Die hämische Muse. Spott als soziale und mentale Kontrolle in der griechischen Komödie 9783406523472

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Die hämische Muse. Spott als soziale und mentale Kontrolle in der griechischen Komödie
 9783406523472

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ZETEMATA MONOGRAPHIEN ZUR KLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCHAFT Heft I2I

Isolde Stark

Die hämische Muse Spott als soziale und mentale Kontrolle in der griechischen Komödie

VERLAG C.H.BECK MÜNCHEN

ZETEMATA MONOGRAPHIEN ZUR KLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCHAFT BEGRÜNDET VON ERICH BURCK UND HANS DILLER IN VERBINDUNG MIT THOMAS BAIER UND DIETER TIMPE HERAUSGEGEBEN VON ECKARD LEFEVRE UND GUSTAV ADOLF SEECK HEFT I2I

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Die hämische Muse Spott als soziale und mentale Kontrolle in der griechischen Komödie

von

ISOLDE STARK

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VERLAG C. H. BECK MÜNCHEN

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Bibliographische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnh.ddb.de abrufbar.

© Verlag C. H. Beck oHG, München 2004 Satz und Layout: Kaulsdorfer Falkendruck GbR, Berlin Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff) Printed in Germany ISSN 1610-4166 ISBN 3 406 52347 1 www.beck.de

INHALT

Vorwort. 1.

Einleitung.

Zur Entstehung, zur Frühzeit und zur Funktion der griechischen Komödie. 2.1. Antike Zeugnisse über den Ursprung, die Frühzeit und die Funktion der griechischen Komödie. 2.1.1. Aristoteles.

^ jj

2.

19

21 21

Ursprung der Komödie — Definition der Komödie — soziale Unterschich¬ ten als Objekt des Spottes - intendierte Funktion der Komödie in der Polis. Thesen

2.1.2. Susarion .

31

Komödienauffuhrungen im archaischen Attika - Misogynie

2.1.3. Sosibios.

34

Ableitung der Begriffe für Komödiendarsteller von Lüge, Täuschung und Betrug - die spartanische Komödie - erzwungene Possenreißerei von Heloten

2.1.4. Platon . 40 Lächerlichwerden und Scham als Kriterien des Komödienverbotes

2.2.

Die Forschung zur Entstehung der griechischen Komödie . 46 Die moralische Abwehr von Obszönität in der Antike durch die Ge¬ lehrten im ausgehenden 19. Jahrhundert und ihre Folgen bis in die Gegenwart

2.3.

Bettler als ‘Komödianten’ und die soziale Stellung der Schauspieler. 2.3.1. Bettler als ‘Komödianten’.

66 66

Entstehung einer Bettlerschicht in der Archaik - Merkmale des Bettlers - Orte des Betteins - das Dickbauchkostüm - Bettler als Komödian¬ ten ’

2.3.2. Die soziale Stellung der Schauspieler. Schlechtes Sozialprestige - unterschiedliche Finanzierung von Schau¬ spielern und Choreuten in Athen - räumliche Trennung von skene und Orchestra - Wanderschauspieler - Schauspielerinnen

88

6 2.4.

Ergebnisse. Keine Entstehung der Komödie aus kultisch-religiösen Wurzeln, son¬ dern aus Possenreißereien von Bettlern - keine genetische Zusammen¬ gehörigkeit von Komödie und Chor in Athen - Sonderfall Athen

3. 3.1.

Die soziale Typenkomödie. 103 Nonnenverstöße, Außenseiter und Rügebräuche in der sozialen Typenkomödie des Alltags und des Mythos. 109 Das Lachen über deviantes Verhalten und das Lachen über den Paro¬ dierenden - deviantes Verhalten bei Aristoteles und Theophrast

3.1.1. Typen und Motive als Komödientitel .116 3.1.2. Fallbeispiel der Alltagskomödie: Menanders „Dyskolos“.122 3.1.3. Fallbeispiel der Mythentravestie: Plautus’ „Amphitruo“ . 126 3.2. Ausgewählte soziale Motive und Typen. 130 3.2.1. Motive. 131 Der Vater-Sohn-Konflikt - der Ehebruch - Schuldner und Gläubiger

3.2.2. Typen .142 Der Parasit — der Tölpel vom Lande - der Intellektuelle - der Söldner - der Sklave. - die Hetäre. Zusammenfassung

3.3. Übersicht über die regionalen Komödien. 166 3.3.1. Die sizilische und die unteritalische Komödie . 166 Epicharm. Aristoteles zum Charakter der sizilischen Komödie: die philosophischen Begriffe des KaSöXov und des KaB’ eKaatov. Übertra¬ gung der Deduktion von der Zweiten Analytik auf die Poetik - Mimos - Phlyakenposse. Zusammenfassung

3.3.2. Die megarische Komödie . 187 3.3.3. Die attische Komödie . 193 Die antike Einteilung der attischen Komödie: die Beziehung der Poetik zur Politik und zur Zweiten Analytik. Das Verhältnis von Systematik und Literaturgeschichte in der Poetik und dessen Rezeption in der an¬ tiken Philologie - Aspekte der Massen- und Trivialliteratur - die Alte, die Mittlere und die Neue attische Komödie als soziale Typenkomödien. Zusammenfassung

3.4.

Ergebnisse. 214 Typen devianten sozialen Verhaltens — Verstöße gegen soziale Normen und Gesetze als Titel, Sujets, Motive und dramatische Konflikte - War¬ nung vor sozialer Devianz - der aristotelische Idealtypus der Komödie - das Mißverständnis in der antiken und byzantinischen Philologie - substantielle Ähnlichkeiten zwischen den Komödien verschiedener Regionen

4. Die politische Satire der Alten attischen Komödie . 218 4.1. Von der sozialen zur politischen Typenkomödie: Historische Voraussetzungen einer Sonderentwicklung . 219

7 Die Politisierung der Komödie: die Reformen des Ephialtes und des DerMes und die hegemoniale Stellung im 1. Attischen Seebund - neues Selbstverstandnis der Komödiendichter - Niedergang der politischen Satire mit dem Verlust der außenpolitischen Macht Athens

4.2. Die Konstituierung von Symmetrie und Asymmetrie des Lachens: der athenische Bürger als komischer Held und als komische Figur. 231 4.2.1. Bürgerstatus und angemessene Bürgerexistenz. 239 Burgerstatus: Ambivalenz des Begriffes Sfüicx; - Bürgerexistenz, Sympo¬ sion und Päderastie - soziale und politische Herabsetzung - deviantes Verhalten - Jugend, Schönheit, Alter

4.2.2. Der Bürger als Soldat.

262

Hoplit und Ruderer: das militärische Selbstverständnis des Bürgersol¬ daten - Vorwurf der Feigheit und Prahlerei

4.2.3. Der Bürger als Mann .

273

Homosexuelles bzw. bisexuelles Verhalten: der Spott über den sexuell passiven Mann - Heterosexualität: der Spott über den Ehebrecher

4.3. Die Komödienfigur und ihr reales Vorbild. 287 4.3.1. Strategen und Demagogen. 291 Lamachos - Kleon — Perikies — andere Politiker

4.3.1. Intellektuelle.

3Q5

Sokrates - andere Intellektuelle

4.4.

Ergebnisse.

31^

Die politische Alte Komödie: die Ausnahme unter den griechischen Ko¬ mödien - die existentielle Voraussetzung: Verbindung von Demokratie mit Hegemonie - Verlagerung der Sujets, Motive und Konflikte von der sozialen auf die politische Ebene - Verhaltensverstöße gegen politische Normen und Gesetze als Sujets, Motive und dramatische Konflikte - Warnung vor politischer Devianz — Inkongruenz zwischen Figuren und ihrem realen Vorbild: die politischen Figurentypen im Rollenha¬ bitus der sozialen Figurentypen - veränderter Quellenwert: weniger Realität als Mentalität

5.

Schluß. 322

Anhang Literaturverzeichnis. 326 Register. 343

Dieses Buch widme ich meinem früh verstorbenen Vater Heinz Stark (*1914 f 1947) und meiner greisen Mutter Johemna Becher, verw. Stark (* 1913).

VORWORT

Dieses Buch ist die überarbeitete - vor allem gekürzte - Habilitationsschrift Soziale und mentale Dimensionen des Lachens in der griechischen Komödie, die im Jahre 2000 vom Fachbereich Kunst-, Orient- und Altertumswissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angenommen wurde. Um die Publi¬ kation nicht aus zeitlichen Gründen zu gefährden, habe ich die seither erschienene Fachliteramr nur in Ausnahmefallen eingearbeitet. Dieses Vorgehen ist insofern gerechtfertigt, als auch die neueste Literatur zur griechischen Komödie unverän¬ dert von der kultisch-religiösen Ursprungsprämisse ausgeht. Dagegen habe ich die kritischen Anregungen der Gutachter (Andreas Mehl, Halle; Burkhard Meißner, Halle; Hans-Joachim Gehrke, Freiburg; Bernhard Zimmermann, Freiburg), des Herausgebers (Gustav Adolf Seeck) und des Beraters (Dieter Timpe) der zeteMATA gern berücksichtigt. Die mich erfreuende Pflicht der Danksagung möchte ich allerdings mit einem Resume der Entstehungsgeschichte dieses Buches verbinden. Denn nur so kann ich den Lesern das Ausmaß meiner Freude verdeutlichen: Bis 1990 war es mir, die ich in der DDR lebte, wegen einer Denunziation als Nichtmarxistin im Jahre 1972 versagt, als Althistorikerin zu arbeiten. Nach Jahren völlig fachfremder Tätigkeit erhielt ich 1980 glücklicherweise eine Anstellung am Zentralinstitut für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften, aller¬ dings im Fachgebiet antike Literaturgeschichte. Mein Antrag, eine Dissertation B (Habilitationsschrift) schreiben zu dürfen, wurde von dem stellvertretenden Institutsdirektor zurückgewiesen, weil ich mich erst einmal in das Kollektiv einzufugen hätte. Als ich 1987 doch noch die Genehmigung erhielt, wurde einer meiner Arbeitsanteile an einem kollektiven Großprojekt - zugleich das Thema der Dissertation B - gestrichen. Dafür mußte ich das Kapitel über die griechische Ko¬ mödie übernehmen, da ich im Jahre 1972 mit einer Arbeit über Aristophanes und die Krise Athens promoviert worden war. Nur mit größtem Widerwillen machte ich mich daran, die alte Suppe wieder aufzuwärmen. Dieser innere Widerstand sollte sich als Glück herausstellen, insofern ich mit neuem, fremdem Blick an das Thema heranging, um mich nicht völlig zu langweilen und der Sache vielleicht noch neue, unbekannte Aspekte abgewinnen zu können. Damit fing ich mich an zu wundem, wamm in der griechischen Komödie mit ihrem allgemein anerkannten kultisch-religiösen Urspmng über Figuren gelacht wurde, die nicht zur religiösen Kultgemeinde gehört haben konnten. Dann hörte ich im Jahre 1988 einen Gastvor¬ trag des westdeutschen Archäologen Burkhard Fehr, in dem er die als Vorläufer der Komödie geltenden sog. Dickbauchtänzer entsprechend ihrer sozialen Ikono¬ graphie als Bettler bei Symposien interpretierte. Das war die Anregung und Herausfordemng für mich, die Entstehung der griechischen Komödie - und eben nicht nur der attischen - neu zu untersuchen. Mein Gesuch, mich mit einer Arbeit über

10

Vorwort

die griechische Komödie habilitieren zu dürfen, wurde von der Leitung abgelehnt. Ein Buch zu schreiben wurde mir untersagt. Doch dann brachte die Herbstrevolution 1989 völlig unerwartete Freiheiten: Ich kotmte die Weichen meines Berufslebens neu stellen. Ich entschied mich für den Wiedereinstieg in mein Promotionsfach Alte Geschichte, wurde dann von HansJoachim Gehrke bestärkt und legte dem Wissenschaftsrat für die Evaluierung der Akademie die Konzeption einer Habilitationsschrift über die griechische Komö¬ die unter sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Aspekten vor. Die Konzeption wurde gebilligt, und ich kam über das Wissenschaftler-Integrations-Programm zu Wilfried Nippel an die Humboldt-Universität zu Berlin, um mir vor allem in der Lehre die Alte Geschichte nach zwanzig Jahren wieder bzw. neu zu erschließen. Mit einem Habilitationsstipendium des Kultusministeriums von Sachsen-An¬ halt kam ich zu Andreas Mehl nach Halle - und das war der nächste Glücksfall. Durch seine exzellente Betreuung, sein immenses Wissen und durch seine grund¬ sätzliche Bereitschaft zu unkonventionellen Betrachtungsweisen war er mir ein uimachgiebig fordernder und damit fordernder Gesprächspartner. Er hat mich nicht nur in meinen neuen Forschungsergebnissen bestätigt, sondern ein Teil von ihnen in schön sokratischer Fragetechnik und durch seinen Maßstab stringenter Argumentation aus mir herausgeholt. Dafür sei ihm an dieser Stelle von ganzem Herzen gedankt. Ebenso meinem Kollegen Burkard Meißner mit seiner unermüd¬ lichen Diskussionsbereitschaft. Beide haben mir damit eine Kompensation für verlorene berufliche Jahre in der DDR verschafft, für die Dankesworte nur ein geringes und unzureichendes Äquivalent darstellen. Danken möchte ich Hans-Joachim Gehrke, der trotz der langen Zeit nicht den Glauben an ein gutes Ende meines Habilitationsprojektes verlor und dieses als Außengutachter dann beurteilen konnte. Auch mit Bernhard Zimmermann hat sich der Kreis geschlossen, denn 1990 erzählte ich ihm zaghaft von meinem Vorhaben. Als er völlig überraschend zehn Jahre später zum gräzistischen Außengutachter bestellt wurde, besaß er die Größe zu akzeptieren, daß meine Forschungsergebnis¬ se eine teilweise Revision seiner eigenen bedeuteten. Auch Gustav Adolf Seeck ist zu danken, der als einer der Herausgeber der zeteMATA nicht nur meine Forschungsergebnisse sofort akzeptierte, sondern auch mei¬ ne stilistischen Eigenwilligkeiten. Gleiches ist auch von Dieter Timpe zu sagen, der als Berater den Herausgebern meine Arbeit zur Aufnahme in die zetemata empfohlen hat. Abschließend sei der Staatssicherheit der DDR gedankt, die mich 1961 erpres¬ sen und zugleich korrumpieren wollte, indem sie mir das nach einer politischen Maßregelung unerreichbar gewordene Medizinstudium um den Preis der Denun¬ ziation meiner Mitschüler im Russisch-, Staatsbürgerkunde- und Geschichtsun¬ terricht in Aussicht stellte. Sie hat damit nicht nur meine Weigerung provoziert, sondern auch meinen Willen nach geistiger Unabhängigkeit gestärkt, mich zugleich aus den vorgeprägten Bahnen mütterlicher Berufswünsche geworfen und mir damit ungewollt den Weg zu meiner geliebten Antike frei gemacht. Der glückliche Abschluß meiner Habilitation und das Erscheinen dieses Buches lösen alte Verbitterungen auf und ersetzen sie durch Freude.

1. EINLEITUNG

„Pour comprendre le rire, il faut le replacer dans son milieu naturel, qui est la societe; il faut surtout en determiner la fonction utile, qui est une fonction sociale.“ Dies schrieb vor über hundert Jahren der französische Philosoph Henri bergson.' Alle Theoretiker des Komischen gehen davon aus, daß das Komische ein gesell¬ schaftliches Phänomen ist. Denn darin unterscheidet sich ja das Lachen über das Komische von anderen mit Lachen oder Lächeln verbundenen physiologischen Äußerungen, die sich z.B. auf seelisches und/oder körperliches Wohlbefinden, Freude etc. gründen. Was für das Komische im allgemeinen gilt, das gilt auch für eine seiner theatralisch-literarischen Erscheinungsformen, für die Komödie. Mit diesem sozialen Ansatz des Komischen ist bei bergson zugleich der historische gegeben. Auch wenn sich bestimmte strukturelle Grundmuster des Komischen durch die Zeitläufte definieren und wenn sich daraus auch bestimmte Typologien komischer Konflikte und komischer Figuren herleiten lassen, so bringt doch jeder Kulturkreis, jede Zeit, jede Gesellschaft die ihr gemäße jeweils konkrete Aus¬ formung des Komischen hervor und damit auch potentiell dessen Repräsentanz in komischer Dramatik. Gesellschaftsanalyse ist also eine wichtige Basis für das Verständnis von Komödien; und umgekehrt können wir eine Gesellschaft besser verstehen, wenn wir wissen, worüber sie lacht,^ u. a. in Komödien. Ihre histori¬ sche Untersuchung kann einen spezifischen Beitrag zur Sozial- und Mentalitäts¬ geschichte einer Gesellschaft leisten. Ein Blick auf die schier unendliche Literatur zur griechischen Komödie könnte den Schluß nahelegen, es gäbe nur noch Details zu erforschen, zumal Einigkeit über wesentliche Grundzüge der griechischen Komödie herrscht. Bei allen Vari¬ anten im einzelnen läßt sich Folgendes als communis opinio kurz skizzieren; Am Anfang der griechischen Komödie habe der Dionysos-Kult gestanden, wie es die Geschichte der Chor-Komödie Athens belege. Komödie leite sich von dionysi¬ schen komoi, dem Gesang von Komosteilnehmem ab. Der Phallos als Fruchtbar¬ keitssymbol, Lieder und Spott auf Zuschauer seien auf volkstümliche Bräuche im Dionysos-Kult zurückzufuhren.^ Antike Nachrichten über außerattische Ko¬ mödien schweigen zwar über solche genetische Zusammenhänge mit kultischen Vorgängen, doch seien sie in Analogie zu Athen anzunehmen, auch wenn wohl schon früh eine Trennung von diesen erfolgt sein müsse. Eine ursprünglich kul¬ tische Funktion des Lachens habe dann ihre Modifikationen, Veränderungen und Überlagerungen durch andere Funktionen erfahren. Häufig wird auch wegen des fehlenden Chores den außerattischen Lustspielen überhaupt der Gattungsbegriff ' ^ ^

Bergson, 8. In diesem Sinne schon David, 1. So beispielsweise stellvertretend für viele Landfester, 361.

12

1. Einleitung

der Komödie streitig gemacht.'* * Damit ist zumeist deren ästhetische Wertung oder besser Abwertung als Vor-, Früh- oder unreife Form verbunden. Dagegen wird der Mittleren und der Neuen attischen Komödie das Gattungsmerkmal Komödie zuerkannt, obwohl der Chor als dramatische Figur bereits weggefallen war. Vor allem in Überblicksdarstellungen wird von der griechischen Komödie gespro¬ chen, abgehandelt wird dann meist nur die attische Komödie, so daß attisch still¬ schweigend mit griechisch gleichgesetzü und die Komödienentwicklung in Athen als der Normalfall und die außerattische als Abweichung von der Norm betrachtet wird.^ Wie über weite Strecken der klassischen griechischen Zeit, so dominiert auch in der Literaturgeschichtsschreibung die relativ gute Quellenlage für Athen derart, daß die attische Komödienentwicklung zur Norm erhoben wurde. Die normative Setzung des Chores hatte als Konsequenz, daß die primären Funktionen des Lachens in der Komödie in erster Linie aus kultisch-religiösen Ritualen hergeleitet wurden. Diese traditionelle Forschungslinie hat durch die Rezeption von bachtins Arbeiten über den Karneval und die Lachkultur neue Impulse erhalten.^ rösler meinte, daß bachtins Beobachtungen zu den von ihm untersuchten griechischen Texten genau auf die - von bachtin selbst nahezu vollständig ignorierte* - Alte attische Komödie zuträfen. Deshalb schlug er vor, BACHTINS Konzeption für das antike Griechenland umzuformulieren und somit ihre Fruchtbarkeit zu erweitern. Danach wäre karnevalistisches Weltempfinden vor allem als zeitweiliges Überwinden von Hierarchien zu verstehen. Unterpri¬ vilegierte Bevölkerungsgruppen - besonders Frauen und Sklaven - bekämen im Rahmen religiöser Feste Lizenzen zugebilligt, die die Einschränkungen im norma¬ len Leben temporär außer Kraft setzten.^ Die z. T. mit Obszönitäten verbundene Aischrologie im Rahmen dieser Feste findet rösler auch in der Alten Komödie vor, weshalb die Aischrologie auch für die Komödie konstitutiv sei. Die Verspot¬ tung von Politikern und Strategen in der Komödie habe temporäre Entlastung vom Druck der Autorität für die Zuschauer bedeutet, die in der Normalität des Alltags

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^ ^ *

9

Vgl. z.B. Landfester, 354f., oder Newiger (1981), 187. Damit wird sogar die bei Aristo¬ teles vorhandene Abstraktion wieder rückgängig gemacht. Denn für Aristoteles (Poetik 1448al6-l8. 1449a32-34) war die Komödie struktmell ein Drama, das durch seine spe¬ zifischen Figuren - zu denen kein Chor gezählt wird - und Konflikte beim Zuschauer bzw. Leser ein Lachen auslösen sollte. ln dem Band Griechische Literatur hat z.B. das Kapitel Griechische Komödie von Ne¬ wiger (1981) nur die attische Komödie zum Gegenstand. So im Prinzip auch Zimmer¬ mann (1998b). Dasselbe trifft übrigens auch für die Tragödie zu. Man spricht von der griechischen Tragödie und meint die attische. So auch bei Meier (1988). Bachtin, 119-122. Zu den Widersprüchen und Grenzen s. Rösler (1986), 27-35. Bachtin war ein Schüler des Petersburger Altphilologen T. Zielinski, eines Spezialisten der attischen Komödie, besonders der Komödie des Aristophanes. Werm ausgerechnet er die Alte Komödie in seine ästhetische Theorie der Kamevalskultur nicht einbezieht, dann scheint mir das kein Zufall zu sein. Rösler (1986), 36.

1. Einleitung

13

(Volksversammlung) die Verspotteten aber wieder wählten.'o „Aischrologie be¬ deutet, andere als minderwertig zu denunzieren. Dabei wirkt sich das Element der Obszönität verschärfend aus: Sie trifft das Objekt des Angriffs dort, wo es am wehrlosesten ist. Zugleich tritt in der Erniedrigung des Opfers die eigene Überle¬ genheit hervor. Im Akt der Aischrologie realisiert sich die Erfahrung der Stärke, und zwar erst recht, wenn es sich dabei um ein kollektives Erlebnis handelt; Die Abgrenzung erscheint als solidarische Tat, durch sie konstituieren sich die Betei¬ ligten als Gemeinschaft.“'' Diese Definition wird in meinen späteren Ausführungen implizit immer wieder assoziiert werden, obwohl rösler das ‘häßliche Reden’ entstehungsgeschichtlich in den Götterkult stellt,'^ so vor allem in den Demeter- bzw. in den Dionysoskult. Für ihn steht die rituelle Aischrologie am Anfang von lambos und Komödie. In diesen Zusammenhang werden die Thesmophoriazusen des Aristophanes und der sog. Weiberiambos des Semonides gebracht, auch wenn sich der lambos - der nach Aristoteles für die Entstehung der Alten Komödie von Bedeutung war — schon zum Zeitpunkt seiner ersten uns erhaltenen Texte „aus einer Verklamme¬ rung mit kultischer Aischrologie emanzipiert“ hat.'“^ In Analogie zur Alten Komödie wird bisher vermutet, daß auch die außerat¬ tischen Komödienformen kultischen Ursprungs seien, obwohl sich dafür keine Quellen beibringen lassen. Stellt man jedoch eine vergleichende Übersicht über Stoffe sowohl der außerattischen als auch der attischen Komödie, d. h. der Al¬ ten Komödie (486 bis ca. 400 v.Chr.) sowie der Mittleren attischen Komödie (ca. 400 bis ca. 330 v. Chr.) und der Neuen attischen Komödie (ca. 330 bis ca. 120 v.Chr.) auf, darm werden viele Parallelen deutlich: einerseits der Alltag des Marktes und der Straße als Stoff und andererseits Typen der sozialen bzw. politischen Unterschichten und Typen von Außenseitern und Fremden als vor¬ herrschende komische Figuren, wozu auch die Frauen gehören.Eine temporäre Aufhebung geltender Normen, eine Umkehrung von Hierarchien läßt sich nicht erkermen. Dabei stellt sich die Frage, ob für das archaische Griechenland der BeRösler (1986), 39. Zur Rezeption Bachtins für Aristophanes s. Möllendorff. Möllen¬ dorffs Intentionen sind auf die innere Ästhetik der Dramatik gerichtet, so daß sich keine Berührungspunkte zu meiner Arbeit ergeben. " Rösler (1993), 79. Rösler (1993), 79. Von der Aischrologie, d.h. von aischrologischen Festen des archa¬ ischen und des klassischen Griechenlands, zum Karneval, der - als nachweislich christ¬ liches Fest - für die Antike begrifflich nur den Wert einer Metapher haben könne, ließen sich jedoch anthropologische Brücken schlagen, die in der temporären Aussetzung der geltenden Normen lägen. „Nur für eine begrenzte Zeit ist erlaubt, was sonst verboten ist“ (ebd. 87). Die Ventilfunktion sei bei beiden evident. Die Beziehung zwischen Ais¬ chrologie und Karneval sei insbesondere durch das Lachen „auf Kosten anderer, Lachen über Parodie und Verspottung“ und „das Lachen über sich selbst“ gegeben (ebd. 89f). Arist., Poetik 1448b30-32. 1449a2-6. Rösler (1993), 84f. Schmid (1934), 534, konstatierte „einige allen Arten der Komödie gemeinsame Typen und diesen entsprechende Handlungstypen“ wie „Sklaven, Diebe, Spitzbuben, Alte bei¬ derlei Geschlechts“. Vgl. Stark (1989b) 3-4, 251-255; dies. (1991), 107f

14

I. Einleitung

griff Hierarchie*^ überhaupt anwendbar ist; für die klassische Zeit der verfaßten Polis ist er ohnehin nicht tauglich. Mit der Durchsetzung der Hoplitenphalanx kämpfte einerseits auch der Adlige Schulter an Schulter mit jedem Mitglied der Gemeinschaft, dessen landwirtschaftliche Erträge ihm den Erwerb einer Hoplitenausrüstung ermöglichten. Andererseits konkurrierten die Adligen miteinander um das größte Sozialprestige, und zuweilen warf sich einer von ihnen mehr oder weni¬ ger erfolgreich zum Tyrannen auf Gesetzgeber, Schlichter und Versöhner wurden von verschiedenen Poleis berufen, um bestehende und neue Gesetze schriftlich zu fixieren, die alle der adligen Willkür einen Riegel vorschieben sollten, woran par¬ tiell auch der Adel selbst interessiert war. Aristokraten konnten verarmen, arme Mitglieder der archaischen Poleis in die Sklaverei verkauft werden, Nichtadlige in die höchste Schätzungsklasse aufsteigen. Hand in Hand mit den Veränderungen ging eine zunehmende Ausgrenzung der Frauen aus dem öffentlichen Bereich und eine Entstehung frauenfeindlicher Literatur.'^ Die von rösler zum Beweis heran¬ gezogene lambendichtung mit Spott über die Frauen*^ impliziert keine kurzzeitige Umkehrung der bestehenden Verhältnisse, sondern deren Bestätigung. Selbst die obszöne Selbstpräsentation der Baubo - ihr entspricht im homerischen Hymnos die lambe -, die die trauernde Demeter zum Lachen bringt, zeigt deutlich, wer hier über wen lacht: die Göttin über die alte, häßliche und schamlose Magd. Diese stellte ihre soziale Inferiorität gezielt zur Schau, um die Göttin zu erheitern, sie macht sich selbst zum Gegenstand des Lachens. Die Welt des Mythos erfährt kei¬ ne kurzfristige Umkehrung. Das Lachen der Demeter bestätigt sie. Das Prinzip der ‘karnevalesken’ Umkehrung setzt Hierarchien voraus, die temporär auf den Kopf gestellt bzw. aufgehoben werden körmen. Die archaische Zeit ist zwar von sozi¬ alen Differenzierungs- und Umbruchsprozessen gekennzeichnet, aber nicht von einer Hierarchisierung der Polis. Derm in politischer Hinsicht geht die Entwick¬ lung von der Adelsgesellschaft zu der nach Erträgen aus landwirtschaftlichem Grundbesitz strukturierten timokratischen Gesellschaft und zum Armuitätsprinzip alter und neuer Magistraturen. Die Großen Dionysien als Neugründung aus der Peisistratidenzeit sind außer¬ dem völlig ungeeignet, einen Entstehungszusammenhang mit aischrologischen Traditionen im Siime der ‘karnevalesken’ Umkehrung zu sehen. Komödienauf¬ führungen als Teil der Festveranstaltungen gab es erst seit 486 v. Chr.; sie wur-

*^ Im Sinne einer relativ festen sozialen und politischen Struktur mit eindeutigen Über¬ und Unterordnungen, wobei sich die Anzahl der Funktions- und Entscheidungsträger umgekehrt proportional zu ihrer ansteigenden Machtbefugnis von unten nach oben reduziert. Vgl. auch Flaig, 366, für den die archaische Gesellschaft „eine Gemeinschaft ohne Polizei, ohne Justiz, ohne Vollzugsapparat“ ist, „in der ein unorganisierter Adel eine freie bäuerliche Bevölkerung mehr leitet als beherrscht“. Schüller (1985), 28-33; er hat die Entstehung der misogynen Literatur in die Zusammen¬ hänge der sozialen Krise, des Aufkommens des Hetärenwesens und der Päderastie in der Archaik gestellt und beobachtet, daß von diesen Schmähreden die Frauen der Ober¬ schicht im Prinzip kaum betroffen sind. Ein anderer Aspekt sind die dörflichen Normen und Konventionen; dazu Schmitz (1994), 45. 49. 57. bes. 90-97. Rösler (1993), 90.

1. Einleitung

15

den ohnehin bei dem sechs Tage dauernden Fest nicht am Tage des offiziellen Kornos, sondern einen Tag danach aufgefuhrt.^o Bleiben die besonderen Feste tur Sklaven (Kronien, partiell die Anthesterien) und Frauen (Thesmophorien, Skiren) übrig. Doch diese Feste mit ihrer zeitweiligen Umkehrung der bestehen¬ den sozialen und politischen Verhältnisse stehen in keinem Zusammenhang mit irgendwelchen Komödienauffiihrungen, und zwar weder in Athen noch in anderen Poleis. Hier gibt es eine Parallele zu Rom: Auch dort hatten die Satumalien - das römische Pendant zu den Kronien - mit ihrer verkehrten Welt nichts mit Komödienaufföhrungen zu tun, und zwar weder entstehungsgeschichtlich noch später in auffiihrungspraktischer Hinsicht.^' Hier erscheint mir ein Hinweis auf Religion und Ritual sinnvoll. Die Menschen teilen bekanntlich mit den Schimpansen und den Bonobos mehr als 98 % ihres genetischen Codes; zwei Prozent haben ausgereicht, um die Religion zu erfinden und sich damit vom Tierreich abzuheben. Mit den Tieren teilen wir Menschen je¬ doch den Hang zu Ritual, Ritual „im Sinne fester Verhaltensprogramme, die sich durch Wiederholung und Übertreibung auszeichnen und weniger pragmatische als kommunikative Funktionen haben“.^^ Rituale dienen der Identitätsstiftung, sie gründen und begrenzen Gemeinschaften, röslers Definition der Aischrologie als herabsetzendes und ausgrenzendes Lachen trifft den Kern, und 2:war nicht eines kultisch-religiösen Rituals, sondern eines sozialen. Das soziale Phänomen des La¬ chens und Auslachens in der griechischen Komödie wurde durch die Dominanz des Kultischen zu einem sekundären Aspekt.^3 Nun legen die auffallenden Ähnlichkeiten in bezug auf Stoff und Figuren, die trotz der schlechten Überlieferung von Nachrichten zu außerattischen Komödien und trotz der wenigen erhaltenen Fragmente sichtbar werden, allerdings die An¬ nahme einer anderen kulturanthropologischen Konzeption des Lachens für die griechische Komödie nahe. Es ist dies das Eingebundensein der archaischen, klassisehen und auch der hellenistisehen Zeit in die shame culture und damit in die soziale Ausgrenzung und Ächtung durch Lachen, worauf kullmann^"* in seiner Rezeption von dodds hingewiesen hat. dodds hatte in seiner Analyse der homerischen Gesellschaft herausgearbeitet, daß die öffentliche Hochschätzung {time) den höchsten Wert für den einzelnen besaß. Der soziale Anpassungsdruck sei charakteristisch für eine Schamkultur. Nicht die Furcht vor den Göttern, son-

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Der kc&uck; war der dritte Festumzug neben der eiaayroyfi und der Tco|i7rri: Deubner, 140; s.u. 30. Deubner, 142. Segal, 8. 177Anm.27. Burkert(1998),35. Selbstverständlich sind Religion und Kult eminent wichtige Bestandteile der griechi¬ schen Gesellschaft und verfugen damit auch über größte soziale Bedeutung. Doch es geht darum, daß das Soziale und das Kultisch-Religiöse trotz vielfältigster Durchdrin¬ gung, Überlagerung und Überschneidung zwei Bereiche sind, die voneinander unter¬ schieden werden können und in der Analyse auch unterschieden werden müssen. Kullmann (1995), 81; vgl. Stark (1995) mit ihrem Beitrag im selben Band.

16

I. Einleitung

dem die Rücksicht auf die öffentliche Meinung {aidös) galt als stärkste moralische Macht. „In einer solchen Gesellschaft wird alles, was den Mann der Verachtung oder dem Spott seiner Gefährten preisgibt und ihn ‘sein Gesicht verlieren’ läßt, als unerträglich empfunden.In eine ähnliche Richtung gehen die Untersuchungen von ULF,^^ wenn er die time für den einzelnen als Maßstab der gesellschaftlichen Reputation auffaßt, die nicht auf den Adel beschränkt ist, sondern auf alle Schich¬ ten zutrifft. Auf die Zugehörigkeit der homerischen wie der archaischen Gesell¬ schaft zur shame culture hat auch stahl hingewiesen. Allerdings beschränkte er die Gültigkeit der gesellschaftlichen Wertschätzung als alleiniger Maßstab der Beurteilung seinem Untersuchungsgegenstand entsprechend nur auf den Adel.^^ Die Scham vor der öffentlichen Schande ist das Pendant zur time?^ bourdieu hatte das Ehrgefühl als das Fundament einer Moral beschrieben, „in der der Ein¬ zelne sich immer unter dem Blick des anderen begreift, wo der Einzelne die an¬ deren braucht, um zu existieren, weil das Bild, das er sich von sich selbst macht, ununterscheidbar ist von dem Bild von sich, das ihm von den anderen zurückge¬ worfen wird.“^^ DOVER hob das Spezifische dieser Mentalität sprachlich prägnant als gravierenden Unterschied zwischen ‘I wanted to be regarded as honest’ und ‘I wanted to be honest’ hervor.^® In seinen Anfängen spiegelt das griechische Straf¬ recht dieses noch wider, wenn für die Ahndung eines bestimmten Deliktes die gesellschaftliche Position des Geschädigten, seine time, das Maß bestimmt.^' Genau diese Konstellation hatte schon Platon vor Augen, als er potentielle Wirkungen von Komödien auf den Zuschauer kritisierte. Dieser verlöre durch Komödien die Hemmschwelle und mache sich selbst in der Öffentlichkeit zum Possenreißer und Komödianten (Politeia 606c).

Dodds, 15f. Der Begriff der shame culture geht auf Ruth Benedict zurück. In The Chrys¬ anthemum and the Sword (1946) arbeitet sie die Unterschiede von shame culture und guilt culture heraus, die in The Pattern of Culture fortgefuhrt wurden. Benedict, 156f.;

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2^ 30 3*

„True shame cultures rely on extemal sanctions for good behavior, not, as true guilt cultures do, on an intemalized conviction of sin. Shame is a reaction to other people’s criticism. A man is shamed either by being openly ridiculed and rejected or by fantasying to himself that he has been made ridiculous. In either case it is a potent sanction.“ Zur Geschichte der Antithese shame culture-guilt culture Caims, 27-42; aiSax; bei Arist., Nik. Eth. 1128b 11 f.: 6pi(!^eTai youv cpößoq tk; dSo^iaq. Ulf, 4-9; s. dazu die Rezension von Nippel, 3f Stahl, 86-89. Vgl. Alexiou, 40. In diesem Sinne auch Dülmen, 2: „Weil sich die Ehre jedes Einzelnen nach der Einschätzimg der anderen maß, ist sie allgemein als Wert außerhalb sozialer Kontexte nicht festmachbar. ... Unehrenhaftes Verhalten konnte gelegentlich verdeckt werden, und umgekehrt eine kleine Abweichung schon ein großes Spektakel verursa¬ chen.“ Vgl. auch Cohen, 54-56. Bourdieu, 27f Das Kapitel „Ehre und Ehrgefühl“ erschien zuerst in: Honour and Shame, hrsg. von J. Peristiany, London 1965, 191-241. Dover (1975), 226. Latte (1931a), 30: „Strafe und Rache fallen in den Begriff der npcopia zusammen. Die Verfolgung des Verbrechens entspringt in einer heroisch denkenden Gesellschaft in er¬ ster Linie dem Gefühl der gekränkten Ehre.“

1. Einleitung

jj

Auch die Komödien des Plautus belegen nach segal, wie die Komödie in Rom kompensatorisch benutzt wurde, um eigenes Lächerlichwerden zu vermeiden. Un¬ ter der Prämisse, daß das Geschehen auf der Bühne ja in Athen spiele, konnte alles gezeigt werden, was der restriktive römische Moralkodex realiter verbot.32 So sei die ständige Beteuerung des athenischen Charakters der Stücke weniger ein geographisches denn ein psychologisches Phänomen.^^ Dazu komme noch, daß die Schauspieler sich überwiegend aus fremden Freien oder Sklaven rekrutierten, vorzüglich aus Griechen, dem eroberten Volk, oder aus den römischen sozialen Unterschichten. Die plautinischen Komödien gäben den Römern gewissermaßen die Gelegenheit, das Gegenteil ihrer täglichen Welt mit Hierarchie, Ordnung, Ge¬ horsam, elterlicher Autorität und religiöser Ehrfurcht in Szene zu setzen.^'* Im Lachen über die anderen, die sozial, politisch und ethnisch nicht dazugehörten und von eben solchen anderen zur Darstellung gebracht wurden, lag eine enorm entlas¬ tende Funktion gegenüber den eigenen Zwängen. Darin bestätigt sich gleichzeitig die eigene Überlegenheit. Noch im Traumbuch des Artemidor (2. Jh. n. Chr.) ist in der Deutung einiger Träume die Angst erkennbar, sich lächerlich zu machen.Träume, in denen Ko¬ mödien oder Possenreißer auftauchen, haben eine üble Vorbedeutung (I 56, p. 53). Betrug und Hinterlist kündigen sich durch Träume über Mimenschauspieler und professionelle Possenreißer an (I 76, p. 69). Artemidor steht in einer langen Tradi¬ tion von Deutungsmustem der Träume. Somit wird die Kontinuität der bis in Träu¬ me hinein latenten Angst deutlich, dem Spott der anderen ausgesetzt zu werden. Das verhöhnende Lachen der shame culture konnte auch Behinderte und Mi߬ gestaltete treffen, garland hat dieses Lachen für die griechisch-römische Antike an vielen Quellenbelegen deutlich gemacht.^ö Das generell mit der shame culture verbundene herabsetzende und ausgrenzende Lachen ist ein Lachen der Alltags¬ welt und dient zu ihrer Stabilisierung. Sofern es eine Entwicklung zur komischen Dramatik gibt, dürfte diese jenes Lachen reflektieren. Da die communis opinio des kultisch-religiösen Ursprungs der griechischen Komödie nicht mehr als Prämisse für meine Untersuchungen dient, müssen im folgenden Kapitel die wichtigsten antiken Quellen - die literarischen und die ar¬ chäologischen - zum Komödienursprung neu befragt und der Forschungsverlauf einer Prüfung unterzogen werden. Damit ist auch die Frage nach der sozialen

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36

Segal, 10. 40; „A Freudian psychologist would describe the early Romans as a people with an overdeveloped superego.“ (ebd. 13). Segal, 35f Segal, 13. 16. Auf diese Tatsache hat Schwabl, 172f., hingewiesen; vgl. auch 174: „Hervorgeht aus diesen Träumen offenkundig die Angst, aus der Norm zu fallen und dabei die Dezenz zu verletzen, wobei die Normen je nach den Gruppen wechseln, aber insgesamt doch ein zusammenhängendes Kultursystem sichtbar wird, in dem von Sitte und Mode und, was immer sonst Maßstab des Betragens sein mag, auch die Urteile des Traumdeuters abhängen“. Garland, 71-84.

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1. Einleitung

Funktion früher Komödien und nach der Herkunft des Komödienschauspielers erneut zu stellen. Die Nachrichten über die komischen Stoffe und Figuren früher Komödien dürften danach anders als bisher zu interpretieren sein, wobei ich den Begriff ‘Komödie’ als Gattungsbezeichnung für ein im ästhetischen Sinne komi¬ sches Drama benutze, und zwar unabhängig vom Vorhandensein eines Chores als einer in das Stück integrierten, kollektiven Komödienfigur. Als Konsequenz für das dritte Kapitel ergibt sich die gleichrangige Analyse und Interpretation aller Formen der sozialen Typenkomödie innerhalb und außer¬ halb Athens. Die jeweils spezifischen Strukturen von komischem Konflikt und Verhältnis zwischen Darsteller und Zuschauer können Auskunft über den ‘Sitz im Leben’ der jeweiligen Zeit und der jeweiligen Region geben. Das vierte Kapitel behandelt die politische Satire der altattischen Komödie als temporär bedingten Sonderfall, der an bestimmte soziale und politische Rahmen¬ bedingungen gebunden war und mit dem Verlust dieser Grundlagen wieder in die Normen komischer Dramatik der anderen griechischen Poleis eintaucht. Bei dem mentalitätsgeschichtlichen und kulturanthropologischen Ansatz meiner Un¬ tersuchungen konnte es nicht ausbleiben, daß eigene frühere Arbeiten zur Aristo¬ phanischen bzw. zur Alten Komödie kritisch geprüft werden mußten. Bis auf den Nachweis der zeitweiligen potentiellen Identität zwischen komischem Subjekt und komischem Objekt in der politischen Komödie konnte kaum etwas Verwen¬ dung finden. Hier wird nun die Analyse eine zentrale Rolle spielen, auf welche Weise bestimmte Figuren für die Zuschauer lächerlich gemacht werden können. Die Ambivalenz des Lachens, d. h. sein symmetrischer und damit reziproker wie sein asymmetrischer Aspekt der sozialen und politischen Stellung von Lachendem und Verlachtem, kann nicht nur bestimmte Seiten der athenischen Gesellschaft im Inneren in der zweiten Hälfte des 5. Jh.v. Chr., sondern auch die äußere Position Athens neu beleuchten. Im Schlußteil wird versucht, die Frage nach dem Charakter des Spottes in der griechisehen Komödie von ihrer Entstehung bis zum späten 2. Jh. v. Chr. zu be¬ antworten. Die Zäsur erfolgt mit dem Ende der Neuen attischen Komödie. Ihr auf¬ führungspraktisches wie literarisches Fortleben in der griechischen Kulturwelt in¬ klusive der römischen Rezeption einerseits sowie die weitere Existenz des Mimos andererseits und die zunehmend synonyme Verwendung beider Begriffe deuten darauf hin, daß es zu keinen qualitativ neuen Entwicklungen gekommen ist. Das heißt, die griechisch-römische Antike behielt strukturell bestimmte Grundmuster bei und somit auch bestimmte gesellschaftliche Konventionen, worüber man im Leben und in der Komödie lachte.

2. ZUR ENTSTEHUNG, ZUR FRÜHZEIT UND ZUR FUNKTION DER GRIECHISCHEN KOMÖDIE Zur Frage der Entstehung und der Frühzeit der griechischen Komödie gibt es eine seit hundert Jahren enge Verflechtung der Forschung zwischen der Klassischen hilologie und der Klassischen Archäologie, die aus der spezifischen Quellenlage resultiert. Einerseits gibt es die literarischen antiken Zeugnisse, die Nachrichten zu diesem Problemkreis überliefern, und andererseits archäologisches Material in Gestalt archaischer Vasenbilder, die Figuren in genau dem Kostüm zeigen, das später das Grundkostüm des komischen Schauspielers sein sollte: das Kostüm des sog. Dickbauchtänzers*. Es bestand aus einem Trikot mit ausgestopftem Bauch, ausgestopftem Gesäß und häufig mit einem daran befestigten lang herabhängenden künstlichen Phallos. Über diesem wurde dann von den Komödienschauspielem das jeweilige konkrete Rollenkostüm getragen. Den Beweis für das Tragen dieses Grundkostüms bilden sowohl sprachliche Anspielungen in Komödientexten — vor allem bei Aristophanes - als auch griechische Vasenbilder auf den sog. Phlyakenvasen aus Sizilien und Unteritalien ab dem 4. Jh. v. Chr. Beide Quellengattungen haben einander in der Forschung immer wieder ergänzt und wurden wechselseitig zu Kronzeugen für die eigenen Thesen aufgerufen, obwohl der zeitliche Abstand nicht unerheblich war. Insgesamt gibt es für die Komödiengeschichte nur wenige Phasen paralleler Überlieferung von literarischen und archäologischen Quellen. Das Nachdenken über die Entstehung des Dramas setzt in der Antike erst spät, nämlich mit Aristoteles, ein. Hier ist der Verlust des zweiten Teils der Poetik, die über die Komödie gehandelt hatte, leicht zu verschmerzen, denn was er zur Ent¬ stehung der Komödie wußte, hat er ganz offensichtlich im erhaltenen ersten Teil dargelegt. Aussagen zur Entstehung der Komödie sind also reine Indizienschlüsse aus späteren Zeugnissen. Gäbe es die archaischen Vasenbilder der Dickbauchtän¬ zer aus dem 7. und 6. Jh.v. Chr. nicht, dann stünden die Anspielungen eines Ari¬ stophanes zum Schauspielerkostüm aus den letzten beiden Jahrzehnten des 5. Jh. unvermittelt da und hätten nur eine Anbindung an die süditalischen Vasenbilder der folgenden Jahrhunderte. Die etwa zweihundert Jahre alte Vorgeschichte der Komödie als Teil der archaischen Gesellschaft könnte aus Mangel an Stoff nicht einmal diskutiert werden. Hätten wir für Athen nicht die vergleichsweise reiche literarische Überlieferung im 5. Jh., so müßten wir zu theatergeschichtlich - und damit sozial- und mentalitätsgeschichtlich - völlig falschen Schlußfolgerungen kommen, denn wir können für diese Zeit auf nennenswerte archäologische Funde weder von Theaterbauten noch von Vasenmalerei zurückgreifen. Diese sind wie-

'

Dieser terminus technicus als Hilfsbegriff hat sich in der deutschen Archäologie durch¬ gesetzt. Frühere Bezeichnungen sind vor allem Dickbäuche, dicke Männer oder dicke Tänzer. Dem entsprechen die Begriffe fat man, padded dancer oder danseur rembourre.

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2. Entstehung, Frühzeit, Funktion der griechischen Komödie

derum seit dem 4. Jh. zahlreich und eindrucksvoll vorhanden, während die litera¬ rische Überlieferung der Dramentexte trotz vieler bekannter Namen von Dichtem der Mittleren attischen Komödie nur noch fragmentarischen Charakter trägt. Diesen unterschiedlichen Quellengattungen wird in den beiden folgenden Abschnitten Rechnung getragen. Ausgangspunkt bildet dabei die Vorstellung der literarischen Zeugnisse. Ihr folgt ein Abriß der Forschung zur Komödienent¬ stehung, wobei der Schwerpunkt auf den archäologischen Untersuchungen mit ihren Interpretationen der Dickbauchtänzer liegt, die jedoch ihrerseits immer wie¬ der auch die philologische Forschung zu den Textzeugnissen als Unterstützung der eigenen Thesen herangezogen haben. Es geht in diesem Kapitel also nicht um neues literarisches oder archäologisches Quellenmaterial, sondern um die Befra¬ gung der Quellen unter historischen und nicht mehr unter religionsgeschichtlichen Aspekten, die - so wird zu zeigen sein - ein Konstmkt des ausgehenden 19. Jahr¬ hundert gewesen sind und den damaligen moralischen Vomrteilen gegenüber dem obszönen Dickbauchkostüm geschuldet waren. Anders als sonst üblich werden von mir antike Zeugnisse aus dem 4. Jh. v. Chr. über die Funktion der griechischen Komödie einbezogen, um aus diesen Rück¬ schlüsse auf die Entstehungs- und die Frühphase zu ziehen. Dieses Vorgehen mag auf den ersten Blick methodisch bedenklich erscheinen. Doch leite ich die Berechtigung dafür aus der Zugehörigkeit der griechischen Poleis auch der klassi¬ schen Zeit züxshame culture ab. Insofern lassen sich Funktionsbestimmungen der Komödie und des Komischen in der Komödie, die Platon und Aristoteles geben, aus den bisherigen abstrakten philosophischen bzw. ästhetischen Interpretations¬ zusammenhängen lösen und in die realen Polisbeziehungen stellen, die ja dem idealen Polisbild als Folie dienen. Die konkreten komischen Figuren der archai¬ schen und der klassischen Zeit mögen dabei neben Übereinstimmungen durchaus wesentliche Unterschiede aufweisen. Doch nicht um diesen Aspekt geht es hier, sondern um mögliche Kontinuitäten von sozialem Anpassungsdruck, Verhaltens¬ normen und als lächerlich gewerteten Abweichungen von den Normen, von Grup¬ pen der Lachenden und Gruppen der Verlachten und deren Widerspiegelung als komische Figuren in der Komödie. Der dritte Abschnitt bringt eine eigene These von der Herausbildung komischer Schauspieler, die sich aus dem kulturanthropologischen Ansatz dieser Arbeit, aus der althistorischen Forschung zur Archaik und aus der Kritik des bisherigen For¬ schungsverlaufes ergibt. Im vierten Abschnitt wird eine Synthese aus den gewonnenen Ergebnissen vorgestellt, die sicherlich nicht alle Fragen beantworten kann, aber Erklärungen für Entstehung, Frühzeit und Funktion der griechischen Komödie bereitstellt, die Widersprüche nicht mehr glätten will und damit m.E. letztlich ein Modell liefert, in das sich nicht nur die Quellen zur Frühzeit besser einpassen lassen, sondern das für die Komödie der klassischen Zeit und des frühen Hellenismus einen Deutungs¬ rahmen bietet, der der jeweiligen konkreten Erscheinungsform ihren ‘Sitz im Le¬ ben’ beläßt und nicht nach modernen ästhetischen Wertvorstellungen mißt. Damit können mentale Kontinuitäten und Diskontinuitäten kenntlich gemacht werden.

2.1. Antike Zeugnisse

21

2.1. Antike Zeugnisse über den Ursprung, die Frühzeit und die Funktion der griechischen Komödie Schon die Griechen des 4. Jh.v.Chr. hatten kein sicheres Wissen mehr, wann, wamm und wie die Komödie eigentlich entstanden sei. Vermutungen, Hypothesen und Anekdoten prägen daher das Bild der antiken Nachrichten seit Aristoteles. Nahezu alle Äußerungen gehen mehr oder weniger vermittelt auf die Varianten zurück, die Aristoteles bietet. Diese Abhängigkeiten hat KÖRTE^ ausführlich dargelegt. Auf seine Ausführungen sei hiermit verwiesen. Diskutiert werden im folgenden also nur die Varianten des Aristoteles und die wenigen von ihm unabhängigen Zeugnisse. Die Ableitung der in der griechischen Welt einheitlich gebrauchten Gattungsbezeichnung Komödie von Kwpoq dient Aristoteles wie der modernen Forschung zur geographischen Fixierung eines Ursprungsortes, näm¬ lich Athen, zumal antike Ableitungen aus Kcopri oder gar Kmpa etymologisch nicht haltbar smd. Athen als Ursprungsort wird durch die Forschung mit der Gleichset¬ zung von KÖ)po,ovxa{) hingewiesen wird. 3. Die Spartaner hatten in früher Zeit eine Form von Komödie. Sosibios benutzt nicht diesen zu seiner Zeit gebräuchlichen Gattungsbegriff bzw. den synonymen des Mimos, sondern umschreibt den Sachverhalt mit der Bezeichnung ‘komisches Spiel’. Darin sehe ich - neben xp67:o(; 7:a>.aiö0 Und so kommt SEEBERG zu dem Schluß, daß die Dickbauchtänzer auf Menschen als Vorbild zurückgehen: Die Dickbauchtänzer bilden einen kcö|ioc;, trinken und tanzen. Liederlichkeit und Obszönitäten sind die Konsequenz des trunkenen Tanzes, mit dem die Barbarisches assozierenden Gefäße und grob¬ schlächtigen Waffen korrespondieren. Masken und weitere künstliche Mittel zur Veränderung der Identität scheinen Bestandteil des Spaßes gewesen zu sein. Al¬ lerdings meint er, daß die Ähnlichkeit mit dem Kostüm des komischen Schauspie¬ lers geringer sei und die Interpretation des DÜMMLERschen Kraters von KÖRTE als ‘dorische Komödie’ nicht überzeugend sein könnte, doch scheint auch ihm eine Beziehung zum Drama, d. h. zur Komödie, weiterhin gegeben zu sein.'" Als Komasten - ohne jedoch die Anwendbarkeit des Begriffes Komos in Sparta zu thematisieren (s.u. 78) - interpretiert STIBBE die Dickbauchtänzer auf lako¬ nischen Vasen als Periöken und Heloten wegen der „derben Szenen“. In diesen hätten sich am ehesten ihre „religösen Anschauungen und Bräuche“ niederge¬ schlagen. Und tatsächlich vertragen sich die Komastenbeschreibungen nicht mit dem Erscheinungsbild von Spartiaten. Wenig später bringt HAMPE"^ zwar eindeutige Belege dafür, daß es sich bei den unkostümierten Gestalten des DÜMMLERschen Kraters um Menschen handelt,"'^ doch ordnet er die kostümierten Dickbauchtänzer wieder in mehr oder weniger kultische Tänze ein. Damit greift er den von SEEBERG gemachten Interpretations¬ versuch nicht auf Das ist auch bei SIMON nicht der Fall, die ein Jahr später ledig-

'09 Seeberg (1971), 74. "0 Seeberg (1971), 79. "'Seeberg(1971), 79f. "^Stibbe, 48. In diesem Sinne auch beim Naukratis-Maler: „Sogar Komasten ... und Rei¬ gentänzer ... muß man noch der religiösen Sphäre zurechnen“ (48). Hampe, 88-93, spricht sich gegen eine inhaltliche Abfolge der beiden Seiten des Kraters aus. Genau das hatte allerdings schon Greifenhagen (102 Anm. 128) getan. Hampe, 95. Auch das war schon bei Fraenkel 105f. zu finden.

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2. Entstehung, Frühzeit, Funktion der griechischen Komödie

lieh lakonisch feststellt, daß „die von manchen Forschem vertretene Meinung, es handle sich um frühe Satyrn,... überholt“ sei. Es handle sich um Komasten, auch wenn sie durch Ausstopfungen ihren Körper ins Groteske verwandelten. „Sie sind nicht Vorläufer des Satyrspiels, sondern einer anderen dramatischen Gattung, der Komödie.“"^ Letzteres war ja gerade die communis opinio. Die Dickbauchtän¬ zer sind allerdings selbst als peloponnesische Variante von Satyrn bzw. Silenen kaum als Vorläufer des Satyrspiels in Erwägung gezogen worden, da ihr Kostüm zu sehr von dem des Satyrschauspielers differierte. Und die Komödie wurzele - wie sie an anderer Stelle ausführt - „tief in religiösen Vorstellungen“, die bis in vorgeschichtliche Zeiten zurückreichten und die unter prähistorischen Stämmen „zahlreiche Idole mit dickem Leib und Steiß“ hervorgebracht haben.’ Erst viele Jahre später nahm FEHR den von SEEBERG begründeten Neuansatz der Interpretation auf Ihm geht es um die von SEEBERG gestellte Frage, ob die Dickbauchtänzer ihre Vorbilder aus den Erscheinungen des Lebens - das heißt hier des nichtkultischen Lebens - herleiten lassen und wenn ja, welche sozialen Charakteristika für sie aus den Vasenbildem abgeleitet werden können. Auch für FEHR sind die Dickbauchtänzer ausgesprochen populäre Gegenstände der Vasenmalerei im 7. und 6. Jh.v.Chr., die in den verschiedenen griechischen Re¬ gionen trotz der jeweiligen sozialen und politischen Unterschiede eine relative Gleichartigkeit aufweisen. Reminiszenzen an ehemals mythische Figuren bzw. ihre menschlichen Imitatoren scheinen ihm nicht zwingend zugrundeliegen zu müssen. Damit können sie nur die bildhafte Darstellung von realen Phänomenen gewesen sein.”^ Ihre Präsenz auf Symposionsbildem - z.B. tanzend vor den auf Klinen liegenden Symposiasten - ließ FEHR das Symposion in das Zentrum seiner Überlegungen rüeken und damit die Frage nach der Funktion der Dickbauchtänzer bei Symposien. Da sie augenscheinlich weder zu den geladenen Gästen, noch zu den geladenen und bezahlten Unterhaltungskünstlem gehören, ordnet sie FEHR der Gruppe der Ungeladenen, der dK^pToi zu. Zu diesen aK7.ritoi zählt er in der archaischen Zeit Bettler, die mit Darbietungen etwas zu ihrem Lebensunterhalt er¬ betteln. Ihr offensichtlieh verbreitetes Auftreten sei in der Agrarkrise der Archaik begründet,’ durch die Bauern verarmten und u.a. als dK>,r|Toi auf Symposien die Gäste unterhielten, möglicherweise auch mit Elementen der bäuerlichen Kultur des Tanzes und der Musik.”^ Das Pendant zur Verarmung war die Zurschau¬ stellung von Wohlhabenheit und Luxus bei privaten und öffentlichen Festen der Oberschicht wie bei Siegesfeiern, Jagden, Hoehzeiten und Opferfesten.’^o Die Darbietungen der dK7.r|xoi hätten Demonstrationen ihrer sozial niederen Position beinhaltet, die in krassem Gegensatz zu der der Symposiasten stand. Seit Homer gäbe es zwei Quellen von Komik dieser Art: erstens Häßlichkeit,

”5 Simon (1976), 68. ”6 Simon (1981), 42f ”^Fehr, 189; vgl. Seeberg (1971), 79f. ”*Fehr, 188. ”9Fehr, 192. ’20Fehr, 188.

2.2. Die Forschung

63

Schwächlichkeit, Gefräßigkeit und Trunksucht und zweitens die körperliche und moralische Minderwertigkeit, zu der seit der Odyssee die Vorwürfe, verlogen, schamlos, unzüchtig und arbeitsscheu zu sein, gehörten.'2' Die cxKkiixoi wendeten also spezifische Methoden an, Gunst und Heiterkeit herzustellen, indem sie namhch ihre eigenen Defekte entblößten.'22 Dazu gehöre auch der dicke Bauch ausgestopften Trikots -, der keineswegs eine reale Korpulenz abbilde, sondern das ikonographische Zeichen für die ständigen Bedürfnisse eines hungrigen Magens nach Essen und Trinken sei. *23 Der Topos der Trunkenheit werde vor allem durch Trinkhom, Weinschlauch, Krater und Dinos als häufige Attribute der Dickbauchtänzer bildhaft umgesetzt, wie denn auch deformierte Füße oder gar künstliche Klumpfüße eine Zeichen für körperliche Defekte seien. Geilheit und Schamlosigkeit gehören zu den weiteren literarischen Topoi für die aKkritoi, die durch hängende Phalloi, durch gespreizte Beinhaltungen und durch das obszöne Herausstrecken des Gesäßes auf eine Ebene mit den sozialen Unterschichten (Sklaven und Handwerker) sowie mit den mythischen Satyrn und Silenen - Wesen von sprichwörtlicher Geilheit - gestellt werden. Grobe Szenen homosexueller Werbung und Praktik bildeten einen lächerlichen Gegensatz zur akzeptierten Homosexualität der männlichen aristokratischen Welt.'25 Prügel¬ szenen unter dKkrixoi könnten sowohl Ausdruck des Konkurrenzkampfes unter Bettlern sein als auch lächerliche Imitation von geregelten Ring- und Boxkämpfen der adligen Athleten.'26 ,,The akletoi characterize themselves as unqualified in the broadest sense, ... When they tiy to act like athlets, cupbearers, dancers, or other similarly strong, beautifül, or skilfül men, they do so with the intention of failing in a ridiculous way. Their performance is not a skill (techne) defined through fixed rules. It is improvisation adapted to the situation.”'22 Die dKkpxoi hätten der Erwartungshaltung der geladenen Gäste also durch entsprechende Kostümierung und Darstellungen entsprochen und damit im Verlachtwerden deren Überlegen¬ heit bestätigt.'28 In Übereinstimmung mit SEEBERG sieht FEHR also einen Bezug zur sozialen Realität.'2^ Als Theater im eigentlichen Sinne könne er die Selbstin¬ szenierung der dKkrixoi jedoch nicht bezeichnen, da die Identität der Darsteller nicht von der gespielten Rolle zu trennen sei.'^o '2'Fehr, 185f '22Fehr, 186. '23Fehr, 189. Dort auch das bekannte Beispiel der dicken Ringer und Boxer, bei denen der hohe Nahrungskonsum in diesen Sportarten und nicht etwa eine echte Fettleibigkeit signalisiert wird. Eine Parallele findet sich m.E. bei Zänker, 43. Dort weist er bei Terra¬ kotta-Hetären des 4. Jh.v.Chr. nach, daß auch diese fett und mit dicken Köpfen darge¬ stellt seien, und zwar als Entsprechung zum literarischen Topos von der Verfressenheit alter Frauen. '24Fehr, 189f. '25Fehr, 190. '26Fehr, 190f '22Fehr, 187. '28Fehr, 186. '29Fehr, 189. '30Fehr, 189-191.

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2. Entstehung, Frühzeit, Funktion der griechischen Komödie

Im Anschluß an FEHR scheinen auch STEINHART die Dickbauchtänzer sozial eher in der Nähe der dKA,r|Toi als in der von Adligen angesiedelt zu sein. Am Be¬ griff Komasten für die Dickbauchtänzer hält er fest und schlägt vor, „die Komasten als Schausteller zu verstehen, als berufsmäßge Possenreißer und ‘Hanswurste’, die Symposionsgäste mit ihren Einlagen unterhalten sollen. Ihre einheitliche Kleidung ist dann eine Berufsbekleidung.“'^! Unabhängig von ihm hatte ich dafür plädiert, für den fraglichen Zeitraum die dKA.r|xoi nicht mehr als Bettler, sondern als professionelle ‘Komödianten’ zu betrachten, für die sich das Bettlergewand bereits zum stehenden Schauspielerkostüm gewandelt hatte.STEINHART hob hervor, daß für die Dickbauchtänzer „die alte Satyr- und Dämonendeutung end¬ gültig überwunden zu sein scheint“.Die Deutung, bei den Dickbauchtänzem handele es sich um eine spezifische Art von Silenen oder Satyrn, ist inzwischen obsolet. Nicht vom Tisch sind dagegen die Deutung als menschliche Imitatoren dionysischer Dämonen oder als kultische Tänzer. Die letztere Variante vertritt ISLER-KERENYI*^'*, die die Dickbauchtänzer als dionysische Tänzer der Gegenwelt des Dionysos zuordnet. Ihr schließt sich neuerdings SEEBERG weitgehend an.'^^ Zwar stimmt er mit FEHR überein, daß die Dickbauchtänzer alle Attribute von sozialer Inferioriät oder gar von Barbaren haben und auch, daß es sich bei ihren Darbietungen nicht um eine theatralische Situation handeln könne.Doch für ihn verkleiden sich Komasten mit dem Dickbauchkostüm („guise of ‘Outsiders’“) und nehmen damit eine „fictitious identity“ an, und zwar nieht im ‘privaten’ Rahmen von Symposien, sondern im Rahmen von öffentlichen Festen zu Ehren des Dionysos und anderen Göttern. Und damit stellt sich für ihn die Frage, „for what ritual ends would Greeks need non-Greeks?“ Seine Antwort lautet: „Camouflage of the individual identity could have taken many forms. The point of this particular make-believe may be that it covers up for the community at large, the collective identity.In diesem Sinne sei das Lachen über Außenseiter ein klassischer Aspekt von Komödie wie von Humor generell, da es solidarisierend innerhalb der Gruppe der Lachenden und politisch verbindend wirke.Die Ikonographie des Schauspielers sei eine späte Erscheinung der zweiten Hälfte des 5. Jh. und mehr eine funktionale Rezeption, denn eine Kontinuität.

Steinhart, 509. Vor ihm hatte Kaeser, 283, ohne jeden Nachweis konstatiert, daß manche die Auffassung verträten, bei den Dickbauchtänzem könne es sich auch um Bettelschau¬ spieler und mithin nicht um vornehme Zecher handeln. Kaeser selbst sah in den Koma¬ sten verkleidete Adlige. '32 Stark (1993), 258f. '33 Steinhart, 509. '3‘'lsler-Kerenyi, 269-277. '35 Seeberg (1995), 9. '3^Seeberg (1995), 3. 6 Aiun. 29. '32 Seeberg (1995), 10. '38 Seeberg (1995), 2.

2.2. Die Forschung

65

FEHR hatte seine Untersuchungen geführt, ohne die Dickbauchtänzer mit dem

ro em der Komodienentstehung in Zusammenhang zu bringen. Wichtig bleibt für dieses Problem trotzdem festzuhalten, daß er keine religiösen und kultischen rsprunge r le Dickbauchtänzer zu erkennen vermag. Daran konnte STEIN¬ HART mit neuen, schlüssigen Interpretationsangeboten anknüpfen. Nach einhundert Jahren Forschung zur Entstehung der griechischen bzw. der attisc en 1 omödie ist diese annähernd wieder dort angekommen, wo sie DÜMMLER un KÖRTE verlassen hatten: die Dickbauchtänzer sind weder Dämonen noch de¬ ren menschliche Imitatoren. Sie haben ihre Vorbilder in der Realität. Sie sind auch keine Komasten in ntuellen Verkleidungen. Methodisch wichtig war, daß FEHR die Frage nach der Herkunft der Dickbauchtänzer von den Komödienschauspielem abtrennte und damit die philologische Konstruktion von der Komödienent¬ wicklung aus dem Dionysos-Kult nicht mehr einbeziehen mußte. Erst durch die ikonographische Zuordnung der Dickbauchtänzer zu den sozialen Unterschichten kann erneut die Frage nach der Beziehung zu den späteren Komödienschauspielem gestellt werden, da ja das gemeinsame Kostüm unverändert erklärungsbedürftig ist. HERTER hatte in gewisser Weise recht mit seiner Verwunderung „über die

konstante Bosheit ..., mit der die Vasenmaler ihren biederen Mitbürgern beim Komos eine lächerliche Figur verliehen“, wenn man GREIFENHAGENs Interpre¬ tation Glauben schenke. Damit wird der Blick auf die gravierenden habituellen Unterschiede von aristokratischem Symposionsteilnehmer - und dieser ist Ja auch der Teilnehmer des zum Symposion gehörenden KÖjpcx; —und dem nicht zum Symposion - und damit auch nicht zum Kcopcx; - gehörenden Dickbauchtänzer deutlich. Daher ist es nicht mehr bedeutungslos, wie HERTER meinte, ob die Dickbauchtänzer Sänger als Komos im Sinne der Komos-Teilnehmer oder Sänger beim Komos im Sinne der Handlung waren. Anders als zuweilen in der altphilologischen Forschung behauptet wird, kommt in der Entstehungsgeschichte des Theaters den Schauspielern gegenüber dem Dargestellten, dem Drama, genetisch die primäre Bedeutung zu.•'*2 Denn im Unterschied zu rituellen Tänzen muß es Situationen geben, in denen die Differenz zwischen Darsteller und seiner Rolle allen Beteiligten bewußt ist. Die soziale Her¬ kunft dieser frühen Schauspieler läßt also Rückschlüsse auf die gesellschaftlichen Bedingungen ihres Auftretens und auf Inhalte des Dargestellten sowie auf mögli¬ che Kontinuitäten in der weiteren Komödienentwicklung zu.

'”Herter(1947), 11. Diese Tatsache sieht Steinhart nicht. '‘’’Herter(1947),6. ’'*2siater, 386, sieht den Primat beim Inhalt.

66

2. Entstehung, Frühzeit, Funktion der griechischen Komödie

2.3. Bettler als ‘Komödianten’ und die soziale Stellung der Schauspieler Für Aristoteles war die Komödie bereits eine dramatische Gattung, deren Ursprün¬ ge von verschiedenen griechischen Regionen reklamiert werden konnten, also schon sehr früh kein auf Attika begrenztes Phänomen. Schauspieler von Komödien konnten unterschiedliche lokale Bezeichnungen haben, doch war im 4. Jh.v.Chr. der Begriff kco|i(ö5o( bereits ein Oberbegriff für Schauspieler, die in Komödien auftraten. Es war das moralisch begründete Postulat der Forscher der wilhelminisch-victorianischen Ära, das den Akzent auf die einzige Stelle bei Aristoteles verlagerte, in der er einen potentiellen Zusammenhang zwischen dem Ursprung der Komödie und den Anführern eines kultischen Chores herstellt. Die schriftlichen Quellen zur Entstehung der griechischen Komödie zeigen jedoch, daß die antiken Autoren von einem kultischen Ursprung nichts wußten. Die antike Tradition hatte den Schwerpunkt auf Rügelieder und Rügebräuche gelegt.’ Dieser Aspekt und der Hinweis von Aristoteles, daß es sich bei den Kcogcoöoi um (XTipa(^ö|j.svoi gehandelt hätte, stehen im Zentrum der folgenden Untersuchungen und damit auch die Frage, in welcher Beziehung komos und Atimierte stehen können. Fällt das moralische Postulat einer kultisch-religiösen Interpretation der Dick¬ bauchtänzer als Vorläufer der Komödienschauspieler weg, dann lassen sich diese Figuren archäologisch den sozialen Unterschichten zuordnen und es gilt zu fragen, auf welche Personengruppen in der archaischen Polis rekurriert werden kann, die als äTi|aai^ö|i8voi das Reservoir für die Berufsgruppe der ‘Komödianten’ stellen konnten. Und es ist zu vermuten, daß sich in der späteren sozialen Stellung der Schauspieler im allgemeinen und der Komödienschauspieler im besonderen be¬ stimmte Merkmale aus der Entstehungsphase erhalten haben.

2.3.1. Bettler als ‘Komödianten’

Die folgende Argumentation um den mit axigia belegten Personenkreis ist wegen der Quellenlage stark auf athenische Verhältnisse ausgerichtet. RUSCHENBUSCH hat die Delikte zusammengestellt, für die in den Solonischen Gesetzen die äxipia verhängt wurde. Daraus ergibt sich, daß wir über die quantitative Verteilung der Fälle nicht einmal Vermutungen anstellen können. Alle Konfliktfälle lassen keine kontinuierlich große Zahl von atimierten Rechtsbrechern zu, aus der sich profes¬ sionalisierte ‘Komödianten’ hätten entwickeln köimen. Von Lysias ist für Athen eine äpylaq überliefert, die die Atimie verhängte und die auch als ein Gesetz gegen das Betteln interpretiert wurde.^

’ ^

^

Schol. Dion. Thrax = Proleg. Koster XVIIIa, p.70, 2-6 und Varro bei Diomedes, de poem., I p.488,5-11 (Keil); vgl. Radermacher, 7-12; s.o. 23. Lysias fr. 10 Thalh. = Lex. rhet. Cantabr. 665,19 s.v. apytaq SiKp. Während sonst von v6po00 was aus dem erst späteren Übergang des Phalloskultes auf Dionysos resultieren dürfte. hat die wichtige Beobachtung gemacht, daß „das Prinzip des Iso¬ morphismus zwischen sexueller Beziehung und gesellschaftlichem Verhältnis“ von wesentlicher Bedeutung für das Verständis der griechischen Kultur ist,'o> eine Beobachtung, die auch kulturanthropologischen Gesichtspunkten entspricht. >02 Es verwundert demzufolge nicht, wenn der Penis und dessen Bedeutung in den unter¬ schiedlichen Bereichen des griechischen Lebens — im Polisleben wie im privaten FOUCAULT

0® Dover(1983), 112f.; „In der Vasenmalerei war der typische Penis eines jungen Mannes

(ob Mensch, Held oder Gott) dünn (manchmal merklich dünner als ein Finger) und kurz (gemessen vom Ansatz zur Spitze der Eichel) und endete in einer langen zugespitzten Vorhaut, wobei die Achse des Penis und der Vorhaut fast immer gerade war. ... Dieser kleine Penis ist gewöhnlich mit einem Hodensack normaler Größe gezeichnet, und der Gegensatz ist manchmal besonders auffällig; ... selbst ein Held wie Herakles bildet da keine Ausnahme.“ 00 Hupperts, 262f. hat einige Vasen eindeutig als homosexuellen Akt unter gleichaltrigen, d.h. bärtigen Männern interpretieren können; Dover (1983), 97, weist daraufhin, daß nach attischem Recht ein den passiven Part bei der analen Penetration freiwillig oder unfreiwillig übernehmender Mann seine Rolle als männlicher Bürger zurückweist, ihn der sexuell aktive Parter entehrt (äxipdi^eiv), d.h. seiner Bürgerrechte beraubt; „seinen Status konnte der Geschädigte nur durch eine Anklage wiedererlangen, was in der Kon¬ sequenz die Gemeinschaft zwang, die Situation umzukehren und den Täter zu degradie¬ ren. Die Entscheidung sich als Objekt zur Verfügung eines anderen Bürgers behandeln zu lassen, war gleichbedeutend mit der Aufgabe der eigenen Bürgerrechte.“ Das heißt, ein männlicher Prostituierter konnte ein äTi|ia(;önevoq werden. Vgl. dazu insgesamt die Rede des Aischines gegen Timarchos. >00Vgl. Dierichs, 28. '®*Foucault, 273. >02 Winkler, 17-19.

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2. Entstehung, Frühzeit, Funktion der griechischen Komödie

Dasein - eine große Rolle spielte, was sich auch noch im 2. Jh.n. Chr. im Traum¬ buch des Artemidor widerspiegelt. Und Artemidor, der seinerseits die Träume nur deutet, ohne den Traumvorgang selbst moralisch zu bewerten, steht in einer langen, kaum veränderten Tradition. Daher gilt er als eine außerordentlich wichti¬ ge und zuverlässige Quelle. In einer Passage wird der Penis gewissermaßen zum Symbol für Allmächtigkeit in persönlicher, familiärer und sozialer Hinsicht. Diese späte Quelle gibt uns Aufschluß über das große Interesse an der bildlichen Darstellung der männlichen Genitalien, das sich aus diesem Isomorphismus er¬ klärt. Die unterschiedlichen Merkmale der männlichen Genitalien sind in der Ma¬ lerei das ikonographische Zeichen für eine bestimmte soziale Zuordnung. Wenn wir in der Vasenmalerei nach Figuren Ausschau halten, die körperlich den Dickbauchtänzem ähneln, dann stoßen wir auf die sozialen Unterschichten, vor allem auf Handwerker und Sklaven. „Das Glied ist bei Arbeitern, Sklaven und Rüpeln bisweilen dick oder lang und hängend gebildet“, resümierte schon PFUHL seine Beobachtungen über den korinthischen schwarzfigurigen Stil.''^ Als Rüpel bezeichnet er die Dickbauchtänzer, für die das Herausstrecken von Gesäß und Bauch typisch ist. „Von diesen hängt wohl das gelegentlich starke Durchbiegen des Rumpfes bei Arbeitern ab. An Verrenkungen leisten die Rüpel Erhebli¬ ches.“'®^ Der Kontrast zur Darstellung adliger Figuren ist evident. Auch hier geht es nicht um Realismus, sondern um ikonographische Klassifizierung, die sich hier des Mittels der Karikatur bedient. Die häßliche Darstellung von männlichen Geni¬ talien beschränkt sich nicht nur auf Handwerker und Sklaven, sondern trifft auch auf Krüppel und Greise sowie Barbaren - speziell Afrikaner -, die häufig als Be¬ schnittene gezeichnet werden, zu.'®® Ebenfalls abweichend von den Darstellungen von Männern und Jünglingen aus der Oberschicht bzw. von Göttern und Heroen und ebenso von denen der Handwerker und Sklaven ist die Darstellung des meist erigierten, überdimensionalen Penis von Satyrn und Silenen, die damit als be¬ sonders geile Wesen gekennzeichnet werden. Die Stellungen, die die Dickbauch¬ tänzer auf den Vasenbildem einnehmen, zeigen sie häufig frontal hockend mit gespreizten Beinen. „Diese Sitzhaltung ist unbürgerlich, sie findet sich auch bei Satyrn, Sklaven und Negern und bezeichnet die Figur als Handwerker, als Banau¬ sen.“'®'' Ähnliches ist auch bei aufrechten Haltungen zu konstatieren. Ein unschön herausgedrückter bzw. heraushängender Baueh und insgesamt ein „schlaffer, un¬ athletischer Körper“ sowie ein vulgär herausgestrecktes Gesäß dienten gleichfalls als schichtenspezifisches Kennzeichen.'®^ Mit dem Dickbauehkostüm wurde eine ikonographische Kennzeichnung sozialer und politischer Außenseiter verbunden, d. h. von Menschen, die zwar zur Bevölkerung der Polis, aber nicht zur Gemein¬ schaft gehörten und mithin keine xigfi hatten. Artemidor I 45. 'O^Pfuhl, Bd.1,215. •05 Pfühl, Bd.1,215. ’®®Herter (1938), 1747; vgl. Himmelmann, 27. 34. '®^Das wies Himmelmann, 7, bei Vasen mit Darstellungen von Handwerkern nach. '®* Himmelmann, 7f.

2.3. Bettler als 'Komödianten ’ - soziale Stellung der Schauspieler

Für einen Angehörigen der Oberschicht - sei es Adliger oder Aufsteiger - wäre fn bar, ein derartiges Kostüm zu tragen und sich damit m aller Öffentlichkeit lächerlich zu machen. Gleiches trifft für den Bauern mit seinem anderen, aber darum keineswegs weniger verbindlichen Normen- und hrenkodex zu. Auch mit seinem Begriff von rigii war ein solches Kostüm nicht vereinbar. Ebenso wie der Adlige war auch er darauf bedacht, in seiner Gemein¬ schaft - hier, m der Dorfgemeinschaft - nicht lächerlich zu werden und damit an Tigri einzubüßen. Damit kommen nur diejenigen Personen als Kostümträger in Frage, die ent¬ weder von vornherein keine ugfi hatten wie die Sklaven, oder die ihre xigri ver¬ loren hatten wie die Bettler. Letztere und nicht die Sklaven sind es anscheinend gewesen, aus denen sich die Berufsgruppe von Schauspielern, von ‘Komödian~ dieser anachronistische Begriff erlaubt ist - herausbildete. Hier war offensichtlich das Bettlergewand bereits zum stehenden Schauspielerkostüm von Possenreißern geworden, "o Die weitgehend konventionalisierten Zeichnungen des Dickbauchkostüms legen einen solchen Schluß nahe. Die dem Bettler zuge¬ schriebene Schamlosigkeit'" könnte hier ihr ikonographisches Pendant gefunden haben. "2 Für die von FEHR belegte Phase möchte ich also den Begriff Dickbauch¬ tänzer im Sinne von Bettler schon nicht mehr benutzen, sondern von professionel¬ len ‘Komödianten’ bzw. Possenreißern sprechen. Und insofern nähere ich mich - von völlig anderen Voraussetzungen her - früheren archäologischen Deutungen an, die auf korinthischen Vasen mit Dickbauchtänzem die Darbietung von Possen gesehen haben.

Bettler als ‘Komödianten ’ Die Entstehung des Dramas ist an eine Theatersituation gebunden. Darunter ist nicht etwa die Existenz eines Theaterbaus gemeint, sondern die Aufspaltung der Anwesenden in Zuschauer und Darsteller, wobei der oder die Darsteller nicht sich, sondern eine Rolle spielen und diese Zusammenhänge auch allen Beteiligten klar sind."'* In diesem Sinne ist entstehungsgeschichtlich gesehen der Darsteller das Primäre und das von ihm Dargestellte das Sekundäre, ein Sachverhalt, der auch ethnologischen Untersuchungsergebnissen entspricht. Das mündlich bzw. schrift‘0^ Schmitz (1994), 62f. '"^Vgl. Stark (1993), 259. Diese Auffassung vertrat unabhängig von mir auch Steinhart, 59, der allerdings die Dickbauchtänzer weiterhin als Komasten begreift, die personell Jedoch nicht mit den Symposiasten identisch sein können, sondern vielmehr „als be¬ rufsmäßige Possenreißer und ‘Hanswurste’... die Symposionsgäste mit ihren Einlagen unterhalten sollen“. Sozial seien sie „eher in der Nähe der ctK^riToi“ zu suchen „als bei den adligen Symposionsteilnehmem“. '"Kloft (1988a), 100. "2 So Fehr, 190. "^Zum Beispiel mit Amandry, 23-52; s.o. 54. ' Vgl. Breitholtz, 18-21, mit Hinweisen auf theaterwissenschaftliche Literatur. Für Stoessl, (1974), 221, gilt bereits das Kostüm allein als Indiz für das Rollenspiel. Damit gäbe es allerdings keinen Unterschied beispielsweise zu magischen Tänzen in Kostümen.

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2. Entstehung, Frühzeit, Funktion der griechischen Komödie

lieh festgehaltene und tradierte Drama ist dann erst das Ergebnis einer längeren Entwicklung. Wann in der Archaik, für die wir - mit der möglichen Ausnahme des Textzeugnisses des Susarion - keine schriftlichen, sondern nur archäologische Quellen haben, eine solche theatralische Situation gegeben ist, hängt sehr stark von der Interpretation der dafür infrage kommenden Vasenbilder ab. STOESSL u. a. deuten die Kombination von Flötenspieler mit Doppelaulos und Akteuren als ein ikonographisches Zeichen für den theatralischen Charakter der Darbietung. Das heißt, mit dem Akteur ist nicht mehr er selbst als Individuum bzw. als Typus ge¬ meint, sondern als Darsteller eines anderen Subjekts; er spielt eine Rolle. Wenn die Konkurrenz unter den Bettlern zur Entstehung professioneller Pos¬ senreißer in Gestalt der Dickbauchtänzer führte, dann wird auch damit deutlich, daß simples Betteln allein nicht mehr ausreichte; der bloßen Bettelgeste mußte etwas hinzugeftigt werden."^ In dieser Phase haben die Dickbauchtänzer - so möchte ich annehmen - ein festeres Repertoire einzelner typischer Szenen und szenischer Elemente entwickelt, die ihrerseits Improvisationen überhaupt erst er¬ möglichten und die Voraussetzungen für festere dramatische Strukturen gebildet haben (s. o. 25). Somit stellt sich die Frage nach den Inhalten des Dargestellten, obwohl es keine schriftliche Überlieferung gibt. Unter der Annahme, daß sich die archaischen Possenreißer aus dxipoi rekrutierten, die im Fest- und Alltagsrahmen einer sich weitgehend durch Tipfi definierenden Gesellschaft agierten, ergibt sich die Schlußfolgerung, daß ihre Darstellungen nicht die sich innerhalb der Konven¬ tionen bewegenden enixipoi zum Gegenstand haben konnten. Analoges ergibt sich für die komischen Darbietungen der Heloten in Sparta (s. o. 37). Daher erscheinen mir vor allem vier Gruppen als Objekte des Lachens möglich: 1. Es sind Bevölkerungsangehörige in Betracht zu ziehen, die als Sklaven oder Fremde keinen Anteil an der xipf) der Gemeinschaft hatten und über die öffentlich zu lachen mithin keine Ehrverletzung der Verlachten bedeutete. Kapitel 3 wird im einzelnen zeigen, daß diese Menschengruppen später zum festen Figurenensemble der Komödie gehörten und daß das Lachen über sie eine wesentliche Quelle des Komischen war. Hier ist das Schlagen der Sklavenfiguren, über das der Zuschauer lacht, anzusiedeln.Selbst in der politischen Komödie eines Aristophanes läßt

"^Das soll hier ausdrücklich hervorgehoben werden, da es in der Klassischen Philologie durchaus auch andere Auffassungen gibt. So setzt beispielsweise Slater, 386, das Drama vor die Existenz des Schauspielers. Damit verwendet er ästhetische Kategorien wie dra¬ matisch, komisch oder tragisch, um bestimmte Merkmale poetischer Werke ästhetisch zu bewerten. Auf diese Weise geht Slater selbst hinter Aristoteles (Poet. 1462al7f) zurück, für den sich bereits das Drama mit dem Medium der körperlichen Darstellung genetisch verband und der erst dem schriftlich fixierten Dramentext einen eigenen Wert unabhängig von der Aufführung zuerkannte, weshalb dieser seine Wirkung dann auch beim Lesen entfalten müsse. Mit der gegenwärtig wachsenden Armut in Deutschland läßt sich das Analogon beob¬ achten. Das Betteln wird z.B. durch mehr oder weniger gute musikalische Darbietungen kaschiert oder das Elend selbst wird erzählt. "^Dazu David, 10: „In all, in primitive or archaic societies (as well as among children) beating is a frequent detonator of derisive laughter at the expense of the victims.“

2.3. Bettler als ‘Komödianten ’ - soziale Stellung der Schauspieler

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sich beispielsweise über die bedeutendsten Strategen Athens nur deshalb so treffich lachen, weil sie auf der Bühne in Sklavenrollen erscheinen. Dasselbe trifft för einen Gott zu, wenn er im Gewände eines Sklaven auftritt. 2. Weiterhin kommen diejenigen Mitglieder der Gemeinschaft - und das ist in der Archaik vor allem die dörfliche Gemeinschaft - in Betracht, die sich durch Normenverletzung teilweise oder ganz ausgegrenzt haben, und über die die Gemeinschaft demzufolge öffentlich lachen kann. Das kann vom Dieb, dem Schuldner, dem Feigling im Kampf über den Ehebrecher bis hin zum alten Mann, der ein junges Mädchen heiratet, reichen. Auch dafür finden sich in den späteren Komödientexten unzählige Beispiele. Sie entsprechen in teilweise verblüffender Weise dem Personenkreis und den öffentlich zu brandmarkenden Verstößen ge¬ gen die Gemeinschaft, für die SCHMITZ Rügebräuche und Schandstrafen in der Archaik nachweisen konnte. Hierzu bediente sich die dörfliche Gemeinschaft ritualisierter Formen, die sich als Rüge- und Heischelieder artikulierten, wobei die Akteure Masken tragen konnten.*'* Mit den Rügebräuchen wurde normkonformes Verhalten gefordert und bestätigt, aber normabweichendes bestraft."^ Die Nor¬ men und Werte werden in der Dorfgemeinschaft von den Vollbauern gesetzt.'20 Dazu gehörte auch die Durchsetzung der Autorität gegenüber der Ehefrau, was die frauenfeindlichen Sprüche verständlich macht (s.o. 33f). Über eine häßliche Frau wurde gelacht, doch lauerte bei einer schönen die Gefahr des Ehebruchs. Der Altersunterschied mußte gleichfalls angemessen sein.'2' Auch der Vollbauer hatte nicht ausreichend Ressourcen, um Mißernten abfangen zu können. Diebstahl traf also keine Reichen.'22 Wer zu Wohlstand ohne sichtbare Arbeit kam, bei dem ging es nicht mit rechten Dingen zu, der war ein potentieller Dieb.'22 Zur Rüge, d. h. zur sozialen Kontrolle kam es, wenn ein Mitglied der Gemeinschaft einen Normenverstoß in seinem Hause nicht ahndete und damit die dörfliche Ordnung belastete.'24 Mit der Rüge wird die Ehre des Gerügten andauend oder zeitweilig vernichtet bzw. herabgesetzt. Die Rüge vollzog sich nachts, unter dem Einfluß von Alkohol und im Rahmen von Festen.'25 Ich halte es für wichtig zu betonen, daß sich die Rügebräuche als soziales Ritual an kultische Feste anschlossen, aber nicht

Dagegen wurden beim komos keine Masken getragen. Die Darlegungen von Schmitz (1994), 336f., daß der komos nicht nur auf die Oberschicht und auf die Stadt beschränkt war, ist nicht in allen Teilen überzeugend. Gerade für die gewalttätigen komoi konzediert er, daß diese keine spezifischen bäuerlichen Strafaktionen gewesen seien, sondern ein Gebaren der städtischen vornehmen Jugend (330). "^Schmitz (1994), 22. Besonders wichtig ist, daß es gelungen ist, durch die Verwendung volkskundlichen Vergleichsmaterials herauszuarbeiten, daß sich Rügebräuche von per¬ sönlichen Racheakten genau unterscheiden lassen. '20 Schmitz (1994), 34. 40. '2' Schmitz (1994), 92. 97. '22 Schmitz (1994), 64f '22 Schmitz (1994), 76f 105. 199-203, 208f '24 Schmitz (1994), 278f '25Schmitz(1994), 282.

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2. Entstehung, Frühzeit, Funktion der griechischen Komödie

im Kult entstanden sind. Wie SCHMITZ festgestellt hat, finden sich Rügebräuche fast ausschließlich auf dem Lande. Sie bilden in der Stadt andere und sekundäre Formen aus.'^^ DAVID hat vergleichbare Vorgänge für die spartanische Gesellschaft zusam¬ mengestellt. Hier wurde das Lachen als korrigierende Waffe gegen alle eingesetzt, die sich eines Mißverhaltens schuldig gemacht hatten. So durften beispielsweise Mädchen bzw. ältere Männer die Versager öffentlich verspotten. Die Funktion dieses Lachens war ausgeprägt konservativ.'^’ Ein anderes Beispiel war die öf¬ fentliche Bestrafung von Junggesellen, also von jungen Männern, die ihren Beitrag zum Fortbestand der Spartiatengemeinschaft bisher nicht geleistet hatten. Nach Plutarch mußten sie sich im Winter nackt ausziehen und zum Spott der Zuschauer über die Agora laufen.'^* Es handelt sich hier deutlich um einen Rügebrauch. Noch schärfer ging man in Sparta mit Feiglingen im Kampfe vor: Sie mußten sich durch einen nur zur Hälfte geschorenen Bart und durch schmutzige Kleidung von spezieller Farbe permanent der Lächerlichkeit aussetzen. Sie durften keine Ämter mehr innehaben, konnten nach Belieben von Spartiaten geschlagen werden und kamen auch als Heiratskandidaten nicht mehr in Frage. 3. Es läßt sich über denjenigen lachen, der als nicht Dazugehörender durch Präsen¬ tation seiner eigenen, den Normen der Gemeinschaft widersprechenden Haltungen komisch wird, wie eben ursprünglich der Bettler in seiner Selbstdarstellung.Das wäre nach meiner Auffassung die eigentliche Quelle der für die Komödie immer wieder konstatierten Vulgarität und Obszönität, die sich ja auch typologisch in Vasenbildem und Terrakotten von Figuren der sozialen Unterschichten findet, und nicht die als Erklärung postulierten vulgären und obszönen kultischen Rituale. Die Phalloi der Dickbauchtänzer beispielsweise deuten - wie man auf einschlä¬ gigen Vasenbildem erkennen kaxm - auf homosexuelle Praktiken hin. Homosexu¬ alität ist in archaischen Zeiten von den sozial niederen Schichten wohl als Mittel der Geburtenreguliemng benutzt worden. Sie wird zu diesem Zweck auch noch bei Aristoteles erwähnt.'^' Während die Homosexualität unter den Aristokraten Bestandteil der Adelskultur war, d. h. die sexuelle Triebbefriedigung in ein ganzes Gefüge ethischer, pädagogischer und kultureller Beziehungen eingebunden war - zumindest dem Anspmch nach sein sollte -, deuten die riesigen Phalloi auf die Sache selbst hin, die dann in einen lächerlichen Kontrast zur Adelskultur gerät. Daß die obszönen Darbietungen der Dickbauchtänzer auch eine Ventilfimktion für den Betrachter gehabt haben dürften, läßt sich analog der Beobachtungen von SEGAL für die Zuschauer der römischen Komödie durchaus annehmen. Die später in den Komödien überlieferten Verspottungen eines Bühnenkontrahenten oder gar des Publikums als ‘Klaffarsche’ weisen noch deutlich auf diese Ursprünge hin.

'26 Schmitz (1994), 288. '2’David, 5. '2*Plut., Lyk. 15, 1-2; vgl. dazu David, 13. '29Dazu Plut., Ages. 30, 3-4 und Xen., Lak. Pol. 9, 4-6; vgl. David, 14f. ‘26 Das Pendant in Gestalt der Heloten wurde bereits oben (37) ausführlich erläutert. '2'Arist. Politik 1272a24; vgl. dazu Ruschenbusch (1991), 377.

2.3. Bettler als ‘Komödianten ’ - soziale Stellung der Schauspieler

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Ähnlich verhält es sich mit der Verachtung des Betrunkenen aus den Unter¬ schichten im Vergleich zum konventionalisierten Trinken bis hin zum Rausch bei en Angehörigen der Oberschicht bei den Symposien bzw. dem nur sehr mäßigen Tnnken der Spartiaten bei den Syssitien. Auch der Vorwurf der Trunksucht ist in den Komödien sehr behebt. ^icht zur Gemeinschaft gehört, macht sich weiterhin durch un^längliche Imitation gängiger schichtenspezifischer Verhaltensweisen lächerlich. Nach diesem Muster ftmktioniert noch heute das Gelächter über den Parvenü, für den sich vielfältige Beispiele im späteren Komödienmaterial finden. FEHR hatte solche Elemente bereits auf verschiedenen Vasenbildem mit Dickbauchtänzem er¬ kennen wollen, in denen diese in lächerlicher Weise Attribute adligen Lebensstils benutzen.'32 in der lächerlichen Imitation mythischer Inhalte von Dichtungs- und Liedvortrag bei Symposien durch Possenreißer scheint mir eine plausible Wurzel der Mythentravestie in der Komödie zu hegen. Denn ein wirkliches Auslachen der Götter scheint mir - anders als in der communis opinio - weder innerhalb wie außerhalb des Kultes begründbar zu sein. Der Herakles einer Mythentravestie bei¬ spielsweise trägt mit Verfressenheit, Dummheit, Geilheit und Feigheit prägnante Merkmale eines bettelnden dTipcx;, der in das für ihn unpassende Gewand eines Heros schlüpft. Es wird hier also ursprünglich das Lachen über den Karikierenden und nicht über den Karikierten erzeugt. Daß die darin immanente Ambivalenz auch zum Lachen über den Karikierten fuhren kann, dürfte für den heutigen Re¬ zipienten der primäre Aspekt eines solchen komischen Konflikts sein, hinter dem dann das ursprüngliche Verhältnis zwischen lachendem Zuschauer und verlach¬ tem Darsteller nicht mehr sichtbar wird. Die hier skizzierten potentiellen Komödienfiguren demonstrieren in allen Fällen ihre eigene Unterlegenheit, die sie zum Gegenstand des öffentlichen Spottes ma¬ chen läßt, und sie bestätigen dabei gleichzeitig das Überlegenheitsgefuhl des Zu¬ schauers, das sich in Lachen, und zwar dem Auslachen und Verlachen Es handelt sich primär wohl um ein asymmetrisches Verhältnis zwischen lachen¬ dem Zuschauer und verlachter Rolle, die eine Symmetrie zwischen Zuschauer und Darsteller ausschließt. Die Funktion der Komödie hängt also direkt mit der Funk¬ tion des Lachens in der archaischen Gesellschaft zusammen. In diesem Sinne trifft DAVIDS Beschreibung des Lachens in Sparta den Kern, nämlich als Instrument der Konsolidierung der sozialen Ordnung, der Festigung der sozialen Normen und der sozialen Kontrolle der Bürger über die Frage, wann, wo, wie, warum und über wen äußert.

'^^Fehr, 191, meint zwar, daß diese Situation noch keine theatralisch-dramatische im eigentlichen Sinne gewesen sei, weil die ÖKkriToi nur sich selbst und noch keine andere Personen gespielt hätten. Ich möchte jedoch dagegensetzen, daß es sich hier durchaus bereits um eine theatralisch-dramatische Kommunikationssituation handelt, da die Dickbauchtänzer 1. sich selbst als sozialen Typ und nicht als Individuum darstellten und 2. ihr aristokratisches Publikum damit unterhalten haben, daß sie u.a. unzulänglich und lächerlich Aristokraten imitierten. '^^Eine ähnliche Funktion hat in klassischer Zeit der professionelle yeA,ü)T07roi6iie\ Honour andShame in Dover (1975), 226-242. Zu den kulturanthropologischen Konstanten dieses Sachverhaltes in den medi¬ terranen Gesellschaften vgl. Cohen, 60. Schmitz (1994), 76; vgl. auch 78. 105; Schmitz (1999), 578. Vgl. Schmitz (1999), 577. Vgl. Schmitz (1994), 85-97 und Schmitz (1999), 582f.; s.o. 33f. Schmitz (1994), 67. 69.

3.1. Normenverstöße, Außenseiter und Rügebräuche

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der Ehebruch konnte eine Popularklage zur Folge haben. Der voreheliche Ge¬ schlechtsverkehr stellte ebenfalls einen schweren Normenverstoß dar.^^ Diebstahl aus Armut und Hunger kam wohl häufiger vor, wogegen sich der Bauer mit Hilfe eines Hundes zur Wehr setzte.War jemand genötigt, Schulden zu machen, dann verstand es sich von selbst, daß er sie dem Gläubiger pünktlich zurückerstattete.^^ Eine echte Übertragung des bäuerlichen Besitzes vom Vater auf den Sohn fand offensichtlich nicht statt, sondern nur die Übertragung der Hausgewalt. Allerdings konnte damit die Position des Vaters auf dem Altenteil, der sich nun nach den Arbeitseinteilungen und häuslichen Ordnungsvorstellungen des Sohnes richten mußte, recht prekär werden,^« wie bei Hesiod (Erga V. 185-188) beispielsweise überliefert ist: Bald schon weigern sie sich, die greisen Eltern zu ehren, fahren sie an und decken sie ein mit häßlichem Wortschwall, Frevler, sie ahnen ja nichts von der Vorsicht der Götter, versagen greisen Eltern den schuldigen Dank für die Aufzucht der Kinder!

(Übers. Schimding)^^ Die Rügebräuche mit ihren partiellen Gewalttätigkeiten gegen die Devianten hingegen können sich im Laufe der Entwicklung zu Strafen bei entsprechenden Gesetzesverstößen wandeln, zu denen sich die Normenverstöße ihrerseits ent¬ wickelt hatten.'^® Ein großer Teil der hier referierten Normenverstöße wurde später als Gesetzesverstoß geahndet. So verbot ein Gesetz, Vater und Mutter zu schlagen (7iaTpa>.o(a(; bzw. prjTpaXoiac;) und stellte den Vater- und Muttermord unter här¬ teste Strafe.'*’ Ehebruch und Diebstahl waren ebenso verboten und konnten eine Popularklage nach sich ziehen und mit den dafür festgelegten Strafen geahndet werden. Ihr Geltungsbereich ist dann natürlich die gesamte Polis unabhängig vom dörflichen oder städtischen Wohnsitz. „Die Kontrolle, die in fniherer Zeit die Dorfgemeinschaft ausgeübt hatte, wurde nun von der Polis und deren Institutionen wahrgenommen. “'*2 Zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Dorf bediente sich dagegen die Ge¬ meinschaft informeller Sanktionen wie Hohn, Spott, Gerede, Mißachtung oder Ausgrenzung, die ihren spezifischen Ausdruck in Rügeliedem und Rügebräuchen fanden.'*^ In der iambischen Dichtung haben sich solche Spottlieder erhalten, und 34 35 36 3^ 38 3^

40 4’ 42 43

Schmitz (1994), 251; Schmitz (1997), 82f. Schmitz (1994), 291; Schmitz (1997), 130-132. Schmitz (1994), 64f. 77. Schmitz (1994), 463. Schmitz (1994), 100. 212f; Schmitz (1999), 569. 579f Auf die Wiederholung der Quellennachweise von Schmitz sei verzichtet. Lediglich die Übersetzung dieser Passage aus Hesiod (ähnlich auch V.330-334), sollte wiedergegeben werden, da sie symptomatisch für spätere Komödienkonflikte ist. Schmitz (1994), 363; vgl. Schmitz (1999), 591. Schmitz (1994), 214 f; vgl Schmitz (1999), 580. So zieht Schmitz (1999), 592, das Resum6 für den vojicx; poixeio^, doch trifft diese Aus¬ sage ebenso auf die anderen Gesetze zu. Schmitz (1994), 277. Zum Umgang mit Devianten in Sparta s.o. 36.

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3. Die soziale Typenkomödie

sie gilt mit ihrer Aischrologie, der Schmähung konkreter Personen als eine Wurzel der altattischen Komödie (s.o. 12-14). Allerdings ist es nicht auszuschließen, daß diese konkreten Namen nicht zu realen Personen gehören, sondern fiktiv sind.'^ Mit Rügeliedem und -bräuchen wurde die Ehre des Gerügten herabgesetzt oder gar zerstört. In ersterem Fall konnte der Ehrverlust ein temporärer sein, der die Reintegration des Gerügten zuließ.'*^ Doch nur ein Mitglied der Gemeinschaft konnte in seiner Ehre gekränkt werden oder sie gar verlieren. Ansässige oder durchziehende Nichtmitglieder - hier wäre u.a. an Sklaven, Bettler und sonsti¬ ge Fremde zu denken - waren von ihrem Status Außenseiter ohne xipi) und ihre Position generell eine verachtete, weshalb sie gar nicht Objekt von Rügeliedem werden konnten.'*^ Eine wichtige Schlußfolgerung von SCHMITZ lautet, daß die Rügebräuche eine doppelte Funktion hatten: zum einen stellten sie die von den Normen abweichenden Mitglieder der Gemeinschaft bloß, zum anderen soziali¬ sierten sie die Jugendlichen in den geltenden Normen.'*^ SCHMITZ hat in seinen Untersuchungen nachgewiesen, daß Arbeitsamkeit, Rechtschaffenheit, Redlichkeit, nachbarschaftliche Solidarität und Hilfe, die unangefochtene Stellung des Mannes im bäuerlichen Haus, die Aufgaben des Kupioq gegenüber Gattin, Tochter und Schwester, die dem Lebensalter angemes¬ sene Übertragung der Hausgewalt an den Sohn, die soziale Gleichrangigkeit der Ehegatten, die Generationenzusammengehörigkeit von Eheleuten und ein den Konventionen entsprechendes Sexualverhalten Normen der bäuerlichen Dorfge¬ meinschaft darstellten. Die Bauern „leben in einer bäuerlichen Ordnung, die sie in den Sprüchen tradieren und die sie durch diffuse Sanktionen und Rügebräuche, durch die absolute Wirksamkeit von Ehre und Scham gegen Verletzungen ver¬ teidigen“.'^^ Die Scham vor der Bloßstellung wird zum Regulativ des Verhaltens. Die Funktion und die Inhalte von Rügeliedem scheint die Komödie übernommen zu haben. Die in den Liedern besungenen Normenverstöße begegnen uns zum großen Teil als Konflikte oder als Gegenstand mehr oder weniger beiläufigen Spottes in den Komödien wieder. Die Lösung des Konfliktes bedeutet meist die Reintegration des Gerügten in die Gemeinschaft.

Deviantes Verhalten bei Aristoteles und Theophrast SCHMITZ hat jedoch nur bedingt recht, wenn er meint, „daß das einheitliche Nor¬ mensystem der bäuerlichen Welt... konkurrierenden Normensystemen einer diffe¬ renzierteren Welt im 5. und 4. Jh. weichen mußte“ und sich dazu auf die Einflüsse von Sophistik, Rhetorik, Naturphilosophie und Medizin bemft.'*^ Als Beispiel nennt er die Sophisten und Philosophen, die Phänomene der Stadt sind imd „die

^ Schmitz (1994), 48; vgl. auch ebd. 298f. '*5 Schmitz (1994), 282. Schmitz (1994), 282. Zum Umgang mit den Heloten in Sparta s.o. 37. Das Gast- und das Asylrecht spiegeln Sondersituationen wider. Schmitz (1994), 289. Zu Sparta s.o. 38f. '‘8 Schmitz (1994), 589. Schmitz (1994), 587; vgl. Schmitz (1999), 596.

3.1. Normenverstöße, Außenseiter und Rügebräuche

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barfuß und in schäbiger Kleidung sich über traditionelle Verhaltensmuster lustig machen und eine neue Legitimation für gesellschaftliche Normen fordern. Doch das besagt m. E. nichts über gesellschaftliche Akzeptanz, sondern bezeugt vielmehr das Gegenteil, nämlich Außenseitertum, mit dem es sich in der Stadt bes¬ ser leben läßt als auf dem Dorf, damals wie heute. Außerdem verweist SCHMITZ auf die Überlegungen des Aristoteles über Ehe, Zeugung und Erziehung im 7. und 8. Buch seiner Politik als Beweis für neue Normensetzung. Das ist jedoch nur bedingt zutreffend und kann m. E. auch nicht als Beweis für einen grundsätzlichen mentalen Wandel genommen werden. Schließlich geht es in diesen beiden Bü¬ chern um politische Theorie bzw. Utopie; hier entwickelt Aristoteles seine Kon¬ zeption der besten E*o//te/a. Von wirklichem oder gar dauerhaftem Einfluß auf die gesellschaftlichen Konventionen und Normen ist diese Theorie nicht gewesen. Dagegen ist von Bedeutung, daß Aristoteles in seiner praxisorientierten Rhe¬ torik die Seham (aiaxovri) mit der Furcht vor üblem Ruf und Schande (döo^la) wegen einer schlechten Handlung (KaKia) verbindet, worüber sich allerdings die Schamlosigkeit (dvaiaxovria) hinwegsetzt (1383bl 1-15). Handlungen, über die man sich schämen muß, sind: den Schild wegwerfen und fliehen, Veruntreuung, unerlaubter sexueller Verkehr (mit bestimmten Personen bzw. an bestimmten Orten), Gewinn von Armen oder Toten machen, keine Hilfe trotz entsprechender Vermögensverhältnisse leisten bzw. Hilfe von Ärmeren annehmen, Speichelle¬ ckerei, Verweichlichung, sich mit Wohltaten brüsten oder sich mit fremden Taten schmücken, Besitzlosigkeit (1383bl8-1384al7). Man schämt sich über Handlun¬ gen, die zu Ehrverlust (äxipia) und Schmähung (övEiSoq) führen (1384al5-17). Das Wesen dieser Handlungen faßt Aristoteles nach den jeweiligen konkreten Bei¬ spielen mit den Begriffen Feigheit (5eaia), Ungereehti^eit (äöiKia), Zügellosig¬ keit (äKo^aaia), Gewinnsucht (aiaxpoKepösia), Gemeinheit (äv£A.EuÜ£p{a), Ver¬ weichlichung (paT-aKia), Schmeichelei (KoXaKcia), Kleinlichkeit (piKpov|/uxia)> Niedrigkeit (xaTOivoxTic;), bzw. Prahlerei (äA,a(!;ov£ia), aber auch mit Besitzlo¬ sigkeit unter Gleichen - besonders selbstverschuldeter (dv 5i’ cauTÖv (paivcxai) — und mit fehlender Bildung (xö pi) pcxExeiv otov TiaiScoaEOK;) zusammen. Auch sexuell passiv im Analverkehr zu sein (üßpf^ca^ai), gehört zu den Handlungen, die zu Ehrverlust und Schmähung fuhren, und zwar unabhängig davon, ob die Handlung auf Freiwilligkeit oder auf Gewalt beruhte. Denn Duldung und fehlende Gegenwehr sind Ausdruck von Unmännlichkeit (ävavöpia) und Feigheit (SciXia) - 1384al7-20. Und so schämt man sich potentiell sowohl vor denen, auf deren Wertschätzung es einem entsprechend ihrer sozialen Stellung ankommt, aber auch vor Spöttern (xX.£oaaxai) und vor Komödiendichtem (KcopcoöoTcoioi), wegen ihrer professionellen üblen Nachrede (1384bl0f.). Da diese Lehrschrift auf die rhetorische Praxis zielt,^’ erscheint sie mir in men¬ talitätsgeschichtlicher Hinsicht eine außerordentlich gute Quelle zu sein. Aristo¬ teles’ Katalog der unehrenhaften Handlungen in der Öffentlichkeit, die Ehrver¬ lust imd Schmähungen nach sich ziehen, deckt sich in wesentlichen Punkten mit 50 Schmitz (1994), 588. 51 Vgl. Hellwig, 43f. 53-57.

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3. Die soziale Typenkomödie

den Vorstellungen vom Agieren in der Öffentlichkeit der Dorfgemeinschaft, auch wenn die konkreten Handlungsinhalte sich nicht mehr ausschließlich aus dem bäuerlichen Lebensumfeld ergeben. Dazu zählt z. B. der militärische Aspekt,der bisher nicht berücksichtigt wurde. Schließlich führte ja gerade auch der Kampf des Vollbauern als Hoplit in der militärisch überlegenen Phalanx dazu, daß die politische Verfassung der militärischen angeglichen wurde und der sich selbst ausrüstende Hoplit zu den politischen Ämtern der Polis zugelassen wurde. Diszi¬ plin, Ausdauer, Tapferkeit und Mut jedes einzelnen Hopliten unterlagen der Kon¬ trolle der kämpfenden Mitbürger. So heißt es u. a. auch: Wer die Ehe bricht oder jemanden schlägt, vergeht sich an einem einzelnen, wer seinen Dienst als Soldat verweigert, vergeht sich am Gemeinwesen (1373b22-24). Neue Gesichtpunkte er¬ scheinen gewissermaßen als Fortsetzung und Ergänzung im städtischen, darum aber besonders für den vermögenderen Bürger keineswegs anonymen sozialen Umfeld.^^ Zwei Aspekte des ‘privaten’ oiKoq-Bereiches sind für die klassische Zeit Athens konstitutiv: „The first illuminates the nature of Athenian conceptions of privacy by examining the social norms and practices which regulate access and Intrusion into the private sphere in all its various senses: houses, financial affairs, sexuality, family relations, and so on. ... The second concems law and political ideology. It focuses on the way in which they define and protect the private sphere on the one hand, and the extent to which they limit it and intrude on the other.’’^^* Der zeitliche Zwischenraum von zwei- bis dreihundert Jahren hat offensichtlich zu keinem grundlegenden mentalen Wandel der moralischen Wertungen und der gesellschaftlichen Konventionen geführt. Der Träger dieser unehrenhaften Hand¬ lungen ist jedoch nicht mehr das Mitglied einer informellen Dorfgemeinschaft, sondern Bürger - und als solcher gegebenenfalls Bauer -, aber kein Fremder oder Sklave. Der Vorwurf mangelnder Bildung weist auf die Unterschiede zwischen städtischem und ländlichem Leben und der normensetzenden Kraft des Städti¬ schen hin. Diese Passage in dQV Rhetorik stellt m. E. ein eindrückliches Zeugnis für mentale Kontinuitäten über die Dauer von zwei bis drei Jahrhunderten dar. Bürger und nicht Fremde oder Sklaven sind auch die Träger jener Charakterfehler, die Theophrast schließlich nach 319 v. Chr. zusammenträgt. Dieser Tatbestand wird in der Forschung häufig übersehen, da unter dem Aspekt allgemein mensch¬ licher Charakterfehler die Frage des Bürgerrechtes nicht relevant erscheint. Sie taucht nicht auf, weil Theophrast das Bürgerrecht voraussetzt^^ und es die entZum öffentlichen Spott auf militärische Feiglinge in Sparta s.o. 36. Schmitz (1994), 288, hatte heraus gearbeitet, daß sich in der Stadt andere bzw. sekundäre Rügebräuche zu denen der bäuerlichen Gemeinschaft herausbildeten. In den attischen Gerichtsreden wird der Zusammenhang zwischen Öffentlichem imd Privatem besonders deutlich. „If honor is won in public it may also be lost in private: a man unable to protect his private sphere incurs dishonor”, resümiert Cohen, 82. 54 Cohen, 83f. 55 Unter dem Typus des Wichtigtuers findet sich als Beispiel für sein angeberisches Geha¬ be, daß er als Prytane sich gern zum Verkünder der Opfer vor dem Volk bestimmen läßt, um dann im glänzenden Himation aufzutreten und zu verkünden: av5peq 'A9r|vaToi, eüuopEv oi Tipurdveiq rd iepd... (Charakt. 21,11). Der Feigling pflegt lieber im Zelt einen

3.1. Normenverstöße, Außenseiter und Rügebräuche

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wicklungsgeschichtliche Prämisse bildete. Das Fehlverhalten von Sklaven war philosophisch-moralischer Betrachtungen ohnehin nicht wert. Fremde und Metöken waren in den Gremien der politischen Meinungs- und Willensbildung Athens sowie der Rechtsprechung als Nichtbürger nicht zugelassen, also dort, wo charak¬ terliche Fehler und Mängel der kontrollierenden Wahrnehmung der Umwelt be¬ sonders aufFallen mußten. Da andererseits das Vorhandensein solcher Fehler nicht an den Status des Bürgerrechtes gebunden ist, konnten sie schon in der antiken Rezeption zum allgemein Menschlichen abstrahiert werden. Theophrasts Charaktere^(’ stellen die Zuspitzung jeweils eines einzigen negativen Merkmals dar. Seine dreißig Typen der Charakterfehler — eine dem Inhalt angemessenere Um¬ schreibung des Wortes ^^apaKrfip — sind die Heuchelei (eipoveia), die Schmeiche¬ lei (KokaKcia), die Geschwätzigkeit (ctSokEaxia), die Bauemgrobheit (dypoiKia), die Kriecherei (äpeaKEia), der Unverstand (äjtovoia), die Redseligkeit (A.a^ia), die Gerüchtemacherei (koyonoiia), die Schamlosigkeit (ävaiaxuvxia), der Geiz (piKpokoyia), die Ungeschliffenheit (ß5e?.upla), die Unziemlichkeit (dKaipia), die Aufdringlichkeit (TiEpiepyia), die Gedankenlosigkeit (ävaiaüriaia), die Stur¬ heit (aöüötÖEia), der Aberglaube (öEiCTvöaipovia), die Nörgelei (p£pv|npoipia), das Mißtrauen (äTnaxia), die Verwahrlosung (Soaxepaia), die Taktlosigkeit (dpöia), die Wichtigtuerei (piKpcKpikoTipla), die Knauserigkeit (dvEkEuÜEpia),^'^ die Prah¬ lerei (dka^ovEia), die Arroganz (ÜTiEppcpavva), die Feigheit (Seala), das oligarchische Machtstreben (ökiyapxia), das unwürdige Altem (ö\j/ipaüia), die Verleum¬ dung (KttKokoyta), die Verkommenheit ((pikoTiovripia) und die Schlitzohrigkeit (aiaxpoKEpÖEia). Bei allen diesen Verhaltensweisen handelt es sich um Verstöße „gegen den äußeren Anstand“, zu denen auch gravierende Verletzungen morali¬ scher Normen treten können.^* Die zwischen Theophrast und Menander vermutete Lehrer-Schüler-Beziehung hat häufig dazu geführt, in den Komödien des Menander gleichsam eine drama¬ tische Umsetzung dieser Typen zu sehen. Dabei wird nicht oder zu wenig be¬ rücksichtigt, daß diese Typen teilweise schon in der altattischen Komödie einigen Stücken den Titel gaben.^^ Auch tritt ein großer Teil dieser Typen als unpolitische Nebenfiguren in der politischen Alten Komödie auf.^® Verletzten als selbst zu kämpfen, gibt aber nach der Schlacht das Blut des Verletzten an seinem Körper vor Demen- und Phylengenossen als sein eigenes aus (Charakt. 25,5). Das Schlitzohr läßt als Gesandter die staatlichen Diäten zu Hause und pumpt dafür seine Mitgesandten an (Charakt. 30,7) oder er fordert bei der Bewirtung seiner Phratrie, daß seine Sklaven aus deren Kasse verpflegt werden (Charakt. 30,16). Die Beispiele lassen sich nahezu bei jedem Typus belegen. Zur Frage der Echtheit einzelner Charaktere bzw. der gesamtem Sammlung vgl. Stein (1992), u.a. 64. 117-123. 192f. 283-285. In der referierten Passage der aristotelischen Rhetorik entspricht die äveXcuOepia mehr der Gemeinheit als der Knauserigkeit. 58 Stein (1992), 124. 5^ Sie treten auch innerhalb der Stücke in Nebenrollen - zuweilen auch unter dem Namen eines realen Zeitgenossen - auf, auch in der Kombination mehrerer Charakterfehler. Über die soziale Typenkomödie als Figurenspender der politischen Typenkomödie s.u. 293.297. 301f. 309.

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3. Die soziale Typenkomödie

3.1.1. Typen und Motive als Komödientitel Hier soll im wesentlichen nur die quantitative Seite in einem selektiven Überblick vorgestellt werden, um die Kontinuitäten von Titeln hervorzuheben, hinter denen bestimmte typisierte Motive und Figuren angenommen werden können. Inhaltli¬ che Beispiele werden im darauf folgenden Abschnitt gegeben. Die ausgewählten Titel beziehen sich einerseits auf die Realität und andererseits auf den Mythos.^’ Bei den Titeln aus der Alltagskomödie sollen zunächst diejenigen aufgefuhrt wer¬ den, die einem ethologischen Typus entsprechen. Da nicht bei jedem überlieferten Komödienautor der Nachweis seines Wirkens in Athen gegeben ist, wäre auch in Rechnung zu stellen, daß außer Epicharm, Sophron etc. weitere Dichter nie in Athen ein Stück zur Aufführung gebracht haben, wohl aber in anderen Städten wirkten. Allein für die attische Komödie zwischen 486 und etwa 120 v. Chr. müssen wir entsprechend der Aufführungspraxis in Athen mit ca. 2.500 Komödien rechnen, wovon immerhin ungefähr 1.450 mit Titeln belegt sind.^^ Die Überlieferung reicht von der vollständig erhaltenen Komödie, über ausführliche Fragmente, kurze Bruchstücke bis lediglich zum Titelnachweis. Doch selbst ausführlichere Frag¬ mente können häufig nichts Substantielles über den Inhalt der jeweiligen Komödie aussagen, wenn sie nur als Zitat oder Hinweis auf ganz andere Sachverhalte - z. B. auf Essen und Trinken - dienen, wie wir es bei einer unser Hauptquellen, bei Athenaios, finden. Dem Nachweis der Kontinuität dient die Angabe des zeitlichen Wirkens des jeweiligen Autors im Rahmen jeder thematischen Aufstellung. Von den qOri spiegeln sich die Bauerngrobheit und ländliche Unbildung in Titeln wie im ’AYpcoaTivo.ripoq reich geworden ist. Damit zerstört er alle Heiratspläne seines jüngeren Bruders, der die mittellose Nichte bei sich aufgenommen hatte und mit seinem Stiefsohn verheiraten wollte. Hier werden also wieder verschiede¬ ne Normenverstöße kombiniert. Das unsinnige Pochen auf das gesetzlich verbrief¬ te Heiratsrecht als nächster und ältester Verwandter läßt die Verstöße gegen die Konvention der Fürsorgepflicht als Kupioq und gegen das Gebot der Generations¬ zusammengehörigkeit unter Eheleuten in besonders krassem Licht erscheinen. Zu 3. Der ungehorsame Sohn, der das väterliche Vermögen verschleudert, begeg¬ net uns z. B. in den Wolken des Aristophanes. Mit seiner Pferdeleidenschaft treibt er den Vater in den wirtschaftlichen Ruin. Für die Bitten des Vaters, von seinem Lebenswandel abzulassen, hat er nur taube Ohren. Die kostspielige Leidenschaft eines Bürgersohnes kann natürlich auch auf eine Hetäre gerichtet sein. In den Fragmenten der Mittleren Komödie, für die trotz aller Bemühungen keine Rekon¬ struktion der Handlungen möglich ist,*^ gibt es ausreichende Belege dafür, daß die Beziehung zwischen den Generationen als recht spannungsgeladen dargestellt wurde: die Jugend wich in ihrem Verhalten deutlich von der Vätersitte ab. Dazu zählt das Verschwenden des väterlichen Vermögens und ausschweifender Lebens¬ stil, bei dem übermäßiger Weingenuß und Liebesfreuden natürlich nicht fehlen. Besonders eklatant war der Kontrast zwischen sparsamem Vater und liebestollem Sohn,der einer Prostituierten verfallen war und für sie entsprechende Summen aufwenden wollte und damit den Vater gegen sich aufbrachte. Der geplagte Va¬ ter dürfte das Publikum auf seiner Seite gehabt haben, vermutet SHERBERG.^® In einem Teil der Sentenzen, die die Antike aus den Stücken der Mittleren Komödie gewonnen hat, fänden sich die Vorstellung von Anerkennung der väterlichen Autorität, von traditioneller Erziehung, von der Liebe des Vaters zum Sohn, von der Scham des Sohnes vor den Eltern und vom rechten Ertragen des Alters, welnäher eingegangen werden soll. Es findet sich u.a. in Menanders Epitrepontes. Kultische Frauenfeste waren eine der wenigen Gelegenheiten, an denen sich unverheiratete Töch¬ ter in der Öffentlichkeit bewegten, zumal die Töchter aus besserem Hause. Auch hier kann es sich um eine Tochter handeln - vgl. Friedrich, 122. Vgl. Nesselrath (1990), 20. ' ® Sherberg, 21 f. Friedrich, 12If, interpretiert die einschlägigen Komödien als unmittelbaren Reflex ge¬ sellschaftlicher Realität. 20 Sherberg, 22f.

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3. Die soziale Typenkomödie

che die Autorin deshalb zu Recht dem Generationenkonflikt zurechnet. Allerdings läßt sie die Entscheidung darüber offen, ob sie „ethisch oder komisch motiviert waren“.^* Hier konstruiert SHERBERG jedoch einen falschen Gegensatz zwischen Moral und Lachen, wie er generell in der Komödienforschung zu finden ist. Denn es geht gerade darum, durch Aus lachen von deviantem Verhalten eine moralische Lektion zu erteilen und damit die gesellschaftlichen Konventionen zu festigen. In der Mostellaria des Plautus haben wir diesen Fall in einer vollständig erhal¬ tenen Komödie überliefert. Der Sohn nutzt die Abwesenheit seines Vaters Theopropides aus um herumzuprassen. Die plötzliche Rückkehr des Theopropides setzt eine Intrige in Gang, um dem Vater den verschwenderischen Lebenswandel zu verheimlichen. In deren Verlauf wird dem Alten sogar noch der Kaufpreis für die Hetäre seines Sohnes abgeluchst.^^ Zu 4. Schon in der Alten Komödie finden wir das Motiv der falschen Erziehimg in den Daitales und in den Wolken des Aristophanes. Von den Daitales wissen wir nur, daß ein Vater (Bauer) den einen Sohn bei sich auf dem Lande behielt und den anderen zur Erziehung in die Stadt gab. Das Ergebnis bei letzterem muß verheerend gewesen sein, denn er wird als Kaxajnjycov bezeichnet.^^ Das heißt, er läßt Analverkehr an sich vollziehen.^"' In den Wolken verschränken sich mehrere normenabweichende Verhaltensweisen, auf die hier nur in Kürze eingegangen werden soll (s.u. 306-308). Der Bauer Strepsiades hat mit der Heirat einer adligen, reichen Frau eine Mißheirat begangen, weil er damit die Konvention der sozia¬ len Gleichheit ignoriert hat.^^ Die Heirat zwischen einem ‘Durchschnittsbürger’ bäuerlicher Prägung und einer vermögenden Adligen beispielsweise wurde offen¬ sichtlich als problematisch angesehen.^^ Sherberg, 26. Ähnlichkeiten weist der Phormio des Plautus auf. Zu den stereotypen Handlungsstruk¬ turen in der Neuen Komödie, die sich mit dem Vater-Sohn-Konflikt verbinden, vgl. Zimmermann (1998a), 29f Vgl. Aristoph. Wolken V.528f.: ötou ydp ev9ä5’ bii äv5p)öv, ol,ou) darstelle, vom Geschichtsschreiber, der das Einzelne (xd KaO’ eKaaxov) zum Gegenstand habe. Daher sei die Dichtung philosophischer, d. h. wissenschaft¬

praktischen in Frage, d.h. auch nicht die mathematischen Disziplinen, obwohl der größte Teil der Beispiele in der Zweiten Analytik mathematisch ist. Fuhrmann (1992), 10, weist zwar darauf hin, daß es sich bei der Poetik um praktische Philosophie handelt, doch nicht auf die Übernahme der aus den wissenschaftstheoretischen Werken entlehnten Begrifllichkeit. Hom, 122, hatte bereits darauf auftnerksam gemacht, daß Aristoteles den Dichter mit seinem Schaffen auf den Begriff" des Ka&öXou verpflichtet, wie er in den Anal.post. 73b26-28 dargelegt hatte. Hom hat jedoch nicht die Konsequenzen gesehen, die sich durch die Übertragung der wissenschaftlichen Aporie des Verhältnisses von Allgemei¬ nem und Einzelnem auf die theoretische Begündung der Dichtung ergaben und die zu den immer wieder konstatierten Inkohärenzen der Poetik geführt haben. Arist., Poetik 1448a34-38. Die beiden Dichtemamen sind nur eine Ergänzung in zwei Handschriften. Auf alle Fälle schließt die Formuliemng ‘seit alters’ (^ apypi;) die Komödiendichter des fi^en 5. Jh. - also auch Epicharm und Phormis - mit ein. 40 Hom, 119f.

3.3. Übersicht über die regionalen Komödien

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licher, als die Geschichtsschreibung. Während letztere lediglich erzähle, was ge¬ schehen sei, stelle erstere dar, was geschehen könne (1451b5-7): 5io Kal (piA,oaocpcotepov Kal CTTiouöaiötepov TrolriaK; laxoplaq eaxlv r) pev ydp 7iolT|ai(; pdA,X,ov xd Ka9öXou, f] 5’ laxopla xd Ka9’ SKaaxov ^eyei. Das Allgemeine in der Dichtung definiert er als das Sprechen und Handeln gemäß dem Wahrscheinlichen und dem Notwendigen, wie es bei Menschen von einer be¬ stimmten Beschaffenheit zutrifft - also typisch ist -, auch wenn die Dichter diesen Menschen Namen geben und sie damit scheinbar individualisieren. Das Einzelne sind hingegen die Handlungen eines konkreten historischen Menschen wie des Alkibiades (1451b8-l 1). eaxiv 5s Ka9ö^ou pev, x(p rtoico xd noTa dxxa aupßaivei Xeyeiv f) Ttpdxxeiv Kaxd xö eiKo; fl xö dvayKaiov, ou axoydi^exai h TcolTiaic; övöpaxa CTixiOepevri- to Ka9 SKaaxov, xl ’A7,Kißid5r|(; enpa^ev fi xl CTaSev. Und unmittelbar im folgenden Satz bringt Aristoteles als Beispiel für die Darstel¬ lung des Allgemeinen die Komödiendichter seiner Zeit, die nicht nach der Art der lambendichter über den Einzelnen schreiben, sondern zusammenhängende Hand¬ lungen gemäß dem Wahrscheinlichen und mit zufälligen Figurennamen dichten (1451bll-15): 8t:1 psv ouv xfjc; KcopcpSlaq fiSri xoöxo SfiXov ysyovev oixrxfiaavxsq ydp xöv pö9ov 5id xöv eiKOxcov oüxco xd xuxövxa övöpaxa önoxiSeaaiv, Kal ody öoTrep ol iapßoTToiol Ttepl xöv Ka9’ SKaaxov Tioiouaiv. Im 5. Kapitel hat Aristoteles diesen Grundsatz kurz schon bei der sizilischen und bei der altattischen Komödie hervorgehoben. In dieser Passage (1449b5-9) stellt er jedoch nicht die Begriffe des Ka9’ sKaaxov und des Ka9öA.oo einander gegenü¬ ber, sondern die iapßiKfj i5ea und Ka9öX,oo. Der persönliche Spott (iapßiKp iSea) steht hier also - wie bei den lambendichtem - für das Einzelne (1449b5-9): xö 58 pööotx; 7roi8iv ['ETcixappcx; Kal Oöppu;] xö pev dpxfiq ök 2;iK8A,{a(; f)X.98, xöv 58 ’Aöfivriaiv Kpdxriq npöxoq fip^8v d(pep8vo,ou Ttoi8iv >.öyou