Die Grundprobleme der Delikte mit strafbegründender besonderer Folge [1 ed.] 9783428485901, 9783428085903

In der vorliegenden Arbeit untersucht der Autor die Delikte, bei denen der Eintritt einer besonderen Folge die Strafbark

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Die Grundprobleme der Delikte mit strafbegründender besonderer Folge [1 ed.]
 9783428485901, 9783428085903

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CHRISTOF W. MISERE

Die Grundprobleme der Delikte mit strafbegründender besonderer Folge

Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Flerausgegeben von Klaus Bernsmann, Flans Joachim Flirsch Günter Kohlmann, Michael Walter Thomas Weigend Professoren an der Universität zu Köln

Band 24

Die Grundprobleme der Delikte mit strafbegründender besonderer Folge

Von Christof W. Misere

DUßcker & Humblot · Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Misere, Christof W.:

Die Grundprobleme der Delikte mit strafbegründender besonderer Folge I von Christof W. Misere. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Kölner kriminalwissenschaftliche Schriften; Bd. 24) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08590-6

Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany

© 1997 Duncker &

ISSN 0936-2711 ISBN 3-428-08590-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Vorwort Die Abhandlung hat im Jahre 1995 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation vorgelegen. Das Rigorosum fand am 10. Juli 1995 statt. Literatur und Rechtsprechung sind - soweit erforderlich - bis Mai 1997 berücksichtigt worden. Ein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. H. 1. Hirsch, der die Arbeit weit über das normale Maß hinausgehend betreut und unterstützt hat. Für die Zweitkorrektur bin ich Herrn Prof. Dr. K. Bernsmann zu Dank verpflichtet. Weiteren Dank möchte ich den Mitarbeitern, mit denen ich am Lehrstuhl von Prof. Hirsch zusammenarbeiten durfte, aussprechen. Hervorzuheben seien dabei Frau Kirsten Elisabeth Malitz und Herr Dr. Michael Malitz, die mich ebenso, wie Herr Dr. Kristian F. Stoffers über den fachlichen Rahmen hinaus bei der Abfassung der Arbeit unterstützt haben. Meinen Eltern, insbesondere meiner Mutter, sei Dank fiir ihre umfassende Unterstützung, die mir die vorliegende Abhandlung erst ermöglicht hat. Nicht zuletzt danke ich meinem Bruder, Martin Misere, auch fiir seine fachliche Unterstützung beim Erstellen der Druckvorlage. Gewidmet ist dieses Buch meinem Patenkind Svea.

Christo! W. Misere

Inhaltsverzeichnis A. Einf"dhrung und Festlegung des Erörterungsgegenstandes ............................. .

B. 1. Teil....................................................................................................................

3

1. Die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge - Struktur und dogmatische Einordnung ......................................

3

l. Zu den Mischformen der Tatbestandsrealisation.............. .. .......................

a) Die Vorschriften im Einzelnen ........................................................... b) Darstellung anhand der Bestimmung des § 315cIIlNr.1 StGB........ c) "Vorsatz-Vorsatz-" und "F ahrlässigkeit-Fahrlässigkeitskombinationen......................................................................................................

3 3 4 4

2. Meinungsstand, historische Entwicklung und dogmatische Grundlagen.. 5 a) Der Entwurf des StGB von 1962 und die Reform der Verkehrsdelikte durch das 2. Straßenverkehrssicherungsgesetz........................ 6 b) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 2.7.1966 - Die Kritik Janiszewskis und der Sonderausschuß für die Strafrechtsreform ................................................................................................. 7 c) Die Regelung des § 11 II StGB........................................................... 8 d) Zum Begriff des Vorsatzes - Besonderheit der Begriffsbildung im Rahmen der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen........................... 9 e) Zum Begriff der Fahrlässigkeit und die Möglichkeit der Integration des Fahrlässigkeitsteiles der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination...... 10 3. Struktur und Inhalt des Vorsatzteiles der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination.............................................................................................. a) Parallelen zum abstrakten Geflihrdungsdelikt..................................... b) Zum Inhalt des Vorsatzteils - Vergleich mit dem herkömmlichen fahrlässigen Erfolgsdelikt ................................................................... c) § 222 StGB und die "Offenheit" fahrlässiger Erfolgsdelikte............... d) Die bewußte Vornahme des sorgfaltspflichtverletzenden Verhaltens als differenzierungsberechtigendes Kriterium - Inhalt und Bedeutung der Typisierung...........................................................................

11 11 13 13 15

4. Die Bedeutung des Vorsatzteiles rur die Bewertung des gesamtdeliktischen Charakters..................................................................................... 16 a) Die Positionen im einzelnen (Krey/Schneider; Gössel; Lackner) ....... 17 b) Zur fehlenden Unterscheidbarkeit erfolgsqualifizierter und "erfolgsbegründender" Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen....................... 19

VIII

Inhaltsverzeichnis 5. Zur Präponderanz des Vorsatzteiles - Die Kategorie eines "an und fiir sich" strafbaren Verhaltens als Rechtfertigung der Sonderbehandlung..... 20 6. Unrechts schwerpunkt des Vorsatzteiles aufgrund der Auffassung des Erfolges als objektiver Bedingung der Strafbarkeit........... ...... ....... ...... ..... 23 a) Die Einordnung des Erfolgs beim herkömmlichen fahrlässigen Erfolgsdelikt ..... .......... ....... ........... ........ ........ ..... .... ......... ........ ............ 23 b) Das Moment des "Zufalles" und seine funktionale Bedeutung im strafrechtlichen Systemzusammenhang. ........ ....... ...... ..... ...... ... ..... ...... 26 7. Präponderanz des Vorsatzteiles aufgrund der "Offenheit" des normalen fahrlässigen Erfolgsdeliktes ...................................................................... a) Zur Dogmatik des Fahrlässigkeitsdeliktes .......................................... b) Fahrlässigkeit und Finalität - Zur relativen Strukturgleichheit von Vorsatz und Fahrlässigkeit.................................................................. c) Der subjektive Tatbestand des Fahrlässigkeitsdeliktes .......................

27 27 28 32

8. Der Zusammenhang von "erwünschter Zielsetzung" und Abweichung des Geschehens beim Fahrlässigkeitsdelikt............................................... 39 a) Motiv, Art und Weise der Motivation - Untrennbarkeit der Gegensätze .................................................................................................... 41 b) Die fehlgehende Exklusivität der Gleichsetzung von Finalität und Vorsatz................................................................................................ 42 9. Zwischenergebnis - Die Pflichtverletzung als Anknüpfungspunkt vorsätzlicher und fahrlässiger Realisation des Tatbestandes .......................... 43 a) Die Pflichtverletzung als Ausgangspunkt der Tatbestandsverwirklichung ................................................................................................ 45 b) Verschiedene Grade der Fahrlässigkeit - Strafzumessungsrelevante Gesichtspunkte.................................................................................... 47 10. Ergebnis und Zusammenfassung ............................................................... 48 II. Zur Problematik der Strafbarkeit des Versuches im Bereich der VorsatzFahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge......... 49 1. Die fehlende Anordnung der Versuchsstrafbarkeit und die Ausnahmen der §§ 31 Ob, 311, 353b StGB - Auslegung und inhaltliche Tragweite der Bestimmung des § 11 11 StGB................................................................... a) Der Versuch und die Vorschriften im Einzelnen ................................ b) Zur Bestimmung des § 11 11 StGB - die Einzelnen Positionen. ..... ..... c) Kritik und eigene Stellungnahme........................................................

49 50 50 51

2. Zum Kriterium der "Zwangsläufigkeit" des Erfolgseintritts - Über die Möglichkeit des fahrlässigen Versuches ................................................... 52 a) Zur Zwangsläufigkeit des Erfolgseintritts........................................... 52 b) Zum fahrlässigen Versuch .................................................................. 54 3. Zur Möglichkeit des Versuchs im Rahmen der erfolgsqualifizierten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen ..................................................... 55 a) Erfolgsqualifizierter Versuch - "Vollendungslösung"......................... 55

Inhaltsverzeichnis

IX

b) Kritik an der "Vollendungslösung" ..................................................... 58 4. Ergebnis und Zusammenfassung............................................................... 60 5. Anhang zu 11. Die Auswirkungen der im Rahmen der Versuchsproblematik vertretenen Auffassung auf die Strafbarkeit, dargestellt anhand der typischerweise in der Diskussion vorfindbaren Fallkonstellationen. .. 61 III. Zur Problematik der Teilnahme im Rahmen der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge ................................ 65 1. Die Regelung des § 11 II StGB und ihre Konsequenzen für die Bestrafung der am tatbestandlichen Geschehen beteiligten Personen ....... a) Zur Notwendigkeit der Regelung in § 11 II StGB .............................. b) Die Positionen im einzelnen (Gössel; Schroeder; Krey/Schneider) Kritik................................................................................................... c) Tatbestandliehe Typisierung und Begrenzung des Täterkreises..........

65 65 66 68

2. Dogmatische Begründbarkeit der in § 11 II StGB getroffenen Regelung. 69 a) Zur Teilnahme am Fahrlässigkeitsdelikt ............................................. 69 b) Über die fahrlässige Teilnahme........................................................... 71 3. Zur Vorsatzfiktion des § 11 II StGB ......................................................... a) Legitimation der Einführung dieser Regelung .................................... b) Der Vorsatzteil als Anknüpfungspunkt einer Differenzierung anhand der Kriterien von Täterschaft und Teilnahme .................. ............. ...... c) Bedeutung und Grenzen des § 11 II StGB ..........................................

72 73 73 74

4. Zu den Beteiligtenverhältnissen im einzelnen - Die Beihilfe ................... 75 a) Die obligatorische Strafmilderung des § 27 II S. 2 StGB ................... 75 b) Die Möglichkeit mittelbarer Täterschaft - Zur Eingrenzung der Haftung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand .............................................. 76 5. Die Beteiligtenverhältnisse im einzelnen - Die Anstiftung ...................... 79 6. Anhang zu III. Die Auswirkungen der im Rahmen der Teilnahmeproblematik vertretenen Auffassung auf die Strafbarkeit der Beteiligten, dargestellt anhand der typischerweise vorfindbaren Fallkonstellationen .. 80 IV. Die Vorschrift des § 315c StGB - Besonderheiten aufgrund der Einordnung als "eigenhändiges" Delikt? ............................................................................ 82 1. Strafbarkeitslücken im Bereich mittelbarer Täterschaft - Ursache und Wirkung .................................................................................................... 82

2. Die Auffassung des § 315c StGB als eigenhändiges Delikt...................... a) Die Position von Rehberg - Kritik ...................................................... b) Die Ansicht von Rudolphi - Kritik...... ............................. ... ..... ..... ...... c) Zur besonderen PflichtensteIlung des Fahrzeugführers - Befund und inhaltliche Tragweite (Deichmann).....................................................

85 86 87 89

x

Inhaltsverzeichnis 3. Zwischenergebnis...................................................................................... a) Die Unabhängigkeit der Überlegungen vom zugrundeliegenden Täterbegriff ......................................................................................... b) Zur Abgrenzung von eigenhändigen- und Sonderdelikten...... .... ........ c) Die §§ 230, 222 StGB und die Notwendigkeit der Koordinierung.....

92 92 93 93

4. Anhang zu IV. Die praktische Tragweite der hier vertretenen Lösungsvorschläge für die Strafbarkeit, dargestellt anhand der einschlägigen Fallkonstellationen .................................................................................... 94 V. Die Vorschrift des § 353b StGB - Besonderheiten aufgrund der Einordnung als echtes Sonderdelikt ........ ............ ............................. .................................. 96 1. Strafbarkeitslücken und Legitimation der Strafbarkeit der Teilnahme Nichtqualifizierter am echten Sonderdelikt ............................................... 96 a) Der Widerspruch in § 28 StGB .......................................................... 96 b) Möglichkeiten einer Harmonisierung bei der Absätze.... ................ ..... 97 2. Historische Grundlagen und Entstehungsgeschichte der Regelung des heutigen § 28 StGB....... ............................. ................................. .............. 99 a) Zur Entstehung des § 28 StGB ........................................................... 99 b) Umkehrschlüsse und Kompromisse .................................................... 100 3. Zur relativen Unabhängigkeit der Fragestellung von der Auffassung zum Strafgrund der Teilnahme .................................................................. 101 a) Rechtsgut, Ausrichtung und Norminhalt der echten Sonderdelikte .... 101 b) Die Stellung des Sonderpflichtigen und die Mißachtung des eigenen Status .................................................................................................. 102 c) Das Herbeiführen gesellschaftlich relevanter Schädigungen als Rechtfertigung der Bestrafung des nichtqualifizierten Teilnehmers Erinnerungen an die Theorien der Schuld- und Unrechtsteilnahme ... 105 d) Notwendige Konsequenzen innergesellschaftlich privilegierender Positionszuschreibungen ..................................................................... 106 e) Die Bedeutung des Adressatenkreises innerhalb der Bestimmungen der §§ 120, 258 StGB - Strukturelle Parallelität der Fragestellung ..... 107 f) Andere besondere Täterqualifikationen im Vergleich ......................... 108 4. Ergebnis de lege ferenda ........................................................................... 109 5. Der qualifizierte Fahrlässigkeitscharakter der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen und die Konsequenz für die Problematik der Teilnahme Nichtqualifizierter am echten Sonderdelikt - Zur Strafbarkeit de lege lata ............................................................................................................ 109 C. 2. Teil .................................................................................................................... 111 I.

Der Vollrauschtatbestand (§ 323a StGB) ........................................................ 111

Inhaltsverzeichnis

XI

1. Die Struktur zweiaktiger Tatbestände mit strafbegründender besonderer Folge - Abgrenzung zu den Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen des 1. Teils ...................................................................................................... 111 2. Unrecht und Strafgrund des Vollrauschtatbestandes ................................. a) § 323a StGB als abstraktes Gefahrdungsdelikt - Kritik ...................... b) § 323a StGB als konkretes Gefahrdungsdelikt - Kritik ....................... c) § 323a StGB als konkretes Gefahrdungsdelikt eigener Art - Kritik .... d) § 323a StGB als erfolgsqualifiziertes Delikt - Kritik ..........................

112 113 116 118 120

3. Die zweiaktige Struktur des Vollrauschtatbestandes - Parallelität mit der actio libera in causa ................................................................................... 122 a) Die actio libera in causa - Ausnahmemodell oder tatbestandsimmanentes Prinzip der Zurechnung ........................................................... 122 b) Das Sich-Berauschen als Anfang der tatbestandlichen Ausführungshandlung ............................................................................................. 123 c) Der Vergleich mit der mittelbaren Täterschaft - Über die actio libera in causa als Prinzip täterschaftlicher Zurechnung ............................... 125 d) § 30 I StGB und die extensive Weite des Tatbestandes ...................... 127 e) Die Gleichbehandlung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft .... 127 t) Der Vergleich mit dem Fahrlässigkeitsdelikt ...................................... 130 g) Der Vollrauschtatbestand als gesetzliche Ausformulierung des in der actio libera in causa enthaltenen Prinzips ........................................... 132 h) Zur Notwendigkeit der Konkretisierung des Vorsatz- und Fahrlässigkeitsbezuges ............................................................................... 133 i) Tatbestandsmäßige Handlung und die Bestimmung der Rechtsgutsbezogenheit ......................................................................................... 134 4. Ergebnis und Zusammenfassung ............................................................... 135 Ir. Der Schlägereitatbestand (§ 227 StGB) ........................................................... 135

1. Unrecht und Strafgrund der Vorschrift ..................................................... 135 a) § 227 StGB als abstraktes Gefahrdungsdelikt - Kritik ........................ 136 b) § 227 StGB als konkretes Gefahrdungsdelikt - Kritik ......................... 138 c) § 227 StGB als erfolgsqualifiziertes Delikt - Kritik ............................ 139 d) Die zweiaktige Struktur des Schlägereitatbestandes - Parallelität mit der Rechtsfigur der actio libera in causa............................................. 140 e) Über die Reichweite der in der actio libera in causa enthaltenen Grundsätze.......................................................................................... 141 t) Die Notwendigkeit der Konkretisierung des Vorsatz- und Fahrlässigkeitsbezuges ............................................................................... 143 g) Tatbestandsmäßige Handlung und Bestimmung der Rechtsgutsbezogenheit ......................................................................................... 143 2. Ergebnis und Zusammenfassung ............................................................... 144 III. Die üble Nachrede (§ 186 StGB) ..................................................................... 144

1. Unrecht und Strafgrund der Vorschrift ..................................................... 144 a) § 186 StGB als abstraktes Gefahrdungsdelikt - Kritik ........................ 144

XII

Inhaltsverzeichnis b) Die einschränkende Auffassung von Hirsch....................................... 146 c) Die Ehre als innerer Wert - Interpretation und Konsequenzen fiir das Verständnis der Vorschrift des § 186 StGB ........................................ 148 d) Die Nichterweislichkeit der Wahrheit als Merkmal des Tatbestandes der üblen Nachrede ............................................................................. 149 e) Die zweiaktige Struktur des Tatbestandes der üblen Nachrede Parallelität mit den Vorschriften der §§ 227, 323a StGB und der actio libera in causa............................................................................. 152 2. Ergebnis und Zusammenfassung ............................................................... 154

Literaturverzeichnis ................................................................................................... 155 Sachverzeichnis.......................................................................................................... 169

A. Einführung und Festlegung des Erörterungsgegenstandes Während der Thematik des erfolgsqualifizierten Deliktes bis in die jüngste Zeit im Wege zahlreicher Veröffentlichungen I ein beachtenswertes Interesse zuteil wurde, sind jene Delikte, bei denen durch den Eintritt der "Folge" eine Strafbarkeit überhaupt erst begründet wird, demgegenüber in der strafrechtlichen Literatur mehr oder weniger "stiefmütterlich" behandelt worden. Diesem Befund entsprechend muß die Zielsetzung dieser Arbeit darin bestehen, die mit dieser Deliktsgruppe verknüpfte Problematik näher zu beleuchten, damit eine überzeugende Einordnung in das Gesamtsystem der unterschiedlichen Tatbestandskategorien gewährleistet und auf der Grundlage des dabei gewonnenen Ergebnisses die Anregung zu einer weiterführenden Diskussion ermöglicht wird. Die Verwirklichung dieser Vorgabe erfordert zunächst die Festlegung des Erörterungsgegenstandes, womit - soweit notwendig - zugleich eine Abgrenzung zu anderen tatbestandlichen Erscheinungsformen verbunden ist. In den Bereich der Delikte mit strafbegründender besonderer "Folge" fallen zwei unterscheidbare Gruppen von Tatbeständen. Einerseits kann sich der Eintritt jener strafbegründenden Folge als Resultat einer einzigen Aktion darstellen, andererseits existieren Tatbestände, bei denen diese Folge sich nicht bereits unmittelbar durch die zeitlich primäre Aktion, sondern erst über eine weitere Aktion des Täters oder dritter Personen in der Außenwelt manifestiert. Zu diesen in engerem Sinne zweiaktigen Tatbeständen sind die §§ 323a,227 und 186 StGB 2 zu zählen, wobei dem Vorliegen der die Strafbarkeit erst begründenden Folge dort der herrschenden Auffassung gemäß lediglich die Funktion einer sog. objektiven Bedingung der Strafbarkeit zugesprochen werden soll. Eine nähere dogmatisch-orientierte Analyse dieser Tatbestände bleibt - unter Berücksichtigung der vorstehend erwähnten, der h.M. zugrundeliegenden Prämisse dem zweiten Teil dieser Ausführungen vorbehalten.

I In alphabetischer Reihenfolge sind stellvertretend die folgenden Beiträge zu nennen: DiezRipoltes, ZStw 96 (1984), S. 1059 ff.; Dornseifer, Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 427 ff.; Geilen, Festschrift für Welzel, S. 655 ff.; Gössel, Festschrift für Lange, S. 219 ff.; Hirsch, GA 1972, S. 65 ff.; ders., Festschrift für Oehler, S. 111 ff.; Küpper, Der "unmittelbare" Zusammenhang (1982); Lorenzen, Rechtsnatur (1981); Lüdeking-Kupzok, Der erfolgsqualifizierte Versuch (1979); Paeffgen, JZ 1989,220 ff.; Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte (1986); Woller, JuS 1981, 168 ff.; ders., GA 1984, S. 443 ff. 2 Die vorbenannte Reihenfolge orientiert sich an der Chronologie der späteren Erörterung.

2

A. Einführung und Festlegung des Erörterungsgegenstandes

Der erste Teil wird somit durch die inhaltliche Auseinandersetzung mit der zuvorderst benannten Deliktsart bestimmt. Insofern ist jedoch eine Reduzierung auf den Kreis der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen, bei denen dem Eintritt der Folge zwar ein vom subjektiven Planungshorizont zu umfassender Charakter attestiert wird, die jedoch auf der Grundlage der Bestimmung des § 11 II StGB der herrschenden Ansicht zufolge den Vorsatzdelikten entsprechend behandelt werden sollen, geboten, denn die Zuordnung der mit den sogenannten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen korrespondierenden "Vorsatz-Vorsatz-" und "Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeitskombinationen" ist unumstritten, so daß diesen daher keine unter dogmatischen Gesichtspunkten interessierende eigenständige Bedeutung zukommt). Aus der näheren Betrachtung auszuscheiden haben im Grunde aber auch die erfolgsqualifizierten Delikte. Von den Tatbeständen der §§ 323a, 227 und 186 StGB heben sie sich strukturell dadurch ab, daß sich die qualifizierende Folge nicht erst auf der Grundlage einer weiteren Aktion einstellt, während bei ihnen im Gegensatz zu den Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge - durch das auf den grunddeliktischen Erfolg ausgerichtete Handeln bereits ein selbständiger Strafbarkeit unter fallender Erfolg eintritt, in dessen fortlaufender, unmittelbarer Entwicklung dann eine weitere diesen qualifizierende Folge hervorgerufen wird4 • Soweit jedoch die grundsätzliche Differenz, die zwischen den erfolgsqualifizierten Delikten und den Tatbeständen mit strafbegrundender besonderer Folge besteht, sich als das Resultat einer rein fonnellen Sichtweise darstellen sollte, inhaltlich betrachtet demgegenüber eine Übereinstimmung festzustellen ist, wird es nebst einer dementsprechenden KlarsteIlung angezeigt sein, auch die insoweit vorbezeichneten Konsequenzen filr die Bewertung der erfolgsqualifizierten Delikte aufzuzeigen. Ohnehin wird das durch die Ennittlung der Tatbestandsstruktur der Delikte mit strafbegrundender besonderer Folge gewonnene Ergebnis durch die ausfilhrliche Beschreibung der Auswirkungen, die damit einhergehen, abzusichern und zu vervollständigen sein, wobei diese bereichsspezifisch angelegte Analyse, die durch die Darstellung der jeweils relevanten Fallkonstellationen angereichert wird - im Hinblick auf den 1. Teil - insbesondere die Problematik des Versuchs und der Teilnahme betrifft.

) Dazu naher S. 4 f. 4 Es geht dabei quasi um ein vermeidbares Mißlingen der erfolgsbezogenen Vorsatzbeschrankung. Zur Terminologie und Unterscheidung siehe Krey/Schneider, NJW 1970, 640 ff.; Gössel, Festschrift für Lange, S. 219 (220); Hirsch, GA 1972, 65 (72).

B. 1. Teil I. Die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge Struktur und dogmatische Einordnung 1. Zu den Mischformen der Tatbestandsrealisation

Das Strafgesetzbuch kennt neben reinen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten auch Mischformen der Tatbestandsrealisation, bei denen ein Teil des Tatbestandes vorsätzlich verwirklicht werden muß, während in Bezug auf einen anderen Teil des Tatbestandes Fahrlässigkeit ausreicht. Zur Gruppe dieser Delikte, die als Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen bezeichnet werden, zählen sowohl die durch hinzutretende Fahrlässigkeit qualifizierten vorsätzlichen Delikte, bei denen, auf einem an und für sich schon mit Strafe bedrohten Grundtatbestand aufbauend, ein zusätzlich eintretender schwererer Erfolg durch den Täter wenigstens fahrlässig verwirklicht worden sein muß - so z.B. die §§ 177 IIl, 224, 226, und 251 StGB -, als auch diejenigen Delikte, bei denen dieser Vorsatzteil des Tatbestandes, für sich betrachtet, an keiner Stelle des Strafgesetzbuches pönalisiert ist, die Strafbarkeit also durch den fahrlässig herbeigeführten Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges überhaupt erstmalig begründet wird 5 a) Die Vorschriften im Einzelnen Diese zuletzt genannte Kategorie, die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination mit strafbegründender besonderer Folge, setzt sich aus einer Anzahl von Delikten zusammen, die einerseits eine verschiedenartige Rechtsgutsbezogenheit aufweisen, sich andererseits jedoch in ihrer grundsätzlichen Struktur durch weitestgehende Kongruenz auszeichnen. Es sind dies namentlich die Tatbestände der §§ 97 I; 10ge V; 109g IV; 283 IV Nr.2; 310b II; 311 IV; 311e IV; 315 IV; 315a III Nr.l; 315b IV; 315c III Nr.l; 323 III; 330 V; 330a II und 353b I S.2 StGB. Der ganz überwiegende Teil dieser Vorschriften 6 untergliedert sich dabei in drei verschiedene Formen der Tatbestandsverwirklichung. In einem voranstehenden Absatz wird die Strafbarkeit derjenigen Täter beschrieben, die nicht nur Siehe hierzu Krey/Schneider, NJW 1970, S. 640 ff. Anders z.B. §§ 330a und 353b StGB, die jeweils nur Vorsatz-Vorsatz- und Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen beinhalten. 5 6

B. l. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

4

die vertypte Tathandlung vorsätzlich vorgenommen, sondern auch die durch diese Handlung herbeigefiihrte Folge vorsätzlich bewirkt haben. In den nachfolgenden Absätzen wird einerseits die Strafbarkeit der Personen geregelt, die auf der Grundlage eines vorsätzlichen Verhaltens die Folge fahrlässig verursacht haben, andererseits die jener Täter die - wie es heißt - fahrlässig gehandelt und die Gefahr fahrlässig verursacht haben. Während sich dabei die Strafandrohung, die rur die "gesamtvorsätzliche" Verwirklichung des Tatbestandes vorgesehen ist, teils in erheblichem Umfang7 von der jener beiden anderen Formen abhebt, weisen die Strafandrohungen der "Vorsatz-Fahrlässigkeits-" und der "Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeitskombinationen" eine weitaus geringere, wenn nicht sogar überhaupt keine Differenz auf 8. b) Darstellung anhand der Bestimmung des § 315c III Nr. 1 StGB Aufgrund der insoweit gleichgearteten zugrunde liegenden Struktur kann sich die Darstellung der Problematik damit zunächst exemplarisch auf die ohnehin bedeutsamste Vorschrift dieser Tatbestände, den § 315c StGB konzentrieren. Auch im Rahmen des § 315c StGB finden wir nebst der VorsatzFahrlässigkeitskombination des § 315c III Nr.l StGB zwei weitere Kategorien der Tatbestandsverwirklichung, die "Vorsatz-Vorsatz-" und die "Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeitskombination". § 315c I StGB beschreibt die vorsätzliche Begehung dieses konkreten Gefährdungsdeliktes ("Vorsatz-Vorsatz"Kombination). Bestraft wird demnach, um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen, derjenige, der vorsätzlich das Rotsignal einer Ampelanlage außer acht läßt und zu diesem Zeitpunkt die dadurch bedingte Gefahrdung des Lebens anderer Personen zumindest billigend in Kauf nimmt. § 315c III Nr.2 StGB ("Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeitskombination") findet Anwendung, falls der im Hinblick auf die Gefährdung fahrlässig handelnde Täter jenes Rotsignal nicht vorsätzlich, sondern fahrlässigerweise mißachtet, während die VorsatzFahrlässigkeitskombination des § 315c III Nr.l StGB den Fall umfaßt, daß der Täter das Rotlicht zwar vorsätzlich unbeachtet läßt, in bezug auf die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer aber nur fahrlässig handelt. c) "Vorsatz-Vorsatz-" und "Fahrlässigkeit-Fahrlässigkeitskombinationen Die neben der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination des § 315c III Nr.l StGB vorfindbare "Vorsatz-Vorsatz"-Kombination des § 315c I StGB ist dabei ebenSiehe nur §§ 311, 315a, 315c, 323 StOB. Einen identischen Strafrahmen besitzen die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen des § 315c III Nr. 1 und die Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeitskombinationen in § 315c III Nr. 2. Hierzu näher S. 7

S

47f.

2. Historische Entwicklung und dogmatische Grundlagen

5

so wie die Verknüpfung von fahrlässigem Verhalten und fahrlässig herbeigefiihrter konkreter Gefährdung in § 315c I Nr.2 StGB fiir die weitere Untersuchung ohne unmittelbare Relevanz, denn es ist unstreitig, daß die "VorsatzVorsatz"-Kombination als Vorsatztatbestand und die "FahrlässigkeitsFahrlässigkeits"-Kombination als Fahrlässigkeitstat aufzufassen sind. 2. Meinungsstand, historische Entwicklung und dogmatische Grundlagen

Umstritten war früher 9 aber trotz der Einführung der Vorschrift des § 11 II StGB, mit der durch das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 4.7.1969 10 die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen den Vorsatztaten gleichgestellt wurden, auch heute noch, ob diese Kombinationen aus Vorsatz und Fahrlässigkeit tatsächlich als Vorsatztat oder als Fahrlässigkeitstat zu bewerten sind. Während einige Autoren die Ansicht vertreten, daß alle Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen und damit neben den Delikten mit strafbegründender besonderer Folge auch die erfolgsqualifizierten Tatbestände in Wahrheit Fahrlässigkeitstaten sind 11, beschränken andere Stimmen in der Literatur ihre Kritik an der durch die gesetzgeberische Definition des § 11 II StGB "bestätigten" Auffassung, daß es sich bei allen diesen Mischtatbeständen um Vorsatztaten handelt l2 , auf die Kategorie der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge l3 • Dort, wo erst die fahrlässige Gefährdung das eigentliche Unrecht bilde, während der vorsätzliche Handlungsteil strafrechtlich noch keinerlei Relevanz aufweise, beruhe das Gravamen auf der Gefahr und damit auf dem Fahrlässigkeitsteil, so daß diese Tatbestände wie Fahrlässigkeitsdelikte behandelt werden müßten l4 •

9 Zum damaligen Meinungsstand siehe die Nachweise bei KreylSchneider, NJW 1970, S. 640 (642 m. Fußn. 13 ff); Tröndle, in: LK, § 11 Rdn. 95 m. Fußn. 26, 27 sowie Schönkel SchröderlEser, § 11 Rdn. 85 (20. Aufl.). 10 BGB I I 717. II Gössel, Festschrift für Lange, S. 219 ff.; Maurach IGössel/Zipf, Strafrecht, Allg. Teil 2, S. 140; Seebald, GA 1964, 161 (166 ff.); Lorenzen, Rechtsnatur, S. 61. Zu dieser Auffassung S. 17 f. 12 So für die vorherrschende Auffassung Tröndle, in: LK § 11 Rdn. 94 ff. m.w.N.; Lackner, StGB, § 11 Rdn. 24; SchönkelSchröderlEser, § 11 Rdn. 74. 13 KreylSchneider, NJW 1970, 640 ff.; Wassermann, in: AK § 11 Rdn. 34; Schroeder, in: LK § 109b Rdn. 12 (9. Aufl.); für einen Teil dieser Delikte insoweit auch SchönkelSchröderlEser, § 11 Rdn. 74. Eingehend zu dieser Ansicht S. 17. 14 Vgl. neben den in Fußn. 13 genannten Autoren auch Maurach, Strafrecht, Allg. Teil, S. 542, 689; ders. JuS 1961,373 (374). Hirsch, (GA 1972,65 [72]) spricht in diesem Zusammenhang von Fahrlässigkeit mit vertyptem Handlungskern.

2 Misert

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B. I. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

a) Der Entwurf des StGB von 1962 und die Reform der Verkehrsdelikte durch das 2. Straßenverkehrssicherungsgesetz Die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegrundender besonderer Folge finden sich im Strafgesetzbuch im Anschluß an den Entwurf des StGB von 1962 15 erst seit der Reform der Verkehrsdelikte durch das 2. Straßenverkehrssicherungsgesetz vom 26.11.1964, das am 2.1.1965 in Kraft trat l6 • Zwar geht insofern aus der amtlichen Begründung l7 hervor, daß diese Kombinationen, bei denen die tatbestandliche Eingriffshandlung vorsätzlich vorgenommen, die daraus resultierende Gefahr aber nur fahrlässig verursacht wurde, als Vorsatztaten angesehen werden sollten lK , jedoch vertraten sowohl ein großer, wenn nicht sogar der überwiegende Teil der Literatur l9 , als auch der BundesgerichtshofO demgegenüber weiterhin die Auffassung, die Vorsatz-Fahrlässigkeits-kombinationen mit strafbegründender besonderer Folge seien reine Fahrlässigkeitsdelikte, während sich die Gegenansicht nebst der Bezugnahme auf den Willen des Gesetzgebers 21 insbesondere argumentativ stützte, daß diese Delikte erfolgsqualifizierte Delikte seien und somit diesen entsprechend, d.h., als Vorsatztaten behandelt werden müßten 22 •

15 Gewisse Vorlaufer waren die §§ 2, 71 StVZO a.F., die schon einen mit § 316 StGB vergleichbaren Tatbestand als Übertretung kannten, und die §§ 315a I Nr.2, 316 11 StGB a.F., die einen darauf aufbauenden Tatbestand mit HerbeifLlhrung einer konkreten Gemeingefahr enthielten. Ausführlich dazu Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 83 fT.; Lackner, JZ 1965, 120 (124); Warda, MDR 1965, 1 (4 f.). 16 BGB 11 S. 921. 17 BT-Drucks. IV 651 S. 25, 43. IK Hierzu Warda, MDR 1965, I (4 f.). 19 So die Einschatzung bei SchänkelSchräderlEser, § 11 Rdn. 73; aus der Literatur seien stellvertretend KreylSchneider, NJW 1970,640 ff.; Cramer, Jura 1970, 196 ff.; Schroeder, in: LK § 109b Rdn. 12 (9. Aufl.) und Maurach, Strafrecht, Besonderer Teil, § 57 V B 3 c (5. Aufl.) genannt. Weitere Nachweise finden sich bei KreylSchneider, NJW 1970, S. 642 in Fußn. 17. 20 BGH, MDR 1967,229; siehe auch schon KG, VRS 12, 110 (114) fLlr die frOhere Regelung der §§ 315a, 31611 StGB. 21 Janiszewski, MDR 1967, 229 f.; Lackner-Maassen, StGB, § 315c Anm. 6 b; zu weiteren Literaturstellen siehe KreylSchneider, NJW 1970,640 (642 in Fußn. 13 ff.) und Trändie, in: LK § 11 Rdn. 95 m. Fußn. 27. 22 Lackner-Maassen, StGB, § 56 Anm.3; SchänkelSchräder, § 311 Rdn. 16; Cramer, JZ 1965, 31 (32).

2. Historische Entwicklung und dogmatische Grundlagen

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b) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 2.7.1966 - Die Kritik Janiszewskis und der Sonderausschuß für die Strafrechtsreform In seiner Entscheidung vom 2.7.1966 hatte der Bundesgerichtshof sich mit der Einordnung der Vorsatz-Fahr1ässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge im Rahmen der Vorschrift des § 315c III Nr.1 StGB befaßt und dazu ausgefiihrt, das Vergehen nach § 315c I Nr.1a i.V.m. III Nr.1 StGB sei ein nicht teils vorsätzlich, teils fahrlässig begangenes Vergehen der Straßenverkehrsgefährdung23 , sondern ein fahrlässiges Vergehen der Straßenverkehrsgefährdung. In einer kritischen Anmerkung zu dem vorgenannten Urteil des Bundesgerichtshofes hat dann Janiszewski den weiteren Weg der gesetzgeberischen Entwicklung bereits vorgezeichnet. Er wies insofern darauf hin, daß das von ihm präjudizierte Ziel, die Vorschrift des § 315c III Nr.1 StGB als Vorsatztat zu deklarieren, notfalls im Rahmen der Strafrechtsreform durchzusetzen sei, indem diese seines Erachtens, insbesondere unter Berücksichtigung der vorgeblich auftretenden Strafbarkeitslücken im Teilnahme- und Versuchsbereich dogmatisch und kriminalpolitisch sinnvolle Lösung, im Gesetzestext selbst zum Ausdruck gebracht werde 24 • Dieser Anregung Janiszewskis zufolge orientierten sich auch die Erörterungen im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, wie sich aus den Protokollen der 47. Sitzung entnehmen läßt25 , ganz und gar an jener Entscheidung des Bundesgerichtshofes, wobei sich dies mit der nachfolgenden Wiedergabe der protokolliert zusammengefaßten Ausführungen Drehers beispielhaft dokumentieren läßt: !IMin. Dirig. Dr. Dreher (BMJ) fügt hinzu, auch nach dem neuen Strafensystem stelle sich die Frage, ob ein solches kombiniertes Delikt, bei dem der Täter vorsätzlich handle, den Erfolg aber nur fahrlässig verursache, insgesamt gesehen, ein vorsätzliches oder fahrlässiges sei. Bisher sei die Frage nicht geregelt. In der Begründung des Entwurfes sei erläutert, es sei ein vorsätzliches Delikt; maßgebend sei, daß die Tathandlung selbst vorsätzlich begangen werde. Demgegenüber habe der Bundesgerichtshof kürzlich in dem Fall eines solchen kombinierten Deliktes entschieden, daß es sich, insgesamt gesehen, um eine fahrlässige Tat handle. Der Bundesgerichtshof habe die Frage allerdings nicht eingehend geprüft, er habe insbesondere die Problematik des Versuchs und der Teilnahme nicht behandelt. Nach dieser Entscheidung erscheine es geboten, die Frage im Gesetz zu regeln. Wichtig sei dabei, daß bei einem fahrlässigen Delikt weder der Versuch noch die Teilnahme strafbar sei, während das Bundesjustizministerium auf dem Standpunkt stehe, bei derart kombinierten Delikten müsse es - entsprechend der Rechtsprechung zu den erfolgsqualifizierten Delikten, die ebenfalls kombinierte Delikte seien - in BGH, Urteil vom 22.7.1966,4 Str. 202/66 = MDR 1967,229. Janiszewski, MDR 1967, 229 (230). Dazu, daß aus der tatbestandlichen Struktur der unterschiedlichen Begehungsformen des § 3l5c StGB nicht entnommen werden kann, § 3l5c III Nr. 1 StGB sei als Vorsatztat zu bewerten, überzeugend bereits KreylSchneider, NJW 1970, 640 (643). 25 Siehe die Protokolle des 47. Sitzung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, S. 883. 21

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B. I. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

gewissen Fällen26 sowohl eine strafbare Teilnahme als auch einen strafbaren Versuch geben". Auch in der Wiedergabe des Protokolls der 47. Sitzung des Sonderausschusses fiir die Strafrechtsrefonn findet sich als tragendes Argument neben kriminalpolitischen Erwägungen die von weiten Teilen der Auffassung in der Lehre, die fiir eine Gleichstellung dieser Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit den Vorsatzdelikten plädiert, postulierte Analogie zu den erfolgsqualifizierten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen, die auch schon Janiszewski angemahnt hatte. Dies wird noch später von Interesse sein27 • Ob die durch die Einfiihrung der Bestimmung des § 11 11 StGB getroffene Entscheidung und die damit einhergehende Gleichsetzung aller VorsatzFahrlässigkeitskombinationen mit den Vorsatztaten, sowie die diesbezügliche Argumentation einer kritischen Überprüfung standzuhalten vennag, oder ob der auch nach diesem gesetzgeberischen Akt nicht versiegenden Kritik28 Zustimmung gebührt, wird der weiteren Untersuchung zur Überprüfung vorbehalten bleiben, die sich damit vornehmlich der dogmatischen Struktur dieser VorsatzFahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge anzunehmen hat. c) Die Regelung des § 11 11 StGB Es stellt sich demnach primär die Frage danach, ob die Gleichsetzung der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit den Vorsatztaten im Hinblick auf die hier interessierenden Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge unter dogmatischen Gesichtspunkten gerechtfertigt ist. In der dafiir maßgeblichen Vorschrift des § 11 11 StGB heißt es diesbezüglich: "Vorsätzlich im Sinne des Gesetzes ist eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen läßt." Demzufolge handelt es sich um eine vorsätzliche Tat, wenn jemand, um dies anhand eines Beispiels aus dem Anwendungsbereich des § 315c StGB zu verdeutlichen, grob verkehrswidrig und rücksichtslos an einem Fußgängerüberweg flihrt und dadurch fahrlässig Leib oder Leben eines anderen geflihrdet. 26 Der Tatsache, daß das Bundesjustizministerium mit der Einführung der Bestimmung des § 11 11 StGB eine strafbare Teilnahme und die Strafbarkeit der versuchten Tat rur gewisse Fälle ermöglichen wollte, läßt sich entnehmen, daß es gar nicht um eine generelle Einordnung aller Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen als Vorsatzdelikte ging, sondern darum, daß die in bestimmten Konstellationen vermeintlich auftretenden Strafbarkeitslücken unter kriminalpolitischen Aspekten unerwünscht erschienen. 27 Näher S. 19 f. 28 Siehe nur Gössel, Festschrift fur Lange, S. 219 ff.; See bald, GA 1964, 161 (167); Lorenzen, Rechtsnatur, S. 61; Wassermann, in: AK § 11 Rdn. 34; Krey, Strafrecht, Bes. Teil 1, S. 286 Rdn. 786.

2. Historische Entwicklung und dogmatische Grundlagen

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d) Zum Begriff des Vorsatzes - Besonderheit der Begriffsbildung im Rahmen der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen Nun ist dieses Verständnis des Vorsatzes allerdings nicht identisch mit der ansonsten mit diesem Begriff einhergehenden Definition. Ganz im Gegenteil heißt es in § 16 I StGB, daß die Person, welche bei der Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, nicht vorsätzlich handelt. Demnach würde der vorbenannte Fahrer, dem der Umstand der konkreten Gefahrdung von Leib oder Leben eines anderen eben nicht bekannt war, nicht vorsätzlich handeln. Auch ansonsten wird der Begriff des Vorsatzes herkömmlicherweise mit der verkürzten aber sachgerechten Fonnulierung vom Wissen und Wollen der Tatbestandsrealisation umschrieben29 • Im Rahmen der Erfolgsdelikte, und dazu zählen auch die hier relevanten konkreten Gefahrdungsdelikte30 , erschöpft sich der Vorsatz dieser Definition entsprechend nicht bloß in einem gegenwartsbezogenen Wissen um das vom Willen getragene Handeln, denn daß der Täter sich im Zeitpunkt der tatbestandlichen Ausfiihrungshandlung dieses Vorganges bewußt ist, vennag noch nichts darüber auszusagen, in welchem subjektiven Planungszusammenhang dieses Handeln steht31 . Das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung impliziert beim Erfolgsdelikt, daß es um ein sich vorgestelltes, vorgenommenes Verhalten, ein Vorhaben 32 und damit um eine zukunfts orientierte Ausrichtung geht, so daß dieser Planungszusammenhang vom Täterwissen umfaßt sein muß, bevor in diesem Sinne von einer vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichung gesprochen werden kann. Im Hinblick auf die Strafbarkeit des Täters interessieren Vorsatz und Fahrlässigkeit demnach nicht als abstrakte Begrifflichkeiten - es gibt also keinen Vorsatz und keine Fahrlässigkeit "an sich"33 -, sondern regelmäßig ausschließlich in ihrem konkreten Bezug zu einem bestimmten Tatbestand und dessen gesamter "Sinneinheit" . Von einer vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichung ließe sich damit, würde man den Vorsatzbegriff, wie er allgemein beim "nonnalen" fahrlässigen Erfolgsdelikt verstanden wird, hier zugrunde legen, nicht sprechen, handelt der Täter doch im Hinblick auf einen Umstand des Tatbestandes, nämlich den Eintritt der Gefahr, nicht vorsätzlich.

29 Siehe nur Roxin, Strafrecht, Allg. Teil I, § 12 Rdn. 4. Dem Vorsatztäter ist das Ergebnis seines HandeIns in einem engeren oder weiteren Sinne "angenehm"; dezidiert zum Begriff des Vorsatzes und seinen Erscheinungsformen Küpper, ZStW 100 (\ 988), S. 758 ff.; Spendet, Festschrift für Lackner, S. 167 ff. Dazu, ob und inwieweit es zur Vorsatzbestimmung überhaupt eines voluntativen Elementes bedarf, näher S. 11 Fußn. 36. 30 Lackner, StGB, Vor § 13 Rdn. 32. 31 Zur Terminologie Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil, 8/37 ff.; ders., ZStW-Beiheft 1987, S. (21). 32 Näher Spendet, Festschrift für Lackner, S. 167 ff. 33 Botdl, ZStW 68 (1956), S. 335 (365); MaurachlGösse//Zipf, Strafrecht, Allg. Teil 2, S. 108.

B. I. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

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Nun hat sich die filr das Strafrecht relevante Definition des Vorsatzbegriffs jedoch an Tatbeständen orientiert, die in ihrer Exklusivität sich entweder als reine Vorsatz- oder als reine Fahrlässigkeitsdelikte darstellen, während die Thematik der Kombination von Vorsatz und Fahrlässigkeit in einunddemselben Tatbestand erst durch die Einfilhrung des § 56 (a F) StGB auftrat. Insofern drängt sich zuvorderst auf, zu hinterfragen, ob es als ein Spezifikum der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination zu gelten hat, daß sie sich wohlmöglich den herkömmlichen Begriffsdefinitionen von Vorsatz und Fahrlässigkeit entziehen und somit die Begriffe selbst in bezug auf jene kombinierten Delikte einer alternierenden Auslegung bedürftig wären. e) Zum Begriff der Fahrlässigkeit und die Möglichkeit der Integration des Fahrlässigkeitsteiles der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination Den Begriff des Vorsatzes betreffend hatten wir schon erkannt, daß die vom Gesetzgeber gewählte Definition in § 11 II StGB weder mit der ansonsten im Strafgesetzbuch verwandten Terminologie, noch mit der allgemeinen strafrechtlichen Definition des "Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung" in Einklang zu bringen ist, insoweit also die Notwendigkeit bestehen würde, den Begriffsinhalt und damit einhergehend den Begriffsumfang zu erweitern. Lassen sich die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegrundender besonderer Folge aber begrifflich auch nicht der Fahrlässigkeit zuordnen? Als fahrlässig wird ein Verhalten des Täters bewertet, der einen gesetzlichen Tatbestand rechtswidrig und vorwerfbar verwirklicht, ohne dies zu erkennen oder zu wollen, beziehungsweise im Falle der bewußten Fahrlässigkeit trotz Kenntnis der Möglichkeit der Tatbestandsrealisation pflichtwidrig darauf vertraut, sie werde nicht eintreten34 • Von Fahrlässigkeit, die gleichermaßen wie der Vorsatz immer konkret auf den jeweiligen in Frage stehenden objektiven Tatbestand bezogen ist, kann also im Gegensatz zum Vorsatz schon gesprochen werden, falls dem Täter im Hinblick auf die Deliktsverwirklichung ein unaufmerksames Vorgehen, d.h., seine trotz des Bestehens der Möglichkeit normorientierter Determination (Gedankenbildung an die Norm) existierende Gedankenlosigkeit vorgeworfen werden kann 3s • Soweit es den Fahrlässigkeitsteil der VorsatzFahrlässigkeitskombinationen betrifft, ist dieser ohne Zweifel unter diesem Fahrlässigkeitsbegriff subsumierbar. Fraglich bleibt nur, ob dies auch filr den Vorsatzteil dieser kombinierten Delikte zutrifft, dem es sich deshalb nachfolgend näher zuzuwenden gilt.

Siehe nur DreherlTröndle, § 15 Rdn. 13. Bei der bewußten Fahrlässigkeit beruht die Gedankenlosigkeit darauf, daß der Täter sich, obwohl er die Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt, von diesem Gedanken aber aufgrund seines Uberwiegenden Vertrauens in den Nichteintritt des Erfolges in concreto wieder distanziert. Siehe auch M. Köhler, Die bewußte Fahrlässigkeit, S. 322. Näher zum Fahrlässigkeitstatbestand S. 27 ff. 34

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3. Struktur und Inhalt des Vorsatzteiles

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3. Struktur und Inhalt des Vorsatzteiles der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination

In der den Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge zugrundeliegenden Formulierung kommt, wie dargestellt, zum Ausdruck, daß der Täter vorsätzlich handelt, den konkreten Gefährdungserfolg jedoch lediglich fahrlässig verursacht haben muß. Verdeutlicht man sich dies, so wird mit der Aussage, der Täter handele vorsätzlich, nichts anderes bezeichnet, als daß er - z.B. § 315c III Nr.l StGB betreffend - aufgrund eines vom Willen getragenen Verhaltens wissentlich ein Fahrzeug fUhrt, obwohl er sich dariiber im klaren ist, daß er aufgrund seines Alkoholgenusses nicht mehr dazu in der Lage ist, dieses sicher zu führen. Und um dies anhand einer anderen Bestimmung, dem § 311 IV StGB zu verdeutlichen, geht es bei der VorsatzFahrlässigkeitskombination des § 311 IV StGB darum, daß der Täter bewußt eine Explosion herbeifUhrt, so daß auch hier einzig und alleine das gegenwartsbezogene Wissen um den Inhalt des vom Willen getragenen Handelns interessiert36 • a) Parallelen zum abstrakten Gefährdungsdelikt Damit findet sich im Vorsatzteil der Delikte mit strafbegründender besonderer Folge strukturell eine Parallele zum abstrakten Gefährdungsdelikt. Auch beim abstrakten Gefährdungsdelikt stellt sich nämlich die Tatbestandsverwirklichung als eine auf den Tätigkeitsakt reduzierte dar. Der Normadressat muß sich lediglich des Inhalts seines willentlichen Handelns bewußt sein, weil der Gesetzgeber das Verhalten, indem er die Wirkungen bereits mitbedacht hat, als generell extern störend definiert37 und damit die ansonsten aufgrund der intellektuellen und voluntativen Einstellung zwischen dem Vorsatz und der Fahrlässigkeit erst zu ermittelnde Risikogrenze gegenwartsbezogen festgelegt hatl 8, so daß von

36 Hier ist aufgrund der "Gegenwartsbezogenheit" keine mit dem Wissen korrespondierende voluntative Einstellung zum Verhaltensvollzug erforderlich. Wer weiß, daß es durch sein Verhalten zu einer Explosion kommen wird, kann eben nicht zugleich darauf vertrauen, daß er diese nicht herbeiführt. Erst dort, wo die Zurechnung zukunftsorientierter Auswirkungen (Außenwirkungen) des Verhaltens in Frage steht, wird zur Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit das voluntative Element benötigt. Eingehend hierzu Fußn. 38. 37 Es geht dabei inhaltlich um eine Begrenzung des Zufallsmomentes, die aber nur gerechtfertigt erscheint bei einerseits ganz typischerweise gefahrträchtigen Verhaltensweisen und andererseits, falls dem Gedanken Rechnung getragen wird, daß ein ex ante geführter Gegenbeweis die gesetzgeberische Vermutung (Gefahrfiktion) außer Kraft zu setzen vermag. Dafür Schröder, JZ 1967, 522 (525). 38 Daran, daß keine festgelegten Risikogrenzen existieren, scheitern die Bemühungen Herzbergs, JuS 1986,249 ff., der die Abgrenzung zwischen bewußter Fahrlässigkeit und bedingtem

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B. I. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

einer vorsätzlichen Handlung gesprochen werden kann, ohne daß der Täter die gesetzgeberische Vennutung tatsächlich auch nachvollzieht. Beim abstrakten Gefährdungsdelikt geht es also, wie es Jakobs ausdrückt, nicht um ein vorsätzlich oder unvorsätzliches Ennöglichen eines zukünftigen Deliktes, ist es doch irrelevant, in welchem Planungszusammenhang das Verhalten beim Täter steht39 • Obwohl von den hier interessierenden Tatbeständen der Vorsatzteil - fiir sich betrachtet - nur in der Vorschrift des § 316 I StGB als abstraktes Gefahrdungsdelikt ausgestaltet ist, einer Vorschrift, mit der die frühere Übertretung nach § 2 StVZO, i.V.m. § 21 StVG ohne eine inhaltliche Änderung zu erfahren, in ein Vergehen umgewandelt wurde 40 , so handelt es sich doch bei all den in Frage kommenden Vorgängen, die vorsätzlich verwirklicht werden müssen und die teils Ordnungswidrigkeiten, teils Disziplinarverstöße beschreiben 41 , um nichts anderes als in einem abstrakten Gefahrdungsdelikt vertypisierte oder vertypisierbare Verletzungen von Sorgfaltspflichten42 • Wird demnach im Rahmen der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit stratbegründender besonderer Folge von vorsätzlichem Handeln gesprochen und in den damit korrespondierenden "Fahrlässigkeit-Fahrlässigkeits"-Kombinationen davon, daß der Täter fahrlässig handelt, so erschöpft sich die Bedeutung dieser Etikettierung ausschließlich darin, daß im ersten Fall der Täter die typisierte, objektiv sorgfaltswidrige Aktion willentlich und bewußt vornimmt, während er letzterenfalls dieses Verhalten selbst versehentlich vollzieht4 3 .

Vorsatz als ein Problem des objektiven Tatbestandes bezeichnet. Die Tatsache, daß dem Vorsatzbegriff, semantisch betrachtet, sowohl ein intellektuelles als auch ein voluntatives Element eigen ist (ein- und ausdrucksvoll Spendei, Festschrift fur Lackner, S. 167 tT.; anders aber nicht überzeugend Schmidhäuser, Festschrift fur Oe hier, S. 135 tT.), würde allerdings, auf sich alleine gestellt, nicht zur Legitimation eines voluntativen Vorsatzelementes ausreichen, denn dem Wollen kann hinsichtlich des Wissens, auf das es sich bezieht, eine vollkommen untergeordnete Funktion zukommen, explizite, falls das Wollen das Wissen gar nicht mehr in Frage stellt. Im Rahmen zukunftsorientierter Geschehensabläufe, bei denen das Gelingen oder Mißlingen es ante betrachtet per se aufgrund des temporalen Aspektes in Frage steht, bedarf es jedoch, da eine Festlegung erfolgsorientierter Risikogrenzen undurchführbar ist, zur Abgrenzung dieses voluntativen Elementes. Erst wenn sich das Wissen auf eine gegenwartsbezogene, am Erfolg ausgerichtete Risikogrenze zu beziehen hätte, wäre dieses Element entbehrlich. 39 Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 751 (769). 40 Hierzu Lackner, JZ 1965,120 (124); Warda, MDR 1965, 1 (5). 41 Tröndle, in LK § 11 Rdn. 96. 42 Vgl. Hirsch, ZStW 93 (1981), S. 831 (859). 43 Der Täter weiß z.B. nicht, daß jemand in sein Bierglas Schnaps geschüttet hat und er insofern bereit, alkohol bedingt fahruntüchtig ist, oder der Sprengstoffexperte löst die erst für einen späteren Zeitpunkt anvisierte Detonation versehentlich vorzeitig aus. Hirsch, GA 1972, 65 (72) spricht in diesem Zusammenhang von Fahrlässigkeit mit vertyptem Handlungskern.

3. Struktur und Inhalt des Vorsatzteiles

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Die "Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits" - Kombinationen betreffen also die Konstellationen, bei denen der Täter z. B. im Zeitpunkt der Nichtbeachtung der Vorfahrt ( § 315c StGB ) sich dieser Sachlage nicht bewußt ist oder die Explosion durch ihn versehentlich herbeigeruhrt wird ( § 311 StGB ), wobei dann in solchen Fällen als zurechnungsrelevanter Anknüpfungspunkt ein vorgelagertes, ebenfalls der Sorgfalt nicht entsprechendes Verhalten in Frage steht. So ist derjenige, der sich am Straßenverkehr beteiligt, z.B. dazu angehalten, in seiner Person zu gewährleisten, daß er Vorfahrtsschilder oder rote Ampeln im Vorfeld der Nichtbeachtung erkennt, und der eine Explosion vorbereitende Sprengstoffexperte 44 hat darur Sorge zu tragen, daß im weiteren Verlauf seiner vorbereitenden Tätigkeit keine vorzeitige, versehentlich ausgelöste Detonation eintreten kann. Die mit der Typisierung einhergehende Begrenzung der Sorgfaltspflichtverletzung wird also im Bereich der "Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits"Kombinationen wieder aufgelöst, indem hier auch die mittelbare Verursachung der typisierten Sorgfaltspflichtverletzung zur Realisation des tatbestand lichen Handeins ausreicht. b) Zum Inhalt des Vorsatzteils Vergleich mit dem herkömmli~hen fahrlässigen Erfolgsdelikt Geht nun aber die, wie im Rahmen der abstrakten Gefährdungsdelikte als vorsätzlich bezeichnete willentliche und bewußte Vornahme eines sorgfaltswidrigen Verhaltens inhaltlich über das hinaus, was ansonsten beim "normalen" fahrlässigen Erfolgsdelikt den Anknüpfungspunkt rur eine fahrlässige Deliktsbegehung ausmacht? Die Richtigkeit einer solchen Annahme könnte daraus resultieren, daß andere Fahrlässigkeitstatbestände im Gegensatz zu den VorsatzFahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge eine von diesen verschiedene inhaltliche Struktur aufweisen, indem die vom Willen getragene bewußte Vornahme des sorgfaltswidrigen Verhaltens - in Abgrenzung zum "normalen" fahrlässigen Erfolgsdelikt - ein besonderes, differenzierungsberechtigendes Charakteristikum der als konkrete Gefährdungsdelikte und damit ja auch als Erfolgsdelikte konzipierten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge bildet. Dies gilt es zu überprüfen. c) § 222 StGB und die "Offenheit" fahrlässiger Erfolgsdelikte Im Mittelpunkt der argumentativen Überlegung soll dabei die zugleich wichtigste und "typischste" Vorschrift der Fahrlässigkeitstatbestände, die fahrlässige 44 Es spielt dabei keine Rolle, ob das Verhalten an und [ur sich strafbar oder ordnungswidrig ist. Zur Bestimmung des § 31 I StGB, bei der das sog. "Grundverhalten", [ur sich betrachtet, unter Umständen noch nicht einmal als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden kann, siehe bereits Krey/ Schneider, NJW 1970,640 (641) und S. 21 Fußn. 76.

B. I. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

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Tötung gemäß § 222 StGB stehen. Aus dieser Bestimmung wird bekanntlich der Täter bestraft, der den Tod eines anderen durch Fahrlässigkeit verursacht's. Damit umfaßt § 222 StGB aber sowohl die Variante, in welcher der Täter die ptlichtverletzende Aktion aufgrund einer vorausgegangenen Unsorgfältigkeit versehentlich vornimmt, als auch durchaus die Konstellation, bei der er sich des sorgfaltsptlichtverletzenden Verhaltens, aus dem sich unmittelbar die zunächst lebensgefahrdende46 und dann lebenszerstörende Wirkung entfaltet, bewußt ist, ohne daß jenes Phänomen einer Kombination aus Vorsatz und Fahrlässigkeit in einunddemselben Tatbestand insofern jemals in artikulierte Erscheinung getreten wäre. So ist in den Fällen nämlich noch niemand ernstlich auf die Idee gekommen, § 222 StGB als eine solche Kombination von Vorsatz und Fahrlässigkeit aufzufassen, bei denen der Täter z.B. vorsätzlich zu schnell fährt, jedoch nicht vorsätzlich den Getöteten hat überfahren wollen 47 • Schießt, um dies anhand eines weiteren Beispiels aufzuzeigen, der schußwaffen begeisterte Schütze S willentlich und bewußt auf eine Tonne, und hätte er dabei den Eintritt des Erfolges - ein sich dort versteckt aufhaltendes Kind wird tödlich getroffen - voraussehen können, so verwirklicht er den Tatbestand der fahrlässigen Tötung, ohne daß bisher postuliert worden wäre, dies als eine Kombination von Vorsatz und Fahrlässigkeit aufzufassen, da S willentlich und wissentlich auf die Tonne geschossen habe. Aufgrund der zur Vergangenheit hin offenen Struktur der Fahrlässigkeitsdelikte kann der S, denselben Ausgang unterstellt, gleichfalls gemäß § 222 StGB zur Verantwortung gezogen werden, falls er den Schuß auf die Tonne nicht bewußt vorgenommen hat, sondern sich die Kugel beim "Herumhantieren" mit der Pistole versehentlich löst, da als Anknüpfungspunkt in diesem Fall ein vorgelagertes, ebenfalls der Sorgfalt nicht entsprechendes zurechnungsrelevantes Verhalten zur Verfilgung steht. Es bleibt demnach festzustellen, daß derjenige, der wissentlich und willentlich in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand ein Fahrzeug fiIhrt und mit diesem den Tod eines Fußgängers verursacht, sich, die Voraussehbarkeit des Erfolgseintrittes unterstellt, ebenso gemäß § 222 StGB zu verantworten hat wie der Sprengstoffmeister, der die Explosion, die fiIr andere eine tödliche Wirkung entfaltet, bewußt herbeifilhrt'8. Die bewußte, vom Willen getragene Vornahme des sorgfaltsZu dieser mißverstandlichen Formulierung siehe eingehend S. 27 und S. 44 Fußn. 177. Die Lebensgefilhrdung ist nämlich nichts anderes als ein notwendiges Durchgangsstadium zur Tötung. In diesem Sinne bereits Spendei, Festschrift fllr Stock, S. 89 (104); Schräder, ZStW 8 I (1969), S. 7 (12 f.); Horn, Gefilhrdungsdelikt, S. 51 ff. 47 Boldl, ZStW 68 (1956), S. 335 (356) und ZStW 55 (1936), S. 44 (59) hält es fllr irrefllhrend, wenn in der Literatur fllr diese Delikte regelmäßig betont wird, die eine Gefahr erzeugende Handlung selbst könne vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen sein, wenn nur hinsichtlich der Gefilhrdung bloße Fahrlässigkeit vorliege; denn mit dem gleichen Recht könne man auch fllr § 222 ausfllhren, daß der Täter vorsätzlich oder fahrlässig zu schnell fahren könne, wenn er nur nicht vorsätzlich den Getöteten habe überfahren wollen. Diese Vergehen als "Kombination von Vorsatzund Fahrlässigkeitsdelikt" aufzufassen, sei deshalb völlig verfehlt. Näher zum Tatbestand der fahrlässigen Tötung S. 27 ff. 48 Dazu, daß ein an und fllr sich strafbares Verhalten nicht existiert, S. 20 ff. 45

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3. Struktur und Inhalt des Vorsatzteiles

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pflichtverletzenden Verhaltens bildet also, für sich betrachtet, noch kein besonderes, differenzierungsberechtigendes Charakteristikwn der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge49 , sondern ist ebenso möglicher Bestandteil der Realisation des "normalen" fahrlässigen Erfolgsdelikts. d) Die bewußte Vornahme des sorgfaltspflichtverletzenden Verhaltens als differenzierungsberechtigendes Kriteriwn Inhalt lUld BedeutlUlg der Typisierung Ist es dann aber die in der tatbestandlichen UmschreiblUlg ausdrücklich vorgenommene Typisierung selbst, die eine Differenzierung zwischen dem "normalen" fahrlässigen Erfolgsdelikt lUld den Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge präjudiziert? Vergleicht man diesbezüglich ZlUlächst den Inhalt der Typisierung, beispielsweise des § 315c StGB mit der Vorschrift der fahrlässigen TötlUlg dann, verhält es sich so, daß dort, wo der Gesetzgeber im Rahmen konkreter Leibes- lUld LebensgefährdlUlgsdelikte typischerweise sorgfaltswidrige Aktionen in den jeweiligen Tatbestand aufnimmt, genau diese tatbestandlich festgelegten SorgfaltspflichtverletZlUlgen ebenso ohne weiteres als Grundlage für die DeliktsverwirklichlUlg im Bereich des § 222 StGB in Betracht zu ziehen sind. Ob der Autofahrer F nlUl bewußt grob verkehrswidrig lUld rücksichtslos die Vorfahrt nicht beachtet oder in ebensolcher Weise die KreUZlUlg bei Rotlicht passiert, all jene Verhaltensweisen, die in § 315c StGBsO ausdrücklich normiert sind, können auch dem § 222 StGB zugrWldegelegt werden. Ebenso verhält es sich im Hinblick auf den formellen Aspekt der Typisierung, denn daß der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, alle für die fahrlässige TötlUlg relevanten Sorgfaltswidrigkeiten im Tatbestand des § 222 StGB ausdrücklich zu normieren, hängt all eine damit zusammen, daß sich eine solche Gesetzestechnik nur theoretisch verwirklichen ließe, beruht insoweitSI, also ausschließlich auf Gründen Praktikabilität52 zumal der Gesetzgeber in dem besonders schwerwiegenden Fall, daß durch ein Handeln der Tod eines anderen Menschen verursacht wird, quasi selbstverständlich den zur Herbeiführung dieser RechtsgutsverletZlUlg interessierenden Anknüpfungspunkt nicht auf einen in solcher Weise reduzierten Kreis typisierter Verhaltensweisen beschränken kann, wie es ihm in Anbetracht bloßer GefährdlUlgsfolgen noch möglich erschien. Aber auch in Bezug auf solche qualitativ beachtenswerten GefährdlUlgserfolge (Leib oder Leben) wäre es dem Gesetzgeber lUlbe49 Darauf hat in aller Deutlichkeit bereits Boldl, ZStW 68 (1956), S. 335 (356); ZStW 55 (1936), S. 44 (58 f.) hingewiesen. 50 Oder auch §§ 311 und 315 StOB. 51 Zu den Folgen der Typisierung in Bezug auf die Beteiligungsformen siehe S. 65 ff. S2 Schräder, ZStW 81 (1969), S. 7 (25 ff.); Welzel, Verkehrsdelikte S. 15; Armin Kaufmann, in: Strafrechtsdogmatik, S. 133 (144).

B. I. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

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nommen gewesen - Z.B. durch die Einfiihrung eines allgemeinen Gefährdungstatbestandes, fiir den im europäischen Ausland Vorbilder in Form des Art. 129 des schweizerischen und des § 89 des österreichischen Strafgesetzbuches existieren, und dessen Einfiihrung in Deutschland in den Entwürfen von 1927 und 1930 vorgesehen wa~J - die Frage danach, welche Verhaltensweisen im einzelnen als verantwortungsbegründender Ausgangspunkt fiir eine Tatbestandsrealisation ausreichen, ebenso wie bei der fahrlässigen Tötung, nicht im Tatbestand selbst festzuschreiben, sondern offen zu lassen. Die Existenz eines solchen allgemeinen Gefährdungstatbestandes 54 unterstellt, der ins Deutsche Strafgesetzbuch ausschließlich aus formellen Aspekten, namentlich der tatbestandlichen Bestimmtheit und Rechtssicherheit55 nicht aufgenommen wurde, könnten diesem zweifelsohne sowohl die Variante zugeordnet werden, daß der Täter die sorgfaltswidrige Aktion versehentlich vornimmt, als auch die Konstellation, bei der er diese willentlich und bewußt ausfiihrt, ohne daß letzterenfalls die Problematik einer Kombination aus Vorsatz und Fahrlässigkeit aufgetreten wäre. Festzuhalten bleibt demnach zunächst, daß auch der Vorsatzteil der Delikte mit stratbegründender besonderer Folge sich unter den Begriff der Fahrlässigkeit integrieren ließe, und damit die Kombination aus Vorsatz und Fahrlässigkeit insgesamt begrifflich der Fahrlässigkeit zugeordnet werden könnte. 4. Die Bedeutung des Vorsatzteiles für die Bewertung des gesamtdeliktischen Charakters

Die in § 11 11 StGB normierte Gleichstellung der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit den Vorsatztaten müßte sich damit aus der besonderen Gewichtung des Vorsatzteiles der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge herleiten lassen. Kommt aber dem Vorsatzteil im Rahmen dieser Deliktsgruppe eine Bedeutung zu, der sich entnehmen läßt, daß er den Charakter des gesamten Deliktes prägt? Um auf die Frage, ob der Vorsatzteil den Schwerpunkt des Unrechts der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit stratbegründender besonderer Folge ausmacht, näher eingehen zu können, sollen zunächst die dazu vertretenen Positionen exemplarisch

Siehe Arzt/Weber, Strafrecht, Bes. Teil LH 2 Rdn. 63. Oder eines allgemeinen Straßenverkehrsgefllhrdungstatbestandes. Im E 62 wurde den Überlegungen zur Einftlhrung eines allgemeinen Gefllhrdungstatbestandes eine Absage erteilt (v gl. Arzt/Weber, Strafrecht, Bes. Teil LH 2, Rdn. 63), während sich zuletzt Kühl dafur ausgesprochen hat (laut Diskussionsbericht von der Arbeitssitzung der Fachgruppe fUr Strafrechtsvergleichung anläßlich der Tagung der Gesellschaft ftlr Rechtsvergleich am 20.09. 1985, von H.e. Maier, ZStWBeiheft 1987, S. 141 [ 143]). 55 Dazu, daß diese Überlegungen die Einftlhrung eines allgemeinen Gefllhrdungstatbestandes verhindert haben, Schröder, ZStW 81 (1969), S. 7 (25 ff.), der auch auf ausländische Vorbilder solcher Regelungen verweist. 53

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4. Bedeutung des Vorsatzteiles für das Gesamtdelikt

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beschrieben und die mit diesen einhergehenden Konsequenzen für die Behandlung dieser Deliktsgruppe aufgezeigt werden. a) Die Positionen im einzelnen (Krey/Schneider; Gössel; Lackner) Die Position von Krey/Schneide~6 Der von Krey und Schneider gemeinschaftlich abgefaßte Artikel über die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge, die sie der Unterscheidbarkeit zu den erfolgsqualifizierten Delikten wegen als eigentliche Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen bezeichnet sehen wollen 57, gehört sicherlich im Hinblick auf die Untersuchung der dogmatischen Struktur dieser Delikte zu den eingehendsten Darstellungen dieser Problematik. Die Autoren gehen dabei davon aus, daß die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge streng von den erfolgsqualifizierten Delikten unterschieden werden müßten. Während nämlich die Sozialschädlichkeit des Grunddelikts bei den erfolgsqualifizierten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen die Strafbarkeitsgrenze überschritten haben müsse, werde diese Grenze im Vorsatzteil der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination mit strafbegründender besonderer Folge noch nicht erreicht. Deshalb könne auch der Schwerpunkt des strafrechtlichen Unrechts dort nicht im grundsätzlich straflosen liegen. Da erst die fahrlässige Verursachung der konkreten Gefahr das Verhalten über die Grenze der Strafbarkeit hebe, könne der Unrechtsgehalt dieses Deliktes dann auch nur dort seinen Schwerpunkt haben. Daß der Vorsatzteil als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, seine abstrakte Gefährlichkeit also immerhin noch bußgeldbewehrt ist, könne daran ebensowenig ändern, wie die Tatsache, daß dieser - so im Falle des § 315c I Nr.l, StGB - selbständig ein abstraktes Gefährdungsdelikt bildet, da das abstrakte Gefährdungsdelikt als Vorstufe des konkreten nicht bestimmend für den Charakter des gesamten Tatbestandes sein könne 5K • Vielmehr stehe die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination mit strafbegründender besonderer Folge im Ergebnis der Fahrlässigkeitstat gleich, so daß die Vorschrift des § 11 11 StGB ersatzlos gestrichen werden sollte. Die Position von GösseP9 Auch Gössel hat sich dezidiert mit der dogmatischen Struktur der VorsatzFahrlässigkeitskombinationen beschäftigt, und dabei insbesondere mit dem er56 Krey/Schneider, NJW 1970, 640 ff.; grundsätzlich übereinstimmend Wassermann, in: Al( § II Rdn. 34; Schroeder, in: LK § 109b Rdn. 12; § 56 Rdn. 49 m.w.N.,(9. Aufl.). 57 Kritisch zu dieser Terminologie Schroeder, in: LK § 18 Rdn. 5; Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil, 9/28; vgl. auch Hirsch, GA 1972, 65 (66 f). 58 Krey/Schneider, NJW 1970,640 (641); hierzu auch S. 22 ff. 59 Gössel, Festschrift für Lange, S. 219 ff.; grundsätzlich übereinstimmend die in Fußn. II genannten Autoren.

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B. I. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

folgsqualifizierten Delikt und der Möglichkeit der Teilnahme an ihm. Auf der Grundlage der Notwendigkeit einer sinneinheitlichen Betrachtung dieser Tatbestände60 gelangt er zu der Auffassung, daß das aus vorsätzlichem Grunddelikt und fahrlässiger Erfolgsherbeifiihrung zusammengesetzte erfolgsqualifizierte Delikt die typische Struktur von Fahrlässigkeitstaten aufweise. Die vorsätzliche Verwirklichung des Grunddelikts stelle die typisierte Sorgfaltspflichtverletzung dar, und die vom Grunddelikt ausgehende typische Gefahr konkretisiere sich im herbeigefiihrten Erfolg als Rechtswidrigkeits- oder Risikozusammenhang61 • Die erfolgsqualifizierten Delikte erfiillten damit den Zweck, die sich aus einem bestimmten Grunddelikt fiir ein weiteres im Grunddelikt nicht typisiertes Rechtsgut ergebende konkrete Gefährdung in einem selbständigen Tatbestand zu erfassen, wobei das geschützte Rechtsgut dieser Delikte insgesamt überwiegend das im Erfolgsteil dieser Tatbestände erfaßte Rechtsgut sei. Damit könne übereinstimmend mit Seebald62 festgestellt werden, daß die erfolgsqualifizierten Delikte Sondertatbestände der fahrlässigen Erfolgsherbeifiihrung sind. Entgegen der in § 11 II StGB getroffenen Regelung, mit der Sache nach fahrlässige Taten als Vorsatzdelikte definiert werden, müßten alle Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen, auch die Delikte mit stratbegründender besonderer Folge63 , als fahrlässige Straftaten angesehen werden. Die Position von

Lackne~4

Lackner vertritt demgegenüber die Auffassung, daß die in § 11 1I StGB getroffene Regelung zu Recht die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit stratbegründender besonderer Folge als Vorsatztat anerkennt. In den umstrittenen Fällen werde stets durch eine vorsätzliche Tathandlung fahrlässig eine konkrete Gefahr verursacht. Da der Handlungsteil insofern den Kern der Handlung bilde, stehe die als Folge verursachte Gefahr zu ihm in demselben Verhältnis wie die fahrlässig verursachte Folge beim erfolgsqualifizierten Delikt. Daß der Vorsatzteil - abweichend von den Fällen des § 18 StGB - als solcher in der Regel nicht selbständig mit Strafe bedroht ist, stehe dieser Annahme nicht entgegen, da diese Handlung jedenfalls stets rechtswidrig oder sonst unerlaubt sei 65 . Würden solche Handlungen nicht schon allgemein mit Strafe bedroht, so hinge dies alleine damit zusammen, daß die ganze Handlungsgruppe zu viele nicht Gössel, Festschrift fUr Lange, S. 219 (230 m.w.N.). Gössel, Festschrift fur Lange, S. 219 ( 235 ). 62 See bald, GA 1964,161 ( 167). 63 MaurachlGössel, Strafrecht, Allg. Teil I, S. 140. 64 Dem folgend die h. M., siehe nur Tröndle, in: LK § II Rdn. 94 ff. m.w.N.; Schönke/Schröder/Eser, § II Rdn. 73 f. 65 Insoweit aber auch kritisch Tröndle, in: LK § I I Rdn. 96 m. Fußn. 29 und Schönke/Schröderl Eser, § 11 Rdn. 73 in Bezug auf die Vorschrift des § 311 IV StGB mit dem Hinweis, daß die Grundhandlung dort, wie es schon eramer (NJW 1964, 1835 [1837]) festgestellt hat, gerade auch wertneutral sein könne, so z.B. im Fall der Herbeifohrung einer Explosion durch einen Sprengmeister im Steinbruch. Siehe auch S. 21 Fußn. 76. 60 61

4. Bedeutung des Vorsatzteiles fur das Gesamtdelikt

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ausreichend getahrliche Verhaltensweisen einschließt, denen gegenüber eine strafrechtliche Reaktion unverhältnismäßig wäre. Ihre Pönalisierung bei konkreter Getahrdung verfolge daher letztlich nur den Zweck, die Strafbarkeit auf Handlungen zu beschränken, die einen ausreichenden Grad an Gefährlichkeit aufweisen. b) Zur fehlenden Unterscheidbarkeit erfolgsqualifizierter und "erfolgsbegründender" Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen Vergleicht man die zur Problematik der Delikte mit strafbegründender besonderer Folge vertretenen Positionen, so stellt sich zunächst die Frage, ob diese Deliktsgruppe, wie es u.a. Krey/Schneider vertreten66 , sich tatsächlich in rechtlich relevanter Weise von den erfolgsqualifizierten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen abgrenzen läßt. Ausschlaggebend soll der Aspekt sein, daß der Vorsatzteil der Delikte mit strafbegründender besonderer Folge im Gegensatz zum Vorsatzteil der erfolgsqualifizierten Tatbestände die Grenze zur Strafbarkeit nicht überschreitet67 • Nun geht es aber sowohl im Rahmen der erfolgsqualifizierten als auch der "erfolgsbegründenden" Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen nicht um eine ausschließliche, unabhängige Bewertung des jeweiligen Vorsatzteiles, sondern um den Gesamtzusarnmenhang von Vorsatzteil und fahrlässig herbeigetUhrter Folge. Für die Bewertung eines deliktischen Verhaltens kann es damit im Strafrecht immer nur auf die Subsumtion unter einen ganz bestimmten Tatbestand ankommen, so daß die Frage danach, ob ein Teil des tatbestandsertUllenden Verhaltens an anderer Stelle bereits als Straftat, Ordnungswidrigkeit oder noch überhaupt nicht sanktioneIl erfaßt wird, sich insoweit als tUr die Gesamtbeurteilung unbeachtlich entlarvt. Das Strafrecht beschäftigt sich nicht mit einem "an und tUr sich" strafbaren Verhalten, sondern im Mittelpunkt der Erörterungen hat immer nur die einen ganz bestimmten Tatbestand austUllende konkrete Aktion zu stehen. Darüber hinaus besteht zwischen dem Ordnungswidrigkeitenunrecht, als das sich der Vorsatzteil der Delikte mit strafbegründender besonderer Folge überwiegend darstellt, und dem Strafrecht ein lediglich quantitativer Unterschied68 • Die qualitative Aussage einer dogmatischen Regel kann sich nun aber einmal nicht danach richten, ob aufgrund einer ausschließlich quantitativen Komponente die Strafbarkeit erst begründet wird oder die bereits - aber an anderer Stelle! - bestehende Strafbarkeit erhöht wird. Das Postulat einer Gleichbehandlung begründet sich demnach daraus, daß auf der Basis dieser konkreten Betrachtungsweise es nicht gerechtfertigt wäre, diesen beiden sich strukturell insofern entsprechenden Deliktsgruppen eine unterschiedliche Behandlung zukommen zu lassen, denn das Unrecht wird sowohl bei den erfolgsqualifizierten Tatbeständen als auch den hier Ebenso u.a. Wassermann, in: AK § 11 Rdn. 34. Wassermann, in: AK § 11 Rdn. 34; Krey/Schneider, NJW 1970,640 (641f.); Schroeder, in: LK § 109b Rdn. 12 (9. Aufl.). 68 Siehe nur Zieschang, Sanktionensystem, S. 331 ff. 66

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B. I. Vorsatz-Fahrlässigkeits kombinationen

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in Frage stehenden Delikten mit strafbegründender besonderer Folge erhöht, während die konkrete Strafbarkeit - und nur darauf kann es ankommen - in beiden Fällen gleichermaßen erst begründet wird 69 • So ist dann aber auch z.B. die im Hinblick auf § 315c III Nr.l i. V .m. I 1a StGB geführte Diskussion, bei der es um die richtige Einordnung dieses Teils der Vorschrift als "erfolgsqualifiziertes" oder "erfolgsbegründendes"70 Delikt geht, von keinerlei dogmatisch relevanter Bedeutung, denn von deren Ausgang unabhängig sind jedenfalls sämtliche Varianten der Verwirklichung des § 315c StGB gleich zu behandeln, zumal die Grenze, die zwischen den Ordnungswidrigkeiten- und dem Strafrecht verläuft, ohnehin, wie gesagt, nur einen quantitativen Aspekt berührt. In Anbetracht dieses Resultates stehen sich die beiden weiteren vertretenen Positionen unabhängig von der Zuordnung der einzelnen Delikte zu den erfolgsqualifizierten Delikten oder den Tatbeständen mit strafbegründender besonderer Folge konträr gegenüber, so daß die Frage, ob der Vorsatzteil in dem Maße den Schwerpunkt des Deliktes ausmacht, daß der Charakter des gesamten Tatbestandes durch ihn geprägt wird, für beide Deliktsgruppen übereinstimmend zu beantworten ist. 5. Zur Präponderanz des Vorsatzteiles Die Kategorie eines "an und für sich" strafbaren Verhaltens als Rechtfertigung der Sonderbehandlung

Die Prägung des Charakters des Gesamtdeliktes durch den Vorsatzteil der Tatbestände mit strafbegrüDdender besonderer Folge könnte daraus resultieren, daß die den entsprechenden Tatbeständen zugrunde liegenden Verhaltensweisen, die zumeist, aber nicht unbedingf l als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden, wie u.a. Lackner anführt72 , rechtswidrig oder sonst unerlaubt sind und damit eine an und für sich strafbare Qualität aufweisen 7). Die Kategorie eines an und für sich "strafbaren" Verhaltens ist unserem Strafrecht allerdings fremd. So, wie es keinen Vorsatz und keine Fahrlässigkeit an sich gibt1\ existiert auch kein an und für sich strafbares Verhalten, sondern nur ein solches, das im Hinblick auf das durch einen bestimmten Tatbestand geschützte Rechtsgut in seiner "So-Beschaffenheit", eben jenen tatbestandlichen 69

Dazu auch S. 121 f.

70 Vgl. Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil, 9/30.

71 Anders z.B. rur den Fall, daß im Rahmen des § 311 StGB ein Sprengmeister seiner genehmigten Auflage nachgeht. Näher S. 21 Fußn. 76 und schon S. 18 Fußn. 65. 72 Lackner, StGB, § 1I Rdn. 24. 73 Vgl. Lackner, StGB, § II Rdn. 24. 74 So wie es auch keine Finalitat "an sich", sondern nur in Bezug auf die Herbeiführung oder Vermeidung bestimmter Folgen gibt. Welzel, JZ 1956,316 (316); ders., Das Deutsche Strafrecht, S. 36; ders., ZStW 58, (1939) S. 491 (557).

5. Präponderanz / Kategorie eines "an und für sich" stratbaren Verhaltens

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Anforderungen genügt. Insofern ist es also auch in diesem Zusammenhang nur von sekundärer Bedeutung75 , ob das betreffende Verhalten an einer ganz anderen Stelle des Strafgesetzbuches - so bei den erfolgsqualifizierten Delikten und § 3l5c III Nr.l i.V.m. I la StGB - im Ordnungswidrigkeit'enrecht oder rur sich betrachtet gar nicht'6 mit Sanktionen, welcher Art auch immer, bedroht ist, denn es ist vielmehr, um es nochmals zu betonen, immer nur in der Beziehung zu einem bestimmten Straftatbestand in seiner "So-Beschaffenheit" einer umfassenden Bewertung zugänglich. Es bleibt insoweit an die warnenden Worte Boldts zu erinnern, daß es nicht angehe, die Handlung in einzelne Stücke zu zerlegen und beliebig zusammenzusetzen, da sie ein sinn- und zweckerrullter Zusammenhang sei". Anderenfalls würde es aber auch inkonsequent erscheinen, z.B. § 222 StGB nicht ebenso in den Fällen als eine Kombination von Vorsatz und Fahrlässigkeit zu bezeichnen78 und damit als Vorsatztat zu behandeln, bei denen das sorgfaltswidrige Verhalten, das ebenfalls an anderer Stelle des Strafgesetzbuches oder als Ordnungswidrigkeit "pönalisiert" ist, bewußt und gewollt vorgenommen wird. Festzuhalten bleibt also zunächst, daß die Bewertung eines Verhaltens immer nur im Rahmen desjenigen Tatbestandes erfolgen kann, dessen Vorliegen in Frage steht, zumal ansonsten die den einzelnen Deliktsnaturen immanente, verschiedenartige Funktion unbeachtet gelassen und unterlaufen würde 79 • Mit der Feststellung, daß der vorsätzliche Handlungsteil der Delikte mit strafbegrundender besonderer Folge rechts-, norm- oder pflichtwidrig bzw. ausnahmsweise, wie im Rahmen des § 311 StGB "per se gefährlich" ist80 , kann also nur die Parallele zu den erfolgsqualifizierten Delikten begründet werden. Ein Argument rur die Aussage, die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen seien allesamt Vorsatztaten, ist diesen Ausruhrungenjedenfalls nicht zu entnehmen.

75 Oder wie Baldt, ZStW 68 (1956), S. 335 (356) meint, im Hinblick auf das Vorliegen eines objektiven Sorgfaltspflichtverstoßes indizieller Bedeutung. 76 Der Sprengmeister S, der mit der entsprechenden Genehmigung in Erfüllung seiner Aufgabe eine Explosion herbeiführt, übt eine an und für sich erlaubte Tätigkeit aus, ohne daß dieser Befund irgend etwas daran zu ändern vermag, daß der S, falls er die ihm in diesem Zusammenhang obliegenden Pflichten verletzt - den Eintritt einer Gefährdung im Sinne des § 311 StGB unterstellt wegen dieses gebotsnormabweichenden Verhaltens zur Verantwortung gezogen werden kann. " Baldt, ZStW 68 (1956), S.335 (365); ähnlich Welzel, ZStW 51 (1931), S. 703 (718); ferner Maurach, JuS 1961, 373 (374): "daß ein Teilakt der fahrläSsigen Tat ... vorsätzlich begangen worden ist, steht der Gesamtcharakterisierung ... als fahrläSsige Tat nicht entgegen" 7X Baldt, ZStW 55 (1936), S. 44 (59) bemerkt diesbezüglich schon treffend: " Es ist durchaus irreführend, wenn in der Literatur für diese Delikte regelmäßig betont wird, die eine Gefahr erzeugende Handlung selbst könne vorSätzlich oder fahrläSsig vorgenommen sein, wenn nur hinsichtlich der Gefährdung bloße FahrläSsigkeit vorliege; mit dem gleichen Recht könnte man auch für § 222 ausführen, daß der Täter vorsätzlich oder fahrläSsig zu schnell fahren könne, wenn er nur nicht vorsätzlich den Getöteten habe überfahren wollen." 79 Ausführlich zu dieser Problematik S. 25 ff. 80 So Trändie, in: LK § II Rdn. 97.

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Miscr~

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B. I. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

Selbst wenn man aber der Argumentation der hier abgelehnten Auffassung insoweit folgt und den tatbestandlichen Geschehensablauf der Delikte mit strafbegrilndender besonderer Folge in einzelne StUcke zerlegt, kann doch nicht ernstlich behauptet werden, daß sich die Frage, ob ein konkretes Gefährdungsdelikt als Vorsatz- oder Fahrlässigkeitstatbestand aufzufassen ist, nach der Bewertung des in ihm enthaltenen abstrakten Geflihrdungsdelikts ausrichten, denn dieses geht im konkreten Gefährdungsdelikt auf und nicht etwa umgekehrt81 • Die Tatsache, daß ein Verhalten an anderer Stelle des Strafgesetzbuches innerhalb der Insichtnahme eines ganz bestimmten Tatbestandes als vorsätzlich bewertet wird, präjudiziert doch keinesfalls, daß eben jenes Verhalten den Anforderungen Rechnung trägt, die hinsichtlich eines anderen "ilbergeordneten" Tatbestandes an ein vorsätzliches Handeln gestellt werden, zumal man sich auch hier vergegenwärtigen muß, daß ein Verhalten nicht per se vorsätzlich ist, sondern nur im Hinblick auf die jeweilige konkrete Tatbestandsrealisation. Auch wenn ein vorsätzliches Handeln, z.B. § 316 StGB betreffend - aufgrund der Funktion dieses Tatbestandes als abstraktes Gefährdungsdelikt (generelles Gefährlichkeitsdelikt) - bereits vorliegt, falls der Kraftfahrer willentlich ein Fahrzeug fuhrt, obwohl er weiß 8 2, daß er infolge seines Alkoholgenusses nicht in der Lage ist, dieses sicher zu fuhren, handelt der Täter damit keinesfalls eo ipso bereits vorsätzlich im Sinne des § 315c StGB, da sich der Vorsatz dort auf einen ganz anderen Erfolg namentlich in Form einer konkreten Gefährdung beziehen muß. Hier geht es um den Eintritt eines Gefahrenerfolges, dort um die generalisierte Gefährlichkeit eines Handeins. Im Gegensatz zu den abstrakten Gefährdungsdelikten, denen - ob sie nun als Tätigkeitsdelikt oder als Gefahrhandlungsdelikt aufgefaßt werden 8J - insofern eine besondere Funktion zukommt 84 , kann im Rahmen der Erfolgsdelikte und somit auch der konkreten Gefährdungsdelikte, wie z.B. § 315c III Nr.1 StGB, von einem vorsätzlichen Handeln nicht die Rede sein, bevor nicht der subjektive Planungszusammenhang, in dem das Handeln steht, in die Betrachtung einbezogen wird, solange es also in Wahrheit nur darum geht, daß der Täter das typisierte sorgfaltswidrige Verhalten bewußt vornimmt K5 • Bei dem Vorgang, der in § 315c III Nr.1 StGB vorsätzlich verwirklicht sein muß, handelt es sich, und dies gilt auch fur die anderen Vorschriften der Delikte mit stratbegrilndender besonderer Folge, damit um nichts anderes als die in einem abstrakten Gefährdungsdelikt vertypten oder vertypisierbaren Sorgfaltswidrigkeiten86 • Beim abstrakten Gefährdungsdelikt, bei dem sich, wie KI Insoweit übereinstimmend KreylSchneider, NJW 1970, 640 (641); anders aber wohl Lackner, Das konkrete Gefilhrdungsdelikt, S.IO f; ders., StGB § 11 Rdn. 24.

82 Es kommt hier aufgrund der Gegenwartsbezogenheit des Vorsatzes nur auf das intellektuelle Moment an. Siehe S. 11 Fußn. 36, S. 11 Fußn. 38. KJ Vgl. insoweit Horn, Gefilhrdungsdelikte, S. 27 f 84 Die gegenseitige Bedingtheit von abstraktem Gefllhrdungsdelikt und Vorsätzlichkeit beschreibt insoweit zutreffend Schöne, Gedächtnisschrift fur Hilde Kaufmann, S. 649 (656) in ihrer Einfachheit wie folgt: "Die EinfUhrung abstrakter - dann vorsätzlicher - Gefllhrdungsdelikte ... ". K5 Näher S. 13 ff. K6 Vgl. Hirsch, ZStW 93 (1981), S. 831 (859).

6. Präponderanz / Der Erfolg als objektive Bedingung der Stratbarkeit

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bereits aufgezeigt wurde 8?, die Tatbestandsverwirklichung auf die Tätigkeit als solche reduziert darstellt, erschöpft sich damit der Vorsatz im gegenwartsbezogenen Wissen um das vom Willen getragene Handeln, während im Gegensatz dazu der Vorsatz, das konkrete Gefährdungsdelikt betreffend, zukunftsbezogen den vom Tatbestand vorgegebenen Planungs zusammenhang mitumfassen muß. Das dies evident andere Voraussetzungen sind, bedarf keiner näheren Erklärung. 6. Unrechtsschwerpunkt des Vorsatzteiles aufgrund der Auffassung des Erfolges als objektiver Bedingung der Strafbarkeit

Die Annahme, daß der Vorsatzteil den Charakter des Gesamtdeliktes der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination mit strafbegründender besonderer Folge bestimmt und damit die Behandlung dieser Delikte als Vorsatztaten präjudiziert, könnte ihre Berechtigung darin finden, daß der Erfolg im Rahmen dieser Deliktsgruppe quasi wie eine lediglich objektive Bedingung der Strafbarkeit zu verstehen ist, damit das haftungsauslösende oder haftungsausschließende Zufallsmoment aus diesen Tatbeständen eliminiert wird. a) Die Einordnung des Erfolgs beim herkömmlichen fahrlässigen Erfolgsdelikt So heißt es, daß die erst beim Eintritt einer konkreten Gefährdung vorgenommene Pönalisierung letztlich nur den Zweck verfolge, die Strafbarkeit auf Handlungen zu beschränken, die einen ausreichenden Grad von Gefährlichkeit aufweisen 88 • Für diese Ansicht scheint insofern vordergründig die historische Entwicklung der erfolgsqualifizierten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen zu sprechen, da in diesem Bereich früher noch nicht einmal Fahrlässigkeit in bezug auf die schwere Folge erforderlich war89 • Richtigerweise kann man sich aber nach der Überwindung der als falsch erkannten Erfolgshaftung gerade nicht mehr auf diese historische Fehleinschät-

S. 9 f Tröndle, in: LK § 11 Rdn. 96; Lackner, StGB, § II Rdn. 24. Noch weitergehend Dornseifer (Gedächtnisschrift fur Armin Kaufmann, S. 427 ff) und Eser (in Schönke/Schröder, § 11 Rdn. 74), der in der auf die nur fahrlässige Gefährdung abgestellten Strafandrohung keinen Strafausdehnungsgrund, sondern - im Vergleich zu voll vorsätzlichen Taten - einen Strafherabsetzungsgrund erblicken will. Zu diesem generell fehlgehenden Argumentationsmuster ausfuhrlich S. 117 f 89 Zur historischen Entwicklung siehe die Darstellung bei Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte (1986); ferner Maurach, Strafrecht, Allg. Teil, (4. Aufl.) S. 416 ff.; Mezger, LB. (1931) S. 264, 316 ff Zum Problem der Gleichbehandlung erfolgsqualifizierter Tatbestände und der hier in Bezug genommenen Gruppe der Delikte mit strafbegründender besonderer Folge siehe S. 19. 87 88

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B. I. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

ZWlg berufen90 , so daß eine solche Auffassung sich im Gegenteil als Relikt eben jener überkommenen Erfolgshaftung entlarvt. Daß der Erfolg lediglich als objektive Bedingung der Strafbarkeit aufzufassen sei, ist zudem eine Forderung, die uns auch im Bereich der "herkömmlichen" Fahrlässigkeitsdelikte begegnet91 und von dieser Prämisse ausgehend konsequenterweise auch im Rahmen der vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichung Geltung beanspruchen soll92. Das dieser Auffassung zugrundeliegende Mißverständnis ist jedoch in der Annahme begründet, daß sich der im tatbestandsmäßigen Verhalten offenbarende Unwertgehalt (= erfolgsorientierter Verhaltensunwert) als selbständige Größe, ohne den als Resultat dieses Verhaltens im Erfolgseintritt sich aktualisierenden Unwert (= verhaltensbedingter Erfolgsunwert) begreifen lasse und umgekehrt, während diese beiden Elemente, aus deren zusammenhängender Analyse sich erst die inhaltliche Beschreibung der Handlung ergibt, dementsprechend tatsächlich in einem notwendig gegenseitigen Bedingungszusammenhang stehen93 • Es ist deshalb als eine überzogene Reaktion auf die falschlicherweise nur an der objektiven Erfolgsverursachung orientierten "kausalen Auffassung" anzusehen, wenn in Opposition dazu nun ausschließlich auf den subjektiven Aspekt abgestellt wird, obwohl das Subjektive immer auf die Existenz des Objektiven angewiesen ist, auf das es ja gerade ausgerichtet ist, mit dem es also ein einheitlich zu betrachtendes Gesamtgefiige bildet. Dieser Überlegung zufolge kann richtigerweise von einer Handlung erst dort gesprochen werden, wo jenes den Verhaltensvollzug und den Erfolgseintritt einschließende Gesamtgefiige in einer sinneinheitlichen Beschreibung zusammenfassend festgehalten wurde. Eine Handlung läßt sich nämlich nicht auf die bloße Beschreibung eines aktuellen Zustandes reduzieren, sondern stellt sich vielmehr als die Schilderung des Geschehensablaufes dar, der das Zustandekommen rechtsgutsverletzender oder gefahrdender Wirkungen und damit diese Auswirkungen selbst beinhaltet94 • 90 Siehe insoweit auch Lorenzen, Rechtsnatur, S. 59: "Wenn diese Entwicklung von einigen Autoren zum Anlaß genommen wird, den Schwerpunkt nunmehr auf das Fahrlässigkeitsmoment zu verlagern, so kann dem gerade nicht entgegengehalten werden, daß eine derartige Betrachtungsweise in Widerspruch zu dem historisch überkommenen Verständnis der erfolgsqualifizierten Delikte stehe, denn - wenn überhaupt - so hat der Gesetzgeber diesen Widerspruch durch die Einführung des § 56 a.F. herbeigeführt." In diesem Sinne auch Hänle, Die Teilnahme an den erfolgsqualifizierten Delikten, S. 43. 91 Zutreffende Kritik dagegen bei Hirsch, Uni Köln Festschrift, S. 399 (409 f.); ders., ZStW 94 (1982), S. 239 (252 ff.). 92 So Armin Kaufmann, ZStW 80 (1968), S. 34 (51); ders., Festschrift für Weizei, S. 393 (403, 410 f.); Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 135 ff., 144 ff.; Dornseifer, Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 427 (435). 93 Siehe auch S. 86. 94 VgI. Welzel, ZStW 51 (1931), S. 703 (718); siehe auch Hirsch, ZStW 94 (1982), S.239 (243 ff.).

6. Präponderanz / Der Erfolg als objektive Bedingung der Strafbarkeit

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Ganz in diesem Sinne hatte auch schon Welzel 95 ausgeführt, daß das Geschehen, das vom Entschluß über die Willens impulse zum Erfolg führt, eine gesetzte Sinneinheit ist, die sich durch das Moment der Sinngesetztheit aus dem übrigen kausalen Geschehen heraushebt und dem hinzugefügt, daß der Handlungszusammenhang zwischen Erfolg und Entschluß kein bloß kausaler, sondern ein teleologischer Sinnsetzungszusammenhang sei, d.h. diese Sinneinheit erst als Handlung zu bezeichnen ist96 • Würde man aber den Erfolg tatsächlich als lediglich objektiv bedingt auffassen, so stellt sich jedoch zugleich die Frage, wieso trotz einer Degradierung zukunftsorientierter Erfolgsdelikte - und dies sind die hier interessierenden konkreten Gefährdungstatbestände - zu gegenwartsbezogenen Tätigkeitsdelikten, diese Tatbestände noch eine eigenständige Bedeutung beanspruchen können anstatt, da das gesamte Unrecht mit dem Vollzug des vertypten Verhaltens angeblich als vorliegend anzusehen wäre, eben in jenen Tätigkeitsdelikten mit der Folge eines weitaus niedrigeren Strafrahmens vollständig aufzugehen 97 • Mit der Einordnung des Erfolges als bloßer objektiver und damit unrechtsneutraler Stratbarkeitsbedingung wäre also nicht nur nichts gewonnen, sondern im Gegenteil müßte die Frage nach der Existenzberechtigung dieser Tatbestände einer Negation vorbehalten bleiben. Ist das Verhalten des Täters aber gerade auch wegen dieses Erfolgsunwertes, der darin besteht, daß ein konkreter Gefährdungserfolg für bestimmte Rechtsgüter herbeigeführt wird, verboten - zumal es allemal einen qualitativ bedeutsamen Unterschied macht, ob sich das sorgfaltswidrige Handeln objektiv im tatbestandsmäßigen Erfolg aktualisiert oder nicht so könnte selbst die inhaltlich allerdings fehlgehende Bezeichnung dieses tatbestandsmäßigen Erfolges als objektive Bedingung der Stratbarkeit nichts daran ändern, daß dort, wo diese sogenannte objektive Bedingung zum tatbestandlichen Unrecht gehört - dem Schuldprinzip entsprechend - der Erfolg doch wiederum subjektiv bedingt sein muß, indem sich zumindest ein Fahrlässigkeitsbezug auf ihn erstreckt. Diesem Resultat kann man sich halt auch nicht dadurch entziehen, daß behauptet wird, der sogenannten objektiven Bedingung käme eine ausschließlich stratbarkeitseinschränkende Funktion zu. Dabei handelt es sich nämlich um ein Scheinargument, da es nach dem Gesetz des reziproken Verhältnisses von Begriffsinhalt und Begriffsumfang möglich ist, jedes Verbrechensmerkmal als stratbarkeitseinschränkend zu bezeichnen, ohne daß dies seinem unrechts begründenden oder unrechtserhöhenden Charakter in irgendeiner Art und Weise entgegenstehen würde 98 • Um es mit den deutlichen Worten Robert von Hippels auszudrücken: "Die Auffassung des Erfolges als bloße Bedin-

Welzel, ZStW 51 (1931), S. 703 (718). Vgl. auch Baldt, ZStW 68 (1956), S. 335 (365). 97 Siehe dazu auch Hirsch, ZStW 94 (\982), S. 239. 98 Ausdrücklich in diesem Sinne Arthur Kaufmann, JZ 1963,425 (429); Puppe, Festschrift rur Lackner, S. 199 (210). Ausfllhrlich hierzu S. 117 f. 95

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gung der Strafbarkeit aber beweist vollständige Unfähigkeit in der Erfassung des Begriffes der Fahrlässigkeit wie ihrer Eigenschaft als Schuldfonn. "99. b) Das Moment des "Zufalles" und seine funktionale Bedeutung im strafrechtlichen Systemzusammenhang Zugegebenennaßen ist damit in gewissem Grade loo zwar nicht im Erfolg oder dessen Eintritt lOI , jedoch in seinem Nichteintreten ein bei allen Erfolgsdelikten durch die temporale Verschiebung zwischen Verhalten und Erfolg bedingtes Zufallsmoment enthalten. Dieses Zufallsmoment ist aber nicht nur insoweit vorgegebener Natur, sondern ihm obliegt insbesondere auch die Funktion, riskante Verhaltensweisen, die einen gewissen Gefahrengrad tatsächlich nicht überschreiten, als folgenlose Gehorsamsverweigerung einzustufen. So wie im Bereich des Vorsatzdeliktes die Versuchsstrafbarkeit nur in bezug auf bestimmte Rechtsgutsverletzungen von erheblicher Qualität angeordnet ist und damit zugleich im Hinblick auf diese Tatbestände das Zufallsmoment (Haftung oder Nichthaftung) weitestgehendst ausgeschaltet wurde, während es, die nicht im Versuch strafbaren Tatbestände betreffend, erhalten bleibt, hat der Gesetzgeber einerseits durch die Aufstellung konkreter Gefilhrdungsdelikte l02 , andererseits aber, worauf hier besonders hinzuweisen ist, durch die ebenfalls nur bedingte lOJ Einfiihrung vertypter Sorgfaltspflichtverletzungen im abstrakten, gegenwartsbezogenen Gefahrdungsdelikt 104 diejenigen Grenzen festgelegt, die dem Zufallsmoment nicht überlassen werden, womit zugleich auch das Gebiet positiv beschrieben ist, in welchem das Zufallsmoment dort weiterhin eine funktionelle Bedeutung beansprucht. Deshalb ist es aber auch nicht möglich, diese durch das

Robert v. Hippel, Deutsches Strafrecht Bd. 2, S. 376 Anm. 2. Falls die objektive Erfolgstendenz, weil das in Bezug genommene Substrat nicht vorhanden ist, fehlt, kann allerdings vom Zufall nicht mehr die Rede sein. Siehe näher dazu S. 39 Fußn. 165. 101 So aber wohl Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil, 6173. 102 Bei näherer Betrachtung des Systemzusammenhanges sprechen insofern erhebliche Gründe dafür, daß der (taugliche) Versuch eine konkrete Gefährdung des Rechtsgutes vorausgesetzt (auf den historisch bestehenden Zusammenhang zwischen objektiver Rechtsgutsgefährdung und Versuchsstrafbarkeit weist auch U. Weber, ZStW-Beiheft 1987, S. 1 [6) hin), und der sogenannte untaugliche Versuch das Vorliegen einer gefährlichen Handlung. Zur notwendigen Differenzierung zwischen den konkreten Gefährdungsdelikten, konkreten Gefährlichkeitsdelikten und abstrakten Gefährlichkeitsdelikten siehe eingehend Hirsch, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545 (550 ff.). 10J Und auch nur bedingt zulässige. Näher S. 114 Fußn. 474. 104 Richtiger: Gefährlichkeitsdelikt (Näher zur Unterscheidung Hirsch, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545 (549 ff.). Insoweit muß allerdings die Möglichkeit eines Gegenbeweises eröffnet werden - auch wenn dies nur in wenigen Konstellationen praktizierbar erscheint -, da in solchen Fällen vom Zufall nicht gesprochen werden kann. VgI. zu dieser Forderung bereits Schröder, JZ 1967,522 (525) 99

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7. Präponderanz I Die "Offenheit" des Fahrlässigkeitsdeliktes

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Zufallsmoment vermittelte, den verschiedenen Deliktstypen zugesprochene Funktion praktisch über den Umweg der Einfiihrung objektiver Bedingungen der Stratbarkeit zu unterlaufen. 7. Präponderanz des Vorsatzteiles aufgrund der "Offenheit" des normalen fahrlässigen Erfolgsdeliktes

Der Grund dafiir, daß der Vorsatzteil so das Gravamen des Gesamtdeliktes ausmacht, daß die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen wie Vorsatztaten zu behandeln sind, könnte darin liegen, daß die "Offenheit" bestimmter fahrlässiger Erfolgsdelikte, wie Z.B. der fahrlässigen Tötung gemäß § 222 StGB die Vermutung bestätigt, daß diese sich auch dogmatisch betrachtet von der derjenigen Normen, in denen die Pflichtverletzungen durch die tatbestandliche Beschreibung vertypt wurden, abgrenzen lassen. Während bei den VorsatzFahrlässigkeitskombinationen mit stratbegründender besonderer Folge aufgrund dieser Vertypung ein objektiv auf den Erfolg gerichteter "finaler Handlungskern" offensichtlich in Erscheinung tritt, hat die wenig glückliche Formulierung in § 222 StGB: "Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht ... " dazu beigetragen, solche "offenen" fahrlässigen Delikte als bloße irgendwie geartete Verursachungsvorgänge zu betrachten lO5 , anstatt sie mit dem ihnen gebührenden Inhalt auszufiillen 106 • a) Zur Dogmatik des Fahrlässigkeitsdeliktes Auf der Grundlage der Auffassung, die das "normale" fahrlässige Erfolgsdelikt als einen solchen bloßen Verursachungsvorgang begreift, ist alsdann die Annahme nachvollziehbar, daß die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen - da man in ihnen aufgrund der typisierten Verhaltensbeschreibung nun einen finalen Handlungsteil sichtet lO7 - einer anderen Regeln entsprechenden Behandlung bedürfen 108 • Einerseits hat aber bereits Welzel in diesem Zusammenhang nicht ohne triftigen Grund darauf hingewiesen, daß § 222 StGB so zu verstehen sei, daß der Täter den Tod nicht durch Fahrlässigkeit, sondern durch eine fahrlässige Handlung verursacht, andererseits reichen als zurechnungsrelevante Verhaltensweisen nur solche aus, die im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut begrifflich Darauf weist Boldl, ZStW 68 (1956), S. 335 (356 m. Fußn. 86) zutreffend hin. Die Frage danach, womit diese Delikte inhaltlich auszufUllen sind, ist dabei in Wahrheit nur unter quantitativen Gesichtspunkten offen, da die zurechnungsrelevanten Verhaltensweisen jedenfalls eine ganz bestimmte qualitative Beschaffenheit aufWeisen müssen. 107 Lackner, Das konkrete Gefilhrdungsdelikt, S. 10; ders., StGB, § 11 Rdn. 24. 108 Dazu, daß die Finalität jedoch nicht mit dem Vorsatz gleichzusetzen ist, S. 29 ff. 105

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als Sorgfaltswidrigkeiten bezeichnet werden können lo9 . Der Tatbestand des § 222 StGB ist demnach richtigerweise so zu verstehen, daß derjenige, der durch eine sorgfaltswidrige Aktion den Tod eines anderen nicht vorsätzlich aber voraussehbar verursacht (= herbeiführtY 10, aus dem Strafrahmen dieses Deliktes zu bestrafen ist. Die Tatsache, daß es sich bei § 222 StGB um einen "offenen", genauer ausgedrückt, ausfüllungsbedürftigen Tatbestand handelt, da die in Frage stehenden tatbestandsrelevanten Verhaltensweisen - wie schon dargelegt wurde - von einer unüberschaubaren Komplexität sind, schließt also keinesfalls aus, daß diese immer eine ganz bestimmte normabweichende Qualität (SoBeschaffenheit)111 aufweisen müssen, denn es ist im Gegenteil immer ein konkretes, nämlich sorgfaltswidriges Handeln, dem die Funktion zukommt, als Ausgangspunkt der Deliktsbegehung einer fahrlässigen Tötung zu dienen. b) Fahrlässigkeit und Finalität Zur relativen Strukturgleichheit von Vorsatz und Fahrlässigkeit Dieses unsorgfaltige Verhalten bildet im Rahmen aller fahrlässigen l12 Erfolgsdelikte gleichermaßen den dem Tatgeschehen als Ganzem zugrundeliegenden finalen Kern 113 . Der Täter des Fahrlässigkeitsdeliktes handelt, ohne dafür hinreichend Sorge zu tragen, daß sich aus seinem Verhalten keine negativen Folgen für die Rechtsgüter anderer Personen entwickeln werden. Mag sein Verhalten auch darauf gerichtet sein, ein sozial erwünschtes oder zumindest gebilligtes Ziel zu erreichen, so stellt sich dennoch immer die Frage, ob das Handeln unter Einhaltung der Vorkehrungen getroffen wurde, die notwendig waren, um diese intendierte Zielsetzung auch abzusichern. Sind diese Vorkehrungen jedoch nicht getroffen oder ist das gänzlich zu unterlassende Handeln dennoch durchgeführt worden 11\ so ist dem motivbezogen auf ein anderes Ziel, nämlich nicht den tatbestandsmäßigen Erfolg ausgerichteten Verhalten aber bereits der sorgfaltspflichtverletzende Charakter immanent, die Sinndimension des Handelns läßt sich also nicht exklusiv den mit dem Handeln verknüpften Beweggründen (dem Motiv) entnehmen, sondern kann nur unter gleichzeitiger Berück-

109 Es existieren insofern auch keine Sorgfaltswidrigkeiten an und fur sich, sondern nur im Hinblick auf den jeweiligen tatbestandlichen Erfolg. 110 So ausdrücklich Baldl, ZStW 68 (1956), S.335 (345). Zur Bedeutungslosigkeit der unterschiedlichen sprachlichen Formulierung in den §§ 212, 222 StOB siehe S. 44 Fußn. 177 und S. 46 Fußn. 183. III Hierzu Niese, Finalität, S. 60. 112 Es gilt zu beachten, daß auch die vorsätzlichen Delikte ihren Ausgangspunkt in einem sorgfaltswidrigen, nicht pflichtgemäßen Verhalten nehmen. Ausführlich zu dieser Problematik S. 45 ff 113 Baldl, ZStW 68 (1956), S. 335 (355); vgl. auch Niese, Finalität, S. 59 ff. 114 Zu diesen Varianten des Normbefehls Zielinski, in: AK §§ 15, 16 Rdn. 88; Siralenwerlh, Strafrecht, Allg. Teil, Rdn. 1097.

7. Präponderanz / Die "Offenheit" des Fahrlässigkeitsdeliktes

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sichtigung der qualitativen Beschaffenheit (Art und Weise) der Motivation selbst ermittelt werden. Die Art und Weise der Handlungssteuerung beeintlußt die Sinndimension der fahrlässigen Handlung, denn diese stellt keine wertneutrale Größe dar, sondern eine komplexe Einheit, deren Substanz sich aus der Addition der inneren und äußeren Bedingungen ergibt, aus denen sie entsteht und auf die sie trifft"5. Auch wenn die Sinndimension der fahrlässigen Handlung damit verschiedene, sich abstrakt betrachtet ausschließende Richtungen beinhalten kann, - das Motiv einerseits, die Art und Weise der Motivation andererseits weisen gegensätzliche Tendenzen auf - so bilden diese Gegensätze doch konkret eine Einheit, indem Mittel und Zweck sich in ihrer Beziehung aufeinander und in der Abhängigkeit voneinander notwendigerweise gegenseitig durchdringen. Auch durch die im Rahmen der Diskussion um die Dogmatik der fahrlässigen Erfolgsdelikte seitens des überwiegenden Teils der finalen Handlungslehre vertretenen Auffassung, die Finalität sei beim fahrlässigen Erfolgsdelikt halt nicht auf den tatbestandsmäßigen Erfolg bezogen "6, wird dieser Zusammenhang bei näherer Betrachtung nicht in Frage gestellt. Die gegen diese Auffassung gerichtete Kritik, die behauptet, mit jener Lösung sei der methodische Ansatz der finalen Handlungslehre preisgegeben "7 , es gehe dann um nichts anderes als einen Willkürakt im Sinne der kausalen Handlungslehre "8, womit die Kapitulation der finalen Handlungslehre vor der Fahrlässigkeit einhergehe "9 , beruht auf der unzutreffenden Schlußfolgerung, daß die motivbezogen nicht auf den tatbestandsmäßigen Erfolg bezogene Finalität rechtlich deshalb irrelevant sei, weil der Sinngehalt der betreffenden Handlung von ihr überhaupt nicht beeintlußt werde I2 O. Ganz zu Recht ist dieser Argumentation bereits Hirsch in überzeugender Weise entgegengetreten 12I. Hirsch, der von eben dieser kritisierten Prämisse ausgeht, daß der Erfolg im Unterschied zur Stellung bei den Vorsatztaten bei den fahrlässigen Delikten nicht zur Handlung und mithin auch nicht unmittelbar zum Handlungsunwert gehört, zeigt auf, daß der Eintritt des Erfolges beim fahrlässigen Delikt jedoch nicht lediglich ein Zufallsprodukt der Handlung ist, sondern die Realisierung des in der sorgfaltswidrigen Handlung bereits enthaltenen Erfolgsrisikos. Aus der Erkenntnis, daß das sorgfaltswidrige Verhalten

Näher zu diesem Aspekt S. 39 Fußn. 165. Niese, Finalität, S. 53; Hirsch, ZStW 93 (1981), S. 831 (857); Küpper, Grenzen, S. 54; vgL auch Armin Kaufmann, Festschrift für Welzel, S. 393 (411 m. Fußn. 50). 117 Struensee, JZ 1987, 53 (55 f). 118 Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil, 6/15 und 9/8 Fußn. 12. 119 Struensee, JZ 1987,53 (55 f.) Zum Ganzen siehe auch Roxin, Gedächtnisschrift für Armin 115

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Kaufmann, S. 237 (247 ff.) und Wolter, Festschrift 140 Jahre Goltdammers Archiv, S. 269 (279 f., 313). 12U SO deutlich bereits Arthur Kaufmann, Festschrift für H. Mayer, S. 79 (95); vgL auch Je-

scheck, Strafrecht, Allg. Teil, § 23 1II 2 b. 121 Hirsch, ZStW 94 (1982), S. 239 (251 ff).

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das tatbestandsmäßige Erfolgsrisiko umgreift 122 , ist demnach zu folgern, daß die Handlung selbst durch diesen Umstand mitgeprägt wird 123 • Die Tatsache, daß sich eine Sorgfaltswidrigkeit in einem entsprechenden Erfolg niedergeschlagen hat, strahlt nämlich - nach Hirsch - auf die Beurteilung der Handlung zurück l24 • Die des weiteren gegenüber der Konzeption von Hirsch erhobene Kritik, daß diese auf die Handlung ausstrahlende Tatsache bei ihm dann zugunsten der nicht auf den deliktischen Erfolg gerichteten finalen und als sorgfaltswidrig zu bewertenden Willenshandlungen verloren ginge 125, beruht darüber hinaus nur noch auf einer unterschiedlichen Handhabung des Begriffs der Finalität und berührt damit ausschließlich eine terminologische, die semantische Definition dieses Begriffes betreffende Frage. In Wahrheit geht es dabei um die extensionale Reichweite des Begriffes der Finalität und das insoweit reziproke Verhältnis von Begriffsumfang und Begriffsinhalt. Schließt man in den Begriff der Finalität den Mittel-Zweck-Zusammenhang und damit auch die Art und Weise der Motivation selbst mit ein 126 , so folgt daraus, daß der Zweck stets an das Mittel gebunden ist, durch welches er verwirklicht werden soll, konsequenterweise, daß vermittelt über die Art und Weise dieser Motivation ein finaler Zusammenhang zwischen dem Handeln und dem Erfolg auch beim fahrlässigen Delikt festgestellt werden kann. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist die Erkenntnis, daß die Art und Weise der Motivation (der Handlungssteuerung) sich in der bewußten Auswahl der Mittel dokumentiert, Mittel, die eingesetzt werden, um einen bestimmten Zweck zu realisieren, um zwischen dem Subjekt und dem von ihm angestrebten Ziel zu vermitteln und zu denen die Gesamtheit aller Bedingungen gehören, auf die das Subjekt in bezug auf die von ihm sich vorgenommene Zweckerreichung zurückgreift. Für die Verwirklichung des Motivs mit einem Kraftfahrzeug einen bestimmten Ort zu erreichen, setzt der Führer dieses Fahrzeuges demnach z.B. als Mittel nicht nur das Fahrzeug in seiner aktuellen Beschaffenheit, sondern ebenso sich selbst in seiner jeweiligen Verfassung ein. Auch die Straßenverhältnisse vermitteln, um bei diesem Beispiel zu bleiben, als vorfindbare äußere Bedingungen zwischen dem Subjekt und dem von ihm angestrebten Zweck. Die Tatsache, daß der Täter jene, die Gefahr eines motivbezogen unerwünschten Ausganges seines Handelns begründenden Umstände kennt und daß das sorgfaltswidrige Verhalten das objektiv und subjektiv erkennbare tatbestandsmäßige Erfolgsrisiko umfaßt, spiegelt sich dann in der Realisierung des Erfolges sozusagen unmittelbar wieder. Faßt man den Begriff in einem engeren, im allgemeinen Verständnis gebräuchlicheren Sinne als Zielgerichtetheit und damit als Beschreibung einer ausschließlich motiverfolgsbezogenen Beziehung des Täters zu eben jenem ErHirsch, ZStW 94 (1982), S. 239 (254 f.). Hirsch, ZStW 94 (1982), S. 239 (254 f.). 124 Hirsch, ZStW 94 (1982), S. 239 (354 f.); ebenso Weidemann, GA 1984,408 (419 f.). 125 Wolter, Festschrift 140 Jahre Goltdammers Archiv, S. 269 (280). 126 Eingehend dazu S. 32 ff. Zur Unterscheidung von Zweck und Ziel siehe Philosophisches Wörterbuch (Hrsg. Klaus/Buhr) Band 2 (Stichwort: Zweck). 122

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folg auf, so ist die Finalität, wie auch Hirsch es ausdrückt, beim fahrlässigen Erfolgsdelikt tatsächlich anders als beim vorsätzlichen nicht auf den Erfolg gerichtet, ohne daß die fahrlässige Handlung, wie die Kritiker meinen l27 dadurch zu einem Willkürakt im Sinne der kausalen Handlungslehre degradiert wird. Denn auch nach dieser Ansicht spiegelt sich, wie dargestellt, das sorgfaltswidrige Verhalten durchaus im Erfolg wieder, es wird jedoch, um Mißverständnisse, die mit der Terminologie der Finalität seit je einhergehen vorzubeugen, nicht als in Bezug auf den Erfolg final bezeichnet. Während fur die, eine restriktivere Anwendung des Begriffs der Finalität präferierende Auffassung der überwiegend mit der Wortwahl assoziierte Sinngehalt und damit das allgemeine Verständnis sprechen, läßt sich fur eine weitreichendere Festsetzung des Begriffsumfanges vortragen, daß diese Restriktion als Nachgiebigkeit und Zugeständnis an die Oberflächlichkeit des allgemeinen Sprachgebrauchs gedeutet werden könnte, und ihrerseits in bezug auf die notwendige Abgrenzung zwischen der finalen und kausalen Handlungslehre zu vorbenannten Irritationen beigetragen hat, fur die eine Aussage Struensees l2H , mit der Übernahme der Thesen von Niese habe Welzel - freilich unfinal - unausrottbaren Mißverständnissen Vorschub geleistet, charakteristisch ist. Würde der Begriff der Finalität alsdann in dem obig beschriebenen weiteren Sinne verwandt, so ließe sich das durch die Formulierung, die Finalität sei beim fahrlässigen Erfolgsdelikt halt nicht auf den tatbestandsmäßigen Erfolg bezogen, entstandene Mißverständnis, es handele sich nunmehr nur um einen Willkürakt im Sinne der kausalen Handlungslehre insofern besser ausräumen, indem schon durch den Wortlaut hervorgehoben wird, daß auch beim fahrlässigen Delikt nicht bloß eine kausale, sondern eine finale Verbindungslinie zwischen dem sorgfaltswidrigen Handeln und dem tatbestandsmäßigen Erfolg existiert. Die Verirrungen und Verwirrungen, die mit dem Begriff der Finalität einhergehen und in erheblichem Umfang daraus resultieren, daß Finalität als etwas Besonderes betrachtet wird und nicht, wie es richtig erscheint, als eine beobachtbare Besonderheit menschlichen Verhaltens, ein Charakteristikum menschlicher Tätigkeit an und fur sich 129 , hatten schon Welzel dazu inspiriert diesen Begriff aufgrund dessen zu restriktiver Auslegung preiszugeben und ihn durch den umfassenderen der kybernetischen Handlung zu ersetzen lJO , um, wie er ausfuhrt, deutlicher auf die Strukturgleichheit vorsätzlicher und fahrlässiger Deliktsbegehung, die durch die Art und Weise der Handlungssteuerung (Art und So aber Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil, 9/8 Fußn. 12; Struensee, JZ 1987, 53 (55 f.). Struensee, JZ 1987, 53 (56); siehe auch Weidemann, GA 1984,408 (419) und Koriath, Grundlagen, S. 664. 129 Ganz in diesem Sinne bereits Armin Kaufmann, Normtheorie, S. 106: "So ist der Inhalt der Verbotsnorm immer eine finale Handlung". 130 Wetzet, Festschrift fUr Maurach, S. 3 (8); ders., Das Deutsche Strafrecht, S. 37. Der durch den Mathematiker N. Wiener geprägte Begriff der Kybernetik findet sich in dessen Werk "Cybernetics or control and communication in the animal and the machine". 127 12K

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Weise der Motivation) dokumentiert werde, hinweisen zu können lll . Ganz abgesehen davon, daß die relevanten Zusammenhänge durch den Begriff der kybernetischen Handlung nur partiell beschrieben werden könnten und die Kybernetik selbst kein vollkommen einheitliches Begriffssystem liefert, erscheint es allerdings zwecklos, den Begriff der Finalität insgesamt durch ein anderes Wort ersetzen zu wollen, zwecklos, würde eine Preisgabe dieses Terminus doch nur dazu beitragen, daß der neu gefundene Begriff alsbald ebenso mißdeutet und im selben Maße mißverstanden sein würde. Der Streit um die Bedeutung hätte sodann nur von neuem zu beginnen, da durch eine neue Etikettierung, wie es Weidemann l32 treffend bemerkt, nur klargestellt wird, was der Sache nach schon immer vorgetragen worden ist. Andererseits hat sich der Begriff der Finalität jedoch so im "allgemeinen" Sprachgebrauch verfestigt, daß es sicherlich zu weitaus größeren Mißverständnissen beitragen würde, die Beziehung zwischen dem Handeln und dem Erfolg nun auch noch beim Fahrlässigkeitsdelikt als final zu bezeichnen. Eine Begriffserweiterung, die mit dem allgemeinen Verständnis dieser Terminologie nicht in Übereinstimmung steht, kann in der praktischen Anwendung dieses Begriffes erhebliche Diskrepanzen hervorrufen. Diese Gefahr sollte nicht unterschätzt werden. Außerdem erscheint es auch nicht notwendig, die mit der hier vertretenen Auffassung einhergehende Erkenntnis mit dem Terminus der Finalität zu überfrachten und damit gleichzeitig zu belasten, geht es doch inhaltlich ausschließlich darum, aufzuzeigen, daß zwischen der sorgfaltswidrigen Handlung und dem Erfolg beim Fahrlässigkeitsdelikt ein über die bloße Kausalität hinausgehender Zusammenhang, eine subjektiv-personelle Verbindungslinie besteht. c) Der subjektive Tatbestand des Fahrlässigkeitsdeliktes So wird eine solche subjektiv-personelle Verbindungslinie auch zwischen dem Handeln und dem tatbestandsmäßigen Erfolg beim fahrlässigen Delikt, zwar nicht durch die motivbezogene Zweckbestimmtheit rur sich betrachtet, jedoch durch die aufgrund der Art und Weise der Motivation in ihr enthaltene Möglichkeit eines nicht intendierten, den tatbestandlichen Erfolg einbeziehenden Ausganges hergestellt. Die Steuerung und Lenkung des Geschehens bleibt nun einmal auch dann als rechtlich relevante Größe im Handeln enthalten, wenn dieses motivbezogen auf einen sozial tolerierten oder sogar erwünschten Zweck hin ausgerichtet ist - die Art und Weise der Motivation "überlagert" das Motiv und gehört damit eo ipso selbst zur Sinndimension der Handlung 133 • III Welzel, Festschrift für Maurach, S. 3 (8); siehe auch Weidemann, GA 1984,408 (420) mit der Feststellung, daß mithin durchaus die verfolgte Finalität (die vorgenommene Steuerung) rechtlich relevant sei. l32 Weidemann, GA 1984,408 (420). 133 Es ist demnach zutreffend, wenn Weidemann (GA 1984,408 (420)) ausfuhrt, daß die Unterscheidung zwischen relevanten und nicht relevanten Zielsetzungen ein zwar gangiges aber falsches

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Anderes gilt auch nicht in bezug auf den Fall der bewußten Fahrlässigkeit. Für den Bereich der bewußten Fahrlässigkeit hatte Gallas l34 zwar vertreten, daß der unerwünschte Erfolg, falls der Täter sich diesen vorgestellt habe, von vornherein im Bereich der auf das gewünschte Ziel hin gerichteten Steuerung liegt, womit auch dieses alternierende, unerwünschte Ergebnis selbst zum finalen Gehalt der Handlung gehöre 135 • Dieser Ansatz läßt aber unberücksichtigt, daß der Täter bei der bewußten Fahrlässigkeit sich im Zeitpunkt des Verhaltensvollzuges von der Vorstellung der Möglichkeit des tatbestandsmäßigen Erfolgseintritts aufgrund seines überwiegenden Vertrauens in dessen Nichteintritt wieder distanziert hat. Auch im Fall der bewußten Fahrlässigkeit wird also die subjektiv-personelle Verbindungslinie zwischen dem Handeln und dem Erfolg entgegen Gallas nicht über das Motiv, sondern über die dem Motiv zugrundeliegende Art und Weise der Motivation hergestellt, so daß es dementsprechend subjektiv immer darum geht, daß der Täter zum Zeitpunkt des als Anknüpfungspunkt der fahrlässigen Deliktsbegehung in Betracht kommenden Handeins jene Umstände kannte, aus denen die Gefahr eines motivbezogen unerwünschten, tatbestandserrullenden Ausganges resultiert, zumal dem Normaladressaten jene Kenntnis erst als Anlaß darur dienen muß, entweder das Handeln in seiner So-Beschaffenheit gänzlich zu unterlassen l36 , oder entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um die Möglichkeit des Eintritts eines motivbezogen unerwünschten Resultates seines Handeins auszuschalten 137 • Die Kenntnis dieser Umstände erweist sich damit als subjektives Merkmal schon des Unrechtstatbestandes aller fahrlässigen Erfolgsdelikte 138 • Der Unterschied zwischen der bewußten und der unbewußten Fahrlässigkeit besteht damit ausschließlich darin, daß die Feststellung des Vorliegens dieses subjektiven Merkmals des fahrlässigen Delikts hinsichtlich der beSchema sei, ein Irrtum, der letztlich nur einen Ausfluß des alten Kausaldogmas darstelle, welches lediglich auf den Erfolg abstellte und damit den verwirklichten Erfolg als relevant, den erstrebten hingegen, soweit er auf ein rechtlich nicht verbotenes Ziel gerichtet war, als irrelevant bezeichnete. Siehe auch S. 34 tT. 134 Gallas, ZStW 67 (1955), S. 1(43). 135 Die gegen die Argumentation von Gallas gerichtete Kritik Armin Katifmann, ZStW 70 (1958), S. 64 (77 f.) ist hingegen in sich bereits nicht schlüssig. Indem Kaufmann die These von Gallas als irrig bezeichnet, wegen der Fälle, in denen der Handlungsablauf final gerade darauf hingesteuert wird, daß eine als möglich vorgestellte Nebenfolge nicht eintritt, bestätigt er vielmehr die von Gallas aufgestellte Behauptung, denn das Motiv, eine Nebenfolge verhindern zu wollen, entsteht doch gerade auf der Basis der Erkenntnis, daß das motivbezogen auf das gewünschte Ziel gerichtete Handeln gleichzeitig eben auch auf den Eintritt der Nebenfolge ausgerichtet ist. 136 Zielinski, in: AK §§ 15, 16 Rdn. 88. 137 Vgl. Stratenwerth, Strafrecht, Allg. Teil, Rdn. 1097. 138 Struensee, JZ 1987,53 ff.; Zielinski, in: AK §§ 15, 16 Rdn., 92; Weidemann, GA 1984,408 (424); Wolter, Festschrift 140 Jahre Goltdammers Archiv, S. 269 (279 f): "Die subjektive Erkennbarkeit des tatbestandsmäßigen Erfolgsrisikos würde die dogmatische "Wanderung" des Vorsatzes als subjektives Erkennen dieses Erfolgsrisikos durch das Strafrechtssystem von der Schuld zum Unrechtstatbestand lediglich wiederholen"; Toepel, Kausalität und Pflichtwidrigkeitszusammenhang, S. 42 Fußn. 18; Vogel, Norm und Pflicht, S. 261 Fußn. 97.

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wußten Fahrlässigkeit geringere Schwierigkeiten bereiten wird, da die geforderte Kenntnis der die Art und Weise der Motivation offenbarenden gefahrbegründenden Umstände dort quasi per se vorliegt - und nur insoweit bestätigt sich auch der von Gallas gewählte Argumentationsansatz -, wo der Täter sich im nahen Vorfeld bereits Gedanken über die Möglichkeit eines motivbezogenen nicht erwünschten Ergebnisses seines Handeins gemacht hat. Besteht damit auch beim fahrlässigen Delikt eine subjektiv-personelle Verbindungslinie zwischen dem Handeln und dem tatbestandsmäßigen Erfolg, vermittelt über die Kenntnis der in der Art und Weise der Motivation enthaltenen gefahrbegründenden Umstände, so geht damit zugleich sowohl der Befund einher, daß Vorsatz und Fahrlässigkeit, wie es jüngst vermehrt geäußert wird, worauf aber auch schon Welzel hingewiesen hatte l39 , tatsächlich eine weitestgehend homogene Struktur auf weisen und der Erfolg sich auch beim fahrlässigen Erfolgsdelikt nicht zufällig einstellt, als auch der, daß es jenes Korrelatives einer sogenannten objektiven Zurechnung auch im Bereich des fahrlässigen Erfolgsdeliktes nicht bedarf'40. Hat beispielsweise ein Führer eines Kraftfahrzeuges Kenntnis von dem Umstand, daß die Bremsen seines Fahrzeuges nicht mehr in dem Maße funktionstüchtig sind, wie es den im Straßenverkehr geltenden Ansprüchen entspricht, und vertraut er trotzdem darauf, daß er seine Fahrt zur Dienststelle, die er pünktlich erreichen will, meistem wird, so ist seinem Handeln aufgrund dessen "So-Beschaffenheit" ein sorgfaltspflichtverletzender Charakter immanent, auch wenn es motivbezogen auf das rur sich betrachtet sozial gebilligte Ziel gerichtet ist, einen Ort zu erreichen und sich nicht zu verspäten. Die Art und Weise der Motivation, die sich vorliegend in der Auswahl des Mittels, mit dem der Fahrer sein Ziel verwirklichen will - einem nicht funktionsfähigen Fahrzeug - dokumentiert, "überlagert" das Motiv und wird selbst zum Inhalt der motivbezogenen auf ein positiv bewertetes Ziel ausgerichteten Handlung, wobei sich der tatbestandsmäßige Erfolgseintritt dann nicht als Zufallsprodukt, sondern als Realisierung des in dieser Handlung von Anfang an bereits enthaltenen Erfolgsrisikos darstellt l41 . Die Hausfrau, die eine leere Wasserflasche mit einem, wie sie weiß, 139 Welzel, Festschrift [ur Maurach, S. 3 ff.; darauf, daß Vorsatz und Fahrlässigkeit insoweit eine homogene Struktur aufWeisen, als daß Vorsatz- und Fahrlässigkeitstäter durch ihr Verhalten gleichermaßen demselben Normbefehl (= derselben Verhaltensnorm) widersprechen, weist auch Toepel, Kausalität und Ptlichtwidrigkeit, S. 42 Fußn. 18, zutreffend hin; insoweit Obereinstimmend Schöne, Gedächtnisschrift [ur Hilde Kaufmann, S. 649 (668); Zielinski, in: AK §§ 15, 16 Rdn. 89; ders., Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 191; Siruensee, JZ 1987,53 (62); Waller, Festschrift 140 Jahre Goltdammers Archiv, S. 269 (278 ff.). 140 Insofern bereits Siruensee, JZ 1987, 53 (63), der die Lehre von der "objektiven" Zurechnung

als eine Irr- oder Irrtumslehre bezeichnet; ders., GA 1987, 97 ff.; im Ergebnis weist auch Hirsch, Uni Köln Festschrift, S. 399 (404 ff.) zutreffend darauf hin, daß fOr eine eigenständige Kategorie der "objektiven" Zurechnung kein Raum bleibt. Ausführlich zu dieser Problematik S. 77 Fußn. 329. 141 Vgl. Hirsch, ZStW 94 (1982), S. 239 (254 f.).

7. Präponderanz / Die "Offenheit" des Fahrlässigkeitsdeliktes

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hochgiftigen Pflanzenvernichtungsmittel aufrullt, ohne dies durch eine hinreichende Etikettierung zum Ausdruck zu bringen, trifft nicht die notwendigen Vorkehrungen darur, daß keine Verwechslung mitsamt ihren Folgen eintreten kann. Sie mag mit diesem Handeln zwar die Intention verbinden, daß der Inhalt nur entsprechend seiner zweckmäßigen Verwendung benützt werde, jedoch ist auch ihrem Handeln aufgrund dessen "So-Beschaffenheit" ein sorgfaltspflichtverletzender Charakter immanent. Ist ihr allerdings nichts darüber bekannt, daß es sich bei der eingerullten Substanz um ein Gift handelt, schüttet sie im Beispielsfall nur den Inhalt einer im Supermarkt erworbenen Pflanzenölflasche in ein anderes Behältnis, ohne Kenntnis davon zu haben, daß es sich in Wahrheit nicht um ein Pflanzenöl, sondern um eine hochgiftige Flüssigkeit handelt, so befindet sie sich aufgrund dieser Unkenntnis dann in einem Irrtum, den man, wie es vorgeschlagen wurde l42 , als "Fahrlässigkeitstatbestandsirrtum" bezeichnen kann, falls die Unkenntnis nicht ihrerseits wiederum auf einem sorgfaltswidrigen Vergessen 143 dieser normal bekannten Information beruht. Gerade die Insichtnahme der Fälle, bei denen es um ein sogenanntes "Sonderwissen" des Täters geht, zeigen in aller Deutlichkeit, daß mit einer Lehre von der "objektiven" Zurechnung nichts gewonnen ist, sondern daß die rechtliche Mißbilligung sowohl im Bereich der Vorsatzdelikte l44 als auch des fahrlässigen Deliktes l45 ausschließlich von der subjektiven Seite, dem subjektiven Tatbestand, abhängig ist. Insofern ist es im übrigen verfehlt, wenn die Terminologie des "Sonderwissens" verwendet wird, denn es geht bei der Zurechnung halt immer um das besondere, nämlich dem Täter als Zurechnungssubjekt zur Verrugung stehende Wissen l46 • Roxin l47 hält es allerdings rur legitim, daß auch bestimmte subjektive Faktoren rur die objektive Zurechnung bedeutsam werden können, scheint jedoch dabei nicht zu erkennen, daß dies quasi die "Kapitulation der Lehre von der objektiven Zurechnung" bedeutet, denn dort, wo allein diese subjektiven Faktoren, d.h. ihr Vorliegen oder Nichtvorliegen, 142 Struensee, JZ 1987, 53(59 ff.); vgl. auch Zielinski, in: AK §§ 15, 16 Rdn. 92; Weidemann, GA 1984, 408 (424); Vogel, Norm und Ptlicht, S. 261 Fußn. 97; Toepel, Kausalität und Ptlichtwidrigkeitszusammenhang, S. 42 Fußn. 18. Roxin (Gedächtnisschrift fur Arrnin Kaufmann, S. 237 [249]), bestreitet, daß der Fahrlassigkeitstäter sich z.B. in dem Falle irre, daß der durch ihn ins Gewitter Geschickte tatsächlich durch einen Blitz getroffen werde. Nun liegt aber in diesen Fällen kein Wissen, sondern ein bloßes Hoffen vor und damit auch keine Kenntnis der gefahrbegrOndenden Umstande. So bereits Hirsch, Uni Köln Festschrift, S. 399 (405); siehe auch Spendei, Festschrift fur Stock, S. 89 (112). Des weiteren ist der Begriff des Irrtums, wenn es wie hier um die Unkenntnis geht - wie allgemein anerkannt ist - nicht etwa identisch mit einer positiven falschen Vorstellung (siehe nur Dreher/Tröndle, § 16 Rdn. 2 m.w.N.). 143 Zum Vergessen im Rahmen der Fahrlassigkeit S. Fischer, Strafrechtliche Abhandlungen,

Heft 346 (1934). 144 Hirsch, Uni Köln Festschrift, S. 399 (404 ff.). 145 Struensee, GA 1987,97 ff.; Hirsch, Uni Köln Festschrift, S. 399 (404 ff.). 146 Ebenso Zielinski, in: AK §§ 15, 16 Rdn. 92. 147 Roxin, Gedächtnisschrift rur Armin Kaufmann, S. 237 (251).

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B. l. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

darüber entscheiden, ob eine Zurechnung stattfindet oder nicht, wird die Kategorie einer "objektiven" Zurechnung bedeutungslos. Der "Lehre" von der sogenannten objektiven Zurechnung ist "zuzugeben", daß wir aufgrund des bisherigen und damit immer jeweils zu aktualisierenden Erfahrungs- und Wissensstandes bestimmte Geschehensabläufe rur unbeherrschbar halten. Dies hindert nicht daran, daß in einem Teil dieser Fälle aufgrund eines sogenannten "Sonderwissens" oder eines "Sonderkönnens" dieser Geschehensablauf trotzdem durch den oder die Täter beherrscht werden kann. Für den verbleibenden Bereich, bei dem uns der heutige Erfahrungsstand lehrt, daß der Geschehensablauf im strengen Sinne objektiv nicht beherrschbar ist, gilt es zu beachten, daß die Aussage und Feststellung der objektiven Unbeherrschbarkeit aus der Analyse der Gesamtheit des subjektiven Könnens und Wissens einzelner Subjekte hergeleitet wird. Die "objektive Zurechnung" stellt sich demnach auch im Bereich dieser Konstellation nicht als eine selbständige Kategorie dar, mit der neue Einsichten einhergehen würden, sondern ausschließlich als ein Produkt der Objektivierung des subjektiven Zurechnungsgeruges Insofern hat bereits Struensee 148 eingehend dargestellt, daß auch das fahrlässige Delikt einen subjektiven Tatbestand besitzt. Seines Erachtens besteht dieser subjektive Tatbestand des fahrlässigen Deliktes darin, daß der Handelnde von den Bedingungen des eingetretenen Erfolges einen tatbestandlichen Ausschnitt kennt, von dem nach Bewertung der Rechtsordnung eine intolerable Gefahr ausgeht l49 • Anhand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes, dem sogenannten "Radfahrerfall", erläutert Struensee die von ihm vertretene Auffassung l50 • Die insoweit erörterte Annahme, das Überholen eines Radfahrers durch den Fahrer eines Lastzuges wäre dann ein rechtmäßiges Alternativverhalten gewesen, wenn der LKW-Fahrer einen Abstand von 1 - 1,50 Metern eingehalten hätte, basiert, so Struensee, darauf, daß dieser Fahrer die hochgradige Trunkenheit des Radfahrers nicht kannte. Wäre ihm die Alkoholisierung bewußt gewesen, habe er zum Beispiel in dem Radfahrer aufgrund auffiilliger Kleidung die betrunkene Person wiedererkannt, die eine Viertelstunde vor ihm eine Gaststätte verlassen hatte, so hätte er auch nicht im Abstand von 1,50 Metern vorbeifahren dürfen. Der Fall und damit die ihn betreffende Diskussion lebe offenbar nur von der Unkenntnis des LKW-Fahrers in bezug auf die Trunkenheit des Radfahrers. Bei Kenntnis dieser Risikofaktoren wäre die Problematik der "objektiven" Zurechnung nicht der Erwähnung wert, sie erweise sich also als Irr- oder Irrtumslehre l5l • Auch nach Zielinski 152 handelt es sich bei der Frage nach der Berücksichtigung von solchem "Sonderwissen" des Täters um ein Scheinproblem, da es immer überhaupt nur auf die Vorstellung des Täters ankomme. Alle dem Täter bekannten Risikofaktoren gingen in die Geflihrlichkeitsprognose ein, alle Struensee, JZ 1987,53 ff.; ders., JZ 1987,541 ff. Struensee, JZ 1987,53 (60). 150 Siehe den Originalfall in SGHSt 11 (1 ff.). 151 Struensee, JZ 1987, 53 (63). 152 Zielinski, in: AK §§ 15, 16 Rdn. 92, 95.

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7. Präponderanz / Die "Offenheit" des Fahrlässigkeitsdeliktes

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dem Täter unbekannten Tatumstände blieben unberücksichtigt. Insofern sei es auch richtig wie Struensee beim fahrlässigen Delikt von einem subjektiven Tatbestand zu sprechen l53 . Im gleichen Sinn hatte zu einem früheren Zeitpunkt auch Weidemann l54 aufgezeigt, daß es immer nur auf die Kenntnis jener der Fahrlässigkeit zugrunde liegenden Umstände ankomme. Gegen die von Struensee vorgeschlagene Konzeption sind insbesondere von Roxin, Herzberg und Frisch l55 Einwände erhoben worden, die einen Schwachpunkt der Thesen Struensees betreffen, der in den Fällen zu Tage tritt, bei denen der Täter im Zeitpunkt der unmittelbaren tatbestandlichen Ausfiihrungshandlung "versehentlich" handelt also den Bereich der unbewußten Fahrlässigkeit -, indem ihm z.B. eine vormals bekannte Information in Vergessenheit geraten war. Es wird behauptet, daß Struensee eine vergessene Information mit der aktuellen Kenntnis der Risikofaktoren gleichsetze und dies nicht zulässig sei. So habe der Täter bei der unbewußten Fahrlässigkeit die das Risiko des Erfolgseintritts begründenden Umstände, so die rote Ampel, die er überfahren hat, gerade nicht erkannt I56. Dem entgegentretend hat Struensee zwar darauf hingewiesen, daß auch die vorgängige Information ein unverzichtbares Element der Sorgfaltswidrigkeit sei und daß es damit auch in diesen Fällen um die Berücksichtigung von zwar vergessenem aber gleichwohl dem Bereich der Täterpsyche angehörenden Sonderwissen gehe l57 . Würde es aber tatsächlich ausschließlich um die Insichtnahme und Bewertung der in Erscheinung tretenden, unmittelbar den Erfolg herbeifiihrenden Ausfiihrungshandlung gehen, so wäre den Kritikern Struensees zuzugeben, daß ein nur irgendwie der Täterpsyche zugehöriges Sonderwissen als Anknüpfungspunkt der Zurechnung kaum ausreichen dürfte. Die insoweit gefiihrte Kontroverse betrifft jedoch gar nicht, wie vorgegeben wird, die Problematik, ob auch beim Fahrlässigkeitsdelikt ein subjektiver Tatbestand, wie von Struensee und anderen postuliertl 58 existiert, sondern es geht den Kritikern bei genauer Betrachtung darum, den Befund der generellen Offenheit der Fahrlässigkeitsdelikte in Zweifel zu ziehen. Deutlich wird dies insbesondere bei Frisch lS9 , der Zielinski, in: AK §§ 15, 16 Rdn. 92. Weidemann, GA 1984, 408 ff. 155 Roxin, Gedächtnisschrift für Arrnin Kaufmann, S. 237 (249 f.); Herzberg, JZ 1987, 536 ff.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung, S. 636. 156 So im Anschluß an die in Fußnote 155 genannten Autoren Kühl, Strafrecht, Allg. Teil, S. 529. 157 Struensee, JZ 1987, 541 ff. 158 Siehe die Nachweise in Fußn. 138. 159 Frisch, Festschrift für Stree und Wesseis, S. 69 (98). Wenn Herzberg (JZ 1987,536 [537]) und ihm folgend Röttger (Unrechtsbegründung, S. 67) zu Recht gegenüber der Auffassung Struensees bemängeln, daß die Sorgfaltswidrigkeit insoweit zu kurz greift, als daß damit nicht jeder erfaßt wird, dessen erfolgsursächliche Tat als fahrlässig zu bewerten ist, so greift dieser Einwand insofern sachlich nicht durch, als daß es selbstverständlich bei der Fahrlässigkeit um die Kenntnis der gefahrbegründenden Umstände zu dem Zeitpunkt geht, an den der Vorwurf der Fahrlässigkeit anknüpft. Auch die von Kaminski (Der objektive Maßstab, S. 74 ff.) erhobene Kritik an den Ausführungen Struensees betriill nur dessen These, der Verhaltensunwert reduziere sich auf den Inten153

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B. I. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

fordert, bestimmte Fälle der Fahrlässigkeit und zwar Fehlverhalten, das auf einem Versehen beruht - den Bereich der unbewußten Fahrlässigkeit also - aus dem Bereich der Strafbarkeit auszugliedern. Geht man aber mit der herrschenden Auffassung von der Offenheit der Fahrlässigkeitsdelikte aus, so bezieht sich der subjektive Tatbestand des Fahrlässigkeitsdeliktes natürlich auf diesen zur Vergangenheit hin offenen tatbestand lichen Anknüpfungspunkt für die Zurechnung fahrlässigen Verhaltens. So kommt es im Bereich vergessener Informationen darauf an, daß der Täter zum Zeitpunkt, in weIchem er die Information besaß, keine Vorkehrungen dafür getroffen hat, daß diese Information ihm aktuell verfügbar erhalten bleibt und dementsprechend, was auch Struensee nicht berücksichtigt hat, um die Kenntnis der gefahrbegründenden Umstände zu eben jenem Zeitpunkt. Hat, um dies anhand des Radfahrerfalles 160 zu dokumentieren, der diesen überholende LKW-Fahrer vergessen, daß es sich bei dem Radfahrer um die Person handelt, die kurze Zeit vorher die auch von ihm aufgesuchte Gaststätte in einem ersichtlich angetrunkenen Zustand verlassen hatte, so stellt sich in dieser Variante beispielhaft die Frage, ob er zu dem Zeitpunkt, in dem ihm diese Information bewußt war, jene gefahrbegründenden Umstände kannte d.h., daß es sich bei diesem Gast um einen Radfahrer, der angetrunken ist, handelt, den er später möglicherweise mit seinem Fahrzeug werde überholen müssen. Damit geht es inhaltlich immer um die Kenntnis der Umstände, die Anlaß dafür bieten müßten, bereits zu diesem Zeitpunkt Vorkehrungen zu treffen, dafür z.B., daß man eine solche Information nicht vergißt. Der subjektive Tatbestand bezieht sich also auch hier auf den objektiven Anknüpfungspunkt der Sorgfaltswidrigkeit, die diesbezüglich ja gerade im "Vergessen" dieser vormals bekannten Information beruht. Daß demgegenüber die bewußte Vornahme des sorgfaltsptlichtverletzenden Verhaltens regelmäßig die Feststellung des Vorliegens der Vorhersehbarkeit des tatbestandsmäßigen Erfolgseintritts erleichtern wird, und zwar aufgrund der Tatsache, daß die Sorgfaltswidrigkeit dem tatbestand lichen Erfolgseintritt in diesen Fällen zeitlich gesehen näher liegt, ändert aber halt nichts daran, daß der Erfolgseintritt auch bei weiter in der Vergangenheit vorfind baren Sorgfaltspflichtverletzungen durchaus ebenso vorhersehbar sein kann. Demnach ist es der Beantwortung der im Bereich der Schuld angesiedelten Frage l61 nach der individuellen Vorhersehbarkeit des tatbestandsmäßigen Erfolgseintritts vorenthalten, zu entscheiden, ob bestimmte fehlerhafte Verhaltensweisen zur Strafbarkeit des Täters führen oder nicht. Für den Kraftfahrer, der, um Familie und Haus zu erreichen, die Fahrt anbricht, obwohl er sich, wie er weiß, in einem Übermüdungszustand befindet, stellt sich der später durch die Nichtbeachtung des Rotsignals einer Ampelanlage bedingte Verkehrsunfall als Realisierung des in seinem Handeln von Anfang an enthaltenen Erfolgsrisikos tionsunwert und wUrde damit gegenUber der hier vertretenen Ansicht ins Leere gehen. Zur Eingrenzung strafbarer Fahrlässikeit auch Schlüchter, Grenzen strafbarer Fahrlassigkeit (1996). 160 BGHSt 11 (I ff.). 161 Hirsch, ZStW 94 (1982), S. 239 (266 ff).

8. Zielsetzung und Abweichung beim I'ahrlässigkcitsdelikt

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dar, wie für den Sprengstoffexperten, der aus Zeitmangel bewußt keine ausreichenden Sicherungsmaßnahmen trifft, die frühzeitige Detonation mitsamt ihren Folgen, auch wenn er diese selbst alsdann nicht bewußt ausgelöst hat. Das spätere Versehen beruht insofern auf einem früheren Wegschauen. Dokumentiert sich damit im Erfolg die Realisierung des bereits in der Handlung enthaltenen Risikos, so besteht, wie es jüngst Wolter in diesem Zusammenhang beschrieben hat l62 , eine rechtliche Einheit und faktische Gemeinsamkeit von Handlungsunwert und dem darauf beruhenden Erfolgsunwert. 8. Der Zusammenhang von "erwünschter Zielsetzung" und Abweichung des Geschehens beim Fahrlässigkeitsdelikt

Der Fahrlässigkeitstäter hat somit jeweils die zur Erreichung seiner positiven Zielsetzung (z.B. nach Hause zu gelangen, ohne Zwischenfalle) notwendigen Maßnahmen unterlassen, bzw., gehandelt, obwohl er dies zu unterlassen gehabt hätte 163, so daß, falls das Geschehen trotz der vorgegebenen Intention aus der Steuerung und Kontrolle ausbricht, eine andere Bahn einschlägt, um dann auf eine motivbezogen nicht vorgestellte Wirklichkeit zu treffen und nicht gesehene Wirkung zu entfalten l64 , diese Abweichung in allen Fällen auf dem finalen Verhalten, hier dem sorgfaltswidrigen So-Handeln in Kemitnis der gefahrbegründenden Umstände beruht, mit welchem die rechtsgutbedrohende Qualität, die das gesamte Geschehen begleitet, von Anfang an bereits verknüpft war. Dem Handeln sind also immer die tatsächlich zum Zeitpunkt des Verhaltensvollzuges bestehenden subjektiv durch den Täter (und sein So-Handeln) bedingten objektiven Tendenzen eigen l65 . Steht demnach die Frage, ob der Täter die zur VerWaller, Festschrift 140 Jahre Goltdammers Archiv, S. 269 (295). Zielinski, in: AK §§ 15, 16 Rdn. 88. 164 Boldl, ZStW 68 (1956), S. 335 (340). 165 Umgekehrt ist damit das Verhalten selbst von jener objektiven Vorgabe (Existenz des Substrates, aus dem geschöpft werden kann) abhängig. Damit entlarvt sich aber die Existenz eines sogenannten absolut untauglichen Versuches als ein rein positivistisch geprägtes Kunstprodukt, denn dort, wo, da der Täter ein feststehendes, nicht veränderungsfähiges Substrat anvisiert, die vorrechtliche Wirklichkeit keinen tatbestandsmäßigen Finalbezug ermöglicht, findet die diesen Finalbezug lediglich "wähnende" Vorstellung des Täters kein die notwendige Handlungsqualität aufweisendes Äquivalent. Ist das Objekt also tatsächlich in Bezug genommen worden - und um diese Konstellation geht es bei der um die Legitimation der Anerkennung eines sogenannten absolut untauglichen Versuches gefllhrte Diskussion -. so ist das Handeln auf etwas Feststehendes. an Ort und Stelle Feststellbares gerichtet (zu der insofern notwendigen Unterscheidung zwischen der Gefährlichkeit einer Handlung und dem Vorliegen einer Gefahr siehe Hirsch, Festschrift für Arthur Kautmann, S. 545 ff.), so daß insofern das Vorhandensein des vom jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsgutes eine Voraussetzung ist, die dem Handeln selbst erst seinen Sinn verleiht. Diesem Prinzip folgt z.B. auch das italienische Strafrecht (dazu Marinucci, in: Eserl Perron, Rechtfertigung 111, S. 54, 58: "In einem Strafrecht zum Schutze von Rechtsgütern ist der Tatbestand eine 162 163

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B. I. Vorsatz-Fahrlassigkeitskombinationen

systematische Kategorie, die spezifischen Formen strafrechtlich relevanter Rechtsgutsverletzungen bezeichnet. Vorstellungen und Absichten des Taters bleiben außerhalb des Begriffs des Tatbestands, weil sie nur dann Bedeutung gewinnen, wenn sie sich mindestens in einer fur das betreffende Rechtsgut abstrakt gefilhrlichen Handlung äußern." Unterteilt man den tatbestandsmäßigen Geschehensablauf nämlich in die Stadien der Gefilhrlichkeit, des Gefahrzustandes und des Verletzungserfolges, so muß dem vom Täter in Bezug genommenen Sachverhaltsausschnitt nun aber auch zumindest jener Ungewißheitsfaktor immanent sein, der dem Handeln erst das Prädikat der Gefilhrlichkeit verleiht. Schneidet ein Kraftfahrer z.B. eine unUbersichtliche Kurve, so ist dem von ihm in Bezug genommenen Sachverhaltsausschnitt das Prädikat der Gefilhrlichkeit des Handeins zu entnehmen, auch wenn sich auf der anderen Seite der Kurve tatsächlich weit und breit kein entgegenkommendes Fahrzeug befinden sollte (in diesem Fall erkennt der Täter den in Bezug genommenen Sachverhaltsausschnitt in seiner Bedeutung als gefilhrlich und ein ihn hindernder Dritter wäre gerechtfertigt). Fährt ein Kraftfahrer jedoch auf einen Toten zu, den er fiir lebend hält, so beinhaltet der von ihm in Bezug genommene Sachverhaltsausschnitt diesen Ungewißheitsfaktor aber gerade nicht (womit eine ihn hindernde dritte Person mangels Vorliegens einer Gefahr (eines Angriffs) dementsprechend nicht gerechtfertigt handeln wUrde), d.h. dieser Sachverhaltsausschnitt verleiht dem Handeln das Prädikat der Ungefilhrlichkeit (der Tater handelt in diesem Fall auch nicht mit Tatsachenwissen, sondern mit Nichtwissen, indem er irrtUmiich annimmt, daß sein Handeln gefilhrlich sei. Auf die Verwechslung von Wissen und Nichtwissen haben insoweit Ubereinstimmend schon v. Lisztl Schmidt, Lehrbuch, S. 314 Anm. 8 und Spendet, Festschrift fiir Stock, S. 89 (112 f.) aufmerksam gemacht, während Beting, Lehre vom Verbrechen, S. 329 (ebenso Rittter, Lehrbuch, Erster Bd., Allg. Teil, S.254 ff.) mit der hier vertretenen Lösung Ubereinstimmend solche Konstellationen des untauglichen Versuchs in Ermangelung der Tatbestandsmäßigkeit als ein strafrechtliches "Gar nichts" bezeichnet hat). FUr eine Auffassung, die das Wertungssubstrat des Normwidrigkeitsurteils allein als durch den Sinn, den der Tater im "Tatvorsatz" seiner Tat gibt, bestimmt ansieht (so Armin Kaufmann, Festschrift fUr Welzel, S.393 [403]), ist damit in einem die persönliche Gesinnung nicht bewertenden Rechtssystem kein Raum, zumal der Irrtum des Täters sich immer sachlogisch auf das objektive, das Substrat, Uber das sich geirrt wurde bezieht - die Akte des Wahrnehmens, Vorstellens, Denkens, Wo liens usw. richten sich auf etwas als ihren Gegenstand (Wetzet, ZStW 51 [1931], S. 703 [709]) - d.h. dieses als gegebene Größe vorausgesetzt und nicht etwa seinerseits jenes Substrat erst herzustellen vermag. So wUrden wir, und insofern folgen gute oder schlechte Taten denselben strukturellen Vorgaben, auch nicht behaupten können, der Vater, der in Richtung seiner bereits untergegangenen Kinder einen Rettungsring wirft, hätte versucht, diese zu retten, sondern wir könnten ihm nur attestieren, daß er liebend gerne versucht hätte, diese zu retten, und diese seine Gesinnung manifestiert hat. Es liegt also gar keine versuchte Rettungshandlung vor, sondern einzig und allein der Wunsch, der Wille, eine Rettungshandlung versucht zu haben, was allemal einen beachtenswerten Unterschied ausmacht. Nicht ohne Grund hat sich die subjektivistische Auffassung, die einen sogenannten absolut untauglichen Versuch bestraft, unter der Bezeichnung des "Willensstrafrechts" ab 1933 durchgesetzt (so ausdrUcklich Engisch, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Band 1, S. 401 [433 Anm. 68]; Spendet, Festschrift fiir Stock, S. 89 [89]; ders., SchwZStr 107 [1990], S. 154 [162 f.]), seit einer Zeit also, in der sich bestimmte unheilvolle Strömungen uber den vorrechtlichen Wertbezug hinwegsetzen wollten. Auch in einer demokratisch orientierten Epoche ist es jedoch risikobehaftet und damit unzulassig, diese Vorgaben unbeachtet zu lassen, indem das Strafrecht als in seinen Begriffsbildungen völlig frei deklariert wird (vgl. Z.B. Roxin, ZStW 74 [1962] 515 [523 f.];

8. Zielsetzung und Abweichung beim Fahrlassigkeitsdelikt

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meidung einer Rechtsgutverletzung notwendigen Vorkehrungen unterlassen hat, im Mittelpunkt der Betrachtungen, so wäre es jedoch verfehlt zu glauben, daß damit die Problematik des Unterlassungsdeliktes angesprochen sei. Vielmehr ist die durch das Nichttreffen von Maßnahmen oder die Durchruhrung der Handlung manifestierte Unaufinerksamkeit, Unsachgemäßheit und Unvorsichtigkeit dem aktiven "positiven" Tun (So-Handeln) bereits inkorporiert und besitzt demgegenüber keinerlei eigenständige Bedeutung. Das Unterlassungsmoment der Fahrlässigkeit enthält nicht mehr als den Hinweis, daß Fahrlässigkeit die Nichterrullung einer Sorgfaltspflicht ist, es bezeichnet also die unterlassene Sorgfalt l66 . a) Motiv, Art und Weise der Motivation - Untrennbarkeit der Gegensätze Die rur das Fahrlässigkeitsdelikt charakteristische Abweichung des Geschehens von der motivbezogen erwünschten Zielsetzung ist damit vorprogrammiert, nicht nur, indem die Handlung über die ihr zugrunde liegende Art und Weise der Motivation auf sie mitsamt den daraus resultierenden Folgen objektiv ausgerichtet ist, sondern auch subjektiv dadurch, daß der Täter jene Faktoren kennt, aus denen sich dieser sorgfaltswidrige Inhalt der Handlung ergibt, diejenigen Umstände also, die rur die Abweichung relevant sind. So, wie der Nichteintritt des Erfolges im Bereich des Versuchs kein Zufallsprodukt ist, sondern die, wie auch immer geartete Mangelhaftigkeit der Art und Weise der Motivation, die mit dem Motiv den Tatbestand zu verwirklichen einhergeht, dokumentiert, ist der Eintritt des Erfolges beim Fahrlässigkeitsdelikt kein Zufallserfolg, sondern in ihm manifestiert sich die Mangelhaftigkeit der Art und Weise der Motivation, die hier mit dem Motiv ein sozial erwünschtes oder toleriertes Ziel zu realisieren verknüpft ist.

dagegen zu Recht Welzel, Festschrift rur Niedermeyer, S. 279 [290 fI); Hirsch, Uni Köln Festschrift, S. 399[416)). Ein Kunstprodukt, wie es der absolut untaugliche Versuch darstellt, ist damit als eine aus dem Nichts geborene Fiktion nicht anzuerkennen. Gegen diese Möglichkeit fortwahrend Spendei, Festschrift fur Stock, S. 89 ff. m.w.N.; ZStW 69 (1957), S. 441 ff.; Festschrift rur Lackner, S. 167 (172); v. Liszl/Schmidl, Lehrbuch, 26. Aufl. S. 299 Anm. 4; Reinhard v. Hippe/, Festschrift fur Spende!, S.23 (23); kritisch auch Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 751 (763); Hirsch, Uni Köln Festschrift, S. 399 (422 f.); siehe aber auch ders., Festschrift rur Arthur Kaufmann, S. 545 (560 f.). 166 Siehe nur Spendei, Festschrift rur Eb. Schmidt, S. 183 (193 0; Weidemann, GA 1984,408 (415 ff.); zum Unterlassen als einer Art und Weise menschlicher Verhaltensform L. Traeger, Unterlassungsdelikte, S. 7; Spende/, Festschrift fur Troendle, S. 89 (102); Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil 9/4; Bo/dl, ZStW 68 (1956), S. 335 (348); Gössel, Wertungsprobleme, S. 112; Hellmulh Mayer, Strafrecht, Allg. Teil (Lb.) S. 112 f.

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B. I. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

b) Die fehlgehende Exklusivität der Gleichsetzung von Finalität und Vorsatz Das Verständnis des fahrlässigen Erfolgsdelikts verschließt sich demnach demjenigen Beobachter, der davon ausgeht, daß der Inhalt der Handlung ausschließlich durch die mit dem Handeln verbundenen erwünschten Zielsetzungen und dem dahinter liegenden Motiv des Täters definiert wird, obwohl bei allen "guten Vorsätzen" jedem Handeln doch objektiv die Möglichkeit anhaftet, daß sich das erhoffte Ziel nicht erreichen läßt l67 • Auf der Grundlage dieser Fehleinschätzung werden alsdann Vorsatz und Finalität miteinander gleichgesetzt und die Fahrlässigkeit dementsprechend als bloßer Verursachungsvorgang interpretiert, wobei dies dadurch begünstigt wird, daß beim als "Prototyp" der Tatbestandsverwirklichung verstandenen vollendeten Vorsatzdelikt - anders als im Bereich des Versuchs und der fahrlässigen Deliktsbegehung - Motiv sowie Art und Weise der Motivation sich entsprechen, so daß letztere nicht mehr besonders ins Auge fällt. Dort, wo das Motiv des HandeIns, die Finalität, mit der in die Tat umgesetzten Art und Weise der Motivation übereinstimmt, geht es, würde man die Handlung, um die Zusammenhänge besser erklären zu können, in das ihr zugrundeliegende Motiv einerseits und die Art und Weise der Motivation andererseits unterteilen können, tatsächlich um eine äquivalente, kongruente Detennination, d.h. der Geschehensablauf ist voll determiniert und es liegt ein vollendetes Vorsatzdelikt vor. Die in der Handlungssteuerung enthaltene Ausrichtung entspricht der motivbezogen erwünschten Finalität. Wird in diesem Zusammenhang davon gesprochen, das Delikt sei final überdetenniniert, drückt sich darin nichts anderes aus, als die Tatsache, daß der Täter "über" dem Geschehen steht, es wird also die im Rahmen reiner Kausallehren vernachlässigte Stellung des Täters verdeutlichend hervorgehoben, während die Detennination selbst aber nicht über das wirkliche Geschehen hinausgeht l6K • Von finaler "Überdetennination" ließe sich demnach allenfalls beim versuchten Delikt sprechen, da dort die in die Tat umgesetzte Art und Weise der Motivation hinter dem Motiv zurückbleibt l6Y • Die in der Handlungssteuerung enthaltene Ausrichtung entspricht dort nicht der motivbezogen erwünschten Finalität. Beim fahrlässigen Delikt tritt das Motiv hinter die in die Tat umgesetzte Art und Weise der Motivation zurück 170 • 167 Wie hier Weidemann, GA 1984,408 (419); vgl. auch Gössel, Wertungsprobleme, S. 114 in seiner berechtigten Kritik an den Thesen Maihafers (Handlungsbegrifl). 16M Ebenso schon Boldl, ZStW 68 (1956), S. 335 (340); insofern spricht Welzel, ZStW 58 (1939), S. 492 (502) vom "final vordeterminierten Geschehen". 169 Ganz in diesem Sinne Boldl, ZStW 68 (1956), S. 335 (340). 170 Boldl, ZStW 68 (1956), S. 335 (340 ff.) spricht in diesem Zusammenhang von "finaler Unterdetermination". Die insoweit gegen Boldl gerichtete Kritik bei Jakobs (Studien, S. 73 Fußn. 123) verkennt den von Boldl gewählten argumentativen Ansatz. Daß die fahrlassige Handlung, wie es Jakobs anfuhrt, ein Zuviel an Determination ist, weil der Täter sein So-Handeln hätte unterlassen müssen, sagt nun aber gar nichts darüber aus, in welchem Umfang das Geschehen final determiniert ist, wenn der Täter dennoch gehandelt hat.

9. Die Pflichtverletzung / Anknüpfungspunkt der Tatbestandsrealisation

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Die in der Handlungssteuerung enthaltene Ausrichtung entspricht damit auch hier nicht der motivbezogen erwünschten, auf ein außertatbestandliches Ziel gerichteten Finalität. Diese zur Erleichterung näheren Verständnisses aufgedeckten Zusammenhänge dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine solche Grenzlinie zwischen Motiv einerseits und Art und Weise der Motivation andererseits gerade nicht besteht, sondern beide Größen - wie dargelegt wurde l7l - in Bezug zueinander stehen und sich gegenseitig durchdringen. 9. Zwischenergebnis Die Pflichtverletzung als Anknüpfungspunkt vorsätzlicher und fahrlässiger Realisation des Tatbestandes

Als Ergebnis der vorstehenden Überlegungen bleibt festzuhalten, daß die in § 11 II StGB angeordnete Behandlung der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen als vorsätzliche Taten sich auch nicht damit begründen läßt, daß es sich beim "normalen" fahrlässigen Erfolgsdelikt um einen bloßen Verursachungsvorgang handelt. Die dieser Annahme zugrunde liegende Prämisse vermochte einer argumentativen Überprüfung nicht standzuhalten 172. Abgesehen davon, daß die bewußte Vornahme des sorgfaltspflichtverletzenden Verhaltens - wie bereits ausgefilhrt - filr sich betrachtet kein besonderes Charakteristikum der VorsatzFahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge darstellt, sondern ebenso in einem weiten Bereich des herkömmlichen fahrlässigen Erfolgsdelikts auffindbar ist, beruht die damit einhergehende Gleichsetzung von Finalität, die in der typisierten Verhaltensbeschreibung dieser Kombinationen deutlich zu Tage tritt (finaler Handlungskern) und dem Vorsatz auf einer unzutreffenden Verquickung zweier Begriffe von unterschiedlichem Bedeutungsgrad. Richtigerweise erschöpft sich die Finalität nicht im Vorsatz 173 , sondern der finale Handlungskern, auf dem alle Delikte, d.h. auch die fahrlässigen Erfolgsdelikte, basieren, steht potentiell ebenso als Ausgangspunkt für eine vorsätzliche wie filr eine fahrlässige Deliktsbegehung zur Verfügung, womit Vorsatz und Fahrlässigkeit insoweit eine weitestgehend homogene Struktur aufweisen l74 • Limitiert der Gesetzgeber aus Gründen der tatbestandlichen Bestimmtheit und Rechtssicherheit l75 den Kreis der in Frage stehenden Sorgfaltspflichtverletzungen, die zu einer Leibes- oder Lebensgeflihrdung filhren können, indem er sie im Wege der Typisierung präzisiert, so ändert sich dadurch, daß die171

S. 32 ff.

Eingehend S. 27 ff. Siehe nur Boldt, ZStW 68 (1956), S. 335 (365); Niese, Finalität, S. 53 f.; Welzel, ZStW 58 (1939), S. 491 (553 ff.); ders., JZ 1956, S. 316 f. 174 Zur Strukturgleichheit von Vorsatz und Fahrl!lSsigkeit siehe Struensee, JZ 1987, 53 (62); Zielinski, in: AK §§ 15,16 Rdn. 89; Wolter, Festschrift 140 Jahre Goltdammers Archiv, S. 269 ff.; vgl. auch Hirsch, ZStW 93 (1981), S. 831 (857 ff.). 175 Dazu, daß diese Überlegungen die Einführung eines allgemeinen Gefllhrdungstatbestandes verhindert haben, Schröder, ZStW 81 (1969), S. 7 (25 ff.). 172

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8. I. Vorsatz-FahrlässigkeitskombinaÜonen

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se Sorgfaltspflichtverletzungen in der tatbestandlichen Beschreibung Aufuahme gefunden haben, aber nichts daran, daß sich diese - unter Außerachtiassung des subjektiven Planungszusammenhanges, in dem sie stehen - auch weiterhin als objektive Sorgfaltspflichtverletzungen darstellen 176 . Die rein tatsächlich bestehende Möglichkeit variierender Formen der tatbestandlichen Ausgestaltung basiert damit auf einer bereits vorgegebenen inhaltlichen Struktur des jeweiligen Deliktes und erschafft nicht etwa umgekehrt selbständig erst diese tatbestandlichen Strukturen. Dies mag anhand eines Beispiels demonstriert werden. Schildert der Gesetzgeber in § 315c I 2. a) z.B. die Situation, daß ein Kraftfahrer im Straßenverkehr die Vorfahrt nicht beachtet, so wird die bewußte Nichtbeachtung dieser Vorfahrt nicht dadurch, daß sie im Tatbestand beschrieben ist, von einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung zu einer vorsätzlichen Handlung. Auch wenn jenes objektiv sorgfaltswidrige Verhalten, da der Täter mit diesem den weiteren Geschehensablauf aus der Hand gibt und sich damit der eigenen Kontrollfahigkeit im Hinblick auf die zu schützenden Rechtsgüter "beraubt", sowohl den Anknüpfungspunkt einer fahrlässigen als auch einer vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichung bilden kann, womit sich im übrigen die Aussage als sachlich richtig erweist, daß das vorsätzliche Delikt zur Vergangenheit potentiell ebenso extensiv-offen angelegt ist, wie das fahrlässige 177 , bedarf es, um von einer vorsätzlichen Tathandlung sprechen zu können, immer der Feststellung des dementsprechenden zukunftsorientierten, subjektiven Planungszusammenhanges. Es gibt halt, und dies gilt es sich stets zu vergegenwärtigen, keinen Vorsatz und keine Fahrlässigkeit "an sich"l7X, sondern nur eine vorsätzliche oder fahrlässige Tatbestandsverwirklichung, so daß Vorsatz und Fahrlässigkeit im Rahmen der Erfolgsdelikte immer das Vorliegen eines auf den konkreten tatbestandsmäßigen Erfolg gerichteten, zukunftsorientierten Bezuges voraussetzen 119. Ob der Täter vorsätzlich oder fahrlässig handelt, bestimmt sich demnach beim Zu den Auswirkungen der Typisierung im Rahmen der Beteiligung siehe S. 73 f. Dagegen spricht auch nicht etwa die unterschiedliche Terminologie des Tötens in § 212 StGB und des Todesverursachens in § 222 StGB. Abgesehen davon, daß es in der amtlichen Überschrift zu § 222 StGB sachentsprechend "fahrlässige Tötung" heißt und sich der Ausdruck des Verursachens als ein Relikt einer rein kausal orientierten Auffassung darstellt, wären diese Vorschriften nicht anders zu verstehen, wenn der Gesetzgeber den Tatbestand entweder durch die Formulierung "Wer vorsätzlich bzw. fahrlässig den Tod eines anderen Menschen herbeiführt" ( = verursacht) oder in Anlehnung an neuere Bestimmungen - so z.B. der §§ 324, 325 StGB - durch die in einem weiteren Absatz enthaltene Formulierung "Handelt der Täter fahrlässig, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu funf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft" umschrieben hätte. Ganz in diesem Sinne Engisch, Die Kausalität, S. 85 Fußn. 5; SpendeI, in: LK § 323a Rdn. 35; Schmidhäuser, Die acÜo libera in causa, S. 43 f.; Herzberg, Festschrift für SpendeI, S. 203 (227); OltO, Festschrift fur Spende\, S. 271 (275); aus der Sicht der "finalen Handlungslehre" vgl. Boldl, ZStW 68 (\956), S. 335 (345). 17M SO wie es auch keine Finalität "an sich", sondern nur in bezug auf die Herbeiführung oder Vermeidung bestimmter Folgen gibt. WetzeI, JZ 1956, 316 (316); ders., Das Deutsche Strafrecht, S. 36; ders., ZStW 58 (\939) S. 491 (557). 179 Siehe nur Boldl, ZStW 68 (1956), S. 335 (356). 176 177

9. Die Pflichtverletzung / Anknüpfungspunkt der Tatbestandsrealisation

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Erfolgsdelikt ausschließlich danach, welche subjektive Beziehung ihn mit dem jeweiligen tatbestandlichen Erfolg verbindet, während dem Umstand, ob die zugrundeliegende sorgfaltswidrige Aktion selbst bewußt oder unbewußt vorgenommen wurde, insoweit ebenso keine präjudizierende Bedeutung zugesprochen werden kann, wie der Tatsache, daß in gewissen Tatbeständen die sorgfaltspflichtverletzenden Verhaltensweisen typisiert wurden, während andere eine scheinbar "offene" Struktur aufweisen l80 • a) Die Pflichtverletzung als Ausgangspunkt der Tatbestandsverwirklichung Es ist die Pflichtverletzung, der sich darin widerspiegelnde Verstoß gegen den Normbefehp81, die im Rahmen der Erfolgsdelikte den zurechnungsrelevanten Anknüpfungspunkt sowohl rur die fahrlässige als auch die vorsätzliche Tatbestandsrealisation bildet. Diese Behauptung mag zunächst überraschend erscheinen, zumal es zugegebenermaßen recht absurd klingt, im Hinblick auf die vorsätzliche Tatbestandsverwirklichung von einem sorgfaltspflichtverletzenden Verhalten zu sprechen. Jedoch ist diese Formulierung - und dies gilt es zu betonen - ausschließlich semantisch bedingt und stellt damit den inhaltlichen Kern der Aussage selbst nicht in Frage. Vielmehr ist es doch so, daß auch der Vorsatztäter ohne Sorge rur das betreffende Rechtsgut handelt und keine Vorkehrungen darur trifft, daß die Rechtsgutsverletzung nicht eintritt. Auch wenn er weitergehend Vorkehrungen trifft, damit die Rechtsgutsverletzung sich aktualisiert und Sorge darur trägt, daß der angestrebte Erfolg sich einstellt, so steht doch außer Zweifel, daß er insoweit per se in bezug auf das geschützte Rechtsgut ohne die entsprechende Sorgfalt handelt, d.h. sich sorgfaltswidrig verhalten hat, so, wie der Fahrlässigkeitstäter, dem auch vorgeschrieben wird, sorgfaltswidriges Handeln zu unterlassen. Der Vorsatztäter verletzt also ebenfalls die ihm obliegende Pflicht, die darin besteht, alles zu vermeiden, um nicht mit negativer Wirkung in den strafrechtlich geschützten Rechtsgüterkreis einzugreifen 182 • Geht, um dies zu verdeutlichen, die Hausfrau H hin und läßt die Wasserflasche, in die sie gerade ein hochgiftiges Mittel eingerullt hat, ohne entsprechende Vorkehrungen zu treffen, auf dem Küchentisch stehen, so hat sie damit IRO Richtigerweise ist der Begriff der "offenen" Tatbestande klarstellend durch den des "ergänzungsbedürftigen" Tatbestandes zu ersetzen (s. Welzel, Verkehrsdelikte, S. 15), wobei allerdings nicht der Tatbestand als solcher ergänzungsbedürftig ist, sondern sich - im Hinblick auf eine größere Präzisierung - die von ihm umfaßten Verhaltensweisen erganzend beschreiben lassen. 181 Toepel, Kausalität und Pflichtwidrigkeitszusammenhang, S. 42 Fußn. 18. 182 In diesem Sinne ebenfalls Bloy, Beteiligungsform, S. 257 f. Sowohl die vorsätzliche als auch die fahrlässige Handlung ist insofern, wie es bereits Engisch, Festschrift für Kohlrausch, S. 141 (171) ausgedrückt hat, fehlerhaft motiviert. Siehe auch Welzel, Festschrift für Maurach, S. 3 (8); Slruensee, JZ 1987, 53 (62); Zielinski, in: Al( §§ 15, 16 Rdn. 89; Waller, Festschrift 140 Jahre Goltdammers Archiv, S. 269 ff.

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B. I. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinallonen

ihre diesbezügliche Pflicht verletzt, ohne daß dieser Feststellung irgendeine präjudizielle Bedeutung im Hinblick auf die Frage, ob sie Vorsatz- oder Fahrlässigkeitstäter ist, attestiert werden könnte. Trinkt ihr Kind K, aus der Schule kommend, aus dieser Flasche, und stirbt es an den Folgen der dadurch erlittenen Vergiftung, so ist die H - den Eintritt des Erfolges als voraussehbar unterstellt gemäß § 222 StGB strafbar. In dem Fall, daß die H allerdings die Flasche auf dem Tisch stehenläßt, um den Tod des ungeliebten Kindes bewußt und gewollt herbeizuführen, ist sie gleichermaßen auf der Grundlage der vorausgegangenen Pflichtverletzung - gemäß § 212 (211) StGB als Vorsatztäter zur Verantwortung zu ziehen liJ • Auch wenn in einigen Fallvarianten, wie hier, aufgrund eines temporalen Aspektes das "aus den Händen-Geben" des Geschehensablaufes im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen mag, ändert sich dadurch nichts daran, daß auch in diesen Fällen die vorhergehende, nicht wieder rückgängig gemachte und damit sich als aktuell darstellende Pflichtverletzung den für die Zurechnung relevanten Ausgangspunkt bildet. Nicht anders verhält es sich in dem Fall, daß der schußwaffenbegeisterte Sprengstoffexperte S auf eine Tonne schießt, in der sich ein Kind aufhält oder eine Explosion herbeiführt, während sich in unmittelbarer Nähe des Detonationsortes Menschen aufhalten, da - unabhängig davon, ob nun der tatsächlich eingetretene Erfolg (der Tod eines Menschen) lediglich voraussehbar gewesen ist oder sogar vorsätzlich bedingt war - der S jedenfalls in beiden Konstellationen, indem er ohne die notwendigen Vorkehrungen gegen solche Auswirkungen getroffen zu haben, handelt, seine diesbezüglichen Pflichten verletzt hat l84 . Die Richtigkeit der Tatsache, daß auch das vorsätzliche Erfolgsdelikt insofern potentiell zur Vergangenheit ebenso wie das fahrlässige extensiv-offen angelegt ist, da es mit dem fahrlässigen Erfolgsdelikt einen gemeinsamen Ursprung, die finale Pflichtverletzung, teilt, und erfolgsbezogen voraussehbare Geschehensabläufe in dem Fall, daß der Täter sie tatsächlich voraussieht, selbstverständlich auch bewußt und gewollt herbeigeführt werden können, woftlr im übrigen auch die Existenz und inhaltliche Reichweite der Beteiligungsformen von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung sprechen l85 , kann auch nicht dadurch in Frage gestellt werden, daß z.B. in § 222 StGB die Formulierung, daß der Täter durch Fahrlässigkeit den Tod verursacht, benützt wird, während in § 212 StGB vom Töten die Rede istlsÖ, denn es ist in beiden

183 Ganz in diesem Sinne bereits Eng;sch, Festschrift rur Eb. Schmidt, S. 90 (102), der die Rechtsnorm des § 212 StGB expressis verbis wie folgt deutet: "Wende die nach den konkreten Umständen objektiv erforderliche Sorgfalt zur Vermeidung von Tötungen an!" Näher hierzu S. 44 Fußn. 177. IS4 Diese Überlegungen gelten auch für die Konstellationen, in denen das sorgfaltswidrige Verhalten vorgelagert erscheint (Beispiel: Ein Schuß löst sich voraussehbar beim Herumhantieren mit der Pistole). Auch hier ist an dem Grundsatz festzuhalten, daß voraussehbare Geschehensabläufe ebenso vorsätzlich determiniert werden können. IS5 Näher S. 127 ff. 186 So kann, sprachtechnisch betrachtet, auch das Handeln des mittelbaren Täters oder des Anstifters, die einem unmittelbaren Täter gleich zu bestrafen sind, nicht als töten, sondern nur als den

9. Die Pflichtverletzung / Anknüpfungspunkt der Tatbestandsrealisatioll

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Fällen das pflichtverletzende Verhalten des Täters, durch das der Tod eines anderen Menschen vorsätzlich bzw. fahrlässig herbeigeführt wird. Diese begriffliche Unterscheidung ist also ausschließlich semantischer Natur lX7 und beruht zudem noch auf der überholten, unzutreffenden Auffassung der fahrlässigen Erfolgsdelikte als bloßer Verursachungsvorgänge und dem dadurch bedingten Mißverständnis, daß Finalität und Vorsatz gleichbedeutend seien lXX. Wie aufgezeigt wurde, basiert aber sowohl die vorsätzliche als auch die fahrlässige DeIiktsbegehung gleichermaßen auf einer finalen Pflichtverletzung, so daß die mit der Auffassung der fahrlässigen Erfolgsdelikte als bloßer Verursachungsvorgänge einhergehende Gleichsetzung von Finalität und Vorsatz, welche die fehlgehende Bewertung der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen als Vorsatztaten begünstigt hat, sich in ihrer Exklusivität nicht aufrechterhalten läßt. b) Verschiedene Grade der FahrlässigkeitStrafzumessungsrelevante Gesichtspunkte Demzufolge sind in § 315c III Nr. 1 und Nr. 2 StGB wie bei allen Tatbeständen, die eine sogenannte Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination und damit korrespondierende "Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeitskombination" besitzen, insofern lediglich zwei unterschiedliche Fahrlässigkeitsgestaltungen beschrieben, wobei die Richtigkeit dieses Befundes anders als in den sonstigen VorsatzFahrlässigkeitskombinationen im Rahmen des § 315c StGB noch dadurch deutlicher zum Ausdruck kommt, daß beide Konstellationen einen identischen Strafrahmen aufweisen. Allerdings ist auch hier, wie im Rahmen aller Fahrlässigkeitsdelikte, der strafzumessungsrelevante 'H9 Gesichtspunkt von Bedeutung, daß es einen wertungsgemäß zu beachtenden Unterschied macht, ob der Täter die Sorgfaltspflichtverletzung bewußt vornimmt oder im Zeitpunkt der Vornahme unbewußt handelt, während die Entscheidung darüber, ob diese innere Einstellung des Täters bereits im Strafrahmen Berücksichtigung findet oder sich erst auf der Ebene der Strafzumessung auswirkt, irrelevant ist. Diese unterschiedliche Behandlung verschiedener Grade der Fahrlässigkeit ist, und dessen sollte man sich bewußt sein, einerseits nur rechtfertigen, da hier ausschließlich die Gesinnung des Täters im Mittelpunkt der Betrachtung steht, zumal das Verhalten des unTod vorsätzlich herbeifiIhren (= verursachen) beschrieben werden, ohne daß damit inhaltlich irgend etwas anderes ausgesagt wOrde. IX7 Im Ergebnis auch Spendei, in: LK § 323a, Rdn. 35; Engisch, Die Kausalität, S. 85 Fußn. 5; Dito, Festschrift filr Spendei, S. 271 (275); Herzberg, Festschrift filr Spendei, S. 203 (227); Schmidhäuser, Die actio libera in causa, S. 43 f.; frOher bereits in aller Deutlichkeit Eb. Schmidt, Festgabe filr Frank 11, S. 106 (111 Fußn. 1). I XK AusfiIhrIich S. 27 ff. IX9 In diesem Sinne Arzt/Weber, Strafrecht, Bes. Teil, LH 2 Rdn. 101; Lorenzen, Rechtsnatur, S. 65 tT.; Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 135.

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B. I. Yorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen

bewußt Agierenden regelmäßig eine gefahrträchtigere Qualität aufweisen wird, andererseits insoweit nicht quasi vorgegebener Natur, als daß das unbewußte Handeln - worauf bereits Welzel hingewiesen hatte l90 - auf einer insgesamt mangelhaften GrundeinsteIlung zur Rechtsordnung basieren kann. In Außerachtlassung einer solchen auch nur schwer nachweisbaren "Lebensführungsschuld" ist aber jedenfalls die Gesinnung desjenigen Täters, der sich der Sorgfaltspflichtverletzung bewußt ist, von normabweichendem Charakter, während das Versehen, Übersehen oder Vergessen l91 des unbewußt Handelnden mehr als Resultat menschlicher Beschränktheit aufzufassen ist. Es ist deshalb im Ergebnis richtig, z.B. denjenigen, der bewußt, um seine fahrerischen Qualitäten unter Beweis zu stellen, als sogenannter "Geisterfahrer" in Erscheinung tritt, strenger zu bestrafen, als den Fahrer, der unverhofft aufgrund einer Unaufinerksamkeit in diese "gespenstische" Lage gerät. In bezug auf die Bestimmung des § 315c III StGB sind diese in Nr. I und Nr. 2 geregelten unterschiedlichen Grade der Fahrlässigkeit trotz gleicher Strafandrohung im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen, während hinsichtlich der anderen sogenannten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen derselbe Gedanke ohne eine inhaltlich-materielle Differenz aufzuweisen bereits seinen Niederschlag in der Bemessung des Strafrahmens gefunden hat l92 • 10. Ergebnis und Zusammenfassung

Die Erörterung der Frage, ob die mit der in § 11 II StGB getroffenen Regelung einhergehende Gleichsetzung der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit stratbegründender besonderer Folge mit den Vorsatztaten unter dogmatischen Gesichtspunkten gerechtfertigt ist, hat zu dem Ergebnis geführt, daß es sich bei den entsprechenden Tatbeständen richtigerweise nicht um Vorsatztaten, sondern um qualifizierte Fahrlässigkeitstatbestände handelt. Einerseits blieb festzustellen, daß die bewußte Vornahme des sorgfaltspflichtverletzenden Verhaltens kein differenzierungsberechtigendes Charakteristikum der V orsatzFahrlässigkeitskombinationen mit stratbegründender besonderer Folge bildet, sondern ebenso möglicher Bestandteil der Realisation des "normalen" fahrlässigen Erfolgsdeliktes ist, und damit auch der dieser Delikte dem Begriff der Fahrlässigkeit zugeordnet werden kann l9 3, andererseits ließ sich auch das Postulat einer Präponderanz des Vorsatzteiles und die daraus resultierende Mög-

190

Wetzet, Das Deutsche Strafrecht, S. 176; Exner, Wesen der Fahrlässigkeit, S. 216; Hirsch,

GA 1972, 65 (73).

191 Das Phänomen des Vergessens wird ausfllhrlich beschrieben von S. Fischer, Strafrechtliche Abhandlungen, Heft 346 (1934). 192 Siehe bereits S. 4. 193 Siehe S. 11.

I. Die fehlende Anordnung der Versuchsstrafbarkeit

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lichkeit der Prägung des gesamtdeliktischen Charakters unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten begründen l94 • Fraglich bleibt jedoch die Bedeutung dieses Resultates fiir die Bereiche der versuchten Tat und der Teilnahme. Den der Vorschrift des § 11 II StGB zugrundeliegenden Motiven ist zu entnehmen, daß mit der Einfiihrung dieser Bestimmung sowohl die Möglichkeit stratbarer Teilnahme als auch die Stratbarkeit des Versuches gewährleistet werden sollte l95 • Widerspricht nun aber der hier festgestellte Befund dieser gesetzgeberischen Intention oder kann es, wie es Tröndle l96 im Leipziger Kommentar anfiigt, dem Gesetzgeber, selbst bei Anerkennung des qualifizierten Fahrlässigkeitscharakters dieser Tatbestände, nicht verwehrt sein, sie im Hinblick auf den Versuch und die Teilnahme wie Vorsatztaten zu behandeln? Gehen andererseits mit der hier präferierten Zuordnung dieser Delikte zu den fahrlässigen Taten, wie es Jakobs anmerkt 191, Einsichten einher, die ihrerseits im Rahmen der Problematik der versuchten Tat und des Teilnahmebereiches weitergehende Einsichten vermitteln? Es sind genau diese Fragen, die alsdann im Mittelpunkt der weiteren Untersuchung zu stehen haben.

11. Zur Problematik der Strafbarkeit des Versuches im Bereich der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge 1. Die fehlende Anordnung der Versuchsstratbarkeit und die Ausnahmen der §§ 310 b, 311, 353 b StGB - Auslegung und inhaltliche Tragweite der Bestimmung des § 11 11 StGB

Die den Gesetzesmaterialien l98 zu entnehmende Absicht hat jedoch im Hinblick auf die Versuchsstratbarkeit in dem überwiegenden Teil der einschlägigen Bestimmungen, wie allgemein anerkannt wird, keinen entsprechenden Niederschlag gefunden. So scheitert die Annahme der Strafbarkeit der versuchten Tat die Vorschriften der §§ 310b, 311 und 353b StGB ausgenommen - bereits daran, daß die insoweit notwendige Anordmmg sich jeweils in einem formell gesonderten Absatz vor der sogenannten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination befindet, mit der Folge, daß sich die Bestimmung der Versuchsstratbarkeit erst gar nicht auf diese beziehen kann 199 •

Dazu S. 16 ff. Näher bereits S. 6 ff. 196 Tröndle, in: LK § 11 Rdn. 97. 197 Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil, 9/28 f 198 Näher dazu S. 7 f 194

195

199 Ganz herrschende Meinung. Siehe nur Tröndle, in: LK § 11 Rdn. 99; Schönke/Schröder/ Eser, § 11 Rdn. 76 m.w.N.

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B. 11. Zum Versuch der Vorsatz- Fahrlässigkeitskombinationen

a) Der Versuch und die Vorschriften im Einzelnen In bezug auf die §§ 311, 353b und 310b StOB, die auf einem unterschiedlichen formellen Aufbau basieren, wird die Strafbarkeit des Versuchs dann auch kontrovers diskutiert. Es besteht dabei keine konsensfahige Klarheit darüber, wie die Regelung des § 11 II StOB auszulegen ist und in welchem Ausmaß durch sie eine Bestrafung des Versuches gewährleistet werden soll20o. Mag man sich im Hinblick auf die Bestimmung des § 311 StGB der Beantwortung dieser grundsätzlichen Frage noch mit dem Hinweis entziehen können, daß die Pönalisierung der versuchten Tat mangels ausdrücklicher Anordnung ausscheidet, da die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination des § 311 IV StGB in ihrer Eigenständigkeit als Vergehen und nicht etwa als ein minder schwerer Fall des § 311 I StOB, bei dem es sich um ein Verbrechen handelt, zu bewerten ist20I , so wird die Frage spätestens jedoch im Rahmen des § 353 StGB, bei dem sich die Festlegung der Versuchsstrafbarkeit in § 353b III StGB zweifellos auch auf die sogenannte Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination des § 353b I S.2 StGB bezieht, aktuell und damit entscheidungserheblich. b) Zur Bestimmung des § 11 II StOB - die Einzelnen Positionen In Anlehnung an den Wortlaut des § I I II StOB wird insofern die Ansicht vertreten, daß die Bewertung der sogenannten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen als Vorsatzdelikte durch diese Vorschrift zur Möglichkeit eines Versuchs dergestalt fuhre, daß "vorsätzlich" zu einer Tathandlung angesetzt werde, die im Falle ihrer Ausfiihrung eine fahrlässige Gefahrdung heraufbeschwören würde 202 . Die Anordnung der Versuchsstrafbarkeit vorausgesetzt, müßte nach Weber z.B. ein alkoholbedingt fahruntüchtiger Kraftfahrer, der in diesem Zustand versucht, sein Fahrzeug in Gang zu setzen, was ihm aber nicht gelingt, dann gemäß § 315c 1 Nr.la, 11, III Nr.l,22 StOB bestraft werden, wenn er - das Oelingen seiner Aktion vorausgesetzt - damit "zwangsläufig"203 eine in der Nähe stehende Menschengruppe getahrden würde, was er zwar nicht weiß, aber hätte voraussehen können. Auf der Basis einer anderen als der hier angenommenen Bewertung der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination des § 311 IV StGB204 nimmt derselbe Autor an, daß der zur Auslösung einer Explosion Ansetzende gemäß § 311 I, IV, 22 StGB zur Verantwortung gezogen werden kann, falls 200 Siehe einerseits Schönke/Schröder/Eser. § 11 Rdn. 76; Schönke/SchröderiLenckner, § 353b Rdn. 22; Maiwald, JuS 1977,353 tT.; Arzt/Weber, Strafrecht, Bes. Teil, LH 2 Rdn. 116, andererseits Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil, 25/27 m. Fußn. 43; Stratenwerth, Strafrecht, Allg. Teil, Rdn. 1142; Rudolphi, in: SK § 11 Rdn. 36; Samson, in: SK § 353b Rdn. 20. 201 Dreher/Tröndle, § 311 Rdn. 2; WoljJ. in: LK § 311 Rdn. 7. 202 Siehe auch hierzu S. 53 Fußn. 220 und S. 61 Fußn. 264. 203 Zur Kritik an der Aufstellung dieses "Merkmales" S.52 tT. 204 Dazu oben Fußn. 201.

I. Die fehlende Anordnung der Versuchsstratbarkeit

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wiederum den Erfolg seines HandeIns vorausgesetzt - durch diese Explosion fahrlässig andere in Gefahr gebracht worden wären 205 • Ganz im selben Sinne liegt es für Maiwald 206 nahe, anzunehmen, " ... daß der Versuch der Offenbarung eines Dienstgeheimnisses (§ 353b StGB) auch dann strafbar ist, wenn für den Fall der Vollendung des Deliktes eine konkrete Gefährdung öffentlicher Interessen anzunehmen wäre und gegen den Täter insofern der Vorwurf der Fahrlässigkeit zu erheben wäre 207 ". Dieser Auffassung wird nun von Rudolphi und Samson20K der Wortlaut der Vorschrift des § 22 StGB entgegengehalten, der bekanntlich voraussetzt, daß der Täter hinsichtlich aller strafbegründenden Tatbestandsmerkmale vorsätzlich handelt. Auch wenn dieser Einschätzung grundsätzlich im Ergebnis vollste Zustimmung gebührt, so bleibt jedoch darauf hinzuweisen, daß sich im Hinblick auf das vollendete oder versuchte Delikt die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand in nichts unterscheiden 209 , diese Autoren also konsequenterweise auch bei der sich vollendenden Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination mit derselben Argumentation nicht von einer vorsätzlichen Realisation des Tatbestandes sprechen dürften 2lo • Nicht nur die versuchte, sondern auch die vollendete Tatbestandsverwirklichung zeichnet sich dadurch aus, daß der Täter über alle Tatbestandsmerkmale "im Bilde" ist (vgl. § 16 StGB). Nimmt man die "Fiktion" des § 11 11 StGB 211 jedoch ernst, so scheidet die Anerkennung der Versuchsstrafbarkeit im Hinblick auf die sogenannten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen entgegen Rudolphi nicht an jenen generellen nur am Wortlaut des § 22 StGB orientierten Erwägungen. c) Kritik und eigene Stellungnahme Gegen die Einführung einer so gearteten Versuchsstrafbarkeit sprechen jedoch mehrere Gründe. Zunächst wird durch den Wortlaut des § 11 11 StGB selbst lediglich angeordnet, daß die sogenannte Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination wertungs gemäß nur dann einer Vorsatztat entsprechend zu behandeln ist, falls der gesetzliche Tatbestand verwirklicht wird, indem sich die Folge einstellt2l2 . Demzufolge rechtfertigt sich die Annahme eines Versuches derart, daß zu einer Tathandlung "vorsätzlich" angesetzt wird, die im Falle ihrer Ausführung zu einer fahrlässigen Gefährdung führen würde nicht, auch nicht aus der Vorschrift

Arzt/Weber. Strafrecht, Bes. Teil, LH 2 Rdn. 116. Maiwald, JuS 1977,353 (360); ebenso Schänke/ Schräder/Lenckner, § 353b Rdn. 22. 207 Maiwald, JuS 1977,353 (360). 20K Rudolphi, in: SK § 11 Rdn. 36; Samson, in: SK § 353b Rdn. 20. 209 Siehe nur Stratenwerth, Strafrecht, Allg. Teil, Rdn. 660. 210 Insoweit aber tatsächlich inkonsequent Rudolphi, in: SK § 11 Rdn. 35 f. 211 Vgl. Hirsch, GA 1972,65 (76 m. Fußn. 57). 212 Ebenso Stratenwerth, Strafrecht, Allg. Teil, Rdn. 1142. 205

206

B. II. Zum Versuch der Vorsatz- Fahrlässigkeitskombinationen

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des § 11 II StGB 213 • Die Fälle, bei denen der Eintritt der Folge sich zwar nicht im Vorsatz des Täters widerspiegelt, dieser jene Folge aber voraussehen konnte, würden dieser Prämisse zufolge vielmehr auch unter Anerkennung der in § 11 11 StGB getroffenen - hier abgelehnten - Entscheidung nur dann als Anknüpfungspunkt fi.ir eine Versuchsstrafbarkeit2 14 ausreichen, sollte sich die konkrete Gefährdung bereits beim Versuch des Vorsatzteiles tatsächlich realisiert haben215 • Der Eintritt der konkreten Gefährdung kann jedoch im Rahmen der VorsatzFahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer "Folge" nur auf einem bereits vollständig vollzogenem Handeln beruhen; ist nämlich - z.B. die Tathandlung des § 353b StGB betreffend - das Offenbaren eines Geheimnisses bereits im Versuchsstadium steckengeblieben, so ist nichts offenbar geworden, d.h. der Fahrlässigkeitsteil ist in Ermangelung eines Substrates, aus dem sich unmittelbar eine konkrete Gefahrdung ergeben konnte, nicht vollendet2 16 • 2. Zum Kriterium der "Zwangsläufigkeit" des Erfolgseintritts Über die Möglichkeit des fahrlässigen Versuches

Weiterhin haben wir uns zu vergegenwärtigen, daß die im Bereich dieser Delikte 217 mit strafbegründender besonderer "Folge" aufgestellten Grundsätze, wie bereits dargestellt wurde, gleichermaßen im Rahmen der erfolgsqualifizierten Tatbestände Geltung beanspruchen, ein Ergebnis, das dadurch bestätigt wird, daß die Regelung des § 11 11 StGB beide Deliktsgruppen erfaßt 218 • a) Zur Zwangsläufigkeit des Erfolgseintritts Die Annahme der Möglichkeit eines solchermaßen "fahrlässigen Versuchs" würde demnach gerade auch im Bereich der erfolgsqualifizierten Delikte zu einer immensen Ausdehnung der Strafbarkeit fiihren219 und damit zugleich zur Auflösung tatbestandlicher Konturen beitragen. Außerdem bleibt darauf hinzuweisen, daß die Annahme eines quasi zwangsläufigen Erfolgseintrittes, die durchaus auch im Rahmen erfolgsqualifizierter Delikte vorfindbare Fall-

Ebenso Jakobs, Strafrecht, A1lg. Teil, 25/27 m. Fußn. 43. Nach der hier vertretenen Auffassung führt ein solcher Fall, bei dem die Folge eintritt, zu einer Bestrafung wegen Vollendung. Eingehend S. 55 ff. 215 Jakobs, Strafrecht, A1lg. Teil 25/27; Stratenwerth, Strafrecht, A1lg. Teil, Rdn. 1142; Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 278 f. 216 Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 278 f. 217 Zu der anderen Gruppe der Delikte mit "strafbegrundender besonderer Folge" siehe S. 121 f. 218 Jakobs, Strafrecht, A1lg. Teil, 9/28; Lackner, StGB § 11 Rdn. 23. 219 Siehe Jakobs, Strafrecht, A1lg. Teil, 25/27 m. Fußn. 43. 213

214

2. ,.Zwangsläufigkeit" des Erfolges I Der fahrlässige Versuch

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konstellation betrifft220 , immer mit einer Hypothese belastet ise 21 • Es würde sich nicht nur konkret in jedem Falle die Aufgabe stellen, den "Beweis" rur diese hypothetische Annahme anzutreten, sondern in Ennangelung einer objektiven Evidenz bedürfte es subjektiver Kriterien in Gestalt gutachterlieher Stellungnahmen, womit dann die behauptete "Zwangsläufigkeit" kurzerhand durch eine mit Wahrscheinlichkeitskriterien angereicherte Prognose ersetzt würde. Abgesehen davon, daß die Grenzen eines solchen Verfahrens bisher nirgends deutlich dargestellt wurden, womit der allgemein im Strafrecht geltende Bestimmtheitsgrundsatz nur ungenügend beachtet wäre, müßte der in § 11 II StGB angeordnete Vorsatzcharakter dann im Ergebnis auch zu einer Versuchsstrafbarkeit ruhren, wenn lediglich die objektive Möglichkeit des Erfolgseintritts bestanden hat und der Täter diesen hätte voraussehen können, da die herrschende Meinung einerseits sogar darüber hinausgehend - wenn auch wohl falschlicherweise 222 mit der Bestrafung eines sogenannten "absolut untauglichen Versuchs" auf das Kriterium einer objektiven Verwirklichungsnähe gänzlich verzichtet, andererseits diese objektive Erfolgstendenz nirgends mit der Vorgabe der Zwangsläufigkeit des Erfolgseintritts im Falle des Verhaltensvollzuges belastet223 • So wird dann auch in einem Beschluß des OLG Oldenburg224 festgestellt, daß derjenige, der dem in § 353b I StGB benannten Personenkreis angehört, selbst dann wegen einer versuchten Tat gemäß §§ 353b I Satz 2, 22 (11 II) StGB zu verurteilen sei, "wenn er unbefugt ein Geheimnis offenbart und dabei zwar keine wichtigen öffentlichen Interessen gefahrdet, wenn aber bei einem Sachverhalt (bestehende Sachlage und anschließender Geschehensablauf) ... mit dessen Eintreten er bei seiner Kenntnis der Zusammenhänge und seiner persönlichen Erkenntnisfahigkeit rechnen konnte (Fahrlässigkeit), eine solche Gefiihrdung zu erwarten war". Dieser Fall sei, so wird ausgeruhrt, nur scheinbar eine Ausnahme davon, daß eine Versuchsstrafbarkeit grundsätzlich nur bei Vorsatztaten denkbar ist, nicht aber bei Fahrlässigkeitsdelikten. Aufgrund der Vorschrift des § 11 II StGB komme dem Umstand, daß der Erfolg nur von Fahrlässigkeit und nicht vom Vorsatz umfaßt wird, keine Bedeutung zu und nehme somit der Tat nicht den Charakter des Vorsatzdeliktes. Dies habe sich auch auf das Merkmal "Vorstellung von der Tat" in § 22 StGB auszuwirken, und zwar im Bereich aller 220 Versucht der A z.B., den B mit einer ätzenden, äußerst gefahrlichen Flüssigkeit im Gesicht in Augenhöhe zu verletzen. ohne die Möglichkeit des Eintritts einer schweren Folge im Sinne des § 224 StGB zu bedenken, so mUßte er - dieser Auffassung entsprechend - gemäß §§ 224, 22 bzw. §§ 229, 22 StGB bestraft werden (zum diesbezüglichen Meinungsstand über die Heranziehung des § 229 StGB bei äußerlichen Anwendungen des gefahrlichen Stoffes siehe Hirsch, in: LK § 229, Rdn. 13), da für den Fall des Gelingens seiner Aktion quasi "zwangsläufig" der B das Augenlicht verloren hätte oder zumindest dauernd entstellt worden ware und gegen den A insoweit der Vorwurf der Fahrlassigkeit erhoben hätte werden können. 221 Vgl. insofern Hirsch, Festschrift für Oeh1er, S. 111 (123 f.). 222 Näher hierzu bereits S. 39 Fußn. 165. 213 Vgl. auch Hirsch, Festschrift für Oehler, S. 111 (124). 224 NdS. Rpfl, 1980, 226 (227).

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Miser~

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B. 11. Zum Versuch der Vorsatz- Fahrlässigkeitskombinationen

Mischtatbestände mit vorsätzlicher Tatbegehung und fahrlässiger Erfolgsherbeifuhrung, wie bereits § 18 StGB erkennen lassem. Mehr als jene, auf der Grundlage der hier kritisierten Ansicht beruhende Folgerichtigkeit, ist den Ausfiihrungen des OLG allerdings nicht zuzusprechen, fuhren diese Überlegungen doch zu einer vollkommenen226 Auflösung tatbestandlicher Konturen und nicht akzeptablen, die konkrete Strafbarkeit ausdehnenden Resultaten. So wäre in Anwendung dieser Auffassung Z.B. auch derjenige gemäß § 251, 22 StGB zu bestrafen, der einen Raub begeht und während des Gewalteinsatzes den allerdings tatsächlich nicht eingetretenen Tod des Opfers hätte voraussehen können, denn auf der Basis der Bestimmung des § 11 II StGB habe er sich damit - den Ausfuhrungen des OLG folgenden Eintritt der Todesfolge im Sinne des § 22 StGB vorgestellt. Daß dies nicht richtig sein kann, bedarf wohl keiner näheren Vertiefung. Bleibt demnach sowohl die dogmatische Herkunft des Kriteriums der Zwangsläufigkeit227 als auch eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Feststellung der Grenzen dieser auszulegenden Begrifflichkeit erklärungsbedürftig, so fuhrt eine konsequente Anwendung der vorbenannten Prämisse unter Außerachtlassung tatbestandlicher Strukturen ebenfalls aber noch in größerem Umfang zu inakzeptablen Ergebnissen. b) Zum fahrlässigen Versuch Das Resultat dieser argumentativen Erwägungen ist aber auch quasi vorgegebener Natur, denn das Gebilde eines "fahrlässigen Versuchs" ist dem Strafrecht, abgesehen davon, daß eine solche Konstellation nirgends pönalisiert ist228 , fremd, da Fahrlässigkeit und der durch den Vorsatz bestimmte Begriff des Versuches einander jedenfalls unbedingt ausschließen 229 • Auch der Versuch existiert halt nicht "an und fur sich" als neutrale Größe 2lO , sondern nur im Zusammenhang mit einem ganz bestimmten Tatbestand, den er von der subjektiven Seite her betrachtet in vollem Umfang, d.h. in seiner ganzen Sinneinheit umfassen 225 Die Berufung auf die Bestimmung des § 18 StGB bleibt erklarungsbedOrftig, zeigt aber, daß das OLG konsequenterweise auch die erfolgsqualifizierten Delikte als von den angestellten Überlegungen erfaßt ansieht. 226 Das Resultat der "Zwangsläufigkeit" hemmt zwar in gewissem Maße eine solche Ausuferung, läßt sich aber dogmatisch nicht hinreichend begründen. Naher dazu S. 52 f 227 Vgl. dazu auch Hirsch, Festschrift für Oehler, S. III (\24). 228 Auch das von jakobs ( Strafrecht, Allg. Teil, 9/27 ) benannte Beispiel ist nicht einschlägig. Der Kraftfahrer versucht in dem Fallbeispiel (§ 315c 111 Nr. 2 i.V.m. I NT. 2 f) nach seiner Vorstellung eben nicht auf einer Kraftstraße zu wenden. Auch der Versuch ist nämlich ausschließlich sinneinheitlich zu betrachten. 229 In diesem Sinne auch jescheck, Strafrecht, Allg. Teil, S. 464; Stratenwerth, Strafrecht, Allg. Teil, Rdn. 660 f; MaurachlGössellZipf, Strafrecht, Allg. Teil 2, S. 25. 230 Ebenso jescheck, Strafrecht, Allg. Teil, S. 464.

3. Versuch der Vorsatz- Fahrlässigkeitskombination

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muß. Wie Stratenwerth zu Recht klarstellend bemerkt, ist ein fahrlässiger Versuch gar nicht denkbar, denn allein der über das objektive Geschehen hinausgehende Wille kennzeichnet die Tat als Versuch, indem er die Verbindung zu einem gerade nicht eingetretenen deliktischen Erfolg herstellt231 • 3. Zur Möglichkeit des Versuchs im Rahmen der erfolgsqualifIZierten Vorsatz- Fahrlässigkeitskombinationen

Nun ermöglicht also die Vorschrift des § 11 11 StGB zwar keinen Versuch dergestalt, daß zu einem "vorsätzlichen Handeln" angesetzt wird, welches im Falle seines Gelingens zu einer fahrlässigen Gefährdung fUhren würde, jedoch soll - auch wenn dies im Rahmen der Delikte mit strafbegründender besonderer "Folge" keine praktische Auswirkung hat - der Versuch einer sogenannten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination dort vorliegen, wo sich die konkrete Gefährdung bereits im Versuchsstadium des sogenannten Vorsatzteiles aktualisiert. So wird z.B. behauptet, daß derjenige, der einen anderen zu berauben versucht, dann gemäß §§ 251, 22 StGB zu bestrafen ist, wenn bereits durch die Gewaltanwendung der Tod der Person, die beraubt werden sollte, eintritt und diese Folge für den Täter voraussehbar gewesen ist. a) Erfolgsqualifizierter Versuch - "Vollendungslösung" Würde man die Deliktsgruppe der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen, hier § 251 StGB, in einzelne Bestandteile zerlegen, so wäre es sicherlich richtig, den Täter gemäß §§ 249, 22 StGB in Idealkonkurrenz mit dem vollendeten Fahrlässigkeitsdelikt, hier § 222 StGB zu bestrafen212 • Faßt man jedoch diese Tatbestände richtigerweise als eine zusammenhängende Sinneinheit auf, so kann gar keine Rede davon sein, daß die Tatbestandsverwirklichung nur versucht wurde, denn sie ist ja in vollendetem Umfang tatsächlich eingetreten233 • Ein über das objektive Geschehen hinausgehender Wille, wie ihn der Versuch voraussetzt, liegt ohnehin nicht vor, denn der Wille des Täters ist nur darauf gerichtet, sein auserwähltes Opfer zu berauben, nicht aber den Erfolg in Gestalt des tödlichen Ausgangs herbeizufUhren, der wiederum seinerseits - wie gesagt - nicht im Versuchsstadium steckenbleibt, sondern sich tatsächlich in vollendeter Form realisiert. In einer solchen Konstellation liegt also gar kein Versuch des erfogsqualifizierten Deliktes vor, son231

Stratenwerth, Strafrecht, Alig. Teil, Rdn. 661, 1141. Zu dieser "Überdetermination" siehe

näher S. 42 f. 212 So dann auch tatsächlich die ältere Literaturauffassung. Siehe Berner, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 533 f.; Baumgarten, Die Lehre vom Versuche, S. 377 f.; A. Köhler, Deutsches Strafrecht, Alig. Teil, S. 443. 233 Deutlich bereits Thomsen, Versuch der qualifizirten Delikte (sie.), S. 70 ff. 5*

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B. 11. Zum Versuch der Vorsatz- Fahrlässigkeitskombinationen

dem das erfolgsqualifizierte Delikt ist auf der Basis eines versuchten Grunddeliktes vollendet eingetreten, so daß insofern begrifflich allenfalls von einem erfolgsqualifizierten Versuch gesprochen werden könnte 234 . Aber auch diese Terminologie erscheint wenig glücklich, da sie mit dem Ausdruck des Versuchs belastet ist, obwohl das erfolgsqualifizierte Delikt selbst vollendet vorliegtm. Daß dieser Vollendung Z.B. im Falle des § 251 StGB ein Raubversuch zugrunde liegen kann, hängt dabei mit der besonderen tatbestandlichen Struktur einiger erfolgsqualifizierter Delikte zusammen, bei denen das typische Verwirklichungsrisiko exklusiv von einem Teil des deliktischen Grundverhaltens ausgeht, während dem anderen Teil lediglich die Funktion obliegt, die besonderen "niedrigen Beweggründe" dieses Handeins verdeutlichend hervorzuheben. Beim Raub mit Todesfolge entwickelt sich dieses Risiko dementsprechend alleine aus dem Einsatz des Nötigungsmittels (Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr rur Leib oder Leben), und die in diesem Zeitpunkt vorhandene damit zweckbewußt verbundene Absicht, sich eine fremde Sache anzueignen, läßt die Tat als besonders verwerflich erscheinen236 • Der den erfolgsqualifizierten Delikten eigentümliche spezifische Risikozusammenhang, der zwischen dem Grundverhalten und der qualifizierenden Folge bestehen muß, wird in solchen Fällen einzig und alleine durch den bereits vollendeten Einsatz des Nötigungsmittels gewährleistet, so daß die Tatsache des Mißlingens der Wegnahme fiir die Anwendung der Erfolgsqualifikation von keinerlei Bedeutung mehr ist2J7 • Dabei geht es aber nicht um die Bestrafung einer Nötigung mit Todesfolge 238 , ist doch mit dieser Nötigung, § 251 StGB betreffend, der besonders verwerfliche Zweck, sich dadurch eine fremde Sache zuzueignen, verbunden 239 • Auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung, daß sämtliche VorsatzFahrlässigkeitskombinationen in Wahrheit Fahrlässigkeitstatbestände mit vertypter Sorgfaltspflichtverletzung sind, erscheint nur diese früher schon von Thomsen 24o vorgeschlagene "Vollendungslösung" folgerichtig. Wie bereits GösseF41 in seinen "dogmatischen Überlegungen zur Teilnahme am Delikt" am 234 Ebenso Thomsen, Versuch der qualifizirten Delikte (sie.), S. 70 ff.; Lüdeking-Kupzok, Der erfolgsqualifizierte Versuch, S. 107 ff. 235 Charakteristisch dafür ist, daß dieser Begriff sowohl von Vertretern der "Vollendungslösung" als auch von Kritikern (so z.B. Küpper, Der "unmittelbare" Zusammenhang, S. 114) benOtzt wird. 236 Diese Überlegung orientiert sich an den in § 211 StOB benannten Qualifikationsmerkmalen. Vgl. auch Samson, in: SK § 251 Rdn. 10. 237 So frOher schon Thomsen, Versuch der qualifizirten Delikte (sie.), S. 85 und eingehend Lüdeking-Kupzok, Der erfolgsqualifizierte Versuch, S. 107 ff. 238 Vgl. aber Schroeder, in: LK § 18 Rdn. 20. 239 Daß diese intendierte Zwecksetzung selber nicht in Erfüllung geht, ist irrelevant, da der hinsichtlich der Erfolgsqualifikation interessierende Risikozusarnrnenhang sich unmittelbar nur aus dem eingesetzten Mittel herleiten läßt. 240 Thomsen, Versuch der qualifizirten Delikte (sie.), S. 85. 241 Gössel, Festschrift fOr Lange, S. 219 ff.

3. Versuch der Vorsatz- Fahrlassigkeitskombination

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Rande erwähnen konnte, besteht insofern die Möglichkeit, daß der Versuch des Grunddeliktes die typisierte Sorgfaltspflichtverletzung beinhaltet und somit zur fahrlässigen Täterschaft ruhrt242 • Daß dabei der eingetretene Erfolg und die Verletzung der Sorgfaltspflicht in einem spezifischen über Kausalitätserwägungen hinausgehenden Zusammenhang stehen muß, bevor sich die Vermutung einer fahrlässigen Täterschaft bestätigen läßt, gehört zum gesicherten Bestand der Dogmatik des Fahrlässigkeitsdeliktes, worur die Kriterien des Rechtswidrigkeits-, Zurechnungs- oder Schutzzweckzusammenhanges himeichend Zeugnis ablegen. So wie die Strafbarkeit bei den Delikten mit sogenannter strafbegründender besonderer "Folge" nur an Verhaltensweisen anknüpft, die typischerweise ein Geflihrdungsrisiko in sich tragen, muß auch im Rahmen der erfolgsqualifizierten Delikte das sich z.B. im Eintritt der Todesfolge offenbarende typische Risiko (das Risiko der letalen Folge) bereits dem Betätigungsakt innegewohnt haben, damit der spezifische Schutzzweckzusammenhang hinsichtlich dieser Fahrlässigkeitsdelikte gewahrt ist. Dabei ist bezüglich der erfolgsqualifizierten Delikte insbesondere zu beachten, daß der "Erfolg des Grunddeliktes" als Zustandsbeschreibung ein unwiderlegbares Indiz zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines (letalen) Risikos, das bereits dem Betätigungsakt angehaftet haben muß, bildet. Die intrikate Frage, ob insoweit eine Betrachtung vom Erfolg des Grundverhaltens aus oder alleine vom Blickwinkel des Betätigungsaktes her zu erfolgen hat, beantwortet sich damit zwar formell im letzteren Sinne, jedoch mit der Vorgabe, daß dem Erfolg des Grundverhaltens - rur die Frage danach, ob dieses im jeweils tatbestandsspezifischen Sinne risikobehaftet war - die Funktion einer unwiderlegbaren Beweistatsache zukommt. Führt, um dies anhand der Vorschrift des § 226 StGB zu verdeutlichen, das deliktische Grundverhalten zu einer Verletzung, der kein konkretes Letalitätsrisiko anhaftet, so ist ex post betrachtet auch der konkrete Betätigungsakt selbst jedenfalls nicht mit jenem spezifischen Risiko verknüpft gewesen, der den zur Bejahung des Schutzzweckzusammenhanges im Rahmen des § 226 StGB zu stellenden Anforderungen gerecht wird 243 • Die auf den Erfolg des "Grunddeliktes" gerichtete Vorsatzbeschränkung244 mißlingt - und dieses Mißlingen macht den Charakter der erfolgsqualifizierten Fahrlässigkeitsdelikte gerade aus 245 - dem Täter in dem Fall, daß diesem Erfolg 242 Gössel, Festschrift für Lange, S. 219 (238); zur Relevanz der Typisierung für die Formen möglicher Beteiligung siehe S. 72 ff. 243 Damit korrespondiert die hier vertretene Ansicht mit den Auffassungen von Hirsch, Festschrift für Oehler, S. 111 (129); ders., in: LK § 226 Rdn. 3; ders., JR 1983, 78 ff.; Küpper, Der "unmittelbare" Zusammenhang, S. 85 ff.; Geilen, Festschrift für Welzel, S. 655 (681); Roxin, Strafrecht, Allg. Teil I, § 10 Rdn. 115; Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil, 9/35; Milsch, Jura 1993, 18 (21); Lackner, StGB § 226 Rdn. 2. 244 Dazu, daß es sich dabei um einen Fall des Irrtums handelt, Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil, 9/35. 245 Siehe auch Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil, 9/35.

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B. 11. Zum Versuch der Vorsatz- Fahrlässigkeitskombinationen

kein letales Risiko anhaftet, eben nicht246 , so daß, sollte der Tod des Opfers dennoch eintreten, diese Gefahr, wie es Iakobs 247 ganz treffend äußert, "mit dem Grunddelikt so zufliIIig verbunden ist, wie jedes per Idealkonkurrenz hinzutretende Delikt" und das Eingreifen der Erfolgsqualifikation aufgrund des fehlenden tatbestandsspezifischen Schutzzweckzusammenhanges auszuscheiden hat2 48 . Demzufolg~ kann der Versuch des Grunddeliktes nur in jenen Tatbeständen potentiell als Anknüpfungspunkt fUr eine Sorgfaltspflichtverletzung, die zu einer vollendeten Haftung aus dem erfolgsqualifizierten Delikt fUhrt, dienen, bei denen das Grundverhalten bereits in dem in bezug auf die Folge relevanten Bereich vollendet ist und sich damit in einem "Erfolg" aktualisiert hat, der seinerseits ein solches (letales) Risiko beinhaltet.

b) Kritik an der "Vollendungslösung" Nun wird aber auch gerade im Zusammenhang mit der Diskussion um die "Vollendungslösung" der Vorwurf erhoben, daß sich die Einordnung aller sogenannten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen als reiner Fahrlässigkeitstaten, die eine solche Auffassung präjudiziert, über Struktur und Wortlaut der Vorschriften hinwegsetze 249 • Daß nur die Vollendungslösung ganz im Gegenteil mit dem Wortlaut übereinstimmt, da einerseits die Erfolgsqualifikation (und damit das erfolgsqualifizierte Delikt) vollendet vorliegt, andererseits - wie dargestellt wurde - auch das diese Folge unmittelbar auslösende Verhalten vollendet ist, mag vorab nochmals Erwähnung finden. Trotzdem gilt es, sich die jene Behauptung tragende Argumentation näher zu betrachten. So wird aus ge fUhrt, daß eine Bewertung dieser Delikte von der fahrlässigen Folge her unzulässig sei, bilde doch das vorsätzliche Grunddelikt den eigentlichen Unrechtskern, denn schon bei der gesetzlichen Aufstellung solcher Tatbestände könne nur vom entsprechenden Vorsatztatbestand her beurteilt werden, ob er jeweils mit der Gefahr schwerer Folgen behaftet ist250 • Die Richtigkeit dieser These werde zusätzlich durch die historische Entwicklung bestätigt251 , die vom Vorsatztatbestand ihren Ausgang nahm und Fahrlässigkeit zur schweren Folge zunächst überhaupt nicht erforderte. Auch wenn der Kern des Unrechts seinen Ausgangspunkt in einem teilweise vorsätzlichen Verhalten nimmt, so hängt doch die konkrete Strafbarkeit der als Der Täter beherrscht insofern sein Tun. Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil, 9/35. 248 Im Ergebnis ebenso die auf S. 57 Fußn. 243 genannten Autoren. 249 So dezidiert Küpper, Der "unmittelbare" Zusammenhang, S. 115. 250 Küpper, Der "unmittelbare" Zusammenhang, S. 115. 251 Küpper, Der "unmittelbare" Zusammenhang, S. 115. In diesem Zusammenhang hat bereits Lorenzen, Rechtsnatur, S. 58, darauf hingewiesen, daß die historische Entwicklung dieser Delikte fUr die Feststellung ihrer Rechtsnatur wenig hilfreich sei. 246

247

3. Versuch der Vorsatz- Fahrlässigkeitskombination

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Sinneinheit aufzufassenden Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination ausschließlich vom Eintritt der Folge d.h. des Erfolges ab, wofiir der Strafrahmen ein überdeutliches Indiz bildet252 • Es wurde bereit aufgezeigt, daß die Überbewertung des sogenannten Vorsatzteiles und die damit einhergehende Quasi-Elimination des tatsächlich nur fahrlässig herbeigefiihrten tatbestandlichen Erfolges auf einer unzutreffenden Einordnung des Erfolgsmerkmales im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte beruhtm. Insbesondere die hier von der Gegenansicht in Anspruch genommene historische Entwicklung, die zu einer Ablösung der bloßen Erfolgshaftung gefilhrt hat, spricht doch - wie ausgefiihrt 254 - geradezu kontradiktorisch dafiir, daß nun, wo dem Erfolg nicht mehr lediglich die Funktion einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit zugesprochen werden kann, sondern dieser subjektiv bedingt sein muß, konsequenterweise diese konkrete subjektive Beziehung zum Erfolg über die Zuordnung der Tat zu den Vorsatz- oder Fahrlässigkeitstatbeständen zu entscheiden hat. Wenn diese Entwicklung von einigen Autoren zum Anlaß genommen wird, den Schwerpunkt nunmehr auf das Fahrlässigkeitsmoment zu verlagern, so kann dem, wie es Lorenzen255 zutreffend bemerkt, gerade nicht entgegengehalten werden, daß eine derartige Betrachtungsweise im Widerspruch zu dem historisch überkommenen Verständnis der erfolgsqualifizierten Delikte stehe, denn - wenn überhaupt - so hat der Gesetzgeber diesen Widerspruch durch die Einfiihrung des § 56 a.F. herbeigefiihrt 256 . Die Aufstellung von Tatbeständen erfolgt im übrigen auch nicht einseitig, sondern durch eine Gesamtanalyse, die sowohl das Verhalten als auch den Erfolg gleichermaßen berücksichtigt. Dabei kann die Bewertung, ob ein Verhalten mit der Gefahr fi1r schwere Folgen behaftet ist, sowohl vom Erfolg aus welches Verhalten filhrt typischerweise zu diesem Erfolg? - als auch vom Verhalten aus - zu welchem Erfolg fiihrt typischerweise dieses Verhalten? - her ermittelt werden, ohne daß damit notwendigerweise unterschiedliche Ergebnisse im Hinblick auf Wortlaut oder Struktur des Deliktes verbunden sind257 • Damit ist aber jener Kritik keine überzeugende Wirkung zu attestieren. Vielmehr sind es im Gegenteil gleichermaßen Wortlautargumente und dogmatische Überlegungen zur Struktur der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen, die entgegen der "Fiktion" des § 11 II StGB258 fiir die Interpretation dieser Delikte als quali252 So auch Trändie, in: LK § 11 Rdn. 97; ansonsten wäre auch die Lösung angemessen, die vom Vorliegen einer Idealkonkurrenz ausgeht. m Näher S. 23 ff. 254 Siehe S. 23 f. m. Fußn. 90. 255 Lorenzen, Rechtsnatur, S. 59. 256 In diesem Sinne auch Hänle, Die Teilnahme an den erfolgsqualifizierten Delikten, S. 43. 257 In einem am Rechtsgoterschutz orientierten Strafrecht wird vielmehr primär der Erfolgseintritt den Ausgangspunkt der anstehenden Überlegungen bilden. Auch die Prüfung, ob sich in dem qualifizierten Erfolg gerade das spezifische Risiko des Grunddelikts realisiert hat, entfällt doch keinesfalls indem - wie hier angenommen - die sogenannten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen den Fahrlässigkeitsdelikten zugeordnet werden, sondern hat dort im Rahmen des Schutzzweckund Risikozusammenhanges einen dogmatisch fundierten Platz. m Einer, wie es Maurach, Strafrecht, Allg. Teil, S. 542, ausdrückt, verunglückten Vorschrift.

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B. 11. Zum Versuch der Vorsatz- Fahrlässigkeitskombinationen

fizierte Fahrlässigkeitstaten sprechen, wobei dies rur die hier interessierende Problematik der versuchten Tat zugleich die sogenannte "Vollendungslösung" begründet. 4. Ergebnis und Zusammenfassung

Es konnte demnach festgestellt werden, daß die Möglichkeit der Versuchsstrafbarkeit im Rahmen der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge trotz der Einruhrung des § 11 II StGB nicht besteht. Die den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Intention, dies zu gewährleisten, hat im Hinblick auf den überwiegenden Teil der Vorschriften schon aufgrund der formellen Anordnung der Versuchsstrafbarkeit innerhalb dieser Tatbestände keinen Niederschlag gefunden 2S9 • Darüber hinaus ließ sich ermitteln, daß die Vorschrift des § 11 II StGB ihrem Wortlaut gemäß nur in dem Sinne ausgelegt werden kann, daß die besondere Folge auch tatsächlich eingetreten ist, so daß die konkrete Gefährdung sich beim Versuch des Vorsatzteiles realisiert haben müßte. Da nun aber der Eintritt der konkreten Gefährdung in Bezug auf die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge nur auf einer vollendeten Tathandlung beruhen kann, scheidet die Möglichkeit der Versuchsstrafbarkeit auch aus diesem Grunde aus, wobei man sich dem auch nicht - wie aufgezeigt wurde - dadurch entziehen kann, daß man die Möglichkeit eines Versuchs dergestalt postuliert, daß vorsätzlich zu einer Tathandlung angesetzt werde, die im Falle ihrer Ausruhrung "zwangsläufig" eine fahrlässige Gefährdung heraufbeschwören würde, zumal durch die Vorschrift des § 11 II StGB auch die erfolgsqualifizierten VorsatzFahrlässigkeitskombinationen gleichermaßen erfaßt werden 260 . Sowohl rur den Bereich der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge als auch den der erfolgsqualifizierten VorsatzFahrlässigkeitskombinationen konnte aufgezeigt werden, daß der Versuch des Vorsatzteiles theoretisch betrachtet die typisierte SorgfaltspflichtverIetzung beinhalten kann, die den Weg zur täterschaftlichen Zurechnung praktisch jedoch ausschließlich nur rur eine Anzahl bestimmter erfolgsqualifizierter Tatbestände zu eröffnen vermag261 .

259

Siehe S. 49.

260 Näher S. 52 ff. 261 Siehe 55 ff.

5. Anhang zu II.

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5. Anhang zu 11.. Die Auswirkungen der im Rahmen der Versuchs problematik vertretenen Auffassung auf die Strafbarkeit, dargestellt anhand der typischerweise in der Diskussion vorfindbaren Fallkonstellationen

Fallbeispiel1a)

Sachverhalt: A will dem B ein Geheimnis, das ihm als Amtsträger anvertraut worden ist, offenbaren, ohne daß er sich darüber im klaren ist, daß dies zu einer Gefährdung öffentlicher Interessen führen könnte. Als er sich mit dem B zusammen an einen Tisch setzt, um mit seinen Ausführungen zu beginnen, klopft jemand an die Tür, so daß es im weiteren Verlauf des Geschehens nicht zur Realisation seines deliktischen Vorhabens kommt. Für den Fall, daß ihm die informationelle Preisgabe gelungen wäre, hätte dies aber "zwangsläufig" zu einer konkreten Gefährdung öffentlicher Interessen geführt, und gegen ihn wäre insofern der Vorwurf der Fahrlässigkeit zu erheben gewesen. Ergebnis: Nach der hier vertretenen Auffassung der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination als qualifiziertem Fahrlässigkeitsdelikt ist ein solchermaßen fahrlässiger Versuch nicht denkbar262 und der A entsprechend nicht zu bestrafen263 • Fallbeispiel 1b)

Sachverhalt: Der A will eine Explosion herbeiführen, ohne daß er über die damit verbundene Gefährdung anderer Personen im Bilde ist. Trotz aller Bemühungen gelingt es ihm nicht, die Zündschnur durch den Einsatz eines Feuerzeuges ihrer bestimmungsgemäßen Funktion entsprechend als Auslöser der Explosion einzusetzen. Wäre ihm sein Vorhaben aber geglücke6\ so hätte dies "zwangsläufig" zu einer konkreten Gefährdung sich in der Nähe aufhaltender Personen geführt, wobei gegen ihn insofern der Vorwurf der Fahrlässigkeit zu erheben gewesen wäre. Ergebnis: Aus den oben (Fallbeispiel 1a) benannten Gründen liegt ein Versuch in solchen Fällen nicht vor265 • 262 Im Ergebnis übereinstimmend Rudolphi, in: SK § 11 Rdn. 36; Jakobs, Strafrecht, Allg. Teil, 25/27 m. Fußn. 43; Stratenwerth, Strafrecht, Allg. Teil, Rdn. 1142; Samson, in: SK §353b Rdn. 20. Näher dazu S. 50 ff. 263 Für die Strafbarkeit wegen Versuchs jedoch Maiwald, JuS 1977, 353 (369); SchönkelSchröder/ Lenckner, § 353b Rdn. 22; Arzt/Weber, Strafrecht, Ses. Teil, LH 2, Rdn. 116. 264 Nebst den bereits aufgeführten Bedenken (S. 52 ff.) verbleibt noch zusätzlich anzumerken, daß es hier an einer konkreten Eingrenzung des Zeitfaktors fehlt, d.h. es ist nicht bestimmbar, auf welchen Zeitpunkt eigentlich genau abgestellt werden soll. 265 Auch hier für VersuchsstrafbarkeitArzt/Weber, Strafrecht, Ses. Teil, LH 2 Rdn. 116.

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B. II. Zum Versuch der Vorsatz- Fahrlassigkeitskombinationen

Fallbeispiel 1c) Sachverhalt: Der alkoholbedingt fahruntüchtige A will in diesem Zustand noch mit dem Auto den Nachhauseweg antreten und begibt sich zur Durchftlhrung seines Plans in den dem Fahrer zugedachten Teil des Wageninneren. Er schafft es jedoch nicht, den Wagen in Gang zu setzen. Den Fall des Gelingens unterstellt266 , hätte er "zwangsläufig" eine in der Nähe befindliche Personengruppe fahrlässigerweise getahrdet. Ergebnis: Auch hier kann der A entsprechend der in den Fällen la) und b) angestellten Überlegung nicht gemäß §§ 315c III Nr.l, 22 StGB bestraft werden267 •

Fallbeispiel 1d) Sachverhalt: Dem A ist der B schon seit langem ein "Dom im Auge". Mit einem höchst gefahrlichen ätzenden Gift, über dessen verheerende Wirkungsweise sich der A aber fahrlässigerweise nicht bewußt ist, will er diesem eine körperverletzende Lektion erteilen. Eine zu diesem Zweck vorbereitete Giftpistole setzt er dementsprechend in Augenhöhe des B an. Beim Auslösen versagt die Vorrichtung jedoch, so daß der B nicht verletzt wird. Falls die Aktion aber erfolgreich verlaufen wäre, hätte der B "zwangsläufig" das Sehvermögen auf einem der beiden Augen verloren und wäre in erheblicher Weise dauernd entstellt gewesen. Ergebnis: Die abzulehnende Literaturauffassung (s.o.) müßte hier konsequenterweise gemäß §§ 224, 22 StGB bestrafen, da die vorbenannten Erwägungen ebenso im Rahmen der erfolgsqualifizierten Tatbestände gelten, denn der Anwendungsbereich des § 11 11 StGB betrifft zweifelsohne auch diese Deliktsgruppe. Auf der Grundlage der hier vertretenen Ansicht scheidet die Versuchsstrafbarkeit generell aus 268 •

Fallbeispiel le) Sachverhalt: In einem einsamen Gebirge fern jeglicher Zivilisation ärgert sich der Wanderer A so über seinen bisherigen Weggetahrten C, daß er im Rahmen

Wiederum ist der Zeitpunkt, der in Bezug genommen wird, nicht hinreichend konkretisiert. Nach Arzt/Weber, Strafrecht, Bes. Teil, LH 2 Rdn. 116 liegt an und rur sich § 315c III Nr. 1, 22 vor, wobei dies jedoch daran zu scheitern habe, daß sich dort die Anordnung der Versuchsstrafbarkeit nicht auf die Vorsatz-Fahrlassigkeitskombinationen bezieht. 268 Eingehend S. 51 f. 266 267

5. Anhang zu 11.

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einer handgreiflichen Auseinandersetzung dazu ansetzt, mit dem Messer einmal ganz kurz zuzustechen. A wollte damit den C lediglich leicht verletzen, keinesfalls aber töten. Fahrlässigerweise hatte er dabei unbedacht gelassen, daß fiir den C aufgrund seiner BIutereigenschaft jede Verletzung in solcher Abgeschiedenheit quasi "zwangsläufig" mit einem tödlichen Ausgang verbunden sein würde. Das Glück steht dem C bei, und die Aktion mißlingt. Ergebnis: Hier ist der A richtigerweise aus dem Strafrahmen der §§ 223a II, 22 StGB zu bestrafen, nicht jedoch als Konsequenz der hier abgelehnten Literaturauffassung (s.o.) gemäß §§ 226, 22 StGB.

Fallbeispiel 2) Sachverhalt: Der A offenbart dem B ein ihm anvertrautes Geheimnis, obwohl er zu dem in § 353b StGB erwähnten besonders geheirnhaltungspflichtigen Personenkreis gehört. Zu einer konkreten Gefährdung öffentlicher Interessen kommt es jedoch nicht, obwohl der A im Zeitpunkt seines Handeins eine derartige Entwicklung hätte voraussehen können. Ergebnis: Das OLG Oldenburg269 nimmt an, § 11 11 StGB ermögliche in einem solchen Fall die Bestrafung gemäß §§ 353b I Satz 2, 22 StGB, die hier vertretene Auffassung gelangt zur Straflosigkeit.

Fallbeispiel 3) Sachverhalt: Der A stößt seinen Onkel von einem Hochsitz, so daß dieser aus der Höhe von 3,50 m in die Tiefe stürzt. Auf dem "Boden der Tatsachen angekommen", erweist sich die herbeigefiihrte Verletzung als geringfiigig, da ausschließlich der Knöchel Schaden genommen hat. Im Anschluß an einen Krankenhausaufenthalt erkrankt der A an einer Lungenentzündung und verstirbt an deren Folgen. Ergebnis: Ein spezifischer Risikozusarnrnenhang, der im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte immer zwischen dem Handeln (Stoß vom Hochsitz) und der späteren Folge (Tod durch Lungenentzündung) bestehen muß, liegt in diesem Falle nicht vor. Der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung ist das letale Risiko, wie sich aus dem durch dieses Handeln eingetretenen Erfolg (Knöchelbruch) erwiesen hat270 , tatsächlich nicht eigen gewesen 271 • Die Beschränkung des Vor269 AusfUhrlich hierzu S. 53 f. Zu den Folgen dieser insoweit in sich konsequenten Auffassung des OLG Oldenburg fUr den Bereich der erfolgsqualifizierten Tatbestände siehe bereits das auf S. 53 f. angefUhrte FaIIbeispiel. 270 Zur Funktion des "Erfolges" (Zustandes nach dem "grunddeliktischen" VerhaItensvoIIzug) als unwiderlegbarer Beweistatsache fUr die Bewertung des Ausgangsverhaltens S. 57 f.

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B. 11. Zum Versuch der Vorsatz- Fahrlässigkeitskombinationen

satzes auf eine Körperverletzung, die nicht mit dem Risiko des tödlichen Ausganges behaftet ist, mißlingt dem Täter in einem solchen Fall eben nicht272 . Fallbeispiel4) Sachverhalt: A will dem B einen mit Geld geruHten Aktenkoffer gewaltsam entwenden und schlägt ihn aus diesem Grunde mit einem Knüppel nieder, wobei er den B jedoch nicht töten will 273 • Durch den Aufschrei des B, der infolge des durch die Heftigkeit des Schlages erlittenen Verletzung dieser noch am Tatort erliegt, waren einige Passanten sofort an den Tatort geeilt, so daß der A, um nicht erkannt zu werden, die Flucht ergriffen hatte, ohne den begehrten Koffer samt seines Inhaltes an sich genommen zu haben 274 • Ergebnis: In diesem Falle ist der Tatbestand des § 251 StGB der hier vertretenen Auffassung zufolge in vollendeter Form verwirklicht275 •

Fallbeispiel 5) Sachverhalt: Der A versucht im Hausflur auf seinen Nachbar B einzuschlagen. Dieser ergreift die Flucht, stürzt die Treppe hinunter und findet dabei den Tod. Ergebnis: Das Risiko, welches sich verwirklicht hat, besteht hier ganz unabhängig von der Frage nach jenem dem Betätigungsakt anhaftenden Letalitätsrisiko. Damit mißlingt dem Täter nicht die verhaltensimmanente Vorsatzbeschränkung, sondern ihm mißlingt bereits der geplante Verhaltensvollzug, so daß in Ermangelung des tatbestandsspezifischen Risikozusammenhanges eine Bestrafung gemäß § 226 StGB nicht in Betracht kommt.

Siehe Hirsch, JR 1983, 78 fT.; Maiwald, JuS 1984,439 (443 f.). Naher S. 56 fT.; Der Bundesgerichtshof (BGHSt. 31, 96) hält die Verwirklichung des § 226 StGB jedoch rur vorliegend. An diesem spezifischen Zusammenhang fehlt es ebenso, beurteilt man den Sachverhalt, welcher der Entscheidung des BGH (NJW 1992, 1708 ff. "Fenstersturz") zugrunde lag, so daß dort nicht gemäß § 226 StGB zu bestrafen gewesen wäre (zutreffend dann auch Milsch, Jura 1993, 18 [21 f.]) mit dem Hinweis auf die tatsächlich einschlägige Vorschrift des § 239 III StGB; vgl. dazu bereits Küpper, NStZ 1986, 117 (117); PaejJgen, JZ 1989,220 (227). 273 Fallbeispiel von 0110, Strafrecht, Bes. Teil, S. 176. 274 Anhand dieses Falles läßt sich in aller Deutlichkeit demonstrieren, daß es im Hinblick auf das Vorl iegen des tatbestandsspezifischen Risikozusammenhanges vollkommen belanglos ist, ob die Wegnahme (zufällig) mißlingt oder nicht. 275 Eingehend dazu S. 55 ff. Anders jedoch die herrschende Auffassung, die demgegenüber einen Versuch des § 251 StGB als vorliegend erachtet. 271

272

I, Die Regelung des § 11 11 StGB

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111. Zur Problematik der Teilnahme im Rahmen der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit stratbegründender besonderer Folge 1. Die Regelung des § 11 11 StGB und ihre Konsequenzen für die Bestrafung der am tatbestandlichen Geschehen beteiligten Personen

Während sich somit als Resultat der angestellten Überlegungen feststellen ließ, daß die mit der Einfuhrung der Bestimmung des § 11 II StGB intendierte Möglichkeit einer Versuchsstratbarkeit im Rahmen der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit stratbegründender besonderer Folge tatsächlich nicht besteht, stellt sich, wo nunmehr Sinn und Zweck der Vorschrift einzig und allein in der Ermöglichung der Stratbarkeit am deliktischen Geschehen nicht täterschaftlich beteiligter Personen erblickt werden kann, die Aufgabe, zu ermitteln, ob sich diese auch durch kriminalpolitische Aspekte motivierte Aussage 276 , unter dogmatischen Gesichtspunkten betrachtet, aufrechterhalten läßt, oder ob sie sich demgegenüber als weder notwendige noch überzeugende Vorschrift erweist. a) Zur Notwendigkeit der Regelung in § 11 II StGB Auf der Grundlage der Vorschrift des § 11 II StGB soll es der herrschenden Meinung entsprechend möglich sein, die an der täterschaftlichen Verwirklichung der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen teilnehmenden Personen jeweils ihrer Beteiligungsrolle entsprechend einer Bestrafung als Anstifter oder Gehilfe zuzufiihren. Reicht z.B. - um dies anhand des § 311 StGB , dem Herbeifuhren einer Sprengstoffexplosion, zu dokumentieren - der A dem im Umgang mit Sprengstoffen erfahrenen S auf dessen Bitte sein Feuerzeug, damit dieser eine Explosion herbei fuhren kann, so ist das beiderseitige Vorliegen des Erfolgseintritts in Form der konkreten Gefährdung von Leib oder Leben anderer Personen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert vorausgesetzt, der S zweifelsohne gemäß § 311 IV StGB zu bestrafen, während sich der A - der obigen Einschätzung zufolge - als Gehilfe gemäß §§ 311, IV, 27 StGB zu verantworten hätte. Für den Fall, daß der S aber erst durch die Bitte des A dazu bewegt wird, die Explosion herbeizufuhren, würde demgemäß einer Bestrafung des A aus §§ 311 IV, 26 StGB nichts im Wege stehen. Zuvorderst gilt es demnach zu beantworten, ob die in § 11 II StGB getroffene Regelung tatsächlich in Bezug auf die Strafbarkeit der am deliktischen Gesche-

276 Siehe die Motive (= Protokolle der 47, Sitzung des Sonderausschusses fUr die Strafrechtsreform, S, 883); Janiszewski, MDR 1967, 229f.

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B. III. Zur Teilnahme bei den Vorsatz- Fahrlässigkeitskombinationen

hen teilnehmenden Personen eine dogmatisch begriindbare Notwendigkeit in Anspruch nehmen kann. Dann müßte die der materiell-inhaltlichen Berechtigung des § 11 11 StGB zugrundeliegende Annahme, daß diejenigen Beteiligten, deren Mitwirkung an der Realisation der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegriindender besonderer Folge sich auf eine unterstützende Funktion in Form der Teilnahme beschränkt, ansonsten straflos ausgehen würden, zutreffen. Die Richtigkeit dieses Ansatzes erscheint jedoch auf der Basis der Erkenntnis, daß es sich - wie aufgezeigt wurde - bei den Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegriindender besonderer Folge um qualifizierte Fahrlässigkeitstatbestände handelt2 77 insofern zweifelhaft, als daß ansonsten im Rahmen fahrlässiger Erfolgsdelikte die Tatbestandsverwirklichung jeder im Hinblick auf den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges sorgfaltswidrig handelnden Person aufgrund des dort geltenden "Einheitstäterprinzips" täterschaftlich zugerechnet werden kann. Es ist demnach nicht verwunderlich, daß darauf hingewiesen wird, die Vertreter der Auffassung, die generell eine Unmöglichkeit der Teilnahme an fahrlässiger Tat behaupten, würden sich in Anerkennung der in § 11 11 StGB normierten Definition damit diese gerade gewonnene Sacherkenntnis durch einen definitorischen Gesetzgebungsakt ins Gegenteil verfälschen lassen218 • b) Die Positionen im einzelnen (Gössel; Schroeder; Krey/Schneider) - Kritik Gössel, der sich mit der Dogmatik der Teilnahme am erfolgsqualifizierten Delikt eingehend auseinandergesetzt hat219 und sowohl die erfolgsqualifizierten Delikte als auch die Tatbestände der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegriindender besonderer Folge, in Übereinstimmung mit dem hier gewonnenen Ergebnis, als qualifizierte Fahrlässigkeitstatbestände auffaßt, sieht dann auch in der Teilnahme am vorsätzlichen Grunddelikt einen objektiven Sorgfaltspflichtverstoß bezüglich der schwereren im erfolgsqualifizierten Delikt erfaßten besonderen Folge, der seines Erachtens zur fahrlässigen Täterschaft für diese Erfolgsverwirklichung führt. Es komme dabei überhaupt nicht auf die Beteiligung am Grunddelikt an, sondern alleine darauf, daß der mit dem Grunddelikt erfaßte Sorgfaltswidrigkeitsverstoß bezüglich des schwereren Erfolges vorliegt, wobei dies auch bei bloßer Beteiligung in Form der Anstiftung und Beihilfe zum Grunddelikt der Fall sei. Nur so werde man, heißt es, der eigenständigen Natur der erfolgsqualifizierten Delikte gerecht280 • Würde man die Argumentation Gössels auf die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit stratbeSiehe S. 5 ff. Schmidhäuser, Strafrecht, A1lg. Teil (Studb.) 10/23; siehe auch Gössel, Festschrift für Lange, S. 219 (223 ff.); Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht, A1lg. Teil 2, S. 309. 219 Gössel, Festschrift für Lange, S. 219 ff. 280 Gössel, Festschrift für Lange, S. 219 (237). 217

218

I. Die Regelung des § 11 11 StOB

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gründender besonderer Folge übertragen können, so bestünde rur die in § 11 II StGB getroffene Regelung, die - wie ausgeruhrt - rur diesen Bereich die Bestrafung am tatbestandlichen Geschehen teilnehmender Personen ermöglichen so 11281 , keine Notwendigkeit. Da die Teilnahme am "Grundverhalten" im Hinblick auf den tatbestandsmäßigen Erfolg als objektive Sorgfaltspflichtverletzung zu bewerten wäre, hätte der solchermaßen Beteiligte, die subjektive Vorhersehbarkeit unterstellt, den jeweiligen Tatbestand täterschaftlich verwirklicht. Während diese Konsequenz von Schroeder 82 , der darur plädiert, daß, falls hinsichtlich des Vorsatzteiles der Delikte mit strafbegründender besonderer Folge die Voraussetzungen der Teilnahme vorliegen, alle Beteiligten aufgrund ihrer selbständigen Sorgfaltspflichtverletzungen als Täter zu bestrafen sind, gezogen wird, und zwar in Bezug auf alle Tatbestände der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge, halten Krey und Schneider283 eine Bestrafung der am "Vorsatzteil" Teilnehmenden als Täter grundsätzlich ebenfalls rur die richtige Lösung, jedoch wollen sie davon die Tatbestände der eigenhändigen284 und Sonderdelikte285 ausgenommen wissen. Die dort auftretenden "vermeintlichen" Strafbarkeitslücken wären insofern nämlich, so heißt es, vom rechtspolitischen Standpunkt aus begründet286 • Nach Gössel entfallt allerdings bei den Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge im Gegensatz zu den erfolgsqualifizierten Delikten jegliche Strafbarkeit wegen Teilnahme, wobei er dies damit begründet, daß der Vorsatzteil selbständig ja nicht strafbar sei 287 • Die von Gössel postulierte Differenzierung zwischen den Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge einerseits und den Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen der erfolgsqualifizierten Delikte andererseits mag nicht zu überzeugen. Abgesehen von den schon vorgetragenen generellen Erwägungen, die gegen die Ungleichbehandlung dieser beiden Deliktsgruppen sprechen288 , ist es auf der Grundlage der von Gössel vertretenen sinneinheitlichen Betrachtung dieser Tatbestände als Fahrlässigkeitsdelikte unverständlich, wieso dann darauf abgestellt werden soll, ob die dem Gesamtdelikt zugrundeliegende objektive Sorgfaltspflichtverletzung selbständig, d.h. rur sich gesehen, strafbewehrt ist oder nicht, zumal es auch ansonsten im Rahmen der fahrlässigen Erfolgsdelikte von keinerlei Relevanz ist, ob die dem Fahrlässigkeitstäter zuzurechnende objektive Sorgfaltswidrigkeit, rur sich betrachtet, bereits mit Strafe bedroht ist. Konsequenterweise ruhrt die von Gössel zu den erfolgsqualifizierten Tatbeständen vertretene Auffassung, und insoweit gebührt 281

Dazu S. 65.

Schroeder, in: LK § 109b Rdn. 12; § 56 Rdn. 49 (9. Aufl.). m Krey/Schneider, NJW 1970,640 (642). 284 Krey/Schneider, NJW 1970,640 (642); siehe hierzu S. 82 ff. 285 Krey/Schneider, NJW 1970,640 (642); dazu S. 96 ff. 286 Krey/Schneider, NJW 1979,640 (645). 287 Maurach / Gössel/Zipf, Strafrecht, Allg. Teil 2, S. 353.

282

288

AusfOhrlich S. 19 f.

68

B. III. Zur Teilnahme bei den Vorsatz- Fahrlässigkeitskombinationen

auch Schroeder, Krey und Schneider Zustimmung, zur fahrlässigen Täterschaft der am Vorsatzteil der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge Teilnehmenden für diese Erfolgsherbeiführung. c) Tatbestandliche Typisierung und Begrenzung des Täterkreises Gegen die von Gössel für die erfolgsqualifizierten Delikte entwickelte Position, die - wie wir sehen konnten - entsprechend bei den Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge Geltung beansprucht, ist jedoch vorzutragen, daß sie im Bereich beider Deliktsgruppen vollkommen die Tatsache außer acht läßt, daß es sich bei den betreffenden Tatbeständen um qualifizierte Fahrlässigkeitsdelikte handelt. Das die, den Fahrlässigkeitsbereich betreffende Zurechnungs frage , prägende Prinzip der "Offenheit" des herkömmlichen fahrlässigen Erfolgsdeliktes, wird dabei nämlich durch die bei den qualifizierten Fahrlässigkeitstatbeständen der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen gleichennaßen vorfindbaren Typisierung des tatbestandlichen Verhaltens begrenzt. Sowohl bei den erfolgsqualifizierten289 als auch bei den "erfolgsbegründenden" Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen knüpft die Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges dabei an einen im Gesetz genau umschriebenen Vorgang, eine den Vorsatzteil dieser Delikte präzisierende Verhaltensbeschreibung an. Auch wenn in Bezug auf die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge ein für die vorgenommene Typisierung maßgeblicher nonnativer Aspekt darin liegt, daß der Gesetzgeber den konkreten Geflihrdungsdelikten im Hinblick auf die tatbestandliche Bestimmtheit und Warnfunktion als auch unter Berücksichtigung des Erfordernisses der Rechtssicherheit eine größtmögliche Präzisierung verleihen wollte 290 , so kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Typisierung, eine Teiltypisierung als Mittel der Umgrenzung fahrlässigen Verhaltens 291 , den Kreis der als Zurechnungssubjekte in Frage stehenden Personen anders als beim herkömmlichen fahrlässigen Erfolgsdelikt auf diejenigen beschränkt, die das im Tatbestand präzisierte Handeln täterschaftlich vornehmen. Der hier kritisierten Auffassung ist zuzugeben, daß sich die Teilnahme am Vorsatzteil der erfolgsqualifizierten Delikte und der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen mit strafbegründender besonderer Folge für sich gesehen als Sorgfaltspflichtverletzung darstellt. Die so verstandenen Sorgfaltswidrigkeiten stimmen jedoch nicht mit den Tatbestandsmerkmalen des Vorsatzteiles dieser qualifizierten Fahrlässigkeitdelikte überein, sie genügen nicht dem vom Vorsatzteil geprägten Anforderungen des Tatbestandes.

289 290 291

Ebenso Paeffgen, in: AI