DIE HANSE. Geschichte und Kultur

Citation preview

DIE HANSE Geschichte und Kultur

Kohlhammer

Städte, Handelsstraßen und Kontore der Hanse im 14. und 15.Jahrhundert

Tönsberg

H

0

a Lübeck

;

Groningen* \*Stavoren

''Emden \ Lüwburg» Bremen* Velzen*

iKdfflpe. -

"

"""•'"" usna Utrecht Wesel "'

Antwerpen

Herford*

,,-

So ' ^

"'^"tiamel"?**

* Bielefeld Lemgo ^esne'r-

Duisburg. .%&m •Soesf ^^"^ Essen 'Dortmund - „ „. „ , NeuS , Muhlhausen ^^

»Oinant Frankfurt

Wiirzburg

StraBburg '

Ulm

Konstanz

Mailand

Vet

0 Nowgorod

Moskau

Smolensk D

• Deminio» • fismar Auklam

^ "

Grwenoäy

Stettin * l

•Havelberg Warschau

Kiew

Magdsburtj •Aschersleben

-Orient

•Halle •seöura

« Hamburg

Gariiti

Dresden Ltvow Krakau. Orj, ''lern

Prag

Nürnberg

•jgsburg

. Kosice

Wien

Buda''

Innsbruck Boxen

Hansestadt (Auswahl), entsprechend ihrer Größe 0 Hansekontor D Hansische Niederlassung Nichthansische Stadt Landhandelsstraße ——— Seehandelsweg 0 100 200 300km

Akke,

Johannes Schildhauer DIE HANSE Geschichte und Kultur

JOHANNES SCHILDHAUER

GESCHICHTE UND KULTUR

KOHLHAMMER

Alle Rechte vorbehalten © 1984 Edition Leipzig Lizenzausgabe für den Verlag W. Kohlhammer GmbH 1984 Stuttgart Berlin Köln Mainz Verlagsort Stuttgart Gestaltung Walter Schiller Umschlag hace Gesamtherstellung Druckerei Fortschritt Erfurt Printed in the German Democratic Republic ISBN 3-17-008379-1

INHALT

Vorwort 7 DIE HANSE AUF IHREM WEGE ZUM STÄDTEBUND

9 / Bildteil ij

Nord- und Ostsee in früher Zeit 9 Voraussetzungen und Anfänge der Hanse 12 Handel in der Ostsee 29 Zwischen Ost- und Nordsee 32 Über die Nordsee nach Flandern und England 34 DIE HANSE ALS STÄRKSTE HANDELSMACHT IM OST- UND NORDSEERAUM

37

/ Bildteil ;j

Von der Kaufmannshanse zur Städtehanse 37 Herausbildung einer wirtschaftlichen Vormachtstellung 41 Sicherung des Handelsmonopols im Ostseeraum 48 Das Ringen um die Behauptung der Vorherrschaft

50

DAS BILD DER HANSESTÄDTE Stadtanlage, Markt, Straßen 65 Rathaus, Gildehäuser, Tore, Türme 67 Kirchen und Klöster 72 Giebelhäuser, Buden, Keller 73 Luxus, Mode, Kleidung 74

65 / Bildteil 77

l Bildteil 109

DIE MENSCHEN IN DER HANSESTADT Der Kaufmann

101 Schiffer, Reeder, Schiffbauer

149 Der Hand-

werker 156 Die Unterschichten 165 Sonstige Bevölkerungsgruppen i/o

//; /Bildteil 181

HANSESTÄDTISCHE KULTUR Religion und Kirche 175 Schule und Universität 178 Recht und Rechtspflege

215 Die mittelniederdeutsche Sprache 217 Literatur

und Buchdruck 219 Bildende Kunst 226 Musikleben 228 Geschichtsschreibung 231

DER AUSKLANG DER HANSE 241

ANHANG Literatur 241 Bildnachweis 243 Register 243

ahlreiche ehemalige Hansestädte grüßen ch heute den Ankömmling schon von weitem durch die Türme ihrer Kirchen, die sich hoch über die Häuser erheben und jeder Stadt eine ganz charakteristische Silhouette verleihen. Hier und dort betritt der Besucher noch durch enge Tordurchfahrten wuchtiger Wehrbauten schmale Altstadtstraßen, in denen sein Blick an hochfenstrigen, oft mit streng gegliederten Backsteinfassaden ausgestatteten Giebelhäusern emporgleitet oder an Straßenschildern mit seltsam klingenden, kaum noch verständlichen Namen haften bleibt. Am Marktplatz erfreut er sich an reich verzierten Rathäusern, denen sich, soweit die Kriege sie verschont haben, stattliche Bürgerhäuser des Zentrums der alten Stadt anschließen. In allem repräsentieren sich wirtschaftliche Stärke wie auch politischer Machtanspruch des mittelalterlichen Bürgertums. «Stadtluft macht frei.» Dieser vom Bürgertum durchgesetzte Rechtsgrundsatz ermöglichte es, frei zu sein, aber auch frei zu denken, frei ein kulturelles Leben zu entfalten, das sich in vielem von dem der Ritter sowie der Geistlichkeit unterschied und das erwachte Selbstbewußtsein des Bürgertums zum Ausdruck bringt. Wer wissen will, wie der mittelalterliche bürgerliche Mensch gelebt und gefühlt hat, muß seine Städte betrachten und seine Kunstwerke erleben. Dabei ist es gleich, ob man vor dem Stralsunder Rathaus, einem Symbol städtischer Autonomie und Unabhängigkeit, vor der Marienkirche in Lübeck oder in Gdansk, vor dem Kröpeliner Tor in Rostock oder vor dem goti-

schen Bürgerhaus auf dem Marktplatz in Greifswald steht. Diese steinernen Zeugen der Vergangenheit, in großer Meisterschaft gestaltet, sind in ihrer Bauweise oft sachlich-herb. Die praktischen Bedürfnisse des hansischen Bürgers, Geschäftssinn, Fleiß und handwerkliche Fertigkeiten, aber zugleich ein starker Repräsentationsanspruch bestimmen ihre entscheidenden Züge. Wie sie bauten, so sahen sich die Menschen selbst oder wollten sie gesehen werden. Die neue, bürgerliche Kunst und Kultur spiegelt sich hierin in hervorragender Weise wider. Dem nachzuspüren ist Anliegen dieses Bandes. Waren doch die wirtschaftlichen und politischen Unternehmungen der Hanse und ihrer Städte im Laufe mehrerer Jahrhunderte auf das engste mit großen kulturellen Leistungen verbunden. Sie erwuchsen - unabhängig, ob es sich dabei um eigenschöpferische Leistungen oder nur um besondere Formen einer allgemein kulturellkünstlerischen Entwicklung handelte - aus einem spezifischen sozialen und kulturellen Milieu des Bürgertums der Hansestädte. Dieses Milieu ist sicher als hansisch anzusprechen, auch wenn wir bei der Bezeichnung der geistigen Kultur der Hanse als einer «Hansekultur», ihrer Kunst als einer «Hansekunst» sehr vorsichtig sein müssen. Denn «Hansekultur» ist letztlich Ausdrucksform einer stadtbürgerlichen Kultur, «Hansekunst» die einer gotischen Kunst bürgerlicher Prägung, die durch die Hanse - ihre wirtschaftliche Kraft, die relativ große Unabhängigkeit ihrer Städte sowie ihren großen Einfluß im nordeuropäischen Raum - eine besondere Gestaltung erfahren hat.

VQTWOTt

DIE HANSE AUF IHREM WEGE ZUM STÄDTEBUND

3

n vorhansischer Zeit lagen Nord- und Ostsee noch weitab vom politischen Weltgeschehen, dennoch hatte sich an ihren Küsten bereits ein reger Handel entwickelt. Friesische, flämische, skandinavische, slawische und baltische Seefahrer betrieben lange vor dem Erscheinen des hansischen Kaufmanns entlang der Küsten mit ihren kleinen Fahrzeugen den Warenaustausch, drangen auf den Flußläufen bis in das Binnenland vor und wagten sich auf das offene Meer hinaus, um gegenüberliegendes Küstengebiet zu erreichen. Deutsche waren an den Küsten der Ostsee noch nirgends zu finden. Hatten sich in Jütland und Südschweden wie auf den Inseln zwischen Sund und Belt die Dänen und nördlich davon die Schweden angesiedelt, so bewohnten die Südküste der Ostsee - von Holstein bis zur Weichselmündung - westslawische Völkerschaften. Nordöstlich davon waren weiterhin die baltischen Pruzzen sowie estnisch-finnische Stämme beheimatet. Seit dem ausgehenden S.Jahrhundert kamen die Völker Westeuropas mit den skandinavischen Völkerschaften dadurch in enge Berührung, daß deren Angehörige von den Küsten Norwegens und Dänemarks aus mit ihren Raub- und Eroberungszügen bis zu den Britischen Inseln, an die Küste und flußaufwärts in das Innere des Frankenreiches vordrangen und sich schließlich auf ihren Fahrten bis in das Mittelmeer vorwagten. Hauptgebiet der skandinavischen Expansion, bei der sich Handel und Raub in für das Mittelalter charakteristischer Weise verbanden,

war die Ostsee, und zwar insbesondere deren südliche und südöstliche Küste (Abb. 3). Zum Teil führte ihr Weg weiter auf den Flüssen Osteuropas bis zum Schwarzen sowie zum Kaspischen Meer. Die Unternehmungen der Skandinavier des 9. und 10. Jahrhunderts sind unter dem Namen Wikingerzüge in die Geschichte eingegangen. Es waren frühfeudale Eroberungs- und Raubzüge, die in einer Zeit der Herausbildung des feudalen Staatensystems in Europa Erfolg versprachen (Abb. 4). Sie hatten aber auch den Charakter von Handelsfahrten, die sich in Gebiete einer entwickelteren Produktion richteten. 1 So bildete sich bereits in vorhansischer Zeit ein Netz von Handelsstützpunkten im Ost- und Nordseeraum. Als Umschlagplatz im Ost-WestHandel diente seit Beginn des 9. Jahrhunderts auf der schleswig-holsteinischen Landenge die Kaufmannssiedlung Haithabu. 2 An dieser Stelle war die jütländische Halbinsel dank der kleineren Flüsse Eide und Treene im Westen und Schlei im Osten mit nur einem kurzen Landtransport der Waren relativ leicht zu überwinden (Abb. i). Ein stattlicher durchgehender Schutzwall, das Danewerk, sicherte Siedlung und Hafen von der Landseite her insbesondere gegen die auf dem rechten Eibufer ansässigen Slawen. Die einflußreiche wirtschaftliche Stellung Haithabus fand auch in den seit 936 in dieser Siedlung geprägten Silbermünzen, den Haithabu-Brakteaten, ihren Ausdruck. Wenn diese im Odergebiet besonders häufig gefunden wurden, so läßt sich darin sicherlich eine Haupthandelsrichtung Haithabus erkennen. Als Haithabu im IG. und u.Jahrhun-

Norä- und Ostsee in früher Zeit

1 Gufevic, A.Ja., Pochody vikingov, Moskva 1966, S. 78 ff.; BrondstedJ., Vikingerne, K0benhavn 1962; deutsch: Die grosse Zeit der Wikinger, Neumünster 1964, S.24ff. 2 Jankuhn, H., Haithabu. Ein Handelsplatz in der Wikingerzeit, Neumünster 5 i9/z, S. rooff.

i Der Handelsplatz Haithabu, 8.-n.Jh. Die Skizze zeigt die durch Wälle und Vorwälle zur Landseite und durch Palisaden zur See hin geschützte Siedlung. Die Gräberfelder deuten auf das Ausmaß der Besiedlung hin.

dert von verschiedenen Seiten mehrfach eingenommen bzw. geplündert wurde, ging seine Bedeutung als Umschlagplatz im Ost-West-Verkehr zu Ende. An seine Stelle trat am Ausgang des 11. Jahrhunderts das nicht weit entfernte Schleswig. Wie bisher Haithabu stand nun Schleswig mit Hafenplätzen an Weser und Rhein sowie an der englischen Küste ebenso wie mit den größeren Hafenorten im Ostseegebiet in Verbindung. Im Laufe des 13. Jahrhunderts sollte dann jedoch der Ost-West-Verkehr nahezu völlig über die Linie Hamburg—Lübeck geführt werden. Im nördlichen Ostseegebiet hatte sich früh schon eine weitere Kaufmannssiedlung herausge-

bildet: Birka, die «Birkeninsel» im Mälarsee, 30 Kilometer westlich des heutigen Stockholm. Durch einen Wasserweg mit der Ostsee verbunden, vor Angreifern durch einen Wall geschützt, entwickelte es sich zum Handelszentrum des mittleren Schweden. Auch hierhin folgte dem Kaufmann der Missionar. Die ersten Missionsreisen zur Bekehrung der Schweden zum christlichen Glauben unternahm der Benediktinermönch Ansgar bereits im Jahre 829. Am Ausgang des 10. Jahrhunderts übernahm das ebenfalls am Mälarsee etwa 40 Kilometer nördlich gelegene Sigtuna dessen Handelsfunktion, zugleich aber wurde es Königsresidenz, Münzstätte und Bischofssitz. Die heute noch vorhandenen Ruinen von fünf Kaufmannskirchen ermöglichen Rückschlüsse auf die damalige Bedeutung Sigtunas als eines zentralen Marktortes in Schweden. Auch an der südöstlichen Küste der Ostsee entstanden vor allem an den Mündungen größerer Ströme Kaufmannssiedlungen als Zentren des Fernhandels. Truso, im östlichen Mündungsgebiet der Weichsel wohl in der Nähe der späteren Hansestadt Elbing (Elbl^g) gelegen, hatte als Hafen der Pruzzen Bedeutung und wurde schon am Ausgang des 9. Jahrhunderts von dem angelsächsischen Seefahrer Wulfstan zu Schiff in sieben Tagen und Nächten von Haithabu aus erreicht. An der südlichen Ostseeküste entwickelten sich zwischen Weichsel und Elbe westslawische Siedlungen und Hafenorte wie Danzig (Gdansk), Kolberg (Kotobrzeg), Wollin (Wolin), Stettin (Szczecin) und Kamin (Kamien Pomorski) und weiter westlich Rostock sowie das slawische AltLübeck. Als slawischer Handelsplatz spielte auch Reric - bereits 808 von dem Dänenkönig Göttrik zerstört - eine wichtige Rolle; es muß an der Küste zwischen Wismar und Lübeck, sicherlich jedoch nicht an der Stelle des heutigen Badeortes Rerik gelegen haben.3 Waren Haithabu und Birka vorwiegend «Fahrmännerstädte» gewesen, hielten sich in ihnen die Kaufleute zur Abwicklung ihrer Handelsgeschäfte nur vorübergehend auf, so bildeten sich in den später entstandenen Siedlungen festere und beständigere wirtschaftliche Beziehungen. Eine Reihe dieser Ortschaften begann bereits vom ausgehenden 9. Jahrhundert an städtische

Züge anzunehmen. Auch für sie war der Fernhandel die grundlegende ökonomische Voraussetzung, doch siedelten sich außer Kaufleuten auch Handwerker in ihnen an. Weiterhin spielten Ackerbau, Fischfang und Viehzucht eine wichtige Rolle, ökonomisch und rechtlich durchaus noch nicht von dem sie umgebenden Landgebiet geschieden, hoben sich diese «Frühstädte» durch ihre Stellung im Fernhandel sowie in dem sich entwickelnden Nahhandel mehr und mehr ab, begünstigt durch ihre verkehrsgeographische Lage und gefördert durch sich bildende staatliche oder kirchliche Verwaltungszentren. So waren die Voraussetzungen einer ständigen Verbindung von Westeuropa, der Nordseeküste über die Halbinsel Jütland in den Ostseeraum und zurück schon früh geschaffen. Zumeist über See geführt, war dieser West-Ost-Handel weniger gefährdet als der ebenso alte, aber viel weitere Landhandelsweg vom Vorderen Orient über das Mittelmeergebiet durch Osteuropa. Ihn erschlossen zu Beginn des 9.Jahrhunderts erneut vor allem skandinavische Kaufleute auf dem Weg über Kiew nach Byzanz sowie entlang der Wolga ans Kaspische Meer und weiter nach Persien. Für die Ausweitung des Handels auf der Ostsee waren die in ihr gelegenen Inseln als Stützpunkte von großer Bedeutung; ihr verdankte die Insel Gotland vor allem ihre Entwicklung im 10. und ii.Jahrhundert. 4 Daß sich der Fernhandel vom Ostseegebiet bis in das östliche Mittelmeer und in den Vorderen Orient erstreckte, belegen vor allem die zahlreichen Funde arabischer Münzen und arabischen Silbers, die zugleich von hoher künstlerischer Meisterschaft zeugen. In Zeiten der Gefahr vergraben, sind diese Silberschätze In größerer Zahl auf uns gekommen. Allein auf der Insel Gotland sind bis heute etwa 525, an der heutigen polnischen Ostseeküste etwa 200 derartige «Schatzfunde» geborgen worden. Sie umfassen für Gotland etwa 40000 arabische Silbermünzen, für Schweden und Norwegen rund 17000, für Norwegen noch etwa 400, während jenseits der damaligen deutsch-slawischen Grenze, der ElbeSaale-Linie, arabische Münzfunde nur sehr vereinzelt vorkamen. Am Ende des 10. Jahrhunderts hörte der Zustrom arabischer Münzen fast

schlagartig auf, dafür traten nun in den Funden mehr westeuropäische und besonders deutsche Münzen hervor. Daß jetzt in Skandinavien und Polen eigene Münzen geprägt wurden, läßt den allmählichen Übergang von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft im Ostseeraum vor allem seit dem n.Jahrhundert erkennen. Dafür bot zugleich der Aufschwung der Produktion am Nord- und Südufer der Ostsee die Voraussetzung. Im Handel erhielt dadurch der Nahwarenverkehr wachsende Bedeutung; besonders der Warenaustausch zwischen den slawischen und skandinavischen Stämmen nahm zu. Mit dem Aufhören der von Skandinavien ausgehenden Wikingerzüge am Ende des u.Jahrhunderts gewannen die slawischen Kaufleute eine führende Stellung im Ostseehandel. Ihre Siedlungen an der südlichen Ostseeküste erweiterten und festigten sich auch durch eine wachsende Aufnahme von Handwerkern; vor allem Stettin und Danzig traten jetzt neben Wollin und Kolberg stärker hervor. Daß noch jetzt friedliche Handelszüge mit plötzlichen Raubüberfällen verbunden waren, machen die Quellen deutlich. So wurde Birka 1066 von slawischen Schiffen überfallen und zu Beginn des 12.Jahrhunderts das schwedische Konnungahela (Kungälv) von Fürst Ratiborl. zerstört. Immer wieder auftretende, langandauernde Kriege zwischen den stärker werdenden Feudalkräften führten am Ende des ii.Jahrhunderts insgesamt gesehen zu einem Rückgang des Fernhandels in der Ostsee, während die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der sich festigenden slawischen frühstädtischen Siedlungen mit Gotland, Seeland und Schonen ziemlich rege blieben. In den Schiffbau und die Seefahrt in vorhansischer Zeit geben uns einige Schiffsfunde guten Einblick; sei es, daß in den Schiffen vornehme Skandinavier beigesetzt wurden - wie In den Schiffsgräbern des 8. und 9.Jahrhunderts von Tune, Gokstad (Abb. 6) und Oseberg (Abb. 5) -, oder sei es, daß sie gesunken waren und, von Schlick und Sand überdeckt, erhalten geblieben sind, wie die Schiffe von Danzig-BrÖsen (Gdarisk-Brzezno) und Danzig-Ohra (GdariskOrunia). Auch durch den Fund und die Rekonstruktion von sechs offensichtlich zu Sperrzwek-

ii

3 Leciejewicz, L., Die Entstehung der Küstenstädte zwischen Oder und Weichsel im Lichte der letzten Forschungen, in: Acta Visbyensia, I, Visby 1965, S.47ff.; Bmnkack, /., Einige Betrachtungen über Handwerk, Handel und Stadtentwicklung der Westslaven an der Ostseeküste vom 9. zum 12.Jahrhundert, in: Hansische Studien, Berlin 1961, S.7ti.;$laski, K., Die Schifffahrt der Ostseeslaven im 9.-13.Jahrhundert (II. Internationaler Kongreß für Slavische Archäologie, Berlin 1970), Berlin 1973, S.ajjff. 4 Den Svenska Historien, Bd.I, Stockholm 1966, S.i 3 4 ff.

ken im Roskildefjord in Dänemark versenkten Schiffen erfahren wir Wesentliches über die skandinavischen Kauf fahrerschiffe dieser Zeit. Schon früh hatte sich bei den Seeschiffen die Klinkerbauweise - eine dachziegelartige Beplankung der Schiffswände — durchgesetzt, wie wir auch bis in das 7./S.Jahrhundert die Benutzung des Segels im Nord- und Ostseeraum zurückverfolgen können. Bis heute sind weiterhin Bezeichnungen wie «Steuerbord» und «Backbord» für die beiden Schiffsseiten in der Seemannssprache gebräuchlich geblieben, obwohl seit fast 800Jahren nicht mehr mit dem Ruder auf der rechten Schiffsseite gesteuert wird, wodurch der Steuermann gezwungen war, den Rücken, seine «Backseite», der anderen Schiffsseite zuzukehren. Das größte erhalten gebliebene Seeschiff aus dieser Zeit ist das von Gokstad. Mit seinen 23,30 Meter Länge und 5,25 Meter Breite sowie einer Höhe von 1,95 Meter übertraf es die Mehrzahl der anderen für Handel und KLriegsfahrt eingesetzten Schiffe. Bei günstigem Wind konnte es eine Stundenge-

Voraussetzungen und Anfänge der Hanse

j Bwndsted, j,, Die grosse Zeit der Wikinger, Neumünster 1964, S. nzff.

U

m die Jahrtausendwende begannen sich in West- und Mitteleuropa wesentliche ökonomische, politisch-soziale und kulturelle Veränderungen zu vollziehen; mit ihnen ist das Entstehen der Hanse auf das engste verknüpft. So kamen neue Arbeitsgeräte für Landwirtschaft und Handwerk auf. Sie führten in diesen Bereichen zu verbesserten Produktionsmethoden und -verfahren. Die Kraft des Windes und des fließenden Wassers wurde für Mühlen der verschiedensten Art, für Poch- und Hammerwerke, Blasebälge usw. nutzbar gemacht. Die Dreifelderwirtschaft, die Abfolge von Winterbestellung, Sommerbestellung und Brache, drängte die bisher vorherrschende Feldgraswirtschaft weiter nach Osten zurück. Die Einführung der neuen Anschirrweise mit dem Kummet ermöglichte neben der bisherigen Rinderanspannung die Nutzung des Pferdes als Zugtier bei der Bestellung des Ackers wie allgemein im Transportwesen. Dadurch konnte auch der Pflug leistungsfähiger gestaltet, der Boden besser bearbeitet werden. Auf Grund wachsender Erträge in der Landwirtschaft verdoppelte sich die Bevölkerung in

schwindigkeit von ii Seemeilen erreichen. Dies hat im Jahre 1893 ein naturgetreu nachgebautes Gokstadschiff mit seiner vierwöchigen Uberquerung des Atlantik bestätigt.5 Kaufmann und Schiffsmann waren in der Frühphase des Seehandels noch nicht verschiedene Personen. Der Kaufmann leistete an Bord Schiffsarbeiten, er begleitete als Wanderhändler seine Waren, verkaufte sie und sorgte für die Rückfracht der neueingekauften Güter. Da er in fremden Gebieten noch ohne jeglichen Rechtsschutz war, suchte er im genossenschaftlichen Zusammenschluß größere Sicherheit. War deren einfachste Form die gemeinsame Benutzung eines Schiffes, so bot die Bildung kleinerer Flotten aus mehreren Schiffen größeren Schutz gegen Überfall, Raub und Naturgewalten. Oft schlössen sich die in einer bestimmten Richtung Handel treibenden Kaufleute zu Fahrgemeinschaften, Gilden, zusammen. Gilden dieser Art können wir durchaus als Vorläufer der späteren Kaufmannshansen ansehen.

Deutschland von der Mitte des n. bis zur Mitte des 13.Jahrhunderts; ihre Zahl stieg auf n bis 12 Millionen Menschen. Durch diese Entwicklung auf dem Lande wurden zugleich mehr Menschen frei gesetzt für die Herstellung gewerblicher Güter, Damit trennte sich das Handwerk mehr und mehr von der Landwirtschaft. Auch der Handel wuchs m dieser Zeit in starkem Maße an und mit Ihm verdrei- bzw. vervierfachte sich die Zahl der Fernhandelsplätze, die wir für den Beginn des n.Jahrhunderts zwischen Rhein und Elbe mit 200 bis 300 ansetzen können. Die an diesen Marktorten abgehaltenen Jahr- oder sogar schon Wochenmärkte zogen zahlreiche Handwerker an, die sich hier zur Herstellung und zum besseren Verkauf ihrer Waren niederließen. Auch für die Bauern boten die Marktorte Möglichkeiten, ihre überschüssigen Agrarprodukte abzusetzen bzw. gegen Erzeugnisse des Handwerks einzutauschen. Die Marktorte übernahmen immer stärker Nahmarktfunktionen, ökonomisch und rechtlich hoben sie sich von den sie umgebenden Agrargebieten ab und wurden zu Keimzellen der Städte.

Alle diese Marktorte entstanden auf dem Grund und Boden eines Feudalherrn, oft lehnten sie sich an den Sitz eines weltlichen oder geistlichen Würdenträgers an oder lagen an Flüssen, Flußmündungen oder sonst für den Handel günstigen Stellen des Landes, das allmählich von einem Netz von Verkehrswegen überzogen wurde. Hier boten sich günstige Austauschmöglichkeiten. An kirchlichen Feiertagen strömte zu den an Bischofssitzen und mächtigen Klöstern abgehaltenen Jahrmärkten eine große Menschenmenge. Diese «Messen» erlangten vor allem für die Kaufleute eine starke Anziehungskraft. Oftmals entstanden neben den befestigten Sitzen weltlicher oder geistlicher Herren dauernde Niederlassungen, Siedlungen von Handwerkern und Kaufleuten, denen das Marktrecht verliehen wurde. Blühte ein solcher Marktort auf, wurde er zugleich für den Adligen eine günstige Möglichkeit der Bereicherung. Er konnte sowohl aus der Gerichtsbarkeit, aus Zöllen und Geleitsgeldern, aus Schutzgebühren für den Handel und Gerichtsgebühren, aus der Münzstätte sowie aus den unmittelbaren Arbeitsleistungen der Bewohner beim Bau der Befestigungen, Wege und Brücken erhebliche Gewinne erzielen. Gegen die wachsenden Forderungen der Stadtherren wie auch gegen deren Willkürmaßnahmen setzten sich in deutschen Gebieten seit der Mitte des ii.Jahrhunderts die Bewohner der städtischen Siedlungen zur Wehr, Zu wirtschaftlicher Macht gekommen, wollten sie sich von der feudalen Herrschaft befreien. Sie nutzten dabei ihre wirtschaftliche Stärke sowie die ständigen Fehden für sich aus; ihre stärkste Waffe war aber unzweifelhaft das Geld. Für die Herausbildung der Städte waren Handwerker und Kaufleute in gleicher Weise von Bedeutung. Zur führenden Schicht stiegen jedoch sehr bald die Kaufleute und Eigentümer städtischen Grund und Bodens auf. Die «seniores» (Ältesten) und die «Wisesten» der Urkunden dieser Zeit waren in den Hansestädten vor allem die Fernhändler. In ihren Händen konzentrierte sich wirtschaftliche und politische Macht, sie stellten im 13.Jahrhundert den städtischen Rat mit den Bürgermeistern und Ratsherren. Die zunehmende Unabhängigkeit der sich entwickeln-

den Städte zeigte sich auch in der Schaffung eigener Rechtsnormen, die den Bedürfnissen des Bürgers und insbesondere des Kaufmanns Rechnung trugen und gegenüber den Feudalherren durchgesetzt wurden. 6 Diese Entwicklung, die sich westlich der Elbe bereits bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts vollzogen hatte, sollte dann seit der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts Im Zuge der Ostexpansion auch im Ostseeküstenbereich Ausgangspunkt für die Herausbildung von Städten im Rechtssinne sein. Der Aufschwung der Gewerbe in den Städten erfolgte am frühesten im nordwesteuropäischen Raum, in Nordfrankreich, Flandern, im Maasund Rheingebiet. Hier erlangte die Tuchweberei auf Grund ihrer Spezialisierung und hohen Qualität eine große Bedeutung. Feine Wolle aus England und Waid, ein zum Einfärben benötigter blauer Farbstoff aus Frankreich (Indigo), bildeten dafür die Rohstoffgrundlage. Darüber hinaus entfalteten sich auch andere Gewerbezweige, wie in den Maasstädten die Messingerzeugung und -Verarbeitung, in Lüttich das Metallgewerbe, ohne jedoch wie die Tuchproduktion für dieses Gebiet profilprägend zu werden. Am Niederrhein blühte vor allem Köln auf; für diese Stadt wurde besonders das Metallgewerbe bestimmend. Als die Gewerbe sich immer mehr auf den Export orientierten, übernahmen die Kaufleute der Städte in Nordfrankreich, Flandern sowie im rheinisch-westfälischen Raum auch In immer stärkerem Maße den Transport und Verkauf dieser Waren. Sie überflügelten dabei den friesischen Handel, der als reiner Zwischenhandel dem Handel mit eigenen Landesprodukten, wie ihn die nordwesteuropäischen Kaufleute führten, nicht gewachsen war. Vor allem die Tuche aus den nordfranzösisch-flandrisch-rheinischen Gebieten fanden seit dem 12.Jahrhundert wegen ihrer hervorragenden Qualität in fast ganz Europa weite Verbreitung. Sie waren in Süddeutschland ebenso wie im Mittelmeergebiet beliebt, wodurch als Umschlagplätze nach dem Süden die Messen in der Champagne aufblühten. Hier vereinigten sich die Kaufleute aus 17 flandrischen Städten zur Förderung und Sicherung ihres Handels zu einer Hanse - einer Gemeinschaft von Kaufleuten. Der zunehmende Warenstrom

6 Stern, L. - H. Gericke, Deutschland in der Feudalepoche von der Mitte des 11 bis zur Miete des 13. Jh. Lehi buch der deutschen Geschichte (Beiträge 2/2), Berü 1964, S. 3ff.

führte zu einer besonders schnellen Entwicklung Kölns. Diese Stadt erreichten die Schiffe mit ihren Waren auf dem verkehrsreichen Rhein, aber hier liefen auch die westöstlich gerichteten Landstraßen aus Nordfrankreich und Flandern sowie aus dem westfälisch-sächsischen Raum der norddeutschen Tiefebene zusammen. So wurde Köln einer der bedeutendsten Umschlag- und Stapelplätze. Mit dem Stapelrecht, dem gegenüber auswärtigen Kaufleuten durchgesetzten Recht, ihre Waren vor einer Weiterfahrt in der Stadt zu «stapeln» und zum Verkauf anzubieten, gelang es den Kölner Kaufleuten, den Rheinhandel für sich zu monopolisieren.

i Der Stalhof zu London entwickelte sich als hansisches Kontor im Laufe des 12.Jh. aus der Gildehalle. Der Gebäudekomplex läßt sowohl Lagerais auch Wohnhäuser sowie Schiffsanlegestellen erkennen. Agas Map von London, 1560. London, Guildhall Library

Für ihre Tuchproduktion waren die französisch-flandnsch-rheimschen Weber auf englische Wolle angewiesen. Deshalb hatten sich die Kaufleute, vor allem die «homines imperatoris» (Kaufleute des Kaisers, das heißt aus dem Reichsgebiet), schon seit der Jahrtausendwende ihre Handelsrechte vom englischen König bestätigen lassen. Zur Sicherung ihrer überseeischen Reisen schlössen sich Kaufleute mehrerer benachbarter Städte bald zu Genossenschaften zusammen. Die flandrischen Englandfahrer bildeten seit dem 12. und r3.Jahrhundert die Hansen von Brügge, Ypern und Lilie, bis sie sich in der ersten Hälfte des 13.Jahrhunderts unter der Führung der

Brügger Kaufleute zur «flandrischen Hanse der Brügger und derjenigen, die zu dieser Hanse gehörten», zusammenschlössen und faktisch das Monopol des flandrischen Englandhandels In ihren Händen hatten. Etwa zur gleichen Zeit waren auch die Kölner Kaufleute in einer Hanse m London vereinigt. Seit 1157 genossen sie die gleichen Rechte wie die Engländer. Ihre wichtigste Einfuhrware, der begehrte Wein, wird zur Gewinnung dieser Sonderstellung sicher beigetragen haben. Ihren Handel trieben sie in einem eigenen Haus, der Gildehalle (Abb. 2). 1175 mit einem königlichen Schutzbrief für Personen und Waren ausgerüstet, erhielten sie von König Richard I. Löwenherz 1194 noch das Recht, im ganzen Land ungehindert verkehren zu können. Darüber hinaus waren sie von Abgaben jeder Art in England befreit. Diese Vergünstigungen der Kölner in England machten ihre Hanse auch für Kaufleute anderer deutscher Städte besonders anziehend, denn ihr anzugehören bedeutete zugleich, in den Genuß dieser Privilegien zu kommen, 7 Wurde mit der Entfaltung der Gewerbe und der Herausbildung der Städte im westlichen und mittleren Europa des n. und 12.Jahrhunderts die eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung der Hanse charakterisiert, so war die Ausweitung des Einflußbereiches der deutschen Kaufleute auf den Ostseeraum die zweite, nicht minder wichtige. Sie ging im Zusammenhang mit der deutschen Ostexpansion vor sich, die um die Mitte des 12.Jahrhunderts in eine neue Phase trat. Den vordringenden feudalen Kräften nach dem Osten folgten jetzt oft Bauern, vor allem aus den west- und mitteldeutschen Gebieten, die sich dem feudalen Druck in ihren Heimatgebieten zu entziehen hofften, aber auch Handwerker und Kaufleute in größerer Zahl, die hier bessere Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten suchten. Damit war die Ostbewegung des 12.Jahrhunderts zugleich eine große Siedlungsbewegung. Der Vorstoß der Feudalen richtete sich - wie früher schon - in besonderem Maße gegen die Länder der Nordwestslawen. Deren Konsolidierung war vor allem seit dem n.Jahrhundert durch Angriffe deutscher Fürsten von Westen, durch das dänische Königtum von Nordwesten sowie

durch den polnischen Feudalstaat immer wieder gehemmt worden. Der einheimische Adel sah in der Verbindung mit den fremden Eroberern eine Chance zur Übernahme entwickelter feudaler Verhältnisse sowie zu einer Stärkung seiner eigenen Position. Zur Förderung des inneren, vor allem wirtschaftlichen Ausbaus des Landes waren daher deutsche wie auch slawische Adlige an der Einwanderung deutscher Siedler interessiert. Sie förderten die Niederlassung deutscher Kaufleute und Handwerker in bereits bestehenden Siedlungen, die im Küstengebiet der Ostsee schon die Funktion von Städten auszuüben begonnen hatten. Darüber hinaus kam es zur Gründung zahlreicher neuer Siedlungen. Die Entwicklung von Städten an der Ostseeküste wurde eingeleitet durch die Bildung einer Kaufleute- und Handwerkersiedlung an der Trave. In unmittelbarer Nähe ihrer Mündung bestand hier schon seit der Mitte des n.Jahrhunderts ein altslawischer Handelsplatz: Alt-Lübeck. In den Kämpfen zwischen deutschen und slawischen Feudalherrn zerstört, wurde er 1143 von dem Grafen Adolf von Schauenburg, dem Herrn des Landes Holstein, neu gegründet. Bald war die junge Siedlung so weit erstarkt, daß sie dem Überfall des benachbarten Obotritenfürsten Niklot, der sich unter anderem damit gegen den «Wendenkreuzzug» weltlicher und geistlicher deutscher Feudaler zur Wehr setzte, im Jahre 1147 zu widerstehen vermochte. Das aufblühende Lübeck weckte jedoch zugleich das Interesse des Sachsenherzogs Heinrich des Löwen (i 142-1 i8o).8 Einen Brand ausnutzend, gründete er in unmittelbarer Nähe die sogenannte Löwenstadt, um schließlich seinem gräflichen Lehnsmann Territorium und die sich herausbildende Stadt abzutrotzen. Unter Herzog Heinrich dem Löwen als neuem Stadtherrn bauten die früheren Bewohner seit dem Jahre 1159 Lübeck neu auf. Heinrichs Stellung wurde weiter gestärkt, als im Jahre 1160 der Bischofssitz für Holstein aus Oldenburg nach Lübeck verlegt wurde. Helmold von Bosau schreibt darüber in seiner Slawenchronik :

intid) begann in Wefer Seit „über tjan$e Jß.ant> 6er Slawen 311 J?errfd?en, wo^ bei er immer größer unb mächtiger würbe.

7 Carus-Wilson, E. M., Die Hanse und England, in: Hanse in Europa, Köln

8 Jordan, K., Die Städtepolitik Heinrichs des Löwen, in: Hansische Geschichtsblätter, 78, 1960, S. ^ti.; Jordan, K., Lübeck unter Graf Adolf II. von Holstein und Heinrich dem Löwen, in: Lübeck nz6. Reichsfreiheit und frühe Stadt, Lübeck 1976, S. i 4 3 ff.

i6

9 Helmold von Bosau, Chronica Slavorum/Slawenchronik. Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Miuelalters. Freiherrvom-Stein-Gedächtnisausgabe, Bd.XIX, Berlin 1963, Kap.68 10 Helmold von Bosau, Chronica Slavorurn/Slawenchronik.Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherrvom-Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. XIX, Berlin 1963, Kap.86 11 Die Slaven m Deuischland. Ein Handbuch, hg. von /. Herrmann, Berlin 1^70,

S. 332 ff. 12 Helmold von Bosau, Chronica Slavorum/Slawenchronik. Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherrvom-Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. XIX, Berlin 1963, Kap.io$

2>enn fooft i^m Öte ©fawen tei&erßrebten, überjog er fie mit &neg0macfot, unö fte gaben il?m, um Äeben un6 & unternahm, tt>ar {eine 2\et>e t>om , fcmbem nur vom (Reib." 'J Der Chronist berichtet weiter, daß Lübeck die «iura civitatls honestissima», die ehrenvollsten Rechte der Stadt, erhielt. Sie ermöglichten der Stadt die Anfänge einer bürgerlichen Selbstverwaltung, förderten den Handel, indem in ganz Niedersachsen den Kaufleuten Zollfreiheit gewährt wurde, und erlaubten die Einführung eigener Rechtsnormen, so daß bald jeder Bewohner Lübecks - auch vor dem herzoglichen Gericht nur nach dem Lübecker Recht abgeurteilt werden durfte. Dieses Lübecker Recht beinhaltete zugleich die persönliche Freiheit der Stadtbewohner, die in der später geprägten Rechtsformel «Stadtluft macht frei» allgemeinen Ausdruck fand. Nach dem Bericht Helmolds von Bosau war Heinrich der Löwe auch bestrebt, die wirtschaftliche Stellung Lübecks zu fordern: „iDer ^»erjog aber fanbte 23oten in We £aupt= orte unö ^Hdcfce öee t7or6ene, 2?önemart, ©dwefcen, flotwegen un6 Äußlanb, unö bot it?nen $*üben, baß jie Zugang 311 freiem ^anbel in feiner Staöt Äübed? Ratten. 4ff.; Gerbard, M. - W.Huhatsch, Norwegische Geschichte, Bonn 1963, S. 1:9ff.

32 Andersson, I.M., Erik Menved och Venden. Studier i dansk utrikespolitik 1300-1319, Lund 1954, S.^ff. 33 Tägil, S., Valdemar Atterdag och Europa, Lund 1962, S.Ssff.

den Krieg führten zu dessen Ende. Waren die Städte einzeln verschiedentlich auch den vereinigten Feudalkräften unterlegen - ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit trug schließlich doch den Sieg davon. Noch sollte es jedoch mehr als zwei Jahrzehnte dauern, bis der Nordsee- und insbesondere der Ostseehandel wieder florieren konnten. Ursache dafür war, daß nach dem Tode des dänischen Königs Erich Menved (Abb.27), der durch seine gescheiterte Expansionspolitik die Kräfte des Landes weit überfordert hatte,32 in Dänemark feudale Anarchie herrschte. Der Nachfolger auf dem dänischen Thron, ChristophII., wurde von dänischen Potentaten von vornherein durch Unterzeichnung einer Wahlkapitulation zur Ohnmacht verurteilt und bald wieder verjagt; auf Kosten der dänischen Krone konnten sich einheimische und fremde Adlige zum Nachteil des ganzen dänischen Volkes bereichern. Voran war Graf Gerhard III. von Holstein bemüht, seine machtpolitischen Ambitionen in Dänemark zu verwirklichen. Er eignete sich das Herzogtum Schleswig an, das In Zukunft nicht wieder mit der dänischen Krone vereinigt werden sollte. Sein Bruder Johann nahm sich Schonen, das vom dänischen Reichsverband losgerissen und an König Magnus Eriksson (1319-1363) von Schweden und Norwegen verkauft wurde. Im Inneren des Landes verschärften sich die anarchistischen Zustände weiter; von Adligen geführte Räuberbanden verunsicherten Handel und Wandel zu Lande und zu Wasser. Erst als Gerhard III. von Holstein von dem aus Jütland stammenden Nils Ebbeson im Jahre 1340 erschlagen wurde, war der Weg wieder frei für einen einheimischen Herrscher auf dem Königsthron. Die wendischen Städte waren zur Sicherung ihres Handels bereit, den neuen König Waldemar IV. (i34Q-i375) 33 anzuerkennen und zu unterstützen (Abb. 31). Mit der erneuten Bestätigung ihrer Handelsprivilegien durch den dänischen König, die sich auch auf die Halbinsel Schonen erstreckten, gerieten die Städte jedoch zwangsläufig in die dänischen Auseinandersetzungen mit Schweden, das die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft über die Halbinsel in Zweifel gezogen sah. Die zunehmenden Drangsalierungen der hansischen Kaufleute

im schwedisch-norwegischen Herrschaftsbereich ließen die Hansestädte schließlich vollends auf die Seite Dänemarks treten und ihm nunmehr helfen, die noch in Dänemark verbliebenen Holsteiner und die sie unterstützenden Schweden zu schlagen. Die dänisch-hansische Koalition erreichte so die Einstellung des Kampfes und den Abschluß von Friedensverträgen 1343/1344. Im Anschluß daran konnte sich der Handelsverkehr im Ostseeraum wieder normalisieren. Allerdings blieb der für die Städte so wichtige Markt auf Schonen noch längere Zeit ein Spannungsherd. In Beschwerden warfen sich die städtische und die schwedisch-norwegische Seite vor die alten Verträge nicht zu achten, sondern vielmehr Übergriffe gegen die einheimische Bevölkerung zuzulassen und schlechte Waren zu liefern Die Beschuldigungen, ob sie nun wahr odei übertrieben gewesen sein mögen, zeigen, wi< unterschiedlich jede Seite die Vereinbarungen zi ihrem eigenen Nutzen Interpretierte. Sicher ha die wirtschaftliche Überlegenheit der Städte unc Ihr Bestreben, jeglichen Konkurrenten aus den Felde zu schlagen und ein Handelsmonopol zi errichten, das ihre dazu beigetragen. Die Überwindung der Gefahren und die Inten sivierung der Handelsverbindungen der wendi sehen Städte als des Kerns der sich festigende! Städtehanse lassen sich auch im schnellen Anstei gen des hansischen Handels in anderen wichtiget Bereichen der Ost- und Nordsee erkennen. Be sonders mit Nowgorod erfuhr der Handel ein wesentliche Erweiterung. Pelze, Wachs und wei tere begehrte Waren des weiten russischen Hin terlandes der Wolchowstadt wurden günsti: eingekauft und gegen Waren aus Westeuropa besonders Tuche und Salz, gehandelt. Der Peter hof, das Östlichste hansische Kontor, blühte auf zur Jahreswende 1336/1337 überwinterten dor 160 hansische Kaufleute aus verschiedene] Städten. Auch in England nahm der hansische Hände in der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts zu Grundlage dafür war das von König Eduard I (1272-1307) allen ausländischen Kaufleuten in Jahre 1303 gewährte große Privileg, die «cart mercatoria», die neben anderen Vergünstigungei den fremden Kaufleuten den Handel überall in

Reich - mit Engländern wie mit Ausländern - gestattete. Trotz des Widerstandes einheimischer Händler erreichten die Hansen 1311 und 1317 eine erneute Bestätigung dieses Vorrechts, das unter Eduard III. (i^ij-i^-/-/}^ im Jahre 1334 vollends zu einem Sonderrecht der Deutschen in England wurde und seitdem für die Hansekaufleute als entscheidende Rechtsgrundlage für ihren Englandhandel galt. Versorgten die Hansen England vor allem mit Holz, Getreide, Wachs und Pelzen, so wurden sie gleichzeitig zum wesentlichsten Exporteur der wichtigsten englischen

Handelsware, der Wolle. Außerdem wurden die hansischen Kaufleute für die englische Krone als Kreditgeber wirksam, wenn sie auch nicht mit italienischen Bankiers wie zum Beispiel den Bardi und Peruzzi konkurrieren konnten. Letztlich stieg infolge des Hundertjährigen Krieges, des Kampfes um die Gewinnung der französischen Krone durch England (1337-1453), die wirtschaftliche und politische Bedeutung der Hanse an. Die wachsenden gemeinsamen Handelsinteressen zahlreicher Städte ließen zugleich den Bund der Städte festere Gestalt annehmen.

edeutungsvoll für die Stellung der Hanse im internationalen Handel war ihr Einfluß in Brügge, dem wichtigsten Handels- und Verkehrszentrum in Westeuropa. Als Großabnehmer der überall geschätzten flandrischen Tuche sowie als Lieferanten von Lebensmitteln für dieses dicht besiedelte Gebiet hatten sich die Hansen bisher schon unentbehrlich gemacht. Als im Jahre 1313 nunmehr auch der Zwangsstapel für englische Wolle in Brügge errichtet wurde, verstanden es die Hansen, den englischen Wollexport hier in ihre Hand zu bekommen. Dieser Erfolg für die Genossenschaft der deutschen Kaufleute kommt unter anderem in dem 1347 ausgearbeiteten und in Kraft gesetzten ersten Statut des Brügger Kontors zum Ausdruck. Dieses Statut teilte die Genossenschaft der deutschen Kaufleute in Brügge in drei «Drittel» ein: ein wendisch-niedersächsisches, ein westfälisch-preußisches und ein livländisch-gotländisches. An der Spitze eines jeden Drittels standen zwei Älterleute (Vorsteher), ihnen zur Seite als Berater je sechs Beisitzer aus jedem Drittel. Die Älterleute vertraten die Genossenschaft nach außen und regelten die Verhältnisse innerhalb der Genossenschaft. Wichtige Entscheidungen wurden durch Mehrheitsbeschluß getroffen, ihm hatte sich die Minderheit unterzuordnen. Für die Organisation der inneren Angelegenheiten war das Statut zweifellos von großer Bedeutung, auch für das weitere Zusammenwachsen der Kaufleute aus den verschiedenen Hansestädten und Dritteln. Für die Durchsetzung der handelspolitischen Ziele nach außen reichte jedoch die Kraft

der Brügger Genossenschaft allein nicht, zumal den erweiterten Forderungen der Genossenschaft gegenüber den flandrischen Behörden bald von dieser Seite eine heftige Gegenreaktion erwuchs. So sah sich Lübeck gezwungen, auf einem Hansetag in den Mauern seiner Stadt im Jahre 1356 mit den anderen Städten gemeinsam über den Flandernhandel und die Stellung des Brügger Kontors zu beraten. Mit Recht wird diese Versammlung der erste allgemeine Hansetag genannt; an ihm nahmen zahlreiche Vertreter aller drei hansischen Drittel teil. Die Beschlüsse, die in Lübeck gefaßt wurden, waren für die weitere Entwicklung der Hanse von grundlegendem Charakter. Die Entsendung von Städtevertretern aus allen drei Dritteln unter der Leitung des Lübecker Ratsherrn Jakob Pleskow zu Verhandlungen mit Brügge und dem Grafen von Flandern brachte ebenso wie die Bestätigung des Brügger Statuts von 1347 die Autorität der Hansestädte gegenüber der Brügger Niederlassung der deutschen Kaufleute zum Ausdruck. Praktisch wurde jetzt das Brügger Kontor der Aufsicht der Städte unterstellt. Wichtige Entscheidungen konnten nicht mehr vom deutschen Kaufmann in Brügge, sondern mußten von den Hansestädten selbst getroffen werden. Die Verhandlungen der Städtegesandten mit dem Grafen von Flandern und Brügge zeitigten jedoch noch nicht den gewünschten Erfolg. Vielmehr wurden die Handelsmöglichkeiten der deutschen Kaufleute durch neue Abgaben sowie die Errichtung des Stapelzwanges auch für so wichtige Waren wie Salz und Getreide erschwert.

Herausbildung einer wirtscha) liehen Vormao Stellung

34 Hansen,}., Der engüsche Staatskredit unter Kc nig Eduard III. und die har sischen Kaufleute, in: Han; sehe Geschichtsblätter, 16, 1910, S.353Ö.

35 Stein, W., Die deutsche Genossenschaft in Brügge und die Entstehung der deutschen Hanse, in: Hansische Geschichtsblätter, 35, 1908, S.tftti.iDaeneü, E., Die Blütezeit der deutschen Hanse, I.Bd., Berlin 1906, S.22; Joppe Alberts, W., De Nederlandse Hanzesteden, Bussum 1969, S-44ff. (Fibulareks, 15. Red. H.Dijkstra) 36 Hanserezesse I, i, $.212: 20.Jan, 1358, §§ 2 < I C 37 Schildhatter, J. - K. Fritze - W. Stark, Die Hanse, Berlin 5 i98i, S.jSff.

In den ausschließlich die Brügger Kaufleute begünstigenden Maßnahmen sahen die Hansen ihre althergebrachten Privilegien verletzt und leiteten Gegenschritte ein. Erneut nahm sich vor allem Lübeck der Sache an, und auf einem Hansetag im Januar 1358 in der Travestadt wurden Festlegungen getroffen, die die alten Rechte des hansischen Kaufmanns In Flandern wiederherstellen sollten. Sie gipfelten in einer strengen Handelssperre gegen Flandern und in der Verlegung des Kontors von Brügge nach Dordrecht auf holländischem Gebiet. Alle deutschen Kaufleute erhielten Anweisung, flandrisches Gebiet zu verlassen und künftig zu meiden. Städten und Kaufleuten, die gegen diesen Beschluß verstießen, wurde der Ausschluß aus der Hanse angedroht. Für beide Seiten brachte die Handelsblockade empfindliche Verluste. Für Flandern waren sie nur kurze Zeit zu ertragen, zumal die fehlende Getreidezufuhr bei schlechter eigener Ernte zu Teuerungen und Hungersnot führte. Deshalb mußte sich schließlich Flandern dem Druck der Hanse beugen und im Sommer 1360 einen Frieden schließen. In ihm waren alle hansischen Privilegien erneut bestätigt und zum Teil erweitert; sie wurden jetzt nicht nur von Brügge allein, sondern zugleich vom Grafen von Flandern und den Städten Gent und Ypern besiegelt. Das Kontor kehrte darauf nach Flandern zurück, und sein Wirkungsbereich dehnte sich nunmehr praktisch über ganz Flandern aus.35 Mit der Durchsetzung des Aufsichts- und Weisungsrechts der Städte gegenüber dem Brügger Kontor war ein Präzedenzfall geschaffen worden, der bald auch auf andere hansische Niederlassungen im Ausland Anwendung finden sollte. So setzte im Jahre 1361 eine Städtegesandtschaft unter Leitung je eines Ratsherrn aus Lübeck und Visby durch, daß künftig Fragen des Handels und der inneren Organisation des Hansekontors nicht mehr von den Kaufleuten, sondern von den Städten entschieden wurden; auch über die Kontorstatuten des Peterhofes hatten die Städte auf ihren Tagungen zu befinden, wobei Lübeck, Visby sowie den livländischen Städten ein besonderes Gewicht zukam. Die Deutsche Brücke In Bergen hatte nie über eine größere Selbständigkeit verfügt, so daß die

Bestätigung der vom Bergener Kontor getroffenen Maßnahmen im Jahre 1365 durch Lübeck keine Besonderheit darstellte. Hier galt bereits das Aufsichtsrecht der Städte. Demgegenüber konnte die vierte der hansischen Niederlassungen, das Londoner Kontor, das sich im Jahre 1282 eine eigene innere Ordnung gegeben hatte, seine Selbständigkeit bisher unangefochten bewahren. Doch als der englische König infolge der zunehmenden Kosten des Hundertjährigen Krieges vom deutschen Kaufmann in England größere Unterstützungsgelder forderte und dessen Hinweis auf seine verbrieften Rechte und Freiheiten nichts nützte, war das Kontor gezwungen, im Jahre 1374 die Hilfe der Städte anzurufen. Auch hier reichte die Kraft der kaufmännischen Genossenschaft nicht mehr aus. Eine Abordnung der Hansestädte, geleitet von zwei Ratsherren aus Lübeck und Elbing, setzte beim englischen König die Wiederherstellung der alten Freiheiten durch und erhielt eine Entschädigung für die Einbußen, die die Kaufleute erlitten hatten. Die Sicherung ihres Handels und ihrei Geschäftstätigkeit in England bezahlten die Stalhofkaufleute ebenfalls mit einer Unterstellung des hansischen Kontors unter die Städte. Damit war bis in die siebziger Jahre de; 14. Jahrhunderts das Prinzip der Unterordnung der ausländischen Niederlassungen durchgesetzt überall war die Autorität der Städte an die Stellt der kaufmännischen Genossenschaften getreten Nur ihre vereinte Kraft vermochte die Privilegier des hansischen Kaufmanns im Ausland zi sichern. Damit aber hatte die Entwicklung vor der Kaufmannshanse zum hansischen Städtebunc ihren Abschluß gefunden. Neben und an di< Stelle des «Kopman oder schepher van der Dude sehen hense» (Kaufmann oder Schiffer von dei Deutschen Hanse) ist die «stad van der Dude sehen hense» (Stadt von der Deutschen Hanse getreten.36 In der gemeinsamen Kraftentfaltung dei Hansestädte wird ein wesentlicher Grundzuj ihrer Politik deutlich: Sie bedienten sich wirt schaftlicher Druckmittel bis hin zur Handels blockade und trieben somit eine ausgesprochen! Kaufmannspolitik zur Erlangung des Handels profits. Zum Mittel des Krieges griffen sie nu;

im äußersten Notfall, bedrohte dieser doch zugleich den Handelsgewinn und schwächte darüber hinaus die Stellung des in den Städten herrschenden Patriziats. In eine Situation, in der die Handelsinteressen nur mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden konnten, gerieten die Hansestädte m den sechziger Jahren des 14. Jahrhunderts.37 Waldemar IV., 1340 mit Unterstützung der hansischen Städte auf den dänischen Thron gelangt (Abb. 31), war mit Erfolg bestrebt, die Position des Königs im Innern des Landes wieder zu festigen. Er gewann die Krongüter zurück und zwang den Adel zur Unterordnung unter das Königtum. Auch den Umfang der königlichen Streitkräfte erhöhte er erheblich. Bald waren im Inland die Voraussetzungen dafür geschaffen, erneut eine aktive Außenpolitik zu betreiben. Dabei trachtete der König nicht danach, von den Dänen eingenommene Gebiete um jeden Preis zu behalten. Das zu Beginn des 13.Jahrhunderts von den Dänen besetzte Estland, dessen Beherrschung die Staatskasse Jahr für Jahr erhebliche Summen kostete, gab er auf und verkaufte es an den Deutschen Orden. Demgegenüber verzichtete er nicht auf die in den Jahren der Schwäche des dänischen Königtums an König Magnus von Schweden-Norwegen verlorengegangenen wertvollen Territorien Schonen, Hailand und Blekinge. In zähem Ringen eroberte er diese Gebiete zurück; bereits 1360 waren sie dem Dänischen Reichsverband wieder eingegliedert. Sahen die auf einen gesicherten Handelsverkehr bedachten Hansestädte in gefestigten politischen Verhältnissen in Dänemark auch eine bessere Grundlage für ihre Tätigkeit, so trafen sich die hansischen Interessen mit den dänischen in besonderem Maße auf Schonen. Die alljährlich an der Südküste Schönens vorbeiziehenden großen Heringsschwärme hatten seit langem in hoher Zahl Fischer, Kaufleute und Handwerker zu den Fangzeiten angezogen. Die Fischer waren meist Dänen, die Kaufleute und Handwerker dagegen stammten aus dem Ostseeküstenbereich der wendischen Städte. Auch von der Nordseeküste und der Zuidersee, aus Hamburg und Bremen, Kämpen und Zwolle sowie zahlreichen anderen Städten kamen Schonenfah-

rer nach hier. Ihre Schiffe machten vor allem auf der Halbinsel Skanör fest, während die Kaufleute der Ostseestädte sich zur Fischfangzeit meist in Falsterbo (Abb. 20) niederließen. Auf beiden schonenschen Halbinseln hatten die Kaufleute aus den verschiedenen Städten feste Niederlassungen, Fitten, von unterschiedlicher Größe errichtet. Die stattlichsten waren wohl die der Lübecker und der Danziger Schonenfahrer, sie erreichten eine Ausdehnung bis zu zehn Hektar. Zu einer Fitte gehörten die Unterkünfte der Kaufleute und Handwerker, Wirtschafts- und Lagerräume und meist eine eigene Kirche oder Kapelle. Obwohl ein dänischer Vogt die Oberaufsicht führte und im Namen des Königs Abgaben eintrieb, hatten die einzelnen Fitten doch weitgehende Autonomie erreicht. Auf jeder Fitte

, J ehemalige Kirchen und Kapellen Klöster 500

43

20 Halbinsel Falsterbo, um ijoo. Aus einem Anlandeplatz für Heringe entwickelten sich die Schonenschen Messen. Rekonstruiert von P.Johansen nach R.Blon quist und D. Schäfer.

Schloß des dänischen Königs 2 St. Marien der Lübecker nebst deutschem Kirchhof 3 Vogtei der Lübecker 4 Franziskanerkloster s Dänische Kirche 6-10 Dänische Fischerlager (Seeland, Aarhus, MÖn, Ähus, Falster) 11 Grenzgewässer zwischen Dänischem und Lübischem Rechtsgebiet 12 Hl.-Geist-Haus 13 Jahrmarkt der Bauern

2i, 22 Heringsfischerei, Verpacken und Einsalzen der Heringe in Fässern. Nach Olaus Magnus.

war ein von der Heimatstadt eingesetzter Vogt zur Aufsicht und Verwaltung der Niederlassung bevollmächtigt, der auch die Gerichtsbarkeit ausübte. Die mit den Kaufleuten nach Schonen gefahrenen Handwerker betrieben unmittelbar für den Handel notwendige Gewerbe. So stellten zum Beispiel deutsche Böttcher die für den Versand der Heringe erforderlichen Tonnen her, deutsche und dänische Hilfskräfte — oftmals Frauen - bereiteten die Heringe zu, salzten sie ein und verpackten sie. Anschließend brachten Pramführer die Tonnen - jährlich 100000 bis

300000 Heringsfässer - auf Schiffe, die dann vollbeladen in ihre Heimatstädte zurückfuhren (Abb.21, 22). Im Kriegsjahr 1368 kamen in Lübeck 250 Schiffe mit schonenschem Hering an, der von hier seinen Weg weit in das mittlere und südliche Deutschland nahm. Das Fangen der Fische lag nahezu ausschließlich m Händen dänischer Fischer, die im Auftrag des fremden Kaufmanns arbeiteten und die Abhängigkeit von ihm oftmals zu spüren bekamen. Machten ursprünglich die Fischfangplätze an der Südküste Schönens allein die Anziehungskraft von Skanör und Falsterbo aus, so führte das Zusammentreffen von Kaufleuten aus zahlreichen Städten und mehreren Ländern bald zu Handelsgeschäften großen Stils. Es entwickelten sich die Schonenschen Messen, auf denen außer Fisch auch Tuche, Leinwand, Salz, Getreide sowie Bier, Eisen, Wachs, Häute, Pelze und andere Waren gehandelt wurden. Hier trafen sich mit den niederdeutschen Hansen Kaufleute aus den Niederlanden und England sowie aus Skandinavien und verschiedenen anderen Ländern, ohne daß bis weit in das 14. Jahrhundert hinein an dem Übergewicht der deutschen Kaufleute auf Schonen etwas geändert werden konnte. Das dänische Königtum betrachtete die Privilegien der deutschen Kaufleute in Schonen als eine Minderung seiner Rechtshoheit. Auch das allmählich erstarkende dänische Bürgertum empfand die Bevorrechtung der Deutschen als eine drückende Last. In ihm wuchs das - an sich verständliche - Verlangen, die Sonderstellung der hansischen Kaufleute und damit ihr wirtschaftliches Übergewicht abzubauen. Die angewandten Mittel entsprachen der bisher üblichen feudalen Praxis. Sie bestanden vor allem in Vertragsbrüchen, Erpressung und sogar Raub. So war den Hansestädten bei ihrem Vorgehen gegen Waldemar IV. in die Hand gegeben, als Wahrer des Rechts, der Sicherheit und des Friedens aufzutreten. 38 1361 kam es zu Verhandlungen zwischen den Hansestädten und Dänemark. Gegen eine Bezahlung von 4000 Mark erfolgte nochmals eine Bestätigung der hansischen Vorrechte. Es zeigte sich, daß die Ziele des Dänenkönigs jetzt allerdings wesentlich weiter gespannt waren. Im

Sommer des Jahres landete er mit einer Streitmacht auf der Insel Gotland und nahm die Stadt Visby ein, die schwer gebrandschatzt wurde. Sicherlich richtete sich dieses Unternehmen in erster Linie gegen Magnus von Schweden, aber der Dänenkönig hatte damit zugleich die Waffen gegen eines der ältesten und angesehensten Mitglieder der Hanse erhoben. Diese Herausforderung beantwortete die Städtehanse mit militärischer Gewalt. Auf dem Hansetag in Greifswald 1361 beschlossen die Städtevertreter, jeglichen Handel mit Dänemark sofort abzubrechen und eine Streitmacht aufzustellen (Abb. 33). Zur Finanzierung des Krieges wurde in allen hansischen Häfen der sogenannte Pfundzoll erhoben. Er bestand in einer Abgabe von 4 Pfennigen pro Pfund vom Wert des Schiffes und der Ladung eines jeden die Hansestädte verlassenden Warentransportes. Eine starke antidänische Koalition bildete sich. Der hansischen Diplomatie gelang es, sowohl König Magnus von Schweden als auch dessen Sohn Häkon VI. (1355-1380), König von Norwegen, sowie den Herzog von Schleswig und den Grafen von Holstein für diese Koalition zu gewinnen. Der Hochmeister des Deutschen Ordens sagte finanzielle Hilfe zu. Waren auch die Kriegsziele der Koalitionspartner recht unterschiedlich - einerseits mehr militärisch-politischer, andererseits stärker handelspolitischer Art -, so bot die Heeresmacht der vereinigten Kräfte günstige Voraussetzungen für den Kampf. Dennoch begann die Auseinandersetzung für die Hanse mit einem ausgesprochenen Mißerfolg. Zwar war eine stattliche hansische Flotte von 27 Koggen und weiteren 25 kleineren Schiffen mit etwa 3000 Bewaffneten im Frühjahr 1362 mit Kurs auf Kopenhagen ausgelaufen, doch ihr Führer, der Lübecker Bürgermeister Johann Wittenborg, war seiner militärischen Aufgabe nicht gewachsen. Er setzte die Streitkräfte nicht konzentriert ein, sondern zersplitterte sie, indem er Schloß Heisingborg von einem Teil der Truppen belagern ließ. Diese Chance nutzte der Dänenkönig und erbeutete zwölf Kriegskoggen. Nur ein Waffenstillstand erlaubte es Wittenborg, den Rest seiner Flotte wieder zurückzuführen. Sein Versagen mußte der Lübecker Bürgermeister

mit dem Tode büßen; er wurde auf dem Markt zu Lübeck hingerichtet. Nach diesem Mißerfolg ging Waldemar IV. auch auf diplomatischem Gebiet zur Offensive über. Es galt, die Front seiner recht unterschiedlichen Gegner zu sprengen. Er besiegelte ein geschlossenes Bündnis mit Schweden und Norwegen dadurch, daß er seine Tochter Margarete mit dem Norwegerkönig Häkon VI. verheiratete. Zugleich war er bemühe, die Uneinigkeit unter den Hansestädten zu schüren. Die zuiderseeischen Städte, die während des Krieges ihre Verbindungen zu Dänemark nicht abgebrochen hatten, erhielten jetzt ausgesprochene Vergünstigungen in seinem Machtbereich. Auch die preußische Gruppe versuchte Waldemar IV. von den weiterhin zur Kriegführung bereiten wendischen Städten abzuspalten. Nachdem der sich in Erfolg und Sicherheit wiegende Dänenkönig eine Reise in mehrere europäische Länder angetreten hatte, veränderte sich die politische Situation auf einen Schlag dadurch, daß der schwedische Adel den wenig erfolgreichen König Magnus im Februar 1364 für abgesetzt erklärte und den Mecklenburger Albrecht (1364—1389) auf den schwedischen Thron hob (Abb. 35). In diesem Staatsstreich kam ein Programm zum Ausdruck: die Fortsetzung des Krieges gegen Dänemark, dem eine schwedischmecklenburgisch-holsteinische Koalition gegenüberstand. Der Dänenkönig sah sich darauf vorerst gezwungen, mit den Hansestädten im Jahre 1364 zu Wordinborg einen Friedensvertrag abzuschließen.39 Waidemars IV. Geringschätzung gegenüber den Hansen gibt eine spätere Chronik folgendermaßen wieder:

unö fet>entigl? feenfen fewn imfc feventtg^ genfen; wo my öe genfen nicfcc en bitten, na 6e t>enfen frage ict nid) en (dritten, /M0 (Siebenundsiebzig Hansen sind siebenundsiebzig Gänse; wenn mich die Gänse nur nicht beißen, nach den Hansen frage ich nicht ein . . .) Trotz des Friedensschlusses ließen die Klagen der Kaufleute über die Willkürmaßnahmen, die sie auf dänischem Territorium erleiden mußten,

4!

38 Schäfer, D., Das Buch des Lübeckischen Vogts auf Schonen, Lübeck "1927, S.XXVIIff., CIVff.

39 Danmarks historie, Red./. Danstrup - A. Koch, Bd. 4 von E.Kjersgaard, Kebenhavn 1963, S.3J3ff.; Dollinger, P., La Hanse (X! -XVIIe siecles), Paris 1964, S.^iff.; deutsch: Die Hansi Stuttgart 5 1981, S.35jff.

40 Koppmann, K., Seven ur sevemigh hensen, in: Hansi sehe Geschichtsblatter, 1881 S. iOj - nach dem «Chronicon Danorum» mitgeteilt

4i Danmarks historie, Bd. z, i. Halbbd., von K, H0rby M. Venge, Kabenhavn 1980, S.47ff.;Götze,/., Von Greifswald bis Stralsund. Die Auseinandersetzungen der deutschen Seestädte und ihrer Verbündeten mit König Valdemir von Dänemark [361-1370, in: Hansische Geschichtsblätter, 88, 1970, Teiil, S.8 3 ff.

nicht nach. Gewalttätigkeiten und Schikanen trafen nicht nur die Kaufleute aus den wendischen Städten, sondern auch aus Preußen und den Städten von der Zuidersee, so daß von allen Seiten energische Maßnahmen gegen den Dänenkönig verlangt wurden. Daraufhin kamen die Städtevertreter aus 57 Städten vom äußersten Osten - Dorpat - bis zum Westen — Utrecht - im November 1367 zu einem Hansetag in Köln zusammen, um hier die für die weitere Entwicklung der Hanse so bedeutende Kölner Konföderation zu schließen. Kaum ein zweites Mal haben sich in der Hansegeschichte so viele Städtevertreter aus so weit entfernten Gebieten zu einer hansischen Beratung zusammengefunden, an der auch die Abgesandten nichthansischer Städte, so Hollands und Seelands mit Amsterdam und Briel, teilnahmen. Für die Entwicklung des hansischen Städtebundes tritt die Kölner Konföderation geradezu als ein Markstein hervor; kommt in ihr - gegenüber den bisher vor allem wirtschaftlich orientierten Verbindungen - doch in besonderem Maße das politische Bündnis der Städte zum Ausdruck, das notwendig wurde, um der Politik Dänemarks zu begegnen. Von jetzt an lassen sich festere Organisationsformen der Städtehanse erkennen, die sich auch in der Stellung und Verfahrensweise der Hansetage äußern und für die spätere Bildung regionaler «tohopesaten» (Verteidigungsbündnisse) beispielgebend wurden. Die Hanse gelangte auf ihren Höhepunkt bündischer Gemeinsamkeit, wenn sich auch nie alle Städte auf Grund ihrer unterschiedlich unabhängigen Stellung und verschiedenartigen regionalen Interessen dem Willen der Mehrheit anschlössen. So versuchten zum Beispiel Hamburg und Bremen sowie einige binnenländische Städte, sich den zu übernehmenden Pflichten zu entziehen. Die für einen weiteren Krieg notwendigen finanziellen Mittel sollten wiederum - so in Köln beschlossen - durch einen Pfundzoll beschafft werden. Die Zahl der Schiffe und Bewaffneten wurde festgelegt, die jede am Krieg teilnehmende Stadt zu stellen hatte. Unter der Parole der Wahrung des Rechts und des Friedens begann schließlich der Krieg, nachdem zahlreiche Könige und Fürsten - bis hin zu

Kaiser und Papst - über die Ursachen und die Notwendigkeit des Kampfes informiert worden waren. Das wichtigste Kriegsziel der Städte war erneut die Sicherung des Handels vor feudaler Willkür. Daß die wendischen Städte, um bei diesem zweiten Waffengang gegen Dänemark sicher zu gehen, sich darüber hinaus mit einer Koalition norddeutscher Fürsten und dänischer feudaler Königsgegner verbanden, läßt ihre friedlichen Kriegsziele allerdings als zwielichtig erscheinen, denn die Feudalen, voran der Mecklenburger als König von Schweden, waren durchaus an territorialen Eroberungen interessiert. Das im Februar 1368 geschlossene formelle Kriegsbündnis beteiligte die wendischen Städte dann praktisch auch an feudalen Eroberungen, ja aus dem Gewinn Schönens zogen sie sogar mehrere Jahre direkt Nutzen. Die Vereinigung so unterschiedlicher Partner konnte jedoch nur vorübergehend zur Erreichung bestimmter Ziele Bestand haben. Der dänische König verließ angesichts einer so starken hansisch-fürstlichen Übermacht sein Reich; dadurch gewann die Aktion der Verbündeten bald auf dem dänisch-norwegischen Territorium die Oberhand. Die dänischen und norwegischen Küsten waren die Angriffsziele der Flotte der wendischen und niederländischen Städte - auch Kopenhagen wurde erobert und verwüstet. Nach Jütland rückten die Holsteiner vor, und weite Gebiete Schönens nahmen die hansisch-schwedischen Verbände ein. Rasch war die Kraft Norwegens gebrochen, so daß König Häkon VI. die Städte um einen Waffenstillstand ersuchen mußte. Der Verlust seines einzigen Bündnispartners sowie die Abwendung vermeintlicher fürstlicher Freunde in Deutschland ließen die Lage des dänischen Königs als ausweglos erscheinen. Die Niederlage Dänemarks war unabwendbar.41 Im Sommer des Jahres 1369 brach der dänische Widerstand vollends zusammen, die Festung Helsingborg kapitulierte. Die Waffen der Verbündeten hatten wie die Bestechungsgelder der Städte das ihre dazu getan. Dem dänischen Reichstag blieb nichts weiter übrig, als um einen Waffenstillstand zu bitten und zu einem Friedensschluß mit den Städten zu gelangen. So fanden seit dem i.Mai 1370 in Stralsund Friedens-

Verhandlungen zwischen der dänischen Seite vertreten durch den Reichs hauptmann Henning von Putbus, den Erzbischof von Lund und die Bischöfe von Odense und Roskilde - sowie den Städten - und zwar den Ratssendboten von 23 Städten - statt (Abb. 34). Daß nur die Städte die bisher städtisch-fürstliche Koalition bei den Friedensverhandlungen repräsentierten, läßt die überragende Rolle der Städtehanse erkennen. Sie ging auch nicht auf die annexionistischen Pläne der Fürstenkoalition ein, sondern verfocht ausschließlich ihre handelspolitischen Interessen. Im Ergebnis wurde den Städten und ihren Bürgern volle Handelsfreiheit gegen Entrichtung eines üblichen Zolls in Dänemark und auf Schonen zugesagt. Die städtischen Vögte konnten wie bisher die Gerichtsbarkeit in den Ktten auf Schonen ausüben; kein Bürger einer Hansestadt durfte vor ein dänisches Gericht geladen werden. Weiterhin wurden zahlreiche Einzelfragen des Handels und des Fischfangs in dänischen Gewässern sowie der Ausübung des Gewerbes deutscher Handwerker auf Schonen im Sinne der Hansestädte geregelt. Als Garantie für diese Vereinbarungen und zur Sicherung der Schadensersatzansprüche legte ein zweiter Vertrag fest, daß auf 15 Jahre die vier Sundfestungen Skanör, Falsterbo, MalmÖ und Helsingborg sowie zwei Drittel ihrer Einkünfte den Städten überlassen werden und die Wahl eines neuen dänischen Königs nicht ohne Zustimmung der Hansestädte geschehen dürfe. Der Dänenkönig wurde schließlich verpflichtet, «wenn er bei seinem Reiche bleiben wolle», das gesamte Vertragswerk mit dem großen Reichssiegel zu versehen. Der Stralsunder Frieden von 1370 ist in die Geschichte eingegangen nicht nur als ein bedeutender Erfolg für die Hanse, sondern als einer der bedeutendsten Siege des deutschen Bürgertums über die Feudalgewalten. Hatte die Städtehanse militärisch - mit den Fürsten - über den dänischen König gesiegt, so ist der Friedensschluß zugleich der Beweis ihres politischen Sieges über die Fürsten und deren Annexionsbestrebungen, Die Politik des hansischen Städtebundes war nach wie vor vorrangig Handelspolitik, ihre Diplomatie letzten Endes auf die Verwirklichung der merkantilen Interessen des Kaufmanns ge-

richtet, zu militärischen Aktionen griff die Hanse nur, wenn alle anderen Mittel versagten. Der Bestätigung des Stralsunder Friedens sich zu entziehen, vermochte Waldemar IV. in der gegebenen Situation nicht. Als er jedoch - entgegen der Festlegung - das Vertragswerk nicht mit dem großen Reichssiegel, sondern nur mit seinem Geheimsiegel ausstattete, sah die Hanse darüber hinweg. Ihr genügte die grundsätzliche Anerkennung der Friedensvereinbarungen durch den dänischen König. Die Macht über die Sundfestungen, die den Städten für eineinhalb Jahrzehnte zugesprochen war, übten diese nur ein Jahr unmittelbar aus. Sie übertrugen die Herrschaft dann dem Reichshauptmann Henning von Putbus, der bei den Friedensverhandlungen in Stralsund noch der Sprecher der dänischen Seite war. Sicherlich war eine Ursache dafür, daß die Unkosten für die Verwaltung der Festungen weit höher lagen als die von ihnen gebrachten Einnahmen. Im Vordergrund stand aber wohl, daß den Hansen der Rechtsanspruch auf die Festungen und damit die freie Sunddurchfahrt ausreichte und ihnen nicht an militärischer Präsenz gelegen war. Einen Teil der Einnahmen hatte Henning von Putbus allerdings an die Städte abzuführen. Diese Haltung erklärt sich aus der seit 1370 von der Hanse im Norden erreichten absoluten wirtschaftlichen Vormachtstellung. Als mit dem Tode Waidemars IV. im Jahre 1375 die Verwirklichung des im Friedensvertrag verbrieften Mitspracherechts der Städte bei der Neuwahl des dänischen Königs anstand, zeigte es sich, daß die Hanse weniger an der formalen Erfüllung des Abkommens als vielmehr an der Aufrechterhaltung des bestehenden Kräfteverhältnisses im Ost- und Nordseeraum gelegen war. Sie unterstützte den aussichtsreichsten Vertreter, Albrecht von Mecklenburg, nicht, der sich bereits 1371 von WaldemarIV. die Krone gegen entsprechende Gegenleistungen hatte versprechen lassen. Zum einen hätte die Opposition des dänischen Adels unweigerlich zu einem neuen Krieg geführt, zum anderen befürchtete die Hanse negative Auswirkungen, wenn der Mecklenburger in den Besitz eines großen Ostseeimperiums gekommen wäre. Die Städtehanse schloß sich daher der Entscheidung des dänischen Adels

Sicherung des Handelsmonopols im Ostseeraum

an, obwohl dadurch wiederum formal Bestimmungen des Friedensvertrages verletzt wurden, und stimmte der 1376 vollzogenen Wahl Olafs, des Sohnes Hakons VI. und Margaretes, zum neuen König von Dänemark zu. Die norwegischdänische Seite war ja der Hanse durch den Friedensvertrag bereits verpflichtet; sie bestätigte jetzt alle Handelsvorrechte auch für Norwegen, und Olaf besiegelte als König von Dänemark (1376-1387) nun auch das Vertragswerk mit dem

großen dänischen Reichsslegel. Der Stralsunder Frieden, ergänzt durch den hansisch-norwegischen Friedensvertrag, bildete somit eine sichere Grundlage für die Verwirklichung der Privilegien in ganz Dänemark, Norwegen und auf Schonen. Darin bestand für den hansischen Kaufmann der wichtigste Teil des Friedens von Stralsund, auf ihm beruhte die überragende handelspolitische Stellung der Hanse im gesamten Ost- und Nordseeraum. 42

•\ jer mit dem Jahre 1370 erreichte Höhe^^^ punkt der hansischen Vorherrschaft im Ostseeraum löste vor allem bei den wirtschaftlich erstarkenden Mächten des Westens Gegenreaktionen aus, die die Hansestädte besonders gegenüber England und Holland in eine Abwehrstellung drängten. Die von Lübeck und zahlreichen Seestädten betriebene Politik, den Handel im Ost- und Nordseegebiet zu monopolisieren und damit jeden fremden Kaufmann vom Ostseehandel fernzuhalten bzw. ihn wieder zu verdrängen, brachte neue Schwierigkeiten und Gefahren. Sie kamen zuerst von selten Englands. Hier war im Laufe des 14. Jahrhunderts die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich gewachsen. Das englische Tuch wurde immer bekannter und begehrter, so daß sich englische Kaufleute in einer Genossenschaft - 1391 vom König bestätigt - zusammenschlössen, um gemeinsam im Ostseeraum Handel zu treiben. Englische Schiffe machten daher immer häufiger in Danzig und Elbing, aber auch In Stralsund fest, löschten in diesen Häfen Waren ihres Landes, insbesondere Tuche, und übernahmen in großen Mengen Holz und Getreide als Rückfracht. Als die englischen Kaufleute dazu übergingen, in preußischen Städten Quartier zu nehmen und in ihnen auch Handel mit Fremden zu betreiben, traten die Hansen gegen die ungebetenen Konkurrenten energisch auf. Außerdem sollten die Engländer gehindert werden, an den Schonen sehen Märkten teilzunehmen. Der Konflikt zwischen den Hansen und England verschärfte sich, als nach dem Tode Eduards III. (1377) der ihm auf den Thron nachfolgende, noch minderjährige Richard II. (1377-1399)

sich bei den zunehmenden Volksbewegungen Im eigenen Lande außerstande sah, den Forderungen der einheimischen Kaufleute nach Einschränkung der hansischen Sonderrechte m England nicht zu entsprechen. Er legte den Hansen neue Abgaben und Zölle auf. Darüber hinaus überfielen englische Kaperschiffe hansische Kauffahrer. Die heftige Gegenreaktion der Hansestädte, die Beschlagnahme des englischen Kaufmannsgutes in den hansischen Häfen der Ostsee, vor allem in Stralsund, führte kurzfristig zu einem Erliegen des Handels. Da dies sich aber für beide Seiten sehr nachteilig auswirkte, wurde bei Verhandlungen Im Jahre 1388 ein Kompromiß gesucht. Er stellte jedoch für den Sieger von 1370 keinen vollen Erfolg mehr dar. Zwar kam es zur Bestätigung der alten hansischen Privilegien in England, aber die Hansen mußten höheren Abgaben im englischen Handel zustimmen und wichtige Zugeständnisse im Ostseehandel machen. Von nun an konnten englische Kaufleute in den preußischen Städten Handel auch mit anderen Ausländern treiben.43 Besonders Danzig erlangte für den Handel Englands Bedeutung; von hier wurden vor allem Holz und Getreide aus dem weiten preußischen und polnischen Hinterland der Stadt nach England verschifft. Zwischen englischen und Danziger sowie weiteren hansischen Kaufleuten wurden Handelsgesellschaften geschlossen. In einer Korporation organisiert, verfügten die Engländer in Kürze über ein eigenes Haus in der Weichselstadt. Darin zeigte sich zugleich, daß bereits im Ausgang des 14.Jahrhunderts wesentliche Interessenunterschiede zwischen Danzig und der preußischen Städtegruppe einerseits und den wendischen Städten um Lübeck anderer-

seits bestanden. Sie wirkten sich hemmend auf das Vorgehen der Hanse gegen ihren zweiten Widersacher in Flandern aus. In Brügge wurden im Laufe der siebziger Jahre des 14. Jahrhunderts erneut Klagen der Hansekaufleute über Verletzungen ihrer Privilegien und über Forderungen ungerechtfertigter Abgaben laut. Das Kontor beschloß darauf im Winter 1377/1378, Brügge wieder einmal zu verlassen. Der Graf von Flandern jedoch reagierte unmittelbar mit der Verhaftung der Hansekaufleute und der Beschlagnahme ihrer Waren. Der Hansebund intervenierte, doch vergeblich; die Spannungen nahmen zu, zumal 1382 die sozialen und politischen Auseinandersetzungen in Flandern zu einem neuen Höhepunkt gelangten. Als im Jahre 1384 Flandern in das Herrschaftsgebiet Herzog Philipps des Kühnen von Burgund eingegliedert wurde, blieb diese neue politische Situation im nordwestlichen Europa für die Hanse nicht ohne Auswirkungen. Jetzt stand ihr ein o J mächtiger Herrscher gegenüber, dem nur durch die Einmütigkeit der Städte Zugeständnisse abzuringen waren. Am konsequentesten traten die wendischen Städte für die Durchsetzung hansischer Rechte in Flandern auf. 1388 wurde auf ihre Initiative hin die Handelsblockade gegen Flandern beschlossen und das Brügger Kontor erneut nach Dordrecht verlegt. Die preußischen Städte jedoch und mit ihnen der Deutsche Orden fühlten sich nur bedingt an die gemeinsamen Festlegungen gebunden und erhielten dafür Sondervergünstigungen im Flandernhandel. Auch Hansekaufleute von der Zuidersee umgingen auf Grund einiger merkantiler Interessen oftmals die Blokkadebestimmungen. Dies führte zu einer Schwächung des Städtebundes bei den beginnenden Verhandlungen mit Flandern. Dauerten diese auch jahrelang, so konnten doch im ganzen positive Ergebnisse erzielt werden: Über offizielle Entschuldigungen und die Zahlung einer Entschädigungssumme hinaus wurde vereinbart, daß in Zukunft die Städte Brügge, Gent und Ypern für den Schaden zu haften hatten, den hansische Kaufleute in Flandern durch Einheimische erlitten. Für durch Ausländer entstandenen Schaden übernahm Philipp der Kühne selbst die Wiedergutmachung. Die Abmachung des Jahres 1392

war damit noch einmal positiv für die Hanse. Die Handelsblockade hatte bei allerdings mühsam überbrückten Interessengegensätzen der preußischen und der Mehrheit der übrigen Hansestädte letztlich doch zum Ergebnis geführt. Es sollte jedoch der letzte bedeutende Erfolg der Hanse in Flandern sein.44 Schwierigkeiten im Handelsverkehr gab es im Jahre 1388 auch mit Nowgorod. Das weitere Vordringen des Deutschen Ordens, der 1346 Estland von Dänemark gekauft hatte, nach Nordosten in russisches Gebiet führte zu Gegenmaßnahmen dieses Stadtstaates, unter denen auch der Hansekaufmann zu leiden hatte. Klagen über Verletzungen der hansischen Privilegien und über Repressalien wurden laut, so daß es schließlich in den Jahren 1368 bis 1371 zum Abbruch der hansisch-russischen Beziehungen kam. Die völlige wirtschaftliche Abschnürung Nowgorods wurde jedoch mit der Handelssperre durch die Hanse nicht erreicht. Die Auswirkungen des weitgehend unterbrochenen Handels waren für beide Seiten nachteilig, so daß auf der Grundlage der gegenseitigen Vorwürfe und Beschwerden im Jahre 1392 ein Kompromiß ausgehandelt wurde. Dazu war eine hansische Delegation unter Führung des Lübecker Ratsherrn Johann Niebur nach Nowgorod gekommen. Die Verhandlungen mit den russischen Unterhändlern führten schließlich zu einer Erneuerung der alten Vertrage und damit zur Wiederherstellung der Gegenseitigkeit in den Beziehungen. Den Hansen in Nowgorod und den Russen in den livländischen Städten sowie auf Gotland wurde wieder gleiche rechtliche Behandlung zugesagt. Der Vertragsabschluß des Jahres 1392 endete mit dem Zeremoniell der Küssung des Kreuzes; er erhielt von russischer Seite daher die Bezeichnung die «Kreuzküssung Nieburs». Ungeachtet mancher auch später auftretender Differenzen blieb der Vertrag bis zur Auflösung des Kontors am Ende des 15.Jahrhunderts die Grundlage der Beziehungen zwischen der Hanse und Nowgorod. Der Peterhof in Nowgorod blühte nochmals auf, zumal die Abgesandten der Hansestädte durch eine Überarbeitung der Kontorordnung sowie durch Abgaben von allen deutschen Kaufleuten, die mit Nowgorod Handel trieben, zur

42 Fritze, K., Die Bedeutur des Stralsunder Friedens vo: 1370, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 2, 197 S. i94ff.; Dollinger, P., Die Bedeutung des Stralsunder Friedens in der Geschichte der Hanse, i n : Hansische G' schichtsbliitter, #fc, 1970, Tei S. 148ff.; Brandt, A. von, Der Stralsunder Friede Verhandlungsablauf und Vertragswerk 1^6^-1^/6. Eine diplomatische Studie, . Hansische Geschichtsblättei 88, 1970, Teill, S. i2 3 ff.

43 The Oxford History of England, Bd. 5: The fourteenth Century 1307—1359, von M.Mc.Kisack, Oxford 1959, S. 358^.; Schulz, F., Die Hanse und England vo Eduards III. bis auf Heinrichs VIII. Zeit, Berlin 1911 S. i/ff. (Abhandlungen zur Verkehrs- und Seegeschicht 5). Zur Entwicklung der ba tischen Städte: Samsonowicz Pozne sredniowiecze miast nadbattyckich. Studia nad dziejami Hanzy nad Baltykiem w XIV-XV w„ Warszawa 1968, S. /)ff.

44 Schildhauer, J. - K. Frit. - W. Stark, Die Hanse, Be Im, '1982, S. i i 7 f f . ; Stein, W., Die Burgunderherzöge und die Hanse, in: Hansisc Geschichtsblätter, 1901, S . i 3 f f . ; Senken, J. H.A.,} Hanze en Viaanderen, Maa triebt 1950, S.87ff.

Rekonstruktion der Kontorgebäude und ihrer Einrichtungen zur Stabilisierung des Peterhofs beitrugen. Damit aber wurde zugleich die Unterstellung des Kontors unter die Städte deutlich gemacht.45 Für die wendischen Städte, den Kern des hansischen Städtebundes, war sein nördlicher Nachbar Dänemark, der damals an Macht und Bevölkerungszahl größte skandinavische Staat, von besonderer handelspolitischer Bedeutung, weil er die Ostseezugänge beherrschte und Schonen mit seinen Heringsfanggründen und Messen in seinem Machtbereich lag. Kam es zwischen den skandinavischen Ländern zu Auseinandersetzungen, wurde zwangsläufig die Hanse mit einbezogen bzw. hatte unter ihren Auswirkungen zu leiden. So war es auch, als nach dem Tode Waidemars IV. im Jahr 1375 der Kampf um die politische Vorrangstellung unter den nordischen Reichen erneut ausbrach. Für ihren unmündigen Sohn Olaf führte Margarete (Abb. 36) nicht nur die Regentschaft, sondern ebenso den Krieg gegen den Schwedenkönig Albrecht (Abb. 32). Der Krieg störte den hansischen Handel empfindlich und ließ das Kaperunwesen aufleben. Als Olaf im Jahr 1387 starb, wählte der Adel beider Länder Margarete zur Königin von Dänemark und Norwegen. Der Kampf mit Albrecht von Schweden wurde nun vollends zu einer Auseinandersetzung um die Vorherrschaft in den skandinavischen Ländern. Als der Mecklenburger 1389 von großen Teilen des schwedischen Adels verlassen und für abgesetzt erklärt sowie sein Heer bei Falköping geschlagen wurde und er selbst in Gefangenschaft geriet, übernahm die

Das Ringen um die Behauptung der Vorherrschaft

0

eit dem ausgehenden 14. Jahrhundert schritt der soziale Differenzierungsprozeß in den Hansestädten rasch voran; er erfaßte vor allem die ursprünglich starken Mittelschichten der städtischen Bevölkerung. Die damit wachsenden Gegensätze führten zu einer Kette von Erhebungen in den Städten, die sich trotz unterschiedlicher Anlässe und Voraussetzungen - Besonderheiten in der Wirtschaftsstruktur, im Rechtsstatus, in der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung - auf generelle Widersprü-

Siegerin Margarete nun auch den schwedischen Thron. Nur um Stockholm kam es noch zu weiteren Kämpfen, in die die Hanse wegen der immer größer werdenden Piratenplage in der Ostsee eingriff. Nunmehr stand die Hanse einer gänzlich ver änderten Situation in Nordeuropa gegenüber. Ir Jahre 1397 beschlossen die Reichsräte der dre Länder in Kalmar, sich für immer zu einer Unior zusammenzuschließen. An ihrer Spitze sollte unter Wahrung bestimmter Rechte eines jeder Landes - ein gemeinsamer König stehen. Als er ster Unionskönig wurde Erich von Pommen C I 397~ I 439)' der Großneffe Margaretes, gewählt Bis zu ihrem Tode (1412) übte jedoch Margaret selbst weiterhin die Herrschaft aus.46 Die Hanse hatte sich gegenüber der politische] Entwicklung im Norden Europas weitgeheni abwartend verhalten und sich nicht gegen dei Zusammenschluß der drei Reiche in der Kalma rer Union gewandt. Anscheinend sah sie in diese Machtkonzentration keine Gefährdung ihrer In teressen. Ihr lag vor allem daran, ihre Handels Privilegien für alle drei Reiche bestätigt zu bt kommen, was ohne Schwierigkeiten geschah. Sl war sich aber auch bewußt, daß mit dem Zusarn menschluß der Reiche keineswegs die soziale und politischen "Widersprüche in den einzelne Ländern sowie zwischen ihnen überwunden w; ren, so daß von vornherein niemand wisse konnte, wie lange die Kalmarer Union Bestan haben würde. Die Hanse vertraute allein auf ihi wirtschaftliche Kraft in dem Wissen, daß d: nordischen Länder noch weitgehend auf ihre Handel angewiesen waren.

che in der sozialen und politischen Entwicklun der Hansestädte zurückführen lassen. Mit dei wirtschaftlichen Aufschwung der Hansestadt nach dem Sieg von 1370 waren nicht nur Mac} und Reichtum des Patriziats weiter gewachser sondern auch die ökonomische Kraft und das p( litische Selbstbewußtsein der Mittelschichtei der mittleren Kaufleute, der Kleinhändler un Handwerksmeister, hatte wesentlich zugenon men. Dennoch aber blieben sie von der Beteil gung an der Herrschaft ausgeschlossen. Dagege

richtete sich nun ihr Kampf, unterstützt von den stark anwachsenden unteren Bevölkerungsschichten der Städte. Der Unwille drückte sich immer wieder in Klagen über Willkür maßnahmen und Amtsmißbrauch, über eine unkontrollierte Finanzpolitik und ungerechte Verteilung der Steuerlasten sowie über eine selbstherrliche Handhabung der Markt- und Gewerbepolizei und offensichtliche Rechtsbeugung durch den Rat aus. Erbitterte Auseinandersetzungen in Köln, Braunschweig, Lübeck und Stralsund sind für die Situation in den Städten im ausgehenden 14.Jahrhundert besonders charakteristisch. Sie durchzogen die Hansestädte im 15.Jahrhundert geradezu in Wellenbewegungen, von einer Stadt auf die andere übergreifend, und erreichten durch Verknüpfung mit der reformatorischen Bewegung in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts In der frühbürgerlichen Revolution ihren Höhepunkt. Die Quellen gestatten es, uns über die innerstädtischen Kämpfe und die Teilnahme der einzelnen Bevölkerungsschichten an ihnen ein anschauliches Bild zu machen.47 Wie die Krisenerscheinungen innerhalb der Hanse und in ihren Städten, so nahmen seit Beginn des 15.Jahrhunderts auch die von außen kommenden ökonomischen und politischen Schwierigkeiten immer mehr zu. Handel und Schiffahrt der Hanse wurden vor und um 1400 empfindlich durch das Auftreten von Seepiraten gestört. Waren diese zuerst vor allem Adlige und deklassierte Elemente verschiedenster Herkunft, die von rivalisierenden Feudalmächten - insbesondere von Mecklenburg, Dänemark und Schweden - zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele ausgehalten wurden, so stammten sie nun zunehmend aus anderen sozialen Schichten. Das bürgerlich-plebejische sowie das bäuerliche Element trat jetzt immer stärker bei denen hervor, die sich selbst «vitalyenbroder» nannten.48 Das Wirken der wohl aus ihrer Mitte hervorgegangenen und sich für die Verarmten und Entrechteten einsetzenden Führer, Klaus Störtebecker, Godeke Michels und Magister Wigbold, hat in zahlreichen Sagen seinen Niederschlag gefunden und ist bis heute durch literarische Überlieferungen lebendig geblieben. Die neu auftretende Bezeichnung «Likedeeler» - sie sollen ihre Beute «to

Hken deelen» (gleichen Teilen) aufgeteilt haben läßt den Wandel des sozialen Charakters der Seepiraten ebenfalls erkennen. Ihre Aktivitäten müssen als sozialer Protest der Unterdrückten und der aus der damaligen Gesellschaft Ausgestoßenen gegen das reiche Handelsbürgertum gewertet werden. Seit dieser Zeit erschienen mehr und mehr auch die wirtschaftlichen Konkurrenten der Hanse auf dem Plan, die Holländer und die «merchant adventurers» (wagenden Kaufleute; englische kaufmännische Organisation, in der das Streben des englischen Kaufmanns nach Selbständigkeit gegenüber der Vorherrschaft der Hanse zum Ausdruck kam). Gestützt auf die einheimische Produktion und eine neu entstehende Wirtschaftsweise, gefördert von einer erstarkenden Staatsgewalt, wie auch begünstigt durch die Sonderinteressen einiger hansischer Städtegruppen, insbesondere der niederrheinisch-westfälischen und der preußischen, gelang es ihnen, im nordeuropäischen Raum Fuß zu fassen und schließlich in die Ostsee einzubrechen. Bei den Auseinandersetzungen der Hanse mit diesen Konkurrenten spielten die skandinavischen Reiche und in erster Linie Dänemark eine wichtige Rolle. In ihrer Gegnerschaft zur Hanse festigten sich vor allem die Verbindungen zwischen Dänemark und den holländischen und englischen Kaufleuten. Versuche der wendischen Städte, Dänemark wie in den Jahren 1426 bis 1435 niederzuwerfen, scheiterten, da die westdeutschen und die preußisch-livländischen Städte Lübeck und seine Verbündeten nicht mehr unterstützten. Die preußisch-livländischen Hansestädte waren an direkten Verkehrsbeziehungen zu ihren westlichen Handelspartnern interessiert. In diesem Fall versagte das bisher so wirkungsvoll angewandte Druckmittel: die Wirtschaftsblockade. Der verstärkte Eigenhandel und die wachsende Stellung der preußischen und livländischen Städte waren durch das sich im Osten verändernde Kräfteverhältnis ermöglicht worden. Dies fand sowohl im Aufstieg des polnisch-litauischen Feudalstaates als auch in der Niederlage des Deutschen Ritterordens im Jahre 1410 bei Tannenberg/Grunwald seinen Ausdruck. Das Ergebnis war eine Verlagerung des Zentrums des

45 Johansen, P., Novgorod und die Hanse, in: Städtewesen und Bürgertum als ge schichtsbildende Kräfte. Gedächtnis schrift für Fritz Rörig, Lübeck 1953, S. 134? Choroskemc, A. L., Torgovl Velikogo Novgoroda s Pribaltikoj i zapadnoj Evropy ' XIV-XV vekach, Moskva 1963, S-9/ff.

46 Dannurks historie, Red. /. Danstrup - A. Koch, Bd. 4 von E.Kjersgaard, K0benhavn 196}, S.474ff.; Kan, A. S., Isiorija Skandinavskic stran Danija, Norvegija, Svecija, Moskva 1971, S-4jf deutsch: Geschichte der skandinavischen Länder (Di nemark, Norwegen, Schweden), Berlin 1978, S.4Öf.; Brandt, A. von, Die Hanse und die nordischen Mächte im Mittelalter, Köln/Oplad« 1962, S. i}ff.; Linton, M., Drottning Margareta. Fullmäktik fru och riitt husbond Studier i kalmarunionen for historia, Arhus 1971,

47 Fritze, K. , Am Wendepunkt der Hanse. Untersuchungen zur Wirtschafts- ur So z i alge schichte wendischei Hansestädte in der ersten Hälfte des ^.Jahrhunderts, Berlin 1967, S. n ^ f f . ; Schil, baiter, J. , Soziale, politisch^ und religiöse Auseinandersetzungen in den Hansestäc ten Stralsund, Rostock und Wismar im ersten Drittel d< 16. Jahrhunderts, Weimar 1959, S.4iff. (Abhandlung! zur Handels-und Sozialgeschichte, Bd. 2) 48 Erste Fortsetzung der D et mär -Chronik von 1395-1399. Die Chroniken der deutschen Städte, Bd. 2' Leipzig 1899, S. 79

Ostseehandels. Die großen preußischen Hansestädte Danzig, Elbing und Thorn schüttelten die im Grunde städtefeindliche Ordensherrschaft ab. Der Ordensstaat schied damit endgültig als Machtfaktor in der Ostseepolitik aus, an seine Stelle trat das Königreich Polen, dessen überseeischer Handel nach dem 2. Thorner Frieden von 1460 nahezu ausschließlich über Danzig lief.49 Danzigs darin begründeter gewaltiger Aufschwung führte jedoch zu einer immer stärkeren Zurückdrängung des lübischen Einflusses. Wachsende Gefahren erwuchsen dem hansischen Städtebund auch durch das erstarkende Territorialfürstentum. Die Fürsten sahen in den Städtebünden ein ernstes Hindernis für den weiteren Ausbau ihrer Landeshoheit. Sie trachteten daher mit allen Mitteln danach, die in ihren Territorien gelegenen Städte aus der Hanse herauszubrechen. Die Offensive der Fürsten gegen die städtische Autonomie im großen Stil nahm ihren Anfang in der Mark Brandenburg, als im Jahre 1442 der Hohenzoller Kurfürst Friedrich II. die durch innere soziale Kämpfe geschwächte Stadt Berlin-CÖlln - unterwarf und ihren Austritt aus der Hanse erzwang. 50 Im weiteren Verlauf des 15.Jahrhunderts wurden auch die wendischen, niedersächsischen und rheinisch-westfälischen Städte den Angriffen der Fürsten ausgesetzt. Sie konnten sich zwar durch gemeinsame Maßnahmen zum Schütze des Kaufmanns und der Städte sowie durch innerhalb der Hanse abgeschlossene

49 Biskup, M., Wojrsa Trzynastoletma z Zakonem Krzyzackim. [454-1466, Warszawa 1966, 50 Müller-Mertens, £. , Berlin und die Hanse, in: Hansische Geschichtsblätter, 80, 1962, S.iff. 51 Stoob, H., Kaiser Karl IV. und der Ostseeraum, in: Hansische Geschichtsblätter, 88, 1970, Teil I, S.zojff.; Reincke, H., Kaiser Karl IV. und die deutsche Hanse, Lübeck 1931, S.42f. {Pfingstblätter des Hansischen Geschichtsvereins, Bd. 22}

«tohopesaten» (Verteidigungsbündnisse) noch der fürstlichen Gewalt im allgemeinen widersetzen, doch kündeten sich die wachsenden Gefahren von dieser Seite her deutlich an. Diese waren um so größer, als die Städte im Kampf um die Erhaltung ihrer wirtschaftlichen und politisch unabhängigen Stellung beim deutschen Königtum keinerlei wirksame Unterstützung fanden. Die Verbindungen der Hanse zur Reichsgewalt waren stets sehr lose und nur sporadischer Natur. Der Besuch Karls IV. (Abb. 30] in Lübeck im Jahre 1375 war eine Episode geblieben.51 Bei den nachfolgenden Königen fand gelegentlich nur die Wirtschaftskraft der Hanst Interesse, die sie in Zeiten besonderer Schwierigkeiten zu nutzen trachteten. So bemühte sich zum Beispiel König Sigismund im Jahre 1421, du Hansestädte in den «Reichskriegen« gegen die revolutionäre Hussitenbewegung für seine Zielt einzusetzen. Daß beide Kräfte, hansisches Bürgertum und Königtum, nicht zusammenfanden die in dieser Verbindung liegenden Potenzen ungenutzt blieben, hat ebenso zum Niedergang de: Hanse wie des Deutschen Reiches beigetragen. Das Jahrhundert des Höhepunkts und der be ginnenden Stagnation der Hanse war jedoch di< Zeit der vollen Blüte ihrer Städte, der Entfaltunj der Lebensweise und Kultur des Hansestadt! sehen Menschen. Die Hanse und ihre Stadt« schufen hervorragende Zeugnisse ihres Wirkens die bis heute Bewunderung abfordern.

23 Die Schlacht bei Bornhöved im Jahre 1227. Sieg der verbündeten norddeutschen Städte, verschiedener Fürsten und der Dithmarscher Bauern über das dänische Heer. Aus der Berliner Handschrift der um 1250 abgeschlossenen Sächsischen Weltchronik. Berlin (West), Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz

26 Wappen des Hansekontors zu Brügge, 15.Jh. Lübeck, Museum für Kunst und Kulturgeschichte

24 Viertes Siegel der Stadt Lübeck, 1280. Hansekogge, darin der Steuermann und der K auf mann-Schiff er mit erhobener Schwurhand als Symbol der unabhängigen, bürgerlichen Gemeinschaft der Seestadt. Lübeck, Archiv der Hansestadt

2$ Das Bergener Stadtsiegel. Es symbolisiert die starke Befestigung des alten Bergen mit der königlichen Burg. Bergen, Det Hanseatiske Museum

27 Erich Menved und Königin Ingeborg. Abreibung der Grabplatte in der St. Bentskirche in Ringsted. Flämische Arbeit, um 1320. Kopenhagen, Nationalmuseet

28 Der Tower zu London. Burg der englischen Könige, von denen die hansischen Kaufleute bedeutende Handelsprivilegien gewannen. Miniatur aus einer Handschrift. London, British Museum

29 Halle mit Bergfried in Brügge. Sie wurde als Kaufhalle sowie als Stadthaus genutzt. Beginn des Turmbaus 1282, Vollendung 1396.

31 Waldemar IV. Atterdag und Königin HelwJf kurz nach Waidemars T 1375 gemalt. Miniatur nach einer Wandmalerei in der St. Peterskirche zi Naestved. Kopenhagen, Nationalmuseet 30 Goldsiegel Kaiser Karls IV. vom Jahre 1376. Karl IV. mit Krone auf dem Thron sitzend, Reichsapfel und -zepter in den Händen haltend. An den Seiten Wappenschilde mit dem Reichsadler bzw. dem böhmischen Löwen. Dresden, Staatsarchiv

32 Albrecht II. von Mecklenburg übergibt seinem Sohn Albrecht II der 1364 auf den schwedischen Thron gelangte, symbolisch die Fahne mi den drei Kronen Schwedens. Prachthandschrift der Reimchronik des En von Kirchberg, um 1378 Schwerin, Staatsarchiv

33 Städtebündnis gegen den König von Dänemark und die Seeräuber aus dem Jahre 1361 mit den Siegeln von Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin, Kolberg und Anklan (von links nach rechts). Rostock, Stadtarchiv 34 Urkunde des Stralsunder Friedens von 1370. Stralsund, Stadtarchiv

,.&l. «B«nJ. tft* IS. iTto,

>!,*-*-•*••*•

l»«™« WM, '*wt|pi» *««B V fcJLjc

l«*

A ^%^-S"'^'^'^^*

1-

^=tÄ^»3~.ftfei^-&,^:.ÜiasLL-f^'iTaft«1;^M' .ito«l«i^'Jx«i1v. T-'MA^™jf'j''iin.%>sUi'afc^»^rMpii^i.MI



L r

^frwVV^v^p^^^H*^1-- V*^ 1--A.«'%«»J-ai ( , ,

*X4t«4^-4^s^f^«tos«^*fti&j^4^^

^ T ^^™ W,^«^«^.*WtA^^tf>jgg»*-«-

,

. fcCJfe.

fr^-^lÄ^ifrK^^ä^iÄß^B^i^^i^jBrW«**

fcft»L!

»nfft uf 1 J i i *»fomet>mßei örauer urt6 Ütmttd) befl^enfce unb mögenfce 23ürger. ÜDen bcitten Me ^anöwerfetimter, Schiffer unfc &l?nlfd> fttuierte öürger. 5Den üierten bte JDtenpboten, bie öooteleute, »nfa^rer unöa^ere feefa^renbe J&eute."72 Umreißt die Kleiderordnung die soziale Gliederung der Bevölkerung Bremens insgesamt, so ordnet sie einzelne Kaufleutegruppen unterschiedlichen sozialen Schichten zu. Denn Bürgermeister und Ratsherren, zum «ersten Grad»

72 Nach einer Abschrift 1603 m der Staatsbibliotfr Bremen: Prange, R., Dit bremische Kaufmannsch des 16. und 17.Jahrhund in sozialgeschichdicher l trachtung, Bremen 1363, S. 109 (Veröffentlichung! aus dem Staatsarchiv Bre Bd. 21}

102

73 Reincke, H., Hamburgisches Vermögen 1350-1530. Ein Versuch, in: H. Reincke, Forschungen und Skizzen zur hamburgischen Geschichte, Hamburg 1951, S. 211 (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Hansestadt Hamburg, Bd. III) 74 Keutgen, F., Hansische Handelsgesellschaften im 14. Jahrhundert, in: Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 4, 1906, S.278ff., 4 6iff., 75 Johansen, P., Umrisse und Aufgaben der hansischen Siedlungsgeschichte und Kartographie, in: Hansische Geschichtsblätter, 73, 1955, S.iif. 76 Czan, C.-J., Führungskräfte in Hansestädten des Ostseeraums, in: Der Wagen, 1976, S . i ^ f f . 77 Dr. Nikolaus Gentzkow's Tagebuch vom Jahre 1558-1567, hg. von E.Zober, Greifswald 1870, S. 147 (z. Jahre 1561)

gehörend, können nach der sogenannten Ratswahlordnung Heinrichs des Löwen nur vermögende Kaufleute sein. In der zweiten Gruppe werden wiederum vornehme Kaufleute an erster Stelle genannt, zumal auch die Inhaber des Braurechts in den Hansestädten vorwiegend Kaufleute waren. Ist vom «gemeene copman» die Rede, dann handelt es sich immer um den Fernhandel treibenden Kaufmann, der Handel zu Wasser und zu Lande über weite Entfernungen in großem Stile trieb. Der Typ dieses Fernhandelskaufmanns entwickelte sich im 14. und 15.Jahrhundert nicht nur im Süden des Deutschen Reiches, sondern auch im hansischen Raum, in Lübeck sowie in anderen bedeutenden Städten Nord- und Mitteldeutschlands (Abb. 68). Zwar reichten die von den erfolgreichsten Kaufleuten der Hansestädte erzielten Einkünfte nicht an die Spitzenvermögen süddeutscher Unternehmen wie die der Fugger, Welser oder auch der Ravensburger Handelsgesellschaft heran, dennoch erzielten die hansischen Kaufleute um 1500 in Lübeck Vermögen von 40000 Mark und in Hamburg von 46000 Mark.73 Der Reichtum entstand vorwiegend aus großräumig angelegten Handelsgeschäften (Abb. 69); die Gewährung von Krediten, der Erwerb von Schiffsanteilen, die Vergabe von Renten führte zu zusätzlichen Einnahmen. Das Handelskapital wurde zur Erweiterung des Geschäfts verwendet, in städtischem Haus-, ländlichem Grundbesitz und in Wertgegenständen angelegt oder als Bargeld aufbewahrt. Von den reichsten und auch politisch einflußreichsten Kaufleuten ist die große Gruppe der dem mittleren Bürgertum angehörenden Kaufleute abzusetzen. Sie trieben oft nur mit einem fremden Land Handel, der bloß mäßige Ausmaße erreichte. Sie sicherten sich deshalb zusätzlich den Einzelverkauf der von ihnen eingeführten Waren, erzielten aber im allgemeinen kein sehr hohes Einkommen. Zu dieser Gruppe gehörten unter anderem die Lübecker ßergenfahrer. Von der politischen Machtausübung ausgeschlossen, traten sie mehrmals gemeinsam mit den Handwerkern gegen den patrizischen Rat auf. Grundsätzlich bestand für sie jedoch die Möglichkeit, in die reichste und herrschende Schicht aufzustei-

gen, was den Klein- und Kleinstkaufleuten so gu wie nicht möglich war. Krämer und Höker, die den Klein- unt Kleinsthandel in der Stadt betrieben und kaun über den Lokalhandel hinauskamen, standen ii sozialer Hinsicht tief unter den Fernkaufleuten wenn auch einzelne Kramer zu einem beacht liehen Vermögen gelangen konnten (Abb. 70) Ihre genossenschaftlichen Zusammenschlüsse meist durch den Verkauf unterschiedliche Kramwaren bestimmt, ähnelten - ebenso wie ih Sozialstatus - sehr denen der Handwerker. Der für die Hanse typische Kaufmann war als> der Fernhändler, der in großem Stil Zwischen Handel betrieb. Auch er hatte sich schon frü mit anderen Berufsgenossen zu Korporatione zusammengeschlossen. Seit dem 13. und ir 14.Jahrhundert traten in nord- und mitteldeut sehen Städten Kaufleutegilden hervor, die berui liehe, soziale, religiöse und gesellige Ziele vei folgten. Oft verbanden sich Kaufleute auf de Grundlage ihrer wichtigsten Handelsrichtun^ In Köln gab es bereits im Jahre 1246 eine «frater nitas danica», während seit dem Ausgan des 14. Jahrhunderts in den Seestädten der Osi und Nordseeküste Kompanien (Abb. 71, 74) de Schonen-, Dänemark-, Bergen-, Riga-, Nowgc rod-, Flandern- und Englandfahrer bestanden.' Die Zugehörigkeit zu einer dieser Kompanie schloß zwar den Handel mit anderen Länder nicht grundsätzlich aus, aber ihre Mitglied* richteten ihre Unternehmen meist in gleiche Gt biete. Außerdem bestimmte sie deren soziale Status, der zum Beispiel bei den Bergenfahrer ziemlich niedrig war, da sie es nur zu einem Ix scheidenen Wohlstand brachten.75 Über die Fahrergesellschaften hinaus bildete sich in einigen bedeutenden Seestädten gesel schaftliche Zusammenschlüsse patrizischer kaui männischer Familien, die eine Exklusivität gf genüber den übrigen Kaufleuten anstrebten. DE darin zum Ausdruck kommende Standesbt wußtsein basierte auf ihrer wirtschaftlichen Stai ke und politischen Macht. In Lübeck war es di im Jahre 1379 gegründete Zirkelgesellschaft. I Danzig - ähnlich wie in Thorn und Elbing hatten sich die ratsfähigen Familien in der St.Gc orgsBruderschaft vereinigt. Sie führten in de

Artushöfen - nach dem sagenhaften Britenkönig Artus benannt - Ihre geselligen Zusammenkünfte durch, in Danzig die sogenannten Vogtmahle der Artusbanken. Erst als «homines novi», neue Kaufmannsfamilien, im Großhandel aufstiegen und sich damit die einflußreiche Schicht in den Hansestädten verbreiterte, zog im Jahre 1481 in dem nach einem Brand neu erbauten Danziger Artushof die gesamte wohlhabende Kaufmannschaft ein. Sie teilte sich nunmehr in Banken auf, die nach landsmannschaftlichen, geschäftlichen und nach freundschaftlichen Gesichtspunkten gegliedert waren. In Lübeck entstand analog dazu die Kaufleute-Companie, in der sich die führenden Kaufleute der bisher vornehmlich nach regionalen Interessen zusammengesetzten Fahrergesellschaften verbanden. Sie diente besonders gesellschaftlichen Interessen, trat seit 1450 immer mehr in den Vordergrund und erreichte im Rang die Lübecker Zirkelgesellschaft. In Riga war es die Große Gilde und in Reval die Gilde der deutschen Kaufleute (Abb. 76), die ein geselliges Leben mit Festen und Umtrunken, Fastnachtsspielen, Maifestlichkeiten und Empfängen von Gästen wie in Lübeck und Danzig entfalteten. In beiden baltischen Städten löste sich aus diesen Gilden dann die Schwarzhäupter-Gesellschaft (Abb. 75) heraus, eine Gruppe angesehener unverheirateter Kaufleute, und gelangte zu hohem Ansehen.76 Um eine etwas nähere Vorstellung vom Leben in der mittelalterlichen Stadt zu bekommen, vergegenwärtigen wir uns den Lebenslauf eines durchschnittlichen Kaufmanns. Er läßt sich aus den Quellen am besten erfassen. Der Eintritt ins Leben - Geburt und Taufe — verlief wohl ähnlich wie im Haus des vermögenden Kaufmanns, nur daß bei diesem Familienangehörige, Freunde und Nachbarn das freudige Ereignis nutzten, sich reichlicher mit Speise und Trank zum Wohle von Mutter und Kind zu stärken. Die Taufe folgte entsprechend der Forderung der Kirche schon wenige Tage nach der Geburt. So ließ der Bürgermeister Nikolaus Gemzkow in Stralsund seine Tochter an ihrem dritten Lebenstag taufen. Beim ersten Kirchgang der Mutter - etwa sechs Wochen nach der Geburt des Kindes - wurde wiederum ein großer

Aufwand getrieben. Das konnten auch städtische Verordnungen gegen zu üppige Schmausereien und ein Übermaß an Patengeschenken nicht verhindern. Oft war die Zahl der Gäste sehr groß, so hatte zum Beispiel die Frau des Bürgermeisters Gentzkow nach ihrem ersten Kirchgang «beide dorntzen und slapkamern vul mans und vruwen . . . bet um z jn die nacht.»77 (beide Stuben und Schlaf kämm ern voll von Männern und Frauen . . . bis um zwei in der Nacht.) Dies entsprach weder der geforderten Beschränkung der Gästezahl noch der Polizeistunde. Wegen der Kosten tröstete sich der Ehemann jedoch damit, daß Ihm «van guden lüden wol 15 od. 16 stöveken win und claret geschenckt» (von guten Leuten 15 oder 16 Maß Wein und Gewürzwein geschenkt) worden wären. Bei den recht früh geschlossenen Ehen kam es einerseits häufig zu

105

67 Kaufmann mit Rechenbrett.

104

großem Kinderreichtum, andererseits war die Kindersterblichkeit unverhältnismäßig hoch, die Wiederverheiratung von Witwen und Witwern durchaus die Regel. Die Testamente weisen häufig nach, daß Eltern ihre Kinder überlebten und der Testator seiner Frauen und Kinder aus mehreren Ehen gedachte. Die Kindheit verlief oft recht ungezwungen, doch auch an harten Strafen fehlte es nicht. Das bringt Bartholomäus Sastrow in seiner Autobiographie deutlich zum Ausdruck.

fatjt mir, id? foü in meinen Rinfcer* faf? nnlb tjen?efen fein, ©o bin id? on ©t.Hicolai manches gejltecjett, einmal fogar bin td? in t>er ber (Etforfen außen um Öen Curm ge= gongen. 2lte meine tthmer x>or ifcrer Cür mit öcm 23lic£ auf ben £urm geßanden unb il?r Bosniern fo fpötjterm gelten gefeiert fcat, iß fie fe^r bekümmert gewefen, bis Wcfer um>erfel?rt wieöer herunter gekommen iß. ©te l?at öann aitc^) Älei 7h gegeben, »00 er ver&tent 78 Sastrow, B., Herkommen, Geburt und Lauff seines gantzen Lebens . . ., hg. von G. C. F. Mohnike, i. Theil, Greifswild 1823, i.Buch, Kap.17, S.6i 79 Sastrow, B.,Herkommen, Geburt und Lauff seines gantzen Lebens . . ., hg. von G. C. F. Mohnike, i.Theil, Greifswald 1823, i.Buch, Kap./, S. 77f. So Ropp, G. von der, Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse, Lübeck 1907, S. 14 (Pfingstblätter des Hansischen Geschichtsvereins, üd.$)',Mascbke, E., Die Familie in der deutschen Stadt des späten Mittelslters, Heidelberg 1980, S.9ff. (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.Hist.Kl,, 1980, 4) 81 Stieda, W., Zu den Sprachkenntnissen der Hanseaten, in: Hansische Geschichtsblätter, 1884, S.i J 7 ff.

Sastrow gibt später seinen Töchtern gute Ratschläge für die Kindererziehung: „... 6aß fie ni4>t mit aüju Rätter ©träfe Äinöern Sc^a&en an i^rer (5efunö= tun ober in ©c^redf en verfemen, aber cucfc nict)t mit 311 tnel ©anftmut, wie bie 2Cffen aus großer £iebe, t^re ^Jungen et* 79 örürfen, jtc ntct)t Der Eintritt m die Schule mit sechs (Bartholomäus Sastrow) oder mit sieben Jahren (Franz Wessel) bedeutete für den jungen Kaufmannssohn einen ersten wichtigen Lebenseinschnitt; oft hat er mehrere Schulen besucht, kirchliche oder städtische, je nach Entwicklung in den einzelnen Städten. Der Unterrichtsbetrieb war noch - bis zur allmählichen Durchsetzung des Humanismus - weitgehend durch die Kirche bestimmt. Die Fächer Lesen, Schreiben und Rechnen sowie Latein und Kirchengesang sollten die Schüler auf die Bedürfnisse des religiösen und praktischen Lebens vorbereiten. Auf strenge Zucht wurde geachtet, Stock und Rute waren unentbehrliche Insignien des Lehrers. Die zu bestrafenden Ver-

gehen unterschieden sich kaum von denen späterer Zeiten: Schwatzen in der Schule und beim Gottesdienst, Raufereien, Werfen mit Steinen und Schnee, Äpfel und Birnen stibitzen, Vögel fangen und andere Unarten jugendlichen Übermuts.80 Nach dem Verlassen der Schule - Abschlußprüfungen gab es noch nicht - trat der junge Mann in die kaufmännische Lehre ein. Die Lehre, vereinzelt schon mit dem 12. Lebensjahr begonnen, dauerte je nach Alter, Bildung und sozialer Stellung zwei bis zehn Jahre. Zu ihr gehörte meist ein mehrjähriger Aufenthalt in der Fremde; hier sollte der Kaufmannslehrling Erfahrungen auf fremden Märkten und in anderen Ländern sammeln. Im Hause des Lehrmeisters war die Lehrzeit oft recht hart, zumal der Handelslehrling alle in Haus und Hof anfallenden Arbeiten verrichten mußte. In erster Linie wurde er natürlich In der Handelstätigkeit unterwiesen. Dabei fällt allerdings auf, daß kaum von einer Erweiterung der Kenntnisse im Rechnen sowie vom Erlernen von Fremdsprachen in den hansischen Quellen die Rede ist. Beides war aber für den angehenden Kaufmann ein unbedingtes Erfordernis. Wissen wir doch, daß der hansische Kaufmann in fremden Ländern die Sprache seiner Handelspartner zu sprechen suchte. Hier standen die nordischen Sprachen, das Russische, das Englische und das Französische im Vordergrund. In besonderen Fällen bemühte sich der Kaufmann sogar um das Estnische. Demgegenüber versuchte er, seine Konkurrenten, insbesondere die Holländer, daran zu hindern, die Sprachen der östlichen Ostseevölker zu erlernen. S1 Verschiedentlich waren die Lehrlinge - wie in Zünften, Gilden und studentischen Bursen - harten Aufnahmebräuchen unterworfen. Sie sind uns m den «Spielen» am Kontor zu Bergen anschaulich überliefert und lassen an Derb- und Grobheit nichts zu wünschen übrig. Bei diesem «Hänseln» kam es dazu, daß die Neuankömmlinge geprügelt, mit Kot und Unrat beschmiert wurden, «unsauber rasiert» beziehungsweise «gereinigt» wurden. Spiele wie das «Waterspell» (das Taufen), das «Burgspiel» (Einkriechen unter Schlägen), das «Aaltreten», das «Schweineabbrühen» und andere, nicht immer genau zu identifi-

zierende Mißhandlungen, bei denen die Leidenskandidaten weder zu klagen noch zu heulen, oft sogar zu singen und keinesfalls darüber zu «petzen» hatten, mußten sie über sich ergehen lassen.82 War die Lehrzeit überstanden, wurde der junge Kaufmannssohn Handelsgeselle, -diener oder -knecht. Es begann für ihn jetzt eine Zeit des Reisens, denn die neuen Handelsmethoden und Handelsgesellschaften erforderten Handelsvertreter, Faktoren oder Lieger, auch in anderen Städten. Der ältere Handelsherr blieb mehr und mehr zu Hause, wenn er auch nicht völlig auf den persönlichen Einkauf oder Verkauf von Waren oder auf das Eintreiben von Schulden in der Fremde verzichtete. «Koplude - loplude», dieses alte Wort, daß der Kaufmann immer unterwegs sei, traf nun stärker für den im Auftrag des Kaufmanns reisenden Handlungsdiener zu. Das Reisen war sicher schon damals eine interessante, doch keinesfalls nur vergnügliche, sondern zum Teil sogar ausgesprochen gefährliche Sache. Die Straßen ähnelten im allgemeinen heutigen schlecht gepflegten Feldwegen, höchstens die Haupthandelsstraßen, Reichs- oder Landesstraßen, waren mit Kies beschottert oder mit Steinen belegt. Die Wagen, auf denen die Handelswaren über Land transportiert wurden, waren noch ungefedert, so daß es bequemer war, sie zu Pferde zu begleiten. Unterkünfte und Herbergen boten fast nur in Städten den Reisenden Sicherheit. Kost und Logis wurden jedoch auch hier oft nicht gerühmt. Zahlreiche Unannehmlichkeiten brachten immer wieder geforderte Zölle und andere Abgaben wie Straßen- und Brückengelder. Auch der Straßenzwang und das Stapelrecht hinderten das Vorankommen sehr. Die Unsicherheit der Landstraßen, die Wegelagerei adliger Schnapphähne sowie das Fehdeunwesen, mit dem die Räuberei noch halbwegs legitimiert wurde, machten dem reisenden Kaufmann besonders schwer zu schaffen. Der Warentransport auf den Flüssen bot kaum größere Sicherheit als der auf der Landstraße. Der größte Teil des hansischen Warenhandels ging über See. Aber auch hier waren die Gefahren nicht gering. Galt es doch, Seeräubern und Kaperern zu trotzen und die Naturgewalten zu

bezwingen. Frühjahrs- und Herbststürme führten nicht selten zu Schiffbruch oder Strandung und forderten Opfer an Menschen. Das am Strand angetriebene Gut gehörte nach dem allgemeinen Strandrecht dem Herrn des Strandes. Wie sehr die Tücken und Gefahren das Meeres den Hansekaufmann bewegten, zeigt in den Hansestädten manches Gemälde jener Zeit (Abb. 82). Dies lassen aber auch die Testamente erkennen, die oft vor Antritt einer größeren Fahrt für den Fall, daß keine glückliche Rückkehr beschieden war, ausgestellt wurden. Um den Gefahren auf dem Meer begegnen zu können, mußten Schiffer, Kaufmann und Besatzung ihr Schiff und sich selbst mit den notwendigen Waffen ausrüsten. Alle Gefahren und Unsicherheiten konnten jedoch den Kaufmann und seine Beauftragten nicht daran hindern, häufige und weite Reisen zu Wasser und zu Lande zu unternehmen; eine unversehrte Rückkehr war dabei wohl auch die Regel. Die Quellen sprechen jedoch selten darüber, während sie Sonderfälle, Schiffbruch oder Strandung, häufig verzeichnen bzw. über Beschwerden und Ersatzanforderungen berichten, so daß leicht der falsche Eindruck erweckt wird, die Unglücksfälle hätten überwogen. Nach der Lehre und der Tätigkeit als Handelsgehilfe kehrte der werdende Kaufmann häufig wieder in sein Elternhaus zurück, machte sich mit dem Geschäft des Vaters Im einzelnen vertraut oder fand durch die Ehe mit einer Kaufmannstochter Aufnahme in dem Unternehmen seiner Schwiegereltern. Nun begann für den jungen Kaufmann eine Handelspraxis, die ihn befähigte, das Geschäft seines Vaters oder Schwiegervaters eines Tages zu übernehmen oder sich selbständig zu machen. Aus dem ehemaligen «Wanderhändler» war in den Hansestädten bis zum 14. und 15.Jahrhundert der seßhafte Kaufmann geworden, der unterstützt von einem Schreiber, einigen Handelsgehilfen und Lehrjungen - von der «skrivekamere» aus, dem Büro in seinem Haus, den Handel mit seinen Geschäftspartnern in anderen Hansestädten und im Ausland lenkte (Abb.Si). Zumeist begnügte sich der große oder mittlere Kaufmann mit der Leitung des Handelshauses

82 Krause, K,E.H., Zu den Bergen'schen Spielen, in: Hansische Geschichtsblätter. )-8i, S . i o j f f .

io6

83 Brandt, A.von, Ein Stück kaufmännischer Buchführung aus dem letzten Viertel des 13.Jahrhunderts, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, 44, 1964, S. s ff. 84 Eikenherg, W., Das Handelshaus der Runtinger zu Regensburg, Göttingen 1946, S. i r ff. (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 43) 85 Rörig, F., Das älteste erhaltene deutsche Kaufmannsbüchlein, in: F. Rörig, Wirtschaftskräfte im Mittelalter. Abhandlungen zur Stadt- und Hansegeschichte, hg. von P.Kaeghein, Wien/Köln/ Graz 2 i9/i, 8.96-199 86 Mollwo, C., Das Handtungsbuch von Hermann und Johann Wittenborg, Leipzig 1901,8.67-73 87 Keutgen, F., Hansische Handelsgesellschaften, vornehmlich im 14. Jahrhundert, in: Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 4, 1906, S. 2/8ff., 461 ff., ^67 ff.

und führte die Korrespondenz, während seine Gesellen die mit seinem Handelszeichen versehenen Waren begleiteten bzw. ein Schiff s kapitän seine Waren übernahm, die am Bestimmungsort dann einem seiner Faktoren übergeben wurden. Voraussetzung dafür war die Einführung der Buchführung im Handelsgeschäft, die wiederum auf die zunehmende Schriftlichkeit in Wirtschaft und Verwaltung zurückging. Seit dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts sind im Rahmen der städtischen Verwaltung in zunehmendem Maße «Stadtbücher» angelegt worden — so um 1270 ein Schuldbuch in Hamburg und wenig später das Niederstadtbuch in Lübeck. Ähnliche Stadtbücher gab es bis zur Jahrhundertwende in Riga, Stralsund, Lüneburg und anderen Städten. Aus den Jahren 1280 bis 1290 stammt das erste Handlungsbuch, das ein Lübecker Gewandschneider verfaßt hat.83 Aus dem 14.Jahrhundert liegen uns mehrere Rechnungs- und Handlungsbücher von bedeutenden hansischen Kaufmannsunternehmen vor wie von den Lübecker Kaufleuten Hermann und Johann Wittenborg (1329-1360), den Lübecker Tuchkaufleuten Hermann Warendorp und Johann Klingenberg (1330-1336), dem Rostocker Tuchhändler Johann Tölner (1345-1350) oder der Hamburgischen Kaufmannsfamilie Geldersen (1360-1392). Schließlich geben im 15.Jahrhundert die Lübecker Brüder Veckinchusen sowie um 1450 das Danziger Handelsunternehmen Johann Pisz guten Einblick in die zunehmend differenzierten und spezialisierten Handelsgeschäfte.84 Wurzeln für die umfänglicher werdende Buchführung waren die Abrechnung nach Abschluß eines Geschäfts sowie vor allem das Verzeichnen von Abschlüsen auf Kredit. Mit dem Wechselgeschäft wurden die Hansen sicherlich in Flandern und in England vertraut gemacht, wobei der Einfluß italienischer Handels- und Bankhäuser eine wesentliche Rolle gespielt haben wird. Obwohl im hansischen Handel das Wechselgeschäft noch keine dominierende Rolle einnahm, haben wir uns dennoch die vom Hansekaufmann geübte Handelspraxis und Buchführung m keiner Weise primitiv vorzustellen; sie standen durchaus auf dem in der damaligen Zeit geforderten Niveau.85

Ein Einblick in das Geschäft eines typischen Großkaufmanns um die Mitte des 14.Jahrhunderts in Lübeck bestätigt dies. Der Handel der Wittenborgs erstreckte sich nahezu auf den gesamten hansischen Raum; in Flandern und England, auf Schonen sowie in Preußen, Livland unc Rußland waren ihre Handelsvertreter zu finden, Der Handel mit flandrischen Tuchen, mit in Livland gekauften Pelzen, mit russischem Wach: und mit Gerste und Malz für die Bierherstellun^ aus Danzig stand zwar im Vordergrund, aber dit Skala ihrer Handelswaren reichte weit darübei hinaus. Sie umfaßte Pferde, Schlachtvieh, Getreide, Holz, Fische, Butter, Wein, Gewürze, Wolle, Leinen, Tuche, selbst Gold, Silberund Eisen Nebenher betrieben sie einen lebhaften Geldhandel und trugen wesentlich zur Entwicklung de: anstelle der Barzahlung tretenden Wechselverkehrs bei.86 Wie so vielen sicherte auch den Wittenborg! der geschäftliche Erfolg zunehmenden politi sehen Einfluß in Lübeck wie in der Hanse. In Pestjahr 1350 wurde Johann Wittenborg Mitgliec des lübischen Rates und nahm als Ratsherr ar verschiedenen diplomatischen Missionen teil 1362 beschloß er auf dem Hansetag in Greifswak als einer der Lübecker Bürgermeister mit der Vertretern der teilnehmenden Hansestädte der Krieg gegen Dänemark. Als jedoch die von ihn geführte hansische Flotte von Waldemar IV überrumpelt wurde, mußte er sein militärische: Versagen mit der Enthauptung auf dem Lübecke; Markt büßen. Außer im Eigengeschäft trat die kaufmanm sehe Aktivität mehr und mehr in verschiedener Formen der Handelsgesellschaft hervor. In ihren Vorfeld stand die häufig angewandte «sendeve> (Sendegut), ein Kommissionsgeschäft. Ein Han delsdiener, ein Verwandter oder Geschäftsfreunc kaufte oder verkaufte Kommissionsgut auf Rechnung des Auftraggebers und erhielt für seine Tätigkeit einen bestimmten Lohn. 87 Der Beauftragte war praktisch Handelsbevollmächtigter, dei den Handel zwar auf fremde Rechnung, aber irr eigenen Namen führte; nicht selten blieb er zui Wahrnehmung der Geschäfte jahrelang zurr Beispiel in Flandern oder Rußland. Größerer Kapitaleinsatz ermöglichte erst die eigentliche

Handelsgesellschaft. Sie bestand aus mehreren Teilhabern, und zwar oftmals - wie bei Johann Töllner in Rostock - aus Angehörigen einer Familie und wurde stets für eine Anzahl von Jahren abgeschlossen.88 Lebten die Mitglieder der Gesellschaft in unterschiedlichen Städten, wirkte sich das zumeist günstig auf den Handelsgewinn aus. Aus den verschiedenen Formen und Namen der hansischen Handelsgesellschaften lassen sich vor allem drei Typen herauskristallisieren: Die «vera societas» (auch «selschop» = Gesellschaft oder «kumpanie») ist durch die Kapitalanlage eines Teilhabers gekennzeichnet, während der andere Partner das Geschäft führt. Gegenüber der «sendeve» werden hier Gewinn und Verlust zumeist unter beiden aufgeteilt. Die zweite und häufigste Form ist die «wedderlegginge» (Handelsgesellschaft mit gegenseitiger Kapitaleinlage); in sie bringt jeder Teilhaber seinen Kapitalanteil ein und betreibt das Geschäft gemeinschaftlich auf Gewinn und Risiko. Die dritte Form, die «volle mascopei» (volle Handelsgesellschaft), hat das gesamte Vermögen der Partner zum Gegenstand, kommt jedoch Im hansischen Raum nur selten und dann höchstens unter Brüdern beim Einsatz des väterlichen Vermögens vor. Höhere Organisationsformen waren In der Blütezeit der Hanse in ihrem Handelsraum nicht anzutreffen; eine Notwendigkeit dafür wird somit nicht bestanden haben. Eine Ausnahme bildete der Deutsche Orden, der von seinen Verwaltungszentren aus, den Groß schaff er eien Marienburg und Königsberg, für seinen großräumigen Handel im Ost- und Nordseegebiet Unternehmungsformen entwikkelte, die für den hansischen Handel nicht als typisch angesehen werden können. Das tägliche Leben eines durchschnittlichen Kaufmanns verlief, wenn er nicht persönlich eine Reise antrat oder vorbereitete, ziemlich gleichförmig. Nach der Frühmesse und der Morgensuppe begann sein Arbeitstag, der mit dem Vesperbrot zwischen 16 und 17 Uhr beendet wurde, es sei denn, daß eine Schiffsankunft oder -abfahrt abends noch seine Anwesenheit in der «skrivekamere» erforderte. Auf gutes Essen und Trinken wurde durchaus Gewicht gelegt. Bis in das 14. Jahrhundert hinein war das Leben in seinem

Hause einfach, erst seitdem wurden die Wohnräume größer und im 15.Jahrhundert die Stube behaglicher. Das Handelsgeschäft bestimmte jetzt nicht mehr so dominierend den Charakter des Hauses, das an Aussehen und Ausgestaltung stärker die gewachsene wirtschaftliche Position des Kaufherrn zum Ausdruck brachte. Den Abend verbrachte der Kaufmann gern in seinem Korporationshaus - die Bergenfahrer in Lübeck in ihrem Schütting - bei Bier und Spiel oder bei Musik und Tanz. Feiern und Festlichkeiten kam damals überhaupt ein hoher Rang zu. Dazu veranlaßten einmal die zahlreichen kirchlichen Festtage, aber auch die Jahrmärkte, die Mai- und Schützenfeste und anderes. Das Bestreben, bei diesen Festlichkeiten «standesgemäß» aufzutreten, führte seit der Mitte des 14. Jahrhunderts zu einer wesentlichen Steigerung des persönlichen Aufwandes. Zu einem jungen Mann gehörte, wie Franz Wessel - nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1509 in Stralsund selbständig geworden — als 22Jähriger erklärte:

„... grote paß bringen, glefe tl^obyten, jlücfe upeten, utl? einer tunne in öe anbee fprmgen etc. un&e letl? jtct fefcen in Äöjten, CEWfftm."89 (. . . viel trinken, Gläser zerbrechen, maßlos essen, aus einer Tonne in eine andere springen usw. und sich bei Festessen und Gelagen sehen lassen.) Von der Beziehung des städtischen Menschen zur Natur erfahren wir aus den Quellen recht wenig. Sein Lebensbereich war die Stadt, in ihr oder ihrer nächsten Umgebung wurden Gärten erst häufiger im 16. Jahrhundert angelegt und auch zum Spazierengehen und zu Lustbarkeiten im Freien genutzt. Daß manches Loblied auf die Schönheit der Frauen gesungen worden sein mag, bezeugt ein Brief aus der Mitte des 15.Jahrhunderts:

„3c^> fcfcwdge von Öem weiblichen (Befd>lerf)te, befielt 2tnblirf ecfrifd^enb unö wirft. X>enue unt» £tana mögen fein, aber 6te &iUnfd?en Brauen fd?müd!t ein Äeis 6er 2tnmut, ^ol?ett wiö (Bepalt, fliefjen&e Äeöe; fie erfahrnen wie unfe Julien xinb bte weife flatur

88 Moüwo, C., Das Handlungsbuch von Hermann un Johann Wittenborg, Leipzig 1901, S. 50-62 89 Des Erbarn Vornemen und Wolwysen Hern Frans Wcssels, oidesten Borgermeisters thom Stralsunde, gantze Levendt unde Christ lyke Affscheidt; Dörch Gerhardt Drogen kortlick verfahtet, hg. von G. C.F. Mohnike, im J.Teil von B, Sastrow, Herkommen, Geburt und Lauff seines gaotzen Lebens . . ., Greifs wald 1824, S. 274

io8

90 Wehrmann, C-, Ein Urteil über Lübeck aus der Mitte des 15.Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, 4, 1863, 8.243?. (lateinisch) 91 Samsonowcz, H., Die Bedeutung des Großhandels für die Entwicklung der polnischen Kultur bis zum Beginn des 16.Jahrhunderts, in: Studia Histonae Oeconomica, 5, 1970, S-92f. 92 Stadtarchiv Stralsund, Testament Nr. 436 von 1389 93 Stadtarchiv Stralsund, Testament Nr. 827 von 1499 94 Stadtarchiv Stralsund, Testament Nr. 689 von 1474

t>at bei il?rer *£rfd?affung nickte überfein oöer üertjefTen." 90 Die Ehe wurde von dem rechnenden Kaufmann weitgehend als ein Geschäft betrachtet. Während die Kinder vermögender Kaufleute oft sehr jung verheiratet wurden, konnte zum Beispiel die Mehrzahl der Bergenfahrer erst im höheren Alter eine Ehe eingehen, wenn sie ein gewisses Vermögen erlangt hatten. Oft zahlte sich auch die Ehe mit einer wohlhabenden Kaufmannswitwe für einen wirtschaftlich schwächer Gestellten gut aus. Verlobung und Hochzeit verliefen in geregelten Formen (Abb. 86). Voraussetzung war, daß sich die Eltern oder Vormünder - nicht zuletzt finanziell - geeinigt hatten. Nachdem die Ehebindungen vor Zeugen dargelegt worden waren, kam es zum «toslach», zur Verlobung. Ihr folgte die kirchliche Eheschließung, der «upslag», danach fand die «brutlacht», die Hochzeit mit festlichem Gepränge, statt. Der Höhepunkt des Polterabends war allgemein der Besuch einer öffentlichen Badestube. Der Hochzeitstag selbst begann mit einem Festzug zur Kirche, in der die Einsegnung vorgenommen wurde. Ihr schloß sich ein langdauerndes und üppiges Festmahl an. Abends geleitete die Festgesellschaft das jungvermählte Paar in die Brautkammer, um es am nächsten Tag in aller Frühe zum gemeinsamen Frühstück erneut zu begrüßen. Nunmehr übergab der junge Ehemann seiner Frau die «Morgengabe», die — gegenüber ihrem sonstigen Vermögen - ihr frei verfügbares Eigentum blieb. Darauf begab man sich wiederum zur Kirche, um gemeinsam die Messe zu hören. Bei wohlhabenden Kaufmannsfamilien nahm die Hochzeit noch einen dritten Tag in Anspruch. Verschiedentlich wurde sie sogar noch länger ausgedehnt, so daß gegen eine derartig zunehmende Üppigkeit der Lebensweise die städtischen Ordnungen, jedoch ohne wesentlichen Erfolg, vorgingen. Quellen besonderer Art, die bürgerlichen Testamente, geben uns ebenfalls einen gewissen Einblick in das Familienleben des Kaufmanns und begüterten Stadtbewohners (Abb. 87). Die Aufnahme im elterlichen Haus sollte oft dem jungen Paar den Start in das Eheleben finanziell

erleichtern. Obwohl die Ehefrau juristisch nich denselben Status wie der Mann hatte, bestam zwischen ihnen meist eine Erwerbsgemeinschaft Die Familie war auch beim Kaufmann die klein ste Arbeitszelle, in der die Mitarbeit der Fra; und Kinder eine Rolle spielte. Damit aber wa eine gewisse Emanzipation der Frau verbunden ihre Selbständigkeit und Handlungsfähigkei nahm ständig zu. Sie durfte beim Tod des Ehe garten das Geschäft übernehmen, ja konnte selbs zu seinen Lebzeiten schon den «Kampf um di Hosen» gewinnen.91 Nicht wenige Testamente geben Zeugnis vo guten, harmonischen Beziehungen zwischen de Eheleuten, beispielsweise wenn beide Ehepartne in ihrem gemeinsamen Testament sich gegensei tig für die gute Behandlung in Krankheit wie i Gesundheit bedanken :

„ . . . bec fe my wol unbe fcentltd^ fceft, alfo&at it er alles guöes unb tjufce

. ( ... da sie mich wohl sehr geliebt hat, so da Ich ihr viel Gutes und Freundliches danke.)

Es kommt aber auch vor, daß Ehemänner ihrer «unhorsamen, bösen, quadenwyve» (ungehorss men, bösen und schlechtem Weibe) nicht vi< mehr als den Brautschatz vermachen und eventt eil noch einen Teil des Hausgeräts, einen Sät Betten und die nach Maß angefertigten Kleider.' Doch auch mancher Ehemann hat bereits damai seiner Frau Anlaß zu Klagen gegeben; in de Testamenten spiegelt sich dies in hohen Legate — Geld, Grundstücken, Hausrat und anderem an Mägde, Köchinnen und «Freundinnen» widei So gab zum Beispiel der Stralsunder Ratsher Gerd Blome seiner Magd und ihren Kindern Pai und Grete ein Leibgedinge (Einkommen auf Le benszeit) und bekannte später, Dorteken au Sorge um sein Seelenheil noch geheiratet zu ha ben. Seine älteren Kinder bat er, ihr und ihre Kindern günstig zu bleiben.94 Auffallend sind di häufigen Zweit-, Dritt- und Viertehen - eine Fo ge der großen Sterblichkeit nicht nur der Kinde in der damaligen Zeit. Wie vom Eintritt in das Leben und seinen Hö hepunkten sprechen die Quellen auch imme wieder vom Scheiden aus ihm (Abb. 88).

10

68 Albrecht Dürer, Bildnis eines jungen Mannes, 1521. Dargestellt ist der Danziger Kaufmann Bernhard von Reesen. Dresden, Staatliche Ku Sammlungen, Gemälde galerie Alte Meister

110

69 «Du sollst Dein Geld nicht auf Wucher ausleihen, nicht mehr zurückempfangen, als Du gegeben hast.» Aus der Umschrift der Tafel 11 der Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts von 1497. Links: Rentenkauf. Ein Herr in grüner Schaube zählt die Goldstücke auf den Tisch, daneben der Empfänger des Geldes. Trinkbecher deuten auf die Form des «Weinkaufs». Vordergrund rechts: Ein Mann gibt sein Haus auf. Zuerst hat er Stab und Hand noch an der Tür. Sicherlich handelt es sich um eine Zwangsvollstreckung wegen säumiger Zinsen. Das Ausziehen des Mantels und des Schuhs symbolisiert schließlich die Räumung des Hauses. Hintergrund rechts: Ein Besichtigungstermin wird dargestellt. Der Zimmermann läßt vom Dach ein Senkblei herab, der Handwerksmeister erläutert den Zustand des Hauses im Beisein des Eigentümers. Hamburg, Staatsarchiv

II

jo Kramer. In der Art der Darstellung wird schon die unterschiedliche soziale Stellung zum Ausdruck gebracht. Holzschnitzerei am Krameramtsstuhl, 1574. Schrift am Fußende: «Dat ken kramer ist, der blief buten, oder ik schla em up de schnuten.» (Wer kein Kramer ist, der bleibe draußen, oder ich schlage ihn auf die Schnute.) Stralsund, Nikolaikirche

71 Bergenfahrerwappe von 1527. Die unke Ha symbolisiert die deutschen Kaufleute in der Deutschen Brücke - da Wappen der Reichsstac Lübeck ist der Doppeladler. Die rechte Hälft zeigt das wichtigste Au fuhrprodukt aus Berge den Stockfisch - getroc neten Dorsch oder Kabeljau. Lübeck, Museum für Kunst un< Kulturgeschichte

112

72, 73 Nowgorodfahre gestühl. Russische Pelz tierjäger bei der Jagd und dem Verkauf der Jagdbeute. Zweite Half des 14.Jh. Stralsund, Nikolaikirche 74 Siegel der Schonenfahrer zu Lübeck. Der Siegelstempel stammt a der Mitte des if.Jh. ur ist der Typ des kleinfoi matigen Wappenstemp' der Genossenschaft.

Links: Das halbe Wappen Lübecks. Rechts: Drei Heringe. Der Hering, von dänischen Fischern gefangen, wurde von den Schonenfahrern aufgekauft und als wichtige Fastenspeise nach Deutschland und Mitteleuropa gebracht und verkauft. Lübeck, Archiv der Hansestadt

75 Das Schwarzhäupterhaus (rechts) in Riga, das Gesellschaftshaus der angesehenen unverheirateten Kaufleute. 1330 erbaut, 1620 im Renaissana stil neugestaltet, im zweite Weltkrieg zerstört. 76 Haus der Großen Gilde in Tallinn (Reval), um 1410 vollendet. Hier entfalteten die vermögenden Kaufleute ihr geselliges Leben.

n6

77 Gemeinsamer Aufenthalts räum der deutschen Kaufleute in der Deutschen Brücke zu Bergen. Bergen, De Hanseatiske Museum

78 Küche der Deutscht Brücke zu Bergen, in d Speisen und Getränke f die Kontorsgemeinscha zubereitet wurden. Bergen, Det Hanseatisl Museum

II

u8

79 Kaufmannsgesellenzimmer mit eingebauten Schrankbett, von dem aus der Geselle auch nachts in das danebenliegende Lehrjungenzimmer blicken konnte. Bergen, Det Hanseatiski Museum 80 Die «skrivekamere», das Kaufmannskontor der Bergenfahrer in der Deutschen Brücke. Bergen, Det Hanseatiskt Museum

I]

81 Hans Holbein d,J., Kaufmann Gisze, 1532. Georg Gisze aus Danzig war Kaufmann des Londoner Stathofs. Berlin (West), Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz 82 Schiffbruch von 1489. Der Untergang eines lübischen Schiffes vor der norwegischen Küste. Haupt- und Kreuzmast hat der Sturm zersplittert, die Besatzung sucht sich zu retten, klammert sich an Kisten und Planken oder versucht, durch Schwimmen das felsige Ufer zu erreichen. Die Spruchbänder weisen darauf hin, daß 33 Männer ertrunken sind. Lübeck, Marienkirche

121

83 Vor den Toren der Stadt Rostock. Kaufmannswagen fahren ein und aus, beladene Schiffe auf der Warno Vicke-Schorler- Rolle, 1578-1586. Rostock, Stadtarchiv

84 Handelstätigkeit auf einem privilegiert* Jahrmarkt, dem VitSMarkt, in Hamburg r Marktfahne (rotem Ti mit weißem Nesselbia Verkauf von Rindern und Schweinen aus Jütland und Schleswig Holstein. Links: Vertragsabschluß. Der H schlag in Gegenwart i Zeugen steht bevor. Rechts: Der Käufer is noch nicht zur Entgegennahme des Hani geldes zu bewegen. In Hintergrund tagt das Marktgericht, vor dei Tisch ein Kläger. Bild Handschrift des Hamburger Stadtrechts vc 1497, Tafel 14, «Von allerhand Pflichten ui Schulden». Hamburg Staatsarchiv

I2 4

85 Hopfengarten am Rande von Rostock. Vicke-Schorler-Rolle, 1578-1586, Rostock, Stadtarchiv

86 «Von Eheschließung und Erbteilung». Rechts: Werbung durch den Jüngling, das Mädchen zögert noch, in die Hand einzuschlagen. Ein Verlöbnis entsteht jedoch nur, wenn die Eltern einwilligen. Links: Bei der Trauung in der Kirche trägt das Brautpaar reichgeschmückte Hochzeitsgewänder. Mitte: Die Wöchnerin wird von einer Pflegerin umsorgt. Das Neugeborene liegt in der Wiege, von der Amme betreut, die es mit dem Wedel vor Fliegen bewahrt. Dahinter steht ein großes, flaches Himmelbett mit Kissen und Decken. Auf dem Spruchband: «Glückselig der Mann, der nicht hat zugelassen, daß dem Hause der Erbe fehlt.» Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts von 1497, Tafel 12. Hamburg, Staatsarchiv

87 Einfaches Frauentestament der verwitweten Gertrude Pankelos vom 22.März 1350 in lateinischer Sprache. Stralsund, Stadtarchiv. Testamente ermöglichen einen guten Einblick in die familiären Verhältnisse. Ihre Gestaltung - so in Lübeck, Stralsund und anderen Städten - erfolgte auf der Grundlage des Lübischen Rechts. Sie sind meist auf Pergament geschrieben

126

t.f

. .«*,!.

als Kerbschnitturkunden (gleichlautende Urkunden mit sehr unterschiedlich angebrachten Kerben) ausgestellt. Die eine davon wurde den Vertretern des Rates, di* andere dem Testamentsvollstrecker übergeben. Über den gleichlautenden Text hinaus weisen die ineinander passender Kerben auf die Identität und damit auf die Echtheit des Testaments hin.

12

88 Testament - Tod Erbschaft. Hintergruni links: Vor dem Bürger meister Hegt das aufgeschlagene «Denkelbuch für wichtige Eintragur gen zum «ewigen Gedächtnis». Vorn links: Der Vater teilt unter seine Söhne das Barvei mögen auf. Rechts: Testamentserrichtung auf dem Siechbett («so er geistig gesund ist») im Beisein zweier Rats Herren. Ein Protonota protokolliert den Wort laut. Mit der Übergabt der Pergamentrolle erklärt der Testator, dal: dies sein letzter Wille s Anwesend ist auch der Beichtvater des Sterbe den, ein Franziskanermönch. Bilderhandschrift des Hamburgei Stadtrechts von 1497, Tafel 13. Hamburg, Staatsarchiv

89 Friedhof in Rostoi Vicke-Schorler-Rolle, 1.578-1586. Rostock, Stadtarchiv

128

crac*.

; *; 1,1.1:

" « * t * • *.»***-« •*.,-* t - . i . * - t , I •-•«r* * . A , • ufc^a in« AM*^> 4- # A-*-' >— • - . -h • , * l l j l ' ll "l% * l 9 i ^ a8* - 'l ^ il 1 » ^ . > a3 « i * B t V* ' l- - ' * ' t »* t* fc 4 *-l ( > 4- * ,

90 «Vom Schiffsrecht». Rechts: Schiffer beim Entrichten des Hafenzolls vor Zollherren und Schreibern. Ein Schiffer verhandelt im Gebäude, andere stehen wartend im Gespräch davor. Links: Drehbarer mit Holz verkleideter Hebclkran. Kranführer bringen die Frachtstücke an den Kran heran zum Einladen in die am Kai liegenden Schiffe. Der Kranmeister bedient die Kurbel. Mehrere Flußkähne mit Hecksteuer und Holzverdeck liegen am Ufer. Mitte: Größere dreimastige Schiffe sind im Begriff auszufahren, unter ihnen ein «Friedeschiff» mit Kanonen und bewaffneter Mannschaft. Die Schiffe haben hohe Vorder- und Achterkastelle, reiche Takelung, große Mastkörbe, Raubtier- und Drachenköpfe als Galionsfiguren. Von den Masten weht der lange rote Wimpel. Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts von 1497, Tafel 18. Hamburg, Staatsarchiv

\

(

91 Großes Koggensiegel von Stralsund, 1329. Stralsund, Stadtarchiv 92 Das zweite Siegel von Wismar zeigt eine Hansekogge mit dem mecklenburgischen Wappen, dem Ochsenkopf, um 1350. Wismar, Stadtarchiv 93 Antependium der Schiffergilde von Nijmwegen. Seidenstickerei, 1494. Nijmwegen, Gemeente-Museum 94 Hafenbild aus dem 15.Jh. Gemälde von Hans Meniüng vom Ursula-Schrein. Brügge, Museum van het S.JansHospitaal

95 Geböttcherte Tonnt als Warenfaß. Frankfui (Oder), Bezirksmuseun 96 Stiefel aus Frankfur (Oder). Schuhmacher sind hier seit 1260 bezeugt. Frankfurt (Odei Bezirksmuseum 97 Handwerker als Kanzelträger. Sandsteii figur von Anton Pilgra Ende 15.Jh. Berlin, Staatliche Museen, Bodemuseum

134

98 Getöpferte Grapen zum Braten und Kochen Rostock, Kulturhistorisches Museum

99 Bronzegrapen, im 11 und 14.Jh. gebräuchlich Wismar, Schabbelthaus

100 Hansekanne, i6.Jh. Im hansischen Handelsraum waren Kannen dieser Art in etwas gedrungener oder auch schlanker Form verbreit Helsinki, Suomen Kansallismuseo 101 Hansekanne, 14.Jh. Zinnbecher, 14. Jh., Zinnlöffel, i4./i$.Jh. Wlsmar, Schabbelthaus

137

i38

102 Münzschläger. Relief an der Alten Münze in Rostock. 103 4 Wismarer Witten (4 Pfennig), 1381, und 2 Schilling (12 Pfennig) 1400-1450. Typische hansestädtische Silbermünzen. Wismar, Schabbelthaus 104 Spinnerin neben einer Wiege. Glasmalerei, um 1360. Erfurt, Dom

ioj Der Lüneburger Kran, 1346.

106 Windmühlen an der Warnow vor Rostock Vicke-Schorler-Rolle, 1578-1586. Rostock, Stadtarchiv

142

107 Bauhütte. In dieser Gewerksgenossenschaft der Bauleute waren Handwerker verschiedener Bauberufe zusammengeschlossen wie Steinmetzen, Maurer, Zimmerer u.a. Sie arbeiteten eng zusammen und bildeten auch ihren Nachwuchs in den verschiedenen Bauberufen aus. Flämische Miniatur, um 1460. Wien, österreichische Nationalbibliothek 108 Siegelstempel des Amts der Fuhrleute, Riga 1469. Museum für Geschichte der Stadt Riga und der Schiffahrt

109 Rutenbinder. Detail aus dem Notke-Altar der Heiligengeist-Kirche in Tallinn (Reval).

144

no Haus mit Buden uni Kellern (Mitte). Eine wenn auch zeichnerisch nicht sehr geglückte Darstellung, wie an Gie belhäuser Buden angebaut waren, die zugleicl Eingänge zu Kellern un Wohnkellern aufwiesen. Am rechten Gebäude ein Kreuz als Hospitalzeichen. Vicke-Schorler Rolle, 1578-1586. Rostock, Stadtarchiv

in Studentenzug vor der Rostocker Universität. Die in Dreierreihen marschierenden Studenten werden von Hellebardieren und Pikenieren angeführt. Es folgt eine Musikkapelle, bestehend aus Lauten-, Harfenund Gambenspielern.

Insgesamt sind 57 Personen abgebildet. Das Backsteingiebelhaus wurde schon im Gründungsjahr 1419 der Universität zugewiesen. Am Markt gelegen, war es sicherlich ursprünglich das Rathaus der Neustadt. Vicke-SchorlerRolle, 1578-1586. Rostock, Stadtarchiv

'•'.'X ^'V'1,'1'1^!'/','1.' ^'X'-'X'V'V'.'lTf /.;.'.

; ;->^-:-V'','V'i j& .'.X'N'V',-'.;--,';^.'-^ i i ' i ^ a ' f c * • * • * • • t* t

v

* rT-

' "

i'.'.l.'--1 -i-»,i!i^iiTj*.' r

' >x

ki^JTEg^ gS».J. •>'.•- . gtSg»t T^Jv'Sj. -•^lfc^fcjH*T|

F^

•»

•*

» •

, »ta • -

I-j.t.

" - • . ' ,

-^ S W,',''**»'!',''•,''



.:',''•''

.

*

flfA.r

'*.'SÄ^

146

•-

ttUtptrtnq

-* — — M 1 1 ä J ^ a a * f

tttßtfmtmi

in Mittelalterliche Apotheke im Initial einer Miniatur des cod. Ampl. 20 aus der zweiten Hälfte des 13. Jh. Erfurt, Stadtbibliothek 113 Bronzemörser. Der größere ist frühgotisch, der kleinere stammt aus dem 14.715.Jh. Schwerin, Staatliches Museum

ii4 "Von Diensten und Gesinde». Text der vielfältig verschlungenen Bänder: «Ein Knecht, der seines Herrn Willen nicht tut, wird manchen Streich erleiden müssen. Jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert. Seid Untertan in aller Furcht euren Herrn, auch den wunderlichen; und ihr Herren, tut ihnen dasselblge und lasset das Dräuen.» Am Tisch Gerichtspersonen, davor Herrschaften und Dienstboten. Vorn rechts: eine Frau und ihr Mann als ehelicher Vormund bieten einer Magd den Dienst an und reichen ihr den Gottespfennig als Ausdruck des Gesindevertrages. Das Mädchen sträubt sich und wird von einer anderen Frau dabei unterstützt. Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts von 1497, Tafel 9. Hambure, Staatsarchiv

Der Tod beschäftigte den Kaufmann und vermögenden Bürger wegen seiner Seelenruhe und der Aufteilung seines Besitzes schon recht früh — etwa vor Antritt größerer Handelsreisen oder Wallfahrten, bei Erkrankung oder anderen Schicksalsschlägen. Seine Sorge galt dabei einer standesgemäßen Bestattung, die er oft bis in alle Einzelheiten gegen eine entsprechende Schenkung an die Kirche vorbestimmte. So konnte sein ausdrücklicher Wunsch darin bestehen, in oder bei einer bestimmten Kirche bestattet zu werden, daß für ihn ein Leichenstein errichtet, eine metallene Grabplatte mit seinem Namen oder seiner Handelsmarke versehen wird, daß die Glocken von einer oder mehreren Kirchen läuten. Der Sarg, mit wertvollem Tuch bedeckt, sollte unter einem Baldachin stehen, Kerzen sollten entzündet und Seelenmessen gesungen werden, solange der Leichnam über der Erde stand.95 Doch selbst beim Gedanken an den Tod verleugnete der Testator seine kauf männisch-rechnerische Art nicht: Falls die Kirche nicht seinem Begräbnis in der gewünschten Form entsprechen würde, ließe er die «fromme Stiftung» reduzieren.96 Manchen Kaufmann plagte angesichts des Todes das schlechte Gewissen, ihn befiel die Angst, jemand zu sehr übervorteilt zu haben. Die Schenkungen an die Kirche sowie an die Armen waren dann meist ungewöhnlich hoch. Diese beliebte Art der «Wiedergutmachung» hatte den Vorteil, daß sie den «Sünder» zu seinen Lebzeiten in keiner Weise belastete, sondern nur auf Kosten seiner Erben ging.97 Das Streben des Kaufmanns nach seinem Handelsvorteil, nach möglichst hohem Profit hat bei manchen seiner Zeitgenossen sehr negative Emotionen ausgelöst wie Zweifel an seiner geschäftli-

chen Moral, Neid und Haß bis zur Ablehnung und Verurteilung - auch bei Erasmus von Rotterdam und Martin Luther.98 Das ändert jedoch nichts daran, daß uns mit dem Kaufmann als Vertreter des erstarkten Städtebürgertums in der Feudalgesellschaft ein neuer Menschentyp entgegentritt, der Ausdruck einer gesellschaftlichen Kraft ist, die den Fortschritt wesentlich stimuliert hat. Neue Lebensauffassungen - das Verlassen auf die eigenen Kräfte, das Wissen, auf Grund eigener Fähigkeiten etwas zu erreichen, die Risikobereitschaft, aber auch rationelles Abwägen, das Streben nach Autorität - lassen sich beim hansischen Kaufmann in dieser Zeit mehr und mehr erkennen. Er nimmt dem Leben gegenüber eine aktive Haltung ein; ein weitgespannter Handel, seine Reisen vermitteln ihm Kenntnisse, von der Welt, den Sitten und Bräuchen fremder Völker, ferner Städte, erweitern seinen politischen Horizont. Gemeinsam mit anderen einflußreichen Städtebürgern wird er der Träger einer neuen städtischen Kultur, die in ihrer Progressivst richtungweisend wurde. Völlig neu ist die hohe Bewertung der Arbeit des Menschen. Die Ausnutzung der Zeit, ihre Messung in menschlicher Arbeit ist Ausdruck der vom Kaufmann entwickelten Geldwirtschaft. Die Herausbildung des Berufsbewußtsems beim Kaufmann wie bei anderen städtischen Berufsgruppen läßt diese grundsätzlichen Veränderungen erkennen, die sich innerhalb der Feudalgesellschaft vor allem vom 13.714.Jahrhundert an vollziehen. Mit dem Kaufmann sowie dem städtischen Bürgertum überhaupt war die Kraft herangewachsen, die es mit Fürsten und Herren, ja auch mit ausländischen Königen aufnehmen konnte."

A jas Meer war für den hansischen Handel J^r sowie für die Entwicklung zahlreicher Städte von entscheidender Bedeutung; die gesamte hansische Geschichte war «meerbezogen und meerbedingt».100 Seehandel, Schiffahrt und Schiffbau bedingen sich somit gegenseitig. Der a o o o Kaufmann war auf das engste mit dem Schiffer In der hansischen Seestadt verbunden und auf den Schiffbauer angewiesen. Die in der Stadt organi-

sierte Bürgergemeinde und das Schiff als wichtigstes Transportmittel des Fernkaufmanns sind die tragenden Fundamente hansischer Geschichte gewesen, symbolisiert im ältesten Siegel der Stadt Lübeck vom Jahre 1226 durch die erhobene Schwurhand des Kauf mann-Schiff er s (Abb. 24} in der Hansekogge. l Die wachsenden Bedürfnisse des Handels regten den Schiffbau ungemein an und veranlaßten

95 Stadtarchiv Stralsund, Testamente Nr. 534 von 14 Nr. 689 von 1474

96 Stadtarchiv Stralsund, Testament Nr. 361 von 137

97 Ranke, E. von, Von kaufmännischer Unmoral i 16.Jahrhundert, in: Hansische Geschichtsblätter, 50, 1925, S. 243^

98 Gurjtwitsch, A.J., Das Weltbild des mittelalrerlict Menschen, Dresden 1978, S. 284 ff.

99 Samsonowicz, H., Die Bedeutung des Großhande für die Entwicklung der p< nischen Kultur bis zum Bi ginn des 16. Jahrhunderts, Studia Historiae Oeconomlca, 5, 1970, S.Soff.; Maschke, E., Das Berufsb wußtsein des mittelalterlicl Fernkaufmanns. Beiträge zum Berufsbewußtsein dei mittelalterlichen Menscher Berlin (West) 1964,5.506 (Miscelknea Mediaevdia. Veröffentlichungen des Thomas-Institute s an der Universität Köln, Bd. 3)

100 RÖrig, F., Das Meer i das europäische Mittelalte: in: Wirtschaftskräfte im N telalter, hg. von P.Kaegheü Wien/Köln/Graz 2 i97i, 5.638

Schiffer, Reed Schiffbauer

101 Olechnowitz, K.-F., Der Schiffbau der hansisc! Spätzeit, Weimar 1960, S. {Abhandlungen zur Hand und Sozialgeschichte, Bd.

150

102 Fliedner, S., Die Bremer Kogge, z. Aufl.von R.PohtWeber, o.J., S. 4 ff., i8ff., }6 (Hefte des Focke-Museums Bremen, 19); Heinsius, P., Das Schiff der hansischen Frühzeit, Weimar 1956, S. 69ff. (Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte NF, Bd. XII) 103 Olechnowitz, K.-F., Der Schiffbau der hansischen Spätzeit, Weimar 1960, S./ff. (Abhandlungen zur Handelsund Sozialgeschichte, Bd. 3)

auch die Herausbildung eines neuen Schiffstyps; auf der anderen Seite schuf der Schiffbau erst die Möglichkeit, den Handel in Ost- und Nordsee zu steigern und die wirtschaftliche Vorrangstellung der hansischen Kaufleute in diesem Raum zu erreichen. Die aus älteren, vorrangig friesischen Traditionen entwickelte Hansekogge bot dafür beste Voraussetzungen. Sie wurde der vom 12. bis 14.Jahrhundert dominierende Schiffstyp in den nordeuropäischen Meeren. Ihre hervorragende Bedeutung für die hansischen Seestädte kommt auch darin zum Ausdruck, daß nicht wenige von ihnen die Kogge in ihrem Stadtsiegel aufnahmen, so unter anderem Lübeck (1226, um 1250, 1280), Elbing (1242, 1350), Danzig (zweite Hälfte des 13.Jh., um 1300), Stralsund (13.Jh., zweite Hälfte des 13.Jh., um 1300, 1329), Wismär (13.Jh., um 1250, 1350). Schiffssiegel ermöglichten lange Zeit allein, uns eine Vorstellung von dem seetüchtigen und geräumigen hansischen Schiff zu geben, dennoch mußte diese ungenau bleiben, da die Schiffe in das Rund des Siegels eingefügt, stilisiert dargestellt und stets nur in Seitenansicht abgebildet wurden (Abb. 91, 92). Ein originales Schiff existierte nicht, bis im Jahre 1962 in der Weser bei Bremen beim Ausbaggern eines Hafenbeckens unter 3 bis 4 Meter hohen Sandmassen ein Schiffswrack gefunden wurde, das den Koggensiegeln des 13.714.Jahrhunderts entsprach. Damit aber war ein einmaliges schiffbautechnisches Denkmal entdeckt, das zwischen den Schiffen von Oseberg und Gokstad in Oslo aus der Wikingerzeit und dem Stockholmer Kriegsschiff «Vasa» des 17. Jahrhunderts steht. Dieses 23,50 Meter lange und 7,50 Meter breite Schiff mit seinen dachziegelartig übereinander gelegten Planken (Klinkerbauweise), mächtigen durch die Bordwand stoßenden Querbalken, seinem gerüstartigem Unterbau sowie einem den Rumpf überragenden Achterkastell hatte eine Ladefähigkeit von über 65 Last (i Last = 2t), war somit eine Kogge von durchschnittlicher Größe. Trotz des nur einen Mastes und Segels war es verhältnismäßig schnell und wendig, besonders seit Anfang des 13,Jahrhunderts das Seitenruder durch das Heckruder ersetzt wurde. Der Bremer Fund macht einen ausgesprochen

werftneuen Eindruck; das Schiff trägt keinerlei Benutzungsspuren, ja einzelne Teile waren noct unfertig. Darauf läßt auch aufgefundenes Handwerkszeug von Schiffszimmerleuten schließen fehlender Ballast weist darauf hin, daß es nocl: nicht zu Wasser gelassen war. Vermutlich ha' eine der damals häufigen Sturmfluten den wenigi Kilometer weseraufwärts befindlichen Schiffbauplatz, den «Teerhof», überflutet, das Schiff vor der Helling gerissen, weserabwärts getrieben, bi: es an der Fundstelle gesunken ist.102 Bis in das 14. Jahrhundert war die Hansekoggt das geräumigste und seetüchtigste Handelsschiff das mit Waffen und Mannschaften ausgerüste auch als Kriegsschiff (Friedeschiff, Orlogschiff Verwendung fand. Um 1400 wurde die Kogg< allmählich durch einen Schiffstyp ersetzt, de: sich den ändernden Anforderungen des Handels dem verstärkten Transport von Massengüten — Getreide, Holz, Salz - gegenüber den wenige: Laderaum beanspruchenden Waren - Tuchen Bernstein, Wachs und anderem - anpaßte. E; war der Hulk oder Holk. Dieser technisch höhe: entwickelte Schiffstyp ermöglichte eine raschi Steigerung des Seehandels. Es handelt sich da bei nicht um eine grundsätzliche Neuentwick lung - verschiedene Bauelemente, insbesonden der Kiel und alles, was bisher praktisch erprob und für gut befunden worden war, wurde voi den Schiffbauern jetzt aufgegriffen. Der Holk er reichte eine Ladefähigkeit von 150 Last (300 t) seine Aufbauten wurden stattlicher, zum Bei spiel das aus einem oder zwei Stockwerken be stehende Vorder- oder Hinterkastell. Im Lauf) des 15.Jahrhunderts verdrängte der Holk di* Hansekogge immer mehr auf den nordeuropäi sehen Meeren. Eine wirkliche Umwälzung im Schiffbau de hansischen Raumes wurde erst durch die Einfüh rung der Kraweelbauweise erreicht. Eine neu< Art der Beplankung, bei der anstelle der Klinker Bauweise die Schiffbauer die Schmalseite de Planken wie Ziegelsteine aufeinandersetzten, er höhte die Seetüchtigkeit und damit Rentabilitä der Schiffe wesentlich. Von Bedeutung war wei terhin, daß die Undichtigkeit der Schiffe, die j; vorwiegend «mit dem Beile» gemacht wurden gemindert wurde. Manche Schiffskatastropht

konnte dadurch verhindert werden. Auch die Takelage wurde verbessert. Hatte die Kogge auf nur einem Pfahlmast ein großes viereckiges Segel, so wurde mit der Karavelle, deren Ursprung im Mittelmeerraum lag, das dreimastige Schiff in Nordeuropa eingeführt, bei dem jeder Mast ein Segel trug. Mit der Kraweelbauweise verlagerte sich das Schwergewicht der schiffbautechnischen Entwicklung immer mehr nach Westen; wobei vor allem die Holländer die Führung übernahmen. Das bedeutet zwar nicht, daß der Schiffbau in den Hansestädten aufhörte, vielmehr wurde sich die Hanse bewußt, daß eine gemeinsame Schiffbaupolitik nötig war. Die holländische Konkurrenz auszuschalten, war die Hanse jedoch nicht mehr in der Lage.103 Außer den Hochseeschiffen gab es in der Flotte der Hansestädte seefähige Schiffe mittlerer Tonnage, die uns unter verschiedenen Namen entgegentreten wie Ewer oder Kraier, und zahlreiche kleine Küstenschiffe, die gesegelt oder gerudert wurden, die Schute, die Schnigge und noch kleiner die Prahme, sowie für den Hafenverkehr und das Loschen der Seeschiffe eingesetzte Boote. Von der Größe der hansischen Flotte können wir uns nur auf Grund von Schätzungen ein ungefähres Bild machen. Sie wird im 15.Jahrhundert mit etwa 1000 Schiffen (und 30000 Last Schiffsraum) angenommen, die zu etwa zwei Dritteln in den Ostseehäfen beheimatet waren und bis zu einem Drittel deutschen Nordseehäfen entstammten. 60000 Tonnen Ladefähigkeit ihrer Schiffe ließen die Hanse bis zum Ausgang des 15.Jahrhunderts noch an der Spitze der Seemächte des Nord- und Ostseeraumes stehen. 104 Daß Lübeck dabei eine führende Stellung hatte, läßt sich auch aus seinem Schiffsverkehr ersehen. So machten im Jahre 1368 etwa 680 Schiffe auf 1775 Seereisen im Lübecker Hafen fest; 912 Schiffe verließen Lübeck und 863 kehrten dorthin zurück. Eine ähnliche, wenn auch im 14. Jahrhundert noch nicht so bedeutende Stellung wie Lübeck in der Ostsee nahm Hamburg in der Nordsee ein. Von Hamburg aus lassen sich für das Jahr 1369 598 Fahrten ermitteln, wobei allerdings manches Schiff Im Jahr verschiedene Male den Hafen verlassen hat.105

Bis zum 13.Jahrhundert war der Kapitän meist Eigentümer des Schiffes und die transportierten Waren waren sein Besitz. Als die Schiffe größer wurden, ihr Wert stieg und damit die Gefahren eines hohen Verlustes anwuchsen, teilte man das Schiffseigentum in Parten, in zwei oder vier Parten im 14., in acht, sechzehn, zweiunddreißig und mehr Anteile im 15. Jahrhundert. Ein Reeder konnte gleichzeitig Parten an mehreren Schiffen besitzen, war er nun Kaufmann, Schiffbauer oder Schiffer (shep-her = Schiffsherr ~ Kapitän). Das Vermögen des Schiffers war in Schiffsanteilen angelegt. So verpfändete der Lübecker Hermen Mesman im Jahre 1494 zur Deckung einer Schuld dem Frauenkloster St.Johannis zu Lübeck unter anderem alle seine Schiffe mit ihrer Ausrüstung und ihrem Zubehör sowie seine Schiffsanteile am Holk des Märten Quante: am Schiff des Hans Holste: am Schiff des Hans Blank: am Schiff des Peter Ruter: am Schiff des Hermen Burscup: das halbe Schiff von Hans Vranke: alle zur Zeit in Lübeck liegend; seinen Anteil am Schiff des Hans Schäkel zur Zeit in Reval: ein anderer Holk zur Zeit in Stockholm: ein Schiff von 60 Last zur Zeit in Stockholm: Aus diesen Angaben erfahren wir Näheres über das Vermögen des Schiffsherrn sowie die unterschiedliche Größe und den Wert der Schiffe. Auch zeigt sich, daß der Besitz von Parten zur reinen Kapitalanlage geworden ist, der Reeder hatte bereits aufgehört, zugleich Befrachter zu sein. 106 Diese typisch mittelalterliche Betriebsform der Seeschiffahrt, die Partenreederei, führte zu einer Gemeinschaft der Schiffeigner. In ihr kam dem Schiffer und Kapitän das größte Gewicht zu. Er heuerte die Mannschaft an, trug die oberste Verantwortung für die Schiffsführung und nahm - seit dem 15.Jahrhundert — die Eintragungen in das Bordtagebuch vor. Seiner wirtschaftlichen Stellung entsprach sein politisches Ansehen; oft bekleidete er höchste städtische Ämter und gehörte verschiedentlich zur patrizischen Schicht.

1/4 1/8 3/8 1/4 1/8

Anteil: Anteil: Anteil: Anteil: Anteil:

400 Mark 200 Mark 600 Mark 300 Mark 200 Mark 85 Mark

mindestens 625 Mark _ _ -ix . _1_ 1300 Mark mehr als 200 Mark

104 Vogel, W., Zur Größe der europäischen Handeisflotten im 15., 16. und 17.Jahrhundert. Festschrift D.Schäfer, Jena 1915, S.iSc

105 Lechner, G., Die hansischen Pfundzollisten des Jäh res 1368, Lübeck 1935, S.65; (Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte NF, Zd.X)iNirmheim,H.. Das hamburgische Pfundzollbuch von 1369, Hambur 1910, S.XXVII 106 Pauli, C.W., Lübeckische Zustände im Mittelaltei Bd. 3, Leipzig 1878, S. 117, Nr. 25; Dollinger, P., Die Hanse, Stuttgart 3 i98i, Anhang Nr. 41

107 Hanserezesse I, 6, Nr. 457, §6(1417) 108 Hanserezesse II, 6, Nr. 534(147*) 109 Hanserezesse I, 6,

Nr. i57- § 3° no Woywodt, W., Untersuchungen zur Geschichte der hansischen Seeleute vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, Phil. Diss., Berlin 1957, S.4 9 ff., 144; Vogel, W., Geschichte der deutschen Seeschiffahrt, Bd.I, Berlin 1915, 5,443 in F ritze, K., Am Wendepunkt der Hanse. Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte wendischer Hansestädte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Berlin 1967, S.iyt.

Das genossenschaftliche Prinzip galt ursprünglich auch für die Schiffsbesatzung. So hieß es noch im Hamburgischen Stadtrecht von 1497, Artikel IX, «Van Schipprechte», daß der Schiffer bei schwierigen Wetter- und Meeresverhältnissen sich «avereyn to tragende myt dem meisten deele», das heißt sich in schwierigen Situationen mit dem Schiffsvolk zu beraten hat. Mehr und mehr entwickelte sich jedoch aus dem seemännischen Schiffsführer der Herr und Inhaber der strengsten Disziplinargewalt, so daß der in den Quellen gebrauchte Name «schipkindere» für die Schiffsbesatzung nur noch euphemistisch an früher bestehende patriarchalische Zustände erinnerte, die der Wirklichkeit nicht mehr entsprachen. Aus den Schiffskindern war das Schiffsvolk geworden. Bis zum 15.Jahrhundert bildete sich bei der Intensivierung der Schiffahrt und dem Größerwerden der Schiffe noch innerhalb des Schiffsvolks eine Differenzierung nach Stellung und Tätigkeit heraus. Neben den Schiffer war der Steuermann getreten als sein Vertreter, der aber keine Befehlgewalt über die Mannschaft hatte. Weiterhin gehörten Hauptbootsmann, Schiffsmann, Bootsleute und Knechte sowie hin und wieder Schiffsjungen zum Schiffsvolk. Außerhalb der eigentlichen Mannschaft standen der Schiffszimmermann sowie der Schiffsschreiber. Sie alle gerieten ständig mehr in die Stellung bezahlter Lohnarbeiter. Die Veränderungen in ihrem Sozialstatus brachten seit dem 15.Jahrhundert in steigendem Maße Unzufriedenheit mit sich: „3tem fo ^ebbcn t»e fdtfpberen groet gebreecf an Öen fcfeipmans, öat fe en ntd>t en eyn unbe en t?e(e owrmoftes ent>e eren fiepen untlopm." 107 (Die Schiffsherren haben große Sorgen mit der Besatzung, da sie ihnen nicht gehorsam ist, viel Übermut treibt und ihren Schiffen entläuft.) Bei den Auseinandersetzungen ging es vor allem um die Entlohnung, deren Hohe und Auszahlungsform. So klagt in einem Brief vom 24. Dezember 1472 der Danziger Rats- und Schiffsherr Bernd Pawest:

„... t»y ^ebben eine vorgaööerfce felfcfeopp un6 etlite quofee box>en, unb bringen my alle tage umme gelt."'08

(. . . wir haben eine aufeinander angewiesene Gesellschaft, dabei aber schlechte Leute, die mich alle Tage um Geld drängen.)

Ein Grund dafür war, daß das ursprünglich den Besatzungsmitgliedern zustehende Recht auf «Führung» - die Mitnahme und den Verkauf einer bestimmten Warenmenge auf eigene Rechnung — immer weniger wahrgenommen werden konnte. Den zunehmenden Unruhen, dem Ungehorsam sowie der Desertation trat der Lübecker Hansetag des Jahres 1418 entgegen und drohte in den am 24. Juni beschlossenen Statuten harte Strafen an: Kommt ein Schiffer mit seinem Schiff und den Waren in Seenot, «unde syne schipmans eder skepeskindere eme nicht helpen en wolden und ome entogen . . ., dar scholde men ene in enen torn (Turm) selten unde twe mante (Monate) holden mit watere unde mit brode». Gibt es über einen wiederholt Klagen, soll er drei Monate bei Wasser und Brot im Turm gehalten werden, «unde geven ome denne eyn teken (Zeichen) in dat ore» — als abschreckendes Mittel.109 Seit dem 15. Jahrhundert schlössen sich die in der Seefahrt Tätigen zu Bruderschaften zusammen, die — ebenso wie die Gesellschaften und Bruderschaften im handwerklichen Bereich kirchlichen, sozialen und geselligen Zwecken dienten. In Lübeck gab es eine Schiffergesellschaft seit 1401; später wurden ähnliche in Rostock, Stralsund, Hamburg und anderen Seestädten der Hanse gegründet. Anfangs standen diese Gesellschaften häufig allen zur See Fah renden - Kaufleuten, Schiffern und Seeleuten offen, allerdings übten die Kaufleute und Schiffsherren den bestimmenden Einfluß aus. Am Ende des 15.Jahrhunderts vereinigten sich dann ähnlich den Gesellenverbänden die Bootsleute zur Wahrung ihrer Interessen zu eigenen Gesellschaften wie in Lübeck zur St, Annenbruderschaft.110 So wichtig das Schiff für die Hanse, für jede Seestadt und jeden Kaufmann, so groß die Zahl der im Mittelalter im Hansebereich gebauten Schiffe auch war, so wenig wissen wir über die Schiffbauplätze (Abb. 115) und die Handwerker, die diese Schiffe gebaut haben. Oft können wir

nur Rückschlüsse aus späteren Nachrichten ziehen oder erfahren darüber auf indirektem Wege. So läßt sich zum Beispiel ein Aufschwung des Stralsunder Schiffbaus aus dem Kämmereibuch erschließen, wenn sich die Zahl der Besitzer von Arealen, auf denen Schiffe gebaut wurden, von 9 Im Jahre 1400 auf n im Jahre 1411 und wenige Jahre später auf 13 erhöht. Davon scheinen fünf größere Werften gewesen zu sein neben 8 kleinen und kleinsten, die für den Bau leistungsfähiger Seeschiffe kaum in Frage kamen.111 Eine Lastadie, meist ein umzäunter Platz am Wasser, der

alle damals notwendigen Vorrichtungen enthielt, Materialien für den Schiffbau aufnehmen konnte, günstige Voraussetzungen durch eine entsprechende Neigung des Bodens für den Stapellauf und ein Fahrwasser in notwendiger Breite enthielt, gab es jedoch wohl bei jeder hansischen Seestadt. Manches auf der Lastadie, vor allem zum Schiffbau unentbehrliche Rollen und Winden, wird genossenschaftliches Eigentum gewesen sein. Die früheste Nachricht einer Bruderschaft der Schiff s zimmerleute ist aus Wismar vom Jahre 1411 bekannt.

n j Schiffswerft (Lastadie). Seilerbahn zur Taufabrikation und «lakenramen» zum Trocknen von Laken au Wollstoffen. Holzschnitt von Corneli Anthonisz, Amsterdam 1549 (Ausschnitt). Amsterdam, Historisch Museum

n6 Gebräuchliche Seezeichensymbole auf niederländischen Karten des i6.Jh. 117 «Vertonung» der Umgebung von Stralsund, von knappen Segelanweisungen begleitet. Die Ansichtsskizze gibt als besonders markante Punkte die Kirchtürme wieder.

112 Olechnawitz, K.-F., Der Schiffbau der hansischen Spätzeit, Weimar 1960, S.86ff., 94 (Abhandlunger; zur Handels- und Sozi algeschichte, Bd. 3) 113 Schnall, U., Bemerkungen zur Navigation auf Koggen, in: Jahrbuch der Wittheit zu Bremen, XXI, 1977, S.itftt.iScbnall, U., Schifffahrtswege, Seekarten und Instrumente, in: Museum, i, 1977, S. Soff. (Deutsches Schiffahmtnuseum Bremerhaven) 114 Segelanweisung aus dem Seebuch, Kap.XII, 12.Fase. A: gedruckt bei: K.Koppmann, Das Seebuch, Bremen 1876,5.53 115 De Spiegel vander Zee, in: De Caerte vander Zee om oost ende west te seylen . . ., Amsterdam 1588, fol.A.IIF; zk. nach:/.Goetze, Hansische Schiffahrtswege In die Ostsee, in: Hansische Geschichtsblätter, 95, 1975, S.71

Für den Bau eines Schiffes schloß der Schiffer durch Vermittlung des Schiffszimmeramtes mit dem Schiffszimmermeister einen Vertrag; dieser nahm die notwendigen Schiffszimmerleute zur Arbeit mit der Verpflichtung an, bis zur Fertigstellung des Schiffes bei ihm zu arbeiten. Die Schiffszimmerleute gliederten sich in Meister, Werkleute und Lehrknechte; hinzu kamen in großer Zahl Hilfskräfte wie Grobhauer, Säger, Bohrer, Takler, Kalfaterer, Pech- und Teersieder, Wergpflücker und andere. Vom Schiffszimmermann wurde hohes Können verlangt, bei seiner Arbeit war er stets den Witterungsunbilden ausgesetzt. Die Arbeitszeit reichte allgemein im Sommer von 5 Uhr morgens bis 18 Uhr abends, im Winter wurde sie durch das Hell- und Dunkelwerden begrenzt. Die Entlohnung erfolgte oft nach Abschluß einzelner Arbeitsgänge, also wenn eine Teilarbeit verrichtet war; schon früh hatten sich daneben aber auch Formen des Zeit- und Stücklohnes durchgesetzt. Wie In anderen Handwerken war eine festgesetzte Lehrzeit zum Erlernen des Berufes notwendig. Wurde ein Lehrknecht nach seiner Lehrzeit «losgesprochen», erfolgte seine Aufnahme in die Reihe der Werkleute, die die Masse der im Schiffbau tätigen Handwerker bildeten. Ihre soziale Stellung entsprach in vielem der der Gesellen anderer Zünfte, für sie war jedoch der Erwerb des Bürgerrechts Voraussetzung. Meister zu werden, stand dem Schiffbauer zwar grundsätzlich offen, erforderte allerdings hohe Mittel für Gerätschaften, Schiffbauholz sowie für einen Platz und eine Bude auf der Lastadie. Die Mehrzahl der Werkleute war und blieb daher Lohnarbeiter. In einigen Hansestädten kam es noch zur Trennung in den Schiffbau- und den Schiffszimmermeister. Während der Schiffszimmermeister praktisch den Schiffbau leitete, entwickelte sich die Tätigkeit des Schiffbaumeisters immer stärker zu einer Aufsichtsfunktion. Insgesamt galt der Schiffbau als ein «Officium», ein Amt im Dienste der Stadt.112 Die Arbeit des Schiffbauers wurde ebenso wie die des Schiffers und Schiffskapitäns selbst durch den Stand der Schiffahrt, die Navigation sowie die Schiffahrtswege bestimmt. Die Kogge, ursprünglich - bei flachem Boden und mit geknick-

tem Kiel - ein Wattenfahrzeug, gehörte trotz zt nehmender Größe in der Ost- und Nordsee i den Bereich der küstenorientierten Schiffahr dies galt auch noch für den Hulk. Meist fuhr ma an den Küsten entlang und überquerte die offer See nur an schmalen Stellen. Zur Kursbestin mung hatte sich der Schiffer markante Punk und unterschiedliche topographische Formatu nen eingeprägt, gab diese zuerst mündlich we ter, bis sie als Segelanweisungen aufgezeichn und gedruckt wurden und somit feste Schlf fahrtswege beschrieben. Im 15.Jahrhundert en stand das «Niederdeutsche Segelbuch», eil Sammlung von Segelanweisungen, die den KI stenveriauf, die Häfen, Entfernungen, Untiefe: Kurse und Landmarken und ähnliches knap aber genau verzeichneten. Es handelte sich dab um eine etwa ein Jahrhundert früher in Brüg: zusammengestellte, für den hansischen Bereit ergänzte und ins Niederdeutsche übersetz Kompilation von Segelanleitungen für die Schi! fahrt zwischen England und Reval.113 Das älteste bekannte Navigationsinstrume war das Lot; mit ihm wurde die Meerestiefe g messen. Es ist an der Nord- und Ostseeküs archäologisch seit 800 nachgewiesen. NatürÜci Landmarken wie Landformationen, Inseln, Be ge, Flußmündungen, Baumgruppen usw. dient der Orientierung (Abb. n6). Seit dem 13.Jäh hundert kamen unter skandinavischem Einfli im deutschen Gebiet auch künstliche Seezeich auf.

„... unbe J?ol6et 6e tette to ^elflngore imt bat batfl?u0 alfo, bat (gy) tariflichen feen mögen, fo möge cjy nid?t mieöon an £app fanbe up 7 t>a6em, un&e ölfo motje tjt nid? unberfegelen."114

(. . . und haltet die Kirche von Helsingör ui das Backhaus derart, daß ihr zwischendurch s hen könnt, so könnt ihr keinen falschen Kurs s geln beim Lappesand bei /Faden, und also kön Ihr nicht zu nahe daran segeln.)

Kirchtürme und andere Gebäude spielten in d Segelanweisungen eine bedeutende Rolle. Bt spielsweise konnte man den 126 Meter höh Turm der Petrikirche in Rostock bei klarer Sie aus etwa 30 Seemeilen Entfernung sehen. Au

+ +

+

f -:-y.'..;;;-;l

i Tt

.••"i i"--. '••TT-''

*i* ^

T* A

¥

TTTTTT

AAAAA

SL&»

llfe

Af

Dünenketten und künstliche Erhebungen wie Grabhügel aus der Bronzezeit usw. waren gut sichtbar. Bald wurden die Hafeneinfahrten besonders markiert, seit Beginn des 14.Jahrhunderts in Form der Leuchtfeuer. Für 1306 wird ein Leuchtfeuer auf Hiddensee erwähnt, von einem «custos lucernae», einem Leuchtturmwärter, erfahren wir zuerst 1316 aus Travemünde, der Einfahrt nach Lübeck, während für Warnemünde bei Rostock ein Leuchtfeuer erstmals 1348/1349 bezeugt ist. Spater markierten auch Tonnen, mit Ketten an schweren Steinen befestigt, das Fahrwasser. Seit dem 15.Jahrhundert wurden die Segelanweisungen durch kleine Ansichtsskizzen bestimmter Küstenabschnitte oder Inseln, die sogenannten Vertonungen (Abb. 117), ergänzt; sie gaben den Küstenverlauf, und zwar vor allem die markantesten Punkte, die natürlichen und künstlichen Seezeichen wieder; auch galt es zur Kursfindung auf Wasserfärbung, auf Vögel in Landnähe und bestimmte Fischarten zu achten. Der Kompaß war im hansischen Bereich lange Zeit ungebräuchlich. Im englischen Kanal wurde er das erste Mal nachweislich im ausgehenden 12.Jahrhundert verwendet, in Skandinavien um 1300. Die Hansekoggen werden jedoch kaum vor 1400 einen Kompaß an Bord gehabt haben. Somit war es lange unmöglich, die genaue Position des Schiffes zu bestimmen. Segelanweisungen

blieben daher die wichtigsten Hilfsmittel der Navigation, und zwar waren bis ins 17. Jahrhundert die Niederlande auf dem Gebiet der Seekartographie führend (Abb. 118). Es war für den Schiffer außerordentlich nützlich, daß er auf der Seekarte lesen konnte „t»ön tjetyben, ... t>an fhrecten, xwm cufhn ... ettbe t>ön »allen x»an ßroomen, unfce t>an btepten, van tjron&m" l15 (von Gezeiten. . ., Strecken, von Küsten. . ., von hervorbrechenden Strömungen, von Tiefen und Gründen.)

118 De kaert väder zee Titelseite des ältesten gedruckten nordeuropa sehen Segelhandbuches Amsterdam 1^31. In ih sind Segelrouten von Spanien, Portugal bis i: Baltikum und nach Süi norwegen beschrieben.

156

Charakteristisch für die hansische Navigation waren demnach das Loten der Wassertiefe, das Nehmen von Bodenproben beim Loten zur Bestimmung der Bodenbeschaffenheit sowie die Kursfindung nach natürlichen und künstlichen Landmarken. Seebuch und Segelanweisungen lassen erkennen, daß sich feste Routen im Schiffsverkehr herausgebildet hatten, daß man «up de trade» fuhr. So lassen sich Ostseefahrten sowie «Umlandfahrten» um das dänische Land durch Belt, Skagerrak und Kattegat durchaus rekonstruieren, zum Beispiel nach Rostock, Danzig und Livland oder von Reval nach Gotland bzw. Bornholm. Sogar Haupt- und Nebenlinien kann man unterscheiden. Für schwierige Segelstrecken oder zum Einsegeln in den Hafen konnten auch Lotsen an Bord genommen werden.11

Außer dem Transport der Waren auf See spiel te neben der Warenbeförderung auf den Straßer mit Planwagen die Flußschiffahrt für eine Reiht von Hansestädten und vor allem von Binnen Städten eine bedeutende Rolle. Segel- und Ruder boote brachten auf dem Rhein von Straßbur; nach Köln Waren aus dem Süden, die hier au Seekoggen umgeladen und weiter in die Nordse transportiert wurden. Die Elbe aufwärts wurd über Magdeburg, schließlich über die Moldau di Verbindung mit Prag geschaffen. Hamburg er reichte über Spree, Havel und Elbe Getreide au der Mark; von Stettin bzw. Frankfurt (Odei wurde auf der Oder Breslau angelaufen. Thorne Kaufleute befahren die untere Weichsel, gelang ten auch stromaufwärts nach Warschau un> Krakau.117

Der Handwerker

ei der Gründung und weiteren Entwicklung der Hansestädte hatte außer dem Kaufmann der Handwerker (Abb.97) wesentlichen Anteil. Unterschied sich die Produktion hier anfangs kaum von der anderer Städte dieser Zeit, so beeinflußte später der Fern- und Zwischenhandel vor allem in den Seestädten ihren Charakter. Schon früh läßt sich eine gewerbliche Differenzierung wie auch der korporative Zusammenschluß der Handwerker in Zünften erkennen, der den Aufschwung des Gewerbes entscheidend gefördert hat. Aus dem Kerngebiet der Hanse tritt uns erstmals eine Zunft im Jahre 1282 urkundlich entgegen, und zwar in Rostock die Zunft der Sattler und Schildmacher. 1270 waren bereits 41 Gewerbe zunftmäßig organisiert, unter anderem die Schmiede, Schuhmacher und Kleinböttcher. Im 14.Jahrhundert nahm diese Entwicklung noch wesentlich zu; 1340 gab es die Zunft der Grapengießer (Kesselgießer), 1368 der Goldschmiede, 1393 der Bäcker usw. Auch für Wismar ist der Zusammenschluß der Handwerker in Zünften für den Ausgang des 13. Jahrhunderts belegt, unter anderem für die Knochenhauer, Bäcker, Schuster, Gerber, Kupferschmiede und Bechermacher. Hier wie in anderen hansischen Städten läßt sich das straßenweise Zusammen wohnen einzelner Gewerke schon früh an den Straßen-

namen nachweisen. Wismar hatte seit 1260 ein Böttchergasse, seit 1273 eine Weberstraße uni nach 1260 eine Gerberstraße. Die genossenschaftliche Vereinigung de Handwerker bestimmter Gewerbezweige dient auch in den Hansestädten in erster Linie der Schutz vor der Konkurrenz innerhalb und außer halb der Stadt. Damit aber waren zugleich di Voraussetzungen geschaffen, die Fertigkeiten z vervollkommnen, den technischen Aufschwun zu fördern und das städtische Handwerk zu Blüte zu führen. Durch die Regelung der Ausbü düng der Lehrjungen in den einzelnen Handwei ken wurden die gewonnenen Fähigkeiten un Fertigkeiten an die junge Generation weitergegt ben. Darüber hinaus verfolgte die Zunft sozial Ziele - die Unterstützung von Kranken und d Versorgung von Witwen und Waisen - sowie d religiösen und geselligen Anliegen - die gemein same Gestaltung religiöser Feiertage und dt Zunftfeste wie das der Meiserköste.118 Die wirtschaftliche Stellung der Zünfte wurd weiter dadurch gestärkt, daß die einzelnen städt sehen Gewerbe sich ein Monopol sicherten. Dif geschah zum einen durch den «Zunftzwang» jeder Handwerker mußte «die Zunft gewinnen» das heißt Zunftmitglied werden. Damit wurd für die einzelnen Zunftangehörigen die «Nah rung» und die Kontrolle der Qualität der produ

116 Schnall, U., Bemerkungen zur Navigation auf Koggen, in:Jahrbuch der Wittheit zu Bremen, XXI, 1977, S. 141 ff.; Lang, A. W., Seekarten der südlichen Nord- und Ostsee. Ihre Entwicklung von den Atifängen bis zum Ende des 18.Jahrhunderts, Hamburg/Berlin (West)/Stuttgart 1968 117 Rosenfeld, H. F. H. Rosenfeld, Handbuch der Kulturgeschichte i., Deutsche Kultur im Spätmittelalter, Wiesbaden 1978, S.is/ff. 118 Leps, C., Das Zunftwesen der Stadt Rostock bis um die Mitte des ^.Jahrhunderts, Teil I, in: Hansische GeschichtsBlätter, 58, 1934, S . n j f . ; Brügmann,}., Das Zunftwesen der Seestadt Wismar bis zum Beginn des 17.Jahrhunderts, in: Mecklenburgische Jahrbücher, 99, 1935, S. i j S f f . ; Techen, F., Die Sraßennamen Wismars, in: Mecklenburgische Jahrbücher, 66, 1901, 8.85, 89, 106

zierten Waren garantiert. Zum anderen sorgte die Zunft dafür, daß auch im «Bannmeilengebiet», im ländlichen Einflußgebiet um die einzelne Stadt herum, die Produktion gleicher Waren untersagt war. Die Arbeit und das Leben wurden in den einzelnen Gewerbezweigen durch Statuten geregelt, die in Form der Zunftrollen - häufig auf Pergament geschrieben, um einen Stab gerollt und in der Gewerkslade aufbewahrte Urkunden in großer Zahl auf uns gekommen sind. Tritt uns im allgemeinen für die Handwerkerkorporation des Mittelalters der Name «Zunft» entgegen, so wird in den norddeutschen Städten meistens von den «Ämtern» gesprochen. In dieser Bezeichnung kommt zum Ausdruck, daß die Handwerker ihr «Amt» vom Rat verliehen bekommen und im Interesse und zum Wohl des städtischen Gemeinwesens auszuüben haben. Der Rat führte darüber Aufsicht und hatte gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, daß alle Gewerbezweige zur Deckung des Bedarfs der Bevölkerung sowie zum weiteren Aufblühen der Stadt in ausreichender Zahl vorhanden waren. Und in der Tat waren Zahl und Entwicklungsstand der Gewerbe in den Hansestädten nicht niedrig. Handel und Schiffahrt erforderten eine gut ausgebildete Böttcherei, Reifschlägerei und Tischlerei; Zimmerleute, Schmiede und Weber wurden dringend benötigt. Für die städtische Bevölkerung und Ernährung der Schiffsbesatzungen waren Bäcker, Brauer und Fleischer unentbehrlich. Florierender Handel ermöglichte dem Städtebürgertum eine bessere Lebensführung und größere häusliche Behaglichkeit: Farbenfreudige flandrische und englische Tuche wurden zu Kleidungsstücken der wohlhabenderen Bürger verarbeitet, russische und livländische Pelze und Felle zu Pelzmänteln und Schauben, Zinn aus England zu Kannen, Schüsseln und Flaschen, ungarisches Kupfer zu Kesseln und Grapen, russisches Wachs zu Kerzen für Gottesdienst und Haus. Das Handwerk hatte allerdings in zahlreichen Hansestädten - und zwar besonders m den Seestädten - weitgehend nur lokalen Charakter; man produzierte für die gewöhnlichen und anspruchsvolleren Bedürfnisse der Bevölkerung sowie für die unmittelbaren Erfordernisse von Handel und Schiffahrt.119

Die wachsende Zahl und Stärke der Gewerbe in den Hansestädten läßt sich deutlich erkennen: In Stralsund gab es 1284 bereits mehr als 60 Gewerbe, in Rostock 1290 77 selbständige Handwerke. In Danzig arbeiteten nach der Steuerliste des Jahres 1416 nicht weniger als 1081 Handwerker. In Lübeck, dessen Situation für die städtische Produktion mehrerer Seestädte charakteristisch ist, läßt sich die Zahl der selbständigen Handwerker mit etwa 1350 festsetzen, darunter finden sich 116 Knochenhauer, 100 Schuhmacher, etwa 100 Schmiede und ebensoviele Schneider sowie 64 Bäcker. Drei Viertel alier lübischen Handwerker arbeiteten unmittelbar für den lokalen Markt; ihre Waren dienten der Befriedigung der Nahrungs-, Kleidungs- und Wohnbedürfnisse der Bevölkerung in der Stadt und ihrer Umgebung. Weitere Gewerbe waren: Gerber, Pelzer,

119 Handwerker mit Hammer und Beil. Meister Stephan, Dat Schakspel, 15. Jh.

119 Stieda, W., Hansischi Vereinbarungen über scädi sehe Gewerbe im 14.und 15.Jahrhundert, in: Hansi sehe Geschichtsblätter, 18 S.ioiff.

Woll- und Leineweber, Pantoffel-, Handschuh-, Hut-, Gürtel- und Beutelmacher sowie die Schmiede, Zimmerleute, Maurer, Glaser, Sattler, Riemer, Radmacher, Kerzengießer und andere kleinere Ämter.120 Eines der wichtigsten Gewerbe für den Handel und insbesondere den Seehandel war die Böttcherei. Ihre Haupterzeugnisse, die verschiedenen Tonnen (Abb. 95) und Gefäße, waren für den Kaufmann unentbehrlich. Die meisten Handelsgüter, ob Fische, Butter, Pelze, Bier oder Salz, wurden in Tonnen verpacke und auf Schiffe verfrachtet. Daher wurde auf eine sorgfältige Herstellung der Böttchereiwaren Wert gelegt. So mußten zum Beispiel in Wismar 1499 die Böttcher ihre Tonnen besonders kennzeichnen: „en ptinb n>et>t>e0."126 (Auch soll kein Meister oder Knecht am Sonntag arbeiten, bei einem halben Pfund Strafe.) Über das Verbot, «wandelbar werck» (schlechte Arbeit) zu leisten:

„"Dortmer tuelcf man 6e fyn wercE fd?et, alfo Öat tb wanbelbar te, be en fd>al 6ef? amptee nidjt me^r brüten."!27 (Wenn jemand seine Arbeit so ausführt, daß sie schlecht ist, soll er dem Handwerksamt nicht mehr angehören.) Jeder unlautere Wettbewerb sollte unterbunden werden, kein Meister hatte mehr Aufträge anzunehmen, als er mit den vorhandenen Arbeitskräften erarbeiten konnte, keiner durfte mehr Rohstoffe einkaufen, als er in einer kurzen Zeitspanne für seine Arbeit benötigte. Alle diese Anordnungen änderten nichts an den wachsenden sozialen Unterschieden, auch nicht innerhalb eines Handwerks. Die günstigeren Bedingungen, unter denen der eine Meister arbeiten konnte und somit eine qualitativ bessere Arbeit leistete, die Möglichkeit, die Zahl der Arbeitskräfte zu erhöhen, die verschiedenartigen Verkaufsaussichten für die Waren, die Fähigkeit der Geldaufnahme usw. schufen Voraussetzungen dafür, daß sich innerhalb einer Zunft wohlhabende von ärmeren Handwerksmeistern abhoben. Diese soziale Differenzierung findet im Verlaufe des 14. und besonders im ^.Jahrhundert ihren Ausdruck in unterschiedlichem Besitz von Häusern und Grundstücken und damit in den Wohnverhältnissen, in der Größe der Werkstätten und im angesammelten Barvermögen.128 Waren die meisten Seestädte der Hanse vor allem Fernhandelsstädte, in denen der Zwischenhandel mit Waren aus den Ost- und Nordseeregionen florierte bzw. über deren Häfen und auf deren Schiffen Erzeugnisse ihres engeren und weiteren Hinterlandes exportiert wurden, so verdankt eine Reihe hansischer Binnenstädte ihren Aufstieg einer starken, auf den Export gerichteten Gewerbeproduktion, zum Beispiel Lüneburg und Halle mit ihrer Salzgewinnung, Erfurt mit der Waidproduktion in seiner unmittelbaren Umgebung, Köln und Braunschweig, die zwar auch Fern- und Zwischenhandelsstädte waren, aber zugleich ein starkes Exportgewerbe entwikkelt hatten. In Köln waren die Handelsbeziehungen und das Exportgewerbe durchaus als gleichmäßig entwickelt anzusehen und eng miteinander verfloch-

124 Johansen, P., Umrisse und Aufgaben der hansisch Siedlungsgeschichte und Kartographie, in: Hansisch Geschichtsblätter, 73, 1955

5. 19

115 Aus der Rolle der Goldschmiede von 1371: Wehrmann, C., Die älterei Lübeckischen Zunftrollen, Lübeck 1871, S. 221

126 Rolle der Apengeier von 1432: Wehrmann, C., älteren Lübeckischen Zunf rollen, Lübeck 1872, S . i j j

127 Aus der Rolle der Goldschmiede von 1492: Wehrmann, C., Die älterei Lübeckischen Zunftrollen, Lübeck 1872, S. 218

128 Laube, A., Wirtschaft liehe und soziale Differenz rung innerhalb der Zünfte i 14. Jahrhunderts, dargestel am Beispiel mecklenburgi scher Städte, in; Zeitschrif für Geschichtswissenschaft 6, 1957, S.1181-1197

i6o

120 Wollweber mit Schiff, Schere und Messer. Meister Stephan, Dat Schakspel, 15.Jh.

ten. Die vorwiegend für den Fernabsatz arbeitende Wolltuchproduktion hatte bereits um 13^0 einen Höhepunkt erreicht; das gleiche traf für die mehr auf den Nahmarkt ausgerichtete Herstellung grober Woll- und Leinenstoffe sowie Mischgewebe zu (Abb. 120). Die Weber nahmen in Köln deshalb schon früh eine wirtschaftlich und politisch dominierende Stellung ein. Das Metallgewerbe kam in Köln vor allem im 15.Jahrhundert zu einem schnellen Aufschwung. Die Waffenherstellung sowie die Draht- und Stahlproduktion wurden weit über die Stadt hinaus bekannt. Die Buntmetall und Eisen verarbeitenden Handwerker gewannen an Einfluß, die Leder- und Kürschnergewerbe sowie die Bierbrauereien hatten über die Stadt Köln hinaus Bedeutung.

In Braunschweig waren es ebenfalls die Tuchmacherei und das Metallgewerbe, die vornehmlich für den Export produzierten. Aus einer Prozessions- sowie einer Verfassungsordnung von etwa 1400 ist ersichtlich, daß weitere Handwerkszünfte als ratsfähig angesehen werden: die Knochenhauer, Gerber, Schuhmacher, Bäcker, Beckenwerker, Schneider und Schmiede. Die wesentlich stärkere wirtschaftliche Position der Zünfte im Binnenland im Vergleich zu den meisten Seestädten in dieser Zeit hatte zu einer sozial gehobenen Stellung wichtiger Gewerke und nach sozialen Kämpfen in den Städten auch zur Ratsfähigkeit von Handwerksmeistern aus den einflußreichsten Zünften geführt. l39 Vollberechtigte Mitglieder der Handwerksämter waren die Meister. Sie besaßen eine Werkstatt, waren im Besitz der nötigen Werkzeuge, verfügten über die in ihrer Werkstatt hergestellten Waren und erzielten Gewinn durch deren Verkauf. In der Werkstatt des Meisters arbeiteten meistens ein bis zwei Gesellen (Abb. 121) und wohnten in seinem Hause. Eine Arbeit auf eigens Rechnung war ihnen verboten. Die Handwerksgesellen gehörten ebenfalls dem Amt an, warer aber keine vollberechtigten Mitglieder. Wollte ein Geselle die Meisterschaft gewinnen. mußte er in feierlich-zeremonieller Form die versammelten Zunftgenossen um die Aufnahme ir das Amt ersuchen. Die «Eschung» erfolgte in der Morgensprachen - unterschiedlich ein- odei zweimal. Der Bewerber hatte weitere Bedingungen zu erfüllen, die sein Verhalten sowie dit Qualität seiner Arbeit betrafen. Dies geht untei anderem aus der Rolle der Buntmaker, spätei Bundfutterer, die Felle aller Art, aber hauptsächlich von Eichhörnchen verarbeiteten, hervor.130 Mit der Eschung wurde noch eine Probezeii und ein Meisterstück verlangt; darüber hinaus mußte der das Amt eschende Geselle auch ein Mindestvermögen nachweisen. Oft waren weitere Geldmittel für Kerzen an die Kirche, für einen Harnisch zur Stadtverteidigung, für Bier und Kost an die Meister und auch ein «Zeugebrief» über gute Arbeit und ehrbaren Lebenswandel Bedingung. Immer wurde gefordert, daß er «echt und recht» geboren, das heißt von ehelicher Geburt sei, daß er eine «umberuchtete vrowe . . .

edder juncvrouwe» (eine Frau . . . oder Jungfrau mit gutem Leumund) heirate.131 In den wendischen Gebieten wurde unter «echter Geburt» außer freier auch noch deutsche Abkunft verstanden und zum Teil ausdrücklich gefordert. Die Gesellenzeit war für den Handwerksknecht ursprünglich ein Durchgangsstadium, in dem er sein In der Lehre gewonnenes Wissen und Können vertiefte, um nach einer gewissen, allerdings unterschiedlich langen Zeit das Meisteramt gewinnen zu können. Nach zahlreichen Zunftrollen durfte der Geselle nicht verheiratet sein. Er lebte im Hause des Meisters und aß mit an seinem Tisch, ja oft übte der Meister gegenüber dem Gesellen geradezu eine Art Vormundschaft aus. So heißt es in einer Rolle: „... bot einem cf)rtj?ltten gebühret", 6ie Oefellen „alle xnerbage o frören, unb bar jemanb jicE in fceme imgebö^rltd? un6e öle een imd>rtj* t>ort?ott>en tüor&c, fcemfelben fcf)all jlen me.fier ocE aleban 6m öifd? tl?o becfcn nidjt fdmßtcf jien." l32 (. . . daß einem christlichen Hausvater (Meister) gebührt, die Gesellen dazu anzuhalten, alle vier Tage Gottes Wort zu hören, und wenn jemand sich ungebührlich oder unchristlich verhalten würde, soll sein Meister diesem den Tisch zu decken nicht mehr schuldig sein.) Die Meister hatten über das sittliche Verhalten der Gesellen zu wachen und ungebührliches Betragen - Herumtreiben, Lärmen auf den Straßen, um Geld spielen, Betrinken usw. - mit Geldstrafen zu ahnden. Später wurden grundsätzlich «denstbreve» über die geleistete Arbeit der Gesellen und Ihr Wohlverhalten gefordert, zumal mehr und mehr das Wandern der Gesellen aufkam. Da die Zünfte verschiedener Hansestädte Vereinbarungen über die Gesellen trafen, konnten diese sich kaum irgendwelchen Bestimmungen entziehen. So legten die Kleinböttcher- und Bechermachermeister der fünf Seestädte Hamburg, Lübeck, Wismar, Rostock und Stralsund im Jahre 1494 gegen die Gesellen fest: „wen bar turnt eyn g^efeUe toanberenöe in ber t>yf ßeöe eyn, fo m fd?al nyn mefcen bencbbcn J/2 jar." 133

in «De amtknecht» (der Zunftgeselle), Totentanz, Lübeck 1498.

129 Irsiegler, F., Die wirtschaftliche Stellung der Stadt Köln im 14.und 15.Jahrhundert. Strukturanalyse einer spätmittelalterlichen Exportgewerbe- und Fcrnbandelsstadt, Wiesbaden 1979 (Viertcljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 1979); Spiess, W,, Fernhändlerschicht und Handwerkermasse in Braunschweig b:s zur Mitte des i j . Jahrhunderts, in: Hansische Geschichtsblätter, 63, 1939; Bö gucka, M., Gdarisk jako ösn dek produkcyjny w XIVXVII wieku, Warszawa 1962

(kommt ein Wandergeselle in eine der fünf Städte, so soll kein Meister ihn unter einem halben Jahr einstellen.) Die Knechte mußten sich in einer Stadt mindestens ein halbes Jahr verdingen und konnten auch den Arbeitsplatz nicht selbst wählen. Wenn einer entlief oder mehr Geld als vom Amt festgelegt forderte, fand er in keiner dieser Städte noch Aufnahme. Die tägliche Arbeitszeit war lang; sie reichte zumeist vom Morgengrauen bis zum Dunkelwerden. So verlangten die Rothgießer von Lübeck, Braunschweig, Hamburg, Rostock, Stralsund, Wismar, Magdeburg, Bremen und weiteren Hansestädten, daß die Gesellen „Öes morgens t^»o 4 fliegen tip el?rer meiner arbeit wefen, unöe bee üt>enfceö tfe»o 8 fcfoletjen, bar wcbber t>on utt?befrf>eöen öc 6onnerstag un& fcmnavenfc fcfeölen fe 6 fliegen tneraüenö ^ebben . . . , 6arti? in get>acfeten üerenttelja^rs einen frien monbag'V34

130 Rolle der Buntrnaker voi 1386 in Lübeck: Webrmann, C., Die älteren Lübeckischei Zunftrollen, Lübeck 1871, S.r^if.

131 Rolle der Apengeter von 14321 Webrmann, C-, I älteren Lübeckischen Zunftrollen, Lübeck 1872, S. 157

132 Rüdiger, O., Ackere Hamburgische und Hansestädtische Handwerksgeselle documente, in: Zeitschrift de Vereins für hamburgische Geschichte, 6, 1875, 5.566

133 Rüdiger, O., Ackere Hamburgische und Hansestädtische Handwerksgeselle documente, in: Zeitschrift de Vereins für hamburgische Geschichte, 6, 1875, S. 567

154 Rüdiger, O., Ackere Harnburgische und Hansestädtische Handwerksgeselle documeme, m: Zeitschrift de Vereins für hamburgische Geschichte, 6, 1875, S. 567

162

135 Langer, H., Zur Rolle der Lohnarbeit im spätmittelalterlichen Zunfthandwerk der Hansestädte, in: Jahrbuch für Regionalgeschichte, III, 1968, S.101 136 Rüdiger, O., Aeltere Hamburgische und Hansestädtische Hand werksgesellendocumente, in: Zeitschrift des Vereins für hamburgische Geschichte, 6, 1875, 8.546 137 Rolle der Apengeter von 1432: Wehrmann, C., Die älteren Lübeckischen Zunftrollen, Lübeck 1872, S. 157 138 Koppmann, K., Gereimte Rollen der Goldschmiedeund Barbier-Lehrlinge, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock, 1907, 5.42 bis 44

(am Morgen um 4 bei der Arbeit des Meisters sind bis abends um 8 Uhr, davon ausgenommen sollen sie am Donnerstag und am Sonnabend um 6 Uhr Feierabend haben . . . dazu in einem Vierteljahr einen freien Montag.) Das Ringen um die Verkürzung der Arbeitszeit kam besonders im Kampf um den «blauen Montag» zum Ausdruck. Diesen freien Tag benötigten die Gesellen zum Besuch der Badestuben, für die Erledigung ihrer Anliegen und für ihre Zusammenkünfte. Der freie Montag konnte jedoch nur dort errungen werden, wo die Gesellen zahlenmäßig stark waren und einheitlich auftraten.135 Die soziale Differenzierung innerhalb des Handwerks im 14. und besonders im ^.Jahrhundert führte zu größeren Unterschieden zwischen den Handwerksmeistern und den Gesellen. Einerseits erforderte das höhere Produktionsniveau immer mehr Mittel für die Gesellen, die in die Reihen der Meister aufrücken wollten, beispielsweise zur Ausstattung einer selbständigen Werkstatt. Andererseits wuchsen zahlreiche Städte kaum noch an Bevölkerungszahl, wodurch der Bedarf an Handwerksproduktion nur geringfügig anstieg. Die Ämter beschränkten daher die Anzahl ihrer Meisterstellen, um für alle Zunftangehörigen die «Nahrung» zu sichern. Somit wurde die Aussicht, Meister zu werden, für viele Gesellen immer geringer; zumal Meistersöhne und -Schwiegersöhne Vorrang hatten. Außerhalb des Amtes, als Böhnhase (wie ein Hase verborgen auf dem Boden für eigene Rechnung arbeitend), ein Gewerbe auszuüben, wurde jedoch verfolgt und unter schwere Strafe gestellt: „Dtem, fo jtcf ein tjefeüe up bo^n^aferte begehe, be fd?al ^enföröer bee «mts md)t werfet fyn. 3tem, fo jetmmfct, iöt fy meßer o&er gefeite contra« ober fy&nbel l?e&6e mit böJ?nJ?afen, Öe fd?all tfcor Strafe get>en ben fcerrn 2 gulben unö öem ampte einen gul&en."136 (Wenn ein Geselle ßöhnhaserei betreibt, soll er weiter des Amtes nicht würdig sein. Hat ein Meister oder ein Geselle einen Kontrakt oder treibt er Handel mit Böhnhasen, der soll den Ratsherren zwei Gulden und dem Handwerksamt einen Gulden als Strafe geben.)

Die Gesellenschaft verlor immer mehr den Cha rakter eines Stadiums zwischen Ausbildung un< Meisterschaft. Um seinen Lebensunterhalt z verdienen, mußte der Geselle oft Lohnarbe: verrichten, während das Meisteramt geradez erblich wurde. Auch der Zusammenschluß de Gesellen in eigenen Verbänden - ursprünglic Gesellenbruderschaften zur gemeinsamen Be friedigung religiöser Bedürfnisse, zur Kranken und Armenpflege und schließlich in Gesellenvei bänden mit wirtschaftlich-sozialer Zielsetzung zur Festlegung von Arbeitszeit und Löhnen sc wie zur Vermittlung von Arbeit und Abschlüsse von Arbeitsverträgen — konnte letztlich an diest Entwicklung kaum etwas ändern. Meister und Gesellen gaben ihre Fähigkeite und Fertigkeiten an die Lehrlinge des Amtes we: ter. Ihre Aufnahme in die Zunft als «Schutzgt nossen» erfolgte durch die Älterleute; sie war a Bestimmungen über die Herkunft wie auch a finanzielle Abgaben gebunden: „3tem weit junge unfe atnpt leren «ril, &c wefen ed>t unbe red?t geboren unfc feix öeme ampte ene fyalve tunne beree."1 (Will ein junger Mann ein Handwerk lernen, so er ehelich geboren sein und dem Handwerksarr eine halbe Tonne Bier geben.)

Die übliche Lehrzeit war drei, konnte aber auc vier Jahre - wie bei den Schmieden in Wismar betragen. Erst nach einer Probezeit kam es z einem festen Lehrverhältnis; der LehrknecP wurde dann im Beisein der Älterleute in de Amtsbuch eingetragen. Wie die Lehrzeit n 16. Jahrhundert aussah, verrät uns eine gereimt Rolle der Goldschmiede aus Rostock: frül?, 6e0 2lbenöa fpät (Hott bem ^errn tl?u &dn (Sebetl?, keine 3a^r un^ Seit Subrtngej? wol unb ntc^t mit £ei6. JDacrmd? fo IÄ^ mit treuem Slei$ 5Dtr befohlen fein beine ^errn 5olg fernem ^lat^> unb treuer !Döb«rd) erlöngp t»u £ob un6 Vüenn mön Öict) in Öer 5rw^» t^>ut wetfn/ ©ölt bid) ntd^t löng im 23ette Sondern bet>enbe fielen auff. Un& alßbalö nacfc bem Äaöen lauff...

VDenn bu nact> eines 2)iirct) treuen 5le*fJ Wß kommen fo weit, £)a$fctct»ane tl>erc£=23m fet^t £>etn ^err, 60 ^ab in 2ld>t tcol fctefe £ebr... ©o l?oer: eines Äe^rjungen &ect>t ijl, &af5 er tfcm alle ju jeber 5"ß/

VDas i^m fein ^err un6 (E»feü wirb fagen, 2lud) wtöer ifer t*crbot nid>t9 Daß es in der Ausbildungszeit für den Lernenden oft recht hart zugeht und es dabei durchaus «handfeste Argumente» gibt, lassen Reime der Rolle für die Barbierlehrlinge erkennen :

„Unt> tlni alles mit gutem VDiÜen, ©o frmfht manchen 3ocn (iiUen. Vfirjlu murren imb 6arüie&ec fagcn, ©o fol man bid> anffe tllaul fcfclagen. Was Md) beiden tTJeif?ec itn6 fagen, Bö werben (te biet) tnd Werter fd)lagen; tceis, &a^ ictie nict)t t^>un foü, efet ntct)t gefd>rieben in &er Koü'. tt>en man alles in 6er ÄoII folt fcfereiben, ©o wücöe vce6er Pergament nod? Papier bleiben." m

Der Lehrling hatte also alles für den Meister und den Gesellen in und außerhalb der Werkstatt ohne Klagen zu tun, seine eigentliche Lehre begann bei den Goldschmieden in Rostock sogar erst nach Ablauf eines Jahres. Einem Vergehen der Lehrlinge folgten harte Strafen, Lief einer seinem Meister während der Lehrzeit fort, fand er bei keinem anderen Aufnahme. War die Lehrzeit endlich überstanden, wurde der Lehrknecht «losgesprochen» und konnte sich als Geselle verdingen. Neben der Herstellung von Waren für den Bedarf der Stadtbevölkerung waren die Zünfte zu Wacht- und Verteidigungsdiensten verpflichtet. Wurde zuerst von jedem Bürger der persönliche Einsatz zum Schütze der Stadt verlangt, so war es den reicheren bald erlaubt, einen Stellvertreter zu entsenden, der für ihn die Wacht übernahm. Umfangreiche Verpflichtungen fielen dabei den Zünften zu, wie Wachtlisten - beispielsweise die von Wismar aus dem Jahre 1483 - deutlich machen. Je nach der Größe der Zünfte war eine bestimmte Zahl «Gewappneter» (Abb. 122) zu stellen, in Rostock von den Schmieden und Schuhmachern 40, den Bäckern 30, den Knochenhauern, Böttchern und Gerbern je 20 usw.

it

izi Bewaffnete. Birgitta Revelationes, Lübeck 1492.

164 123 Darstellung des Baugeschehens: Mauerbau mit Gerüst und Leiter, Transport des Baumaterials mit Hilfe von Seilzug und Tretrad, Steinmetzen bei der Arbeit. Die Biblie, 1494.

Jeder Zunft wurde ein bestimmter Abschnitt der Stadt bzw. der Stadtmauer zugewiesen. Aufgebot der Rostocker Ämter Mitte 15. Jahrhundert: De dregher (Träger) De schomakere (Schuhmacher) De smede (Schmiede) De beckere (Bäcker)

150 40 40 3°

De haken (Kleinkaufleute) De kremer (Krämer) De peltzer (Pelzverarbeiter) De knokenhouwere (Knochenhauer} De boddekere (Böttcher) De remensnydere (Riemenschneider) De scroder (Schneider) De gerwer (Gerber) De wullenwever (Wollwerber) De visschere (Fischer) De kannegetere (Kannengießer) De lynnenwever (Leineweber) De repere (Reifer) De murlude (Maurer) De tymmerlude (Zimmerleute) De oltscrodere (Altschneider) De bertscherer (Bartscherer)

30 20 20 20 20 20 20 20 20 20 16 r6 10 10 10 10 6

usw. bis zu 40 Ämtern mit letztlich der Auflage von 3 oder 2 Gewappneten

Insgesamt stellen die Rostocker Ämter - Kramer und Kleinhändler sind hier einbezogen - Mitte des 15.Jahrhunderts 622 Gewappnete.139

Die Wachtliste von 1483 aus Wismar ermöglicht uns einen weiteren Einblick in die Art der Aufstellung: Die Zimmerleute sollten sich vor dem Rathaus versammeln, andere hatten sich hinter den Mauern an den einzelnen Toren einzufinden, von jeder Zunft waren einige Bewaffnete zur Besetzung der Landwehre vorgesehen. Die reitende Wacht wurde von den vermögenden Knochenhauern sowie weiteren Bürgern und einem Ratsherrn mit Ratsdiener ausgeübt.140 Für die Ausrüstung ihrer Mitglieder mußte jede Zunft selbst Sorge tragen. So hatte jeder neu aufgenommene Meister ein «Harnischgeld» zt entrichten. Das Wollweberamt in Wismar verfügte zum Beispiel im Jahre 1491 über folgend* Ausrüstungsgegenstände: zwei Harnischtonner mit sieben Panzern, fünf Kragen, acht kleint Ausrüstungsgegenstände, zwei Bartkragen sowi< Pfeil und Bogen und einen eisernen Hut. Vor dem Knochenhaueramt wurde verlangt, für du reitende Wacht Streitrosse zu halten. Auch übei die Einteilung der Wacht - «vor middernacht, m mid nacht» - in bestimmte Gruppen, die eint Woche hindurch den Wachtdienst ausübten, er-

halten wir aus Wismar gewisse Auskunft. Die Unkosten wurden durch ein Wachtgeld gedeckt: Die Besitzer stattlicher Häuser zahlten «de grote wacht», die Budenbewohner «de lütte wacht». Zur Errichtung und Instandhaltung der städtischen Wehranlagen beizutragen, war jeder Bürger verpflichtet. Die Bereitschaft zur Verteidigung der Stadt war eine entscheidende Grundlage für die Sicherheit der Stadt, für das Florieren von Handel und Handwerk. Über das gesellige Leben der Handwerker in den Hansestädten wissen wir Näheres häufig nur, wenn vom Rat wegen zu großer Ausgelassenheit Strafbestimmungen, vor allem gegen die Gesellen, erlassen wurden. Besonders beliebt waren die «Meisterköste», die einem neu aufgenommenen Meister erhebliche Kosten verursachten. In der Rolle der Schuhmacher aus Greifswald von 1418 heißt es, daß «ene koste» zu tun sei:

„3 brocke üßt, barto III richte imbe gut» ber." 141 (Eine Schüssel, dazu 3 Gerichte und gutes Bier.) Bei Zunftveranstaltungen solchen oder ähnlichen Anlasses herrschte oft eine strenge Sitzordnung,

und Handwerk In den Hansestädten waren wie das städtische Leben überhaupt nicht ohne die Tätigkeit breiter, sozial wesentlich tiefer stehender Bevölkerungsschichten denkbar. Diese machten in den Fernhandels- und Seestädten und in Städten mit einer starker auf den Export orientierten Produktion auf Grund zunehmender sozialer Differenzierung Im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert 50 bis 60 Prozent der städtischen Bevölkerung aus. Die unteren Schichten weisen in den Hansestädten eine sehr heterogene Zusammensetzung auf, sie lassen sich in drei Hauptgruppen zusammenfassen : i. alle diejenigen, die noch im Besitz von - wenn auch verhältnismäßig geringfügigen - Produktionsmitteln sind wie verarmte Handwerksmeister und bestimmte im Transport- und Baugewerbe Arbeitende, die Inhaber des Bürgerrechts sind.

je nach dem Rang, den der einzelne innerhalb der Zunft errungen hatte. Bei dem geselligen Treiben, das in späterer Zeit in den von den Handwerksämtern erworbenen Zunfthäusern stattfand, ging es wohl sehr lebhaft zu, denn nicht selten wurde gemahnt, beim Gelage nicht handgreiflich zu werden, vom Tisch aufzuspringen, über Tische und Bänke zu laufen und Bier zu vergießen. Zwei lübische Schilling Strafe wurden zum Beispiel von dem gefordert, „t»e t»ar fo r»ele ber fpüöet, baf? men ofct nicfct mit einer l^anbt befcecBm fan". l 4 2 (der da so viel Bier vergießt, daß man es nicht mit einer Hand bedecken kann.) An kirchlichen Festtagen, so zu Ostern oder Pfingsten, fanden ebenfalls gesellige Zusammenkünfte der Handwerker statt, nachdem man sich vorher vor dem Altar oder in der Kapelle des Amtes versammelt, an der Messe teilgenommen hat oder Seelenmessen für die Verstorbenen hat lesen lassen. Werktätiges und religiöses Leben war auch bei den Angehörigen der Handwerksämter in den Hansestädten auf das engste verbunden.

2. alle Tätigen, die über keine eigenen Produktionsmittel verfügen und als Unselbständige In der Stadt arbeiten wie die Tagelöhner, die Bootsleute, die Handwerksgesellen oder die Mägde und Knechte in den Häusern der Kaufleute und reicheren Handwerksmeister. 3. alle Nichttätigen wie die Armen, die Kranken und die Bettler, die in den Quellen häufig als die Stadtarmut bezeichnet werden. Die Mehrheit der Angehörigen der untersten Schichten besaß kein Bürgerrecht, sie waren «inwanere» (Einwohner), aber keine «borgere» (Bürger) der Stadt und damit zugleich politisch rechtlos, ja nicht einmal vor dem städtischen Gericht zeugnisfähig. Ein großer Teil der Tätigen war auf das engste mit dem Handel verbunden. Als «Träger» — verschiedentlich in Korporationen ähnlich denen des Handwerks zusammengeschlossen - machten sie sich beim Be- und Entladen der Schiffe sowie im Hafen und auf den

i6 5 139 Koppmann, K., Die Wehrkraft der Rostocker Ämter, m: Hansische Geschichtsblätter, 1886, S. 166

140 Frevenhagen, W., Die Wehrmachtsverhältnisse der Stadt Rostock, in; Mecklenburgische Jahrbücher, 95, 1931, S. i3f.; Koppmann, K. Die Wehrkraft der Rostocke Ämter, in; Hansische Geschichtsblätter, 1886, S . i ß j f f . ; Tedten, F., Die Bevölkerung Wismar s im Mittelalter und die Wachtpfücht der Bürger, in; Hansische Geschichtsblatter, 1892, S./9

141 Krause, O., Die ältester Zunftrollen der Stadt Greifswald, Greifswald 1898, S. 14

142 Rüdiger, O., Aeltere Hamburgische und Hansestädtische Handwerksgeselle documente, in: Zeitschrift de Vereins für hamburgische Geschichte, 6, 1875, 8.531

Die Unterschichten

i66

143 Fritze, K., Am Wendepunkt der Hanse. Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte wendischer Hansestädte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Berlin 1967, S. 1 1 5 ff . ; Schildbauer, ]. , Die Sozialsiruktur der Hansestadt Rostock von 1378 bis 1559, in: Hansische Studien, Berlin 1961,

144 Fritze, K. , Am Wendepunkt der Hanse. Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte wendischer Hansestädte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Berlin 1967, 5.163-165

Speichern unentbehrlich, auch im städtischen Militärwesen, als Stadtfeuerwehr usw. wurden sie dringend benötigt. Als Packer, Karrenführer, Kohlenstürzer, Wein- und Bierspunder treten sie ebenfalls in den Quellen auf (Abb. 108). Ihre Zahl wird in Lübeck im ausgehenden 14.Jahrhundert mit mindestens 500 angenommen. In Köln scheint sie noch größer gewesen zu sein, hier ist eine Vielzahl von Hilfskräften des Handels auf den Märkten, in den Kaufhäusern und Häfen, von Fuhrknechten, Wiegern, Messern, von Kran- und Kohlenarbeitern und von Lohnknechten für die Flußschiffahrt bekannt. Zu den unteren Schichten der Seestädte gehören zusätzlich die Seeleute, deren Anzahl auch groß gewesen sein muß. Da die lübische Handelsflotte um 1400 etwa 120 Schiffe betragen hat, nimmt man 500 bis 600 in Lübeck selbst ansässige Seeleute an, zu denen noch weitere aus anderen Städten kommende zuzurechnen sind. Auch der Anteil der «arbeydeslude» (Tagelöhner) in den Städten war beträchtlich, sie arbeiteten als Handlanger, als Steinbrecher oder führten Erdbewegungen und Entwässerungen durch. Die Bediensteten in den Häusern der Oberund Mittelschichten bildeten einen wesentlichen Bestandteil der unteren städtischen Bevölkerung (Abb. 114). Im Hause eines angesehenen Bürgers waren oft bis zu fünf Dienstboten, in weniger begüterten Familien häufig ein bis zwei Knechte oder Mägde anzutreffen. Die Zahl des Hausgesindes wird daher mindestens ebenso groß, wenn nicht sogar größer als die Zahl der Haushaltungsvorstände der städtischen Ober- und Mittelschichten gewesen sein.143 Schließlich gab es Handwerksmeister, die der Konkurrenz nicht gewachsen waren, sie verschuldeten, verloren zum Teil ihre Selbständigkeit und näherten sich dem Sozialstatus der unteren Schichten an. Da es im Laufe des 15.Jahrhunderts zu «Schließungen» von Handwerks am tern kam, stand vielen Gesellen ein Aufstieg zum Meister nicht mehr offen, im Gegenteil, sie wurden zu Lohnarbeitern in handwerklichen Betrieben. Für die Unterschichten der städtischen Bevölkerung waren die Wohnverhältnisse kärglich. Ein Teil der mittleren und besonders die unteren

Schichten lebten in Buden bzw. Kellerwohnungen (Abb. no). Die Buden verfügten oft nur über ein Erdgeschoß und boten im Innern lediglich Platz für eine Stube, eine Kammer und etwas Abstellraum. Sie lagen zumeist an Nebenstraßen, Gassen, Gängen oder in der Nähe der Stadtmauer. Die Jahresmiete für solch ein einfaches Haus war wohl noch für kleinere Handwerker erschwinglich, aber für Tagelöhner und andere Angehörige der unteren Schichten zu hoch, so daß sie in primitiven Katen oder dunklen Kellergeschossen fester Häuser zur Miete wohnten. Diese Behausungen hatten vielfach nur einen Raum, boten wenig Licht und waren nicht selten feucht. Sie befanden sich des öfteren in der Nähe von engen Höfen, Scheunen oder Ställen, waren von Gestank und Schmutz umgeben und die Bewohner dadurch Krankheiten und Seuchen besonders ausgesetzt. Die Zahl der Buden war mit Sicherheit in der mittelalterlichen Stadt größer als die der Häuser, in Wismar und Stralsund im letzten Drittel des 15.Jahrhunderts sogar etwa doppelt so hoch. Auch die Zahl der Kellerwohnungen ist in den Hansestädten erheblich gewesen, darauf weist unter anderem die «Pomerania», eine Pommersche Chronik aus dem 16.Jahrhundert, hin. In ihr Ist zu lesen, daß in Stralsund zu dieser Zeit «etliche tausend Leute» in Kellern gelebt haben. Müssen wir auch mit zeitgenössischen Zahlenan gaben vorsichtig sein, so spricht städtisches urkundliches Quellenmaterial dennoch eine eindeutige Sprache, wenn nämlich in Rostock im Jahre 1410 224 Keller, in der wesentlich kleineren Stadt Wismar 1477 171 und in Stralsund 1534 453 Keller in den Steuerregistern aufgeführt sind. Die Mägde und Knechte waren In den Häusern Ihrer Dienstherren, wohl zumeist in Seiten- und Hinterhäusern gelegenen Kammern untergebracht, ähnlich ursprünglich auch Handwerksgesellen in den Häusern ihrer Meister, die zugleich für ihren Unterhalt sorgten. Der Verdienst der Angehörigen der plebejischen Schichten ist sicherlich im einzelnen unterschiedlich gewesen, bei den Seeleuten etwas höher als bei den Trägern und Tagelöhnern, doch gemessen an den Preisen lag er an der Grenze des Existenzminimums. Das zeigt folgende Aufstellung aus den Rostocker Kämmereirechnungen:144

Jahr

Tageslohn

Arbeit

Jahr

Ware

1427/28

2 Schilling

Handlangerarbeiten

1423

Scheffel Mehl

1432/33

2 SchÜling/6 Denare

Sandfahren

1433/34

i Speckseite

20 Schilling

1434/35

3 Schilling

Erdarbeiten

1427/28

i Elle Tuch

15 Schilling

1429/30

i Paar Schuhe

Weitere Einblicke über Einkommen und Lebenshaltungskosten jener Zeit verschaffen uns Lübecker Kämmereirechnungen. Ein Tagelöhner verdiente beispielsweise für sich und seine gesamte Familie täglich - nach den oben angegebenen Werten - nur 24, 30 oder 36 Pfennige und hatte davon die Ausgaben für Essen, Wohnung, Kleidung und Heizung zu bestreiten.145 Das aber besagt, daß bereits bei einer Anzahl von städtischen Tagelöhnern das Existenzminimum für sie und ihre Familie nicht erreicht wurde, und dies zu einer Zeit, in der sie Arbeit hatten. Bei einem solchen Verdienst waren viele Angehörige der unteren Schichten nicht in der Lage, den «Schoß» (städtische Steuer) zu entrichten, zumal auch ihr persönliches Eigentum sehr gering war und über einfache Kleider und den notwendigsten Hausrat nicht hinausging. Nur in Ausnahmefällen ließen sie darüber einmal ein Testament ausstellen. In der Kleidung waren die Angehörigen der unteren Schichten deutlich von den Besitzbürgern abgehoben: „J)e tjemene mann, brutüerfned^te unö anbete beende fd>olen m erem live teen famtmt nod? ftöen fcragen, fonöcrn aUene ttxmb unö oniUentvert, unbefetteö." 146 (Der gemeine Mann, die Brauerknechte und anderen Bediensteten sollen weder Samt noch Seide tragen, sondern Leinwand und wollene Kleidung, ohne Besatz.) Für die Frauen wurde eine besondere Schlichtheit vorgeschrieben. Die Stralsunder Dienstmädchen durften keine «jopen» anziehen. Die Hamburger Mägde und Bediensteten sollten nicht mit Perlenschmuck und goldenen Nieten, sondern mit schwarzen Borten an der Kleidung zur Kirche gehen. Es war ihnen auch verboten, schnal-

Preis

16

3 Schilling/8 Denare

8 Schilling

lengeschmückte Gürtel um ihre Kleider zu tragen. Dabei waren Frauen, die ihren Unterhalt selbst erwarben, den Dienstmädchen zumindest hinsichtlich der Kleidung gleichgestellt. So führt die Hamburger Kleiderordnung nacheinander auf: „ . . . mäg&e, ammen, neterfen ^>oct)ti6t anbelanget fd^olen t^»o öcrfuh?icjen ntdrtt mefor ab 24- perfonen iint» fcacunber 6 juneffrawen, 8 frowen, Jo maneperfonen, bru&t unö brubegam oeÜ

145 Fritze, K., Am Wend punkt der Hanse. Untersu chungen zur Wirtschaft-1 Sozialgeschichte wendischi Hansestädte in der ersten Hälfte des 15.Jahrhundert Berlin 1967, S. 166

146 Hamburgische Kleide und Hochzeitsordnung vo 1583: Die Hamburgischen Kleider- und Hochzeitson nungen von 1583 und 158' Hamburg 1889 147 Die Hamburgischen Kleider- und Hochzeitson nungen von 1583 und 158 Hamburg 1889, S. 17

i68

ecer beiberjtöce olöern, fußer un6 brot>er unb geiffttd>e perfönen ut^tjefettet, geloben (Zur Hochzeit der Dienstboten sollen nicht mehr als 24 Personen, darunter 6 Jungfrauen, 8 Frauen, 10 Männer - Braut und Bräutigam wie auch ihrer beider Eltern, Schwestern und Brüder sowie Geistliche ausgenommen - geladen werden.)

124 Krüppel beim Betteln. Dat levent unde dat Passional van alle hilliegen, 125 Speisung der Armen, Holzschnitt von Michael Wohlgemut. Jakobus de Voragine, Goldenes Legendenbuch. Winterteil, Nürnberg 1488, Bl. 276, Von St.Wuboldt. Jena, Universitätsbibliothek

Der Umfang der aufgetragenen Gerichte wurde beschränkt, das Ausschenken von Wein war den Angehörigen der unteren Schichten nicht erlaubt. Daß sich Arme, Bettler und Gesindel dabei einstellten, um sich «ausspeisen» zu lassen, war ebenfalls durch Verordnungen verboten. Nicht selten blieben durch ihre soziale Stellung bedingt Mägde, Knechte und Gesellen ehelos, zumal die Dienstherren zur Hochzeit die Genehmigung erteilen mußten. Verschiedentlich lebten sie in einer «wilden», nicht durch die Kirche sanktionierten Ehe wie aus Klagen, besonders über die Gesellen, zu ersehen ist.149

Die unterste Stufe der «berufstätigen» Frauen nahmen die «wandelbaren Frauen» ein, die in einfachen Schenken, Badestuben, auf Straßen und in Winkeln oder in armseligen Unterkünften, wenn nicht gar in ausgesprochenen Freudenhäusern - wie seit 1442 in Lübeck - durch die Prostitution ihren Lebensunterhalt verdienten. Duldete man in allen Städten diese losen, berüchtigten Frauen, so waren Ihnen für ihre Kleidung, ihren Wohn- und Aufenthaltsort besondere Bestimmungen auferlegt. Auf ihrer Kleidung trugen sie zumeist Kennzeichen, um von jedem als «beruchtede» Frauen erkannt zu werden. Sie mußten öffentliche Plätze und belebte Straßen meiden, durften auch nicht «stan in den stuelen in der kerken», vielmehr ließ der Hamburger Rat 1483 «de Hören up eine stede» (Stelle) bringen, die ihnen zugewiesen wurde. Selbst eine Ehe konnte sie nicht wieder «ehrlich» machen. Trotz oftmals ausgesprochener moralischer Entrüstung gestatteten die Räte die Prostitution, durch Vermietung von Gebäuden sowie durch Erhebung von Steuern wurde sie - so in Hamburg - legalisiert. Daß «Kunden» der Freudenmädchen auch angesehene Persönlichkeiten Hamburgs waren, läßt ein Spottgedicht auf den ältesten Ratsherrn Sasse vom Jahre 1458 erkennen: „•%& ©äffe, SV fyn ttc»cl? t>an ben olöen, VOyn unöe t>oten tutees liwee »oU>en." 15 ° (Herr Sasse, Ihr seid noch von den Alten, Wein und Huren Eures Leibes walten.) Am stärksten von Elend und Not betroffen waren in den Städten die Armen, Bettler und Siechen, die es nicht vermochten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen (Abb. 124, 125). Auf Almosen angewiesen, lebten sie am Rande der Gesellschaft. Die Kirche veranlaßte die Besitzenden, ihnen «Wohltätigkeit» angedeihen zu lassen (Abb. 142). In zahlreichen Testamenten werden ihnen Essen und Trinken, vor allem Bier, Kleidung und Schuhe, Brennholz für Bäder und andere zum Fristen der Existenz nötigen Dinge vermacht. Dies geschah vorrangig aus Sorge um das eigene Seelenheil, denn gute Werke sollten die Sünden tilgen und die Seelenstrafe verringern. Aber auch die von reichen Bürgern angestrebte Repräsentation ebenso wie Mitleid mit den Hilfsbedürftigen werden Motive für hohe Dotationen gewesen sein.

Arme und kranke Einwohner der Städte fanden Aufnahme in den ursprünglich geistlichen, später durch die Städte verwalteten Hospitälern, die in allen größeren Städten des hansischen Bereichs - oftmals unter dem Namen Hospital zum Heiligen Geist - im Laufe des 13. Jahrhunderts gegründet wurden. Nicht selten bildeten - wie im Wismarer Heilgeisthospital - außer Almosen und testamentarischen Verfügungen wirtschaftliche Tätigkeit (Teilnahme am städtischen Handel, der Besitz von Gütern oder Mühlen) bzw. der Beitrag der sich in das Hospital einkaufenden Bürger, der «Prövner», die finanzielle Grundlage für die Versorgung einer bestimmten Anzahl von Armen. Bald gab es auch besondere Siechenhäuser, zum Beispiel für Aussätzige (Leprakranke). So bestand In Greifswald seit 1318 ein «Haus der armen Siechen zu St. Jürgen». Der hl. Georg galt als der Schutzheilige der Aussätzigen. Fand der Leprakranke keine Aufnahme in einem Hospital, mußte er betteln, indem er aus dem Fenster einer verschlossenen Hütte Stangen hielt. Auf der Straße hatte er ständig eine Klapper zu tragen, um Passanten einerseits zu warnen und andererseits zu bitten, die Almosen etwas entfernt niederzulegen. Oft kennzeichnete die Leprakranken eine besondere Kleidung.

Vor allem für durchreisende fremde Arme existierten in den Städten «Elendenhäuser». Die Bezeichnung und der Charakter der einzelnen Armenhäuser waren sehr unterschiedlich; in Lübeck hat es 14 derartige Häuser gegeben. Für die bedauernswerten Geisteskranken waren besondere Einrichtungen geschaffen worden; sie wurden in Toren- oder Tollkisten, eine Art Käfig, gesperrt, ohne daß man ihnen medizinische Behandlung zuteil werden lassen konnte. Die Fürsorge scheint nicht immer die beste gewesen zu sein. So wird im Lübecker Nieder-Stadtbuch geklagt: „VOitlit $y, alfe benne betl? Betrete» be armen tmllen unöe affynnigen luöe, in öe tißen t>or &em bordjöore unöe molcnbore fittenfce, nid?t fo woi mit alle etet nottroft befolget jlnt gewor&en, äffe en nad) erer legeti^ett» wol x»an noben were, alfo nemliten in eterrte, fcnrtfen&e, in leger un&e in ttebtngs na rorlope berer tyfc bee iares."151 (Bekannt sei, daß bisher die arrnen Geisteskranken, die in den Tollkisten vor dem Burgtor und dem Mühlentor sitzen, nicht gut ihrer Notdurft entsprechend versorgt worden sind, das betrifft das Essen und Trinken, ihr Lager sowie die Kleidung entsprechend der Jahreszeit.)

148 Stralsunder Kleider- und Hochzeitsordnung von 1570, in: Stralsunder Chroniken, Teil 3, hg. von E.Zober, Stralsund 1870, 8.450 149 Stralsunder Kleider- und Hochzeitsordnung von 1570, in: Stralsunder Chroniken, Teil 5, hg. von E.Zober, Stralsund 1870, 5.464; Langer, H,, Spätmitteialterlklie Lohnarbeit im Spiegel der Stralsunder Gerichtsbücher und Handwerkerakten, in: G reif s wald-Stralsund er Jahrbuch, 10, 1972/73, 5.9: 150 Schönfeldt, G., Beitrage zur Geschichte des Pauperismus und der Prostitution m Hamburg, Weimar 1897, S./^ff., 86, 99; Techen, F., Die Bürgersprachen der Stadt Wismar, in: Hansische Geschkhtsquellen NF, 3, Leipzig 1906, 8.328, vgl.S. 153 151 Pauli, C. W., Beiträge zur Geschichte des Irrenhauses m Lübeck, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, 3, 2, 1873, S.2/6f.

126 Gaukler mit Würfeln. Meister Stephan, Dat Schakspel, 15.Jh. 127 Schreiber am Schreibpult. Rudimentum novitiorum, 147$. 128-131 Geistlicher in vierfacher Pose. Rudimenturn novitiorum, 1475.

Sonstige Bevölkerungsgruppen

Bedeutete für die in den Armenhäusern und Hospitälern Aufgenommenen diese «Wohlfahrtspolitik» auch eine Linderung ihrer unmittelbaren Not, eine Änderung der Verhältnisse brachte sie nicht. Viele Existenzlose vegetierten in Straßen und Gassen, belagerten die Kirchen und Häuser, um Aufmerksamkeit und Mitleid zu erregen und Almosen zu erbetteln. Die Schar der Bettler wuchs in den Städten immer mehr an. Nicht nur für Kranke und Arbeitsunfähige, sondern auch

für solche, die nicht in das gewerbliche Leben einbezogen werden konnten, wurde das Betteln zur Lebensgrundlage. Ihre Zahl war so groß, daß zum Beispiel m Stralsund im Jahre 1525, um allen Bettlern ein Kennzeichen als Bettelerlaubnis zu übergeben, vom Rat der größte überdachte Raum in der Stadt, die Nikolaikirche, zur Verfügung gestellt wurde. Damit durch das Zunehmen der Bettler nicht das Gaunerunwesen verstärkt würde, erließ man Ordnungen für das Bettelvolk. So hatte der Prachervogt (Bettlervogt) der Stadt Lübeck 1527 dafür Sorge zu tragen, daß die Bettler «ein geschick hebben mit almissen biddende und up den Karkhavn to sittende» (in angemessener Form um Almosen bitten und auf dem Kirchhof sitzen) und daß sich keine fremden Bettler in der Stadt niederließen.152 Ein nicht geringer Teil der ärmeren Einwohner der Städte war mit dem Makel der «Unehrlichkeit» belastet. Er erstreckte sich vor allem auf Tätigkeiten, die mit den Attributen Schmutz, Unsauberkeit, Unlauterkeit und Unsittlichkeit behaftet waren. Dazu gehörten Totengräber, Abdecker, Henker, Büttel, Gassenkehrer, Bachfeger, Holz- und Feldhüter, Hirten, Schäfer, aber auch Kesselflicker, Leineweber, Badstübner, Barbiere, fahrende Leute, Musiker und Müller sowie in den Hansestädten Wenden, Juden, Helden und schließlich Diebe, Meineidige und Gauner. Wurde jemand als unehrlich angesehen, bedeutete dies für seine Nachkommen, in ehrbaren, etwa zu nf tierische n Berufen keine Aufnahme zu finden und auch nicht das Bürgerrecht erwerben zu können. Vom besitzenden Bürgertum aufgestellte Moralgrundsätze wurden so zugleich zum Maßstab einer sozialen Wertung gemacht; mit wenigen Ausnahmen trafen sie arme städtische Einwohner, denen damit jegliche gesellschaftliche Aufstiegsmöglichkeit genommen wurde.153

l l her die genannten Berufe und Tätigkeiten ^^ hinaus gab es in den Hansestädten eine größere Zahl von Bewohnern, die weder mit dem Handel und der Schiffahrt noch mit der gewerblichen Produktion direkt oder indirekt verbunden waren. Es ist dies die in der Stadt ansässige

Geistlichkeit, es sind die Angehörigen der sogenannten freien Berufe, die städtischen Beamten und die Stadtbediensteten. Die hohen Geistlichen gingen vorwiegend aus der herrschenden Schicht hervor bzw. standen ihr in den politischen Auffassungen nahe, während die niederen

Geistlichen aus den mittleren und die Stadtbediensteten (Abb. 127) aus den unteren Schichten der Bürger- und Einwohnerschaft stammten. Zahlenmäßig am stärksten war die in der Stadt lebende Geistlichkeit. Allein die Weltgeistlichkeit wird in ihr im ^.Jahrhundert zwischen 100 und 200 Personen umfaßt haben. In Lübeck waren es um 1450 mindestens 260 und in Braunschweig zu Beginn desselben Jahrhunderts etwa 200 weltliche Geistliche. In Rostock gab es am Ausgang des 15.Jahrhunderts nicht weniger als 182 und in Stralsund 207 Altäre, die von Geistlichen zu versorgen waren; in Wismar waren zu dieser Zeit allein etwa 150 Vikare tätig. Hinzu kommt noch die Klostergeistlichkeit, kommen die Mönche und Nonnen, die für Rostock zu Beginn des 16.Jahrhunderts mit etwa 300 zu schätzen sind. Daraus ergibt sich, daß die Geistlichkeit in jeder Stadt mit Sicherheit mehrere hundert Personen umfaßte. Die Geistlichkeit war in sich ziemlich stark differenziert. Eine obere, aristokratische Schicht reichte von den Bischöfen mit ihren Offizialen über die Archidiakone bis zu den Äbten und Plebanen (Kirchenvorstehern). Sie verfügte über reiche Kirchenpfründe und erwarb zum Teil durch Geldgeschäfte auch ein ansehnliches Privatver-

mögen. Die vielen niederen Geistlichen (Abb. 128-131), die Schar der Vikare, Kapläne und Altaristen, hatten meist nur sehr geringe Einkünfte, mußten aber, oftmals in Vertretung eines höheren Geistlichen, eine Vielzahl kirchlicher Aufgaben verrichten. Nicht selten waren sie zu betrügerischen Manipulationen gezwungen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Dafür bietet uns der pommersche Chronist Thomas Kantzow ein bezeichnendes Beispiel: Für ihren Sohn, „6er waa Prießer geworben unb l?ette teim gennfie Sinfe, &a er fi ninjentj jugeffottet, allein er, tüie ee 511 ber Seit twar, offte tTTefie n6 ptefeni? t>art>on feeig",154 (der war Priester geworden und hatte keine festen Einkünfte, von denen er sich ernähren konnte, außer daß er, wenn er Messe hielt, dafür eine Entschädigung kriegte,)

152 Kleiminger, R., Das Heilgeisthospital von Wism; in sieben Jahrhunderten, We mär 1962, S. i^tf. (Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte, Bd. 4); Gesterding, C., Beitrag zur Geschichte der Stadt Greifswald, Greifswald 1827, S. 12 Pauli, C. W., Beiträge zur Geschichte des Irrenhauses in Lübeck, in: Zeitschrift dt Vereins für Lübeckische Ge schichte und Aitertumskunde, 3,2,1873, 5.270; Schildhauer, J., Soziale, politische und religiöse Auseinandersetzungen in den Hansestädten Stralsund, Rostock und Wismar im ersten Drittel de 16. Jahrhunderts, Weimar 1959, S . i S i f f . (Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte, Bd. 2}

131 Stadtbediensteter mit Schlüsseln. Meister Stephan, Dat Schakspel, i S .Jh.

i j 3 Beneke, O., Von unehrlichen Leuten, Hamburg 1863, S.6f. 154 Des Thomas Kantzow Chronik von Pommern in hochdeutscher Mundart, hg.von G. Gaehel, i.Bd., letzte Bearbeitung, Stettin 1897, S. 373

kam eine Mutter auf den Gedanken, ein wurmstichiges Kruzifix auszuhöhlen, Hühnerblut hineinzugießen und m der Marienkirche in Stralsund aufzuhängen, um durch das blutschwitzende Kreuz Stralsund ein Wunder und ihrem Sohn bessere Einkünfte zu verschaffen. Der Erfolg blieb nicht aus. Viele Menschen liefen herbei, um das Wunder zu sehen. Bald leuchteten etliche hundert Kerzen vor dem Kruzifix, und im Kasten sammelte sich das Geld. Diese und weitere im Verlaufe des 15.Jahrhunderts zunehmende Mißstände sollten auch in den Hansestädten den Boden für die Aufnahme reformatorischer Ideen vorbereiten. In den 1419 in Rostock und 1456 in Greifswald gegründeten Universitäten kam mit den Universitätslehrern und Studenten (Abb. i n ) ein weiteres Bevölkerungselement hinzu. Gingen die Uni-

versitätsgründungen auf das Zusammenwirken von Papst, Landesherrn und städtischem Bürgertum zurück, so war die Initiative doch m starkem Maße in den Hansestädten vom Bürgertum ausgegangen. Dies wird in Greifswald besonders darin deutlich, daß als erster Rektor der Bürgermeister Heinrich Rubenow amtierte. Dennoch waren die geistigen und materiellen Bindunger der Universitätslehrer - sie stammten meist au: der Oberschicht und waren selbst geistlicht Würdenträger - an die Kirche und den Territo rialfürsten so eng, daß sie vorerst die feudalei Mächte und die konservativen Kräfte in der Stad stärkten. Aus der herrschenden Schicht gingen ebenfall hervor bzw. standen ihr sehr nahe die sogenann ten Standespersonen, die Stadtsyndicl, Protono tare, die Stadthauptleute, Stadtärzte und weiter Amtspersonen im höheren städtischen Dlensi Sie übten ihren Dienst meist im unmittelbare Interesse der Ratsoligarchie aus und wurde dafür entsprechend gut bezahlt. Zum Beispii erhielt der Syndikus von Lübeck 1460/146 ein «salaryurn» von 190 Mark als Pauschalvei gütung, wozu für besondere Dienste, Gesand schaftsreisen oder das Abfassen von Verträge usw. zusätzliche Honorare kamen. Allerdinj wurde mehr und mehr von den städtische Oberbeamten eine juristische Universitätsausbi düng verlangt, und zwar weniger zur Ausübur ihrer auf die Verwaltung der Stadt selbst gericl teten Aufgaben, als um besser zur Verteidigur der städtischen Privilegien gegenüber den geistl eben und weltlichen Feudalgewalten mit entspr chenden Kenntnissen ausgerüstet zu sein. Die unteren Stadtbediensteten (Abb. 132), w Stadtdiener, Ratsboten, Stadtknechte, Wacht usw., hatten im Auftrag des Rates zur Aufrech erhaltung ,der herrschenden Ordnung beizutr gen, erhielten aber dafür einen sehr gering» Lohn. Sie unterschieden sich damit kaum vc den sonstigen Angehörigen der unteren Bevölk rungsschichten, aus denen sie auch meist käme Das einzige Privileg, das sie besaßen, war wo die Steuerfreiheit, die allerdings schon durch i kärgliches Einkommen gerechtfertigt war. Dei ein unterer Stadtbediensteter erhielt pro T nicht mehr als i bis 2 Schilling Barlohn. Au«

wenn er durch Erledigung spezieller Aufträge noch ein wenig dazuverdienen konnte, ihm auch wohl Ausrüstung und Kleidung sowie ein Teil der Verpflegung gestellt wurden, war seine Entlohnung äußerst niedrig. Für ebensowenig Geld mußten auch die angeworbenen Söldner ihre Arbeitskraft und oft auch ihre Gesundheit verkaufen, um als Kriegsleute dem Rat zur Verfügung zu stehen und ihr Leben für die Interessen der herrschenden Schicht aufs Spiel zu setzen.156 Schließlich bildeten die Ärzte, Bader und Apotheker Bevölkerungselemente von unterschiedlichem sozialen Status. Sie machen seit dem ausgehenden 13.Jahrhundert die Entwicklung der Heilkunde in der Hansestadt deutlich. In früher Zeit waren die Ärzte vorwiegend Geistliche, und die ersten Hospitäler wurden meist von Bruderschaften mit Hilfe kirchlicher Spenden gegründet. Kirchen und Klöster haben mit der Klostermedizin ursprünglich in den Städten eine wesentliche Rolle gespielt. Mit der Entfaltung der Städte, der allmählichen Brechung des Bildungsprivilegs der Geistlichkeit übernahmen dann oft bereits wenige Jahrzehnte nach der Stadtrechtsverleihung bürgerliche Institutionen die Sorge um die kranken Stadtbewohner. Für Stralsund werden erstmals Ärzte in den Jahren 1278 und 1287 erwähnt, während in Greifswald nachweislich bürgerliche Ärzte 1305, 1310 und 1318 tätig waren.157 In Rostock wirkte schon seit 1231 als erster Arzt Magister Johannes, auch «physicus» bzw. «medicus» bezeichnet. Magister Hermannus wurde vom Rat in Wismar als Arzt angenommen und bekam das Bürgerrecht unentgeltlich verliehen. Sicherlich ist dies ein Zeichen dafür, wie dringend ein «medicus» gesucht worden war.158 Das Auftreten der Beulenpest, des «Schwarzen Todes», im 14. Jahrhundert in mehreren Wellen auch in den Hansestädten erhöhte die Notwendigkeit, städtische Ärzte anzustellen und das Medizinalwesen weiterzuentwickeln. In den städtischen Quellen wird neben dem «Leibarzt» ein «Wundarzt» genannt. Der Leibarzt war vor allem für die Heilung innerer Krankheiten (Abb. 133) zuständig und seit dem ausgehenden 15.Jahrhundert oft als Stadtarzt für bestimmte Jahre eingestellt. Der Wundarzt ge-

noß geringere Achtung, er stand - ähnlich den Badern - auf einer niedrigeren sozialen Stufe. Den Stadtärzten oblag das Behandeln und Heilen der im städtischen Dienst Erkrankten oder Verwundeten. Sie betreuten die in den Spitälern liegenden Kranken, berieten den Rat in Fragen der öffentlichen Hygiene, der Seuchenverhütung und -bekämpfung sowie in gerichtsmedizinischen Angelegenheiten. Außerdem beaufsichtigten sie die Apotheken, Badestuben, Hebammen und Bordelle.159 Den Patienten gegenüber scheinen nicht wenige Ärzte gehörige Honorarforderungen gestellt

ncEifi/ vnfc Pft jn Sernott nbvoßjet ni't eynsanjtes rott Ser a6 $en fcßafcen/ wie es cfo tt

Kracke ffc eyn narr 9er ni't verfUt 'm eyn artjt fnn nöten rat wie er rec$t Jfaftt frn 9fen; t»cr^xxlt>en lepen Öe Jüuöe itnnt» tmtrpen (Bel&t, Sufoer imnbt (frol&t at?er öe tHuren up &en &erfl?off in ^opemmje, 6at fe bord? X>orbc6e tTIonef en utl? bem t?et$efure m werben." 175 (. . . niemand war sicher, den nächsten Tag noch zu erleben; deshalb machten sich die Leute nachts auf und warfen Geld, Silber und Gold über die Kirchhofmauer in der Hoffnung, daß sie durch Fürbitte der Mönche aus dem Fegefeuer befreit werden konnten.) Den Zusammenhang zwischen religiösen Vorstellungen und hansekaufmännischen Auffassungen spiegelt auch das Wallfahrtswesen wider. Hier wie dort war der Drang groß, weit entfernte Orte aufzusuchen. Wallfahrten führten bis in das «Heilige Land», nach Italien, Spanien, Schweden, England, Frankreich, Brabant, Flandern, Galizien und in die Schweiz.176 Jerusalem und Rom, Santiago de Compostela in Spanien, Rocamadour in Südfrankreich sowie Aachen, Trier und Köln im Rheingebiet waren vielbesuchte Wallfahrtsorte, während im norddeutschen Raum unter zahlreichen anderen Wilsnack (Abb. 139) in der Prignitz, Golme in Brandenburg, Sternberg und Kenz in Mecklenburg große Anziehungskraft besaßen. Oft galten die Pllger-

i:

177 Schildbauer, J., Zur Lebensweise und Kultur d hansestädtischen Bevölken - auf der Grundlage der Stralsund er Bürgertestame: (Anfang 14.Jh. bis 1599), Wissenschaftliche Zeitschr der Ernst-Moritz-ArndtUniversität Greifswald, GI sellschafts- und Sprachwis. Reihe, III, 1/2, 1980, 5.3* Brandt, A. von, Mittelalte liehe Bürgertestamente. Neuerschlossene Quellen : Geschichte der materiellen und geistigen Kultur, Heidelberg 197$, S. r j f . (Sitzungsberichte der Heic berger Akademie der Wiss schatten, Philos.-histor. Klasse, Jg. 1973, 3. Abt.)

178 Neumann, K., Das geistige und religiöse Lebt Lübecks am Aus gang des Mittelalters, in; Zeitschrif; des Vereins für Lübeckisc! Geschichte und Altertums künde, 12, i, 1925, 8.73

179 Schnitzler, E., Das g( scige und religiöse Leben ] Stocks am Ausgang des M telalters, Diss., Münster 1940, S.60

180 Ennen, E., Stadt und Schule in ihrem wechseise gen Verhältnis vomehmlic im Mittelalter, in: Rheinis Vierteljahresblätter, 22, i; S. 56; Samsonoivicz, H., D Bedeutung des Großhandi für die Entwicklung der p nischen Kultur bis zum B ginn des 16.Jahrhunderts, Studia Historiae Oeconon ca, 5, 1970, S. 83??.

I78

Schule und Universität

181 Schnell, H., Das Unterrichtswesen der Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz, Bd.}, Berlin 1909, 5.128, i3)ff. (Monumenta Germaniae Paedagogica.Bd.XLV) 182 Geschichte der Erziehung, Berlin ^[976, S. 67 183 Hellfeldt, G., Zur Entstehung und Entwicklung des städtisch-bürgerlichen Schulwesens im deutschen Ostseegebiet zwischen unterer Elbe und unterer Oder bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, Phil. Diss., Rostock 1956, 5.58 184 Panck, W., Beiträge zur Geschichte des Stralsunder Schulwesens vor 1560, In: Jahresbericht des Gymnasiums zu Stralsund, Straisund 1899, S. 13 f.

reisen zu Lande oder zu Wasser mehreren Wallfahrtsorten. Waren schwere Sünden zu büßen, wurden die «Reisen» im Winter oder gar barfuß ausgeführt. Im 14. und r5.Jahrhundert kam es nicht selten vor, daß zahlungskräftige «Büßer» Stellvertreter auf die Pilgerfahrt sandten. Sie ließen sich dabei die Sündenvergebung durchaus etwas kosten. So überließ ein Stralsunder Bürger in seinem Testament einem armen Priester für eine Reise zum Heiligen Grab neben einem Pferd 400 Mark, ein anderer für zwei Wallfahrten nach Rom sein Wohnhaus und ein weiterer für eine Romfahrt von zwei Pilgern looMark. Pilgerreisen in die nähere Umgebung - nach Wilsnack oder Golme - waren wesentlich billiger; dafür scheinen sich geradezu feste Taxen herausgebildet zu haben. Erst mit dem Eindringen des Gedankengutes der Reformation hörte das Wallfahrtswesen - und zwar fast schlagartig - auf. 177

m

it der Entstehung und Entfaltung der Stadt nahmen nicht nur die wirtschaftliche und berufliche Spezialisierung, der schnelle technische Fortschritt, die Schriftlichkeit der Kultur, sondern auch die Schulentwicklung im universalhistorischen Sinne ihren Anfang, 180 Allerdings hatte die Kirche seit langem Schulen vor allem zur Ausbildung des Nachwuchses von Klerikern. An Klöstern, bischöflichen Domen und Kollegiatskirchen gab es Kloster-, Dom- und Stiftsschulen, in denen religiös-kirchliche Bildungselemente den weitaus größten Raum einnahmen. Standen deren «innere» Schulen nur Ordensleuten bzw. angehenden Weltgeistlichen offen, so konnten deren «äußere» - zum Beispiel die Domschulen von Hamburg, Lübeck und Bremen - auch Söhne von Laien besuchen. Das gleiche traf in den Städten besonders für die Klosterschulen zu, wie die der Dominikaner und Franziskaner in Stralsund (1254), Wismar und Lübeck. Bald erforderte jedoch die Entwicklung des Fernhandels, der Warenproduktion sowie der Geldwirtschaft eine stärker auf die praktische Tätigkeit ausgerichtete Schulbildung der Söhne der Kaufleute und der vermögenden Städtebürger. Dies führte zu einschneidenden Veränderungen im Bildungswesen, zur Brechung des

Reliquien und Wunder wurden jedoch nicht nur an Wallfahrtsorten, sondern auch in heimischen Kirchen verehrt. So übten in Lübeck die Reliquien in der Ratskapelle, Knochenteile und ein Stück vom Kleid des hl. Thomas sowie ein durch die Berührung seiner Hand ergrüntes Kraut, große Anziehungskraft aus. 17S Die Rostocker Marienkirche verfügte über zwei Reliquien, eine blutige Hostie und ein Vesperbild.17' Te mehr im ausgehenden Mittelalter der Wunder•J