Mit Wilhelms Weggang war die direkte Verbindung zu ihrer Herkunftsfamilie gekappt, und die Frischvermählte musste sich jetzt vollständig auf ihr neues Zuhause einlassen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten scheint ihr das jedoch gut gelungen zu sein. Dennoch zeigte sich erneut, dass weder minutiöse Verhandlungen im Vorfeld von Heiraten, welche die größten Differenzen klärten, noch die symbolische Kraft verbindender Festinszenierungen individuelle Fremdheitserfahrungen verhindern konnten. Fremdheitsgefühle stellten sich besonders dann ein, wenn – wie es etwa im Rahmen der Hochzeitsfeiern notwendigerweise geschah  – Kontakt nicht nur mit einem anderen Hof, sondern auch mit dessen Untertanen zu­standekam. Von ganz anderer Natur sind die Briefe, welche die britische Princess Royal und spätere Gattin des preußischen Kronprinzen Victoria anlässlich ihrer Ankunft in Preußen schrieb. Victoria schilderte ihre zumeist positiven Ein­drücke mit großer Detailfreude. Die gründliche Vorbereitung, welche ihr ihr Vater Prinz Albert in langen Sitzungen hatte angedeihen lassen, rentierte sich insofern, als Victoria, die fließend deutsch sprach, von wenigem überrascht war. Ihre auf der Überfahrt verfassten Briefe spiegeln noch den Abschiedsschmerz, der auch in ihren Briefen bis dahin ein zentrales Thema gewesen war.68 Doch immer wieder betont sie auch, wie die melancholischen Gedanken von der überwältigenden Freundlichkeit der preußischen Königsfamilie und dem Enthu­ siasmus der Untertanen zerstreut wurden. Entsprechend sind alle Beobachtungen aus den ersten Tagen von einem positiven Ton geprägt. Aus Aachen schrieb Victoria: »My first impression of the soldiers here is most favorable, I think they look splendid, – the few I have seen.«69 Den Einzug in Berlin – Menschen, Fahnen, Schleifen, Rufe, die gleißende Sonne und den bitterkalten Ostwind im Februar – beschreibt sie wie einen Rausch. In ihren vielen ungeordneten Einzeleindrücken geben ihre Briefe einen Eindruck der Überflutung.70 65 Prinz Wilhelm, Manuskript betreffend die Verlobung Kaiser Nikolaus I. … mit Prinzessin Charlotte, o. D., GStA PK, BPH, Rep. 49, W 14, 16, 19. 66 Ebd. 67 Charlotte an Wilhelm, 28.12.1817, GStA PK, BPH, Rep. 49, W 34, Bl. 1a. 68 Prinzessin Victoria an Queen Victoria, 3.2.1858, RA VIC/MAIN/Z/5/6. 69 Prinzessin Victoria an Queen Victoria, 4.2.1858, RA, VIC/MAIN/Z/5/9. 70 Prinzessin Victoria an Queen Victoria, 8.2.1858, RA VIC/MAIN/Z/5/15.

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Wenige Tage später setzte die Prinzessin die Erfolgsstory ihrer Ankunft mit einer Entdeckung fort: Ihr Appartement in Berlin sei so gemütlich, es sehe geradezu englisch aus.71 Die vielen Eindrücke überwältigten die Prinzessin und machten es ihr in den ersten Tagen unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Erst Wochen später gelang es ihr, mit Distanz und Reflexion auf die neue Situation zu schauen und auch kritische Gedanken über den prächtigen, aber von inneren Konflikten gebeutelten Berliner Hof zu äußern, der ihr zum Teil  sehr ablehnend gegenüberstand: »it is too sad! – And how so many People can make themselves so unhappy when they might make themselves and others so happy.«72 Doch selbst solche negativen Eindrücke von einer neuen Umgebung, die auf Erlebnissen mit Personen am Hof beruhten, können nicht den Eindruck verwischen, dass die Prinzessin aus England bestens auf ihre Erfahrungen am preußischen Hof vorbereitet war. Nach Anzeichen von Fremdheit sucht man in ihren Briefen vergebens. Dies ist jedoch weniger ein Hinweis auf die Existenz einer allgemeinen Hofkultur, als vielmehr auf die engen deutsch-britischen dynastischen Beziehungen. Die Auswahl von Berichten über Hochzeitsfeiern, welche in diesem Abschnitt präsentiert worden ist, zeigt, dass die reisenden Akteure durchaus Fremdheitserfahrungen machten. Trotz der engen europäischen Vernetztheit und trotz allgemein anerkannter höfischer Formen bedeutete die Reise zu einem anderen Hof nicht nur Begegnung mit dem Vertrauten. Die Spezifik höfischer Kulturen, die aus der aktiven Aneignung fremder Kulturen und ihrer Vermischung mit lokalen Traditionen und Gegebenheiten resultierte, machte eine Eingewöhnung nötig. Doch gerade weil bei fürstlichen Hochzeitsfeiern nur bedingt auf eine gemeinsame europäische Elitenkultur zurückgegriffen werden konnte, trugen sie zur Europäisierung bei. Durch Reisen im Rahmen von Feierlichkeiten wurde das Fremde erlebt und verlor damit vielfach seine Fremdheit. Durch Briefe und Berichte der Reisenden profitierten von diesen Erfahrungen nicht nur die unmittelbar Betroffenen.

6.3 »Dynastische Internationale«? Hochadelige Verwandtschaftsstrukturen in Europa In der Vorstellung vergangener Akteure (und mancher Historiker) war Europa also eine Angelegenheit verwandter Dynastien. Doch angesichts der Ergebnisse unserer Analyse des hohenzollernschen Heiratskreises stellt sich die Frage, ob nur die Hohenzollern einen durch Rang, Region und Konfession begrenzten Heiratskreis hatten und die übrigen Dynastien in Europa ein Heirats­verhalten 71 Prinzessin Victoria an Queen Victoria, 12.2.1858, RA VIC/MAIN/Z/5/16. 72 Prinzessin Victoria an Albert, 5.3.1858, RA VIC/MAIN/Z/1/8.

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an den Tag legten, welches der Vorstellung einer »dynastischen Internationale«73 näher kommt. Welches Bild muss man sich von der großen Familie der europäischen Dynastien machen? Gab es, wie es die Daten des Hauses Hohenzollern vermuten lassen, eine überschaubare Gruppe von besonders erfolgreichen, d. h. in der Regel »königlichen« Dynastien, welche beim Heiraten weitgehend unter sich blieben? Welche europäischen Familien gehörten zu diesen vornehmsten Heiratskreisen? War Europa konsequent entlang der konfessionellen Linie gespalten? Oder gab es Zeiten und Räume, in denen sich das katholische und das protestantische Europa der Dynastien mischten? Welche Rolle spielten regionale Heiratskreise und Endogamie für die höchste Adelskategorie in Europa? Schließlich soll den Veränderungen der Außengrenzen des Europas der durch Heiraten verbundenen Dynastien nachgegangen werden. Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, soll hier das Konnubium der ­vornehmsten Familien Europas vergleichend und verflechtungsgeschichtlich untersucht werden. Ein solcher Versuch steht vor großen methodischen Pro­ blemen. Zwar sind quantifizierbare Daten dank der genealogischen Literatur – vor allem dank des Nachschlagewerkes »Europäische Stammtafeln« – aus­ reichend vorhanden, doch es stellen sich komplexe Fragen nach der Auswahl und Kategorisierung der Daten und nach den Methoden der Auswertung. Die hier gewählte Herangehensweise geht von einer Stichprobe aus. Als Kriterium für die Aufnahme einer Linie in die Stichprobe wurde der Besitz der ­Königs- oder Kaiserwürde angesehen. Dieses Kriterium allein ist sicher nicht signifikant, denn Königswürde erhob zwar nominell über alle anderen Fürsten, doch über die Stellung im Verwandtschaftsnetzwerk sagte sie wenig aus. Davon abgesehen waren nicht alle Königskronen gleich. Die Krone eines großen und alten Reiches wie Frankreich wog schwerer als die eines kleinen und jungen wie Bulgarien; und das Verhältnis von Familien zum Thron konnte unterschiedlich sein: Eine Dynastie wie die Habsburger, welche die Krone des Heiligen Römischen Reiches mehrere hundert Jahre lang von Generation zu Generation weiterreichte, war höher angesehen als eine Familie des polnischen Hochadels, aus der ein Mitglied durch Wahl zum König bestimmt war, ohne dass sich daraus Erb­ansprüche ergaben. In einem ersten Schritt soll trotz dieser Heterogenität zunächst die Partnerwahl aller Linien, die im Besitz einer Krone waren, quantitativ untersucht werden. Mit Familien welchen Ranges waren sie vornehmlich verbunden? Bewegten sie sich ausschließlich im Kreis anderer königlicher Linien oder heirateten sie auch Linien, die ohne Krone waren? Welche Linien waren dies? Diese Ana­ lyseschritte können zu Ausschlüssen aus der, aber auch zu Aufnahmen in die ursprüngliche Stichprobe führen. Eine königliche Dynastie, die nicht oder nur wenig mit den anderen königlichen Dynastien vernetzt ist, darf nicht zum Kreis der vornehmsten Familien gerechnet werden. Eine nicht-königliche Dynastie, 73 Maltzahn, Abgrenzung und Anpassung.

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aus der regelmäßig Partner für die vornehmsten Familien gewählt werden, ist hingegen als Teil des höchstrangigen Familiennetzwerkes anzusehen. Es ist bei diesem Ansatz sinnvoll, zunächst nicht von Häusern, sondern von einzelnen Linien auszugehen. Bei der Untersuchung des Hauses Hohenzollern hat sich gezeigt, dass die einzelnen Linien ein und desselben Hauses weder das gleiche Prestige hatten, noch dass sie – von der gemeinsamen Abstammung abgesehen  – zwangsläufig eng miteinander verbunden waren. Vielmehr ist die Möglichkeit einzuräumen, dass Linien ein hohes Maß an Eigenständigkeit erwerben konnten, ja, dass sie teilweise – wie zum Beispiel das »Haus Brandenburg« – beinahe zum Haus innerhalb des Hauses werden konnten. Darüber hinaus muss in Rechnung gestellt werden, dass Linien eines Hauses im Laufe ihrer jahrhundertelangen Existenz in einen etwaigen erlesensten Kreis einzogen oder wieder daraus herausfielen. Widmen wir uns zunächst der Festlegung der Ausgangsstichprobe: Im 18. Jahrhundert gab es in Europa achtzehn Kronen. Diese wurden von fünfzehn verschiedenen Familien getragen. Zwischen 1800 und 1918 gab es – befördert durch die napoleonische und post-napoleonische Umstrukturierung der europäischen Landkarte neue Königreiche in Deutschland, den Niederlanden, Italien, Griechenland und dem Balkan – 29 Kronen, die in 15 Häusern vom Vater auf den Sohn weitergereicht wurden. Einige dieser Häuser waren alteingesessen, es waren aber auch neue Königsdynastien dazugekommen wie etwa das Haus Bernadotte. Insgesamt waren an der Besetzung von Königsthronen zwischen 1700 und 1918 32 Linien aus 19 Häusern beteiligt; sie gingen – verlässt man sich auf die im Großen und Ganzen, jedoch nicht in jedem Einzelfall korrekten Angaben von Detlev Schwennickes Tafeln – 386 Heiraten ein. Wie intensiv waren diese Linien untereinander und mit anderen durch Heirat vernetzt? Erstens fällt auf, dass es königliche Häuser gab, die nicht oder nur ausnahmsweise zum weiteren europäischen Hochadelsnetzwerk und schon gar nicht zu dessen oberster Liga gehörten: Die Häuser Kardjordjevic und Petrovic, die im frühen 20.  Jahrhundert die Throne von Serbien bzw. Montenegro besetzten, hatten nur eine schwache Verbindung zum vornehmsten Verwandtenkreis. Obwohl sie souverän waren, können sie nicht als Teil  der dynastisch-verwandtschaftlichen Welt Europas angesehen werden. Als Hauptgrund dafür ist sicherlich die Tatsache anzuführen, dass sie kurz vor dem Zusammenbruch des dynastischen Europa am Ende des Ersten Weltkrieges zur Königswürde aufstiegen und daher nicht ausreichend Zeit hatten, sich verwandschaftlich zu verbinden. Auch zwei polnische Adelsfamilien, die im 18. Jahrhundert je einen König auf dem Warschauer Thron platzieren konnten  – die Lesczynski und die Poniatowski –, waren mit der Welt der königlichen Verwandtschaft nur durch einzelne, nicht durch häufige Heiraten verbunden. Die durch die polnische Königswahl gegebenen Rahmenbedingungen erlaubten weder Dynastiebildung noch die Entstehung eines festen Heiratskreises. Zweitens ist offensichtlich, dass die verbleibenden 28 königlichen Linien häufig direkte verwandtschaftliche Beziehungen untereinander eingingen. Ein 267 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Viertel der von diesen illustren Linien geschlossenen Ehen wurde mit anderen Linien aus dem selben Kreis geschlossen. Ein weiteres Viertel verband die genannten 28 königlichen Linien mit Familien, die zwar keine Krone ihr eigen nannten, aber einem königlichen Haus angehörten. Letztere waren also Nebenlinien von königlichen Häusern. Darüber hinaus sind etwa 15 Prozent der Heiraten als endogam zu bezeichnen, das heißt sie wurden innerhalb von Linien oder zwischen Linien des selben Hauses abgeschlossen. Somit suchten die 28 königlichen Linien im Durchschnitt zwei Drittel ihrer Partner aus Familien, die entweder selbst oder in naher Verwandtschaft, d. h. im selben Haus, königliches Blut aufweisen konnten. Daraus ergibt sich drittens, dass etwa ein Drittel der königlichen Heiraten mit Linien von Häusern geschlossen wurden, die nicht zur Königswürde aufgestiegen waren. Auffällig ist in dieser Gruppe der recht hohe Anteil der Heiraten mit den beiden Hauptlinien des Hauses Mecklenburg. Da die letztgenannten augenscheinlich so attraktiv als Partner für königliche Familien waren, ist es lohnend zu prüfen, inwiefern ihre Partnerentscheidungen von denen königlicher Familienzweige abwichen. Die Ergebnisse für das Haus Mecklenburg zeigen, dass beide Hauptlinien (Mecklenburg-Strelitz und Mecklenburg-Schwerin) eine prestigeträchtigere Heiratspolitik betrieben als der Durchschnitt der königlichen Häuser: Mehr als drei Viertel ihrer Partner entstammten königlichen Linien oder Häusern. Auffällig ist darüber hinaus, dass von den nicht-königlichen Häusern solche präferiert wurden, die – wie die Häuser Oranien, Hessen oder Wettin – ehemals eine Krone ihr Eigen genannt, diese jedoch verloren hatten. Die hier genannten Durchschnittswerte dürfen nicht den Blick auf beacht­ liche Unterschiede zwischen dem Rangbewusstsein der Dynastien verstellen. Die mächtigen Königsfamilien des Südens heirateten weitaus exklusiver als die des Nordens. Besonders kritisch bei der Auswahl ihrer Partner waren die königlichen Linien der Bourbonen in Frankreich, Spanien und Italien. Sie heirateten fast ausschließlich andere Königsfamilien und zu einem hohen Prozentsatz Mitglieder ihres eigenen weitverzweigten Hauses.74 Die Habsburger, die Häuser Savoyen und Braganza, die bayerischen Könige aus dem Haus Wittelsbach und die Könige von Sachsen, Portugal und Belgien aus dem Haus Wettin, alle katholisch wie die Bourbonen, waren fast genauso selektiv und verbanden sich so gut wie nie mit Häusern ohne Königskrone. Die Heiratskreise im Heiligen Römischen Reich waren zumindest in der Theorie vom Privatfürstenrecht begrenzt. Dieses untersagte in der Regel Verbindungen von regierenden Familien mit solchen, die nicht über Sitz und Stimme im Reichstag verfügten. Während die schon angesprochenen katholischen Königsfamilien des Reiches (bzw. ehemaligen Reiches) diesen Spielraum nach »unten« kaum nutzten, waren protestantische Königsfamilien, wie die preußischen Hohenzollern und das Haus Württemberg, durchaus bereit, 74 Lamaison, Tous cousin?, S. 360 f.

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Partner bis zum Rang eines Reichsgrafen zu akzeptieren. Der Anteil der nichtköniglichen Heiraten lag dementsprechend in diesen Familien höher als bei den Dynastien des Südens. Im Vergleich zum katholischen Süden Europas und zum Reich waren die Familien, welche über die Königreiche im Norden Europas regierten, eher un­ prätentiös. In Britannien, Skandinavien und Russland waren Heiraten mit Partnern aus dem nicht-regierenden Adel nicht nur erlaubt, sondern sogar recht häufig. Dieses Nord-Süd-Gefälle schwächte sich im Laufe der Zeit ab. So strafften die britischen Royals durch den Royal Marriage Act von 1772 die Kontrolle über das Konnubium, und auch die Zarenfamilie führte im 19.  Jahrhundert Schritt für Schritt ein Hausgesetz ein, das striktere Ebenbürtigkeitsregeln etablierte. Doch die Unterschiede blieben in der Tendenz auch im 19. Jahrhundert erhalten. Zusammenfassend können im Bezug auf Rangfragen und die Frage eines verwandtschaftlichen Elitenzirkels folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: Erstens legen die Daten nahe, dass es durchaus eine Tendenz gab, innerhalb eines engen Kreises von besten, in der Regel königlichen Familien zu heiraten. Dafür spricht der durchgehend hohe Anteil von königlichen Heiraten im Kreis der 28. Doch die Souveränität war weder eine Bedingung noch eine Garantie für die Zugehörigkeit, wie zum einen das Haus Mecklenburg, zum anderen die genannten polnischen oder balkanischen Dynastien zeigen. Zweitens erweist sich, dass der verwandtschaftliche Kreis der vornehmsten und mächtigsten Familien nicht vollständig geschlossen war. Zwischen 1700 und 1918 kam etwa ein Drittel der Heiratspartner aus Familien ohne Krone. Darüber hinaus müssen wir in Rechnung stellen, dass die Seitenlinien könig­ licher Linien, die als Heiratspartner königlicher Linien beliebt waren, selber aber auch regelmäßig Partner außerhalb des innersten Kreises wählten, für eine Vernetzung nach außen sorgten. So scheint es, dass der innere Zirkel mit weniger elitären Familien vernetzt war, die wiederum Partner aus Familien heirateten, die für den innersten Kreis niemals in Frage gekommen wären. Der innerste Kreis hatte gleichsam eine Randzone, die als intermediäre Elite verwandtschaftliche Verbindungen mit einer sozial weniger angesehenen Ebene herstellte. Die europäische Familie der Dynastien bestand also aus einem eng vernetzten innersten Kreis von Häusern, welche – vor allem über Nebenlinien – mit weniger prestigeträchtigen verbunden war. Vor allem der Faktor Religion sorgte dafür, dass das Netzwerk der höchstrangigen Linien nicht homogen war. Es gab einerseits besonders dichte Zonen und andererseits Binnengrenzen innerhalb der »europäischen Familie der Dynastien«, welche selten überschritten wurden. Die drei großen Konfessionen – Katholiken, Protestanten verschiedener Richtungen und Orthodoxe  – mieden einander für gewöhnlich in Heiratsfragen. Dies heißt jedoch nicht, dass es gar keine Mischheiraten gab. Heiraten zwischen Calvinisten und Lutheranern waren häufig, und mit dem feinen konfessionellen Unterschied wurde pragmatisch umgegangen. Ähnliches gilt für Heiraten zwischen Anglikanern und Pro269 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

testanten. Es gab vereinzelt auch Heiraten zwischen Anhängern der drei Großkonfessionen. Aber da jede von ihnen die andere als häretisch ansah, gestaltete sich der Brückenschlag hier komplizierter. Zur Mischheirat mit einem katholischen Partner gehörte in der Regel der Dispens des Papstes. Jede Form der Mischheirat zwischen den drei Hauptkonfessionen bedeutete Konversion oder aber spezielle Absprachen über den Umgang mit der abweichenden Konfession der Braut. Selbst mithilfe des Gotha und anderer genealogischer Nachschlagewerke ist es nicht einfach, die wechselnden konfessionellen Affiliationen hochadeliger Häuser bzw. einzelner ihrer Linien oder Mitglieder zu bestimmen. Die hier vorgestellten Ergebnisse basieren daher nur auf der Analyse von den etwas über 300 Heiratsfällen der oben eingeführten Stichprobe königlicher Familien, bei denen die konfessionelle Zugehörigkeit beider Partner festzustellen war. Die Auswertung dieses Materials zeigt, dass im Zeitraum zwischen 1700 und 1918 die überwiegende Zahl der Heiraten, etwa 85  Prozent, zwischen Familien der gleichen Konfession oder zwischen nicht-konfligierenden Konfessionen (also Calvinisten, Lutheranern und Anglikanern) geschlossen wurde. Von den Mischheiraten waren zwei Drittel Verbindungen zwischen protestantischen und orthodoxen Familien und nur etwa ein Drittel zwischen protestantischen und katholischen Familien. Heiraten zwischen katholischen und orthodoxen Familien kamen in dem untersuchten exklusiven Zirkel nicht vor. Signifkant ist die Zunahme gemischter Heiraten im Untersuchungs­zeitraum. Noch im 17.  Jahrhundert waren Ehen zwischen katholischen oder protestantischen einerseits und orthodoxen Familien andererseits undenkbar. Erst die Westorientierung Peters des Großen führte seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts zur allmählichen Akzeptanz protestantisch-orthodoxer Mischehen.75 Zwischen 1700 und 1800 waren insgesamt etwas weniger als 10  Prozent der Ehen konfessionell gemischt, davon etwa zwei Drittel zwischen protestantischen und orthodoxen Familien. Nach 1800 stieg der Anteil der Mischehen auf 16 Prozent an, das Verhältnis von protestantisch-katholischen und protestantisch-orthodoxen Verbindungen blieb jedoch in etwa gleich, also bei etwa 1:2. Neben den Romanow spielten im 19. Jahrhundert zusehends noch die orthodoxen Häuser und Linien des Balkans eine Rolle.76 So ist es offensichtlich, dass die konfessionelle Grenze bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes konstitutiv für die Binnenstruktur der europäischen Heiratskreise blieb. Das gilt, auch wenn die Zahl der Querverbindungen über die Binnengrenzen und damit der Grad der gesamteuropäischen Vernetzung zunahm. Gleichzeitig darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass es einige Häuser – wie etwa die Wettiner, die Hohenzollern oder die Wittelsbacher gab – die gleichermaßen katho­ lische wie protestantische, einige sogar orthodoxe Zweige hatten. Diese Form

75 Siehe dazu Wortman, Scenarios of Power, Bd. 1, S. 51–61; Roll. 76 Gollwitzer, Das griechische Königtum der Wittelsbacher.

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der interkonfessionellen verwandtschaftlichen Vernetzung wäre noch genauer zu untersuchen. Da europäische Dynastien an ihre Residenzen und Territorien gebunden waren, hatten ihre Familiennetzwerke auch eine räumliche Dimension. Einer der wenigen Historiker, die sich mit diesem Phänomen beschäftigt haben, ist Walther Demel, der die britischen Peers, die französischen Ducs et pairs sowie den Reichsadel im Hinblick auf die räumlichen Strukturen ihrer Heiratsverbindungen untersucht hat. Seine Schlussfolgerungen über den europäischen Hochadel sind überraschend: Auch wenn es einzelne Familien gab, die »internationale« Verwandtschaft pflegten und Ehebünde mit Familien schlossen, die weit jenseits der Grenzen ihrer eigenen Königreiche lebten, war ihre Zahl in der zweiten Hälfte des 17. und am Anfang des 18. Jahrhunderts gering. Sogar in der vergleichsweise friedlichen Phase zwischen 1714 und 1740, die umfangreicherer Heiratsmigration hätte günstig sein müssen, gab es laut Demel nur wenige Heiraten mit »internationalem« Charakter.77 Königliche Dynastien und andere hochrangige Häuser unterschieden sich deutlich von denjenigen Adelsfamilien, über die sie regierten. Ihre Heiraten und die daraus resultierenden Familienverbindungen hatten europäische Dimensionen. Dies heißt jedoch nicht, dass Familien des Gesamtkontinents gleichermaßen angeheiratet wurden. Vielmehr prägten die königlichen Familien in der Regel spezifische regionale Heiratsmuster aus. So lenkt auch die spatiale Betrachtungsweise der Heiratsnetzwerke das Augenmerk auf Binnengrenzen. Wie schon das Beispiel des Hauses Hohenzollern gezeigt hat, war Nachbarschaft häufig Voraussetzung für enge verwandtschaftliche Vernetzung, und so zeichneten sich die Heiratskreise der meisten europäischen Dynastien durch eine gewisse räumliche Beschränkung aus. Als Beispiel für eine Familie, die über weit entfernte Gebiete regierte, bietet sich das Haus Bourbon an. Seit dem frühen 18. Jahrhundert beherrschte es nicht nur Frankreich, sondern auch Spanien und Teile Italiens. Aber dieser eindrucksvollen räumlichen Erstreckung stand eine starke Betonung endogamer Strategien entgegen. Analysiert man die 87 Partner der drei königlichen Linien des Hauses Bourbon zwischen 1700 und 1918, zeigt sich, dass etwa ein Drittel von ihnen innerhalb des Hauses Bourbon geschlossen wurde. Ein weiteres Drittel brachte die Bourbonen mit den benachbarten und vielfach verflochtenen Häusern Savoyen und Braganza zusammen, die in Italien und Portugal herrschten. Eine Heirat mit einer Osteuropäerin wie Maria Leszczynska, jener Tochter des Königs Stanislaus I. von Polen, welche die Ehefrau Ludwigs XV. wurde, war daher die Ausnahme von der Regel der  – allerdings weiträumig zu verstehenden – innerdynastischen Endogamie und »Nachbarschaftsehe«. So wird deutlich, dass es einen katholisch-romanisch geprägten Heiratskreis in Südeuropa beheimateter Dynastien gab. 77 Demel.

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Die katholischen Familien des Reiches waren nicht vollständig von diesem interdynastischen Verwandtschaftsnetzwerk des Südens abgeschnitten. Auch die Habsburger pflegten ihre Familienbande nach Italien und etablierten über diese auch verwandtschaftlichen Kontakt mit den Häusern Savoyen und Bourbon. Die Wittelsbacher und die katholischen Linien des Hauses Wettin heirateten hin und wieder in den mediterranen Familienclan. Doch der familiäre Kontakt zwischen dem germanisch-katholischen und dem romanisch-katholischen Heiratskreis war eher die Ausnahme als die Regel. So kann gefolgert werden, dass der katholische Teil des Verwandtschaftsnetzwerkes in zwei Heiratskreise geteilt war. Zutreffender müsste man wohl sagen, dass es im 18. und 19. Jahrhundert zwei besonders dichte Bereiche im katholischen Verwandtschaftsnetzwerk gab: die mediterrane Zone, die von den Bourbonen geführt wurde, und die Katholiken des Reiches unter den Habsburgern. Beide waren durchaus mit­ einander verbunden, doch der Austausch zwischen beiden war nicht so eng wie der Austausch innerhalb derselben. Eine vergleichbare Binnenstruktur innerhalb des protestantischen Teil des Netzwerkes, an das sich die Romanow anschlossen, gab es nicht. Der größte dynastische Spieler in dieser Zone war im 18.  Jahrhundert ohne Frage das Haus Oldenburg, das im Norden des Heiligen Römischen Reiches verwurzelt war, doch auch Throne in Dänemark, Norwegen, Schweden, Russland und Griechenland besetzen konnte. Durch Heiraten war es mit allen relevanten protestantischen Familien  – Hannover, Wettin, Hessen-Kassel, Mecklenburg – und mit den Romanow verbunden. Der Fall Oldenburg legt nahe, dass die hochrangigen protestantischen Häuser tatsächlich einer großen Familie angehörten. Andererseits kann man auch beobachten, dass bei den protestantischen Familien des Nordens der regionale Fokus häufig recht eng war. Der Fall Hohenzollern ist schon dargestellt worden. Die Häuser Romanow und Hannover folgten einem ähnlichen, auf vielen Bindungen mit den »Nachbarn« aus dem Reich beruhenden Muster. Eine Heirat zwischen einem Mitglied des Hauses Hannover und einem Mitglied der Zarenfamilie hat es nie gegeben. Ebensowenig ließ sich das Haus Oranien auf die Bindung mit der Zarenfamilie ein. In beiden Fällen hatte das wohl vor allem konfessionelle Gründe. Der Blick auf den Regelfall regionaler Begrenzung des Heiratskreises öffnet die Augen für die Ausnahmen. Die Flexibilität, mit der sich vor allem das Haus Sachsen-Coburg-Gotha in ganz Europa verbreitete, war in der Geschichte der europäischen Dynastien einzigartig: »Von Lissabon bis Petersburg, von Schottland nach Adrianopel reicht das Gebiet unserer materiellen oder geistigen … Machtsphäre«,78 schrieb Prinz Ferdinand von Bulgarien an seinen »lieben Onkel!« Herzog Ernst  II. von Coburg im Jahre 1887. Diese Ausbreitung verlangte eine besondere Flexibilität in konfessionellen und politischen Fragen. 78 Zit. nach: Gollwitzer, Das griechische Königtum der Wittelsbacher, S. 101.

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Auf der Suche nach einer europäischen Dynastie im vollen Sinn des Wortes stößt man unweigerlich auf das Haus Sachsen-Coburg-Gotha.79 So waren durch die Familienverbindungen Binnengrenzen entstanden, die europäischen Heiratskreise hatten jedoch eine Außengrenze, jenseits derer nicht geheiratet wurde. Im Westen, Norden und Süden war diese Grenze stabil und unveränderlich durch den atlantischen Ozean und das Mittelmeer gegeben. Variabel war hingegen die Ostgrenze. Die schon thematisierte Akzeptanz der Romanow seit dem frühen 18. Jahrhundert als Heiratspartner für die protestantischen Dynastien Europas bedeutete eine starke östliche Ausweitung der europäischen Heiratskreise. Die Romanow schlossen sich dem nordeuropäisch-protestantischen Teil  des königlichen Netzwerkes an. Eine weitere Phase schrittweiser Verschiebung nach Südosten erfolgte im Verlauf des 19. Jahrhunderts, als in Folge der Zurückdrängung des osmanischen Einflusses auf dem Balkan mehr und mehr etablierte Dynastien Seitenlinien auf balkanischen Fürsten- und Königsthronen installierten. Das hier präsentierte Material zeigt, dass die »europäische Familie der Dynastien« zwar insofern existierte, als jedes europäische Haus weitläufige verwandtschaftliche Verbindungen mit jedem anderen hatte. Gleichwohl waren die Heiratskreise der königlichen Dynastien begrenzt. Es zeigt sich, dass nur etwa 28 Linien zum innersten Kreis der vornehmsten europäischen Familien zu rechnen sind und eine besonders dichte Vernetzung betrieben, ohne sich indes hermetisch nach unten abzuschließen. Über die Nebenlinien kamen Kontakte mit der weiteren dynastischen Welt zustande. Weiterhin haben sich die konfessionellen Grenzen in Europa als relativ stabil erwiesen. Zwar wuchs der Anteil gemischter Heiraten an, doch blieb er nach wie vor so niedrig, dass von einer engen Verflechtung des katholischen Südens mit dem protestantischen Norden Europas nicht die Rede sein kann. Schließlich zeigte sich eine gewisse regionale Begrenzung der jeweiligen Heiratskreise. Heiraten, welche Partner aus verschiedenen Ecken des Kontinents zusammenbrachten, blieben die Ausnahme. Die Regel waren vielmehr Heiraten in der »Nachbarschaft«, d. h. Heiraten mit Familien, mit denen gemeinsame Grenzen bestanden. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass Heiraten eine privilegierte Form der Verwandtschaftsbeziehung waren, welche von einer Familie bewusst eingegangen wurden, während andere lediglich als Konsequenzen früherer dynastischer Weichenstellungen anzusehen sind. Die »europäische Familie der Dynastien« bestand aus verschiedenen Heiratskreisen; das bedeutet nicht nur, dass es Zonen gab, in denen die Verwandtschaftsbeziehungen besonders dicht waren, sondern auch, dass sie in diesen Zonen von willentlicher Entscheidung geschaffen worden waren. Gewiss sind Zweifel an der Nützlichkeit von quantitativen Methoden für die dynastische Geschichte angebracht. Erstens kann die Anzahl von Verbindungen weniger bedeutsam sein als ihre Qualität. So hat etwa nur ein Mitglied der 79 Mit Verweis auf die neueste Literatur: Davis, The Coburg Connection; Nicklas.

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preußischen Königsfamilie jemals einen Romanow geheiratet; dennoch hätten die hohenzollersch-romanowschen Familienverbindungen in der ersten Hälfte des 19.  Jahrhunderts kaum enger sein können. Zweitens ist die Umwandlung von Ereignissen im Leben einer Familie in statistische Daten schwierig. Man bedenke nur den gewaltigen Unterschied zwischen der Heirat eines Prinzen und einer Prinzessin, eines Erstgeboren und eines jüngeren Bruders, einer ersten oder einer zweiten Heirat. Diese wichtigen Differenzierungen können einem Computer kaum erläutert werden. Quantitative Analyse ist deshalb nur als Ergänzung, nicht als Ersatz für qualitative Analyse zu sehen. Wie fügen sich diese vielfältigen Befunde zusammen? Gab es ein »Europa der Dynastien«, im Bewusstsein, als familiäre Gemeinschaft, als Zone kultureller Vertrautheit, als politisch-verwandtschaftlichen Raum? Erstens kann es keinen Zweifel daran geben, dass es ein Wir-Gefühl unter den Dynastien des Kontinents gegeben hat. Dafür spricht ebenso das verbreitete genealogische Wissen des Hochadels wie seine Festkultur, die Gäste mit kunstvollen und symbolisch aufgeladenen Europa-Inszenierungen unterhielt und einschwor. Europabilder waren zumindest zeitweise fester Bestandteil der Festkultur. Insbesondere um 1700 spielte Europa in höfischen Inszenierungen eine wichtige Rolle. Durch die mythische Figur wurde europäischer Zusammenhalt gegen äußere Feinde, wurden europäische Tugenden und Wissenschaften beschworen. Gleichzeitig war sie ein Symbol für europäisches Gleichgewicht und europäischen Frieden. Das galt, obwohl die Friedenswirkung von Heiratsbanden zunächst und vor allem nur zwei Familien betraf. Auch wenn die Auftritte der Europa bei Hochzeits­ feiern im Verlauf des 18.  Jahrhunderts seltener wurden und schließlich ganz ausblieben, hat sich eine europäische Friedensbotschaft bei Heiratsfesten durchaus erhalten. Noch am Vorabend des Ersten Weltkrieges weckte eine welfischhohenzollernsche Heirat in Anwesenheit des Zaren und des britischen Königs Hoffnungen auf Abwendung eines drohenden Krieges. Doch inwieweit schlugen sich solche Ideen von Europa auch praktisch nieder? Die Erfahrungen von Festbesuchern haben gezeigt, dass die Feierlichkeiten an einem anderen Hof durchaus Fremdheitserfahrungen bedeuteten. Zwar gab es allgemein anerkannte höfische Codes in Europa, diese konnten aber durch lokale Aneignung und durch die Betonung eigener Traditionen unterschied­ liche Ausprägung erfahren. So kann das Europäische – wie schon in Fragen der dynastischen Kompatiblität – vor allem im Kennen, Erleben und Überwinden solcher Fremdheitserfahrungen gesehen werden. Dazu hatten die Mitglieder regierender Familien vielfältige Gelegenheiten. Die Einlösung der Vorstellungen von europäischer Fürstengemeinschaft stieß auch bei der Partnerwahl an Grenzen. Zwar konnten potentiell alle ebenbürtigen Familien untereinander heiraten. Zwar bestanden, wenn häufig auch nur entfernte, Beziehungen zwischen allen regierenden Familien Europas. Zwar war die Abgrenzung von den nicht-christlichen Herrscherfamilien deutlich, welche als Lieferant von Heiratspartnern auf keinen Fall in Frage kamen. Doch 274 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

war die Heiratspraxis in der Regel keine »gesamteuropäische«; vielmehr geschah der Verwandtentausch nicht nur bei den Hohenzollern in konfessionell und regional begrenzten Heiratskreisen. Diese vielfältigen und widersprüchlichen Befunde belegen, dass es das »Europa der Dynastien« als den Kontinent überspannendes Verwandtschaftsnetzwerk friedlich kooperierender und einer gemeinsamen Kultur anhängender Herrscherfamilien nicht gegeben hat. Das Ideal Europa wirkte dennoch und wurde zumindest in partikularen Realisierungen Wirklichkeit. Fürstenheiraten waren privilegierte Momente, um dieses Ideal in Erinnerung zu rufen. Die Reaktionen auf Hochzeitsfeste außerhalb der Höfe zeigen, dass auch die Untertanen sehr empfänglich für den Traum von fried­licher europäischer Verwandtschaft und Gemeinschaft waren. Sie bestaunten die verwandtschaftlichen Ideale der Herrscherfamilien nicht nur, sondern verschafften den dynastischen Europavorstellungen ein tausendstimmiges öffentliches Echo. Selbst alle diejenigen, welche im 19.  Jahrhundert darangingen, ein neues demokratisches Europa zu erdenken und zu propagieren, mussten sich am Europa der Könige und Dynastien abarbeiten. Es ist nahe liegend, dass die frühen Verfechter eines »Europas der Völker« zunächst Argumente dafür finden mussten, warum die schon bestehenden Vorstellungen europäischer Ordnung und europäischen Friedens, denen der Kontinent so lange angehangen hatte, nicht mehr gültig sein sollten. Sie mussten zeigen, dass das Europa der Dynastien nie funktioniert hatte und auch nie funktionieren würde. Nur so konnten sie plausibel machen, dass es nun die Völker sein sollten, welche durch ihre Zusammen­arbeit euro­ päischen Frieden hervorbringen konnten. Es gehört zu den Paradoxien der europäischen Geschichte, dass die »jungen« Europäer des 19. Jahrhunderts das alte Europa nicht nur bekämpften, sondern auch beerbten. Denn dadurch, dass sie sich des Symbols Europa bemächtigten, sogen sie auch ältere Vorstellungen vom Raum Europa und seinen Grenzen, von kontinentalem Frieden und Ausgleich, von Vernetzung und Austausch auf. Das demokratische Europa ist ohne die Grundlagen des dynastischen undenkbar.

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Schluss Ein Jahr nach der im Jahr 1913 aufwändig gefeierten Hochzeit der preußischen Prinzessin Viktoria Luise mit Ernst August von Cumberland begann der Erste Weltkrieg. Er endete mit einer schweren Niederlage für das Deutsche Reich und mit dem Thronverzicht Kaiser Wilhelms II. und der deutschen Bundesfürsten, der gleichzeitig das Ende der fünfhundertjährigen Existenz der Hohen­zollern als brandenburgisches, preußisches und deutsches Fürstenhaus bedeutete. Lothar Machtan erklärt in seinem Buch »Die Abdankung« das Ende des Reiches und seiner Dynastien als Endpunkt eines langen Erosionsprozesses, in dessen Verlauf die Unzeitgemäßheit der monarchischen Regierungsform und die Unfähigkeit der fürstlichen Herrscher immer deutlicher zutage traten – bis sie von der Wucht des Weltkrieges schließlich aufs Abstellgleis der Geschichte geschoben wurden. Die Geschwindigkeit und weitgehende Geräuschlosigkeit, mit der die wichtigsten Personen und Institutionen des Kaiserreichs ihre Plätze in der Mitte von Staat und Gesellschaft räumten, spricht für Machtan von einer »Selbstentkrönung«1. Auch wenn Machtans plastische Schilderungen eines überforderten Regimes ab 1914 zutreffen, ist es problematisch, einen langen Prozess des Niedergangs vorauszusetzen. Gewiss, die Welt hatte sich schon vor 1914 geändert. Die Gegenströme wurden stärker und die Öffentlichkeiten vielfältiger und kritischer gegenüber der Monarchie. Doch alles dies darf nicht den Blick dafür verstellen, welchen Rückhalt selbst ein fürs Regieren wenig begabter Kaiser wie Wilhelm II. in der Bevölkerung hatte. Ganz abgesehen davon, dass ein Teil ihres Besitzes und ein gewisses öffent­liches Interesse den Hohenzollern sogar nach 1918 erhalten blieb; letzteres richtete sich auch auf dynastische Ereignisse wie Geburten und Todesfälle, Geburtstage und Heiraten. Staats­politische Bedeutung konnten solche Ereignisse unter den gewandelten Umständen nicht mehr haben, und ihre Wirkung auf die politische Öffentlichkeit der Weimarer Republik war – wegen der Schwäche und inneren Zersplitterung des Monarchismus – begrenzt. Bestenfalls waren es noch Momente, in denen das Verhältnis zu Vergangenheit und Gegenwart ausgelotet und eine diffuse Sehnsucht nach dem vertrauten Personal und der Sinnfälligkeit des alten Regimes geweckt wurde.2 Am Schluss dieser Arbeit soll nochmals die Kernfrage nach den sich wandelnden politischen Bedeutungen der hohenzollernschen Heiraten im Mittelpunkt stehen: ihre Rolle im Prozess der Staatsbildung, ihre Funktion für die Außenpolitik, ihr Beitrag zur Europäisierung und zur Transformation der Politik von der Vormoderne zur Moderne: Waren dynastische Heiraten ein relevan1 Machtan, S. 16. 2 Schönpflug, Liebe und Politik.

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ter Faktor der Staatsbildung und blieben sie es bis in das 19. Jahrhundert? Auch wenn man sich die teleologischen Konstruktionen der borussischen Geschichtsschreibung nicht zu eigen macht, ist die Frage eindeutig zu bejahen. Zwar lassen sich die von Max W ­ eber beeinflussten Vorstellungen des modernen Staats als einer rationalen, bürokratischen Anstalt nicht auf die Frühe Neuzeit anwenden; doch sind bis zum Beginn der politischen Moderne Frühformen von Staatlichkeit anzutreffen, die in den Versuchen mächtiger Clans wurzelten, ihre Herrschaft und ihren Besitz über Generationen hinweg zu wahren und zu mehren. Ergebnis dieser Bestrebungen war der »dynastische Staat«. Dessen Kern war auf Dauer vor familiärem und äußerem Zugriff gesicherter Landbesitz. Sein Rückgrat waren die sogenannten Hausgesetze, die eine Verregelung dynastischer Herrschaft bewirkten. Neben den Erb- und Sukzessionsrechten, den Regelungen über die Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Territoriums sowie die Versorgung der Mitglieder der Familie stellte die Regulierung von Heiraten ein Schlüsselelement im dynastischen System dar. So wurde das Risiko gemindert, dass durch Heiraten familiärer Besitz verloren gehen konnte. Die brandenburgischen Hohenzollern setzten ab etwa 1600 Regeln in diesem Bereich durch: Das Gros des familiären Besitzes wurde nun dem ältesten Sohn vererbt, jüngeren Söhnen und Töchtern standen dagegen nur noch Versorgungszahlungen zu. Töchter, welche in den Stand der Ehe traten und dabei in die Familie ihres Mannes überwechselten, mussten vor der Trauung einen förmlichen Erbverzicht unterzeichnen. Mitgift und Aussteuer, die hausrechtlich zugesichert waren, stellten eine einmalige Entschädigung für das Ausscheiden aus der familiären Besitzgemeinschaft dar. Eine Zersplitterung des Territoriums durch das Erben von Töchtern, die in andere Häuser geheiratet hatten, war somit erschwert. Lediglich beim Aussterben des Mannesstammes konnte eine Tochter zur Haupterbin werden. Doch Heiraten stellten nicht nur ein zu minimierendes Risiko des dynastischen Staates, sondern ebenso eine Notwendigkeit, ja, sogar Chance desselben dar. Die Vorstellung einer dynastischen Herrschaft auf Dauer konnte nur dann Wirklichkeit werden, wenn die Familie über ausreichenden männlichen Nachwuchs verfügte, und legitime Nachkommen konnten nur aus rechtmäßigen Ehen hervorgehen. Wie am Beispiel Friedrichs  II. und seines engagierten Umgangs mit der Nachwuchskrise der Hohenzollern im 18.  Jahrhundert gezeigt worden ist, war die Sorge um den Fortbestand des Hauses – und damit des Staates – eine nicht zu vernachlässigende Dimension herrscherlich-dynastischen Handelns. Gleichzeitig hat die Analyse der demographischen Kennzahlen des hohenzollernschen Hauses gezeigt, dass die Familie eine Strategie der Risikominimierung verfolgte. Im Vergleich mit anderen Dynastien war der Anteil der ledigen Söhne eher gering, das Heiratsalter der einheiratenden Bräute recht niedrig. So konnten stabile Reproduktionsraten erreicht werden. Diese Strategie zahlte sich insbesondere im 19. Jahrhundert aus, als gesündere Lebensbedingungen, bessere medizinische Versorgung und daraus resultierende geringere Mortalität die reproduktiven Anstrengungen flankierten. 278 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Schließlich ist auf die Bedeutung von Heiraten für den Erwerb von Territorien und damit für die Staatsbildung eingegangen worden. Um diese zu unterstreichen, ist nicht nur auf die heiratspolitischen Erfolge der Hohenzollern im 16.  und 17.  Jahrhundert hinzuweisen, bei denen der sukzessive Erwerb Preußens und Jülich-Cleves gelang. Vielmehr sind auch Heirats- und sich daraus er­ gebende Erbvorgänge zu berücksichtigen, an deren Ende keine eindrucksvolle territoriale Erweiterung stand. Exemplarisch wurde das sich bis 1732 hinziehende Ringen um das oranische Erbe analysiert, das zwar schließlich nur zu sehr bescheidenen Zugewinnen für Preußen führte, gleichzeitig aber die anhaltende Bedeutung dynastischer Begründungen für territoriale Fragen unterstreicht. Gewiss resultierten territoriale Erweiterungen nie aus Heiraten allein. Sie waren vielmehr Teil eines Systems von politischen Praktiken, zu dem auch Diplomatie und Krieg gehörten. Dieses blieb in seinen Grundzügen bis ins 18. Jahrhundert intakt. Es wäre sicher falsch, die heiratspolitischen Erfolge der Hohenzollern im 16. und 17. Jahrhundert ihren Misserfolgen im 18. Jahrhundert gegenüberzustellen und aus diesem diachronen Vergleich auf einen Rückgang der territorialen Bedeutung von Heiraten zu schließen. Die Bedeutung der Heiraten für die Wahrung und Mehrung des Besitzes und die Tatsache, dass Herrschaft auf Dauer nur durch die aus legitimen Ehen stammenden Nachfahren möglich war, unterstreicht also die Wichtigkeit des Konnubiums für den dynastischen Staat, dessen Struktur nicht allein auf der Verregelung von Sukzession und Erbe beruhte. Allerdings wäre es einseitig, allein die dynastischen Faktoren der Staatsbildung zu betrachten und andere auszublenden. Tatsächlich beruhte das Wachstum des Staates auch auf Prozessen, die mit der Dynastie nicht oder nur bedingt verbunden waren. So dienten die wachsenden Verwaltungsapparate an den europäischen Höfen oder die immer umfangreicheren stehenden Heere ursprünglich dynastischen Zielen; doch sie verkörperten gleichzeitig – wie Wolfgang Reinhard gezeigt hat – Elemente der Staatsbildung, die vom Dynastischen unabhängig werden und es überleben konnten. Dieser Prozess der Entstehung des modernen Staates im Weberschen Sinne begann in Preußen ab den 1790er Jahren in seine entscheidende Phase zu treten. Ein wichtiger Schritt waren die Setzungen des Allgemeinen Preußischen Landrechts: Das Territorium wurde hier nicht mehr in seiner Gesamtheit als dynastisches Eigentum, sondern als gemeinschaftlicher Besitz des Staatsvolkes angesehen. Das konnte nicht ohne Auswirkungen auf die Bedeutung von Fürstenheiraten für den Staat blieben. Wenn der Staat kein dynastischer, sondern öffentlicher Besitz war, dann war die Vorstellung, dass Staatsterritorium vererbt werden konnte, absurd. Wenige Jahre später zeigte der Krieg des revolutionären und napoleonischen Frankreich, dass um 1800 andere, ebenso wirksame Begründungsgrundlagen für territoriale Expansion zum Tragen kamen. So verloren Heiraten als Risiko und Chance für das Staatsgebiet ihre Bedeutung. Selbst wenn in den Monarchien des 19. Jahrhunderts weiterhin das Prinzip der Primogenitur gültig blieb und sich die damit Bedeutung der Heiraten für die Fortsetzung der langen Kette 279 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

von Hohenzollernherrschern erhielt, ist unverkennbar, dass die Loslösung des Staates von der Dynastie begonnen hatte. Die Fürstenheirat, jenes »totale soziale Phänomen«, wie es Marcel Mauss genannt hat, war eine multifunktionale Praxis. Nicht alle ihre Zwecke lassen sich unmittelbar dem politischen Handlungsfeld zuordnen. Zu den gleichermaßen politischen wie gesellschaftlichen Funktionen der Heirat gehörte die soziale Distinktion. Heiraten der Hohenzollern fanden nur innerhalb des erlesenen Kreises regierender Familien statt; unabdingbares Kriterium für eine Ehe war die »Ebenbürtigkeit«. So trugen Ehen dazu bei, dass beide beteiligten Familien gegenseitig ihren herausgehobenen Status konfirmierten. Im Unterschied zum Anspruchsdenken verloren sich diese Praktiken der sozialen In- und Exklusion im Untersuchungszeitraum nicht. Heiraten im Kreis der »Ebenbürtigen« blieben für die Hohenzollern bis 1918 eine eherne Regel; die Kriterien für die Ebenbürtigkeit, vor allem Souveränität bzw. ehmalige Souveränität, verschärften sich sogar. Die Einzelfälle von Missehen und morganatischen Verbindungen, die seit der Regierungszeit Friedrich Wilhelms II. auftraten, können kein Argument gegen diese These sein. Im Gegenteil stellten sie eine Möglichkeit dar, nicht-ebenbürtige Heiraten mit einem spezifischen Rechtsstatus zu versehen, der den Ausschluss von Erbe und Sukzession bedeutete. So wurde die bei den Hohenzollern erst im 19. Jahrhundert gebräuchliche morganatische Ehe ein Schutzmechanismus der Ebenbürtigkeit und damit der Exklusivität der Dynastie. Die politischen Konsequenzen der Ebenbürtigkeitspraxis liegen auf der Hand: Bis zum Untergang vieler europäischer Dynastien am Ende des Ersten Weltkrieges blieb der Zugang zur Regierung – vor allem in Preußen und im Reich – einigen wenigen Familien vorbehalten, die sich vor Nachrückern aus dem nicht-regierenden Adel oder gar dem Bürgertum schützten. Als weitere nur bedingt politische Funktion des Heiratens muss die Ver­ sorgung von Familienmitgliedern genannt werden. In den Hausgesetzen fanden sich Richtwerte für die Höhe der Heiratsgüter, die je nach der Position innerhalb der Familie variierten. Ein Blick auf die Entwicklung der Ehegüterpraxis im Verlauf des Untersuchungszeitraumes zeigt, dass diese – von Ausnahmen abgesehen – im hausrechtlich abgesteckten Rahmen blieben. Die steigenden Kosten standesgemäßen Lebens wurden durch zusätzliche Gaben von Mannes- und Frauenseite abgedeckt. Dass die Festlegung der Höhe von Ehegütern mit politischen Absichten erfolgte, ist aus dem durchgesehenen Quellenmaterial nicht zu ersehen. Vielmehr schien es Konventionen von Mitgift und Gegengabe zu geben, an die man sich in der Regel hielt. Auch wenn noch nicht alle Funktionen der fürstlichen Heirat genannt sind, wird deutlich, dass es zwischen den verschiedenen zu erzielenden Vorteilen einer Partie Konkurrenz geben konnte. Für den strategischen Einsatz von ­Heiraten stellte das durchaus ein Problem dar; selten war es möglich, eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu finden, die oder der in jeder Hinsicht das Optimum darstellte. Die prestigeträchtigste Heirat musste nicht die politisch günstigste sein, die einträglichste nicht diejenige, welche die sicherste Aussicht auf 280 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Nachwuchs versprach. So erklärt sich, dass der strategische Einsatz von Heiraten eine überaus diffizile Angelegenheit sein konnte. Die Entscheidungsträger mussten klären, welche der Eigenschaften und Kapitale einer Braut oder eines Bräutigams in einer spezifischen Situation die nötigsten erschienen. Darüber hinaus war der Heiratsmarkt gleichermaßen begrenzt wie umkämpft, was die Heimführung des strategisch günstigsten Partners zusätzlich erschwerte. Die Liste der politischen Funktionen ist mit Territorialerwerb, Fortpflanzung und sozio-politischer Distinktion noch nicht erschöpft. Bedeutung für das politische Geschäft hatten Heiraten auch und vor allem als Instrument zur Etablierung oder Pflege von Beziehungen zwischen Monarchen oder Dynastien. Im Mittelpunkt des Interesses standen in dieser Arbeit vor allem verwandtschaftliche Beziehungen, welche die Hohenzollern mit anderen mächtigen Familien Europas verbanden. Dieser Fokus beruhte auf der Annahme, dass solche Verbindungen besonders geeignet sein könnten, den politischen Charakter verwandtschaftlicher Beziehungen aufzuzeigen. Diese Entscheidung, die mit Blick auf die Bewältigung des Quellenmaterials unausweichlich war, hat gleichwohl inhaltliche Probleme aufgeworfen: Verwandtschaftlich-klientelistische Politik, wie sie die Hohenzollern durch Vermählung mit den minder mächtigen benachbarten Häusern Hessen, Anhalt oder Mecklenburg betrieben, ist bislang und auch in dieser Arbeit nur in Ansätzen erforscht worden. Der Gegenstand verdient jedoch eine vertiefende Betrachtung in der Zukunft. Im Blick waren vor allem die Beziehungen zu den Oraniern, zu den Welfen auf dem britischen Thron sowie zum Haus Romanow. Insbesondere die beiden erstgenannten Familien stellten regelmäßig Heiratspartner der Hohenzollern. Welchen Einfluss hatten Heiraten auf das politische Geschäft? Sucht man nach der Art und Weise, wie die historischen Akteure die politischen Wirkungen von Heiraten konzeptionalisierten, stößt man auf die Konzepte von »Freundschaft« und »Verwandtschaft«. Sie bezeichneten politische Kooperationsbeziehungen, bei welchen beide Seiten den Verzicht auf Aggression, Unterstützung und fairen Umgang miteinander gelobten. Beide Begriffe sind im dynastischen Kontext weitgehend austauschbar. Die Ausdifferenzierung zwischen dem sozialen Fakt der Verwandtschaft und dem individuellen geistig-emotionalen Band der modernen Freundschaft fand im Kontext dynastischer Verwandtschaftspolitik nicht oder nur in geringem Maße statt. Stattdessen, so legt es die Begriffsverwendung in den hier untersuchten Quellen nahe, gingen die Zeitgenossen davon aus, dass Freundschaft die der Verwandtschaft angemessene Verhaltensweise war. Das galt auch noch im 19. Jahrhundert, als es zwar durchaus Beziehungen zwischen Mitgliedern von Dynastien gab, welcher einer neuen Freundschaftssemantik unterlagen, gleichzeitig aber in der Verwandtschaftspolitik die älteren Begriffsbedeutungen erhalten blieben. Richtet man den Blick jedoch nicht nur auf die Begriffe und die dahinter stehenden mentalen Konzepte, sondern auch auf die politisch-diplomatische Praxis, erweist sich die Frage der politischen Wirkungen von Heiraten als komplexes Problem. Zunächst lässt sich eine Typologie der Beziehungswirkungen 281 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

aufstellen; es wurde zwischen sechs Typen unterschieden: Traditionsheiraten setzten bestehende familiäre Bündnisse fort. Bekräftigungsheiraten hatten den Zweck, politische Bündnisse und Verträge durch einen rituell-verwandtschaftlichen Akt zu befestigen. Einflussheiraten verfolgten die Absicht, durch die Etablierung von Familienverbindungen Kommunikationskanäle zu einem anderen Hof zu öffnen. Transformationsheiraten sollten – häufig nach Konfliktsituationen  – Beziehungen zwischen Monarchen und Häusern positiv beeinflussen; im Unterschied zu Bekräftigungsheiraten gingen sie Bündnissen und Verträgen voraus. In der Praxis findet sich in der Regel keiner der Typen in Reinform; vielmehr mischen sich unterschiedliche Motivlagen. Weiterhin ist festzuhalten, dass Heiraten ein recht unspezifisches Instrument der Außenpolitik waren. Zwar konnten damit politische Absichten kundgetan werden; um Beziehungen zu konkretisieren und gegenseitige Verpflichtungen im Detail festzulegen, waren sie jedoch ungeeignet. Dazu brauchte es andere Formen der Beziehungs­ klärung, vor allem den diplomatischen Vertrag. Hohenzollernsche Heiratsfälle aus drei Jahrhunderten sprechen darüber hinaus dafür, dass die politische Wirkung von Heiraten in der Regel nur kurz anhielt. Langfristige Beziehungsnetzwerke zwischen großen europäischen Häusern, die von Friedfertigkeit und gegenseitiger Unterstützung geprägt waren, entstanden in der von extremer Staatenkonkurrenz geprägten Zeit vom 17. bis zum 20. Jahrhundert nicht. Vielmehr waren Heiraten in diesem Kontext Mittel zur Erreichung kurz- bis mittelfristiger strategischer Ziele. Das mussten nicht immer nur gute Beziehungen mit der angeheirateten Familie sein. Heiratsmotiv konnte das Streben nach Ansprüchen sein. Wie der Fall der preußischschwedischen Heirat von 1744 gezeigt hat, bei dem es Friedrich  II. eigentlich um das Verhältnis zu Russland ging, wurden Heiraten auch als außenpolitisches Pfand eingesetzt. Dieselbe Heirat, mit der Großbritannien ein Denkzettel verpasst werden sollte, zeigt, dass Ausgrenzung und Konkurrenz ebenfalls mit Heiraten bezweckt werden konnten. Entsprechend führten Heiraten nicht nur zur Beilegung, sondern auch zur Verschärfung von Konflikten. Umgekehrt lässt sich nachweisen, wie das konfliktreiche Geschehen auf der europäischen außenpolitischen Bühne anvisierte Heiraten verhinderte und dass gescheiterte Ehe­anbahnungen oft in scharfe politische Konflikte mündeten. Besonders sprechend ist hier das Beispiel der verwandtschaftlichen Kontakte zwischen Hohenzollern und Welfen, welche im Verlauf des 18. Jahrhunderts verschiedene Anläufe nahmen, um ihre einst so engen Beziehungen aufzufrischen, dabei aber in den rasch wechselnden Konstellationen, bei denen sich die jeweiligen Monarchen abwechselnd als Partner und Gegner wiederfanden, immer wieder scheiterten und dadurch noch weiter voneinander entfernten. Die Widersprüche zwischen den verschiedenen politischen Funktionen von Fürstenheiraten erschwerten deren kalkulierten strategischen Einsatz. Nicht nur zwischen der Erwerbs- und der Friedensfunktion bestand ein Widerspruch, sondern auch zwischen den miteinander in Zusammenhang stehenden positiven und negativen Beziehungswirkungen. Als Instrument der Bindungspflege 282 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

waren Heiraten überdies nur dann einsetzbar, wenn geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zur Verfügung standen. Diese Knappheit der Ressource Verwandtschaft zeigt – zusammen mit den schon angesprochenen Problemen der vielfältigen und widersprüchlichen Funktionen und der mangelnden Präzision –  Grenzen der Heiratspolitik auf. Doch im Handlungsfeld der europäischen Außenpolitik, das zumindest vor 1815 wenig feste Strukturen kannte, über keine wirklich wirkungsvollen Instrumente verfügte und nicht zuletzt deshalb in einem fast pausenlosen Krieg aller gegen alle bestand, waren fürstliche Heiraten nur ein unzuverlässiges und unkalkulierbares Instrument unter anderen. Für die Frage des Wandels über die Epochenschwelle hinweg heißt dies: Da die Heiraten in der Vormoderne kein verlässliches politisches Instruments gewesen waren, konnten sie diese Bedeutung auch in der Moderne nicht verlieren. Als interessant für die Frage des Wandels erweist sich die Tatsache, dass sich der Kreis der involvierten Akteure und ihrer Rollen im Lauf des 19. Jahrhunderts änderten. Das ist insbesondere am Fall der deutsch-britischen Heirat von 1858 deutlich geworden. Deutlich wurden hier auf britischer Seite ein neues Selbstbewusstein und eine ungekannte Eigenmächtigkeit von Regierung und Ministerien, die jetzt nicht mehr nur Werkzeug der Dynastie waren. Die Los­lösung von Dynastie und Staat zeigte sich darüber hinaus in der Tatsache, dass die britische Presse, Ausdruck einer unabhängiger werdenden Öffentlichkeit, sich nicht mehr zum Sprachrohr herrscherlicher Meinungen machen lassen wollte. Verschiedene Blätter vertraten ihre eigene Agenda und verschoben damit die politischen Schwerpunkte des Ereignistyps Heirat. Im Unterschied zur Erwerbsfunktion der Heirat, die um 1800 verloren ging, erhielt sich ihre Bekräftigungs-, Beziehungs- und Einflusswirkung bis 1918. Diese beruhte nicht zuletzt auf der Tatsache, dass Heiraten durch ein Ritual bekräftigt wurden. Feste kommunizierten die guten Absichten nicht nur zwischen den beiden beteiligten Familien, sondern auch gegenüber der weiteren dynastischen Welt sowie zwischen Dynastie und Untertanen. Die Öffentlichkeiten, die durch dynastische Feste angesprochen werden konnten, wandelten sich im Lauf der Jahrhunderte. Vom 18. zum 19. Jahrhundert veränderte sich vor allem die Rolle und Bedeutung der Öffentlichkeit der Untertanen, insbesondere des Bürgertums. Seine Präsenz, seine Sicht- und Hörbarkeit bei den Festen nahm zu. Immer mehr prägten bürgerliche Beiträge und Geschmack das Gezeigte. Gleichzeitig wurden die Feste in der wachsenden Medienwelt vervielfältigt, dabei aber auch zunehmend bürgerlich gedeutet. Die Grundkonstellation, dass dynastische Feste eine Akklamation der Untertanen für die Dynastie und die neue Verbindung darstellten, blieb erhalten. Erst zu Beginn des 20.  Jahrhunderts mischten sich in Preußen kritische Töne in die mediale Berichterstattung und störten die Harmonie, die bis dahin die dynastischen Festtage geprägt hatte. Zur Versinnbildlichung außenpolitischer Bindung bot das Fest verschiedene Möglichkeiten. Die Zeremonien der Hochzeiten waren angetan, Bindungen darzustellen. Dazu gehörten zuerst und vor allem der Trauuungsakt und die ihn umgebenden Gemeinschaftsrituale wie Mahl und Tanz. Auch die Braut283 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

fahrt stellte ein wichtiges Moment der Bindungsinzenierung dar. Als Abfolge von Abschied, Reise und Ankunft bildete sie Verbindungen über große Distanzen ab. Die Braut wurde in diesen Inszenierungen zu einem Bindeglied. Die plakativ dargestellte emotionale Bindung an sie bei Abschied und Ankunft schaffte gleichsam eine Gefühlsgemeinschaft zwischen zwei Dynastien. Die Übergangsrituale der Vermählung symbolisierten den Wechsel der Braut in ihre neue Familie, ohne dass die Beziehungen zur alten abgebrochen wurden. Darüber hinaus war die Bindungswirkung in Festdekorationen – in Schleifen, Ketten und Bändern – enthalten. Die Verschiebung der Öffentlichkeiten des dynastischen Fests war auch die Basis für die Wandlungen der Bindungsinszenierung. Ein besonders wichtiges Element des Wandels war der Diskurs über die »Liebe«, der in den Hochzeitsfesten gleichermaßen persönliche wie politische Bedeutung hatte. Vom 18. zum 19.  Jahrhundert veränderten sich erstens die Konzepte der Paarbeziehung. In der Frühen Neuzeit war »Liebe« der »Freundschaft« verwandt. Sie entstand aus guter ehelicher Kooperation, aus Harmonie und gegenseitiger Unterstützung; insofern war sie keine Gegenkraft, sondern eine Ergänzung und Verstärkung der Heiratsstrategien. Auch im 19. Jahrhundert blieben strategische Motive der Partnerwahl entscheidend, gleichzeitig wirkte jedoch auch das Ideal der romantischen Liebe auf die Paarbeziehung ein. Nun wurde von Prinzen und Prinzessinnen erwartet, dass sie die elterliche Partnerwahl durch voreheliches Verlieben akklamierten. Neben dem Moment der emotionalen Entflammung wurden auch geistige Harmonie, körperliche Hingezogenheit und Sehnsucht Kennzeichen einer guten Ehe. Neue Ansprüche an die Paarbeziehung waren entstanden, ohne dass die alten deshalb verschwanden. Für die Inszenierung von Hochzeitsfesten hatte der Wandel der Liebes­ semantik große Konsequenzen. In den Festen des 17.  und 18.  Jahrhundert tauchte die Liebe, häufig in der Figur der Venus, als Allegorie auf. Sie war Gegenpol zum von Mars verkörperten Krieg und –  zumindest in den höfischen »divertissements«  – in der Lage, diesen zu überwinden. Erst um 1800 rückte in den rituellen und medialen Inszenierungen der Fürstenheirat das liebende Prinzenpaar in den Mittelpunkt. Ihre emotionale Beziehung strahlte gleichsam aus. Sie war die Grundlage für die Liebe zwischen zwei Dynastien, und sogar die zwei von ihnen regierten Untertanenverbände, so das Narrativ der Feste, wurden vom Liebeszauber angesteckt. In der medialen Deutung und sozialen Wirkung konnten fürstliche Heiraten somit Feste der »Völkerliebe« werden. Die Hohenzollerndynastie war im 19. Jahrhundert immer weniger die erste Familie des Staates, wurde aber immer mehr die erste Familie der preußischen, später der deutschen Nation. Als Verkörperung der Nation waren die internationalen dynastischen Verzweigungen auch in der Lage, grenzüberschreitende Verbindungen herzustellen. Ein exklusiver, gar xenophober Nationalismus hatte zumindest im Kontext grenzüberschreitender dynastischer Feste keinen Raum. Erst in der Zeit des Ersten Weltkrieges, als sich der Nationalismus radikalisierte, wurde auch eine radikale Nationalisierung der Dynastien denkbar, bei 284 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

der deren internationale Verbindungen abgeschnitten wurden; die Umbenennung des Hauses Sachsen-Coburg-Gotha in »Windsor« ist dafür ein sprechendes Beispiel. Lothar Machtan hat darauf hingewiesen, wie sehr diese Kappung der internationalen Netzwerke zur Deligitimierung der Dynastien beitrug. Im 19. Jahrhundert dagegen wurden Hochzeitsfeste als Momente der Versöhnung zwischen Völkern und Nationen begangen. Die zumindest kurz- bis mittelfristige politisch-propagandistische Wirkung solcher im 19.  Jahrhundert auf breite Öffentlichkeiten gerichteten Feste kann kaum überschätzt werden. Während die Bedeutung von Fürstenheiraten für die Staatsentwicklung, vor allem die Erbansprüche auf Territorien, verloren ging und sich Staat und Öffentlichkeiten zunehmend von den Dynastien lösten, erhielt sich die Bedeutung als außenpolitische Allianzpraxis erhielt und verstärkte sich sogar ihre symbolischkommunikative Wirkung. Dieser Befund legt es nahe, von einem Bedeutungswandel, nicht von einem Bedeutungsverlust der Fürstenhochzeit im 19.  Jahrhundert zu sprechen. Eine Vorstellung von der Wirksamkeit von Fürstenhochzeiten entsteht allerdings vor allem dann, wenn es gelingt, die verschiedenen in dieser Arbeit zunächst getrennt analysierten Ebenen von Verwandtschaft, Diplomatie und Ritual zu verbinden. Verwandtschaftliche Beziehungen und Kommunikation in dynastischen Netzwerken gingen nahtlos ins Feld der Diplomatie über; beide wiederum trugen zu den Heiratsfesten bei. Die Grenzen zwischen den drei Handlungsfeldern waren fließend, und verwandtschaftliche Fragen stellten eine stets präsente Ebene im außenpolitischen System dar. Auch wenn sich die Heiraten in dieser Arbeit als recht kurzlebige politische Ereignisse erwiesen haben, war doch das langjährige Prüfen von Optionen, das Reflektieren über ihre politischen und sonstigen Konsequenzen, das Aushecken und Ausspielen verwandtschaftlicher Strategien, das Anbahnen und Abbrechen von Eheverhandlungen, das Planen, Durchführen und Erinnern von Festen sowie die Nutzung der daraus entstandenen Beziehungen ein Dauerzustand. In diesem Sinne ist es legitim, von Verwandtschaft als einem Strukturelement der Außenpolitik bis zum 19. Jahrhundert zu sprechen. Die Frage, inwieweit sich Fürstenheiraten als Faktor im Prozess der Europäisierung verstehen lassen, ist mit dem Problem der politischen Bedeutung verbunden und bedarf zu ihrer Beantwortung anderer Methoden. Am naheliegendsten ist es zunächst, nach Konzepten von Europa zu suchen. Tatsächlich sind – insbesondere um 1700 – Begriffe, Bilder und Ideen von Europa bei Fürstenheiraten, insbesondere im Rahmen der höfischen Divertissements, präsent. Vorstellungen von Europa als geographische Bezeichnung, als Geschichts- und Kulturraum, als Gemeinschaft friedliebender Monarchen, aber auch als wehrhafter Bund gegen hegemoniale Bestrebungen oder einen äußeren Feind sind zu dieser Zeit verbreitet. Die Konjunktur hält allerdings nicht lange an. Im 18. und 19. Jahrhundert hatte Europa nicht mehr die gleiche Prominenz; das heißt allerdings nicht, dass diese Deutungsebene fürstlicher Verwandtschaft wegfiel. Selbst am Vorabend des Ersten Weltkrieges fanden sich noch Zeitungskommen285 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

tare, welche über die Wirkungen einer fürstlichen Vermählung auf den euro­ päischen Frieden räsonnieren. Doch die Untersuchung der Selbst- und Fremdwahrnehmung fürstlicher Verwandtschaft als »europäisch« ist nur eine mögliche Herangehensweise. Ebenso fruchtbar ist die Untersuchung verwandtschaftlicher Verflechtung zwischen Herrscherfamilien als ein Element der europäischen Vernetzung. Hier hat sich gezeigt, dass die Vorstellung einer »großen europäischen Familie der Dynastien« zu differenzieren ist. Zwar lassen sich verwandtschaftliche Beziehungen zwischen fast allen Mitgliedern von regierenden Häusern rekonstruieren, doch die intensiven Verwandtschaftsbeziehungen, die durch regelmäßige Heirat gestiftet und bekräftigt wurden, fanden zumeist in begrenztem Raum statt. Die Regeln der Ebenbürtigkeit bewirkten zunächst einen verwandtschaftlichen Abschluss von circa zwanzig Familien, die intensiv miteinander verflochten waren. Beziehungen zu weniger exklusiven Familien waren durchaus vorhanden, häufig wurden sie über die Seitenlinien regierender Linien geschlossen. Doch sie kamen im Vergleich zu den exklusivsten Ehen seltener vor. Eine deutliche innereuropäische Grenze wurde durch den Faktor Konfession geschaffen. Heiraten zwischen Protestanten und Katholiken waren Aus­nahmen, auch noch im 19.  Jahrhundert, in welchem die Mischehenfrage liberaler gehandhabt wurde. Die orthodoxen Romanow heirateten ab dem 18. Jahrhundert in die Zirkel der protestantischen Familien ein. Die Integration der Romanow führte zu einer gewaltigen »Osterweiterung« des Europas der Dynastien. Einen ähnlichen Effekt hatte auch die in Folge der Zurückdrängung des osmanischen Einflusses auf dem Balkan eintretende Gründung neuer Dynastien im Südosten Europas. Diese entstammten häufig den alteingesessenen Familien und waren so Ableger des bestehenden Europas der Dynastien. Binnengrenzen entstanden auch durch die starke Orientierung an regionalen Heiratskreisen sowie die in einigen Familien ausgeprägte innerdynastische Endogamie. Diese war insbesondere bei den Bourbonen zu beobachten, welche einen großen Teil ihrer Verbindungen zwischen den verschiedenen Linien des Hauses vornahmen. Auch die regionale Orientierung verhinderte ein allzuweites europäisches Ausgreifen von Heiratskreisen. Wechselt man von der Ebene der Vernetzung auf die des Vergleiches, stößt man wiederum auf ambivalente Befunde. Ist es zulässig, von einem gemeinsamen europäischen Typus von Herrscherfamilie zu sprechen? Die Antwort auf diese Frage kann nur vorläufig sein. Zunächst ist festzuhalten, dass die europäischen Herrscherfamilien auf der Grundlage unterschiedlicher familiärer Regelwerke existierten. Es bestanden Unterschiede in den Erb-, Sukzessionsoder Ebenbürtigkeitssystemen. Die Vorstellung einer verbindenden Hofkultur konnte anhand von Erfahrungsberichten zumindest mit einem Fragezeichen versehen werden. Doch beide Befunde, die in dieser Arbeit nur auf einer begrenzten Quellenbasis getroffen wurden, bedürfen einer vertiefenden Betrachtung. Insbesondere ein Vergleich mit den Regelsystemen und Lebenskulturen außereuropäischer Dynastien scheint hier vielversprechend. Für einen europä286 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

ischen Typus der Herrscherfamilie spricht allerdings die Tatsache, dass die Unterschiede zwischen den betrachteten Familien im Verlauf des Untersuchungszeitraumes geringer wurden. Darüber hinaus hat sich auch gezeigt, dass allen Unterschieden zum Trotz die Notwendigkeit und der Wille vorhanden waren, Brücken zu schlagen. Heiraten setzten intensive Beobachtung und Wissensströme in Gang. Die Heiratsverhandlungen bemühten sich um Kompatibilität zwischen dynastischen Systemen und kulturellen Eigenheiten, so wie die feiernden, von immer weiter her angereisten Akteure Fremdheit nicht nur erlebten, sondern auch überbrückten. Selbst wenn das Europa der Dynastien mehr als Idee denn in der Wirklichkeit existierte, waren Heiraten – ihre Vorbereitung, Durchführung und Folgen – ein Faktor der Europäisierung.

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Anhang: Die Heiraten der brandenburgischen Hohenzollern 1640–19181 9.10.1645, Herzog Jakob von Kurland  Luise Charlotte von Brandenburg, Königsberg 7.12.1646, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg  Luise Henriette von Oranien, Den Haag 19.7.1649, Landgraf Wilhelm VI. von Hessen-Kassel  Hedwig Sophie von Branden­ burg, Berlin 14.6.1668, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (2. Ehe)  Dorothea von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, Gröningen/Halberstedt 23.8.1679, Kurprinz Friedrich (III./I.) von Brandenburg  Elisabeth von Hessen-­ Kassel, Potsdam 7.1.1681, Ludwig von Brandenburg  Luise Charlotte Radziwill, Königsberg 8.10.1684, Kurprinz Friedrich (III./I.) von Brandenburg (2. Ehe), Sophie Charlotte von Hannover, Herrenhausen/Hannover 20.8.1687, Erbprinz Karl von Mecklenburg-Güstrow  Maria Amalie von Branden­ burg, Potsdam 5.7.1689, Herzog Moritz Wilhelm zu Sachsen-Zeitz  Maria Amalie von Branden­ burg (2. Ehe), Potsdam 29.4.1691, Herzog Friedrich Kasimir von Kurland  Elisabeth Sophie von Branden­ burg, Berlin 8.6.1695 (Missehe), Karl Philipp von Brandenburg-Schwedt  Katharina von Bal­ biano, verwitw. Gräfin von Salmour, La Venaria/Turin 25.1.1699, Philipp von Brandenburg-Schwedt  Johanna Charlotte von Anhalt, Oranienbaum/Dessau 31.5.1700, Erbprinz Friedrich (I.) von Hessen-Kassel  Luise Dorothea Sophie von Brandenburg, Berlin 30.3.1703, Markgraf Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth  Elisabeth ­Sophie von Brandenburg (2. Ehe), Potsdam 31.10.1703, Albrecht von Brandenburg-Sonnenburg  Maria Dorothea von Kurland, Charlottenburg/Berlin 28.11.1706, Kronprinz Friedrich Wilhelm (I.) von Preußen  Sophie Dorothea von Hannover, Berlin 28.11.1708, König Friedrich  I. in Preußen (3. Ehe)   Sophie Luise von Mecklenburg-Schwerin, Berlin 1 Nach Grossmann; mithilfe von Schwennicke wurden die Angaben für die Zeit 1905 bis 1918 ergänzt. Fett gesetzt sind jeweils die Ehepartner aus der brandenburgisch-preußischen Linie des Hauses Hohenzollern; nur für diese werden Angaben zu Mehrfachehen gemacht. Zur Vereinfachung werden Titel nur bei regierenden Fürsten und Erbprinzen genannt; die Titel wurden durchgehend vereinfacht und verkürzt.

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3.6.1714, Herzog Ernst Ludwig I. von Sachsen-Meiningen  Elisabeth Sophie von Brandenburg (3. Ehe), Ehrenburg/Coburg 8.12.1716, Erbprinz Friedrich Ludwig von Württemberg  Henriette Marie von Brandenburg-Schwedt, Berlin 3.6.1723, Erbprinz Wilhelm Heinrich von Sachsen-Eisenach  Sophie von Bran­ denburg-Sonnenburg, Berlin 30.5.1729, Markgraf Karl von Brandenburg-Ansbach  Friederike Luise von Preu­ ßen, Berlin 20.11.1731, Erbprinz Friedrich (III.) von Brandenburg-Bayreuth  Wilhelmine von Preußen, ­Berlin 22.5.1733, Fürst Viktor Friedrich von Anhalt-Bernburg  Albertine von Branden­ burg-Sonnenburg, Potsdam 12.6.1733, Kronprinz Friedrich (II.) von Preußen  Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern, Salzdalum/Wolfenbüttel 2.7.1733, Karl (I.) von Braunschweig-Wolfenbüttel  Philippine Charlotte von Preußen, Berlin 10.11.1734, Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Schwedt  Sophie von Preußen, Potsdam 13.2.1739, Friedrich Heinrich von Brandenburg-Schwedt  Leopoldine von Anhalt-Dessau, Dessau 6.1.1742, August Wilhelm von Preußen  Luise Amalie von Braunschweig-Bevern, Berlin 29.8.1744, Adolf Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorp (schwed. Thronfolger)  Luise U ­ lrike von Preußen, Drotningholm 25.6.1752, Heinrich von Preußen  Wilhelmine von Hessen-Kassel, Charlottenburg/Berlin 29.11.1753, Friedrich (II.) von Württemberg  Friederike Dorothea von Branden­ burg-Schwedt, Schwedt 27.9.1755, August Ferdinand von Preußen  Luise von Brandenburg-Schwedt, Charlottenburg/Berlin 14.7.1765, (Kron)prinz Friedrich Wilhelm (II.) von Preußen  Elisabeth von Braunschweig-Wolfen­büttel, Charlottenburg/Berlin 25.7.1767, Fürst Leopold III. von Anhalt-Dessau  Luise von Brandenburg-Schwedt, Charlottenburg/Berlin 4.10.1767, Fürst Wilhelm V. von Oranien  Wilhelmine von Preußen, ­Berlin 14.07.1769, (Kron)prinz Friedrich Wilhelm (II.) von Preußen (2. Ehe)  Friederike Luise von Hessen-Darmstadt, Charlottenburg/Berlin 10.1.1773, Landgraf Friedrich  II. von Hessen-Kassel  Philippine von Branden­ burg-Schwedt, Berlin 7.4.1787 (Missehe), König Friedrich Wilhelm II. von Preußen (3. Ehe)  Julie von Voss, Charlottenburg/Berlin 11.4.1790 (Missehe), König Friedrich Wilhelm II. von Preußen (4. Ehe)  Sophie von Döhnhoff, Charlottenburg/Berlin 29.9.1791, Frederick, Duke of York  Friederike von Preußen, Berlin 1.10.1791, Erbprinz Wilhelm (VI./I.) von Oranien  Wilhelmine von Preußen, Berlin 24.12.1793, Kronprinz Friedrich Wilhelm (III.) von Preußen  Luise von Mecklenburg-Strelitz, Berlin

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26.12.1793, Friedrich Ludwig von Preußen  Friederike von Mecklenburg-­Strelitz, Berlin 17.3.1796, Anton Fürst Radziwill  Luise von Preußen, Prinzliches Palais in Berlin 13.2.1797, Erbprinz Wilhelm (II.) von Hessen-Kassel  Prinzessin Auguste von Preußen, Berlin 12.1.1804, Wilhelm von Preußen  Maria Anna von Hessen-Homburg, ­Berlin 13.7.1817, Großfürst Nikolaus (I.)  Charlotte von Preußen, St. Petersburg 21.11.1817, Friedrich von Preußen  Luise von Anhalt-Bernburg, Ballenstedt 18.4.1818, Herzog Leopold IV. von Anhalt-Dessau  Friederike von Preußen, Berlin 25.5.1822, Erbgroßherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin  ­A lexandrine von Preußen, Berlin 29.11.1823, Kronprinz Friedrich Wilhelm (IV.) von Preußen  Elisabeth von Bayern, Berlin 9.11.1824 (morganatisch), König Friedrich Wilhelm  III. von Preußen (2. Ehe)   ­Auguste von Harrach (Fürstin von Liegnitz, Gräfin von Hohenzollern), Charlottenburg/Berlin 21.5.1825, Friedrich, Prinz der Niederlande  Luise von Preußen, Berlin 26.5.1827, Carl von Preußen  Marie von Sachsen-Weimar-Eisenach, Charlottenburg/Berlin 11.6.1829, Wilhelm (I.) von Preußen  Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach, Berlin 14.9.1830, Albrecht von Preußen  Marianne, Prinzessin der Niederlande, Gravenhage/Den Haag 22.10.1836, Karl von Hessen und bei Rhein  Elisabeth von Preußen, Berlin 12.10.1842, Kronprinz Maximilian (II.) von Bayern  Marie von Preußen, Berlin 20.4.1850 (morganatisch), Adalbert von Preußen  Fanny Elssler, erh. zu Theresia, Freiin von Barnim, Schloss Monbijou, Berlin 18.5.1850, Erbprinz Georg (II.) von Sachsen-Meiningen  Charlotte von Preußen, Charlottenburg/Berlin 26.5.1853, Kurprinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel  Anna von Preußen, Charlottenburg/Berlin 13.6.1853 (morganatisch), Albrecht von Preußen (2. Ehe)   Rosalie von Rauch (­Gräfin von Hohenau), Altenstein/Thüringen 27.6.1854, Erbprinz Alexis von Hessen-Philipsthal-Barchfeld  Luise von Preußen, Charlottenburg/Berlin 29.11.1854, Friedrich Karl von Preußen  Maria von Anhalt-Dessau, Berlin 20.9.1856, Großherzog Friedrich I. von Baden  Luise von Preußen, Berlin 25.1.1858, Friedrich (III.) Wilhelm von Preußen  Victoria, Princess Royal, St. James/ London 9.12.1865, Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin  Alexandrine von Preußen, Berlin 19.4.1873, Albrecht von Preußen  Marie von Sachsen-Altenburg, Berlin 18.2.1878, Erbprinz Bernhard (III.) von Sachsen-Meiningen  Charlotte von Preu­ ßen, Berlin 18.2.1878, Erbgroßherzog Friedrich August von Oldenburg  Elisabeth von Preu­ ßen, Berlin 24.8.1878, Heinrich, Prinz der Niederlande  Marie von Preußen, Potsdam 13.3.1879, Arthur, Herzog von Connaught  L ­ uise Margarete von Preussen, ­Windsor

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27.2.1881, Wilhelm (II.) von Preußen  Auguste Viktoria von Schleswig-HolsteinSonderburg-Augustenburg, Berlin 6.5.1885, Albert von Sachsen-Altenburg  Marie von Preußen (2. Ehe), Berlin 24.5.1888, Heinrich von Preußen  Prinzessin Irene von Hessen und bei Rhein, Charlottenburg/Berlin 24.6.1889, Friedrich Leopold von Preußen  Luise zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, Berlin 27.10.1889, Kronprinz Konstantin von Griechenland  Sophie von Preußen, Athen 19.11.1890, Adolf von Schaumburg-Lippe  Viktoria von Preußen, Berlin 25.1.1893, Friedrich Karl von Hessen  Margarethe von Preußen, Berlin 6.6.1905, Kronprinz Wilhelm von Preußen  Cecilie von Mecklenburg-Schwerin, Berlin 27.2.1906, Eitel Friedrich von Preußen  Sophie Charlotte von Oldenburg, Berlin 22.10.1908, August Wilhelm von Preußen  Alexandra Viktoria zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, Berlin 8.6.1910, Friedrich Wilhelm von Preußen  Agathe von Ratibor und Corvey, ­Potsdam 17.5.1913, Heinrich  XXXIII. Prinz Reuss  Viktoria Margarethe von Preußen, Potsdam 24.05.1913, Ernst August von Cumberland (wird Herzog von Braunschweig)  Vikto­ria Luise von Preußen, Berlin 31.7.1914 (morganatisch), Oskar von Preußen  Ina von Bassewitz, Schloss Bellevue/ Berlin 3.8.1914, Adalbert von Preußen  Adelheid von Sachsen-Meiningen, ­Wilhelmshaven 11.3.1916, Joachim von Preußen  Maria Auguste von Anhalt, Berlin

291 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Abkürzungen AHR BPH FBPG FHS FO GARF

American Historical Review Brandenburgisch-preußisches Hausarchiv Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte French Historical Studies Foreign Office Gosudarstvennyj Archiv Rossijskoj Ferderacii (Staatliches Archiv der Russischen Förderation, St. Petersburg) GG Geschichte und Gesellschaft GStA PK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (Berlin) GWU Geschichte in Wissenschaft und Unterricht HA Hauptabteilung HJ Historical Journal HJb Hohenzollern-Jahrbuch HRR Heiliges Römisches Reich deutscher Nation HZ Historische Zeitschrift JEG Jahrbuch für Europäische Geschichte JMH The Journal of Modern History Man. Bor. Manuscripta Borussica morg. morganatisch NPL Neue Politische Literatur P&P Past and Present PRO Public Record Office RA Royal Archives (Schloss Windsor, UK) Rep. Repositur RHMC Revue d’histoire moderne et contemporaine Stabi Berlin Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz TNA The National Archives (UK) ZfGO Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins ZBL Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte ZfG Zeitschrift für Geschichtswissenschaft ZHF Zeitschrift für Historische Forschung

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Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Quellen a) Ungedruckte Quellen Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin. Hauptabteilung I. – Rep. 11: Geheimer Rat, auswärtige Beziehungen – Rep. 36: Hof- und Güterverwaltung – Rep. 81: Gesandtschaften (insb. London, Den Haag) – Rep. 89: Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode, 1807–1920 – Rep. 96: Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode bis 1808 – Rep. 100: Hausministerium Hauptabteilung III. – Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten ab 1806 Brandenburgisch-Preußisches Hausarchiv – Urkunden VII: Eheverträge – Rep. 35 u. 45–56: Personalreposituren der kurfürstlichen und königlichen Familie

Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz / Manuscripta Borussica

– Die Königlichen Familien von England und Preussen 1867. Die nächste Verwandtschaft der Kron­prinz­li­chen Kinder. Zusammengestellt auf Wunsch der Kronprinzessin 1867, Fotoalbum 1867, Staatsbibliothek Ber­lin, Handschriftenabteilung, Man. Bor., 4’’, 538. – Gerken, Johann Heinrich, Friedrich I. Prachtband zu seiner dritten Hochzeit 1708 mit Sophia Loysa Herzogin zu Mecklenburg, Man. Bor., Fol. 1026.

Royal Archives, Schloss Windsor, Vereinigtes Königreich

– RA F&V/WED/1858/VICGED: miscellaneous papers concerning the wedding of Victoria, Princess Royal – RA F&V/WED/1879/ADCN: miscellaneous papers concerning the wedding of Arthur, Duke of Connaught – RA VIC/MAIN/QVJ: Queen Victoria’s Journal 1837–1901 – RA VIC/ADDS: papers regarding Royal Marriages 1761–1891 – RA VIC/MAIN/G/42: papers regarding the Oriental Question 1855–1856 – RA VIC/MAIN/Y/189: copies of extracts of letters from Prince Albert to Baron Stockmar 1854–1861 – RA VIC/MAIN/Z/1: letters from the Princess Royal to Prince Albert 1858

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– RA VIC/MAIN/Z/5: letters from the Princess Royal to Queen Victoria January–June 1858 – RA VIC/MAIN/Z/61: papers concerning the Princess Royal 1855–1856 – RA VIC/MAIN/Z/67: papers concerning the dowry and marriage treaty of the Princess Royal 1857

The National Archives / Public Record Office, Kew, Vereinigtes Königreich – – – – –

– – – – –

FO 353/17: Foreign Office; Jackson Papers 1791/92 FO 64/22: Foreign Office, Prussia 1781–1905; Ewart, 1791 FO 64/22: Foreign Office, Prussia 1781–1905; Lindsay, Eden, 1791 FO 64/23: Foreign Office, Prussia 1781–1905; Eden, Durno, 1792 FO 64/469: Foreign Office, Prussia, 1781–1905: Treaty department, Marriage of the Princess Royal 1857/58 FO 94/183: Foreign Office, Treaty and Letter Department, Marriage Treaty of the Princess Royal HO 124/1: Home Office, Marriage Treaty of Frederick Duke of York LC 2/79 u. 80: Records of Lord Chamberlain: Marriage of the Princess Royal LC 2/86: Record of Lord Chamberlain: Marriage of Arthur Duke of Connaught LC 2/95: Idem

Staatsarchiv der Russischen Förderation, Sankt Petersburg – Kollektion 728, Inventar 1.

b) Zeitungen und Zeitschriften1 – Berliner Tageblatt – Berlinische Nachrichten von Staats- und Gelehrtensachen = (Haude und) Spenersche Zeitung – Berlinische Privilegierte Zeitung (1721–1778) = Königlich privilegierte Berlinische Zei­tung von Staats- und gelehrten Sachen (1785–1911) = Vossische Zeitung (1912–1934) – Der Schalk – Der Tag – Der Vorwärts – Deutsche Volkszeitung – Illustrierte Montags-Zeitung – Illustrierte Frauenzeitung – Illustrierte Zeitung – (Neue) Frankfurter Zeitung – Neue preußische Zeitung = Kreuzzeitung – Norddeutsche Allgemeine Zeitung – Tägliche Rundschau – The Morning Post – The Times 1 In den Fußnoten werden Zeitungen und Zeitschriften, die im Verlauf ihres Bestehens ihren Titel veränderten, stets mit dem Titel der jeweils zitierten Ausgabe genannt.

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c) Gedruckte Quellen Abel, C., Preussische und Brandenburgische Reichs- und Staats-Historie, worinnen nicht nur dieses königlichen Chur-Hauses hohe Abkunfft … sondern auch von denen vorigen Beherrschern seiner weit ausgebreiteten Länder und Staaten … eine zulängliche Nachricht ertheilet wird, Leipzig 17352. Abt, E., Mißheiraten in den deutschen Fürstenhäusern unter besonderer Berücksichtigung der standesherrlichen Familien, Heidelberg 1911. Allgemeines Landrecht für die Preussischen Staaten, Berlin 17942. Angelus, A., Annales Marchiae Brandenburgicæ, das ist Ordentliche Verzeichnuss und beschreibung der fürnemsten und gedenckwirdigsten Märckischen Jahrgeschichten und Historien, so sich vom 416. Jahr vor Christi Geburt, bis auffs 1596. Jahr begeben und zugetragen haben, Frankfurt/O. 1598. Archer, Ch. M., A Guide and Descriptive Account of the Marriage of the Princess Royal with Prince Frederick William of Prussia, London 1858. Arnheim, F. (Hg.), Die Memoiren der Königin von Schweden. Ulrike Luise, Schwester Friedrichs des Großen. Ein quellenkritischer Beitrag zur Geschichte Schwedens im 18. Jahrhundert, Halle 1888. Bailleu, P. (Hg.), Briefwechsel König Friedrich Wilhelm’s III. und der Königin Luise mit Kaiser Alexander I., nebst ergänzenden fürstlichen Korrespondenzen, Leipzig 1900. –, Aus den Briefen König Friedrich Wilhelms III. an seine Tochter Prinzessin Charlotte, in: HJb, Jg. 18, 1914, S. 188–236. Ballet royal de la naissance de Venus. Dansé par sa majesté, le 26. de Ianvier 1665, Paris 1665. Bandow, G. F., Preußens und Englands neuester Fest- und Freudentag: Beschreibung der bei Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preussen und Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Victoria von Großbrittannien und Irland Vermählung und Einholung stattgehabter Feierlichkeiten, Berlin 1858. Baumgart, W. (Hg.), Akten zur Geschichte des Krimkriegs, Serie II: Preußische Akten, 2 Bde., München 1990/91. Berner, E. (Hg.), Aus dem politischen Briefwechsel des deutschen Kaisers mit dem Prinz-Gemahl von England aus den Jahren 1854–1861, Gotha 1881. –, Kaiser Wilhelms des Grossen Briefe, Reden, und Schriften, Berlin 1906. Bernstorff, E. Gräfin von, Ein Bild aus der Zeit von 1789 bis 1835, Berlin 1896. Beschreibung der Feierlichkeiten, welche bei der Vermählung des Kronprinzen von Preussen … mit der Prinzessin Elisabeth von Baiern … stattgefunden haben, Berlin 1824. Beschreibung des grossen und ungewöhnlichen Feuer-Werks, welches bey dem prächtigen Beylager des durchlauchtigsten Fürsten und Herrn/Friederich Wilhelms/Sr. königlichen Majestät in Preußen eintzigen Kron-Erbens/Mit der durchlauchtigsten Princessin/Sophien Dorotheen Aus dem Chur-Hause Lüneburg … höchst glücklich verbrandt worden, Berlin 1706. Bielfeld, Baron de, Lettres familières, Bd. 2, Den Haag 1763. Birken, S. von, Singspiel, betitelt Sophia: Zu … Herrn Christian-Ernstens Markgravens zu Brandenburg … mit … Freulein Sophien-Erdmuht/Herzoginn zu Sachßen … Hochfürstlichem Beylager unterthänigst übergeben, Bayreuth 1662. Bismarck, O. von, Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1, Stuttgart 1922.

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Kratzer, M. M., Ehrfurcht und Liebe, München 1823. Kurtze doch umständliche Beschreibung des solennen Einzugs ihro königl. Hoheit der Cron-Prinzessin von Preussen, Elisabeth Christine, Princessin von Braunschweig-Bevern … in Magdeburg und höchst deroselben fernere Abreise nach Berlin: so geschehen den 20. und folgenden Tagen des Monats Junii 1733, Magdeburg 1733. Küster, G. G., Bibliotheca historica Brandenburgica scriptores rerum Brandenb. maxime Marchicarum exhibens, Breslau 1743. Leuthinger, N., Scriptorum de rebus marchiæ Brandenburgensis maxime celebrium Nicolai Leuthingeri De marchiæ et rebus Brandenburgicis, commentarii ac opuscula nec non Zachariæ Garcæi Successiones familiarum atque Res gestæ præsidum marchiæ Brandenburgensis 927–1582, ad nostra usque tempora continuatæ. Cum præfatione Joh. Gottlib. Krausii, Frankfurt/Oder 1729. Louisens und Friederikens, Kronprinzessin, und Gemahlen des Prinzen Ludwig von Preußen, … geborener Prinzessinnen von Mecklenburg-Strelitz, Ankunft und Vermählung in Berlin, Berlin 1794. Lumley, H. R., A Piece of the Royal Wedding Cake. A Fairy Tale upon the Occasion of the Princess Royal’s Marriage, London 1858. Lünig, J. Ch., Bibliotheca curiosa deductionum: worinn eine zuverlässige Nachricht vieler merckwürdiger Schrifften vorhanden, Leipzig 1717. Lyrischer Myrten-Strauss zur Feier der zu Berlin am 29.  November 1823 vollzogenen hohen Vermählung Sr. Kön. Hoheit des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preussen mit Sr. Kön. Hoheit der Prinzessin Elise Ludovike von Baiern von den Völkern Baierns und Preussens ehrfurchtsvoll dargebracht, Augsburg 1823. Majer, J. Ch. von, Allgemeine Einleitung in das Privat-Fürstenrecht überhaupt, Tübingen 1783. Maltzahn, Albrecht von, Die 4096 Ahnen seiner Majestät des Deutschen Kaisers, König von Preußen, Wilhelm II, Berlin 1911. Meisner, H. O. (Hg.), Kaiser Friedrich III. Tagebücher von 1848–1866, Leipzig 1999. Menzel, M., Wittelsbach und Zollern. Eine Festgabe, der Geschichte beider Fürstenhäuser entnommen, und zur Feier der Vermählung Seiner K. Hoheit, des Kronprinzen Maximilian von Bayern mit Ihrer  K. Hoheit, der Prinzessin Maria von Preussen, im October 1842, Bayreuth 1842. Moser, J. J., Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 12, Teilbd. 1 u. 2: Familien-Staats-Recht der deutschen Reichsstände, Frankfurt 1775. Müller, J. J., Königlich-spanischer Vermählungs-Saal, auf welchem so wol das oesterreichische Successions-Recht als die französische Praetension auf die spanische Monarchie … dargestellet wird, 3 Bde., Frankfurt 1710. Myler von Ehrenbach, N., Gamologia personarum Imperii illustrium, in quo de Matrimonio, tam inter se, quam cum Exteris, aequali vel inaequali, ex Ratione Status, et ad Morganatam matrimoniam Virorum illustrium, idem de Uxore illustri, de dispensatione, de Vidua, Dotalitio, nec non de Liberis illustribus, tam naturalibus quam legitimis, eorumque jure et dignitate agitur, Stuttgart 1664. Neumann, J. F. W., Meditationes juris principum privati de jure personarum illus­ trium, Frankfurt, 8 Bde., 1751–1756. Patono, B., Le Margrave Charles et la Marquise de Salmour Balbian. Anecdote historique du dix-septième siècle, Berlin 1804.

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325 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Personenregister Abt, Emil  94 f. Adalbert von Preußen (1811–1873), Sohn des Prinzen Wilhelm, Enkel von König Friedrich Wilhelm II.  103 Adolf Friedrich IV., Herzog von Mecklenburg-Strelitz 215 Adolf Friedrich von Schleswig-HolsteinGottorp, 1751 König von Schweden (1710–1771)  80, 117, 137, 178 f., 180 f. Adolphus Frederick, Duke of Cambridge (1774–1850), Sohn des Königs Georg III.  187 Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, 1840 verh., 1857 britischer Prinzgemahl  88 f., 147–151, 161, 199 f., 202 f., 204 f., 264 Albrecht Achilles, Kurfürst von Brandenburg (1414–1486)  35 f. Albrecht Friedrich, Herzog von Preußen (1553–1618), Sohn des Herzogs Albrecht  59 f. Albrecht Friedrich von Brandenburg-Sonnenburg (1672–1731), Sohn des Großen Kurfürsten 52 Albrecht von Preußen (1809–1872), Sohn Friedrich Wilhelms III.  53, 103 f., 110, 214 Albrecht, Markgraf von Brandenburg-Ansbach, Herzog in Preußen (1490–1568), Sohn des Markgrafen Friedrich II. von Brandenburg-Ansbach 59 Alewyn, Richard  10, 213, 227 Alexander der Große, König von Make­ donien  251 f. Alexander I., Zar von Russland  132, 142, 145, 155, 193–197, 203, 205 Alexandra Feodorowna s. Charlotte von Preußen (1798–1860) Amalie von Preußen (1723–1787), Tochter Friedrich Wilhelms I.  52 Amalie zu Solms-Braunfelds (1602–1675), 1625 verh. Prinzessin von Oranien  163, 165 Amelia of Great Britain (1711–1786), Tochter des Königs Georg II.  174–176, 181 Andries, preußischer Diplomat  181

Angelus, Andreas (1561–1598), Pfarrer und brandenburgischer Chronist  39 Anna Pawlowna, Großfürstin von Russland (1795–1865), Tochter des Zaren Paul I., 1816 verh. Prinzessin der Niederlande  192 Anna von Preußen (1576–1625), Tochter des Herzogs Albrecht Friedrich, 1594 verh., 1608 Kurfürstin von Brandenburg  60 Anne, Königin von England, Schottland und Irland 129 Anne, Princess Royal (1709–1759), Tochter des Königs Georg II., 1734 verh. Prinzessin von Oranien  174, 184 Ariès, Philippe  21, 76 Arisugawa Takehito, Prinz von Japan ­(1862–1913)  215 Arthur, Duke of Connaught (1850–1942), Sohn der Königin Victoria  90, 241 August Ferdinand von Preußen (1730–1813), Sohn des Königs Friedrich Wilhelm I.  49, 231 August Wilhelm von Preußen (1722–1758), Sohn des Königs Friedrich Wilhelm I.  47 f., 138, 177 Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach (1811–1890), Tochter des Großherzogs Carl Friedrich, 1829 verh. Prinzessin von Preußen, 1861 Königin von Preußen, 1871 Deutsche Kaiserin  53, 88, 99, 199 f., 202 f. Auguste Viktoria von Schleswig-HolsteinSonderburg-Augustenburg (1858–1921), Tochter des Herzogs Friedrich VIII., 1881 verh. Prinzessin von Preußen, 1888 Deutsche Kaiserin  67–69, 89, 99, 104, 151, 156, 234, 244 Augustus Frederick, Duke of Sussex (1773– 1843), Sohn des Königs Georg III.  130 Balbiano, Katharina von (1670–1719)  100 f. Bandow, Georg Friedrich  243 Barclay, John (1582–1621), schottischer ­Dichter und Satiriker  70

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Barudio, Günter  12 Bassewitz, Ina von (1888–1973)  104 Bastl, Beatrix  12, 77 Bély, Lucien  12, 113, 250 Benckendorff, wahrsch. Konstantin von  56 Bernstorff, Albrecht von (1809–1873), preußischer Diplomat und Staatsmann  145–150 Besser, Johann von (1654–1729), Dichter und preußischer Zeremonienmeister  79, 83, 236, 259 f. Bestushew, Alexei Petrowitsch (1693–1766), russischer Staatsmann  178 f., 181 Bielfeld, Jakob Friedrich von (1717–1770), Schriftsteller 214 Birken, Sigmund von (1626–1681), Schriftsteller 253 Biskup, Thomas  12, 209, 214, 219 Bismarck, Otto von  69 Blücher, Gebhard Leberecht von (1742–1819), preußischer Militär  198 Bogislaw XIV., Herzog von Pommern ­(1580–1637)  63 Boleyn, Anne  128 Bonin, Eduard von (1793–1865), preußischer Militär und Staatsmann  199 Borcke, Casper Wilhelm von (1704–1747), preußischer Staatsmann und Diplomat  175 f. Bourgay, Charles du, britischer Diplomat  174 Bunsen, Christian Karl Josias von ­(1791–1860), preußischer Diplomat  199 Burke, Peter  11, 211 Burkhardt, Johannes  58 Büschel, Hubertus  28 Cannadine, David  10, 208 Carl von Preußen (1801–1883), Sohn König Friedrich Wilhelms III.  98 f. Caroline von Brandenburg-Ansbach ­(1683–1737), verh. 1705 Kurprinzessin von Hannover, 1727 Königin von Großbritannien und Irland  117 f., 169 f., 174 Cecilie von Mecklenburg-Schwerin ­(1886–1954), Tochter des Großherzogs Friedrich Franz III.  224, 242 Cernitius, Johannes (geb. um  1584), Kanzlist in Berlin  39 Chakrabongse Bhuvanath, Prinz von ­Bisnulok (1883–1920), Sohn des Königs Rama V. von Siam  215

Charlotte von Preußen (1798–1860), Tochter des Königs Friedrich Wilhelm III., 1817 verh. Großfürstin Alexandra Feodorowna von Russland  56 f., 86–88, 96, 111, 118, 141–143, 192, 195–197, 233, 263 f. Charlotte, Princess of Wales (1796–1817), Tochter des Königs Georg IV.  198 Chartier, Roger  209 Christian II., Kurfürst von Sachsen ­(1583–1611)  60 Christian III., König von Dänemark  258 Christian August, Herzog von SchleswigHolstein-Sonderburg-Augustenburg (1798–1869)  67, 99 Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth (1644–1712), Sohn des Erbprinzen Erdmann August, Enkel des Markgrafen Christian  64, 253 Christina, Königin von Schweden ­(1626–1689)  117, 164 Clarendon, George Villiers  4th Earl of (1800–1870), britischer Diplomat und Staatsmann  145–150, 201 Coppola, Sophia  230 Daniel, Ute  209 Demel, Walther  271 Dernburg, Friedrich (1833–1911), Publizist und Politiker  255 Derouet, Bernard  18 Diestel, preußischer Diplomat  180 Dollinger, Heinz  32 Dönhoff, Sophie von (1768–1834)  102 Dorothea von Kurland (1761–1821)  215 Dorothea von Schleswig-Holstein-Sonder­ burg-Glücksburg (1636–1689), 1653 verh. Herzogin von Braunschweig und Lüneburg, 1668 verh. Kurfürstin von Branden­burg  40 Dubreuil, Louis  236 Duchhardt, Heinz  29, 63 Durkheim, Emile  207 f. Edward VII., König des Vereinigten König­ reiches von Großbritannien und Irland  199 f. Ehrenbach, Myler von  70, 79, 92 Eleonore d’Olbreuse (1639–1722)  171 Eleonore von Preußen (1583–1607), Tochter des Herzogs Albrecht Friedrich, 1603 verh. Kurfürstin von Brandenburg  60

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Elias, Norbert  10, 26, 76, 207 Elisabeth I., Königin von England und ­Irland  128 Elisabeth Charlotte von der Pfalz (1597–1660), Tochter des Kurfürsten Friedrich IV., 1616 verh., 1619 Kurfürstin von Brandenburg  163 Elisabeth Charlotte (»Liselotte«) von der Pfalz (1652–1722), 1671 Herzogin von Orléans (»Madame Palatine«)  216 Elisabeth Christine von BraunschweigBevern (1715–1797), Tochter des Herzogs Ferdinand Albrecht II., 1733 verh. Prinzessin von Preußen, 1740 Königin von Preußen  47, 74 f., 175–177 Elisabeth Sophie von Brandenburg ­(1674–1748), Tochter des Großen Kurfürsten, 1691 verh. Herzogin von Kurland, 1698 verwitwet, 1703 verh. Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth  64 Elisabeth Stuart (1596–1662), Tochter des Königs Jakob VI. von Schottland, 1613 verh. Kurfürstin von der Pfalz  163, 165, 168 Elisabeth von Bayern (1801–1873), Tochter des Königs Maximilian I., verh. 1823 Kronprinzessin von Preußen  110, 116, 144 f., 228, 233, 240, 260 Elisabeth (»Ella«) von Hessen und bei Rhein (1864–1918), Tochter des Großherzogs Ludwig IV. von Hessen und bei Rhein  56 Elisabeth, Zarin von Russland (1709–1762)  118, 178, 181 f., 188, 193 Elliott, John. H.  249 Elßler, Therese, 1850 verh. Freifrau von Barnim (1808–1878)  103 Emanuel Philibert von Savoyen, 1890 Herzog von Aosta (1869–1931)  215 Emma zu Waldeck und Pyrmont (1858–1934), Tochter des Fürsten Georg Viktor, 1879 verh. Königin der Niederlande  68, 192 Encke, Wilhelmine, 1794 Gräfin von Lichtenau (1753–1820)  102 Erdmuthe Sophie von Sachsen (1644–1670), Tochter des Kurfürsten Johann Georg II.  253 Erkens, Franz-Reiner  12 Ernest Augustus, Duke of Cumberland, Sohn des Königs Georg III., 1837 König Ernst August I. von Hannover  186

Ernst August, Herzog von Cumberland (1845–1923) 225 Ernst August von Cumberland, verh. 1913 Herzog von Braunschweig (1887–1953)  9, 223, 226, 229, 277 Ernst August, Kurfürst von Hannover (1629–1698)  79, 127, 168 Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  272 Ernst, Landgraf von Hessen-RheinfelsRotenburg, Sohn des Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel (1623–1693)  123 Esmarch, Friedrich (1823–1908) Arzt  99 Ewart, Joseph (1759–1792) britischer Diplomat 140 Eyb, Albrecht von (1420–1475) Schriftsteller  35 Eylert, Rulemann Friedrich (1770–1852) ­Bischof  145 Farinelli, Giovanni Battista  236, 253 Ferdinand I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1503–1564)  258 Ferdinand I., Zar von Bulgarien (1861–1948)  272 Ferdinand, König von Rumänien (1865–1927)  96 Finck von Finckenstein, Albrecht Konrad (1660–1735), Militär und preußischer Oberhofmeister 171 Franz Ferdinand von Österreich-Este ­(1863–1914)  215 Frederick Augustus, Duke of York ­(1763–1827), Sohn des Königs Georg III.  140, 186, 215, 228 Frederick Louis, Prince of Wales ­(1707–1751), Sohn des Königs Georg II.  174–176, 181 Frevert, Ute  235 Friederika Louise Wilhelmina von Oranien (1770–1819) 215 Friederike Luise von Hessen-Darmstadt (1751–1805), Tochter des Landgrafen Ludwig IX., 1769 verh. Prinzessin von Preußen, 1786 Königin von Preußen  49 f., 193 Friederike Luise von Preußen (1714–1784), Tochter des Königs Friedrich Wilhelm I.  64

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Friederike von Brandenburg-Schwedt ­(1745–1808), Tochter des Markgrafen Friedrich Heinrich, Urenkelin des Großen Kurfürsten  52 Friederike von Mecklenburg-Strelitz ­(1778–1841), Tochter des Herzogs Karl II., 1793 verh. Prinzessin von Preußen, 1815 verh. Duchess of Cumberland, 1837 Königin von Hannover  187, 219, 238 Friederike von Preußen (1767–1820), Tochter des Königs Friedrich Wilhelm II., 1791 verh. Herzogin von York  111, 140, 186, 228, 232, 263 Friedrich I., Burggraf von Nürnberg (1139–ca. 1200)  18 Friedrich I., Landgraf von Hessen-Kassel, 1720 König von Schweden (1676–1751)  83, 119, 137–140, 180, 237 Friedrich II. (der Ältere) von BrandenburgAnsbach (1460–1536)  59 Friedrich II. »der Große«, König von Preußen  16, 20, 31, 37, 40 f., 46–50, 53, 55 f., 63 f., 73–75, 81 f., 84, 95, 100, 118, 137–139, 157, 159, 173–189, 193, 198, 202, 213 f., 232, 235, 237, 278, 282 Friedrich II., Kurfürst von Brandenburg (1413–1471) 36 Friedrich III. (Wilhelm), Deutscher Kaiser  50 f., 67–69, 88, 91, 105, 116, 147–149, 198–204, 222, 257 Friedrich III., Markgraf von BrandenburgBayreuth (1711–1763)  64, 72 f., 84 Friedrich III./I., Kurfürst von Brandenburg, 1701 König in Preußen  20, 39, 40 f., 46, 57, 62, 79 f., 95, 100 f., 117, 166–168, 170 f., 213 f., 218, 236, 253 Friedrich V., König von Dänemark und Norwegen (1723–1766)  180 Friedrich V./I., Kurfürst von der Pfalz, König von Böhmen (1596–1632)  163, 168 Friedrich VI./I., Burggraf von Nürnberg, Kur­ fürst von Brandenburg (1371–1440)  18, 36 Friedrich VIII., Herzog von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1829– 1880), 1867 zurückgetreten, 66–68, 89 Friedrich August von Brandenburg ­(1685–1686), Sohn des Kurfürsten Friedrich III.  46 Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), Sohn des Prinzen Carl, Enkel des Königs Friedrich Wilhelm III.  99

Friedrich Heinrich Karl von Preußen ­(1747–1767), Sohn des Prinzen August Wilhelm, Enkel des Königs Friedrich Wilhelm I.  48 f. Friedrich Heinrich von Oranien ­(1584–1647), Statthalter  62, 125, 136, 163, 166, 168 Friedrich Ludwig von MecklenburgSchwerin, Sohn des Herzogs Friedrich Franz I. (1778–1819)  193 Friedrich Ludwig von Preußen (1773–1796), Sohn des Königs Friedrich Wilhelm II.  85, 219, 238 Friedrich Ludwig von Württemberg (1698–1731), Sohn des Herzogs Eberhard Ludwig 117 Friedrich von Anhalt-Dessau (1769–1814), Sohn des Fürsten Leopold III.  215 Friedrich von Brandenburg, Sohn des Kurfürsten Friedrich I. (1424–1463)  36 Friedrich von Oranien (1774–1799), Sohn des niederländischen Statthalters Wilhelm V.  215 Friedrich Wilhelm I., König von Preußen  40 f., 43, 46, 63, 72–74, 84, 117, 160, ­169–177, 180, 188, 213, 216, 218, 230, 237, 254, 261 Friedrich Wilhelm II., König von Preußen  48–50, 55, 85, 98, 101 f., 104, 140, 182, 185 f., 189, 191, 193, 280 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen  43, 50, 85–87, 99, 102 f., 118, 141–145, 155, 187, 193–196, 198, 205, 214, 219 f., 238 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen  87, 104, 110, 116, 144, 147–151, 199–203, 233, 240, 260 Friedrich Wilhelm, »der Große« Kurfürst von Brandenburg  20, 33, 40 f., 60, 62, 83, 110, 117, 136, 163–168, 180 Friedrich Wilhelm, Graf von Brandenburg (1792–1850), Sohn des Königs Friedrich Wilhelm II. aus morganatischer Ehe  102 Friedrich Wilhelm, Herzog von Braunschweig (1771–1815), Sohn des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand  215 Friedrich Wilhelm, Markgraf von Brandenburg-Schwedt (1700–1771)  86 Gay, Peter  76 Geertz, Clifford  26, 208

329 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Gennep, Arnold van  26, 207, 230 Georg I. Ludwig, Kurfürst von Hannover, König von Großbritannien und Irland  127–129, 167–169, 172 f., 188, 258 Georg II. Augustus, Kurfürst von Hannover, König von Großbritannien und Irland  169 f., 176–178 Georg III., Kurfürst von Hannover, König von Großbritannien und Irland  129 f., 140, 183, 186, 198 Georg V., König des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland  9, 229, 255 f., 274 Georg Friedrich I. von BrandenburgAnsbach (1539–1603)  59 Georg Wilhelm von Cumberland ­(1880–1912), Sohn des Herzogs Ernst August  225 f. Georg Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg (1595–1640) 163 Gestrich, Andreas  209 Gollwitzer, Heinz  29 Gottwald, Dorothee  97 Grenville, William Wyndham (1759–1834), britischer Staatsmann  141, 187 Grudzinska, Joanna (1795–1831), polnische Gräfin 132 Grumbkow, Friedrich Wilhelm von ­(1678–1739), preußischer Militär und Staatsmann  172, 174 f. Gustav I., König von Schweden  258 Gustav II. Adolf, König von Schweden  162, 180 Habermas, Jürgen  28, 208–211, 226 f. Hammer, Ulrike Hardenbroek, Gijsbrecht Jan van, nieder­ ländischer Ratspensionär  184 Harrach, Auguste von, 1824 verh. Fürstin von Liegnitz (1800–1873)  103 Hausen, Karin  76 Hedwig von Polen (1513–1573), Tochter des Königs Sigismund I.  59 Heineccio, Johannes  258 Heinrich I. »das Kind von Brabant«, Landgraf von Hessen (1244–1308)  122 Heinrich VIII., König von England und Irland  127–129, 258 Heinrich von Mecklenburg-Schwerin, verh. 1901 Prinzgemahl der Niederlande (1876–1934) 192

Heinrich von Oranien (1820–1879), Sohn des Königs Wilhelm II. der Niederlande  192 Heinrich von Preußen (1726–1802), Sohn des Königs Friedrich Wilhelm I.  48 f., 193 Heinrich von Preußen (1781–1846), Sohn des Königs Friedrich Wilhelm II.  194 f. Helena Pawlowna Romanowa, Großfürstin von Russland (1784–1803), Tochter des Zaren Paul I., 1799 verh. Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin  193 Helena zu Waldeck und Pyrmont ­(1861–1922), Tochter des Fürsten Georg Viktor 68 Hélène Louise Françoise d’Orléans, verh. 1895 Herzogin von Aosta (1871–1951)  215 Helene von Mecklenburg-Strelitz (1857– 1936), Tochter des Herzogs Georg  68 Henri de La Tour d’Auvergne, Herzog von Bouillon (1555–1623)  60 Henriette Marie von Brandenburg-Schwedt (1702–1782), Tochter des Markgrafen Philipp Wilhelm, Enkelin des Großen Kurfürsten 117 Henriette von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1833–1977), Tochter des Herzogs Christian August  99 Hilda von Nassau (1864–1952), Tochter des Herzogs Adolf  68 Hinrichs, Carl  117 Hintze, Otto  258 Hippel, Theodor Gottlieb von (der Ältere), (1741–1796) 238 Horton, Anne (geb. Lutrell), verh. 1771 Duchess of Cumberland (1743–1808)  130 Hotham, Charles (1693–1738), britischer Diplomat  73, 174 f. Hufschmidt, Anke  77 Hugo, Victor  29, 248 Hunecke, Volker  20 Ilgen, Heinrich Rüdiger von (1654–1728), preußischer Staatsmann  61 Ilten, Jobst Hermann von (1649–1730), hannoverscher Diplomat  170 Ingenheim, Gustav Adolf Wilhelm von (1789–1855), Sohn des Königs Friedrich Wilhelm II. aus morganatischer Ehe  102 Isabella Clara Eugenia, Infantin von Spanien (1566–1633), Tochter des Königs Philipp II.  251

330 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370308 — ISBN E-Book: 9783647370309

Jakob I., König von England, Schottland und Irland 258 Jakob II., König von England, Schottland und Irland  128 f. Jakob Kettler, Herzog von Kurland ­(1610–1882)  117 Jenisch, Max  221 Joachim I. Nestor, Kurfürst von Brandenburg (1484–1535)  37 Joachim II. Hector (1505–1571), Kurfürst von Brandenburg  59 Joachim Friedrich, Kurfürst von Brandenburg (1546–1608)  18, 37, 59 f. Johann II., Herzog von Pfalz-Zweibrücken (1584–1635) 60 Johann Cicero, Kurfürst von Brandenburg (1455–1499)  35, 37 Johann Georg, Kurfürst von Brandenburg (1525–1598)  37, 59 Johann, König von Sachsen (1801–1873)  22, 78 Johann Sigismund, Kurfürst von Brandenburg (1572–1619)  60 f., 163 Johann von Brandenburg (1406–1464), Sohn des Kurfürsten Friedrich I.  36 Johann Wilhelm, Herzog von Jülich-CleveBerg (1562–1609)  60 Johanna Elisabeth von Schleswig-HolsteinGottorf (1712–1760), 1727 verh. Fürstin von Anhalt-Zerbst  178 Juliane von Sachsen-Coburg-Saalfeld ­(1781–1860), 1795 verh. Großfürstin von Russland 132 Julius Caesar  251 Kaelble, Hartmut  29 Kalckstein, Ludwig Karl von (1725–1800), preußischer Militär  47 Kant, Immanuel  63 Karl I., Herzog von Braunschweig (­ 1713–1780)  81 Karl II., Erzherzog von Inneröstereich  252 Karl II., Herzog von Mecklenburg-Strelitz (1741–1816) 187 Karl II., König von England, Schottland und Irland 165 Karl V./III., König von Neapel und Sizilien, König von Spanien (1716–1788)  118 Karl VI., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation  172 f.

Karl VII., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation  94 f. Karl XII., König von Schweden (1682–1718)  170 Karl Albrecht von Brandenburg-Sonnenburg (1705–1762), Sohn des Markgrafen ­A lbrecht Friedrich, Enkel des Großen Kurfürsten  47 f., 84 Karl Alexander, Markgraf von BrandenburgAnsbach-Bayreuth (1736–1806)  40, 64 Karl August, Herzog von Sachsen-WeimarEisenach (1757–1828)  215 Karl der Große  257 Karl Georg August von Braunschweig ­(1766–1806), Sohn des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand  186, 215 Karl, Markgraf von Brandenburg-Ansbach (1712–1757) 64 Karl Peter Ulrich von Schleswig-HolsteinGottorf, 1762 als Peter III. russischer Zar (1728–1762) 193 Karl Philipp von Brandenburg (1673–1695), Sohn des Großen Kurfürsten  100 f. Karl von Bayern (1795–1875), Sohn des Königs Maximilian I.  145 Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog von Braunschweig (1735–1806)  186, 194 Kasimir II., König von Polen  258 Katharina II. »die Große«, Zarin von Russland  64, 132, 143, 178, 193 Katharina Pawlowna Romanowa, Groß­ fürstin von Russland (1788–1819), Tochter des Zaren Paul I.  194f Knyphausen, Dodo Heinrich zu Inn­hausen und (1729–1789), preußischer Staatsmann und Diplomat  55 Knyphausen, Friedrich Ernst Freiherr von (1678–1731), preußischer Staatsmann und Diplomat 173 Kohler, Alfred  12 Kohler, Josef C.  42 Kohlrausch, Martin  209, 224 Konstantin I., König von Griechenland (1868–1923)  96, 118 Konstantin, Zarewitsch von Russland ­(1779–1831)  132, 143, 197 Körber, Esther-Beate  209 Koselleck, Reinhart  209 Kraus, Andreas  113 Krausnick, Heinrich Wilhelm (1797–1882) Bürgermeister von Berlin  221

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Krüdener, Jürgen von  26 Kunisch, Johannes  58, 249 Lademacher, Horst  25 Lamaison, Pierre  12, 29, 250 Langewiesche, Dieter  248 Larrey, de, niederländischer Gesandter  232, 262 LeGoff, Jacques  247 Lehndorff, Ahasverus von  49 Leibniz, Gottfried Wilhelm  117 LeJan, Régine  106 Leopold I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation  251 Leopold I., König der Belgier  199 f. Lesemann, Silke  77 Lévi-Strauss, Claude  13 f., 23, 105 Liselotte von der Pfalz s. Elisabeth Charlotte von der Pfalz (1652–1722) Lok, Matthijs  239 Louisa of Great Britain (1749–1768), Schwester des Königs Georg III.  183 Louise of Great Britain (1724–1751), Tochter des Königs Georg II.  180 Louise von Dänemark und Norwegen ­(1726–1756), Tochter des Königs Christian VI. 180 Louise von Oranien (1770–1819), Tochter des Statthalters Wilhelm V.  186 Ludwig I./X., Landgraf von Hessen-Darmstadt, 1806 Großherzog von Hessen, 1816 Großherzog von Hessen und bei Rhein 215 Ludwig XIV., König von Frankreich  10, 11, 13, 173, 187, 207, 211, 230, 255, 257, 271 Ludwig Philipp von der Pfalz (1602–1655), Sohn des Kurfürsten Friedrich IV.  163 Ludwig von Baden (1786–1818), Sohn des Markgrafen von Baden  215 Luhmann, Niklas  21 f., 77 Luise Amalie von Braunschweig-Bevern (1722–1780), Tochter des Herzogs Ferdinand Albrecht II., 1742 verh. Prinzessin von Preußen  47 f., 177 Luise Charlotte von Brandenburg (1617– 1676), Schwester des Großen Kurfürsten, 1645 verh. Herzogin von Kurland  116 f. Luise Dorothea Sophie von Brandenburg (1680–1705), Tochter des Kurfürsten Friedrich III.  46, 119, 237, 261

Luise Henriette von Oranien (1627–1667), Tochter des Statthalters Friedrich Heinrich, 1646 verh. Kurfürstin von Brandenburg  20, 33, 62, 83, 110, 136, 163–165 Luise Hollandine von der Pfalz (1622–1709), Tochter des Kurfürsten Friedrich V.  163 Luise Juliane von Oranien (1576–1644), Tochter des Statthalters Wilhelm I.  163 Luise Margarete von Preußen (1860–1917), Tochter des Prinzen Friedrich Carl, Urenkelin des Königs Friedrich Wilhelm III.  90, 241 Luise Sophie von Dannescjold-Samsöe (1796–1867)  67, 99 Luise Ulrike von Preußen (1720–1782), Tochter des Königs Friedrich Wilhelm I.  80, 96, 117 f., 137–140, 175, 178 f., 181, 214, 228, 231 f. Luise von Brandenburg-Schwedt ­(1738–1820), Tochter des Markgrafen Friedrich Wilhelm, Urenkelin des Großen Kurfürsten  49 Luise von Brandenburg-Sonnenburg ­(1709–1726), Tochter des Markgrafen Albrecht Friedrich, Enkelin des Großen Kurfürsten 52 Luise von Hessen-Darmstadt (1757–1830), Tochter des Landgrafen Ludwig IX., 1775 Herzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach 215 Luise von Mecklenburg-Strelitz (1776–1810), Tochter des Herzogs Karl II., 1793 verh. Prinzessin von Preußen, 1797 Königin von Preußen  85 f., 102 f., 187, 194, 208, 219, 238, 220 Luise von Preußen (1770–1836), Tochter des Prinzen Ferdinand, Enkelin des Königs Friedrich Wilhelm I., verh. 1796 Fürstin Radziwill  97, 220 Lumley, Henry Robert  243 Machtan, Lothar  277, 285 Maeda Yasuko (1864–1923), Tochter von Maeda Yoshiyasu, Daimyo von Koga, 1880 verh. mit Prinz Arisugawa Takehito von Japan  215 Maier, Johann Christan von  42 Maltzahn, Axel Albrecht von  258 Manger, Klaus  161 Manteuffel, Otto Theodor von (1805–1882), preußischer Staatsmann  145–150

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Marburg, Silke  22, 78 Mardefeld, Axel von (1691–1748), preußischer Diplomat  179, 181 Maria I., Königin von England und Irland (1516–1558) 128 Maria II., Königin von England, Schottland und Irland (1662–1694)  128 f., 167 Maria Dorothea von Kurland (1684–1734), Tochter des Herzogs Kasimir, 1703 verh. Markgräfin von Brandenburg-Schwedt  52 Maria Eleonore von Brandenburg (1599– 1655), Tochter des Kurfürsten Johann Sigismund, 1620 verh. Königin von Schweden 180 Maria Feodorowna, s. Sophie Dorothee von Württemberg Maria Henrietta Stuart, Princess Royal (1626–1650), Tochter des englischen Königs Karl I., 1641 verh. Prinzessin von Oranien  62, 163 Maria Leszczynska, Prinzessin von Polen (1703–1768), Tochter des Königs Stanislaus I., verh. 1725 Königin von Frankreich 271 Maria Luisa Albertine von Hessen-Darmstadt (1729–1818), Großmutter der Königin Luise  85 Maria Theresia, Infantin von Spanien ­(1638–1683), Tochter des Königs Philipp IV., 1660 verh. Königin von Frankreich 230 Maria Theresia, Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation  178 Maria von Bayern (1551–1608), Tochter des Herzogs Albrecht V.  252 Maria von Teck, verh. 1893, 1910, Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland ­(1867–1953)  255 Marianne, Prinzessin der Niederlande (1810–1883), Tochter des Königs Wilhelm I.  103 f., 110 Marie Eleonore von Brandenburg ­(1655–1658), Tochter des Kurfürsten Joachim Friedrich  163 Marie Leonore von Jülich-Kleve-Berg ­(1516–1592), Tochter des Herzogs ­Wilhelm V., 1573 Herzogin von Preußen  59 f. Marie von Preußen (1855–1888), Urenkelin des Königs Friedrich Wilhelm III.  192

Marie von Sachsen-Weimar Eisenach ­(1808–1877), Tochter des Großherzogs Carl Friedrich, 1827 Prinzessin von Preußen 98 Marra, Stephanie  12, 77 Massow, Ludwig von  146, 150 Mauduit, Israel (1708–1787), britischer Händler, Schriftsteller und Kolonialist  182 Mauss, Marcel  12, 23 Mayer, Arno J.  11 Medick, Hans  21, 77 f. Meinecke, Friedrich  16 Moeglin, Jean  18 Moritz von Oranien (1567–1625), Sohn des Statthalters Wilhelm I.  125 Moritz, Landgraf von Hessen-Kassel ­(1572–1632)  122  f. Moser, Jakob  71, 83, 93 f., 109 Münchhausen, warsch. Philipp Adolph von (1694–1762), britischer Staatsmann  177 Murray, Augusta (1768–1830), 1793 verh. mit Augustus Frederick, Duke of Sussex  130 Mytens, Jan (1614–1670), niederländischer Maler 163 Napoleon I., Kaiser der Franzosen  64 f., 87, 194–196, 198, 214 Neumann, Johann Friedrich Wilhelm  71 Nikolaus I., Zar von Russland  56, 87 f., 96, 111, 118, 133, 142 f., 192, 195–197, 201, 233 Nikolaus II., Zar von Russland  9, 226, 255 f., 274 Nolte, Cordula  18 Oncken, Wilhelm  174 Oskar von Preußen (1888–1958), Sohn des Kaisers Wilhelm II.  104 Otto I., König von Griechenland  118 Otto I., Landgraf von Hessen (1272–1328)  122 Oxenstjerna, Axel (1583–1654), ­schwedischer Reichskanzler 164 Palmerston, Henry John Temple  3rd Viscount (1784–1865), britischer Staatsmann  146, 201, 203 Pappas, Spyros, EU-Kommissar  247 Pappenheim, Friedrich Albert zu (1777–1860), bayerischer Militär  144 Paul I., Zar von Russland  132, 193, 258

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Paulmann, Johannes  11, 65, 158, 211 Pedlow, Gregory  20, 53 f. Peller, Sigismund  52 Peter I. »der Große«, Zar von Russland  131, 172, 193, 258, 270 Philipp I. »der Großmütige«, Landgraf von Hessen (1504–1567)  122 Philipp V., König von Spanien (1683–1746)  118 Philipp Ludwig, Pfalzgraf von Pfalz-Neuburg (1547–1614)  60 Philippine Charlotte von Preußen (1716–1801), Tochter des Königs Friedrich Wilhelm I.  261 Podewils, Heinrich von (1696–1760), preu­ ßischer Staatsmann  139, 180 Pourtalès, Friedrich (1853–1928), preußischer Diplomat 192 Praun, Michael  251 Pregnitzer, Johann Ulrich  41 Pütter, Johann Stephan (1725–1807), Rechtsgelehrter 92–95 Quad, Matthias  251 Radiziwill, Anton Fürst (1775–1833)  97 Radziwill, Catherine  25 Radziwill, Elisa (1803–1834), Tochter des Fürsten Anton  74, 90, 97–99 Radziwill, Luise s. Luise von Preußen (1770–1836) Rauch, Rosalie von (1820–1879), 1853 verh. Gräfin von Hohenau  104 Raumer, Kurt von  97 f. Reddy, William  76 Reif, Heinz  11, 22, 38, 109 Reineck, Reiner  39 Reinhard, Wolfgang  279 Renatus, Fürst von Oranien (1519–1544)  62 Rentsch, Johann Wolfgang  41 Roebuck, John Arthur (1802–1879), britischer Politiker 148 Röhl, John  56, 89 Rosenwein, Barbara  77 Roth, Winand, brandenburgischer Gesandter in Den Haag  165 Rowen, Herbert  16 Rudenschöld, warsch. Ulrich, schwedischer Diplomat  138 f., 180 Ruppel, Sophie  77, 158

Sabean, David  21, 77 f., 119 Saint-Pierre, Charles Irénée Castel Abbé de (1658–1743), Geistlicher und Philosoph  63, 66 Savigny, Friedrich Karl von (1779–1861), Rechtsgelehrter 98 Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Wilhelm Fürst zu (1770–1851), preußischer Staatsmann 97 Schilden, von, preußischer Gesandter in St.  Petersburg  142 f. Schlegel, August Wilhelm (1767–1845), Schrifsteller und Philosoph  85 Schlögl, Rudolf  210 Schmale, Wolfgang  250, 251 Schmidt, bayrischer Hofprediger  144 Schmidt, Johannes  22, 79 Schöler, Friedrich von  143 Scholz, Nathalie  239 Schroeder, Paul  30, 64 f. Schulenburg-Kehnert, Friedrich Wilhelm von der (1742–1815), preußischer Militär und Staatsmann  187 Schuwalow, Iwan Iwanowitsch (1727–1797), russischer Höfling  179 Schweder, Christoph Hermann  61 Seckendorff, Friedrich Heinrich von ­(1673–1763), kaiserlicher Militär und Diplomat  172, 174 f. Sellin, Volker  11 Shorter, Edward  76 Sophia von Polen (1461–1506), Tochter des Königs Kasimir II. von Polen, 1479 verh. Markgräfin von BrandenburgAnsbach 59 Sophie Auguste Friederike von Anhalt-­ Zerbst (1729–1796), Tochter des Fürsten Christian August, 1745 verh. Katharina Alexeijewna Großfürstin von Russland, 1762 Zarin Katharina II. von Russland s. Katharina II. Sophie Charlotte von Hannover (1629–1698), Tochter des Kurfürsten Ernst August, 1684 verh. Kurprinzessin von Branden­ burg, 1701 Königin in Preußen  117, 168 f., 253 Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz (1744–1818), 1761 verh. Königin von Großbritannien 187 Sophie Dorothea Marie von Preußen ­(1719–1765), Tochter des Königs Fried-

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rich Wilhelm I., 1734 verh. Markgräfin von Brandenburg-Schwedt  86 Sophie Dorothea von Braunschweig und Lüne­burg (1666–1726), 1682 verh., 1692 Kurprinzessin von Hannover, 1694 gesch. Prinzessin von Ahlden  171 Sophie Dorothea von Hannover (1687–1757), Tochter des Kurfürsten und Königs Georg I. von Großbritannien und Irland, 1706 verh. Prinzessin von Preußen, 1712 Königin von Preußen  46 f., 72 f., 117, 169, 171, 173 f., 180, 217 f., 230, 254, 261 Sophie Dorothee von Württemberg (1759– 1828), Tochter des Herzogs Friedrich ­Eugen, 1776 verh. Maria Feodorowna, 1796 Zarin von Russland  86, 142, ­193–196 Sophie Luise von Mecklenburg-Schwerin (1685–1735), Tochter des Herzogs Friedrich von Mecklenburg-Schwerin, 1708 verh. Königin von Preußen  46 Sophie von der Pfalz (1630–1714), 1658 verh., 1692 Kurfürstin von Hannover  46, 79, 168–171, 216 Sophie von Preußen (1870–1932), Tochter des Deutschen Kaisers Friedrich III., 1889 verh. Kronprinzessin von Griechenland, 1913 Königin von Griechenland  96, 118 Sophie, Gräfin von Brandenburg (1793–1848), Tochter des Königs Friedrich Wilhelm II. aus morganatischer Ehe  102 Spieß, Karl-Heinz  12, 36 Stanhope, William, 1st Earl of Harrington (1690–1756), britischer Staatsmann  176 Stillfried-Alcantara, Rudolf von (1804–1882), preußischer Historiker und Hofbeamter  258 Stockmar, Christian Friedrich von (1787– 1863), belgisch-britischer Staatsmann  88, 199, 203 Stollberg-Rilinger, Barbara  11, 208 Stolleis, Michael  12 Stone, Lawrence  76 Stratemann, Wilhelm, hannoverscher Rechtsanwalt und Diplomat  174 Tessin, Karl Gustav (1695–1770), schwedischer Staatsmann  80, 138, 232 Thekla von Schwarzburg-Rudolstadt (1859–1939), Tochter des Prinzen Adolf von Schwarzburg-Rudolstadt  68

Thiébault, Dieudonné (1733–1807), Pro­ fessor für Grammatik an der Académie militaire in Berlin  184 Thulemeyer, Friedrich Wilhelm von (1735– 1811), preußischer Diplomat  183 f. Tuner, Victor  26, 207, 230 Ulrike Eleonore, Königin von Schweden (1688–1741), Tochter des Königs Karl XI.  171 Valtat, Monique  60, 159 Verelst, Dirk Hubert (1717–1778), nieder­ ländischer Diplomat  184 Victoria, Königin des Vereinigten König­ reichs von Großbritannien und Irland  88, 90, 129, 146–149, 161, 199 f., 202 f., 204 Victoria, Princess Royal (1840–1901), Tochter der Königin Victoria, 1858 verh. Prinzessin von Preußen, 1888 Deutsche Kaiserin  56, 67–69, 88 f., 91, 105, 116, 147–151, 198–201, 204, 221, 228, 244, 257, 264 f. Viktor Amadeus II., Herzog von Savoyen (1666–1732)  100 f. Viktoria Luise von Preußen (1892–1980), Tochter des Kaisers Wilhelm II.  9, 223, 241, 277 Volz, Bernhard  183 Voß, Julie von (1766–1789), 1787 verh. ­Gräfin Ingenheim  102 Wallenrodt, Johann Christoph (1670–1727), preußischer Diplomat  173 Walpole, Maria (1736–1807), 1766 verh. ­Duchess of Gloucester  130 Walther, Stephanie  12, 18, 112 Warnicke, Retha  12 Weber, Hermann  18, 160 Weber, Max  31, 278 Welden, Konstantin Ludwig von (1771–1842), fränkischer Jurist und Staatsmann  233 Weller, Tobias  12, 157 Wellington, Arthur Wellesley Duke of (1769–1852), britischer Militär und Staatsmann 198 Wickberg, Daniel  77 Wilhelm I. von Oranien »der Schweiger« (1533–1584), Statthalter  125, 163 Wilhelm I., König von Preußen, Deutscher Kaiser  50 f., 67, 69, 74, 89 f., 97–99, 104, 197, 199 f., 204, 264

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Wilhelm I., Kurfürst von Hessen (­ 1743–1821)  124 Wilhelm II., König der Niederlande ­(1792–1849)  192 Wilhelm II. von Oranien (1626–1650), Statthalter  62, 125, 163, 166 Wilhelm II., Deutscher Kaiser  21, 44, 50 f., 56, 67–69, 76, 89, 91, 99, 104, 151, 156, 163, 192, 204, 221, 226, 229, 241, 242–244, 256, 258, 277 Wilhelm III. von Oranien (1650–1702), Statthalter, König von England, Schottland und Irland  62, 125, 128, 166–168, 178, 258 Wilhelm IV. von Oranien (1711–1751), Statthalter  174, 184 Wilhelm V. von Oranien (1748–1806), Statthalter  56, 81 f., 183, 185, 187, 232, 261 f. Wilhelm VI., Landgraf von Hessen-Kassel (1629–1663)  123 f. Wilhelm VI./I. von Oranien (1772–1843), Statthalter, 1815 König der Niederlande  126, 137, 155, 186 f., 215 Wilhelm Friedrich von Nassau-Dietz ­(1613–1664), Statthalter  83 Wilhelm von Preußen (1882–1951), Sohn des Kaisers Wilhelm II.  50 f., 90, 215, 229, 242 Wilhelmina, Königin der Niederlande (1880–1962)  126, 192

Wilhelmine Luise von Hessen-Darmstadt (1755–1776), verh. 1773 rusische Großfürstin 193 Wilhelmine von Preußen (1709–1758), Tochter des Königs Friedrich Wilhelm I., 1731 verh. Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth  37, 46, 55, 64, 72 f., 84, 173, 174, 180 Wilhelmine von Preußen (1751–1820), Tochter des Prinzen August Wilhelm, Enkelin des Königs Friedrich Wilhelm I., 1767 verh. Prinzessin von Oranien  56, 81 f., 110, 183 f., 185, 187, 232, 261–263 Wilhelmine von Preußen (1774–1837), Tochter des Königs Friedrich Wilhelm II., 1791 verh., 1815 Königin der Niederlande  111, 137, 186 f. William Augustus, Duke of Cumberland (1721–1765), Sohn des Königs Georg II.  180 William Henry, Duke of Gloucester and Edinburgh (1743–1805), Bruder des ­Königs Georg III.  130 Wortman, Richard  11 Zanger, Abby  12, 230 Zedinger, Renate  12 Ziewes, Carmen  12 Zoepfl, Helmut  93 f.

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