Die Heilquellen von Pystjan in Ungarn

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Der Curort und seine Einrichtungen
Die Badeinsel und die Quellen
Skrophulöse Leiden

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DIE

HEILQUELLEN

VON

PYSTJAN

IN

UNGARN.

BEARBEITET

VON

DR. ADALBERT WAGNER EM. SECUNDARARZT DES K. K. ALLGEMEINEN WIENER KRANKENHAUSES DERZEIT HOCHGRÄFLICH ERDÖDY'SCHER BADEARZT.

DRITTE AUFLAGE.

(Braumüller's Bade-Bibliothek Nr. 68.)

,

WIEN, 1874. WILHELM BRAU MÜLLER K. K. HOF- UND UNIVERSITÄTSBUCHHÄNDLER.

499.725

B

E F O H

K

K. K.

HE

W *

I E

Inhalt.

IX . Krankheiten der Geschlechtsorgane X. Syphilis • • Gegenanzeigen .

25 12 13 14

15

16 17 18

2112

a) Die Badecur . b) Die locale Anwendung des Schlammes c) Die Trinkcur I. Gicht II. Rheumatische Leiden III. Skrophulöse Leiden IV. Chronische Entzündungs-Processe und ihre Folgezustände . V. Krankheiten des Nervensystems VI. Chronische Hautkrankheiten • VII. Krankheiten der Schleimhäute VIII. Leber- und Milzkrankheiten •

Seite 1

79

Der Curort und seine Einrichtungen Geschichtliche Daten Die Badeinsel und die Quellen Chemische und physikalische Eigenschaften des Mineralwassers und Mineralschlammes V. Die Bade-Localitäten VI. Wirkungskreis der verschiedenen Gebrauchsweisen der • Heilquellen . I. II. III. IV.

19

20

,K K.

IHE K

H

O

F

I. Der Curort und seine Einrichtungen. Der Curort Pöstény ,

slavisch

Pystjan ,

liegt im

Waagthale, hart am rechtsseitigen Ufer des Flusses. In demselben bestehen dermalen 123 Häuser mit ungefähr 400 Zimmern, welche zur Aufnahme von Curgästen bestimmt sind. Der Preis eines Zimmers für die Woche beträgt 2 bis 12 fl. ö . W. Der Gasthof, im Jahre 1861 vollkommen ausgebaut, enthält nebst 42 Zimmern noch den Speisesalon. Mit dem Caffeehause in Verbindung steht der Tanz-

salon. In dem an letzteres angrenzenden Parke spielt in den Mittags- und Abendstunden das Badeorchester ; im Sommertheater werden täglich, inwieferne es die Witterung erlaubt, deutsche Vorstellungen abgehalten. In dem Curorte selbst befinden sich noch eine guteingerichtete Apotheke, in welcher die am meisten gesuchten Mineralwässer zu bekommen sind ; ferner eine täglich verkehrende Brief- und Fahrpost und ein Telegraphenamt. Im Jahre 1862 wurde das bei der Einfahrt in den Curort gelegene Militär-Curhaus eröffnet ; dasselbe hat die Bestimmung, 20 Officiere und 100 Mann der k. k. Armee, welche durch ihre Krankheit zu einem Curgebrauche geeignet sind, 1

während der Dauer der Saison in drei wechselnden Zeitperioden aufzunehmen. Die Saison wird mit 15. Mai eröffnet und gegen Ende October geschlossen. Die Curtaxe ist für jeden Badegast von

1 bis 5 fl.

normirt. Der Preis für den Gebrauch eines Bades -- Voll- oder Wannenbad

beträgt

35 kr.; für ein einfaches

locales

Schlammbad 40 kr.; eine Ausnahme bilden zwei Vollbäder, für deren Gebrauch blos 20 und 10 kr. entrichtet werden. Der Curort ist von Wien und seinen Umgebungen in zehn Stunden zu erreichen, indem man den Pester Frühzug bis Pressburg benützt und von da auf der Waagthalbahn bis Tyrnau fährt ; am dortigen Bahnhofe stehen immer Fahrgelegenheiten bereit .

Von Pest dauert die

Fahrt ebenso

lange bei Benützung des Schnellzuges bis zur Station Tórnocz.

II. Geschichtliche Daten. Zu welcher Zeit die Heilquellen benützt wurden, lässt bestimmen.

erste

Die Schrift des

sich

Erwähnung

Georg Wernher,

Wien erschien .

zuerst bekannt und

geschichtlich

derselben welche

genau nicht

geschieht im Jahre

in

einer

1551

zu

Der Verfasser rühmt darin die vorzügliche

Heilkraft der Quellen, beschreibt den sonderbaren Ursprung, die hohe Temperatur, sowie das wechselnde Vorkommen derselben, ferner erwähnt er auch des thonartigen Schlammes . 1586 findet sich eine Erwähnung der Mineralquellen in einer

Schrift des Thomas Jordan ;

1594

hob Johann

3

Crato von Krafthoim , Leibarzt dreier Kaiser, gezeichnete Heilkraft des Schlammes hervor.

die aus-

Im Jahre 1599 schreibt von ihnen Nicolaus Istvanfi und

erzählt in seiner Abhandlung, dass im Herbste dieses Jahres die Türken gerade bei der Anwesenheit einer grösse-

ren Anzahl von Badegästen einen Ueberfall machten, die Schwachen und Gebrechlichen erschlugen und die übrigen in die Sclaverei fortführten. - Andreas Bacelus , Leibarzt ´des Papstes Sixtus V. , erwähnt Gebrauchsweise der Heilquellen.

1622

1642 lobt Anton Benos chovinus einem Gedichte.

eine

dreifache

die Quellen in

Fernere Schriftsteller sind Fröhlich 1644 und Martin Zeiller 1664 ; nach letzterem haben sich zu der Zeit die Heilquellen auf dem linken Waagufer befunden . Von einem besonderen Interesse sind die geschichtlichen Daten, welche Justus Johann Torkos , Physikus der königlichen Freistadt Pressburg im Jahre 1745 in einer Abhandlung über die Bäder Pystjan's lieferte. In seiner Abhandlung kommt vor, dass Eduard Browne den Curort 1670 besuchte und in dem Dorfe Banka Bäder vorfand,

und dass derselbe aus den Mittheilungen von älte-

ren Leuten entnahm, es hätten sich vor zwanzig Jahren, also 1650, Bäder am rechtsseitigen Ufer der Waag befunden, selbe seien jedoch weggeschwemmt worden ; ferner, dass bis zum Jahre 1709 in Banka mehrere Bäder existirten, worunter drei besonders grosse, so dass jedes einzelne 100 Personen aufnehmen konnte. 1727 wäre von letzteren blos mehr eines vorhanden gewesen, und dasselbe hätte sich unmittelbar am Fusse des Berges befunden und auch dieses sei im Verlaufe 1*

4

wwdie

der Jahre zu Grunde gegangen. Torkos liess dasselbe 1732 von den Steintrümmern reinigen und frisch ausgraben und sah, dass besonders von der Bergseite eine grosse Menge heissen Wassers zum Vorschein kam ; auf dem rechten Waagufer hätten sich dazumal sechs Bäder befunden, 1740 wären die letzteren durch das inzwischen stattgehabte Vordringen des Flusses gegen das rechte Ufer zerstört worden und man hätte wieder in Banka gebadet.

1743 fand Torkos weder

am rechten noch linken Ufer ein heisses Wasser,

bemerkte

jedoch ein solches endlich in der Mitte des Flussbettes selbst, wo dasselbe bei einem gerade niederen Stande des Wassers in dem Umkreise eines hervorragenden Felsens hervorquillte. Seit dem Jahre 1744, wo eine grosse Ueberschwemmung stattfand, kommt die grösste Menge heissen Wassers da zum Vorschein,

wo jetzt der alte Brunnen besteht.

Ferner schrieben über Pystjan's Heilquellen : Johann von Cranz 1777 , Gottlieb von Windish 1780. Nach Letzterem haben sich schon

damals

Localitäten zum Gebrauche von

Wannenbädern vorgefunden. Regierungsrath Prohaska 1809. Wolfgang 1836,

Wallich ;

von

Scherer 1837.

dieser Abhandlung trefflich stände des

Curortes ;

Tonhazi

1821 ,

von

Vening

Der geehrte Verfasser schildert in die

damals

obwaltenden Uebel-

um das Wohl des

letzteren erwarb

sich derselbe durch sein Wirken überhaupt ein grosses Verdienst, insbesondere aber dadurch,

dass während der Zeit,

wo derselbe die Bäder gepachtet hatte,

höchst zweckmässige

Verbesserungen angebracht, und auch Neubauten vorgenommen wurden. In den Jahren 1821-1822 wurde von dem damaligen Besitzer, Sr. Excellenz dem Herrn Grafen Josef von Erdödy,

5

--

Staats- und Conferenzminister, der Grundstein zu einem wirklichen Curorte gelegt, indem derselbe grössere Gebäude, theils zur Unterkunft und

zur Unterhaltung der Curgäste ,

theils

zum Badegebrauche bestimmt, aufführen und den Park anlegen liess . Gegenwärtig ist Besitzer des Curortes Se . Hochgeboren der Herr Graf Franz von Erdödy.

Seiner Hochherzigkeit

verdankt Pystjan die mit grossem Kostenaufwande neu erbauten Badehäuser, ein Denkmal der uneigennützigsten und opferwilligsten Menschenliebe.

III. Die Bade-Insel und die Quellen. Die Bade-Insel, von den unbeständigen Gewässern der Waag umflossen und dem gefährlichen Andrange derselben ausgesetzt, daher deren Erhaltung stets mit grossen Kosten verbunden ist,

liegt am östlichen Rande der grossen Ebene

des rechten Waagufers , die von der Waag angefangen gegen Westen stufenweise emporsteigt.

Dieselbe hat dermalen einen

Flächeninhalt von ungefähr 25 Joch, ist mit schönen Baumgruppen besetzt, und steht mit dem Curorte durch eine Brücke in Verbindung. Auf derselben befinden sich die Badelocalitäten und in ihrem Gebiete entspringen die heissen Mineralquellen, welche ihr Vorkommen durch dichtaufsteigende Dämpfe an beiden Uferränden,

besonders

am rechten,

sowie in der Mitte des

Flusses kundgehen . Ein blos seichtes Graben am Rande des Flusses zunächst den Badehäusern ist genügend , um heisses Wasser hervorsprudeln zu machen. Obwohl sich über den Zusammenhang der Quellen mit dem geologischen Gebirgsbaue der Umgebung etwas Bestimmtes

6 nicht sagen lässt,

so dürfte doch die Annahme nicht eine

zu gewagte sein, das am linken Waagufer gelegene Gebirge als die Ursprungsstätte der heissen Quellen zu betrachten , da der Zusammenhang dieser mit dem rothen Schiefer, welcher hinter dem Dorfe Banka so ausgezeichnet entwickelt ist, sich nicht verkennen lässt, ferner aber auch die geschichtlichen Daten darthun, dass in dem erwähnten Dorfe, welches in früherer Zeit am Fusse des Bäder sich befanden.

Gebirges gelegen sein mochte,

Wie schon früher angeführt wurde, zeigte sich im Jahre 1744 auf einer Schotterbank, aus welcher sich im Verlaufe der Zeit die dermalige Insel herangebildet haben dürfte, einer

Stelle eine

wurde brunnenartig

grössere

Menge heissen Wassers ;

eingefasst und

an

dieses

als Hauptquelle

be-

zeichnet. Diese besteht jetzt noch an der Seite des östlich gelegenen Badehauses . In dieser alten Hauptquelle variirt der Stand des heissen Wassers zwischen 2-5 Schuh, richtet sich jedoch constant nach dem hohen oder niederen Stande des Wassers im Waagflusse ; beim Steigen des Flusses steigt auch die Quelle und umgekehrt. Dieser Vorgang erklärt sich dadurch, dass bei einem Anschwellen des Flusses die Umgegend der Hauptquelle,

aus

Kies

und

lockerem Flugsande bestehend ,

von

dem austretenden Wasser gesättigt wird, in Folge dessen das aus der Tiefe kommende heisse Wasser nicht so leicht verrinnen kann und daher in einer grösseren Menge in der Einfassung sich ansammelt, während bei einer anhaltend trockenen Witterung das Gegentheil stattfindet. Aus dieser Quelle, welche auch als „ alter Brunnen “ bezeichnet wird , wurden früher sämmtliche Bäder mit heissem

Wasser versorgt ;

da sich jedoch

die zeitweise wechselnde

Menge desselben als ungenügend erwies, so wurde im Jahre 1864 ein neuer , zwanzig Fuss tiefer Brunnen gegraben, dessen Mächtigkeit nicht leicht messbar ist, da er jederzeit und unter allen Witterungsverhältnissen die grösste Menge heissen Mineralwassers liefert, welches vermittelst einer Maschinenpumpe in die einzelnen Bäder geleitet wird . IV.

Chemische und physikalische Eigenschaften des Mineralwassers und Mineralschlammes. Das heisse Wasser, welcher Quelle immer entnommen ,

ist volkommen durchsichtig und farblos, riecht bald stärker, bald schwächer nach Schwefelwasserstoffgas und hat eine wechselnde Temperatur zwischen 46 bis 51 ° R.

48 ° R. ist

die gewöhnliche Temperatur der oberen Schichte der Quellen . Der Badeschlamm stellt sich als eine dunkelschwarzgraue, glänzende , weich wie Butter anzufühlende Masse dar, mit einem besonders starken Geruche nach Schwefelwasserstoffgas ; derselbe ist immer viel heisser als das ihn umgebende Wasser und behält auch längere Zeit seine höhere Temperatur. Das Mineralwasser sowie der Schlamm wurden zu verschiedenen Zeiten einer chemischen Analyse unterzogen. Die erste unternahm auf Veranlassung des Herrn Professors Prohaska der Herr Freiherr von Jaquin . Eine zweite wurde von den Herren Apothekern Lang , Dörner und Pantoczek im Jahre 1832 vorgenommen . Im Jahre 1856 wurde von Herrn Professor Dr. Josef Ragsky die letzte Analyse gemacht und durch selbe folgende Bestandtheile nachgewiesen : Kali,

Natron , Kalk,

Magnesia,

Eisenoxyd ,

Schwefelsäure ,

Kohlensäure ,

Chlor ,

Kieselerde

Phosphorsäure, Schwefelwasserstoffgas. In 16 Unzen Mineralwasser ist nachfolgende Menge der Säuren und Basen, sowie der Salze enthalten : 3.9936 Grane Schwefelsäure .



0.8755

99

0.3993

99

Kalk

2.5543

99

Kali

0.1228

99

Chlor

Kieselerde

·



Natrium

·

0.2150

99

Natron



1.1711

99

0.1843

99

Magnesium Magnesia • Gebundene Kohlensäure

·



0.1420 0.8455

Eisenoxyd



0.0019

Phosphorsäure . Verlust



0.0080 0.0274

27 "

99 Summe 10.5407 Grane.

Die Menge der Salze in 16 Unzen Mineralwassers : 0.2150 Grane Schwefelsaures Kali • Schwefelsaures Natron Schwefelsaurer Kalk ·

2.6764

99

·

4.0780

99

Chlornatrium

·

0.5452

""

Chlormagnesium Kohlensaure Magnesia



0.7296

"



0.2995

99

Kohlensaurer Kalk

·

1.5590

"

Kieselerde



0.3993

29



0.0099

""

Basis-phorphorsaures Eisenoxyd Verlust

·

0.0288

99 Summe der fixen Bestandtheile 10.5407 Grane.

9 Ausserdem

sind

in

einem

Pfunde

Mineralwassers

1.5827 Gr. (3.26 Wiener Kub.-Zoll) freie Kohlensäure und 0.1790 Gr. (0.47 Wiener Kub. -Zoll) freier Schwefelwasserstoff enthalten. Die chemische Untersuchung des Mineralschlammes ergab in 100 Theilen folgende Bestandtheile : 64.40 Kieselerde,

12.82 kohlensaurer Kalk,

5.83 Eisenoxyd, 0.59 Magnesia, 14.50 Thonerde,

1:09 Gyps , 0.37 Phosphorsäure, 0.40 organische Substanzen. 100.00 Das Eisen ist im Schlamme grösstentheils als Schwefeleisen vorhanden. V. Die Bade-Localitäten. Dieselben sind in drei verschiedenen Gebäuden untergebracht. Das in den Jahren

1858-59

neuerbaute ,

gegen

das Ufer der Waag zu gelegene Gebäude enthält nebst vier Vollbädern das Schlammreservoir und den alten Brunnen . Diese vier Vollbäder sind : das Spiegelbad Nr.

2

(Gehbad) und die Schlammbäder Nr. 1 , 2, 3. Die zwei ersteren Bäder sind mit Gallerien und Uhren versehen und empfangen, sowie die zwei anderen, durch eine an der gewölbten Decke

angebrachte Glaskuppel ihr Licht.

-

Das Spiegelbad

Nr.

10

2 hat

einen Flächeninhalt von

594 Fuss und einen Wasserinhalt von 2376 Kubikfuss ; der Flächeninhalt des Schlammbades beträgt 500 Fuss , der Wasserinhalt ist 1982 Kubikfuss .

Von den zwei anderen

Schlammbädern hat jedes einen Flächeninhalt von 286 und einen Wasserinhalt von 1694 Kubikfuss.

Fuss

Das Spiegelbad Nr. 2 wird mit der entsprechenden Menge heissen Wassers aus dem neuen Brunnen täglich versorgt und die Temperatur desselben ist zwischen 31 ° und 32º R. gerichtet . Die übrigen drei Vollbäder erhalten das Mineralwasser aus der alten Quelle und bei seiner unzureichenden Menge theilweise auch aus dem neuen Brunnen , ratur zwischen 32 und 34º R. variirt .

daher ihre Tempe-

Die mit jedem einzelnen Vollbade unmittelbar in Verbindung stehenden Ankleidezimmer sind entsprechend gross und geräumig,

so wie zweckmässig eingerichtet ; sind noch besondere Wartlocalitäten angebracht. Im Schlammreservoir ,

überdiess

welches in der näch-

sten Nähe des alten Brunnens gelegen ist , wird bei einem fast ununterbrochenen Zuflusse des heissen Wassers eine mehr als hinlängliche Menge des Badeschlammes abgesetzt, welcher zu den localen Bädern verwendet wird. Dieser so äusserst wirksame Schlamm wird überall dort angetroffen , wo das heisse Wasser hervorquillt ; in den Quellen an den Ufern der Waag findet man die am Grunde liegenden Kieselsteine stets von einer schwärzlichgrauen Schichte Schlammes überzogen ; in einer grösseren oder geringeren Menge ist er auch in den Schlammbädern vorhanden .

11 An der östlichen Seite dieses Gebäudes befindet sich der alte Brunnen , welcher in diesem Jahre ein gefälligeres Aeussere erhielt . Das zweite Gebäude , von einem Säulengange rings umgeben und dem ersteren gegenüberliegend , wurde im Jahre 1861 ebenfalls neu erbaut. Es enthält das Spiegelbad Nr. 1 nebst zwanzig Cabineten zum Gebrauche der Wannenbäder, überdies noch das ärztliche Ordinationszimmer und die Cassalocalität . Das Spiegelbad wurde heuer vollständig umgebaut,

ist

gewölbt, mit einer Gallerie und Uhr versehen und erhält das Licht durch eine Glaskuppel . Es hat einen Flächeninhalt von 400

Fuss , und einen Wasserinhalt von 1622 Kubik-

fuss . Die mit selbem in Verbindung stehenden Ankleidezimmer sind

ebenfalls geräumig und zweckentsprechend eingerichtet. Die Temperatur wird in diesem Bade zwischen 29 und

30° R. gestellt und das täglich hiezu nöthige Mineralwasser, sowie das für den Gebrauch der Wannenbäder erforderliche dem neuen Brunnen entnommen. An einer Seite dieses Gebäudes ist ein Reservoir aus das heisse Wasser aus dem

Stein angebracht, in welches

neuen Brunnen geleitet wird , um nach erfolgter Abkühlung zu den Wannenbädern verwendet werden zu können. Das dritte Gebäude, in der Mitte des Hintergrundes zwischen beiden früheren gelegen, wurde im Jahre 1862 neu erbaut. Es befinden sich in demselben achtzehn Cabinete

zum Gebrauch

der Localschlammbäder und

die für Herren und Frauen getrennten Douchelocalitäten . Die für dieses Gebäude erforderliche Menge heissen Wassers wird ebenfalls aus dem neuen Brunnen bezogen.

12

Der grossen Umsicht und besonderen Energie des Herrn Güterdirectors Paul von Bukovinsky ist es zuzuschreiben, dass diese grossen und schwierigen Neubauten in verhältnissmässig kurzer Zeit ausgeführt wurden.

VI. Wirkungsart der verschiedenen Gebrauchsweisen der Heilquellen.

a) Die Badecur. Die seit ihre

hohen

Jahrhunderten bereits

benützten und

durch

Temperaturverhältnisse, sowie das gleichzeitige

Vorkommen von Mineralschlamm so ausserordentlich günstig wirkenden Bäder Pystjans äussern erfahrungsmässig ihre Totalwirkung folgendermassen : Die Blutcirculation wird bethätiget und insbesondere das Venensystem zur Hautfunction Schweisse ein,

wird

grösseren Thätigkeit angespornt.

bedeutend

gesteigert,

es

treten

Die

starke

ohne dass der Organismus dadurch herabge-

stimmt, der Kranke dadurch erschöpft würde .

Es theilt sich

diese erhöhte Thätigkeit auch den Schleimhäuten und serösen Häuten mit. Damit im Einklange tritt gebesserte Verdauung, vermehrte Esslust und Folge dessen eine bessere Ernährung, vermehrter Tonus in der Schleimhaut des Magens, des Darmcanals und in jener der Harnorgane. Diese allgemeine Steigerung geht dann auch auf das Gemeingefühl über, erscheint aber hier nicht als sogenannte Aufregung, sondern als Gefühl von Ausgleichung der verschiedenen Thätigkeiten, wodurch eher das Gefühl von beruhigender Behaglichkeit als eben von wirklicher

Aufregung

eintritt.

Wird

die

Erhöhung

dieser

13 Thätigkeiten durch eine längere Zeit unterhalten,

so

setzen

sich ihre Wirkungen nach den fibrösen und knöchernen Gebilden fort und es lagerungen ,

erfolgt Aufsaugung krankhafter

Ab-

diese mögen im Zellgewebe , in den

Drüsen , den Gelenken , der Beinhaut oder an den Knochen vorkommen . Es erscheint hiemit die rückbildende Metamorphose auf directe Weise gesteigert , geregelt, Producte insbesondere jene der krankhaften erhöht ; indirect tritt aber dadurch eine mächtige Steigerung beinahe aller übrigen functionellen Thätigkeiten ein.

b) Die locale Anwendung des Schlammes. Eine solche wird bewerkstelligt durch das Eintauchen einer oder mehrerer örtlich

ergriffener Gliedmassen in ein

mit heissem Schlamm gefülltes Gefäss, oder durch das Einschlagen von Schlamm in Tücher und Auflegen dieser Ueberschläge auf die leidenden Theile. Der Schlamm äussert seine Wirkung, unter Rücksichtsnahme seiner hohen Temperatur, der stattfindenden mechanischen Friction und der reizend wirkenden mineralischen Bestandtheile,

durch

unmittelbare

kräftige

Steigerung

der

capillären Gefässthätigkeit, sowie Erhöhung der Lebensthätigkeit der organischen

Theile in den krankhaft ergriffenen

Stellen des Körpers, wodurch erfahrungsgemäss die Aufsaugung von halbweichen und selbst starren Ablagerungen im hohen Grade begünstigt wird. Die Gesammtwirkung ist daher blos localer Natur, daher derselbe nur bei örtlichen Producten eines allgemeinen Leidens

14

oder bei rein örtlich stattfindenden Krankheitsprocessen angewendet wird.

c) Die Trinkcur. Dieselbe, obwohl nur bei einer äusserst geringen Gruppe von Krankheitsformen in Anwendung gebracht, Wirkung durch Tilgung der Magensäure, mehrung der Esslust,

äussert ihre

durch

eine Ver-

durch eine Steigerung der Haut- und

Nierenthätigkeit und durch eine stärkere Absonderung der Schleimhäute.

Nachfolgende Krankheiten sind daher für den Gebrauch der hiesigen Heilquellen besonders angezeigt :

I. Gicht. 1. Bei chronischer , mit Paroxysmen verlaufender Gicht , ohne nachweisbarer localer Affection ,

welche sich am meisten durch Unterleibsstörungen,

durch eine gesteigerte Empfindlichkeit und einen Schwächezu stand der Gelenke äussert.

2. Bei chronischer Gicht mit Ablagerungen in den Gelenken und dadurch bedingter geringerer Beweglichkeit,

Steifheit und Verkrümmung derselben, bei Auflagerungen auf den fibrösen Gebilden und den Knochen.

II. Rheumatische Leiden . 1. Herumziehende Schmerzen in den Muskeln und Gelenken , ohne dass ein locales Ergriffensein dieser

15

Gebilde wahrnehmbar

wäre ; derartige Affectionen betreffen

am meisten die Muskeln des Halses, rheumatische Hemicranie. 2. Rheumatische

der Lenden,

Affectionen

der

Kopfes ,

Nerven-

scheiden , besonders die des Hüftnervens , Ischias , selbst wenn dieses so hartnäckige Leiden schon eine theilweise Lähmung der entsprechenden Gliedmassen bedingt. 3. Rheumatische Affectionen der die Gelenke construirenden fibrösen Gebilde, als Folgekrankheiten des acuten Gelenksrheumatismus, mungen der Gelenke.

Steifheiten und Verkrüm-

III. Skrophulöse Leiden. 1. Ein allgemein ausgeprägter skrophulöser Habitus , der sich durch ein krankhaftes Aussehen, sowie auch häufig durch eine mangelhafte Entwicklung des Knochenbaues äussert. 2. Anschwellungen der Drüsen der äussern Haut und des subcutanen Zellgewebes , eiterungen derselben.

Verhärtung und Ver-

3. Skrophulöse Affectionen der äussern Haut, in Form von schlecht eiternden Geschwürsflächen . 4. Skrophulöse Affectionen der Schleimhäute. 5. Skrophulöse Affectionen Nekrose und Caries derselben .

der

Knochen ,

6. Skrophulöse Entartungen der Gelenke in Form von Geschwülsten der verschiedensten Consistenz , welche das Gelenk entweder vollständig oder theilweise vergrössern und welche nicht selten mit einer Auftreibung der

16 Gelenksenden der Knochen,

einer cariösen

Zerstörung der

letzteren und einem Eiterungszustande verbunden sind . 7. Verwachsungen und Verkrümmungen der Gelenke als Nachkrankheiten der vorerwähnten Entartungen.

IV. Chronische Entzündungs-Processe und ihre Folgezustände. 1. Ablagerung in dem Bindegewebe der äusseren Haut , Eiterungs- und Verschwärungszustände einer solchen ; derlei Zustände der Schleimhäute, Hohlgänge, wie solche häufig in der Umgebung des Mastdarms oder am Mittelfleische vorkommen. 2. Verhärtungen und Vereiterungen der Drüsen in der Hals- , Achsel- oder Leistengegend . 3. Exsudationsproducte von wässeriger oder starrer Beschaffenheit in den serösen und fibrösen Gebilden , an den Gelenken mehr oder minder grosse Anschwellungen bedingend und überdies gewöhnlich bedeutendere Störungen der Functionsthätigkeit, Verkrümmungen

hervorrufend ;

Beinhaut-

Steifheiten und und

Knochenan-

schwellungen, Nekrose und Caries der letzteren. 4. Bei den Geschlechtsorganen : 1 ) Verhärtungen der Vorsteherdrüse , des Hodens , seröse Ergüsse in den Scheidenhautcanal des letzteren ; 2) Exsudatsreste im Gewebe des Uterus oder im Becken nach Puerperalprocessen ; Knoten in der Brustdrüse . Hieher gehören auch die nach schweren Verletzungen zurückgebliebenen Uebel , welche sich zu äussern pflegen :

-

17

-

1. Durch eine erhöhte oder auch verminderte Empfindlichkeit in den nach schweren Verwundu ngen hinterbliebenen Narben . 2. Durch eine theilweise oder völlige Unbrauchbarkeit einzelner Gliedmassen nach schweren Verletzungen ,

wohl grösstentheils bedingt durch noch vor-

handene geringere Exsudate in den fibrösen Gebilden oder auf den Knochen selbst. 3. Durch Schwäche , Schmerz , gehinderte Beweglichkeit , Steifheit nach Knochenbrüchen und Verrenkungen , wenn auch erstere geheilt , letztere eingerichtet sind. 4.

Durch einen

mangelnden

oder

doch nur im

geringen Grade sich einstellenden Heiltrieb der organischen Substanz , wie dies

so häufig nach tiefer eindrin-

genden

Schusswunden und Verletzung

Hieb- ,

der fibrösen

Stich-

oder

Gebilde , sowie der Knochen , bei Gelenkwunden

oder nach schwierigen Operationen der Fall ist.

V. Krankheiten des Nervensystems. 1. Lähmungen einzelner Gliedmassen , welche in Folge von Metallvergiftungen entstanden sind. 2. Lähmungen einzelner oder mehrerer Gliedmassen als Folgezustände von traumatischen Verletzungen einzelner oder mehrerer Nervenstämme, bewirkt durch einen Stoss oder Fall, durch Hieb- , Stich- oder Schusswunden, selbst wenn auch schon eine längere Zeit die vollkommenste Vernarbung der wund gewesenen Theile besteht. 2

-

18 3.

Lähmungen

einzelner

oder

mehrerer

Gliedmassen als Nachkrankheiten von acuten oder specifischen Entzündungsprocessen ; wo abgelagerte Exsudate den Nerven drücken oder wo solche in den Nervenscheiden selbst vorhanden sind. Durch Nebenumstände

bedingte günstige Heilresultate

erfolgen durch den hiesigen Badegebrauch auch : 1. Bei halbseitigen Lähmungen in Folge von Gehirnapoplexien ,

wenn

der

Rückbildungsprocess

in

den central ergriffenen Stellen bereits eingeleitet und fieberlos geworden ist ; 2. bei Lähmungen mehrerer Gliedmassen in Folge von unmittelbarer Affection des Rückenmarkes selbst oder des Rückenmarkscanales .

VI. Chronische Hautkrankheiten. Insbesondere solche, welche mit einem lästigen Jucken , einer Schuppen- oder Geschwürsbildung auftreten ; wie : 1.

Urticaria chronica,

chronicum ,

nässende

Flechte.

Nesselausschlag. 3.

2.

Exzema

Pityriasis, Kleienflechte .

4. Psoriasis, Schuppenflechte. 5. Prurigo. 6. Lichen. 7. Acne, Finne. bies, Krätze.

8. Seborrhoe, Schmerfluss. 9. Lupus 10. Sca-

VII. Krankheiten der Schleimhäute. 1. Chronischer Tracheal- und Bronchialka-

tarrh.

19 2. Chronischer Katarrh der Schleimhaut des Magens und der Gedärme in Verbindung mit Verdauungsschwäche und vorherrschender Säurebildung . 3. Katarrh der Blase und Scheide , in wiefern diese Affectionen Folgezustände der oben angeführten Leiden oder der Ausdruck eines allgemeinen Schwächezustandes sind .

VIII. Leber- und Milzkrankheiten. 1. Geringere Anschwellungen der Leber und der Milz als Folgen von hartnäckigen Wechselfiebern ; es muss jedoch bereits eine längere Zeit jede Spur eines Fieberanfalles erloschen sein. 2. Hämorrhoidalzustände ,

besonders wenn sich

solche durch Störungen im Verdauungssysteme, durch Schmerz in der Kreuzgegend oder durch einen Wundzustand der Mastdarmschleimhaut kundgeben .

IX. Krankheiten der Geschlechtsorgane. Bleichsucht und Menstruation -Anomalien Amenorrhoe und Dysmenorrhoe, in wieferne selbe mit einem allgemeinen Schwächezustand des Organismus , mit einem gichtischen oder skrophulösen Leiden in ursächlichen Zusammenhange stehen.

X. Syphilis. Es ist eine bekannte und von glaubwürdigen Autoren constatirte Thatsache, dass Schwefelthermen überhaupt die Eigenschaft besitzen,

schlummernde, verlarvte Syphilisformen 2*

20

wieder zum Vorschein zu bringen. Nach einem blos mehrmaligen Gebrauche der hiesigen heisseren Bäder pflegen sich nicht selten die heftigsten Knochen- und Gelenksschmerzen besonders in solchen Fällen einzustellen, wo eine Mercurialbehandlung vorherging ; häufig erfolgt auch der Wiederausbruch von bereits verschwundenen Hautausschlägen und Geschwürszuständen der Schleimhaut. Vorzüglich angezeigt sind daher für den hiesigen Badegebrauch solche Formen von Beinhaut- und Knochensyphilis , welche bereits mit Mercur behandelt wurden , ferner

auch,

wo diese Formen mit einer skrophulösen Anlage verbunden sind. Das charakteristische Wiederauftreten von bereits erloschenen Krankheitserscheinungen ermöglicht es, die Syphilis zu constatiren und sofort die weiteren Indicationen für eine Behandlung zu stellen .

Gegenanzeigen . Nicht angezeigt ist der Gebrauch der Pystjaner Quellen : 1. Bei activen Entzündungen, Fieberzuständen. 2. Bei Disposition zu Hämorrhagien . 3. Bei grösseren organischen Verbildungen im Klappenapparate des Herzens oder der grösseren Gefässstämme. 4. Bei Neigung zum Abortus und Congestionszuständen wichtiger Organe und Eiterung derselben. 5. Bei grosser Entkräftung und allgemeiner Erschöpfung.

F O

*