Die große Fotoschule: Das Handbuch zur digitalen Fotografie in der Neuauflage 2019 [4 ed.] 3836271818, 9783836271813

Ihr Begleiter für die digitale Fotopraxis Umfassend, aktuell und inspirierend – das Standardwerk zur digitalen Fotografi

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Die große Fotoschule: Das Handbuch zur digitalen Fotografie in der Neuauflage 2019 [4 ed.]
 3836271818, 9783836271813

Table of contents :
Vorwort
Einführung
1 Kamera
1.1 Der Ursprung: die Lochkamera
1.2 Anfänge der Fotografie
1.3 Grundaufbau der Kamera
1.4 Grundlagen des digitalen Bildes
Digitale Technik
Pixel
Auflösung
Interpolation
Farbtiefe und Bittiefe
Farbräume
1.5 Sensor
Bayer-Muster
Sensoraufbau
Sensortypen
Auflösungsgrenze des Auges
Sensorgrößen
1.6 Verschluss
1.7 Kameratypen
Eine kurze Geschichte der Kleinbildkamera
Spiegellose Systemkamera (DSLM)
Digitale Spiegelreflexkamera (DSLR)
Vor- und Nachteile von Spiegellosen und DSLRs
Die Kameraklassen der Systemkameras
Kompaktkamera
Kompaktkamera mit großem Sensor
Bridge-Kamera
Smartphone
Action-Kamera
Drohnen
Mittelformatkamera
Großbildkamera
1.8 Konfiguration und Wartung der Kamera
Dateieinstellungen: Raw oder JPEG?
Bildeinstellungen
Livebild-Modus
Histogramm und Überbelichtungswarnung
Individualfunktionen
Weitere Anpassungen
Firmwareupdate
Staub auf dem Sensor
1.9 Zubehör
Speichermedien
Stromversorgung
Stativ
Fernauslöser
Fototasche
1.10 Bildübertragung und Backup
Per Kabel oder Kartenleser
Auf einen mobilen Bildspeicher
Per WLAN
Backup
KURZ und BÜNDIG: Kamera
2 Objektive
2.1 Grundlagen
Brennweite und Bildwinkel
Cropfaktor
Perspektive
Blende
Lichtstärke
Farbzeichnung
Bokeh
2.2 Abbildungsfehler
Schärfefehler: sphärische Aberration und Koma
Bildfeldwölbung
Dezentrierung
Farbfehler: chromatische Aberration (CA)
Farblängsfehler (LoCA)
Purple Fringing
Reflexionen
Streulicht
Vignettierung
Verzeichnung
2.3 Objektivgüte einschätzen
MTF-Kurven
Objektive testen
2.4 Objektivtypen und Anwendungsbeispiele
Fisheye-Objektive
Ultraweitwinkelobjektive
Weitwinkelobjektive
Normal- oder Standardobjektive
Leichte Teleobjektive (Porträttele)
Makroobjektive
Teleobjektive
Spiegelteleobjektive
Ultrateleobjektive
Tilt-Shift-Objektive
Umgekehrte Telekonverter
Zoomobjektive
2.5 Objektiv-Features und Zubehör
Fremdobjektive am Adapter
Bildstabilisator
Ultraschall-Autofokusmotor
Firmware
Beugungsoptik (DO/PF)
2.6 Objektivfilter
UV-Filter und Schutzfilter
Polarisationsfilter
Verlaufsfilter
Graufilter oder Neutraldichtefilter
Filtertypen
2.7 Empfehlungen für Fotografentypen
Einsteigen, Geld sparen und Spaß haben
Für Allrounder
Wenn es schnell gehen muss
Available Light professionell
Raus in die Natur
KURZ und BÜNDIG: Objekte
3 Schärfe
3.1 Auflösung und Nyquist-Grenze
3.2 Kontrast
3.3 Schärfentiefe und Blende
Hyperfokale Entfernung
Unschärfe im Sucherbild
3.4 Beugungsunschärfe
3.5 Verwackeln
3.6 Bewegungsunschärfe
3.7 Autofokus (AF)
Phasenvergleich
Kontrastmessung
Hybrid-AF
Autofokusmodi
Fokusabweichung durch Kamerabewegung
Autofokustest (Backfocus, Frontfocus)
3.8 Manuelle Fokussierung
3.9 Rauschunterdrückung und Schärfeverlust
3.10 Schärfe nach Scheimpflug
KURZ und BÜNDIG: Objekte
4 Licht
4.1 Grundlagen
Was ist Licht?
Brechung
Beugung
Reflexion
Licht und Auge
Licht und Digitalkamera
4.2 Weißabgleich
Automatischer Weißabgleich
Manueller Weißabgleich
Weißabgleich in der Bildbearbeitung
4.3 Lichtqualität
Diffuses Licht
Weiches Licht
Hartes Licht
4.4 Lichtrichtungen
4.5 Available Light
4.6 Lichtmalerei oder Lightpainting
4.7 Nacht
4.8 Kunstlicht
4.9 Reflexion
Aufheller und Diffusoren
Polarisation
KURZ und BÜNDIG: Licht
5 Belichtung
5.1 Grundlagen
Verschlusszeit
Blende
ISO-Wert
5.2 Belichtungsmessung
Erfahrungswerte: Sunny 16
TTL-Messung
Externer Belichtungsmesser
Neutralgrau
Lichtwert (LW, EV)
Kontrastumfang
Auf die Lichter belichten
Überbelichtung
Unterbelichtung
5.3 Belichtungsautomatiken
Auto-ISO
Zeitautomatik (Blendenvorwahl)
Blendenautomatik (Zeitvorwahl)
Programmautomatik
Motivprogramme und Vollautomatik
5.4 Belichtungsmessarten
Integralmessung
Mittenbetonte Messung, Selektivmessung
Mehrfeld- oder Matrixmessung
Spotmessung
Live View
5.5 Belichtungskorrekturen
Messwertspeicherung (AE-L)
Manuelle Belichtungskorrektur
Belichtungskorrektur nach Farbe
Das Zonensystem nach Ansel Adams
High Key
Low Key
Gegenlicht
Belichtungsreihen
5.6 Langzeitbelichtung
Spiegelvorauslösung
Rauschunterdrückung
Pushen (ISO-Erweiterung)
5.7 HDR – High Dynamic Range
Aufnahmen für HDR
HDR-Software
HDR selbst gemacht
5.8 Mehrfachbelichtung
KURZ und BÜNDIG: Belichtung
6 Blitzfotografie
6.1 Grundlagen
Technik
Leitzahl
Interner Blitz
Externe Aufsteckblitze
6.2 Blitzmodi
Manuell
Blitzinterne Automatik
Kameraautomatik TTL
Kurzzeitsynchronisation (HSS)
Stroboskopeffekt
Blitzen auf den ersten und zweiten Verschlussvorhang
6.3 Blitzbelichtungskorrektur
6.4 Der Blitz in den Kameramodi
6.5 Blitzlicht steuern
Indirekt blitzen
Zoomreflektor kreativ nutzen
6.6 Blitz entfesseln
Blitzen mit mehreren Blitzgeräten
Wanderblitz bei Langzeitbelichtung
Farbig filtern
Fernauslösung
6.7 Kurzzeitfotografie
6.8 Lichtformer für Systemblitze
Schirme
Speziallösungen
6.9 Studioblitze
Blitzleistung
Blitzköpfe, Generatoren und Kompaktblitze
Ringblitze
Spots
Studioblitze draußen verwenden
6.10 Lichtformer im Studio
Reflektoren
Waben
Softboxen
6.11 Licht setzen: Im Fotostudio und draußen
Lichtbeispiel mit Aufheller und Abschatter
Lichtbeispiel »Modellauto«
Hintergründe im Studio
Tipps und günstige Lösungen
Lichtbeispiel »Porträt draußen«
6.12 Blitzprobleme lösen
KURZ und BÜNDIG: Blitzfotografie
7 Bildgestaltung
7.1 Grundlagen
Kunstgeschichte
Wahrnehmungspsychologie
Das menschliche Auge
Regeln brechen
7.2 Qualitätskriterien
Was schlechte Bilder ausmacht
Merkmale guter Bilder
7.3 Bildformat
Querformat
Hochformat
Quadrat
Extreme Formate und Panoramen
Bildgröße
7.4 Kontrast
7.5 Abstraktion
7.6 Farbe
7.7 Form
7.8 Größe
7.9 Menge
7.10 Bildaufbau
Blickführung
Diagonale
Horizont
Symmetrie
Muster
Dreieck
Punkte
Goldener Schnitt
Goldene Spirale
Drittelregel
Dynamischer oder statischer Aufbau
Einfachheit
Beschnitt
7.11 Perspektive
Vorder- und Hintergrund
Fluchtpunkt
7.12 Bildreihen
Serien
Sequenzen
7.13 Der Einfluss der Technik
KURZ und BÜNDIG: Bildgestaltung
8 Farbe
8.1 Was ist Farbe?
Wahrnehmungsunterschiede
Farbsehen: das Auge
Additive Farbmischung
Subtraktive Farbmischung
Farbtemperatur
Farbsättigung
8.2 Farbwirkung
Rot
Gelb
Grün
Cyan
Blau
Magenta
Unbunte Bilder
8.3 Farbstimmung
Kunstlicht
Blaue Stunde
Farbiges Licht
Monochrome Bilder
8.4 Farbkontrast
Kalt-Warm-Kontrast
Komplementärkontrast
Quantitäts- und Qualitätskontrast
Simultankontrast
8.5 Farbstich
Entstehung von Farbstichen
Farbstiche vermeiden
Farbstiche beseitigen
Farbstiche nutzen
8.6 Farbmanagement
Wie lässt sich Farbe standardisieren?
Arbeitsfarbräume
Bildschirmkalibrierung
Praxis der Bildschirmkalibrierung
Scannerkalibrierung
Kamerakalibrierung
Druckerkalibrierung
KURZ und BÜNDIG: Farbe
9 Schwarzweiß
9.1 Kurze Geschichte der Schwarzweißfotografie
9.2 Analoge Schwarzweißfotografie
9.3 Digitale Schwarzweißfotografie
Schwarzweiß direkt in der Kamera
Schwarzweiß in der Bildbearbeitung
9.4 Schwarzweiß mit Lightroom und Photoshop
9.5 Schwarzweiß farbig filtern
9.6 Kontrast
9.7 Gradation
9.8 Abwedeln und Nachbelichten
9.9 Tonen
9.10 Ausgabe
KURZ und BÜNDIG: Schwarzweiß
10 Motive
10.1 Vorbemerkungen
10.2 Porträt- und Peoplefotografie
Mit Models arbeiten
Klassisches Porträt
Porträt im Raum
Gruppenfotos
Der menschliche Faktor
10.3 Aktfotografie
10.4 Modefotografie
10.5 Sportfotografie
10.6 Landschaftsfotografie
Weitwinkelperspektive
Teleperspektive
Panorama
Infrarotfotografie
10.7 Naturfotografie
Tierfotografie
Makrofotografie
10.8 Reportage
Schnelligkeit
Geschichten erzählen
Dokumentarfotografie
10.9 Reisefotografie
Ausrüstung optimieren
Kulturelle Unterschiede achten
Nicht Hinterherlaufen
10.10 Architekturfotografie
Stürzende Linien
Standpunkt
Innenräume
10.11 Fotografieren bei Nacht
Langzeitbelichtungen
Kontraste bewältigen
10.12 Available Light
10.13 Stillleben
Licht
Tricks der Studiofotografen
10.14 Unterwasserfotografie
10.15 Fotografie als Kunst
10.16 Fotorecht
KURZ und BÜNDIG: Motive
11 Video
11.1 Einführung
11.2 Gestaltung
11.3 Technische Grundlagen
Bildwiederholrate
Auflösung
Komprimierung
Codecs
Bitrate
Raw (CinemaDNG)
HDR-Video
11.4 Bildfehler
Ruckeln
Thermische Probleme
Moiré
Banding
Rolling Shutter
Objektivfehler
11.5 Praxis
Licht
Bildstile
Fokus
Ton
Digitalzoom
Zeitraffer
Zeitlupe
11.6 Kameras
KURZ und BÜNDIG: Video
12 Bildbearbeitung
12.1 Vorbemerkungen
12.2 Auswahl der Geräte
Systemfrage: PC, Mac oder Tablet?
Ausstattung des Computers
12.3 Software für Bildbearbeitung
12.4 Beispiel für einen Datenworkflow
12.5 RGB als Arbeitsfarbraum
12.6 Raw-Konvertierung
Kameraprofile
Lightroom: Grundeinstellungen
Bildbearbeitung in Lightroom
Objektiv- und Perspektivkorrektur mit Lightroom
Raw-Dateien mit Lightroom exportieren
12.7 Bildbearbeitung in Photoshop
Tonwertkorrektur
Gradationskurve
Camera-Raw-Filter
Farbton/Sättigung
Farbbalance
Selektive Farbkorrektur
Retuschieren
12.8 Scharfzeichnen
Beim Export
Beim Skalieren
Unscharf maskieren
12.9 Panorama
12.10 HDR
12.11 Dateiformate
JPEG in der Digitalkamera
Raw
In Photoshop
TIFF
JPEG als Ausgabeformat
12.12 Metadaten
Exif-Standard
IPTC-Daten
XMP-Daten
DPOF-Standard
Geotagging
KURZ und BÜNDIG: Bildbearbeitung
Danksagung
Glossar
Index

Citation preview

Liebe Leserin, lieber Leser, manches in der Fotografie ist seit Jahren praktisch unverändert – denken Sie an die Regeln der Bildgestaltung und die Farbenlehre. Anderes hingegen verändert sich gerade schnell, wie die Entwicklung hin zu spiegellosen Kameras und die Verschmelzung von Fotografie und Film. Es zeichnet ein Standardwerk wie dieses Buch von Christian Westphalen aus, dass es alle Aspekte moderner Fotografie zusammenbringt und auf das Wesentliche zurückführt: Die Idee, sich selbst mit Bildern auszudrücken und anderen Menschen etwas zu erzählen. Je mehr Sie über Ihre Kamera und Ihre weitere Ausrüstung wissen, über die Zusammenhänge von Blende, Verschlusszeit und ISO-Wert, über Licht und Farbe, über Motive und die vielfältigen Möglichkeiten der Bildgestaltung, desto eher werden Ihre Bilder genau so werden, wie Sie sich das vorstellen. Christian Westphalen arbeitet seit vielen Jahren als Fotograf, Fototrainer und Fachbuchautor und versteht es, auch komplexe Zusammenhänge anschaulich und verständlich zu vermitteln. Die Bilder, die er für dieses umfassende Handbuch ausgewählt hat, stammen aus den unterschiedlichsten Genres und geben Ihnen einen Einblick in die vielfältige Welt der digitalen Fotografie. Lassen Sie sich davon inspirieren, und nutzen Sie auch seine Anregungen für die Fotopraxis am Ende der einzelnen Kapitel. Dort hat er kurz und bündig das Wichtigste eines jeden Themas für Sie zusammengefasst und gibt Ihnen »kreative Anschubser«. Dabei ist es übrigens egal, mit was für einer Kamera Sie fotografieren: Von den zahlreichen Einschätzungen, Empfehlungen und Tipps des Autors werden Sie in jedem Fall profitieren! Zusätzlich finden Sie im Download-Bereich unter www.rheinwerkverlag.de/4942 Informationen zu weiterführenden Themen sowie alle Beispielbilder aus den Schritt-Anleitungen dieses Buches. Sollten Sie Fragen oder Anmerkungen zu diesem Buch haben, wenden Sie sich bitte an mich. Wir freuen uns über Lob oder konstruktive Kritik, die hilft, dieses Buch besser zu machen. Nun wünsche ich Ihnen aber erst einmal viel Spaß beim Lesen und natürlich beim Fotografieren! Ihr Frank Paschen

Lektorat Rheinwerk Fotografie [email protected] www.rheinwerk-verlag.de Rheinwerk Verlag · Rheinwerkallee 4 · 53227 Bonn

Auf einen Blick Einführung  ................................................................................ 19 1 Kamera  ............................................................................... 25 2 Objektive  ........................................................................... 107 3 Schärfe  . .............................................................................. 187 4 Licht  .................................................................................... 221 5 Belichtung  ......................................................................... 261 6 Blitzfotografie  . ................................................................. 317 7 Bildgestaltung  .................................................................. 375 8 Farbe  ................................................................................... 437 9 Schwarzweiß  ..................................................................... 477 10 Motive  ................................................................................ 507 11 Video  ................................................................................... 583 12 Bildbearbeitung  ............................................................... 631 Glossar  ....................................................................................... 696

Inhalt Vorwort  . .................................................................................. 17 Einführung  ............................................................................... 19

1

Kamera  ...................................................................... 25

1.1

Der Ursprung: die Lochkamera  ...................................... 25

1.2

Anfänge der Fotografie  .................................................. 28

1.3

Grundaufbau der Kamera  ............................................... 30

1.4

Grundlagen des digitalen Bildes  .................................... Digitale Technik  . ............................................................ Pixel  .............................................................................. Auflösung  ...................................................................... Interpolation  .................................................................. Farbtiefe und Bittiefe  . .................................................... Farbräume  .....................................................................

30 31 34 34 35 36 37

1.5

Sensor  ........................................................................... Bayer-Muster  ................................................................. Sensoraufbau  ................................................................. Sensortypen  ................................................................... Auflösungsgrenze des Auges  ........................................... Sensorgrößen  .................................................................

38 40 41 42 44 45

1.6

Verschluss  ..................................................................... 48

1.7

Kameratypen  ................................................................. Eine kurze Geschichte der Kleinbildkamera  . .................... Spiegellose Systemkamera (DSLM)  .................................. Digitale Spiegelreflexkamera (DSLR)  ................................ Vor- und Nachteile von Spiegellosen und DSLRs  .............. Die Kameraklassen der Systemkameras  ............................ Kompaktkamera  ............................................................. Kompaktkamera mit großem Sensor  ................................ Bridge-Kamera  ............................................................... Smartphone  ................................................................... Action-Kamera  ............................................................... Drohnen  ........................................................................ Mittelformatkamera  . ...................................................... Großbildkamera  .............................................................

1.8

Konfiguration und Wartung der Kamera  . ....................... 77 Dateieinstellungen: Raw oder JPEG?  . .............................. 77 Bildeinstellungen  ............................................................ 77

50 50 52 53 56 57 62 64 65 65 67 69 70 74

Livebild-Modus  .............................................................. Histogramm und Überbelichtungswarnung  ...................... Individualfunktionen  ...................................................... Weitere Anpassungen  ..................................................... Firmwareupdate   ............................................................ Staub auf dem Sensor  .....................................................

79 80 81 82 83 84

1.9

Zubehör  ........................................................................ Speichermedien  ............................................................. Stromversorgung  ............................................................ Stativ  ............................................................................. Fernauslöser  . ................................................................. Fototasche  .....................................................................

88 88 90 92 94 95

1.10

Bildübertragung und Backup  ......................................... Per Kabel oder Kartenleser  . ............................................ Auf einen mobilen Bildspeicher   . .................................... Per WLAN  . .................................................................... Backup  ..........................................................................

98 98 98 99 99

KURZ & BÜNDIG:  Kamera  . ..................................................... 102

2

Objektive  .................................................................. 107

2.1

Grundlagen  ................................................................... 107 Brennweite und Bildwinkel  ............................................. 107 Cropfaktor  ..................................................................... 112 Perspektive  .................................................................... 113 Blende  ........................................................................... 115 Lichtstärke  ..................................................................... 119 Farbzeichnung  . .............................................................. 121 Bokeh  ............................................................................ 121

2.2

Abbildungsfehler  ........................................................... 122 Schärfefehler: sphärische Aberration und Koma  ............... 123 Bildfeldwölbung  ............................................................. 124 Dezentrierung  ................................................................ 125 Farbfehler: chromatische Aberration (CA)  ........................ 125 Farblängsfehler (LoCA)  ................................................... 126 Purple Fringing  . ............................................................. 126 Reflexionen  . .................................................................. 127 Streulicht  ....................................................................... 128 Vignettierung  ................................................................. 129 Verzeichnung  ................................................................. 130

2.3

Objektivgüte einschätzen  .............................................. 132 MTF-Kurven  . ................................................................. 132 Objektive testen  . ........................................................... 135

2.4

Objektivtypen und Anwendungsbeispiele  . .................... 138 Fisheye-Objektive  .......................................................... 140 Ultraweitwinkelobjektive  ................................................ 142 Weitwinkelobjektive  . ..................................................... 143 Normal- oder Standardobjektive  ..................................... 145 Leichte Teleobjektive (Porträttele)  ................................... 146 Makroobjektive  .............................................................. 148 Teleobjektive  . ................................................................ 152 Spiegelteleobjektive  ....................................................... 153 Ultrateleobjektive  ........................................................... 154 Tilt-Shift-Objektive  ......................................................... 156 Umgekehrte Telekonverter  .............................................. 160 Zoomobjektive  ............................................................... 160

2.5

Objektiv-Features und Zubehör  ..................................... 165 Fremdobjektive am Adapter  . .......................................... 165 Bildstabilisator  . .............................................................. 167 Ultraschall-Autofokusmotor  ............................................ 168 Firmware  ....................................................................... 169 Beugungsoptik (DO/PF)  .................................................. 169

2.6

Objektivfilter  . ............................................................... 170 UV-Filter und Schutzfilter  ............................................... 170 Polarisationsfilter  ............................................................ 173 Verlaufsfilter  . ................................................................. 174 Graufilter oder Neutraldichtefilter  ................................... 175 Filtertypen  ..................................................................... 176

2.7

Empfehlungen für Fotografentypen  . .............................. 177 Einsteigen, Geld sparen und Spaß haben  ......................... 177 Für Allrounder  . .............................................................. 178 Wenn es schnell gehen muss  .......................................... 179 Available Light professionell  ............................................ 180 Raus in die Natur  ........................................................... 181

KURZ & BÜNDIG:  Objektive  ................................................... 184

3

Schärfe  . ..................................................................... 187

3.1

Auflösung und Nyquist-Grenze  ...................................... 187

3.2

Kontrast  ........................................................................ 188

3.3

Schärfentiefe und Blende  . ............................................. 188 Hyperfokale Entfernung  .................................................. 193 Unschärfe im Sucherbild  ................................................. 195

3.4

Beugungsunschärfe  ....................................................... 196

3.5

Verwackeln  . .................................................................. 197

3.6

Bewegungsunschärfe  ..................................................... 199

3.7

Autofokus (AF)  .............................................................. 201 Phasenvergleich  ............................................................. 202 Kontrastmessung  ............................................................ 204 Hybrid-AF  ...................................................................... 204 Autofokusmodi  .............................................................. 205 Fokusabweichung durch Kamerabewegung  . .................... 208 Autofokustest (Backfocus, Frontfocus)  ............................. 209

3.8

Manuelle Fokussierung  . ................................................ 210

3.9

Rauschunterdrückung und Schärfeverlust  ...................... 212

3.10 Schärfe nach Scheimpflug  .............................................. 214 KURZ & BÜNDIG:  Schärfe  ....................................................... 218

4

Licht  ........................................................................... 221

4.1

Grundlagen  ................................................................... 221 Was ist Licht?  ................................................................. 221 Brechung  ....................................................................... 222 Beugung  ........................................................................ 223 Reflexion  ....................................................................... 224 Licht und Auge  . ............................................................. 224 Licht und Digitalkamera  .................................................. 225

4.2

Weißabgleich  ................................................................ 226 Automatischer Weißabgleich  . ......................................... 226 Manueller Weißabgleich  ................................................. 227 Weißabgleich in der Bildbearbeitung  ............................... 230

4.3

Lichtqualität  .................................................................. 231 Diffuses Licht  ................................................................. 232 Weiches Licht  ................................................................ 234 Hartes Licht  ................................................................... 235

4.4

Lichtrichtungen  ............................................................. 236

4.5

Available Light  . ............................................................. 243

4.6

Lichtmalerei oder Lightpainting  ..................................... 244

4.7

Nacht  ............................................................................ 246

4.8

Kunstlicht  . .................................................................... 248

4.9

Reflexion  ....................................................................... 249 Aufheller und Diffusoren  ................................................ 252 Polarisation  .................................................................... 254

KURZ & BÜNDIG:  Licht  . ......................................................... 258

5

Belichtung  ................................................................ 261

5.1

Grundlagen  ................................................................... 261 Verschlusszeit  . ............................................................... 261 Blende  ........................................................................... 263 ISO-Wert  ....................................................................... 264

5.2

Belichtungsmessung  ...................................................... 265 Erfahrungswerte: Sunny 16  ............................................. 266 TTL-Messung  . ................................................................ 267 Externer Belichtungsmesser  ............................................ 267 Neutralgrau  . .................................................................. 268 Lichtwert (LW, EV)  ......................................................... 269 Kontrastumfang  . ............................................................ 270 Auf die Lichter belichten  . ............................................... 271 Überbelichtung  .............................................................. 274 Unterbelichtung  ............................................................. 276

5.3

Belichtungsautomatiken  ................................................ 278 Auto-ISO  ....................................................................... 279 Zeitautomatik (Blendenvorwahl)  ..................................... 280 Blendenautomatik (Zeitvorwahl)  ..................................... 281 Programmautomatik  ....................................................... 282 Motivprogramme und Vollautomatik  ............................... 283

5.4

Belichtungsmessarten  . .................................................. 284 Integralmessung  ............................................................. 284 Mittenbetonte Messung, Selektivmessung  ....................... 285 Mehrfeld- oder Matrixmessung  ....................................... 286 Spotmessung  ................................................................. 287 Live View  ....................................................................... 288

5.5

Belichtungskorrekturen  ................................................. 289 Messwertspeicherung (AE-L)  . ......................................... 290 Manuelle Belichtungskorrektur  . ...................................... 290 Belichtungskorrektur nach Farbe  ..................................... 291 Das Zonensystem nach Ansel Adams  ............................... 292 High Key  ........................................................................ 297 Low Key  ........................................................................ 297 Gegenlicht  ..................................................................... 298 Belichtungsreihen  ........................................................... 299

5.6

Langzeitbelichtung  ........................................................ 300 Spiegelvorauslösung  ....................................................... 302 Rauschunterdrückung  ..................................................... 303 Pushen (ISO-Erweiterung)  .............................................. 305

5.7

HDR – High Dynamic Range  .......................................... 307 Aufnahmen für HDR  ....................................................... 308 HDR-Software  ................................................................ 309 HDR selbst gemacht  ....................................................... 310

5.8

Mehrfachbelichtung  ...................................................... 312

KURZ & BÜNDIG:  Belichtung  .................................................. 313

6

Blitzfotografie  ......................................................... 317

6.1

Grundlagen  ................................................................... 317 Technik  .......................................................................... 318 Leitzahl  .......................................................................... 318 Interner Blitz  .................................................................. 320 Externe Aufsteckblitze  .................................................... 320

6.2

Blitzmodi  . ..................................................................... 321 Manuell  ......................................................................... 321 Blitzinterne Automatik  .................................................... 322 Kameraautomatik TTL  ..................................................... 323 Kurzzeitsynchronisation (HSS)  ......................................... 325 Stroboskopeffekt  ............................................................ 329 Blitzen auf den ersten und zweiten Verschlussvorhang  ..... 330

6.3

Blitzbelichtungskorrektur  .............................................. 331

6.4

Der Blitz in den Kameramodi  ......................................... 332

6.5

Blitzlicht steuern  ........................................................... 334 Indirekt blitzen  . ............................................................. 334 Zoomreflektor kreativ nutzen  .......................................... 335

6.6

Blitz entfesseln  .............................................................. 336 Blitzen mit mehreren Blitzgeräten  . .................................. 336 Wanderblitz bei Langzeitbelichtung  . ............................... 337 Farbig filtern  .................................................................. 337 Fernauslösung  ................................................................ 339

6.7

Kurzzeitfotografie  .......................................................... 344

6.8

Lichtformer für Systemblitze  .......................................... 346 Schirme  ......................................................................... 347 Speziallösungen  . ............................................................ 349

6.9

Studioblitze  ................................................................... 351 Blitzleistung  ................................................................... 352 Blitzköpfe, Generatoren und Kompaktblitze  . ................... 354 Ringblitze  . ..................................................................... 356 Spots  ............................................................................. 357 Studioblitze draußen verwenden  ..................................... 357

6.10 Lichtformer im Studio  .................................................... 359 Reflektoren  .................................................................... 359 Waben  . ......................................................................... 360 Softboxen  ...................................................................... 361 6.11 Licht setzen: Im Fotostudio und draußen  ....................... 362 Lichtbeispiel mit Aufheller und Abschatter  . ..................... 362 Lichtbeispiel »Modellauto«  ............................................. 365 Hintergründe im Studio  .................................................. 367 Tipps und günstige Lösungen  .......................................... 367 Lichtbeispiel »Porträt draußen«  ....................................... 368 6.12 Blitzprobleme lösen  ....................................................... 370 KURZ & BÜNDIG:  Blitzfotografie  . ........................................... 372

7

Bildgestaltung  ........................................................ 375

7.1

Grundlagen  ................................................................... 375 Kunstgeschichte  ............................................................. 376 Wahrnehmungspsychologie  ............................................ 378 Das menschliche Auge  . .................................................. 380 Regeln brechen  .............................................................. 382

7.2

Qualitätskriterien  .......................................................... 384 Was schlechte Bilder ausmacht  ....................................... 384 Merkmale guter Bilder  .................................................... 388

7.3

Bildformat  ..................................................................... 390 Querformat  . .................................................................. 390 Hochformat  ................................................................... 391 Quadrat  ......................................................................... 392 Extreme Formate und Panoramen  ................................... 393 Bildgröße  ....................................................................... 394

7.4

Kontrast  ........................................................................ 396

7.5

Abstraktion  ................................................................... 398

7.6

Farbe  . ........................................................................... 399

7.7

Form  ............................................................................. 399

7.8

Größe  ............................................................................ 401

7.9

Menge  .......................................................................... 402

7.10

Bildaufbau  ..................................................................... 404 Blickführung  . ................................................................. 405 Diagonale  ...................................................................... 407 Horizont  ........................................................................ 409

Symmetrie  ..................................................................... 410 Muster  . ......................................................................... 411 Dreieck  .......................................................................... 412 Punkte  ........................................................................... 414 Goldener Schnitt  ............................................................ 414 Goldene Spirale  . ............................................................ 415 Drittelregel  .................................................................... 416 Dynamischer oder statischer Aufbau  ............................... 417 Einfachheit  . ................................................................... 420 Beschnitt  ....................................................................... 421 7.11

Perspektive  ................................................................... 422 Vorder- und Hintergrund  ................................................ 423 Fluchtpunkt  ................................................................... 427

7.12

Bildreihen  . .................................................................... 429 Serien  ............................................................................ 430 Sequenzen  ..................................................................... 430

7.13

Der Einfluss der Technik  ................................................ 432

KURZ & BÜNDIG:  Bildgestaltung  ............................................ 433

8

Farbe  .......................................................................... 437

8.1

Was ist Farbe?  ............................................................... 437 Wahrnehmungsunterschiede  . ......................................... 437 Farbsehen: das Auge  . ..................................................... 438 Additive Farbmischung  ................................................... 439 Subtraktive Farbmischung  ............................................... 439 Farbtemperatur  .............................................................. 440 Farbsättigung  ................................................................. 441

8.2

Farbwirkung  .................................................................. 444 Rot  ................................................................................ 444 Gelb  .............................................................................. 445 Grün  . ............................................................................ 446 Cyan  .............................................................................. 447 Blau  ............................................................................... 447 Magenta  ........................................................................ 449 Unbunte Bilder  . ............................................................. 450

8.3

Farbstimmung  ............................................................... 451 Kunstlicht  ...................................................................... 451 Blaue Stunde  . ................................................................ 453 Farbiges Licht  ................................................................. 453 Monochrome Bilder  ....................................................... 455

8.4

Farbkontrast  . ................................................................ 456 Kalt-Warm-Kontrast  ....................................................... 456 Komplementärkontrast  ................................................... 457 Quantitäts- und Qualitätskontrast  ................................... 459 Simultankontrast  ............................................................ 459

8.5

Farbstich  ....................................................................... 460 Entstehung von Farbstichen  ............................................ 460 Farbstiche vermeiden  ..................................................... 461 Farbstiche beseitigen  ...................................................... 461 Farbstiche nutzen  ........................................................... 462

8.6

Farbmanagement  . ......................................................... 463 Wie lässt sich Farbe standardisieren?  ............................... 463 Arbeitsfarbräume  . .......................................................... 464 Bildschirmkalibrierung  .................................................... 466 Praxis der Bildschirmkalibrierung  ..................................... 467 Scannerkalibrierung  ........................................................ 471 Kamerakalibrierung  ........................................................ 472 Druckerkalibrierung  ........................................................ 473

KURZ & BÜNDIG:  Farbe  . ........................................................ 474

9

Schwarzweiß  ........................................................... 477

9.1

Kurze Geschichte der Schwarzweißfotografie  ................. 477

9.2

Analoge Schwarzweißfotografie  ..................................... 480

9.3

Digitale Schwarzweißfotografie  ..................................... 481 Schwarzweiß direkt in der Kamera  . ................................. 482 Schwarzweiß in der Bildbearbeitung  ................................ 483

9.4

Schwarzweiß mit Lightroom und Photoshop  .................. 484

9.5

Schwarzweiß farbig filtern  ............................................. 490

9.6

Kontrast  ........................................................................ 493

9.7

Gradation  ...................................................................... 495

9.8

Abwedeln und Nachbelichten  ........................................ 496

9.9

Tonen  ............................................................................ 499

9.10 Ausgabe  ........................................................................ 500 KURZ & BÜNDIG:  Schwarzweiß  .............................................. 504

10

Motive  ....................................................................... 507

10.1 Vorbemerkungen  ........................................................... 507 10.2 Porträt- und Peoplefotografie  ........................................ 507 Mit Models arbeiten  ....................................................... 509 Klassisches Porträt  .......................................................... 511 Porträt im Raum  ............................................................. 512 Gruppenfotos  . ............................................................... 514 Der menschliche Faktor  .................................................. 514 10.3 Aktfotografie  ................................................................. 516 10.4 Modefotografie  ............................................................. 519 10.5 Sportfotografie  .............................................................. 520 10.6 Landschaftsfotografie  .................................................... 523 Weitwinkelperspektive  ................................................... 524 Teleperspektive  .............................................................. 525 Panorama  . ..................................................................... 527 Infrarotfotografie  ............................................................ 530 10.7 Naturfotografie  . ............................................................ 532 Tierfotografie  ................................................................. 533 Makrofotografie  ............................................................. 537 10.8 Reportage  ..................................................................... 544 Schnelligkeit  . ................................................................. 544 Geschichten erzählen  ..................................................... 545 Dokumentarfotografie  .................................................... 547 10.9 Reisefotografie  .............................................................. 549 Ausrüstung optimieren  ................................................... 550 Kulturelle Unterschiede achten  ....................................... 552 Nicht Hinterherlaufen  . ................................................... 553 10.10 Architekturfotografie  ..................................................... 554 Stürzende Linien  ............................................................ 555 Standpunkt  .................................................................... 556 Innenräume  ................................................................... 558 10.11 Fotografieren bei Nacht  ................................................. 560 Langzeitbelichtungen  . .................................................... 562 Kontraste bewältigen  ...................................................... 565 10.12 Available Light  . ............................................................. 566 10.13 Stillleben  ....................................................................... 568 Licht  .............................................................................. 569 Tricks der Studiofotografen  ............................................. 571

10.14 Unterwasserfotografie  ................................................... 572 10.15 Fotografie als Kunst  . ..................................................... 573 10.16 Fotorecht  ...................................................................... 575 KURZ & BÜNDIG:  Motive  ....................................................... 579

11

Kapitel 11:  Video  .................................................. 583

11.1

Einführung  .................................................................... 583

11.2 Gestaltung  .................................................................... 586 11.3 Technische Grundlagen  .................................................. 591 Bildwiederholrate  ........................................................... 591 Auflösung  ...................................................................... 593 Komprimierung  .............................................................. 594 Codecs  .......................................................................... 597 Bitrate  ........................................................................... 598 Raw (CinemaDNG)  . ....................................................... 599 HDR-Video  .................................................................... 601 11.4 Bildfehler  ...................................................................... 601 Ruckeln  ......................................................................... 601 Thermische Probleme  ..................................................... 602 Moiré  ............................................................................ 603 Banding  ......................................................................... 604 Rolling Shutter  ............................................................... 605 Objektivfehler  ................................................................ 606 11.5 Praxis  ............................................................................ 607 Licht  .............................................................................. 608 Bildstile  . ........................................................................ 611 Fokus  . ........................................................................... 613 Ton  ................................................................................ 614 Digitalzoom  ................................................................... 618 Zeitraffer  . ...................................................................... 619 Zeitlupe  ......................................................................... 623 11.6 Kameras  ........................................................................ 623 KURZ & BÜNDIG:  Video  ......................................................... 628

12

Bildbearbeitung  . .................................................... 631

12.1 Vorbemerkungen  ........................................................... 631 12.2 Auswahl der Geräte  ....................................................... 632 Systemfrage: PC, Mac oder Tablet?  .................................. 632 Ausstattung des Computers  ............................................ 634

12.3 Software für Bildbearbeitung  ......................................... 636 12.4 Beispiel für einen Datenworkflow  .................................. 638 12.5 RGB als Arbeitsfarbraum  . .............................................. 640 12.6 Raw-Konvertierung  ....................................................... 642 Kameraprofile  ................................................................ 643 Lightroom: Grundeinstellungen   . .................................... 644 Bildbearbeitung in Lightroom  . ........................................ 646 Objektiv- und Perspektivkorrektur mit Lightroom  . ........... 648 Raw-Dateien mit Lightroom exportieren  . ........................ 649 12.7 Bildbearbeitung in Photoshop  ....................................... 651 Tonwertkorrektur  ........................................................... 651 Gradationskurve  ............................................................. 653 Camera-Raw-Filter  ......................................................... 655 Farbton/Sättigung  .......................................................... 657 Farbbalance  ................................................................... 659 Selektive Farbkorrektur  ................................................... 661 Retuschieren  .................................................................. 663 12.8 Scharfzeichnen  .............................................................. 666 Beim Export  ................................................................... 666 Beim Skalieren  ............................................................... 666 Unscharf maskieren  ........................................................ 667 12.9 Panorama  ...................................................................... 669 12.10 HDR  .............................................................................. 673 12.11 Dateiformate   ................................................................ 675 JPEG in der Digitalkamera  ............................................... 676 Raw   .............................................................................. 677 In Photoshop  ................................................................. 679 TIFF  ............................................................................... 680 JPEG als Ausgabeformat  . ................................................ 681 12.12 Metadaten  .................................................................... 682 Exif-Standard  ................................................................. 682 IPTC-Daten  .................................................................... 686 XMP-Daten  .................................................................... 687 DPOF-Standard  .............................................................. 688 Geotagging  .................................................................... 688 KURZ & BÜNDIG:  Bildbearbeitung  . ........................................ 690 Danksagung  . ............................................................................ 694 Glossar  ..................................................................................... 697 Index  ....................................................................................... 711

Die Villa La Brise in Roscoff. Ihre etwas übertriebene Gestaltung lässt sie ein wenig nach Filmkulisse aussehen.

45 mm | f10 | 1/110 s | ISO 100 | Mittelformat

Vorwort 2010 wollte ich mit der ersten Ausgabe der »Großen Fotoschule« das Foto­ lehrbuch schreiben, das ich mir selbst gewünscht hatte, als ich ernsthaft mit der Fotografie begann: umfassend, auch die Gestaltung berücksichtigend und auf dem aktuellen Stand der Technik. Wie schnell der Stand der Technik voranschreitet, merke ich an dem, was ich seit der dritten Auflage vor drei Jahren ändern, hinzufügen und löschen musste. Sie brauchen aber nicht technisch immer auf dem neuesten Stand zu sein, denn viele der für die Fotografie wesentlichen Grundlagen haben sich in den letzten hundert Jahren kaum verändert. Ich möchte Ihnen ein grundlegendes Verständnis vermitteln, das Sie in Ihrer fotografischen Arbeit weiterbringt, Ihnen hilft, auftretende Schwierigkeiten selbst zu lösen sowie kommende Entwicklungen einzuschätzen und für sich nutzbar zu machen. Über Neuigkeiten, die nach dem Erscheinen dieses Buches wichtig werden, halte ich Sie unter https://fotoschule.westbild.de auf dem Laufenden. Nach Ende dieses Absatzes werde ich mein Laptop zuklappen, das Zelt schließen, meine Kamera nehmen und das Abendlicht in Mers-les-Bains nutzen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen – aber vor allem beim Fotografieren. Wenn das Licht passt, sollten auch Sie lieber rausgehen und Eindrücke mit Ihrer Kamera sammeln, zum Lesen bleibt genug Zeit. Christian Westphalen

Einführung

Sie halten die 4., aktualisierte und überarbeitete Auflage der Großen Fotoschule in der Hand. Die letzte Auflage erschien im Herbst 2016 und ist in manchen technischen Details bereits veraltet, denn die digitale Video- und Fototechnik hat sich stark weiterentwickelt. Dieses Buch habe ich für Sie geschrieben, wenn EE Sie eine digitale Spiegelreflexkamera oder spiegellose Systemkamera besitzen oder anschaffen möchten, EE Sie die Grundlagen der Fotografie erlernen, vertiefen oder auf den aktuellen Stand bringen wollen. Wie ich aus Rückmeldungen meiner Leser erfahren habe, wird die Große Fotoschule im Fotostudium oder in der fotografischen Ausbildung auch als Lehrbuch oder Empfehlung zum Selbststudium verwendet. Das freut mich und verdeutlicht, dass die Große Fotoschule auch dem Leser noch etwas bringen kann, der sich schon intensiv mit der Fotografie auseinandergesetzt hat. Ziel des Buches ist es, Ihnen ein solides Grundverständnis der Digitalfotografie zu vermitteln und Ihnen Anregungen für eigene Arbeiten zu liefern. Das Buch ist auch für Anfänger geeignet, da die Erklärungen wirklich bei den Anfängen beginnen. Es ist aber auch so umfassend und weitgehend, dass manche Profifotografen ihr Wissen damit noch vertiefen können. Etliche Querverweise und selten eine Wiederholung ermöglichen es Ihnen, die Kapitel einzeln oder in anderer Reihenfolge zu lesen. Die insgesamt zwölf Kapitel bieten eine Mischung aus Technik, Gestaltung, Praxis und ein wenig Theorie. In der Seitenspalte finden Sie Begriffserklärungen und Zusatzinformationen. Für die Schritt-für-Schritt-Anleitungen – insbesondere im Kapitel »Bildbearbeitung« – stehen Ihnen alle benötigten Materialien im Download-Bereich (siehe Seite 23) zur Verfügung. Unter den meisten Bildern finden Sie die Aufnahmedaten. Diese beziehen sich, sofern nicht anders angegeben, auf das Vollformat, also eine Sensorgröße von 24 × 36 mm.

FFF Abbildung 1 Ein kleiner verwitterter Zweig erinnert visuell an einen Baum.

35 mm | ƒ8 | 1/400 s | ISO 100

Wichtig! Die Aufnahmedaten zu den Abbildungen im ganzen Buch beziehen sich immer auf das Vollformat, ansonsten wird das Sensorformat gesondert aufgeführt.

Einführung  |  19

HH Abbildung

2 Eine alte, analoge Kamera mit einem Dia darin und einem Blitz dahinter warf dieses »Moin!« an die Hauswände.

28 mm | ƒ2 | 1/10 s | ISO 640 | ein funkgesteuerter Blitz

20  |  Einführung

Wir leben in einer verrückten Zeit, in dreißig Sekunden werden heute ungefähr so viele Bilder gemacht wie im gesamten 19. Jahrhundert, 2017 wurden davon schon 85 % mit Telefonen aufgenommen, Tendenz steigend. Ihre Digitalkamera gleicht in ihrer Rechenleistung einem Großrechner von vor zwanzig Jahren. Sie braucht dafür aber kein eigenes Kraftwerk und auch nicht so viel Platz, sondern kommt mit einem Akku von der Größe einer Filmpatrone aus. Zu behaupten, Ihre Digitalkamera wäre ein kleines technisches Wunder, wäre stark untertrieben. Vielmehr stecken einige große Wunder in ihr. Über jedem der zig Millionen Pixel befinden sich ein Farbfilter und eine kleine Linse. Ein Bildstabilisator reagiert so schnell, dass er das Bild innerhalb winziger Toleranzen stabil halten kann, und auf eine Speicherkarte passt heute tausendmal mehr als vor zehn Jahren – und das zu einem günstigeren Preis. Fotografie war noch nie so einfach, und zugleich gab es noch nie so viel über sie zu wissen. Als ich 1991 anfing, Fotografie zu studieren, gab es Digitalkameras praktisch nur in den Labors der Forschung, Autofokus spielte noch keine große Rolle, und Bildstabilisatoren waren noch nicht erfunden. Photoshop war gerade erst in Version 1.0 auf den Markt gekommen und konnte noch fast nichts. Gegen Ende meines Studiums half ich, an meiner Hochschule den Bereich der elektronischen Bildbearbeitung aufzubauen und meinen Mitstudenten Photoshop beizubringen, weil ich einer der wenigen meines Jahrgangs war, die sich schon früh intensiv mit Computern auseinandergesetzt hatten. Neben der Fotografie waren die ersten Jahre im Beruf auch davon geprägt, Fotografen zu schulen, Farbmanagement bei Zeitungen einzuführen und große Unternehmen beim Umgang mit ihren wachsenden digitalen Bildbeständen zu beraten. Innerhalb von ein paar Jahren gab es eine Revolution in der Fotografie, die große Firmen, die die Umstellung nicht rechtzeitig geschafft oder schlicht versäumt hatten, sogar in die Pleite trieb, aber auch neue entstehen ließ. Vieles von dem, was Sie eventuell schon zu Zeiten der analogen Fotografie gelernt haben, ist heute nicht mehr wahr, anderes ist fast zeitlos. Das klassische

Auf-die-Schatten-Belichten stimmt z. B. nicht mehr, und bei der Aufnahme können Sie vieles vernachlässigen, was früher wichtig war, weil es sich perfekt in der Nachbearbeitung erledigen lässt. Für Panoramen benötigen Sie keine Spezialkameras mehr, für Zeitraffer auch nicht, Sie können die Schärfentiefe und den Dynamikumfang ausweiten. Und alles ist so einfach, dass ein Amateur sich problemlos einarbeiten kann. Das hat der Fotografie gutgetan, es ist einfacher geworden, gute Bilder aufzunehmen. Wenn Sie sich z. B. eine Ausgabe von »GEO« aus den 1980er-Jahren anschauen, dann werden Sie feststellen, dass das fotografische Niveau nicht so hoch war wie heute. Das liegt nicht daran, dass die Fotografen schlechter waren, sondern dass es viel schwieriger war, bestimmte Aufnahmen »in den Kasten zu kriegen«. Wer einmal mit einem Supertele ohne Autofokus gearbeitet hat oder bestimmte, komplizierte fotografische Aufgaben ohne Polaroids für eine Kontrolle erstellen musste, weiß, was ich meine. Ich kann heute Bilder erzeugen, die mir in den 1990er-Jahren nicht möglich gewesen wären, einfach, weil die technischen Mittel noch nicht vorhanden waren. Jedes Jahr kommen neue Möglichkeiten hinzu, wie z. B. die Fernsteuerung über WLAN, Blitzautomatik über Funk, kleine Action- und 360°-Kameras und Drohnen, um sie in die Luft zu bringen. Das erste iPhone kam in Europa erst Ende 2007 auf den Markt. Inzwischen haben Smartphones einfache Kompaktkameras praktisch komplett verdrängt und der Kameramarkt weicht qualitativ

GG Abbildung

3 Dass dieses Bild dreidimensional wirkt, liegt außer am Licht auch an den Abbildungseigenschaften des verwendeten Objektivs.

50 mm | ƒ0,95 | 1/8000 s | ISO 100 | Mitakon Speedmaster 50 mm ƒ0,95 II

Einführung  |  21

GG Abbildung

4 Vor 90 Jahren entsprach die auf der alten Werbung auf Teneriffa abgebildete Kamera noch dem aktuellen Stand.

24 mm | ƒ10 | 1/125 s | ISO 100

22  |  Einführung

nach oben aus. Auch wenn einem die Entwicklung manchmal langsam erscheinen mag, in den letzten drei Jahren hat sich viel getan. Spiegellose Vollformatkameras etwa sind von einer Nische zum wichtigsten Marktbestandteil herangewachsen, vor drei Jahren hätte ich eine Spiegellose nur als Zweitkamera mit zum Job genommen, heute sind sie DSLRs in fast allen Belangen mindestens ebenbürtig. Die ersten Auswirkungen der künstlichen Intelligenz werden auch im fotografischen Bereich schon spürbar, wenn ihre Kamera automatisch auf Tieraugen scharfstellen kann, Facebook und Flickr Ihre Bilder automatisch verschlagworten können oder Google Fotos sich Bilder aus Ihrem Fotostream heraussucht, um automatisiert Kollagen, Animationen, Panoramen oder andere Bearbeitungen daraus zu erstellen. Auf der anderen Seite gibt es heute auch viel mehr Bilder, die einfach nachfotografiert werden, wenn man sie auf Instagram gesehen hat. Das betrifft nicht nur oft eher schwache gestalterische Moden, sondern auch konkrete Orte, an denen Sie heute manchmal deswegen schon Schlange stehen müssen, um Ihr Instagram-Bild ebenfalls zu erhalten. Magazine, die große Fotoreportagen veröffentlichen, sind seltener geworden, die Verdienstmöglichkeiten bei Bildagenturen sind schlechter geworden. Der technische Fortschritt tut der Fotografie also nicht nur gut, wobei die negativen Aspekte eher mit dem Internet als mit der Digitalkamera zusammenhängen. Die Technik ist kein Selbstzweck, sondern sie soll Ihnen helfen, bessere und andere Bilder zu machen. Sie müssen nicht einmal den großen Teil der Technik verstehen, um ein guter Fotograf zu sein, aber trotzdem kann Ihnen das Verständnis helfen, Ihre Arbeit weiter zu verbessern und neue Themen zu meistern. Das Wesentliche der Fotografie ist nicht technischer Natur, sondern hat mit dem zu tun, was Sie als Mensch anderen Menschen zeigen und erzählen wollen. Je mehr Sie dabei wissen, was Sie tun, desto klarer werden Sie sich ausdrücken können. Dieses Buch soll Ihnen dabei helfen, eine solide Wissensbasis für Ihren eigenen Weg in der Fotografie aufzubauen. Photoshop und Lightroom lassen sich heute sehr viel besser ersetzen als noch vor drei Jahren, viele der Bilder im Buch sind z. B. mit Capture One, Skylum Luminar oder Affinity Photo bearbeitet worden. Trotzdem habe ich mich entschlossen, die Beispiele in den Adobe-Programmen zu belassen, weil sie immer noch am verbreitetsten sind. In der Zwischenzeit habe ich auch ein Buch über Objektive geschrieben. Das werden Sie daran merken, dass auch in der Fotoschule viele Bilder mit 40 oder 50 Jahre alten Objektiven aufgenommen wurden.

Download-Bereich Sie finden im Download-Bereich die Bilder, mit denen Sie die Schritt-für-SchrittAnleitungen im Buch nacharbeiten können. Darüber hinaus können Sie dort zusätzliche Informationen zu Themen wie Lichtformern, Farbmanagement, Bokeh und MTF-Kurven abrufen, die ausführlicher und weitgehender sind, als dies im Buch selbst möglich wäre. Die Testgrafiken aus dem Buch finden Sie dort ebenfalls noch einmal als PDF zum Selbstausdrucken. Um die zusätzlichen Materialien herunterladen zu können, scrollen Sie auf der Webseite zum Buch – www.rheinwerk-verlag.de/4942 – nach unten bis zum Kasten mit dem Reiter »Materialien zum Buch«. Bitte halten Sie Ihr Buchexemplar bereit, damit Sie die Materialien freischalten können. Der Download-Bereich wird regelmäßig aktualisiert, noch häufiger werden Sie allerdings Aktualisierungen in meinem Blog finden, den ich verwende, um meine Leser auf dem Laufenden zu halten und über Entwicklungen zu informieren, die sich nach der Drucklegung meiner Bücher ergeben. Den Blog finden Sie unter https://fotoschule.westbild.de. Alle Programme, die Sie für die Schritt-für-Schritt-Anleitungen benötigen oder die sonst im Buch Erwähnung finden, sind unter https://links.westbild.de aufgeführt. Ebenso gibt es dort ein paar Links zu nützlichen Websites wie z. B. dem Schärfentieferechner.

HH Abbildung

5 Die Fotografie reduziert die Wirk­ lichkeit auf einen Ausschnitt und friert die Zeit ein. Dieses Bild vereinfacht den Blick von der Stadtmauer von St. Malo sehr stark.

200 mm | ƒ5,6 | 1/2500 s | ISO 200 

Einführung  |  23

Kapitel 1:  Kamera Im Prinzip ist eine Kamera nur ein abgedunkelter Raum mit einer Objektivöffnung auf der einen und einer lichtempfindlichen Schicht auf der anderen Seite. Die technische Entwicklung hat aus ihr ein hochkomplexes Hightech-Produkt gemacht, dessen Eigenheiten und Möglichkeiten Sie weitgehend verstehen sollten, um auch in schwierigen Situationen bestmögliche Bilder zu erzielen. Je besser Sie die Bedienung Ihrer Kamera verinnerlicht haben, desto mehr können Sie sich auf das eigentliche Fotografieren und Gestalten konzentrieren.

1.1  Der Ursprung: die Lochkamera Der lateinische Begriff »camera obscura«, auf den unser deutsches Wort »Kamera« zurückgeht, bezeichnet einen dunklen Raum oder eine dunkle Kammer. Tatsächlich braucht es nicht viel mehr, um zu fotografieren. Wenn Sie zum Beispiel einen lichtdichten Schuhkarton nehmen, auf der einen Seite ein kleines Loch hineinstechen und im Dunkeln auf der gegenüberliegenden Seite innen ein Stück Film oder Fotopapier ankleben, so können Sie mit dieser Konstruktion fotografieren.

Abbildung 1.1 Blick in das Innere der Nikon Z7 (Bild: Nikon)

FFF

»Zeichenhilfe« Die Camera obscura war lange Zeit nur eine Zeichenhilfe, weil es keinerlei Möglichkeiten gab, das Bild aus Licht direkt zu fixieren. Vor der Fotografie zeichnete man das Bild auf der Mattscheibe ab oder pauste es durch.

FF Abbildung

1.2 Eine Lochkamera, die ich aus einer alten Kiste gebaut habe. Sie kann gleichzeitig nach vorn und nach hinten fotografieren, da sie in der Mitte eine Trennwand hat.

1.1  Der Ursprung: die Lochkamera  |  25

Abbildung 1.3 E Dieses Bild habe ich mit der Loch­ kamera von der vorigen Seite aufgenommen.

Beugung (Diffraktion) Bei der Beugung handelt es sich um ein physikalisches Phänomen, das unter anderem darauf beruht, dass sich Licht in Wellenform ausbreitet. Je kleiner ein Loch ist, durch das sich das Licht »zwängen« muss, desto unschärfer wird die Abbildung des Lichtpunkts dahinter. Deswegen wird ein Bild etwas unscharf, wenn Sie die Blende (siehe Seite 115 und 196) am Objektiv ganz schließen (etwa auf die Blendenwerte ƒ22 oder ƒ32).

26  |  1  Kamera

Diese Kamera würde allerdings, sobald das Licht wieder angeht, mit der Aufzeichnung des Bildes beginnen. Wenn Sie aber vor dem Loch ein Stück schwarzes Klebeband anbringen, das Sie erst am Ort des Bildmotivs für ein paar Sekunden abnehmen, dann haben Sie einen Verschluss zur Verfügung, der die Kamera überall einsetzbar macht. Je kleiner das Loch ist, desto schärfer wird die Abbildung auf der Filmseite. Das gilt übrigens nur eingeschränkt, denn bei ganz kleinen Blendenöffnungen macht die sogenannte Beugungsunschärfe den Effekt wieder zunichte (siehe den Kasten links unten). Die Lochkamera hat ein paar Nachteile, die eine Weiterentwicklung nahelegten: EE Nach jeder Aufnahme muss aufwendig der Film gewechselt werden. Dies führte zunächst zur Entwicklung lichtdichter Wechselkassetten, dann zu Filmrollen und Filmpatronen, wie Sie sie von der analogen Kleinbildkamera her kennen, und schließlich zum digitalen Bildsensor, der die Bilder auf digitalen Speichern ablegt. EE Durch das kleine Loch der Lochkamera gelangt nur sehr wenig Licht, deswegen muss das lichtempfindliche Material für ein korrekt belichtetes Bild sehr lange Licht sammeln. Um mit einer größeren Öffnung dennoch ein scharfes Bild zu erhalten, setzt man eine Linse ein (beziehungsweise Objektive mit mehreren Linsen). EE Sie sehen vor der Aufnahme das Bild nicht. Als Verbesserung verwendete man daher anfangs auf der Filmebene eine Mattscheibe, auf der das Bild auf dem Kopf stand. Später nutzte man dann einen Spiegel, der das Bild auf eine

Mattscheibe warf, das dann in einem Pentaprisma noch zweimal gespiegelt wurde, damit der Fotograf ein seitenrichtiges, aufrechtes Bild im Sucher erhält. Daher kommt der Name Spiegelreflexkamera. Mit einer Lochkamera zu arbeiten, ist eine fotografische Urerfahrung, die ich Ihnen sehr empfehlen kann. Wenn Sie eine Lochkamera mit allem digitalen Komfort ausprobieren wollen, können Sie Ihre digitale Spiegelreflexkamera mit einfachsten Mitteln zur Lochkamera umbauen (weitere Tipps gibt es natürlich zuhauf im Internet).

Schritt für Schritt: Systemkamera als Lochkamera nutzen Mit den folgenden Schritten machen Sie aus Ihrer Kamera eine Lochkamera. Nach Ihren Experimenten nehmen Sie einfach die Lochblende wieder ab.

1  Kameraschutzdeckel vorbereiten Nehmen Sie den Kameraschutzdeckel Ihrer Kamera (oder, wenn Ihnen das lieber ist, ein entsprechendes Ersatzteil), und drücken Sie mit einem Nagel o. Ä. eine Vertiefung in die Mitte des Deckels.

Mehr zur Lochkamera Auf www.pinhole.org finden Sie jede Menge Informationen und Bilder zum Thema Lochkamera. www.abelardomorell.net zeigt sehr schöne Arbeiten, bei denen ganze Zimmer als Lochkamera dienen. Im Prinzip ist jeder Raum mit einem Fenster eine unscharfe Lochkamera. Achten Sie einmal darauf, wie das Umgebungslicht weich in den Raum abgebildet wird, der Himmel nach unten, der Boden nach oben.

HH Abbildung

1.4 Ein Bild einer digitalen Lochkamera mit Zeitautomatik. Wenn Sie ein kleines und exaktes Loch erzeugen, werden Sie eine bessere Schärfe als in diesem Beispiel erreichen.

1/60 s | ISO 2 000

2  Loch bohren Nehmen Sie einen Bohrer von etwa 12 mm Durchmesser, und bohren Sie ein Loch durch den Deckel, dort, wo Sie die Vertiefung zur Bohrerführung eingedrückt haben. Reinigen Sie das Bohrloch von eventuellen Plastikkrümeln, damit diese später nicht in die Kamera geraten.

3  Loch in Alufolie stechen Nehmen Sie ein Stück Alufolie, und legen Sie sie auf einen Weinkorken oder einen Radiergummi. Drücken Sie mit der dünnsten Nadel, die Sie zur Verfügung haben, ein Loch durch die Alufolie. Der Korken ist dafür da, dass das Loch gleichmäßig wird und die Ränder nicht ausfransen.

1.1  Der Ursprung: die Lochkamera  |  27

4  Alufolie einkleben und optimieren Kleben Sie die Alufolie mit schwarzem Klebeband von innen in den Deckel, sodass das kleine Loch in der Alufolie der einzige Lichteinlass bleibt. Malen Sie mit einem schwarzen Folienschreiber die noch sichtbare Alufolie an, um Reflexionen zwischen dem Sensor und der Folie zu minimieren.

5  Deckel ansetzen und fotografieren Setzen Sie den Deckel an die Kamera, und lösen Sie im Modus Zeitautomatik aus (Av/A). Achten Sie darauf, dass von hinten durch den Sucher kein Licht einfällt. Durch das winzige Loch kommt so wenig Licht, dass das von hinten in den Sucher fallende Streulicht die Messung beeinflusst. K

1.2  Anfänge der Fotografie Bereits 1826 nahm Nicéphore Niépce das erste Foto der Welt auf. Bis zu seinem Tod 1833 entwickelte er die Technik mit Louis Daguerre weiter. 1837 war die Daguerreotypie so weit ausgereift, dass sie kommerziell anwendbar war. Zwei Jahre später kaufte der französische Staat Daguerre seine Erfindung ab und schenkte sie der Welt. Ab 1850 wurde sie langsam von der Positiv-NegativTechnik abgelöst, die bereits 1835 von dem Engländer William Henry Fox Talbot erfunden worden war. Damit war es möglich, einzelne Bilder zu vervielfältigen; vorher war jedes Foto prinzipiell ein Unikat gewesen. Die Fotografie war in ihren Anfangszeiten eine sehr aufwendige Technik, denn für jede einzelne Aufnahme musste man eine eigene schwere Platte mitnehmen. Manche Verfahren verlangten sogar die direkte Bildentwicklung vor Ort, solange die Platte noch feucht war (Kollodium-Nassplatte). Vergrößerungen gab es noch nicht

FF Abbildung

1.5 Blick aus dem Fenster in Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1826

28  |  1  Kamera

Die frühen Meister Wenn Sie sich von den frühen Meistern der Fotografie inspirieren lassen wollen, dann schauen Sie sich beispielsweise Werke von Julia Margaret Cameron, Nadar, Alfred Stieglitz, W. H. F. Talbot, Timothy H. O’Sullivan, Eadweard Muybridge, Frederick H. Evans und Eugène Atget an. Sie finden einige ihrer Werke im Internet, aber am besten stöbern Sie durch die Fotoabteilung einer guten Bibliothek.

GG Abbildung 1.6 Die Mammut-Kamera von George R. Lawrence, 1900

oder sie waren selten, und so musste man für große Abzüge auch große Kameras verwenden. Manche Fotografen erblindeten durch die Quecksilberdämpfe bei der Laborarbeit mit den Daguerreotypien, andere starben sogar daran. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Fotografie eine Beschäftigung für die Massen durch die Verbreitung leichter Rollfilmkameras und durch Labordienstleistungen. Kodak brachte Kameras auf den Markt, die man ins Werk einschicken konnte, sobald der Film voll war, und die man mit neuem Film geladen und mit den Abzügen des letzten Films zurückgeschickt bekam. »You press the button – we do the rest« war Kodaks Werbespruch. Eine Welt ohne Fotografie ist für uns heute kaum noch vorstellbar. Fotografie hat unsere Wahrnehmung verändert, die Kunst- und Kulturgeschichte umgeschrieben und ist eine Basistechnologie für eine Vielzahl von Erfindungen. Schon früh gab es Menschen, die mit ihrer Hilfe Bilder schufen, die weit über die reine Abbildung hinausgingen. Wer sich ernsthaft mit der Fotografie auseinandersetzen möchte, sollte sich auch mit ihrer Geschichte und den Werken der bedeutenden Fotografen seit dem 19. Jahrhundert beschäftigen. Hilfreich ist aber auch eine Beschäftigung mit der Kunstgeschichte im Allgemeinen und der Wahrnehmungspsychologie (siehe dazu auch Kapitel 7, »Bildgestaltung«).

GG Abbildung 1.7 Charles Baudelaire, 1855 fotografiert von Nadar

1.2  Anfänge der Fotografie  |  29

1.3  Grundaufbau der Kamera Wenn man mal von einer Lochkamera absieht, die eine extrem reduzierte Form der Kamera ist, sind praktisch alle Kameras nach demselben Schema aufgebaut: Eine lichtdichte Box 3 hat hinten eine lichtempfindliche Schicht 5 (einen Sensor, früher einen Film) und vorn eine Linse 1 (oder ein Objektiv), die die Lichtstrahlen auf den Sensor bündeln kann. Dazwischen befindet sich ein Verschluss 4 , der die Lichtstrahlen nur während der Verschlusszeit auf den Sensor lässt. Im Objektiv gibt es eine Blende 2 , die den Strahlengang beschneiden kann, um weniger Licht durchzulassen und die Schärfentiefe zu vergrößern. 5 1 2 3 4

Abbildung 1.8 E Grundaufbau einer Kamera

Der Sucher wurde in der Darstellung oben weggelassen. Bei Kompaktkameras ohne Sucher wird das Bild einfach auf ein Display an der Rückseite übertragen und bei Spiegelreflexkameras ragt ein schwenkbarer Spiegel in den Strahlengang, der das Bild in den optischen Sucher reflektiert. Das Objektiv und die Blende werde ich in Kapitel 2, »Objektive«, ab Seite 107 ausführlich behandeln, im Folgenden werde ich den Sensor und den Verschluss erklären. Zuerst aber folgt ein Exkurs über digitale Bilddaten, ohne den die Grundlagen fehlen würden, um die Digitalkameratechnik wirklich zu verstehen.

1.4  Grundlagen des digitalen Bildes Das digitale Bild unterscheidet sich grundlegend vom analogen. Diese Unterschiede sind ganz überwiegend vorteilhaft, sonst hätte sich die digitale Fotografie nicht so schnell durchsetzen können. So können Sie zum Beispiel mit jedem Bild eine Vielzahl zusätzlicher Informationen – die sogenannten Metadaten – speichern. Viele dieser Daten legt die Kamera bereits in der Bilddatei für Sie ab,

30  |  1  Kamera

andere können Sie selbst hinzufügen, um Ihre Bilder suchbar zu machen. Es gibt aber auch ein paar negative Punkte, die Ihnen bewusst sein sollten. Das wird Ihnen leichter fallen, wenn Sie sich mit den Eigenschaften der digitalen Technik vertraut machen. Bei einem Negativfilm können Sie z. B. fast immer die Information in den Lichterbereichen noch weitgehend herausholen, während ein digitaler Sensor einfach ins Weiße abreißt und dort prinzipiell keine Information mehr verfügbar ist. Das Filmkorn erzeugt auch dort eine Illusion von Schärfe, wo das Bild bereits leicht unscharf ist, während ein digitales Bild schnell technisch oder überschärft wirkt, wenn Sie die Bildschärfe zu sehr anheben. Ein großer Teil der positiven Aspekte der analogen Fotografie hängt allerdings auch mit der Bildwirkung der damals verwendeten Objektive zusammen. Und diese können Sie meist problemlos an Ihre Digitalkamera adaptieren, besonders dann, wenn Sie eine spiegellose Kamera verwenden, die immer genügend Platz für den Adapter bietet.

HH Abbildung 1.9 Mit einem starken Makroobjektiv wurde ein Ausschnitt eines TFTMonitors aufgenommen. Sie sehen deutlich die einzelnen Subpixel, die in den drei Farben Rot, Grün und Blau erscheinen. Die verschiedenen Helligkeiten der Pixel erzeugen das Bild.

Digitale Technik Das Wort »digital« leitet sich vom englischen Begriff binary digit ab, das man mit »Binärziffer« übersetzen kann. In einem binären Zahlensystem kann eine Ziffer nur zwei Werte haben, statt der zehn wie in unserem Dezimalsystem. Statt der Ziffern 0 bis 9 gibt es nur 0 und 1. Technisch kann 0 und 1 bedeuten, dass Strom fließt oder nicht, dass etwas aus oder an oder, auf Bilder bezogen, eben schwarz oder weiß ist. Die »Ziffer« im Binärsystem wird als Bit bezeichnet (ein Kunstwort aus binary digit). Wenn Sie mit diesen einzelnen Bits Bilder darstellen wollen, erhalten Sie eine sogenannte Bitmap, bei der die Bildpunkte – die sogenannten Pixel – entweder schwarz oder weiß sind. Im einfachsten Fall ist für die Helligkeit der einzelnen Bildpunkte ein Schwellenwert festgelegt. Unterhalb des Schwellenwerts werden die Bildpunkte schwarz dargestellt und oberhalb davon weiß (siehe Abbildung 1.10).

1.4  Grundlagen des digitalen Bildes  |  31

Ein digitales Bild entsteht  | Der Eindruck eines Bildes, das ausschließlich aus

schwarzen und weißen Flächen besteht, ist natürlich noch wenig fotografisch, aber auch mit nur einem Bit pro Bildpunkt lässt sich der Bildeindruck schon verbessern. Wenn Sie keine absolute Grenze für die Entscheidung »schwarzes oder weißes Pixel« festlegen, sondern nur die Wahrscheinlichkeit für einen weißen Bildpunkt mit wachsender Helligkeit steigen lassen, erhalten Sie ein Zufallsraster, das – aus einiger Entfernung betrachtet – Helligkeitsabstufungen darstellen kann. Diese Technik wird Dithering genannt 2 . Wenn Sie nah an dieses Bild herangehen 3 , sehen Sie, dass es nur aus schwarzen und weißen Punkten besteht. Die Graustufen ergeben sich nur, weil schwarze und weiße Punkte so dicht beieinanderliegen, dass das Auge sie nicht mehr sauber trennen kann und den Helligkeitseindruck mittelt. Um aber echte Graustufen in einer Datei abzubilden, kann man 8 Bit zur Repräsentation eines Grautons verwenden. Abbildung 1.10 E

1 Über einen Schwellenwert für die Helligkeit wird das Bild in schwarze und weiße Bereiche aufgeteilt, ein Effekt, den man in der analogen Fotografie mit Lith-Filmen erreichen konnte. Für diese Darstellung reicht eine Datenmenge von 1 Bit pro Pixel aus. 2 Mithilfe eines Streurasters oder des sogenannten Ditherings lassen sich mehr Helligkeitsabstufungen darstellen. Das Bild kommt aber weiterhin mit 1 Bit pro Pixel aus. In der Vergrößerung 3 sehen Sie sehr gut, dass das unter 2 gezeigte Bild tatsächlich nur schwarze und weiße Pixel enthält. Laserdrucker stellen Graustufen auf eine ähnliche Weise dar. 4 Mit 8 Bit pro Pixel lassen sich 256 Graustufen darstellen. Für das menschliche Auge sind dies schon ausreichend viele, um weiche Verläufe zu ermöglichen.

32  |  1  Kamera

1

2

3

4

Um Farbbilder darstellen zu können, lassen sich drei dieser Graustufenbilder – je eines für Rot, Grün und Blau – zusammennehmen. So ergeben sich 256 3 oder 224  =  16 777 216 Farbabstufungen. Die Zusammenhänge werde ich in Kapitel 8, »Farbe«, ab Seite 437 genauer erklären. Aber schon, wenn Sie sich den stark vergrößerten Ausschnitt eines LCD-Bildschirms ansehen (wie das Foto auf Seite 31), werden Sie ein Gefühl dafür bekommen, wie das Prinzip funktioniert – besonders dann, wenn Sie einige Meter zurückgehen und erneut einen Blick auf das Bild werfen.

F G  Abbildung

1.11 Die Kanäle-Palette von Adobe Photoshop zeigt anschaulich, wie sich ein Farbbild aus drei Graustufenbildern für den roten, grünen und blauen Farbkanal zusammensetzt.

5 GG Abbildung 1.12 Dieses Histogramm zeigt die Häufigkeit der Tonwerte von Schwarz (links) bis Weiß (rechts) an. Hier sehen Sie, dass die Helligkeitsverteilung in Abbildung 1.11 hauptsächlich aus dunkleren Tonwerten besteht.

FF Abbildung 1.13 Die Histogramm-Palette des Farbbilds besteht in der erweiterten Ansicht aus drei Histogrammen für die Farbkanäle Rot, Grün und Blau. Oben wird die Überlagerung der drei Farben angezeigt. Da das rote Histogramm 5 am weitesten in den hellen Bereich ragt und danach das grüne 6 folgt, lässt sich schon erahnen, dass die Farbstimmung des Bildes in Richtung Gelb-Orange geht.

6

1.4  Grundlagen des digitalen Bildes  |  33

Pixel

GG Abbildung

1.14 Dieses Bild besteht aus 600 Pixeln. Wenn Sie die Augen bis auf einen Spalt schließen, erkennen Sie mehr vom Bildinhalt.

Rechteckige Pixel Im Videobereich haben Sie häufiger mit Pixeln zu tun, die nicht quadratisch sind, sondern ein rechteckiges Seitenverhältnis haben. Eigentlich gab es so etwas auch schon zu analogen Zeiten: Cinemascope wurde in der Breite gestaucht aufgenommen und später in der Breite wieder gestreckt projiziert.

Digitale Bilder sind aus einzelnen quadratischen Bildpunkten zusammengesetzt, die Pixel genannt werden. Das Wort Pixel ergibt sich aus dem englischen Begriff picture elements, auf Deutsch »Bildelemente«. Im Idealfall sind die Pixel in einem Digitalfoto so klein, dass man ihre quadratische Form nicht erkennt. Wenn die Pixel kleiner sind als die Grenzauflösung des Auges (der Bereich, in dem das Auge gerade noch zwei voneinander getrennte Punkte erkennen kann, siehe auch Seite 44), entsteht ein homogener Bildeindruck, der nichts über die zugrundeliegenden Bestandteile verrät. Das Auge ist dann nicht in der Lage, die Bildpunkte voneinander zu trennen, und nimmt ein homogenes, unverpixeltes Bild wahr. Weil man für ein hochwertiges Foto so viele Pixel braucht, werden sie sprachlich meist zu Millionen zusammengefasst: Eine Million Pixel sind ein Megapixel, kurz MP. In der Anfangszeit der Digitalfotografie gab es ein regelrechtes Wettrennen um immer höhere Pixelzahlen. Zwischenzeitlich wurde bei neuen Sensoren eher Augenmerk auf Rauschverhalten und Dynamikumfang gelegt, jetzt ist die Auflösung aber wieder ein Thema. Dafür müssen allerdings auch viele Objektive in neueren und verbesserten Versionen erscheinen.

Auflösung EE EE

EE HH Abbildung

1.15 Eine Aufnahme in verschiedenen Auflösungen: Nach rechts nimmt der Detailreichtum ab, und die Bilder beginnen, pixelig zu werden.

300 dpi

34  |  1  Kamera

Der Begriff Auflösung hat in der Fotografie mehrere Bedeutungen: die Gesamtpixelanzahl eines Kamerasensors in Megapixeln die Pixel oder Druckpunkte (dots) pro Zoll oder pro Zentimeter bei der Ausgabe, abgekürzt dpi (dots per inch) das Leistungsvermögen eines Objektivs in der Abbildung von feinen Strukturen

Sie werden diesen Begriff also in verschiedenen Kapiteln dieses Buches mit leicht unterschiedlicher Bedeutung häufiger antreffen. Wenn das Objektiv an Ihrer 150 dpi

75 dpi

37,5 dpi

Kamera zum Beispiel nicht die Auflösung erreicht, die der Sensor unterstützt, können Sie die Auflösung des Sensors nicht voll nutzen. Das ist gerade bei Kompaktkameras mit vielen Megapixeln ein häufiges Problem. Das schwächste Glied bestimmt immer die Gesamtleistung. An dieser Stelle geht es um den zweiten Punkt der Aufzählung oben, die Auflösung des digitalen Bildes. Je nach gewünschtem Ausgabeformat sind hier unterschiedliche Pixelzahlen notwendig: Bei kleinen Bildformaten geht man von 300 Pixeln pro Zoll (1 Zoll = 2,54 cm) aus, die eine optimale Bildqualität im Ausdruck ermöglichen. Das entspricht 118 Pixeln pro Zentimeter. Bei einer Postkarte von 10 × 15 cm kommt man so schon auf gut zwei Millionen Pixel. Eine Million Pixel sind ein Megapixel, 2 Megapixel sind also für eine technisch perfekte Postkarte ausreichend, und 8 Megapixel für einen Ausdruck in 20 × 30 cm. Da die Betrachtungsentfernung bei größeren Bildern steigt, reichen 8 Megapixel im Prinzip für jede Größe. Wenn der Betrachter allerdings näher an die Bilder herangehen kann und sich Details genauer anschauen möchte, dürfen es gern mehr Pixel sein. »Megapixel« bezieht sich immer auf die Fläche des Bildes oder Sensors. »Punkte pro Zoll« (dpi) oder »Linienpaare pro Zentimeter« (lpcm, wie es bei Objektiven zum Einsatz kommt) sind natürlich nur auf die entsprechende Längeneinheit bezogen.

Interpolation Sobald die Pixelanzahl eines Bildes im Computer verändert wird, mittelt die Software die Farbwerte der Pixel. Dieser Vorgang heißt Interpolation. Beim Verkleinern eines Bildes müssen bisher getrennte Pixel zusammengelegt werden. Dabei bekommen die neuen Pixel Farb- und Helligkeitswerte, die Durchschnittswerten aus den zusammengelegten entsprechen. Das ist unkritisch und hat sogar Vorteile für das Rauschverhalten und die Störungsverminderung. Manche Digitalkameras können das schon von Haus aus, um kleinere Varianten des Raw-Formats zu erzeugen (sRaw, small Raw; mRaw, medium Raw). Viele Kameras lesen dafür nur einen Teil der Bildpunkte aus, und gewinnen dadurch nicht an Bildqualität. Das Herunterrechnen der Bilder am Computer liefert hingegen immer eine Verbesserung des Rauschens. Wenn ein Bild vergrößert wird, müssen komplett neue Pixel hinzukommen. Für diese neuen Pixel »erfindet« die Software weich abgestimmte Zwischenwerte in Farbe und Helligkeit, und das Bild wirkt nicht mehr pixelig. Die Detailauflösung steigt aber natürlich nicht, und so wirkt das Bild bei stärkeren Vergrößerungen unscharf. Manche Kompaktkameras machen genau das, wenn

Raw Der englische Begriff raw ist keine Abkürzung, sondern bedeutet einfach »roh«. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Sensordaten ohne weitere Bearbeitung durch die Kamera aufgezeichnet werden. Zu diesem und den weiteren Dateiformaten mehr in Abschnitt 12.11 ab Seite 675.

HH Abbildung

1.16 Wird ein niedrig aufgelöstes Bild in eine höhere Auflösung umgerechnet (hochinterpoliert), verschwindet die Pixeligkeit, aber das Bild wird unscharf. Begrenzt eingesetzt, kann die Hochinterpolation die Qualität trotzdem etwas verbessern.

1.4  Grundlagen des digitalen Bildes  |  35

Interpolation Wenn ein Bild in der Bild­bearbeitung vergrößert wird, ergeben sich bei der Vergrößerung Zwischenpixel, die aufgefüllt werden müssen. In der Praxis werden diese Pixelwerte meist als Durchschnitt der umgebenden Pixelwerte berechnet. Diese Berechnung von Zwischenwerten nennt man Interpolation.

GG Abbildung 1.17 Ein Bild von zwei Pixel Kantenlänge wird hier auf vier Pixel Kantenlänge vergrößert. Sie erkennen deutlich die interpolierten Zwischenwerte als graue Pixel.

TIFF in 16 Bit TIFF-Dateien mit einer Farbtiefe von 16 Bit sollten Sie unkomprimiert abspeichern, weil sie sich schlecht komprimieren lassen. Manchmal steigt die Dateigröße sogar an. In jedem Fall ist die Kompression deutlich langsamer.

36  |  1  Kamera

sie im Telebereich einfach einen Bildausschnitt größer rechnen. Die MarketingAbteilungen der Kamerahersteller verkaufen das als Digitalzoom. Dieser Effekt lässt sich aber mindestens genauso gut am Computer erreichen und ist somit höchstens für diejenigen interessant, die Bilder direkt von der Speicherkarte drucken lassen wollen. Im Videobereich gibt es allerdings auch ein sinnvolles Digitalzoom, weil für das Videobild weniger Pixel gebraucht werden als für das Foto. So lässt sich die Sensormitte anstelle des ganzen Sensors verwenden und bei Full HD ungefähr ein digitaler Zoomfaktor von drei ohne Auflösungsverlust erreichen (siehe Seite 618). Sofern dieses Digitalzoom dann aber nicht abschaltbar ist, wie es z. B. bei der Nikon D500 und D5 der Fall ist, ist das für viele Anwendungen eher ein Nachteil, weil der große Bildsensor nur zum Teil ausgenutzt wird und die Videos so aussehen, als wären sie mit einem kleineren Sensorformat aufgenommen worden.

Farbtiefe und Bittiefe Die 16,7 Millionen Farben, die sich mit 24 Bit (3 × 8 Bit für die drei Grundfarben Rot, Grün und Blau) darstellen lassen, sind mehr, als das Auge auseinanderhalten kann. Sobald Sie aber anfangen, ein solches Bild zu bearbeiten, strecken und stauchen Sie die Farb- und Tonwerte, und so werden in eigentlich weichen Verläufen (zum Beispiel im Himmel) die einzelnen Tonwerte schnell unterscheidbar und bilden Streifen. Dieser Effekt nennt sich auf Englisch Banding, was mit »Streifenbildung« übersetzt werden kann. Die Tonwertabstufung wird dann gröber als die feinsten Unterscheidungen, die das Auge ausmachen kann. Sie sehen den Effekt meistens auch im Histogramm des Bildes, das dann sichtbare Lücken aufweist (siehe Abbildung 1.19). Digitalkameras nutzen deshalb pro Farbe 12 bis 16 Bit zur Aufzeichnung des Bildes. Das entspricht 4 096 (212) bis 65 536 (216) statt der nur 256 möglichen Tonwerte bei 8 Bit. Je höher die Bittiefe pro Farbe ist, desto feiner kann die Kamera Verläufe abstufen, und desto mehr Reserven haben die Dateien in der Bearbeitung. Diese Reserven verlieren Sie allerdings sofort wieder, wenn Sie das Bild im JPEG- statt im Raw-Format speichern, denn JPEG unterstützt nur 8 Bit pro Farbe (zu den Bildformaten siehe auch Seite 675). Sie können Raw-Aufnahmen im 16-Bit-Modus aus dem Raw-Konverter (zum Beispiel Adobe Lightroom) übernehmen, sodass Sie mit 48-Bit-Dateien (16 Bit × 3 Farben) weiterarbeiten. So verlieren Sie nicht schon bei der ersten Umwandlung den Tonwertreichtum und die Reserven für die Bildbearbeitung. Falls Sie mit

dem Bild noch große Veränderungen vorhaben oder höchste Qualität erzielen möchten, sollten Sie mit 16 Bit pro Farbe arbeiten. Der einzige Nachteil ist, dass die Dateien dann doppelt so viel Speicherplatz beanspruchen. Das sollte aber auf einem aktuellen Computer kaum noch stören. Ich empfehle Ihnen, grundsätzlich in 16 Bit weiterzuarbeiten und nur die fertig bearbeiteten Bilder in 8 Bit weiterzugeben.

GG Abbildung

1.18 Im Himmel haben sich durch die Bildbearbeitung Streifen ergeben, sogenanntes Banding. Eine Bearbeitung im 16-Bit-Modus hätte das verhindern können.

GG Abbildung

1.19 Im linken Histogramm zeigen die Lücken an, dass bestimmte Tonwerte gar nicht vorhanden sind. Sie sollten das Bild dann auf unsaubere Verläufe und Tonwertabrisse hin überprüfen. Im rechten Histogramm sind alle Tonwerte vertreten, sodass sich eine homogene weiße Fläche ergibt. So ähnlich sollte ein Histogramm für ein tonwertreiches normales Motiv auch aussehen.

Farbräume Die Aufzeichnung einer Kamera unterscheidet sich nicht nur in der Abstufungsmöglichkeit durch die Bittiefe, sondern auch durch die maximal darstellbare Buntheit der Farben. Meist können Sie zwischen zwei Standardfarbräumen in der Kamera wählen: sRGB und Adobe RGB. Diese Einstellungen sind allerdings nur für das JPEG-Format von Bedeutung, denn beim Raw-Format ist immer der kameraeigene Farbraum eingebettet, der noch größer ist und die aufgezeichnete Farbinformation komplett erhält. Sie sollten im Zweifel Adobe RGB einstellen und immer ein Farbprofil anhängen, wenn Sie z. B. Bilder für das Web abspeichern.

1.4  Grundlagen des digitalen Bildes  |  37

Abbildung 1.20 E Der bunt dargestellte Farbraum repräsentiert sRGB, der graue Bereich den größeren Farbraum Adobe RGB. Adobe RGB kann deutlich mehr Farben darstellen als sRGB. Wenn Sie eine hohe Leuchtkraft der Farben und eine hochwertige Ausgabe benötigen, ist Adobe RGB die bessere Wahl.

1.5  Sensor Der Sensor in Ihrer Kamera nutzt den photoelektrischen Effekt, um Licht in Strom umzuwandeln. Vereinfacht können Sie sich das wie eine kleine Solaranlage vorstellen: Licht rein, Strom raus. Der Strom wird gemessen, und die Messungen werden zu digitalen Bilddaten zusammengefasst. Eine Entscheidung für eine bestimmte Kamera ist immer auch eine Entscheidung für einen bestimmten Sensor. In den allermeisten Kameras finden sich heute CMOS-Sensoren, es gibt aber auch andere Techniken (siehe Seite 42). Für alle Sensoren gilt, dass für eine hohe Bildauflösung in Pixeln eine möglichst hohe Zahl an Fotodioden erforderlich ist. Für eine hohe Lichtempfindlichkeit des Sensors ist es dagegen gut, wenn die einzelnen Fotodioden (die einzelnen Pixel) möglichst groß sind, damit sie viel Licht einfangen können. Das ist ein Widerspruch, der sich einerseits durch eine Vergrößerung der Sensorfläche, anderseits durch eine Optimierung der Lichtausbeute und des Sensoraufbaus umgehen lässt.

38  |  1  Kamera

»front-illuminated«

»back-illuminated«

Mikrolinse Farbfilter signalverarbeitende Schicht lichtempfindliche Schicht Fotodiode

Um das verwendbare Licht pro Pixel zu optimieren, werden winzige Linsen (sogenannte Mikrolinsen) vor jedes einzelne Sensorpixel gesetzt, die das Licht auf den lichtempfindlichen Teil des Pixels lenken. Diese haben auch den Vorteil, dass sie das Licht in den Sensorecken – wo es schräg einfällt und normalerweise nicht so gut genutzt werden könnte – auf den Sensor umleiten, sodass die Abdunklung zu den Ecken hin geringer wird. Die eigentliche lichtempfindliche Schicht wird bei den meisten heute üblichen Sensoren, gerade bei größeren Kameras, von einem Netz aus Leitungen und elektronischen Bauteilen zum Teil verdeckt. Es gibt daher eine alternative Bauweise auf dem Markt (den Exmor-R-CMOS-Sensor von Sony), die den Aufbau umdreht: Hier liegt die lichtempfindliche Schicht oben und die weitere Elektronik unten (auch als englisch back-illuminated sensor (BSI) bezeichnet, also »rückwärtig belichteter Sensor«). Die Lichtausbeute ist bei einer solchen Konstruktion noch höher, was besonders bei den winzigen Pixeln der Kompaktkameras und Handys wichtig ist, inzwischen aber auch z. B. in Systemkameras wie der Sony α-Serie, Nikon Z6/Z7/D850 oder Mittelformatkameras Verwendung findet. Aber auch herkömmliche Bauweisen können inzwischen durch eine geschickte Mikrolinsen-Anordnung und eine Optimierung der wirksamen Sensorfläche das einfallende Licht praktisch komplett nutzen. Es gilt aber nicht nur das Licht bestmöglich auszunutzen, sondern auch den entstehenden Strom, indem z. B. das Bildsignal gut gegen das sogenannte Grundrauschen geschützt wird. So sind von 2005 bis 2019 die einstellbaren ISO-Werte von ISO  3 200 bis vier Millionen ISO gestiegen, wobei heute bei ISO 32 000 eine ähnliche Bildqualität wie früher bei ISO 3 200 erzielt wird. Die 3,2 Mio. ISO der Nikon D5 sind auch eher als Marketingausrutscher zu sehen, die Standardempfindlichkeit wird dabei um 5 Blendenstufen gepusht.

FF Abbildung 1.21 Schema eines CMOS-Sensors: Ganz oben befindet sich eine Schicht Mikrolinsen, die das Licht bündeln, sodass die Lichtausbeute in der lichtempfindlichen Schicht steigt. Darunter findet sich für jedes Pixel ein Farbfilter in Rot, Grün oder Blau. Bei einem herkömmlichen Sensor (links) befindet sich die signalverarbeitende Schicht oberhalb der lichtempfindlichen Schicht, daher auch »front-illuminated«. In der letzten Zeit sind Sensoren auf den Markt gekommen, bei denen die Schichten umgekehrt sind, was eine noch höhere Lichtausbeute und damit geringeres Bildrauschen bei hohen Empfindlichkeiten ermöglicht (»back-illuminated«, rechts).

1.5  Sensor  |  39

Bayer-Muster 1

2

3

4

5 6

40  |  1  Kamera

Fast alle Sensoren in Digitalkameras arbeiten mit dem sogenannten Bayer-Muster für die Farbaufzeichnung, benannt nach seinem Erfinder Bryce E. Bayer. Die einzelnen Sensorzellen registrieren nur Helligkeit, ein Bild würde also ausschließlich Graustufen enthalten 1 . Um Farbe aufzeichnen zu können, sind vor den Sensorzellen rote, grüne und blaue Filter angebracht, die jeweils nur ein Pixel groß sind. Der grüne Filter wird dabei doppelt so häufig eingesetzt wie der rote und blaue, weil das menschliche Auge die Helligkeitsinformation hauptsächlich im Grün wahrnimmt und Grüntöne am besten voneinander unterscheiden kann. Als Nebeneffekt bekommt man eine einfache 2-×-2-Matrix, die sich relativ einfach verarbeiten lässt. Es ergibt sich das Bayer-Muster 2 . Jedes Pixel zeichnet also eine Helligkeitsinformation auf, und erst durch die Farbfilter vor den Pixeln ergeben sich Muster, die als Farben interpretierbar sind. Kompliziert wird es in Bereichen, in denen die Pixel keine regelmäßigen Muster ergeben, sondern eng beieinanderliegende unterschiedliche Helligkeitswerte. Hier muss die Software der Kamera praktisch erraten, ob das an unterschiedlichen Farbwerten oder an unterschiedlichen Helligkeiten liegt 3 . In Bild 4 wurde das Bayer-Muster mit der durch dieses Filtermuster hindurch aufgenommenen Helligkeitsinformation überlagert. Wenn Sie auf einigen Abstand zu diesem Bild gehen und die Augen leicht schließen, bekommen Sie einen Eindruck von der Farbentstehung durch die Mischung von Rot (R), Grün (G) und Blau (B) – daher auch »RGB-Bilder«. Wenn Ihre Kamera eine Auflösung von 24 Megapixeln besitzt, dann hat sie in Wirklichkeit 12 Millionen grüne Pixel und jeweils 6 Millionen rote und blaue Pixel. Das fertige Bild hat aber 24 Millionen RGB-Pixel, also die dreifache Informationsmenge. Deswegen kann auch eine Raw-Datei so klein sein, weil sie pro Pixel nur die Information Rot, Grün oder Blau abspeichern muss. Die zusätzliche Information wird mithilfe der Umgebungspixel berechnet (Interpolation) – man könnte auch sagen, sie wird erraten. Das klappt meist so gut, dass Sie davon nichts mitbekommen. Wenn das Bayer-Muster herausgerechnet worden ist, sehen Sie das fertige Farbbild 5 . Allerdings werden Sie manchmal bei ganz feinen Strukturen an der Auflösungsgrenze des Sensors feststellen, dass diese als Farbe statt als Helligkeit interpretiert werden. Der umgekehrte Fall kann auch vorkommen, also dass feine Farbstrukturen nicht aufgelöst werden können, weil die Kamerasoftware sie nicht korrekt interpretieren kann. Sollten Sie im Raw-Format fotografieren, können Sie diese Störungen (Farbmoirés oder Entfärbungen) auch nach der Aufnahme am Computer herausrechnen. In Bild 6 habe ich sie bewusst hervorge-

hoben, indem ich bei der Raw-Konvertierung die größtmögliche Detailauflösung gewählt habe. Inzwischen werden verstärkt Alternativen zur klassischen Bayer-Anordnung verwendet – die technische Weiterentwicklung macht auch hier keinen Halt. Die Kameras mit Fujifilms X-Trans-Sensor verwenden ein etwas unregelmäßigeres 6-×-6-Pixel-Muster, das die Moiré-Bildung auch ohne AA-(Antialiasing-)Filter (siehe den nächsten Abschnitt) vermindert. Der AA-Filter erzeugt eine leichte Unschärfe und verteilt das Licht auch auf angrenzende Pixel. So kann die Kamera besser unterscheiden, wie sie die Helligkeitsinformationen der Einzelpixel zu interpretieren hat, weil die Nachbarpixel mithelfen. GG Abbildung 1.22 Fujifilms X-Trans-Sensoren verwen­ den dieses Farbfilter-Muster.

Sensoraufbau Vor dem eigentlichen Sensor sind Filter angebracht, die die Bildumwandlung verbessern. Zuerst trifft das Licht auf einen Infrarot-Sperrfilter 7 , der Licht abschwächt, das langwelliger ist als das sichtbare Rot. Dadurch werden Unschärfen und Farbverfälschungen vermieden.

FF Abbildung 1.23 Der Aufbau einer Sensoreinheit. Die Filter vor dem Sensor sind beweglich, um Staub abschütteln zu können. Die schwarzen Rahmen dienen der Befestigung in der Kamera. (Bild: Nikon)

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Zwischen dem ersten Filter und dem Sensor 9 liegt ein AA-(Antialiasing-)Filter 8 , den Sie sich wie eine ganz leichte Milchglasscheibe vorstellen müssen. Er streut das Licht minimal, um Moiré-Effekte und Farbstörungen zu verringern. Ohne den AA-Filter werden die Bilder schärfer, aber bei Motiven mit feinen Strukturen in einer ähnlichen Größenordnung wie der Sensorauflösung entstehen extreme Moiré-Muster. Viele Kamerahersteller bringen mittlerweile Modelle ohne AA-Filter auf den Markt und setzen auf die Software bei der Vermeidung von Störungen: Hasselblad baut erst gar keinen AA-Filter in die Mittelformatkameras ein und entfernt die Moiré-Muster im Raw-Konverter. JPEGs lassen

Ausbau des AA-Filters Es gibt auch hier Firmen, die Ihnen diesen Filter aus Ihrer Kamera ausbauen. Das ist aber nicht ganz billig, und inzwischen haben auch immer mehr Kamerahersteller Kameras ohne AA-Filter im Programm.

1.5  Sensor  |  41

Infrarotfotografie Es gibt Firmen, die den InfrarotSperrfilter umrüsten, sodass Sie Infrarotfotografie mit einer normalen Digitalkamera betreiben können. Canon und Nikon haben Spezialversionen von Kameras mit verändertem Infrarot-Sperrfilter für die Astrofotografie auf den Markt gebracht, Spezialanbieter rüsten auch fast jede andere Kamera für die Astrofotografie um. Und nicht zuletzt können Sie auch mit einer normalen Kamera und mithilfe eines Filters vor dem Objektiv Infrarotaufnahmen machen, mehr dazu auf Seite 530.

sich nicht direkt mit der Kamera aufnehmen. Die Canon EOS 5DS R verzichtet ebenfalls auf den AA-Filter, was im Vergleich zur EOS 5DS noch etwas schärfere Bilder zur Folge hat, aber die Kamera für Video bei anfälligen Motiven praktisch unbrauchbar macht. Möglicherweise wird man in Zukunft den AA-Filter einfach einschalten oder sogar in der Stärke anpassen können. So ließe sich die Filterung für den jeweiligen Verwendungszweck optimieren. Ricoh unternahm bereits 2013 einen Schritt in diese Richtung: Die Pentax K-3 von Ricoh besaß keinen AA-Filter, allerdings ließ sich der Sensor in Mikroschwingungen versetzen, sodass das Bild während der Aufnahme auf der Sensorseite leicht und gleichmäßig verwackelte. Im Ergebnis soll damit die Wirkung eines physischen AA-Filters erreicht werden. Diese Funktion sollten Sie nur dann einschalten, wenn Sie sie tatsächlich benötigen, und ansonsten die volle Schärfe aufzeichnen. Die neuere Pentax KP verwendet diese Technik ebenfalls.

FF Abbildung

1.25 Bei sehr scharfen Objektiven und einer hohen Detailerhaltung in der Raw-Konvertierung kann man trotz AA-Filter Moiré-Muster erzeugen. Die Jalousien hinter den Fenstern erzeugen schräge Farbstreifen im Bild, weil der Abstand der Lamellen im Bild nahe an der Sensorauflösung ist.

GG Abbildung 1.24 Meine Canon EOS 5DS R habe ich zur Vollspektrumkamera umrüsten lassen. Dieses Bild wurde mit einem Orangefilter vor dem Objektiv aufgenommen.

28 mm | ƒ11| 1/200 s | ISO 200 | Nikkor 28 mm/ƒ2 Ai | Orangefilter

Sensortypen Der größte Teil der Kameras ist heute mit CMOS-Sensoren versehen, es gibt aber auch alternative Sensortechniken. CCD  | Bei CCDs (Charge-Coupled Devices) wird Licht in Ladung umgewandelt,

Tiefpassfilter AA-Filter werden auch Tiefpassfilter genannt, weil sie die ganz feinen Strukturen (hohe Frequenzen) ausfiltern und die gröberen (tiefe Frequenzen) durchlassen.

42  |  1  Kamera

die dann gespeichert wird. Diese Ladungen werden zeilenweise ausgelesen und seriell umgewandelt – dadurch sind CCDs etwas langsamer als CMOS-Sensoren, bei denen die Pixel gleichzeitig umgewandelt werden können. Die Umwandlung in digitale Daten erfolgt bei CCDs außerhalb des Sensors. CCDs haben einen hohen Dynamikumfang. Dieser beschreibt, wie viele Blendenstufen zwischen Schwarz und Weiß liegen. Je größer der Dynamikumfang,

desto später fressen die Lichter aus und laufen die Schatten zu. CCDs haben außerdem ein geringes Rauschen. Die Signale von hellen Spitzlichtern können aber in benachbarte Sensorzellen »überlaufen«, das sogenannte Blooming. CCDs verbrauchen relativ viel Strom und werden in manchen Mittelformatrückteilen gekühlt, um ein rauschärmeres Bild zu erzeugen. In der Anfangszeit der Digitalfotografie waren praktisch alle Sensoren CCDs. Heute sind sie kaum noch verbreitet, was hauptsächlich damit zusammenhängt, dass ihre Produktion teurer ist als die von CMOS-Sensoren. Außerdem sind die CMOS-Sensoren auch im Mittelformat inzwischen den CCDs überlegen. Wenn Sie eine gebrauchte Mittelformatkamera mit weniger als 50 MP erwerben, wird diese mit einem CCD-Sensor ausgestattet sei – es wurden allerdings auch CCDSensoren bis 80 MP hergestellt.

Moiré-Reduzierung Eine gute Möglichkeit, Moirés in der Bildbearbeitung zu reduzieren, bietet der Korrekturpinsel (Taste [K]): in Lightroom in Verbindung mit dem Regler Moiré oder in Adobe Camera Raw (Photoshop) mit dem Regler MoireReduzierung.

CMOS  | Die mittlerweile häufigste Sensorbauweise ist CMOS (Complementary

Metal Oxide Semiconductor). Sie können sich einen CMOS-Sensor wie einen Mikroprozessor mit Fotodioden vorstellen. Die Fotodioden laden bei Belichtung Kondensatoren auf, die für jedes Pixel ausgelesen und in ein digitales Signal umgewandelt werden. Das geht schnell und neigt weniger zum Blooming. Der Nachteil ist, dass sich um jede Fotodiode herum relativ viel nicht lichtempfindliche Verarbeitungselektronik befindet, die die Empfindlichkeit insgesamt einschränkt. Durch Fortschritte in der Sensortechnik sind diese Bereiche allerdings immer kleiner geworden, zudem bündeln Mikrolinsen das einfallende Licht auf die Fotodioden, sodass es heute schon CMOS-basierte Kameras gibt, die bis ISO-Werten im Millionenbereich einstellbar sind. Inzwischen sind alle neu vorgestellten Kameras CMOS-basiert, CCD findet sich noch in manchen Scannern und in wissenschaftlichen Anwendungen. Foveon  | Der Foveon-X3-Sensor ist eine Sonderform der CMOS-Technologie,

die sich zunutze macht, dass Licht unterschiedlicher Wellenlänge unterschiedlich tief in das Silizium eindringt, aus dem der Sensor besteht. So kann ein einziges Pixel die Grundfarben Rot, Grün und Blau gleichzeitig aufnehmen, sodass Sie für jedes Pixel die volle RGB-Farbinformation ohne Interpolation erhalten. Leider leidet dadurch die Farbtrennung in bestimmten Bereichen, und bei Langzeitbelichtungen kommt es verstärkt zu einem grünlichen Rauschen. Es werden allerdings weniger Artefakte wie z. B. Moirés erzeugt als bei Verwendung von Bayer-Sensoren, und die Bilder lassen sich besser nachschärfen. Diese Technik gehört Sigma, aber auch andere Kamerahersteller haben bereits Patente veröffentlicht, die untereinanderliegende Farbpixel nutzen und somit das Bayer-Muster überflüssig machen.

1.5  Sensor  |  43

QuantumFilm | QuantumFilm ist eine Technik der Firma InVisage, bei der statt

Siliziumpixeln eine hauchdünne Schicht von Nanokristallen verwendet wird, die eine höhere Lichtausbeute, einen höheren Dynamikumfang und einen Global Shutter (siehe Seite 50) verspricht. 2016 gab es aber einen 13-MP-Handysensor, der in dieser Technik realisiert wurde. 2017 wurde die Firma von Apple gekauft – seitdem hört man nicht mehr viel. Das Thema der Quantum-Dot-Sensoren ist in der Forschung allerdings noch präsent und es kann gut sein, dass wir irgendwann in Zukunft nicht mehr mit Bayer-Muster-CMOS-Sensoren arbeiten werden.

Auflösungsgrenze des Auges Um die Megapixelzahlen von Digitalkameras besser einordnen zu können, vergleicht man sie mit der Auflösungsgrenze des menschlichen Auges. Das Auge eines durchschnittlichen Betrachters kann Punkte auseinanderhalten, die ungefähr eine Bogenminute voneinander entfernt sind, das ist der sechzigste Teil eines Grads. Abbildung 1.26 E Die vom Auge erreichbare Auflösung hängt vom Sehwinkel α ab. Ein Bild, das vom Betrachter weiter entfernt ist, muss deswegen keine größere Gesamtauflösung haben als ein näheres. Die Auflösung pro Zentimeter eines solchen Bildes kann sogar geringer sein als die eines aus der Nähe betrachteten Bildes.

α

Linse

α

Wenn also ein Bild an einer Wand hängt, das in der Diagonalen einen Betrachtungswinkel von 50° ergibt, sodass man es noch als Ganzes wahrnehmen kann, ergeben sich diagonal 50 × 60 = 3 000 Pixel, die ausreichen, um die optimale Schärfe zu erhalten. Bei einem 3 : 2-Format kommt man also auf 2 496 × 1 664 Pixel, das ergibt etwa 4,2  Megapixel. Wer außergewöhnlich gute Augen hat, kommt unter Idealbedingungen vielleicht auf eine halbe Bogenminute als Auflösungsgrenze und somit auf die vierfache Megapixelzahl. Diese Auflösung erreicht das Auge nur in der Mitte. Die Pupillen müssen sich ständig bewegen, um das ganze Bild scharf wahrnehmen zu können. Wenn Sie einmal bewusst sehen, merken Sie das – etwa, weil Sie Text, der außerhalb Ihres Bildzentrums liegt, nicht lesen können. Es gibt aber einige Gründe, einen Sensor zu entwickeln, der mit seiner Auflösung das menschliche Auge übertrifft:

44  |  1  Kamera

Bei großen Fotoabzügen gehen die meisten Menschen auch gern etwas näher heran, um sich die Details besser ansehen zu können. Und wer schon einmal einen großen Abzug eines 50-Megapixel-Bildes angesehen hat, kann das bestätigen. Viele Fotografen verwenden außerdem für das endgültige Bild oft nur einen Ausschnitt der Gesamtaufnahme.

Sensorgrößen Die Zahl der Megapixel spielt eine wichtige Rolle, ist aber für die Qualität Ihrer Aufnahmen nicht allein entscheidend: Auch die Größe der einzelnen Pixel ist von zentraler Bedeutung. Je größer ein Pixel ist, desto mehr Licht kann es auffangen, desto höher ist seine Empfindlichkeit und desto besser ist auch die Abstufung der Helligkeitswerte. Kleinere Sensoren haben nur drei Vorteile: EE Preis: Je kleiner ein Sensor ist, desto billiger lässt er sich produzieren. Objektive für kleine Sensoren können ebenfalls kleiner sein und günstiger produziert werden. EE Schärfentiefe: Durch den kleineren Abbildungsmaßstab steigt die Schärfentiefe. Das ist nützlich, wenn Sie im Makrobereich Objekte von vorn bis hinten scharf bekommen möchten. Bei Porträts stört der Effekt eher, weil der zu scharfe Hintergrund ablenkt. EE Telebereich: Der Telebereich ist günstiger zu erschließen. Fernaufnahmen sind mit kürzeren Brennweiten möglich, und die Objektive dafür sind leichter. In allen anderen Bereichen gilt: Größer ist besser. Die erzielbare Schärfe und die Empfindlichkeit steigen, die Hintergrundunschärfe wird schöner, und ein größerer Sensor ermöglicht ein größeres und helleres optisches Sucherbild. Der Begriff Vollformat beschreibt, dass der Sensor die volle Größe eines Kleinbildnegativs erreicht, der verbreitetsten Filmgröße vor Einführung der Digitalkamera. APS-H ist 1,3-mal kleiner, APS-C 1,5- bzw. 1,6-mal. Jede Sensorgröße, die das Vollformat überschreitet, wird als Mittelformat bezeichnet, zurückgehend auf die Bezeichnung der Rollfilmkameras mit 60 mm statt 35 mm breitem Film wie beim Kleinbildformat. Micro Four Thirds ist halb so groß wie Vollformat. Da sich die Größenverhältnisse jeweils auf die Diagonale beziehen, ergibt sich bei halb so großer Diagonale schon eine viermal kleinere Sensorfläche als bei Vollformat. Die genauen Größenangaben können Sie Tabelle 1.1 entnehmen. Bevor Sie sich aber jetzt eine mehrere Jahre alte Vollformatkamera wie die Canon EOS-1Ds kaufen: Neuer ist auch besser. Die technische Entwicklung hat die nutzbare Pixelfläche wachsen lassen. Die Mikrolinsen bündeln das Licht für jedes einzelne Pixel, sodass die Lichtempfindlichkeit gesteigert wurde.

1.5  Sensor  |  45

Tabelle 1.1 E Gängige Sensorformate. Die Farben in der ersten Tabellenspalte korrespondieren mit denen in Abbildung 1.27.

Farbe

Größe in mm

Bezeichnung

Beispielkamera

53,4 × 40

Mittelformat

Hasselblad H6D-100c, PhaseOne XF 100 MP

43,8 × 32,9

Mittelformat

Hasselblad H6D-50c, X1D II, Pentax 645Z, Fujifilm GFX

45 × 30

Mittelformat

Leica S

36 × 24

Vollformat, Kleinbild

Nikon D5, D850, D750, D610; Sony-α7-Reihe, Canon EOS 5D Mark IV, EOS R, 1D X Mark II

28,7 × 19,1

APS-H (1 : 1,3)

Canon EOS 1D Mark IV

23,6 × 15,6

APS-C (DX) (1 : 1,5)

Nikon D500, D7500, Fujifilm X-Pro2, Sony α6600

22,3 × 14,9

APS-C (1 : 1,6)

Canon EOS 800D, 90D, M50 ...

18 × 13,5

(Micro) Four Thirds (1:2)

Olympus OM-D E5 Mark II, Panasonic-Lumix-G-Reihe

13,2 × 8,8

Nikon CX

»1-Zoll-Sensoren«, Nikon 1 (J, V, S, AW)

7,6 × 5,6

1/1,7 Zoll

Nikon Coolpix P7700, Canon PowerShot G16

5,6 × 4,2

1/2,3 Zoll

Canon Ixus, Nikon Coolpix A1000, Pentax Q

GG Abbildung 1.27 Sensorgrößen verschiedener Kamerasysteme: Die Mittelformate sind blau, Kleinbild rot, APS-Sensoren orange, Four-Thirds-Formate gelb und Kompaktkameras grün dargestellt. Die Aufzählung ist nicht vollständig – in günstigen Kompaktkameras werden zum Beispiel noch kleinere Sensoren verwendet als im grünen Bereich dargestellt.

46  |  1  Kamera

Zudem ist die Sensortechnik fortgeschritten, und schnellere Prozessoren mit besseren Algorithmen rechnen das durch hohe Lichtempfindlichkeiten bedingte Rauschen effizienter heraus. Wenn Sie sähen, wie die Rohdaten wirklich aussehen, die der Sensor Ihrer Kamera produziert, bekämen Sie wohl einen Schreck. Trotzdem ist auch eine alte DSLR einer neuen Bridge-Kamera vorzuziehen, denn die Unterschiede in der Sensorfläche sind so groß, dass neuere Technik das nicht kompensieren kann. Ich würde Ihnen empfehlen, bei der Hauptkamera mindestens auf Micro Four Thirds zu setzen, denn hier ist der Sensor schon groß genug, um Schärfentiefe als bewusstes Gestaltungsmittel einzusetzen, und auch die Bildqualität ist sehr gut. APS-C ist das meistverkaufte Format und stellt einen sehr guten Kompromiss aus Sensorgröße, Qualität und Preis dar. APS-H ist momentan nicht mehr auf dem Markt, es gibt aber Konzeptkameras, die das Format verwenden. Wer möglichst geringe Schärfentiefe etwa für Porträts benötigt, ist bei Vollformatkameras richtig. Sie bieten auch leichte Vorteile in Lichtausbeute und Bildqualität. Abbildung 1.28 E 50 Megapixel bedeuten, dass Sie aus einem Bild im Querformat ein hochformatiges Bild ausschneiden können, das überdies nur die Hälfte der Bildhöhe nutzt. Dieser Ausschnitt hat auf einer ganzen Seite dieses Buches immer noch die Auflösung von 300 dpi, die für den Druck ideal ist.

110 mm | ƒ8 | 1/300 s | ISO 100 | Fujifilm GFX 50R

1.5  Sensor  |  47

1.6  Verschluss

GG Abbildung

1.29 Die Verschlusseinheit einer Nikon Z7 und Z6 (Bild: Nikon)

GG Abbildung

1.30 Der Verschluss einer Canon EOS 5DS R in Aktion. Der zweite Verschlussvorhang ist bei 1/400 s schon zu einem großen Teil heruntergefahren, wenn der erste gerade nach unten verschwunden ist.

Abbildung 1.31 E Zwei Züge rasen aneinander vorbei, aus dem einen wird der andere fotografiert. Die Fenster des zweiten erscheinen schräg verzerrt, weil sich die Züge während der Verschlussablaufzeit von 1/200 s deutlich gegeneinander bewegt haben.

50 mm | ƒ3,5 | 1/1600 s | ISO 200

48  |  1  Kamera

In Systemkameras findet man üblicherweise einen vertikal ablaufenden Metalllamellen-Schlitzverschluss. Bei Verschlusszeiten, die länger als oder gleich lang wie die sogenannte Blitzsynchronzeit (meist um 1/250 s) sind, öffnet sich der erste Vorhang und gibt den Sensor vollständig frei, bis sich der zweite Vorhang schließt und den Sensor wieder komplett abdeckt. Wenn die Sensorhöhe beispielsweise 24 mm beträgt und die Blitzsynchronzeit 1/200 s, müssen die Verschlussvorhänge innerhalb kürzester Zeit mindestens eine Geschwindigkeit von 17,3 km/h erreichen und ebenso schnell wieder abgebremst werden. Zudem sollen sie diesen Vorgang über 100 000-mal bei gleichbleibender Genauigkeit überstehen. Um diese Genauigkeit auch bei alternder Mechanik sicherzustellen, messen moderne Verschlüsse die tatsächlich erreichten Verschlusszeiten und justieren sich selbst. Bei kürzeren Verschlusszeiten als der Blitzsynchronzeit wird die effektive Verschlusszeit durch die Schlitzbreite gesteuert. Beträgt die Verschlusszeit also 1/800 s, folgt der zweite Vorhang dem ersten im Abstand eines Viertels der Sensorhöhe nach. Der Vorgang der Belichtung dauert aber trotzdem 1/200 s, weil jedes Sensorviertel zwar nur mit 1/800 s belichtet wird, aber dies in kontinuierlicher Bewegung viermal geschieht, bis der ganze Sensor belichtet wurde. Im Extremfall kann das bei einem sehr schnellen Objekt und einer sehr kurzen Verschlusszeit von zum Beispiel 1/4000 s dazu führen, dass das Motiv zwar überall scharf abgebildet wird, aber schräg verzerrt erscheint, weil es sich innerhalb der 1/200 s Verschlussablaufzeit sichtbar weiterbewegt hat und die zeitversetzt freigegebenen Sensorausschnitte diese veränderten Positionen darstellen. Diesen sogenannten Rolling-Shutter-Effekt gibt es also nicht nur im Video (siehe Seite 605). Wenn Sie den elektronischen (also leisen) Verschluss verwenden, ist dieser Effekt deutlich stärker ausgeprägt, da das Bild zeilenweise ausgelesen

wird. Bei einer Sony α 7R III dauert der Vorgang z. B. bei unkomprimiertem Raw 1/13 s, bei komprimiertem Raw 1/26 s, das ist deutlich länger als die 1/200 s beim Schlitzverschluss. Kurze Verschlusszeit Zweiter Vorhang Erster Vorhang

Sensor

FF Abbildung 1.32 Bei kürzeren Verschlusszeiten wird der Sensor durch einen wandernden Schlitz freigelegt. Das heißt, der zweite Vorhang folgt dem ersten rasch nach. Je schmaler der Schlitz ist, desto kürzer ist die effektive Verschlusszeit. Ein einzelner Blitz könnte also den Sensor nicht auf einmal belichten, sondern nur den Streifen, der während seiner Blitzdauer gerade offen liegt.

Lange Verschlusszeit FF Abbildung

Zweiter Vorhang Erster Vorhang

Sensor

1.33 Bei längeren Verschlusszeiten wird der Sensor ganz freigelegt, weil sich der zweite Vorhang erst dann in Bewegung setzt, wenn der erste Vorhang zur Ruhe gekommen ist. Mit einem einzelnen Blitz kann so der ganze Sensor auf einmal belichtet werden. Daher rührt der Begriff Blitzsynchronzeit.

Die Blitzsynchronzeit ist zwar die kürzeste Zeit, mit der man eine Blitzanlage verwenden kann, moderne Systemblitze beherrschen aber die sogenannte Hochgeschwindigkeitssynchronisation (HSS), mit der gleichmäßig kurze Blitze abgegeben werden, sodass sich trotz über den Sensor wanderndem Verschlussschlitz eine homogene Blitzbelichtung ergibt. Die Blitzleistung nimmt dabei allerdings ab, weil die Einzelblitze eine geringe Leistung haben müssen, um so schnell hintereinander abgegeben werden zu können. Sie können aber bei kürzeren Verschlusszeiten auch die Blende weiter öffnen und so das Blitzlicht besser nutzen. Im Prinzip ist ein mechanischer Verschluss für die digitale Fotografie nicht mehr nötig, ein Videobild wird ja auch rein elektronisch aufgezeichnet. Es gibt Kameras, die auch ein Foto mit elektronischem erstem und zweitem Verschluss aufzeichnen. Das hat den Vorteil, dass der Verschluss geräuschlos sein kann und es keine mechanischen Erschütterungen gibt. Ein Nachteil ist, dass die elektronische Löschung des vorher aufgezeichneten Lichts und die Beendung der Auf-

1.6  Verschluss  |  49

zeichnung eine gewisse elektronische Unruhe mit sich bringen, die zu geringfügig schlechterer Bildqualität vor allem in den Schatten führt. Die Sony α7R II zeichnet Raw-Bilder mit elektronischem Verschluss deswegen nur mit 12 statt mit 14 Bit Tiefe auf, weil ohnehin nicht mehr verwendbare Informationen vorhanden sind. Das Bild wird trotzdem nicht gleichzeitig ausgelesen, sodass es weiterhin eine Blitzsynchronzeit gibt und im Video einen Rolling-Shutter-Effekt (siehe Seite 582). Es gibt allerdings keine Gründe, die es prinzipiell ausschließen, dass ein Sensor komplett gleichzeitig ausgelesen wird und diese beiden Nachteile der Vergangenheit angehören. Es ist davon auszugehen, dass solche Kameras bald auf den Markt kommen. Die dafür erforderliche Technik wird Global Shutter genannt. Bislang sind allerdings erst niedrigaufgelöste Sensoren mit eher schlechtem Rauschverhalten erhältlich, die hauptsächlich für die industrielle Qualitätskontrolle verwendet werden. Das Thema scheint also komplizierter als gedacht, und gleiche Bildqualität wie bei herkömmlichen Sensoren können offensichtlich nicht so einfach erreicht werden.

1.7  Kameratypen Die Kameraauswahl ist heute vielfältiger als jemals zuvor. Jede Kamera ist für ihren jeweiligen Einsatzzweck und Markt optimiert. Für den ambitionierten Amateur und den Profi ist derzeit eine digitale Spiegelreflexkamera die beste Kombination aus Vielseitigkeit, Bildqualität und Preis. Alles darunter ist als Zweitkamera oder für den gelegentlichen Nutzer sinnvoll, alles darüber ist schon allein preislich nur für wenige interessant. Im Bereich der analogen Kameras ist sogar ProfiEquipment bezahlbar geworden, weil der Gebrauchtmarkt voll ist mit Mittelformat- und Großbildkameras, die von den Digitalkameras abgelöst wurden.

Eine kurze Geschichte der Kleinbildkamera Die erste Kleinbildkamera wurde bereits 1914 von Oskar Barnack entwickelt. Sie verwendete 35-mm-Kinofilm zur Aufnahme und war der Vorläufer der Messsucherkameras von Leica. Während das Kinobild quer zwischen der Perforation lag, belichtete die Leica längs auf den Film, sodass sie ein ungefähr doppelt so großes Negativformat auf dem gleichen Filmmaterial erreichte, nämlich genau 24 × 36 mm (genau die Größe, die heute als Vollformat bezeichnet wird). Andere Firmen zogen nach, und bald war das Kleinbildformat zum erfolgreichsten Format überhaupt geworden. 1936 kam mit der Kine Exakta von Ihagee (Dresden) die erste Kleinbildspiegelreflexkamera auf den Markt. 1937 begann Canon mit

50  |  1  Kamera

der Produktion von Kleinbildkameras, 1947 Minolta (inzwischen von Sony übernommen und fortgeführt), 1948 folgten Nikon und Olympus und 1952 Pentax (inzwischen von Ricoh übernommen und fortgeführt) gleich mit der Spiegelreflextechnik. Die großen Hersteller von digitalen Kameras kommen also nicht aus dem Nichts, sondern können alle auf mindestens ein halbes Jahrhundert Erfahrung zurückblicken. Zwei der Hersteller (Nikon und Pentax) haben ihren Objektivanschluss – Bajonett genannt – bei Einführung der Autofokus-Technik kompatibel weitergeführt: So können Sie an manch eine Nikon-Kamera Objektive anschließen, die ab 1959 gebaut wurden, bei Pentax-Kameras gibt es das K-Bajonett seit 1975. Bei den anderen Herstellern sind die Bajonette erst seit Einführung des Autofokus kompatibel. An eine SonyKamera etwa passen Objektive von Minolta ab 1985, Canon hat sein EF-Bajonett 1987 eingeführt. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass jede Spiegelreflexkamera mit allen Objektiven – auch von Fremdherstellern – seit Einführung des jeweiligen Bajonetts zurechtkommt. Bei Nikon zum Beispiel ist die Bajonetthistorie im Detail deutlich komplizierter. Bei Canon hat sich im elektronischen Protokoll einiges geändert, sodass alte Fremdherstellerobjektive manchmal nur zu einer Fehlermeldung an der Kamera führen. Einige lassen sich beim Objektiv-Hersteller oder mit einem entsprechenden USB-Dock (bei Sigma und Tamron) mit einem Firmware-Update versehen, sodass sie mit den modernen Kameras zurechtkommen. Manuelle Objektive lassen sich ohnehin mechanisch adaptieren, sofern das Auflagemaß der Ziel-Kamera kleiner ist als das der ursprünglich verwendeten Kamera. Über Bajonettadapter können Sie z. B. Nikon-Objektive an eine Canon-Kamera anschließen, nur Autofokus und Bildstabilisator funktionieren dann nicht. Wenn Sie Nikon-G-Objektive ohne Blendenring verwenden wollen, müssen Sie einen Adapter mit eigener Blendeneinstellung kaufen. Es gibt viele weitere Kombinationsmöglichkeiten über Adapter, die aber nur in Einzelfällen sinnvoll sind, Ihnen jedoch neue Möglichkeiten erschließen können oder teure Neuanschaffungen ersparen. Spiegellose Kameras haben meist ein so geringes Auflagenmaß (siehe Seite 166), dass ein Adapter zwischen die Kamera und das Fremdobjektiv passt, der genug Platz für Elektronik hat, sodass auch die AF-Befehle übersetzt werden können. Wenn Sie z. B. ein Canon-Objektiv über einen Metabones-Adapter an eine Kamera der Sony-α7-Reihe anschließen, haben Sie einen Großteil der AFMöglichkeiten der Kamera zur Verfügung und erhalten über das Objektiv auch sinnvolle Exif-Daten. Es gibt sogar einen 2 mm dünnen Adapter von Techart, mit dem Sie Sony EF-Objektive mit AF an einer Nikon-Z-Kamera verwenden können.

GG Abbildung

1.34 Die Ur-Leica von 1914, die erste Kleinbildkamera der Welt (Bild: Leica)

1.7  Kameratypen  |  51

Spiegellose Systemkamera (DSLM) Wird das Sucherbild elektronisch angezeigt, so ist im Vergleich zu einer DSLR eine Menge Technik verzichtbar: Der Spiegel, das Sucherprisma und der optische Sucher können wegfallen. Zugleich kann das Objektivbajonett viel näher an den Sensor heranrücken, und im Weitwinkelbereich lassen sich Objektive ohne die sonst notwendige Retrofokus-Konstruktion herstellen (siehe Seite 139). Es ist kein separater AF-Sensor mehr nötig, die Schärfe kann direkt auf dem Sensor ermittelt werden, was allerdings sehr viel mehr Prozessorleistung benötigt. Deswegen sind die spiegellosen Kameras auch erst in den letzten Jahren richtig gut geworden, weil vorher die AF-Leistung nicht an eine DSLR herankam. Die besten aktuellen Modelle sind diesbezüglich an den DSLRs schon vorbeigezogen, der Trend geht deswegen eindeutig zu spiegellosen Kameras.

FF Abbildung 1.35 Das Design der Olympus Pen F zitiert eine Kamera von 1963. (Bild: Olympus)

Gehäusegröße Ich lese häufiger in Foren von Fotografen, die sich eine spiegellose Kamera gekauft haben und sich dann über die Größe und das Gewicht der Objektive beklagen. Gerade bei Vollformatkameras ist das naiv: Sie sollten nicht erwarten, dass die Spiegellosigkeit alles kleiner und leichter macht. Ein 24–70-mm-ƒ2,8-Objektiv für eine Sony der α7-Reihe ist genauso groß wie das von Canon zusammen mit dem Adapter. Meiner Meinung nach wäre auch die Sony α7R III eine bessere Kamera, wenn sie etwas größer wäre. Sie wäre dann ergonomischer und vielleicht auch robuster. Die α 7R IV ist leider nur ein wenig größer, dafür aber besser abgedichtet. Noch seltsamer wirken große Objektive an einer Sony α6600. Immerhin hat die Kamera einen Bildstabilisator, denn mit kleineren

52  |  1  Kamera

Kameras verwackeln Sie leichter. Das Wärmeproblem bei der 4 K-Video-Aufzeichnung hat Sony in den Griff bekommen, aber die Kamera ist an der unteren Grenze, was ihre sinnvolle Größe angeht. Wer wirklich eine kleine und leichte Ausrüstung braucht, muss entweder auf Lichtstärke und Brennweitenbereich verzichten oder gleich das Sensorformat kleiner wählen – µFT kann dann eine gute Wahl sein. Egal, was Sie kaufen, nehmen Sie jede Kamera in Ruhe vorher in die Hand, und prüfen Sie auch, wie sie mit größeren Objektiven in der Hand liegt. Das Größenargument stammt noch aus einer Zeit, als die spiegellosen Kameras sonst nichts konnten, außer klein zu sein, immerhin hat Panasonic nun Vollformatkameras auf den Markt gebracht, die wie eine professionelle DSLR in der Hand liegen.

Inzwischen hat Sony auch Superteles herausgebracht, sodass auch die letzte Bastion der DSLRs, die Sportfotografie, bald fallen wird. Canon hat für seine EOS-R-Reihe ebenfalls solche Objektive angekündigt und will ein Kamera-Profimodell auf den Markt bringen. Der Trend im Kameramarkt geht Richtung Vollformat, vor allem bei den Spiegellosen. Sony, Canon, Nikon, Panasonic, Leica und Sigma haben spiegellose Vollformatkameras im Angebot, wobei die letzten drei auf ein gemeinsames Leica-L-Bajonett setzen. Das zum Teil geringe Objektivangebot der neueren Systeme lässt sich über Adapter umgehen. Canon und Nikon legten den ersten spiegellosen Adapter bei, mit dem sich die DSLR-Objektive der eigenen Marke ohne Leistungseinbußen verwenden lassen. Aber auch Adapterlösungen über Markengrenzen funktionieren teilweise sehr gut. Sigmas MC 11 ermöglicht zum Beispiel die Verwendung von Canon EFObjektiven an Sony E-Mount Kameras. Die Leica M hat ebenfalls keinen Spiegel und bietet Vollformat, bildet durch ihren optischen Sucher aber eigentlich eine eigene Kamerakategorie. Olympus und Panasonic haben Spiegellose im Micro Four Thirds (µFT) im Angebot, deren Sensordiagonale halb so groß wie Vollformat ist. Weitere Objektive zu diesem System gibt es z. B. von Zeiss, Sigma, Schneider Kreuznach oder Voigtländer. Blackmagic Design stellt für den Videobereich optimierte Kameras her, und DIJ hat sogar Drohnen mit integriertem µFT-Systemkameragehäuse im Angebot. Das µFT-Format lässt sich noch gut verwenden, ohne zu viel Gestaltungsspielraum einzubüßen, und hilft, die Ausrüstung kompakt zu halten. Die kleinen Sensoren haben einen Nachteil: Da es für die Kameras Adapter gibt, die Objektive der größeren Systeme nutzbar machen, ist eine vergleichbare Sensorgröße sinnvoll, ansonsten wird fast jedes angesetzte Objektiv zum Tele und die Bokehwirkung der Bildränder wird einfach angeschnitten. Kleinere Sensorformate wie Nikon 1 oder Pentax Q sind im Systemkamerabereich dankenswerterweise ausgestorben.

GG Abbildung 1.36 Die Sony-α7-Reihe bietet Vollfor­ mat­sensoren mit sehr guter Bild­ qualität in einem kompakten Gehäuse. (Bild: Sony)

Digitale Spiegelreflexkamera (DSLR) Die digitale Spiegelreflexkamera ist für den ambitionierten Fotografen sicherlich die interessanteste Kamera, denn eine Spiegelreflexkamera ist eine Systemkamera. Sie lässt sich für praktisch jede fotografische Aufgabe erweitern. Sie können aus einer Vielzahl von Objektiven wählen, es gibt ein fernsteuerbares Blitzsystem, zusätzliche Batteriepacks und Fernauslöser. Bei manchen Kameras können Sie sogar die Bilder über eine WLAN-Erweiterung direkt zum Computer oder ins Internet senden.

1.7  Kameratypen  |  53

12

3

4

Ihren Namen hat die Spiegelreflexkamera von ihrer besonderen Sucherkonstruktion: Vor dem Auslösen wird das Licht vom Objektiv durch einen halbdurchlässigen Spiegel 6 in zwei Strahlen aufgeteilt. Der eine Strahl führt nach oben auf die Mattscheibe 1 , wird über das Pentaprisma 2 in das Okular 3 gespiegelt und geht von dort in das Auge des Fotografen. Das hat zwei Vorteile: Der Fotograf sieht, zumindest bei einem Sucher mit 100 % Bildabdeckung, exakt den Ausschnitt, den die Kamera aufnimmt, und er kann bewegten Motiven schnell folgen, da der optische Sucher verzögerungsfrei ar­ beitet. Der zweite Strahl geht durch den Spiegel und trifft auf einen zweiten Spiegel 9 , der das Bild nach unten in die Messeinheit 8 wirft. In der Messein5 heit werden, sobald der Auslöser halb herunterge67 8 j k l drückt wird, die Belichtungswerte, die FarbtempeGG Abbildung 1.37 9 Die Spiegelreflexkamera wird im ratur des Lichts und die Schärfe für den Autofokus festgestellt. Der Messwert der Englischen als single lens reflex caBelichtung wird bei eingestellter Belichtungsautomatik für die Einstellung von mera bezeichnet (abgekürzt SLR) und Verschlusszeit und/oder Blende verwendet (bei einer Einstellung wie Auto-ISO in der digitalen Variante als DSLR. auch für die Lichtempfindlichkeit des Sensors). Der Farbtemperaturwert wird Das single in der Bezeichnung dient in die Metadaten der Raw-Datei geschrieben oder – beim Bildformat JPEG und auch zur Unterscheidung von den zweiäugigen Kameras, die Sucher bei Farbtemperatur-Automatik – dazu genutzt, die Sensordaten in ein farbangeund Aufnahme mit zwei getrennpasstes JPEG-Bild umzurechnen. Die Schärfedaten dienen dazu, Steuerdaten für ten Objektiven realisierten, wie die das angeschlossene Objektiv zu erzeugen, die über die Kontakte 7 im Bajonett Rolleiflex 2,8 oder die Yashica-Mat. an den Fokusmotor im Objektiv weitergeben werden (bei manchen Kameras (Bild: Canon) sitzt der Motor auch in der Kamera, und die Fokussierung wird von dort ange­ trieben).

Abbildung 1.38 E Links: Der Spiegel m lenkt das Licht durch das aufwendige Suchersystem. Rechts: Bei der Aufnahme oder im Livebild-Modus (siehe Seite 79) fällt das Licht direkt auf den Sensor, der Spiegel ist hochgeklappt. (Bild: Canon)

m 54  |  1  Kamera

Wenn der Auslöser durchgedrückt wird, legt die Kamera die Werte für Zeit und Blende fest und wartet auf die erfolgreiche Scharfstellung des Objektivs. Dann klappt sie den Spiegel hoch, übermittelt den Blendenwert an das Objektiv, das die Blende daraufhin auf den eingestellten Wert schließt. Nun öffnet sich der Verschluss j und lässt das Licht auf die Sensoreinheit k. Der Verschluss schließt sich nach der eingestellten Verschlusszeit wieder, der Spiegel klappt herunter, und die Blende öffnet sich wieder. Währenddessen werden die Sensordaten in den Pufferspeicher geladen und dort vom Hauptprozessor l in die Bilddatei umgerechnet. Eine kleine Version des Bildes wird auf dem eingebauten Bildschirm 4 angezeigt und die fertige Bilddatei auf die Speicherkarte 5 geschrieben. FF Abbildung 1.39 Die Erweiterbarkeit ist der große Vorteil der DSLR. Im Bild zu sehen sind die meisten der Objektive, die Canon selbst für sein System anbietet, es kommen also noch etliche Objektive von anderen Herstellern hinzu. (Bild: Canon)

Wenn man bedenkt, dass dieser Vorgang je nach Kamera zwischen drei- bis zwölfmal pro Sekunde ablaufen kann und dabei der Autofokus jedes Mal neu scharfstellt, dann wird schnell klar, was für ein technisches Wunder eine solche Kamera ist. Vor allem, wenn man die Geschwindigkeit der Raw-Konvertierung mit der im heimischen PC vergleicht: Fünf Raw-Bilder pro Sekunde in JPEGs umzuwandeln, schafft dieser nämlich nicht, und schon gar nicht mit einer kleinen Lithium-Ionen-Batterie als Stromquelle. Digitale Systemkameras sind immer noch das verbreitetste Werkzeug der Berufsfotografen. Selbst wer früher mit analogen Mittelformat- oder gar Großbildkameras (siehe Seite 70 bzw. 74) gearbeitet hat, nutzt heute häufig eine Systemkamera mit Vollformat- oder APS-C-Sensor. Das liegt auch daran, dass diese Kameras eine Bildqualität liefern können, für die man bei analogen Kameras Mittel- oder Großformat benötigt hat. Im Folgenden gehe ich auf die wesent­ lichen Kameraklassen im Markt ein. 1.7  Kameratypen  |  55

Vor- und Nachteile von Spiegellosen und DSLRs Spiegellose und DSLRs haben unterschiedliche Eigenschaften, die je nach Ausnahmesituation wichtig werden können. Ich will im Folgenden einen kleinen Überblick über den derzeitigen Stand der Technik geben. Spiegellose – Vorteile EE

EE EE EE EE EE EE EE EE EE EE

EE EE

der AF ist genauer, weil er direkt auf dem Sensor erfolgt größere AF-Abdeckung AF mit Gesichts- und Augenerkennung oft leichtere Kameras leiser Verschluss oft Bildstabilisator im Gehäuse (IBIS) Sucherbild kann das fertige Bild vorwegnehmen Sucherkontrolle während der Videoaufnahme bessere Sicht bei schwachem Licht möglich mehr Neuentwicklungen bei den Objektiven geringeres Auflagemaß macht andere Objektiv­ konstruktionen möglich bessere Unterstützung des manuellen Fokussierens elektronischer Sucher kann beliebige Zusatzinformationen wie eine Wasserwaage oder ein Live-Histogramm anzeigen

DSLR – Vorteile EE EE EE EE EE EE EE

DSLR – Nachteile EE EE

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Spiegellose – Nachteile EE

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EE EE EE

noch keine Kameras mit einer Robustheit und Wetterabdichtung wie bei einer Canon EOS 1DX Mark II oder Nikon D5 verfügbar deutlich höherer Batterieverbrauch der Sucher reagiert leicht zeitverzögert im Sucher sind Pixel sichtbar Sucherbild flimmert manchmal oder zeigt zu wenige Bilder pro Sekunde viele Objektive nur mit Adapter verwendbar oft schlechtere Ergonomie Sensor verschmutzt schneller, da er nicht wie bei einer DSLR die meiste Zeit verschlossen bleibt

56  |  1  Kamera

bewährte Technik, großes Angebot verzögerungsfreier Sucher bessere Batterielaufzeit robustere, besser abgedichtete Modelle verfügbar viele Objektive ohne Adapter anschließbar bei vielen Kameras bessere Ergonomie echte Profikameras verfügbar

EE

EE

EE

lauter AF nicht immer genau, muss teilweise justiert werden geringere AF-Abdeckung des Sucherbilds neue Objektive werden eher für spiegellose Kameras herauskommen keine Vergrößerung und kein Focus-Peaking im Sucher größeres Auflagemaß verringert die Zahl adaptierbarer Objektive bis auf seltene Ausnahmen kein bildstabilisierter Sensor (IBIS) Spiegelschlag limitiert mögliche Serienbild­ geschwindigkeit kein Bild im Sucher bei Video

Die Kameraklassen der Systemkameras Unabhängig von den Herstellern finden Sie bestimmte Segmente im Markt, die auf unterschiedliche Anforderungen und ein unterschiedliches Budget ausgelegt sind. Im Herbst 2019 ist der Stand wie folgt: Systemkameras für Einsteiger  | Während man in dieser Kameraklasse frü-

her mit deutlichen Einschränkungen zu rechnen hatte, hat der starke Konkurrenzdruck auf dem Markt dazu geführt, dass die günstigen Kameras sich im Funktionsumfang kaum noch von ihren professionelleren Schwestern unterscheiden. In diesem Segment erhalten Sie schon ab etwa 400 € Kameras (inklusive eines Standard-Zoomobjektivs), die eine gute Bildqualität und viele gestalterische Möglichkeiten liefern. Eine Kamera in diesem Segment bietet Ihnen in etwa den folgenden Funktionsumfang: EE eine Auflösung von 18 bis 24 Megapixel (Sensor mit APS-C-Größe, ca. 15 × 22 mm) EE ein gutes Autofokus- und Belichtungsmesssystem EE eine Lichtempfindlichkeit bis ISO 12 800 oder 25 600 EE eine Staubentfernungsautomatik EE die Unterstützung von Draht- und Fernauslösung EE Raw- und JPEG-Bildformat EE Filmaufzeichnung in Full HD EE eine Reihe von festen Belichtungsautomatiken (Motivprogramme) für den Anfänger, aber auch die rein manuelle Steuerung EE ein eingebautes Blitzgerät sowie Unterstützung des professionellen Blitzsystems des Herstellers, bei Nikon z. B. allerdings kein Highspeedsync, bei Canon wird teilweise der Mittenkontakt eingespart, um den Einsatz der Fremdblitze zu erschweren. Ganz selten finden Sie sogar Kameras ohne Blitzschuh wie die EOS M100. EE in der Regel ein Zoomobjektiv im Bereich von etwa 17–55 mm (entsprechend 28– 90 mm beim Kleinbildformat) mit Bildstabilisator (das sogenannte Kit-Objektiv, optional im Lieferumfang)

GG Abbildung

1.40 Handlich und günstig, aber eine »richtige« Kamera: eine Einsteiger-DSLR wie die Nikon D3500. (Bild: Nikon)

Abbildung 1.41 E Bei schwachem Licht setzen sich Kameras mit großem Sensor von den Kompakten ab.

18 mm | ƒ3,5 | 5 s | ISO 100 | Canon EOS 760D

1.7  Kameratypen  |  57

Diese Kameras sind meist klein und leicht gebaut, und es kommt relativ viel Kunststoff zum Einsatz. Trotzdem sind sie alltagstauglich und gut verarbeitet. Bei der Kaufentscheidung sollten Sie sich in jedem Fall auch die Kamera ansehen, die direkt über der absoluten Einsteigerkamera positioniert ist, denn diese kostet oft nur ein wenig mehr, ist aber unter Umständen das interessantere Angebot. Nur das Kameragehäuse ohne das entsprechende Kit-Objektiv zu erwerben, ergibt oft keinen Sinn, weil das nur unwesentlich günstiger ist oder sogar zum selben Preis angeboten wird. Eine gute Ergänzung für eine Einsteiger-DSLR ist ein Objektiv mit 50 mm Brennweite und großer Anfangsblende, etwa ƒ1,8. Wegen des Cropfaktors (siehe Seite 112) leuchtet diese Brennweite ungefähr denselben Bildwinkel aus wie ein 85-mm-Objektiv an einer Kamera mit Vollformatsensor. Ein solches Objektiv eignet sich ideal für Porträts und das Fotografieren bei wenig Licht (»Available Light«, siehe Seite 243). Es werden auch günstige Telezooms mit Bildstabilisator angeboten, die direkt an das obere Brennweitenende des Kit-Objektivs anschließen. Ein Zoom, das alle Brennweitenbereiche abdeckt, ist bis zu einem Brennweitenbereich von 18–135 mm ohne echte optische Abstriche möglich – darüber hinaus wird es entweder teuer oder nicht besonders gut. Systemkameras der Mittelklasse  |  Dieses Marktsegment unterscheidet sich in

den technischen Daten nur in Details von der Einsteigerklasse. Die Kameras sind allerdings schneller, besser verarbeitet und haben ein paar Features mehr. So Abbildung 1.42 E An einer APS-C-Kamera reichen für die gleiche Telewirkung 1,5- oder 1,6-mal kürzere Brennweiten im Verhältnis zu Vollformat.

222 mm | ƒ9| 1/640 s | ISO 200 | APS-C

58  |  1  Kamera

lässt sich zum Beispiel bei den DSLRs häufig der Autofokus feinjustieren, und die Gehäuse sind oft gegen Schmutz und Wasser abgedichtet. Das Autofokussystem ist in der Regel mit mehr Kreuzsensoren ausgerüstet und insgesamt schneller. Bei den Spiegellosen finden Sie oft schon einen Bildstabilisator im Gehäuse. Üblich ist auch 4 K-Video. Die Auflösung erreicht bei manchen Kameras über 30 MP. Viele Fotografen kaufen sich auch deshalb keine Einsteigerkamera, weil diese ein so kleines Gehäuse hat, dass die Bedienung darunter leiden kann. Eine Mittelklasse-DSLR liegt dagegen gut in der Hand und macht durch das höhere Gewicht einen solideren Eindruck. In dieser Klasse werden zumeist auch bessere Displays verbaut, und der Verschluss ist für mindestens 100 000 Auslösungen konzipiert. In der Mittelklasse finden Sie also ausgereifte und solide Arbeitswerkzeuge, mit denen sich auch viele Profifotografen zufriedengeben. Bei der Objektivauswahl sollten Sie überlegen, ob Sie später auf eine Kamera mit Vollformatsensor (24 × 36 mm) umsteigen möchten, und im Zweifel eher Objektive erwerben, die nicht für den kleineren Sensor der Mittelklasse-Kameras berechnet wurden, sondern das Kleinbildformat voll ausnutzen (siehe auch Kapitel 2, »Objektive«). Im Moment ist dies nur für Kunden der Marken Canon, Nikon, Sony und Pentax relevant, denn alle anderen Kamerahersteller bieten keine Systemkameras im Vollformat an, deren Bajonett mit den kleineren Kameras kompatibel ist. Systemkameras im Vollformat | Diese Kameras besitzen Sensoren, die mit

24 × 36 mm Größe genau dem ursprünglichen analogen Kleinbildformat entsprechen. Der große Sensor ermöglicht hohe Auflösungen bei gleichzeitig hoher Lichtempfindlichkeit (»ISO-Wert«, siehe auch Seite 264). Die erreichbare Gesamtschärfe ist höher als bei kleineren Sensoren, und der Sucher ist bei DSLRs größer und übersichtlicher. Die Objektive verhalten sich genau wie beim Kleinbildformat. Es kann eine sehr geringe Schärfentiefe erzielt werden, im Weitwinkelbereich wird der erreichbare Bildwinkel nicht durch einen Cropfaktor beschränkt. Wenn Sie von einer APS-C-Kamera auf eine Kamera mit Vollformatsensor umsteigen, können Sie die Objektive, die extra für die kleineren Sensoren entworfen wurden (EF-S bei Canon, DX bei Nikon, DT bei Sony), nicht oder nur sehr eingeschränkt weiterverwenden. Die Kombination aus Batteriepack und Hochformatauslöser ist in dieser Klasse ein Zubehör, das sich auch wieder von der Kamera abnehmen lässt, wenn man weniger Gewicht dabeihaben möchte. Vollformat-DSLRs werden für Fotografen gebaut, denen eine sehr hohe Bildqualität wichtig

GG Abbildung 1.43 Die Sony α6600 bietet 11 Bilder/ Sekunde bei 24 MP, 4 K-Video und schnellen AF auch im Video. (Bild: Sony)

HH Abbildung 1.44 Die Sony α7R IV kann 61 MP mit 10 Bildern pro Sekunde aufnehmen. (Bild: Sony)

1.7  Kameratypen  |  59

Abbildung 1.45 E Bei schwachem Licht zeigen Vollformatkameras ihre Stärken, aber auch am Tag gibt es einen Vorsprung in der Bildqualität.

200 mm | ƒ4| 1/100 s | ISO 5 000 

ist und die es schätzen, dass die Objektive in ihren Brennweiten so harmonisch abgestimmt sind wie zu Zeiten der analogen Kleinbildfotografie. Die klassische Kombination lichtstarker Festbrennweiten – 35, 50 und 85 mm – entfaltet erst an einem Vollformatsensor ihr Potenzial. Diese Kameraklasse ist die Wichtigste im Kameramarkt, das Angebot reicht von Einsteigerkameras, die manchmal ältere Modelle sind und schon ab unter 1 000 € zu bekommen sind (Canon EOS 6D, Sony α7 Mark II), über schnelle Kameras mit 24 bis 30 MP (Canon EOS R, Canon EOS 5D Mark IV, Nikon Z7, Nikon D750, Panasonic S1, Sony α7R III) zu hochauflösenden Kameras, die trotzdem noch schnelle Bildwiederholraten mitbringen (Nikon Z7, Nikon D850, Panasonic S1R, Pentax K-1 Mark II, Sony α7R IV). HH Abbildung

1.46 Ein absolutes Profigerät: die Canon EOS-1D X Mark II (Bild: Canon)

60  |  1  Kamera

Systemkameras für professionelle Ansprüche | Die Profi-Liga der DSLRs ist für

härteste Einsatzbedingungen ausgelegt: Die Kameras sind abgedichtet gegen Feuchtigkeit und Schmutz und extrem robust gebaut. Einen eingebauten Blitz gibt es nicht, weil er die Kamera weniger solide machen würde. Außerdem ist der Spiegelreflex-Hügel, der das Pentaprisma birgt, ohnehin schon groß, weil in dieser Klasse ein 100-%-Sucher Pflicht ist, ein Sucher also, der exakt zeigt, was der Sensor aufnimmt. Die Verarbeitung der Daten geht sehr schnell: 12 oder 14 Bilder pro Sekunde sind im Raw-Format möglich. Auch der Autofokus ist extrem schnell, lässt sich vom Benutzer feinjustieren, und die Autofokus-Messfelder decken einen großen Teil des Suchers ab. Der Verschluss ist auf eine Lebensdauer von 400 000 Auslösungen ausgelegt, hoch exakt und schnell. Verschlusszeiten von 1/8000 s und Blitzsynchronzeiten von 1/250 s sind Standard. Raw- und JPEG-Dateien können auf getrennte Speicherkarten geschrieben werden. Der Hochformatauslöser und das Batterieteil sind

integriert, um das Gehäuse noch besser abdichten zu können. Daraus ergibt sich ein Gewicht von etwa 1,3 Kilogramm nur für das Gehäuse. Die Bedienung ist so ausgelegt, dass sich Einstellungen nicht versehentlich ändern können, und so ist das Programmwahlrad durch eine Kombination von Rad und Knopf ersetzt. Einige Funktionen, wie die Öffnung des Schachts für die Speicherkarten, sind durch Sicherheitsschalter geschützt. Die Bedienung wird so zwar etwas komplizierter, kommt aber den Bedürfnissen des Profis entgegen, für den es am allerwichtigsten ist, dass bei nicht wiederholbaren Aufnahmen nichts schiefgeht und er mit verwertbaren Aufnahmen vom Job zurückkehrt. In der Summe könnte man auch sagen: Profi-DSLRs sind groß, schwer, kompliziert und teuer. Für den engagierten Fotoamateur sind sie trotzdem ein Traum, weil sie die Grenze des technologisch Machbaren repräsentieren und trotzdem auf absolute Zuverlässigkeit und Langlebigkeit ausgerichtet sind. Für die meisten Amateure werden diese Kameras allerdings ein Traum bleiben, denn bei Preisen von 5 500 € und darüber sind sie selbst für viele professionelle Fotografen nicht erschwinglich. Hinzu kommt, dass auch viele Profis die Schnelligkeit und Robustheit im täglichen Einsatz gar nicht benötigen und die Preisdifferenz zur günstigeren Kamera lieber für hochwertige Objektive ausgeben. Es ist davon auszugehen, dass es bald spiegellose Kameras gibt, die den Profi-DSLRs Konkurrenz machen und sie auf Dauer ablösen werden. Aber im Sommer 2019 gibt es noch keine spiegellose Kamera, die so robust ausgelegt ist wie eine Nikon D5 oder Canon EOS 1DX Mark II. Eine Sony α9 kann von der Leistung mithalten, aber ist nicht besonders gut abgedichtet. Canon und Nikon werden sicher bald etwas bringen und Sony hat die α7R IV auch schon besser abgedichtet als den Vorgänger. Wenn Sony für die α9 noch etwas drauflegt, wird es wohl schon 2020 drei wirkliche Profikameras auch bei den Spiegellosen geben.

Abbildung 1.47 E Unter harten Einsatzbedingungen zahlt sich der Preis für eine Profikamera aus.

19 mm | ƒ8 | 1/160 s | ISO 640

1.7  Kameratypen  |  61

Kompaktkamera

GG Abbildung

1.48 Kompaktkameras sind nicht immer billiger als eine kleine Spiegelreflexkamera. Die teureren haben aufwendige Objektive, ein solides Metallgehäuse und unterstützen das Raw-Format. Die G7X Mark III unterstützt auch Livestreaming. (Bild: Canon)

GG Abbildung 1.49 Links ein Sensor aus einer Kompaktkamera, rechts einer aus einem der besseren Fotohandys. Der Unterschied in der Sensorfläche ist gering.

62  |  1  Kamera

Im Bereich der Kompaktkameras wird die größte Anzahl verschiedener Modelle angeboten. Sie sind zu Preisen von deutlich unter 100 bis über 700 € zu haben. Die meisten Kompaktkameras sind so handlich, dass man sie immer dabeihaben kann. Falls man sich an die Anfängerprogramme hält, sind sie sehr einfach zu bedienen, und sie liefern bei gutem Licht scharfe Fotos mit guten Farben. Trotzdem bilden sie aber auch den Teil des Fotomarktes mit den größten prozentualen Rückgängen. Das liegt daran, dass sehr viele inzwischen mit dem Smartphone fotografieren und keinen echten Vorteil mehr in einer Kompaktkamera finden können. Wenn man sich die technischen Daten einer typischen Kompaktkamera ansieht, scheinen diese auf den ersten Blick sehr denen einer digitalen Spiegelreflexkamera zu entsprechen: Ein Sensor mit 20 Megapixeln Auflösung, ein Zoomobjektiv von z. B. 28 – 112 mm (entsprechend dem Kleinbildformat), oft allerdings auch ein deutlich größerer Brennweitenbereich, eingebauter Blitz, Autofokus und Bildstabilisator sind an Bord. Dabei passt sie allerdings in die Westentasche und wiegt unter 300 Gramm. Die Auflösung und der Brennweitenbereich lassen sich allerdings nur erreichen, indem man den Bildsensor stark verkleinert und das Objektiv im gleichen Maßstab mitschrumpft. Diese Miniaturisierung wirkt sich natürlich auch auf die Abbildungsleistungen des Systems aus. Auf der positiven Seite steht, dass man eine große Schärfentiefe zur Verfügung hat und mit vielen Kompaktkameras gut im Nahbereich fotografieren kann, sodass es zum Beispiel möglich ist, eine Hummel auf einer Blüte von vorn bis hinten scharf abzubilden. Es gibt aber einen Haken: Der Sensor muss seine 20  Megapixel bei vielen Kompaktkameras auf einer Fläche von nur etwa 6 × 4 mm unterbringen statt auf 15 × 22 mm wie bei einer digitalen Spiegelreflexkamera mit APS-C-Sensor. Die Fläche der einzelnen Pixel ist also etwa 14-mal kleiner. Das bedeutet, dass auch nur ein 1/14 des Lichts auf ein Pixel fällt, was die Kompaktkameras bei schwachem Licht deutlich weniger lichtempfindlich und anfälliger für Bildrauschen macht. Ein Nachteil der Kompaktkameras ist, dass durch den geringen Abbildungsmaßstab (er beschreibt das Verhältnis der Abbildungsgröße auf dem Sensor zur Motivgröße) die Schärfentiefe so ausgedehnt ist, dass man bei einem Porträt noch zehn Meter hinter dem Porträtierten jeden einzelnen Ast eines Baumes erkennen kann, was das Bild schnell sehr unruhig wirken lässt. Mit einem größeren Sensor würde der Hintergrund bei derselben Brennweite in der Unschärfe verschwimmen und der Betrachter könnte sich viel besser auf die Person konzentrieren.

Sie finden allerdings auch Kameras mit einem sogenannten 1-Zoll-Sensor. Die meisten Fotografen werden wohl vermuten, dass es sich dabei um die Sensordiagonale handelt und sich schon auf 2,54 cm freuen, fast so groß wie APS-C. Der Name bezieht sich allerdings auf die Videoröhren früherer Videokameras: Eine 1-Zoll-Röhre besaß einen Sensor mit 16 mm Durchmesser, das ist von der Fläche ca. 2,5-mal kleiner als ein Sensor mit einem Zoll Diagonale, allerdings fast fünfmal größer als die kleinen Kompaktkamerasensoren. »1-Zoll-Sensor« ist also eher ein Marketingtrick, aber trotzdem eine ganz vernünftige Größe, für eine Kamera, die klein bleiben soll. Das Auflösungsvermögen der kleinen Sensoren von Kompaktkameras übersteigt in den meisten Fällen die Auflösungsgrenzen der verwendeten Objektive. Eine Kamera mit 12 Megapixeln Auflösung ist unter Umständen genauso scharf wie eine mit 20, macht aber vielleicht bessere Nachtaufnahmen, weil die größeren Pixel lichtempfindlicher sind. Die reine Auflösung in Megapixeln sollte also kein Kaufkriterium für eine kompakte Digitalkamera sein. Wenn Sie sich eine Kompaktkamera zulegen möchten, gibt es ein paar Auswahlkriterien, die Ihnen helfen können, die Auswahl einzuschränken: EE Brennweitenbereich: Wenn Sie richtige Weitwinkel-Aufnahmen mit weniger als 28 mm Brennweite (bezogen auf das Vollformat) machen wollen, fallen viele Kameras weg. Die untere Grenze ist für die Auswahl wichtiger als die obere, weil Sie den starken Telebereich (also Brennweiten jenseits von etwa 150 mm) mit einer Ausschnittsvergrößerung leichter ersetzen können. Im Telebereich sind die Objektive durch die kleine Bauform auch nicht mehr so FF Abbildung

1.50 Eine billige und kleine Kompaktkamera nimmt man auch dorthin mit, wo man seine teure Kamera nicht aufs Spiel setzen möchte: Dieses Bild wurde mit einer alten 4-MegapixelKamera vom Kanu aus aufgenommen (im Raw-Format).

1.7  Kameratypen  |  63

Kleines groß abbilden Wenn Sie mit einer digitalen Kompaktkamera etwas Kleines groß abbilden möchten, sollten Sie die kürzeste Brennweite verwenden, denn im Weitwinkelbereich ist die kürzeste Aufnahmeentfernung so viel kleiner, dass dies nicht durch den größeren Abbildungsmaßstab beim Tele ausgeglichen werden kann. Bei längeren Brennweiten müssten Sie deutlich weiter weg vom Motiv, sodass der Vergrößerungsvorteil komplett verloren geht.

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EE GG Abbildung 1.51 Kompaktkameras gibt es auch in wasserdichter und schlagfester Ausführung. Je nach Einsatzzweck kann das zum wichtigsten Kaufargument werden. (Bild: Olympus)

Abbildung 1.52 E Die Fujifilm X100F besitzt einen 24-MP-APS-C und ein scharfes 23-mm-Objektiv. Mit über 1 000 € ist sie nicht günstiger als eine Systemkamera, aber der Markt für hochwertige Kompaktkameras ist recht groß. (Bild: Fujifilm)

64  |  1  Kamera

lichtstark, sodass Sie – verbunden mit der schlechten Lichtempfindlichkeit des Sensors – schneller Gefahr laufen, ein Bild zu verwackeln. Bildstabilisator: Gegen das Verwackeln kann ein Bildstabilisator helfen, der entweder mit einem beweglichen Linsenglied im Objektiv oder mit der Position des Sensors den Zitterbewegungen des Fotografen entgegensteuert. Hier müssen Sie etwas aufpassen, denn manchmal werden auch Softwarelösungen, die nicht besonders wirksam sind, als »elektronische Bildstabilisierung« bezeichnet. Erweiterbarkeit: Es gibt Kameras, die einen externen Blitz verwenden können und Objektivaufsätze für den starken Weitwinkel- und Telebereich unterstützen. Das können Sie allerdings außer Acht lassen, wenn Sie die Kamera als Zweitkamera einsetzen möchten und für schwierigere Aufnahmesituationen eine digitale Spiegelreflexkamera verwenden. Tatsächliche Bildqualität: Ein guter Anhaltspunkt, um die tatsächliche Qualität und Einsetzbarkeit einer Kamera zu beurteilen, sind die Bilder anderer Fotografen, die mit dem gleichen Kameramodell aufgenommen haben. Unter www.flickr.com/cameras/ können Sie direkt nach Bildern suchen, die mit einem bestimmten Kameramodell entstanden sind. Diese sind zwar manchmal stark nachbearbeitet, aber Sie werden allein durch die Masse der dort gespeicherten Fotos von jeder Kamera, die schon eine kurze Zeit auf dem Markt ist, aussagekräftige Bilder finden. Robustheit: Vom einfachen Kunststoffgehäuse mit wackelig wirkender Zoommechanik bis zur schlagfesten und bis 10 Meter Wassertiefe dichten Kamera (zum Beispiel aus der Olympus-Tough-Serie) finden Sie alles auf dem Markt.

Kompaktkamera mit großem Sensor Der größte Nachteil der Kompaktkameras ist, wie erwähnt, ihr meist winziger Sensor, der die Bildqualität und die Gestaltungsmöglichkeiten beschränkt. Allerdings gab es früher auch sehr kompakte Kleinbildkameras, wie z. B. die Yashi­ca T4 oder die Rollei 35 S. In letzter Zeit sind Kompaktkameras auf den Markt gekommen, die mit APS-C- oder sogar Vollformatsensoren bestückt sind und eine Bildqualität liefern, die mit Spiegelreflexkameras mithalten kann. Große Sensorformate und lange Brennweiten lassen sich nicht kompakt zusammenbringen, sodass die-

se Kameras entweder auf eher kurze Brennweiten (oft Festbrennweiten) beschränkt oder nicht mehr wirklich kompakt sind. Diese Nische wird sicher in Zukunft wachsen, weil diese Kameras sich qualitativ behaupten können und nicht so schnell von Smartphones bedroht werden wie die Kompaktkameras mit kleinem Sensor. Allerdings sind spiegellose Kameras mit Pancake-Objektiven (siehe Seite 178) von der Größe und Qualität ähnlich, lassen sich aber besser erweitern.

Bridge-Kamera Eine Bridge-Kamera ist zwischen einer Kompakt- und einer Systemkamera angesiedelt. Von der Kompaktkamera unterscheidet sich die Bridge-Kamera durch die größere Bauform, einen größeren Zoombereich und einen elektronischen Sucher. Man kann meist ein externes Blitzgerät anschließen, und die Bedienung ähnelt der einer Spiegelreflexkamera. Von der Systemkamera unterscheidet sie sich durch den kleineren Sensor und das fehlende Bajonett, das heißt, das Objektiv ist fest eingebaut und kann nicht gewechselt werden. Ein Sucher ist als elektronischer LCDSucher zusätzlich zum LCD-Display vorhanden. Einige Modelle haben extreme Zoombereiche, bei der Fujifilm FinePix S9900W zum Beispiel von 24 bis 1 200 mm Brennweite (entsprechend dem Kleinbildformat). Andere zeichnen sich durch sehr schnelle Video-Bildwiederholraten aus, wie die Sony RX10 IV mit 1 000 Bildern pro Sekunde (in niedriger Auflösung, bei 1,8 MP immerhin noch 250 Bilder/s).

GG Abbildung

1.53 Die Sony RX10 IIV kommt mit ihren 1 095 g Gewicht schon in ähnliche Bereiche wie eine DSLR. (Bild: Sony)

Smartphone Mobiltelefone mit Fotofunktion sind die verbreitetsten Kameras überhaupt. Die Mehrkosten für die eingebaute Kamera sind so gering, dass praktisch alle Handys eine Kamera haben, wobei es auch einen kleinen Trend zum »Dumbphone« gibt, das außer Telefonieren und SMS nichts kann. Interessant ist auch die Kombination von Internet, GPS und Kamera, mit der Sie Bilder direkt vom Aufnahmeort mit genauen Ortsinformationen online stellen können. So nahm ein Zeuge der glücklichen Notwasserung eines Flugzeugs in New York ein Bild mit seinem iPhone auf und lud es direkt auf seinen OnlineAccount bei Twitter hoch. Dieses Bild wurde trotz seiner nur zwei Megapixel das wahrscheinlich am häufigsten veröffentlichte Foto des Vorfalls. Aktuelle fotoorientierte Smartphones haben 12- bis 20  MP und Objektive, die mit dieser Auflösung einigermaßen umgehen können. Die besseren Modelle haben mehr

1.7  Kameratypen  |  65

GG Abbildung

1.54 So ein Panorama lässt sich mit einem Smartphone mit einem Schwenk aufnehmen.

HH Abbildung 1.55 Viele Smartphone-Bilder werden mit Apps aufgenommen, die die Nach­ bearbeitung übernehmen und die Bilder auf Wunsch gleich veröffent­ lichen. Dieses Bild wurde mit Hipstamatic auf dem iPhone erzeugt, sein Look erinnert an im Negativprozess entwickeltes Diamaterial inklusive Filmkorn und Klebestreifen.

66  |  1  Kamera

als eine Kamera auf der Rückseite, um die Brennweite variieren zu können und um Bokeheffekte in die Bilder hineinzurechnen. Über stereoskopische Aufnahme können Sie eine Tiefeninformation des Motivs erfassen. Die Top-iPhones projizieren 30 000  Infrarot-Lichtpunkte auf Ihr Gesicht, um Sie dreidimensional zu erfassen. Anhand dieser Daten können Sie später die Lichtsituation virtuell verändern. Zudem gibt es unzählbare Apps, die die fotografischen Möglichkeiten enorm erweitern, wie z. B. Anwendungen für Augmented Reality, das heißt der Vermischung von Videobild und computerberechneten Inhalten. HDR und Panoramen sind bereits mit der Standard-FotoFunktion verfügbar, aber sehr viele Bilder werden wohl mit Apps wie Instagram, Snapchat oder Hipstamatic erzeugt. Auf der sich eher an ambitionierte Amateure richtenden Fotoplattform flickr.com sind die fünf beliebtesten, d. h. am häufigsten benutzten, Kameras fünf verschiedene iPhones. Es gibt inzwischen Fotografen, die Reportage-, Hochzeits- oder Straßenfotografie nur noch mit dem iPhone betreiben. Auf der Android-Seite sind die Möglichkeiten recht vergleichbar, und abgesehen von der direkten Fotografie mit dem Smartphone ist ein solches Gerät nicht zuletzt als Zubehör für Fotografen sinnvoll: E  Kameras mit WLAN lassen sich direkt über iOS (das iPhone-Betriebssystem) oder Android fernsteuern. Über USB-Kabel lassen sich auch andere Kameras mit Apps wie qDslrDashboard steuern. E  GPS-Tracks können aufgezeichnet werden und später die Ortsinformationen für die Kamerabilder liefern. GPS-Daten können für neuere Kameras per Bluetooth an die Kamera gesendet werden und direkt mit in die Exif-Daten geschrieben werden. E  Mit Google Earth lassen sich vorab Satellitenbilder der AufnahmeLocation betrachten. E  Mit Apps wie z. B. Sunseeker können Sie sich vorab über den Sonnenstand am Aufnahmeort informieren.

E  Programme

wie Regenradar lassen eine genaue Vorhersage der Wetterentwicklung zu. E  Bilder können bearbeitet und direkt versendet werden. Es ist sogar Raw-Bearbeitung möglich. E  Das Smartphone kann als Taschenlampe bei der Bedienung der Kamera im Dunkeln helfen. E  Öffnungszeiten, Anfahrten, Ansprechpartner etc. können auch unterwegs ermittelt werden. E  Sie können die Kameraanleitung als PDF dabeihaben und unterwegs nachschlagen. E  Die oft sehr guten Displays eignen sich auch, um Bilder unterwegs zu zeigen oder für die eigene Verwendung mitzunehmen, z. B. um frühere Aufnahmen vor Ort nachzustellen.

GG Abbildung

1.56 Die App Sunseeker kann den Sonnenstand in ein Livebild einblenden.

Dies ist nur eine kleine Auswahl der Möglichkeiten, die ein Smartphone speziell für Fotografen mit sich bringt. Wenn Sie Ihr Mobiltelefon nach der Fotoqualität aussuchen möchten, können Sie auf etliche Vergleichsseiten im Internet zurückgreifen wie z. B. http:// connect.dpreview.com (in englischer Sprache). Inzwischen gibt es nicht nur Aufsatzlinsen, die die eingebaute Kamera optisch erweitern, Sony und DxO z. B. haben Teilkameras aus Objektiv und großem Sensor im Programm, die kabellos zusammen mit einem Smartphone funktionieren. Der Trend bei den besseren Fotohandys geht dazu, mindestens zwei Kameras auf der Rückseite zu haben, je nach Ausführung kann so z. B. geringe Schärfentiefe simuliert oder der Brennweitenbereich erweitert werden.

Action-Kamera Wenn man eine Digitalkamera auf eine möglichst geringe Größe bei gleichzeitig großer Robustheit hin optimiert, erschließen sich ganz neue Anwendungsmöglichkeiten. Man kann sie am Fahrradhelm befestigen, an einem Modellflugzeug oder einer Drohne, am Surfbrett oder am Motorrad, mit ihr Fallschirm springen gehen oder tauchen. Diese Kameras werden zumeist für Video verwendet, unterstützen aber auch die fotografische Nutzung inklusive Intervalometer, um Zeitrafferaufnahmen zu erstellen. Damit das Bild auch bei hohen Geschwindigkeiten gut zu betrachten bleibt, sind diese Kameras sehr weitwinklig und haben meist eine Fisheye-Perspektive. Das macht es auch möglich, auf einen Monitor zu verzichten, da der große Bildwinkel das Ausrichten erleichtert. Trotzdem kommt es dem Bildaufbau zugute, wenn Sie ein Livebild zur Verfügung haben.

GG Abbildung 1.57 Die Hero 7 Black von GoPro übertrifft in den Videoformaten die meisten DSLRs, ist aber viel kleiner, robuster und bildstabilisierend. Außerdem verfügt sie über diverse Befestigungsmöglichkeiten. (Bild: GoPro)

1.7  Kameratypen  |  67

Abbildung 1.58 E Die Bootsspitze ist nur 40 cm von der GoPro entfernt. Die Kamera hat eine sehr weitwinklige FisheyePerspektive.

Spezialkameras Der Kameramarkt hat inzwischen etliche Nischen ausgebildet, und es werden immer mehr. Es gibt Bälle, die Sie in die Luft werfen und die am höchsten Punkt der Flugbahn ein 360°-Panorama erstellen, Kameras, die Sie an Bäume nageln und die nachts automatisch Wildtiere im Infrarotbereich aufnehmen, Kameras für die Sternenfotografie mit Teleskopen, kleine Kameras mit zwei Fisheye-Objektiven, die 360°-Fotos und Videos aufnehmen können. Es gibt Stereokameras bzw. Objektivvorsätze dafür und Hochgeschwindigkeitskameras. Außerdem finden Sie eine Menge Kameras, die man aufgrund ihrer Größe als Spionagekameras bezeichnen kann und mit deren heimlichen Einsatz man sich zu Recht juristischen Ärger einhandeln kann. Im wissenschaftlichen, industriellen und militärischen Bereich gibt es ebenfalls unzählige Spezialkameras, die zum Teil Jahre oder Jahrzehnten nach ihrer Entwicklung ebenfalls kreativ genutzt werden.

68  |  1  Kamera

Bessere Modelle übertragen ein Bild per WLAN, das Sie auf Ihrem Smartphone oder Tablet ansehen können. Die neue Generation verfügt zum Teil über eine sehr mächtige interne Bildstabilisierung, andere lösen das Problem über ein kleines Gimbal, was jedoch nicht so robust ist und sich nur für harmlosere Anwendungen eignet. Lassen Sie sich bitte auf keine Risiken ein, die Sie nicht auch ohne ActionKamera auf sich nehmen würden. Und seien Sie auch bei diesen vorsichtig, da die Kameras ein zusätzliches Risiko darstellen können. Michael Schumacher wurde z. B. nur deshalb so schwer bei seinem Skiunfall verletzt, weil seine Helmkamera den Helm zerbrechen ließ. Es steht sehr viel Zubehör für die unterschiedlichsten Befestigungsanwendungen zur Verfügung. Die Kameras vertragen große Beschleunigungen und sind oft wasserdicht bis 50 oder 60 m Tiefe. Die Einstellungsmöglichkeiten sind beschränkt, meist ist nicht einmal eine Belichtungskorrektur möglich. Sie dürfen also nicht erwarten, dass die Qualität der Videos aus der Kamera der Videoqualität der Beispielfilme entspricht. Ohne Nachbearbeitung sehen die Filme und Bilder oft eher nach Handyqualität aus. Allerdings sind die Bildwiederholraten actiontauglich, selbst Full HD wird oft in 240 Bildern/s unterstützt, das schaffen die meisten Systemkameras nicht. Action-Kameras erweitern die Anwendungsgebiete enorm: In den meisten Fällen könnten Sie eine Systemkamera wegen des Gewichts oder der mechanischen Belastung nicht dort einsetzen, wo eine Action-Kamera ihr natürliches Einsatzfeld findet.

Drohnen Der Einsatz von Drohnen oder Multicoptern ermöglicht Fotos und Videos aus der Luftbildperspektive für verhältnismäßig wenig Geld. Eine Drohne für die eigene Spiegelreflexkamera zu kaufen, ist dabei keine gute Lösung, weil Sie dann schnell über ein Abfluggewicht von 5 kg kommen. Ab dieser Grenze ist aktuell auch ein nicht gewerblicher Start immer genehmigungspflichtig, und die Fluggeräte werden auch schnell recht teuer. Für kommerzielle Starts benötigen Sie auch mit leichteren Drohnen Genehmigungen, die Ihnen vom jeweiligen Bundesland erteilt werden können. Jeder Drohnenpilot braucht eine spezielle Haftpflichtversicherung, und den Nachweis über diese sollten Sie auch immer mit sich führen, wenn Sie eine Drohne starten lassen. Drohnen müssen sich auch immer in Ihrem direkten Gesichtsfeld befinden, ansonsten benötigen Sie wieder eine Fluggenehmigung. Obendrein gibt es natürlich jede Menge Flugverbotszonen, z. B. um Flugplätze herum, und Einschränkungen z. B. beim Flug über Privatgrundstücke. Sie sollten sich in jedem Falle einlesen, bevor Sie eine Drohne erwerben. Schon ab 250 g Drohnengewicht benötigen Sie eine feuerfeste Plakette mit Ihrem Namen und Ihrer Adresse auf der Drohne. Wenn Sie sich von den ganzen Vorschriften nicht abschrecken lassen, sollten Sie folgende Punkte beim Kauf beachten: Wollen Sie mit einer günstigen Einstiegsdrohne beginnen, um mögliche Schäden durch Flugfehler während der Eingewöhnungsphase klein zu halten? Soll die Kamera austauschbar sein? Eingebaute Kameras haben den Vorteil, dass der Gimbal genau auf die Kamera abgestimmt ist, und Sie relativ einfach ein stabilisiertes Bild erhalten. Es gibt zwar auch Drohnen, bei denen Sie die Kamera direkt an der Drohne befestigen, aber dann können Sie sie nicht während des Flugs unabhängig von der Drohne schwenken, und die Vibrationen der Drohne werden auf das Bild übertragen. Ein guter Gimbal ist fernsteuerbar und stabilisiert das Bild so, als wäre es mit einer Steadicam aufgenommen worden, einer großen und schweren Speziallösung aus dem Kinobereich, die alle Kamerabewegungen so glättet, als würde die Kamera schweben und nicht von einem Kameramann herumgetragen werden. Eine eingebaute Kamera sollte 4 K-Video beherrschen und einen einigermaßen hohen Kontrastumfang bewältigen können. Viele Kameras sind sehr weitwinklig, was die Darstellung aus der Luft schnell sehr klein werden lässt. RawFotos sind, wie bei jeder anderen Kamera auch, ein Vorteil. Ebenfalls sinnvoll ist es, wenn Sie sich das Drohnenbild in Echtzeit auf einen kleinen Bildschirm übertragen lassen können.

GG Abbildung

1.59 Die Mavic 2 Pro von DJI besitzt eine eingebaute Kamera mit 4 K-Video und 20 MP Auflösung für Raw-Fotos, ein Gimbal ermöglicht stabilisierte Videoaufnahmen. (Bild: DJI)

1.7  Kameratypen  |  69

Im professionellen Bereich arbeitet man übrigens oft mit zwei Operatoren: einem, der die Drohne fliegt, und einem, der Gimbal und Kamera steuert. Gerade, wenn Sie diese Aufgaben selbst gleichzeitig ausführen möchten, sollten Sie darauf achten, dass Sie eine Drohne erwerben, die selbstständig ihre Position stabilisieren kann. Mit bestimmten Micro-Four-Thirds-Kameras können Sie eine sehr gute Foto- und Videoqualität erreichen, gleichzeitig sind die Kameras noch so leicht, dass Sie inkl. einer Drohne, die diese gut tragen kann, unter 5 kg bleiben. Die Sigma fp ist beispielsweise eine Vollformatkamera, die ohne Objektiv nur 422 g wiegt – mit einem leichten Objektiv bleibt auch diese drohnentauglich.

Mittelformatkamera Die analogen Mittelformatkameras besitzen ein größeres Aufnahmeformat als Kleinbildkameras, ihr gemeinsames Merkmal ist die Verwendung von 6 cm breitem Rollfilm. Die gängigsten Formate sind 6 × 4,5 (56 × 42 mm), 6 × 6 (56 × 56 mm) und 6 × 7 (56 × 68–72 mm), es gibt aber auch spezialisierte Kameras, die den Film auf bis zu 24 cm Länge mit einer einzigen Aufnahme belichten. Am gebräuchlichsten ist der Rollfilm-Typ 120, der 12 Aufnahmen à 6 × 6 cm liefert und der komplett auf einem Papierträger aufgeklebt ist. Der seltenere Typ 220 hat den Papierträger nur am Anfang und Ende und bietet Platz für doppelt so viele Aufnahmen. Obwohl beide Filme auf der gleichen Spule geliefert werden, kann man sie normalerweise nicht mit dem gleichen Filmmagazin verwenden. GG Abbildung 1.60 Die Hasselblad 501CM. Sie geht auf eine 1948 vorgestellte Kamera zurück, die zum Vorbild für eine ganze Kameraklasse wurde.

Ende des V-Systems Die Produktion der analogen Hasselblads (V-System) wurde 2013 eingestellt, das hat aber auf die Verfügbarkeit wenig Einfluss, weil diese Kameras für die Ewigkeit gebaut wurden.

70  |  1  Kamera

Vielseitiges Mittelformat | Obwohl es auch Mittelformatkameras gibt, die wie

eine große Kleinbild-Spiegelreflexkamera aussehen, sind die meisten professionellen Kameras ähnlich wie die Hasselblad (siehe Abbildung 1.60) aufgebaut: Das Kameragehäuse ähnelt einem Würfel, der an allen sechs Seiten Anschlussmöglichkeiten bietet. Vorn befindet sich ein Bajonett, das eine große Zahl von Wechselobjektiven aufnehmen kann, wenngleich die Zahl der verfügbaren Objektive kleiner ist als bei den Kleinbildsystemen. Hinten lassen sich Wechselfilmkassetten ansetzen, sodass Sie verschiedene Filmsorten parallel verwenden können. Viele Systeme unterstützen auch digitale Rückteile, die dann einen Sensor statt des Films tragen. Unten lässt sich ein Stativ befestigen, meistens benötigt man dafür aber eine dickere Schraube als bei einer Kleinbildkamera (3/8 statt 1/4 Zoll). Rechts befindet sich die Filmtransportkurbel oder wahlweise ein Motor. Oben lassen sich die Mattscheiben wechseln und verschiedene Sucher ansetzen. Mitgeliefert ist häufig auch ein Faltlichtschacht mit Lupe, der von oben

Einblick auf ein spiegelverkehrtes Bild gewährt. Die Anschlüsse für den Blitz wandern auf die linke Seite, weil die Oberseite austauschbar ist. Der Gedanke der Systemkamera ist also bei der Mittelformatkamera noch weitergetrieben worden als bei der Kleinbildkamera – und bei der Hasselblad lässt sich selbst das Grundgehäuse noch gegen ein ultrakurzes mit Weitwinkelobjektiv austauschen. Mit einer Mittelformatkamera arbeiten Sie langsamer und genauer als mit einer Kleinbildkamera. Sie sind auch viel schneller auf ein Stativ angewiesen, weil Sie mit kleineren Blendenöffnungen und weniger lichtempfindlichen Filmmaterialien als bei der Kleinbildkamera arbeiten. Der Aufwand wird aber mit einer höheren Bildqualität belohnt.

GG Abbildung

1.61 Das Rückteil CFV II 50C lässt sich auch an analoge Mittelformatkameras anschließen, hier wurde es mit der nur 203 g schweren Hasselblad 907X kombiniert, das die Verwendung von Objektiven aus dem X-System ermöglicht. (Bild: Hasselblad)

Holga Es gibt auch eine ganz andere Form des Mittelformats: billige Kameras aus Asien. Das extremste Beispiel ist die Holga 120 N, eine chinesische Kamera komplett aus Plastik, die neu für unter 50 € zu bekommen ist. Sie kann Bilder erschaffen, die eine sehr große Atmosphäre haben und an uralte Fotos erinnern. Sie hat einen Fankreis, der sehr viele Profifotografen einschließt, gerade weil sie so schlecht ist. GG Abbildung

1.62 Ich nahm meine analoge Hasselblad gern auf Reisen mit, denn die Qualität war deutlich höher als bei einer Kleinbildkamera, aber die Kamera kaum weniger handlich. Heute sind meine Vollformatkameras den analogen Mittelformatkameras überlegen.

1.7  Kameratypen  |  71

Das digitale Mittelformat | Um die Jahrtausendwende hatten die meisten Pro-

GG Abbildung

1.63 100 MP mit 15 Blenden Dynamikumfang und 53,4 × 40 mm Sensorgröße bieten die Hasselblad H6D 100c und die PhaseOne XF 100 MP. (Bild: Hasselblad)

HH Abbildung 1.64 Eine Blitzsynchronzeit von 1/500 s bei ISO 100 und Blende ƒ16 hat hier das mittägliche Tageslicht so weit zurückgedrängt, dass das Bild wie eine Dämmerungsaufnahme wirkt.

72  |  1  Kamera

fifotografen eine analoge Mittelformatausrüstung, wenn sie in der Industrie-, People- und Werbefotografie aktiv waren, und manchmal sogar eine Großbildkamera (auch Fachkamera genannt). Beide Kameraarten waren auch unter Amateurfotografen verbreitet, wenn auch deutlich seltener als Kleinbildkameras. Die Verbreitung ist im digitalen Zeitalter deutlich gesunken, vor allem weil die Einstiegshürden stark erhöht wurden. Erst in letzter Zeit sind Mittelformatkameras auf den Markt gekommen, die nur wenig teurer als eine gute Vollformatkamera sind; vorher war eine digitale Mittelformatkamera ca. zehnmal so teuer wie eine neue analoge. Die Sensoren digitaler Mittelformatkameras sind oft deutlich kleiner als die verwendeten Filmgrößen, sodass es mit dem Kauf eines digitalen Kamerarückteils nicht getan ist, es müssen auch neue Objektive mit kürzeren Brennweiten angeschafft werden, um weiterhin die gleichen Bildwinkel fotografisch nutzen zu können. Anfangs lagen die für einen Systemeinstieg notwendigen Investitionen bei etwa 30 000 bis 40 000 €. Ein weiterer Grund für die zurückgehende Verbreitung der Mittelformatkameras ist der enorme Qualitätszuwachs der digitalen Kleinbildkameras, die heute viele Bereiche, die früher dem Mittelformat vorbehalten blieben, souverän meistern. Mittelformatkameras haben oft statt eines Schlitzverschlusses vor dem Sensor einen Zentralverschluss innerhalb des Objektivs. Dieser ähnelt vom Aufbau her der Blende (zur Blendenkonstruktion siehe Seite 116), mit dem Unterschied, dass er vollständig geschlossen werden kann. Mit einem Zentralverschluss sind Verschlusszeiten bis 1/800 s möglich, mit neuesten Hasselblad-Objektiven sogar 1/2000 s. Der große Vorteil ist, dass die Blitzsynchronzeit der kürzesten Verschlusszeit entspricht, was es sehr viel einfacher macht, das Umgebungslicht zu überblitzen und so auch tagsüber den Blitz als Hauptlicht zu verwenden. In letzter Zeit ist aber eine deutliche Trendumkehr zu verzeichnen, der gesamte Fotomarkt verschiebt sich etwas in Richtung größerer Formate. Die kleinen Formate wie Nikon 1 sind ausgestorben, Vollformatkameras werden immer verbreiteter und Mittelformatkameras immer günstiger. Zudem gibt es spiegellose Mittelformatkameras wie die Fujifilm-GFX-Reihe oder die Hasselblad X1D II 50C, an die Sie auch Kleinbildobjektive adaptieren können, zum Teil sogar mit Autofokus. Nicht alle

zeichnen den Bildkreis aus, der für eine Sensorgröße von 33 × 44 mm notwendig ist, aber Shift-Objektive, lichtstarke Normalobjektive oder längere Brennweiten sind oft sehr gut verwendbar. Die Einsteigerkameras im Mittelformat, Fujifilm GFX 50R oder 50S, Hasselblad X1D II 50C oder Pentax 645Z besitzen einen 51,4-MP-Sensor und kosten zwischen 4 000 und 6 000 €. Die Oberklasse im Mittelformat verwendet einen 53,4 × 40 mm großen Sensor mit 100 oder 150 MP. Komplette Kameras mit Digitalrückteil und Objektiv liegen hier zwischen 30 000 und 50 000 €. Wenn Ihnen 100 MP auf einem »kleinen« Sensor reichen, kommt die Fujifilm GFX 100S in Frage, die obendrein einen Phasen-AF wie eine aktuelle spiegellose Vollformatkamera (mit Einschränkungen bei schwachem Licht) mitbringt und 4 K-Video unterstützt. Sie liegt bei 11 000 € und ist momentan wahrscheinlich die einzige Mittelformatkamera, die Sie die Einschränkungen, die Kameras dieses Formats üblicherweise mitbringen, kaum spüren lässt. Der Autofokus an Mittelformatkameras mit Spiegel hat nur eine sehr geringe Sucherabdeckung in der Mitte und ist recht langsam. Die Spiegellosen sind da besser, aber etwas langsamer als eine Vollformatkamera. Es gibt gute Gründe, sich eine Mittelformatkamera zuzulegen: EE Die erzielbare Schärfe steigt mit der Sensorgröße. EE Die mögliche Freistellung des Motivs steigt ebenfalls mit der Sensorgröße. Allerdings haben Mittelformatobjektive oft eine geringere Anfangsblende, sodass Sie oft mit lichtstarken Vollformatobjektiven eine noch geringere Schärfentiefe erzielen können. EE Bei Verwendung von Vollformatobjektiven steigt der nutzbare Bildwinkel, wenn der Bildkreis groß genug ist. Ein 85 mm/ƒ1,4 wirkt an einem 1,3-mal größeren Sensor wie ein 65 mm/ƒ1,1 – ein umgedrehter Crop-Faktor sozu­ sagen. EE Das Seitenverhältnis ist 4:3, anstatt 3:2, und damit schöner und näher an einer Magazinseite. EE Sie können langsamer und genauer arbeiten.

GG Abbildung 1.65 Dieser Bildausschnitt ist gerade mal 10 % des gesamten Bildes einer Fujifilm GFX 50R. Ich war bei der Aufnahme fast einen Meter von dem Weibchen des Grünen Heupferds entfernt, da ich kein Makro dabeihatte.

110 mm | ƒ8 | 1/125 s | ISO 200

Durch diese eher technischen Eigenschaften und die z. T. sehr guten Objektive ergibt sich ein bestimmter Mittelformat-Look. Die Bilder sehen tatsächlich oft anders aus als bei der Verwendung einer Vollformatkamera.

1.7  Kameratypen  |  73

Großbildkamera

GG Abbildung

1.66 Eine Großbildkamera benötigt Filmmaterial, das pro Aufnahme fast die Größe einer Postkarte (oder mehr) hat, sie zeichnet sich auch durch die freie Beweglichkeit von Objektiv zu Filmebene aus. (Bild: Sinar)

Abbildung 1.67 E Ohne Stativ geht bei einer Großbildkamera nichts. Wenn Sie exakt arbeiten, erreichen Sie mit einem solchen System eine hervorragende Bildqualität.

74  |  1  Kamera

Eine Großbildkamera arbeitet mit Filmformaten, die noch größer als die Rollfilmformate der Mittelformatkameras sind. Das kleinste Format ist bereits 9 × 12 cm groß, viel gebräuchlicher ist allerdings 10,2 × 12,7 cm, was 4 × 5 Zoll (1 Zoll = 2,54 cm) entspricht. Es gibt auch Kameras, die sogar 18 × 24 cm beziehungsweise 20 × 25 cm große Negative oder Dias belichten. Die Filme werden als Planfilme geliefert, die in absoluter Dunkelheit in Kassetten eingelegt werden. Ein Film entspricht dabei einer Belichtung, zwei davon passen in eine Kassette. Das ist umständlich und teuer, deswegen arbeiten einige Fotografen lieber mit Rollfilmrückteilen im Format 6 × 9 cm. Das Wesentliche dieser Kameraform ist aber, dass sie es ermöglicht, das Objektiv und die Filmebene frei gegeneinander zu bewegen. Statt eines festen Kameragehäuses gibt es den sogenannten Balgen: Zwischen Objektiv und Film sitzt kein Spiegel, sondern nur ein flexibler, zusammenschiebbarer »Schlauch«, ähnlich einer Ziehharmonika. Das gibt dem Fotografen weitreichende Möglichkeiten bei der Korrektur der Perspektive und der Steuerung der Schärfe. Diese Kameras werden deswegen hauptsächlich von Studio- und Architekturfotografen verwendet. Aber auch in der Landschaftsfotografie haben sie ihre Stärken. Wegen der Balgenkonstruktion lassen sich hochwertige Weitwinkelobjektive einfacher aufbauen, weil sie entsprechend ihrer Brennweite nah an den Film herangefahren werden können. Bei Spiegelreflexkameras dagegen sind immer zusätzliche Korrekturelemente im Objektiv notwendig, die den großen Abstand zum Film oder Sensor ausgleichen (siehe dazu auch Seite 138).

Das Arbeiten mit einer Großbildkamera erfordert noch eine sehr viel höhere Genauigkeit als mit einer Mittelformatkamera. Die Möglichkeiten, die Perspektive und Schärfe zu kontrollieren, in Verbindung mit den großen Auflösungsreserven des Filmformats eröffnen eine ganz eigene Welt der Fotografie. Der Preise für analoges Profi-Equipment auf dem Gebrauchtmarkt sind günstig, und falls Sie Schwarzweißfilme selbst verarbeiten können, sind auch die laufenden Kosten hobbytauglich. Die großen Filmformate lassen sich auch mit Amateurscannern in guter Qualität verarbeiten. Der Begriff »Großbild« ist für Aufnahmeformate oberhalb von 9 × 12 cm reserviert. Nach dieser Definition gibt es gar kein digitales Großbild, denn abgesehen vom Einsatz für wissenschaftliche Zwecke (z. B. in der Astronomie) sind bislang keine Sensoren oberhalb der kleinsten Mittelformatfilmgröße (6 × 4,5 cm) ver-

GG Abbildung

1.68 Hier wurde das Objektiv nach oben verschoben, um die Senkrechten des Gebäudes parallel abzubilden, obwohl schräg nach oben fotografiert wurde, was bei einer normalen Kamera zu stürzenden Linien geführt hätte.

Rodenstock 90 mm/ƒ4,5 bei ƒ16 | Fujifilm Velvia 4 × 5 inch

1.7  Kameratypen  |  75

fügbar. Für Spezialanwendungen genutzt werden mitunter auch Scannerrückteile, die das Bild zeilenweise abtasten. Kameras nach dem Konstruktionsprinzip einer Großbildkamera findet man allerdings einige. Sie nutzen Sensoren in Mittelformatgröße und stehen in der Verstellbarkeit ihren großen analogen Vorbildern in nichts nach. Diese Kameras werden hauptsächlich für die Studio- und Architekturfotografie verwendet. Die wesentlichen Vorteile der Perspektivkorrektur und Schärfesteuerung lassen sich auch mit einer Systemkamera in Verbindung mit Tilt-Shift-Objektiven erreichen. Da Sie sehr wahrscheinlich eher einmal mit einem Tilt-Shift-Objektiv arbeiten werden als mit einer digitalen Großbildkamera, werde ich die Anwendungsprinzipien der Schärfe- und Perspektivkorrektur in Kapitel 2, »Objektive«, ab Seite 156 erklären.

GG Abbildung

1.69 Die Anforderungen an Genauigkeit und Beweglichkeit machen aus der Großbildkamera Sinar P3 ein mechanisches Präzisionsinstrument. (Bild: Sinar)

GG Abbildung 1.70 Die Filmebene blieb hier parallel zum Schornstein, sodass sich keine stürzenden Linien ergaben. In Schwarzweiß ist das analoge Großformat bezahlbar, dieses Bild wurde vom Negativ abfotografiert.

76  |  1  Kamera

1.8  Konfiguration und Wartung der Kamera Wenn Sie tiefer in die Fotografie einsteigen möchten, sollten Sie Ihre Ausrüstung bis ins Detail kennen. Nehmen Sie sich die Zeit – gerade, wenn Sie eine neue Kamera haben –, und gehen Sie sämtliche Einstellmöglichkeiten der Menüs durch. Schlagen Sie alles, was Ihnen nicht unmittelbar einsichtig wird, im Handbuch nach, und probieren Sie alles für Sie Interessante einmal aus. Es wird Situationen geben, in denen Ihnen dieses Wissen hilft, ein besseres Bild zu machen. Außerdem können Sie die Kamera dann nach Ihren persönlichen Arbeitsvorlieben effizienter konfigurieren.

Dateieinstellungen: Raw oder JPEG? Die erste grundsätzliche Frage ist die, in welchem Format Sie die Bilder aufnehmen wollen – Raw, JPEG oder beides? Das Raw-Format hat den Vorteil, dass Sie die höchstmögliche Qualität erhalten. Außerdem müssen Sie sich bei der Aufnahme um eine korrekte Einstellung der Farbtemperatur, des Scharfzeichnens oder der Bildstile überhaupt keine Gedanken machen. Der Nachteil ist, dass Sie viel Speicherplatz benötigen und die Aufbereitung arbeits- und rechenintensiv ist. JPEG-Dateien dagegen können Sie direkt weiterverwenden, sie sind aber in den Bearbeitungsmöglichkeiten, sowohl was Farbe als auch Helligkeit betrifft, deutlich eingeschränkter. Ich persönlich fotografiere alles im Raw-Format. Sie können auch beide Formate gleichzeitig aufzeichnen lassen und haben so schnell eine JPEG-Datei (gern auch in kleinerer Auflösung, aber in hoher Qualität) und eine Raw-Datei, die Sie später in Ruhe perfekt ausarbeiten können.

Bildeinstellungen An einer analogen Kamera gibt es (neben der Schärfe) nur die Verschlusszeit und die Blende einzustellen. Natürlich können Sie zwischen verschiedenen Automatiken und Messmethoden wechseln, aber letztlich bildentscheidend waren nur diese beiden Werte – Zeit und Blende. Bei einer Digitalkamera kommt die Lichtempfindlichkeit des Sensors (ISO-Wert) hinzu, weil sich diese nicht mehr durch das verwendete Filmmaterial ergibt, sondern von Aufnahme zu Aufnahme frei gewählt werden kann. Diese drei Einstellungen beeinflussen die Aufnahme direkt und bis hinunter auf physikalische Vorgänge. Sie lassen sich später im Bild nicht mehr verändern, sie sind Hardwareeinstellungen.

1.8  Konfiguration und Wartung der Kamera  |  77

Bei manchen Kameras gibt es auch eine Dynamikerweiterung, die hilft, den Lichterbereich besser abzubilden, sodass weniger Bereiche ohne Zeichnung bleiben und »ausfressen« (dies ist tatsächlich eine echte Hardwarefunktion, die auch im Raw-Format etwa eine Blende mehr Lichterzeichnung bringt). Ebenso gibt es eine Rauschverminderung, die sich auf das Raw-Bild und auf die Entfernung von Hotpixeln, also Sensorfehlern, die sonst als bunte Punkte auf dem Bild sichtbar würden, auswirkt Es gibt eine Reihe von weiteren Einstellungsmöglichkeiten, die das Bild auf der Softwareseite verändern: E die

Farbtemperatur, die das Bildergebnis farblich an das vorherrschende Licht anpasst (siehe auch Seite 440) E die Farbsättigung, die die Buntheit des Endergebnisses bestimmt E die Scharfzeichnung, die für den Kantenkon­ trast und den Schärfeeindruck sorgt E der Kontrast, der die Stärke der Helligkeitsunterschiede festlegt E der Farbton, der Ihnen noch genauere Farbanpassungen ermöglicht als die Farbtemperatur allein E der Schwarzweißmodus, der Filter­ein­stel­lun­ gen und Tonung von Schwarz­weißbildern ermöglicht

FF Abbildung

1.71 Schwarzweißbilder erzeugen Sie am besten erst auf dem Rechner und nicht in der Kamera. Eine Farbaufnahme im Raw-Format ist die ideale Vorlage, um ein Schwarzweißbild auszuarbeiten.

31 mm | ƒ11 | 1/250 s | ISO 100

78  |  1  Kamera

Diese Einstellungen sind nur dafür da, die Parameter zur Umrechnung der rohen Bilddaten ins JPEG-Format festzulegen. Solange Sie im Raw-Format fotografieren, können Sie sie völlig ignorieren, weil die Rohdaten davon unberührt bleiben. Es reicht, bei der Einstellung der Farbtemperatur die Automatik (oder Tageslicht) auszuwählen, um eine brauchbare Vorschau zu erhalten, alles andere können Sie später am Computer einstellen. Zudem erhalten Sie einen höheren Tonwertumfang und können so auch fehlbelichtete Aufnahmen eher retten als im JPEG-Format. Falls Sie lieber im JPEG-Format arbeiten, achten Sie darauf, dass Sie die Bilder nicht schon in der Kamera zu stark scharfzeichnen, weil das die Dateien für eine weitere Veränderung unbrauchbar machen kann. GG Abbildung

Livebild-Modus Im Livebild- oder Live-View-Modus verhält sich eine DSLR wie eine Spiegellose, der Spiegel klappt hoch und das Bild wird auf dem hinteren Monitor dargestellt. Das ist von Vorteil, wenn Sie – bedingt durch die Position der Kamera – nicht durch den Sucher sehen können. Mit der Live-View-Funktion haben Sie trotzdem noch Kontrolle über den Bildausschnitt. Außerdem können Sie das Bild vergrößern und sehr exakt, ohne mögliche Abweichungen durch das

1.72 Canon bietet den Picture Style Editor kostenlos zum Download an. In diesem Programm können Sie die Bildstile am Bildschirm verändern und dann auf Ihre Canon-Kamera übertragen. Die Möglichkeiten gehen weit über diejenigen im Kame­ ramenü hinaus.

FF Abbildung

1.73 Diese Aufnahme wäre ohne Live View nicht entstanden, weil ich mich bei einem Grad Außentemperatur nur sehr ungern in den Matsch gekniet hätte. Bei Blende ƒ2,5 benötigte ich aber eine genaue optische Kontrolle.

35 mm | ƒ2,5 | 1/10 s | ISO 3 200 | zwei ferngesteuerte Blitze

1.8  Konfiguration und Wartung der Kamera  |  79

Autofokussystem, direkt auf dem Sensor scharfstellen. Im Makrobereich lässt sich so besonders genau arbeiten, noch besser, wenn der Bildschirm auch klappbar ist. Ein weiterer Vorteil des Livebild-Modus ist, dass Sie, wenn der Spiegel während einer Aufnahmereihe oben bleibt, leiser fotografieren können. Früher war die Leistung des Livebild-AF meist deutlich schlechter als bei heruntergeklapptem Spiegel. Eine Kamera wie die Canon EOS 5D Mark IV besitzt aber im Livebild-Modus eine sehr viel höhere Genauigkeit und kann mithilfe der Gesichtserkennung auch im Serienbildmodus besser arbeiten als mit dem herkömmlichen AF. Die Bildabdeckung ist ebenfalls viel höher als die der AF-Sensoren bei Scharfstellung durch den Sucher. Neben dem bei manchen Kameras langsamen Autofokus sind der erhöhte Stromverbrauch und die mögliche Erhöhung des Bildrauschens durch die Erwärmung des Bildsensors bei Dauerbetrieb Nachteile des Live-View-Modus. Trotzdem ist diese Betriebsart in ihrer Nützlichkeit nicht zu unterschätzen, weil sie Ihnen ein deutliches Plus in der Bildkontrolle und im Komfort liefert. Ich fotografiere Makroaufnahmen im Live-View-Modus oder mit einer Spiegellosen, weil ich so eine perfekte Schärfekontrolle habe und mithilfe des Klappdisplays auch freier bin in der Kamerapositionierung.

Histogramm und Überbelichtungswarnung Der Kontrastumfang einer Digitalkamera kommt an den von Negativfilm noch nicht heran. Gerade in den hellen Bildbereichen – den Lichtern – führt das oft zu ausgefressenen Bereichen, in denen keinerlei Zeichnung mehr vorhanden ist. Sie sollten sich die Bildanzeige so konfigurieren, dass Sie diese Bereiche sofort erkennen. Das kann zum Beispiel über eine schwarz-weiß blinkende Überbelichtungswarnung in den betroffenen Bereichen geschehen oder über eine Einblendung des Histogramms, das die Helligkeitsverteilung der einzelnen Tonwerte im Bild als Häufigkeitsverteilung von Schwarz (links) nach Weiß (rechts) anzeigt. Wenn das Histogramm im Weiß 1 noch Werte anzeigt, deutet das auf Lichter ohne Zeichnung hin.

1

80  |  1  Kamera

FF Abbildung 1.74 Die ausgefressenen Lichter in Schwarz darstellen zu lassen (wie hier im Bild links), erleichtert die schnelle Begutachtung des Bildes sehr. Im Histogramm sind in den Lichtern große Bereiche reinweiß 1 . Das Bild ist überbelichtet und ließe sich auch am Computer nicht mehr retten.

Individualfunktionen Ihre Kamera lässt sich in vielen Details sehr genau an Ihre Arbeitsweise anpassen. Viele dieser Einstellungen sind in Untermenüs mit sogenannten Individualfunktionen versteckt. Es gibt zum Beispiel umfangreiche Einstellungen, die den Autofokus optimieren. So können Sie, etwa wenn Sie häufig bewegte Motive fotografieren, die verwendeten Messfelder erweitern, um die Schärfenachführung zu verbessern. Sie können bei Kameras mit vielen Autofokus-Messfeldern auch die auswählbaren Punkte reduzieren, um so schneller den Fokus in einen bestimmten Bildbereich legen zu können. Bei besseren Canon-Kameras lässt sich eine schnelle Umschaltung der AF-Modi auf die Abblendtaste legen, was oft sinnvoller als die Standardfunktion ist. Gesichts- und Augenerkennung sollten Sie ebenfalls aktivieren, wenn Sie Menschen fotografieren, denn so schnell und genau wie eine moderne Systemkamera werden Sie das selbst nie können. Bei Spiegellosen gibt es Konfigurationsmöglichkeiten für den Sucher und das Energiesparen. Der Sucher sollte eine möglichst gute Bildqualität bei hohen Bildwiederholraten darstellen, oft müssen Sie dafür erst die Kamera umstellen. Probieren Sie die Energiesparmaßnahmen aus – wenn diese die Darstellungsqualität oder die Reaktionszeit verschlechtern, sollten Sie lieber einen Akku mehr mitnehmen.

HH Abbildung 1.75 Ein Reiher fliegt hinter Herbstlaub. Mit ein wenig Feintuning der AF-Einstellungen ist das deutlich einfacher einzufangen.

300 mm | ƒ2,8 | 1/1250 s | ISO 800 | Bildausschnitt

1.8  Konfiguration und Wartung der Kamera  |  81

Sie können den Blitz auf den zweiten Verschlussvorhang (siehe Seite 330) legen oder die Blitzzündung ganz ausschalten, sodass Sie das Autofokus-Hilfslicht des Aufsteckblitzes im Dunkeln verwenden können, ohne dass der Blitz die Lichtstimmung zerstört. Ob beim Druck auf die Messspeichertaste nur die Belichtung oder auch der Fokus gespeichert wird, können Sie ebenfalls in den Individualfunktionen einstellen.

Weitere Anpassungen Je nach Art der Kamera gibt es eine Reihe von weiteren Konfigu­ra­tions­mög­ lichkeiten, die Sie wahrnehmen sollten. Displayhelligkeit  | Die Helligkeit des LCD-Bildschirms wird von manchen Ka-

meras automatisch an die Umgebungshelligkeit angepasst. Falls Ihre Kamera das nicht beherrscht, sollten Sie unbedingt daran denken, den Bildschirm bei schwachem Licht dunkler einzustellen, wenn Sie sich nicht ohnehin nur auf das Histogramm verlassen. Bei visueller Kontrolle des Helligkeitseindrucks erhalten Sie ansonsten schnell unterbelichtete Fotos. Die automatische Bildanzeige direkt nach der Aufnahme sollten Sie kurz einstellen, um Strom zu sparen. Zwei Sekunden sind meist genug, denn das Bild lässt sich bei Bedarf über die WiedergabeTaste lange betrachten. Auslösen ohne Speicherkarte  | Sie können viele Kameras auch so einstellen,

dass sie ohne Speicherkarte nicht auslösen. So vermeiden Sie, dass Sie zwar auslösen, aber diese Bilder nicht gespeichert werden. – Als Bestätigung oder Warnhinweis gibt es in der Regel einen Piepton. Da dieser auf Dauer die Konzentration stören kann und zum Beispiel auch bei einem Konzert sehr unpassend ist, können (und sollten) Sie ihn ausschalten. Bildausrichtung | Praktisch jede Digitalkamera hat einen Richtungssensor. Nor-

malerweise ist es sinnvoll, die Kamera so zu konfigurieren – wenn sie es ermöglicht –, dass sie alle Bilder automatisch als Hoch- oder Querformat auszeichnet und diese so auf Ihrem Computer sofort richtig dargestellt werden. Auf dem Kamerabildschirm können Sie die Darstellung von Hochformatbildern querformatig belassen, weil Sie so die gesamte Bildschirmfläche für die Bildbetrachtung nutzen können. Bedienelemente | Die Bedienelemente der meisten Kameras lassen sich so anpas-

sen, dass häufig verwendete Funktionen schneller zugänglich sind. Beobachten

82  |  1  Kamera

Sie Ihre Arbeit, und überlegen Sie, welche Einstellungen umständlich sind. Vergleichen Sie diese mit den Möglichkeiten der Konfiguration in Ihrem Kamerahandbuch. In jedem Fall sollten Sie die Verschiebung der Fokuspunkte auf die schnellste und intuitivste Möglichkeit einstellen. Also z. B. auf die Möglichkeit, sie mit dem Finger auf dem Touchscreen oder mit dem Joystick auf der Kamera­ rückseite zu verschieben, auch wenn Sie durch den Sucher schauen. Gehen Sie davon aus, dass Ihre Kamera ab Werk eher so konfiguriert ist, dass der Neuling nichts unbedacht verstellt, und nicht so, dass der erfahrene Nutzer möglichst schnell und effektiv arbeiten kann. Bei anderen Kameras wiederum, gerade bei Spiegellosen mit kleineren Gehäusen, sind Einstellungen vorgegeben, mit denen Sie zwar sofort arbeiten können, die sich aber schnell aus Versehen verstellen lassen. Hier sollten Sie die Funktionen ebenfalls umlegen.

1

GG Abbildung 1.76 Der Multi-Controller 1 ist ein kleiner Joystick, den Canon in seinen besseren Kameras (hier 7D Mark II) verbaut.

Copyright | Einer der ersten Schritte nach Einstellung von Zeit und Datum bei

einer neuen Kamera sollte das Setzen der Copyright-Informationen sein. So schreibt Ihre Kamera Ihren Namen als Bildautor in die Exif-Daten jeder Aufnahme. Diese Informationen sollten so eindeutig sein, dass ein potenzieller Bildnutzer Sie problemlos kontaktieren kann. Favoritenmenü | Bei manchen Kameras finden Sie auch ein Favoritenmenü, mit

dem Sie alle häufig verwendeten Menüpunkte auf einer einzigen Seite zusammenfassen können.

Firmwareupdate Ihre Digitalkamera besitzt ebenso wie Ihr Computer einen Hauptprozessor. Er koordiniert die einzelnen Systeme wie Autofokus, Belichtungsmessung, Blitzsteuerung, Bildaufbereitung etc. Dieses System ist sehr komplex und leistungsfähig, und so ist es nicht auszuschließen, dass es bei der Erstauslieferung der Kamera noch nicht ganz perfekt ist. Oder der Hersteller entwickelt innerhalb der Laufzeit des Kameramodells neue Objektive und Blitze und möchte die Software nachträglich für das exakte Zusammenspiel optimieren. Manchmal kommen auch neue Funktionen hinzu, so zum Beispiel, dass die Anzahl der Serienaufnahmen erhöht wird oder der Autofokus auch bei Blende ƒ8 statt Blende ƒ5,6 noch funktioniert. Firmwareupdates können auch Fehler beheben, die bei Tests übersehen wurden, die Bildqualität verbessern oder neue Menüsprachen hinzufügen. Zu diesem Zweck lässt sich die Software der Digitalkamera, die sogenannte Firmware, durch den Benutzer oder den Service austauschen. Meistens spricht

GG Abbildung

1.77 Bei Canon-EOS-Kameras (hier EOS 5DS R) können Sie sich FavoritenMenüs zusammenstellen, in denen Sie die am häufigsten benutzten Funktionen zusammenfassen.

1.8  Konfiguration und Wartung der Kamera  |  83

nichts dagegen, die Kamera mit der neuesten Firmware zu betreiben, manchmal werden die Änderungen für Sie allerdings auch keine Auswirkungen haben, etwa weil sie Ausrüstungsgegenstände betreffen, die Sie überhaupt nicht besitzen oder besitzen wollen (zum Beispiel wird die Blitzsteuerung um Informationen erweitert, die die Zusammenarbeit mit einem neuen, 2 000 € teuren Teleobjektiv betreffen). Wenn Sie die Firmware Ihrer Kamera aktualisieren möchten, finden Sie eine ganz exakte Beschreibung der Vorgehensweise auf der Website Ihres Kameraherstellers, auf der Sie auch die neue Firmware herunterladen können. In der Regel überspielen Sie für ein Update die Software auf eine formatierte Speicherkarte, stecken sie in die Kamera und rufen den entsprechenden Punkt im Kameramenü auf. Bei Sony müssen Sie die Kamera per USB an den Rechner anschließen. Wichtig ist, dass die Akkus der Kamera voll geladen sind, damit der Vorgang ohne Abbruch durchlaufen kann, und dass Sie die Kamera während des Firm­ ware­updates in Ruhe lassen. Wenn Sie ein paar Tage warten, nachdem eine neue Firmware veröffentlicht worden ist, können Sie recht sicher sein, dass die anderen Nutzer eventuelle Fehler schon gefunden und an den Hersteller gemeldet haben.

Staub auf dem Sensor Auch wenn die neuen Kameras mit immer ausgefeilteren Methoden der Staubvermeidung auf den Markt kommen, werden Sie um das Thema Staubbekämpfung auf Dauer nicht herumkommen. Die Anti-Staub-Systeme vermindern das Problem zwar mit speziell beschichtetem Sensordeckglas und indem die Sensoren durch schnelle Schüttelbewegungen vom Staub befreit werden, trotzdem werden Sie manchmal manuell eingreifen müssen.

Schritt für Schritt: Auf Staub auf dem Sensor testen

GG Abbildung

1.78 Ein typisches Beispiel für Staub auf dem Sensor. Das lässt sich zwar in der Bildbearbeitung ausbessern, noch besser ist es aber, die Kamera regelmäßig zu überprüfen und ge­ gebenenfalls zu reinigen.

84  |  1  Kamera

Mit wenigen Schritten finden Sie heraus, ob Sie Staub auf dem Sensor haben.

1  Passende Blende wählen Stellen Sie an der Kamera eine Blende zwischen ƒ16 und ƒ22 oder die kleinste verfügbare Blende ein. Je kleiner die Blendenöffnung ist, desto paralleler treffen die Lichtstrahlen auf den Sensor und der Staub wird umso schärfer abgebildet. Das erklärt auch, warum Sie den Staub manchmal nur auf einigen Bildern wahrnehmen, er auf anderen aber unsichtbar bleibt.

2  Belichtungskorrektur einstellen Stellen Sie die Belichtungskorrektur auf +1 LW (siehe auch Seite 269), denn ein etwas helleres Bild erleichtert es Ihnen, auf dem Display den dunklen Staub im Bild auszumachen.

3  ISO-Wert wählen Stellen Sie den ISO-Wert auf 100 bis 400. Bei niedrigen Empfindlichkeiten liefert der Sensor das klarste Bild. Außerdem wird so die Verschlusszeit eventuell so lang, dass Sie gut »verwackeln« können – schließlich wollen Sie auf dem Testbild nur den Staub scharf sehen.

4  Manuell fokussieren Stellen Sie das Objektiv auf manuelle Fokussierung. Meist gibt es dafür einen Schalter, den man von Autofokus AF auf M stellen kann. Fokussieren Sie dann auf die kürzeste Entfernung, die möglich ist.

5  Hintergrund wählen Richten Sie die Kamera auf den Himmel, an die Zimmerdecke oder auf irgendeinen anderen Bereich, der möglichst gleichmäßig und unstrukturiert ist. Wenn Sie ein Zoomobjektiv verwenden, wählen Sie die längste Brennweite (zum Beispiel 105 mm bei einem 24–105-mm-Objektiv). Lösen Sie aus.

6  Bild beurteilen Sie sollten jetzt ein helles Bild praktisch ohne störende Bildinformation erhalten haben. Falls Sie das Bild nicht direkt auf den Computer laden können oder wollen, zeigen Sie das Bild auf dem Kameradisplay an, und vergrößern Sie die Ansicht ein wenig. Verschieben Sie den Bildausschnitt im Display so, dass Sie nach und nach das gesamte Bild überprüfen können. K Sollten Sie im Bild Staub festgestellt haben, so gibt es verschiedene Methoden, ihn wieder zu entfernen. Dabei sollten Sie immer die ungefährlichste wählen, denn falls Sie das Sensorglas beschädigen oder verkratzen, kann das leicht zu einem wirtschaftlichen Totalschaden führen. Sie können im Zweifel die Kamera beim Kundendienst professionell reinigen lassen. Wenn das Staubproblem aber andauernd oder »auf Tour« auftritt, sollten Sie es selbst lösen können. Da für eine Digitalkamera die gleichen Abbildungsgesetze gelten wie bei der Lochkamera, ist das Bild auf dem Sensor auf dem Kopf stehend und seitenverkehrt. Ein Staubkorn, das auf dem Display oben links erscheint, werden Sie also auf dem Sensor unten rechts wiederfinden.

1.8  Konfiguration und Wartung der Kamera  |  85

Staubentfernung mit angesetztem Objektiv  | Aktivieren Sie mehrfach die in-

GG Abbildung

1.79 Ein kleiner Blasebalg ist eine schonende Methode der Staubentfernung und passt in jede Fototasche. (Foto: Hama)

86  |  1  Kamera

terne Sensorreinigung. Bei vielen Kameras reicht das Ein- und Ausschalten dafür aus. Die interne Sensorreinigung ist in den letzten Jahren deutlich verbessert worden. Es kann durchaus sein, dass Sie mit dieser Methode bei einer modernen Kamera auskommen und die anderen gar nicht verwenden müssen. Bei meinen neueren Kameras komme ich mit der internen Reinigung und gelegentlichem Auspusten aus, während ich bei meinen älteren Kameras den Sensor auch einmal feucht reinigen muss. Bei meinen Sony-Kameras kann ich mich an keine Situation erinnern, in der die interne Sensorreinigung auch nur ein Staubkorn entfernt hätte. Dafür klebt aber der Schmutz auch meist nicht so fest, sodass ein Blasebalg gute Dienste leistet. Gerade bei Spiegellosen sollten Sie so einen immer mit in die Fototasche packen, zumindest, wenn Sie oft Objektive wechseln und draußen unterwegs sind. Staubentfernung mit offenem Sensor, aber berührungsfrei  | Stellen Sie die

Kamera im Menü auf manuelle Sensorreinigung. Der Spiegel klappt daraufhin hoch, und der Verschluss öffnet sich. Bei einer spiegellosen Kamera müssen Sie normalerweise gar nichts machen, weil der Sensor immer frei liegt. Eine Canon EOS R müssen Sie allerdings anschalten, da der Verschluss den Sensor bedeckt, um bei Objektivwechsel mit ausgeschalteter Kamera Verschmutzung zu vermeiden. Nehmen Sie das Objektiv ab, und halten Sie die Kamera mit der Öffnung nach unten. Pusten Sie mit einem kleinen Blasebalg den Staub vom Sensor. Halten Sie genug Abstand, sodass Sie den Sensor keinesfalls berühren. Dies sollte Ihre Standardmethode sein. Alle weiteren Arten der Reinigung sollten Sie nur bei hartnäckigerem Schmutz verwenden, weil sie alle nicht ganz ungefährlich sind. Verwenden Sie zur intensiveren Reinigung Druckluft. Am besten geeignet ist dafür ein Kompressor, der zum Beispiel für Airbrush-Anwendungen verkauft wird. Sie sollten sichergehen, dass nur reine Luft herauskommt, die absolut rückstandsfrei ist. (Richten Sie den Luftstrahl dafür gegen einen kleinen Spiegel oder eine Glasplatte, auch ein alter Filter eignet sich als Testfläche). Stellen Sie den Kompressor auf eine kleine bis mittlere Leistungsstufe und halten Sie mindestens 10 cm Abstand zum Sensor, weil sonst der Druck zu groß ist und Sie den Verschluss oder den Spiegel beschädigen könnten. Früher habe ich Druckluft aus der Dose verwendet, hatte aber Probleme mit Rückständen auf dem Sensor. Außerdem kühlt das Gas aus der Dose bei der Expansion stark ab, das kann bei hoher Luftfeuchtigkeit oder kühleren Temperaturen zu Niederschlag von Eis auf dem Sensor führen. Diese Methode ist

wirksamer als der kleine Blasebalg, ist aber nicht ohne Risiken und sollte immer nur mit großer Vorsicht verwendet werden. Staubentfernung mit offenem Sensor und mit Sensorberührung  | Bevor Sie

eine Methode mit Sensorberührung verwenden, sollten Sie immer erst den Sensor mit dem Blasebalg abgeblasen haben, damit ein größeres Staubkorn die Sensoreinheit nicht verkratzen kann. Ein elektrostatischer Pinsel wie der »Arctic Butterfly« zieht den Staub an, wenn man mit ihm über den Sensor wischt. Dazu versetzt man ihn vorher mit dem eingebauten Motor in Bewegung, sodass sich der Pinsel statisch auflädt. Passen Sie auf, dass Sie nicht im Spiegelkasten in Kontakt mit Schmiermittel kommen, weil Sie das sonst auf dem Sensor verteilen könnten. Leichte Fettrückstände können auch so an den Pinsel kommen, ich verwende diesen Zwischenschritt inzwischen nicht mehr, sondern puste aus und reinige im Notfall feucht. Sie wischen dazu den Sensor mit einem Kunststoffspatel mit einer speziellen Reinigungsflüssigkeit (Achtung: Die ist manchmal giftig!) auf einem weichen und fusselfreien Vlies ab. Danach wischen Sie, je nach verwendeter Flüssigkeit, mit einer trockenen Variante nach. Diese Lösung gibt es auch fertig abgepackt, sodass Sie sie in der Fototasche mitführen können. Die Kunststoffspatel sind auf die verschiedenen Sensorgrößen zugeschnitten, aber auch auf einem Vollformatsensor ist es meist einfacher, mit der kleineren Variante für APS-C-Sensoren zu arbeiten. Stellen Sie sicher, dass die Reinigungsflüssigkeit für Ihre spezielle Kamera geeignet ist. Fragen Sie Ihren Fachhändler, oder recherchieren Sie im Internet. Falsche Reinigungsflüssigkeiten können den Sensor beziehungsweise den Filter davor auf Dauer etwas stumpf werden lassen. Im Zweifel sollten Sie kleine Staubpunkte lieber auf dem Sensor lassen, als eine Beschädigung bei der Reinigung zu riskieren. Ein Blasebalg für Staub und eine Nass-trocken-Lösung (zum Beispiel »Sensor Swabs«) sind eine Kombination, mit der Sie bei relativ geringen Risiken die meisten Staub- und Schmierprobleme auf dem Sensor bewältigen können. Denken Sie immer daran, dass Sie am empfindlichen Herzen Ihrer Kamera arbeiten. Bleiben Sie vorsichtig, und arbeiten Sie immer nur mit ganz sanftem Druck. Bedenken Sie, dass sich vor dem Sensor sehr dünne Glasfilter befinden, die Sie zerdrücken könnten. Um Staub von vornherein zu vermeiden, ist es sinnvoll, den Kameradeckel oder die Rückseite des Objektivs nicht staubig an die Kamera anzusetzen und ab und zu einmal die Fototasche auszusaugen.

GG Abbildung 1.80 Eine Nass-trocken-Sensorreinigungslösung in Einmalverpackung lässt sich gut in der Fototasche verstauen.

1.8  Konfiguration und Wartung der Kamera  |  87

1.9  Zubehör Eine Fotoausrüstung besteht nicht nur aus Kamera und Objektiven. Ohne Speicherkarten und Akkus lässt sich überhaupt nicht fotografieren, und ohne weiteres Zubehör werden Ihnen bestimmte fotografische Situationen verschlossen bleiben. Für viele Motive ist zum Beispiel ein Stativ weitaus wichtiger als ein Blitz, und ohne die richtige Fototasche lässt sich eine umfangreichere Ausrüstung überhaupt nicht handhaben.

Speichermedien

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1.81 CompactFlash, bislang der Standard in den meisten Profikameras, aber im Prozess der Ablösung. Versenkte Kontakte und 3,3 mm Dicke machen die Karten robust genug für den Profialltag. (Bild: SanDisk)

Bei der Speichergröße, der Schnelligkeit und den Preisen profitiert die Digitalfotografie sehr vom Fortschritt in der Computertechnik. Sie müssen sich eigentlich nur Gedanken machen, wie schnell und wie groß Ihr Speicher sein soll. Der Typ ist meist ohnehin von der Kamera vorgegeben. Die Karten unterscheiden sich in ihrer Kapazität und Geschwindigkeit und natürlich im Preis. Die Geschwindigkeit wird entweder in Megabyte pro Sekunde (MB/s) oder in »x-fach« angegeben, wobei »x« ein Vielfaches von 150 Kilobyte pro Sekunde (kB/s, die einfache CD-Lesegeschwindigkeit) beschreibt. »200fach« entspräche also 30 MB/s. Die Geschwindigkeit der Karte ist dann wichtig, wenn Sie viele Serienaufnahmen machen oder Videos mit hoher Datenrate aufzeichnen wollen. Die Kamera hat zwar einen eingebauten Pufferspeicher, aber sobald dieser voll ist, können Sie erst dann wieder auslösen, wenn die Kamera ein Bild aus dem Pufferspeicher auf die Speicherkarte geschrieben hat. Mit schnellen Karten können Sie die Bilder, einen schnellen Kartenleser vorausgesetzt, auch schneller auf Ihren Computer übertragen. Da jedoch die schnellsten Karten doppelt so teuer wie ihre um ein Drittel langsameren Konkurrenten sind, lohnt sich das für die meisten Fotografen nicht, sofern sie nicht Sportfotografie o. Ä. betreiben. Um die für Sie richtige Größe herauszufinden, sollten Sie bedenken, dass Sie für ein Bild im Raw-Format je nach Kamera ungefähr 20 bis 90 MB benötigen – 32 GB reichen also für ca. 350 bis 1 600 Aufnahmen. CFast | CFast setzt auf dem SATA-Protokoll auf, wie eine Festplatte oder eine

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1.82 CFast-Karten sind praktisch kleine SSDs. (Bild: SanDisk)

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SSD in einem aktuellen Rechner auch. Es gibt zwei Versionen: CFast 1.0 unterstützt bis 300 MB/s und 2.0 bis 600 MB/s. Version 2.0 unterscheidet sich auch durch eine etwas kleinere Bauform. Sie werden wahrscheinlich nur noch mit Version 2.0 zu tun haben.

CompactFlash  | Im professionellen Bereich ist die CompactFlash-(CF-)Karte

weit verbreitet, wird aber in neuen Kameras kaum noch verbaut, weil die Geschwindigkeitsanforderungen größer werden, als es dieser Standard hergibt. CFKarten sind mit 42,8 × 36,4 × 3,3 mm (Typ I) relativ groß und dick, was sie unempfindlich gegen mechanische Belastung macht. Es wird zwar in Typ I und II unterschieden, für Sie relevant ist aber nur Typ I. Typ II unterscheidet sich nur in der Dicke (5 mm) und wurde früher genutzt, um kleine Festplatten wie das IBM-Microdrive als Speichermedium zu verwenden. Flash-Speicher ist inzwischen aber so günstig geworden und kann so große Speicherkapazitäten liefern, dass diese Festplatten schon seit etlichen Jahren nicht mehr angeboten werden. Der schnellste Standard bei CF-Karten heißt UDMA 7, schnellere Standards sind nicht vorgesehen.

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1.83 CFexpress-Karten sind die Nachfolger von QXD und Cfast (Bild: Sony)

XQD/CFexpress | Für die CF-Karten, die noch auf dem alten DIE- bzw. ATAPI-

Standard aufsetzen, der im PC-Bereich auch schon ausgestorben ist, gibt es neben CFast noch zwei weitere Nachfolger. Nikon und Sony setzen auf das XQDFormat. XQD baut auf dem PCI-Express-Standard auf. Es gibt zwei Versionen: XQD 1.0 unterstützt bis 5  GBit/s und 2.0 bis 8  GBit/s, was 1 000  MB/s entspricht. Der Nachfolger CFexpress kommt in der ersten Version auf knappe 2 Gigabyte pro Sekunde, in der zweiten auf knappe 8 GB/s maximal. Secure Digital | Das Kürzel SD steht für Secure Digital. Der Name der SD-Karten

geht darauf zurück, dass hier mithilfe des internen Controllers eine Verschlüsselung digitaler Daten möglich ist. Für Digitalkameras ist diese Eigenschaft unwesentlich, trotzdem haben sich die SD-Karten zur am weitesten verbreiteten Form überhaupt entwickelt. Der Vorteil des Systems ist, dass die Karten klein (32 × 24 × 2,1 mm) und günstig sind. Ursprünglich wurde nur 1 Gigabyte (GB) Speicherkapazität unterstützt, später 2, dann 32 GB mit den sogenannten SDHCKarten (HC steht für High Capacity). Ein Nachfolgeformat namens SDXC mit einer Grenze von 2 Terabyte (TB) ist bereits auf dem Markt. Wenn Sie eine ältere Kamera mit SD-Slot besitzen und neuen Speicher dafür kaufen wollen, sollten Sie sich kundig machen, ob die gewünschte Speicherkapazität verwendbar ist. Es gibt eine Variante mit kleinerer Bauform, die in Smartphones oder kleinen Kameras wie der GoPro Verwendung findet: die Micro-SD-Karte. Mithilfe eines Adapters in SD-Karten-Form können diese auch als normale, große SD verwendet werden, denn die zugrundeliegenden Techniken sind voll kompatibel. In den professionelleren Kameramodellen gibt es häufig die Möglichkeit, zwei Speicherkarten gleichzeitig zu verwenden. In letzter Zeit dringen SD-Karten auch immer weiter in den Profibereich vor – die Pentax 645Z oder Fujifilm

GG Abbildung 1.84 SD-Karte: der am weitesten verbreitete Speicherstandard heute (Bild: Sandisk)

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1.85 SD-Karten im UHS-II-Format haben eine zweite Reihe Kontakte (rechts), sind aber abwärtskompatibel, sodass sie auch in einer Kamera ohne UHSII-Unterstützung eingesetzt werden können.

1.9  Zubehör  |  89

1 kB ≠ 1 kB Sie haben sich vielleicht schon einmal gewundert, warum eine neue Speicherkarte statt der angegebenen 32 GB nur 29,8 GB Kapazität hat. Das liegt daran, dass es zwei unterschiedliche Normen für das Kilobyte (kB) gibt. Eigentlich veraltet, aber noch häufig verwendet, ist 1 kB = 1 024 Byte. Das passt gut in das Binärsystem, weil es genau 210 entspricht. Normgerecht ist aber 1 kB = 1 000 Byte. Der Unterschied beträgt zwar nur 2,4 %, aber bei einem Gigabyte beläuft sich der Unterschied zwischen 1 0003 und 1 0243 schon auf fast 7,4 %. Ihre Speicherkarte oder Festplatte ist also in Ordnung, Ihr Betriebssystem rechnet den Speicher aber noch veraltet um, deswegen erscheint er etwas kleiner als angegeben.

GFX50R verwenden sogar als Mittelformatkameras ausschließlich SD-Karten. Die Canon EOS 5D Mark IV setzt z. B. SD- und CF-Karten parallel ein. Wenn Sie eine Kamera mit zwei unterschiedlichen Kartenformaten verwenden, sollten Sie testen, wann sie am schnellsten ist. Bei schnellen Serienaufnahmen ist es nämlich wichtig, wie viele Raw-Dateien die Kamera bei voller Serienbildgeschwindigkeit abspeichern kann. SD-Karten gibt es in sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten, wobei auch die schnelleren nicht besonders teuer sind. Im Moment (Sommer 2019) sollten Sie am besten nach UHS-I oder UHS-II suchen, um die höchste Geschwindigkeit nach dem aktuellen Standard zu erhalten. Die alte Bezeichnung »Class« endet bei 10, was Schreibgeschwindigkeiten von mindestens 10 MB/s bedeutet, das ist heute nur noch historisch interessant. SD-Karten im UHS-II-Standard unterstützen bis zu 312 MB/s. Trotz der kleinen Bauform gibt es Hersteller, die in die SD-Karten WLANFunktionen integrieren. Diese Karten funktionieren allerdings nicht in jeder Kamera, weil manche die Funksignale zu sehr abschirmen. Adapterlösungen oder in die Kamera eingebautes WLAN liefern meist bessere Übertragungsraten und mehr Möglichkeiten, nicht nur Daten zu übertragen, sondern auch die Kamera zu steuern oder eine Live-Vorschau zu empfangen. Viele Kameras unterstützen WLAN ohnehin, die WLAN-SD-Karten kommen da nicht heran, können aber in bestimmten Ausnahmefällen eine Lösung sein.

Stromversorgung Bei einer Digitalkamera geht ohne Strom gar nichts. Aber auch die Wiederaufladezeit Ihres Blitzes hängt wesentlich vom verwendeten Akkutyp ab. Der Einsatz falscher Technik kann zu unnötigen Frusterlebnissen führen oder ist sogar gefährlich. Nicht mehr verwendete Akkus oder leere Batterien nimmt jeder Händler zurück, sie gehören auf keinen Fall in den Hausmüll. Interne Batterie

Lithium-Ionen-Akku  | Dieser Akkutyp findet heute bei den meisten hochwer-

Digitalkameras haben meist neben der Stromversorgung für den normalen Betrieb noch eine weitere kleine Batterie. Es wird Zeit, diese austauschen zu lassen, falls Ihre Kamera nach Jahren der Benutzung bei einem Akkuwechsel plötzlich Datum, Zeit und Einstellungen »vergisst«.

tigen Kameras Verwendung. Er ist sehr leistungsfähig und lässt sich häufig mehrere Jahre benutzen. Mit einer Akkuladung lassen sich oft 500 Aufnahmen und mehr realisieren. Bei DSLRs auch mal mehr und bei Spiegellosen oft deutlich weniger, weil sie die ganze Zeit Strom für den elektronischen Sucher benötigen, nicht nur für das Display, auch für die Berechnung der Bilddarstellung. Die Preise für Original-Ersatzakkus sind oft recht hoch, sodass es sich lohnen kann, auf die Angebote der Fremdhersteller zurückzugreifen. Sie sollten dabei auf Qualität achten, denn Lithium-Ionen-Akkus sind nicht ungefährlich, falls sie

90  |  1  Kamera

mangelhaft hergestellt oder mechanisch beschädigt wurden. Sie können regelrecht explodieren. Lithium-Ionen-Akkus halten länger, wenn Sie sie nicht immer voll entladen, sie aber auch nicht ständig auf 100 % nachladen. Wenn Sie sie bei 40 % Leistung nachladen, sind Sie ungefähr im Idealbereich. Manchmal sind volle Akkus am Beginn eines Fototages aber wichtiger, als auf die Lebensdauer der Akkus zu achten. Wenn Sie sie lange nicht verwenden, sind 60 % Ladestand für Lagerung ideal. Mignon-Akkus und Batterien (AA)  | Batterien sind praktisch überall verfügbar

und verlieren auch bei Nichtbenutzung über Jahre kaum etwas von ihrer Leistung. Sie sind ideal für Geräte mit geringem Stromverbrauch und nur gelegentlicher Verwendung. Für den regelmäßigen Einsatz in Geräten mit hohem Stromverbrauch sind sie aber eine unwirtschaftliche und wenig umweltfreundliche Lösung. Nickel-Cadmium-(NiCd-)Akkus repräsentieren eine veraltete und umweltschädliche Technologie, die Sie wegen des Schwermetallanteils nicht mehr erwerben sollten. Sie sind inzwischen sogar verboten und nur für Ausnahmen wie schnurlose Elektrowerkzeuge oder Notbeleuchtung noch erlaubt. Sollten Sie noch alte Akkus haben, entsorgen Sie sie fachgerecht, sobald Sie sie nicht mehr verwenden. Nickel-Metallhydrid-(NiMH-)Akkus haben eine höhere Kapazität als NiCdAkkus und sind langlebiger. Allerdings gehen sie bei falscher Verwendung auch schneller kaputt. Sie sollten sie nur mit hochwertigen Ladegeräten verwenden. Bei tiefen Temperaturen liefern sie nur einen Bruchteil der Leistung, und zudem entladen sie sich relativ schnell von selbst. Schon nach drei Monaten kann ein nicht verwendeter Akku leer sein. Nickel-Metallhydrid-Akkus mit geringer Selbstentladung (LSD-NiMH) haben eine Kapazität, die etwas geringer als bei NiMH-Akkus ist. Allerdings halten sie die Spannung besser aufrecht, sodass sie sich in der Praxis länger verwenden lassen. Die Selbstentladung dieser Akkus beträgt nur etwa 15 % pro Jahr und können deshalb bereits geladen verkauft werden. Zudem sind sie bei niedrigen Temperaturen sehr gut einzusetzen. Wenn Sie Akkus vom Typ AA oder AAA in Kamera oder Blitzgerät einsetzen möchten, sind LSD-NiMH-Akkus die erste Wahl. Im Handel finden Sie sie zum Beispiel unter den Bezeichnungen Panasonic eneloop, IKEA LADDA, Duracell ActiveCharge, Ansmann MaxE oder Kodak Pre-Charged. Wenn Sie ein Gerät länger nicht benutzen, nehmen Sie die Batterien heraus, denn auslaufende Batterien können großen Schaden anrichten.

Digitale Ladegeräte Wenn Sie Akkus überladen, beginnen sie, sich chemisch zu zerstören, und verlieren so an Kapazität. Benutzen Sie deswegen ein digitales Ladegerät, das den Füllstand jedes Akkus einzeln überprüfen kann. So erhalten Sie optimal aufgeladene Akkus mit langer Lebensdauer.

Netzadapter Moderne Kameras sind so energieeffizient, dass es sich kaum noch lohnt, die Kamera mittels eines Netzadapters direkt ans Stromnetz anzuschließen. Bei festen Studioaufbauten, Zeitrafferaufnahmen oder BuchseitenReproduktion kann er aber eine sinnvolle Alternative zu Akkus sein.

GG Abbildung 1.86 LSD-NiMH-Akkus sind häufig als »pre-charged« ausgezeichnet. Sie halten die Ladung so gut, dass ihnen auch ein Jahr im Regal nicht viel ausmacht. (Bild: Panasonic)

1.9  Zubehör  |  91

Batteriegriff | In einem Batteriegriff können Sie zwei Akkus oder einen zusätz-

lichen Akku unterbringen, sie steigern also die Energiemenge, die Ihre Kamera zur Verfügung hat. Mit dem Batteriegriff können Sie außerdem die Kamera im Hochformat genauso leicht bedienen wie im Querformat, weil die wesentlichen Bedienelemente dort noch einmal vorhanden sind. Sinnvoll ist seine Verwendung vor allem dann, wenn sich Ihre Kamera ohne einen solchen Griff mehr wie ein Spielzeug als wie ein Handwerkszeug anfühlt oder wenn Sie bei der Bedienung den kleinen Finger der rechten Hand »übrig haben«.

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1.87 Der Batteriegriff der Nikon D500 ermöglicht auch im Hochformat entspanntes Arbeiten. Wer viel Porträts fotografiert, wird auf eine solche Option nicht verzichten wollen. (Bild: Nikon)

HH Abbildung 1.88 20 s bei 200 mm Brennweite: Da hilft kein Bildstabilisator mehr. Das Bild wurde vom Stativ aufgenommen.

200 mm | ƒ3,5 | 20 s | ISO 800

92  |  1  Kamera

Stativ Ein Stativ ermöglicht es Ihnen, die Kamera bei langen Verschlusszeiten absolut unbewegt aufzustellen und so perfekt scharfe Bilder von statischen Motiven zu bekommen. Es hilft auch, die Kamera exakt auszurichten, wie es bei Stillleben oder in der Architekturfotografie erforderlich ist. Es stellt zudem die Wiederholbarkeit einer Einstellung sicher, etwa für Reihenaufnahmen für Panoramen oder Bilder mit erhöhtem Dynamikumfang (High Dynamic Range, HDR), bei denen es in hohem Maße auf deckungsgleiche Aufnahmen ankommt. Ein Stativ wählen  | Ein zu leichtes und zu günstiges Stativ zu kaufen, ist ein

klassischer Anfängerfehler. Von den drei Eigenschaften »leicht, günstig und stabil« können Sie sich immer nur zwei aussuchen, die sich optimieren lassen. Bei

Verzicht auf teure Materialien wie Carbon sollten Sie davon ausgehen, dass ein sinnvoll nutzbares Stativ mehr als zwei Kilogramm wiegt. Wenn die Kamera auf dem Stativkopf montiert ist, sollte der Suchereinblick eine Höhe erreichen, die Ihrer Augenhöhe entspricht. Falls das Stativ eine noch größere Höhe erlaubt, werden Sie das zu schätzen lernen, wenn Sie Vordergrundelemente wie Büsche oder parkende Autos aus dem Bild bekommen möchten. Nutzen Sie Ihr Stativ nicht nur gelegentlich, dann ist eine Schnellkupplungsplatte Pflicht, die Sie unter die Kamera schrauben und mit nur einem Hebelgriff am Stativkopf befestigen und lösen können. So können Sie die Kamera ohne Fummelei vom Stativ nehmen, wenn Sie den Ort wechseln oder die Kamera tauschen wollen. Die optimale Schärfe erzielen | Falls Ihre Kamera oder das verwendete Objektiv

einen Bildstabilisator besitzt, schauen Sie in die Anleitung, ob dieser in der Lage ist, Stativvibrationen auszugleichen. Manchmal müssen Sie dazu auf einen anderen Modus umschalten. Im Zweifel schalten Sie den Bildstabilisator aus, denn die Kamera sollte auf dem Stativ so fest stehen, dass es nicht notwendig ist, Erschütterungen auszugleichen. Um die Schärfe noch weiter zu verbessern, können Sie die Spiegelvorauslösung verwenden. Diese klappt den Spiegel beim ersten Drücken des Auslösers nach oben. Warten Sie dann ein paar Sekunden, bis die Vibrationen durch den Spiegelschlag vollständig abgeklungen sind, und drücken Sie dann ein zweites Mal den Auslöser, um den Verschluss auszulösen und den Spiegel danach wieder herunterzuklappen. Benutzen Sie einen Draht- oder Funkauslöser, anstatt den Auslöser am Gehäuse zu drücken, um die Kamera nicht in Bewegung zu versetzen. Alternativ zur Spiegelvorauslösung können Sie oft auch im Live-ViewModus arbeiten – aber nur dann, wenn die Kamera für den Autofokus und die Belichtungsmessung nicht den Spiegel herunterklappen muss!

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1.89 Carbon macht ein Stativ nicht nur leichter, sondern häufig auch stabiler, allerdings auch teurer. Ein gutes Stativ werden Sie meist viel länger benutzen als eine Kamera, sodass sich der Anschaffungspreis relativiert. (Bild: Gitzo)

Einbeinstativ  | Eine Sonderform des Stativs ist das Einbeinstativ. Es ist nicht

dazu gedacht, lange Verschlusszeiten bei Nacht zu ermöglichen. Es kann aber von großem Nutzen sein, wenn Sie mit schweren Teleobjektiven schnell reagieren wollen. Ein Objektiv von 4 kg zusammen mit einer Kamera von 1,5 kg können Sie nicht lange hochhalten und schon gar nicht lange ruhig halten. Mit einem Einbeinstativ können Sie das Gewicht am Boden abstützen. So schränken Sie die Bewegungs- und damit die Verwacklungsmöglichkeiten stark ein und können trotzdem sehr schnell einen ganz anderen Teil des Motivs anvisieren.

1.9  Zubehör  |  93

Stativköpfe | Im professionellen Bereich werden die Stative und die Stativköpfe

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1.90 Ein Kugelkopf mit Schnellwechselplatte ermöglicht schnelles Arbeiten bei kompakten Ausmaßen. (Bild: Novoflex)

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1.91 Ein Drei-Wege-Neiger ermöglicht eine genaue Ausrichtung der Kamera. (Bild: Manfrotto)

einzeln verkauft. So können Sie beides optimal auswählen. Die Köpfe kann man in fünf Hauptkategorien einteilen: EE Kugelkopf: Eine arretierbare Kugel ermöglicht die freie Bewegung der Kamera und eine schnelle Einstellung. Oft hilft ein Regler, mit dem man die Reibung justieren kann, bei der genaueren Positionierung und verhindert, dass die Kamera wegkippt, wenn die Arretierung gelöst wird. EE Drei-Wege-Neiger: Jede Achse lässt sich mit einem eigenen Hebel verstellen. Ein Drei-Wege-Neiger ist etwas umständlicher und weniger kompakt als ein Kugelkopf, ermöglicht aber ein sehr exaktes Arbeiten. Eine Sonderform ist der Getriebeneiger, der eine sehr exakte Ausrichtung über Einstellrädchen ermöglicht, was besonders in der Architekturfotografie sinnvoll ist. EE Fluid-Neiger: Dieser Stativkopftypus ist darauf spezialisiert, Schwenkbewegungen weich zu dämpfen. Das ist für Sie nur interessant, wenn Sie vom Stativ aus auch Videos aufnehmen wollen. EE Gimbal-Head: Große Teleobjektive hängt man am besten am Schwerpunkt von Objektiv und Kamera auf. So lässt sich das Tele bei bewegten Szenen gut nachführen, und die Gefahr des versehentlichen Umschlagens durch das große Gewicht besteht nicht mehr. Als Faustregel kann gelten, dass ein Gimbal-Head bei Objektiven sinnvoll ist, mit denen Sie nicht fünf Minuten lang aus der Hand fotografieren möchten. Ein 70–200 mm braucht sicher noch keinen, ein 300 mm/ƒ2,8 schon eher. EE Panorama-Kopf: Während sich einfache Panoramen sehr gut ohne Spezial­ technik aufnehmen lassen, sollten Sie bei mehrreihigen Panoramen oder solchen mit starker Vorder-Hintergrund-Staffelung sehr genau auf die Perspektive achten. Um eine exakt gleichbleibende Perspektive zu gewährleisten, muss die Kamera exakt um den sogenannten Nodalpunkt des Objektivs verschwenkt werden. Panorama-Köpfe werden deswegen auch Nodalpunkt­ adapter genannt (siehe Seite 527).

Fernauslöser

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1.92 Ein Gimbal-Head ist spezialisiert darauf, große Teleobjektive in ihrem Schwerpunkt drehbar zu machen. (Bild: Benro)

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Ein Kabelauslöser ist die logische Ergänzung zu einem Stativ. Mit ihm können Sie die Auslösung mechanisch entkoppeln und Verwacklungen beim Stativeinsatz vermeiden. Er sollte für Langzeitbelichtungen arretierbar sein, damit Sie ihn bei Verschlusszeiten, die länger als 30 Sekunden sind, nicht die ganze Zeit über gedrückt halten müssen. Eine erweiterte Variante des Drahtauslösers ist der automatische Intervallauslöser, mit dem Sie zum Beispiel 24-mal alle 60 Minuten ein Bild aufnehmen

lassen können. Zahl, Zeitabstand und Dauer der Belichtung sind hier separat einzustellen und laufen selbsttätig ab. Ihre Kamera lässt sich auch kabellos auslösen, entweder im Nahbereich über eine Infrarot-Fernbedienung und den eingebauten Empfänger in der Kamera oder per externer Funkfernauslösung, die eine Reichweite von bis zu mehreren Hundert Metern haben kann. Ob Sie einfach nur selbst mit aufs Bild wollen, die Kamera an einem Ort aufgebaut haben, wo Sie selbst nicht mehr auslösen können, oder Ihre Kompaktkamera an Bord Ihres Modellflugzeuges untergebracht haben, die Funkfernauslösung erweitert Ihre fotografischen Möglichkeiten. Mit einem Funkauslöser und zwei Empfängern lassen sich sogar zwei Kameras im selben Moment auslösen. Professionelle Sportfotografen lösen bei sehr schnellen Bewegungsabläufen mehrere Kameras mit jeweils leichter Verzögerung per Funk aus, um eine noch feinere Abdeckung des Zeitablaufs zu erreichen, als mit einer Kamera, die 10  Bilder pro Sekunde schafft. Die Grenzen von Fotografie und Film verschwimmen dabei.

Fototasche Wenn Sie viel fotografieren und eine umfangreichere Ausrüstung besitzen, wird die Fototasche zu einem wesentlichen Ausrüstungsgegenstand. Anfänger tendieren oft dazu, eine kleine Fototasche zu kaufen, die die Kamera mit Zoomobjektiv fast genau umschließt. Eine solche Tasche wird beim Fotografieren schnell lästig und für ambitioniertere Nutzer zu klein. Möglichst unkompliziert und sicher muss eine Fototasche sein. Sie müssen die Objektive ohne nachzudenken in die Tasche packen können, und die Tasche sollte Ihre Kamera vor Umwelteinflüssen schützen. Eine Wandstärke von einem Zentimeter bei guter Stoßabsorption ist ein guter Wert. Es ist von Vorteil, wenn ein Reißverschluss die Tasche zusätzlich abdichtet. Wenngleich Sie diesen meist offen lassen und nur die Klick-Verschlüsse verwenden werden, hilft er bei einem Sandsturm oder viel Staub in der Luft. Die Ihnen beim Tragen zugewandte Seite sollte recht glatt sein, sonst können Sie sich die Hüfte oder das Bein aufscheuern. Die Gurte sollten breit und gut gepolstert sowie weit oben an der Tasche angebracht sein. Wenn sie zu weit unten befestigt sind, kann die Tasche leicht »durchrollen« und Ihre Ausrüstung auskippen.

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1.93 Einen Sandsturm können Sie auch in Dänemark erleben. Gut, wenn dann die Fototasche dicht hält.

1.9  Zubehör  |  95

GG Abbildung 1.94 Beim Fliegen gehört die Kamera ins Handgepäck. Nicht nur, dass sich beim Flug reizvolle Motive bieten, sie ist ansonsten auch schlecht versichert. Wenn Sie umfangreichere Ausrüstung mitnehmen, die nicht mehr ins Handgepäck passt, deklarieren Sie sie gesondert, damit ihr Wert bei einem eventuellen Verlust abgedeckt ist.

50 mm | ƒ1,8 | 1/60 s | ISO 1 000

Größe  | Eine gute Größe für eine Fototasche, die Sie, selbst wenn Sie ein Profi

werden sollten, immer wieder brauchen werden, bietet Platz für die Kamera mit Objektiv und Batteriegriff, zwei weitere Objektive und einen Blitz. Sie ist klein genug, dass Sie sich auch in Menschenmengen damit gut bewegen können, und bietet doch genug Platz für »das kleine Marschgepäck«. Wenn Sie mehr mitnehmen wollen, bietet es sich häufig an, eine zweite Tasche dieser Größe mitzunehmen. Gerade auf längeren Touren sind Sie flexibler und können auch einmal eine Tasche im Auto (in sicheren Gegenden) oder im Hotel lassen. Meine inzwischen meistverwendete Tasche hat die schöne Eigenschaft, so tief zu sein, dass eine Kamera mit 70–200-mm-ƒ2,8-Objektiv senkrecht hineinpasst. Eine zweite Kamera mit Objektiv sowie zwei weitere Objektive, ein Mikrofon und ein Blitzgerät finden ebenfalls Platz. Im Flugzeug | Wenn Sie mit umfangreicher Ausrüstung fliegen, sollten Sie eine

Fototasche benutzen, die die erlaubte Größe für Handgepäck gut ausnutzt (der aktuelle IATA-Standard beträgt 55 × 35 × 20 cm, die erlaubten Maße der einzelnen Fluglinien können aber auch etwas größer sein, eine Übersicht finden Sie auf www.hand-gepaeck.de). Offiziell erlaubt sind meist sechs oder acht Kilogramm, ich erinnere mich aber, auch schon mit 10,2 Kilogramm ohne Beanstandung an

96  |  1  Kamera

Bord gekommen zu sein, aber dafür gibt es natürlich keine Garantie, und das ist auch schon eine Weile her. Im Zweifel schauen Sie vorher auf der Website der Fluglinie nach den Gepäckbestimmungen. Foto-Equipment gehört ins Handgepäck, zumal der Verlust eines Koffers ohne Sonderdeklaration normalerweise nur bis maximal 1 300 € abgesichert ist. Lediglich das Stativ und ab und zu ein billiges Zoomobjektiv oder einen Blitz packe ich bei Fernreisen mit in den Koffer. Kamera-Akkus dürfen Sie nicht in den Koffer packen, weil sich Lithium-Ionen-Akkus auch selbst entzünden können, was durch den geringen Druck an Bord begünstigt werden kann. Fotorucksack  | Ein Fotorucksack ist für Fotowanderungen in der Natur eine

gute Lösung, weil Sie die Hände frei haben und die Ladung nicht verrutscht. Als Alltagslösung ist er aber nicht so gut geeignet. Sie selbst kommen nämlich nicht so leicht an Ihre Ausrüstung heran, ein Dieb hinter Ihnen dafür umso besser (bei manchen Rucksäcken ist die Öffnung an der Rückenseite, so dass Diebe nicht herankommen). Es gibt inzwischen auch Rucksäcke, die man schnell nach vorn gleiten lassen kann, um an die Geräte zu kommen, aber eine normale Fototasche ist immer noch schneller. Ich weiß, dass manche Fotografen mit der Verwendung eines Fotorucksacks sehr zufrieden sind, und so müssen Sie letztlich selbst herausfinden, was am besten zu Ihrer Arbeitsweise passt. Große Teleobjektive für die Naturfotografie lassen sich am besten per Rucksack bewegen, zumal Sie dann auch noch ein Stativ dabeihaben werden. Ich selbst nutze einen Fotorucksack gern auf dem Fahrrad oder bei Wanderungen in den Bergen, bevorzuge aber meist meine Fototaschen.

Extras für die Fototasche Ein paar Dinge haben sich für viele Fotografen als sinnvolle Extras in der Fototasche erwiesen: ein Taschenmesser, eine kleine LED-Taschenlampe (am besten eine, die mit einem überall erhältlichen AA-Akku auskommt), eine Rolle Klebeband, ein Kugelschreiber und Papier, Brillenputztücher sowie ein Blasebalg, um auch unterwegs den gröbsten Staub loszuwerden. Vergessen Sie aber nicht, vor einer Flugreise das Taschenmesser herauszunehmen!

Gewicht beachten  | Sobald Ihre Ausrüstung etwas schwerer wird und Sie häu-

figer fotografieren, müssen Sie an Ihren Rücken denken. Eine Fototasche mit Hüftgurt, die Ihren Rücken entlastet, kann helfen. Auch wenn es seltsam klingt, Sie sollten einen Ausgleichssport für die Fotografie betreiben, der Ihre Rückenmuskulatur stärkt. Ich kenne einige Profifotografen, die berufsbedingte Rückenprobleme haben, gerade wenn sie bereits über 50 sind. Auch Hobbyfotografen haben oft eine dem Profi vergleichbare Ausrüstung und sind häufig im Einsatz, sodass sie diese Gefährdung genauso ernst nehmen sollten. Gewöhnen Sie sich an, nach einer Fototour zu überprüfen, welche Teile Ihres Equipments Sie wirklich benutzt haben, um sich so für die Zukunft bei der Auswahl besser einschränken zu können. Der Trick mit den zwei Fototaschen hilft Ihnen, viel dabeizuhaben, aber nicht immer alles mitschleppen zu müssen, weil Sie eine Tasche im Auto lassen können (natürlich nicht offen sichtbar und auch nicht in jeder Gegend).

1.9  Zubehör  |  97

1.10  Bildübertragung und Backup USB-Transfer-Modus Bei manchen Kameras können Sie den USB-Transfer-Modus konfigurieren. Der Standard ist meist PTP (Picture Transfer Protocol), mit dem Sie Bilder von der Kamera direkt zu geeigneten Druckern schicken können. Wenn Sie den Modus in Mass Storage ändern, meldet sich die Kamera als Laufwerk und die meisten Computer können per USB-Kabel ohne weitere Treiber auf die Kamera zugreifen.

Sobald Sie die Fotografie etwas ambitionierter betreiben, werden Sie mit Ihren Speicherkarten nicht mehr zum Ausleseterminal beim Fotohändler gehen, um Abzüge zu bestellen. Dann werden Sie die Bildbearbeitung und Speicherung mit Ihrem Computer erledigen.

Per Kabel oder Kartenleser Im Lieferumfang einer Digitalkamera befindet sich meist ein USB-Kabel zum direkten Anschluss an den Computer. Manchmal muss nicht einmal die mitgelieferte Software installiert werden, um die Bilder direkt übertragen zu können, denn entweder erkennt das Betriebssystem die Kamera oder die Kamera meldet sich als Laufwerk. Manche Kameras erlauben auch die Bildübertragung über WLAN oder Bluetooth. Komfortabler ist es jedoch, die Karten über einen Kartenleser zu überspielen. Ein solcher ist entweder schon in Ihrem Computer eingebaut oder lässt sich sehr günstig als USB-Zubehör erwerben. Kartenleser, die über USB 3.0 angeschlossen sind, sollten auf jeden Fall schneller als Ihre schnellste Speicherkarte sein, denn mit diesem Standard sind bis zu 500  MB/s möglich. Da USB 3.0 abwärtskompatibel ist, können Sie diese Kartenleser auch an älteren Geräten betreiben. Der Vorgänger, die USB-2.0-Schnittstelle, kann theoretisch 60 Megabyte pro Sekunde übertragen, in der Praxis sind 40 MB/s ein realistischer Wert. In einer Kombination aus Speicherkarte und USB-2-Kartenleser ergeben sich damit Übertragungsgeschwindigkeiten in der Größenordnung von 1  GB/min. Sollten Sie auf viel geringere Werte kommen, überprüfen Sie, ob Sie das Lesegerät vielleicht an einen USB-1.1-Port angeschlossen haben. Das kann bei älteren Computern der Fall sein oder an manchen USB-Ausgängen, die sich an einer Tastatur oder einem Bildschirm befinden. Dann hätten Sie nur eine Übertragungsgeschwindigkeit von 200 kB/s zur Verfügung, und ein Datenvolumen von 1 GB würde mehr als eine Stunde benötigen. Falls die Übertragung eines Gigabytes aber um die 10 Minuten benötigen sollte, trägt Ihr Kartenleser die Schuld, denn in manchen Kartenlesern ist langsame Elektronik verbaut. Sie können auch mit zwei Lesegeräten an unterschiedlichen USB-Eingängen des Computers gleichzeitig Bilder kopieren, wenn es einmal schnell gehen muss.

Auf einen mobilen Bildspeicher Sie können Ihre Bilder auch unterwegs auf eine Festplatte überspielen. Dazu gibt es Kombigeräte aus Kartenleser oder drahtloser Basisstation, Festplatte und 98  |  1  Kamera

Akku, die oft auch einen Bildschirm eingebaut haben. Sie können die Bildspeicher als zusätzliche Sicherung verwenden oder als großen Speicher, um zum Beispiel im Urlaub mit wenigen Speicherkarten auszukommen, die Sie dann mehrfach bespielen können. Es ist aber sehr zu überlegen, ob Sie das Geld nicht lieber in zusätzliche Speicherkarten investieren und sich nicht auf eine Festplattenlösung verlassen – oder Sie nehmen gleich ein Notebook mit. Ein Subnotebook ist kaum teurer und schwerer als ein Festplattenspeicher, bietet aber den Vorteil, dass man mit ihm auch Bilder bearbeiten und versenden kann. Selbst manche Tablets oder Smartphones haben oft schon Speicherkapazitäten, die sie als Backup-Lösung unterwegs interessant machen. Zudem können neuere Kameras die Bilder im laufenden Betrieb mit energiesparendem Bluetooth an das Smartphone oder Tablet übertragen. Das ist auch als Notfallbackup für Kameras mit nur einem Speicherkartenslot interessant, selbst dann, wenn es nur niedrig aufgelöstere JPEGs sein sollten, die oft für den geplanten Einsatzzweck ausreichend sind.

Per WLAN Die Übertragung per WLAN benötigt mehr Energie, ist aber auch deutlich schneller als die 2 MBit/s, die Bluetooth schafft. So funkt der Sportfotograf über einen WLAN-Adapter oder ein eingebautes WLAN der Kamera seine Bilder direkt an das Laptop seines Kollegen im Stadion, der die Bilder für die Agentur aufbereitet und per Mobilfunk sofort verfügbar macht. Dadurch können Zeitungen schon vor der Halbzeitpause erste Bilder ins Blatt nehmen. Im Fotostudio kann der Assistent die Schärfe und das Licht und die Visagistin das Make-up des Models überprüfen, während der Fotograf ungestört weiterarbeitet. Ich selbst verwende WLAN oft, um die Kamera an unzugänglichen Orten wie z. B. auf einem 4-Meter-Stativ fernzusteuern oder um Bilder an den Kunden zur Abstimmung zu schicken.

Alternative Funkübertragungen Außer WLAN verwenden aktuelle Kameras auch andere Funkübertragungsstandards. Für die Übertragung über kurze Distanzen z. B. zu einer Basisstation wird oft NFC (Near Field Communication) verwendet, eine Übertragungsart, die auch Ihre EC-Karte benutzt, wenn Sie sie nur an das Bezahlterminal halten müssen. Viele Kameras verwenden inzwischen Bluetooth 5, um eine permanente und stromsparende Verbindung zwischen Kamera und Smartphone zur Überspielung von niedrigaufgelösten JPEGs auf das Handy und zur Übertragung aktueller GPS-Positionen auf die Kamera zu ermöglichen. Nikon z. B. nennt die Technik SnapBridge.

Backup Wenn Sie Ihre Fotos nur auf die interne Festplatte Ihres Rechners übertragen, sind im Falle eines Hardwareschadens alle Bilder verloren. Es gibt zwar Datenrettungsdienste, die auch in anscheinend hoffnungslosen Fällen wie einem Brandschaden noch einen Großteil der Daten wiederherstellen können, aber das kann mehrere Tausend Euro kosten. Besser ist es, Sicherungskopien zu erstellen. Hier haben Sie unterschiedliche Möglichkeiten.

GG Abbildung 1.95 Ein WLAN-Adapter für eine DSLR. Er ist auch interessant für die Fernsteuerung der Kamera, wird aber hauptsächlich für die direkte Übertragung zum Rechner eingesetzt. (Bild: Canon)

1.10  Bildübertragung und Backup  |  99

CD, DVD, Blu-ray-Disc | Das Brennen von externen Speichermedien ist nur für

relativ geringe Datenmengen interessant, weil Sie ansonsten u. a. sehr schnell sehr viele Datenträger produzieren und viel Zeit mit der Datensicherung verbringen. Stellen Sie sich vor, Sie müssen 400  GB von DVDs auf den Rechner zurückspielen, das sind 100  Stück  … Die Haltbarkeit der Medien ist immer typabhängig und schlecht vorherzusagen. Licht, Wärme und Feuchtigkeit sind jedenfalls bei der Lagerung zu vermeiden. Fazit: gut zur gelegentlichen Sicherung und Weitergabe und besser als nichts, aber nicht mehr zeitgemäß. Festplatten | Eine interne Festplatte ist für die Datensicherung nahezu wertlos.

HH Abbildung 1.96 Dieses Bild eines jungen Mädchens und einer Dame in Mindener Tracht ist ca. von 1915. Werden Ihre Bilder in über 100 Jahren noch zu betrachten sein?

Im Falle von Überspannung oder eines Virenangriffs ist sie genauso gefährdet wie die erste Platte. Sie sollten also eine externe Festplatte verwenden, die Sie nach der Datenübertragung abklemmen können. Diese Lösung ist schnell, günstig und einigermaßen sicher – besonders, wenn Sie Ihre Daten regelmäßig auf eine neue Festplatte überspielen. Die alten Festplatten sollten Sie zur Sicherheit dennoch nicht wegwerfen. Bedenken Sie, dass es Ereignisse geben kann, die zwei Platten innerhalb eines Hauses gleichzeitig unbrauchbar machen können. Wenn Ihnen Ihre Bilder wichtig sind, sollten Sie eine weitere Platte bei einem Freund oder Familienmitglied auslagern. Ein bisschen teurer, aber auch sicherer als eine Festplatte ist ein RAID-System, bei dem mehrere Platten redundant bespielt werden, sodass sich beim Ausfall einer Platte die Daten wiederherstellen lassen. Netzwerk-Speicher (Cloud)  | Die Verwendung von Speicherplatz im

Internet ist im Zuge schnellerer Internetverbindungen und billigerer Speichermöglichkeiten im Kommen. Die Methode hat den Vorteil, dass die Kopie von vornherein dezentral ist. Hier sollten Sie aber auf große und etablierte Anbieter setzen, bei denen Sie davon ausgehen können, dass sie nicht in einem Jahr verschwunden sind und mit ihnen Ihre Daten. Außerdem ist nichts mehr wirklich privat, was Sie über das Internet schicken und auf externen Servern speichern. Vor allem bei Anbietern, die die Bilder nicht nur speichern, sondern auch anzeigen, sollten Sie sich die AGB genau durchlesen. Manche kommen einer Enteignung gleich, und die Anbieter versuchen, sich alle möglichen Rechte an Ihren Bildern anzueignen, ohne dafür einen finanziellen Ausgleich zu schaffen. Immer wenn Ihnen ein Anbieter etwas »auf Lebenszeit« anbietet, sollten Sie hellhörig werden. Er meint damit nicht Ihre Lebenszeit, sondern seine. Solche Angebote sind besonders beliebt bei Diensten, die kurz vor der Pleite stehen.

100  |  1  Kamera

Gehen Sie auf Nummer sicher | Bei der Datensicherung sollten Sie drei Regeln

befolgen, um ein Grundmaß an Sicherheit zu haben: 1. Alles ist immer mindestens doppelt vorhanden. Falls ein System ausfällt, werden die Daten umgehend von der einen Kopie auf das neue, das ausgefallene System ersetzende überspielt. 2. Achten Sie auf die technische Entwicklung: Überspielen Sie regelmäßig auf aktuelle Medien, denn ältere Medien werden sich irgendwann aus rein technischen Gründen nicht mehr lesen lassen. Ich selbst habe zum Beispiel alte Zip-Discs, MO-Discs und SyQuest-Medien, für die ich nur unter allergrößten Mühen funktionierende Laufwerke auftreiben könnte. Haben Sie mit einem exotischen Raw-Format eines kleinen Herstellers gearbeitet, das langsam ausstirbt? Dann konvertieren Sie die Daten in DNG (siehe Seite 678), ein RawStandard-Format von Adobe, das sich etwas länger halten wird. 3. Halten Sie Ihr Computersystem sauber: Ein aktueller Virenscanner, eine vernünftige Netzwerkkonfiguration und regelmäßige Sicherheitsupdates sind Pflicht. Wenn Sie sich selbst damit nicht auskennen, dann fragen Sie jemanden. Auf einem Mac ist ein Virenscanner nicht unbedingt notwendig, aber auch hier sollten Sie niemals Software aus dem Internet installieren, der Sie nicht vertrauen können. Das gilt nicht nur für Programme, sondern auch für Browser-Plugins oder Anhänge, die mit einer E-Mail mitgeschickt wurden.

Bildrettung bei Speicherfehlern Sie sollten die Speicherkarten niemals während eines Schreiboder Lesevorgangs aus dem Kartenleser nehmen. Genauso sind mechanische Belastungen zu vermeiden und statische Elektrizität, die gerade bei offenliegenden Kontakten zur Gefahr wird. So werden Ihre Speicherkarten im Normalfall über viele Jahre störungsfrei funktionieren. Wenn Sie aber doch einmal ernste Probleme haben sollten, eine Karte auszulesen, verzweifeln Sie nicht gleich. Sehr häufig lässt sich der Großteil der Bilder auf der Karte noch retten. Sie müssen dazu eine Software verwenden, die das Inhaltsverzeichnis der Karte ignoriert und die Dateien direkt aus dem Dateisystem lesen kann, zum Beispiel das Programm RescuePro, für das SanDisk seinen Speicherkarten oft Seriennummern beilegt. Es gibt auch kostenlose Programme, die Sie mit dem Suchbegriff »photo recovery« im Internet finden. Falls die Karte vom Rechner überhaupt nicht mehr erkannt wird, können Sie sie in der Kamera formatieren. Dabei wird nur das Inhaltsverzeichnis gelöscht, das für die Datenrettungssoftware

ohnehin unwichtig und oft der Kern des Problems ist. Bei manchen Kameras können Sie z. B. Format niedriger Stufe anwählen. Das sollten Sie vermeiden, wenn Sie noch irgendwelche Daten von der Karte retten möchten, denn hierbei wird wirklich alles von der Karte gelöscht. Wenn Sie Probleme hatten, sollten Sie versuchen, die möglichen Ursachen einzugrenzen. Manchmal trägt ein defekter Kartenleser oder USB-Port Schuld, die Speicherkarte selbst kann defekt sein, oder es liegt ein Bedienfehler zugrunde, weil etwa die Karte aus dem Leser gezogen wurde, während auf ihr noch gearbeitet wurde. Falls die Rettungssoftware defekte Sektoren auf der Karte feststellt, sollten Sie sie nicht weiterverwenden. Wenn Ihre Karte einen Totalschaden hat, denken Sie auch daran, dass viele Hersteller eine sehr lange Garantiezeit haben und Sie die Karte kostenfrei umtauschen können. Bei dem Verfall der Speicherpreise ist das natürlich nicht in jedem Fall den Aufwand wert.

1.10  Bildübertragung und Backup  |  101

kurz & bündig:  Kamera Eine DSLR oder Spiegellose wird 95 % Ihrer fotografischen Anforderungen gut abdecken. Der Kameramarkt ist allerdings sehr breit und es kann durchaus sinnvoll sein und Spaß machen, sich mit den sonstigen Angeboten zu befassen, ob das eine Action-Kamera ist, eine wasserdichte Kompaktkamera oder eine für 360°-Panoramen. Mittelformat- und Großbildkameras sind für viele Amateure nur in ihrer analogen Ausführung zu finanzieren. Inzwischen bekommen Sie aber neue digitale Mittelformatkameras schon für gut 4 000 € und ältere Modelle sind zum Teil gebraucht deutlich günstiger. Aber auch hier gilt: »You get what you pay for.« Wenn eine gebrauchte Mittelformatkamera billiger ist als eine Vollformatkamera, dann kann sie auch weniger. Der Anteil von Smartphones am Fotomarkt wird weiter zunehmen, Kompaktkameras wurden schon stark von ihnen verdrängt. Es gibt einige Entwicklungen im Sensorbereich, die besonders den Smartphones zugutekommen werden. Schon heute werden mit Abstand die meisten Bilder mit ihnen aufgenommen. Diese Entwicklung wird auf absehbare Zeit so weitergehen. Allerdings verstärkt dies auch den Trend zu höherwertigen Kameras und größeren Sensorformaten im Rest des Fotomarktes, was im Interesse der ambitionierten Amateure und Profis ist. Wer nicht mit Smartphones fotografiert, wird also vorrangig Systemkameras auf dem Markt finden, die sich in Aufnahmeformat und Möglichkeiten sehr deutlich von den Smartphones absetzen. Die Hersteller versuchen, ihre Kameras als ausgewogenes Gesamtsystem auf den Markt zu bringen. Die höhere Geschwindigkeit der Prozessoren macht mehr Megapixel pro Sekunde möglich, sodass auch hochauflösende Kameras heute 10 Bilder pro Sekunde aufnehmen können. Trotz aller kommenden Entwicklung sind wir auch heute schon auf einem Stand, mit dem man als Fotograf sehr gut arbeiten kann. Stehen Sie dem Fortschritt positiv gegenüber, aber vergessen Sie auch nicht, dass Ihre derzeitige Kamera nicht schlechter wird, sobald eine neue auf den Markt kommt. Kennen Sie Ihre Kamera  | Egal, welche Kamera Sie verwenden, machen Sie

sich mit ihrer Bedienung komplett vertraut, lesen Sie das Handbuch, und üben Sie die Benutzung, bis sie Ihnen in keiner fotografischen Situation mehr im Wege steht. Der Schönwetterfotograf wird auch mit einem Bruchteil der Möglichkeiten einer Systemkamera auskommen, und es ist völlig legitim, ein Hobby nicht in Arbeit ausarten zu lassen. Wer aber ambitioniert an die Fotografie herangeht, wird für sein Wissen und seine Übung belohnt werden. Der Bereich

102  | 

KURZ & BÜNDIG:

Kamera

der Motive, die Sie in gelungene Aufnahmen verwandeln können, wird um einiges größer. Vergessen Sie im Rausch der technischen Neuvorstellungen nicht, dass die Fotografie bald 200 Jahre alt wird und dass auch unter alten Fotogerätschaften wahre Schätze zu finden sind, die sich für Ihre gestalterische Arbeit im Einzelfall besser eignen als die neueste Digitalkamera. Wobei sich das nicht ausschließt, alte Objektive sind gerade an spiegellosen Vollformatkameras sehr gut zu verwenden – sogar besser als jemals zuvor.

HH Abbildung

1.97 Eine fast 40 Jahre alte Kamera, abgelaufenes Filmmaterial und die falsche Filmentwicklung: Oft ergibt sich gerade aus den Fehlern eine Atmosphäre, die die Stimmung besser trifft, als Perfektion das je könnte.

KURZ & BÜNDIG:

Kamera  |  103

Vergessen Sie die Technik  | Technische Perfektion kann nachteilig sein für die

emotionale Bildwirkung. Eine Lochkameraaufnahme aus einer Blechdose löst oft mehr im Betrachter aus als ein brillantes 50-Megapixel-Foto. Letztlich ist alle Technik nur ein Hilfsmittel, um sich bildlich auszudrücken. Lernen Sie, die Technik zu beherrschen, damit Sie sie vergessen können und nicht von ihr beherrscht werden. Sie können mit jeder Kamera gute Bilder machen, Sie können nur nicht mit jeder Kamera alles gleich gut abbilden. Eine hochwertige Kamera zeichnet sich dadurch aus, dass sie möglichst viele Situationen souverän meistert und sich an möglichst viele fotografische Aufgaben technisch anpassen lässt. Seien Sie sparsam  | Geben Sie nicht zu viel Geld für Ihr Kameragehäuse aus. HH Abbildung

1.98 Dieses Motiv hätte sich genauso mit einer Panoramasoftware aus Digitalfotos erstellen lassen. Es wurde aber in einer einzigen Belichtung mit einer analogen Noblex Panoramakamera aufgenommen. Jede Kamera beeinflusst die Art zu sehen, jedes Format öffnet den Blick für andere Motive.

104  | 

KURZ & BÜNDIG:

Kamera

Eine ausgewogene Fotoausrüstung verlangt, dass Sie auch noch etwas Geld für ein paar gute Objektive und vielleicht ein Stativ übrig haben. Gerade als Einsteiger können Sie sich auch eine Einsteigerkamera kaufen. Ein paar Jahre später wissen Sie, was Sie wirklich brauchen, und können sich dann gezielt eine Kamera aussuchen, die auch in der technischen Entwicklung auf dem neuesten Stand ist. Ein Systemwechsel ist im Übrigen kein Tabu: Wenn Sie merken, dass Ihr Hersteller Ihnen nicht mehr das bietet, was Sie von ihm erwarten, dann überlegen

Sie, ob ein Verkauf und eine Neuanschaffung nicht die bessere Wahl ist. Wenn Sie den Aufwand für Ihr Hobby im Rahmen halten wollen, finden Sie heute bei jedem Hersteller eine gute Qualität und gute Erweiterungsmöglichkeiten. Falls Ihre Ansprüche hoch sind und Sie Zeit, Geld und Willen haben, sich eingehend mit der Fotografie zu beschäftigen, dann wird die Auswahl Ihres Kamerasystems sich von der eines Profis kaum unterscheiden. Letztlich kommt es auf den Fotografen und nicht auf die Kamera an. Ich habe wunderschöne Aufnahmen gesehen, die mit einfachsten Mitteln entstanden sind, und völligen Mist aus High-End-Kameras. Das Bild entsteht im Kopf und nicht in der Kamera.

Anregungen EE

EE

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EE

Sind Sie ihr Kameramenü schon einmal vollständig durchgegangen? Vielleicht finden Sie Funktionen, die Sie noch gar nicht kennen und die Sie auf neue kreative Ideen bringen. Wenn Sie keine analogen Erfahrungen haben, auf den Flohmärkten am Wochenende finden Sie eine Kamera mit Objektiv oft schon für 10 €. Selbst wenn Sie nur einen Negativfilm in der Drogerie abgeben, ist das schon besser als es gar nicht zu kennen. Ihre Kamera kann mehr Bildqualität erzeugen, als mit einem einzigen gut belichteten Raw-Bild möglich ist. Machen Sie sich mit HDR und Panoramen vertraut, ein 150-MP-Bild mit 16 Blenden Dynamikumfang können Sie auch mit Ihrer Einsteigerkamera zusammensetzen, eine entsprechende Kamera würde 50 000 € kosten. Testen Sie Ihre Kamera: Wie weit reicht der Bildstabilisator? Welche ISO-Werte erzeugen für Sie noch ansprechende Ergebnisse? Ist komprimiertes Raw schlechter als unkomprimiertes? All das können Sie selbst ausprobieren. Die Digitalfotografie ist schon vor 20 Jahren in Fahrt gekommen, der Gebrauchtmarkt bietet inzwischen interessante Technik, Vollformatkameras für wenige Hundert Euro beispielsweise. Schauen Sie, was Ihr Smartphone kann, einerseits als Zubehör für Ihre Digitalkamera mit den herstellereigenen Apps, aber auch als Kamera für sich allein.

KURZ & BÜNDIG:

Kamera  |  105

Kapitel 2:  Objektive Wechselbare Objektive sind das Hauptargument für eine Systemkamera. Bei manchen ­Systemen können Sie zwischen Hunderten und mit Adaptern sogar Tausenden verschiedenen Objektiven wählen. Auch wenn Sie vielleicht mit zwei oder drei Objektiven auskommen werden, ist dieses Angebot interessant, denn je nach Arbeitsschwerpunkt werden Sie zu anderen Objektiven greifen wollen.

2.1  Grundlagen Früher sagte man: »Das Objektiv macht das Bild.« Damals konnte man aber auch jeden Profifilm in jede Amateurkamera legen und bekam Bilder, denen man den Kameratyp nicht ansehen konnte, wohl aber das verwendete Objektiv. Heute stimmt das nur noch zum Teil, weil die Sensortechnik und die Elektronik einen sehr wichtigen Anteil an der Bilderzeugung haben und ihre Qualität von der verwendeten Kamera abhängen. Das Objektiv ist dadurch aber noch wichtiger geworden, denn die modernen Sensoren übertreffen die Möglichkeiten des Films bei Weitem. Zudem lassen sich die Bilder auf 100 % der Pixelgröße und darüber hinaus vergrößern, sodass selbst kleinste Fehler, die auf einem Diapositiv oder Abzug nie aufgefallen wären, augenfällig werden. Andererseits werden alte Objektive auch wieder interessanter, denn sie liefern oft Bilder, die mehr Atmosphäre und Räumlichkeit aufweisen als die von perfekt auskorrigierten aktuellen Objektiven. Seit der letzten Auflage der Großen Fotoschule habe ich ein ganzes Buch über das Thema »Objektive« geschrieben. In meiner täglichen Arbeit hat das dazu geführt, dass ich von einem Gelegenheitsnutzer alter Objektive zu jemandem wurde, bei dem das »Altglas« gleichberechtigt zu modernen AF-Objektiven verwendet wird. Dieser Trend ist in einem großen Teil der Fotoszene ebenfalls zu spüren, auch weil die Spiegellosen die Adaptierbarkeit einerseits stark vereinfachen, andererseits die manuelle Scharfstellung deutlich erleichtern.

Abbildung 2.1 Ein vorbeifahrendes Auto störte diese Nachtaufnahme auf Teneriffa, führte aber auch zu interessanten Reflexionen im Objektiv.

FFF

15 mm | ƒ2,8 | 30 s | ISO 2500 | AF-S Nikkor 14–24 mm 1:2,8G ED

Brennweite und Bildwinkel Um ein Objekt auf einem Sensor abzubilden, reicht schon ein kleines Loch. Damit könnte man aber nur einen winzigen Bruchteil des Lichts ausnutzen. Um mehr Licht auf den Sensor zu bekommen, kann man eine Sammellinse

2.1  Grundlagen  |  107

verwenden, die das einfallende Licht bündelt. Je stärker gewölbt diese Linse ist, desto näher kann man sie am Sensor positionieren, und desto größer wird der Bildwinkel. Je flacher die Linse ist, desto weiter weg muss sie sein, um das Licht bündeln zu können, und der Bildwinkel wird entsprechend kleiner. In der Praxis erreicht man mit mehreren Linsen, die gegenseitig ihre Abbildungsschwächen (siehe Abschnitt 2.2, »Abbildungsfehler«, ab Seite 122) kompensieren, deutlich bessere Ergebnisse, als sie mit nur einer Linse möglich wären. Objektive bestehen deshalb immer aus einer Vielzahl von hintereinander positionierten Einzellinsen oder Linsengruppen. Aufbau | Im einfachsten Fall besteht ein Objektiv aus einer Anzahl von Linsen,

die zusammen verschoben werden, um die Fokussierung zu gewährleisten. Ein 50-mm-Objektiv mit sechs Linsen in einem Aufbau vom sogenannten Gauß-Typ gehört zum Beispiel zu dieser Gruppe. Diesen Aufbau gab es vor hundert Jahren schon, er liefert aber auch heute noch recht gute Ergebnisse. Selbst ein vierlinsiges Tessar wird oft eine Schärfe ermöglichen, die Sie so einer solch einfachen Konstruktion wohl nicht zutrauen würden. Abbildung 2.2 E Das EF 50 mm/ƒ1,8 II von Canon hat einen klassischen sechslinsigen Aufbau (links), das Sigma 50 mm/ƒ1,4 DG HSM Art (rechts) ist mit seinen 13 Linsen in acht Gruppen aufwendiger und moderner konstruiert. Das Sigma-Objektiv verwendet zudem Gläser mit besonders niedriger Dispersion (blau) und eine asphärische Linse (rot). Niedrige Dispersion führt dazu, dass die Farben sehr ähnlich gebrochen werden und somit die chroma­tische Aberration sehr viel geringer ist.

108  |  2  Objektive

Wenn man die Qualität weiter verbessern möchte, kann man einzelne Linsengruppen separat bewegen, um die Leistung im Nahbereich zu verbessern. Bei diesen Objektiven wird oft der Begriff »Floating Elements« verwendet. Eine weitere Methode zur Qualitätsverbesserung ist es, mehr Linsen oder Linsengruppen zu verbauen, um die Abbildungsfehler noch weiter zu minimieren. Bei einem 50-mm-Objektiv bedeutet das, dass man es ähnlich einem Weitwinkelobjektiv eines größeren Sensorformates in Retrofokusbauweise (siehe Seite 139) aufbauen muss, um überhaupt genug Platz im Objektiv zu finden. Das macht das Objektiv größer, schwerer und teurer, liefert aber auch eine Qualität, die für hochauflösende Sensoren selbst bei Offenblende noch sehr gut ist.

Wenn man einen Bildstabilisator verbauen möchte, verkompliziert sich der Gesamtaufbau noch einmal, sodass die meisten hochlichtstarken Objektive darauf verzichten. Zum Teil, weil der Stabilisator dort nicht ganz so wichtig ist, aber noch eher, weil Konstruktionsaufwand und Gewicht dann zu groß werden. Das Canon EF 85 mm/ƒ1,4L IS USM zeigt allerdings, dass Stabilisator und hohe Lichtstärke sich nicht grundsätzlich ausschließen. Sobald man ein Objektiv für verschiedene Brennweiten gut korrigieren möchte, also ein hochwertiges Zoomobjektiv anstrebt, steigt der Aufwand noch einmal an. Das Canon EF 70–200 mm/ƒ2,8 L IS III USM besteht z. B. aus 23 Linsen in 19 Linsengruppen, dafür ist es aber auch bildstabilisiert und scharf genug für die 50 MP der Canon EOS 5DS.

Kleiner Exkurs Nur für mathematisch Interessierte: So berechnen Sie den Bildwinkel und den Sehwinkel. Die Variablen können Sie der ­Grafik unten entnehmen.

β = 2 × arctan l

g β

Brennweite | Die Brennweite ist der Abstand von der Linsenmitte zu ihrem

Brennpunkt, auch Fokuspunkt genannt. Dies ist auch der Punkt, an dem die Abbildung parallel einfallender Strahlen durch die Linse am schärfsten ist. Parallel auf die Linse treffende Lichtstrahlen (entspricht der Entfernungseinstellung des Objektivs auf Unendlich) werden, je nach Linsenwölbung, in kürzerer oder längerer Entfernung hinter der Linse gebündelt. Diesen Abstand bezeichnet man als Brennweite der Linse.

Optische Achse

l 2×g

α d

b

β=α

l = Motivbreite g = Motivabstand α = Bildwinkel β = Sehwinkel b = Bildweite d = Sensorbreite

Brennpunkt

FF Abbildung

Lichtstrahl Brennweite

2.3 Der Abstand zwischen der bildseitigen Hauptebene der Linse oder des Objektivs und dem Brennpunkt bei Entfernungseinstellung auf Unendlich entspricht der Brennweite.

Objektive mit mehreren Linsen haben ebenfalls nur eine einzige Brennweite, nur wird diese von der bildseitigen Hauptebene des Linsensystems aus berechnet,

2.1  Grundlagen  |  109









1200 mm

600 mm

400 mm

300 mm

12 °

18 °

23 °

200 mm

135 mm

105 mm

80 mm

28 °

50 mm

46 °

35 mm

62 °

28 mm

74 °

18 mm

100 °

8 mm

180 ° 220 °

GG Abbildung

6 mm

2.4 Die Bildwinkel für Objektive von 6 bis 1 200 mm Brennweite (bei einem Vollformatsensor). Für Fisheye-Objektive stimmen aber die hier vorgestellten Formeln nicht mehr.

110  |  2  Objektive

dem optischen Mittelpunkt des Objektivs von der Sensorseite aus gesehen. In der Praxis wird die Brennweite eines Objektivs allerdings einfach aus dem sich ergebenden Bildwinkel ermittelt, weil sich die bildseitige Hauptebene (wie auch die objektseitige) nicht so einfach bestimmen lassen. Die objektseitige Brennweite eines Objektivs ist ohnehin immer gleich der bildseitigen – mit Ausnahme von Unterwasserkameras. Hier ist auf der Objektseite Wasser und auf der Bildseite Luft, deswegen verlängert sich die Brennweite unter Wasser, und der Bildwinkel wird kleiner (siehe Seite 572). Eine Brennweite, die der Diagonalen des Aufnahmeformats (also der Sensordiagonalen) entspricht, wird als Normalbrennweite bezeichnet, die entsprechenden Objektive mit dieser Brennweite als Normalobjektive. Bei Sensoren im Kleinbildformat von 24 × 36 mm beträgt die Diagonale gut 43 mm, gebräuchlich als Normalobjektiv sind dennoch Objektive mit 50 mm Brennweite. Man kann Objektive von 40 bis 58 mm Brennweite als Normalobjektive bezeichnen. Alle Objektive mit Brennweiten kleiner als 40 mm werden Weitwinkelobjektive genannt und alle Objektive mit Brennweiten größer als 58 mm Teleobjektive. Genau genommen ist die Bezeichnung »Teleobjektiv« nur für die Objektive richtig, die eine spezielle Bauform aufweisen, die der Verkürzung der Gesamtkonstruktion dient. Da dieser Begriff aber für alle Objektive längerer Brennweite allgemein gebräuchlich ist, werde ich die Bezeichnung im Buch entsprechend verwenden. Objektive, die nur eine einzige Brennweiteneinstellung zulassen, nennt man auch Festbrennweiten. Objektive mit veränderlicher Brennweite heißen dagegen Zoomobjektive. Die Brennweitenangabe gilt bei Objektiven im Grunde nur für die Entfernungseinstellung Unendlich; während der Scharfstellung auf den Nahbereich verkürzt sich die Brennweite üblicherweise, jedenfalls bei Objektiven mit Innenfokussierung oder bei Zooms. Ein 100-mm-Makroobjektiv kann so im Nahbereich effektiv eine Brennweite von 75 mm aufweisen. Bildwinkel | Der Bildwinkel beschreibt, welchen Winkel eine Kamera mit einem

Objektiv erfassen kann. Der Bildwinkel hängt direkt von der verwendeten Brennweite und der Sensorgröße ab. Auf der Motivseite entspricht der Bildwinkel dem Sehwinkel. Je kürzer die Brennweite ist, desto größer ist der Bildwinkel, der mit der Linse oder dem Objektiv abgebildet werden kann. Je länger die Brennweite ist, desto enger ist der Bildwinkel, und desto mehr erscheinen die abgebildeten Objekte vergrößert wie bei einem Fernglas. Ein Beispiel aus der Praxis: Sie möchten ein flaches Haus fotografieren, das zehn Meter breit ist, können aber nur fünf Meter weit zurücktreten. Ihr Abstand zum Motiv entspricht also der Hälfte seiner Breite. Wenn die verwendete Brennweite etwas kürzer ist als die Hälfte der Sensorbreite, können Sie das Haus

formatfüllend erfassen. Bei einer Sensorbreite von 36 mm (einem Vollformatsensor also) sind 18 mm die Hälfte, 17 mm Brennweite müssten also ausreichen, um auch den Rand des Motivs zu erfassen. Anders gerechnet: In diesem Beispiel ergibt sich ein notwendiger Sehwinkel von 90° horizontal. Wenn Sie in Tabelle 2.1 schauen, sehen Sie, dass Sie mit 17 mm noch ein bisschen Luft an beiden Seiten haben, weil diese Brennweite mit 93,27° horizontal ein wenig mehr an Bildwinkel liefert als die 90°, die notwendig sind, um die Breite formatfüllend abzubilden. Für einen Sensor in APS-C-Größe ergibt sich eine kürzere Brennweite, denn mit etwa 11 mm Brennweite erzielen Sie den gleichen Bildwinkel wie mit 17 mm Brennweite bei einem Vollformatsensor (siehe auch den Abschnitt »Cropfaktor« auf der nächsten Seite). Brennweite in mm

Bildwinkel quer

Bildwinkel hoch

Bildwinkel diagonal

12

112,62

90,00

121,66

14

104,25

81,20

113,86

17

93,27

70,44

103,33

20

83,97

61,93

94,14

24

73,74

53,13

83,71

28

65,47

46,40

75,04

35

54,43

37,85

63,12

50

39,60

26,99

46,54

70

28,84

19,46

34,15

85

23,91

16,07

28,39

100

20,41

13,69

24,27

135

15,19

10,16

18,10

200

10,29

6,87

12,27

300

6,87

4,58

8,20

400

5,15

3,44

6,15

500

4,12

2,75

4,92

600

3,44

2,29

4,10

800

2,58

1,72

3,08

1 000

2,06

1,38

2,46

FF Tabelle

2.1 Brennweiten und Bildwinkel bezogen auf das Vollformat

2.1  Grundlagen  |  111

Man würde vermuten, dass der maximale Bildwinkel bei 180° liegt, und auch das natürlich nur bei einem sogenannten Fisheye-Objektiv mit extrem kurzer Brennweite. Nikon hatte allerdings früher ein Fisheye mit 6 mm Brennweite im Programm, das sich durch einen Bildwinkel von 220° auszeichnete, also tatsächlich ein wenig nach hinten fotografieren konnte. Auch heute finden Sie Objektive, die bis zu 280° erfassen können, z. B. von Entaniya. 360°-Panoramakameras verfügen ebenfalls über zwei Fisheye-Objektive, die über 180° erfassen, damit die beiden Einzelbilder nahtlos zusammengerechnet werden können.

Cropfaktor Wenn Sie ein Objektiv einer bestimmten Brennweite an eine Kamera mit einem kleineren Sensor als das Kleinbildformat (24 × 36 mm) anschließen, verkleinert sich der Bildwinkel um den gleichen Faktor, den der Sensor kleiner ist. Dieser Faktor wird Cropfaktor genannt, abgeleitet vom englischen to crop, was man mit »beschneiden« übersetzen kann. Um die Brennweite zu ermitteln, die an dem kleineren Sensor den gleichen Bildwinkel erzielt wie ein Objektiv bestimmter Brennweite beim Sensor in

GG Abbildung

2.5 Wenn Sie ein APS-C-Objektiv an eine Vollformatkamera anschließen, können Sie sehen, dass der Bildkreis nicht ausreicht und sich schwarze Bildecken ergeben. Im extremen Nahbereich oder Zooms im Telebereich kann das anders aussehen, aber die Bildqualität in den Außenbereichen kann leiden. GG Abbildung 2.6 Das Bild wurde mit 35 mm Brennweite an einer Vollformatkamera aufgenommen. Der dunklere Bereich zeigt den Ausschnitt, den eine Kamera mit APS-C-großem Sensor und einem Cropfaktor von 1,6 mit derselben Brennweite aufgenommen hätte.

112  |  2  Objektive

Kleinbildgröße (KB), teilen Sie diese Brennweite durch den Cropfaktor. Um die Brennweite zu berechnen, die bei Kleinbild den gleichen Bildwinkel wie ein Objektiv an APS-C erreichen würde, multiplizieren Sie die Brennweite mit dem Cropfaktor. Ein 50-mm-Objektiv zum Beispiel hat also bei einem APS-C-Sensor den gleichen Bildwinkel, den ein 80-mm-Objektiv an einem Vollformatsensor erreicht. Dadurch ändert sich die Brennweite aber nicht von 50 mm in 80 mm, sondern bleibt bei 50 mm, mit einem durch die Sensorgröße verkleinerten Bildausschnitt. Es gibt also keine »Brennweitenverlängerung« (ein hier und da leider immer noch verwendeter Begriff für den Cropfaktor). Die Brennweite selbst bleibt immer durch den Abstand vom Sensor zur Hauptebene des Objektivs definiert und hat nichts mit der Sensorgröße zu tun. Deswegen trifft der Begriff »Crop­ faktor« eher den Kern der Sache.

Kameratyp

Cropfaktor

NormalobjektivBrennweite

50 mm wirken wie

Vollformat (Kleinbild)

1

50 mm

50 mm

Nikon APS-C

1,5

33 mm

75 mm

Canon APS-C

1,6

31 mm

80 mm

(Micro) Four Thirds

2

25 mm

100 mm

Kleines Mittelformat (Fujifilm GFX, Pentax 645Z)

0,79

63 mm

40 mm

GG Abbildung 2.7 Bei einer Kamera mit Cropfaktor (blau) wird nur ein Teil des Bildwinkels verwendet, den eine Kamera mit Vollformatsensor nutzen würde (orange). Der Bildwinkel entspricht einer um den Cropfaktor längeren Brennweite bei Vollformat. Ein 50-mm-Objektiv hat also bei einem Cropfaktor von 1,6 einen Bildwinkel wie ein 80-mm-Objektiv bei einem Vollformatsensor.

GG Tabelle

2.2 Cropfaktor und Brennweite

Wenn das Sensorformat größer als Kleinbild ist, ergeben sich Crop-Faktoren, die kleiner als eins sind. Eine Fujifilm GFX 50 s z. B. verwendet einen Sensor der Größe 43,8 mm × 32,9 mm, die Kleinbilddiagonale von 43,27 mm entspricht also nur 79 % der Mittelformatdiagonale von 54,78 mm, es ergibt sich ein Crop­ faktor von 0,79.

Perspektive Ein weitverbreiteter Irrtum ist, dass Weitwinkelobjektive mit ihren kurzen Brennweiten eine andere Perspektive erzeugen als längere Brennweiten. Die Perspektive wird aber nur vom Standpunkt der Kamera bestimmt. Da Sie jedoch mit einem Weitwinkelobjektiv meist näher an das Motiv herangehen, erhalten

2.1  Grundlagen  |  113

GG Abbildung

2.8 In den Bildecken blickt die Kamera sehr schräg auf das Motiv, die Kreise der Lampen scheinen stark elliptisch verzerrt.

HH Abbildung

2.9 Dieser Bildausschnitt entspricht einer Aufnahme mit 50 mm Brennweite, und die Perspektive wirkt entsprechend natürlich.

GG Abbildung 2.10 Die Gesamtaufnahme wurde mit 12 mm Brennweite angefertigt. Die Perspektive erscheint übersteigert, auch weil ich durch den großen Bildwinkel sehr nah an das Auto im Vordergrund herangehen konnte.

114  |  2  Objektive

Sie so auch eine andere Perspektive. Vom selben Standpunkt aus erzeugen ein Weitwinkelobjektiv und ein Normalobjektiv dieselbe Perspektive, das Normalobjektiv erfasst durch seinen geringeren Bildwinkel lediglich einen kleineren Ausschnitt des Motivs. Das bedeutet aber auch, dass Sie in der Bildmitte dieselbe Perspektive vorfinden wie vom selben Standpunkt aus mit einer langen Brennweite aufgenommen. Wenn Sie also Personen unverzerrt auf einer Weitwinkelaufnahme abbilden möchten, positionieren Sie sie nahe der Bildmitte. Am Bildrand erscheinen sie in die Breite verzerrt, und in den Ecken bekommen sie »Eierköpfe«, die elliptisch zu den Bildecken zeigen. Die hin und wieder auftauchende Empfehlung, größere Gruppen am besten mit Weitwinkelobjektiven aufzunehmen, ist also völliger Unsinn. Gehen Sie nach Möglichkeit nicht unter 35 mm Brennweite, um Personen an den Bildrändern nicht verzerrt darzustellen. Anfänger neigen dazu, den Bildausschnitt über die Veränderung der Brennweite ihres Zoomobjektivs festzulegen. Vergessen Sie nie, dass Sie damit keinen Einfluss auf die Perspektive ausüben. Sehr häufig ist eine Veränderung des Standpunktes die bessere Wahl – abgesehen davon, dass Sie dann auch das Verhältnis von Vordergrund zu Hintergrund in der Bildkomposition bewusster wahrnehmen. Wenn Sie an ein Foto so nah herangehen, dass Ihr Sehwinkel dem Bildwinkel bei der Aufnahme entspricht, wirkt die Perspektive wieder natürlich. Deswegen kann es sinnvoll sein, Weitwinkelaufnahmen größer auszudrucken als mit dem Teleobjektiv geschossene Aufnahmen, weil Sie dann bei gleicher Entfernung einen größeren Sehwinkel erreichen. Je kürzer die Brennweite ist, desto schwieriger ist es, den natürlichen Perspektiveindruck bei der Betrachtung des Bildes wiederherzustellen. Bei 12 mm Brennweite entspräche die natürliche Betrachtungsentfernung nur einem Drittel der langen Bildseite. Bei einem Abzug der Größe 60 × 40 cm müssten Sie also 20 cm nah herangehen, damit die Perspektive wieder stimmt.

Blende Die Blende arbeitet ähnlich wie die Iris im Auge, um die Menge des einfallenden Lichts im Objektiv zu steuern. Sie ist eine Öffnung, die sich verkleinern kann, um die einfallende Lichtmenge zu begrenzen. Die Blende besteht meist aus Metalllamellen, die sich mechanisch oder elektromagnetisch sehr schnell schließen lassen, sodass sie eine kreisähnliche Form eines bestimmten Durchmessers annehmen kann.

2.1  Grundlagen  |  115

GG Abbildung

2.11 Die Blende eines 85-mm-Objektivs. Von links nach rechts: ƒ1,8 (Offenblende), ƒ2, ƒ4, ƒ8, ƒ22 (maximal geschlossen). Sie sehen in dem voll geöffneten Objektiv sehr viel mehr Lichtreflexionen als im abgeblendeten. Die Blende beschneidet also auch die Spiegelungsmöglichkeiten im Objektiv und verringert so das Streulicht.

Jeder Öffnungsweite der Blende ist eine bestimmte Blendenzahl zugeordnet, die sich rechnerisch aus der Brennweite geteilt durch den wirksamen Öffnungsdurchmesser des Objektivs ergibt. Mit Letzterem ist nicht der tatsächliche Durchmesser der Blendenöffnung gemeint, sondern der Durchmesser, wie er von der Vorderseite des Objektivs erscheint. Das Linsensystem des Objektivs kann die Lichtstrahlen vor dem Eintritt in die Blendenöffnung bündeln, sodass der wirksame Öffnungsdurchmesser größer ist als der tatsächliche. Das Objektiv ist sozusagen die Lupe, durch die die Blende betrachtet wird, und sie kann deswegen größer erscheinen, als sie wirklich ist. Wie groß dieser Durchmesser von der Objektivvorderseite gesehen erscheint, bestimmt also die wirksame Blende. Das hat den Vorteil, dass Sie den Blendendurchmesser auch selbst messen können, denn er ist von außen sichtbar. Bei Zoomobjektiven, die eine konstante Anfangsblende über den gesamten Brennweitenbereich aufweisen, wirkt die Blende, von vorn betrachtet, am langen Brennweitenende deutlich größer als am kurzen. Meist reichen dafür die optischen Eigenschaften des Objektivs aus. Das Objektiv vergrößert dann die scheinbare Blende am langen Ende wie eine Lupe. Bei einem 70–200-mm-Objektiv mit einer durchgehenden Anfangsblende ƒ2,8 ergeben sich so Durchmesser von 71,4 mm (= 200 ÷ 2,8) bei 200 mm und 25 mm (= 70 ÷ 2,8) bei 70 mm. Die tatsächliche Öffnung bleibt dabei gleich. Manche Objektive schließen zusätzlich die Blende am kurzen Ende etwas, um den Wert konstant halten zu können. Durchmesser und Fläche | Halbiert sich der Durchmesser der Blendenöffnung,

so verkleinert sich die Fläche der Öffnung um den Faktor 4. Es wird damit nur noch ein Viertel der Lichtmenge durchgelassen, und Sie müssen die Verschlusszeit um den Faktor 4 verlängern, damit Sie auf Ihrem Bild die gleiche Helligkeit erhalten. Um den Lichteinfall zu halbieren, müssen Sie die Blende also nur um den Faktor √2 (ca. 1,4) schließen. Wenn man nun die Blendenzahl – Fotografen sprechen hier nur kurz von der Blende – von ƒ2 auf ƒ2,8 vergrößert, halbiert sich die Fläche der Öffnung, und

116  |  2  Objektive

es kommt nur noch die Hälfte des Lichts durch. So ergeben sich also die anfangs seltsam erscheinenden Abstufungen der sogenannten Blendenreihe. Ganze Blenden: 1 • 1,4 • 2 • 2,8 • 4 • 5,6 • 8 • 11 • 16 • 22 (• 32 • 45 • 64 • 90 • 128) Halbe Blenden: 1 • 1,2 • 1,4 • 1,8 • 2 • 2,5 • 2,8 • 3,5 • 4 • 4,5 • 5,6 • 6,7 • 8 • 9,5 • 11 • 13 • 16 • 19 • 22 Drittelblenden: 1 • 1,1 • 1,3 • 1,4 • 1,6 • 1,8 • 2 • 2,2 • 2,5 • 2,8 • 3,2 • 3,5 • 4 • 4,5 • 5 • 5,6 • 6,3 • 7,1 • 8 • 9 • 10 • 11 • 13 • 14 • 16 • 18 • 20 • 22 Da die Werte gerundet werden, können die Werte im Kameradisplay etwas abweichen. Canon stellt die Blendenwerte so wie oben gezeigt dar, bei anderen Kameras kann bei den halben Blenden zum Beispiel zwischen ƒ1,4 und ƒ2 auch ƒ1,7 angegeben sein. Blende und Verschlusszeit | In einem Beispiel möchte ich das Zusammenspiel

von Blende und Verschlusszeit erläutern. Wenn Ihre Kamera an einem leicht bedeckten Tag bei ISO 100 eine Blende ƒ8 und 1/125 s Verschlusszeit ermittelt, erzielen Sie mit den folgenden Kombinationen aus Blende und Verschlusszeit dieselbe Bildhelligkeit: Blende

Verschlusszeit

Faktor der Abdunklung durch die Blende

1

1/8000 s

1

1,4

1/4000 s

2

2

1/2000 s

4

2,8

1/1000 s

8

4

1/500 s

16

5,6

1/250 s

32

8

1/125 s

64

11

1/60 s

128

16

1/30 s

256

22

1/15 s

512

GG Abbildung 2.12 Von vorn betrachtet, erscheint die Blendenöffnung bei 200 mm deutlich größer als bei 70 mm. Dadurch ergibt sich bei diesem Objektiv eine konstante Blende von ƒ2,8 über den ganzen Brennweitenbereich.

FF Tabelle

2.3 Zeit-Blenden-Kombination für dieselbe Bildhelligkeit

2.1  Grundlagen  |  117

Sie müssen die Verschlusszeit also um den Abdunklungsfaktor der Blende verlängern, um trotz Abblendung auf dieselbe Helligkeit zu kommen. Blende und Schärfe | Die Blende steuert aber nicht nur die Bildhelligkeit, son-

GG Abbildung

2.13 Die Beugungsunschärfe bei starker Abblendung lässt sich am besten an hellen Lichtquellen feststellen. Hier bilden sich bei ƒ22 sogenannte Blendensterne.

Blende: Schreibweisen Die Blende werden Sie in verschiedenen Schreibweisen finden. Auf dem Display Ihrer Kamera häufig als »F2.8«, in anderen Zusammenhängen als »1:2,8« oder »ƒ/2,8«. Da die Blende ein Wert ist, durch den die Brennweite (ƒ) geteilt wird, um die Durchlassöffnung zu definieren, ist die Schreibweise als Bruch mit »/« sinnvoll. F als Kennzeichnung für den Blendenwert ist allerdings ebenfalls üblich. Ob Punkt oder Komma verwendet wird, liegt nur an der Herkunft: In Europa trennt man Nachkommastellen meist mit einem Komma ab, in englischsprachigen Ländern und Asien mit einem Punkt.

118  |  2  Objektive

dern auch die Schärfe, und sie ist ein wichtiges Gestaltungselement. Wenn Sie die Blende ein wenig schließen – der Fotograf spricht vom Abblenden –, wird nicht nur die Schärfentiefe größer (siehe Seite 188), sondern auch die Schärfe insgesamt, weil die Abbildungsfehler, die jeder Linse von Natur aus zu eigen sind, bei offener Blende am deutlichsten werden. Die Blende beschneidet also auch die Unschärfekreise, die von Fehlern in der Objektivkonstruktion herrühren. Wenn Sie zu weit abblenden, kommen Sie allerdings in den Bereich der Beugungsunschärfe (siehe auch Seite 196). Selbst bei minderwertigen Objektiven ist der Schärfegewinn zwischen Blende ƒ16 und ƒ22 geringer als die Zunahme an Beugungsunschärfe. Blende ƒ22 sollten Sie also nur in Ausnahmefällen verwenden, wenn Sie die maximale Schärfentiefe oder die langen Verschlusszeiten unbedingt benötigen. Der Blendenwert, bei dem durch ein weiteres Abblenden die Zunahme der Beugungsunschärfe die Abnahme der Abbildungsfehler übertreffen würde, wird kritische Blende genannt. Bei Objektiven, die für Vollformatsensoren ausgelegt sind, ist das meist zwischen ƒ5,6 und ƒ8 der Fall. Je besser das Objektiv ist, desto kleiner ist der kritische Blendenwert, desto weniger müssen Sie also die Blende schließen, um eine optimale Bildschärfe zu erhalten. In der Praxis sind die Abbildungsfehler in der Mitte und in den Ecken des Bildes unterschiedlich, sodass sich durch Abblenden in den Ecken noch eine

GG Abbildung 2.14 Diese beiden Aufnahmen unterscheiden sich nur in der verwendeten Blendenöffnung. Während links bei Offenblende die Fehler des alten Porst 55 mm/ƒ1,2 sehr deutlich zu sehen sind, ist der Bildausschnitt rechts bei Blende ƒ5,6 scharf.

Verbesserung ergibt, während das Bild in der Mitte schon wieder unschärfer wird. Wenn Sie ein Weitwinkelobjektiv auf Blende ƒ11 abblenden, werden Sie oft ein besseres Ergebnis erzielen, als wenn Sie eine Blende zwischen ƒ5,6 und ƒ8 verwenden. Außerdem blenden Sie das Objektiv auch deswegen ab, weil Sie eine hohe Schärfentiefe erreichen wollen. Irgendwann aber wird die höhere Schärfentiefe von der Beugungsunschärfe wieder »aufgefressen«, deswegen lassen sich moderne Objektive meist nicht weiter als bis ƒ22 oder ƒ16 abblenden. Beim Fotografieren im Nahbereich und bei einem Abbildungsmaßstab von 1 : 1 (das Motiv und seine Abbildung auf dem Sensor sind dann gleich groß) kämen Sie bei einem Makroobjektiv mit ƒ22 aber schon auf eine effektive Blende von ƒ45. Damit sind Sie dann eindeutig hinter der Grenze der Beugungsunschärfe, und Sie erhalten ein insgesamt weiches und leicht unscharfes Bild. Die Blende hat also vielfältige Einflussmöglichkeiten auf das fertige Bild. Um diese zum besseren Verständnis noch einmal zusammenzufassen, hier ein konkretes Beispiel. Wenn Sie ein 50-mm-Objektiv auf eine Entfernung von zwei Metern fokussieren und dann von Blende ƒ2 auf Blende ƒ4 abblenden, passiert Folgendes: EE Es wird nur noch ein Viertel des Lichts durchgelassen. Um dieselbe Belichtung zu erhalten, muss die Verschlusszeit viermal länger werden. Alternativ können Sie auch die ISO-Zahl vervierfachen. EE Die Abdunklung in den Bildecken (Vignettierung) verringert sich stark. EE Die Abbildungsqualität des Objektivs verbessert sich deutlich. EE Der Bereich der Schärfentiefe (Schärfeebene) reicht bei Blende ƒ2 von 1,91 m bis 2,10 m und vergrößert sich bei Blende ƒ4 auf 1,83 m bis 2,21 m. EE Die Unschärfekreise im Vorder- und Hintergrund halbieren ihre Größe. Grobe Details außerhalb der Schärfeebene sind so besser erkennbar. EE Die Beugungsunschärfe nimmt zwar zu, ist aber noch weit davon entfernt, die Bildqualität negativ zu beeinflussen. EE Das Streulicht innerhalb des Objektivs wird verringert.

Effektive Blende Die effektive Blende ist die Blende, die sich aus der eingestellten Blendenzahl und zusätzlichen Faktoren (etwa einem Verlängerungsfaktor durch starken Objektivauszug oder eine Verdopplung durch einen 2-fach-Konverter) als tatsächlich wirksame Blende ergibt. Zum Beispiel: 100 mm, ƒ2,8, im Maßstab 1 : 1 ergibt den Verlängerungsfaktor 4 (2 Blenden), also eine effektive Blende von ƒ5,6.

Lichtstärke Der Begriff der Lichtstärke bezeichnet die maximale Blendenöffnung eines Objektivs. Diese wird auch Anfangsblende oder Offenblende genannt. Je lichtstärker ein Objektiv ist, desto mehr des einfallenden Lichts wird bei Offenblende auf den Sensor gelangen. Mit einem Normalobjektiv mit Offenblende von ƒ1,4 kommen Sie bei ISO 3 200 und Kerzenlicht auf eine Verschlusszeit von etwa 1/30 s. Das ist eine Zeit, mit der Sie noch Porträts aus der freien Hand schießen können. Wenn Sie

2.1  Grundlagen  |  119

Anfangsblende am Objektiv Die größtmögliche Blende eines Objektivs finden Sie üblicherweise auf dem Objektiv vermerkt. Ein Objektiv mit einer Anfangsblende von beispielsweise ƒ1,4 ist dementsprechend als 1 : 1,4 gekennzeichnet.

stattdessen ein Zoomobjektiv mit einer Anfangsblende von ƒ4 verwenden, lässt das Objektiv nur ein Achtel des Lichts durch im Vergleich zu einem Objektiv, das Ihnen eine Blende ƒ1,4 erlaubt, sodass Sie für dieselbe Belichtung eine Verschlusszeit von 1/4 s benötigen. Damit können Sie zwar mit einem Bildstabilisator noch scharfe Bilder aufnehmen – wenn Ihr Gegenüber stillhält –, aber Ihre Möglichkeiten sind gegenüber der spontanen Arbeitsweise mit einem ƒ1,4-Objektiv enorm eingeschränkt. Eine hohe Lichtstärke hat noch einige weitere Vorteile: EE Das Sucherbild ist heller, weil mehr Licht auf die Mattscheibe fällt, denn beim Blick durch den Sucher sehen Sie das Bild immer bei Offenblende. Erst im Moment der Aufnahme schließt die Kamera die Blende auf den eingestellten Wert (Arbeitsblende). Elektronische Sucher profitieren bei schwachem Licht ebenfalls von hoher Lichtstärke, das Bild wirkt klarer durch weniger Rauschentfernung, Bewegungen werden manchmal flüssiger dargestellt, weil mehr Bilder pro Sekunde gezeigt werden können, denn manche Kameras verlängern die Verschlusszeit der Einzelbilder, wenn das Licht sonst nicht mehr ausreicht. EE Der Autofokus hat es leichter, die Schärfe zu bestimmen, die genaueren Kreuzsensoren arbeiten häufig nur bis Blende ƒ2,8 (siehe auch Kapitel 3, »Schärfe«, Seite 202). EE Die Schärfentiefe ist geringer, und so lassen sich Motive besser gegen einen unscharfen Hintergrund freistellen.

Abbildung 2.15 E Mit einem lichtstarken Objektiv können Sie auch bei schwachem Licht noch gut arbeiten.

200 mm | ƒ2,8 | 1/50 s | ISO 12 800 | Bildausschnitt

Allerdings haben Objektive mit hoher Lichtstärke auch einige Nachteile: EE Der Konstruktionsaufwand steigt, und ein lichtstarkes Objektiv ist schwerer und teurer als eines mit geringerer Lichtstärke. EE Bei Offenblende ist eine hohe Schärfe am Bildrand nur schwer zu erzielen. Neue und teure Objektive schaffen das allerdings.

120  |  2  Objektive

Wer mit einem Standard-Kit-Zoom angefangen hat und die Vorteile eines lichtstarken Objektivs nutzen möchte, kann dies mit einem 50-mm-Objektiv ƒ1,8 machen, die es bei vielen Herstellern schon für gut 100 € gibt.

Farbzeichnung Es ist keinesfalls selbstverständlich, dass eine Reihe unterschiedlicher Glaslinsen mit verschiedenen aufgedampften Metallschichten zur Reflexionsverminderung das Licht immer unverfärbt durchlässt. Selbst eine einzige Fensterglasscheibe färbt das Licht meist schon sichtbar grün. Die Hersteller achten sehr genau darauf, dass ihre Objektive das Licht möglichst farbneutral durchlassen und zueinander passen. Wenn Sie aber Objektive verschiedener Hersteller verwenden, kann es durchaus sein, dass sich die Bildergebnisse in der Farbe leicht unterscheiden. Ich besitze zum Beispiel ein Weitwinkelzoomobjektiv, das sich von meinen sonstigen Objektiven durch einen sichtbar wärmeren, gelblichen Farbton unterscheidet, alte Festbrennweiten, die z. T. deutlich kühl abbilden, oder radioaktive Thorium-Linsen, die sich mit den Jahren gelblich verfärbt haben. In der Digitalfotografie lässt sich das zum großen Teil am Computer ausgleichen, bei Diapositiven könnte sich der Effekt allerdings etwas störend bemerkbar machen. Eine schlechte Farbzeichnung komplett auszukorrigieren, ist fast nicht möglich.

HH Abbildung

2.16 Ein altes Normalobjektiv mit Offenblende ƒ1,2 wurde hier an eine Sony α7R III adaptiert. Die Schärfeleistung entspricht nicht den modernen Standards, aber das Bokeh ist sehr angenehm.

55 mm | ƒ1,2 | 1/125 s | ISO 100 | Porst Color Reflex MC Auto 55 mm/ ƒ1,2

Bokeh Das Wort Bokeh stammt aus dem Japanischen und ist ein Begriff für die subjektive Qualität der Unschärfe. Er sagt aus, wie schön die Bereiche abgebildet werden, die nicht im Schärfebereich liegen. Was im ersten Moment vielleicht nach Spinnerei klingt, ist für viele professionelle Fotografen eine Eigenschaft, die wichtiger als die tatsächliche Schärfeleistung eines Objektivs ist. Eine ganz leichte Unschärfe lässt sich durch Scharfzeichnen am Computer ausgleichen, ein schlechtes Bokeh zerstört ein Bild, ohne dass es Korrekturmöglichkeiten gibt. Das Bokeh hängt von der gesamten Objektivkonstruktion ab. Wichtig dabei ist die Form der Blende, die möglichst rund sein sollte. Ein Objektiv, das lediglich fünf Blendenlamellen verwendet, wird immer fünfeckige Unschärfeflecken erzeugen, sobald es etwas abgeblendet wird, und Sie werden so niemals ein perfektes Bokeh erhalten.

2.1  Grundlagen  |  121

Bei vielen – und gerade bei den etwas teureren – Objektiven ist ein schönes Bokeh ein erklärtes Konstruktionsziel. Im Bereich der Porträtbrennweiten (85 bis 135 mm) findet man der Anwendung entsprechend viele Objektive, die ein wirklich schönes Bokeh aufweisen. Für besonders lichtstarke Objektive ist es eine sehr wichtige Eigenschaft, weil sie bei Offenblende große Bildbereiche in der Unschärfe belassen. So gehören bei Canon das EF 85 mm/ ƒ1,2 und das EF 135 mm/ƒ2 sicher zu den Objektiven mit dem schönsten Bokeh. Die Festbrennweiten 85 mm/ƒ1,4 von Sigma, Sony, Nikon oder Zeiss könnte man genauso anführen. Objektive mit Porträtbrennweite und hoher Lichtstärke sind für einen Kundenkreis entworfen, der ein gutes Bokeh voraussetzt. Manche Zoomobjektive liefern ein sehr unruhiges, zu den Rändern der Unschärfekreise heller werdendes Bokeh. Das Bokeh anderer Objektive ist nur bei Offenblende wirklich schön, weil die Blende zu eckig wird, wenn sich die Lamellen schließen. Nehmen Sie die Unschärfe deshalb genauso ernst wie die Schärfe. Das Bokeh ist per definitionem subjektiv. Welches Objektiv Sie in diesem Bereich als am besten empfinden, wird also immer eine persönliche Entscheidung bleiben.

Bokeh für Fortgeschrittene Wer sich umfassend und auf hohem Niveau mit dem Thema Bokeh auseinandersetzen möchte, findet im Download-Bereich im Ordner Dokumente/Zeiss ein PDF dazu. Sie finden dort auch einen Ordner Bokehvergleich, in dem sich Testaufnahmen verschiedener alter und neuer Objektive befinden. GG Abbildung 2.17 Ein schönes Bokeh erschafft weiche und ruhige Hintergründe, Unschärfe bekommt eine eigene ästhetische Qualität. Das Beispiel wurde mit einem Canon EF 35 mm/ƒ1,4 bei Offenblende aufgenommen.

35 mm | ƒ1,4 | 1/40 s | ISO 1 600

122  |  2  Objektive

2.2  Abbildungsfehler In einer perfekten Welt würde eine Linse eine punktscharfe Abbildung erzeugen, und jede Farbe würde im gleichen Maße von einer Linse gebrochen. In dieser Welt gäbe es aber auch keine Regenbögen, und das Licht hätte von morgens bis abends die gleiche Farbe. Der Himmel wäre immer grau, und Fotografie würde keinen Spaß machen. Zum Glück sind die Realität und damit auch die Abbildungsgesetze viel komplizierter, und so müssen sich Objektivkonstrukteure mit einer Vielzahl von Fehlern herumschlagen und mehr oder weniger umfänglich

Korrekturlinsen verwenden. Wegen der Abbildungsfehler besteht ein Objektiv stets aus mehreren hintereinanderliegenden Linsen. Die technische Entwicklung hat inzwischen Objektive hervorgebracht, die oft der Grenze des physikalisch Möglichen nahekommen. Viele der verbleibenden Abbildungsfehler lassen sich auch nachträglich in der Kamera oder am Computer beheben. Es hilft aber, diese Fehler zu kennen, um schnell zu einer Qualitätseinschätzung eines Objektivs kommen zu können oder diese Fehler am Computer bestmöglich zu korrigieren, falls für eine starke Vergrößerung einmal Perfektion gefordert ist.

Schärfefehler: sphärische Aberration und Koma Eine Linse, die aus zwei Kugeloberflächen gebildet wird, bündelt das Licht nicht in einem Punkt. Die außen liegenden Strahlen werden dafür zu stark gebrochen und werden vor dem Brennpunkt abgebildet. Im Ergebnis sind die Punkte im Bild unscharf, weil sich die unterschiedlichen Strahlen zu einem Kreis überlagern, statt einen scharfen Punkt zu erzeugen. Dieser Effekt nennt sich sphärische Aberration. Bei Objektiven versucht man, diese durch Mehrlinsenkonstruktionen zu vermindern. Bei hochwertigen Konstruktionen werden oft Linsen verbaut, die nach außen flacher geschliffen wurden, sogenannte asphärische Linsen.

Sphärische Aberration

GG Abbildung 2.18 Sphärische Aberration: Mit einer einzelnen sphärischen Linse werden selbst Lichtstrahlen gleicher Farbe nicht in einem gemeinsamen Brennpunkt gebündelt.

2.2  Abbildungsfehler  |  123

Wenn die Strahlen schräg parallel auf eine Linse auftreffen, werden sie je nach Neigung der Linse unterschiedlich stark abgelenkt. Im Ergebnis verformt sich ein Punkt außerhalb der Bildmitte schweifförmig. Dieser Effekt heißt Koma. Abbildung 2.19 E Zum Bildrand hin wird die Koma immer stärker und resultiert in nach außen verwischenden Punkten.

Bild

Koma

GG Abbildung

2.20 Punktförmige Lichtquellen in den Bildecken lassen die Koma besonders deutlich werden. Dieses Bild ist ein kleiner Ausschnitt einer Feuerwerksaufnahme mit einem 50-mm-Objektiv bei Blende ƒ1,4.

1

Beide Effekte lassen sich durch Abblenden verringern, weshalb die Abbildungsleistung jedes Objektivs steigt, wenn man es zwei bis drei Stufen abblendet. Durch aufwendigere Objektivkonstruktionen lassen sich die Effekte ebenfalls minimieren, sodass gute Objektive auch bei Offenblende sehr scharf sind.

Bildfeldwölbung Wenn ein flaches Motiv auf der Sensorseite nicht auf einer Ebene scharf abgebildet wird, sondern die Schärfezone durchgebogen erscheint, spricht man von Bildfeldwölbung. Dadurch können Sie zwar auf jeden Punkt der Motivebene scharfstellen, aber nicht auf alle gleichzeitig. Wenn Sie auf die Ecke scharfstellen, wird die Mitte unscharf und umgekehrt. Das lässt sich in der Objektivkonstruktion natürlich auch korrigieren, es hat allerdings auch schon Labortests mit gekrümmten Sensoren gegeben. Vielleicht werden diese bei Smartphones auch bald in der Praxis eingesetzt werden. 2 FF Abbildung 2.21 Das Motiv 1 wird durch die Bildfeldwölbung nicht auf eine flache Schärfeebene projiziert, sondern auf eine gebogene 3 . Deshalb ist hier das Bild auf dem Sensor 2 nur in der Mitte scharf.

3 124  |  2  Objektive

Dezentrierung Auch die Anforderungen an die mechanische Genauigkeit sind im Objektivbau sehr hoch. Sobald eine Linsengruppe leicht gekippt oder verschoben im Objektiv sitzt, nimmt die Schärfe zu einer Seite des Bildes hin ab. So eine Dezentrierung kann sich auch erst nach längerem Gebrauch eines Objektivs einstellen, weil z. B. der Zoomkäfig ausgeschlagen oder ausgeleiert ist. Der Zoomkäfig sorgt dafür, dass sich der Abstand der Linsengruppen zueinander beim Drehen am Zoomring verändert. Wenn er ausschlägt, sitzen die einzelnen Linsengruppen etwas locker, und je nach Position ergeben sich mehr oder weniger große Unschärfen. Bei teureren Objektiven lohnt sich eine Reparatur, bei günstigen ist es eher eine gute Gelegenheit, etwas Besseres zu erwerben. Wenn Sie die mechanische Belastung Ihrer Zoomobjektive verringern wollen, können Sie sie vor dem Transport in den kürzesten Auszug stellen, so bleibt der Hebel bei Erschütterungen klein. Manche Objektive lassen sich in dieser Position auch arretieren.

Farbfehler: chromatische Aberration (CA)

HH Abbildung

2.22 Chromatische Aberrationen zeigen sich besonders in den Bildecken meist als blaugrüne oder grüne und magentafarbene Farbsäume. Manchmal sind sie auch blau und gelb. Dieser Effekt wird auch als Farbquerfehler bezeichnet.

Eine einfache Glaslinse bricht das Licht umso stärker, je kürzer die Wellenlänge des Lichts ist – das heißt, blaues Licht wird weiter abgelenkt als rotes –, und so kommen die einzelnen Spektralfarben nicht auf einem Punkt zusammen. Beim Objektivbau gibt es Methoden, dieses Problem zu umgehen: der Einsatz von niedrigbrechenden Glassorten, Fluorit-Linsen oder Linsenkombinationen mit unterschiedlicher Brechkraft, die ihre Abbildungsfehler gegenseitig ausgleichen. Canon setzt z. B. beim EF 35 mm/ƒ1,4L USM II ein dünnes organisches optisches Element (»BR Optics« genannt) ein, das nur dafür da ist, blaues Licht zu brechen und damit die chromatische Aberration zu minimieren. Objektive, die es schaffen, die drei Grundfarben Rot, Grün und Blau exakt übereinander abzubilden, werden als Apochromat bezeichnet.

FF Abbildung

2.23 Eine Glaslinse bricht das Licht wie ein Prisma in seine Spektralfarben. Damit daraus im Bild keine Farbsäume entstehen, muss bei der Objektivkonstruktion ein großer Korrekturaufwand betrieben werden. Dennoch bleiben bei manchen Objektiven sichtbare chromatische Aberrationen übrig.

2.2  Abbildungsfehler  |  125

GG Abbildung 2.24 Mit dem Objektivkorrekturfilter von Photoshop wurde eine künstliche, starke chromatische Aberration erzeugt. Sie sehen, dass das rote Teilbild zu klein ist. Würde man es so weit vergrößern, dass es über den cyanfarbenen Quadraten läge, wäre die chromatische Aberration korrigiert und das Bild schärfer. Chromatische Aberration resultiert aus der unterschiedlichen Vergrößerung der einzelnen Farbbestandteile und lässt sich deswegen auch relativ gut beheben.

Abbildung 2.25 E Hier wurde schräg auf ein Schachbrettmuster fotografiert, um auf LoCA zu testen. Die grün-magentafarbenen Abweichungen sind bei diesem lichtstarken 35-mm-Objektiv sehr deutlich zu sehen.

Chromatische Aberrationen lassen sich aus einem Digitalbild wieder herausrechnen, denn die Farbanteile für Rot, Grün und Blau werden in einem RGB-Bild getrennt gespeichert – und diese einzelnen Farbkanäle lassen sich geometrisch korrigieren. Vor allem der Rot-Kanal muss etwas vergrößert werden, damit die Farbsäume nicht mehr sichtbar sind. Dabei bleibt nur wenig von der Unschärfe übrig. Raw-Konverter, die die Objektiveigenschaften hinterlegt haben oder die chromatische Aberration rechnerisch erkennen, können das auch automatisiert erledigen. Die meisten Systemkameras können die chromatische Aberration für bestimmte herstellereigene Objektive für das JPEG-Format oder die Videoaufzeichnung automatisch korrigieren.

Farblängsfehler (LoCA) Die chromatische Aberration hat noch einen weniger bekannten Bruder, die Longitudinale Chromatische Aberration (LoCA). Sie kennen die magenta-grünen Kanten an kontrastreichen Bildbereichen, wie zum Beispiel bei Ästen gegen den Himmel gerichtet. Selbst wenn sie gut auskorrigiert sind, heißt das noch nicht, dass sich die Farben in der Unschärfe genauso gut treffen. In der Tiefe außerhalb der Schärfe kann es zu Farbfehlern kommen, gegen die auch eine Bildbearbeitungssoftware noch nicht viel ausrichten kann. Es gibt z. B. in Adobe Photoshop Lightroom zwar eine Funktion, die die LoCa beheben soll, aber sie entfärbt nur die entsprechenden Bildbereiche. Die LoCA ist ein verhältnismäßig unbekannter Bildfehler, der sich aber mit unscharf gestellten schwarz-weißen Mustern sehr leicht überprüfen lässt. Wenn diese nicht neutral bleiben, sondern an den Kanten weich ins Magenta und Grün (oder Blau und Gelb) gehen, ist die LoCA »überführt«.

Purple Fringing Eine spezielle Form der chromatischen Aberration ist das sogenannte Purple Fringing. Dieses findet man auch in der Schärfezone in der Bildmitte, wo man die beiden anderen Varianten nicht antrifft. Dunkle Bereiche in hellem Umfeld werden dabei von magentafarbenen Überstrahlungen aufgehellt. Dieser Bildfehler

126  |  2  Objektive

rührt daher, dass kurzwelliges Licht, zum Teil sogar aus dem UV-Bereich, nicht deckungsgleich mit den anderen Wellenlängen gebrochen wird. Ein unscharfes violettes oder magentafarbenes Bild überdeckt dann das scharfe Bild der anderen Wellenbereiche. Besonders bei sehr lichtstarken Objektiven lässt sich der Effekt häufiger beobachten. Verhindern lässt er sich dann nur durch stärkeres Abblenden oder deutlich verringern durch die Pipette der Objektivkorrektur von Lightroom. 1

F G  Abbildung

2.26 Im Bildausschnitt links sind die violetten Farbsäume deutlich zu erkennen, das Bild rechts wurde mit der Pipette 1 der Objektivkorrektur in Lightroom korrigiert.

Reflexionen Wenn Licht durch eine Glasscheibe fällt, wird immer ein bestimmter Teil reflektiert. Bei einem Objektiv ist es nicht anders, mit dem Unterschied, dass dort oft über zwanzig Glasflächen Reflexionsmöglichkeiten bieten. Ohne Gegenmaßnahmen wäre ein großer Teil des Lichts, das auf dem Sensor ankommt, Streulicht von verschiedenen Reflexionen. Außerdem würde diffuses Licht von den Innenseiten des Objektivs gestreut werden. Das Bild würde weich und matschig, Details in den Schatten wären überlagert. Die Objektivhersteller bedampfen deswegen die Linsen mit mikroskopisch dünnen Schichten, innerhalb derer sich die Reflexionen selbst auslöschen. Dieser Vorgang wird als Vergütung bezeichnet. So wird nur noch ein kleiner Teil des Lichts reflektiert, und dieser hat dann eine bestimmte Farbe, weil die Beschichtung einen bestimmten Farbbereich stärker reflektiert. Die Linsen werden aber unterschiedlich bedampft, sodass sich die Farben der Reflexionen von Linse zu Linse ändern. Das hat den großen Vorteil, dass zum Beispiel eine gelb eingefärbte Reflexion von einer anderen Linse, die eher blaues Licht zurückwirft, gar nicht reflektiert wird. Deswegen sehen die Lichtreflexionen einer weißen Lichtquelle

GG Abbildung

2.27 Das weiße Blitzlicht wird von den Linsen des Telezoomobjektivs in verschiedenen Farben zurückgespiegelt. Die Gesamtreflexionen sind sehr viel geringer als bei unvergüteten Objektiven, die heute allerdings gar nicht mehr hergestellt werden.

2.2  Abbildungsfehler  |  127

beim Blick in das Objektiv bunt aus. Das Licht wird dabei nicht ausgelöscht, sondern geht zum allergrößten Teil durch das Glas und landet auf dem Sensor. Vergütete Objektive sind also lichtdurchlässiger als unvergütete. Objektivkonstrukteure können mit der Vergütung auch die Farbzeichnung eines Objektivs (siehe Seite 121) feinabstimmen. Heute werden praktisch alle Objektive mehrfach vergütet, sodass dies in der Bezeichnung der Objektive gar nicht mehr gesondert Erwähnung findet. Wenn Sie einen Filter kaufen, sieht das schon anders aus. Hier finden Sie bei den Filtern, die Sie sinnvollerweise verwenden sollten, das Kürzel MC, das für englisch multi-coated (= »mehrfach vergütet«) steht.

Streulicht

GG Abbildung 2.28 Die Streulichtblende am 50 mm/ ƒ1,4 Art von Sigma. Die unregelmäßige Form ergibt sich daher, dass das Licht, das nicht direkt auf den rechteckigen Sensor fallen würde, abgeschirmt werden soll.

Abbildung 2.29 E Die Lichtreflexionen im Objektiv verstärken die Atmosphäre des Sommerabends und färben das Bild warm. Streulicht hat auch einen gestalterischen Nutzen.

70 mm | ƒ2,8 | 1/1250 s | ISO 125

128  |  2  Objektive

Trotz aller Vergütung ist es sinnvoll, in das Objektiv möglichst nur das Licht hineinzulassen, das auch für das Foto gebraucht wird. Dafür steckt man vorn auf das Objektiv eine Streulichtblende, die die Bereiche außerhalb des Bildwinkels abschattet. So kann von vornherein weniger des schräg einfallenden Lichts in das Objektiv gelangen, und die Reflexionen sowie die Gefahr der Kontrastminderung werden reduziert. Im Gegensatz zu einem UV-Filter (siehe Seite 170) gehört eine Streulichtblende praktisch vor jedes Objektiv. Ausgenommen sind nur die Objektive, die durch ihre Konstruktion bereits eine Streulichtblende haben. Ich besitze zum Beispiel ein Makroobjektiv, dessen Frontlinse gegen den Objektivtubus um vier Zentimeter zurückgesetzt ist. Ein Fisheye mit einem Bildwinkel von 180° benötigt natürlich auch keine Streulichtblende, da sämtliches einfallende Licht dafür bestimmt ist, auf den Sensor zu gelangen. Eine Streulichtblende würde hier einen Tunnelblick erzeugen.

FF Abbildung

2.30 Wenn Sie gegen die Sonne fotografieren, lassen sich Reflexionen im Objektiv kaum vermeiden. Sie können sie durch Abblenden verringern, aber oft erlaubt auch eine geringe Änderung der Perspektive, die Sonnenscheibe durch einen Baumstamm oder wie hier durch ein Vordach zu verdecken.

Streulicht kann auch hinter dem Objektiv zu Problemen führen. Ich besitze mehrere Objektiv-Adapter, die flach einfallendes Licht leicht glänzend zurückwerfen. Das führt zu deutlich sichtbarem Streulicht auf dem Bild. Sie können dann entweder einen besseren Adapter kaufen, den Adapter innen mit Mattlack lackieren oder eine matte Samtfolie einkleben.

Vignettierung Lichtstrahlen, die schräg ins Objektiv einfallen, werden bei offener Blende weniger gut durchgelassen als solche, die gerade durchgehen. Wenn Sie direkt von vorn auf ein Objektiv blicken, sehen Sie einen Kreis als Öffnung. Blicken Sie dagegen schräg darauf, sehen Sie nur eine kleinere Fläche aus zwei Kreisbögen. Das Objektiv schattet sich sozusagen selbst ab.

Vignette herausrechnen Viele Kameras können die Vignettierung bei der JPEG-Erzeugung herausrechnen. Eine Vignettierung kann auch gewollt sein, weil sie die Aufmerksamkeit auf die Bildmitte lenkt und die Atmosphäre des Bildes verstärken kann.

FF Abbildung

2.31 Links: Schräg einfallenden Strahlen bietet das Objektiv weniger Durchlassöffnung, die Bildecken werden somit dunkler als die Bild­mitte – das Objektiv vignettiert. Rechts: Lichtstrahlen, die gerade durch das Objektiv fallen, nutzen die volle Kreisöffnung.

2.2  Abbildungsfehler  |  129

GG Abbildung 2.32 In diesem Bild (links) ist die Randabdunklung oder Vignettierung deutlich zu sehen. Das Vergleichsbild (rechts) habe ich in Lightroom mit den Profilkorrekturen behandelt und die Vignettierung herausgerechnet.

50 mm | ƒ1,8 | 1/3200 s | ISO 200

GG Abbildung 2.33 Ein Centerfilter ist in der Mitte dunkler als am Rand und gleicht so die ­Vignettierung aus. Bei Digitalkameras ist die Verwendung allerdings eher unüblich, denn die Vignettierung kann digital recht gut ausgeglichen werden.

130  |  2  Objektive

Aus diesem einfachen geometrischen Grund kommt in den Bildecken weniger Licht an als in der Mitte. Diesen Effekt nennt man Vignettierung. Zudem kann ein Sensor – anders als ein Film – schräg einfallende Strahlen schlechter nutzen als gerade einfallende. Die digitale Kamera verstärkt diesen Effekt also noch. Im Extremfall beträgt der Unterschied gute zwei Blenden, sodass die Bildecken mehr als viermal dunkler sind als die Mitte. Dieser Effekt lässt sich allerdings deutlich verringern, indem Sie die Blende um zwei Stufen schließen, also zum Beispiel mit Blende ƒ5,6 statt Blende ƒ2,8 fotografieren. Jetzt müssen die Strahlen nur noch durch die Mitte des Objektivs, und dieser Bereich ist von der Abschattung nicht oder nur noch sehr wenig betroffen. Eine leichte Randabdunklung bleibt trotzdem erhalten, weil die Lichtstrahlen, die gerade einfallen, durch einen Kreis gehen, die schräg einfallenden aber durch eine kleinere Ellipse (das ist die sogenannte natürliche Vignettierung). Die natürliche Vignettierung ist umso stärker, je weitwinkliger das Objektiv ist. In der analogen Fotografie wird diese natürliche Vignettierung manchmal mit einem Centerfilter ausgeglichen, der in der Mitte dunkler ist als am Rand. Sie müssen dann etwas überbelichten, damit die Vignettierung am Bildrand und die Filterabdunklung in der Bildmitte kompensiert werden. Das Ergebnis ist ein Bild mit annähernd gleichmäßiger Helligkeitsverteilung von der Mitte bis zum Rand.

Verzeichnung Von einem Fisheye-Objektiv einmal abgesehen, soll jedes Objektiv gerade Linien auch gerade abbilden. In der Praxis ist das leider oft nicht der Fall, sodass insbesondere Linien am Bildrand gebogen erscheinen. Der Grund hierfür ist, dass der Vergrößerungsmaßstab abhängig vom Abstand zum Bildmittelpunkt

leicht schwankt. Dieser Effekt wird Verzeichnung genannt und kommt besonders bei Zoomobjektiven und Weitwinkelobjektiven vor. Man unterscheidet drei Arten der Verzeichnung: EE Tonnenförmig: Die Linien erscheinen nach außen gewölbt 1 . EE Kissenförmig: Die Linien erscheinen nach innen gewölbt 2 . EE Wellenförmig: Die Linien erscheinen abwechselnd nach außen und innen gewölbt 3 . Die tonnenförmige und die kissenförmige Verzeichnung lassen sich in der Bildbearbeitung auch händisch korrigieren, die wellenförmige aber nur mit speziellen Objektivprofilen. Diese können Sie allerdings mit überschaubarem Aufwand selbst erstellen (siehe Seite 648). Viele Motive besitzen gar keine geraden Linien, sodass die Verzeichnung für den Bildeindruck oft unwichtig ist. Bei Architekturaufnahmen oder anderen Aufnahmen mit deutlichen geraden Linien aber ist das anders, und die Verzeichnung sollte korrigiert werden. Dies ist auf Dauer lästig, und es lohnt sich, bereits bei der Objektivauswahl auf die Verzeichnung zu achten. In den technischen Daten jedes Objektivs wird die Verzeichnung in Prozent angegeben. Verzeichnungswerte von unter 0,5 % werden kaum wahrgenommen, 3 % Verzeichnung dagegen sind schon deutlich sichtbar. Die Beispielgrafiken 1 und 2 wurden mit 10 % Verzeichnung erstellt; für Beispielgrafik 3 lässt sich natürlich kein konstanter Wert angeben.

1

2

3

GG Abbildung

2.34 Links: Der Betonträger oben und die weißen Markierungen unten wirken in dieser Aufnahme leicht verbogen. Die tonnenförmige Verzeichnung des Objektivs biegt ihn zur Bildmitte hin nach außen. Rechts: Das gleiche Bild mit den Objektivkorrekturen aus Lightroom. Gerade Linien werden nun wieder gerade wiedergegeben.

2.2  Abbildungsfehler  |  131

Objektivfehler in der Nachbearbeitung herausrechnen Bestimmte Objektivfehler, wie die chromatische Aberration oder eine Vignettierung, können heute schon in den meisten Digitalkameras direkt herausgerechnet werden. Andere, wie eine Verzeichnung oder ein Randabfall der Schärfe, können weitgehend im Raw-Konverter oder im Bildbearbeitungsprogramm kompensiert werden. Auch Adobe Photoshop Lightroom kann Verzeichnung, Vignettierung und chromatische

Aberration aus einem Bild entfernen. Falls Ihr Objektiv in Lightroom oder Photoshop nicht unterstützt werden sollte, können Sie mit dem Adobe Lens Profile Creator, den Sie auf der Seite labs.adobe.com herunterladen können, eigene Profile für Ihr Objektiv erstellen. Die weitestgehende Korrektur von Objektivschwächen bietet DxO Photo Lab, das sogar den Schärfeabfall der Objektive zum Rand hin kompensiert.

FF Abbildung 2.36 Die chromatische Aberration lässt sich in Lightroom gut herausrechnen. Dunkle Kanten vor hellem Himmel sind besonders kritische Bereiche.

GG Abbildung 2.35 In diesem Bildausschnitt ist die chromatische Aberration vor der Lightroom-Korrektur gut zu sehen.

2.3  Objektivgüte einschätzen Die Qualität eines Objektivs lässt sich schon anhand der von den Herstellern angebotenen Informationen einschätzen, besonders MTF-Kurven sind sehr nützlich. Noch besser ist es natürlich, wenn Sie ein Objektiv selbst testen können.

MTF-Kurven

MTF-Kurven Wenn Sie sich mit dem Thema MTF-Kurven detaillierter beschäftigen möchten, finden Sie dazu im Download-Bereich des Buchs zwei PDFs von Hubert Nasse von Zeiss (Ordner Dokumente/Zeiss).

132  |  2  Objektive

Um die optische Qualität eines Objektivs abzubilden, reicht ein einziger Zahlenwert nicht aus, denn die Abbildungsqualität variiert mit der eingestellten Blende und über die Sensorfläche. Deswegen haben sich zur Bewertung sogenannte MTF-Kurven verbreitet. MTF steht für Modulation Transfer Function, was man mit »Kontrastübertragungsfunktion« übersetzen kann. MTF-Kurven fassen die Schärfeleistung eines Objektivs zusammen. So müssen die Hersteller nicht etliche Testbilder pro Blende und Sensorbereich veröffentlichen, sondern können eine klare Grafik, die alles Wesentliche enthält, anbieten.

MTF-Kurven zu erstellen, setzt spezielle Messtechnik voraus – das ist nichts, was Sie normalerweise zu Hause erarbeiten könnten. Sie sollten sie allerdings lesen können, weil sie zu den besten Informationen gehören, die über die Objektivqualität veröffentlicht werden. Für die MTF-Kurve misst man den Kontrast, der von einem schwarz-weißen Streifenmuster übrig bleibt. Dieses Muster wird einmal zur Bildmitte zeigend angeordnet (sagittal) und einmal quer dazu (tangential) aufgenommen. Die Streifen sind dabei unterschiedlich dicht angeordnet, um die Auflösung zu testen. Viele Hersteller veröffentlichen die Kurven, die die Objektivkonstruktionssoftware berechnet hat. Da die Fertigungsprozesse der Objektive in den letzten Jahren sehr viel exakter geworden sind, stimmen die Kurven der Software mit den gemessenen Kurven aber meist sehr gut überein.

Lp/mm Ein Linienpaar (lp) besteht aus einer schwarzen und einer weißen Linie nebeneinander. 10 Linienpaare benötigen also mindestens 20 Pixel, um sie abbilden zu können.

FF Abbildung

2.37 Muster für die MTF-Kurvenerstellung: Von links nach rechts sinkt die Auflösung, und der darstellbare Kontrast nimmt zu. Je besser ein Objektiv abbilden kann, desto kontrastreicher werden auch feine Strukturen dargestellt. Das Testbild ist ein Ausschnitt vom Bildrand bei Offenblende.

Schärfe ist eine Kombination aus Auflösung und Kontrast. Der erzielbare Kontrast sinkt, je feiner die aufzulösenden Strukturen sind. Deswegen wird der Kontrast für unterschiedliche Auflösungsstufen gemessen. Die grobe Auflösung von 10 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) sagt etwas über die Bildqualität bei verkleinerter Darstellung am Bildschirm aus, die feine Auflösung von 40 lp/mm über die Vergrößerbarkeit und Detailzeichnung feinster Strukturen im Bild.

FF Abbildung 2.38 Hier wurde das gleiche Testbild in der Bildmitte positioniert, und es wurde um zwei Blendenstufen abgeblendet. Bei gleicher Auflösung ist der Kontrast deutlich besser.

2.3  Objektivgüte einschätzen  |  133

Blendenzahl K In diesem Buch wird die Blende verkürzt mit z. B. ƒ2,8 angegeben, weil das eine sehr gebräuchliche Schreibweise ist. Ganz korrekt müsste es ƒ/2,8 heißen, oder so wie Zeiss es in diesen Grafiken macht: K = 2,8. K ist der Wert für die Blendenzahl und der Kehrwert der Blende ƒ. Die Blende ƒ ist ausgeschrieben 1/2,8, der Blendenwert dann K = 2,8.

Abbildung 2.39 E Die einzelnen Kurven repräsentieren den Kontrast von oben nach unten bei 10 lp/mm, 20 lp/mm und 40 lp/mm. Links 1 sind die Kurven für die Offenblende ƒ2, rechts 2 die für Blende ƒ4 zu sehen. Der Kontrast ist von der Bildmitte (links) bis in die Bildecken (rechts) sehr hoch. Selbst bei Offenblende ist das Ergebnis nahezu perfekt. (Bild: Zeiss)

Beispiele für MTF-Kurven | Idealerweise liefert ein Objektiv auch bei feinen

Auflösungen einen hohen Kontrast – und das von der Bildmitte bis in die Ecke. Solche Objektive gibt es tatsächlich, zum Beispiel das Milvus 2/100M von Carl Zeiss. Hier verspricht die MTF-Kurve ein wirklich großartiges Objektiv (siehe Abbildung 2.39). Und woran erkennen Sie das? MTF In diesem Beispiel einer typischen [%], Blendenzahl: k = 2,0 MTF-Kurve wird der erreichte Kontrast in 100 Prozent von unten nach oben eingezeichnet. Von links nach rechts ist der Abstand zur Bildmitte in Millimetern an80 gegeben. Bei einem Sensorformat von 24 × 36 mm ist die Bildecke 21,6 mm von 60 der Bildmitte entfernt. Bei einer APS-C-Kamera mit einem Cropfaktor von 1,5 40 braucht Sie die MTF-Kurve eines für Vollformatsensoren gerechneten Objektivs 20 also nur bis zur Marke 14,4 mm zu interessieren. Alles andere läge ohnehin außerhalb des Sensors und wäre nur interessant, wenn Sie später einmal auf eine 0 0 5 10 15 20 u [mm] Kamera mit Vollformatsensor umsteigen möchten. sagittal tangential

1

2

MTF [%], Blendenzahl: k = 2,0

MTF [%], Blendenzahl: k = 4,0

100

100

80

80

60

60

40

40

20

20

0

0

5 sagittal

10

15 tangential

20

u [mm]

0

0

5 sagittal

10

15

20

u [mm]

tangential

MTF [%], Blendenzahl: k = 4,0

Die 100 insgesamt sechs Kurven ergeben sich aus den drei Auflösungen von 10, 20 und 40 lp/mm und den beiden Messformen mit tangentialem (quer zum Radius) 80 und sagittalem (längs zum Radius) Streifenmuster. Je weiter oben diese Kurven 60 liegen (je höher also der Kontrast ist), desto besser ist das Objektiv. 40 Aber MTF-Kurven können natürlich auch ganz anders aussehen (siehe Abbil20 dung 2.40). In diesem zweiten Beispiel eines Weitwinkelzoomobjektivs können wir0 einiges über die Abbildungseigenschaften des Objektivs herauslesen: 0 5 10 15 20 u [mm] EE In der Mitte Objektiv bereits bei Offenblende recht gut. Zum Rand hin sagittal ist das tangential lässt es deutlich nach, was sich aber durch Abblenden stark verbessern lässt. EE Die Unschärfe ist für die tangentialen Muster stärker (blaue Linien). Das heißt, die Schärfe verwischt nach außen hin etwas, und die Koma zeigt vom Mittelpunkt weg. EE Für 40 lp/mm benötigt man mindestens 80 Pixel pro Millimeter. Wenn man diese mit der Sensorgröße von 24 × 36 mm multipliziert, kommt man auf eine Auflösung von 1 920 × 2 880 Pixeln. Bei dieser Auflösung wird selbst in der

134  |  2  Objektive

EE

Ecke noch jedes Linienpaar abgebildet, wenn auch etwas weich. Abblenden macht die Schärfeleistung deutlich besser, und es ist anzunehmen, dass die Qualität in den Ecken bei stärkerer Abblendung noch steigt.

Blendenzahl: T (%)

k = 2,8

f = 24 mm

Blendenzahl: T (%)

100

100

80

80

60

60

40

40

Bei der Interpretation der MTF-Kurven 20 müssen Sie immer auch bedenken, wofür ein bestimmtes Objektiv einge0 0 5 10 15 20 setzt werden soll: Weitwinkelzoomu (mm) objektive bei Offenblende werden typischerweise dafür verwendet, eine Person in einem Innenraum aufzunehmen. Die Person ist meist leicht aus der Mitte heraus angeordnet, und der Hintergrund liegt nicht mehr in der Schärfeebene. Es ist dann also völlig egal, wie hoch der Kontrast dort wäre, weil die Ecken nicht scharf sein müssen. Bei Architekturaufnahmen sieht das natürlich anders aus, aber hier würde das Objektiv ohnehin eher mit einer Blende ƒ11 vom Stativ aus verwendet. Bei Weitwinkelzoomobjektiven können Sie mittels Abblenden oft eine deutliche Qualitätssteigerung erzielen.

k = 5,6

f = 24 mm

20

0 0

5

10

15

20 u (mm)

GG Abbildung

2.40 Auf den ersten Blick sieht diese MTF-Kurve eines älteren Objektivs 17–35 mm/ƒ2,8 bei 24 mm Brennweite viel schlechter aus als das vorige Beispiel. Genauer betrachtet sieht man aber, dass die Schärfe bei Blende ƒ5,6 bis zu den Bildrändern gut ist und nur in den Ecken sichtbar abfällt.

Objektive testen Wenn Sie selbst Hand an ein Objektiv legen können, können Sie mit einigen einfachen Tests herausfinden, ob das Objektiv Ihren Qualitätsanforderungen entspricht.

Schritt für Schritt: Objektive selbst testen Wenn Sie im Fotohandel ein interessantes Objektiv unter den Gebrauchtgeräten sehen, können Sie mit wenigen Schritten überprüfen, ob sich das Mitnehmen lohnt. Einige der Punkte gelten natürlich auch für Neuware.

1  Mechanische Überprüfung Nehmen Sie das Objektiv, und schütteln Sie es sanft. Es darf höchstens leise klacken, aber nicht klappern, denn die Linsen müssen fest geführt werden, um eine hohe optische Qualität liefern zu können. Drehen Sie den Entfernungsring und

2.3  Objektivgüte einschätzen  |  135

gegebenenfalls den Zoomring. Hier darf nichts knirschen oder haken, der Gang darf aber auch nicht zu locker sein, damit sich später nichts von allein verstellt.

2  Sichtüberprüfung

GG Abbildung

2.41 Bei der Durchsicht zeigt sich, dass sich Teile der Beschichtung im Inneren der Linsen niedergelassen haben. In so einem Fall sollten Sie überprüfen, ob sich diese bei einem Foto mit geschlossener Blende oder bei einem mit einer unscharf gestellten punktförmigen Lichtquelle im Bild sichtbar machen lassen. In diesem Beispiel war das nicht der Fall, das Objektiv ist in der Praxis also noch sehr gut zu verwenden.

Nehmen Sie beide Objektivschutzdeckel ab. Schauen Sie sich die Front- und die Hinterlinse auf Kratzer hin an. Blicken Sie durch das Objektiv auf eine helle Fläche, und überprüfen Sie, ob Staub oder Teile der Beschichtung des Objektivtubus auf den inneren Linsen liegen. Ein kleines bisschen Staub ist dabei nicht kritisch. Halten Sie das Objektiv so, dass das Licht von vorn einfällt, und überprüfen Sie, ob Sie milchige Flecken finden oder Flecken, die so aussehen, als wäre eine Flüssigkeit auf einer der inneren Linsen getrocknet. Hierbei kann es sich um einen Pilz auf der Beschichtung handeln. Das Objektiv sollten Sie dann auf keinen Fall kaufen (es sei denn, es ist alt und sie möchten es unbedingt haben oder können es selbst reinigen), denn es müsste erst professionell gereinigt werden, und eventuell ist sogar die Linsenbeschichtung schon angefressen. Überprüfen Sie auch, ob das Objektiv Dellen hat, die auf einen Schaden durch Herunterfallen hinweisen könnten. Noch besser können Sie den Zustand der Linsen überprüfen, indem Sie mit einer kleinen Taschenlampe leicht schräg von hinten durch das Objektiv leuchten, sodass Sie sich nicht selbst mit dem Licht blenden.

3  An der Kamera Idealerweise haben Sie Ihre eigene Kamera dabei, ansonsten lassen Sie sich vom Händler ein gleiches oder möglichst ähnliches Modell geben. Erscheinen Fehlermeldungen? Falls ja, so ist häufig die Software des Objektivs zu alt und nicht kompatibel mit der Kamera. Das ist bei älteren Objektiven von Fremdherstellern manchmal der Fall. Schauen Sie von vorn durch das Objektiv, und betätigen Sie bei verschiedenen Blendeneinstellungen die Abblendtaste (oder, falls nicht vorhanden, den Auslöser). Die Blende muss sich schnell, gleichmäßig und wiederholt genau schließen. Betrachten Sie das Sucherbild, und überprüfen Sie den Autofokus.

4  Im Bild GG Abbildung

2.42 Die hellen Bereiche wirken verschmiert, und der Kontrast wirkt insgesamt weich. Wenn Sie nicht absichtlich ein schlechtes Objektiv für bestimmte Bildeffekte erwerben möchten, können Sie den Test an dieser Stelle abbrechen.

136  |  2  Objektive

Nehmen Sie ein Bild (am besten parallel zum Motiv) mit offener Blende auf, und überprüfen Sie es bei maximaler Vergrößerung im Display. Verläuft die Schärfe gleichmäßig, oder ist eine Seite schärfer als die andere? Dann ist das Objektiv dezentriert, und Sie geben es am besten gleich wieder zurück. Überprüfen Sie die Bildecken: Sind sie scharf und frei von chromatischer Aberration? Ein wenig chromatische Aberration soll aber kein Ausschlusskriterium sein, da sie sich gut korrigieren lässt. K

Auch teure Objektive haben hier manchmal Schwächen. Wie viel Sie tolerieren möchten, müssen Sie selbst entscheiden. Liegt der Fokuspunkt im Bild wirklich dort, wo Sie scharfgestellt haben? Es kann ein Front- oder Backfocus-Problem (siehe Seite 209) vorliegen, das sich nur mit manchen Kameras korrigieren lässt und das Vertrauen in die Objektiv-Kamera-Kombination nicht gerade fördert.  Falls das Objektiv beim ersten Test nicht durchfällt, vereinbaren Sie am besten trotzdem eine Rücknahmegarantie, und testen Sie das Objektiv noch einmal in Ruhe zu Hause, inklusive einer Betrachtung der Bilder auf Ihrem Monitor.

Schritt für Schritt: Auflösungsvermögen der Objektive testen Am Ende des Kapitels (Seite 183) finden Sie einen Siemensstern, den Sie sich auch im Download-Bereich als »Siemensstern.pdf« herunterladen und ausdrucken können (Ordner Dokumente). Das ist ein gutes Testbild für eigene Versuche zur Objektivqualität und zum Einfluss der Blende auf diese.

1  Testbild ausdrucken Drucken Sie das Testbild in möglichst guter Auflösung auf gutem Papier aus. Wenn Sie auch die Ecken in einer einzigen Aufnahme testen möchten, drucken Sie noch zwei oder sogar vier weitere Exemplare.

2  Aufnahmeort wählen Befestigen Sie ein Exemplar des Siemenssterns an einer Wand oder einem Schrank. Wenn Sie kein Stativ besitzen, machen Sie die Tests am besten draußen bei Tageslicht, ansonsten ist ein Innenraum auch gut geeignet.

3  Kamera ausrichten Stellen Sie die Kamera in der Entfernung der 50-fachen Brennweite vor dem Testbild auf – bei 50 mm Brennweite beträgt die Entfernung also 2,5 m. Richten Sie die Kamera senkrecht aus.

4  Serie erstellen Stellen Sie die Kamera auf Zeitautomatik/Blendenvorwahl (Av/A), und nehmen Sie eine Blendenreihe von der Anfangsblende bis zur maximal geschlossenen auf. Ganze Stufen (Faktor 1,4) sind dabei völlig ausreichend. Falls Sie die Scharfstellung im Live-View-Modus in zehnfacher Vergrößerung vornehmen können, tun Sie das, denn dann schließen Sie Ungenauigkeiten des Autofokus aus.

GG Abbildung

2.43 Die verkleinerte Version des Siemenssterns

2.3  Objektivgüte einschätzen  |  137

5  Bilder am Rechner vergleichen Laden Sie die Bilder auf den Rechner, und vergleichen Sie die Aufnahmen in der 100-%-Ansicht. Stellen Sie fest, wie Auflösung und Blende miteinander zusammenhängen.

6  Ergebnisse auswerten Die Ringe im Siemensstern entsprechen bei 50-fachem Brennweitenabstand 100, 50, 25 und 12,5 lp/mm. Bei 100-fachem Brennweitenabstand (zum Beispiel 3,5 m bei 35 mm) entsprechen sie jeweils der doppelten Auflösung. Das kann nützlich werden, wenn Ihr Drucker das Testbild nicht so fein auflösen kann, wie es das Objektiv benötigen würde, um seine volle Stärke zu zeigen. K Es ist überhaupt nicht wichtig, die genauen Auflösungswerte der Objektive zu ermitteln. Viel interessanter ist es, die Ergebnisse visuell zu vergleichen und dabei die Exif-Daten im Auge zu behalten. Ich habe dabei zum Beispiel festgestellt, dass mein bestes Makroobjektiv bei Blende ƒ22 in der Mitte genauso wenig Auflösung hat wie mein schlechtestes Zoomobjektiv am Rand bei Offenblende. Bei Blende ƒ32 ist die Abbildungsqualität des Makroobjektivs schlechter als alle Bilder, die ich selbst mit 40 Jahre alten hochlichtstarken Objektiven unter den schlechtesten Bedingungen geschossen habe. Blende ƒ32 ist übrigens auch gar nicht so exotisch: Wenn Sie ein Makroobjektiv im Maßstab 1 : 1 mit Blende ƒ16 verwenden, benutzen Sie durch den Verlängerungsfaktor des Abbildungsmaßstabs effektiv Blende ƒ32. Beugungsunschärfe ist also fotografisch wirklich relevant.

2.4  Objektivtypen und Anwendungsbeispiele Bevor ich die Anwendung der verschiedenen Objektivtypen in der Praxis behandele, erläutere ich hier kurz Begriffe, über die Sie häufiger stolpern werden, wenn Sie sich mit der Auswahl Ihrer Objektive befassen. Teleobjektiv | Während man den Begriff Tele heute etwas ungenau für jedes Ob-

jektiv mit längerer Brennweite verwendet, beschreibt er ursprünglich eine bestimmte Form der Objektivkonstruktion, die es ermöglicht, Objektive zu bauen, die kürzer sind als ihre Brennweite. Eine Sammellinsengruppe 1 im vorderen Bereich leitet die Lichtstrahlen auf eine Zerstreuungslinsengruppe 2 hinten im Objektiv. Damit wird der Strahlengang so verkürzt, dass die Hauptebene des Linsensystems vorn außerhalb des

138  |  2  Objektive

Objektivs liegt. Der Vorteil ist eine kürzere und leichtere Bauweise und eine bessere Integrierbarkeit langer Brennweiten in Zoomobjektive. Die Tele-Bauweise ist nur bei etwas längeren Brennweiten sinnvoll umsetzbar, und so ist es kein Wunder, dass der Begriff »Teleobjektiv« inzwischen als Synonym für ein langbrennweitiges Objektiv verwendet wird. Sie wissen nun, dass das nicht ganz richtig ist, dennoch werde ich mich diesem ungenauen Sprachgebrauch anschließen, weil »Tele« ein schönes kurzes Wort ist und jeder versteht, was gemeint ist.

1

2 FF Abbildung

2.44 Eine Telekonstruktion verkürzt den Strahlengang. Objektive können so kürzer als ihre Brennweite gebaut werden.

Bildseitige Hauptebene

Brennweite

Retrofokus | Ein Weitwinkelobjektiv müsste eigentlich viel näher an der Sen-

sorebene stehen, als das bei einer DSLR möglich ist. Durch den Spiegelkasten ergibt sich ein Abstand zwischen Bajonett und Sensor, der Auflagemaß genannt wird. Das Auflagemaß beträgt bei Canon-DSLRs 44 mm und bei Nikon-DSLRs 46,5 mm. Bei Objektiven, die eine Brennweite von weniger als 50 mm haben, muss man sich also einen Trick einfallen lassen, damit man sie nicht so tief in die Kamera hineinbauen muss, dass sie mit dem Spiegel kollidieren. Das Prinzip ist exakt umgekehrt zu dem des Teleobjektivs: Eine Streulinse zerstreut das einfallende Licht auf eine Sammellinse, die es dann gebündelt auf den Sensor wirft. In der Praxis sind dies natürlich mehrere Linsen, um die Abbildungsqualität zu verbessern. Damit kann das Objektiv länger werden als seine Brennweite, und die Hauptebene liegt hinter der Hinterlinse. Da die Haupt­ ebene nun in der Luft schwebt und nicht mehr innerhalb des Objektivs ist, stört der Spiegel nicht mehr. Der Nachteil ist, dass die Konstruktion aufwendiger wird und schneller Verzeichnungen auftreten als bei anderen Objektivtypen. Weitwinkelobjektive sind also auch teurer in der Herstellung. Da Digitalkameras aber stark schräg auf den Sensor fallendes Licht nicht so gut nutzen können, hat diese Konstruktion den Vorteil, dass die Strahlen viel gerader auf dem Sensor auftreffen und so weniger Vignettierung verursachen und Farbabweichungen als bei einem Objektiv ohne Retrofokus-Bauweise. Das

2.4  Objektivtypen und Anwendungsbeispiele  |  139

wäre allerdings auch nur mit einem sehr kurzen Auflagemaß und ohne Spiegel im Gehäuse möglich. Bei den spiegellosen Systemkameras sind tatsächlich kürzere Brennweiten ohne Retrofokus verfügbar. Allerdings wird die Retrofokus-Bauweise auch verwendet, um mehr Linsen in einem Objektiv unterbringen zu können und somit die Bildfehler besser korrigieren zu können. Ein 50-mm-Objektiv an einer Kamera mit 18 oder 20 mm Auflagemaß kann also durchaus auch in Retrofokustechnik aufgebaut sein, wenn es eine extreme Schärfe erreichen soll. Abbildung 2.45 E Eine Retrofokuskonstruktion verlängert den Strahlengang. Objektive können auf diese Weise länger sein als ihre Brennweite. Weitwinkelobjektive an Spiegelreflexkameras werden so erst möglich.

Bildseitige Hauptebene

Brennweite

Im analogen Mittelformat hatte Hasselblad mit der SWC (Super Wide Angle Camera) eine Spezialkamera im Programm: ein ganz kurzes Gehäuse, kein Spiegel und ein Objektiv ohne Retrofokuskonstruktion. Hasselblad hat allerdings davon abgeraten, die Digitalrückteile damit zu verwenden.

Fisheye-Objektive

GG Abbildung

2.46 Das 8–15-mm-Fisheye-Zoom von Nikon ermöglicht beide Bildbeispiele mit einem Objektiv aufzunehmen. (Bild: Nikon)

140  |  2  Objektive

Wenn man im starken Weitwinkelbereich eine komplette Perspektivkorrektur erreichen möchte, erscheinen die Objekte am Bildrand nach außen verzerrt und vom Mittelpunkt weg zu groß gezogen. Zudem bräuchte man für einen 180°-Bildwinkel mit Perspektivkorrektur (gerade Linien werden also auch gerade abgebildet) einen unendlich großen Sensor – mehr als 180° wären nicht einmal theoretisch machbar. Nun gibt es aber Objektive, die einen Bildwinkel von bis zu 220° abbilden können, die also sogar etwas nach hinten fotografieren. Dies wird dadurch erreicht, dass der Abbildungsmaßstab nach außen hin abnimmt, wie es bei einer sehr starken tonnenförmigen Verzeichnung der Fall ist. Die Perspektive sieht dann in etwa so aus, als hätte man das Bild von einer Spiegelkugel abfotografiert. Diesen Objektivtyp nennt man Fisheye- oder Fischaugenobjektiv.

Gerade Linien bleiben nur dann gerade, wenn sie durch den Bildmittelpunkt gehen. Wenn Sie mit einem Fisheye also einen Horizont auf dem Bild haben möchten, der nicht durchgebogenen ist, muss er genau in der Bildmitte liegen. Es gibt zwei Haupttypen von Fisheyes: EE Der komplette Bildkreis, den das Objektiv ausleuchtet, wird auf den Sensor abgebildet. Das Bild ist dementsprechend kreisförmig und knapp so hoch wie die kurze Sensorseite. Bei Vollformatsensoren haben diese Objektive meist einen Bildwinkel von 180° bei einer Brennweite von 8 mm. EE Der Bildkreis wird so weit vergrößert, dass die volle Sensorfläche ausgenutzt wird. In der Diagonalen ergibt sich auf diese Weise ein Bildwinkel von 180° bei 15 mm Brennweite, über die kurze Seite des Sensors sind das dann aber nur etwa 93°. Die Perspektivabbildung dieser Objektive ist sehr speziell, und es besteht die Gefahr, dass man diesen Effekt bald ermüdend findet. Denn jedes Bild sieht so aus, als hätte man es durch einen Türspion aufgenommen. Fisheye-Objektive ergeben in speziellen Situationen aber trotzdem Sinn, so kann man zum Beispiel mit einem 8-mm-Objektiv mit vier Aufnahmen ein 360°-Kugelpanorama erfassen. Es würden sogar drei reichen, aber die Qualität wird besser, wenn die Randbereiche nicht zu stark vergrößert werden müssen, und es ist intuitiver, einfach in jede Himmelsrichtung zu fotografieren. Der Bildeffekt kann einer Aufnahme auch einen eigenen Reiz geben, aber nur wenn man ihn nicht zu häufig einsetzt. In der wissenschaftlichen Fotografie lässt sich mit einem 8-mm-Objektiv der gesamte Himmel auf einer Aufnahme abbilden. Kurz: Es ist schön, dass

GG Abbildung 2.47 Diese Kirche habe ich einmal mit einem 8-mm-Fisheye aufgenommen, sodass sich ein kreisförmiges Bild mit 180° Bildwinkel ergibt, und einmal mit einem 15-mm-Fisheye. Das Bild füllt nun die gesamte Sensorfläche aus, der diagonale Bildwinkel beträgt 180°.

8 mm und 15 mm | ƒ5 | 1/25 s | ISO 2 500

Auswahl an Objektiven Niemand braucht alle Objektive, die die großen Hersteller in ihrem Programm haben, jedes einzelne ist aber nach bestimmten Vorgaben optimiert worden und für einen bestimmten Einsatzbereich interessant. Wenn man die Eigenschaften günstig, lichtstark, leicht und scharf mit einem großen Zoombereich kombinieren könnte, gäbe es sicher weniger Objektive auf dem Markt.

2.4  Objektivtypen und Anwendungsbeispiele  |  141

es Fisheyes gibt. Die meisten Fotografen werden ein Fisheye aber auch nicht vermissen, wenn sie keines besitzen.

Ultraweitwinkelobjektive HH Abbildung

2.48 Mit 14 mm Brennweite ließ sich der Innenhof des Hamburger Chilehauses bis zur dritten Fensterreihe erfassen.

14 mm | ƒ6,3 | 1/125 s | ISO 100

Unterhalb von 20 mm Brennweite finden Sie eine große Auswahl an Festbrennweiten und Zooms. Die kürzeste verfügbare Brennweite, die den Vollformatsensor noch auszeichnet und nicht als Fisheye-Objektiv ausgelegt ist, liegt bei 10 mm (Samyang XP 10 mm ƒ3,5) und bei APS-C-Kameras bei 8 mm. Der Bildwinkel erreicht über die lange Formatseite 112°. Der Effekt ist so extrem, dass man versucht ist, die Bildgestaltung möglichst symmetrisch und klar aufzubauen, damit das Bild nicht stark verzerrt erscheint. Es ist oft sinnvoll, eher die längste mögliche Weitwinkelbrennweite einzusetzen, damit das Ergebnis natürlich und nicht übertrieben erscheint. Es gibt aber genügend Raumverhältnisse, in denen man einfach einen sehr großen Bildwinkel benötigt, um das Motiv ganz zu erfassen. Wenn Sie diese Bildwinkel allerdings nur sehr selten benötigen, können Sie sich die Anschaffung eines Ultraweitwinkels sparen und stattdessen mehrere Aufnahmen machen, die Sie später über die Panoramafunktion Ihrer Bildbearbeitungssoftware zusammenfügen.

Abbildung 2.49 E Das 14 mm/ƒ2,8 von Canon hat die Streulichtblende gleich im Gehäuse eingebaut. Erstens ist sie dank des weiten Bildwinkels recht kurz, und zweitens stünde die stark gewölbte Frontlinse ansonsten ungeschützt über. (Bild: Canon)

142  |  2  Objektive

Weitwinkelobjektive Ab 20 mm Brennweite finden Sie Objektive, die Sie in Ihrer fotografischen Praxis häufiger einsetzen können. Der Bildwinkel ist nicht mehr so riesig, reicht aber, um Räume zu erfassen oder in beengten Situationen noch ein Gesamtbild einfangen zu können. Die Perspektivabbildung bringt oft eine gewisse Dynamik ins Bild, die gestalterisch aber leichter beherrschbar ist als bei den ultrakurzen Brennweiten. Weitwinkelobjektive betonen den Raum und ermöglichen Ihnen, nah an Ihre Motive heranzugehen. Das Verhältnis von Vorder- zu Hintergrund wird dadurch extremer. Die hohe Schärfentiefe ergibt auch bei großen Sensoren Bilder, die von vorn bis hinten scharf sind. Wenn Sie nun vermuten, dass Sie ein Modellauto besser mit einer Weitwinkel- als mit einer längeren Brennweite komplett scharf bekommen, dann liegen Sie falsch, denn die Schärfentiefe hängt nur vom Abbildungsmaßstab und von der Blende ab. Da Weitwinkelobjektive durch den größeren Bildwinkel die einzelnen Bereiche kleiner abbilden, ist die Schärfe höher. Wenn Sie ein Modellauto mit einem Weitwinkelobjektiv genauso groß fotografieren möchten wie mit einem leichten Tele, haben Sie nichts gewonnen. Weitwinkelobjektive sind überall dort notwendig, wo Sie nicht weiter zurücktreten können, um ein Objekt ins Format zu bekommen. Klassische Beispiele sind Innenräume oder Architekturaufnahmen in beengten Verhältnissen, etwa in einer Straße. Landschaftsfotografen verwenden Weitwinkel gern, weil sie den Eindruck, den der Betrachter vor Ort hat, gut wiedergeben.

GG Abbildung

2.50 Das Zeiss Batis 2/25 erscheint auch rein äußerlich schon gemäßigt, und im Gegensatz zu den Ultraweitwinkeln kann ein Filter vor die Linse geschraubt werden. (Bild: Zeiss)

FF Abbildung 2.51 Das Weitwinkelobjektiv gibt dem Motiv Raum und genug Weite, um auch den Himmelsverlauf zu erfassen.

24 mm | ƒ6,3 | 1/60 s | ISO 1 250

2.4  Objektivtypen und Anwendungsbeispiele  |  143

Leichte Weitwinkelobjektive werden auch in der Reportage gern verwendet, weil sie es erlauben, näher an das Motiv heranzugehen und es perspektivisch vom Hintergrund zu lösen. Ein Weitwinkel erfasst eben auch die Umgebung und kann so stark zur Lesbarkeit einer fotografierten Situation beitragen. Die Gefahr bei einem weniger erfahrenen Fotografen ist, dass er erstens viel zu viel auf seinen Bildern hat und zweitens unschöne Verzerrungen durch die extreme Perspektive erhält.

GG Abbildung 2.52 Mit einem 35-mm-Weitwinkelobjektiv können Sie nah herangehen und mitten im Geschehen sein – eine wundervolle Brennweite für Reportagen. Hier bereitet sich die Band Leik Eick auf einen Auftritt vor.

35 mm | ƒ2 | 1/15 s | ISO 3 200

Abbildung 2.53 E Eine Straßenecke in Garachico. Das leichte Weitwinkel und ein tieferer Standpunkt erzeugen räumliche Tiefe.

35 mm | ƒ8 | 1/500 s | ISO 200 | Polfilter

144  |  2  Objektive

Normal- oder Standardobjektive Ein Normalobjektiv hat seinen Namen daher, dass die Perspektive und die Größenabbildung ungefähr derjenigen des menschlichen Auges entsprechen – das Bild wirkt also ganz »normal«. Das Auge kann zwar einen Bildwinkel von ungefähr 180° erfassen, allerdings werden an den Rändern des Bildfeldes keine Details wahrgenommen. Ganz scharf sehen wir ohnehin nur in einem winzigen Bereich, der Sehgrube (Fovea centralis) auf der Netzhaut. Da sich das Auge allerdings ständig in Bewegungen befindet, sind uns die Einschränkungen nicht bewusst. Unser Gehirn sorgt dafür, dass wir den Eindruck haben, alles gleichzeitig scharf zu sehen, obwohl wir es nacheinander erfasst haben. Die regelrechte Definition für ein Normalobjektiv ist, dass die Brennweite der Diagonale des Sensorformats entspricht. Bei Vollformatsensoren wären das gute 43 mm, aus geschichtlichen und technischen Gründen hat allerdings die 50-mm-Brennweite diese Rolle übernommen. Ein 35-mm-Weitwinkelobjektiv ist also weniger weit von der Normalbrennweite entfernt, als man meinen könnte. Ein Normalobjektiv ist für fast jeden Fotografen eine sinnvolle Ergänzung. Die hohen Stückzahlen machen die Objektive bei guter Qualität und hoher Lichtstärke auch erschwinglich. Die natürliche Anmutung der Perspektive macht die Bildgestaltung einfach. Dem Anfänger mag die Brennweite vielleicht langweilig erscheinen, aber als erfahrener Fotograf werden Sie sie zu lieben lernen. Viele Kamerahersteller haben sie gleich mehrfach im Programm: eine günstige Variante mit Anfangsblende ƒ1,8, eine etwas bessere mit Blende ƒ1,4, eventuell noch ein Makroobjektiv und eine weitere sehr lichtstarke Variante. Die Verwendung eines 50-mm-Objektivs birgt kaum fotografische Risiken. In Innenräumen hat es manchmal zu wenig »Luft«, und der Bildwinkel ist etwas eng. Bei Porträts sind 85 mm Brennweite oft die bessere Wahl, denn wenn Sie einen engeren Bildausschnitt wählen, wirken die Proportionen mit dem 85-mm-Objektiv natürlicher.

GG Abbildung

2.54 Das Sigma 50 mm/ƒ1,4 DG HSM Art wurde mit 13 Linsen in 8 Gruppen sehr aufwendig konstruiert, um auch bei hochauflösenden Kameras und Offenblende sehr gute Schärfe liefern zu können. (Bild: Sigma)

Abbildung 2.55 E Wenn Sie nicht zu nah an den Porträtierten herangehen, können Sie mit einem 50-mm-Objektiv auch schöne Porträts aufnehmen. Das weiche Licht kam hier von einem großen Fenster.

50 mm | ƒ2 | 1/160 s | ISO 400

2.4  Objektivtypen und Anwendungsbeispiele  |  145

GG Abbildung

2.56 Die natürliche Perspektive eines 55-mm-Objektivs verhilft einem Bild zu mehr Klarheit und Ruhe. Ein vorbeiziehendes Gewitter in Barfleur sorgte für das passende Licht.

55 mm | ƒ8| 1/100 s | ISO 100

Leichte Teleobjektive (Porträttele)

GG Abbildung

2.57 Pentax hat ein Objektiv mit der exakten Normalbrennweite von 43 mm im Programm, das sich obendrein durch eine sehr kompakte Bauform auszeichnet. (Bild: Pentax)

146  |  2  Objektive

Ein leichtes Teleobjektiv im Bereich von 85 bis 135 mm ist ideal für Porträts. In diesem Brennweitenbereich finden Sie sehr gute Objektive zu vernünftigen Preisen. Diese Brennweiten sind lang genug, um keine Retrofokus-Bauweise zu benötigen und einen hervorragend korrigierten Linsenaufbau zu ermöglichen. Gleichzeitig sind sie kurz genug, damit Sie bei guter Lichtstärke und kompakter Bauweise noch gut aus der freien Hand fotografieren können. Leichte Teleobjektive vereinfachen die Konzentration auf das Wesentliche, ihr enger Bildwinkel lädt zu einer genauen Komposition und zum Weglassen unnötiger Details ein. Auch für Sachaufnahmen und Stillleben ist diese Brennweite ideal geeignet: Die Perspektive tritt zurück, die Abbildung wirkt sachlicher und ruhiger, und der größere Aufnahmeabstand lässt im Studio mehr Platz für den Lichtaufbau. Jeder Fotograf sollte diesen Brennweitenbereich abdecken, das geht auch mit einem guten Telezoom oder Makroobjektiv.

FF Abbildung 2.58 100 mm Brennweite verdichten die Landschaft in diesem Bild etwas und lenken die Aufmerksamkeit auf Details. Die Unschärfe im Vordergrund lässt den Blick ins Bild wandern.

100 mm | ƒ4,5 | 1/320 s | ISO 320

Bei Porträts macht es einen psychologischen Unterschied, ob man dem Model ein großes Telezoom oder eher zierliche 85 mm vor die Nase hält. Außerdem ist der Nahbereich beim Zoom oft auf anderthalb Meter begrenzt, während das 85-mm-Objektiv eine kürzeste Einstellentfernung von 85 cm bietet. Beim Makroobjektiv ist die Einstellentfernung ohnehin kein Problem, damit können Sie sogar ein Auge formatfüllend abbilden.

GG Abbildung

2.59 85-mm-Objektive sind für Porträts optimiert, auch das Bokeh ist ein wesentlicher Faktor der Konstruktion. (Bild: Canon)

Abbildung 2.60 E Ein 85 mm bei ƒ1,8 ermöglichte es, den Bereich der Schärfe genau zu begrenzen. Die Brennweite bildet das Gesicht unverzerrt und natürlich ab. Ein 85-mm-Objektiv ist ein klassisches Porträtobjektiv.

85 mm | ƒ1,8 | 1/500 s | ISO 100

2.4  Objektivtypen und Anwendungsbeispiele  |  147

Abbildung 2.61 E Hier setzte ich ein 70-mm-Makro­ objektiv als leichtes Tele ein.

70 mm | ƒ5,6 | 1/400 s | ISO 200

HH Abbildung

2.62 Die meisten Makros ermöglichen Bildausschnitte, die so klein sind wie der Sensor.

100 mm | ƒ13 | 1/200 s | ISO 400 | Ringblitz | APS-C

148  |  2  Objektive

Makroobjektive Ein Makroobjektiv ist optimiert für den Nahbereich bis zu einem Abbildungsmaßstab von 1 : 2 oder 1 : 1. Der Maßstab 1 : 2 bedeutet, dass bei einem 24 × 36 mm großen Sensor eine Fläche von 48 × 72 mm formatfüllend abgebildet wird, beim Abbildungsmaßstab 1 : 1 sind es sogar nur 24 × 36 mm. Alles, was über 1 : 1 hinausgeht, wird nicht mehr Makroobjektiv, sondern Mikroobjektiv genannt. Makroobjektive sind fast immer auch für den Fernbereich hervorragend geeignet: Sie haben eine hohe Kontrastleistung und Auflösung, sind praktisch verzeichnungsfrei und einigermaßen lichtstark. Wenn Sie ohnehin gern im Nahbereich fotografieren möchten, können Sie sich mit einem Makroobjektiv die Anschaffung einer ähnlichen Brennweite sparen, denn ein 100-mm-Makro ist auch ein gutes 100-mm-Teleobjektiv. Bei der Auswahl der Brennweite sollten Sie bedenken, dass der Abstand zwischen Motiv und Kamera normalerweise von der Sensorebene zum fotografierten Objekt angegeben wird. Dazwischen befinden

sich noch fast die ganze Kamera und ein voll ausgefahrenes Objektiv. Mit zu kurzen Brennweiten müssen Sie so nah an Ihr Motiv heran, dass Sie einen Schatten darauf werfen, Probleme mit der Ausleuchtung bekommen und sich sozusagen selbst im Weg stehen. Wenn Ihr Motiv lebt, wie etwa ein Insekt, fängt es auch an, sich unwohl zu fühlen, und flüchtet, bevor Sie das Bild aufgenommen haben. Eine Brennweite von um die 100 mm ist für ein Makroobjektiv eine gute Wahl. Waschechte Tierfotografen arbeiten auch gern mit 150 bis 180 mm, weil sie damit leichter außerhalb der Fluchtdistanz ihrer Motive bleiben. EF 50 mm EF-S 60 mm EF 100 mm

0

5

10

15

20

25

30

FF Abbildung

EF 180 mm

35

40

45

50

55

60 [cm]

2.63 Je kürzer die Brennweite ist, desto näher müssen Sie beim Abbildungsmaßstab 1 : 1 an das Motiv herangehen. (Bild: Canon)

GG Abbildung

2.65 Die hohe Abbildungsleistung eines Makroobjektivs im Nahbereich wird nicht mit Schwächen im Fernbereich erkauft. (Bild: Tamron)

GG Abbildung 2.64 Die geringe Schärfentiefe im Nahbereich hilft, Details herauszulösen.

90 mm | ƒ5,6 | 1/400 s | ISO 1 250 | Bildausschnitt

2.4  Objektivtypen und Anwendungsbeispiele  |  149

Innenfokussierung Statt sämtliche Linsen bei einer Fokussierung in den Nahbereich von der Kamera wegzubewegen, reicht es bei der Innenfokussierung, eine Linsengruppe im Inneren des Objektivs zu verschieben. Die Technik hat auch die Vorteile, dass die Objektive besser abgedichtet werden können, dass sich die Frontlinse nicht mehr dreht, was bei Polfiltern stören könnte, und dass sich das Objektiv beim Fokussieren nicht mehr stark verlängert.

Wenn Sie im Maßstab 1 : 1 fotografieren, wäre ein Objektiv ohne Innenfokussierung auf das Doppelte seiner Brennweite ausgefahren, der Bildwinkel halbiert sich dadurch. Sie nutzen bei 1 : 1 und einem 100-mm-Objektiv also effektiv einen Bildwinkel, der einem 200-mm-Objektiv bei einer Entfernungseinstellung auf Unendlich entspricht. (Manche Objektive – gerade Zooms oder Makros mit Innenfokussierung – verkürzen ihre effektive Brennweite im Nahbereich auch.) Dadurch ist die effektive Blende zwei Stufen geringer als bei Einstellung auf Unendlich. Aus Blende ƒ2,8 wird so Blende ƒ5,6, und aus Blende ƒ16 wird Blende ƒ32. Die Belichtungsautomatik Ihrer Kamera gleicht das natürlich aus – wenn Sie manuell blitzen, sollten Sie das allerdings berücksichtigen. Ebenso sollten Sie bedenken, dass Sie schneller in den Bereich der Beugungsunschärfe geraten, weil dafür die effektive Blende ausschlaggebend ist. Wenn Ihre Makrofotos leicht unscharf wirken, kann das daran liegen, dass Sie die Blende zu weit geschlossen haben. Bei Blende ƒ22 (effektiv ƒ45 bei 1 : 1) sind Sie im Nahbereich definitiv zu weit gegangen, bei Blende ƒ11 (effektiv ƒ22 bei 1 : 1) verringert sich zwar die Schärfentiefe, die Gesamtschärfe der Aufnahme wird aber deutlich besser. Mikroobjektiv | Die sogenannten Mikroobjektive sind für den extremen Nah-

bereich optimiert, können dafür allerdings nicht mehr im Fernbereich eingesetzt werden. Canon hat zum Beispiel das MP-E-65-mm-ƒ2,8-Objektiv im Programm, das Abbildungsmaßstäbe zwischen 5 : 1 und 1 : 1 erreicht. Im Extremfall ist der formatfüllende Motivausschnitt also nur 7,2 × 4,8 mm groß. Damit vergrößert das Objektiv das Motiv bis zum Fünffachen. Genau deswegen werden Mikroobjektive auch manchmal als Lupenobjektive bezeichnet. Zwischenringe | Ein Zwischenring fügt einen Abstand zwischen Objektiv und

GG Abbildung 2.66 Ein Zwischenring ist praktisch nur eine Röhre, die die wichtigen Anschlüsse vom Kameragehäuse an das Objektiv weitergibt. So lässt sich der Auszug des Objektivs vergrößern und auf einfache Art und Weise der Nahbereich erschließen.

150  |  2  Objektive

Bajonett ein und vergrößert damit den Abbildungsmaßstab. Gleichzeitig verschiebt sich damit die Schärfezone in den Nahbereich. Wenn Sie den Entfernungseinstellring in den Nahbereich drehen, schieben Sie damit – zumindest bei einer Festbrennweite – die Linsenglieder ein wenig von der Kamera weg. Normalerweise beträgt die maximale Verschiebung eines Objektivs etwa 1/10 der Brennweite, daraus resultieren dann eine Motiventfernung vom 10-Fachen der Brennweite und ein Abbildungsmaßstab von 10 : 1. Ein 50-mm-Objektiv lässt sich so auf ca. 50 cm Entfernung einstellen, ein 100-mm-Objektiv (kein Makro!) auf einen Meter. Wenn Sie nun aber einen Zwischenring zu dieser eingebauten Verstellung von ca. 1/10 der Brennweite hinzufügen, sieht das Verhältnis ganz anders aus: Ein 50-mm-Objektiv mit 5 mm Verstellweg und einem 20-mm-Zwischenring kommt auf eine Verstellung von insgesamt 25 mm – die Hälfte der Brennweite. Damit kann es auf ungefähr 10 cm scharfstellen – dem Doppelten

der Brennweite – und kommt damit auf einen Abbildungsmaßstab von 2 : 1. Bei einem 100-mm-Objektiv würde es nur für einen Abbildungsmaßstab von etwa 1 : 4 reichen. Im Weitwinkelbereich machen Zwischenringe umso mehr aus: Mit einem 12-mm-Zwischenring können Sie bei ca. 14 mm Brennweite sogar auf die Oberfläche der Frontlinse scharfstellen. Umkehrringe | Ein Umkehrring ist die günstigste Möglichkeit, in den Nahbe-

reich zu kommen – wenn man von der Möglichkeit absieht, das Objektiv einfach verkehrt herum vor das Bajonett zu halten. Der Umkehrring macht im Prinzip nichts anderes: Er ist auf der einen Seite Bajonett und auf der anderen Seite Filtergewinde. So können Sie das Objektiv auf den Umkehrring schrauben und diesen dann an die Kamera setzen. Die Vorteile eines Umkehrrings liegen darin, dass Sie praktisch jedes Objektiv – auch Zoomobjektive – verwenden können, da es nur auf den Filterdurchmesser ankommt. Es eignen sich also auch alte analoge Objektive oder Fabrikate anderer Hersteller. Die optische Qualität ist oft erstaunlich gut. Da Umkehrringe sehr erschwinglich sind, lohnt es sich eigentlich für jeden, ihn einmal auszuprobieren. Einen ersten Test können Sie auch ohne Umkehrring machen, indem Sie das Objektiv verkehrt herum an die Kamera halten. Der Umkehrring sorgt nur für einen lichtdichten Abschluss und einen festen Halt.

Tipp Mit einem Zwischenring von 12 mm lässt sich bei Canon der 2×-Konverter auch an nicht dafür vorgesehenen Objektiven verwenden. So kommt man mit dem 100-mm-Makro auf Abbildungsmaßstäbe von gut 2 : 1. Dass dabei die Fokussierung auf Unendlich verloren geht, ist nicht störend, da ohnehin im Nahbereich gearbeitet wird (siehe Seite 537).

F G  Abbildung 2.67 Ein 18–55-mm-Kit-Objektiv wurde mit einem Umkehrring an eine APSC-Kamera angeschlossen. Bei 18 mm (oben) ergibt sich ein viel kleinerer Bildausschnitt als bei 55 mm (links).

2.4  Objektivtypen und Anwendungsbeispiele  |  151

Ein normaler Umkehrring bringt aber auch einen Nachteil mit sich, denn die elektronischen Kontakte von Kamera und Objektiv können so nicht mehr kommunizieren – ein modernes Objektiv lässt sich so nicht einmal mehr abblenden. Wenn Sie diese Technik professionell und flexibel einsetzen möchten, können Sie allerdings auch Umkehrringe mit Signalübertragung an die Objektivrückseite erwerben. Diese sind dann natürlich nicht mehr so günstig, ermöglichen aber die normale Steuerung der Blende über die Kamera. Die größten Abbildungsmaßstäbe erhalten Sie mit den kürzesten Brennweiten und wenn Sie auf Unendlich scharfstellen. Oft kommen Sie deutlich über einen Abbildungsmaßstab von 1 : 1 hinaus, wo die meisten Makroobjektive ihre Grenze haben. Allerdings ist die Naheinstellgrenze dann auch nur wenige Zentimeter vor dem Objektiv. Nahlinse | Eine Nah- oder Vorsatzlinse funktioniert wie eine Lesebrille für das Objektiv. Eine konvexe Linse bündelt das Licht und lässt das Objektiv weiter in den Nahbereich fokussieren. Die Linse wird wie ein Filter vor das Objektiv geschraubt. Der Abbildungsmaßstab wird größer, aber das Objektiv lässt sich nicht mehr auf Unendlich scharfstellen. Eine einzelne Linse erzeugt auch zusätzliche chromatische Aberration und verschlechtert die Abbildungsleistung. Deswegen gibt es auch eine zweilinsige Variante, die den Farbfehler sehr viel besser korrigiert, Achromat genannt. An die Qualität eines Makroobjektivs kommt man auch mit einem Achromaten nicht heran, allerdings kostet eine Nahlinse auch deutlich weniger.

Teleobjektive

GG Abbildung 2.68 Das Sony 135 mm/ƒ1,8 GM: Die hohe Lichtstärke liefert einen Zusatznutzen gegenüber Telezooms, die diese Brennweite prinzipiell auch hochwertig abdecken können. (Bild: Sony)

152  |  2  Objektive

Eine der ersten Erfahrungen eines Fotoanfängers besteht oft in der Enttäuschung, wenn ein Foto das Motiv nicht so intensiv zeigt, wie er es erlebt hat. Das Auge hat sich so auf das Motiv konzentriert, dass man gar nicht mitbekommen hat, wie viel Überflüssiges noch mit auf dem Bild gelandet ist. Der enge Bildwinkel eines Teleobjektives macht es etwas leichter, Bilder aufzunehmen, die sich auf das Wesentliche konzentrieren. Er erschließt auch neue Bereiche, die mit kurzen Brennweiten nicht sinnvoll aufzunehmen sind: Tiere mit großer Fluchtdistanz, Fernblicke, bestimmte Sportarten, Details, Bühnenaufnahmen … Moderne Sensoren haben so hohe Auflösungsreserven, dass eine Hälfte des Bildes oder auch nur ein Viertel zur Vergrößerung ausreicht. Sie müssen also nicht zwangsläufig die längste Brennweite einsetzen, eine halb so lange reicht oft, wenn Sie den Bildausschnitt nachträglich verkleinern.

GG Abbildung 2.69 Bei dieser Aufnahme betrug die Brennweite zwar nur 200 mm, durch die Ausschnittsvergrößerung ergibt sich jedoch eine Bildwirkung wie mit einem 400-mm-Objektiv.

GG Abbildung

2.70 Die lange Brennweite betont die Gleichheit der Schornsteine, die Perspektive wirkt sehr neutral.

682 mm | 1/1000 s | ƒ10 | ISO 640

200 mm | ƒ4 | 1/1000 s | ISO 200

Teleobjektive geben Ihnen die Möglichkeit, Motive bereits aus der Ferne zu erfassen und dadurch eine besondere Perspektive zu erhalten. Wenn Sie ein Motiv bereits aus der Ferne anspricht, sollten Sie auch in diesem Moment schon ein Bild machen. Denn oft genug ist man enttäuscht, dass der Eindruck verflacht, wenn man näher an das aus der Ferne so beeindruckende Motiv herankommt. Ein Kirchturm überragt aus der Nähe die Stadt nicht mehr so, wie er es aus der Ferne tut, und ein Berg wirkt, wenn er mit einem Weitwinkelobjektiv fotografiert wurde, flacher als mit einem Tele aus größerer Entfernung.

Spiegelteleobjektive In einem Spiegelteleobjektiv ersetzen gekrümmte Spiegel die Linsen oder einen Teil der Linsen. Meist wird das Licht durch eine Frontlinse auf einen Spiegel hinten im Objektiv geworfen, der es wiederum auf einen ringförmigen Spiegel im vorderen Bereich reflektiert. Von dort fällt das Licht auf den Sensor. Es gibt auch Konstruktionen ganz ohne Frontlinse. Spiegelteleobjektive können deutlich kürzer und leichter sein als Objektive in reiner Linsenkonstruktion. Allerdings macht diese spezielle Konstruktion eine variable Blende unmöglich,

2.4  Objektivtypen und Anwendungsbeispiele  |  153

sodass Sie immer mit der festen Anfangsblende arbeiten müssen. Auf einen Bildstabilisator oder Autofokus müssen Sie ebenfalls verzichten. Der größte Nachteil ist allerdings, dass jeder Lichtpunkt, der nicht in der Schärfeebene liegt, als Ring abgebildet wird. Dadurch ergibt sich ein hässliches und unruhiges Bokeh. Das ist nur dort von Vorteil, wo es einen sehr ruhigen Hintergrund gibt: wenn Sie zum Beispiel Flugzeuge oder Vögel gegen den Himmel fotografieren oder in der Astrofotografie, wo alle Objekte praktisch unendlich weit weg sind. Auch viele Teleskope sind als Spiegelteleobjektive ausgelegt, weil sich schon die nötigen Brennweiten in Linsentechnik kaum realisieren ließen. GG Abbildung 2.71 Ein Spiegelteleobjektiv erzeugt eine ringförmige Unschärfe, die bei vielen Motiven unruhig wirkt.

500 mm | ƒ8| 1/400 s | ISO 4 000

HH Abbildung

2.72 Das EF 600 mm/ƒ4 IS III USM von Canon ist beinahe einen halben Meter lang, 3 kg schwer (fast ein Kilo leichter als der Vorgänger!) und kostet so viel wie ein Kleinwagen. Für einige Fotografen ist es trotzdem die perfekte Wahl. (Bild: Canon)

154  |  2  Objektive

Ultrateleobjektive Bei Objektiven über 200 mm Brennweite sind sehr gute Abbildungsleistungen und eine hohe Lichtstärke mit einem großen Konstruktionsaufwand verbunden, der die Objektive groß, schwer und teuer macht. Um die Abbildungsfehler zu kompensieren, werden Spezialgläser und FluoritLinsen verwendet, die bei den großen Linsendurchmessern ins Geld gehen. Ein 300-mm/ƒ2,8-Objektiv hat bereits einen Durchmesser von etwa 13 cm, sodass man auf Aufschraubfilter verzichtet und im hinteren Objektivbereich Einsteckfilter mit viel geringerem Durchmesser verwendet. Die Objektive dieser Klasse haben allerdings auch eine hervorragende Qualität, erfordern aber Sorgfalt in der Benutzung. Trotz der hohen Lichtstärke ist ein Bildstabilisator mehr als sinnvoll, die engen Bildwinkel führen sonst leicht zum Verwackeln selbst bei kurzen Verschlusszeiten. Ein Arbeiten aus der Hand ist nur kurzfristig möglich, weil das Eigengewicht der Objektive dafür zu hoch ist. Sie sollten ein Supertele mindestens mit einem Einbeinstativ abstützen. Auf Dauer komfortabler ist jedoch ein Dreibeinstativ mit einem sogenannten Gimbal-Head. Das ist ein Stativkopf, mit dessen Hilfe sich die Kamera-Objektiv-Kombination um ihren Schwerpunkt bewegen lässt.

Wenn Sie in den Fernbereich fotografieren, werden Sie feststellen, wie stark der Einfluss der Atmosphäre auf die Bildqualität ist. Das Beispielbild in Abbildung 2.75 habe ich mit einem fast perfekten Teleobjektiv aufgenommen. Ich verwendete ein Profistativ und aktivierte die Spiegelvorauslösung, um Vibrationen zu vermeiden. Die Scharfstellung erfolgte mit zehnfacher Vergrößerung direkt auf dem Sensor. Trotzdem ist das Bild deutlich unscharf, obwohl ich mit größter Sorgfalt arbeitete. Der Grund dafür ist, dass der Temperaturunterschied in der Luft zwischen dem Aufnahmestandpunkt und dem Hochhaus so groß war, dass die optische Eigenleistung der Luft dazwischen wie eine zusätzliche, falsche Linse wirkte. Die Aufnahme entstand im Winter bei kaltem Wetter im Kontrast zu Heizungsluft am Aufnahmestandpunkt. Die Kaminwärme der Häuser dazwischen tat ihr Übriges.

GG Abbildung

2.73 Das Ultrateleobjektiv mit 600 mm Brennweite schiebt die Kirche und die Berge optisch zusammen. Der Gipfel des Aiguille Verte (links) ist 93 km vom Aufnahmeort entfernt.

600 mm| ƒ9| 1/640 s | ISO 250 | 300 mm mit 2x-Extender

FF Abbildung

2.74 Ein Gimbal-Head verhindert das Wegkippen, da Kamera und Objektiv in ihrem gemeinsamen Schwerpunkt gelagert sind.

2.4  Objektivtypen und Anwendungsbeispiele  |  155

GG Abbildung 2.75 Superteleobjektive sind anspruchsvoll. Hier hat warme Luft für ein unscharfes Foto ausgereicht.

600 mm | ƒ5,6 | 1/160 s | ISO 1 250 | Stativ | Bildausschnitt

156  |  2  Objektive

Im Sommer kennen Sie einen ähnlichen Effekt: das Hitzeflimmern. Luftmassen mit unterschiedlicher Temperatur haben unterschiedliche Dichten, und das Licht wird beim Übergang von Luftbereichen mit unterschiedlicher Temperatur leicht gebrochen. Bei Teleobjektiven reichen schon kleinste Abweichungen vor dem Objektiv, um signifikante Unschärfen zu erzeugen. Probieren Sie einmal, mit einem Teleobjektiv durch eine Fensterscheibe Ihrer Wohnung nach draußen ein scharfes Bild zu machen. Das wird nur klappen, wenn Sie sehr moderne und absolut planparallele Scheiben haben. Canon stellte Anfang 2016 einen Prototyp einer Kamera mit 250 MP vor, der auch die interessante Eigenschaft hatte, Luftflimmern aus dem Bild herausrechnen und somit z. B. auch ein Videobild mit Hitzeflimmern stabilisieren zu können. Der Trend geht dahin, selbst für fotografische Probleme, die man für gegeben hält, brauchbare Lösungen zu finden. Astrofotografen haben oft dasselbe Problem, nehmen dann aber z. B. fünfzig Aufnahmen des Mondes hintereinander auf und lassen eine Software die schärfsten automatisch zusammenrechnen. Entsprechende Programme, auch kostenlose, finden Sie, wenn Sie im Netz nach Astro Stacking suchen. Natürlich funktioniert diese Technik auch, um das Hitzeflimmern aus Ihren Teleaufnahmen herauszurechnen.

Tilt-Shift-Objektive Bei einer Großbildkamera lassen sich die Film- oder Sensorebene und die Objektivebene unabhängig voneinander verschieben und schwenken, weil der Kamerakörper nur aus einem flexiblen Balgen besteht, der von zwei Rahmen – den sogenannten Standarten – gehalten wird. Bei einer Systemkamera aber ist der Kamerakörper starr. Um also die Vorteile einer Großbildkamera in Bezug auf Perspektivkorrektur und Schärfeebenenverlagerung auch mit einer Systemkamera nutzen zu können, muss das Objektiv beweglich sein. Diese Objektive, die verschiebbar und schwenkbar sind, nennt man Tilt-Shift-Objektive (im Englischen ist Tilt eine Neigung und Shift eine Verschiebung). Ein Tilt-Shift-Objektiv ist praktisch nur vom Stativ aus sinnvoll zu verwenden, weil Sie damit eine feste Basis haben, um das Objektiv exakt einzustellen. Ebenso sind eine Wasserwaage und eine Gittermattscheibe zu empfehlen, wenn Sie die Perspektivkorrektur in der Architekturfotografie komfortabel anwenden möchten. Die Weitwinkelbrennweiten sind nur an einer Vollformatkamera wirklich architekturtauglich. Wenn Sie nur die Schärfeverstellung nutzen möchten – zum Beispiel für Stillleben –, kann ein Tilt-Shift-Weitwinkelobjektiv aber auch an einer APS-C-Kamera Sinn ergeben.

Die Verlagerung der Schärfeebene wird für zwei ganz unterschiedliche Einsatzzwecke verwendet: zum einen (und hauptsächlich), um die Schärfeebene der Ausdehnung des Motivs anzupassen – so muss man weniger abblenden und erhält insgesamt schärfere Bilder –, zum anderen, um die Schärfe selbst bei Fernaufnahmen sehr selektiv zu halten. So können Sie bestimmte Elemente hervorheben und den Rest in Unschärfe versinken lassen, was so extrem auch mit den lichtstärksten Objektiven nicht möglich wäre. Es stellt sich eine Art Miniaturisierungseffekt ein: Durch die minimale Schärfentiefe sehen reale Landschaften so aus, als wären sie nur ein Modell (siehe Abbildung 2.78).

GG Abbildung 2.76 Das Canon TS-E 24 mm/ƒ3,5 II lässt sich in jede Richtung um 12 mm verschieben und um 8,5° neigen – ideal für Architektur- und Landschaftsfotografie. (Bild: Canon)

GG Abbildung

2.77 In der oberen Reihe ist die maximale Verschiebung des TS-E 24 mm/ƒ3,5 II von Canon dargestellt, in der unteren Reihe die maximale Verschwenkung. Die Achsen lassen sich dabei gegeneinander verdrehen, sodass beliebige Kombinationen einstellbar sind. Bei manchen Kombinationen kommt es allerdings zur Abdunklung von Bildteilen, weil die extremen Verstellmöglichkeiten zur mechanischen Abschattung führen.

2.4  Objektivtypen und Anwendungsbeispiele  |  157

Abbildung 2.78 E Die Schärfe führt senkrecht durch den Flaggenmast, das Bild wird nach links und rechts unscharf, da das Objektiv seitwärts verschwenkt wurde.

24 mm | ƒ3,5 | 1/3200 s | ISO 100 | Canon TS-E 24 mm/ƒ3,5 L

Extender/Konverter Ein Extender oder auch Konverter ist ein optisches Element, das zwischen Kamera und Objektiv montiert wird und die Brennweite des Objektivs um einen bestimmten Faktor verlängert. Am gebräuchlichsten sind die Faktoren 1,4 und 2. Eine Brennweitenverlängerung um den Faktor 1,4 bedeutet gleichzeitig eine Verkleinerung der Anfangsblende um eine Stufe, beim Verlängerungsfaktor 2 um zwei Stufen. So wird aus einem 200 mm/ƒ2,8 ein 280 mm/ƒ4 oder ein 400 mm/ ƒ5,6. Der eigentliche Blendendurchmesser ändert sich natür-

lich nicht, aber da sich die Blendenzahl aus der Brennweite geteilt durch den Öffnungsdurchmesser der Blende ergibt, verdoppelt sich bei doppelter Brennweite folgerichtig auch die Blendenzahl. Wenn der Konverter gut auf das Objektiv abgestimmt ist, ist eine Qualitätsverschlechterung kaum messbar. Zudem ist er oft die günstigste Möglichkeit, den Brennweitenbereich nach oben hin hochwertig zu erweitern.

FF Abbildung

2.79 Bei den Canon-Extendern steht das vordere Linsenglied vor, sodass Sie sie nur mit bestimmten Objektiven verwenden können. Dafür sind die Extender aber auch besonders gut auf die Objektive abgestimmt. (Bild: Canon)

FF Abbildung 2.80 Ein 70–200-mm/ƒ2,8-Objektiv mit Zweifach-Extender zeigt hier bei 400 mm Brennweite keinerlei optische Schwächen. Es ist eine günstige, gute und leichtgewichtige Lösung, mit einem Extender den Telebereich zu erweitern.

400 mm | ƒ6,3 | 0,6 s | ISO 400 | Stativ

158  |  2  Objektive

FF Abbildung 2.81 Ein Tilt-Shift-Objektiv wird vor allem in der Architekturfoto­ grafie eingesetzt, um die stürzenden Linien schon bei der Aufnahme zu vermeiden.

24 mm | ƒ11 | 1/160 s | ISO 100

  159

Umgekehrte Telekonverter

GG Abbildung

2.82 Der Speed Booster verringert Brennweite und Blendenwert um den Faktor 0,71. (Bild: Metabones)

Ein Telekonverter verlängert die Brennweite und verringert die Lichtstärke. Wenn man einen Adapter ansetzt, der die Brennweite verkürzt, erhöht sich die Lichtstärke. Leider verkleinert sich dabei auch der Bildkreis, sodass nicht mehr der gesamte Vollformatsensor ausgenutzt wird. Dies ist jedoch kein Nachteil mehr, sobald der Adapter mit kleineren Sensorgrößen wie APS-C oder MFT verwendet wird. Der Vorteil ist dann sogar, dass sich das Objektiv ähnlich verhält wie an einer größeren Kamera: Der Bildwinkel und die Schärfentiefe ähneln also einer Aufnahme mit diesem Objektiv ohne Adapter an einer Vollformatkamera. Das erste Produkt dieser Kategorie, das auf den Markt kam, ist der Speed Booster von Metabones. Er adaptiert Canon-EF-Objektive an Sony-APS-CKameras mit einem Faktor von 0,71. Das bedeutet, dass aus einem 50 mm/ƒ1,4 ein 35 mm/ƒ1 wird oder aus einem 85 mm/ƒ1,8 ein 60 mm/ƒ1,3. Es ergeben sich also hochlichtstarke Objektive kürzerer Brennweite, die sehr interessante Scharf-unscharf-Verläufe ermöglichen. Der Autofokus bleibt zwar erhalten, kommt aber leider nicht ansatzweise an die Originalgeschwindigkeit heran, weil hier zwei unterschiedliche Systeme zusammengeführt werden. Das ist aber kein grundsätzliches Problem, und so ist zu erwarten, dass Adapter z. B. von EF auf EF-M kaum Einfluss auf die AF-Geschwindigkeit haben werden, weil hier dasselbe Canon-Protokoll verwendet würde.

Zoomobjektive Objektive mit veränderlicher Brennweite werden Zoomobjektive oder kurz Zooms genannt. In der Objektivbezeichnung sind stets die beiden Extreme des Brennweitenbereichs angegeben, zum Beispiel 24–70 mm oder 75–300 mm. Zooms mit besonders großen Brennweitenbereichen wie 28–300 mm werden Superzooms genannt (und im Internet oft als »Suppenzooms« verspottet, weil die optische Leistung gerade bei den älteren Modellen alles andere als »super« ist). Es gibt Zooms mit konstanter Anfangsblende (zum Beispiel durchgängig ƒ2,8 oder ƒ4), aber häufiger ist die Anfangsblende am kurzen Ende des Brennweitenbereichs größer als am langen. Ein Objektiv mit der Bezeichnung 28–90 mm/ ƒ3,5–5,6 erlaubt also bei 28 mm Brennweite eine größte Blendenöffnung von ƒ3,5, während bei 90 mm Brennweite nur noch ƒ5,6 als größte Blendenöffnung möglich ist. Während diese Objektive von manchen Festbrennweiten-Anhängern immer noch als Vergehen gegen die reine Lehre angesehen werden, übertreffen manche der neuen Zoomkonstruktionen die entsprechenden älteren Festbrennweiten in der Abbildungsleistung. Es gibt allerdings einen Bereich, in dem man um die

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Nutzung von Festbrennweiten nicht herumkommt: die Arbeit mit hochlichtstarken Objektiven. Selbst lichtstarke Zooms haben meist nur eine Anfangsblende von ƒ2,8. Festbrennweiten mit Blende ƒ1,4 aber lassen viermal so viel Licht durch, zudem ist das Bokeh häufig schöner. Für das APS-C-Format hat Sigma ein 18–35-mm- und ein 50–100-mm-Zoom herausgebracht, die mit einer durchgehenden Blende von ƒ1,8 den Unterschied zur Festbrennweite fast verschwinden lassen. Zudem ermöglichen diese Objektive ähnliche Scharf-unscharf-Verläufe, wie sie mit Zooms mit ƒ2,8 an einer Vollformatkamera möglich sind. FF Abbildung

2.83 Ein Weitwinkelzoom lässt auch statische Motive etwas dynamischer und luftiger erscheinen.

17 mm | ƒ9 | 1/100 s | ISO 200

Weitwinkelzooms | Im starken Weitwinkelbereich ist die Schärfentiefe so hoch, dass man auch mit lichtstarken Festbrennweiten kaum eine echte Trennung von Vorder- und Hintergrund erhält. Auch die mittlerweile sehr hohe Qualität spricht im Weitwinkelbereich für ein Zoomobjektiv. Manchmal sind die Zoomkonstruktionen den entsprechenden Festbrennweiten sogar überlegen. Beim hervorragenden 14–24 mm/ƒ2,8 von Nikon zum Beispiel ist dies sicher der Fall. Die Hersteller legen aber auch die Festbrennweiten neu auf, um den gestiegenen Ansprüchen der neuen Sensoren Rechnung zu tragen. Ein neu auf den Markt gekommenes Objektiv ist fast immer deutlich besser als die Klassiker, die schon seit 20 Jahren verkauft werden.

2.4  Objektivtypen und Anwendungsbeispiele  |  161

Lichtstärke ist im Weitwinkelbereich nicht ganz so wichtig, weil Sie mit längeren Verschlusszeiten als im Telebereich noch aus der freien Hand fotografieren können. Zumal ein Weitwinkelobjektiv in der Praxis für eine optimale Abbildungsleistung recht stark abgeblendet wird. Die Offenblende findet also selten Verwendung, sodass Anfangsblenden von ƒ4 oder sogar ƒ5,6 oft völlig ausreichen. Lichtschwache Objektive sind einfacher zu konstruieren und bei gleicher Qualität auch deutlich günstiger. Lichtstärke im Weitwinkelbereich ist allerdings interessant, wenn Sie den Sternenhimmel mit niedrigen ISO-Werten fotografieren möchten oder bei Reportagen Personen gegen einen unscharfen Hintergrund stellen möchten.

GG Abbildung 2.84 Das Canon RF 15–35 mm/ƒ2,8 L IS USM entspricht in der Qualität sehr guten Festbrennweiten. (Bild: Canon)

Abbildung 2.85 E 40 mm Brennweite ließen hier genug Landschaft auf das Bild kommen, um die Szene mit allem Wichtigen einzufangen.

40 mm | ƒ4 | 1/400 s | ISO 200

162  |  2  Objektive

Die große Schärfentiefe und die oft unbewegten Motive lassen sogar den Autofokus verzichtbar erscheinen, sodass Objektive von Fremdherstellern ohne Autofokus oder über Objektivadapter angeschlossene Zooms fremder Marken, bei denen der AF dann nicht mehr verwendbar ist, durchaus eine Überlegung wert sein können. Auch wenn ein Bildstabilisator (siehe Seite 167) nicht so dringend erscheint wie im Telebereich, liefert er auch bei einem Weitwinkelzoom deutliche Vorteile, wenn Sie z. B. in Innenräumen kein Stativ verwenden dürfen oder Sie bei schwächerem Licht niedrigere ISO-Werte verwenden möchten, ohne die Schärfe zu gefährden. Mittlere Zooms | Die Zooms, die einen Brennweitenbereich vom Weitwinkel bis zum leichten Tele abdecken, sind zu den neuen Standardobjektiven geworden. Bei den Einsteiger-APS-C-Kameras wird daher meist ein 18–55-mm-Zoomobjektiv mit angeboten, das entspricht 28–90 mm bei Vollformat. Eine etwas hochwertigere Variante mit größerem Zoombereich (z. B. 18–135 mm) ist oft als Alternative erhältlich. Aber auch die einfache Version ist ihr Geld wert, denn die großen Stückzahlen machen eine gute Qualität auch bei geringem Preis möglich. Selbst wenn Sie diesen Brennweitenbereich mit mehreren hochwertigen Festbrennweiten abdecken, ergibt solch ein Zoomobjektiv Sinn: Es gibt immer Situationen, in denen man sehr schnell sein muss oder nicht viel Ausrüstung dabeihaben möchte. Ein Zoom im mittleren Brennweitenbereich mit Bildstabilisator ersetzt dann alle Objektive und sogar das S ­ tativ. Telezooms | Bedingt durch die lange Brennweite haben Telezooms genug Platz im Objektiv, um Bildfehler hervorragend zu korrigieren. Das kann dazu führen, dass ein 70–200 mm/ƒ2,8 aus über 20 Linsen besteht, dafür aber in der Abbildungsleistung einer Festbrennweite in nichts nachsteht. Im Telebereich kann man den Bildausschnitt nicht so leicht durch ein paar Schritte verändern wie im Weitwinkelbereich oder mit einem Normalobjektiv. Bei einer langen Brennweite machen wenige Meter nach vorn oder hinten kaum etwas aus, weil Sie oft in den Fernbereich hineinfotografieren. Ein Zoom kann hier gute Dienste leisten, und wenn Sie ein gutes Objektiv verwenden, haben Sie auch Reserven für eine Ausschnittsvergrößerung. Ein hochwertiges 70–200-mm-Objektiv liefert so in einem Zweidrittel-Ausschnitt oft ein besseres Ergebnis als ein schlechteres 100–300-mm-Objektiv. Sie finden auf dem Markt auch eine Reihe von Zooms, die bis 600 mm reichen – ein Brennweitenbereich, der früher Festbrennweiten vorbehalten war, die zumeist deutlich teurer und noch

HH Abbildung

2.86 Das Sony FE 70–200 mm/ƒ2,8 GM OSS: Praktisch jeder Hersteller hat in diesem Bereich hochwertige Telezooms im Angebot, die Festbrennweiten ersetzen können. (Bild: Sony)

2.4  Objektivtypen und Anwendungsbeispiele  |  163

Abbildung 2.87 E Ein 70–200-mm-Zoom half, das Motiv zu verdichten und das Bild flächiger erscheinen zu lassen.

200 mm | ƒ2,8 | 1/200 s | ISO 320

HH Abbildung 2.88 1 200 mm an Vollformat bilden den Mond in eindrucksvoller Größe ab.

1 200 mm | ƒ13 | 1/80 s | ISO 400 | Sigma AF 150–600 mm/ƒ5,0–6,3 DG   OS HSM C mit Canon 2x-Extender

etwas lichtstärker sind. Diese sind eine gute Wahl für Natur- oder Sportfotografen, die mit begrenztem Budget gute Qualität erhalten möchten. Ein Sigma AF 150–600 mm/ƒ5,0–6,3 DG OS HSM C gibt es bereits für 830 €, ein Sony 200–600 mm/ƒ5,6–6,3 G OSS liegt bei 2 000 €, während die Festbrennweiten mit 600 mm und ƒ4 ca. 14 000 € kosten. Diese Zooms sind konvertertauglich, sodass Sie auf 840 mm oder 1 200 mm Brennweite kommen. An spiegellosen Kameras funktioniert bei 1 200 mm und ƒ13 immer noch der Autofokus, wenn auch nicht mehr sinnvoll für schnellere Motive. Ultrazooms | Den gesamten Brennweitenbereich, den man für seine Arbeit benötigt, mit einem einzigen Objektiv abzudecken, erscheint reizvoll, und so findet man auf dem Markt Zooms, die von 28 bis 300 mm Brennweite reichen. Diese Objektive sind in den vergangenen Jahren immer besser geworden, aber die Anforderungen in der Konstruktion (um über einen so großen Brennweitenbereich auch eine gute Qualität zu gewährleisten) sind so schwierig zu erfüllen, dass Sie praktisch immer bessere Ergebnisse erhalten werden, wenn Sie diesen Brennweitenbereich auf zwei oder drei Objektive aufteilen. Die wechselbaren Objektive sind ein Hauptvorteil des Spiegelreflexsystems, und so ist ein Ultrazoom ein Schritt zurück in Richtung einer Bridge-Kamera, wenngleich auch mit den Vorteilen eines größeren Sensors.

164  |  2  Objektive

2.5  Objektiv-Features und Zubehör Wenn Sie heute ein Objektiv neu erwerben möchten, werden Sie oft mit einer verwirrenden Anzahl von Abkürzungen hinter der Brennweitenbezeichnung konfrontiert. Das liegt nicht nur an den Marketingabteilungen der jeweiligen Hersteller, sondern auch daran, dass Objektive heute viel mehr bieten als früher. Als Objektive noch manuell scharfgestellt wurden, waren keine Motoren eingebaut, und sie konnten auch nicht selbstständig das Wackeln Ihrer Hand ausgleichen. Im Folgenden werde ich diese Objektiv-Features erklären. Sie erfahren auch, wie Sie Ihre alten Objektive an der Systemkamera weiterverwenden können oder welche Filter auch heute noch sinnvoll sind.

Fremdobjektive am Adapter Mit einem Adapter lassen sich Objektive anderer Systeme an die eigene Kamera ansetzen. Die einfachste Lösung ist ein rein mechanischer Adapterring. Der Autofokus und die automatische Blendeneinstellung gehen dabei verloren, aber häufig geht es dabei gerade um alte Objektive, die keinen Autofokus besitzen, sondern manuell scharfgestellt werden. Dies ist nicht nur für den Umsteiger interessant, der die Objektive seines alten (auch analogen) Systems an der neuen Kamera weiterverwenden möchte, sondern auch für den Profi, der für bestimmte Objektive der Konkurrenzmarke nicht das System wechseln oder der mit alten Objektiven eine bestimmte Stimmung im Foto erzeugen möchte. Adapter gibt es mit und ohne Linsen. Wenn das alte System ein größeres Auflagemaß (Abstand vom Kamerabajonett zum Sensor) hat als das neue, reicht ein mechanischer Adapter, der billig ist und keinerlei Qualitätsverluste mit sich bringt. Wenn allerdings das Auflagemaß beim Originalsystem kleiner ist, müsste man das Objektiv eigentlich innerhalb der neuen Kamera anbringen – damit man weiterhin auf Unendlich fokussieren kann –, oder man fügt Linsen ein, die die Differenz ausgleichen. Letzteres Vorgehen ist aber teuer und verschlechtert die Qualität, sodass es in der Praxis wenig sinnvoll erscheint. Mit Tabelle 2.4 (auf der nächsten Seite) können Sie die Auflagemaße mit einigen gängigen Systemen vergleichen.

GG Abbildung 2.89 Ein Sigma 14 mm/ƒ1,8 DG HSM für Canon EF ist über einen Sigma MC11 an eine Sony α7R III angeschlossen. Eine schöne Kombination für die Sternenfotografie.

GG Abbildung 2.90 Ein Adapterring vom Olympus-OMSystem zum EOS-System von Canon

2.5  Objektiv-Features und Zubehör  |  165

Tabelle 2.4 E Vergleich verschiedener Auflagemaße

2.91 Das alte lichtstarke Normalobjektiv liefert ein schönes Bokeh und eine extrem geringe Schärfentiefe. Die Abbildungsfehler sind für manche Aufnahmen sogar von Vorteil.

System

Auflagemaß in mm

Contax N

48

Leica-R-Bajonett

47

Nikon-F-Bajonett

46,5

Olympus OM-Bajonett

46

M42x1-Schraubgewinde

45,46

Pentax-K-Bajonett

45,46

Minolta-A-Bajonett (AF)

44,5

Canon-EF-Bajonett (EOS)

44

Sigma-SA-Bajonett

44

Minolta-SR-Bajonett (MF)

43,5

Canon-FD-Bajonett (FD/FL)

42

Olympus-E-Bajonett (Four Thirds)

38,85

Leica-M-Bajonett

27,8

Fujifilm GFX

26,70

Canon RF

20

L-Mount (Leica, Panasonic, Sigma)

20

Micro-Four-Thirds

19,62

Sony-E-Bajonett (NEX, A7)

18

Canon-EF-M-Bajonett (EOS-M)

18

Fujifilm-X-Bajonett

17,7

Nikon-1-Bajonett (CX)

17

Nikon Z

16

GG Abbildung

58 mm | ƒ1,2 | 1/80 s | ISO 250 | Minolta Rokkor 58 mm/ƒ1,2 an Canon EOS R

166  |  2  Objektive

Das alte manuelle OM-System von Olympus hat ein Auflagemaß von 46 mm, passt also mit einem 2 mm dicken Adapterring an Canon EF, das ein Auflagemaß von 44 mm besitzt. Die Kombination Canon FD an Canon EF ohne Linsen oder Objektivumbau ist leider nicht möglich, weil das alte Auflagemaß 2 mm kürzer war. Wer bei Nikon bleibt, braucht für alte Nikon-Objektive ohnehin keinen Adapter, weil Nikon das Bajonett mechanisch beibehalten hat, allerdings mit verschiedenen Einschränkungen in der Praxis. So passen ganz alte Objektive nicht ohne Umbau und die kleineren Kameras unterstützen die Objektive kaum.

Spiegellose Kameras haben so kurze Auflagemaße, dass zwischen die Kamera und das Objektiv eines anderen Systems ein Adapter mit Elektronik passt, der die AF-Steuerung des Objektivs übersetzen kann. Für das Sony-E-Bajonett gibt es z. B. eine ganze Reihe Adapter, die es ermöglichen, Canon-, Nikon- oder Sony-Alpha-Objektive anzuschließen. Es gibt sogar einen Adapter von Techart, der Leica-M-Objektive über einen motorisch veränderlichen Auszug des Adapters automatisch fokussieren kann, also Autofokus für manuelle Objektive erlaubt. Alte Objektive aus der analogen Zeit sind fast alle über Adapter an Kameras mit Sony-E-Bajonett, Canon RF oder Nikon Z adaptierbar, auch für Exoten wie Altix oder Rollei QBM finden Sie günstige Adapter, sodass Sie fast alle alten Objektive ohne Umbau weiterverwenden können.

GG Abbildung

Bildstabilisator Bildstabilisatoren erlauben es dem Fotografen, auch mit längeren Verschlusszeiten aus der freien Hand scharfe Bilder zu erhalten. Sie werden auf zwei unterschiedliche Weisen realisiert: Bei Sony, Olympus und Pentax zum Beispiel ist der Sensor beweglich gelagert. Sobald das Bild durch die Bewegung der Kamera zu wandern beginnt, wandert der Sensor mit, und die Schärfe bleibt weitgehend erhalten. Bei Canon- und Nikon-Kameras sind bei bestimmten Objektiven (Canon: IS, Nikon: VR, Tamron: VC, Sigma: OS) die hinteren Linsenglieder beweglich, und sie gleichen die Verwacklung aus. Auf diese Weise sind bis zu vier Blendenstufen längere Verschlusszeiten möglich, und man erhält immer noch scharfe Bilder. Der Bildstabilisator im Objektiv hat den Vorteil, dass er auch das optische Sucherbild stabilisieren kann, was das Arbeiten mit langen Brennweiten angenehmer macht. Ein elektronischer Sucher wird natürlich auch bei Sensorstabilisierung ausgeglichen, allerdings erscheint sein Bild bei schnellen Bewegungen eher verwischt als bei einem optischen Sucher. Bei bewegten Motiven ist ein Bildstabilisator nur eingeschränkt von Nutzen, weil damit natürlich nur die Bewegungen der Kamera ausgeglichen werden können, nicht aber die des fotografierten Objekts. Trotzdem ist ein Bildstabilisator gerade bei längeren Brennweiten eine wirklich großartige Erfindung. Der Mehrpreis für ein Objektiv mit Bildstabilisator ist leider manchmal erheblich, und so lohnt es sich, zu überlegen, ob Sie für das gesparte Geld nicht lieber ein zusätzliches Objektiv erwerben. Wenn der preisliche Unterschied jedoch

2.92 Diese Objektive wurde zwischen Ende der 1950er- und Mitte der 1980er-Jahre gebaut, lassen sich aber gerade an spiegellosen Kameras auch heute noch hervorragend verwenden.

2.5  Objektiv-Features und Zubehör  |  167

HH Abbildung

2.93 Dank IBIS wurde diese Aufnahme mit 1/8 s aus der Hand gestochen scharf.

50 mm | ƒ2,5 | 1/8 s | ISO 2 000

gering und die Abbildungsleistung ansonsten vergleichbar ist, sollten Sie immer ein Objektiv mit Bildstabilisator vorziehen. Bevor Sie ein Objektiv mit Bildstabilisator von der Kamera entfernen, sollten Sie diese immer ausschalten, denn es kann sein, dass der Stabilisator noch nicht wieder in seiner Ruheposition eingerastet ist. Auf Dauer kann dies zu mechanischen Beschädigungen des Stabilisators führen, gerade bei starken Erschütterungen z. B. im Auto. Kameras wie die Sony α7 III oder die Olympus E‑M5 Mark II besitzen einen beweglichen Sensor, mit dem Verwacklungen ausgeglichen werden können. Man spricht dabei von In Body Image Stabilization (IBIS), also einem Bildstabilisator im Kameragehäuse. Dieser hat den Vorteil, dass er jedem Objektiv zur Verfügung stehen kann. Bei langen Brennweiten kommt der IBIS an seine Grenzen, weswegen starke Teleobjektive meist zusätzlich einen IS eingebaut haben, der mit dem in der Kamera zusammenarbeiten kann. An der Sony z. B. können Sie für Objektive ohne elektronische Datenübertragung die Brennweite für den Stabilisator von Hand auswählen, sodass Sie auch alte analoge Objektive stabilisiert verwenden können.

Ultraschall-Autofokusmotor Die Anforderungen an einen Autofokusmotor sind hoch: Er muss Teile des Objektivs schnell beschleunigen sowie abbremsen können und dabei sehr exakt und geräuscharm arbeiten. Normale Elektromotoren mit Getriebeantrieb stoßen da an ihre Grenzen. Besser ist es, wenn man einen Ring um das bewegliche Objektivteil direkt antreiben kann. Ultraschallmotoren können dies, indem sie piezoelektrische erzeugte Schallwellen für den Antrieb verwenden. Diese Schallwellen sind so hochfrequent, dass sie für den Menschen nicht mehr hörbar sind und das Objektiv insgesamt leise arbeitet. Ein Ultraschallmotor ist eigentlich immer die beste Wahl, weil er den Autofokus schnell und leise macht. Je schwerer die zu bewegenden Linsenglieder sind, desto mehr ist dieser Motortyp im Vorteil gegenüber herkömmlichen Lösungen. Die einzelnen Hersteller verwenden unterschiedliche Bezeichnungen für diese Technik:

168  |  2  Objektive

Hersteller

Kürzel

Bedeutung

Canon

USM

ultrasonic motor

Nikon

SWM

silent wave motor

Olympus

SWD

supersonic wave drive

Panasonic

XSM

extra silent motor

Pentax (Ricoh)

SDM

sonic direct drive motor

Sigma

HSM

hypersonic motor

Sony

SSM

supersonic motor

FF Tabelle 2.5 Bezeichnungen verschiedener Hersteller für die Ultraschallmotoren ihrer AF-Objektive

Canon hat außerdem einen zusätzlichen Motortyp eingeführt: Der Steppermotor (STM) ist genauso leise wie ein USM. Er ist zwar etwas langsamer, dafür aber für einen sanften Fokusübergang bei Videoaufzeichnungen optimiert.

Firmware Dass Ihre Kamera ein Computer ist, daran haben Sie sich inzwischen gewöhnt. Ihre Objektive sind allerdings auch welche. Die Elektronik steuert den AF sowie den Bildstabilisator und teilt der Kamera Daten mit, etwas über die verwendete Brennweite oder die zu korrigierenden Bildfehler. Als Canon eine neue Videostabilisierung mit der EOS RP einführte, musste ich mein RF 35 mm/ƒ1,8 STM Macro updaten, damit die Funktion bestmöglich unterstützt wurde. Als mein Sigma 35 mm/ƒ1,4 Art seltsame Ringe im Livebild meiner Canon EOS 5D Mark III zeigte, musste ich die Firmware ebenso aktualisieren, damit die Korrektur der Abbildungsfehler möglich war (alternativ können Sie diese ausschalten). Mein Sigma 150–600 mm Contemporary führte nach einem Firmware-Update nicht mehr zu seltenen Abstürzen meiner Canon EOS R. Objektive des Kameraherstellers können Sie meist über die Kamera updaten, genauso wie Sie die Kamera auch aktualisieren. Bei Fremdherstellern wie z. B. Sigma oder Tamron benötigen Sie ein günstiges USB-Dock oder müssen die Objektive einschicken, wenn sie z. B. älter sind und vom Dock noch nicht unterstützt werden.

GG Abbildung

2.94 Dieser Darstellungsfehler ließ sich mit einer neuen Firmware beheben.

Beugungsoptik (DO/PF) Die Beugungsunschärfe ist Ihnen ja mittlerweile ein Begriff: Wenn Sie die Blende Ihres Objektivs zu weit schließen, bekommen Sie eine leichte Unschärfe ins Bild.

2.5  Objektiv-Features und Zubehör  |  169

GG Abbildung 2.95 Objektive mit Beugungsoptik (DO) werden bei Canon mit einem grünen Ring gekennzeichnet. (Bild: Canon)

Je kleiner das Loch oder der Spalt ist, durch den das Licht muss, desto mehr strebt es dahinter auseinander. Das kennen Sie vielleicht noch unter der Bezeichnung »Beugung am Spalt« aus Ihrer Schulzeit. Canon hat es durch das Einbringen winzigster Linienraster in die Objektivkonstruktion geschafft, diesen Beugungseffekt für die fotografische Abbildung nutzbar zu machen. Da Effekte wie die chromatische Aberration in der Beugung genau andersherum als bei der Brechung in einer Linse ablaufen, eignen sich diese Elemente hervorragend zur Korrektur von Abbildungsfehlern. So lassen sich kleinere und leichtere Objektive herstellen, die aber trotzdem die gleiche Lichtstärke und Qualität erreichen wie reine Linsenobjektive. Das Kürzel DO steht für englisch diffractive optics, also Beugungsoptik. Ich gebe zu, dass ich in meiner Abiturzeit gedacht habe, dass ich die Nutzung der Beugungsoptik für die Fotografie persönlich nicht mehr erleben werde. Die Zukunft der Digitalfotografie wird aber wohl noch etliche Überraschungen dieser Art bereithalten. Inzwischen verwendet auch Nikon diese Technik beim Nikon AF-S Nikkor 300 mm/ƒ4 E PF ED VR, Nikons »PF« steht dabei für PhasenFresnel und entspricht damit Canons DO-Kennzeichnung.

2.6  Objektivfilter In der analogen Fotografie waren Filter die einzige Möglichkeit, die Farbstimmung bei Diapositiven oder die Tonwertumsetzung bei Schwarzweißaufnahmen zu steuern. Diese Anwendungen überlässt man heute besser dem Computer. Es gibt aber auch im digitalen Zeitalter noch ein paar Filter, die nach wie vor sinnvoll sind.

UV-Filter und Schutzfilter Abbildung 2.96 EE Hier habe ich den Orangefilter digital über ein Bild gelegt und das Bild danach in Schwarzweiß umgewandelt. Das Ergebnis ist nicht schlechter als mit einem Glasfilter, und die Möglichkeiten der Nachbearbeitung sind vielfältiger, weil Sie nachträglich jede Filterung über das Bild legen können. Sie sollten dafür im Raw-Format fotografieren.

170  |  2  Objektive

UV-Filter werden immer noch gern mit dem Argument verkauft, dass man damit den Dunst und einen leichten Blaustich reduzieren könnte, wenn der UV-Anteil des Lichts sehr hoch ist, wie zum Beispiel in den Bergen oder am Meer. Digitalkameras aber kontrollieren den Frequenzbereich des Lichts, den sie auf den Sensor lassen, ohnehin sehr genau. Dieser Filtertyp hat also keinen Effekt. Genau aus diesem Grund wird er allerdings gekauft, weil sich der Fotograf damit einen möglichst neutralen Objektivvorsatz verspricht, der die Frontlinse des Objektivs vor dem Verkratzen schützt. In den letzten Jahren ist das UV-Argument immer schwächer geworden und so bieten die Hersteller auch Clearfilter an, die noch einen Hauch mehr Licht durchlassen, was in der Praxis meist nicht wahrnehmbar ist.

2.6  Objektivfilter  |  171

Abbildung 2.97 E Links ohne UV-Filter, rechts mit UV-Filter: Das Bild, das ich mit dem Filter aufgenommen habe, hat Lichtflecken, die von kleinen Verschmutzungen auf dem Filter herrühren, die im direkten Scheinwerferlicht liegen. Ohne Filter ist die Bildqualität sichtbar besser. Besonders bei hartem Gegen- oder Seitenlicht und starken Kontrasten werden die Nachteile eines Filters sichtbar. Bei 90 % der Motive werden Sie allerdings keinen Unterschied feststellen können.

Objektive reinigen Bevor Sie mit einem Tuch über eine Linse wischen, sollten Sie grobe Schmutzpartikel immer erst mit einem weichen, fettfreien Pinsel oder einem Blasebalg entfernen. Es gibt kaum Schlimmeres, als kleine Sandkörner in die Glasoberfläche zu reiben. Fusselfreie Objektiv- oder Brillenputztücher können hartnäckigere Flecken, etwa Fingerabdrücke oder eingetrocknete Regentropfen, lösen. Arbeiten Sie immer sanft und ohne Druck, und benutzen Sie keine Chemikalien, außer vielleicht spezielle Reinigungsflüssigkeiten für Objektive. Ich hatte in 20 Jahren allerdings nur wenige Flecken, bei denen nicht auch ein Anhauchen und sanftes Wegwischen oder ein Brillenputztuch gereicht hätte. (Nikon rät allerdings offiziell vom Anhauchen ab, weil auch dies die Beschichtung beeinträchtigen könnte.) Für die ganz harten Fälle verwende ich B+W Lens Cleaner II.

172  |  2  Objektive

Da es aber keinen Grund für die UV-Filterung gibt, ist ein Clearfilter die konsequentere Wahl als Schutzfilter. Ich selbst nutze zwar UV- und Clearfilter für meine Objektive, möchte aber für Sie trotzdem die Nachteile betonen: Ein Filter vor dem Objektiv ist eine zusätzliche Glasfläche, an der Reflexionen auftreten können. Er kann zu Unschärfen führen, wenn er nicht hundertprozentig planparallel ist, weil seine optische Eigenleistung dann die Abbildung verändert. Das ist besonders kritisch, wenn Sie ein Teleobjektiv verwenden. Falls der Filter verkratzt oder verstaubt ist, kann das bei ungünstigen Lichtverhältnissen auf dem Foto sichtbar werden. Es ist sicher besser, wenn Sie Objektivschutzdeckel verwenden und Ihre Objektive ab und zu schonend reinigen. Mir selbst ist das zu kompliziert und zu langsam; ich will schnell ein Objektiv wechseln können und dabei den Wert meiner Ausrüstung erhalten. Nach ein paar Jahren werfe ich den Filter weg, kaufe einen neuen und bin froh, dass die Objektivfrontlinse nicht so aussieht wie der alte Filter. In kritischen Situationen nehme ich den Filter ab, aber bei weit über 90 % meiner Aufnahmen ergibt sich kein Unterschied durch die Verwendung des Filters. Zudem arbeite ich oft in Industrieumgebungen, in denen die Bedingungen etwas härter sind – ein Filter ist dort ein guter Schutz gegen Staub und Schmutz. Manche Objektive aus der professionellen Canon-L-Serie sind sogar so konstruiert, dass sich der Staub- und Wetterschutz erst mit Frontfilter ergibt.

Polarisationsfilter Ein Polarisationsfilter, oder kurz Polfilter genannt, hat fast magische Auswirkungen. Sie können mit ihm Reflexionen ausfiltern, was wiederum eine ganze Menge von Anwendungsmöglichkeiten erschließt: EE Spiegelungen auf Glasscheiben und Wasserflächen vermindern EE Haut matter erscheinen lassen EE Farben intensivieren, weil die Eigenfarbe gegenüber den Reflexionen verstärkt wird EE blauen Himmel dunkler erscheinen lassen und Wolkenkontrast erhöhen Ein Polfilter filtert das Licht nach seiner Schwingungsrichtung heraus. Normalerweise schwingt Licht in jede Richtung (senkrecht zur Ausbreitungsrichtung). Nachdem es an nichtmetallischen Oberflächen reflektiert wurde, werden die Schwingungsrichtungen reduziert. Im Idealfall, einer Reflexion im sogenannten Brewster-Winkel (siehe Seite 256), bleibt sogar nur noch eine einzige Schwingungsrichtung übrig. Ein Polfilter arbeitet wie ein ganz feines Linienraster, das nur noch Licht in einer Schwingungsrichtung durchlässt. Deswegen ist jeder Polfilter drehbar, damit die Richtung einstellbar bleibt. Nun gibt es aber hinter dem Filter in einer DSLR auch noch Spiegelungen am halbdurchlässigen Spiegel. Polarisiertes Licht wäre hier fatal für die Belichtungsmessung, den Autofokus und das Sucherbild. Deswegen hat man bei modernen Polfiltern eine zusätzliche Schicht hinter der Polarisierungsschicht angebracht, die das Licht in zirkular polarisiertes Licht verwandelt, das bedeutet, dass sich seine Schwingungsrichtung kontinuierlich dreht. So wird zwar nur Licht einer Schwingungsrichtung durchgelassen, hinter dem Filter hat das Licht aber, wenn es z. B. auf den Spiegel trifft, eine zufällige Schwingungsrichtung, und die DSLR kann damit so gut umgehen wie mit unpolarisiertem Licht. Dieser Filtertyp heißt Zirkularpolfilter, und Sie benötigen diesen Typ für praktisch jede Spiegelreflexkamera (auch analoge Modelle), in der Messelektronik steckt. Die andere Variante heißt Linearpolfilter. Mit ihr können Sie nur mit alten Kameras arbeiten, die keine halbdurchlässigen Spiegel verwenden. Zum Ausprobieren können Sie auch einen Linearpolfilter an eine DSLR schrauben, aber dann müssen Sie alles manuell einstellen, weil die Messung nicht mehr funk-

Achtung Der Polfilter schluckt ungefähr 1,5 bis 2 Blenden Licht. Die Belichtungsautomatik berücksichtigt das, aber an einer manuellen Kamera müssen Sie die Verschlusszeit um den Faktor 3 bis 4 verlängern.

GG Abbildung 2.98 Ein Polfilter in Verbindung mit einem Weitwinkelobjektiv dunkelt nur einen Teil des Himmels ab, der Effekt wirkt so schnell unnatürlich.

24 mm | ƒ7,1 | 1/2000 s | ISO 200 | Polfilter

2.6  Objektivfilter  |  173

tioniert und in einer Stellung auch das Sucherbild sehr dunkel werden wird. Wenn Sie einen Polfilter haben, von dem Sie nicht wissen, zu welchem Typ er gehört, können Sie sich vor einen Spiegel stellen und durch den Filter schauen. Wenn der Filter einmal schwarz im Spiegel erscheint und, wenn Sie ihn umdrehen, durchsichtig, ist es ein Zirkularpolfilter – ein linearer bleibt schwarz. Oder Sie drehen den Filter vor einem TFT-Bildschirm: Ein zirkularer Polfilter wird das Monitorbild in einer Stellung komplett abdunkeln; wenn Sie ihn andersherum verwenden aber nicht.

Verlaufsfilter Verlaufsfilter eignen sich, um Helligkeitsunterschiede auszugleichen. Häufig kommen sie in der Landschaftsfotografie zum Einsatz. Sehr oft hat der Himmel kaum noch Zeichnung, während unten im Bild in den Schatten schon echtes Schwarz herrscht. Ein Verlaufsfilter kann den Himmel um drei Blenden abdunkeln, während der untere Bereich nicht abgedunkelt wird. So können Sie z. B. um 1,5 Blenden heller belichten, öffnen damit die Schatten und dunkeln den Himmel ab. Die Belichtung liegt also besser im Dynamikumfang des Sensors. GG Abbildung 2.99 Ein Verlaufsfilter lässt sich am besten mit einem Filterhalter verwenden, so können Sie ihn in der Höhe verschieben.

HH Abbildung 2.100 Ohne Verlaufsfilter (links) ergibt sich oft die Situation, dass der Himmel sehr hell ist, der Vordergrund aber sehr dunkel. Eine Belichtungskorrektur hilft nicht weiter, weil so entweder der Himmel ausfressen würde oder der Vordergrund zulaufen. Hier ist der Kontrast noch weich genug, sodass immerhin überall Zeichnung vorhanden ist. Rechts habe ich das Bild überbelichtet und den Himmel mit einem Verlaufsfilter in Lightroom abgedunkelt, sodass sich eine gleichmäßigere Helligkeitsverteilung ergibt und La Gomera im Bild sichtbar wird.

70 mm | ƒ8 | 1/400 s | ISO 200

Manche Verlaufsfilter sind warm eingefärbt, um eine Abendstimmung zu verstärken. In der Digitalfotografie können Sie einen Verlaufsfilter auch durch eine Belichtungsreihe und das spätere Übereinanderkopieren der verschiedenen Aufnahmen in der Bildbearbeitung ersetzen – oder Sie verwenden eine HDR-Software (siehe Seite 307). Es gibt jedoch eine Nische, wo der Verlaufsfilter immer noch unersetzlich ist: wenn Sie bei bewegten Motiven keine zwei oder drei Belichtungen machen können, z. B. bei Wellengang am Meer gegen die Sonne. Allerdings nimmt die Notwendigkeit immer mehr ab, weil die Kameras einen immer höheren Dynamikumfang bewältigen können. Die besten schaffen schon knapp 15 Blendenstufen gegenüber etwas unter 12 bei den schwächeren.

Graufilter oder Neutraldichtefilter Es gibt auch fotografische Situationen, in denen es einfach viel zu hell ist. Dann hilft ein Filter, der nichts weiter tut, als das Licht um einen bestimmten Faktor abzudunkeln: der sogenannte ND-Filter. Das kann zum Beispiel dann nützlich sein, wenn Sie tagsüber mit langen Verschlusszeiten arbeiten, weil Sie Verwischungseffekte erzielen wollen oder wenn sich Ihre Blitzanlage nur so weit herunterregeln lässt, dass Sie die Blende zu weit schließen müssten, oder wenn die kürzeste Verschlusszeit Ihrer Kamera nicht ausreicht, um die Blende so weit zu öffnen, wie Sie es für die Bildgestaltung wünschen. Auch im Video möchte man oft mit 1/30 s oder 1/60 s arbeiten und trotzdem die Blende öffnen, denn so vermeiden Sie Ruckler und haben trotzdem eine schöne geringe Schärfentiefe. Ein Rechenbeispiel soll das verdeutlichen: Bei ISO  100 und Sonnenschein kommen Sie auf eine Verschlusszeit von ca. 1/125 s bei Blende ƒ16. Bei 1/2000 s entspricht das Blende ƒ4. Wenn Ihre Kamera keine kürzeren Zeiten unterstützt, benötigen Sie für Blende ƒ2 bei weiterhin korrekter Belichtung einen Filter, der zwei Blendenstufen, also um den Faktor 4, abdunkelt. Der dafür benötigte Filter heißt ND 0,6.

HH Abbildung

2.101 Bei einer Verschlusszeit von 1/80 s ist die sich am Felsen brechende Welle noch scharf zu sehen. Das rechte Bild habe ich mit 4 min und 20 s Verschlusszeit aufgenommen: Das Meer wird zu einer neblig weichen Fläche. Ein ND-Filter hilft, auch in eigentlich zu hellen Situationen echte Langzeitaufnahmen zu erstellen.

Links: 400 mm | ƒ9 | 1/80 s | ISO 2 000  Rechts: 400 mm | ƒ9 | 260 s | ISO 100 | ND-3,0-Filter

Die Bezeichnung verwirrt zunächst, lässt sich aber einfach erklären: ND steht für neutral density oder »neutrale Dichte«, also eine farbneutrale Verdunklung. Der Faktor wird logarithmisch angegeben, wobei 0,3 einem Faktor von 2, also genau einer Blende, entspricht. Mit einem ND-3,0-Filter kommen Sie statt auf 1/1000 s also auf eine Sekunde Verschlusszeit: Aus den scharf in der Luft stehenden Wassertropfen eines Wasserfalls wird so ein weich fließender Vorhang. Tabelle 2.6 E Verlängerungsfaktoren verschiedener ND-Filter

Dichte (ND)

Verlängerungsfaktor

Blendenstufen

0,3

2

1

0,6

4

2

0,9

8

3

1,2

16

4







1 000

10

32 000

15

3 4,5

Filtertypen Slim-Filter Bei Weitwinkelobjektiven kann ein normaler Schraubfilter zu dick sein und zu Vignettierungen führen. Es gibt eine schlankere Bauform, die meist als slim bezeichnet wird.

Abbildung 2.102 E Ein Orange-, Rot-, Gelb- und ein Kunstlichtkonversionsfilter als Schraubfilter. An einer Digitalkamera sind diese Farbfilter überflüssig geworden, wenn man von den ganz seltenen Digitalkameras mit Schwarzweißsensor absieht (wie etwa dem Mittelformat-Digitalrückteil PhaseOne Achromatic+).

176  |  2  Objektive

Filter werden in unterschiedlichen Bauformen angeboten: Schraubfilter: Der Filter ist in eine runde Metallfassung eingelassen, die exakt in das Filtergewinde des Objektivs passt. Dies ist die gebräuchlichste Bauform und sorgt für eine gute plane Lage sowie einen staubdichten Abschluss. Sie müssen auch nicht für jeden unterschiedlichen Fassungsdurchmesser einen eigenen Filter kaufen, sondern können einen größeren Filter mit Gewindereduzierungsringen an kleinere Durchmesser anpassen. Bei Weitwinkelobjektiven sollten Sie dann aber darauf achten, dass der Filtervorbau nicht zu Vignettierungen führt.

EE

EE

Hinterlinsenfilter: Bei Ultraweitwinkelobjektiven ist die Frontlinse so stark gewölbt, dass kein Filter mehr davor passt. Hier findet sich oft eine

EE

EE

Klemmvorrichtung an der Rückseite, mit der sich ein passend geschnittener Folienfilter befestigen lässt. Steckfilter: Große Teleobjektive reagieren empfindlich auf eine Änderung des Strahlengangs. Deswegen wird bei ihnen schon ein Filter mit einer Steckschublade eingebaut, der sich gegen einen anderen Filter gleicher Dicke austauschen lässt. Canon bietet einen Adapter von EF- auf RF-Bajonett an, der mit einem variablen ND- oder einem Polfilter bestückt ist, aber auch andere Steckfilter aufnehmen kann. Das ist besonders für Video praktisch, da Sie mit einem einzigen Filter die Verschlusszeiten für alle EF-Objektive verlängern können. Externer Filterhalter: Eine Halterung für Folienfilter oder Kunststofffilter wird vor dem Objektiv angebracht. Da die Streulichtblenden dann nicht mehr passen, wird der Filterhalter oft mit einem sogenannten Kompendium kombiniert, einer einstellbaren Streulichtblende. Der Filterhalter hat den Vorteil, dass sich die Filter verschieben lassen, was gerade Verlaufsfilter erst sinnvoll einsetzbar macht. Außerdem kann man mit billigeren Filtern arbeiten und kommt mit einer Filtergröße für alle Objektive aus. Allerdings sind die Filter empfindlicher für Kratzer, die Folienfilter sogar für Knicke. Glasfilter sind außerdem besser vergütet. Die Handhabung ist auch etwas fummelig, und da man viele Filter heute digital ersetzen kann, wird ein Filterhalter bei DSLRs selten verwendet. An einer analogen Mittelformatkamera kann er seine Stärken aber voll ausspielen.

GG Abbildung 2.103 Der Steckfilter in einem 300-mm/ ƒ2,8-Objektiv (Canon) kommt mit 52 mm Durchmesser aus. Ein Vorschraubfilter wäre etwa 12 cm groß und würde die Qualität verschlechtern.

2.7  Empfehlungen für Fotografentypen Niemand benötigt 60 verschiedene Objektive, wie sie manche Hersteller im Angebot haben, aber dennoch ist keines von ihnen ohne einen guten Grund auf dem Markt. Je nach Fotografentyp sind unterschiedliche Eigenschaften wichtig, und der Preis ist als Kriterium auch nicht zu vergessen. Im Folgenden will ich Ihnen anhand einiger typischer Anwendungsbereiche beispielhafte Fotoausrüstungen zusammenstellen.

Einsteigen, Geld sparen und Spaß haben

GG Abbildung

2.104 Der vordere Teil des Kompendiums lässt sich bei der Hasselblad Pro­ shade wegklappen, um dort Folien­ filter einzusetzen. Trotzdem blockiert das Kompendium den Einsatz normaler Glasfilter nicht, weil es die übliche Objektiv-Filterbefestigung freilässt.

Eine Einsteiger-Systemkamera mit APS-C Sensor in Kombination mit einem 17–55-mm-Objektiv o.  Ä. wird entweder um ein Einsteiger-Telezoom im Bereich von 55–200 mm erweitert oder um ein 50 mm/ƒ1,8 als lichtstarke Porträtbrennweite. Die Kamera muss dabei nicht aus der neuesten Generation sein.

2.6  Empfehlungen für Fotografentypen  |  177

Abbildung 2.105 E Die Kit-Objektive sind meist besser, als man erwartet. Sie sind zudem klein und leicht, sodass man sie gern auf eine Bergwanderung mitnimmt.

38 mm | ƒ7,1 | 1/160 s | ISO 200 | APS-C | Canon EF-S 18–55 mm/ ƒ3,5–5,6 IS STM

Der eingebaute Blitz reicht aus. So lässt sich in einer Größenordnung von 500 € bereits eine Ausrüstung erwerben, mit der man gut arbeiten kann und die sich später bei Bedarf einfach ausbauen lässt. Eine ältere Vollformatkamera lässt sich heute ebenfalls neu weit unter 1 000 € erwerben, hier ist das Kit-Objektiv meist ein günstiges 24–70 mm, das Sie mit einem ebenfalls günstiges 70–300-mmObjektiv ergänzen können. Wer eine kleinere Kameraausrüstung bevorzugt, greift auf eine spiegellose Systemkamera zurück und erwirbt statt eines 50-mm-Objektivs ein PancakeObjektiv. Das ist eine ganz flach gebaute Festbrennweite, mit der Sie die Kamera noch gut in die Tasche stecken können. Trotzdem haben Sie durch den großen Sensor eine Bildqualität wie bei einer DSLR. Wenn Sie alte Objektive mit mechanischen Adaptern an Ihre Kamera anschließen, können Sie günstig eine ganze Reihe von Brennweiten erwerben. Das macht übrigens auch dann noch Spaß, wenn Sie das Geld für »richtige« Objektive haben, da der Charakter des »Altglases« oft förderlich für die Bildstimmung ist. Die AF-Qualität der Kamera ist dabei völlig egal, aber ein Bildstabilisator im Gehäuse ist ein Vorteil.

Für Allrounder Ein Weitwinkelzoom im Bereich von 16–35 mm, ein 24–70-mm- und ein 70– 200-mm-Telezoom decken alle wichtigen Brennweiten in hochwertiger Qualität ab. Das 24–70 mm können Sie auch durch ein hochwertiges 50-mm-Objektiv ersetzen, denn so groß sind die Lücken zwischen 35 und 50 und zwischen 50 und 70 nicht. Falls Sie mehr Brennweite im Telebereich wünschen, können Sie das 70–200-mm-Objektiv (mit einer Anfangsblende von ƒ2,8) durch einen 2-fachen Telekonverter auf 400 mm/ƒ5,6 erweitern. Ein Telezoom der Blende

178  |  2  Objektive

ƒ4 hätte mit dem Konverter schon eine Anfangsblende von ƒ8, und der Autofokus würde gerade bei nicht ganz aktuellen DSLRs langsamer oder gar nicht mehr funktionieren. Wenn Sie eher Tiere oder Sport fotografieren und weniger Porträts oder Events mit Menschen, dann können Sie auch gleich zu einem 100–400-mmoder 150(200)–600-mm-Zoom greifen. Diese sind am unteren Ende weniger lichtstark und deswegen keine idealen Porträtobjektive mehr, aber dafür im langen Bereich scharf, schnell und vielseitig verwendbar. An einer Cropkamera können Sie auch ein kürzeres Weitwinkelzoom verwenden, das bei 10–12 mm Brennweite beginnt, und eine 30- oder 35-mm-Festbrennweite als Normalobjektiv kaufen. Das 50-mm-Objektiv ist auch an einer Cropkamera ein hervorragendes Objektiv. Es entspricht einem lichtstarken 85-mm-Objektiv und eignet sich perfekt für Porträts. Außerdem schließt es die Lücke zwischen Weitwinkelzoom und dem 70–200-mmObjektiv. Eine solche Ausrüstung deckt einerseits alle wichtigen Brennweiten in hoher Qualität ab, passt andererseits aber gut in eine Fototasche und ist zudem noch urlaubstauglich. GG Abbildung

Wenn es schnell gehen muss Ein hochwertiges Zoomobjektiv im Bereich von 24–70 mm/ƒ2,8 (oder etwas lichtschwächer und mit längerem Telebereich) wird für den Großteil aller benötigten Aufnahmen eingesetzt. Objektivwechsel sind so nur selten nötig, ein Bildstabilisator oder eine Kamera mit guter High-ISO-Qualität ersetzt das Stativ, und ein starkes Systemblitzgerät hilft bei bewegten Motiven. Bei Bedarf wird ein 70–200 mm/ƒ2,8 ergänzt. So ausgerüstet können Sie alle Aufnahmesituationen, die der Pressefotografie ähneln, gut bewältigen. Gerade bei Großveranstaltungen mit vielen Menschen oder schnell ablaufenden Ereignissen empfiehlt sich eine Ausrüstung, die unkompliziert und vielseitig ist und mit der Sie bei nahezu jedem Licht verwertungsfähige Aufnahmen erhalten. Bedenken Sie aber auch, dass Sie in vielen Situationen nicht blitzen können oder wollen. Achten Sie deshalb darauf, dass Ihre Kamera auch bei schwachem Licht und hohen ISO-Werten gute Bilder liefert.

2.106 Manchmal ergibt sich ein Motiv erst aus größerer Entfernung, wie hier der Blick auf das Stahlwerk und die A42 in Duisburg.

215 mm | ƒ14 | 6 s | ISO 200 | Canon EF 70–200 mm/ƒ2,8 L IS II USM + 2x-Extender

2.6  Empfehlungen für Fotografentypen  |  179

Available Light professionell

GG Abbildung

2.107 Ein lichtstarkes 85-mm-Objektiv liefert hinreichend kurze Verschlusszeiten auch im dunklen Jazzclub.

85 mm | ƒ1,8 | 1/125 s | ISO 16 000

180  |  2  Objektive

Eine Vollformat-Systemkamera mit sehr hoher Bildqualität bei hohen ISO-Werten (zum Beispiel eine Nikon D810 oder D750, Sony α7S II oder α7RII oder eine Canon EOS 5D Mark IV oder EOS 6D) eignet sich ideal für die Available-LightFotografie, bei der ausschließlich mit vorhandenem Licht fotografiert wird. Die Objektivwahl beschränkt sich auf die hochwertigen und lichtstarken Festbrennweiten. Zum Beispiel könnten Sie aus folgenden Objektiven Ihre Auswahl treffen: 24 mm/ƒ1,4, 35 mm/ƒ1,4, 50 mm/ƒ1,4 oder 50 mm/ƒ1,2, 85 mm mit ƒ1,8, ƒ1,4 oder ƒ1,2 und 135 mm/ƒ2. Alternativ lassen sich mit der guten Qualität bei hohen ISO-Werten heutiger Systemkameras auch ein 24–70-mm- und ein 70–200-mm-Objektiv mit konstanter Blende ƒ2,8 einsetzen. Ein 35-mm- oder 50-mm-Objektiv mit Blende ƒ1,4 hilft in Situationen, in denen Sie noch mehr Lichtstärke brauchen. Durch die bessere Lichtempfindlichkeit lässt sich heute auch mit kleineren Sensorformaten noch gut arbeiten. Sigma hat lichtstarke Zooms mit ƒ1,8 für APS-C auf den Markt gebracht, und Festbrennweiten mit ƒ1,4 gibt es bis zur kürzesten Brennweite von 20 mm. Die AF-Empfindlichkeit neuerer Kameras reicht oft bis LW −3, was sie auch ohne Hilfslicht gut einsetzbar macht. Bei der Available-Light-Fotografie blitzen Sie zwar nie, das Infrarot-Hilfslicht eines Blitzgeräts oder einer Blitzfernsteuerung kann aber den Autofokus einer DSLR in der Dunkelheit deutlich beschleunigen. Bei Canon zum Beispiel finden Sie dazu im Kameramenü eine Einstellung, die die Blitzzündung unterdrückt. Das Infrarot-Hilfslicht leuchtet dann zur Scharfstellung, aber der Blitz selbst bleibt aus, wenn die Kamera ausgelöst wird. Spiegellose Kameras unterstützen diese Funktion nicht, haben aber zum Teil große Reserven beim AF in der Dunkelheit – der AF der Canon EOS R arbeitet z. B. bis −6 LW. Vergessen Sie nicht, die Einstellung wieder zurückzusetzen, denn die Kamera merkt sich, dass sie nicht blitzen soll. Wenn bei Ihrer Spiegellosen das Licht zu schwach wird für den AF, können Sie die manuelle Scharfstellung durch Focus Peaking (siehe Seite 211 und Seite 614) oder 100-%-Darstellung unterstützen lassen, wobei Letzteres manchmal zu unscharf und verschmiert wirkt, weil das Entrauschen des Livebilds zu viele Details entfernt. Dafür zeigt Ihnen der elektronische Sucher bei schwachem Licht ein helleres Bild als der optische Sucher. Mit dieser Ausrüstung sind Sie nun perfekt gerüstet, um etwa eine Hochzeit mit allen atmosphärischen Details einzufangen, großartige Porträts zu schießen oder ruhige Reportagen anzufertigen.

FF Abbildung 2.108 Eine Bootstour im Nächtlichen ­Amsterdam. Durch das Mitziehen der Kamera konnte der ISO-Wert niedrig bleiben.

35 mm | ƒ4 | 1/8 s | ISO 800 |   Bildausschnitt 30 % | Nikkor AI 35 mm/ƒ1,4

Raus in die Natur Für den Landschaftsfotografen ist ein Weitwinkelobjektiv mit sehr guter Schärfe oft die Standardbrennweite. Die Lichtstärke ist für ihn eher uninteressant, er will eine hohe Schärfentiefe verbunden mit einer guten Gesamtschärfe, und er arbeitet meist mit Blendenwerten zwischen ƒ8 und ƒ16. Ein Makroobjektiv mit einer Brennweite zwischen 90 und 105 mm und Offenblende ƒ2,8 erschließt den Nahbereich und fungiert gleichzeitig als scharfes Teleobjektiv. Ein Telezoom im Bereich 100–400 mm oder ein 70–200-mm-Zoom mit Zweifach-Telekonverter ermöglicht Detailaufnahmen oder Fernsichten. Wer sich auf Wildtiere und Vögel spezialisieren möchte und die nötigen Mittel hat, kann auch ein Supertele wie ein 600 mm/ƒ4 plus einen 1,4-fach-Telekonverter in Betracht ziehen. Günstiger und vielseitiger sind 150–600-mm-Zoomobjektive von Sigma oder Tamron. Für manche der angehenden Naturfotografen wird eine Kamera mit Cropfaktor und einem Objektiv mit kürzerer Brennweite eher in Frage kommen, auch weil das Gewicht einer solchen Lösung deutlich geringer ist.

Abbildung 2.109 E 35 mm Brennweite ermöglichten eine gute Übersicht über diese Landschaft im Anaga-Gebirge auf Teneriffa.

35 mm | ƒ7,1 | 1/250 s | ISO 100

2.6  Empfehlungen für Fotografentypen  |  181

Abbildung 2.110 E Diesen Reiher fing ich mit 600 mm Brennweite ein.

600 mm | ƒ5,6 | 1/1250 s | ISO 640 | Bildausschnitt 60 %

FF Abbildung 2.111 Eine Brennweite von 70 mm war etwas kurz, um diese Eidechse nicht zu verscheuchen. Extrem langsame Bewegungen und ein Bildausschnitt halfen.

70 mm | ƒ5 | 1/80 s | ISO 320 | Bildausschnitt

Abbildung 2.112 EE Fotografieren Sie den Siemensstern im Abstand der 50-fachen Brennweite. Die einzelnen Kreise markieren die Auflösungen 100, 50, 25 und 12,5 lp/mm (von innen nach außen). Abstandswerte und Auflösungswerte sind proportional zueinander, sodass Sie bei einer Abstandsverdopplung auch die Auflösungswerte verdoppeln können. Sie finden den Siemensstern auch als PDF-Datei zum Ausdrucken im Download-Bereich.

182  |  2  Objektive

2.6  Empfehlungen für Fotografentypen  |  183

kurz & bündig:  Objektive

HH Abbildung 2.113 Die weiche Unschärfe im Hintergrund trägt hier stark zum Reiz des Motivs bei.

100 mm | ƒ2,8 | 1/200 s | ISO 100

184  | 

KURZ & BÜNDIG:

Objektive

Moderne Digitalkameras stellen sehr hohe Ansprüche an die Objektivqualität. Eine Reihe von Abbildungsfehlern, die aus den Gesetzen der Optik folgen, macht den Objektivbau zu einer hohen Kunst. Der notwendige Aufwand lässt ein Objektiv schnell teurer als die Kamera werden, allerdings können Sie ein solches Objektiv auch oft einige Kameragenerationen lang einsetzen. Der technische Fortschritt hat auch die Einsteigerobjektive verbessert, und so können Sie auch mit einer günstigen Ausrüstung zu hervorragenden Ergebnissen kommen. Teurere Objektive machen sich bei Offenblende und in der verfügbaren Lichtstärke bezahlt. Auf Blende ƒ8 abgeblendet liefert nahezu jedes Objektiv eine gute Abbildungsqualität (selbst mein defektes 50-mm-Objektiv mit einem lockeren Linsenglied wurde bei Blende ƒ16 scharf). Der Trend geht dahin, Objektivfehler bereits in der Kamera oder später im Raw-Konverter beziehungsweise in der Bildbearbeitungssoftware aus dem Bild herauszurechnen. Das sollte möglichst automatisiert und abschaltbar erfolgen, denn sonst wird es schnell zu viel Arbeit, oder es verhindert, die Schwächen eines Objektivs bewusst als Gestaltungsmittel einzusetzen. Manche Objektive haben eine starke longitudinale chromatische Aberration (LoCA), die zu kräftigen Farbabweichungen in der Unschärfe führt. Das wird zwar in kaum einem Test berücksichtigt, kann sich in der Praxis aber sehr störend bemerkbar machen und ist in der Bildbearbeitung schlecht zu korrigieren. Deswegen ist es immer gut, ein Objektiv selbst auszuprobieren und beim Fachhändler in die Hand zu nehmen. Ein Auto würden Sie ja auch nicht nach Datenblatt kaufen, sondern immer Probe fahren. Die Ansprüche eines Fotografen ändern sich mit steigender Erfahrung, deswegen sollten Sie als Anfänger ruhig erst einmal nicht so viel Geld investieren, bis Sie die Grenzen Ihrer Standardausrüstung erreichen. Dann werden Sie auch wissen, für welche Bereiche Sie Ihre Objektive tatsächlich einsetzen. Ich selbst wollte als Anfänger vor allem den Telebereich erweitern, heute erstelle ich den Großteil meiner Aufnahmen mit Weitwinkel­ objektiven oder lichtstarken Festbrennweiten, und das Bokeh ist für mich eine der wichtigsten Objektiveigenschaften überhaupt geworden.

Die Objektive, die Sie verwenden, nehmen einen Einfluss auf Ihre Art zu fotografieren. Anfänger tendieren dazu, zu viel zu zoomen. Nutzen Sie ein paar Tage nur eine 50-mm-Festbrennweite und Sie werden danach auch mit Ihrem Zoomobjektiv bewusster umgehen. Wenn Sie mit hoher Lichtstärke arbeiten können, wird das Einfluss auf Ihre Bildkomposition haben, weil Sie die Schärfentiefe viel gezielter zur Blickführung verwenden können. Irgendwann werden Sie feststellen, dass Objektive eine »Seele« haben, weil die Summe ihrer Abbildungseigenschaften etwas erzeugt, was darüber hinausgeht und was direkt beteiligt ist an der emotionalen Wirkung eines Bildes.

Anregungen EE

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Nehmen Sie ein Motiv mit drei unterschiedlichen Brennweiten so auf, dass es gleich groß abgebildet wird. Vergleichen Sie die Ergebnisse. Besorgen Sie sich ein analoges Objektiv aus den 1980er Jahren oder früher, und adaptieren Sie es an Ihre Kamera. Für den Anfang eignen sich Objektive zwischen 50 und 58 mm Brennweite am besten, weil diese in großer Zahl verfügbar sind und oft einen sehr eigenen Charakter besitzen. Arbeiten Sie für eine Weile nur mit einem Objektiv, am besten einer Festbrennweite. Wenn Sie noch keine Festbrennweite haben, erwägen Sie den Kauf eines Normalobjektivs, dass kann auch ein altes und sehr günstiges sein. Erweitern Sie Ihren Weitwinkelbereich durch das Zusammenfügen mehrerer Aufnahmen als Panorama und Ihren Telebereich durch Ausschnitte aus Ihren Bildern. Testen Sie ein Objektiv mit einer Blendenreihe. Nicht um sich über seine Fehler zu ärgern, sondern um zu sehen, bei welcher Blende es am besten ist, wenn Sie einmal die optimale Qualität benötigen. Schauen Sie, ob es für Ihre Objektive und Ihre Kamera neue Firmware gibt, die das Zusammenspiel oder den Autofokus verbessert. Arbeiten Sie eine Weile ohne Autofokus. Schauen Sie, ob und wie sich Ihre Bildgestaltung dabei verändert. Verwenden Sie Objektivschwächen als bewusstes Stilmittel. Gerade Reflexionen innerhalb des Objektivs können die Bildstimmung verstärken. Vignettierung, Farbfehler oder Randunschärfen können ebenfalls als Gestaltungsmittel verwendet werden. Halten Sie Ihre Objektive einmal leicht schräg oder umgedreht an Ihre Kamera und nehmen Sie Bilder auf. Oft müssen Sie dabei erst in der Kamera einstellen, dass der Verschluss auch ausgelöst wird, wenn kein Objektiv angeschlossen ist.

KURZ & BÜNDIG:

Objektive  |  185

Kapitel 3:  Schärfe Ein großer Teil der technischen Aspekte der Fotografie hat mit dem Erzielen der richtigen Schärfe zu tun. Ob Sie die Verschlusszeit, die Blende oder den Fokus einstellen: Sie nehmen damit immer Einfluss auf die Schärfe. Selbst die Veränderung des ISO-Werts bleibt nicht ohne Folgen.

3.1  Auflösung und Nyquist-Grenze Schärfe wird durch das Zusammenspiel von Auflösung und Kontrast bestimmt. Der Begriff Auflösung beschreibt die Fähigkeit, sehr kleine Strukturen wiederzugeben. In der Digitalfotografie hängt die mögliche Auflösung von vielen Einflussfaktoren ab. Die Eigenschaften des Objektivs und des Sensors sind von zentraler Wichtigkeit, aber die eingestellte Blende oder die Eigenbewegung der Kamera beeinflussen ebenfalls das Auflösungsvermögen. Das Auflösungsvermögen wird gern mit einem Muster gemessen, das aus benachbarten schwarzen und weißen Linien mit sich verringernden Abständen besteht. Es gibt eine theoretische Grenze, über die eine Digitalkamera nicht hinauskommt: Für die Abbildung eines Linienpaares braucht man zwei Pixelreihen, eine für die weiße Linie, eine für die schwarze. Diese Grenze nennt sich NyquistGrenze oder Nyquist-Frequenz und wird in lp/mm (Linienpaaren pro Millimeter) ausgedrückt (siehe auch Kapitel 2, »Objektive«).

FFF Abbildung 3.1 Die kontrastreiche Schärfe der Biene ist bei diesem Motiv genauso wichtig wie die weiche Unschärfe des Hintergrunds. Das 70-mm-Makro­ objektiv wurde bei Offenblende verwendet.

70 mm | ƒ2,8 | 1/4000 s | ISO 400

FF Abbildung 3.2 Ein Testmuster von schwarz-weißen Linienpaaren mit unterschiedlicher Dicke. In einem Foto wird der Kontrast nach links hin abnehmen, weil Kamera und Objektiv an die Grenzbereiche ihrer Leistung kommen.

Ein Beispiel: Eine Sony α6400 hat eine Pixelauflösung von 6 000 × 4 000 Pixeln (24 MP) bei einer Sensorgröße von 23,5 × 15,6 mm, das ergibt eine Auflösung von 256,4 Pixeln pro Millimeter (4 000 ÷ 15,6 = 256,4). Die Nyquist-Grenze der Sony α6400 liegt folglich bei 128,2 lp/mm. Wenn Sie mit einer Sony α7S II fotografieren, verwenden Sie eine Auflösung von 4 240 × 2 832 Pixeln (12 MP) bei 35,6 × 23,8 mm, das ergibt 119 Pixel/mm und eine Nyquist-Frequenz von

3.1  Auflösung und Nyquist-Grenze  |  187

59,9 lp/mm. Das bedeutet, dass ein Objektiv an einer Sony α6400 eine doppelt so hohe Auflösung erreichen muss wie an einer α7S II, um den Sensor voll auszunutzen.

3.2  Kontrast An der Nyquist-Grenze wird keine Kamera mit einem noch so guten Objektiv ein schwarzweißes Linienpaar auch wirklich schwarzweiß abbilden können. Vielmehr wird der erreichbare Maximalkontrast mit steigender Auflösung immer weiter abnehmen, sodass sich eher ein Kontrast zwischen Dunkelgrau und Hellgrau ergeben wird. Abbildung 3.3 E Im Foto bleiben in den fein aufgelösten Bereichen nur Graustufen übrig, weil die leichte Unschärfe dem Kon­ trast schadet.

Um die Leistung eines Objektivs sinnvoll zu beschreiben, reicht also der Auflösungswert nicht aus, es ist auch wichtig, wie hoch der Kontrast bei welcher Auflösung ist. Diese Werte sind davon abhängig, wie weit man sich von der Sensormitte entfernt, denn es ist für ein Objektiv einfacher, einen Punkt in der Sensormitte scharf abzubilden als einen am Rand. Das hat mit dem Sensor selbst nichts zu tun, sondern nur mit dem Abstand des Punktes von der optischen Achse des Objektivs. Als Resultat erhält man eine Kurve, die sogenannte Modulations-Transfer-Funktion, kurz MTF-Kurve (siehe auch Seite 132). Hier ist zum Verständnis nur wichtig, dass Schärfe durch den erzielbaren Kontrast bei einem definierten Auflösungsvermögen beschrieben wird – und dass Sie für die optimale Schärfe in der Bildmitte und am Bildrand unterschiedlich stark abblenden müssen.

3.3  Schärfentiefe und Blende Wenn man von Schärfe spricht, stellt sich schnell die Frage, wo die Grenze zwischen scharf und unscharf liegt. Die Leistungsdaten einer modernen Systemkamera als Maßstab zu nehmen und pixelgenaue Schärfe zu fordern, würde einen schnell in den fotografischen Wahnsinn treiben. Die Ergebnisse wären auch eher

188  |  3  Schärfe

akademischer Natur, aber Ihre Fotos werden für Menschen gemacht und nicht für technische Geräte. In der Fachliteratur findet man Werte für das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges, die um 1 mm bei einer Entfernung von 3 Metern liegen. Sie können selbst ausprobieren, bis wohin Sie im Siemensstern von Seite 183 bei 3 Metern Entfernung die Linien noch unterscheiden können. Dann treten Sie heran und messen die Linienbreite an der entsprechenden Stelle. Wir gehen für die weitere Berechnung von 1 mm aus und kommen bei einer Bildentfernung von 3 Metern auch auf eine Bilddiagonale von 3 Metern, da der Betrachtungsabstand und die Bilddiagonale für den optimalen Eindruck gleich sein sollten. Wir erhalten so eine Bilddiagonale von 3 000 Pixeln und eine zu erreichende Gesamtauflösung von etwas über 4 Megapixeln. Diesen Wert sollten Sie im Hinterkopf behalten, wenn Sie wirklich perfekte Schärfe für Großvergrößerungen benötigen. In der Praxis rechnet man meist mit 1 500 Pixeln in der Diagonale. Welchen Zerstreuungskreisdurchmesser man als zulässig definiert und wo die Grenze zwischen scharf und unscharf verläuft, hängt auch von der gewünschten Abbildungsgröße ab und von der Annahme, über welches Auflösungsvermögen das Auge verfügt. Ein 13-×-18-cm-Abzug wird mit 1 500 Pixeln Auflösung in der Diagonalen perfekt scharf wirken, in der Praxis ärgern sich viele Fotografen aber über viel geringere Unschärfen. Bei einer Sony α7R III hätte ein Zerstreuungskreis von 1/1500 der Bilddiagonale bereits einen Durchmesser von über 6 Pixeln. Trotzdem wird das Bild auf einer Buchseite bei normalem Betrachtungsabstand noch scharf wirken. Für einen Galerie-Print im Großformat sollten Sie allerdings lieber mit 3 000 Pixeln rechnen, denn wenn der Betrachter an das Bild herantreten kann, um die Details besser zu erkennen, sind auch Auflösungen von bis zu 300  dpi sinnvoll. So würden beispielsweise die 42  MP der Sony α7R III bei 300 dpi in einer Größe von 67,3 × 44,9 cm ausgegeben. Dafür ist das Bild aber dann so hoch aufgelöst, dass das Auge beliebig nah herangehen kann und eine höhere Auflösung ihm nicht mehr Details offenbaren könnte.

Zerstreuungskreis In der Praxis wird ein Lichtpunkt nie absolut punktförmig abgebildet, sondern immer als ein Zerstreuungskreis. Die Zerstreuung ergibt sich durch Objektiv- oder Beugungsunschärfe, durch die Fokussierung auf einen anderen Entfernungsbereich oder durch den AA-Filter.

Abbildung 3.4 E Hier habe ich durch einen engen Maschendrahtzaun fotografiert; wegen der offenen Blende ist das Motiv davon nicht beeinträchtigt, der Zaun zeigt sich aber in den unscharfen Lichtpunkten des Hintergrunds.

100 mm | ƒ3,5 | 1/500 s | ISO 400

3.3  Schärfentiefe und Blende  |  189

Abbildung 3.5 EE Der DJ Kill Emil bei der Arbeit. Die weit geöffnete Blende betont den Eindruck des schwachen Lichts. Der geringe Schärfebereich bildet einen reizvollen Kontrast mit unscharfen Lichtern im Hintergrund.

85 mm | ƒ1,2 | 1/80 s | ISO 12800

Abbildung 3.6 E Beim Abblenden (blau) bleiben die Lichtstrahlen über einen weiteren Bereich innerhalb der Schärfegrenze beziehungsweise innerhalb des zulässigen Zerstreuungskreisdurchmessers (Z) als bei Offenblende (orange). Überschreitet die Abbildung eines Punktes auf dem Sensor einen bestimmten Durchmesser, so erscheint die Abbildung unscharf. In diesem Beispiel ist die Abbildung bei Offenblende auf der Sensorebene leicht unscharf, abgeblendet aber scharf genug.

190  |  3  Schärfe

Wenn Sie mit einer Kompaktkamera oder einem Smartphone fotografieren, scheint sich die Schärfe meistens von vorn bis hinten durch den gesamten Bildraum zu erstrecken. Sobald Sie aber eine Kamera mit einem größeren Sensor in die Hand nehmen, merken Sie, dass sich die Schärfe immer nur in einem bestimmten Bereich befindet und es, je nach Fokussierung, davor und dahinter wieder unscharf wird. Dieser Bereich heißt Schärfentiefe. Genauer ausgedrückt, ist die Schärfentiefe der Bereich der Objektentfernung, der auf der Sensorseite innerhalb des zulässigen Zerstreuungskreisdurchmessers abgebildet wird, sodass die Abbildung noch scharf erscheint. Dieser Bereich wird größer, je weiter Sie das Objektiv abblenden. Dazu schauen wir uns die Bildseite zwischen Blende und Sensor an (Abbildung 3.6). Beim orangefarbenen Strahlenbündel habe ich mit Offenblende fotografiert, das Motiv liegt weiter im Fernbereich, als das Objektiv scharf gestellt ist, und so trifft sich das Strahlenbündel vor der Sensorebene. Auf der Sensorebene ist das Strahlenbündel bereits größer als der zulässige Zerstreuungskreis (Z), also erscheint dieser Punkt des Motivs unscharf. Anders beim blauen Strahlenbündel: Obwohl der Fokus gleich bleibt, trifft das Strahlenbündel den Sensor, während es noch kleiner als der zulässige Zerstreuungskreis ist. Der Punkt erscheint also scharf. Der einzige Unterschied ist, dass hier abgeblendet wurde. Der Strahlenkegel ist so insgesamt schmaler und bleibt über einen größeren Bereich innerhalb des Zerstreuungskreisdurchmessers. Auf der Motivseite entspricht dies einem deutlich größeren Entfernungsbereich, innerhalb dessen alles als scharf wahrgenommen wird. Die Schärfentiefe steigt also mit dem Abblenden an.

Z

3.3  Schärfentiefe und Blende  |  191

Abbildung 3.7 Bei dieser Aufnahme beträgt die Schärfentiefe nur gut sechs Millimeter.

HH

50 mm | f1,2 | 1/100 s | ISO 100 | Entfernung 50 cm

192  |  3  Schärfe

Aus der Auflösungsgrenze des Auges (siehe Seite 44) folgt, dass ein Punkt, der einen Durchmesser von 1/1500 der Sensordiagonale hat, auf dem gedruckten Bild noch als scharf wahrgenommen wird. Unter dieser Voraussetzung vergleichen wir die Schärfentiefe einer Vollformatkamera mit der einer APS-C-Kamera, die einen 1,6-mal kleineren Sensor hat. Für die Vollformatkamera ergibt sich ein zulässiger Zerstreuungskreisdurchmesser von 0,028 mm, bei APS-C sind es 0,018 mm. Als Objektiv wählen wir für die Vollformatkamera ein 50 mm/ƒ1,4 und für die APS-C-Kamera das Objektiv, das diesem in Blende und Bildwinkel möglichst gut entspricht: 30 mm/ƒ1,4. Wenn Sie sich Tabelle 3.1 anschauen, sehen Sie, dass Sie bei einer APS-CKamera knapp zwei Blenden weiter aufblenden müssen, um eine ebenso geringe Schärfentiefe wie bei einer Vollformatkamera zu erzielen (siehe die beiden fett gedruckten Werte in der Tabelle). Oder andersherum ausgedrückt: Die Trennung des Motivs vom Hintergrund durch eine geringe Schärfentiefe gelingt umso besser, je größer das Sensorformat ist.

Blende

Schärfentiefe bei einem Vollformatsensor (42 mm Sensordiagonale)

Schärfentiefe bei einem APS-C-Sensor (27 mm Sensordiagonale)

Bereich

Ausdehnung

Bereich

Ausdehnung

ƒ1,4

1,95 m – 2,07 m

12 cm

1,90 m – 2,12 m

22 cm

ƒ2

1,93 m – 2,10 m

17 cm

1,85 m – 2,17 m

32 cm

ƒ2,8

1,89 m – 2,14 m

24 cm

1,80 m – 2,25 m

45 cm

ƒ4

1,85 m – 2,20 m

35 cm

1,73 m – 2,37 m

64 cm

ƒ5,6

1,79 m – 2,29 m

50 cm

1,64 m – 2,57 m

93 cm

ƒ8

1,71 m – 2,44 m

73 cm

1,52 m – 2,92 m

1,4 m

ƒ11

1,62 m – 2,65 m

1,03 m

1,40 m – 3,53 m

2,13 m

ƒ16

1,49 m – 3,10 m

1,61 m

1,23 m – 5,41 m

4,18 m

ƒ22

1,36 m – 3,89 m

2,53 m

1,07 m – 15,02 m

13,95 m

GG Tabelle

Hyperfokale Entfernung Wenn Sie eine möglichst große Schärfentiefe bis in den Unendlich-Bereich erzielen möchten (zum Beispiel in der Landschaftsfotografie), sollten Sie nach hinten keinen Schärfebereich verschwenden, sondern so fokussieren, dass »Unendlich« gerade noch in der Schärfentiefe liegt. So erhalten Sie nach vorn das Optimum an Schärfentiefe. Die Distanz, auf die Sie dann scharfstellen müssen, nennt sich die hyperfokale Entfernung. Das ist der Punkt, ab dem die Schärfe bei gewählter Blende gerade eben in den Unendlich-Bereich ragt. Bei einer Vollformatkamera, 50 mm Brennweite und Blende ƒ22 müssen Sie also die Entfernung auf gut 4 Meter einstellen. So erstreckt sich die Schärfentiefe nach hinten gerade eben bis Unendlich. Da die Schärfentiefe vom Fokuspunkt natürlich auch nach vorn reicht, erhalten Sie so von knapp 1,4 m bis Unendlich alles scharf. Bei 30 mm Brennweite an einer Kamera mit APS-C-Sensor bekommen Sie bei einer Einstellung auf 2,3 Meter eine durchgängige Schärfe von gut einem Meter bis Unendlich. In der Praxis werden Sie natürlich kein Objektiv auf exakt 44,69 m einstellen können, aber falls Ihr Objektiv eine Entfernungsskala besitzt, können Sie den Nahpunkt (d. h. den vordersten Punkt, der noch in der Schärfe liegen soll) einstellen und dann die Entfernung genau auf die Mitte zwischen diesem Punkt und Unendlich stellen. Blenden Sie dann so weit ab, dass die Schärfentiefe ausreicht, was Sie ebenfalls an der Skala sehen können.

3.1 Um eine ähnliche Schärfentiefe zu erreichen, müssen Sie bei einer APSC-Kamera viel weiter aufblenden, z. B. von ƒ5,6 auf ƒ2,8. Links zu den verwendeten Formeln und einem Online-Schärfentieferechner finden Sie unter https://links.westbild.de.

Hyperfokaldistanz berechnen Wenn Sie die hyperfokale Entfernung selbst berechnen wollen, verwenden Sie diese Formel:

Sh =

f2 N × du

+

f

Sh: hyperfokale Entfernung f: Brennweite N: Blende du: Zerstreuungskreisdurchmesser

3.3  Schärfentiefe und Blende  |  193

Blende

GG Abbildung

3.8 Bei diesem 24-mm-Objektiv wurde die Unendlich-Marke auf den Schärfentiefestrich von Blende ƒ11 gestellt. Die Schärfe reicht dann von ca. 1 m bis Unendlich. Die verwendete hyperfokale Entfernung, auf der nun der Fokus liegt, liegt bei etwa 2,5 m.

50 mm an Vollformatkamera

30 mm an APS-C-Kamera

ƒ1,4

63,83 m

35,74 m

ƒ2

44,69 m

25,03 m

ƒ2,8

31,94 m

17,89 m

ƒ4

22,37 m

12,53 m

ƒ5,6

15,99 m

8,96 m

ƒ8

11,21 m

6,28 m

ƒ11

8,17 m

4,58 m

ƒ16

5,63 m

3,16 m

ƒ22

4,11 m

2,30 m

GG Tabelle

3.2 Vergleich der hyperfokalen Entfernungen bei Vollformat- und APS-C-Sensoren nach Blende: Es wurde jeweils eine Brennweite mit vergleichbarem Bildwinkel gewählt.

Das funktioniert natürlich auch mit einem anderen Fernpunkt als Unendlich, wenn Sie zum Beispiel nur alles zwischen 3 und 4 Metern scharf haben möchten. Wenn Sie bei der Aufnahme etwas Zeit haben, können Sie auch einen Schärfentieferechner auf Ihrem Smartphone einsetzen; wenn es schnell gehen muss, können Sie eine Blendenreihe aufnehmen. In der Zeit- oder Blendenautomatik können Sie dann meist mit einem Rädchen schnell unterschiedliche Blendeneinstellungen verwenden.

FF Abbildung

3.9 Bei 16 mm Brennweite und ƒ13 ist von 33 cm bis Unendlich alles scharf, wenn Sie auf die hyperfokale Entfernung von in diesem Fall 67 cm scharfstellen.

194  |  3  Schärfe

Unschärfe im Sucherbild Eine Tatsache, der sich nicht alle Fotografen bewusst sind, ist, dass sie die unscharfen Bereiche im Sucher einer Spiegelreflexkamera nicht genau beurteilen können. Machen Sie doch einmal folgenden Test: EE Nehmen Sie ein lichtstarkes Objektiv, und belassen Sie es auf der Offenblende. Heften Sie eine Zeitung an die Wand, oder schreiben Sie einen großen Text auf den Monitor. EE Fokussieren Sie manuell so, dass Sie den Text gerade noch erahnen können, und lösen Sie dann aus. EE Schauen Sie sich das Bild an. Sie werden feststellen, dass die Unschärfe der Abbildung stärker ist als im Sucher. Versuchen Sie dann, so weit abzublenden, dass das Sucherbild dem Foto entspricht.

1

Wie kommt es zu diesen abweichenden Ergebnissen? Eigentlich müsste das Foto dem Sucherbild entsprechen, wenn eine Mattscheibe eingesetzt wird, auf die das Bild genauso wie auf den Sensor projiziert wird. Genau hier liegt aber

3

2

GG Abbildung 3.10 Der Testtext 1 , der Eindruck im Sucher 2 und das tatsächliche Foto 3 (35 mm, ƒ1,4), das deutlich unschärfer ist. Um dem Sucherbild zu entsprechen, musste auf Blende ƒ4 abgeblendet werden.

FF Abbildung 3.11 Dieses Bild wirkte im Sucher viel schärfer als in der fertigen Aufnahme. Die riesige Blendenöffnung eines 300-mm-Objektivs mit Blende ƒ2,8 (hier mit 1,4x-Extender verwendet) erlaubt sehr große Unschärfekreise, aber das Auge blendet das Sucherbild weiter ab, weil die Mattscheibe einer DSLR das Licht durch Mikrolinsen schickt, statt wirklich matt zu sein.

420 mm | ƒ4 | 1/400 s | ISO 800

195

die Lösung des Rätsels, denn die Mattscheibe ist gar nicht matt, sondern besteht aus winzigen Linsen, die das Licht zum Sucher leiten. Dadurch wirkt sie extrem hell, weil ein Großteil des einfallenden Lichts im Auge ankommt. Sie erfüllt auch ihren Zweck, die scharfen Bildbereiche sichtbar zu machen. Ihr Auge aber wird so zu einem Teil des optischen Systems: In Ihrer Iris wird ein zweites Mal abgeblendet, und die unscharfen Bildbereiche erscheinen schärfer, als sie sind. Wenn Sie also zum Beispiel im Makrobereich das Bild mit der Unschärfe komponieren wollen, bekommen Sie im Live-View-Modus eine exaktere Rückmeldung als über den Sucher. Einige spiegellose Kameras (z. B. Canon EOS R) verwenden aber nicht die Arbeitsblende zur Vorschau, sondern diejenige, die aufgrund der Helligkeit und des verwendeten Objektivs gerade technisch am besten passt. Hier müssen Sie also die Abblendtaste verwenden, um vor der Aufnahme eine korrekte Schärfenvorschau zu erhalten. Alternativ können Sie auch eine Aufnahme machen und sie sich in der Rückschau ansehen, mit dem Vorteil, dass Sie auch in Ruhe hineinvergrößern können.

3.4  Beugungsunschärfe Dass die Abbildungsleistung von Objektiven nicht immer besser wird, je weiter man abblendet, liegt an der Beugungsunschärfe, die umso stärker wird, je kleiner das Loch ist, durch das das Licht muss. Leider kann man nicht einfach ein besseres Objektiv bauen, um die Beugungsunschärfe loszuwerden, denn die Beugungsunschärfe ist ein Naturgesetz. Das Einzige, was Sie tun können, ist, nicht zu weit abzublenden. Ungefähr ab Blende ƒ11 kommen Sie bei einer Vollformatkamera in den Bereich, ab dem die Beugungsunschärfe eine Rolle zu spielen beginnt. Bei einer Kompaktkamera mit einem sehr kleinen Sensor kann die Beugung schon ab Blende ƒ4,5 sichtbar werden. Blende ƒ22 stellt im Einzelfall immer noch einen guten Kompromiss zwischen Schärfentiefe und Beugungsunschärfe dar. Bei noch kleineren Blendenöffnungen werden die Unschärfen stark sichtbar. Das Beispielbild links bei Blende ƒ32 ist praktisch nur noch zur Demonstration der Beugungsunschärfe zu gebrauchen. Wann die Beugungsunschärfe sichtbar wird, hängt auch von der Auflösung des Sensors ab. Es gibt eine gute Faustformel, die besagt, dass der Blendenwert, ab dem die Beugungsunschärfe eine Zunahme der Auflösung begrenzt, bei dem doppelten der Pixelgröße in μm liegt. Ein Rechenbeispiel: Eine Nikon Z7 hat 8 256 × 5 504 Pixel Auflösung (45,4 MP) auf 35,9 × 23,9 mm Sensorgröße.

196  |  3  Schärfe

GG Abbildung

3.12 Die Bildausschnitte zeigen das Ergebnis von ƒ5,6 (links) und ƒ32 (rechts). Bei ƒ32 wird das Bild deutlich weicher, kleine Details verschwinden und die Lichter bilden Überstrahlungen, die Beugungsunschärfe ist deutlich wahrnehmbar. Das Gesamtbild wurde mit ƒ32 aufgenommen, das Licht auf der Scheibe überstrahlt deswegen deutlich.

Links und rechts: 55 mm | ƒ32 | 1,3 s | ISO 400   Mitte: 55 mm | ƒ5,6 | 1/15 s | ISO 400

0,0359 m ÷ 8 256 sind 0,00000435 m = 4,35 μm. Diese Zahl mal zwei genommen ergibt 8,7 – also grob ƒ9. Ab Blende ƒ9 wird also das Bild einer Nikon Z wieder leicht unschärfer, umso mehr, je weiter Sie noch abblenden. Es gibt aber einen Ausweg aus dem Dilemma zwischen größerer benötigter Schärfentiefe und zu großer Beugungsunschärfe: Sie können Bilder mit verschiedenen Schärfeebenen zusammenrechnen; die Technik nennt sich Focus Stacking und wird auf Seite 541 an einem praktischen Beispiel gezeigt.

3.5  Verwackeln Die Bewegung der Kamera selbst kann während der Aufnahme ein Bild unscharf machen. Auch der beste Fotograf kann eine Kamera nicht vollkommen ruhig halten, denn der Körper führt immer leichte Bewegungen aus, um im Gleichgewicht zu bleiben. Es gibt eine alte Faustregel, die besagt, dass man eine Verschlusszeit, die dem Kehrwert der Brennweite entspricht, noch ruhig halten kann. Das bedeutet, dass bei einem 35-mm-Objektiv ungefähr 1/30 s Verschlusszeit noch zu scharfen Bildern führt. Bei 300 mm Brennweite sollte es aber mindestens 1/250 s sein.

3.5  Verwackeln  |  197

Die richtige Körperhaltung Die richtige Körperhaltung ist ebenfalls wichtig für die Schärfe bei längeren Verschlusszeiten. Halten Sie die Kamera mit beiden Händen, die Ellenbogen bleiben am Körper und die Füße stehen etwas auseinander. Halten Sie die Luft an, nachdem Sie gerade einoder ausgeatmet haben, und drücken Sie den Auslöser sanft durch. Ich mache gern unmittelbar danach noch eine Belichtung, weil das die Chancen auf ein scharfes Bild verdoppelt und weil manchmal die Anspannung nach der ersten Aufnahme geringer ist.

Diese Werte beruhen auf relativ altmodischen Schärfeanforderungen (eine aktuelle Systemkamera zeichnet mindestens das Vierfache an Details im Vergleich zum Diafilm auf), sodass Sie ruhig ein bis zwei Stufen kürzer belichten können, sofern Sie die Möglichkeit dazu haben. Wenn Sie keine Wahl haben, können Sie auch längere Zeiten aus der Hand halten und mehrere Aufnahmen hintereinander machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass trotzdem eine brauchbar ist, ist gerade bei kürzeren Brennweiten hoch. Kameras mit einer Auto-ISO-Funktion wenden die Regel an, indem sie die ISO-Zahl abhängig von Brennweite und Verschlusszeit verändern. Bei den meisten Kameras lässt sich die Auto-ISO-Einstellung aber anpassen. Gerade bei APSC-Kameras müssten Sie die tatsächliche Brennweite ohnehin mit 1,6 multiplizieren, um die Kehrwertregel für das verwacklungsfreie Fotografieren anwenden zu können. Denn erst dann haben Sie den gleichen Bildwinkel und damit auch die gleiche Verwacklungsgefahr wie bei einer Vollformatkamera. Falls das Objektiv oder die Kamera über einen guten Bildstabilisator verfügt, können Sie bis zu fünf Blendenstufen längere Verschlusszeiten riskieren, ohne zu verwackeln (gegen die Bewegung des Motivs hilft der Stabilisator aber natürlich nicht). So sind sogar Bilder mit einem 100-mm-Objektiv mit 0,4 s noch aus der freien Hand möglich.

FF Abbildung

3.13 Diese Aufnahme habe ich mit 1/6 s Verschlusszeit aus der Bewegung heraus geschossen. Sie ist nicht scharf, fängt aber trotzdem die Stimmung ein.

35 mm | ƒ4 | 1/6 s | ISO 800

198  |  3  Schärfe

3.6  Bewegungsunschärfe Jedes sich bewegende Motiv legt innerhalb der Verschlusszeit eine bestimmte Strecke zurück. Sie können mit der Wahl der Verschlusszeit entscheiden, ob das im Foto sichtbar ist oder nicht. Ein Auto mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h legt in 1/8000 s nur 3,5 mm Wegstrecke zurück. Wenn Sie das Auto ganz abbilden, reicht diese geringe Bewegung nicht aus, um im Foto einen Bewegungseindruck zu erzeugen. Das Auto wirkt eingefroren. Ganz anders bei 1/15 s Verschlusszeit: Der Wagen bewegt sich in dieser Zeit um 1,85 Meter nach vorn und wirkt völlig verwischt. Mit der Verschlusszeit steuern Sie also den Eindruck der Bewegung. Eine leichte Unschärfe kann die Dynamik eines bewegten Motivs stark erhöhen. Oft kommt man aber zu einem interessanteren Ergebnis, wenn das Motiv selbst scharf bleibt und der Hintergrund verwischt ist. Manchmal haben Sie auch die Möglichkeit, die Kamera (mit eingestellter langer Verschlusszeit) am Motiv zu befestigen, wie Sie es zum Beispiel bei einem Segelboot machen können, das dann durch die Wellen schneidet. In der professionellen Autofotografie benutzt man Ausleger, die etwa mit dem Auto verschraubt werden, sodass sich die Kamera synchron mit dem fotografierten Wagen mitbewegt. Eine viel einfachere Technik ist das Mitziehen. Sie schwenken die Kamera mit dem sich vorbeibewegenden Motiv mit und fotografieren mit einer etwas längeren Verschlusszeit. Das geht am einfachsten mit etwas längeren Brennweiten, weil sich dann das Motiv perspektivisch nicht so stark verändert. Auch ein Bildstabilisator ist von Vorteil, der sich aber vor dem Auslösen erst auf die Bewegung eingestellt haben muss, sodass er nicht mehr versucht, sie auszugleichen. Nehmen Sie das Motiv also mit halb gedrücktem Auslöser ins Visier und bewegen Sie die Kamera etwas mit, bevor Sie auslösen. Die richtige Verschlusszeit hängt natürlich von der Geschwindigkeit und dem gewünschten Bildergebnis ab. Fangen Sie mit Verschlusszeiten zwischen 1/8 s und 1/30 s an, und überprüfen Sie die Ergebnisse.

GG Abbildung 3.14 Hier habe ich die Kamera mit 1/50 s Verschlusszeit mitgezogen.

318 mm | ƒ5,6 | 1/50 s | ISO 6 400 | Bildausschnitt

3.6  Bewegungsunschärfe  |  199

GG Abbildung

3.15 In dieser Aufnahme wirkt jede Bewegung wie eingefroren, die Wassertropfen stehen in der Luft.

400 mm | ƒ7,1 | 1/2000 s | ISO 500 | Bildausschnitt

Wenn die kürzeste Verschlusszeit der Kamera nicht ausreicht, hilft nur noch Blitzlicht. Die Blitzdauer ist allerdings nur bei sehr geringen Blitzleistungen deutlich kürzer als die 1/8000 s, die Systemkameras heute maximal liefern können. Mit dem elektronischen Verschluss bei der Sony α9 ist allerdings 1/32000 s realisierbar. Bei voller Leistung leuchtet ein Kamerablitz wie das Canon-Speedlite 600EX-RT II für etwa 1/800 s. Bei 1/128 der Leistung liegt die Abbrenndauer aber bei ca. 1/35000 s. Wer noch kürzere Zeiten benötigt, muss auf spezielles Equipment zurückgreifen. Wenn Sie das Thema Ultrakurzzeitfotografie interessiert, sollten Sie sich die Arbeiten von Harold E. Edgerton ansehen, einem Pionier des HighspeedBlitzens. Das Buch »Stopping Time« ist leider nicht mehr verfügbar, aber über eine Bildsuche im Internet nach »Harold Edgerton« werden Sie einen großen Teil seiner Arbeiten finden. Mit Blitzlicht können Sie Dinge sichtbar machen, die Sie niemals mit bloßem Auge erfassen könnten – und das auch mit Hausmitteln, die den meisten Amateurfotografen zur Verfügung stehen. Das Schöne an der Digitalfotografie ist, dass Sie mit jedem Bild sofort eine Rückmeldung über die Bildqualität bekommen. Sie können so im laufenden Prozess die Einstellungen immer mehr verfeinern, selbst wenn Sie im Sucher vom tatsächlichen Bild nicht das Leiseste erahnen.

HH Abbildung 3.16 Die Bewegung muss sich nicht nur auf das Motiv beschränken, hier habe ich aus dem fahrenden Auto heraus fotografiert (natürlich vom Beifahrersitz). Das Bild ist an keiner Stelle wirklich scharf, aber der Bewegungseindruck ist dadurch noch stärker.

18 mm | ƒ5,6 | 1/6 s | ISO 200 | APS-C

200  |  3  Schärfe

3.7  Autofokus (AF) Die Technik der automatischen Scharfstellung auf das Motiv nennt man Autofokus. Schon in den 1970er Jahren gab es Kameras mit Autofokus. Die Polaroid-SX70-Sofortbildkamera sendete zum Beispiel einen Ultraschallimpuls aus und maß die Zeit, die er benötigte, um vom Motiv reflektiert zu werden. Fledermäuse orientieren sich in ähnlicher Weise, und auch das Echolot in Schiffen nutzt dieses Prinzip. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass sie auch in völliger Dunkelheit funktioniert und damals viel schneller war als die alternativen Methoden. Ein Nachteil ist, dass die Kamera natürlich immer auf das am nächsten liegende Detail fokussiert, was nicht in jedem Fall das Motiv sein muss. Auch die heute hauptsächlich verwendete optische Methode des Phasenvergleichs gab es damals schon. Sie steckte damals aber noch so sehr in den Kinderschuhen, dass ein Scharfstellungsvorgang mehrere Sekunden dauern konnte und die Technik als out of focus (unscharf) verspottet wurde. In einer DSLR finden sich heute meist zwei verschiedene Methoden zur Schärfebestimmung: eine schnelle, die nur funktioniert, wenn der Spiegel heruntergeklappt ist, und eine manchmal langsamere für den Live-View-Modus. Wobei die Methode im Live-View-Modus inzwischen deutlich schneller geworden ist, weil das Prinzip der Messung über den Spiegel auf den Sensor übertragen wurde. Die letzte Generation der spiegellosen Systemkameras ist den DSLRs

AF-Hilfslicht Wenn Sie in dunklen Räumen oder bei Nacht fotografieren, kann das Autofokus-Hilfslicht eines externen Blitzgerätes eine deutliche Hilfe für das schnelle Scharfstellen einer DSLR sein. Ich selbst benutze das AF-Hilfslicht recht häufig, stelle den Blitz über die Kamera aber meistens so ein, dass er nur das AF-Hilfslicht aussendet und nicht blitzt. An spiegellosen Kameras funktioniert die Technik nicht, manche verwenden ein weißes oder oranges Hilfslicht

FF Abbildung 3.17 Diese Aufnahme beleuchtete ich mit zwei auf die kleinste Leistungsstufe eingestellten Blitzen mit jeweils einer Farbfilterfolie. Sie zeigt die Wassertropfen unter einem Duschkopf.

100 mm | ƒ9,5 | 1/200 s | ISO 800 | APS-C | Makroobjektiv

3.7  Autofokus (AF)  |  201

GG Abbildung

3.18 Die Canon EOS 5DS verfügt über 61 AF-Punkte, die sich recht weit über das Sucherbild verteilen. Bei APS-CKameras ist die Sucherabdeckung oft noch größer, weil der kleinere Sensor dies technisch einfacher macht.

im AF mindestens ebenbürtig, dass Sportfotografen trotzdem noch meist DSLRs verwenden, liegt an dem völlig verzögerungsfreien optischen Sucher, der besseren Verfügbarkeit von Superteles und der Robustheit der Profibodies. Das wird sich aber bald ändern. Nicht verschwiegen werden sollen exotische Methoden der Schärfeerfassung. Die Panasonic GX9 durchfährt den gesamten Fokusbereich und speichert die Einzelbilder als 8-MP-Video ab, aus dem sich der Anwender dann eine Schärfeposition aussuchen und als Foto exportieren kann (4 K Post-Focus). Plenoptische Kameras wie z. B. die Lytro Illum nehmen das Motiv über ein Linsengitter auf, das die Lichtstrahlen auf verschiedene Sensorpunkte verteilt. Die Kamera kann so auch die Richtung des Lichtstrahls erfassen, sodass die Schärfeebene und auch die Schärfentiefe nachträglich festgelegt werden können. Der Nachteil der Methode ist, dass sich die nutzbare Auflösung des Sensors dabei stark verkleinert – so bleiben bei der Lytro Illum nur 4 MP nutzbare Bildinformation für ein Foto übrig. Lytro erweiterte deswegen diese Technik in den High-End-Bereich und bot professionelle Videokameras für die Kinoproduktion an, deren 755-MPSensoren auch hochauflösende 3D-Videoerfassung ermöglichten. Das bewahrte die Firma aber auch nicht vor der Pleite.

Phasenvergleich GG Abbildung

3.19 Zum Vergleich der Fokusbereich der Canon EOS R. Nur an den hier abgedunkelten Seitenrändern lässt sich das Fokusfeld nicht positionieren, der Fokusbereich umfasst 88 % des Bildes.

Abbildung 3.20 E Der AF-Sensor der Canon EOS 7D Mark II ermöglicht einen schnellen Autofokus mit 65 AF-Punkten. (Bild: Canon)

202  |  3  Schärfe

Beim Phasenvergleich bei einer DSLR fällt das Licht durch den halbtransparenten Spiegel auf einen Hilfsspiegel, der das Licht nach unten in die AF-Einheit ablenkt. Das Licht wird dann durch ein optisches System geteilt und auf jeweils einen lichtempfindlichen Sensor geworfen. Die beiden resultierenden Teilbilder werden miteinander verglichen, und aus dem Vergleich berechnet die AF-Einheit, in welche Richtung und wie weit der Fokus verändert werden muss. Das Prinzip ähnelt ein wenig dem Schnittbildindikator, der früher das Scharfstellen bei manuellen Spiegelreflexkameras erleichterte. Es gibt auch Kameras, die einen Phasenvergleich direkt auf dem Bildsensor durchführen können, dieses Prinzip erläutere ich auf der übernächsten Seite im Abschnitt »Hybrid-AF«. Die Sensoren unterscheiden sich in Linien- und Kreuzsensoren. Liniensensoren können nur Strukturen erkennen, die senkrecht zu ihnen liegen, Kreuzsensoren messen auch in der orthogonalen Achse

1 Schärfeebene

Objektiv

Sensorebene

Trennlinsen

AF-Sensor

2 Ausgangssignal:

Bildabstand bei korrekter Scharfstellung GG Abbildung

3.21 Der Phasen-AF bestimmt die Schärfe über den Abstand zweier Teilbilder. Anhand des Abstandes werden die Richtung und die Stärke der notwendigen Fokussierung errechnet.

GG Abbildung

3.22 Die AF-Einheit 2 befindet sich unter dem Spiegelkasten. Ein Hilfs­ spiegel 1 hinter dem halbdurchläs­ sigen Hauptspiegel reflektiert das Licht nach unten in die AF-Einheit.

und sind somit genauer und zuverlässiger. Viele DSLRs, wie die Canon EOS 7D Mark II, setzen nur noch Kreuzsensoren ein. Um zuverlässig zu arbeiten, benötigen diese Sensoren aber eine gewisse Beleuchtungsstärke und eine relativ große Offenblende. Blende ƒ2,8 oder weniger ist ideal, Blende ƒ5,6 oder weniger noch gut, und ab Blende ƒ8 läuft das System Gefahr, überhaupt nicht mehr zu funktionieren. Kameras ab 2016 können oft noch etwa 1/3 der AF-Sensoren bei ƒ8 verwenden. Meistens ist der Phasenvergleichs-AF schnell, genau und mit moderner Software erstaunlich exakt bei der Voraussage des Schärfepunktes bewegter Motive. Wenn der Spiegel nicht genau justiert ist, stimmt aber das ganze System nicht mehr, und der Autofokus liegt bei allen Objektiven falsch. Ebenso muss sich das System auf ein vorhersehbares Verhalten des Objektivs verlassen können. Die Schärfe wird extrapoliert und das Objektiv, gerade bei bewegten Motiven, auch dann noch fokussiert, wenn der Spiegel schon hochgeklappt ist und das AF-System das Endergebnis nicht mehr kontrollieren kann. Wenn ein Objektiv nun einen anderen Schärfeverlauf hat, als die Kamera erwartet, liegt der AF nur bei diesem Objektiv falsch. Der Fokus weicht meist in dieselbe Richtung ab; man spricht dann von einem Frontfocus (die Schärfe liegt vor dem Motiv) oder einem Backfocus (die Schärfe liegt dahinter). Früher waren Front- und Backfocus ein Fall für den Service, heute können Sie bei einer modernen DSLR selbst Korrekturfaktoren für alle oder für einzelne Objektive festlegen.

3.7  Autofokus (AF)  |  203

Kontrastmessung

1 GG Abbildung

3.23 Bei Canons Dual Pixel CMOS AF ist jedes Pixel zweigeteilt 1 , um mit zwei Halbbildern einen Phasen-AF auf dem Sensor durchführen zu können. Das funktioniert deswegen, weil beide Pixelhälften durch die Mikrolinse davor in einem unterschiedlichen Bereich durch das Objektiv »schauen«. (Bild: Canon)

Die zweite Methode nutzt direkt den Bildsensor zur Schärfemessung, sie berechnet den Kontrast des Live-View-Bildes bei sich veränderndem Fokus. Wenn der Kontrast steigt, steigt auch die Schärfe. Sinkt der Kontrast wieder, war kurz zuvor das Maximum erreicht. Einige Systemkameras können auch Phasenmessung auf dem Sensor (Sony, Canon, Nikon, Olympus, Fujifilm), andere verwenden bislang ausschließlich die Kontrastmessung (Panasonic, Leica, Sigma). Die Kontrastmessung ist oft deutlich langsamer als der Phasenvergleichs-AF. Spiegellose Kameras wie z. B. die Panasonic-Lumix-G-Reihe erreichen aber mit der Kontrastmessung eine vergleichbare Geschwindigkeit wie andere mit dem Phasen-AF, die Panasonic S1 und S1R sind allerdings langsamer als die Vollformat-Konkurrenz mit Phasen-AF. Wenn die Schärfe direkt auf dem Bildsensor gemessen wird, ist der AF recht zuverlässig. Alle Methoden setzen aber einen gut unterscheidbaren Bildkontrast voraus, denn auf einer strukturlosen Fläche werden sie keinen Schärfepunkt finden können.

Hybrid-AF Der Phasen-AF hat große Vorteile bei der Geschwindigkeit des Autofokus sowie bei der Vorhersage der Schärfe bewegter Motive. Da er aber in seiner herkömmlichen Form das Licht vom Sensor über einen Spiegel ablenkt, steht er bei spiegellosen Kameras oder im Video-/Live-View-Modus der DSLRs nicht zur Verfügung. Verschiedene Kamerahersteller haben sich deshalb Lösungen einfallen lassen, trotz Live View eine Phasenmessung über den Sensor zu ermöglichen. Sony hat bei seiner SLT-Serie einen halbdurchlässigen festen Spiegel eingebaut, der einen Teil des Lichts in eine herkömmliche Phasen-AF-Messeinheit reflektiert und den größeren Teil auf den Sensor durchlässt. Canon hat z. B. bei der ersten EOS-M (eine spiegellose Systemkamera) spezielle Pixel auf dem Bildsensor verteilt, die nur einen Teil des Strahlengangs durch das Objektiv »sehen« können, weil sie gegen den anderen Teil abgeschattet sind. So entstehen niedriger aufgelöste Teilbilder, die sich mit der Phasenmethode vergleichen lassen. Diese Methode war aber immer noch nicht so schnell wie ein gewöhnlicher Phasen-AF. Canon ist aus diesem Grund seit der Einführung der EOS 70D noch einen Schritt weiter gegangen: Jedes Pixel wird nun aus zwei Halbpixeln zusammengesetzt, die jeweils eine Hälfte des Strahlengangs erfassen. Für die AF-Messung stehen so Halbbilder in voller Auflösung zur Verfügung, und für die Bildaufzeichnung werden die beiden Pixelhälften gemeinsam erfasst. Canon nennt diese Methode Dual-Pixel-CMOS-AF und setzt sie inzwischen auch bei

204  |  3  Schärfe

den professionellen DSLRs und Videokameras ein. Sie verbindet die Geschwindigkeit eines Phasen-AF mit der Genauigkeit der Messung auf der Sensorebene. Trotzdem haben die DSLRs mit Dual-CMOS-AF weiterhin einen herkömmlichen Phasen-AF für die Verwendung bei heruntergeklapptem Spiegel. Ein optischer Sucher hat nach wie vor einige Vorteile, gerade bei schwachem Licht, langen Brennweiten oder schnellen Bewegungen. Außerdem heizt sich der Sensor dann weniger auf, und die Kamera verbraucht weniger Strom. Die anderen Hersteller kommen mit weniger AF-Pixeln als Canon aus, erreichen aber zum Teil AF-Geschwindigkeiten auf dem Niveau der allerbesten Profi-DSLRs. Durch die Messung direkt auf dem Sensor ergeben sich auch Genauigkeitsvorteile für spiegellose Kameras.

Autofokusmodi Eine Sport- und eine Porträtaufnahme stellen ganz unterschiedliche Ansprüche an die Autofokussteuerung Ihrer Kamera. Sie werden bessere Ergebnisse erzielen, wenn Sie Ihre Kamera bewusst für eine Aufgabe einstellen und den jeweils richtigen Autofokusmodus wählen. Es gibt drei Autofokusvarianten, die derzeit von den meisten Systemkameras unterstützt werden.

HH Abbildung

3.24 Einen sicheren Fokus auch bei schwachem Licht gewährt der Single- bzw. One Shot-Modus am besten, allerdings nur für nahezu unbewegte Motive.

70 mm | 5 s | ƒ4,5 | ISO 800

Schärfepriorität  | Der häufigste AF-Modus ist für unbewegte

Motive gedacht. Er stellt das Objektiv einmal scharf und löst nur dann aus, wenn eine korrekte Schärfe erzielt wurde. Bei Canon heißt dieser Modus One Shot, bei Nikon AF-S (S steht dabei für single). Er liefert die höchste Genauigkeit und arbeitet sehr schnell, funktioniert aber nicht bei Motiven, die sich zwischen der Scharfstellung und dem Auslösen signifikant weiterbewegen. Für viele fotografische Situationen ist dieser Modus gut geeignet. Da die Schärfe nur einmal festgelegt wird, wenn der Auslöser halb heruntergedrückt wird, fängt der Autofokus auch nicht an, hin und her zu fahren (»pumpen«), wenn die Kamera verschwenkt wird und der Autofokus einen neuen Schärfepunkt finden möchte. Nachführmessung | Im Modus der Schärfenachführung versucht

der Autofokus ständig, ein sich bewegendes Objekt im Fokus zu halten, selbst wenn sich dieses innerhalb des Bildformats bewegt und so in den Messbereich anderer AF-Sensoren gerät. Bei

3.7  Autofokus (AF)  |  205

GG Abbildung 3.25 Stockenten kommen im Landeanflug auf den Fotografen zu. Die Schärfenachführung sorgt auch bei einer sich verändernden Entfernungseinstellung für gute Ergebnisse.

300 mm | ƒ2,8 | 1/4000 s | ISO 500

Canon wird dieser Modus AI Servo genannt, bei Nikon AF-C (C steht dabei für continuous). Da sich die Schärfewerte ständig verändern und dieser Modus auch gern bei Serienbildern verwendet wird, wartet die Kamera nicht auf eine »100 % scharf«Rückmeldung des AF, sondern löst innerhalb einer Serie immer aus. Man spricht von Auslösepriorität. Wenn Sie sich als Bildjournalist inmitten eines Ereignisses befinden, werden Sie lieber ein etwas unscharfes Bild in Kauf nehmen, als gar kein Bild zu haben. Oder anders ausgedrückt: Während die Kamera dem Fokus folgt, soll sie ruhig weitere Bilder aufnehmen, anstatt auszusetzen. Bei vielen Kameras können Sie auch im Nachführ-AF auf eine Schärfebestätigung warten, was meist zu langsameren Serienbildraten führt. Oft ist aber auch im schnelleren Modus ohne Bestätigung die Ausbeute so hoch, dass sich ein Umstellen nicht lohnt. Sie können den Autofokus Ihrer Kamera meist mit vielen Einstellmöglichkeiten verfeinern und auf Ihre Einsatzgebiete abstimmen. Bei der Canon EOS 7D Mark II lassen sich zum Beispiel die AF-Messfelder erweitern, was das Verfolgen bewegter Objekte einfacher macht. Oder Sie können einstellen, wie die Nachführmessung auf Bewegungen des Motivs ansprechen soll, um das Reaktionsverhalten der Kamera an die Bewegungen des Motivs anzupassen. Eine langsamere AF-Konfiguration lässt sich weniger schnell von störenden Einflüssen außerhalb des Motivs ablenken, ist aber manchmal zu träge für schnelle Bewegungsänderungen. Ich tendiere meist dazu, den AF ein wenig schneller als die Werkskonfiguration einzustellen, da ich relativ oft Vögel fotografiere und das bei meinen anderen, weniger kritischen Motiven auch nicht stört. AI Focus | Die dritte Fokussiermethode ist eigentlich nicht mehr als eine Kom-

bination aus den beiden vorigen. Hier versucht die Kamera, selbst zu erkennen, wann ein Motiv in Bewegung gerät, und schaltet dann selbstständig auf den Nachführungsmodus um. Canons AI Focus ist Nikons AF-A (A steht dabei für auto). Das klingt nach der idealen Lösung und ist in den Programmautomatiken der Kameras auch meist voreingestellt. In der Praxis erreicht man aber mit One Shot bei unbewegten Motiven eine höhere Genauigkeit, und für bewegte Motive ist AI Servo die zielführendere Lösung.

206  |  3  Schärfe

Gesichts- und Augen-AF  | Die AF-Messung auf dem Sensor oder unter Zuhil-

fenahme eines hochauflösenden Belichtungsmesssensors wie z. B. bei manchen Nikon DSLRs hat den Vorteil, dass die Kamera ein detailliertes Bild des Motivs erhält und für die Scharfstellung verwenden kann, andere Spiegelreflexkameras mit geringer aufgelösten Belichtungsmessungssensoren können Gesichtserkennung höchstens im Livebildmodus. Gesichter erkennen fast alle spiegellosen Kameras, die neueren Modelle sind auch in der Lage, auf das jeweils vorne liegende Auge scharfzustellen. Da das in Echtzeit mit den Sensordaten berechnet wird, ist diese AF-Methode meist auch für Videos verfügbar. Bei mehreren Gesichtern können Sie den Fokus über die Bedienelemente der Kamera oder den Touchscreen wechseln. Sony hat 2019 per Firmwareupdate sogar einen Tieraugen-AF nachgeliefert. Der AF mit Gesichtserkennung ist so gut, dass ich sogar bei einer DSLR wie der Canon EOS 5D Mark IV bei Porträts oft im Livebildmodus arbeite, der auch eine viel größere AF-Bildabdeckung liefert. Oder ich verwende gleich eine spiegellose Kamera, die das auch im Sucher unterstützt. Je besser der AF Ihrer Kamera ist, desto mehr sollten Sie sich darauf verlassen. Während ich bei meinen DSLRs den Spot-AF im OneShot-Modus direkt auf das Auge setze (falls ich nicht Livebild verwende), lasse ich die Spiegellosen das Auge im AF-C-Modus selbsttätig verfolgen. Auch bei anderen Motiven lasse ich die Spiegellosen die Motivverfolgung in AF-C viel öfter als bei einer DSLR übernehmen. Allerdings habe ich sie so konfiguriert, dass ich jederzeit den Fokuspunkt über den Touchscreen auf das Motiv verschieben kann, falls die Kamera es verliert.

GG Abbildung 3.26 Ein gutes Beispiel für den AF-Modus AI Focus. Der Kormoran sitzt ruhig, während er sein Gefieder trocknet, fliegt nach einer Weile aber wieder los. Das 600-mm-Tele setzt einen genauen Fokus voraus.

HH Abbildung

3.27 Der Augen-AF bei der Canon EOS R

3.7  Autofokus (AF)  |  207

Fokusabweichung durch Kamerabewegung

GG Abbildung

3.28 Bei der Nikon D5 decken 153 AFMessfelder schon einen relativ großen Bereich ab. Trotzdem werden Sie häufiger auf Bereiche außerhalb der AF-Sensoren scharfstellen wollen.

HH Abbildung 3.29 Wenn Sie einen Punkt im oberen Bereich des späteren Bildes anfokussieren (links) und die Kamera dann für den endgültigen Bildausschnitt nach unten schwenken (rechts), liegt die Schärfe in dem gewünschten Motiv­ punkt vor dem Motiv, denn beim Schwenken der Kamera wird auch die Schärfeebene mitgedreht.

208  |  3  Schärfe

Die AF-Sensoren der DSLRs bedecken leider nur einen kleinen Bereich des Bildes, selbst die absoluten Vollformat-Topmodelle decken weniger als ein Viertel des Bildausschnitts mit AF-Sensoren ab, bei APS-C können es immerhin 35 % werden. Wie fokussieren Sie nun auf etwas, das weiter außen liegt als die AFSensoren? Die sicherlich am weitesten verbreitete Methode ist es, die Schärfe zu speichern: Sie fokussieren den Bereich an, indem Sie die Kamera so schwenken, dass Sie den gewünschten Bildausschnitt unter einen AF-Sensor bekommen, halten den Auslöser halb gedrückt und schwenken die Kamera zurück, um das Bild aufzunehmen. Das funktioniert auch oft ganz gut, ist aber technisch nicht ganz sauber und kann bei manchen Motiven auch gründlich danebengehen. Die Schärfe liegt bei einem guten Objektiv in einer Ebene. Wenn Sie die Kamera schwenken, beschreibt der Schärfepunkt aber einen Kreisbogen. Wenn Sie mit einem Teleobjektiv fotografieren, ist dieser Kreisbogen sehr flach, weil der Bildwinkel klein ist und sich der Kreisbogen wenig von der Schärfeebene entfernt. Die Methode des Schwenkens wird hier eine so geringe Fokusabweichung produzieren, dass diese innerhalb der Schärfentiefe liegt und nicht auffällt. Anders sieht es aus, wenn Sie mit einem lichtstarken Weitwinkelobjektiv arbeiten: Der große Schwenkwinkel und die geringe Schärfentiefe bei Offenblende lassen die Fokusdifferenz deutlich sichtbar werden, weil der Kreisbogen und die Schärfeebene einen großen Abstand zueinander bekommen. Die Schärfe liegt dann zu weit hinten. Bei langen Brennweiten ist die Schwenktechnik so unkritisch, dass Sie sogar den mittleren AF-Sensor verwenden können. Bei kürzeren Brennweiten sollten Sie zumindest den AF-Punkt verwenden, der dem gewünschten Fokuspunkt am nächsten liegt. Und wenn Sie mit einer kurzen, lichtstarken Brennweite weit außerhalb der AF-Messfelder scharfstellen wollen, dann verzichten Sie auf den AF. Schalten Sie stattdessen den Live-View-Modus ein, vergrößern Sie den Bildausschnitt auf dem Kameramonitor, verschieben Sie ihn zum gewünschten Fokuspunkt und stellen Sie manuell scharf. Lassen Sie sich den Bildaufbau nicht von der Lage der AF-Punkte diktieren! Bei meinem 35 mm/ƒ1,4 bleibt mir manchmal nur das manuelle Fokussieren, sonst läge die Schärfe bei einem Porträt auf dem Ohr und nicht auf den Augen. Bei einer Spiegellosen wie der

EOS R liegt an den beiden Bildrändern rechts und links nur ein Rand von jeweils 6 % der Bildfläche, in den Sie fast nie den Schärfepunkt legen möchten. Hier sollten Sie immer direkt auf das Motiv scharfstellen, zumal Sie den Fokuspunkt auch einfach mit dem Finger auf dem Bildschirm verschieben können, selbst wenn Sie durch den Sucher schauen.

Autofokustest (Backfocus, Frontfocus) Der Autofokus einer DSLR als Ganzes kann, wenn die normale Phasenvergleichsmethode verwendet wird, dejustiert sein oder aber Probleme mit einzelnen Objektiven haben. Im Download-Bereich finden Sie die 1 Datei »Fokustest.pdf« (Ordner Dokumente), die sich für eine Überprüfung und Justage des AF eignet; eine Internet-Suche nach »focus test chart« wird Ihnen weitere Alternativen liefern. Legen Sie das Testbild auf einen Tisch, und fotografieren Sie es schräg von oben in einem Winkel zwischen 30° und 45°. Fokussieren Sie dabei mit dem mittleren AF-Sensorfeld auf die gestrichelte Linie. Machen Sie mindestens fünf Aufnahmen bei ganz geöffneter Blende und jeweils neuer Fokussierung auf die Mittellinie. In Beispiel 1 habe ich ein 35-mm-Objektiv bei Blende ƒ1,4 aus zwei Metern Entfernung verwendet und 2 den Bildausschnitt des Blattes vergrößert. Im Idealfall liegt die Schärfe genau auf der Höhe der Mittellinie wie bei diesem unkorrigierten Bild. Dieses Objektiv muss also an der verwendeten Kamera nicht nachjustiert werden. In Beispiel 2 habe ich den Fokus zu Demonstrationszwecken um zehn Einheiten nach vorn verlegt, also künstlich einen starken Frontfocus geschaffen. Das Maximum der Justage sind bei Canon 15 Einheiten, es lassen sich also auch sehr starke Abweichungen innerhalb der Kamera ausgleichen. Wenn Sie ein neues Objektiv erworben haben, das im Gegensatz zu Ihren anderen 3 Objektiven einen starken Front- oder Backfocus aufweist, dann sollten Sie es trotz der Justagemöglichkeit umtauschen, weil das ein Zeichen für eine mangelhafte Kalibrierung ist. In Beispiel 3

HH Abbildung

3.30 Testbild für Front- und Backfocus

ist der Fokus um zehn Einheiten nach hinten verschoben, so wird ein kräftiger Backfocus simuliert. Wenn Sie Ihre Objektive selbst justieren möchten, arbeiten Sie bei Tageslicht und mit mehrfachen Testaufnahmen. Nur wenn sich eine kontinuierliche Abweichung in gleicher Rich-

3.7  Autofokus (AF)  |  209

tung und ähnlicher Stärke ergibt, ist eine Justage sinnvoll. Kontrollieren Sie auch Ihre anderen Objektive. Falls sie alle um einen ähnlichen Betrag danebenliegen, sollten Sie einen Korrekturwert für alle Objektive angeben, anstatt jedes einzeln durchzugehen. Dann liegt es nämlich an der Kamera und nicht am Objektiv. Sie müssen wahrscheinlich nicht alle Ihre Objektive justieren, wenn aber häufiger die Nasenspitze scharf ist, obwohl Sie auf das Auge scharfgestellt haben, sollten Sie die hier beschriebene Messmethode ausprobieren. Das Problem tritt manchmal auch in der freien Wildbahn auf, wenn Sie gerade keine Testgrafik zur Hand haben, z. B. wenn Sie ein Objektiv für die Verwendung mit einem Konverter noch nicht justiert haben. Deswegen will ich Ihnen zwei weitere Methoden zeigen, die Sie überall verwenden können: EE Falls Sie einen Pfahl, Baum oder eine Laterne anfokussieren können, dann stellen Sie kurz über dem Boden auf diese Vertikale scharf. Schauen Sie, ob die Schärfe am Boden davor oder dahinter liegt und justieren Sie in die Gegenrichtung. EE Stellen Sie auf ein gut fokussierbares Motiv – etwa ein Haus, ein Baum oder ein stehendes Auto – scharf. Schalten Sie die Kamera in den Livebildmodus und fokussieren Sie denselben Punkt an. Vergleichen Sie die beiden Bilder in der Rückschau, wenn die Schärfe gleich ist, sind Sie am Ziel. Sollte es jedoch Unterschiede geben, passen Sie die Justage an. Wenn der Unterschied stärker wird, probieren Sie eine Justage in die andere Richtung, bis alles passt. Ich verwende diese Methode auch innen mit dem Siemensstern (siehe Seite 183), bei manchen Objektiven kann ich anhand des Farblängsfehlers erkennen, in welche Richtung ich justieren muss. Je mehr Erfahrung Sie haben, desto einfacher wird dieses Thema, manche Fokusabweichungen sind allerdings zufällig und dann hilft keine Justage, höchstens ein Firmware-Update des Objektivs.

3.8  Manuelle Fokussierung In manchen fotografischen Situationen ist es besser, komplett auf den Autofokus zu verzichten: EE Wenn Sie statische Motive vom Stativ aus fotografieren, erreichen Sie mit dem manuellen Scharfstellen über die vergrößerte Live-View-Darstellung eine noch höhere Genauigkeit als mit dem AF.

210  |  3  Schärfe

EE

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Bei starker Dunkelheit läuft der AF oft ins Leere, während Sie mit einer Taschenlampe das Objektiv noch gut auf die Unendlich-Markierung einstellen können. Bei Serienbildern gewährleistet der manuelle Fokus einen gleichbleibenden Schärfepunkt. Das ist besonders dann von Vorteil, wenn Sie die Bilder später zusammenmontieren wollen, wie etwa bei HDR-Aufnahmen.

In vielen Fällen ist der Autofokus auch technisch gar nicht möglich, etwa wenn Sie manuell fokussierende Objektive verwenden oder zum Beispiel ein Nikon-Objektiv an eine Canon adaptieren. Auch Tilt-Shift-Objektive lassen sich (bislang) prinzipiell nicht automatisch scharfstellen. Die Mattscheiben moderner DSLRs sind nicht mehr auf die manuelle Scharfstellung optimiert. Allerdings können Sie den Autofokus anzeigen lassen, wann die korrekte Schärfe eingestellt ist, indem Sie den Auslöser beim Scharfstellen halb herunterdrücken. Die AF-Messfelder leuchten dann auf, sobald der Bereich unter ihnen in der Schärfe liegt. Viele Spiegelreflexkameras unterstützen wechselbare Mattscheiben, die zum Teil für die manuelle Fokussierung besser geeignet sind als die Originalmattscheibe. Überprüfen Sie, ob Sie der Kamera einen Mattscheibenwechsel mitteilen müssen. Es kann sein, dass Sie eine Custom- oder Individualfunktion ändern müssen, damit die Belichtungsmessung wieder exakt ist. Spiegellose Systeme sind bei manueller Scharfstellung im Vorteil, denn hier können Sie die Bereiche, die in der Schärfe liegen, durch sogenanntes Focus Peaking hervorheben. Beim Focus Peaking werden die Bereiche, die einen hohen Kantenkontrast aufweisen und die somit in der Schärfe liegen, durch helle oder farbige Pixel im Monitorbild deutlich betont. Zudem können Sie sich das Sucherbild elektronisch vergrößern lassen. DSLRs haben diese Möglichkeiten im Prinzip im Livebild-Modus auch, allerdings hat noch nicht jeder Hersteller Focus Peaking umgesetzt. Die Nikon D5 z. B. kann die AF-Justage auch automatisch durchführen. Sie vergleicht dafür das Livebild-Ergebnis mit den Resultaten bei heruntergeklapptem Spiegel. Wie bereits oben beschrieben funktioniert diese Methode auch manuell.

GG Abbildung 3.31 Wenn die Kamera sich während einer Sprengung wegen der Staubwolken plötzlich mit der Fokussuche beschäftigt, statt zu fotografieren, ist das sehr ärgerlich. Hier ist die manuelle Fokussierung besser.

150 mm | ƒ8 | 1/2500 s | ISO 400

FF Abbildung 3.32 Beim Focus Peaking werden die Bereiche, die in der Schärfe liegen, im Sucher in einer klaren Farbe hervorgehoben.

3.8  Manuelle Fokussierung  |  211

Die genaueste manuelle Scharfstellmöglichkeit erfolgt über das vergrößerte Sucher- oder Livebild. So sehen Sie in einem 1:1-Auschnitt die Wirkung der Fokussierung. Bei einer Spiegellosen auch im Sucher, der meist eine höhere Bildqualität aufweist als der Bildschirm auf der Kamerarückseite. So können Sie auch mit alten analogen Objektiven exakter arbeiten, als das früher möglich war. GG Abbildung 3.33 Das Livebild lässt sich zum Scharfstellen pixelgenau vergrößern.

HH Abbildung 3.34 Links: Bei ISO 200 ist praktisch kein Bildrauschen zu sehen, die Auflösung ist maximal. Wenn Sie Farbpixel erkennen können, so kommen sie vom Moiré (siehe Seite 42). Mitte: Bei ISO 102 400 ist starkes Rauschen zu erkennen, die feinsten Strukturen sind verschwunden. Rechts: Bei ISO 102 400 mit hoher Rauschunterdrückung in Adobe Camera Raw ist das Rauschen schwächer geworden, aber von den feinsten Strukturen ist noch weniger übrig geblieben.

212  |  3  Schärfe

3.9  Rauschunterdrückung und Schärfeverlust Die Schärfeleistung Ihrer Kamera ist im unteren ISO-Bereich am größten. Je weiter Sie die ISO-Zahl erhöhen, desto mehr müssen feine Strukturen mit dem Bildrauschen konkurrieren. Trotz immer besser werdender Algorithmen zur Rauschreduzierung lässt sich Bildrauschen von Bildinformation nicht perfekt trennen. Wenn Sie also die Rauschreduzierung verwenden, verringern Sie damit immer auch die Bildschärfe. Es gibt eine Ausnahme, die wenig Information vernichtet und trotzdem das Rauschen bekämpft: wenn Ihre Kamera nach einer Langzeitbelichtung noch eine sogenannte Dunkelfeldbelichtung macht und diese dann vom Bild abzieht. Hierbei wird der momentane Rauschzustand des Sensors unabhängig von der Aufnahme erfasst und zur Bildverbesserung herangezogen. Der Nachteil dieser Methode ist allerdings, dass Sie nach einer Langzeitbelichtung von einer Minute noch eine weitere Minute auf die zweite Belichtung bei geschlossenem Verschluss warten müssen, bevor Sie weiterarbeiten können.

Bislang finden Sie erst in Smartphones wie der Google-Pixel-Reihe eine Methode, die die Bildinformation mit künstlicher Intelligenz in dunklen und verrauschten Bereichen ergänzt, um auch mit kleinen Sensoren gute Nachtaufnahmen zu erstellen. In Zukunft wird es auch für Ihre bestehenden Raw-Aufnahmen bessere Software für die Rauschentfernung geben. In der Praxis müssen Sie bei hohen ISO-Zahlen immer einen Kompromiss finden, der möglichst viele Details erhält, ohne dass das Bild zu verrauscht erscheint. Arbeiten Sie mit einem eher niedrigen ISO-Wert, wenn es die Umstände erlauben. Allerdings sind viele moderne Kameras im hohen ISO-Bereich sehr gut, sodass Sie auch bei schwachem Licht noch Bewegungen scharf einfangen können. Hier müssen Sie zwischen Bewegungsunschärfe und ISO-Rauschen abwägen. Niedriges Rauschen nützt Ihnen nichts, wenn Sie die Bewegung wegen zu langer Verschlusszeiten nicht vernünftig einfangen können. Testen Sie Ihre Kamera mit einer ISO-Reihe, und entscheiden Sie, wo Ihr persönlicher Schmerzbereich in Bezug auf das Bildrauschen beginnt. Wenn Sie alte Raw-Aufnahmen besitzen, die Sie vor Jahren konvertiert haben, werden Sie sie mit einem aktuellen Raw-Konverter viel schonender entrauschen können.

GG Abbildung

3.35 Diese zwei Aufnahmen bei ISO 10 000 unterscheiden sich nur in der Rauschunterdrückung in Adobe Camera Raw. Während ich links das Rauschen nicht unterdrückt und so die maximale Detailauflösung bei deutlichem Rauschen erreicht habe, leidet rechts die Detailauflösung durch das starke Entrauschen. Dafür sind die Flächen homogen und ohne sichtbares Rauschen.

3.9  Rauschunterdrückung und Schärfeverlust  |  213

3.10  Schärfe nach Scheimpflug Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Fußballfeld, das Sie mit einer Vollformatkamera auf einem Stativ in 1,6 m Höhe und mit 45 mm Brennweite von vorn bis hinten komplett scharf abbilden möchten. Wie weit müssen Sie abblenden? Fangen Sie bitte nicht an zu rechnen, denn es gibt einen Trick dabei: Sie müssen gar nicht abblenden, sofern Sie ein Tilt-Shift-Objektiv verwenden. Mit diesem können Sie die Schärfeebene so weit neigen, dass sie dem Fußballfeld entspricht. Ein Fußballer in der Nähe wäre dann allerdings an den Schuhen scharf und würde nach oben immer unschärfer werden.

GG Abbildung 3.36 Die Zeitung ist trotz Makrobereich fast von vorn bis hinten scharf, die Filmpatrone wird aber nach oben hin schnell unscharf. Hier habe ich die Schärfeebene auf die Zeitung gelegt, indem ich das Objektiv nach vorn geschwenkt habe (90 mm, ƒ4,5).

GG Abbildung 3.37 Das Vergleichsfoto habe ich bei derselben Blende und Brennweite ohne ein geschwenktes Objektiv aufgenommen. Die Schärfentiefe auf der Zeitung ist sehr klein, dafür sind größere Teile der Filmpatrone scharf.

Wer schon mit einer Großbildkamera gearbeitet hat, für den ist diese Vorstellung nicht ungewöhnlich. Bei einer Großbild- oder Fachkamera lassen sich die Objektiv- und die Film- oder Sensorebene unabhängig voneinander bewegen. Die resultierende Schärfeebene ergibt sich dann aus der sogenannten Scheimpflug’schen Regel. Sie besagt, dass sich die Sensorebene, die Hauptebene des Objektivs und die motivseitige Schärfeebene immer in einer Geraden schneiden. Normalerweise sind bei einer Systemkamera Objektivebene und Sensorebene immer parallel, und so käme diese Schnittgerade erst im Unendlichen zu liegen. Sobald Sie aber anfangen, die Objektivebene nach vorn zu kippen, und sich Sensorebene und

214  |  3  Schärfe

Objektivebene auf dem Boden des Fußballfeldes schneiden, erstreckt sich die Schärfeebene bei Fokussierung auf den Boden nach der Scheimpflug’schen Regel über das ganze Fußballfeld. Um die Schärfedehnung nach Scheimpflug nutzen zu können, benötigen Sie im Makrobereich nicht unbedingt ein Tilt-Shift-Objektiv. Ein Balgengerät mit schwenkbarer Frontstandarte ist ausreichend. Sie können dann sogar mit einem herkömmlichen Vergrößerungsobjektiv arbeiten, das sich vielleicht noch in einer alten Dunkelkammerausrüstung findet. Bedenken Sie, dass für das Schwenken der Bildkreis größer sein muss, weil die optische Achse nicht mehr auf die Mitte des Sensors trifft. Im Nahbereich ist das meist nicht so kritisch, weil der Bildkreis durch den großen Abstand des Objektivs vom Sensor vergrößert wird. Wenn Sie analoge Objektive an eine spiegellose Kamera adaptieren, dann bleibt wegen des unterschiedlichen Auflagemaßes genug Platz für einen Adapter mit TiltFunktion, den Sie schon für um die 20 € erwerben können.

1

2

GG Abbildung

3.38 Analoge Objektive lassen sich an spiegellosen Kameras mit Tilt-Adaptern verwenden. Mit diesem Adapter lassen sich Nikon-Objektive bis zu 8° verschwenkt an einer Sony E-MountKamera verwenden.

3

GG Abbildung 3.39 Wenn Sensorebene (orange 2 ) und Objektiv (blau 1 ) nicht mehr parallel zueinander stehen, kippen Sie damit die Schärfeebene (rot 3 ) im Raum. Sensorebene, Objektivebene und Schärfeebene schneiden sich dabei nach der Scheimpflug’schen Regel in einer Geraden.

3.10  Schärfe nach Scheimpflug  |  215

Schritt für Schritt: Die optimale Schärfe erreichen Um die Einflussfaktoren der Schärfe noch einmal zusammenzufassen, nehmen wir an, Sie möchten ein Bild aufnehmen, dessen einziger Zweck eine möglichst hohe Schärfe ist. HH Abbildung

3.40 Das flache Seitenlicht lässt jede Mauer­fuge plastisch erscheinen. Das passende Licht trägt hier stark zum Schärfeeindruck bei.

70 mm | ƒ5,6 | 1/800 s | ISO 250

1  Geeignetes Motiv finden Wählen Sie ein Motiv, das in einer Ebene liegt und das einen hohen Kontrast aufweist. Dieser sollte aber nicht so hoch sein, dass es zu Überstrahlungen käme. Geeignet wäre etwa eine Ziegelmauer im seitlich einfallenden Sonnenlicht.

2  Objektiv auswählen Wählen Sie Ihr bestes Objektiv, und stellen Sie es auf die optimale Blende ein, bei der die Abbildungsleistung am besten ist. Nehmen wir an, das ist Blende ƒ5, was Sie vorher mit einer Testreihe mit dem Siemensstern ermittelt haben. Wenn Sie mehrere Kameras besitzen, nehmen Sie diejenige mit der höchsten Sensorauflösung. Wenn die Kamera keinen AA-Filter besitzt, ist das ebenfalls von Vorteil für die maximal erzielbare Schärfe.

3  Kamera ausrichten Stellen Sie Ihre Kamera auf ein Stativ, und richten Sie sie parallel zum Motiv aus. So bekommen Sie auch bei offener Blende alles in die Schärfeebene und verwenden das Abblenden nur zur Verbesserung der Abbildungsleistung und nicht für eine größere Schärfentiefe.

4  Entfernungsbereich ermitteln Die Kamera sollte in einem Entfernungsbereich zur Mauer stehen, in der das Objektiv noch nicht im Nahbereich ist und die Entfernung noch nicht so groß, dass die Luftmassen das Bild beeinflussen können. Wir nehmen hier fünf Meter an.

216  |  3  Schärfe

5  Optimale Aufnahmebedingungen schaffen Stellen Sie die Spiegelvorauslösung ein (nur falls Sie keinen Live-View-Modus oder keine Spiegellose haben), fixieren Sie das Stativ, und verwenden Sie einen Fernauslöser, um sämtliche Bewegungsmöglichkeiten der Kamera auszuschließen. Es sollte windstill sein und der Untergrund nicht vibrieren, etwa durch vorbeifahrende Lastwagen.

6  Streulichtblende einsetzen Verwenden Sie eine Streulichtblende, aber keinen Vorsatzfilter, so erreichen Sie den besten Abbildungskontrast.

7  ISO-Wert einstellen Stellen Sie die Kamera auf den niedrigsten echten ISO-Wert. Bei vielen Kameras wird ISO 50 mit »L« bezeichnet, ein Zeichen dafür, dass die Kamera diesen Wert nicht als echten ISO-Wert verwenden kann, sondern in den Lichtern ca. 1 LW verliert.

8  Format wählen Stellen Sie das Raw-Format ein.

9  Knapp belichten Belichten Sie ein wenig knapper, um den Lichtern keine Gelegenheit zum Überstrahlen zu geben. Sie bekommen zwar bessere Tonwerte bei reichlicherer Belichtung, aber hier ist Schärfe das einzige Ziel.

10  Im Live-View-Modus manuell fokussieren Nutzen Sie den Live-View-Modus, stellen Sie das Objektiv auf manuellen Fokus, und stellen Sie mit zehnfacher Vergrößerung exakt scharf.

11  Fernauslöser nutzen Entfernen Sie sich, und lösen Sie nach einer kurzen Pause die Kamera mit dem Fernauslöser aus. K Sie haben jetzt ein technisch perfektes – und sehr langweiliges – Foto im Kasten. Dieses Gedankenexperiment dient nur dazu, Ihnen alle Einflussfaktoren bewusst zu machen, damit Sie bei einer spannenderen Gelegenheit eine bessere Schärfe erzielen können. Wie Sie den Schärfeeindruck in der Bildbearbeitung optimieren, erfahren Sie ab Seite 666.

3.10  Schärfe nach Scheimpflug  |  217

kurz & bündig:  Schärfe Die Schärfe ist ein wichtiges Gestaltungsmittel, und in vielen Fällen ist »alles scharf« nicht die beste Wahl. Mit einer selektiven Schärfe haben Sie enormen Einfluss auf die Blickführung. Sie können Bilder radikal vereinfachen und störende Einflüsse von Hintergrundelementen ausschalten. Ihr Gestaltungsspielraum nimmt dabei mit der Sensorgröße zu. Im absoluten Nahbereich oder mit sehr langen Brennweiten werden Sie mit jeder Kamera eine selektive Schärfe erzeugen können. Aber dazwischen helfen nur ein lichtstarkes Objektiv und ein möglichst großer Sensor. Schärfe darf allerdings nicht zum Selbstzweck werden. Wenn man manche Internetforen liest, hat man den Eindruck, dass sich viele Fotografierende mehr mit Schärfetests oder Rauschvergleichen beschäftigen als mit der Fotografie. Es sind so viele, dass sich dafür schon der Gattungsbegriff Pixelpeeper etabliert hat (englisch to peep = gucken). Wenn Sie sauber arbeiten und gute Objektive einsetzen, können Sie auch hochauflösende Sensoren mehr als ausreizen. Ich habe Aufnahmen mit einer 50-MPVollformatkamera gemacht, bei der ich die kleinen Schriften auf der anderen Hafenseite nur deswegen nicht lesen konnte, weil der Sensor zu wenige Pixel hatte – die Schärfe aber war bis in kleinste Detail vorhanden. Auf der anderen Seite verwende ich auch alte Objektive gern bei Offenblende, weil mir perfekte Pixelschärfe dann völlig egal ist und der Gesamteindruck und das Bokeh viel entscheidender für die Qualität des Bildes sind. Für jedes Bild gibt es eine ideale Kombination aus Blende, Verschlusszeit und ISO-Wert. Sie sollten eine Zeit lang diese Kombination jedes Mal bewusst festlegen, sodass Sie sie mit mehr Übung später fast automatisch und intuitiv finden und dann den Kopf für den Moment und die Bildgestaltung frei haben. Ein gutes Bild entsteht manchmal gerade durch einen Regelverstoß; es kann zu interessanteren Bildern führen, wenn Sie sich dem Zwang zur Schärfe in der Fotografie auch einmal nicht fügen, besonders bei der Abbildung von Bewegung.

Anregungen für die Fotopraxis EE

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218  | 

KURZ & BÜNDIG:

Schärfe

Fotografieren Sie ein Bild, in dem nichts scharf ist und das trotzdem wirklich betrachtenswert ist. Stellen Sie nicht auf das Hauptmotiv scharf. Lassen Sie dieses trotz deutlicher Unschärfe das bildwichtigste Element sein. Fotografieren Sie ein Motiv so, dass die Schärfentiefe exakt nur den bild­wich­ tigen Teil umfasst.

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Nutzen Sie ein optisches Element im Motiv – zum Beispiel einen Wassertropfen oder eine Flasche –, um Bildbereiche scharf abzubilden, die es sonst nicht wären. Versuchen Sie, eine Bewegung komplett einzufrieren. Gehen Sie dabei so weit, wie es Ihnen technisch möglich ist. Fotografieren Sie aus Ihrer eigenen Bewegung heraus, und benutzen Sie die resultierende Bewegungsunschärfe als ein zum Motiv passendes Stilmittel. Gehen Sie dabei kein Risiko für Ihre persönliche Sicherheit ein! Wenn Sie ein Stativ zur Verfügung haben, dann fotografieren Sie ein Motiv als komplette Blendenreihe durch. Analysieren Sie am Rechner, welche Blende das beste Bildergebnis liefert. Verwenden Sie die Zeitautomatik mit Blendenvorwahl. Fotografieren Sie auch bei schwächstem Licht ohne Blitz. Probieren Sie aus, wie weit Sie gehen können, wenn Sie aus der Hand fotografieren, und welche Bildwirkungen sich in diesem Grenzbereich ergeben. Fotografieren Sie Bilder, deren Schärfezone außerhalb der AF-Sensoren im Sucher liegen. Werden Sie sich bewusst, wie sehr Sie sich von den AF-Feldern in der Bildgestaltung beeinflussen lassen. Versuchen Sie, ein schnell auf Sie zukommendes Motiv auch bei offener Blende scharf abzubilden. Dafür eignen sich z. B. ein anfliegender Vogel oder ein auf Sie zulaufender Hund gut. Finden Sie heraus, bei welchen AutofokusEinstellungen und Messfeldern das Ergebnis am besten wird. Wenn Sie eine Kamera besitzen, bei der sich die AF-Nachführung durch Parameter im Menü beeinflussen lässt, dann suchen Sie sich ein anspruchsvolles Testmotiv und probieren Sie aus, mit welchen Einstellungen Sie die meisten Treffer erhalten. Moderne Kamerasysteme haben einen großen Software-Anteil. Überprüfen Sie, ob Ihre Kamera, Ihre Objektive (sofern über die Kamera oder ein Dock überprüfbar) und gegebenenfalls Ihre AF-Objektiv-Adapter über die neueste Firmware verfügen. Ein Update kann Ihre AF-Trefferraten manchmal verbessern. Vergessen Sie nicht, dass auch bei einer AF-Kamera die manuelle Fokussierung oft die bessere Methode ist, etwa wenn sich viele Schärfeebenen überlagern, wenn die Bilder später exakt übereinander passen müssen oder wenn es einfach nur sehr dunkel ist.

KURZ & BÜNDIG:

Schärfe  |  219

Kapitel 4:  Licht Fotografie heißt, aus dem Griechischen übersetzt, nichts anderes als Zeichnen mit Licht. Licht ist das Einzige, was Sie notwendigerweise für die Fotografie benötigen – und natürlich ein lichtempfindliches Medium. Dieses Kapitel wird sich großenteils auf das natürliche Licht beschränken, denn bevor Sie anfangen, künstliches Licht gezielt zu setzen, sollten Sie sich mit dem natürlichen Licht auseinandergesetzt haben.

4.1  Grundlagen Die Physik des Lichts gehört zum Faszinierendsten überhaupt. Ein Photon, ein Lichtteilchen, hat z. B. keine Ruhemasse, aber einen Impuls. Für ein Photon vergeht auf seinem Weg keine Zeit, weil die Zeit bei Lichtgeschwindigkeit stillsteht. Licht verhält sich mal wie eine Welle und mal wie ein Teilchen. Wenn wir uns Licht genauer anschauen, landen wir ganz schnell bei der Relativitätstheorie und der Quantenphysik und stoßen auf verrückte Dinge, so kann z. B. ein einziges Lichtteilchen als Welle mit sich selbst interferieren. Der Großteil davon ist für die Fotografie allerdings irrelevant, sodass es hier hauptsächlich um die Erscheinungsformen und den fotografischen Nutzen des Lichts gehen wird.

FFF Abbildung 4.1 Die Westküste von Gran Canaria bei Mondlicht

50 mm | ƒ2,2 | 15 s | ISO 2 000

Was ist Licht? Licht ist der Wellenlängenbereich der elektromagnetischen Strahlung, den wir sehen können. Die angrenzenden Bereiche Infrarot (IR) und Ultraviolett (UV) werden manchmal auch noch als Licht bezeichnet. Der sichtbare Bereich erstreckt sich allerdings nur von etwa 380 bis 780 nm. Dieser Wellenlängenbereich bildet das Farbspektrum von Blauviolett nach Rot.

GG Abbildung 4.2 Das Farbspektrum umfasst nur einen relativ engen Bereich der elektromagnetischen Strahlung von ca. 380 bis 780 nm. Interessanterweise liegt das Strahlungsmaximum der Sonne recht genau in der Mitte bei Gelbgrün.

4.1  Grundlagen  |  221

Das farbige Licht, das wir sehen, hat meist nicht nur eine einzige Wellenlänge, sondern erstreckt sich über das ganze sichtbare Spektrum mit veränderlichen Helligkeitsanteilen. Ultraviolett

Infrarot 400 nm

450 nm

500 nm

550 nm

600 nm

650 nm

700 nm

750 nm

100 Prozent der Reflexion

Abbildung 4.3 E Reine Spektralfarben sehen wir nur sehr selten. Häufig ist eine Farbe aus Licht des gesamten Spektrums zusammengesetzt. Die unterschiedlichen Intensitäten erzeugen dabei den Farbeindruck, hier zum Beispiel ein leicht kühles Grün.

50

Wellenlänge (in Nanometer) 400

Sonnenlicht Interessanterweise liegt das Strahlungsmaximum der Sonne innerhalb der Erdatmosphäre bei 550 nm, also bei Grün. Das Auge hat sich also im Laufe der Evolution an den Strahlungsbereich mit der höchsten Intensität oder Helligkeit angepasst. Außerhalb der Atmosphäre ist das Maximum im Blaubereich, deswegen erscheinen die Farben im Hochland oft etwas kühler und auch die UVBelastung ist höher.

222  |  4  Licht

450

500

550

600

650

700

So ist ein Grün in der Natur nicht einfach nur Licht mit 550 nm Wellenlänge, sondern Licht, das im Grünbereich viel heller strahlt als in den anderen Farben. Je weniger die anderen Farben am Gesamteindruck beteiligt sind, desto höher erscheint uns die Farbsättigung. Und je größer die Menge des einstrahlenden Lichts ist, desto heller erscheint es uns. Wenn wir von einem gedeckten Hellgrün sprechen, verwenden wir genau die drei Eigenschaften des Lichts: Sättigung, Helligkeit und Farbwert. Der sprachliche Farbraum wird also nicht durch die Koordinaten Rot, Grün und Blau gebildet, sondern durch den subjektiven Eindruck des Lichts.

Brechung Wenn Licht durch eine Mediumgrenze wie z. B. von Luft zu Glas (oder auch Wasser) geht, wird der Lichtstrahl abgelenkt. Und zwar umso mehr, je höher der Brechungsindex des Mediums ist, in das der Lichtstrahl eintritt und je geringer der des Mediums ist, aus dem der Lichtstrahl kommt. Und ebenfalls umso mehr, je kürzer die Wellenlänge des Lichts ist. Blaues Licht wird also stärker gebrochen als grünes, grünes Licht stärker als rotes. Deswegen können Sie, wenn Sie weißes Licht durch ein Prisma schicken, eine Auffächerung des Lichts in die einzelnen

Spektralfarben beobachten. Unterschiedliche Glassorten fächern die Spektralfarben unterschiedlich stark auf, der Grad der Farbabhängigkeit nennt sich Dispersion. Niedrige Dispersion bedeutet, dass die Farbstreuung gering bleibt. Die Brechung erzeugt also (wenn Sie nicht gerade ein Spiegeltele verwenden) sowohl das Bild auf dem Sensor als auch die meisten Abbildungsfehler der Objektive.

GG Abbildung

4.4 Sonnenlicht wird zu einem Spektrum aufgefächert, nachdem es durch ein Prisma gegangen ist. Der helle Strich unten ist eine Reflexion auf einer Glasseite des Prismas.

FF Abbildung 4.5 Blick in einen Swimming-Pool bei Sonnenlicht. Das rechtwinklige Kachelmuster wird durch die Lichtbrechung in den Wellen stark verzerrt.

Beugung Wenn Licht durch eine kleine Öffnung oder einen Spalt geht, wird es dahinter gebeugt, das heißt nach außen senkrecht zur Spaltrichtung abgelenkt – oder in jede Richtung bei einem kleinen Loch. Der Grad der Beugung ist umso stärker, je länger die Wellenlänge ist. Blaues Licht wird also weniger gebeugt als rotes, genau umgekehrt wie bei der Brechung. Das machen sich beugungsoptische Objektive (siehe Abschnitt Objektive/Beugungsoptik) zunutze und korrigieren damit Farbfehler. Leider kommen Sie in der Fotografie zwangsläufig mit der Beugung in Berührung, wenn Sie weit abblenden oder einen Schlitzverschluss mit sehr kurzen Zeiten (gleich schmalem Schlitz) verwenden. Sie erhalten dann Unschärfen im Bild.

GG Abbildung

4.6 Das Beugungsbild eines roten Laserstrahls, den ich durch ein kleines Loch geschickt habe.

4.1  Grundlagen  |  223

Reflexion Bei einem Medienübergang wird ein Teil des Lichts auch zurückgeworfen, er wird reflektiert. Bestimmte Materialien wie Metalle lassen gar kein oder kaum Licht hindurch (eine hauchdünne Goldfolie ist teilweise transparent) und werfen den Großteil des Lichts wieder zurück. Dies geschieht an der Senkrechten der Oberfläche gespiegelt (Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel) und farbunabhängig. Abbildung 4.7 E Die Reflexion erzeugt nicht nur das Spiegelbild, sondern auch den Glanz auf dem Lack.

50 mm | ƒ6,3 | 1/250 s | ISO 100

Um die störende Reflexion an Glasflächen in Objektiven zu minimieren, werden die Glasoberflächen vergütet (siehe das Stichwort »Vergütung« in Kapitel 2, »Objektive«). Mit gewölbten Spiegeln lassen sich allerdings auch Objektive bauen, die den Vorteil einer leichten Bauweise mit der Freiheit von Farbfehlern vereinen. Bei besonders langen Brennweiten, wie sie für große Teleskope notwendig sind, wird ausschließlich auf Spiegeltechnik gesetzt (siehe den Abschnitt »Spiegelteleobjektive« in Kapitel 2, »Objektive«).

Licht und Auge Das menschliche Auge verwendet zwei unterschiedliche Typen von Sehzellen, um das Licht wahrnehmen zu können: Stäbchen und Zapfen. Die Stäbchen erfassen ein breites Spektrum und sind sehr lichtempfindlich. Sie können nur Helligkeitsunterschiede wahrnehmen, das aber mit hoher Auflösung und auch bei schwachem Licht. Die Zapfen kommen in drei verschiedenen spektralen Empfindlichkeiten vor, jeweils sensibel für Licht kurzer, mittlerer oder langer

224  |  4  Licht

Wellenlängen. Erst durch die Verschaltung der Zapfen ergeben sich die Hauptempfindlichkeiten für Blau, Grün und Rot. Da etwa 120 Millionen Stäbchen nur sechs Millionen Zapfen gegenüberstehen, die noch dazu miteinander verschaltet werden müssen, sehen wir Helligkeiten sehr viel schärfer als Farbinformationen. Ein scharfes Schwarzweißbild wird sozusagen von einem unscharfen Farbbild überlagert. Wenn es dunkel wird, kommen die Zapfen an ihre Empfindlichkeitsgrenze, und nur die Stäbchen liefern noch Informationen. Wir sehen dann tatsächlich nur noch schwarzweiß.

Licht und Digitalkamera Auch die Digitalkamera setzt die Farben aus Anteilen von Rot, Grün und Blau zusammen (siehe auch Seite 40). Digitale Systemkameras haben auch in Bezug auf die erreichbare Lichtempfindlichkeit die analoge Fotografie weit hinter sich gelassen. Im Gegensatz zum Auge nehmen sie auch bei sehr schwachem Licht immer Farbinformationen auf. Diese vergrauen zwar ein wenig durch das zufällige Rauschen, wirken aber meist farbiger als der optische Eindruck vor Ort. Die Spezialkamera Canon ME20F-SHN kommt auf über 4 Millionen ISO. Das kann gerade im Videobereich wichtig sein, weil Sie dort eben nicht die Verschlusszeit beliebig verlängern können. Die Kamera ist für Full HD ausgelegt, der Vollformatsensor besitzt nur 2,26 MP. Eine Sony α7S II lässt sich bis ISO 102 400, in der ISO-Erweiterung bis ISO 409 600 einstellen. Der Sensor hat 12 MP und unterstützt 4 K-Video. Für Videos bei Mondlicht müssen Sie diesen ISO-Bereich nicht ganz ausschöpfen. Die sogenannte ISO-Erweiterung ist dabei keine tatsächliche physikalische Empfindlichkeitssteigerung, sondern eine rechnerische. Die Empfindlichkeit wird visuell erhöht, indem das Bild bis zu zwei Blendenstufen heller gerechnet wird, die Messwerte werden dabei auf den vollen Helligkeitsumfang gestreckt. Gleichzeitig nimmt der erzielbare Kontrastumfang ab, und das Bildrauschen wird verstärkt. Die ISO-Erweiterung entspricht in gewisser Weise dem »Pushen« eines analogen Films: So können Sie einen ISO-400-Film auf ISO  1 600 belichten und ihn dann länger entwickeln. Die Kontraste im Foto werden dadurch härter und die Schattenzeichnung leidet – aber diese Möglichkeit rettet das Motiv. Das digitale Pushen ist in der Praxis nicht nur auf die ISO-Erweiterung beschränkt, sondern wird auch bei niedrigeren Werten verwendet.

HH Abbildung

4.8 Auch wenn für das bloße Auge nicht mehr viel zu erkennen war, ließ sich dieses Bild des Neumonds nach Sonnenuntergang mit ISO 25 600 und Bildstabilisator noch aus der Hand aufnehmen.

200 mm | ƒ2,8 | 1/20 s | ISO 25 600

4.1  Grundlagen  |  225

Sie können davon ausgehen, dass die letzten zwei ISO-Empfindlichkeitsstufen Ihrer Kamera mit deutlichen Qualitätseinbußen erkauft werden. Trotzdem ist es schön, diese Möglichkeiten zu haben, weil sie in manchen Situationen Motive erst fotografierbar machen.

4.2  Weißabgleich Rayleigh-Streuung Wenn Lichtstrahlen durch die Atmosphäre fallen, werden sie an den Gasmolekülen abgelenkt. Den zugrundeliegenden physikalischen Effekt nennt man RayleighStreuung. Er beschreibt die Streuung elektromagnetischer Wellen an Teilchen, die im Verhältnis zur Wellenlänge klein sind.

Je niedriger die Sonne steht, desto weiter ist die Strecke, die das Licht durch die Atmosphäre zurücklegen muss. Durch die Rayleigh-Streuung werden kurzwellige Anteile des Lichts stärker gestreut, und es bleibt das warme, langwellige Licht übrig. Deswegen erscheinen der Himmel tagsüber blau und die Sonne bei Untergang oft nur noch rot. An extrem klaren Tagen hingegen kann das letzte bisschen Sonnenlicht sogar grün sein. Das »Grüne Leuchten« ist ein Erlebnis, das Sie sich nicht entgehen lassen sollten: Der letzte sichtbare Teil der Sonne beim Untergang leuchtet dann kurz grün auf, weil die Luft so sauber und klar ist, dass das grüne Licht nicht wie sonst gestreut wird. Tageslicht hat also über den Tag eine unterschiedliche Farbe. Auch Kunstlicht unterscheidet sich je nach Typ in der Farbe: LEDs können tageslichtähnlich sein, Leuchtstoffröhren grünlich und Glühlampen gelblich. Wenn Ihre Kamera den Unterschied der Lichtfarbe nicht berücksichtigen würde, erhielten Sie Bilder, die von der Lichtfarbe bestimmt wären und einen dementsprechenden Farbstich hätten. Der Weißabgleich passt die Farbdarstellung der Digitalkamera an die Lichtfarbe an und gleicht diesen Farbstich weitgehend aus. Das Tageslicht können Sie recht gut über die reine Farbtemperatur des Lichts korrigieren, die nur die Warm-Kalt-Achse von Rot über Gelb, Weiß und Blau beschreibt. Die Farbtemperatur wird in Kelvin (K) angegeben, und die an der Kamera einstellbaren Werte reichen meist von 2 000 K (Kerzenlicht, rot-orange) zu 10 000 bis 20 000 K (Blaue Stunde, Dämmerungshimmel, kühles, tiefes Blau) (siehe auch Seite 440). Die Grün-Magenta-Achse, die Sie zum Beispiel für die Korrektur von Leuchtstofflampenlicht anpassen sollten, können Sie an der Kamera unabhängig von der Farbtemperatur verändern.

Automatischer Weißabgleich Beim automatischen Weißabgleich analysiert die Kamera die Lichtsituation und somit die mutmaßliche Lichtfarbe anhand des aufgenommenen Bildes. Manche Nikon-Kameras nehmen zusätzlich einen Umgebungslichtsensor zu Hilfe, der das einfallende Licht am Kameragehäuse misst. In den meisten Fällen funktioniert

226  |  4  Licht

das recht gut, allerdings kann die Motivfarbe das Ergebnis verfälschen. Ein zweiter möglicher Nachteil ist die Überkorrektur. Die Kamera kann nicht wissen, wie viel von der Lichtfarbe Sie im fertigen Bild erhalten wollen. Die Farbe des Lichts transportiert schließlich auch die Stimmung des Ortes, und eine zu starke Korrektur kann das Bild steril und langweilig wirken lassen. Neuere Canon-Kameras besitzen zwei Modi des automatischen Weißabgleichs: Neben AWB ist AWB W neu hinzugekommen, der für die Ermittlung des Weißtones die hellen Bereiche der Aufnahme auswertet und so die Lichtfarbe oft noch stärker und genauer korrigiert – allerdings auch weniger von der Lichtstimmung erhält. FF Abbildung

4.9 Der automatische Weißabgleich hat sich von der großen roten Fläche irritieren lassen und dem Bild links einen cyanfarbenen Stich verpasst. Das rechte Bild mit manuel­ lem Weißabgleich auf Tageslicht ist korrekt.

Manueller Weißabgleich Alternativ zum automatischen Weißabgleich (AWB) können Sie Ihrer Kamera den Weißabgleich auch manuell vorgeben. Dazu stehen verschiedene Vorauswahlen, eine Kelvin-Eingabemöglichkeit und der vollmanuelle Weißabgleich zur Verfügung. Von den festen Farbtemperatur-Voreinstellungen korrigiert nur Kaltlicht/ Leuchtstoff in der Magenta-Grün-Achse, um den Grünstich einer Leuchtstofflampenröhre auszugleichen. Der Weißabgleich nach einem Referenzbild kann natürlich auch in jede Richtung korrigieren, da er zum Ziel hat, das Referenzbild neutral erscheinen zu lassen. Wenn dieses einen Magentastich hat, wird der Weißabgleich bei einem Tageslichtbild einen Grünstich erzeugen.

4.2  Weißabgleich  |  227

Tabelle 4.1 E Die Farbtemperatur-Einstellungen und ihre Bedeutungen: Die Symbole sind von einer Canon-Kamera übernommen. Sie werden allerdings bei jeder Digitalkamera vergleichbare Einstellungen finden.

228  |  4  Licht

Symbol

Name

Wert

Automatisch

Die Kamera regelt den Weißabgleich.

Tageslicht

5 200 K

Blitzlicht

6 000 K, dadurch erscheinen geblitzte Bilder etwas wärmer.

Glühlicht

3 200 K, die meisten Glühlampen wirken dabei noch deutlich warm.

Schatten

7 100 K, Schatten vom blauen Himmel werden aufgehellt.

Beispielfoto

Symbol

Name

Wert

Leuchtstoffröhre

4 000 K, gegen den Grünstich wird Magenta gefiltert.

Wolken

6 000 K

Manuell

2 000 – 10 000 K, im Menü einstellbar

Farb­ temperatur

2 000 – 10 000 K, im Menü einstellbar

Beispielfoto

GG Tabelle 4.1 Die Farbtemperatur-Einstellungen und ihre Bedeutungen: Die Symbole sind von einer Canon-Kamera übernommen. Sie werden allerdings bei jeder Digitalkamera vergleichbare Einstellungen finden. (Forts.)

4.2  Weißabgleich  |  229

Weißabgleich in der Bildbearbeitung Wenn Sie JPEGs aufnehmen, rechnet Ihre Kamera das Bild nach dem eingestellten Weißabgleich um. Änderungen sind später nur eingeschränkt und unter Qualitätseinbußen möglich. Interessanterweise lässt sich der Weißabgleich eines JPEGs am besten anpassen, wenn Sie es im Raw-Konverter öffnen – bzw. in Adobe Photoshop das Menü Filter • Camera Raw-Filter aufrufen. Wenn Sie Ihre Bilder im Raw-Format aufnehmen, speichert die Kamera den Weißabgleich nur als Zusatzinformation ab, ohne die Bilddaten zu ändern. Wenn Sie also eine Raw-Aufnahme mit zwei unterschiedlichen Weißabgleicheinstellungen aufnehmen, sieht die Vorschau in der Kamera und auf dem Rechner zwar unterschiedlich aus, die Bilddaten sind aber identisch. Die Information des Weißabgleichs wird nur für die Berechnung des kleinen Vorschau-JPEGs und für die Erstansicht im Raw-Konverter herangezogen. Wenn Sie beide Dateien manuell auf 5 600 K einstellen, ist das Ergebnis gleich. Das bedeutet, dass Sie sich um den Weißabgleich bei der Aufnahme im Raw-Modus nicht kümmern müssen. Egal, was Sie einstellen, Sie können später am Computer die perfekte Farbabstimmung erzeugen. Ein JPEG mit falschem Weißabgleich ist hingegen so gut wie zerstört.

3 200 K 4.10 Der Weißpunkt dieser Aufnahme wurde im Raw-Konverter auf Werte zwischen 3 000 K und 6 400 K gesetzt. Die Bilddaten machen diese starken Veränderungen gut mit.

4 300 K

5 500 K

GG Abbildung

230  |  4  Licht

Abbildung 4.11 E Hier habe ich ein mit 3 200 K aufgenom­ menes JPEG-Bild im Raw-Konverter wärmer gezogen. Die Farben und die sonstige Bildqualität sind deutlich schlechter als beim Raw – das Bild ist unbrauchbar geworden.

7 000 K

Eine genaue Einstellung der Farbtemperatur an der Kamera ist vor allem dann sinnvoll, wenn Sie Videos aufnehmen möchten. Da Raw-Video bislang nur selten aufgenommen wird und eine Farbkorrektur in der Videobearbeitungssoftware ansonsten aufwendig und mit Qualitätseinbußen verbunden ist, lohnt sich eine exakte Einstellung vor der Aufnahme.

4.3  Lichtqualität Das Tageslicht ändert sich je nach Tageszeit, Jahreszeit und Wetter. Jedes Objekt, auf das es trifft, reflektiert das Licht auf unterschiedliche Weise. Das bedeutet, dass Sie es zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten so gut wie nie mit identischem Licht zu tun haben. Bei bewegten Motiven ist das nicht weiter von Bedeutung, weil Sie die Lichtsituation leicht durch einen Ortswechsel ändern können, und bei kleineren Motiven können Sie Kunst- oder Blitzlicht hinzunehmen, um das richtige Licht für das Motiv zu erhalten. Aber einen Berg oder ein Großkraftwerk können Sie tagsüber nicht einfach hell blitzen, weil Sie selbst mit den größten Studioblitzanlagen nicht annähernd so viel Energie aufbringen könnten, wie dafür nötig wäre.

HH Abbildung

4.12 Zwischen diesen Aufnahmen liegen etwa anderthalb Stunden. Während das linke Bild sehr flach wirkt, ist das rechte extrem plastisch.

4.3  Lichtqualität  |  231

Das bedeutet, dass Sie für manche Aufnahmen auf die richtige Tageszeit und das richtige Wetter angewiesen sind – Sie müssen also vorausplanen. Die Wettervorhersage und Google Earth sind dabei wichtige Hilfsmittel. Mit der Luftbildoder Satellitendarstellung von Google Earth können Sie sich ein gutes Bild der räumlichen Gegebenheiten und der Himmelsrichtungen machen, wenn Sie zum Beispiel Außenaufnahmen eines Gebäudes erstellen möchten. Manche Aufnahmen können Sie nur zu einer bestimmten Jahreszeit machen. So kommt nur im Sommer die Sonne weit genug, um auch die Nordseite eines Gebäudes zu bescheinen, oder Sie haben nur im Winter auch auf der Südseite schönes flaches Abendlicht.

Diffuses Licht Wenn Licht so stark gestreut ist, dass Sie keine Lichtrichtung mehr ausmachen können, nennt man es diffus. Eine dichte Bewölkung streut das Sonnenlicht so stark, dass Sie nicht mehr sehen können, wo die Sonne steht. Stattdessen gibt die gesamte Wolkendecke ein weiches Licht ab, das zum Teil vom Boden wieder zurückgeworfen wird. So läuft das Licht um die Objekte herum, und Sie werden praktisch keinen Schattenwurf feststellen können. Allerdings gibt es leichte Helligkeitsunterschiede, die ausreichen, um Motive räumlich erscheinen zu lassen. Diffuses Licht vereinfacht Motive stark, es eignet sich sehr gut zur Aufnahme von Innenräumen, weil die Fenster so nicht wie bei Sonne scharf in den Innenraum projiziert werden und zu starke Kontraste erzeugen. Auch Fassaden mit räumlichen Elementen werden klarer, weil nicht jeder noch so kleine Vorsprung einen Schatten wirft, deren Vielzahl das Bild überfüllt und unruhig machen kann. Abbildung 4.13 E Diese Möwe hat keine Schatten, das diffuse Licht umfließt sie vollständig. Das Objektiv wurde gerade so weit abgeblendet, dass kaum noch Vignettierung auftritt, aber der Hintergrund noch unscharf bleibt.

130 mm | ƒ4,5 | 1/2500 s | ISO 400

232  |  4  Licht

Die Kontraste bei diffusem Licht sind schwach und ohne Probleme in den Kontrastumfang der Kamera zu bringen. Es empfiehlt sich oft, eine Blende überzubelichten, um einem tristen, grauen Eindruck vorzubeugen, die Farben besser zum Leuchten zu bringen und bessere Tonwerte zu erhalten. Diffuses Licht schwächt die Farben ein wenig ab und ist häufig etwas kühler als Sonnenlicht. Porträts in diffusem Licht sind frei von störenden Schatten, und das weiche Licht unterdrückt Falten und wirkt dadurch wie ein natürlicher Weichzeichner. Auch glänzt die Haut nicht, weil es keine reflektierenden Lichtquellen gibt. Das Licht im Schatten an einem sonnigen Tag ist diffus oder zumindest weich, sodass Sie für Porträts leicht eine Lichtalternative finden können, wenn das Licht zu hart sein sollte.

GG Abbildung 4.14 Bei diesem Bild schien das Licht von einer großen Fensterfront in das Zimmer. Ich nahm das Foto von außen durch die Balkontür auf.

58 mm | ƒ1,4 | 1/2000 s | ISO 200 | Nippon Kogaku Nikkor-S 58 mm ƒ1,4

FF Abbildung

4.15 Diffuses Licht vereinfacht Motive durch den Wegfall der Schatten und hält den Gesamtkontrast gering.

200 mm | ƒ8 | 1/320 s | ISO 100

4.3  Lichtqualität  |  233

Weiches Licht

HH Abbildung 4.16 Der Abendhimmel erzeugt hier ein sehr weiches, gerichtetes Licht, das durch seinen Kalt-Warm-Kontrast eine sehr angenehme Stimmung schafft.

135 mm | ƒ6,3 | 1/13 s | ISO 200

234  |  4  Licht

Weiches Licht entsteht durch große Lichtquellen. In der Dämmerung leuchtet der Himmel in Sonnenrichtung deutlich stärker als zur sonnenabgewandten Seite. Eine dünne Bewölkung sorgt für gerichtetes und doch weiches Licht. Ein großes Fenster an einem bedeckten Tag erzeugt in seiner Nähe ein wundervolles weiches und doch lebendiges Licht. Eine Softbox im Studio (siehe auch Seite 361) erzeugt zwar ein ebenso weiches Licht, das Fenster aber bildet die Außenwelt wie eine unscharfe Lochkamera in den Innenraum ab. Das Licht ist dadurch räumlicher und farbiger als bei einer Softbox, die nur weiß blitzt. Wenn Sie eine Person nah an einem Fenster positionieren, erhalten Sie ein schönes weiches Porträtlicht mit einem Helligkeitsabfall zum Hintergrund hin. Fällt das Licht frontal auf die Person, bekommen Sie auch keine Probleme mit harten Kontrasten. Wenn Sie das Licht seitlich verwenden möchten, empfiehlt sich ein Aufheller.

GG Abbildung

4.17 Die Sonne erreicht diese Fläschchen in einem Schaufenster nur indirekt über den Himmel oder über umstehende Hausfassaden. Das Licht ist weich, aber modelliert die Form trotzdem gut heraus.

70 mm | ƒ2,8 | 1/320 s | ISO 100

Hartes Licht Hartes Licht wirft scharf konturierte Schatten. Es kommt von einer im Verhältnis zur Entfernung kleinen Lichtquelle. So liefert auch die Sonne trotz ihrer Größe an einem klaren Tag hartes Licht, denn sie ist mehr als 100-mal weiter weg, als ihr Durchmesser beträgt.

4.3  Lichtqualität  |  235

GG Abbildung

4.18 Das harte Abendlicht gibt der Landschaft Tiefe und Farbe. Durch den weiten Bildwinkel des Panoramas fallen die Schatten in unterschiedliche Richtungen.

15 mm | ƒ9 | 1/400 s | ISO 200 | Panorama aus vier Querformaten

HH Abbildung

4.19 Der Svartisen-Gletscher wirkt auf diesem Foto abstrakt und das Bild eher flächig als räumlich. Das frontale Licht vereinfacht das Motiv stark.

200 mm | ƒ8 | 1/1250 s | ISO 160 | +2⁄3 LW

Hartes Licht arbeitet Texturen gut heraus, sorgt für brillante Farben und räumliche Tiefe. Es erzeugt einen starken Kontrast und setzt deswegen eine sorgfältige Belichtung voraus, damit Lichter und Schatten noch Zeichnung erhalten. Hartes Licht ist anspruchsvoll bei der Lichtführung: Bei Porträts ergeben sich schnell störende Schatten neben der Nase oder in den Augenhöhlen, wenn die Lichtrichtung nicht stimmt.

4.4  Lichtrichtungen Jede Richtung des Lichts hat besondere Eigenschaften und ist deshalb für unterschiedliche Aufnahmen geeignet. Wirklich »schlechtes« Licht gibt es eigentlich nicht, denn für irgendein Motiv ist es immer gerade richtig. Bei manchen Lichtrichtungen ist es nur etwas einfacher, interessante Bilder aufzunehmen. Frontales Licht | Wenn das Licht von

vorn, das heißt aus Richtung der Kamera, auf das Motiv fällt, ist das Motiv praktisch schattenlos, weil die Schatten dann hinter das Motiv fallen. Die Ausleuchtung ist flach und der räumliche Eindruck stark verringert. Wenn die Sonne eher tief steht, müssen Sie aufpassen, dass Ihr eigener Schatten nicht mit aufs Bild gerät, oder Sie müssen ihn so einbauen,

236  |  4  Licht

GG Abbildung

4.20 Das Seitenlicht lässt die Berge in den Picos de Europa sehr räumlich erscheinen. Die kräftigen Kontraste sind für die Digitalkamera noch gut zu bewältigen.

50 mm | ƒ7,1 | 1/200 s | ISO 200 | Polfilter

FF Abbildung

4.21 Das Hauptmotiv – der »Lange Jan«, ein Leuchtturm auf Öland – wird hier nur durch seinen Schatten repräsentiert. Achten Sie also auch auf die Schatten, sie haben oft eine eigene Kraft, die ein Bild tragen kann.

50 mm | ƒ9 | 1/200 s | ISO 100

dass er die gewünschte Bildwirkung nicht stört oder vielleicht sogar Teil der Gestaltung wird. Frontales Licht eignet sich, um Motive zu vereinfachen, sie flächiger und grafischer zu machen. In der Beautyfotografie wird frontales Licht gern verwendet, um Augen und Mund hervorzuheben und ein helles Gesicht ohne Schatten zu erhalten. Seitenlicht | Seitenlicht ist das am häufigsten verwendete Licht in der Fotogra-

fie. Es scheint seitlich auf das Motiv und betont seine Räumlichkeit durch einen mehr oder minder starken Schattenwurf. Die Lichtquelle scheint nicht direkt ins Objektiv, sodass Seitenlicht in Bezug auf Streulicht und Blendenflecke relativ unkritisch ist. Streiflicht | »Wenn die Sonne tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten.«

Dieses alte Sprichwort beschreibt auch das Streiflicht sehr gut. Beim Streiflicht trifft das Licht in einem sehr flachen Winkel auf die Oberfläche, sodass selbst flachste Erhebungen bereits deutliche Schatten werfen. Streiflicht eignet sich daher ideal, um die Textur einer Oberfläche herauszuarbeiten.

4.4  Lichtrichtungen  |  237

Streiflichtsituationen sind durch ihren engen Winkelbereich zeitlich begrenzt. Entweder nutzen Sie die letzten Momente, bevor die Sonne aus Sicht der Motivoberfläche untergegangen ist, oder die Sonne ist in einer anderen Position (weil sich die Erde weiterdreht), und das Licht wird immer steiler. Während Streiflicht eine enorme plastische Wirkung hat und oft Dramatik erzeugt, hebt es auch kleine Fehler stark hervor und kann bei kleinteiligen Motiven sehr unruhig wirken. Gegenlicht | Gegenlicht kommt von einem Punkt hin-

GG Abbildung

4.22 Das flach einfallende Abendlicht wirft lange Schatten und betont die Textur des Lavagesteins auf La Palma. Die Oberfläche wirkt bei Streiflicht plastischer als bei jedem anderen Licht.

75 mm | ƒ6,3 | 1/125 s | ISO 250 | −1 LW

ter dem Motiv und scheint in Richtung der Kamera. Wenn das Motiv die Lichtquelle nicht verdeckt, scheint sie direkt ins Objektiv und kann dort Überstrahlungen, Blendenflecke und Streulicht hervorrufen. Außerdem ist der Kontrast sehr hoch, weil die Lichtquelle und die Schattenbereiche gleichzeitig auf dem Bild erscheinen. Viele Fotografen setzen Gegenlicht nur sehr selten ein, weil sie von misslungenen Ergebnissen abgeschreckt werden. Dabei schafft Gegenlicht oft sehr spannende und schöne Lichtsituationen, die Sie sich nicht entgehen lassen sollten. Ein Objektiv mit einer hochwertigen Vergütung und guter interner Reflexionsvermeidung macht Gegenlichtsituationen leichter beherrschbar. Bei der Belichtungsmessung müssen Sie allerdings oft eingreifen und sich entscheiden, ob Sie das Motiv als Silhouette oder gut ausgeleuchtet gegen einen hellen Hintergrund aufnehmen möchten. Die einzige Alternative ist, eine Belichtungsreihe aufzunehmen und daraus später ein HDR-Bild zusammenzusetzen. Achten Sie dabei darauf, einen möglichst natürlichen Bildeindruck zu erhalten und den HDREffekt nicht zu übertreiben, denn der beste HDR-Effekt ist der, den man nicht sieht (siehe Seite 307). FF Abbildung

4.23 Die Bäume am Berghang sind nur noch Schattenrisse. Ihre Silhouetten bleiben völlig ohne Zeichnung.

200 mm | ƒ5,6 | 1/160 s | ISO 125

238  |  4  Licht

Bei spiegellosen Kameras ist die Belichtungsmessung oft genauer, weil z. B. die Gesichtserkennung gleich auf den bildwichtigen Teil belichtet oder die Kontrasterfassung wegen der hochauflösenden Messdaten einfacher ist.

GG Abbildung

4.24 Durch das schräg von hinten einfallende Licht leuchten die Gräser in der Sonne.

600 mm | ƒ5,6 | 1/1250 s | ISO 400

FF Abbildung 4.25 Die auf den Betrachter zulaufenden Schatten erzeugen einen starken perspektivischen Eindruck. Die Sonne wird vom Motiv verdeckt, deswegen ist das Bild nicht überstrahlt.

17 mm | ƒ9 | 1/800 s | ISO 200

4.4  Lichtrichtungen  |  239

Gegenlicht schafft Reflexionen sowie Schatten und dramatisiert den Bildinhalt. Das Licht wird, deutlicher noch als sonst, zum Teil des Motivs. Wenn Sie durchscheinende Motive wie Dampf, Rauch, Spinnweben oder zarte Vegetation zum Leuchten bringen möchten, eignet sich Gegenlicht am besten. Sie sollten Gegenlichtaufnahmen immer auf dem Kamerabildschirm kontrollieren, denn das Auge gleicht die hohen Kontraste viel besser aus als Ihre Digitalkamera. So vermeiden Sie, dass Sie gar nicht alle bildwichtigen Informationen erfassen, weil die Belichtungsmessung danebenliegt. HH Abbildung 4.26 Scheinwerfer strahlen die tief hängenden Wolken über dem Mont Saint-Michel an. Das weiche Licht von oben ergibt eine unwirkliche und bühnenartige Ausleuchtung.

12 mm | ƒ8 | 30 s | ISO 800 | APS-C

240  |  4  Licht

Unter- und Oberlicht | Sonnenlicht direkt von oben wird automatisch mit dem

Süden verbunden, jedenfalls auf unserer Erdhalbkugel. Es tritt in unseren Breiten kaum auf, weil die Sonne so weit im Norden nie im Zenit steht. Die Sonne kann nur bis zu 26° nördlicher Breite im Zenit stehen, und Deutschland liegt zwischen 47° und 55° Nord, auf gleicher Höhe wie Teile Nordamerikas, Kanadas und sogar der südlichen Ausläufer Alaskas.

Wenn Ihnen das Licht auf Reisen ganz anders vorkommt, liegt dies aber nicht nur an der geografischen Breite. Die Nähe des Meeres oder die vorherrschende Beschaffenheit des Landes haben genauso Einfluss auf das Licht wie meteorologische Besonderheiten einer Gegend. (Einer der Orte, an denen mir dieser Umstand immer wieder auffällt, ist Skagen. Skagen liegt an der Nordspitze Dänemarks zwischen der Nordsee und der Ostsee. Die Sonne spiegelt dort vom Meer zurück in den Himmel und schafft so ein besonderes Licht.) Licht von unten wirkt auf den ersten Blick künstlich. Die Wahrnehmung bei Unterlicht ist so ungewöhnlich, dass es bei Porträts unheimlich wirkt. Schon Kinder halten sich Taschenlampen unter das Gesicht, um gruselig zu wirken. Aus der Kunstgeschichte (Edgar Degas zum Beispiel) oder der frühen Fotografie verbinden wir Unterlicht mit Theater- und Bühnenlicht. Vor dem Einsatz des elektrischen Lichts wurden Theater mit Gasbrennern am unteren vorderen Bühnenrand beleuchtet. Heute wird gemäßigtes Unterlicht gern verwendet, wenn sich das Licht stark vom Gewohnten unterscheiden soll, etwa in ­ScienceFiction-Filmen. Manchmal ergibt es sich auch ganz natürlich, wenn eine Person zum Beispiel am Laptop arbeitet und der Bildschirm das Hauptlicht im Raum ist. Bei Porträts ergeben Unter- und Oberlicht meist Probleme mit den Augenschatten, es sei denn, das Licht ist recht weich. Sie können das umgehen, indem Sie die Person den Kopf in Lichtrichtung neigen lassen, sodass das Licht das Gesicht etwas mehr von vorn beleuchtet.

GG Abbildung

4.27 Das von der Sonne beschienene Straßenpflaster beleuchtet den Türklopfer von unten und erzeugt eine besondere Atmosphäre im Bild.

150 mm | ƒ5 | 1/160 s | ISO 500

Kreuzlicht | Wenn es zwei Hauptlichter gibt, die in unterschiedliche Richtungen

Schatten werfen, redet man von Kreuzlicht. In der Porträtfotografie versucht man dies meist zu vermeiden, indem man als zweite Lichtquelle eine weiche einsetzt, die die erste aufhellt, aber selbst keine konturierten Schatten wirft.

4.4  Lichtrichtungen  |  241

Kreuzlicht erschwert die Lesbarkeit eines Fotos, weil es in der Natur praktisch nur in einer senkrechten Variante als Sonnenspiegelung auf dem Wasser vorkommt. Wir erschließen den Raum in einem Foto auch über den Schattenwurf, und wenn es plötzlich »zwei Sonnen« gibt, ist das irritierend. Dieser vermeintliche Fehler kann aber auch dazu führen, dass man an einem Foto hängen bleibt und dass es eine besondere, leicht unwirkliche Stimmung erhält. Natürliches Kreuzlicht aus einer Spiegelung wird in einem Foto wahrscheinlich besser passen, als wenn es das Resultat Ihrer Lichtsetzung ist, wobei auch dies zu bestimmten Motiven passen kann. Es gibt in der Fotografie keine echten Fehler, nur Stilmittel, die sich für ein Bild als unpassend erweisen. FF Abbildung

4.28 Die Sonne spiegelt sich in einem Hochhaus am Potsdamer Platz und erzeugt so einen zweiten Schatten. Diese seltene Lichtsituation macht den eigentlichen Reiz des Bildes aus.

44 mm | ƒ4 | 1/3200 s | ISO 200

GG Abbildung 4.29 Vier Aufnahmen des Leuchtturms von Punta del Hidalgo auf Teneriffa. Die erste entstand an einem diesigen Nachmittag. Allein durch das langweilige Licht ist diese Aufnahme misslungen. Die zweite nahm ich ein paar Tage später am frühen Abend auf. Der Tag ist klarer, und die Lichtrichtung akzentuiert das Gebäude sehr gut. Zwischen den letzten beiden Aufnahmen liegen nur sechs Minuten und ein Ortswechsel. Sie sind atmosphärisch gelungen, zeigen das Gebäude selbst aber weniger gut als die zweite Aufnahme.

242  |  4  Licht

4.5  Available Light Available Light hat sich auch im Deutschen als Fachbegriff für die Fotografie mit vorhandenem Licht durchgesetzt. Er bezieht sich hauptsächlich auf schwaches Licht, bei dem viele Fotografen bereits auf Blitzlicht zurückgreifen. Blitzlicht schafft jedoch eine Standardlichtsituation, die die Atmosphäre eines Ortes einfach überblitzt. Eine moderne Kamera erlaubt das Fotografieren aus der Hand hingegen selbst bei Kerzenlicht. Es gibt eine Menge Situationen, bei denen sich der Einsatz von Blitzlicht ohnehin verbietet. Bei vielen Gelegenheiten müssen Sie dezent sein, um als Fotograf nicht zu stören. Damit ist in keinem Fall gemeint, heimlich zu fotografieren, sondern eher, die Situation oder den Ort zu achten. Ich würde daher nie in einer Kirche, in einem Museum oder bei einem Konzert blitzen. Oft benutze ich nur das IR-Hilfslicht des Blitzes (nicht aber den Blitz selbst), um im Dunkeln einen schnelleren und genaueren Autofokus zu erhalten – ein Foto mit Blitz ergäbe aber in diesen Fällen einfach das schlechtere Bild. Probieren Sie aus, wie weit Sie mit Ihrer Digitalkamera in dunkler Umgebung gehen können, bis zu welcher ISO-Einstellung Ihre Digitalkamera noch ein vernünftiges Rauschverhalten zeigt und welche Zeiten Sie aus der Hand fotografieren können, ohne zu verwackeln. Ab diesen Verschlusszeiten sollten Sie ein Stativ verwenden, am besten mit einem Kabelauslöser, um auch beim Auslösen mit der Hand keine Vibrationen auf die Kamera zu übertragen. Falls möglich, aktivieren Sie vorher an der Kamera auch die Spiegelvorauslösung. Mit dieser Funktion sind die Vibrationen des Spiegelschlags schon verebbt, bevor die Bildaufzeichnung beginnt.

HH Abbildung

4.30 Selbst mit einem Zoomobjektiv und einer Offenblende von ƒ4 ließ sich dieses Bild gut aus der Hand aufnehmen. Ein Blitz hätte die Stimmung dagegen völlig zerstört.

19 mm | ƒ4 | 1/25 s | ISO 3 200

4.5  Available Light  |  243

Abbildung 4.31 E Mit einem scharfen und lichtstarken Objektiv ließen sich weit mehr Sterne sichtbar machen, als das bloße Auge erkennen konnte.

14 mm | ƒ2 | 1/20 s | ISO 3 200 | Bildausschnitt

4.6  Lichtmalerei oder Lightpainting

GG Abbildung

4.32 Diese alte Kodak wurde mit einer LED-Taschenlampe mit einem Röhrchen aus schwarzer Pappe »ausgemalt«.

50 mm | f10 | 13 s | ISO 100 | APS-C

244  |  4  Licht

Solange der Verschluss geöffnet ist, sammelt eine Kamera das Licht. Deswegen reichen bei langen Verschlusszeiten auch schwache Lichtquellen, um ein Motiv vollständig auszuleuchten. Bei langen Verschlusszeiten bleibt Ihnen genügend Zeit, mit einer beweglichen Lichtquelle durch die Szene zu gehen und die Motivteile einzeln auszuleuchten – die Lichtmalerei oder das sogenannte Lightpainting. Ein Stativ oder ein anderer fester Halt für die Kamera ist dabei natürlich unerlässlich. Für die Ausleuchtung ist eine kleine Taschenlampe oft ausreichend. Wenn Sie eine Taschenlampe dicht am Motiv entlang mit etwa 0,5 bis 1 m/s bewe-

gen, ist Blende ƒ8 bei ISO 100 ein guter Startwert für eigene Versuche. LEDTaschenlampen haben eine tageslichtähnliche Farbe (allerdings oft mit Blauoder Magentastich) und kommen lange Zeit mit einer Batterie aus. Glühlampen haben einen warmen Ton und benötigen mehr Energie. Die einzige Voraussetzung für das Lightpainting ist, dass das Umgebungslicht so gering ist, dass sich die Taschenlampe ihm gegenüber als Hauptlicht durchsetzen kann. Innenräume oder ein Fotostudio lassen sich meist verdunkeln, nachts eignen sich alle Bereiche, die nur wenig beleuchtet werden. Eine Variante des Lightpainting ist das Wanderblitzen, bei dem Sie mit einem externen Blitz durch die Szene schreiten und manuell einige Blitze auslösen (mehr dazu ab Seite 336).

HH Abbildung 4.34 Diese Aufnahme beleuchtete ich mit einer Taschenlampe, deren Lichtstrahl ich mit einem Stück schwarzer Pappe etwas enger gemacht hatte. So vermied ich auch, dass Licht von der Taschenlampe direkt in die Kamera fiel.

22 mm | f11 | 55 s | ISO 100 | APS-C

GG Abbildung

4.33 Diese drei Taschenlampen geben sehr unterschiedliches Licht: Links ist das Licht der LED-Taschenlampe relativ gleichmäßig und kühlweiß, die LED-Taschenlampe in der Mitte ist stark bläulich, und die Taschenlampe mit einer Glühlampe gibt sehr warmes gelboranges Licht ab (rechts). Für das Lightpainting geeignet sind alle drei, die Farbstimmungen unterscheiden sich aber natürlich stark.

4.6  Lichtmalerei oder Lightpainting  |  245

4.7  Nacht

HH Abbildung

4.35 In der späten Dämmerung, wenn der Himmel noch blau ist und sich die Lichter der Stadt schon gut abheben können, ergeben sich oft die schönsten Lichtsituationen.

14 mm | ƒ9 | 25 s | ISO 100

246  |  4  Licht

Das Fotografieren bei Nacht ist einfach geworden. Die ersten Kameras lassen sich schon sinnvoll auf über ISO 200 000 einstellen, sodass selbst bei sehr schwachem Licht noch Fotos von bewegten Motiven und Aufnahmen aus der Hand möglich sind. Die meisten Nachtaufnahmen werden aber vom Stativ mit eher geringen ISO-Werten aufgenommen, um eine höhere Bildqualität zu erhalten. Sie werden feststellen, dass Ihre Digitalkamera Details aufnehmen kann, die für das bloße Auge nicht mehr sichtbar sind, und dass sie Farben zeigt, wo Sie nur noch Grau sehen. Das schwache Licht ist also für eine Systemkamera überhaupt kein Problem. Was Nachtaufnahmen allerdings oft etwas kompliziert macht, ist der hohe Kon­ trastumfang. Selbst bei optimaler Belichtung wird es bei vielen Motiven Bereiche geben, in denen Sie keine Zeichnung mehr erhalten, weil sie außerhalb des Helligkeitsbereichs liegen, der mit einer Aufnahme erfassbar ist. Die besten Nachtaufnahmen werden deswegen häufig in der Dämmerung aufgenommen, wenn der Himmel noch ein wenig leuchtet und die Schatten aufhellt.

GG Abbildung

4.36 Auf den ersten Blick eine Aufnahme im Sonnenschein, dann fallen die Sterne am Himmel ins Auge. Das Mondlicht in Verbindung mit der hohen Lichtempfindlichkeit der Kamera und der langen Verschlusszeit lassen dieses Bild fast wie eine Tagaufnahme erscheinen.

GG Abbildung 4.37 Ich verwende Taschenlampen manchmal auch bei normalen Nachtaufnahmen, um in die Schattenbereiche etwas mehr Zeichnung zu bekommen.

16 mm | ƒ4 | 10 s | ISO 800

14 mm | ƒ2,8 | 15 s | ISO 3 200

Eine zweite Möglichkeit ist, mehrere Belichtungen mit unterschiedlicher Helligkeit zu einem HDR-Bild zusammenzufügen (siehe Seite 307). Durch den höheren Kontrastumfang steigt aber auch die Anfälligkeit für Streulicht. Wenn zum Beispiel nur ein Tausendstel des Lichts einer Laterne reflektiert wird, so ist das bei einem üblichen Kontrastumfang von 10 Blendenstufen praktisch nicht sichtbar. Wenn Sie mithilfe der HDR-Technik den Kontrastumfang auf 16  Blendenstufen erhöhen, werden diese Reflexionen aus der hellsten Belichtung auch im Endergebnis gut sichtbar werden. Für ein HDR-Bild müssen Sie also sorgfältiger auf Streulicht achten als bei einer normalen Aufnahme.

Abbildung 4.38 E Ein altes Stahlwerk nachts mit farbigen Scheinwerfern beleuchtet. Dieser Kontrastumfang ließ sich nur mit drei Belichtungen einfangen, die zu einem HDR-Bild zusammengesetzt wurden.

16 mm | ƒ5,6 | 1 s, 6 s, 25 s | ISO 500

4.7  Nacht  |  247

4.8  Kunstlicht

GG Abbildung

4.39 Die Lichtintensität nimmt im Quadrat zur Entfernung der Lichtquelle ab, eine einzelne Kunstlichtquelle wirkt deswegen nur sehr lokal.

55 mm | ƒ2,8 | 1/30 s | ISO 320 | Nikkor SC 55 mm ƒ1,2

Abbildung 4.40 E Bei einer Verdopplung der Entfernung zur Lichtquelle nimmt die Lichtintensität um das Vierfache ab, weil eine viel größere Fläche beleuchtet werden muss. Das macht die Fotografie nicht immer einfach, gibt Ihnen aber auch große Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand.

248  |  4  Licht

Mit dem Begriff »Kunstlicht« verbinden die meisten Fotografen zuallererst eine andere Farbigkeit des Lichts: wärmer und manchmal ungenau in der Farbwiedergabe. Es gibt jedoch einen viel wesentlicheren Unterschied zum Tageslicht: die Entfernung zur Lichtquelle. Das Sonnenlicht braucht acht Minuten zur Erde, obwohl es pro Sekunde 300 000 km zurücklegt. Die Sonne ist so weit weg, dass die Entfernung zwischen zwei Punkten auf der Erde keinen Unterschied in der Lichtintensität ergibt. Anders sieht es allerdings mit dem Winkel aus, den es durch die Atmosphäre nehmen muss und in dem es auf das Motiv trifft. Bei Kunstlicht hingegen macht sich der Lichtabfall deutlich bemerkbar. Die Lichtintensität nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab. Das heißt, zwischen einem Meter und vier Metern von der Lichtquelle entfernt beträgt der Unterschied in der Lichtintensität nicht Faktor 4, sondern 4 × 4 = 16, was vier Blendenstufen entspricht. Ein praktisches Beispiel: Sie stehen mit einer Kamera und aufgestecktem Blitz vier Meter vor einer Wand, und einen Meter vor Ihnen steht eine Person. Sie nehmen ein Bild auf, die Person tritt einen Meter zurück, und Sie nehmen ein zweites Bild auf. Wie verändern sich die Helligkeiten von Person zu Hintergrund in diesem Fall? Der Hintergrund wird viermal heller im Verhältnis zur Beleuchtung der Person. Im ersten Fall ist sie viermal so weit weg, im zweiten nur zweimal. Der Hintergrund ist dann nur viermal statt sechzehnmal dunkler beleuchtet und wirkt somit zwei Blendenstufen heller. Noch einmal zur Verdeutlichung: Bei einer Verdopplung der Entfernung verdoppelt sich die Kantenlänge der beleuchteten Fläche ebenfalls. Die Fläche, die sich aus Kantenlänge  ×  Kantenlänge ergibt, ist damit allerdings schon viermal so groß. Bei gleicher Lichtmenge kommt pro Flächeneinheit nur noch ein Viertel des Lichts an, also zwei Blenden weniger. Einige Leuchtmittel verändern ihre Farbe und Helligkeit in so kurzen Zeitabständen, dass das menschliche Auge davon nichts mitbekommt, Ihre Kamera das aber bei kurzen Verschlusszeiten aufzeichnet. Viele Kameras besitzen dafür eine Anti-Flacker-Funktion, die Serienbilder nach der maximalen Leuchtkraft der Leuchtquelle abstimmt – auch um Farbverschie-

FF Abbildung

4.41 Das Hauptlicht besteht aus einer LED-E27-Leuchte, die in ihrer Dunkelphase gelbe und dunkelgrüne Streifen im Bild erzeugt. Wenn Sie einen kleinen Teil der Kamera zusätzlich mit einer LED-Taschenlampe beleuchten, die keine Streifen erzeugt, sehen Sie, dass tatsächlich die eine Lichtquelle der Verursacher der Streifen ist.

70 mm | ƒ1 | 1/2000 s | ISO 2 500 | leiser Verschluss der Canon EOS R | Bildausschnitt

Normale

bungen zu vermeiden. Diese Funktion wirkt allerdings nur bei den üblichen Stromfrequenzen von 50  Hz oder 60  Hz oder dem Doppelten dieser Werte. Sie können das Flackern aber auch über längere Verschlusszeiten als 1/50 s ausgleichen. Gepulstes LED-Licht oder Dampflampen mit einer höheren Frequenz können bei Verwendung des leisen (elektronischen) Verschlusses Streifen im Bild erzeugen, weil das Bild dabei langsam zeilenweise ausgelesen wird. Eine Sony α7R III benötigt bei unkomprimiertem Raw z. B. 1/13 s, um das ganze Bild auszulesen, bei komprimiertem Raw immer noch 1/26 s. einfallender Strahl

reflektierender Strahl

4.9  Reflexion

α

β

n1

Glatte Oberflächen werfen einen Teil des auftreffenden Lichts gerichtet zurück. Es entsteht eine Spiegelung, in der sich das Motiv scharf erkennen lässt. Matte Oberflächen erzeugen eine diffuse Reflexion, bei der das Licht breit gestreut zurückgeworfen wird. Es lässt sich dann in dem zurückgeworfenen Licht nur die gemischte Farbinformation erkennen. Wenn Sie einen gelben Ball auf eine Glasplatte stellen, sehen Sie in der Glasplatte ein gespiegeltes und leicht abgeschwächtes Abbild des Balls. Auf einer mattweiß gestrichenen Holzplatte färbt der Ball das Weiß der Platte gelblich, aber Sie erkennen nur einen diffusen Farbschein. Ein Lichtstrahl wird so von einem Objekt reflektiert, als ob er einfach abprallen würde. Er verlässt die Oberfläche in einem Winkel, der dem an der Senkrechten (Normale) gespiegelten Einfallswinkel entspricht. Das macht es sehr einfach, vorherzusehen, wie die Reflexionen sich ändern, wenn man das Licht anders positioniert oder sich selbst mit der Kamera bewegt. Wenn das Licht aber zum Beispiel durch ein mit Wasser gefülltes Glas fällt, ist es schon schwieriger, die exakten Änderungen vorauszusagen, denn der Grad der Lichtbrechung ist vom Material abhängig: Glas und Wasser lenken den Lichtstrahl unterschiedlich ab.

n2

γ transmittierter Strahl

GG Abbildung

4.42 Ein einfallender Lichtstrahl wird immer so reflektiert, dass der Winkel zur Senkrechten der Fläche gleich bleibt. Die Kurzform lautet »Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel« (hier: α = β). Wenn der Strahl durch das Medium n2 geht (transmittierter Strahl), wird er gebrochen. Das heißt, je stärker er von seiner Bahn zur Senkrechten hin abgelenkt wird, desto stärker der Brechungsindex des Materials.

4.9  Reflexion  |  249

GG Abbildung

4.43 Ruhiges Wasser spiegelt das Motiv. Reflexionen werden umso intensiver, je näher Sie an die spiegelnde Oberfläche herankommen und je flacher der Winkel wird. Wenn Sie also in die Knie gehen, wird eine Wasserspiegelung noch leuchtender.

35 mm | ƒ2,8 | 1/15 s | ISO 4 000

FF Abbildung

4.44 Die untergehende Sonne spiegelt sich auf der auslaufenden MS Stavan­gerfjord.

85 mm | ƒ8 | 1/1250 s | ISO 160 | −1⁄3 LW

250  |  4  Licht

Gerichtete Reflexionen sind manchmal störend, wenn sich zum Beispiel eine Lampe im Brillenglas des Models spiegelt. Oft werten sie aber ein Motiv deutlich auf. Eine Spiegelung in einer ruhigen Wasseroberfläche liefert eine symmetrische Kopie des Motivs, die umso klarer ist, je flacher Sie die Kamera über dem Wasser positionieren. Symmetrien werden als harmonisch empfunden und bringen trotzdem Spannung ins Bild. Nicht nur das Motiv kann sich spiegeln, auch das Licht, das es beleuchtet. Einzelne Fensterscheiben reflektieren Licht spotartig in die Schatten – eine Fensterfront wird so zum wirren Lichtmuster auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Scheiben sind nie wirklich plan, und so wirken sie oft wie ein ungleichmäßiger Parabolspiegel, der das Licht gebündelt zurückwirft. Komplizierter wird es, wenn das Motiv selbst reflektiert. Dann wird alles in der Umgebung zum Teil des Motivs, was im Winkelbereich der Spiegelung liegt. Wenn Sie einen halbkugelförmigen verchromten Teekessel in Ihrer Küche fotografieren, haben Sie die gesamte Küche mit im Bild. Für solche schwierigen Motive gibt es Lichtzelte, die das Objekt komplett umhüllen bis auf das kleine Loch für das Objektiv. Die Fotografie von Autos ist zum Beispiel auch deshalb so anspruchsvoll, weil der glänzende Lack die Umgebung spiegelt. Wenn Lichtreflexionen über die gesamte Seite eines Autos laufen sollen, müssen die Lichtquellen oder Reflektoren sehr groß sein. Wenn Sie mit geringerem Aufwand Autos fotografieren möchten, eignet sich die Abenddämmerung gut, weil sie einen schönen Lichtverlauf auf das Auto bringt und so die Form betont. Oder Sie steuern das Licht mit kleinen Lichtquellen.

GG Abbildung

4.45 Ein Lichtzelt oder ein Lichtwürfel liefert weiches Licht für schwierige Motive. (Bild: Hama)

HH Abbildung

4.46 Der Mercedes wurde parallel zum riesigen Tor eines Flugzeughangars geparkt, um eine großflächige und geradlinige Reflexionsfläche zu haben. Die Fensterreihe hinten in der Halle erzeugt eine Lichtkante oben auf dem Auto, und das Hallendach dunkelt das Auto nach oben ab.

135 mm | ƒ8 | 1/250 s | ISO 200

4.9  Reflexion  |  251

GG Abbildung

4.47 Die Sonne wird von den Scheiben des gegenüberliegenden Gebäudes auf die alte Industriehalle geworfen. Durch die HDR-Technik haben sowohl der Himmel als auch die Schatten noch gute Zeichnung.

GG Abbildung 4.48 Eine weiße Lampe in einem weißen Raum bei Tageslicht. Durch die diffuse Reflexion an je einem roten, grünen und blauen Schrank wird die Lichtsituation farbig. Ich habe den Effekt in der Bildbearbeitung ein wenig verstärkt, aber Sie werden in Ihrer Umgebung solche Effekte auch wahrnehmen können, wenn Sie sich genauer umschauen.

35 mm | ƒ8 | 1/25 s | ISO 400

Nehmen Sie zum Beispiel einen externen Blitz, der nur punktförmige Reflexionen hervorruft, aber den Lack schön zum Leuchten bringt. Vergessen Sie nicht, dass auch diffuse Reflexionen Ihre Bilder beeinflussen, auch wenn die Effekte subtiler sind und leichter übersehen werden können. Jedes Objekt im Raum verändert die Lichtsituation, nicht nur die Helligkeit, sondern auch die Farbe.

Aufheller und Diffusoren

GG Abbildung

4.49 Faltreflektoren sind oft von beiden Seiten unterschiedlich beschichtet, hier eine Weiß-Gold-Kombination. (Bild: Hama)

252  |  4  Licht

Während harte Lichtquellen ein schönes, klares Licht erzeugen, sind die Schatten oft zu dunkel für einen angenehmen Bildeindruck, besonders bei Porträts. Sie müssen das aber nicht einfach hinnehmen, sondern können die Lichtsituation gestalten. Eine Möglichkeit ist, mit einem Blitz die Schatten aufzuhellen. Dadurch haben Sie aber eine zweite harte Lichtquelle im Bild, die obendrein oft etwas kühler als das Hauptlicht ist. Die Haut glänzt, das Mischlicht ist farblich nicht wirklich schön, und im Extremfall haben Sie sogar Doppelschatten und

Kreuzlicht. Wie Sie den Blitz in diesem Fall besser einsetzen können, erfahren Sie in Kapitel 6, »Blitzfotografie«. Aber es gibt eine elegante Alternative: den Einsatz eines Aufhellers beziehungsweise Faltreflektors. Mit ihm können Sie das Licht der Hauptlichtquelle in die Schattenbereiche reflektieren. Das hat den Vorteil, dass der Charakter der Aufhellung vom Hauptlicht beeinflusst wird. Das wirkt natürlich und angenehm. Aufheller gibt es in vielen Varianten und Größen. Sie finden häufig KombiReflektoren, die fünf verschiedene Einsatzmöglichkeiten vereinen: Ein Diffusor, der das hindurchfallende Sonnenlicht streut, kann mit einer wendbaren Hülle bezogen werden, deren vier Seiten die Farben Weiß, Schwarz, Silber und Gold haben. Als Diffusor können Sie ihn vor die Sonne halten und bekommen dann ein Licht ähnlich einer Softbox, aber ein wenig härter. Der weiße Überzug reflektiert weich und neutral, der silberne hart neutral. Gold reflektiert hart und gibt dem Licht einen warmen Ton. Die schwarze Seite können Sie verwenden, um die Schatten noch tiefer zu machen, als sie durch das normale Umgebungslicht wären. Die Einflussmöglichkeiten auf das Licht mithilfe eines Reflektors sind großartig – der einzige Nachteil ist die Handhabung. Manchmal reicht es, den Reflektor in der linken Hand zu halten, während Sie mit rechts fotografieren. Sie können ihn auch an ein Lichtstativ hängen, aber sein volles Potenzial erreicht er erst, wenn Sie ihn einem Fotoassistenten in die Hand drücken, der mitdenkt. Sie können oft in Ihrer Umgebung geeignete Aufheller finden, wenn Sie bewegliche Motive fotografieren. Eine weiße Wand, ein Lieferwagen oder ein heller Felsen eignen sich hervorragend. Und wenn Sie improvisieren müssen, können Sie ein weißes Bettlaken oder eine Styroporplatte aus dem Baumarkt als mobilen Aufheller verwenden. Bei kleinen Motiven reicht sogar ein Blatt Papier oder ein Stück Pappe.

Abbildung 4.50 E In dieser Gegenlichtaufnahme hellte ein goldener Faltreflektor nicht nur das Gesicht im Schatten auf, sondern auch die Laune des Models.

4.9  Reflexion  |  253

Polarisation Wenn das Licht die Sonne verlässt, schwingt die Lichtwelle in alle Richtungen quer zur Ausbreitungsrichtung. Das bleibt auch so – bis zum Eintritt in unsere Atmosphäre, wo ein Teil des Lichts durch den Zusammenstoß mit kleinen Teilchen in seinen Schwingungsrichtungen eingeschränkt wird, sodass es nur noch in eingeschränkten Richtungen schwingt. Es wird polarisiert. Abbildung 4.51 E Ein Polarisationsfilter 2 filtert das Licht nach seiner Schwingungsrichtung. Licht, das vorher in jede Richtung schwingt 1 , hat danach praktisch nur noch eine Richtung 3 . Durch eine Reflexion bereits polarisiertes Licht wird ausgefiltert, falls es nicht die gleiche Schwingungsrichtung hat wie die, die der Polfilter durchlässt.

1 2

GG Abbildung

3

4.52 Der Himmel ist dunkler und klarer, die Farben leuchten stärker, der Dunst ist kaum zu sehen. Das sind typische Effekte, die ein Polfilter bewirkt. Rechts ein Bild ohne Polfilter zum direkten Vergleich.

32 mm | ƒ11 | 1/160 s | ISO 200

254  |  4  Licht

FF Abbildung

4.53 Die Farben des Regenbogens wurden durch einen Polfilter verstärkt. Zusätzlich hob ich den Regler Dynamik in Adobe Camera Raw etwas an, um leuch­tendere Farben zu erhalten.

145 mm | ƒ5 | 1/80 s | ISO 1 000

  255

Ebenso findet eine Polarisation bei einer Spiegelung an einer Wasseroberfläche oder an einer Glasscheibe statt. Jede Reflexion auf einer nichtmetallischen Oberfläche polarisiert das Licht. Durch den Einsatz eines Polarisationsfilters (auch kurz Polfilter genannt) können Sie Licht einer bestimmten Polarisationsrichtung aussperren. So passieren nur unpolarisiertes Licht und Licht, das quer zum ausgesperrten Licht polarisiert ist, den Filter. Damit können Sie Reflexionen auf einer Glasscheibe verringern, wenn Sie durch eine hindurch fotografieren müssen. Die Reflexionsminderung ist dabei vom Winkel zur Glasfläche abhängig; eine optimale Minderung ergibt sich, wenn Sie im sogenannten Brewster-Winkel auf die Glasscheibe fotografieren. Bei der Grenzfläche Luft–Glas entspricht dieser ungefähr 57° zur Senkrechten, entsprechend 33° zur Glasfläche. Weil der Polfilter immer nur eine Schwingungsrichtung durchlässt, muss er an der Kamera drehbar angebracht werden, um diese Richtung anpassen zu können. Wenn Sie die Kamera in eine andere Richtung schwenken, müssen Sie am Polfilter drehen, um seine Wirkung erneut anzupassen. Mit einem Polfilter können Sie auch das Himmelsblau verstärken, weil das polarisierte Streulicht zum Teil ausgeschlossen wird. Generell vermindert der Polarisationsfilter die Reflexionen, sodass Motive matter und kräftiger in ihrer Eigenfarbe erscheinen. Wenn zum Beispiel bei einem grünen Blatt das weiß reflektierte Licht gefiltert wird und nur das aus dem Blatt selbst zurückgeworfene grüne Licht übrig bleibt, dann glänzt das Blatt weniger und erscheint farbiger. Polarisiertes Licht bringt eine DSLR völlig durcheinander. Auf Autofokus und Belichtungsmessung könnten Sie sich nicht mehr verlassen, und das Sucherbild würde dunkler, wenn es nicht einen praktischen Trick gäbe: Nach der Polarisation wird das Licht bei einem Zirkularpolfilter in einer zweiten Schicht wieder zufällig verdreht. So haben Sie den optischen Effekt der Polarisation ohne den Nachteil der aus dem Takt gebrachten Kamera. Für eine DSLR sollten Sie deswe-

Reflexionen vermeiden Wenn Sie durch eine Scheibe fotografieren müssen, werden Sie auch mit einem Polfilter nicht sämtliche Reflexionen ausschalten können. Solange die Reflexionen aber dunkel und gleichförmig sind, werden sie den Durchblick durch die Scheibe nicht stören. Manchmal hilft es, die Flächen direkt neben dem Objektiv mit der Hand abzuschatten oder dunkle Kleidungsstücke zu Hilfe zu nehmen. Bei geplanten Aufnahmen können Sie extra Material zum Abschatten mitnehmen. Schwarzer Molton (Baumwollstoff) an einer Querstange an einem Lichtstativ befestigt, ist eine praktische Lösung. Sie schatten damit einfach den Hintergrund in Reflexionsrichtung ab und haben keine störende Reflexion mehr im Bild.

256  |  4  Licht

gen immer einen Zirkularpolfilter und keinen Linearpolfilter verwenden, bei einer Spiegellosen ist der Unterschied egal. Art des Polfilters bestimmen | Falls Sie einen alten Pol-

filter haben, können Sie leicht testen, ob es sich um einen zirkularen oder linearen handelt: Schauen Sie durch den Filter auf eine Glasfläche mit Reflexionen oder noch besser auf einen LCD-Monitor. Drehen Sie den Filter, und betrachten Sie die Wirkung. Wenden Sie den Filter dann, und wiederholen Sie den Vorgang. Bei einem Linearpolfilter ist es egal, ob Sie von vorn oder hinten durchschauen. Ein Zirkularpolfilter wirkt aber nur dann, wenn Sie von hinten durchschauen; von vorn hat er kaum eine wahrnehmbare Wirkung. Der LCD-Monitor eignet sich für diesen Test deshalb so gut, weil in ihm eine Polarisationsfolie verbaut ist. Wenn Sie den Filter quer zur Richtung der Folie halten, erscheint der Bildschirm fast schwarz, längs aber kaum dunkler. Weitere Anwendungsgebiete | Ein Polarisationsfilter

eignet sich auch, um das Glänzen der Haut bei Porträts zu minimieren. Wenn Sie den Filter auf maximale Wirkung gedreht haben, wirkt die Haut manchmal schon zu matt; wenn Sie den Filter dann um ein paar Grad drehen, erscheint wieder ein leichter Glanz auf der Haut. Eine andere Spezialanwendung des Polfilters ist das Fotografieren von Regenbögen. Bei einem Regenbogen wird das Licht beim Eintritt in den Wassertropfen gebrochen, dabei wird es in die Spektralfarben aufgefächert. Im Tropfen wird es reflektiert, dabei polarisiert und beim Austritt noch einmal gebrochen, was die Farbigkeit weiter verstärkt. Wenn Sie nun den Polfilter so drehen, dass das Regenbogenlicht optimal durchgelassen wird, schwächen Sie gleichzeitig anders polarisiertes Licht ab und verstärken so die Wirkung des Regenbogens.

GG Abbildung

4.54 Wenn man einen Punkt eines Motivs anvisiert und die Lichtstrahlen so weit zurückverfolgt, bis man an einer oder mehreren Lichtquellen angekommen ist, merkt man erst, wie kompliziert Beleuchtungssituationen oft sind.

16 mm | ƒ6,3 | 1/15 s | ISO 3 200 | Bildausschnitt

4.9  Reflexion  |  257

kurz & bündig:  Licht

GG Abbildung

4.55 Der Leuchtturm von Skagen wirft ein gleißendes Licht in den leichten Dunst der späten Dämmerung. Diese Lichtsituation ergab fast automatisch ein interessantes Bild.

55 mm | ƒ4 | 30 s | ISO 1 000

258  | 

KURZ & BÜNDIG:

Licht

Egal, wo Sie sich jetzt gerade befinden, Sie werden beobachten können, wie das Licht reflektiert, gebrochen, eingefärbt und absorbiert wird, wie es Schatten wirft und sie gleichzeitig aufhellt. Vielleicht werden Sie sogar Hinweise auf Beugung und Polarisation entdecken können. In den nächsten 24 Stunden werden nur durch die Drehung der Erde völlig unterschiedliche Lichtsituationen entstehen. Manche davon werden Objekte in Ihrem Umfeld in ein besonderes Licht tauchen, einen Moment erschaffen, in dem die Schatten und die Reflexionen stimmig sind und eine Schönheit entsteht, die erst in diesem Licht sichtbar wird. Seien Sie sich der Möglichkeiten bewusst, die das natürliche Licht für Sie bereithält. Und denken Sie an die Freiheiten, die Sie haben, diese Möglichkeiten zu beeinflussen. Wenn Ihr Motiv ein Berg ist, dann werden Sie das richtige Licht abwarten müssen, um das bestmögliche Foto aufzunehmen. Beim Porträtieren sind dagegen sowohl Sie als auch Ihr Model beweglich. Manchmal finden Sie in einem Umkreis von wenigen Metern einen Ort mit perfektem Porträtlicht, und oft genügt eine Drehung, um störende Schatten zu vermeiden. Für kleine Objekte können Sie ganze Fotostudios nur aus Papier und Taschenlampen basteln – um Licht kreativ einzusetzen, müssen Sie kaum Geld ausgeben. Versuchen Sie, das natürliche Licht zu verstehen, bevor Sie anfangen, selbst Licht zu setzen. Von einer Hauptlichtquelle auszugehen, wie sie die Sonne bei Tageslicht darstellt, und die sich ergebenden Schwächen der Beleuchtung dann mit Aufhellern oder weiteren Lichtquellen oder Akzentlichtern zu beheben, führt meist zu den besten Ergebnissen.

Anregungen für die Fotopraxis EE

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Wählen Sie einen Ort, der reflektierende Flächen aufweist, eine Straße in der Stadt oder ein Schaufenster beispielsweise. Suchen Sie sich einzelne Punkte in der Szene, und versuchen Sie festzustellen, von wo das Licht kommt bzw. aus welchen unterschiedlichen Quellen es sich zusammensetzt. Sie werden feststellen, dass dies manchmal sehr komplizierte Wege mit starken wechselseitigen Beeinflussungen sind. Nehmen Sie sich Zeit, um die Details einer Szene zu verstehen, wie das Licht entsteht und welche Wege es genommen hat. Sie werden feststellen, dass Ihnen, je länger Sie sich mit der Fotografie beschäftigen, immer mehr auffallen wird und Sie viel sensibler gegenüber kleinen Details der Lichtsituation werden. Fotografieren Sie je ein Bild, bei dem der Schatten oder die Reflexion zum Hauptmotiv wird. Nehmen Sie ein Foto auf, bei dem das Licht selbst das Motiv ist. Wählen Sie ein Motiv in Ihrer Nähe, das Sie zu unterschiedlichen Tageszeiten fotografieren können. Erstellen Sie eine Reihe von Aufnahmen mit gleicher Kameraposition und Brennweite. Wenn Sie ein lohnendes Motiv in Ihrer Nähe haben, weiten Sie den Versuch auf ein Jahr aus. Optimieren Sie zu Beginn den Bildausschnitt, damit sich eine schöne Bildserie ergibt. Suchen Sie sich ein Objekt, und fotografieren Sie es als ein schönes Stillleben. Sie dürfen dafür nur natürliches Licht verwenden und Dinge, die Sie bereits besitzen. Innerhalb dieser Einschränkungen dürfen Sie alles unternehmen, um möglichst schönes Licht und angenehme Reflexionen zu erzeugen. Nutzen Sie Streulicht bewusst für ein Foto. Fotografieren Sie gegen die Sonne, probieren Sie unterschiedliche Blendenwerte aus. Gehen Sie an einem Tag mit durchgehend grauem Himmel fotografieren. Versuchen Sie, eine möglichste klare, sachliche und nüchterne Aufnahme von einem Motiv zu erstellen. Nutzen Sie bewusst Licht, bei dem Sie nicht gern fotografieren – egal ob ein sehr trüber Tag oder fahle Mittagssonne –, und erstellen Sie ein Bild, für das gerade dieses Licht ideal ist. Nutzen Sie interessante Lichtsituationen in Ihrer Nähe, die sich z. B. durch Flutlicht, Leuchttürme, Industrieanlagen oder spiegelnde Fassaden ergeben. Finden Sie einen möglichst dunklen Ort in Ihrer Nähe und sammeln Sie mit Ihrer Kamera so viel Licht, wie Sie für ein technisch gutes Foto benötigen. Sie dürfen beliebig lange belichten.

GG Abbildung 4.56 Diesen alten Filmbetrachter beleuchtete ich mit einem Diaprojektor von rechts und einer Taschenlampe von links, als Untergrund diente ein Bogen graues Papier, das ich nach hinten hochgebogen hatte. Sie können Studiofotografie mit sehr günstigen oder vorhandenen Lichtquellen betreiben, wenn der Raum selbst dunkel ist.

50 mm | ƒ2 | 1 s | ISO 100

KURZ & BÜNDIG:

Licht  |  259

Kapitel 5:  Belichtung In den Anfangstagen der Fotografie hatten die Fotostudiobetreiber oft eine Katze. Der schauten sie in die Augen, um zu sehen, wie weit die Pupillen geöffnet waren, und legten daraufhin die Verschlusszeit fest. Seitdem sind nicht nur die Verschlusszeiten kürzer, sondern auch die Messmethoden ausgeklügelter geworden. Trotz aller technischen Raffinessen müssen Sie als Fotograf auch heute ständig in die Belichtungsmessung eingreifen. Sie haben hauptsächlich drei Einflussmöglichkeiten, die Helligkeit eines Bildes zu bestimmen: Verschlusszeit, Blende und ISO-Wert.

5.1  Grundlagen Ob Sie gegen die Sonne fotografieren oder in dunkler Nacht, ob Sie es mit extrem hohen Kontrasten oder mit ungewöhnlichen Motivhelligkeiten zu tun haben: Sie werden alle diese Situationen technisch bewältigen können, allerdings wird Ihre Kamera nicht immer den besten Vorschlag für die richtige Belichtung machen. Wenn Sie den Spielraum nutzen, den Ihnen die Verschlusszeit, der Blendenwert und die ISO-Zahl bieten, und lernen, wie Sie die Automatik der Kamera beeinflussen können oder wann Sie sie ausschalten sollten, können Sie fast alle Fotosituationen in den Griff bekommen. Und diejenigen, die sich damit nicht zufriedenstellend umsetzen lassen, können Sie meist ändern, indem Sie zusätzliches Licht einsetzen, Bereiche abschatten, HDR verwenden oder Ihre Position verändern.

Abbildung 5.1 Der Dunst im Gegenlicht stuft die Helligkeit der Berge nach Entfernung ab.

FFF

118 mm | ƒ9 | 1/640 s | ISO 100 | Bildausschnitt

Verschlusszeit Mit der Verschlusszeit regeln Sie, wie lange der Verschluss Licht auf den Sensor lässt. Der Sensor addiert das Licht in dieser Zeit – je länger er belichtet wird, desto heller wird das resultierende Bild. In der Praxis werden Sie die Verschlusszeit so kurz halten wollen, dass sich die Kamera oder das Motiv in dieser Zeit so wenig bewegt wie möglich, damit das Bild scharf bleibt. Gegen das Verwackeln der Kamera hilft ein Stativ. Ein Bildstabilisator ist hier ebenfalls hilfreich, allerdings nur für etwa zwei bis vier Blendenstufen längere Verschlusszeiten. Eine Faustregel besagt, dass Sie eine Verschlusszeit, die dem Kehrwert der Brennweite entspricht, noch gut aus der Hand halten können. Bei einem 200-mm-Objektiv werden Sie mit 1/200 s also meist noch scharfe Bilder erhalten, mit einem guten Bildstabilisator vielleicht vier Blendenstufen mehr, also ca. 1/15 s. Mit einem Stativ können Sie sogar eine Stunde lang belichten, ohne

GG Abbildung

5.2 Mit 1/4000 s Verschlusszeit zeigen selbst die Rotorblätter eines Hubschraubers kaum Anzeichen von Bewegung.

600 mm | ƒ7,1 | 1/4000 s | ISO 200

5.1  Grundlagen  |  261

dass die Schärfe leidet. Bei bewegten Motiven hilft Ihnen das natürlich nicht. Der Bildstabilisator macht Ihnen zwar das Mitziehen etwas einfacher, um eine etwas höhere Schärfe auch bei bewegten Motiven zu erhalten, aber letzten Endes benötigen Sie doch eine relativ kurze Zeit, um die Bewegung einfangen zu können.

GG Abbildung 5.3 Detail eines Bachlaufs mit 1/1000 s, 1/250 s und 1/20 s aufgenommen. Bei 1/1000 s scheint das Wasser fast zu stehen, bei 1/250 verwischt es leicht, und bei 1/20 s verwischt es stark – es bewegt sich immerhin 50 Mal weiter als in der ersten Aufnahme. HH Abbildung

5.4 Die Sonnenreflexionen im Chrom haben Ausläufer nach oben und unten, die durch die Beugung am Schlitzverschluss erzeugt werden

50 mm | ƒ1,4 | 1/6400 s | ISO 100 | sehr kleiner Bildausschnitt

262  |  5  Belichtung

Die meisten Kameras haben keine kürzere Verschlusszeit als 1/8000 s. Der Grund dafür ist interessanterweise die Beugungsunschärfe. Der Verschlussablauf benötigt üblicherweise etwa 1/250 s. Kürzere Zeiten werden durch einen Schlitz gebildet, der während dieser 1/250 s, der sogenannten Blitzsynchronzeit, über den Sensor läuft. Bei 1/8000 s muss dieser 32 Mal (8000/250) schmaler sein als die Sensorhöhe von 24 mm bei Vollformat, also 0,67 mm. Noch schmaler ergibt keinen Sinn, weil dann senkrecht zum Schlitz die Beugungsabweichungen zu stark werden. Sie können diese auch bei 1/8000 s schon sehen, wenn Spitzlichter Schlieren nach oben und unten (im Querformat) bilden. Mit einem rein elektronischen Verschluss ergibt sich das Problem nicht, die Sony α9 schafft deswegen 1/32000 s. Mit einem elektronischen ersten und mechanischem zweiten Verschluss theoretisch auch nicht, allerdings führen hier kleine Winkelabweichungen beim vom Objektiv einfallenden Licht zu Abschattungen im Bild, da die beiden Verschlüsse auf zwei verschieden Ebenen liegen, der elektronische auf dem Sensor, der mechanische davor.

FF Abbildung

5.5 Dass der Himmel bei dieser Aufnahme nach oben so stark abdunkelt, liegt an der Kombination des elektrischen ersten mit dem mechanischen zweiten Verschlussvorhang, sehr kurzer Verschlusszeit, und der Verwendung eines alten Objektivs, über das die Kamera keine Daten hat.

105 mm | ƒ2,5 | 1/8000 s | ISO 320 | Nikon Nikkor 105 mm/ ƒ2,5 Ai an Sony α 7R III

Blende Die Blende verkleinert die Öffnung im Inneren des Objektivs, um weniger Licht durchzulassen. Je kleiner die Blendenöffnung ist, desto höher ist der entsprechende Blendenwert, und desto weniger Licht kommt bei gleicher Verschlusszeit durch das Objektiv. Ihr Auge schließt die Pupille bei Sonne auch viel weiter, als es das in der Dämmerung tut. Die Blende hat aber noch ein paar Zusatzeffekte:

FF Abbildung

5.6 Um bei diesem Bild die Wirkung der kreisrunden Sonnenscheibe in der Unschärfe nicht zu zerstören, musste ich bei Offenblende fotografieren, ansonsten hätten die Blendenlamellen ein Achteck daraus gemacht, und das Bokeh wäre dahin gewesen.

50 mm | ƒ2,8 | 1/1000 s | ISO 100 | Makroobjektiv

5.1  Grundlagen  |  263

HH Abbildung

5.7 Dieselbe Szene wurde einmal mit ƒ2,8, ƒ5,6 und ƒ22 aufgenommen. Je höher der Blendenwert, desto größer wird die Schärfentiefe, aber desto länger muss auch belichtet werden.

90 mm | ƒ2,8 bei 1/160 s, ƒ5,6 bei 1/40 s und ƒ22 bei 0,5 s | ISO 800 | Makroobjektiv

Je kleiner die Blendenöffnung ist, desto enger wird der Lichtkegel, wenn er auf den Sensor trifft. Deshalb bleibt der Lichtkegel länger innerhalb des zulässigen Zerstreuungskreises (siehe Seite 189), und die Schärfentiefe nimmt zu. Aber auch die Gesamtschärfe des Objektivs nimmt beim Abblenden erst einmal zu und lässt ab Blende ƒ8 bis ƒ11 wieder nach, da dann die Beugungsunschärfe einsetzt. Außerdem wird das Bild bei Offenblende durch die Vignettierung (siehe Seite 129) zum Rand hin dunkler, was erst bei Abblendung um etwa zwei Stufen stark zurückgeht. Mit der Blende steuern Sie also so viele Faktoren, dass Sie sich meist gestalterisch auf einen sehr engen Blendenbereich festlegen. Sie lässt folglich für die reine Belichtungssteuerung in der Praxis nur wenig Spielraum.

ISO-Wert Mit dem ISO-Wert steuern Sie die Empfindlichkeit des Sensors oder genauer die Verstärkung des Sensorsignals. Wenn Sie eine bestimmte Blende verwenden wollen oder müssen und auch eine bestimmte Verschlusszeit benötigen, können Sie diese Kombination nur durch Heraufsetzen des ISO-Werts beibehalten, wenn das Licht schwächer wird. Leider hat auch der ISO-Wert seine Nachteile: Je weiter Sie die Empfindlichkeit des Sensors heraufsetzen, desto stärker tritt das Grundrauschen des Sensors in Erscheinung. Die Signalverstärkung, die für die volle Ausnutzung des schwachen Lichts erforderlich ist, verstärkt auch das zufällige Rauschen des Sensors. Die Farb- und Helligkeitsabweichungen werden mit zunehmendem ISO-Wert immer größer, bis das Bild kaum noch zu verwenden ist. Deswegen werden Sie in der Praxis versuchen, den ISO-Wert eher gering zu wählen und die beiden obersten ISO-Stufen Ihrer Kamera nur einzusetzen, wenn es wirklich nicht anders geht.

264  |  5  Belichtung

Die Belichtungseinstellung ist also immer ein Kompromiss aus Verschlusszeit, Blendenwert und ISO-Wert. Oder anders ausgedrückt, ein Kompromiss aus Bewegungsunschärfe, Schärfentiefe und Bildrauschen. Bei hellem Tageslicht lässt sich meist eine Kombination ohne Qualitätseinbußen finden. Wenn Sie mit optimaler Blende und einer kurzen Verschlusszeit fotografieren, kann auch der ISO-Wert oft bei 100 oder 200 bleiben, weil die Sonne so viel Licht liefert.

GG Abbildung

5.8 In dieser Nachtaufnahme aus dem Hamburger Hafen sind auch die bewegten Wellen scharf. Ein hoher ISO-Wert ermöglichte eine relativ kurze Verschlusszeit.

50 mm | ƒ1,8 | 1/50 s | ISO 6 400

5.2  Belichtungsmessung Ein Belichtungsmesser wandelt Licht in Strom um, der dann gemessen wird. Ein Kamerasensor funktioniert im Prinzip genauso, und deshalb könnte man den Sensor auch direkt zur Belichtungsmessung verwenden. Im Live-View-Modus oder bei spiegellosen Kameras wird das sogar gemacht. Normalerweise aber sitzt der Belichtungsmesser oben im Sucher einer DSLR. Mit einem eigenen Belichtungssensor kann die Belichtungsmessung einen noch größeren Helligkeitsbereich abdecken, und die konkreten Belichtungswerte können schneller festgelegt werden, weil viel weniger, dafür aber empfindlichere Messfelder verwendet werden, als der Sensor sie bieten kann. Moderne DSLR-Belichtungsmesser sind

5.2  Belichtungsmessung  |  265

im Prinzip kleine RGB-Bildsensoren, die meist zwischen 7 500 und 180 000 Pixel aufweisen. Manchmal haben sie zusätzlich infrarotempfindliche Pixel, um Gesichter besser erkennen zu können. Sie werden auch dazu verwendet, den Autofokus mit Informationen zur Motivbewegung zu versorgen oder anhand der Farbverteilung die Belichtung für bestimmte Motive zu optimieren.

Erfahrungswerte: Sunny 16

HH Abbildung 5.9 Dieses Bild habe ich tatsächlich exakt mit ISO 100, ƒ16 und 1/100 s auf­ genommen. Die Mehrfeldmessung und die Zeitautomatik bestätigten die Sunny-16-Regel.

10 mm | ƒ16 | 1/100 s | ISO 100 | APS-C

266  |  5  Belichtung

Selbst die überzeugtesten Digitalfotografen haben oft noch alte analoge Kameras in gelegentlicher Benutzung, manchmal so alte, dass diese nicht einmal über einen eingebauten Belichtungsmesser verfügen. Natürlich können Sie dann mit Ihrer Digitalkamera die Belichtung messen und auf die alte analoge Kamera übertragen. Falls aber die Digitalkamera zu Hause liegt, ist es nützlich, eine alte Faustformel zu kennen: Die sogenannte Sunny-16-Regel besagt, dass bei Sonnenschein und Blende ƒ16 die Verschlusszeit dem Kehrwert des ISO-Werts entspricht. Bei ISO  100 und Blende ƒ16 bekommen Sie also mit 1/100 s ein korrekt belichtetes Bild, wenn die Sonne auf Ihr Motiv scheint. Ausgenommen sind die ersten und letzten zwei Stunden des Sonnenlichts, weil das Licht dann so schräg durch die Atmosphäre fällt, dass es wärmer und schwächer wird.

TTL-Messung Das Kürzel TTL steht für englisch Through The Lens und bezeichnet die Belichtungsmessung durch das Objektiv. Das ist heute so selbstverständlich, dass es nur noch bei der Blitzlichtmessung namentlich erwähnt wird. Die Belichtungsmessung hat dadurch exakt dieselbe Ausgangsbasis wie das spätere Bild. Sie kann auch die Schärfepunkte der Autofokusmessung zur Interpretation der Messergebnisse heranziehen. Die Sensoren teilen das Bild in einzelne Bereiche auf und messen die Helligkeit separat. So kann die Kamera diese Bildbereiche je nach gewählter Belichtungsmessmethode (siehe Seite 284) unterschiedlich gewichten und die Belichtungsmessung an die Lichtsituation anpassen. Die Messung erfolgt immer bei Offenblende. Die Belichtungswerte werden dann rechnerisch an die eingestellte Blende angepasst, die Verschlusszeit also entsprechend der Abblendung verlängert, sodass sich die gleiche Bildhelligkeit ergibt. Ausnahmen gibt es bei spiegellosen Kameras oder im Livebildmodus, wo bei hellem Licht die Blende etwas geschlossen wird, um den Sensor nicht zu blenden oder auch die Fokussierung zu erleichtern.

GG Abbildung 5.10 Dieser Belichtungsmesssensor der Nikon D5 arbeitet mit 180 000 RGBPixeln. Für eine noch genauere Messung wird die Farbinformation ausgewertet. (Bild: Nikon)

Externer Belichtungsmesser Ein externer Belichtungsmesser war früher Pflicht, viele Profikameras besaßen gar keinen Belichtungsmesser. Entfesselte Blitze einzusetzen, erforderte fast zwingend einen Blitzbelichtungsmesser. Ein externer Belichtungsmesser hat auch heute noch Vorteile, ich halte ihn in der Digitalfotografie allerdings für verzichtbar. Einer seiner Vorteile ist die Lichtmessung. Hier messen Sie das einfallende Licht, indem Sie den Belichtungsmesser vor das Motiv in Richtung Kamera halten. Das hat den Vorteil, dass die Motivhelligkeit keinen Einfluss auf das Messergebnis hat (wie bei der TTL-Messung) und die ansonsten notwendige Korrektur für ein helles oder dunkles Motiv in das Ergebnis schon eingerechnet ist. Sehr praktisch sind Belichtungsmesser auch, wenn Sie im Studio die Beleuchtungsstärke verschiedener Blitze aufeinander abstimmen möchten. Testaufnahmen mit der Digitalkamera ermöglichen allerdings eine genauso gute Beurteilung der Belichtung. Außerdem können Sie so bestimmte Automatikfunktionen wie die TTL-Blitzsteuerung aktiviert lassen, die ein manuelles Messergebnis verfälschen würden.

FF Abbildung

5.11 Eine weiße Halbkugel, die sogenannte Kalotte, fängt das Licht bei der Lichtmessung mit einem externen Belichtungsmesser ein. Wenn Sie sich die Messwerte ansehen, finden Sie die Sunny-16-Regel wieder bestätigt: ISO 100, ƒ16, 1/100 s entspricht ISO 100, ƒ11,8, 1/125 s.

5.2  Belichtungsmessung  |  267

Neutralgrau Eine Kamera kann ein Bild zwar ausmessen, aber sie hat (außer bei bestimmten »intelligenten« Messmodi) keinerlei Verständnis vom Motiv oder von den tatsächlichen Verhältnissen vor dem Objektiv. Wenn Sie eine weiße Wand schwach oder eine schwarze Wand stark beleuchten, so ist das für die Kamera kein Unterschied. Sie sieht eine homogene Fläche und nimmt an, dass diese einem durchschnittlichen Grau entspricht. Ihre Digitalkamera wird also immer versuchen, die Belichtung in einem mittleren Bereich anzusiedeln, weil sie auf ein mittleres Grau geeicht ist. Sie geht davon aus, dass Ihr Motiv durchschnittlich 18 % des einfallenden Lichts zurückwirft. Wenn Sie ein weißes Motiv fotografieren, werden aber zum Beispiel etwas über 90 % des Lichts zurückgeworfen. Das Bild würde also mit der Belichtungsautomatik der Kamera stark unterbelichtet – das Weiß würde vergrauen, und der Bildeindruck wäre viel zu düster. Ein Schwarz reflektiert z. B. nur 3 % des Lichts. Das Bild wäre in diesem Fall viel zu hell, und das Foto würde flau wirken. Wenn Sie mit einem externen Belichtungsmesser das einfallende Licht vor dem Motiv messen und die Werte im manuellen Modus M auf Ihre Kamera übertragen, wird die Objekthelligkeit korrekt im Foto wiedergegeben. Alternativ können Sie die Belichtungskorrektur einsetzen (siehe Seite 289): Für ein weißes Motiv belichten Sie ungefähr zwei Blendenstufen über, für ein schwarzes etwa zwei Stufen unter. Abbildung 5.12 E Der weiße Marmorengel auf einem Friedhof in Comillas wirkt in der Normalbelichtung zu dunkel, eine Korrektur um +1,5 Blenden kommt dem Seheindruck näher.

268  |  5  Belichtung

1

Lichtwert (LW, EV) Ob Sie bei Blende ƒ8 mit 1/125 s oder bei Blende ƒ4 mit 1/500 s fotografieren: Die Menge des einfallenden Lichts auf dem Sensor ist in beiden Fällen gleich. Man kann nun alle Zeit-Blenden-Kombinationen, die die gleiche Belichtung ergeben, unter einer einzigen Zahl zusammenfassen, dem sogenannten Lichtwert. Der Lichtwert (LW) wird häufig auch als EV, abgeleitet vom englischen Exposure Value, bezeichnet. Eine Verschlusszeit von 1 s bei Blende ƒ1 ergibt den Lichtwert 0. Eine Abblendung um eine Stufe oder eine Halbierung der Verschlusszeit lässt den Lichtwert um jeweils 1 steigen, Aufblenden um eine Stufe oder eine Verdopplung der Verschlusszeit verringert den Lichtwert um jeweils 1.

GG Abbildung 5.13 Dieses Objektiv hat eine direkte Anzeige 1 des Lichtwerts. Das ist deswegen möglich, weil hier Zeit und Blende direkt am Objektiv eingestellt werden.

LW

4 s

2 s

1 s

1/2 s

1/4 s

1/8 s

1/15 s

1/30 s

1/60 s

1/125 s 1/250 s 1/500 s 1/1000 s 1/2000 s

ƒ22

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

ƒ16

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

ƒ11

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

ƒ8

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

ƒ5,6

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

ƒ4

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

ƒ2,8

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

ƒ2

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

ƒ1,4

−1

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

ƒ1

−2

−1

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

Die Normalbelichtung bei Sonnenlicht entspricht also bei ISO  100 nach der Sunny-16-Regel einem Lichtwert von 15. Wenn wir nun davon ausgehen, dass bei einer mit dem Lichtwert beschriebenen Zeit-Blenden-Kombination eine korrekte Belichtung entsteht, können wir den Lichtwert auch zur Beschreibung einer Helligkeit verwenden. Allerdings fehlt dafür eine Information: die ISOEmpfindlichkeit. Denn bei ISO 400 entspräche die Normalbelichtung bei Sonnenlicht LW  17, da Sie zwei Stufen weiter abblenden müssten, um ein gleich helles Bild zu erhalten. Im fotografischen Alltag werden Sie mit dem Lichtwert eher selten in Berührung kommen. Wenn Sie sich für eine neue Kamera oder einen Belichtungsmesser interessieren, werden Sie in den technischen Daten den Arbeitsbereich der Belichtungsmessung oder des Autofokus in LW vorfinden. Wenn laut Datenblatt

GG Tabelle

5.1 Zeit-Blenden-Kombinationen, die zu einer gleichen Belichtung führen, haben denselben Lichtwert. Canon gibt als Messbereich für die EOS 5D Mark III zum Beispiel LW 1 – 20 an (bei 50 mm/ƒ1,4). In der Praxis funktioniert die Belichtungsmessung allerdings auch bei noch dunkleren Motiven.

5.2  Belichtungsmessung  |  269

der Autofokus bis zum LW −3 arbeitet, bedeutet das, dass bei Blende ƒ1,4 und ISO  100 bis zu einer Verschlusszeit von 16 s noch eine korrekte Fokussierung erfolgt. Bei ISO 3 200 und Blende ƒ1,4 reicht der Arbeitsbereich dann bis zu 1 s. Falls kein ISO-Wert zum Lichtwert angegeben wird, können Sie von ISO  100 ausgehen.

Kontrastumfang GG Abbildung

5.14 An diesem Objektiv lassen sich Zeit und Blende gleichzeitig so verstellen, dass der Lichtwert gleich bleibt. So kann man mit einem Griff die Schärfentiefe ändern, ohne die Belichtung anpassen zu müssen. Das Objektiv gehört zu einer Hasselblad 501 C/M, die Sie ausschließlich manuell bedienen können.

Viele Systemkameras bewältigen einen Kontrastumfang von etwa 8,5 Blendenstufen. Darunter ist im Schwarz keine Bildinformation mehr zu verwenden, und darüber finden Sie reines Weiß ohne jede Zeichnung. Dieser Wert gilt allerdings nur, wenn Sie im JPEG-Format fotografieren. Mit Raw-Bildern kommen Sie auf 12 bis 15 Blendenstufen. Sie haben also beim Raw-Format einige Blenden mehr Spielraum, um Helligkeitsunterschiede zu erfassen. Das bedeutet in der Praxis, dass Sie im Raw-Bild die Wolken im Himmel noch differenzieren können, die im JPEG schon vollkommen weiß sind, und vor allem in den Schatten noch große Reserven verborgen sind.

GG Abbildung 5.15 Das JPEG und die Raw-Datei wurden mit einer einzigen Aufnahme erzeugt. Während im JPEG alles komplett weiß ist, ließ sich im Raw-Konverter das abfotografierte Schachbrettmuster noch gut sichtbar machen.

FF Abbildung

5.16 Der Bereich um die Sonne ist weiträumig ausgefressen und ohne Zeichnung. Ein Negativfilm hätte den Umriss der Sonne noch erahnen lassen. Der Sensor stößt hier, trotz des Raw-Formats, an seine Grenzen.

222 mm | ƒ10 | 1/8000 s | ISO 200

270  |  5  Belichtung

Bei vielen Kameras können Sie den Kontrastumfang des JPEGs noch etwas ausweiten, indem Sie eine Option hinzuschalten, die die Lichter etwas weicher zeichnet und so mehr Tonwerte in den hellen Bereichen erhält. Bei Canon heißt das Tonwertpriorität und Automatische Belichtungsoptimierung, bei Nikon Active D-Lighting. Diese Funktionen hellen auch die Schatten etwas auf, um mehr nutzbare Zeichnung in den dunklen Bereichen zu erhalten. Eine echte Raw-Datei wird aber immer überlegen bleiben, auch bei den Nachbearbeitungsmöglichkeiten. Zwischen den Kameras gibt es Unterschiede im Dynamikumfang. Eine Sony α7R III hat in den Schatten noch deutlich mehr nutzbare Informationen als z. B. eine Canon EOS 5DS. Mittelformatkameras verfügen meist über einen höheren Dynamikumfang als eine durchschnittliche kleinere Systemkamera.

Auf die Lichter belichten Vielleicht kennen Sie aus analogen Zeiten noch den Satz: »Auf die Schatten belichten, auf die Lichter entwickeln.« Es waren die Tiefen, die beim Film die Belichtung bestimmten. In der Digitalfotografie ist das anders. Hier sollten Sie so belichten, dass die Lichter gerade noch gut gezeichnet sind, und Ihr Bild im Raw-Konverter dann »auf die Schatten entwickeln«. Das bedeutet, dass Sie im Raw-Konverter lieber Korrekturen zum Dunkleren als ins Helle vornehmen sollten, weil Sie dann mehr Tonwerte zur Verfügung haben und eine bessere Abstufung erhalten.

1

2

GG Abbildung 5.17 In Bild 1 habe ich einen Grauverlauf mit einem Gamma von 1,0 (so wie die Kamera ein Bild sieht) angelegt, in Bild 2 mit 2,2 (so wie das Auge ein Bild sieht). Während der untere Verlauf gleichmäßig wirkt, sind im oberen die Schattenbereiche links zusammengestaucht, und die Lichter haben sehr viel Platz. Ihre Kamera nimmt Bilder auch so auf, diese müssen danach automatisch mit einer Gammakorrektur angepasst werden, um Bild 2 nahezukommen.

5.2  Belichtungsmessung  |  271

Ihre Digitalkamera nimmt die Helligkeiten linear auf, das heißt, eine Verdopplung des Lichts bedeutet auch eine Verdopplung des Messwerts. Das klingt erst einmal ganz vernünftig, ist aber radikal anders, als wir unsere Umwelt wahrnehmen. Wenn wir von 10 Bit für die Aufnahme ausgehen (was rechnerisch etwas übersichtlicher ist als die 14 oder 16 Bit, die Ihre Kamera differenziert), bedeutet das, dass für die hellste Blendenstufe zwischen »Weiß« und »fast Weiß« 512 der 1 024 möglichen Werte verbraucht werden, für die nächste 256, für die übernächste 128 etc., bis für die letzte Blendenstufe von »Schwarz« bis »fast Schwarz« nur noch 1 Bit übrig bleibt. Das bedeutet, der hellste Bereich ist 512 Mal besser differenziert als der dunkelste. Wenn Sie nun im Raw-Konverter ein Bild abdunkeln, werden die hellen Bereiche gestreckt und die dunklen gestaucht. Das ist kein Problem, denn so steigt der Tonwertreichtum in den tonwertarmen Schatten und sinkt in den verschwenderisch ausgestatteten Lichtern. Wenn Sie das Bild aber in der Kamera unterbelichten und im Raw-Konverter überbelichten, müssen Sie die wenigen Tonwerte in den Schatten spreizen. So verstärken Sie das Rauschen und erhalten sogar Tonwertabrisse, während Sie in den Lichtern nichts gewinnen können. Die Tonwerte werden bei einer Aufhellung der Schatten so auseinandergezogen, dass sie einzeln unterscheidbar werden, anstatt einen homogenen Verlauf zu bilden, wie wir es von einer fotografischen Darstellung erwarten.

GG Abbildung

5.18  E Die Aufnahme auf dieser Seite habe ich um 3 LW stärker belichtet als die auf der gegenüberliegenden Seite.

272  |  5  Belichtung

Leider ist das Belichten auf die Lichter oft nicht so leicht, weil der Kontrastumfang im Lichterbereich nicht so groß ist und es beim Überschreiten des Umfangs zu einem Ausfressen der Lichter kommt. Im Ernstfall haben Sie dann größere weiße Bereiche im Bild, die keinerlei Zeichnung aufweisen. Um das zu vermeiden und auf der sicheren Seite zu sein, müssten Sie eigentlich etwas unterbelichten. Ich will dieses Dilemma aber nicht dramatisieren, denn wenn Sie einfach nur gute Fotos ohne viel Nachbearbeitung bekommen möchten, können Sie ganz normal automatisch belichten und erhalten in den meisten Fällen sehr gute Ergebnisse. Haben Sie es allerdings auf perfekte Bilder abgesehen und haben Zeit für die Nachbearbeitung der Raw-Dateien, dann ist es sinnvoll, den Belichtungsspielraum in den Lichtern auszunutzen, weil Sie so feinere Tonwerte und weniger Rauschen erhalten. Im englischen Sprachraum wird dies ganz kurz mit ETTR umschrieben: Expose To The Right. Das heißt, man legt die Tonwerte eher nach rechts ins Histogramm, also in den Lichterbereich.

HH Abbildung

5.19 Wenn Sie die Histogramme der beiden Aufnahmen vergleichen, sehen Sie, dass es bei der helleren Aufnahme deutlich weiter nach rechts ragt. Wenn man einen Ausschnitt des Schattenbereichs auf die gleiche Helligkeit bringt, sieht man, dass die dunklere Aufnahme mehr Rauschen, weniger Details und Kontrast sowie schlechtere Farben aufweist.

35 mm | ƒ5,6 | 0,8 und 6 s | ISO 100

5.2  Belichtungsmessung  |  273

Gamma Wenn man Helligkeitsinformation linear zu den gemessenen Werten darstellen würde, stünde das der menschlichen Wahrnehmung entgegen. Eine Halbierung der Helligkeit, was nichts anderes ist als eine Abdunklung um eine Blendenstufe, wird von uns nicht als halb so hell wahrgenommen, sondern als ein kleines Stück dunkler. Um nun die physikalischen Werte an die menschliche Wahrnehmung anzupassen, werden die Ausgabewerte mit einem Gammawert (γ) potenziert, also statt y = x¹ (blaue Kurve) wird y = xGamma (rote Kurve) ausgegeben. So wird den dunklen Tönen mehr Raum gegeben, und die Lichter werden komprimiert. Oder, um es anders auszudrücken: Weil das Auge die Schatten aufhellt, müssen sie in der Wiedergabe abgedunkelt werden, damit der Gesamteindruck natürlich bleibt. 1

0,8

Gamma = 1 Gamma = 2,2

0,6

0,4

0,2

0 0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

FF Abbildung

5.20 Die Ausgabewerte werden hier mit einem Gamma von 2,2 (rot) angepasst, was ungefähr der Wahrnehmung des menschlichen Auges entspricht.

Überbelichtung Von Überbelichtung spricht man dann, wenn ein Bild heller geworden ist, als es werden sollte. Wenn dabei in den Lichtern keine Information verloren gegangen ist und Sie das Bild am Computer verlustfrei wieder etwas abdunkeln können, ist das sogar eher ein Gewinn, wie ich im vorhergehenden Abschnitt beschrieben habe. Das Bild enthält dann mehr Tonwerte und lässt sich besser nachbearbeiten als eine korrekt belichtete Aufnahme. Wenn aber Lichterbereiche abgeschnitten werden, führt das oft zu nicht mehr verwendbaren Aufnahmen. Es gibt Bilder, bei denen auch ein komplett weißer Himmel nicht stört, aber wenn die Tonwerte dort abreißen, wo der Betrachter noch Information erwartet, ist das Bild unbrauchbar. Ich empfehle Ihnen, die Überbelichtungswarnung Ihrer Kamera immer eingeschaltet zu lassen, so blinken die Bereiche der Überbelichtung im Display, und Sie können eine dunklere Aufnahme nachschießen.

274  |  5  Belichtung

Manchmal blinkt das Display auch, wenn es gar keine weißen Bereiche im Bild gibt. Das hat seine Berechtigung, denn eine Überbelichtung liegt schon dann vor, wenn in einem der drei Farbkanäle Rot, Grün oder Blau keine Zeichnung mehr vorliegt. FF Abbildung 5.21 Obwohl es praktisch keine weißen Stellen gibt, ist das obere Bild überbelichtet. Die Wand erscheint nur deshalb gelb, weil es eine Überbelichtung in den einzelnen Farbkanälen gibt, sonst wäre sie rot. Unten: In einer korrekten Belichtung fressen die einzelnen Farbkanäle nicht aus. Die Wand bleibt rot, und die Farben erscheinen auf dem Bild wie dem Auge vor Ort.

Oben: 19 mm | ƒ8 | 25 s | ISO 1 000  Unten: 19 mm | ƒ8 | 6 s | ISO 1 000

5.2  Belichtungsmessung  |  275

Abbildung 5.22 E Der Rotkanal der korrekten Belichtung ist gut durchgezeichnet (links). In der überbelichteten Version erscheinen große Bereiche des Rotkanals weiß (rechts).

GG Abbildung 5.23 Im Display werden, bei entsprechender Kameraeinstellung, die Bereiche schwarz blinkend dargestellt, die im JPEG rein weiß erscheinen würden. Im Raw-Bild ist etwas mehr Zeichnung vorhanden, Sie sollten die Warnanzeige aber trotzdem ernst nehmen.

Wenn Sie eine rote Ziegelmauer mit rotem Licht beleuchten, wird natürlich zuerst der Rotkanal überbelichtet sein. Durch den Gelbanteil im Rot folgt der Grünkanal bald nach und der Blaukanal wird eine viel längere Verschlusszeit benötigen, um ebenfalls auszufressen. Ein überbelichtetes Rot wird erst flächig rot ohne Detailzeichnung erscheinen und später gelb werden. Dem Auge mag das natürlicher erscheinen als ein weiß ausgefressener Bereich, trotzdem sollten Sie auch eine Überbelichtung der Farbkanäle vermeiden. Der Helligkeitseindruck eines Bildes lässt sich leicht am Rechner verändern. Bei der Aufnahme kommt es also darauf an, die Helligkeitsinformation im darstellbaren Bereich zu halten. Die Lichter haben hier meist weniger Spielraum als die Schatten. Wenn Sie Schatten zu sehr aufhellen, werden Sie zwar noch Information vorfinden, aber diese ist schlecht differenziert und von Rauschen überlagert. Viele der neueren Kameras, die einen höheren Kontrastumfang umsetzen können, haben auch eine sehr hohe Schattenqualität, sodass Sie oft mehr aus dem Raw herausholen können, als sie brauchen.

Unterbelichtung Es ist immer wieder erstaunlich, was eine automatische Tonwertkorrektur noch aus einem nahezu schwarzen Raw-Bild herausholt, wenn zum Beispiel der Blitz im Studio nicht gezündet hat. Das Motiv ist so gut wie immer zu erkennen, wenngleich die Darstellung nicht mehr fotografisch zu nennen ist.

276  |  5  Belichtung

In den Schatten ist also noch eine Menge an Information verborgen, allerdings erkaufen Sie sich das Sichtbarmachen mit deutlichen Qualitätseinbußen. Zum einen sind die Schatten nicht so fein abgestuft wie die Lichter. Wenn bei einer Belichtung in den absoluten Schatten zum Beispiel auf dem einen Pixel ein Photon landet und auf dem anderen vier Photonen, entspricht das einem Unterschied von zwei Blendenstufen. In den Lichtern entspricht der gleiche Blendenunterschied vielleicht dem zwischen 2 000 und 8 000 Photonen pro Pixel. Dieses Beispiel macht klar, warum die absoluten Schatten gar nicht so fein abgestuft sein können wie die Lichter, es gibt nämlich keine halben Photonen. Zum anderen kann das Signal von 2 000 Photonen das Grundrauschen des Sensors besser überdecken, als es das Signal einiger weniger vermag. Die Elektronen im Sensor verharren nicht in Ruhe und warten andächtig auf das erste Photon, das sie dann an die Kameraelektronik weitermelden können, sondern sie schwirren wild hin und her, und ab und zu löst eines »aus Versehen« eine Meldung aus. Gegen dieses »Grundgemurmel« des Sensors muss sich ein eintreffendes Signal erst einmal durchsetzen. Die Schatten eines Bildes versinken also nicht im absoluten Schwarz, sondern eher im Chaos des Rauschens. Wenn Sie die Signale verstärken, machen Sie auch dieses Chaos mit sichtbar. Vielleicht fragen Sie sich, wie man dann Sternenfotos mit Teleskopen aufnehmen kann, in Bereichen, in denen das Auge nur noch schwarz wahrnimmt. Beim Hubble-Teleskop wird ein Sensor auf −83 °C abgekühlt – je kühler der Sensor, desto weniger Grundrauschen besitzt er, ein Effekt, den man in geringerem Ausmaß auch bei Digitalkameras feststellen kann. Falls Sie im JPEG-Format fotografieren, ist in den Schatten weniger Information vorhanden, weil durch das Beschneiden der 14 Bit (bei den meisten Kameras) auf 8 Bit pro Farbkanal Helligkeitsinformationen verloren gehen. Zudem versucht das JPEG-Format, nicht sichtbare Informationen zu löschen, um Speicherplatz zu sparen. Bei nachträglichen Helligkeitsanpassungen fehlen diese Informationen – es werden Abrisse und Artefakte sichtbar.

GG Abbildung

5.24 Hier habe ich eine Aufnahme ohne jeden Lichteinfall auf den ­Sensor gemacht (Schwarzbild) und das Bildrauschen in Photoshop extrem verstärkt.

FF Abbildung

5.25 In einer unterbelichteten Aufnahme von Teneriffa habe ich eine Auswahl erstellt und dort eine Tonwertkorrektur ausgeführt. Obwohl das Original fast schwarz ist, ist noch sehr viel zu erkennen.

35 mm | ƒ4 | 1/13 s | ISO 400 | Canon EOS R

5.2  Belichtungsmessung  |  277

5.3  Belichtungsautomatiken

HH Abbildung

5.26 Der Kontrastumfang dieses Motivs ist eigentlich zu hoch für eine einzige Belichtung (Bild rechts), aber aus der Raw-Datei konnte ich noch ein verwendbares Bild erzeugen (Bild links).

101 mm | ƒ4 | 1/125 s | ISO 250

278  |  5  Belichtung

Moderne Kameras bieten eine Vielzahl von Automatiken, die den Fotografen unterstützen. Manche davon regeln nur den letzten verbleibenden Wert wie die Verschlusszeit oder die Blende, nachdem alles andere fest eingestellt wurde. Andere übernehmen die totale Kontrolle über die Kamera und entmündigen den Benutzer fast völlig. Die sogenannten Motivprogramme etwa lassen manchmal keine weiteren Steuerungsmöglichkeiten zu und verbieten dem Fotografen oft, im Raw-Format zu arbeiten. Das kann für den Umsteiger von einer Kompaktkamera anfangs nützlich sein, weil die Kamera sich mithilfe eines Motivprogramms oft besser und schneller an eine Situation anpasst, als er selbst in der Lage dazu wäre. Mit steigender Erfahrung werden Sie aber besser sein als jedes Motivprogramm, und an einer Profikamera werden Sie diese Programme auch gar nicht mehr vorfinden. Aber auch die meisten Profis verlassen sich in vielen Fällen auf eine Belichtungsautomatik, weil sie schneller reagiert und den Fotografen entlastet. In manchen Situationen bringen Automatiken eine Ungewissheit in den Aufnahmeprozess. Dann ist der manuelle Modus der einzige, in dem Sie genügend Kontrolle behalten. Das ist insbesondere bei extremen Lichtsituationen oder dem Einsatz von Blitzlicht als

Hauptlichtquelle der Fall. Wenn Sie zum Beispiel mit einem langen Teleobjektiv den Mond fotografieren, wird dieser relativ schnell durch das Bild wandern und kontinuierlich veränderte Messwerte liefern. Da sich seine Helligkeit in der Zeit aber nicht verändert, bekommen Sie mit einer manuellen Belichtung konstant gute Ergebnisse. Nehmen Sie zum Ende einer Serie die manuelle Belichtungseinstellung wieder zurück, und schalten Sie zum Beispiel auf Zeitautomatik. Ich habe nämlich schon einige Bilder verschossen, weil meine Kamera noch auf dem manuellen Modus M stand und sie sich so in einer spontanen Fotosituation nicht sofort auf die Lichtmenge einstellen konnte.

Auto-ISO Viele Kameras können den ISO-Wert auch mit einer Automatik anpassen, wenn die Verschlusszeit zu lang für unverwackelte Aufnahmen zu werden droht. Das ist sehr nützlich, wenn Sie sehr unterschiedliche Lichtverhältnisse haben, etwa weil Sie ständig zwischen Innenräumen und draußen wechseln müssen. Sie haben dann eine Sorge weniger und können sich mehr auf das Geschehen konzentrieren. Bei manchen Kameras können Sie die Grenzen für Auto-ISO konfigurieren, um der Kamera zum Beispiel vorzugeben, dass Sie nicht über ISO 3 200 gehen soll, weil dann das Rauschen zu stark wird. Statt eines festen ISO-Werts stellen Sie die Kamera dann einfach auf Auto-ISO, und die Kamera erhöht den ISO-Wert selbsttätig, wenn das Licht knapper wird. Standardmäßig stellen die meisten Kameras den ISO-Wert so ein, dass eine Verschlusszeit von 1/Brennweite gehalten werden kann, also z. B. 1/100 s bei 100 mm. Das ist für eine Vollformatkamera mit relativ geringer Auflösung ideal, bei einer 50-MP-Kamera oder einer APS-C mit etwa 24 MP kann eine Stufe kürzer besser sein, bei einem guten Bildstabilisator auch drei Stufen länger. Idealerweise bietet die Kamera also eine Anpassung der Auto-ISO-Berechnung, erlaubt eine Mindestzeit für bewegte Motive und eine Verschiebung der Verschlusszeit bezogen auf die Brennweite. FF Abbildung 5.27 Bei der Canon EOS 5DS z. B. lassen sich im Auto-ISO eine Minimalzeit einstellen und die Verschlusszeitberechnung um +/−3 LW verschieben.

5.3  Belichtungsautomatiken  |  279

Richtig interessant wird es, wenn die Kamera Auto-ISO auch im manuellen Modus unterstützt, vor allem, wenn weiterhin eine Belichtungskorrektur eingestellt werden kann. Dann können Sie alle Aufnahmeparameter bis auf ISO fest einstellen und haben trotzdem noch Automatikspielraum.

Zeitautomatik (Blendenvorwahl)

GG Abbildung 5.28 Hier wählte ich im manuellen Modus eine kurze Zeit wegen der schnellen Bewegung und eine leichte Abblendung für bessere Schärfentiefe. Die Belichtungskorrektur stellte ich wegen des eher hellen Hintergrunds auf +1 LW. Dank Auto-ISO konnte die Canon EOS 5DS R die Belichtung trotzdem noch automatisch steuern.

300 mm | ƒ4,5 | 1/1250 s | ISO 320 | Bildausschnitt

Abbildung 5.29 E Bei wenig oder unbewegten Motiven empfehlen sich die Wahl einer optimalen Blende und der Einsatz der Zeitautomatik.

135 mm | ƒ5,6 | 1/320 s | ISO 200

280  |  5  Belichtung

Die Zeitautomatik (auch als Blendenvorwahl bezeichnet) wird auf Kameras häufiger mit A oder Av abgekürzt. Sie stellen die Blende fest ein, und die Kamera wählt die Verschlusszeit selbst. Wenn Sie die Zeitautomatik mit Auto-ISO kombinieren, ist sie fast so einfach zu handhaben wie die Programmautomatik, lässt Ihnen aber mehr gestalterischen Einfluss. Dieser Modus ist ein idealer Standardmodus für die meisten fotografischen Einsatzgebiete. Er hat einen weiten Anpassungsbereich, sodass er fast immer die korrekte Belichtung liefern kann, ist schnell in der Bedienung und funktioniert auch mit Fremdobjektiven, die Sie über einen Adapter angeschlossen haben. Es gibt nur wenige Fälle, in denen er keine gute Wahl darstellt, zum Beispiel, wenn beim Blitzen die Verschlusszeiten zu lang werden und der Hintergrund verwischt oder wenn Sie so lange Verschlusszeiten verwenden möchten, dass die Automatik keine sinnvollen Ergebnisse mehr liefert.

Blendenautomatik (Zeitvorwahl) Bei Verwendung der Blendenautomatik geben Sie die Verschlusszeit vor (sie wird deshalb auch Zeitvorwahl genannt und gern mit T, Tv oder S abgekürzt), und die Kamera stellt die Blende selbstständig ein. Das kann sinnvoll sein, wenn Sie zum Beispiel in der Sportfotografie wegen schneller Bewegungen des Motivs eine kurze Verschlusszeit fest einstellen möchten und die Kamera auf Lichtschwankungen mit der Blende reagieren kann. Ein weiterer Anwendungsbereich der Blendenautomatik ist die Vermeidung von Störeffekten durch Leuchtstoffröhren. Diese haben starke und schnelle Helligkeitsschwankungen – wenn Sie mit Zeiten kürzer als 1/50 s arbeiten, bekommen Sie konstantere Ergebnisse. So können Sie die Zeit auf 1/40 s einstellen, verwackeln noch nicht und haben trotzdem konstantes Licht. Neuere Kameras besitzen oft eine Antiflacker-Funktion, die die Kamera zum Helligkeitsmaximum der Leuchtmittel auslöst, sodass auch bei kürzeren Zeiten möglichst konstante Ergebnisse erzielt werden, manche Lichtschwankungen lassen sich trotzdem nur mit längeren Verschlusszeiten in den Griff bekommen. Ich selbst verwende diesen Modus nur sehr selten, weil ich die Wahl der Blende als ein wesentliches Gestaltungselement nicht aus der Hand geben möchte. Nur manchmal ist die Verschlusszeit tatsächlich so viel wichtiger, dass die Blendenautomatik vorzuziehen ist. Wenn Sie ein unbewegtes Motiv fotografieren, erhalten Sie mit einer Zeitautomatik immer das gleiche Bild auch bei schwankender Lichtintensität, bei der Blendenautomatik aber ändern sich die Schärfentiefe, die Vignettierung, die Gesamtschärfe und das Bokeh alle auf einmal. Belichtungsreihen für HDR passen durch den unterschiedlichen Bildeindruck auch nicht gut übereinander, wenn die Blende sich ändert. Der Steuerungsbereich ist bei einem typischen Zoom von ƒ2,8 bis ƒ22 mit 7 Blendenstufen auch viel geringer als bei einer Zeitautomatik. Diese kommt von 30 s bis 1/8000 s auf 18 Blendenstufen.

Abbildung 5.30 E Eine Anwendung der Blendenautomatik: eine Zeit vorwählen, um die Bewegung gut zu erfassen, und die Kamera die Belichtung per Blende (und hier auch Auto-ISO) anpassen lassen.

400 mm | ƒ5,6 | 1/1600 s | ISO 1 600

5.3  Belichtungsautomatiken  |  281

Abbildung 5.31 E Auch wenn das Auge die Leuchtstoffröhren als konstante oder nur leicht flimmernde Lichtquelle wahrnimmt, ergeben sich für die Kamera extreme Unterschiede. Hier wechseln sich z. B. die linke und rechte Röhre ab.

50 mm | ƒ2,5 | 1/6400 s | ISO 800

Programmautomatik In der Programmautomatik werden Zeit und Blende von der Kamera festgelegt. Die Kamera versucht, einen guten Kompromiss aus Schärfentiefe und kurzer Verschlusszeit zu finden. Moderne Kameras werten dafür die Brennweite des verwendeten Objektivs aus und nutzen umso kürzere Verschlusszeiten, je länger die Brennweite ist. Außerdem können Sie die Zeit-Blenden-Kombination shiften, das heißt, dass Sie sie zugunsten kürzerer Verschlusszeiten oder größerer Blendenwerte verschieben können. Die Gesamtbelichtung bleibt aber gleich, weil die Kamera eben auch die Blende beziehungsweise die Zeit anpasst. Der Vorteil ist, dass Sie, ohne viel nachzudenken, gute Ergebnisse erhalten. Der Nachteil ist, dass Sie mit ein wenig Nachdenken oft noch bessere Ergebnisse erzielt hätten. Mehr Kontrolle über die Technik zu übernehmen, heißt auch, mehr Kon­ trolle über das Ergebnis zu haben. Die Programmautomatik ist deshalb eher ein Anfängermodus. Manche Kameras unterstreichen dies auch dadurch, dass sie in der Programmautomatik Untermenüs weglassen und die weiteren Einstellungsmöglichkeiten verringern.

282  |  5  Belichtung

Motivprogramme und Vollautomatik Bei einem Motivprogramm teilen Sie der Kamera mit, welche Art von Motiv Sie fotografieren wollen, und die Kamera nimmt alle Einstellungen für Sie vor. Das geht weit über die Programmautomatik hinaus, weil die Kamera auch die Autofokusmethode und die Belichtungsmessart festlegt. Motivprogramme werden in Systemkameras eingebaut, um Einsteigern und Umsteigern von Kompaktkameras gute Ergebnisse ohne Einarbeitungszeit zu ermöglichen. In einer Kamera, die sich eher an Semiprofis oder Profis richtet, werden Sie keine Motivprogramme mehr finden. Motivprogramme sind wie Stützräder an einem Fahrrad: Anfangs ganz nützlich, aber irgendwann sollte man ohne sie auskommen. Typische Motivprogramme sind: EE Sport: Die Kamera wählt kurze Verschlusszeiten und einen Nachführ-Autofokus, um schnelle Bewegungen gut einfangen zu können. Manche Kameras schalten auf den Serienbildmodus um, damit Sie schnelle Bildfolgen aufnehmen können. EE Porträt: Die Kamera öffnet die Blende weit, um einen unscharfen Hintergrund zu erzeugen. EE Landschaft: Die Blende wird weit geschlossen, um eine große Schärfentiefe zu erhalten. Der Autofokus wird mit Schärfepriorität betrieben. EE Makro/Nahaufnahme: Die Kamera versucht, Blende und Verschlusszeit für eine möglichst große Schärfe im Nahbereich zu optimieren. EE Nachtporträt: Die Kamera blitzt, um den Vordergrund auszuleuchten, und wählt eine längere Verschlusszeit, um den dunklen Hintergrund im Foto einzufangen. Ein Bildstabilisator oder ein Stativ sind in diesem Modus von Vorteil, weil der Dauerlichtanteil des Bildes sonst verwackelt wiedergegeben werden kann. Der Blitz brennt mit höchstens 1/800 s ab, sodass der Vordergrund praktisch nicht verwackeln kann. EE Vollautomatik: Die Kamera nimmt sämtliche Einstellungen selbst vor und wertet dabei die Informationen der Autofokussensoren, der Belichtungsmessung und der Brennweite aus. Das Menü beschränkt sich auf das Nötigste, und Sie können meist nicht einmal eine Belichtungskorrektur vornehmen. EE Blitz aus: Die Kamera stellt sicher, dass weder der interne noch der externe Blitz gezündet wird. Das erspart Anfängern peinliche Momente, wenn der Blitz plötzlich von der Automatik hinzugezogen wird, obwohl das in der Situation sehr unpassend wäre. An vielen Orten finden Sie Verbotsschilder, die nicht das Fotografieren an sich untersagen, wohl aber das Blitzen. Der Einsatz eines Blitzes zerstört oft die Atmosphäre, sodass Sie ohne Blitz das bessere Foto erzielen.

HH Abbildung 5.32 Dieses Motiv hätte das Motivprogramm für Sport auch gut eingefangen. Der manuelle Modus mit richtiger Zeit und Auto-ISO funktionieren aber genauso gut. Zusätzlich stellte ich den AF auf Nachführmessung.

140 mm | ƒ2,8 | 1/1000 s | ISO 1 600

5.3  Belichtungsautomatiken  |  283

Falls Ihre Kamera die verschiedenen automatischen Belichtungsprogramme besitzt, können Sie diese einmal durchspielen und dabei in den Blick nehmen, welche Einstellungen die Kamera für verschiedene Situationen empfiehlt. Aber gewöhnen Sie sich besser nicht an die Verwendung, denn das bringt Sie fotografisch nicht weiter.

5.4  Belichtungsmessarten Ob eine Kamera nur die mittleren 5 % des Sucherbilds zur Messung heranzieht oder die gesamte Fläche, hängt von der Einstellung der Belichtungsmessart ab. Da das Ergebnis je nach gewählter Messart stark variieren kann, sollten Sie sich mit den Messmethoden auseinandersetzen und Ihre Kamera ein wenig austesten. Besonderes Augenmerk sollten Sie dabei auf die Mehrfeld- oder Matrixmessung legen, weil diese sich von den anderen Methoden grundlegend unterscheidet. Hier entscheidet die Kamera über die Gewichtung der Messbereiche, und es werden ganz andere Faktoren wichtig, wie etwa die verwendeten AFMesspunkte.

Integralmessung Die Integralmessung misst die Belichtung über das gesamte Bild und bildet daraus einen Durchschnittswert. In der Praxis ist die Integralmessung heute mittenbetont, der mittlere Bereich wird also stärker gewichtet als die Außenbereiche. Für Motive mit stärkeren Kontrasten oder ungleichmäßigen Helligkeitsverteilungen

GG Abbildung 5.33  E Bei gleichmäßigen Bildhelligkeiten hat die Integralmessung keinen Nachteil. Ihr Vorteil ist, dass sie gut vorhersehbar ist. Die Integralmessung ist zwar einfach, überrascht einen dafür aber nur selten im negativen Sinn.

150 mm | ƒ8 | 1/500 s | ISO 100 | +11⁄3 LW

284  |  5  Belichtung

liefert die Messung also oft keine guten Ergebnisse. Bei DSLRs deckt der Belichtungsmesssensor meist nicht das gesamte Sucherbild ab, sodass der äußere Rand in der Belichtungsmessung völlig ignoriert wird. Das hat aber eher Vorteile, weil so z. B. die Sonne am oberen Bildrand das Ergebnis nicht verfälschen kann. Ein großer Vorteil ist aber, dass Sie bei dieser Messart das Ergebnis gut einschätzen können. Wenn Sie zum Beispiel eine Person vor einer weißen Wand fotografieren, dann wissen Sie schon vorher, dass das Ergebnis etwas unterbelichtet sein wird, und können die Belichtungskorrektur auf +1,5 Blenden einstellen. Denn wenn Sie wissen, dass die ganze Bildfläche gemessen wird, können Sie sich gut vorstellen, ob das Ergebnis mit mittlerer Helligkeit stimmig sein wird oder ob Sie für ein dunkles Motiv unterbelichten oder für ein helles überbelichten müssen.

Mittenbetonte Messung, Selektivmessung Die mittenbetonte Messung zieht einen kreisförmigen Bereich in der Bildmitte zur Belichtungsmessung heran. Die Trefferwahrscheinlichkeit steigt damit, weil sich das Motiv oft eher mittig befindet. Außerdem sind extreme Abweichungen wie helle Himmelsbereiche und dunkle Schatten häufig am unteren und oberen Rand zu finden. Diese Messmethode ist immer noch recht gut vorhersehbar und oft etwas genauer als die Integralmessung.

F G  Abbildung

5.34 In der Landschaftsfotografie liegen die bildwichtigen Zonen oft in der Mitte, während Himmel und Vordergrund das Ergebnis eher verfälschen würden. Die Selektivmessung funktioniert hier gut.

120 mm | ƒ6,3 | 1/200 s | ISO 160

5.4  Belichtungsmessarten  |  285

Auch bei Porträts sind die bildwichtigen Bereiche oft eher mittig zu finden, sodass die Selektivmessung, eventuell verbunden mit einer leichten Pluskorrektur der Belichtung (siehe auch Seite 290), gute Ergebnisse liefert.

Mehrfeld- oder Matrixmessung

GG Abbildung 5.35 Trotz des hellen Hintergrunds ergibt sich keine Unterbelichtung des Vordergrunds. Die Mehrfeldmessung misst vorrangig die Bereiche innerhalb der Schärfe und wertet den Gesamtkontrast der Messfelder aus.

50 mm | ƒ1,5 | 1/6400 s | ISO 100

286  |  5  Belichtung

Die Mehrfeldmessung teilt das Bild in viele unterschiedliche Bereiche, die dann anhand der Fokusmessung und Helligkeitsverteilung gewichtet werden. Die Ergebnisse sind generell schlecht vorherzusehen, weil die Kamera einen recht komplizierten Entscheidungsmechanismus ausführt. In der Praxis hat diese Methode jedoch eine sehr hohe Trefferquote und ist technisch die am weitesten entwickelte von allen. Aktuelle Kameras nutzen meist einen niedrig aufgelösten RGBSensor, um auch kleinere Bereiche genauer zu erfassen und den Autofokus mit Informationen über die Motivveränderung zu versorgen. Die Canon EOS 7D Mark II verwendet z. B. 252 Zonen auf einem 150 000-Pixel-Sensor. Die Kamera kann die RGB-Daten des AFSensors auch dazu verwenden, den anfokussierten Motivbereich anhand seiner Farbe weiterzuverfolgen. Während die Fokusinformationen die Belichtungsmessung bei der Mehrfeldmessung unterstützen, funktioniert das bei der EOS  7D Mark II auch andersherum, sodass das Belichtungsmesssystem auch den Autofokus unterstützt. Die Pentax K-3 und die Nikon-DSLRs nutzen ebenfalls RGB-Pixel-Sensoren für die Belichtungsmessung. Bei Nikon bewegt sich die Pixelanzahl zwischen 420 bei der D3200 und 180 000 bei der D5. Die Kamera versucht, anhand von Daten über Ausrichtung, Brennweite und Entfernung sowie mithilfe von Autofokusfeldern und Belichtungsmesswerten eine vorgespeicherte Standardsituation zu finden, für die sie dann die Belichtung optimiert. Da die AF-Messfelder für die Belichtung nur in diesem Modus herangezogen werden, verhält sich die Kamera bei einem Schwenk nach der Scharfstellung anders als zum Beispiel bei der mittenbetonten Messung. Spiegellose Kameras können für AF und Belichtungsmessung so viele Sensorpixel verwenden, wie es ihre Prozessorleistung erlaubt. Die neueren sind deswegen in der Präzision der AF-Verfolgung und der Genauigkeit der Belichtungsmessung DSLRs überlegen. Das sind zwei Gründe mehr, die Mehrfeldmessung

als Standard einzusetzen, denn die Kameras können die Belichtung gut auf das Motiv abstimmen, wenn Sie es durch eine AF-Messung erfasst haben. Probieren Sie einmal Folgendes: Stellen Sie die Kamera auf Mehrfeldmessung, und fokussieren Sie auf ein helles Fenster (im Modus One Shot bzw. AF-S, also ohne Nachführmessung). Lassen Sie den Auslöser halb heruntergedrückt, und schwenken Sie die Kamera in den dunkleren Raum hinein. Beobachten Sie die Messergebnisse im Sucher. Wiederholen Sie das Ganze mit der mittenbetonten Messung. Bei den meisten Kameras wird es so sein, dass der Messwert sich bei der Mehrfeldmessung nicht verändert, bei der mittenbetonten Messung aber schon. Diese misst kontinuierlich die Mitte des Bildes, die Mehrfeldmessung hingegen speichert den Wert, sobald der Autofokus scharf gestellt hat. Schalten Sie nun den Autofokus am Objektiv aus, und schauen Sie, was die Mehrfeldmessung macht, wenn Sie den Schwenk wiederholen: Nun verändern sich auch hier die Messwerte kontinuierlich. Sie können das Verhalten meist anpassen, indem Sie in den Custom- oder Individualfunktionen das Verhältnis von AF-Lock und AE-Lock (AE = Auto-Exposure, auf Deutsch Belichtungsautomatik) ändern, das heißt, den Autofokus von den weiteren automatischen Einstellungen wie Blende und Verschlusszeit entkoppeln. Bei vielen Kameras lassen sich die einzelnen Funktionen auch auf unterschiedliche Knöpfe legen, wie es viele Profis nutzen, um mehr Kontrolle zu haben.

Spotmessung Die Spotmessung misst die Belichtung nur in einem sehr kleinen Kreis in der Bildmitte. Sie sehen diesen Kreis oft im Sucher angedeutet, direkt um den mittleren AF-Punkt. Er nimmt unter 5 % des Bildfelds ein, und Sie können damit direkt den bildwichtigen Bereich anmessen oder eine Kontrastmessung der Lichter und Schatten vornehmen. Die Spotmessung ist ein sehr genaues Profiwerkzeug und wird gern auch zusammen mit der manuellen Belichtungseinstellung (M) verwendet.

Abbildung 5.36 E Der sonnenbeschiene Teil der Landschaft wurde mit der Spotmessung erfasst, damit die Belichtungsautomatik durch den Bergschatten im Vordergrund das Bild nicht zu hell zieht.

35 mm | ƒ10 | 1/640 s | ISO 200

5.4  Belichtungsmessarten  |  287

Der Nachteil der Spotmessung ist, dass Sie immer konzentriert den bildwichtigen Bereich anmessen müssen, weil Sie sonst extreme Fehlbelichtungen erhalten. Zur schnellen Schnappschussfotografie ist diese Methode also nicht geeignet, wohl aber für das bewusste Gestalten in etwas ruhigeren Situationen.

Live View

GG Abbildung

5.37 Der hellgelbe Kreis markiert in diesem Bild den Messbereich der Spotmessung.

Abbildung 5.38 E Das ist nicht der Mond, sondern die Sonne. Die extrem knappe Belichtung lässt das Bild fast wie eine Nachtaufnahme wirken. Dass die Sonne nicht ganz rund erscheint, liegt an der Beugung, die durch die kleine Blendenöffnung verursacht wurde.

125 mm | ƒ25 | 1/8000 s | ISO 100

288  |  5  Belichtung

Die bislang beschriebenen Messmethoden setzen einen heruntergeklappten Spiegel voraus, weil die Messelektronik im Sucher untergebracht ist. Sobald der Hilfsspiegel kein Licht mehr dorthin reflektiert, funktioniert die Messelektronik dort nicht mehr. Die Belichtung im Live-View-Modus wird dann direkt auf dem Sensor gemessen. Bei spiegellosen Systemkameras ist das ohnehin der Fall. Sie können dann in der Mehrfeldmessung mit einem verschiebbaren Rechteck, der AF-Punktwahl oder einem Fingertipp auf dem Display ein Feld markieren, das für die Belichtungsmessung besonders stark gewichtet werden soll. Ebenso haben Sie bei vielen Kameras die Wahl, ob das Display das Bild möglichst gut darstellen oder möglichst nah an der zu erwartenden Belichtung ausrichten soll. Die sogenannte Belichtungssimulation liefert eine recht genaue Vorhersage des Ergebnisses, im Einzelfall kann es aber vorkommen, dass das Bild auf dem Display nicht zu erkennen ist (im Modus M zum Beispiel, wenn Sie die Kamera für

Blitzaufnahmen eingestellt haben). Wenn Blitz Ihr Hauptlicht ist, müssen Sie die Belichtungssimulation also ausschalten. Beachten Sie auch, dass die Displayhelligkeit den Bildeindruck verfälschen kann. Bei vielen Kameras müssen Sie diese selbst einstellen, da sie die Umgebungshelligkeit nicht automatisch erfassen. Wenn Sie z. B. Sterne fotografieren, wirkt das Bild im Sucher viel zu hell, wenn Sie noch die Tageslicht-Helligkeitseinstellung verwenden. Abgesehen davon, dass das bei Dunkelheit sogar blenden kann, würden Sie bei optischer Kontrolle der Helligkeit ein viel zu dunkles Bild erhalten, weil das Sucherbild mindestens drei Blendenstufen zu hell erscheint. Im Livebild oder bei Spiegellosen können Sie zwar meist auch mitten­betont messen oder die Spotmessung verwenden, allerdings sind diese Messmethoden eher unwichtig, da Sie ohnehin praktisch in Echtzeit eine Rückmeldung über das Bildergebnis erhalten und auf Wunsch sogar ein Live-Histogramm einblenden können. Zudem hilft Ihnen die Überbelichtungswarnung, die Ihnen ausgefressene Lichter in Zebrastreifendarstellung oder schwarz blinkend darstellt. Kompaktkameras messen die Belichtung ebenfalls direkt auf dem Sensor. Die Anpassung der Belichtungswerte erfolgt deswegen auch etwas langsamer als bei einem eigenen Belichtungsmesssystem, wie eine DSLR es besitzt. Wenn Sie eine Kompaktkamera rasch vom Fenster ins Dunkle und wieder zurück schwenken, werden Sie feststellen, dass die Anpassung an das veränderte Licht einen kurzen Moment in Anspruch nimmt. Die Werte im Daten-Display einer DSLR verändern sich sofort, im Live-View-Modus benötigt aber auch sie ein wenig länger.

1

GG Abbildung

5.39 Livehistogramm 1 und Belichtungsvorschau erleichtern die Belichtungsmessung bei spiegellosen Kameras (hier Sony α7R III).

5.5  Belichtungskorrekturen Selbst wenn die Belichtungsmessung technisch absolut perfekt wäre, kann Ihre Kamera nicht wissen, wie Sie das Motiv abbilden möchten. Solange eine Kamera nicht in der Lage ist, den gesamten Helligkeitsumfang in jeder Situation aufzuzeichnen, werden Sie also im Zweifelsfall von Hand eingreifen müssen, um eine Belichtung nach Ihren Vorstellungen zu erhalten. Abbildung 5.40 E Messungen direkt in die Lichtquelle können je nach verwendeter Messmethode kräftig danebengehen. Im nebenstehenden Bild speicherte ich den Messwert, als die Sonne gerade außerhalb des Bildes war, und stellte eine Belichtungskorrektur von −1 ein. Das Bild ist so trotz der extremen Kontraste richtig belichtet. Unkorrigiert ergab sich das klein abgebildete Ergebnis.

600 mm | ƒ8 | 1/800 s | ISO 250 | −1 LW

5.5  Belichtungskorrekturen  |  289

Messwertspeicherung (AE-L) Eine der einfachsten Methoden, die Belichtung zu korrigieren, ist die Messwertspeicherung. Dabei schwenken Sie die Kamera auf einen Bereich, der einfacher zu messen ist und dessen Messergebnis auch für das Motiv passt. In einer Gegenlichtsituation schwenken Sie die Kamera zum Beispiel so weit nach unten, dass die Lichtquelle nicht mehr im Bild ist, und drücken die Messwertspeichertaste (AE-L bei Nikon, bei Canon; AE-L steht für englisch Auto-Exposure Lock). Die Kamera merkt sich nun die Belichtungseinstellung für eine einstellbare Zeit, Sie schwenken zurück auf das Motiv und machen ein oder mehrere Bilder mit dieser Belichtungseinstellung. HH Abbildung 5.41 Um die Gewitterstimmung zu betonen und die Fenster, die den hellen Himmel reflektieren, hervorzuheben, verringerte ich die Belichtung um fast zwei Blendenstufen.

50 mm | ƒ7,1 | 1/60 s | ISO 1 600 | −1 2⁄3 LW | APS-C

290  |  5  Belichtung

Manuelle Belichtungskorrektur Sobald das Motiv insgesamt heller oder dunkler ist als ein mittleres Grau, müssen Sie die Belichtung von Hand korrigieren. Das gilt natürlich auch dann, wenn es nur heller oder dunkler erscheinen soll oder wenn das Messergebnis von Ihren Vorstellungen abweicht.

FF Abbildung 5.42 Die Schneelandschaft im norwegischen Hochland belichtete ich um eine gute Blende über, um den richtigen Helligkeitseindruck zu vermitteln.

40 mm | ƒ16 | 1/400 s | ISO 160 | +1 1⁄3 LW

1 Die Belichtungskorrektur ist an der Kamera meist sehr einfach zu erreichen, weil sie einer der häufigsten Vorgänge beim Fotografieren ist. Bei den Profikameras von Canon zum Beispiel reicht ein Dreh am Daumenrad. Viele Profis aber schalten diese Option auch gleich wieder aus, damit sie die Belichtung nicht unabsichtlich verstellen. Bei den meisten anderen Kameras gibt es eine Taste +/−, die Sie gedrückt halten müssen, während Sie mit dem Einstellrad den Wert ändern.

GG Abbildung 5.43 Mit der Taste +/− 1 schalten Sie das Einstellrad auf den Belichtungskorrekturmodus um, im manuellen Modus steuern Sie dann die Blende statt der Zeit mit dem Rad. (Bild: Nikon)

Belichtungskorrektur nach Farbe Wenn Sie sich einen Farbraum wie Adobe RGB in Abbildung 5.44 in 3D ansehen, werden Sie feststellen, dass die Bereiche der reinsten Farben je nach Farbe bei ganz unterschiedlichen Helligkeiten liegen. Das bedeutet, dass die intensivste Farbwirkung nur dann eintritt, wenn auch die Helligkeit entsprechend angepasst wird.

Abbildung 5.44 E Der Adobe-RGB-Farbraum in einer 3D-Ansicht: Die Helligkeit steigt von unten nach oben, die Farbsättigung von innen nach außen. Die Extreme liegen je nach Farbe in unterschiedlicher Höhe. Die ideale Farbsättigung ist also immer mit einer bestimmten Helligkeit verbunden: Es gibt kein tiefes Dunkelgelb und kein hochintensives Hellblau.

5.5  Belichtungskorrekturen  |  291

Während die Helligkeitsunterschiede zum mittleren Grau bei den meisten Farben so gering sind, dass Sie zumindest bei einer Aufnahme im Raw-Format nicht darüber nachdenken müssen, sind sie in den Farben Gelb und Blau sehr deutlich. Wenn Sie also mit der Spotmessung ein klares Gelb anmessen, sollten Sie die Belichtungskorrektur auf ca. +1,5 Blenden stellen, um diesen Ton auch auf dem Foto festzuhalten. Umgekehrt stellen Sie bei einem tiefen Blau die Korrektur auf −1,5 Blenden. Wenn eine Farbe zu hell wiedergeben wird, erscheint sie oft milchig und blass, wird sie zu dunkel wiedergegeben, vergraut sie und wirkt schmutzig. Abbildung 5.45 E Die Grundfarben (obere Reihe) und ihre Graustufenumsetzung (mittlere Reihe), darunter zum Vergleich Neutralgrau. Gelb und Blau weichen besonders stark von der mittleren Helligkeit ab.

1

2

3

4

GG Abbildung

5.46 Wenn man Blau 4 und Gelb 1 in der Helligkeit der jeweils anderen Farbe abbildet, ergeben sich Farbtöne, die in der Intensität bei Weitem nicht mit der Originalfarbe mithalten können. Das dunkle Gelb 3 wirkt eher Olivgrün, das helle Blau 2 wird zum fahlen »Babyblau«.

292  |  5  Belichtung

Die Helligkeit ist aber nur ein Aspekt bei der Reinheit der Farben, und Sie sollten nicht versuchen, jedes Farbproblem über eine Helligkeitsanpassung zu lösen (mehr zur Farbkorrektur ab Seite 460). Trotzdem sollten Sie im Kopf behalten, dass Farbe und Helligkeit zusammenhängen und dass es für Sie in Einzelfällen notwendig sein wird, manuell in die Belichtungssteuerung einzugreifen. Manchmal ist auch die spektrale Empfindlichkeit der Belichtungsmessung etwas anders als die des Sensors oder Films. So kann es passieren, dass bei Kunstlicht die gemessenen Werte zu optimistisch sind und das Bild um etwa zwei Drittelblenden unterbelichtet wird. Das ist bei der Kombination Handbelichtungsmesser/Negativfilm sehr oft der Fall und bei einer modernen Digitalkamera zumindest eine Überprüfung wert.

Das Zonensystem nach Ansel Adams Das Zonensystem nach Ansel Adams ist eine sehr nützliche Grundlage, um sich mit der Belichtungssteuerung vertraut zu machen. Ansel Adams teilte den nutzbaren Helligkeitsumfang in elf Blendenstufen ein. Die erste Zone repräsentiert ein reines Schwarz – dies ist die Zone 0. Die letzte Zone – Zone 10 – steht für

reines Weiß. Dazwischen bleiben neun Blendenstufen nutzbarer Bildinformation übrig. Das Schöne ist, dass sich dieser Belichtungsbereich, den Ansel Adams vom Schwarzweißfilm hergeleitet hat, gut für die Raw-Fotografie übernehmen lässt. Je nach Kamera werden Sie im Lichterbereich allerdings sehr sorgfältig arbeiten müssen, weil es dort mit dem tatsächlich nutzbaren Kontrastumfang knapp werden kann. Das JPEG-Format können Sie für die Nutzung des Zonensystems vergessen, weil Sie damit in den Lichtern gut eine Blende weniger Spielraum haben. Sie können aber ganz sicher sein, dass Ansel Adams kein JPEG verwendet hätte. »Es gibt keine Abkürzung auf dem Weg zur Perfektion«, hätte er wohl gesagt, und damit wäre das Thema JPEG für ihn erledigt gewesen.

GG Abbildung

5.47 Foto: Ansel Adams, Grand Teton National Park (Department of the Interior, National Park Service)

5.5  Belichtungskorrekturen  |  293

Abbildung 5.48 E Die hellgelbe Mauer in der Sonne wurde mit der Spotmessung ausgemessen und auf Zone 8 gelegt, so ergibt sich noch eine gute Durchzeichnung der hellen Partien.

17 mm | ƒ10 | 1/400 s | ISO 200 | Canon TS-E 17 mm/ƒ4L

Anwendung  | Mithilfe des Zonensystems und der Spotmessung können Sie Ansel Adams Ansel Adams (1902–1984) war ein amerikanischer Fotograf und Autor. Er wurde berühmt durch seine Landschaftsaufnahmen, die er mit der Großbildkamera in meisterlicher Schwarzweißtechnik aufnahm. Das Bild auf der vorangegangenen Seite entstand Anfang der 1940er-Jahre und zeigt die Teton-Range und den Snake River.

294  |  5  Belichtung

beliebige Bildbereiche ausmessen und dann einer Zone zuweisen. Wenn Sie ein Porträt aufnehmen, messen Sie zum Beispiel das Gesicht an und legen es auf Zone 6 oder, wenn Sie es sehr hell abbilden möchten, auf Zone 7. Einen Schattenbereich, den Sie gut durchgezeichnet haben wollen, legen Sie auf Zone 2–3, eine helle Wand in der Sonne auf Zone 7–8, wenn Sie die Textur noch gut erkennen wollen. Stellen Sie dazu die Kamera auf Spotmessung um und in den manuellen Modus. Messen Sie die bildwichtigen Bereiche an, und stellen Sie die Belichtung so ein, dass die Belichtungsanzeige im Sucher den richtigen Korrekturwert für die jeweilige Zone anzeigt. Bei Zone 7 steht sie dann zwei Stufen im Plus, bei Zone 6 nur eine und bei Zone 3 zum Beispiel auf −2.

Foto

Zone

Belichtung

Beschreibung

0

−5

reines Schwarz ohne Zeichnung

1/I

−4

fast schwarz, leichte Zeichnung

2/II

−3

sehr dunkles Grau

3/III

−2

Dunkelgrau

4/IV

−1

dunkleres Grau

5/V

0

Neutralgrau 18 %

6/VI

+1

helleres Grau

7/VII

+2

Hellgrau

8/VIII

+3

sehr helles Grau

9/IX

+4

fast weiß, leichte Zeichnung

10/X

+5

reines Weiß ohne Zeichnung

FF Tabelle 5.2 Die 11 Zonen (0–10) aus Ansel Adams’ Zonensystem. Hier habe ich eine Raufasertapete bei gleichmäßigem Licht fotografiert und eine Belichtungsreihe im Raw-Format erstellt. Im JPEG-Bild würde mindestens eine Zone wegfallen.

5.5  Belichtungskorrekturen  |  295

Wenn Ihnen das lieber ist, können Sie auch mit der Automatik arbeiten und nicht im manuellen Modus. Dann messen Sie die Bereiche wie gewohnt an, stellen die Belichtungskorrektur auf den Wert für die jeweilige Zone und drücken die Taste für die Messwertspeicherung. Anschließend schwenken Sie die Kamera wieder auf den endgültigen Bildausschnitt zurück, und der gemessene Wert bleibt trotz der Automatik und des nun anderen Messbereichs der Spotmessung für die Aufnahme erhalten. Ansel Adams versuchte bereits bei der Aufnahme, mehrere Zonen festzulegen. Er konnte aber in der Schwarzweißfotografie Farbfilter einsetzen, um die Tonwerte gegeneinander zu verschieben (siehe Seite 490), und er konnte das Filmmaterial kürzer oder länger entwickeln, um den Kontrast zu steuern. Sie haben zwar innerhalb der Kamera Möglichkeiten, den Kontrast über Bildstile oder eine Tonwertoptimierung zu steuern, aber das bringt für die Raw-Datei nichts und belastet nur den Aufnahmeprozess. Sie legen also mit einer einzigen Messung die Belichtung des Fotos fest, die Zuordnung der anderen Tonwerte ist dann Aufgabe der Nachbearbeitung am Rechner. Trotzdem sollten Sie überprüfen, ob die Schatten noch genügend Zeichnung aufweisen, wenn Sie die Lichter auf eine bestimmte Zone legen, und umgekehrt. Entweder analysieren Sie dazu das Bild und das Histogramm direkt nach der Aufnahme im Display, oder Sie messen vorher auch die anderen bildwichtigen Bereiche mit der Spotmessung aus. Vom technischen Standpunkt her ist das Zonensystem heute nicht mehr notwendig. Die Mehrfeldmessung und eine Belichtungsreihe bringen Ihnen in den meisten Fällen eine gleich gute Belichtung. Das Zonensystem hilft Ihnen aber, sich die Belichtungswerte für einzelne Bildbereiche bewusst zu machen.

FF Abbildung 5.49 In diesem Bild habe ich die große Felswand im Hintergrund mit der Spotmessung angemessen und auf Zone 6 gelegt, also um +1 Blende korrigiert. In Zone 5 wäre sie drückend erschienen, so bekommt das Bild eher etwas sommerlich Dunstiges. Die Belichtung entscheidet hier über die Bildwirkung.

200 mm | ƒ4,5 | 1/800 s | ISO 250 | +1 LW

296  |  5  Belichtung

High Key Wenn in einem Foto fast ausschließlich helle Tonwerte vorkommen, spricht man von High Key. Dieses Stilmittel wird gern in der Beautyfotografie verwendet, weil es einen hellen, freundlichen Eindruck vermittelt und hilft, Fältchen und Schatten zu unterdrücken. Wenn Sie bewusst für High-Key-Aufnahmen fotografieren möchten, ist ein weiches Licht mit aufgehellten Schatten genau richtig. So können Sie das Motiv überbelichten, ohne dass zu dunkle Schatten zurückbleiben oder der Kontrastumfang zu überstrahlten Lichtern führt. Ein kontrastarmes Motiv lässt sich auch in der Bildbearbeitung noch aufhellen, aber die Qualität wird besser, wenn die Aufnahme bereits heller angefertigt wird.

F G  Abbildung 5.50 Das Histogramm der Kuh im dichten Nebel der Pyrenäen zeigt nur Werte weit oberhalb eines mittleren Graus an. Der trübe Tag ließ durch seine geringen Kontraste starkes Überbelichten zu.

Low Key

600 mm | ƒ6,3 | 1/500 s | ISO 800 | +2,5 LW

Bilder, die vorwiegend die Schattenbereiche der Tonwertskala verwenden, werden Low-Key-Bilder genannt. Dunkle Bilder haben eine eigene Stimmung: Wenn Sie das Wort »dunkel« hören, denken Sie wahrscheinlich auch nicht nur an wenig Licht. Mögliche Assoziationen sind »geheimnisvoll«, »traurig«, »bedrohlich«, »sinnlich«, »tief«. Wenn Sie für Low Key fotografieren, ist es sinnvoll, das Bild ein wenig heller aufzunehmen, als es gewünscht ist, und dann am Rechner etwas abzudunkeln. Die schlechte Tonwertabstufung im Schattenbereich kann sonst zu Qualitätsproblemen bis hin zur Unbrauchbarkeit des aufgenommenen Materials führen.

5.5  Belichtungskorrekturen  |  297

GG Abbildung 5.51  E In dieser Aufnahme gibt es fast nur Tonwerte im tiefen Schattenbereich. Da die Belichtung vieles »im Dunkeln lässt«, bekommt das Bild eine geheimnisvolle Wirkung.

200 mm | ƒ7,1 | 1/640 s | ISO 200 | −2,5 LW

Die Lichtführung kann ruhig kontrastreich sein – wenn Lichtkanten das Motiv etwas hervorheben, ist es leichter zu erkennen. Auf Seite 365 finden Sie das Lichtbeispiel »Modellauto« und sehen, wie im Studio eine Lichtkante für eine Low-Key-Aufnahme gesetzt wird.

Gegenlicht Bei Gegenlicht kommen oft die Lichtquelle und die Schattenseite eines Motivs in einem Bild zusammen. Sie blicken also direkt ins Licht und haben sehr dunkle Bereiche direkt daneben. Das führt zu einem Kontrastumfang, den weder ein digitaler Sensor noch ein Film in den Griff bekommt. Somit müssen Sie sich entscheiden, auf welche Helligkeitsbereiche Sie verzichten können. Wenn Sie ein Porträt fotografieren, ist die Entscheidung meistens einfach: Hier möchten Sie der Person ins Gesicht schauen können. Wenn der Hintergrund dabei in Weiß übergeht, macht das nichts. Bei anderen Motiven mit einer intensiven Lichtstimmung werden Sie die hellen Bereiche nicht so leicht aufgeben wollen und eher in Kauf nehmen, dass die Objekte im Licht sehr dunkel werden. Das eigentliche Motiv wird dann zur Silhouette, bei der fast alle Bereiche schwarz wiedergegeben werden.

298  |  5  Belichtung

Es gibt noch eine dritte Möglichkeit, die aber auf kleine Motive oder besondere Umgebungen beschränkt ist: das Aufhellen. Sie können das Licht aus der Lichtquelle hinter dem Motiv mit einem Reflektor auf das Motiv zurückwerfen. Oder Sie zünden einen starken Blitz, der im Nahbereich in der Lage ist, es mit der Hauptlichtquelle aufzunehmen. Sie müssen aber den Dynamikumfang des Sensors nicht unbedingt als gegeben hinnehmen, denn mithilfe der HDR-Technik können Sie ihn deutlich erweitern. Das ist allerdings oft ein gestalterischer Rückschritt. Mehr Information auf einem Foto zu haben, ist nur dann gut, wenn diese Information auch wichtig ist oder wenn sie hilft, technische Schwächen zu vermeiden. Wenn das Licht Sie zwingt, sich für das Wesentliche in einem Bild zu entscheiden, hilft es Ihnen auch, zu guten Ergebnissen zu kommen.

GG Abbildung 5.52 Gegenüber der Kameramessung wurde dieses Bild um knapp 2 Blenden überbelichtet. Die Landschaft hinter dem Vorhang ist dadurch nicht mehr sichtbar, aber das Gesicht hat die richtige Helligkeit, und das Bild bekommt eine freundliche Grundstimmung.

160 mm| ƒ2,8 | 1/200 s | ISO 500 | +2 LW

FF Abbildung 5.53 In diesem Bild habe ich auf den Himmel belichtet. So erscheint die Kirche von Gatteville-le-Phare nur als Silhouette.

400 mm | ƒ8 | 1/500 s | ISO 100

Belichtungsreihen Wenn Sie einen hohen Kontrastumfang zu bewältigen haben oder einfach sichergehen wollen, dass Sie eine optimale Belichtung erhalten, können Sie eine Belichtungsreihe aufnehmen. Über die automatische Belichtungsreihenfunktion (AEB = Auto Exposure Bracketing) können Sie Ihrer Kamera mitteilen, dass Sie zusätzlich zur Normalbelichtung eine hellere und eine dunklere Belichtung in einem wählbaren Abstand aufnehmen möchten. Viele Kameras unterstützen auch mehr als drei unterschiedliche Belichtungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie

5.5  Belichtungskorrekturen  |  299

GG Abbildung 5.54 Eine Belichtungsreihe setzt auf der Belichtungskorrektur auf. Hier ergibt eine Korrektur von −1 LW und ein AEB von fünfmal einer Blendenstufe eine Reihe von −3 | −2 | −1 | 0 | +1 als Korrekturwerte (Canon EOS 5DS R).

dann eine Aufnahme erhalten, aus der Sie in der Raw-Konvertierung den benötigten Kontrastumfang herauskitzeln können, steigt so deutlich an. Und wenn dies nicht gelingen sollte, können Sie die Belichtungen immer noch zu einem HDR-Bild kombinieren. Die einzelnen Belichtungen sollten dabei nicht mehr als zwei Blendenstufen auseinanderliegen. Wenn Sie mehr als +/−2 Blenden benötigen, sollten Sie lieber zusätzliche Bilder aufnehmen. Beachten Sie, dass Sie eine Belichtungsreihe mit der Belichtungskorrektur verbinden können. Wenn Sie zum Beispiel die Belichtung um −1 korrigieren und eine Belichtungsreihe von +/−2 Blenden einstellen, erhalten Sie eine Reihe von −3 | −1 | +1 Blendenstufen um die gemessene Belichtung herum.

HH Abbildung 5.55 Diese drei Aufnahmen liegen jeweils zwei Blendenstufen auseinander. Durch den geringen Motivkontrast ist trotzdem jede für sich brauchbar, wobei die hellste den Seheindruck stark verfremdet wiedergibt.

90 mm | ƒ2,8 | 30 s, 8 s und 2 s | ISO 400 | Tilt-Shift-Objektiv

5.6  Langzeitbelichtung Mit einer Systemkamera haben Sie normalerweise keine Einschränkung hinsichtlich der möglichen Belichtungsdauer. Das bedeutet, dass Sie bei Bedarf stundenlang belichten und sehr schwaches Licht über lange Zeit für eine korrekt belichtete Aufnahme sammeln können. Diese Möglichkeit finden Sie bei den meisten Kameras unter dem Belichtungsprogramm B (B steht für »Bulb«). Bei manchen Kameras ist diese Option im manuellen Programm M versteckt: Hinter der längsten fest einstellbaren Zeit (meist 30 s) taucht noch der Eintrag Bulb auf. In diesem Modus bleibt der Verschluss so lange offen, wie der Auslöser gedrückt

300  |  5  Belichtung

bleibt. Wenn Sie dafür aber die ganze Zeit den Finger auf dem Auslöser halten müssten, würde das bald unbequem, und Sie würden das Bild selbst mit einem Stativ verwackeln. Aus diesem Grund verwenden Sie für Langzeitaufnahmen einen Kabelauslöser, dessen Auslöseknopf Sie arretieren können. Durch das Kabel wird die Kamera vom Auslösen mechanisch entkoppelt, und die Arretierung hält den Verschluss offen, so lange Sie möchten. Bei manch neuerer Kamera können Sie im Modus Bulb eine beliebige Verschlusszeit vorwählen, so dass ein arretierbarer Fernauslöser nicht mehr nötig wäre.

Bulb Das Wort Bulb bezeichnet einen kleinen Blasebalg, den man in der Frühzeit der Fotografie zur Auslösung des Verschlusses verwendete. Solange man diesen mit Luft gefüllten Ball zusammenpresste, hielt er über ein Gummiröhrchen mit dem Luftdruck den Verschluss der Kamera offen. Er war ein Vorläufer des Drahtauslösers und zur immer noch gültigen Bezeichnung für den Langzeitbelichtungsmodus geworden.

GG Abbildung

5.56 Bei dieser Kamera aus dem 19. Jahrhundert ist der kleine Blasebalg gut zu sehen, von dem sich die Bezeichnung »Bulb« ableitet.

FF Abbildung 5.57 In sieben Minuten Verschlusszeit reichte der Nachthimmel aus, um sogar die Schattenbereiche voll durchzuzeichnen.

14 mm | ƒ2,8 | 420 s | ISO 200

5.6  Langzeitbelichtung  |  301

Spiegelvorauslösung Erschütterung durch Verschluss Bei Spiegellosen kann die Erschütterung, die durch den Verschluss verursacht wird, einen negativen Einfluss auf die Schärfe nehmen. Die erste Sony α7R z. B. war berüchtigt für ihren lauten Verschluss, der im mittleren Verschlusszeitenbereich oft etwas Schärfe vernichtete. Dieser Effekt wird reduziert, wenn der erste Verschlussvorhang durch eine elektronische Zurücksetzung des Sensors ersetzt wird (englisch: electronic first shutter), und verschwindet ganz, wenn der zweite Verschluss auch elektronisch ist, das Bild also so aufgezeichnet wird wie ein Frame eines Videobilds – ganz ohne mechanischen Verschluss. Die Bildqualität kann beim rein elektronischen Verschluss allerdings geringfügig schlechter ausfallen, sodass der mechanische Verschluss weiter seine Berechtigung hat. Auch wird der elektronische Verschluss langsamer ausgelesen, sodass es bei Motiv- oder Kamerabewegungen zu einem Rolling-Shutter-Effekt kommt (siehe Seite 48 und Seite 605).

Abbildung 5.58 E Eine Verschlusszeit von 1/13 s bei 200 mm Brennweite und 50 MP: Trotz des Stativs wird das ohne Spiegelvorauslösung schnell kritisch.

200 mm | ƒ11 | 1/13 s | ISO 320

302  |  5  Belichtung

Um kurze Auslösezeiten zu erreichen, muss der Spiegel stark beschleunigt und dann wieder abgebremst werden. Dabei entsteht ein Bewegungsimpuls, den Sie in der Hand als sogenannten Spiegelschlag spüren (und den Sie auch hören) können. Moderne Kameras haben oft Gegengewichte und eine aufwendige Dämpfung, um diesen Effekt zu minimieren; trotzdem gibt es Situationen, in denen der Spiegelschlag die Schärfe Ihrer Aufnahme negativ beeinflusst. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Sie längere Verschlusszeiten mit längeren Brennweiten kombinieren. Die Schwingbewegung der Kamera fällt dann in die Verschlusszeit, und die lange Brennweite vergrößert die Unschärfe, weil jede Winkelabweichung umso stärker ins Gewicht fällt, je enger der Bildwinkel ist. Um diesen Effekt zu vermeiden, können Sie bei den meisten Spiegelreflexkameras den Spiegel vorauslösen. Beim ersten Druck auf den Auslöser klappt dann der Spiegel hoch, und beim zweiten wird erst der Verschluss geöffnet. Nach dem Schließen des Verschlusses klappt dann auch der Spiegel wieder herunter. Das Problem des Verwackelns durch den Spiegelschlag ist damit aus der Welt, allerdings lässt sich diese Methode nur sehr eingeschränkt verwenden: Mit einem hochgeklappten Spiegel sehen Sie nichts mehr im Sucher, und der Autofokus funktioniert nicht mehr. Bewegte Motive und jegliches Nachführen des Bildausschnitts erledigen sich damit. Sinnvoll ist die Spiegelvorauslösung nur, wenn Sie statische Motive vom Stativ aus fotografieren oder wenn Sie bei Ihrer Kamera auch kurze Vorlaufzeiten für die Spiegelvorauslösung einstellen können. Bei der EOS 5DS lässt sich z. B. 1/8 s als Vorlaufzeit wählen, die auch beim Fotografieren aus der Hand noch sinnvoll zu verwenden ist. Auf dem Stativ sollten Sie immer einen Kabelauslöser verwenden, um die Kamera beim Auslösen nicht dennoch zu verwackeln. Falls Sie keinen dabeihaben sollten: Kameras mit WLAN lassen

sich sehr oft auch über eine Smartphone-App auslösen, und bei Sony können Sie ein Programm in manche Kameras laden, das den Augensensor hinter dem Sucher für berührungsfreies Auslösen nutzen kann. Oder Sie behelfen sich mit dem Zeitauslöser, der die Kamera verzögert auslöst, so dass die Erschütterungen beim Aufnahmebeginn bereits abgeklungen sind. Wenn Sie trotz ruhiger Auslösung Unschärfen im Bild finden, kann das auch an einem nicht ausgeschalteten Bildstabilisator liegen. Bei manchen Objektiven oder Kameras hat dieser allerdings auch auf dem Stativ Vorteile, wenn die Kamera im Wind schwingt oder auf nicht ganz festem Boden steht. Wenn Sie allerdings aus der Hand fotografieren müssen und mehr Kontrolle über den Bildausschnitt benötigen, liefern Ihnen die meisten DSLRs eine praktische Alternative: Es gibt einen Modus für den Live-View-Betrieb, bei dem der Spiegel oben bleibt, um Geräusche zu verringern. Dieser wird oft als Silent Mode oder »geräuscharmer Modus« bezeichnet und kann Ihnen helfen, etwas längere Zeiten aus der Hand zu fotografieren.

Rauschunterdrückung Bei hohen ISO-Zahlen oder sehr langen Verschlusszeiten entsteht Rauschen. Der Sensor hat ein zufälliges schwaches Grundrauschen, das unter anderem durch die Temperatur erzeugt wird. Bei langen Verschlusszeiten summiert sich das zu einem deutlichen Bildanteil, der das eigentliche Signal überlagert. Bei hohen ISO-Werten wird durch die digitale Verstärkung des Signals auch der Rauschanteil erhöht. Da moderne Kameras aus Wettbewerbsgründen bis an die Grenze ihrer technischen Möglichkeiten getrieben werden, kann das Rauschen dazu führen, dass ein Bild nur noch sehr eingeschränkt verwendbar ist, zum Beispiel wenn Sie es stark auf eine kleine Größe herunterrechnen.

Abbildung 5.59 E Diese Dämmerungsaufnahme habe ich mit ISO 10 000 aufgenommen. Die Rauschunterdrückung arbeitet trotzdem noch sehr gut, die Farben und Details werden gut wiedergegeben.

265 mm | ƒ5,6 | 1/320 s | ISO 10 000

5.6  Langzeitbelichtung  |  303

Was können Sie als Fotograf gegen das Bildrauschen tun? Im Wesentlichen gibt es drei Möglichkeiten: EE Rauschen vermeiden: Halten Sie die ISO-Zahl niedrig. So kommt mehr Licht auf den Sensor, weil die Automatik die Blende öffnet oder die Zeit verlängert, und der Anteil des Bildrauschens wird entsprechend kleiner. Das schwache Rauschen wird von dem starken Bildsignal dann so dominiert, dass es praktisch nicht mehr sichtbar ist. Blenden Sie bei schwachem Licht so weit auf, wie es ohne Qualitätsverlust möglich ist. Je schwächer das Licht ist und je länger die Verschlusszeit, desto mehr kann sich das Grundrauschen durchsetzen. Das Rauschen ist auch temperaturabhängig: Wenn Sie nicht im Live-ViewModus arbeiten, bleibt der Sensor kühler, weil er nur während der Aufnahme arbeiten muss. In professionellen Video-Kameras wird deshalb oft noch eine aktive Kühlung eingebaut. Unter ungünstigen Bedingungen kann der Sensor sonst sogar so heiß werden, dass die Kamera ihn für eine Kühlphase abschaltet, um ihn nicht zu gefährden. EE Rauschverminderung in der Kamera: In der Kamera lässt sich das Rauschen mittels Software aus dem Bild herausrechnen. Das ist meist kein Vorteil gegenüber der Rauschverminderung, die Sie am Rechner durchführen können. Aber einen großen Vorteil hat eine zweite Rauschverminderungs-Option: Sie kann den Momentanzustand des Rauschmusters über die Fläche mit einer sogenannten Dunkelfeldmessung feststellen. Eine zweite »Belichtung« nach der ersten bei geschlossenem Verschluss nimmt nur das Rauschen auf. Diese Zweitbelichtung kann die Kamera dann von der ersten abziehen und somit das aktuelle Rauschen vermindern. Die Methode hat allerdings einen Nachteil: Die Verschlusszeit verdoppelt sich durch die Zweitbelichtung, und bei einer Verschlusszeit von drei Minuten noch einmal drei Minuten auf »nichts« zu warten, kann sehr lästig sein, vor allem, weil das für jede Aufnahme gilt. Ich selbst entscheide mich bei langen Zeiten oft gegen eine Zweitbelichtung und arbeite lieber weiter. EE Rauschunterdrückung am Computer: Sobald Sie ein Raw-Bild öffnen, wird es bereits entrauscht, weil die Standardeinstellungen des Konverters schon hier eingreifen. Wenn Sie das Entrauschen auf null stellen und mit hoher Empfindlichkeit fotografiert haben, werden Sie einen Schreck bekommen: Das Rauschen ist so extrem, dass Sie Ihre Kamera nach spätestens einer Woche zurückgegeben hätten, wenn dies das Endergebnis wäre. Aber selbst das ist oft schon verbessert, so sind die Deadpixel – jene Pixel des Sensors, die immer ein Signal liefern und somit weiße, rote, grüne oder blaue Leuchtpunkte erzeugen würden – schon herausgerechnet. Die Qualität der Rauschunterdrückung hängt sehr stark von der verwendeten Software ab. Es kann gut sein,

304  |  5  Belichtung

dass Sie Ihre Raw-Bilder mit zukünftigen Raw-Konvertern noch viel schonender entrauschen können. Es ist sehr leicht, das Rauschen aus einem Bild zu entfernen. Kompliziert wird es aber, wenn Sie gleichzeitig feine Details des Originalfotos erhalten möchten. Hier muss eine Software wirklich leistungsfähig sein, um erkennen zu können, welches die Rausch- und welches die Bildanteile sind. Das JPEG-Format habe ich in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnt, aber bei schwierigen Lichtbedingungen sollten Sie auch kein JPEG verwenden, wenn die Qualität wichtig ist. Bei einem JPEG hätte erst die Kamera das Rauschen nach den Voreinstellungen herausgerechnet, und dann hätte sie es für die JPEGKodierung etwas vereinfacht. Die Software, die Bild, Entrauschen durch die Kamera und JPEG-Kodierung später wieder auseinandernehmen möchte, um das Rauschen und die Bildinformation voneinander zu trennen, hat viel größere Probleme als die Software, die die Raw-Daten unverändert analysieren kann. Heutige Kameras sind schon recht gut darin, auch bei schwierigen Lichtverhältnissen brauchbare JPEGs zu erzeugen, aber die Vorteile des Raw-Formats sind gerade da am größten, wo die fotografischen Schwierigkeiten am höchsten sind.

GG Abbildung 5.60 Eine Raw-Datei wurde mit der höchsten ISO-Zahl der Kamera (ISO 102 400) aufgenommen und einmal gar nicht (links) und einmal bestmöglich in Adobe Photoshop Lightroom entrauscht (Mitte). Das Entrauschen beeinflusst auch die Detailzeichnung und die Farbgenauigkeit negativ. Wenn Sie mit ISO 25 600 belichten (rechts), sehen Sie z. B. in der Turmspitze eine bessere Farbabstufung und in der dunklen Fassade mehr Details.

Pushen (ISO-Erweiterung) Zu Zeiten der analogen Fotografie belichtete man Filmmaterial unter und entwickelte es dann länger, um mit einer höheren ISO-Zahl arbeiten zu können, als es das Material vorsah. Dadurch stieg die Empfindlichkeit in den Schattenbereichen zwar nicht wirklich an, aber der höhere Kontrast ließ brauchbare Bilder

5.6  Langzeitbelichtung  |  305

auch bei eigentlich zu schwachem Licht entstehen. Oft hatte man auch keine andere Wahl, denn erst in den 1980er-Jahren überschritt die Filmempfindlichkeit die Grenze von ISO 1 000. Wer Konzertfotografie betreibt oder häufig nachts aus der Hand fotografiert, weiß, dass auch ISO 1 000 nicht wirklich viel ist. Das Pushen erlaubt es, um etwa ein bis drei Blendenstufen kürzer zu belichten.

GG Abbildung

5.61 Das große Bild beruht auf derselben Belichtung wie das kleine. Den Belichtungsregler habe ich jedoch im Raw-Konverter auf +3 angehoben. Das Bild wirkt so um drei Blenden heller.

24 mm | ƒ11 | 1/500 s | ISO 100 | Canon TS-E 24 mm/ƒ3,5 L

306  |  5  Belichtung

Wenn Sie mit Ihrer Digitalkamera unterbelichten und dann in der Bildbearbeitung das Bild wieder heller ziehen, »pushen« Sie die scheinbare Empfindlichkeit auch in die Höhe. Aber bevor Sie sich jetzt zu sehr auf bis zu drei Blendenstufen mehr Reserve freuen, sollten Sie wissen, dass Ihre Kamera diese Idee wahrscheinlich schon vor Ihnen hatte. Wenn Ihre Kamera eine Empfindlichkeitserweiterung hat, die Sie zuschalten müssen und die dann meist auch anders bezeichnet wird als mit den ISO-Werten, dann pusht Ihre Kamera schon selbst. Bei der Canon EOS 5D Mark III etwa lässt sich die Empfindlichkeit regulär auf ISO 25 600 einstellen. Nachdem Sie unter den Custom-Funktionen der Belich-

tung die ISO-Erweiterung auf Ein gesetzt haben, bietet sie auch die Stufen Hi1 und Hi2, was ein oder zwei Blenden digitalen Pushens entspricht. Die entsprechenden ISO-Werte wären 51 200 und 102 400, aber physikalisch kommt dies eher einem um ein oder zwei Blendenstufen unterbelichteten und nachträglich aufgehellten ISO-Wert von 25 600 nahe. Der Kontrastumfang sinkt also und das Bild wird etwas härter gezogen, um das wieder auszugleichen. In den Schattenbereichen findet sich also kaum mehr Information als bei ISO  25 600, aber das Bild wirkt insgesamt korrekt belichtet und ist mit Qualitätseinbußen verwendbar. Diese Einbußen betreffen hauptsächlich das Rauschen. Es ist bei schwachem Licht ohnehin schon recht stark, durch die digitale Signalverstärkung des Pushens wird es zusätzlich verstärkt. Besonders in den Schattenbereichen, wo die Information sehr viel geringer aufgelöst wird, wird das Rauschen dann sehr deutlich sichtbar. Der Tonwertumfang nimmt ebenfalls ab, weil durch das Pushen ein oder zwei Blendenstufen im Umfang verloren gehen. Die Farbdifferenzierung wird weniger, und nicht zuletzt leidet auch die Auflösung, weil das Rauschen die feinen Details einfach überlagert. Wenn Sie den ISO-Wert noch um weitere zwei Blendenstufen auf ISO 6 400 verringern, werden Sie einen zusätzlichen Qualitätsschub feststellen. Die Unterschiede zwischen den ISO-Stufen sind im höheren Bereich größer.

5.7  HDR – High Dynamic Range Wenn der Kontrastumfang die etwa zwölf bis fünfzehn Blenden übersteigt, die Systemkameras je nach Modell aufzeichnen können, können Sie sich entscheiden, bestimmte Tonwertbereiche wegzulassen und einen weißen Himmel oder schwarz zugelaufene Schatten in Kauf zu nehmen. Oder Sie machen mehrere Aufnahmen mit unterschiedlicher Belichtung und fügen sie später am Rechner zusammen. Das nennt sich HDR und steht für High Dynamic Range, was man etwa mit »hoher Dynamikbereich« beziehungsweise »hoher Tonwertumfang« übersetzen kann. Leider wird diese Technik oft dazu missbraucht, in den Effekten extrem übertriebene Fotos zu erzeugen, die viel zu bunt sind, groteske Tonwerte haben und mit dem gesehenen Bildeindruck vor Ort nichts mehr zu tun haben. Meine persönliche Meinung ist, dass man in ein paar Jahren über die HDRAuswüchse genauso lächeln wird wie über die Weichzeichner-Orgien der 1970er-Jahre, die schlimmste Phase haben wir nun auch ein paar Jahre hinter uns. Davon abgesehen, ist HDR eine großartige Technik, mit der Sie sich unbedingt auseinandersetzen sollten. Sie können so Motive aufnehmen, die sonst

5.7  HDR – High Dynamic Range  |  307

Tipp Für Photoshop und Lightroom können Sie unter www.adobe.de einen 7-Tage-Testzugang erhalten, für Affinity unter https://affinity. serif.com/de/photo/ Photomatix Pro können Sie unter www. hdrsoft.com/de herunterladen. Enfuse finden Sie unter enblend. sourceforge.net, Aurora HDR unter skylum.com/de/aurorahdr und eine Internetrecherche nach »HDR freeware« wird einige weitere Programme, wie zum Beispiel Luminance HDR, zutage fördern.

HH Abbildung

5.62 In der Normalbelichtung links ist der Himmel etwas ausgefressen. Die automatische Belichtungsreihe erstellt zwei Belichtungen mit −2 und +2 Blendenstufen Unterschied.

28 mm | ƒ7,1 | 1/200 s, 1/800 s und 1/50 s | ISO 100

308  |  5  Belichtung

unfotografierbar wären. Wenn Sie aber 18 Blendenstufen Tonwertumfang in ein normales Bild, das sonst nur über zwölf verfügt, pressen, dann entspricht der Helligkeitsunterschied einer Blende nur 2/3 Blenden im fertigen Bild. Das führt dazu, dass HDR-Aufnahmen schnell etwas zu weich wirken. Sie müssen also den Kontrast lokal erhöhen (ähnlich wie beim Unscharf maskieren mit breitem Radius, siehe Seite 667) und die Farbsättigung insgesamt leicht anheben, um diesen Effekt auszugleichen. Diese Anpassungsmethoden haben einen sehr weiten Einstellbereich und laden förmlich zur Übertreibung ein. Das mag in seltenen Einzelfällen die richtige Entscheidung sein, die HDR-Mode, die sich daraus ergeben hat, stellt für die Fotografie aus meiner Sicht aber keinen Fortschritt dar.

Aufnahmen für HDR Da Sie mehrere Aufnahmen erstellen müssen, die später genau übereinanderliegen sollen, ist es ratsam, sie möglichst passgenau anzufertigen. Ideal sind ein Stativ und ein unbewegtes Motiv, aber in der Praxis werden Sie auch HDR-Aufnahmen anfertigen wollen, wenn das Stativ nicht dabei ist. Dann hilft es, die Aufnahmen mit der Serienbildfunktion der Kamera direkt hintereinander aufzunehmen. So bleiben die Abweichungen möglichst gering. Um die Belichtung zu verändern, sollten Sie lieber die Zeit statt der Blende variieren – denn unterschiedliche Blenden führen zu unterschiedlicher Schärfentiefe, und dann passen die Aufnahmen schlechter übereinander. Wenn Sie also schnell aus der Hand arbeiten wollen, stellen Sie Ihre Kamera auf Zeitautomatik, schalten die Serienbildfunktion ein und wählen die automatische Belichtungsreihe (AEB) – meist reichen +/−2 Blenden. Drücken Sie dann den Auslöser durch, und lassen Sie ihn erst los, wenn die Kamera nach dem letzten Bild der Belichtungsreihe automatisch stoppt. Fotografieren Sie im RawFormat. Im Notfall können Sie zwar auch aus JPEGs ein HDR berechnen, aber dann ist mehr Nachbearbeitung erforderlich, als wenn Sie gleich mit Raw-Daten

arbeiten. Der einzige wirkliche Nachteil des Raw-Formats – die Tatsache, dass es mehr Nacharbeit erfordert – fällt hier weg, weil HDR ohnehin aktive Bearbeitung voraussetzt und eine gute HDR-Software auch gleich die Raw-Konvertierung übernimmt und Sie auch in Lightroom sehr einfach ein HDR erzeugen können.

HDR-Software Es gibt eine Vielzahl von Programmen, die sich auf die Erzeugung von HDRBildern spezialisiert haben. Besonders hervorzuheben ist Lightroom, das verschiedene Belichtungen zu einem Gesamtbild im DNG-Format zusammenfügen kann, mit dem Sie dann wie mit einem herkömmlichen Raw weiterarbeiten können. Bekannt und verbreitet ist Photomatix Pro, das als reine HDR-Software für ca. 80 € zu bekommen ist und sehr weitreichende Einstellungsmöglichkeiten bietet – für manche Fotografen vielleicht etwas zu weitreichend. Neuere Versionen des Programms können aber auch recht natürlich wirkende Bilder erzeugen. Wenn Sie ohnehin nur natürlich wirkende Aufnahmen mit erweitertem Tonwertumfang anstreben und die Aufnahmen durch die Verwendung eines Stativs oder die Bearbeitung in Photoshop gut ausgerichtet sind, dann sollten Sie sich Enfuse anschauen, das eben nur das kann, dies aber gut und kostenlos.

HH Abbildung

5.63 Aus den drei Belichtungen von Seite 308 habe ich hier in Photomatix Pro ein HDR-Bild zusammengefügt, das möglichst nah am Seheindruck liegen soll. Die Schatten und Lichterzeichnung übertreffen die eines einzelnen Raw-Bildes, trotzdem ist der Effekt unaufdringlich.

5.7  HDR – High Dynamic Range  |  309

Sie müssen bei HDR-Software nicht die Katze im Sack kaufen: Alle Programme sind entweder ohnehin kostenfrei, oder es gibt Demoversionen, mit denen Sie testen können, ob Sie mit der Bedienung klarkommen und mit den Ergebnissen zufrieden sind. Die Programme, die ich getestet habe, kommen unterschiedlich gut mit nicht deckungsgleichen Bildern zurecht. Wenn Sie also vorher wissen, dass Sie HDR-Bilder machen wollen, nehmen Sie ein Stativ mit. Wenn Sie kein Stativ dabeihaben, verzichten Sie trotzdem nicht auf die Belichtungsreihe für HDR, und nehmen Sie zwei oder drei Belichtungsreihen auf. So steigt die Chance, dass die Abweichungen zwischen den Bildern gering sind. Falls Sie kein Stativ dabeihatten, bleibt Ihnen später nur eine Software, die gut Bilder ausrichten kann. Bewegte Bildelemente kann auch nicht jede Software gut ausfiltern. Bei Photoshop müssen Sie dazu das Häkchen vor Geisterbilder entfernen setzen. In Lightroom können Sie bei Stärke der Geisterbildentfernung zwischen Keine, Niedrig, Mittel und Hoch wählen. Bedenken Sie aber, dass die Programme in den bewegten Bereichen auf bestimmte Belichtungen verzichten müssen und dort z. B. ein viel zu dunkles Bild aufhellen und so in den betroffenen Bereichen stark rauschen.

FF Abbildung 5.64 Photomatix Pro bekommt in diesem Beispiel die Einzelbilder nicht deckungsgleich übereinandergelegt. Wenn Sie den Modus auf Merkmalsbasiert umschalten, wird das Ergebnis gut.

HDR selbst gemacht

GG Abbildung 5.65 Auch Affinity Photo kann natürlich wirkende HDR-Aufnahmen erstellen

310  |  5  Belichtung

Wenn Sie keine spezielle Software verwenden und trotzdem den Kontrastumfang erweitern möchten, dann legen Sie in einer beliebigen Bildbearbeitungssoftware einfach drei Belichtungen in Ebenen übereinander. Öffnen Sie dazu alle drei Bilder. Wählen Sie im ersten Bild mit [Strg]/[cmd] + [A] alles aus und kopieren Sie das Bild mit [Strg]/[cmd] + [C]. Klicken Sie das zweite Bild an und fügen

Sie es in die Zwischenablage mit [Strg]/[cmd] + [V] ein. Klicken Sie dann auf das dritte Bild und fügen Sie es genauso wie das erste als Ebene über dem zweiten ein. In Photoshop können Sie über Datei Skripten Dateien in Stapel laden die Bilder gleich als Ebenen öffnen oder die geöffneten stapeln. Wenn Sie das Häkchen vor Quellbilder nach Möglichkeit automatisch ausrichten setzen, werden die Ebenen aneinander ausgerichtet, sodass auch aus der Hand aufgenommen Belichtungsreihen deckungsgleich werden.

GG Abbildung 5.66  E Diese HDR-Aufnahme habe ich mit der hier beschriebenen Methode erstellt. Drei Ebenen in Photoshop ergeben zusammen ein Bild mit erweitertem Kon­ trastumfang, das aber etwas weich wirkt. Etwas Nachbearbeitung von Kontrast und Farbe ergibt das untere Bild, das dem Augeneindruck sehr nahekommt.

16 mm | ƒ9 | 1/1000 s, 1/250 s und 1/60 s | ISO 100

Klicken Sie dann auf die oberste Ebene in der Ebenen-Palette. Setzen Sie die Deckkraft auf 33 % herab. Klicken Sie nun auf die mittlere Ebene, und setzen Sie die Deckkraft auf 50 %. Jede der Ebenen trägt nun mit einem Drittel zum Bildeindruck bei. Falls Ihnen das Ergebnis noch ungenügend erscheint, wandeln Sie die Datei in den 16-Bit-Modus um, falls sie das nicht schon ist, und reduzieren Sie die Ebenen auf die Hintergrundebene. Verfeinern Sie dann den Bildeindruck mit der Gradationskurve einer Verstärkung der Farbsättigung (mehr zur Bildbearbeitung in Kapitel 12 ab Seite 631). Im Gegensatz zu Lightroom hat diese Methode den Vorteil, dass Sie jede einzelne Ebene weiterhin separat bearbeiten können.

5.7  HDR – High Dynamic Range  |  311

5.8  Mehrfachbelichtung Es gibt inzwischen digitale Kameras, die Mehrfachbelichtungen auch innerhalb der Kamera ermöglichen. Während sich das technisch genauso gut in der Nachbearbeitung erledigen ließe, ist es doch manchmal wichtig, dass das Bild mithilfe von Kamerafunktionen erzeugt wird. Sei es, um direkt vor Ort eine Ergebniskontrolle zu haben, oder sei es, weil in der Pressefotografie oder in der Wettbewerbsfotografie manchmal das Raw verlangt wird, um zu beweisen, dass das Bild nicht nachträglich über das jeweils erlaubte Maß hinaus manipuliert wurde.

F G  Abbildung

5.67 Für diese Doppelbelichtung habe ich eine Nachtaufnahme über eine Tagaufnahme gelegt. Den Effekt einer Doppelbelichtung erreichen Sie am besten, wenn Sie die Bilder in Photoshop auf Ebenen legen und dann die Füllmethode des oberen auf Negativ multiplizieren stellen.

312  |  5  Belichtung

kurz & bündig:  Belichtung Moderne Kameras bieten für die Belichtungsmessung sehr viele Optionen und eine sehr ausgereifte Technik. Das macht es etwas schwierig, wirklich ein Gefühl für die Messung zu entwickeln. Bei mir dauerte es eine Weile, bis ich die zu erwartenden Unterschiede der Messmethoden recht gut voraussehen konnte, und ich musste dafür ein wenig testen und experimentieren. Heute verlasse ich mich meist auf die Mehrfeldmessung und weiche bei schwierigen Motiven manchmal auf die Spotmessung aus. Ich könnte ein paar Funktionen meiner Kamera ausbauen und würde nichts vermissen. Ich komme in meiner Arbeit mit den Modi M und Av, also Manuell und Zeitautomatik/ Blendenvorwahl, aus. Alle Programmautomatiken, die Blendenautomatik/Zeitvorwahl und erst recht etwaige Motivprogramme sind für mich eher Ballast, die die Bedienung verlangsamen. Ich will damit nicht sagen, dass Sie das genauso machen sollten, aber Sie sollten sich auf das für Ihre Arbeit Wichtige konzentrieren. Und dann versuchen, es so weit zu verstehen und zu üben, dass es in Ihrer Arbeit automatisch abläuft. Vergessen Sie trotzdem nicht, dass es nicht unbedingt die »richtige« Belichtung gibt, sondern dass die Belichtung ein Mittel ist, die Bildaussage zu verstärken.

HH Abbildung

5.68 Die untergehende Sonne spiegelt sich in einem Frachtschiff. Trotz der extremen Kontraste bekommt der Negativfilm dieses Motiv gut in den Griff.

480 mm | ƒ16 | 1/30 s | Filmformat 6 × 12 cm | Kodak Portra 160NC

KURZ & BÜNDIG:

Belichtung  |  313

Der Dynamikumfang ist bei neueren Kameras für die meisten praktischen Anforderungen groß genug, gute Lichterzeichnung setzt aber leider oft ein unterbelichtetes Raw voraus, weil sich der Großteil der Dynamik im Schatten versteckt. Für statische Motive erweist sich Lightroom mit seiner HDR-Funktion als Segen, vor allem, weil Sie mit dem HDR-Bild genau wie mit einem Raw-Bild weiterarbeiten können. Anspruchsvoll wird die Belichtungsmessung eigentlich nur, wenn Sie bewegte Motive und hohen Kontrastumfang kombinieren müssen. Und die Lichter müssen Sie natürlich immer im Blick behalten, weil eine Digitalkamera sonst die hellen Bereiche in völlig zeichnungsloses Weiß übersetzt. Ein korrekt belichtetes Bild zu erhalten, ist mit modernen Kameras fast lächerlich einfach. Dennoch sollten und werden Sie sich ständig mit der Belichtung beschäftigen, um in jeder Situation ein Bild zu erhalten, das die Bewegung gut erfasst, die Schärfentiefe im optimalen Bereich hält und dabei noch möglichst wenig rauscht. Wenn ich in der Dämmerung Vögel fotografiere, passe ich z. B. die Verschlusszeit ständig an die Bewegung an, um bei ruhigen Motiven mit niedrigeren ISO-Werten arbeiten zu können – und so eine möglichst gute Bildqualität zu erhalten.

Anregungen für die Fotopraxis EE

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KURZ & BÜNDIG:

Belichtung

Fotografieren Sie ein Porträt mit einem eher neutralen Gesichtsausdruck im Raw-Format. Verändern Sie am Rechner die Helligkeit des Bildes, und achten Sie darauf, wie sich Ihr Eindruck von der Stimmung der abgebildeten Person verändert. Stellen Sie Ihre Kamera auf Raw+JPEG. Fotografieren Sie ein Motiv mit sehr hellen Anteilen. Schauen Sie, wie viel Information Sie noch im Raw in die Lichter bekommen können, die im JPEG bereits verschwunden ist (die Regler Weiss und Lichter in Adobe Camera Raw eignen sich dafür). Suchen Sie sich ein Motiv, das den Kontrastumfang Ihrer Kamera weit übersteigt, und versuchen Sie, es am Rechner über HDR oder Ebenentechniken möglichst natürlich umzusetzen. Nehmen Sie eine Bildreihe mit verschiedenen ISO-Werten auf. Entscheiden Sie, wo Ihre persönliche Schmerzgrenze des Bildrauschens liegt, über die Sie, wenn möglich, nicht hinausgehen wollen. Beachten Sie dabei, dass das Rauschen beim JPEG-Format von der eingestellten Rauschreduzierung in der Kamera abhängt und bei Raw-Dateien von den Fähigkeiten des Raw-Konverters. Vergleichen Sie die beiden untersten ISO-Stufen Ihrer Kamera anhand eines Motivs mit hellen Lichterbereichen. Oft ist die unterste Stufe etwas härter als die darüber, sodass Sie in ihr weniger Lichterzeichnung erhalten.

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Versuchen Sie bei einem Motiv wie einem Porträt im Gegenlicht herauszufinden, wo die hellste brauchbare Belichtung liegt. Testen Sie die Extreme der Belichtungskorrektur. Stellen Sie sich vor, Sie könnten nur eine einzige Belichtung machen. Messen Sie ein kompliziertes, einigermaßen statisches Motiv so mit der Spotmessung aus, dass diese eine Belichtung perfekt wird. Belichten Sie ein nicht besonders kontrastreiches Motiv einmal so stark über, dass es gerade noch Zeichnung in den Lichtern aufweist. Nehmen Sie ein zweites Bild auf, das zwei bis drei Blenden unter der Normalbelichtung liegt. Bringen Sie die beiden Bilder im Raw-Konverter über den Regler Belichtung (manchmal auch Helligkeit) auf die gleiche Helligkeit. Vergleichen Sie die Bildqualität in der 100-%-Ansicht in Bezug auf Rauschen, Detailauflösung, Schattenzeichnung und Farbqualität. Sammeln Sie Licht mit einer extremen Langzeitbelichtung, sodass Sie den ISO-Wert gering halten können und trotz sehr dunkler Szene ein gut belichtetes Bild erhalten. Versuchen Sie, eine möglichst gute Nachtaufnahme aus der Hand aufzunehmen. Verwenden Sie dabei einmal ein Objektiv mit Stabilisator, einmal ohne oder schalten Sie den Stabi alternativ ab. FF Abbildung

5.69 Durch einen starken Graufilter konnte ich die Verschlusszeit auf 20 Sekunden verlängern, so dass der Wind, der die Wolken treibt, sichtbar wird.

24 mm | ƒ10 | 20 s | ISO 100 |   ND-3,0-Filter

KURZ & BÜNDIG:

Belichtung  |  315

Kapitel 6:  Blitzfotografie Durch die Digitalfotografie ist das Blitzen sehr viel einfacher geworden, denn zum einen können Sie das Bildergebnis nach jeder Aufnahme kontrollieren, zum anderen hilft die Leistung der modernen Systemkameras, auch komplexe Blitzautomatiken in sehr kurzer Zeit zu steuern. In den letzten Jahren sind sehr viele neue Hilfsmittel auf den Markt gekommen, wie z. B. Automatik-Funkauslöser oder eine Vielzahl von Lichtformern für Aufsteckblitze. Mit externen Blitzen und günstigen Lichtformern können Sie überall professionelles Licht aufbauen, und dies mit amateurtauglichen Kosten und einfacher Bedienung.

6.1  Grundlagen Bereits vor 150 Jahren setzte man Blitzlicht für die Fotografie ein. Damals entzündete man Magnesiumpulver, das innerhalb von etwa 1/30 s abbrannte und dabei ein sehr helles Licht erzeugte. Die Technik war gefährlich und schmutzig. Ende der 1920er-Jahre kamen die ersten Blitzbirnen auf den Markt. Hier lief der Verbrennungsvorgang innerhalb eines kleinen, an Glühbirnen erinnernden Glaskolbens ab. 1938 erfand Harold Edgerton den Elektronenblitz, wie er auch heute noch verwendet wird. Er erfand ihn nicht nur, sondern nutzte ihn auch für Hochgeschwindigkeitsfotografien, die immer noch großartig anzuschauen sind. In den 1970er-Jahren wurde aus den Elektronenblitzen ein Massenartikel, und heute haben die meisten Amateurkameras ein Blitzgerät eingebaut. Trotzdem gibt es auch heute noch einige Fotografen, für die der Blitzeinsatz keine Option ist und die ausschließlich mit natürlichem Licht arbeiten. Ich kann das gut nachvollziehen, denn ein Blitz verändert das Bild stark und nicht immer zu seinem Vorteil. Trotzdem möchte ich Sie ermutigen, sich näher mit der Blitzlichtfotografie auseinanderzusetzen. Begreifen Sie den Blitz nicht als Hilfsmittel, um bei schwachem Licht weiterfotografieren zu können, denn das ist er nicht. Ein Blitz ist eine Möglichkeit, neue Lichtsituationen zu schaffen, er ist ein Gestaltungsmittel. Wenn Sie blitzen, dann tun Sie das bewusst. Nutzen Sie die Möglichkeiten, die Ihr Blitzsystem bietet. Das bedeutet auch, dass oft der beste Platz für einen Blitz nicht auf der Kamera ist und dass Sie den Lichtcharakter des Blitzes mit Zubehör an die Situation anpassen müssen.

Abbildung 6.1 Für diese Makroaufnahme von Wasser an einem Duschkopf verwendete ich fünf farbig gefilterte Blitze.

FFF

98 mm | ƒ16 | 1/125 s | ISO 640 |   5 Blitze per Funk auf 1/64 Leistung mit Farbfiltern

Wattsekunde versus Joule Statt der Einheit Wattsekunde (Ws) wird heute Joule (J) für die Energie verwendet.

6.1  Grundlagen  |  317

Technik

GG Abbildung 6.2 Im manuellen Modus nutzt der Blitz die Leitzahl, um zu berechnen, in welcher Entfernung das Motiv korrekt belichtet wird. Hier sind es 13 m bei Blende ƒ4 und ISO 100, es ergibt sich also eine Leitzahl von 52.

Blitzsynchronzeit Die Blitzsynchronzeit ist die kürzeste Verschlusszeit, bei der der Sensor ganz freigelegt wird. Kürzere Zeiten werden durch einen Schlitz gebildet, der den Blitz abschatten würde, sofern Sie nicht mit der Kurzzeitsynchronisation (siehe Seite 325) oder mit Hypersync (Seite 327) arbeiten.

Ein Blitzgerät gibt eine hohe Energie in sehr kurzer Zeit über eine Gasentladungslampe ab und erzeugt damit einen intensiven Lichtblitz. Wenn wir bei einem starken externen Aufsteckblitz von einer abgegebenen Energie von ca. 60 J oder Ws (Joule bzw. Wattsekunden) ausgeht, die in ungefähr 1/800 s abgestrahlt wird, dann können wir die vergleichbare Dauerlichtleistung leicht ausrechnen: 48 000 W. Ein Blitz auf der höchsten Leistungsstufe entspricht also einem 48-Kilowatt-Strahler, den man für eine gute Tausendstelsekunde leuchten lässt. Eine so gewaltige Energiemenge lässt sich natürlich nicht einmal eben aus ein paar AA-Batterien ziehen, und die 6 V die aus vier Batterien kommen (oder 4,8 V bei Akkus), würden auch nicht reichen, um die Blitzröhre zu zünden. Man lässt also die Batterien mehrere Sekunden lang Strom an die Kondensatoren im Blitz abgeben. Die Kondensatoren sammeln den Strom, speichern ihn als Ladung und geben diese mit dann deutlich höherer Spannung bei der Blitzzündung wieder ab. Dadurch entsteht in der Xenon-Gasentladungsröhre, die kurz zuvor mit einem Hochspannungsimpuls leitend gemacht wurde, ein Entladungsblitz, der eine sonnenähnliche Lichtcharakteristik hat. Moderne Blitzgeräte können diesen Prozess sehr schnell wieder abregeln, sodass sich die Blitzleistung auch noch automatisch während des Blitzens über sechs bis acht Blendenstufen regeln lässt. Bei geringer Leistungsabgabe verbleibt also genug Energie in den Kondensatoren, um sofort einen weiteren Blitz auszulösen. Die meisten modernen Blitze machen sich das zunutze, indem sie einen Modus anbieten, in dem ganz viele kleine Blitze direkt hintereinander gezündet werden, die für die Kamera wie Dauerlicht wirken. So können Sie auch mit kürzeren Verschlusszeiten als der Blitzsynchronzeit (siehe Seite 48) blitzen, allerdings mit schwächerer Leistung (Kurzzeitsynchronisation/HSS, siehe Seite 325).

Leitzahl Die Stärke von Aufsteckblitzen wird als Leitzahl (LZ) angegeben. Wenn Sie bei ISO  100 die Blende mit der Maximalreichweite des Blitzes multiplizieren, erhalten Sie die Leitzahl. Oder andersherum: Die Leitzahl geteilt durch die Blendenzahl ergibt die Reichweite des Blitzes in Metern. Leider ist die Leitzahl auch abhängig vom Abstrahlwinkel des Blitzes. Wenn Sie den Zoomreflektor (eine optische Vorrichtung, die den Abstrahlwinkel des Blitzes verändern kann) eines Blitzes so einstellen, dass er nur den Bildwinkel eines 100-mm-Teleobjektivs

318  |  6  Blitzfotografie

ausleuchtet, wird er natürlich weiter reichen, als wenn er den Aufnahmewinkel eines 20-mm-Weitwinkelobjektivs gleichmäßig ausleuchten muss. Achten Sie deshalb beim Vergleich der Stärken eines Blitzgerätes auf eine vergleichbare Brennweiteneinstellung. Das Canon-Speedlite 600EX-RT II hat bei 200 mm Brennweite eine Leitzahl von 60, bei 50 mm liegt die LZ bei 42. Der Nikon SB-5000 wird mit einer Leitzahl von 34,5 beworben, auf den ersten Blick scheint er also viel schwächer zu sein. Da sich seine Leitzahl aber auf 35 mm Brennweite bezieht, kommt er bei 50 mm auf LZ 40, was in der Praxis keinen Unterschied zu LZ 42 macht. Die Leitzahl kann Ihnen helfen, schnell zu überschlagen, wie weit Sie mit einem bestimmten Blitz kommen werden. In Tabelle 6.2 sehen Sie, dass zwei ISO-Stufen mehr einer Verdopplung der Reichweite entsprechen. Sie könnten ebenso die Blende zwei Stufen weiter öffnen. Bevor jetzt aber bei Ihnen falsche Erwartungen entstehen, wenn Sie den Wert von 228 m für Blende ƒ1,4 und ISO  6 400 lesen: Die Leitzahl wird für einen Raum mit hellen Wänden angegeben, deswegen ist sie draußen im Dunkeln zu optimistisch. Und wenn Sie den Blitz auf der Kamera lassen, werden die kleinsten Schwebeteilchen in der Luft 20 cm vor dem Blitz viel heller erscheinen als die Bäume in 200 m Entfernung. Wenn Sie Blitzreichweiten von 100 m und mehr erreichen möchten, sollten Sie den Blitz mindestens 5 m neben der Kamera zünden, um ein klares Bild zu erhalten.

Blende

ISO 100

ISO 200

ISO 400

ISO 800

ISO 1 600

ISO 3 200

ISO 6 400

ƒ1,4

28,6

40,4

57,1

80,8

114,3

161,6

228,6

ƒ2

20,0

28,3

40,0

56,6

80,0

113,1

160,0

ƒ2,8

14,3

20,2

28,6

40,4

57,1

80,8

114,3

ƒ4

10,0

14,1

20,0

28,3

40,0

56,6

80,0

ƒ5,6

7,1

10,1

14,3

20,2

28,6

40,4

57,1

ƒ8

5,0

7,1

10,0

14,1

20,0

28,3

40,0

ƒ11

3,6

5,1

7,3

10,3

14,5

20,6

29,1

ƒ16

2,5

3,5

5,0

7,1

10,0

14,1

20,0

ƒ22

1,8

2,6

3,6

5,1

7,3

10,3

14,5

GG Tabelle 6.2 Blitzreichweite in Metern bei Leitzahl 40 in Abhängigkeit von Blende und Lichtempfindlichkeit

Zoomreflektor

Leitzahl

14 mm

15

24 mm

28

28 mm

30

35 mm

36

50 mm

42

70 mm

50

80 mm

53

105 mm

58

135 mm

59

200 mm

60

GG Tabelle

6.1 Die Leitzahl verändert sich je nach auszuleuchtendem Bildwinkel (Zoomreflektorstellung für die Brennweite), hier am Beispiel des Canon Speedlite 600EX-RT II.

GG Abbildung

6.3 Der Nikon SB-5000 besitzt einen Zoomreflektor für Brennweiten von 14 bis 200 mm, so kann er seine Leitzahl für enge Bildwinkel deutlich erhöhen. (Bild: Nikon)

6.1  Grundlagen  |  319

Abbildung 6.4 E Der Schornstein ist 150 m weit entfernt. Die Kamera habe ich direkt über den Blitz gehalten, sodass auch kleinste Schwebeteilchen in der Luft vor dem Blitz zu unscharfen hellen Kreisen wurden.

24 mm | ƒ2 | 0,3 s | ISO 400 | Blitz 600 J auf voller Kraft

Interner Blitz Ein interner Kamerablitz eignet sich zur Aufhellung der Schatten eines Motivs und im Nahbereich auch als Hauptlicht. Seine Leitzahl liegt meist nur bei 12 bis 14, und bei einem größeren Objektiv werden Sie gerade im Weitwinkelbereich Abschattungen an der Bildunterseite feststellen. In manchen Situationen lässt sich die Lichtsituation damit ganz ordentlich in den Griff bekommen, aber er ersetzt keinen schwenkbaren externen Blitz. Falls sich mit ihm allerdings ein externer Blitz fernsteuern lässt, wie zum Beispiel bei der Nikon D7500 oder der Canon EOS 80D, dann ist er eine sehr erfreuliche Erweiterung Ihres Blitzsystems.

GG Abbildung

6.5 Der interne Blitz der Nikon D7500 kann externe Blitze fernsteuern. Bei Canon, Pentax und Sony wird dieses Feature ebenfalls von mehreren Kameras unterstützt. (Bild: Nikon)

320  |  6  Blitzfotografie

Externe Aufsteckblitze Aufsteckblitze erweitern die Möglichkeiten eines eingebauten Blitzes enorm. Bei vielen professionellen Kameras finden Sie ohnehin keinen eingebauten Blitz mehr, weil dieser von den lichtstarken und damit deutlich voluminöseren Objektiven abgeschattet würde. Zudem geht ein eingebauter Blitz auf Kosten der Robustheit der Kamera und des Platzes für die Sucherkonstruktion. Wenn Sie den Aufsteckblitz kreativ nutzen wollen, sollte er einen nicht nur nach oben, sondern auch zur Seite schwenkbaren Reflektor besitzen. Der Reflektor sollte außerdem zoombar sein, sodass Sie seinen Abstrahlwinkel verändern können. Wenn Sie später mit mehreren Blitzen arbeiten möchten, sollte er sich auch als

sogenannter Slave-Blitz für die drahtlose Blitzautomatik eignen. Um diese Anforderungen zu erfüllen, müssen Sie sich nicht ausschließlich beim Hersteller Ihrer Kamera umschauen, es gibt auch Fremdhersteller, die die Herstellerautomatiken unterstützen oder die sogar herstellerübergreifende Automatiksysteme verwenden.

6.2  Blitzmodi Die Belichtungskorrektur und die Messmethode für das Blitzlicht sind unabhängig von der für Dauerlicht. Das bedeutet, dass Sie den Blitz auch völlig separat steuern können. Im Kameramenü oder am Blitz selbst können Sie den Blitz in unterschiedliche Modi schalten, die ich Ihnen im Folgenden näher erläutern werde. Es ist möglich, dass Ihr Blitzgerät nicht sämtliche Modi unterstützt.

Manuell Im manuellen Modus geben Sie dem Blitz die Stärke fest vor. Die meisten Blitze lassen sich von 1/1 – volle Kraft – auf 1/64 oder 1/128 herunterregeln, größere manchmal auf 1/256. Das entspricht sechs bis acht Blendenstufen. Sie bekommen im Blitzdisplay die zu erwartende Reichweite angezeigt, denn die Daten der Blende und der ISO-Zahl bekommt ein moderner Blitz von der Kamera übermittelt, und seine eigene Leitzahl kennt der Blitz ohnehin. Allerdings gilt dies nur, wenn er auch auf der Kamera sitzt. Wenn Sie ihn entfesselt einsetzen, müssen Sie auf diese Information verzichten oder sie selbst berechnen, weil die Kamera die Daten dann nicht überträgt. Der manuelle Modus hat drei Vorteile: EE Sie haben eine wiederholgenaue Einstellung, die sich nicht von der Automatik durcheinanderbringen lässt. EE Der Blitz sendet keinen Vorblitz aus, sodass Sie eine Studioblitzanlage über eine Fotozelle mit auslösen können (das gilt nicht für den Fall, dass eine RoteAugen-Entfernung eingeschaltet ist oder der Blitz als Master fungiert, der einen weiteren Blitz mit Blitzsignalen fernsteuert). EE Im manuellen Modus können Sie jeden Blitz auf die gewünschte Stärke einstellen, auch wenn er nicht mit dem Kamerasystem kompatibel ist. So können Sie auch billige und gebrauchte Blitze zur Ausleuchtung heranziehen. Wenn Sie eine einfache Funkauslösung verwenden, verzichten Sie ohnehin auf die Automatikfunktionen, da diese nur den Auslöseimpuls und nicht die Automatikregelung übertragen können.

GG Abbildung 6.6 Ein Aufsteckblitz wird vom Objektiv nicht mehr abgeschattet, weil sein Abstand zur optischen Achse viel größer ist.

6.2  Blitzmodi  |  321

Wenn der Blitz auf der Kamera sitzt und sich die Lichtsituationen schnell verändern, würde eine manuelle Einstellung allerdings schnell umständlich und lästig. In solchen Situationen liefert die Automatik die besseren Ergebnisse. Dazu mehr in den folgenden Abschnitten.

GG Abbildung

6.7 In dieser Nachtaufnahme löste ich zwei Blitze per Funk aus, um das alte Stahlwerk auszuleuchten.

35 mm | ƒ1,8 | 1/8 s | ISO 1 250 | zwei Blitze auf 1/1 Leistung

322  |  6  Blitzfotografie

Blitzinterne Automatik Bereits vor den kameragesteuerten Blitzautomatiken gab es Blitzgeräte, die selbstständig die Blitzbelichtung maßen und den Blitz nach Erreichen des Sollwerts abschalteten. Da das auch heute noch praktisch ist, gerade wenn Sie den Blitz nicht direkt auf der Kamera platziert haben, wird die Technik von vielen modernen Geräten ebenfalls unterstützt. Dazu müssen Sie dem Blitz die ISOZahl und die Blende mitteilen, damit er die erforderliche Lichtmenge berechnen kann.

Eine kleine Fotozelle misst dabei das vom Motiv zurückgestrahlte Licht. Das Schöne an dieser Technik ist, dass sie auch das indirekte Blitzen messbar macht, falls TTL-Techniken (siehe nächster Abschnitt) zum Beispiel bei Funkauslösung nicht mehr funktionieren. TTL ist zwar die überlegene Technik, aber die blitzinterne Automatik können Sie auch mit Ihren alten analogen Kameras verwenden oder bei einem externen Blitz benutzen, der außerhalb der Reichweite der Steuerblitze für TTL steht.

Kameraautomatik TTL Eine blitzinterne Automatik funktioniert nur unter bestimmten Bedingungen gut, da der Messsensor nicht an die Brennweite des Objektivs angepasst ist. Er »guckt« auch woanders hin, und die Abweichung ist mindestens im Nahbereich von Belang. Das System lässt sich deutlich verbessern, wenn die Kamera die Blitzsteuerung übernimmt und das Licht dafür durch das Objektiv hindurch messen kann – daher auch die Bezeichnung TTL für Through The Lens. Die ausgeklügelte Belichtungsmessung der Kamera lässt sich so zum großen Teil auch auf die Blitzlichtmessung übertragen. Die weiterentwickelten TTL-Blitzmethoden (zum Beispiel iTTL bei Nikon, E-TTL-II bei Canon) berücksichtigen die Blitzlichtmessung unabhängig von der Dauerlichtmessung und erkennen zum Teil anhand der Autofokusmesspunkte die Hauptbereiche des Motivs, bei spiegellosen Kameras auch anhand der Gesichtserkennung. So kann etwa die Matrix- oder Mehrfeldmessung den aktiven Autofokusmesspunkt zur Gewichtung heranziehen oder die Spotmessung zur gezielten Blitzsteuerung verwendet werden. Canon verzichtet bei E-TTL-II (einer Weiterentwicklung von E-TTL) inzwischen wieder auf den Autofokusmesspunkt, sodass die Blitzbelichtung nicht danebengeht, wenn Sie zwischen Fokusmessung und Auslösen den Bildausschnitt verändern. Die Kamera wertet aber aus, ob der beleuchtete Bereich in der Schärfezone liegt oder nicht.

1

GG Abbildung

6.8 Die interne Fotozelle 1 kehrte in den letzten Jahren in die Blitze zurück, weil sie einen Automatikmodus auch beim entfesselten Einsatz erlaubt.

Abbildung 6.9 E Gerade im Nahbereich spielt die Messung durch das Objektiv ihre ­Vorzüge aus. Die Berechnung mit der Leitzahl wird bei so geringen Abständen fast unmöglich, und eine Fotozelle im Blitz würde einen ganz anderen Bildausschnitt anmessen als den, den das Objektiv ­tatsächlich erfasst.

70 mm | ƒ11 | 1/200 s | ISO 100 | Canon Macro Ring Lite MR-14EX II

6.2  Blitzmodi  |  323

Rote Augen Wenn der Blitz sehr nah an der optischen Achse des Objektivs angebracht ist und die Pupillen des Porträtierten wegen der Dunkelheit weit offen sind, wird das Blitzlicht von der Netzhaut des Auges reflektiert, die Augen erscheinen dann rot. Mit einer Systemkamera werden Sie diesen Effekt fast nie erleben, bei einer Kompaktkamera häufiger. Entweder Sie sorgen dafür, dass der Blitz weiter vom Objektiv entfernt ist, oder Sie verkleinern die Pupillen des Models durch helleres Licht oder einen Vorblitz. In der Nachbearbeitung können Sie die roten Augen auch in der Bildbearbeitung entfernen.

Frühes TTL TTL wurde früher z. B. beim Olympus-OM-System während der Belichtung direkt über das von der Filmebene zurückgeworfene und gemessene Blitzlicht gesteuert. Aber Filme waren auf der Schichtseite matt und erzeugten diffuse Reflexionen. Das von einem Sensor zurückgestrahlte Licht ist nicht so einfach zu verwenden.

324  |  6  Blitzfotografie

Ablauf der TTL-Messung  | Die Kamera muss bei der Belichtungsmessung die

Werte für Dauer- und Blitzlicht ermitteln. Während der Belichtung ist keine Blitzlichtsteuerung mehr vorgesehen. Die Messung läuft – am Beispiel von Canons E-TTL-II – so ab: EE Wenn der Auslöser halb heruntergedrückt wird, nimmt die Kamera eine Dauerlichtmessung vor. Je nach Modus wird diese sofort gespeichert oder bis zur Auslösung noch angepasst. EE Wenn der Auslöser durchgedrückt wird, sendet der Blitz einen schwachen, aber relativ langen Messblitz aus. Die Kamera hat jetzt einen Messwert, der Blitz und Dauerlicht kombiniert. EE Die Kameraelektronik rechnet die Differenz von kombinierter Messung und Dauerlichtmessung für jedes einzelne Messfeld aus. Somit hat sie ein reines Blitzbelichtungsergebnis zur Verfügung. EE Wenn (wie standardmäßig) die Matrix- oder Mehrfeldmessung für den Blitz aktiviert ist, wertet die Kamera diejenigen Messfelder, die einen besonders starken Unterschied zwischen Blitz- und Dauerlichtmessung aufweisen, als besonders wichtig für die Blitzbelichtungseinstellung. EE Für die endgültige Blitzbelichtung werden aus der Messung starke Extremwerte, die wahrscheinlich von einer direkten Spiegelung des Blitzes stammen, herausgerechnet. Die Kamera wertet außerdem die Entfernungseinstellung des Objektivs aus, sodass sie das Ergebnis mit einer internen Leitzahlberechnung vergleichen kann und es gegebenenfalls etwas korrigiert. So wird aus einer schwarzen Katze vor schwarzem Hintergrund kein überblitztes Bild. EE Bei einer DSLR klappt der Spiegel hoch, der Blitz bekommt seine Blitzstärke mitgeteilt und wird ausgelöst, sobald der Verschluss offen ist. Der gesamte Vorgang benötigt meist weniger als eine Zehntelsekunde. Und er setzt einen anfangs heruntergeklappten Spiegel voraus. Wenn Sie im LiveView-Modus blitzen, wird der Spiegel also für die Messblitzerfassung kurz herunterklappen. Mit einer Spiegellosen ist TTL-Messung ebenfalls möglich, für die Vorblitzmessung wird dann der Bildsensor und kein eigenständiger Belichtungsmessungssensor verwendet. Beim Einsatz externer Blitze erfolgt die Kommunikation zwischen der Kamera und den Blitzen mithilfe von Blitzsignalen oder über Funk. Außerdem gibt es pro Blitzgruppe einen separaten Messblitz. Es gibt Servoblitzauslöser, denen Sie beibringen können, wie viele Vorblitze sie zu ignorieren haben, bis sie beim Hauptblitz mitzünden. Das kann allerdings bei komplizierten Aufbauten sehr unübersichtlich werden. Besser ist es, gleich auf Funkblitze zu setzen, zumal Sie heute für jede Kameramarke entsprechende Angebote finden. Es gibt auch

Blitzauslöser (beispielsweise von Godox, Phottix, Yongnuo oder PocketWizard), die die TTL-Steuersignale in Funk umwandeln und beim externen Blitz wieder in den Blitzschuh einspeisen. Die Automatik braucht damit keine Sichtverbindung mehr, wird zuverlässiger und hat mit dreißig bis über hundert Meter eine deutlich höhere Reichweite als die fünf bis acht Meter, die normalerweise auf optischem Wege die maximale Entfernung darstellen.

Kurzzeitsynchronisation (HSS) Die Möglichkeit des Blitzes, auch mit kürzeren Zeiten als der Blitzsynchronzeit zurechtzukommen, hat viele sinnvolle Anwendungen, aber sie lässt sich besonders gut mit einem Porträt bei Sonnenlicht erklären: Angenommen, Sie möchten bei Sonne die Schatten im Gesicht des Porträtierten mit dem Blitz aufhellen. Normalerweise müssten Sie Ihre Kamera nun auf die Blitzsynchronzeit einstellen, in diesem Beispiel 1/200 s. Die Dauerlichtmessung ergibt nun bei ISO 100 eine notwendige Blende von ƒ11, sonst wird das Bild überbelichtet. Der Blitz ist stark genug, um die Aufhellung über die kurze Distanz auch bei Blende ƒ11 zu gewährleisten, aber das Bild sieht durch die hohe Schärfentiefe misslungen aus. Die Äste der weit entfernten Bäume werden viel zu scharf, und das Bild wirkt unruhig und unprofessionell. Sie möchten lieber mit Blende ƒ2,8 fotografieren, aber dadurch wird eine Verschlusszeit von 1/3200 s notwendig. Wenn der Blitz nun auslösen würde, wäre nur ein winziger Spalt auf dem Bild vom Blitzlicht beleuchtet, weil der Schlitzverschluss alle kürzeren Zeiten als die Blitzsynchronzeit nur mit dem Verengen des Spalts zwischen dem ersten und zweiten Verschlussvorhang umsetzen kann (siehe auch Seite 330). Eine Alternative wäre natürlich ein Graufilter, der das einfallende Licht so weit reduziert, dass die Belichtung bei ƒ2,8 der ohne Graufilter bei ƒ11 entspricht. Das wären vier Blendenstufen, also ein ND 1,2 (siehe Seite 175). Nur bleibt dann die Verschlusszeit bei 1/200 s, und ein weiteres Problem, dass nämlich der Dauerlichtanteil bei schnellen Bewegungen (z. B. bei Sportaufnahmen) verwischt, kann nicht gelöst werden. Zudem müssen Sie dann mit einem dunklen Sucherbild arbeiten, wenn Sie einen optischen Sucher verwenden. Die Darstellungsqualität bei elektronischen Suchern sinkt ebenfalls mit schwächerem Licht, das Bild verwischt eher und enthält mehr Rauschen. Die Lösung ist die sogenannte Kurzzeitsynchronisation (engl. High-Speed Synchronisation, HSS): Das Blitzgerät gibt dabei über die Zeit der Verschlussauslösung, die ungefähr der Blitzsynchronzeit von 1/200 s entspricht, sehr viele und sehr kurze Blitze hintereinander ab, sodass gewissermaßen Dauerlicht für eine Zeitspanne von höchstens 1/100 s herrscht. In der Praxis sendet der Blitz mit

6.2  Blitzmodi  |  325

GG Abbildung 6.10 Wenn Sie bei Sonne die Blende nicht weit schließen möchten und Ihr Bild trotzdem mit Blitzlicht aufhellen wollen, hilft Ihnen die Kurzzeitsynchronisation. Diese macht den Blitz für Verschlusszeiten tauglich, die kürzer sind als die Blitzsynchronzeit.

24 mm | ƒ2,8 | 1/2000 s | ISO 100

326  |  6  Blitzfotografie

einer Frequenz von 50 000  Hz Lichtimpulse aus, sodass sich 500 Einzelblitze pro 1/100 s ergeben. Diese verschwimmen für den Verschluss zu einem gleichmäßigen Licht, und das Bild wird korrekt blitzbelichtet, weil sich der Blitz auf die kurze Verschlusszeit einstellen kann. Natürlich kann bei der Kurzzeitsynchronisation viel weniger Blitzlicht genutzt werden, da der Verschluss das Licht auf den Sensor nur durch einen kleinen Schlitz passieren lässt und so jeweils nur schwache Teilblitze den Sensor erreichen. Das ist in der Praxis aber meist nicht schlimm, da Sie schließlich von ƒ11 auf ƒ2,8 aufblenden können, Sie also nun mit einer Leitzahl von 8,4 genauso weit blitzen können wie vorher mit LZ 33. In der Praxis ergeben sich leichte Einbußen in der Blitzleistung bei HSS, aber die sind vernachlässigbar. Wenn Sie gegen die Sonne fotografieren, können Sie das mit HSS auch mit offenen Blenden tun. Ein Problem aber bleibt: dass das Licht in der Helligkeit mit der Sonne konkurrieren muss. Bei eher engem und gerichtetem Licht reicht dafür ein Systemblitz aus – wenn Sie Softboxen verwenden möchten, wird das erst bei ungefähr 600 J, also der zehnfachen Leistung eines Systemblitzes sinnvoll möglich. Es gäbe zwei technische Möglichkeiten, mit weniger Licht auszukommen.

Beide erfordern eine kurze Verschlusszeit, die den ganzen Sensor freilegt. Das können Sie einerseits mit einem Zentralverschluss im Objektiv erreichen, wie ihn manche Mittelformatkameras wie die Hasselblad X1D II 50C verwenden (dort bis zu 1/2000 s) und andererseits mit einem elektronischen Verschluss auf dem Sensor, der nicht zeilenweise sonders als Ganzes auf einmal ausgelesen wird, dem sogenannten Global Shutter. Letzterer ist für Allround-Kameras leider noch Zukunftsmusik, aber allzu lange werden wir wahrscheinlich nicht mehr warten müssen. In der Zwischenzeit hilft den meisten von uns nur Blitzleistung – Akkublitze mit HSS und 600 J finden Sie aber schon ab 650 €. Allerdings müssen Sie auch mit einem Gewicht von 2,5 bis 3 kg rechnen, sodass Sie meist ein zusätzliches Lichtstativ benötigen. Eine recht portable Lösung, die Sie auch noch im Blitzschuh verwenden können (mit externem Akkupack) bietet Godox mit dem Witstro AD360II an, der immerhin 360 J schafft. Hypersync/Supersync | Inzwischen unterstützen immer mehr der großen Blitz-

anlagen die Hochgeschwindigkeitssynchronisation. Das ist im Studio zwar nicht wichtig, aber sobald Sie draußen fotografieren wollen und gegen das Sonnenlicht anblitzen müssen, wird es sinnvoll. Es gibt bereits solche Geräte von z. B. Prophoto, Godox, Jinbei oder Priolite. Ich selbst werde jedenfalls keine AkkuBlitze ohne HSS mehr kaufen, zumal es sich mit funkgesteuerten Kamerablitzen ebenfalls sehr gut arbeiten lässt. Es gibt allerdings einen Trick, mit dem Sie auch konventionellen Blitzanlagen zu kürzeren Synchronzeiten verhelfen können. Wenn Sie eine Blitzanlage auf volle Leistung drehen, sind die Abbrennzeiten oft so lang, dass sie die Verschlussablaufzeit zumindest fast vollständig ausleuchten könnten. Das Problem ist nur, dass der Zündzeitpunkt normalerweise erst dann erfolgt, wenn der erste Verschluss bereits ganz offen ist. Bei kurzen Zeiten ist der zweite Verschluss dann aber auch schon zum großen Teil abgelaufen, sodass nur noch ein kleiner Schlitz des Sensors Blitzlicht erhält und der Rest des Bildes dunkel bleibt oder nur den Dauerlichtanteil erhält. Es gibt zwei Methoden, die Kamera dazu zu bringen, den Blitz bereits auszulösen, wenn der Verschluss sich zu öffnen beginnt: EE Sie verwenden einen Funkauslöser mit einstellbarem Timing und wählen z. B. den PocketWizard FlexTT6 oder MiniTT1 (für Canon- und Nikon-Kameras erhältlich) als Sender aus; der Empfänger kann dann ein beliebiger PocketWizard sein. EE Sie verwenden einen Blitz mit High-Speed-Synchronisation (HSS) als Auslöser für die Blitzanlage. Dieser löst mit dem Beginn des HSS-Blitzens den Servoblitzauslöser der Blitzanlage aus, sodass diese zu Beginn der Verschlussöffnung zündet. Dafür sollten Sie den HSS-Blitz auf manuell stellen, damit

Servoblitzauslöser Wenn Sie mit mehreren Blitzen arbeiten, müssen Sie nicht alle mit eigenen Auslösern versehen. Die meisten Studioblitzanlagen haben eine kleine Fotozelle eingebaut, die den Blitz auslöst, sobald sie selbst einen schnellen Helligkeitsanstieg misst. Das geht so schnell, dass Sie dafür nicht die Synchronzeit verlängern müssen, die Blitze lösen praktisch gleichzeitig aus. Sie können auch externe Servoblitzauslöser erwerben, die das Signal der Fotozelle an einen X-Kontakt oder einen Blitzschuh weitergeben, sodass Sie damit beliebige Blitze auslösen können.

6.2  Blitzmodi  |  327

die Steuerblitze der Automatik den Studioblitz nicht zuvor auslösen. Wenn Sie den Blitzeinfluss des HSS-Blitzes ganz ausschalten wollen, können Sie ihn direkt in eine Fotozelle blitzen lassen, die mit einem Funkauslöser verbunden ist, der wiederum einen Empfänger in der Blitzanlage auslöst.

HH Abbildung 6.11 Beide Aufnahmen wurden mit identischen Kamera- und Blitzeinstellungen belichtet. Links mit 1/1000 s ohne HSS oder Supersync, ergibt sich eine Abschattung eines Großteils des Bildes. Rechts mit MiniTT1 dazwischen (Supersync). Ganz unten im Bild rechts ist noch eine leichte Abschattung zu sehen, der Rest der Helligkeitsunterschiede ergibt sich durch die Abbrennkurve des Aufsteckblitzes Yongnuo YN-560.

Das Problem ist, dass bei schnellen Blitzköpfen die Leuchtdauer der Blitzanlage zu kurz ist, damit das überhaupt funktioniert. Und bei langsamen Blitzköpfen geht dies nur bei 1/1 der Leistung, weil nur dann die maximale Abbrenndauer erreicht wird. Gerade bei Akkublitzanlagen verringert dies die Anzahl der möglichen Blitze insgesamt, und es verlängert natürlich auch die Zeit, bis Sie die Blitzanlage erneut auslösen können, da sie vorher 100 % der Leistung nachladen muss. In Abbildung 6.11 habe ich die Technik mit einem vollmanuellen Aufsteckblitz verwendet, der Lichtverlauf der Blitzleistung ist deutlich sichtbar. Eine langsame Blitzanlage mit einer Abbrennzeit t0,5 (die Zeit, nach der die Lichtabgabe unter 50 % fällt) von 3 ms würde gleichmäßigeres Licht erzeugen. Hier war die Technik bei 1/1000 s ausgereizt, bei kürzeren Zeiten waren Balken im Bild zu erkennen. Unter optimalen Bedingungen sind aber auch 1/8000 s möglich.

High-Speed-Synchronisation lässt einen kompatiblen Blitz über die Verschlussablaufzeit gleichmäßig kleine Einzelblitze abgeben. Supersync zündet einen herkömmlichen Blitz so, dass seine Abbrenndauer das Bild möglichst gut ausleuchtet. Allerdings ist Supersync mehr Bastelei sowie ungleichmäßiger und weniger gut steuerbar, da die Blitzleistung bei 100 % bleiben muss. Dafür funktioniert Supersync eben auch mit deutlich stärkeren Blitzanlagen. Wenn Sie Leistung

328  |  6  Blitzfotografie

und (sogar automatische) Steuerbarkeit gleichzeitig erzielen wollen, können Sie mehrere HSS-Blitze zusammen auslösen. Es gibt Stativhalterungen für vier oder sogar acht Blitze gleichzeitig. Mit acht Blitzen erreichen Sie ungefähr die Blitzleistung eines 500-JBlitzkopfes. Inzwischen ist es allerdings deutlich billiger und auch wesentlich praktischer einen großen HSS-Akkublitz zu verwenden, da er mit nur einem einzigen Akku auskommt.

Lichtstärke

100% T = 0,5

50%

50%

T = 0,1

10%

10%

Stroboskopeffekt Moderne Blitzgeräte müssen für Serienbilder oder die Kurzzeitsynchronisation ohnehin die Fähigkeit mitbringen, mehrere Blitze in kurzer Zeit auszusenden. Da liegt es nahe, diese Fähigkeit auch für andere Aufgaben verfügbar zu machen. Ein Stroboskop ist ein Gerät, das Lichtblitze in gleichmäßigen Zeitabständen abgeben kann. Ihr Aufsteckblitz verfügt unter Umständen auch über einen Stroboskopmodus (Multi bei Canon, RPT bei Nikon). Die Technik eignet sich besonders gut, um Bewegungsabläufe zu visualisieren. Die mögliche Anzahl der Blitze ist von der Stärke der Einzelblitze abhängig. Canons 600EX-RT lässt sich bei einer Blitzstärke von 1/128 und 500  Hz auf 30 Blitze einstellen. Bei einer Stärke von 1/8 ist nach vier Blitzen Schluss. Achten Sie bei Stroboskopaufnahmen auf einen dunklen Hintergrund, sonst überstrahlt der Hintergrund das bewegte Objekt.

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GG Abbildung 6.12 Hier sehen Sie die Blitzleistungskurve: Im Foto mit dem kompletten Siemensstern (rechtes Bild in Abbildung 6.11) verläuft der Helligkeitsabfall von unten nach oben. Nach 1/180 s ist der Verschluss wieder zu, das sind 5,55 ms. Die Leuchtstärke des Blitzes liegt dann nur noch bei 1/10 der Maximalhelligkeit.

Abbildung 6.13 E Diese kleine Bewegungsstudie zeigt einen tropfenden Wasserhahn. Fünf Blitze mit einer Frequenz von 100 Hz (100 Blitze pro Sekunde) machen die Bewegung sichtbar.

6.2  Blitzmodi  |  329

Blitzen auf den ersten und zweiten Verschlussvorhang

Abbildung 6.14 E Wenn Sie beim Batteriegriff der Canon EOS R auf der rechten vorderen Seite die Gummiabdeckung entfernen, finden Sie darunter den X-Kontakt für den Blitz 1 . Leider ist dieser nur noch selten vorhanden, da viele Kamerahersteller inzwischen auf diese zweite Auslösemöglichkeit verzichten.

GG Abbildung

6.15 Beim Blitzen auf den ersten Vorhang sehen Bewegungsaufnahmen oft seltsam aus (links). Auf den zweiten Verschlussvorhang geblitzt, wirken die Spuren der Bewegung und somit das gesamte Motiv natürlicher (rechts).

24 mm | ƒ8 | 1,6 s | ISO 1 000

330  |  6  Blitzfotografie

Standardmäßig wird der Blitz ausgelöst, sobald der Verschluss ganz geöffnet ist. Bei längeren Zeiten blitzt die Kamera also sofort beim Auslösen und sammelt danach weiter das Dauerlicht. Bei bewegten Objekten kann das zu einem etwas unnatürlich wirkenden Effekt führen, da der Betrachter eigentlich erwartet, dass die Bewegung dem scharf abgebildeten Objekt nachläuft. Die meisten Kameras unterstützen auch das Blitzen auf den zweiten Verschlussvorhang: Hier wird der Blitz erst ausgelöst, kurz bevor der Verschluss wieder schließt. Die Kamera sammelt also erst das Dauerlicht und friert dann das Motiv zum Schluss noch mit einem Blitz ein. Das können Sie oft direkt am Blitz anwählen, die Option ist aber zusätzlich im Kameramenü verfügbar. Der dann eintretende Effekt erinnert ein wenig 1 an Comic-Zeichnungen, bei denen die Spuren der Bewegung hinter dem Objekt angedeutet werden. Der Bildeindruck ist so deutlich natürlicher.

Sie können sogar ein Blitzgerät auf den ersten Verschlussvorhang auslösen und ein anderes auf den zweiten. Dazu schließen Sie den einen Blitz oder Funkauslöser an den Blitzschuh Ihrer Kamera an und stellen die Kamera auf »Blitzen auf den zweiten Vorhang«. Den zweiten Blitz oder Auslöser stecken Sie in die Synchronbuchse (X-Kontakt; sofern an Ihrer Kamera vorhanden). Diese ist ganz altmodisch und wird einfach kurzgeschlossen, sobald der Verschluss aufgegangen ist. So löst der X-Kontakt am Anfang und der Blitzschuh am Ende der Belichtung aus.

6.3  Blitzbelichtungskorrektur Auch im Automatikmodus können Sie Blitz- und Dauerlicht getrennt voneinander anpassen. Die Verschlusszeit wirkt sich nur auf das Dauerlicht aus. Je länger Sie also belichten, desto heller wird der Dauerlichtanteil. Der Blitz ist in höchstens 1/800 s vorbei, eine Verlängerung der Verschlusszeit ändert nichts an seiner Stärke. (Anders sieht das aber bei der Kurzzeitsynchronisation aus, weil dort durch die kleiner werdende Schlitzbreite umso weniger Blitzlicht auf dem Sensor ankommt, je kürzer die Verschlusszeit ist.) Die Blende wirkt sich auf Dauerlicht und Blitzlicht gleich aus, allerdings kann die Kamera dem Blitzlicht mitteilen, die Blitzstärke heraufzusetzen, was beim Dauerlicht natürlich nicht geht. Das bedeutet für Sie, dass Sie ein Bild aufnehmen können, in dem das Blitzlicht das Tageslicht zurückdrängt, sodass es aussieht, als wäre es in der Dämmerung aufgenommen worden. Oder Sie erzeugen ein taghelles Bild, in dem die Schatten von Blitzlicht weich aufgehellt werden. Anfänger sind oft etwas irritiert von der Unabhängigkeit des Blitzlichts: Eine Systemkamera hat zwei Belichtungskorrektureinstellungen, eine für das Dauerlicht und eine für das Blitzlicht. Wenn Sie die Kamera in den manuellen Modus umschalten, arbeitet der Blitz immer noch automatisch, es sei denn, Sie schalten ihn auch auf manuell.

HH Abbildung 6.17 Das Dauerlicht wurde hier im Modus M unterbelichtet, der Blitz leicht überbelichtet. So entsteht am helllichten Tag eine Kunstlichtstimmung.

35 mm | ƒ5,6 | 1/1000 s | ISO 200 | Blitz automatisch mit +1 LW | Dauerlicht −11⁄3 LW GG Abbildung 6.16 Bei dieser Reihe wurde die Verschlusszeit verändert, die Blitzbelichtung aber gleich gelassen.

45 mm | ƒ4,5 | 0,5 s, 1/8 s, 1/30 s | ISO 100 | ein externer Blitz

  331

6.4  Der Blitz in den Kameramodi

HH Abbildung 6.18 Hier verwendete ich den Blitz, um die knalligen Farben des Interieurs dieses Alfa Romeo hervorzuheben.

50 mm | ƒ9 | 1/200 s | ISO 100

Ich gehe nun im Folgenden kurz auf die Unterschiede in der Fotografie mit Blitz in den einzelnen Kameramodi ein, damit Sie alle für das Verständnis notwendigen Details beisammenhaben. Zur Verdeutlichung: ISO-Wert und Blende wirken sich auf Dauerlicht und Blitz gleichermaßen aus, die Verschlusszeit wirkt sich nur auf das Dauerlicht aus (außer bei High-Speed-Synchronisation) und die Blitzstärke natürlich nur auf den Blitz. Programmautomatik  | In der Programmautomatik wird

die Verschlusszeit nur so weit verlängert, wie keine Verwacklung zu befürchten ist (meist zwischen 1/60 s und der Blitzsynchronzeit). Das bedeutet, dass der Dauerlichtanteil unter Umständen sehr dunkel oder fast schwarz wiedergegeben wird, wenn das Licht nicht mehr so stark ist. Die Programmautomatik ist also nur im Hellen oder bei einer eindeutigen Festlegung auf den Blitz als Hauptlicht gut zu verwenden. Manche Amateurkameras verfügen über eine eigene Motivautomatik für Blitz, die den Hintergrund trotzdem heller darstellt, weil längere Verschlusszeiten verwendet werden. Blendenautomatik/Zeitvorwahl  | In diesem Modus ver-

ändert die Kamera die Blende zur Belichtungssteuerung. Da die Blende auch die Reichweite des Blitzes beeinflusst, schwankt diese mit der Umgebungshelligkeit. Falls nur im Nahbereich geblitzt werden muss, haben Sie in diesem Modus die Möglichkeit, eine Verschlusszeit vorzugeben, die noch kurz genug ist, um das Bild durch die Bewegung nicht komplett zu verwischen (z. B. 1/15 s). Trotzdem wird die Belichtungsautomatik durch das Abblenden bei hellerem Licht dafür sorgen, dass das Dauerlicht nicht überbelichtet wird.

FF Abbildung

6.19 Der Blitz zeichnet das Motiv scharf, der Hintergrund wurde absichtlich durch die Bewegung der Kamera verwischt. Das Bild zeigt deutlich, wie unabhängig Blitzlicht und Dauerlicht voneinander sind.

35 mm | ƒ4 | 1/5 s | ISO 3 200 | zwei über E-TTL II ferngesteuerte externe Blitze

332  |  6  Blitzfotografie

Zeitautomatik/Blendenvorwahl | Die Blendenvorwahl hat den Vorteil, dass die

Blende eine Konstante ist und sich somit für den Blitz keine Unsicherheit ergibt. Der Umgebungslichtanteil wird automatisch richtig belichtet, allerdings müssen Sie die Verschlusszeit im Auge behalten, denn sie wird unter Umständen zu lang für das Arbeiten aus der Hand. Wenn Sie dann weder aufblenden können noch die ISO-Zahl weiter heraufsetzen wollen, ist ein Wechsel in den manuellen Modus sinnvoll. Oder Sie stellen die Kamera auf Auto-ISO, dann versucht sie, die Verschlusszeiten durch die Erhöhung der Lichtempfindlichkeit so kurz zu halten, dass keine Verwacklung zu befürchten ist. Bei unbewegten Motiven sind ein Stativ und niedrige ISO-Werte dann die beste Lösung. Manueller Modus  | Auch im manuellen Modus arbeitet der Blitz automatisch,

sofern Sie den Blitz nicht auch auf M umstellen. Somit müssen Sie nur die Einstellungen für das Dauerlicht anpassen. Der manuelle Modus hat seine Stärken dort, wo die Zeitautomatik aufgrund manchmal zu langer automatischer Belichtungen anstrengend wird. Stellen Sie sich ein Fest in einer Halle vor: In einer dunklen Ecke schließt der Verschluss bei Zeitautomatik vielleicht erst dann wieder, wenn Sie die Kamera schon abgesetzt haben. Die Blendenautomatik würde die Blende ganz aufreißen, sodass Sie eine Personengruppe nur noch zum Teil scharf bekommen. Im Modus M stellen Sie die Kamera zum Beispiel auf ƒ5,6 und 1/10 s, eine Einstellung, die die Atmosphäre des Raums noch gut einfangen kann, in den dunklen Ecken das Umgebungslicht unterbelichtet, aber insgesamt überall gut verwendbare Bilder liefert. Wenn der Dauerlichtanteil leicht verwackelt, ist das beim Blitzen nicht so schlimm, die Personen werden Sie trotzdem durch den Blitz scharf abbilden. Im Studio sollten Sie ohnehin den manuellen Modus verwenden, weil der Dauerlichtanteil meist gar nicht erwünscht ist, und auch bei komplizierten Lichtaufbauten im Freien liefert dieser Modus Ihnen die nötige Kontrolle und Wiederholbarkeit. Beim Blitzen kann die Einstellung M ihre Stärken noch besser ausspielen als bei reinem Dauerlicht.

HH Abbildung

6.20 Um den Himmel recht dunkel zu halten und eine sehr hohe Schärfentiefe zu erreichen, stellte ich die Kamera in den manuellen Modus (M), wählte eine Blitzsynchronzeit von 1/200 s und Blende ƒ18. Eine leichte Beugungsunschärfe habe ich in der Bildbearbeitung durch Scharfzeichnen ausgeglichen.

60 mm | ƒ18 | 1/200 s | ISO 100 | Makroobjektiv an APS-C | Ringblitz

6.4  Der Blitz in den Kameramodi  |  333

6.5  Blitzlicht steuern Bei einem Blitzgerät ist nicht nur die korrekte Belichtung einzustellen, Sie können auch den Ausleuchtungswinkel, die Richtung und die Position verändern. Viele Fotografen vergessen das und benutzen den Blitz nur automatisch und direkt. Eine kreative Lichtsteuerung kann aber nur gelingen, wenn Sie auch die verschiedenen Möglichkeiten des Blitzeinsatzes beherrschen.

Indirekt blitzen

GG Abbildung 6.21 Bei diesem Blitz lässt sich eine Plastikkarte herausziehen, die einen Teil des Lichts nach vorn reflektiert. Den gleichen Effekt hätte eine mit Gummiband befestigte Visitenkarte.

Abbildung 6.22 E Oben links: Der direkte Blitz sorgt für Schlagschatten hinter dem Motiv, wenn sich dahinter noch eine Wand o. Ä. befindet. Oben rechts: Wenn Sie den Schwenkreflektor gegen die Decke richten, kommt das Licht weich von oben. Dies wirkt allerdings häufig etwas trist und führt zu Augenschatten. Unten links: Indirekt blitzen können Sie auch über eine Seitenwand. Dann erhalten Sie gerichtetes, weiches Licht von der Seite. Das ist meist deutlich lebendiger und angenehmer als Licht von oben. Unten rechts: Wenn Sie mit einer kleinen Softbox direkt blitzen, erhalten Sie ebenfalls schönes weiches Licht, zudem funktioniert diese Methode auch ohne Wände in der Nähe.

50 mm | ƒ3,2 | 1/125 s | ISO 200 | Blitz auf der Kamera

334  |  6  Blitzfotografie

Wenn Ihr Blitzgerät einen Schwenkreflektor besitzt, müssen Sie Ihr Motiv nicht direkt anblitzen, sondern können das Licht indirekt über eine helle Wand o. Ä. leiten. So vermeiden Sie die Blitzschatten hinter dem Motiv, bei Porträts glänzt die Haut nicht so stark und das Licht wird weicher. Wenn Sie den Blitz einfach nur gegen die Decke richten, bekommen Sie kein wirklich schönes Licht, denn die Augenhöhlen liegen etwas im Schatten des Oberlichts, und das Licht kommt dann nicht aus der idealen Richtung. Ein alter Pressefotografentrick bestand darin, eine Visitenkarte mit einem Gummiband auf dem Reflektor zu befestigen, denn dann wird ein Teil des Lichts nach

vorn reflektiert und hellt die Augenpartie auf – das Licht wird etwas lebendiger. Irgendwann haben die Hersteller eingesehen, dass sie die »Visitenkarte« auch gleich in den Blitz mit einbauen können (siehe Abbildung 6.21).

Zoomreflektor kreativ nutzen Der Zoomreflektor ist normalerweise dafür da, abhängig von der Brennweite das Optimum an Blitzleistung herauszuholen. Im automatischen Modus passt er seinen Abstrahlwinkel dem Bildwinkel des Objektivs an. Aber niemand hindert Sie daran, diesen Wert manuell umzustellen. So erzielen Sie in einem Innenraum weicheres Licht, wenn Sie den Reflektor auf Ultraweitwinkel stellen, aber mit einem Teleobjektiv fotografieren. Denn so wird viel mehr Licht von den umliegenden Wänden auf das Motiv reflektiert – das funktioniert aber natürlich nur bis zu einer gewissen Raumgröße. Eine am Bildrand stehende Person können Sie mit einem engen Blitzwinkel und zur Seite geneigten Reflektor hervorheben, ohne dass der Rest des Bildes überblitzt wird. Auch wenn der Blitz von der Kamera entfesselt eingesetzt wird, sollten Sie den Abstrahlwinkel als Gestaltungsmittel einsetzen. Sonst wird das Licht schnell flach und langweilig wirken.

GG Abbildung

6.23 Eine 20 × 30 cm große Softbox lässt sich ohne Probleme auch auf der Kamera verwenden.

HH Abbildung 6.24 In diesem Bild habe ich den Zoomreflektor enger als den Bildwinkel eingestellt und etwas nach rechts verschwenkt. So konzentriert sich der Blick mehr auf die Kabine des Pickups und die Blitzreichweite steigt.

32 mm | ƒ7,1 | 1/200 s | ISO 200 | Zoomreflektor auf 200 mm

335

6.6  Blitz entfesseln Wenn Sie eine Szene mit einem Aufsteckblitz bewusst ausleuchten wollen, sollten Sie ihn vom Blitzschuh abnehmen und entfesselt einsetzen. So haben Sie nicht nur eine Lichtrichtung, nämlich die von kurz oberhalb der Kamera, sondern können den Blitz frei positionieren. Wenn Sie dann noch einen Schirm zur Lichtstreuung verwenden und einen Aufheller benutzen, können Sie bereits mit einem einzigen Blitzgerät ein Licht schaffen, das eher an ein Fotostudio als an einen kleinen Aufsteckblitz erinnert.

Blitzen mit mehreren Blitzgeräten GG Abbildung 6.25 Hier hielt ich einen Aufsteckblitz direkt über das Modellauto, der Zoomreflektor stand auf 105 mm, um die enge Ausleuchtung zu erreichen.

90 mm | ƒ11 | 1/200 s | ISO 100 | Blitz manuell 1/64 | ­ unkauslöser F

Sobald Sie anfangen, einen Blitz entfesselt einzusetzen, ist der Schritt hin zu mehreren Blitzen nicht mehr weit. Sei es, dass Sie einen zweiten Aufhellblitz benötigen, sei es, dass Sie aufwendigere Lichtsituationen schaffen möchten. Vor 20 Jahren wäre das anstrengend geworden, weil Sie mit Kabeln und/oder Fotozellen hätten arbeiten müssen. Heute sind Funkauslöser Standard, und die besseren Aufsteckblitze können Daten übertragen, um weitere Blitze mit Lichtsignalen oder sogar per Funk zu steuern. Diese systemspezifische Fernsteuerung schließt den Automatikmodus auch mit unterschiedlichen Blitzstärken und sogar mit Hochgeschwindigkeitssynchronisation ein. Man kann also sagen, dass ein Blitz entfesselt genauso viel leisten kann wie auf der Kamera.

FF Abbildung

6.26 Wenn das Licht schwächer wird, reichen auch kleine Systemblitze mit passenden Lichtformern, um draußen Studiolicht zu schaffen.

50 mm | ƒ2,8 | 1/125 s | ISO 100

336  |  6  Blitzfotografie

FF Abbildung

6.27 In diesem Aufbau verwendete ich acht kleine Blitzgeräte. Zum Teil zündete ich sie mit günstigen Funkauslösern, zum Teil blitzten sie einfach über eine eingebaute Fotozelle mit.

35 mm | ƒ9 | 1/160 s | ISO 200 | acht Blitze manuell | Funkauslöser und Fotozellen

Wanderblitz bei Langzeitbelichtung Oft zerstört ein einziger Blitz die Stimmung, oder das Motiv hat eine zu große räumliche Tiefe, um mit einem einzigen Blitz vernünftig ausgeleuchtet werden zu können. Während Sie im Hellen dann mit mehreren Blitzgeräten oder ganz ohne Blitze arbeiten müssen, haben Sie bei langen Verschlusszeiten ausreichend Zeit, durch das Motiv zu gehen und alle Bereiche nacheinander anzublitzen, die Sie beleuchten möchten. Durch die lange Verschlusszeit werden Sie selbst auch nicht im Motiv auftauchen (falls Sie nicht gerade in der Szene stehen bleiben).

Farbig filtern Weißes Blitzlicht zerstört oft die Farbstimmung einer Nachtaufnahme. Dagegen können Sie vor den Blitz eine Filterfolie spannen, die das Blitzlicht einfärbt. Ein echter Geheimtipp dafür ist der Muster-Filterfächer von Lee, den Sie für sehr wenig Geld erwerben können. Er enthält wahrscheinlich mehr Farbabstufungen, als Sie je brauchen werden. Die einzelnen Filter haben eine Größe, die nahezu exakt vor einen externen Aufsteckblitz passt. Die Filter sind auch größer erhältlich, sodass sie auch mit Studioblitzen verwendet werden können.

6.6  Blitz entfesseln  |  337

Über Folienfilter lässt sich das Blitzlicht in jede beliebige Farbe filtern. Allerdings können Sie damit genauso gut den Eindruck des Dauerlichts verändern. Der Trick dabei ist, dass Sie die Farbe des Blitzlichts wieder ausfiltern, sodass der Hintergrund komplementär eingefärbt wird. Früher machte man das einfach über einen zusätzlichen Filter vor dem Objektiv, heute können Sie dies in der Raw-Bearbeitung erledigen und müssen nur das Blitzlicht filtern.

FF Abbildung 6.28 Diese Olympus OM-1 beleuchtete ich mit drei Systemblitzen. Einer kam direkt von vorn mit Magentafilter, einer von oben leicht hinter der Kamera (weiß) und der dritte leuchtete mit Blaufilter davor von hinten das Transparentpapier aus, das den Hintergrund bildet.

70 mm | ƒ16 | 1/160 s | ISO 200 | drei funkgesteuerte Blitze

Abbildung 6.29 E Das Foto links entspricht den Verhältnissen bei der Aufnahme: Das Leuchtstofflicht im Hintergrund ist etwas grünlich, der Blitz im Vordergrund wurde stark orange gefiltert. Nach der Bearbeitung (rechts) ist der Vordergrund nur noch leicht warm, dafür hat der Hintergrund ein deut­ liches Blau-Cyan, weil das Orange gegengefiltert wurde.

50 mm | ƒ2,5 | 1/100 s | ISO 1 250 | ein Blitz mit Orangefilter und Schirm

338  |  6  Blitzfotografie

Fernauslösung In den letzten Jahren sind großartige Funksteuerungen und Lichtformer für Aufsteckblitze auf den Markt gekommen, mit denen man fast alle Bereiche der professionellen Fotografie gut abdecken kann. Wenn ich heute zu einem Kunden aus der Industrie fahre, verwende ich manchmal nur ein einziges Blitzgerät, mit dem ich gleichzeitig die Kamera fernauslöse. Aus mehreren Einzelaufnahmen mit unterschiedlichen Lichtrichtungen setze ich dann am Rechner das fertige Bild zusammen (z. B. indem ich die Füllmethode der Ebenen in Photoshop auf Aufhellen setze). Ich arbeite so sehr viel schneller, spare mir mindestens 30 kg Ausrüstung und habe noch bessere Kontrolle über das Endergebnis. Sobald ein Blitz nicht mehr direkt auf der Kamera sitzt, Sie ihn also entfesseln, stellt sich die Frage, wie Sie ihn über die Entfernung auslösen können. Dazu gibt es eine Menge Möglichkeiten, die je nach Situation unterschiedlich geeignet sind.

HH Abbildung

6.30 Aus vier Belichtungen, bei denen die Kamera auf dem Stativ per Funk direkt vom Blitz ausgelöst wurde, entstand die kombinierte Aufnahme unten.

28 mm | ƒ11 | 1/200 s | ISO 100 | vier Fotos, jeweils vom Blitz ausgelöst

6.6  Blitz entfesseln  |  339

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2 Synchronkabel  | Von der X-Kontakt-Buchse der Kamera geht ein Kabel zum

GG Abbildung

6.31 An der Oberseite dieses Studioblitzes befindet sich neben der Buchse für das Synchronkabel 1 auch ein Servoblitzauslöser 2 . Wenn Sie die Taste Slave drücken, zündet der Blitz immer dann mit, wenn die Fotozelle des Servos einen Blitz registriert.

Blitzgerät. Bei Öffnung des Verschlusses wird durch den Kurzschluss der Kontakte ein Blitz ausgelöst. Das ist eine recht sichere und einfache Technik, die aber bei bewegter Kamera schnell sehr anstrengend wird. In statischen Studioaufbauten stört das nicht, aber ich kann die Kabellösung aus eigener Erfahrung für die meisten Einsatzzwecke nicht empfehlen. Das Kabel ist entweder im Weg, löst sich, stört im Bild oder wackelt. Ich benutze das Kabel nur noch als Reservelösung, falls es Probleme mit der anderen Auslösetechnik geben sollte. Inzwischen haben ohnehin nur noch Profikameras wie die Canon EOS-1D X Mark II Kabelkontakte, es gibt allerdings günstige Adapter für den Blitzschuh, die den X-Kontakt verfügbar machen. Es gibt auch TTL-Verlängerungskabel, die die Automatiksignale des Blitzschuhs an den Fuß des Aufsteckblitzes übertragen. Ich nutze das manchmal im Makrobereich mit einem Spiralkabel. Für weite Distanzen wird die Methode aber schnell umständlich. Servoblitzauslöser mit Fotozelle  | In Studioblitzen ist eigentlich immer eine

Fotozelle verbaut, mit der man den Blitz auslösen kann, wenn ein anderer Blitz gemessen wird. Das geschieht so schnell, dass es normalerweise auch mit der kürzesten Synchronzeit funktioniert. Wenn Sie mit mehreren Blitzen im Studio arbeiten, müssen Sie nur einen synchronisieren, die anderen zünden dann mit. Es gibt externe Fotozellen auch für Aufsteckblitze, aber draußen im Sonnenlicht ist diese Lösung nicht mehr so zuverlässig, denn der Blitz muss messbar heller sein als das Umgebungslicht. Das fällt umso schwerer, je heller es draußen ist. Ein anderes Problem ist, dass der Blitz auf der Kamera im Automatikmodus einen oder mehrere Vorblitze aussendet. Der Fotosensor wird vom ersten Blitz ausgelöst. Dieser war aber nur der Messblitz, und der Zweitblitz zündet so bereits, wenn der Verschluss noch geschlossen ist. Entweder stellen Sie den Erstblitz auf den manuellen Modus, oder Sie verwenden einen lernfähigen Sensor, der die Messblitze abwartet und erst beim Hauptblitz zündet. Infrarotfernauslöser  | Der Infrarotfernauslöser arbeitet nach einem ähnlichen

Prinzip wie der Servoblitzauslöser, nur dass hier ein Infrarotlichtsender auf der Kamera sitzt und ein Empfänger am Blitz. Die Vor- und Nachteile sind ähnlich, nur dass man mit Infrarotsendern im Studio mehrere Kameras und Blitzanlagen trennen kann. Mit der Servoblitzlösung löst Ihr Studiokollege Ihre Blitzanlage mit aus, mit Infrarot kann er einen eigenen Kanal wählen und stört Sie nicht. Seit Funkauslöser in Deutschland erlaubt sind, gibt es meiner Meinung nach eigentlich kaum einen Grund, eine Infrarotlösung zu verwenden, besonders,

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wenn Sie auch draußen arbeiten wollen. Es gibt allerdings Orte, an denen die Verwendung von Funk verboten ist. Dort kann Infrarot eine Alternative sein. Funkauslöser | Funkauslöser benutzen Funkwellen zur Übertragung des Signals.

Das hat einige Vorteile: Es ist helligkeitsunabhängig, geht durch die meisten Wände, hat eine gute Reichweite, erlaubt verschiedene Kanäle für die parallele Nutzung, und Sie können sogar eine Transponder-Lösung bauen: Dazu brauchen Sie zwei Sender und zwei Empfänger. Der eine Sender sitzt auf der Kamera und sendet auf Kanal 1. Der Empfänger sitzt auf halber Strecke zum Blitz, noch in guter Reichweite des Senders, und empfängt auch auf Kanal 1. Auf dem Blitzschuh des ersten Empfängers sitzt ein zweiter Sender, der auf Kanal 2 zum zweiten Empfänger sendet, der dann den Blitz auslöst. Eventuell müssen Sie die Synchronzeit leicht verlängern. Je nach Typ der Funkauslösung ist dieser Weg vielleicht überflüssig, der PocketWizard Plus II zum Beispiel schafft es ohnehin schon, über 100 m (das US-Modell sogar 400 m) zu überbrücken. Der Yongnuo RF602n schafft ebenfalls mehr als 100 m. Ein Großteil der anderen Lösungen wird mit gut 30 m angegeben, was für die meisten Anwendungen ausreicht. Mit der Canon-eigenen Funkblitzlösung habe ich draußen auch über 100 m Auslösedistanz zuverlässig erreichen können, obwohl auch sie mit 30 m Reichweite angegeben wird.

Transponder Ein Transponder ist ein Gerät, das Signale annimmt und weiterleitet, um die Reichweite zu erhöhen. Der Begriff ist eine Kombination aus »Transmitter« und »Responder«.

HH Abbildung 6.32 Mit Canons Funkblitzen lässt sich die Kamera direkt vom Blitz auslösen, sodass Sie die Kamera auf das Stativ stellen und zum Beleuchten in die Szene hineingehen können. Alternativ können Sie einen zweiten Funkauslöser verwenden.

24 mm | ƒ2 | 1/25 s | ISO 640 | Dauerlicht −11⁄3 LW, Funkblitz mit TTL-Automatik

6.6  Blitz entfesseln  |  341

GG Abbildung

6.33 In diesem Bild sehen Sie die Position der beiden Blitze hinter der Vespa. Steuerblitze wären wahrscheinlich abgeschattet worden, und Kabel wären mit im Bild gewesen. Funkauslösung ist daher meistens die perfekte Lösung.

GG Abbildung 6.35 Stand der Technik sind Funkauslöser, die Blitze in fünf Gruppen inkl. TTL und HSS steuern können. Dieser lässt sich auch vom Smartphone aus einstellen. (Bild: Godox)

342  |  6  Blitzfotografie

GG Abbildung

6.34 Die Vespa passt farblich perfekt zum Hintergrund. Damit sie sich trotzdem gut abhebt, habe ich drei funkausgelöste Blitze verwendet: einer von schräg rechts vorn und die anderen beiden hinter dem Roller.

50 mm | ƒ4 | 1/100 s | ISO 100 | drei Blitze per Funkauslösung

Steuerblitze für die herstellerabhängige Automatik  | Die vorher beschriebe-

nen Lösungen haben den Nachteil, dass sie nur für die manuelle Auslösung des Blitzes mit fest eingestellter Stärke taugen. Die Kamerahersteller haben aber ausgefeilte Automatiken entwickelt, die auch mit mehreren verschiedenen Blitzen in unterschiedlichen automatischen Stärken arbeiten können (E-TTL bei Canon, i-TTL bei Nikon, P-TTL bei Pentax und Samsung sowie TTL bei Olympus). Hier benutzen Sie entweder einen Aufsteckblitz zur Steuerung der anderen oder ein separates Blitzsteuergerät (z. B. Speedlite-Transmitter ST-E2 bei Canon oder SU-800 bei Nikon). Dieses Gerät auf der Kamera übernimmt die Rolle des sogenannten Masters: Es sendet die Steuersignale für alle anderen Blitze, die sogenannten Slaves. Interessant sind auch Lösungen von Blitzherstellern, die ihre Blitze systemübergreifend nutzbar machen. So können Sie mit einem Masterblitz oder einer Funkfernsteuerung Blitze auslösen, die Sie für verschiedene Kamerasysteme angeschafft haben. Die Blitzherstellerlösung setzt dabei so gut auf die TTL-Steuerung des Kamerasystems auf, dass Sie die Blitzeinstellungen auch im Kameramenü vornehmen müssen. Solche Lösungen gibt es z. B. von Godox oder Profoto. Das funktioniert dann zwar nur mit Blitzen des Blitzherstellers, allerdings

können Sie bei Godox auch Empfänger erwerben, die das Godox-Protokoll wieder zurückübersetzen auf das des Kameraherstellers, sodass Sie z. B. Ihre Canon Speedlites weiterverwenden können. Wenn Sie noch keine Blitze haben, empfehle ich Ihnen, in jedem Fall auf TTL-Funksteuerung zu setzen, wenn Sie den Blitz nicht nur auf der Kamera verwenden wollen. Wenn Sie auch Fremdhersteller in Ihre Suche einschließen, bekommen Sie auch starke Systemblitze mit TLL, HSS und Funk bereits ab gut 100 €. Einige Kameras wie die Canon EOS 90D oder die Nikon D7500 können mit dem eingebauten Blitz die Steuerung übernehmen. Der Vorteil dieser Lösung ist die kabellose Steuerung bei voller Automatik, auch mit verschiedenen Blitzstärken für bis zu drei Blitzgruppen. Der Nachteil ist, dass die Blitze meistens vor der Kamera stehen müssen und nur drei bis sieben Meter entfernt sein dürfen. Das ist bei vielen Motiven keine Einschränkung, bei anderen hingegen unmöglich. Mit einem TTL-Synchronkabel können Sie den Steuerblitz freier bewegen und die Slave-Blitze so besser positionieren.

GG Abbildung 6.36 Der Ausklappblitz der Canon EOS 90D lässt sich auch zur optischen Fernsteuerung anderer Blitze verwenden. (Bild: Canon)

Lichtstative Einen entfesselten Blitz können Sie nah bei der Kamera noch in der Hand halten, aber irgendwann ist die Grenze erreicht, wo das entweder nicht mehr funktioniert oder keinen Spaß mehr macht. Für den gelegentlichen Einsatz können Sie Ihr Kamerastativ verwenden, aber wenn Sie häufiger Licht positionieren wollen, sind Lichtstative eine sinnvolle Anschaffung. Die Anforderungen sind auch andere als bei Kamerastativen. Wenn ein Kamerastativ oben einen Zentimeter wackelt, ist das ein K.-o.-Kriterium, bei einem Lichtstativ ist das egal. Lichtstative lassen sich dafür oft höher ausfahren als Kamerastative: 3,80 m sind durchaus normal. Durch die geringeren Stabilitätsanforderungen sind sie günstiger als Kamerastative. Komplizierter wird es, wenn das Licht von oben kommen muss, aber kein Stativ im Bild sein darf – dann benötigen Sie, wenn Sie kein Deckenschienensystem installieren möchten, sogenannte Booms oder Galgen. Das sind Stative mit einem Ausleger und einem Gegengewicht. Kleinere Galgenstative sind auch als normales Lichtstativ geeignet und genauso mobil, sie empfehlen sich besonders, wenn Sie draußen Personen fotografieren wollen, aber das Lichtstativ nicht im Bild sein soll. Abbildung 6.37 E Ein sogenannter Autopole lässt sich zwischen Boden und Decke klemmen und bietet stabilen Halt bei minimaler Standfläche. Achten Sie darauf, dass die Decke nicht nur abgehängt ist, sonst ist der Aufbau nicht stabil, und die Decke kann beschädigt werden. (Bild: Manfrotto)

6.6  Blitz entfesseln  |  343

6.7  Kurzzeitfotografie

HH Abbildung 6.38 Wassertropfen im Blitzlicht. Die amorphen Formen, die die zusammenprallenden Tropfen für Sekundenbruchteile einnehmen, sind für das Auge völlig unsichtbar.

98 mm | ƒ16 | 1/125 s | ISO 640 | 5 Blitze per Funk auf 1/64 Leistung mit Farbfiltern | Bildausschnitt

Während ein Blitz in den meisten Fällen ohnehin schon kurz genug ist, um keine Probleme mit der Bewegungsunschärfe aufkommen zu lassen, werden die Blitzzeiten bei den kleinsten Leistungsstufen weit kürzer als die kürzeste Verschlusszeit Ihrer Kamera. Ihre Kamera unterstützt wahrscheinlich maximal 1/4000 s oder 1/8000 s (diese Verschlusszeiten werden allerdings als Schlitzbelichtung in einer Ablaufdauer von etwa 1/250 s ausgeführt). Der Blitz leuchtet auf der kleinsten Stufe nur ca. 1/35000 s lang. Das ist eine Zeit, in der ein platzender Luftballon sich kaum bewegt und selbst ein Objekt mit 1 000 km/h nicht einmal einen Zentimeter Wegstrecke schafft. Die Möglichkeit der Kurzzeitfotografie erwerben Sie fast unbemerkt mit, wenn Sie sich einen Blitz kaufen. Es macht Spaß, seine Umgebung damit zu erforschen und Dinge sichtbar zu machen, die das Auge nie erfassen könnte: 1. Stellen Sie dazu am Blitz die manuelle Leistungssteuerung (M) ein und dann die kleinste mögliche Stufe (meist 1/128 oder 1/64). So regelt der Blitz nach der kürzestmöglichen Zeit ab. 2. Stellen Sie die Kamera auch auf den manuellen Modus, und wählen Sie eine Verschlusszeit, die knapp länger ist als die Blitzsynchronzeit, zum Beispiel 1/160 s. 3. Machen Sie dann eine Testaufnahme. Falls es zu hell ist, senken Sie den ISO-Wert oder blenden Sie weiter ab. Falls das Bild zu dunkel ist, erhöhen Sie die ISO-Zahl oder blenden Sie weiter auf. 4. Wenn es zu dunkel bleibt, müssen Sie leider die Blitzleistung erhöhen, dadurch werden aber auch die Abblitzzeiten länger. Im Nahbereich werden Sie aber immer mit einer sehr geringen Blitzleistung auskommen. Gerade wenn Sie sehr schnelle und sich nicht wiederholende Ereignisse mit Blitz einfangen möchten, sollten Sie über technische Hilfsmittel nachdenken. Wenn Sie gute Grundkenntnisse in Elektronik haben, können Sie solche Hilfsmittel auch selbst basteln, für allen anderen gibt es auch fertige Geräte, die in der Lage

344  |  6  Blitzfotografie

sind, unterschiedliche Signale wie z. B. Geräusche, Lichtblitze oder Lichtschrankenunterbrechungen zur Auslösung von Kamera oder Blitz zu verwenden, wobei der Blitz eine viel kürzere Auslöseverzögerung als die Kamera hat. Eine verbreitete Lösung dafür ist der MIOPS, früher Nero Trigger. Er eignet sich auch für eine ganz andere Form des Blitzens. So ist er in der Lage, durch die Messung der Helligkeitszunahme eine Kamera bei Gewitter so auszulösen, dass sie den Blitz noch einfängt. Ein Kamerablitz wäre allerdings schon längst wieder erloschen, bevor der Verschluss sich öffnen würde. Wenn Sie genau hinsehen beim Luftballonfoto in Abbildung 6.40, sehen Sie, dass der zweite Blitz sichtbar zeitverzögert über die Fotozelle auslöst. Das ist normalerweise kein Problem, über das Sie sich Gedanken machen müssen, weil die Unterschiede bei langsameren Bewegungen unsichtbar sind. Hier wäre es aber exakter gewesen, beide Blitze über Kabel vom Trigger auslösen zu lassen.

GG Abbildung

6.39 Ein Experiment aus meiner Schulzeit: Da die Kamera einen zu langen Vorlauf hatte, machte ich in einem dunklen Keller den Verschluss auf. Dann schoss ein Freund mit einem Luftgewehr auf einen Ballon, während ich möglichst zeitgleich von Hand den Blitz betätigte. Der weiße Staub ist übrigens Mehl. Sie finden im Internet elegantere Methoden zur Auslösung, aber diese funktionierte auch. Ein weiterer Vorteil des dunklen Raumes war, dass das Bild auf der Netzhaut nachleuchtete und ich so trotz analoger Fotografie sofort ein Bild sehen konnte.

FF Abbildung

6.40 In diesem Beispiel öffnete ich den Verschluss und brachte einen Ballon mit einem Streichholz im Dunkeln zum Platzen. Ein Nero Trigger reagierte auf den Knall und löste einen Blitz aus, ein zweiter Blitz ging über eine Fotozelle mit.

6.7  Kurzzeitfotografie  |  345

6.8  Lichtformer für Systemblitze Ein Aufsteckblitz wird außerhalb des absoluten Nahbereichs immer ein sehr hartes Licht abgeben, weil die Leuchtfläche nur wenige Zentimeter misst. Die Lichtquelle ist also annähernd punktförmig und erzeugt harte Schatten. Sie können zwar indirekt blitzen, aber erstens sind Sie dann abhängig von der Beschaffenheit der Raumdecke, und zweitens ist das weiche Licht von oben, das sich bestenfalls ergibt, meist nicht wirklich schön. Ich habe schon Leute über zehn Meter hohe, dunkelbraun gestrichene Decken einer Messehalle blitzen sehen. Das ist allerdings zwecklos, weil die zurückgeworfene Lichtmenge sich fotografisch so gut wie nicht mehr auswirkt. Im Makrobereich sind die Verhältnisse ganz anders. Für einen 2 cm großen Käfer ist ein Aufsteckblitz wie eine 10-m-Softbox für ein Auto. Auf 1,5 m Entfernung bei einem Porträt ergibt auch ein aufsteckbarer Blitzreflektor oder eine kleine Softbox noch einen sichtbaren Unterschied. Je größer der Abstand des Blitzgeräts zum Motiv ist, desto größer muss der Lichtformer sein, damit Sie sichtbar weicheres Licht erhalten.

HH Abbildung

6.41 Den feuerroten Scharlachkäfer blitzte ich indirekt über einen 9 × 15 cm großen weißen Reflektor. In Innenräumen können Sie damit indirekt blitzen und trotzdem einen großen Teil des Lichts nach vorn werfen. Da der Käfer nur 2 cm groß ist, entspricht das Licht dem einer großen Softbox bei großen Objekten.

Schirme Eine einfache, günstige und wirkungsvolle Methode, weicheres Blitzlicht zu erhalten, stellen Schirme dar. Es gibt zwei Varianten: den Durchlicht- und den Reflexschirm. Durchlichtschirme bestehen aus einem weißen Stoff, der beim Durchblitzen das Licht streut. Reflexschirme haben eine mattsilberne Beschichtung, die das Blitzlicht zurückwirft. Durchlichtschirm  | Diese Bauart streut nicht nur das hindurchfallende Licht,

sondern wirft es auch zurück. Dadurch leuchtet ein Durchlichtschirm in unterschiedlicher Intensität den gesamten Raum aus. Das Licht ist sehr weich, allerdings kann störendes Streulicht entstehen, da der Blitz aus jeder Richtung hell erscheint.

GG Abbildung

6.42 Ein Durchlichtschirm streut das Licht sehr weit und wirft weiche Schatten. Sie sehen hier sehr gut, dass er durch die Reflexion im weißen Schirm auch die Bereiche hinter dem Blitz ausleuchtet, was zu Problemen mit Streulicht führen kann.

FF Abbildung

6.43 Ein Schirm liefert auch draußen weiches Licht. Die Schatten sind zwar weich, aber doch sehr tief, sodass Sie noch einen Aufheller verwenden sollten.

85 mm | ƒ1,2 | 1/6400 s | ISO 200 | Blitz über Funk mit TTL-Automatik und HSS

347

Es entsteht eine sehr gleichmäßige Leuchtfläche, die nur von den Streben des Schirms unterbrochen wird. Das kann allerdings bei spiegelnden Motiven (z. B. Glas oder Metall) etwas stören. In einem solchen Fall sollten Sie an die Verwendung einer Softbox (ein meist rechteckiger Lichtformer mit homogener Lichtfläche) denken, die aber – von einigen Ausnahmen abgesehen – eher für Studioblitzanlagen angeboten wird. Reflexschirm  | Diese Form strahlt nur in eine Richtung ab. Das Licht ist etwas

GG Abbildung

6.44 Bei der Verwendung eines Reflexschirms wird das Licht etwas härter als bei einem Durchlichtschirm. Durch das Streulicht im hellen Raum wird der Schatten hier allerdings deutlich aufgehellt.

härter und gerichteter. Es entsteht weniger Streulicht, da der Schirm selbst undurchsichtig ist und eine Seite des Raums somit dunkel bleibt. Da die Lichtquelle vor dem Schirm liegt, ist sie als dunkle Silhouette vom Motiv aus sichtbar. Für spiegelnde Objekte eignet sich diese Schirmart deswegen noch weniger als ein Durchlichtschirm. Da das Licht nicht einfach nur weich ist, sondern einen gerichteten Charakter behält, eignet es sich gut für Porträts. Allerdings befindet sich der Blitz immer zwischen Schirm und Motiv, was gerade bei großen Blitzköpfen störend sein kann. Schirmhalter  | Am Blitzkopf einer Studioblitzanlage gehört eine Schirmhalte-

rung zum Standard, bei einem Aufsteckblitz müssen Sie einen Schirmhalter zusätzlich erwerben. Dieser kombiniert eine Befestigung an einem Lichtstativ mit einer neigbaren Blitz- und Schirmhalterung. Bei manchen wird ein Adapter mitgeliefert, sodass Sie sie auch auf ein normales Kamerastativ setzen können, falls Sie kein eigenes Lichtstativ anschaffen möchten. Schirmhalter bekommen Sie bereits für um die 20 €, einen Blitzschirm können Sie ab etwa 20 € erwerben. Für bessere Qualität lässt sich mehr Geld ausgeben, aber die günstigen Produkte erweitern Ihre Lichtoptionen genauso gut.

Abbildung 6.45 E Ein Aufsteckblitz auf einem Schirmhalter. Normalerweise ist die Unterseite für die Bolzenhalterung eines Lichtstativs vorgesehen. Manche werden aber auch mit einem Adapter für das Gewinde eines normalen Kamerastativs geliefert.

348  |  6  Blitzfotografie

Blitze bündeln In bestimmten Situationen kann es sinnvoll sein, statt einem externen Blitz mehrere zu verwenden. Wenn Sie z. B. vier Blitze in einer Mehrfachhalterung auf einem Stativ einsetzen, haben Sie nicht nur die vierfache Maximalleistung zur Verfügung, sondern auch Vorteile, wenn Sie diese Leistung nicht ausschöpfen. So werden die Abbrennzeiten bei vergleichbarer Leistung zum Einzelblitz deutlich kürzer, und auch die Wiederaufladezeit verkürzt sich, sodass Sie z. B. Serienbilder mit Blitz besser aufnehmen können, weil jeder Blitz nur 1/4 der Leistung eines Einzelblitzes wieder aufladen muss. Abbildung 6.46 E Manche Einschränkung der Kamerablitze lässt sich mit ihrer Bündelung umgehen. Diese drei Blitze kommen zusammen auf etwa 180 J Leistung.

Speziallösungen Softboxen waren bis vor einiger Zeit ausschließlich Studioblitzen vorbehalten. Inzwischen bekommen Sie aber auch für Aufsteckblitze Softboxen oder beautydishähnliche Vorsätze (beide Lichtformer stelle ich ab Seite 359 ausführlicher vor.). Für die meisten Anwendungsgebiete in der Digitalfotografie lässt sich auch mit Aufsteckblitzen gut auskommen, und das geringe Gewicht ermöglicht eine hohe Mobilität. Ein Aufsteckblitz mit Lichtformer wiegt ca. 1,2 kg, ein AkkuGenerator mit Blitzkopf und Softbox kann auf das Zehnfache kommen. Eine Softbox o. Ä. mit kleinem Blitz und Lichtstativ lässt sich auch von einer Person gut handhaben. Nur bei Wind sollten Sie aufpassen, weil die größere Angriffsfläche das Stativ leicht kippen lässt. Am besten ist dann ein Assistent, der eine Hand immer am Stativ hat.

Abbildung 6.47 E Wenn der Fotograf die Aufnahme nicht retuschiert, können Sie in der Augenspiegelung den Lichtaufbau sehen. Hier verwendete ich einen Ringblitzvorsatz zum Aufhellen und eine achteckige Softbox von leicht oben als Hauptlicht.

GG Abbildung

6.48 Der Lichtaufbau aus der Perspektive des Models

6.8  Lichtformer für Systemblitze  |  349

350  |  6  Blitzfotografie

Sie können das Stativ auch mit einem Gewicht beschweren oder wie ein Zelt mit Leinen und Heringen abspannen, solange der Boden dafür weich genug ist. Der Unterschied zwischen gutem Licht und schlechtem Licht ist auf der Aufwandsseite also häufig recht klein, in der Bildwirkung aber sehr groß.

6.9  Studioblitze Studioblitze sind für den stationären Einsatz im Fotostudio ausgelegt. Sie werden direkt an den Netzstrom angeschlossen und sind viel größer und schwerer als Aufsteckblitze. Während ein starker Aufsteckblitz mit LZ 42 (bei 50 mm Brennweite und ISO 100) eine Energie von 60 bis 70 J abgibt, erreichen größere Kompaktblitze typischerweise bis zu 1 200 J und Generatoren bis zu 6 000 J. Sie bekommen bei manchen Herstellern auch noch leistungsstärkere Geräte. Ein solcher Energieimpuls ist als Stromstoß tödlich, und Sie sollten mit Respekt an eine Studioblitzanlage herangehen. Qualitätsblitzanlagen lassen sich auch gut gebraucht erwerben, aber zu alt sollten sie nicht sein. (Ich erinnere mich an einen nichteuropäischen Hersteller, dem man vor 25 Jahren nachsagte, ein paar Profifotografen das Leben gekostet zu haben.) Die Sicherheitsstandards haben sich in den letzten Jahren insgesamt verbessert, und neuere Geräte sind natürlich meist besser in Schuss. Aber auch ein neuer hochqualitativer Studioblitz muss heute nicht mehr so viel teurer sein als ein guter Aufsteckblitz. Und so ist es eine Frage der Anwendung, ob Sie eher in Studioequipment oder eher in kleine und leichte Aufsteckblitze investieren. Studioblitze haben ein paar Vorteile gegenüber den Aufsteckblitzen: EE Sie sind auch in deutlich leistungsfähigeren Bauformen verfügbar. EE Sie sind für harten Dauerbetrieb ohne Überhitzung ausgelegt. Sie werden allerdings auch schlecht designte Studioblitze finden, die trotzdem überhitzen. EE Sie haben ein helles Einstelllicht, das es Ihnen ermöglicht, die Bildwirkung mit bloßem Auge einzuschätzen. EE Es sind deutlich mehr Lichtformer verfügbar, die direkt angeschlossen werden können. EE Sie gehören, je nach Hersteller, zu einem umfangreichen System, mit dem sich fast jede Beleuchtungsaufgabe lösen lässt.

FFF Abbildung 6.49 Das Bild, das mit dem gezeigten Lichtaufbau aufgenommen wurde.

70 mm | ƒ3,5 | 1/125 s | ISO 100 | ein Blitz auf +1 LW mit spezieller Achteck-Softbox, ein Blitz mit −1 LW mit Ringblitzvorsatz

HH Abbildung

6.50 Studioblitze verwenden eine frei stehende Blitzröhre und einen Anschluss, an dem verschiedene Reflektoren oder andere Lichtformen wie Softboxen angeschlossen werden können.

110 mm | ƒ11 | 1/4000 s | ISO 100 | 600 J Blitz auf 1/256, HSS | Bildausschnitt

6.9  Studioblitze  |  351

Tipp Sie müssen bei Studioblitzen nicht alles von einer Firma kaufen. Oft kommen die besten Softboxen nicht von der Firma mit den besten Blitzköpfen. Fremde Lichtformer sind über einen Adap­ter oder einen sogenannten Speedring anschließbar. Fremde Blitzköpfe lassen sich umrüsten, sodass sie an anderen Generatoren funktionieren. Das ist zwar etwas aufwendiger, aber manchmal die beste Lösung, um genau das Licht zu bekommen, das Sie haben wollen.

Trotzdem bemerke ich, dass ich immer öfter die Studioblitze zu Hause lasse und mehr und mehr Aufträge auch im Bereich der Industriefotografie mit den kleinen Kamerablitzen erledige. Ich kann so schneller und mit viel weniger Gepäck arbeiten und erhalte trotzdem die Bilder, die ich haben möchte. Durch Fortschritte bei den Akkus finden Sie heute auch immer mehr Kompaktblitze mit der Leistung von Studioblitzen, die aber durch einen LithiumIonen-Akku auch für draußen geeignet sind. Alternativ können Sie den Akku bei manchen Blitzen durch ein ansteckbares Netzteil ersetzen, sodass Sie ihn auch über Netzstrom betreiben können.

Blitzleistung Gerade als Anfänger fragt man sich, wie stark eine Blitzanlage eigentlich sein muss, damit man in der täglichen Arbeit nicht eingeschränkt ist. Blitzanlagen werden nicht mehr über die Leitzahl definiert, sondern über die elektrische Energie, die sie abgeben können. Diese wird in Wattsekunden (Ws) oder heute eher in Joule (J) angegeben. Alternativ wird oft der Begriff Leitblende verwendet, der der zu erzielenden Blende bei voller Leistung bei ein oder zwei Metern Entfernung entspricht. Die Leitblende ist abhängig vom Reflektor, und so sollte dieser angegeben sein, um die Werte wirklich vergleichen zu können. Ein Kompaktblitz mit 1 200 J kommt mit einem Normalreflektor mit etwa 50° Abstrahlwinkel in zwei Metern Entfernung auf eine Leitblende von ƒ90, die Sie an Ihrer Kamera gar nicht mehr einstellen können. Wenn Sie nun ein Gerät verwenden, das sich in der Leistung nur um vier Blenden verringern lässt, dann kommen Sie auf eine minimale Blende von ƒ16. Das Gerät wäre also für Porträts im Studio viel zu stark, weil Sie immer mit ganz geschlossener Blende arbeiten müssten – ansonsten belichtet der Blitz das

FF Abbildung 6.51 Wenn Sie ohne HSS gegen die Sonne blitzen müssen, benötigen Sie viel Leistung. Hier verwendete ich einen Beautydish mit 600 J, um bei geschlossener Blende und ISO 50, die den Himmel dunkel genug abbildeten, noch blitzen zu können. Von rechts unten blitzte ich zur Aufhellung mit einem Systemblitz mit voller Leistung in einen Schirm.

21 mm | ƒ13 | 1/200 s | ISO 50

352  |  6  Blitzfotografie

Bild über. Ich arbeite in diesem Fall gern mit einem Kompaktblitz mit 250 J, der sich um fünf Blenden herunterregeln lässt. So komme ich auf eine minimale Blende von ƒ2,8. Noch mehr Spielraum hat mein Akkublitz mit 600 J und acht Blendenstufen Regelbarkeit, der dann minimal nur 2,3 J (600 J/256) abgibt. Eine große Softbox kann etwa 1,5 bis 2 Blenden Licht schlucken, das dürfen Sie bei der Kalkulation nicht außer Acht lassen. Der normale Digitalfotograf kommt für die meisten Aufgaben mit 250 bis 500 J hin. Wichtig ist, dass sich die Geräte gut herunterregeln lassen. Wenn die Blitze trotzdem einmal viel zu stark sein sollten, können Sie auch mit dem Einstelllicht arbeiten. Die meisten Blitzköpfe haben nämlich Leuchtmittel mit 250 W oder, bei größeren Modellen, auch 650 W Leistung eingebaut (bei LED entsprechend weniger Watt, aber ähnliche Helligkeit). Das Einstelllicht ist zwar hauptsächlich dafür gedacht, dass Sie die Wirkung des Blitzes beim Einrichten vorhersehen können, es ist aber natürlich auch zum Fotografieren geeignet. Allerdings ist die Farbtemperatur bei den Glühlampen deutlich wärmer als bei Blitzen. Wenn es das einzige Licht ist, können Sie das über den Weißabgleich der Kamera korrigieren, wenn nicht, helfen Filterfolien, mit denen Sie das Licht anpassen. Die LED-Einstellleuchten unterscheiden sich in der Farbtemperatur nur wenig vom Blitzlicht, zudem verbrauchen sie weniger Strom und lassen den Blitz nicht heiß werden. Ich habe früher immer Gartenhandschuhe in der Blitzkiste gehabt, um einen heißen Metallreflektor ohne Abkühlzeit wechseln zu können. Meine Empfehlung für Sie lautet also, auf LED-Einstelllicht zu setzen und sich damit die Handschuhe zu ersparen. Eine andere Methode ist, das Licht mit ND-Filterfolien vor dem Blitz abzuschwächen. Bei bestimmten Lichtformern wie Softboxen macht das allerdings wenig Spaß, weil man entweder riesige Filter benötigt oder die Folien in die Softbox hineinfummeln muss. Das ist also eher eine Notlösung, gut regelbare Blitzanlagen sind praxistauglicher. Wenn Sie ohnehin eine hohe Leistung benötigen, ist die Regelbarkeit nicht so wichtig, aber gerade im Porträtbereich sind viele Blitzanlagen in ihrer Minimaleinstellung noch zu stark.

Abbildung 6.52 E Hier verwendete ich nur das Einstelllicht des Blitzkopfes zur Ausleuchtung. Der Weiß­ab­ gleich erfolgte auf 3 400 K, sodass das Tageslicht kühl, das Kunstlicht leicht warm wirkt. Eine 1,80 × 1,20 m große Softbox stand links gegenüber dem Model.

85 mm | ƒ2,2 | 1/125 s | ISO 800 | 650-W-Einstelllicht

6.9  Studioblitze  |  353

Eine hohe Leistung benötigen Sie z. B., wenn Sie größere Objekte gleichmäßig ausleuchten wollen. In diesem Fall müssen Sie mit den Blitzen Abstand gewinnen. Sie benötigen dann eine höhere Leitblende. Auch wenn Sie gegen das Sonnenlicht anblitzen müssen und mit dem Blitz nicht so nah herankommen, hilft viel Blitzleistung.

Blitzköpfe, Generatoren und Kompaktblitze

GG Abbildung 6.53 Ein Kompaktblitz hat seinen Blitzgenerator eingebaut, sodass er nur einen Stromanschluss benötigt. (Bild: Hensel)

GG Abbildung

6.54 Wenn ein Blitzkopf angeschlossen ist, liefert dieser Generator maximal 2 400 J, bei zwei Blitzköpfen lässt sich die Leistung asynchron aufteilen. (Bild: Hensel)

354  |  6  Blitzfotografie

Ein Generator ist ein Gerät, das die Leistung für separate Blitzköpfe zur Verfügung stellt. Bei einem Kompaktblitz sind der Generator und der Blitzkopf in einer Einheit verbunden. Kompaktblitze sind zwar praktisch, weil man nur ein Gerät verwenden muss und jedes Gerät einzeln steuerbar ist. Bei bestimmten Blitzformen ist das aber sehr unpraktisch, wenn nicht gar unmöglich. Bei einem Ringblitz etwa möchten Sie nicht noch 4 kg Kondensatoren und Elektronik zusätzlich vor der Kamera hängen haben, und einen 6 000-J-Generator wollen Sie nicht mit dem ebenso starken Blitzkopf auf ein Stativ packen und in die Höhe fahren, weil allein sein Gewicht schon zu einer Gefahr würde. Außerdem können Sie so verschiedene Blitzköpfe verwenden, ohne jedes Mal den konstruktiven Aufwand des eingebauten Generators mitbezahlen zu müssen. Beide Bauformen haben ihre Vorteile. Ich selbst verwende Generatoren mit Blitzköpfen und Kompaktblitze parallel. Ein Generator kann mehr Leistung zur Verfügung stellen. Sie können meist zwischen zwei und vier Blitzköpfe an ihn anschließen, und er ist flexibler, weil es bestimmte Bauformen wie Lichtriegel oder Ringblitze nur als separaten Blitzkopf gibt. So gibt es zum Beispiel auch Köpfe, bei denen die Blitzröhre zum Reflektor hin verschoben werden kann und die somit unterschiedliche Lichtcharakteristiken erzeugen können (sogenannte Zoomköpfe). Die Blitzköpfe an einem Generator können aber nur jeweils drei bis vier Meter vom Generator entfernt sein, weil ihre Kabel nicht weiter reichen. Ein Kompaktblitz braucht hingegen nur ein Stromkabel, das Sie bei Bedarf auch mit einer 50-m-Kabeltrommel verlängern können. Blitzkabel kosten immer auch ein bisschen Leistung, da ein Teil der Energie, die durch das Kabel geht, als elektromagnetische Strahlung verloren geht. Ein Test mit einem Kompaktblitz mit und ohne einem fast 2 m langen Kabel zwischen Blitzkopf und internem Generator ergab einen Unterschied von 0,4 Blendenstufen. Aus 600 J würden so ca. 450 J effektive Leistung. Die meisten Generatoren arbeiten synchron, das heißt, jeder Blitzkopf, der angeschlossen ist, erhält die gleiche Leistung. Asynchrone Generatoren sind teurer, sie werden meist mit »AS« in der Typbezeichnung abgekürzt. Bei ihnen kön-

nen Sie unterschiedliche Blitzleistungen für die einzelnen Blitzköpfe verwenden. Für einen Lichtaufbau benötigen Sie meist mindestens zwei separat regelbare Blitze, ein synchroner Generator mit zwei Köpfen reicht da nicht. Mit einem zusätzlichen Kompaktkopf könnten Sie aber schon einen Großteil der fotografischen Aufgaben abdecken. Der Einsteiger ist mit Kompaktköpfen besser beraten, weil sie günstiger sind und sehr flexibel positioniert werden können. Erst wenn Sie eine Leistung von über 1 000 J oder spezielle Blitzköpfe wie Ringblitze verwenden möchten, wird eine Generatorlösung interessant. Bei einfachen Aufgaben arbeite ich lieber mit Kompaktblitzen, weil das schneller geht und nicht so viele Generatoren herumstehen. Wenn Sie nur normale Reflektoren, Schirme und Softboxen verwenden wollen, kommen Sie mit Kompaktblitzen sehr gut aus. Möchten Sie aber Spots, Lichtriegel, Ringblitze oder Ähnliches benutzen, benötigen Sie einen Generator. An diesen können Sie zudem Standard-Blitzköpfe anschließen. Beachten Sie, dass ein Blitzkopf für die Stärke des Generators ausgelegt sein muss. Sie können ohne Probleme einen Blitzkopf für 3 000 J an einen Generator mit 1 200 J anschließen. Wenn Sie aber einen Kopf für 1 200 J an einem Generator mit 3 000 J verwenden, kann Ihnen die Blitzröhre zerplatzen oder das Gerät auf andere Weise zerstört werden. Eine Blitzröhre kann auch einfach so im laufenden Betrieb zerplatzen. Sie sollten mit einem Blitzkopf ohne Schutzglasglocke über der Blitzröhre (oder ohne einen Lichtformer, der die Splitter auffangen würde) nie zu nah an das Gesicht eines Models gehen, die Splitter könnten sonst zu Verletzungen führen. Die Blitzröhren in Systemblitzen können auch zerplatzen, aber das gibt nur einen kleinen Knall und dann hören Sie die kleinen Glasscherben im Reflektor rasseln. Das ist ärgerlich, aber ungefährlich. Bei einem Foto-Job sollten Sie also auch einen Ersatzblitz einplanen.

Tipp Im Download-Bereich finden Sie zwei PDF-Dateien von Michael Quack, in denen er die Wirkung verschiedener Lichtformer sehr ausführlich und gut vergleicht.

Abbildung 6.55 E Überblick über die verschiedenen Lichtformer (Foto: Michael Quack)

6.9  Studioblitze  |  355

Ringblitze

GG Abbildung

6.56 Ein Ringblitz besitzt eine Blitzröhre, die in der Mitte ein Loch für das Objektiv aufweist. So können Sie ein frontal beleuchtetes, schattenfreies Bild erzeugen. (Bild: Hensel)

Abbildung 6.57 E Da die meisten Flächen schräg von der Kamera weglaufen, gibt es trotz Ringblitz kaum Reflexionen.

28 mm | ƒ16 | 1/200 s | ISO 50 | Ringblitz mit 600 J

356  |  6  Blitzfotografie

Ein Ringblitz besitzt eine kreisförmige Blitzröhre und ein Loch in der Mitte, durch das das Kameraobjektiv hindurchschauen kann. Dieser Aufbau sorgt dafür, dass es ein frontales, fast schattenfreies Licht gibt. Allerdings läuft eine weiche Schattenkante um die Objekte herum, wenn sie vor einem Hintergrund stehen. Denn einen Halbschatten gibt es sehr wohl: Ein Teil des Blitzes wird vom Objekt abgeschattet, während der Blitz auf der gegenüberliegenden Seite diesen Schatten wieder aufhellt. Das muss aber kein Nachteil sein und macht sogar den Reiz des Ringblitzes aus. Kleine Ringblitze sind wenig leistungsfähig und eher für Makroaufnahmen gedacht. Da das Licht direkt aus Kamerarichtung kommt, entstehen schnell Reflexionen, wenn Sie frontal auf eine Fläche fotografieren. Sie können den Lichtabfall nur durch eine Veränderung des Motivaufbaus steuern. Da der Blitz immer am Objektiv ist, fällt auch das Licht quadratisch zur Entfernung von der Kamera ab. Ein Ringblitz bringt also auch eine Reihe von Einschränkungen mit sich, denen Sie sich bei der Bildgestaltung bewusst stellen müssen. Da Ringblitze oft kein Einstelllicht besitzen, müssen Sie in dunklen Situationen oft für ein wenig zusätzliches Dauerlicht sorgen, um genug zu sehen und rote Augen bei porträtierten Personen zu vermeiden. Das Blitzlicht wird sonst

von der Netzhaut zurückgeworfen und ergibt rötlich leuchtende Augen. Es gibt Vorsätze für Systemblitze, die ein sehr gutes Ringblitzlicht erzeugen, wie zum Beispiel der RoundFlash Magnetic Black.

Spots Spots sind Blitzköpfe mit einer Linse vor dem Blitz. Sie erzeugen ein sehr stark gerichtetes und paralleles Licht, das wie Sonnenlicht wirken kann. In den 1940erJahren wurden große Spots sehr gern als Filmlicht eingesetzt, auch der klassische Beauty-Look aus dieser Zeit hat viel mit der Verwendung von Spots zu tun. Es gibt auch Spots, die eine Maske, einen sogenannten Gobo, auf den Hintergrund projizieren können. Gobos sind heute aus der Mode gekommen, weshalb ihre Verwendung zu einem etwas altmodischen Look der Bilder führt – etwa im Stil der 1980er-Jahre. Wenn Sie keinen Spot besitzen, können Sie mithilfe eines Reflektors mit Wabe oft ein vergleichbares Licht schaffen. Die Linse in den Spots erzeugt manchmal an den Lichtkanten eine chromatische Aberration, sodass Sie leichte Farbkanten erhalten.

Studioblitze draußen verwenden Wenn Sie auch bei Aufnahmen im Freien in den Genuss der Vorteile einer Studioblitzanlage kommen wollen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Vor einigen Jahren hätte man ein Stromaggregat verwendet, das 230 V zur Verfügung stellt. Das ist laut und stinkt, hat aber den Vorteil, dass es in beliebiger Größe zu haben ist und man es über eine Leihfirma für einen Tag auch relativ günstig mieten kann. Falls Sie das auch einmal ausprobieren möchten: Verwenden Sie auf jeden Fall einen großzügig dimensionierten synchronen Stromerzeuger. Nur der ist in der Lage, bei Leistungsspitzen die Spannung zu halten. Bei einem asynchronen Gerät bricht die Spannung ein, wenn zu viel Leistung abgerufen wird, und das zerstört in den meisten Fällen Ihre Blitzanlage. Wenn Sie einen billigen und zu kleinen Baumarktgenerator an die Blitzanlage anschließen, stellt sich nur die Frage, was zuerst kaputtgeht. Vernünftig arbeiten können Sie damit auf gar keinen Fall. Sie können auch Stromgeneratoren auf Akkubasis verwenden, die direkt für Blitzanlagen hergestellt wurden. Diese arbeiten allerdings nicht mit jedem Generator zusammen, sind aber gerade für kleinere Geräte brauchbar. Die Geräte arbeiten als »Riesen-Akku« mit 230-V-Ausgang, an den Sie kleinere, normale Studioblitze anschließen können.

GG Abbildung

6.58 Der Ringblitz erzeugt nur sanfte Schatten-Halos, das Licht selbst ist extrem frontal und wenig variabel. Er eignet sich auch gut zur Aufhellung, wenn Sie eine andere Lichtquelle als Hauptlicht wählen. Hier habe ich einen Blitzvorsatz für Kamerablitze verwendet, den RoundFlash Magnetic Black.

60 mm | ƒ2,8 | 1/180 s | ISO 400 | Ringblitz

6.9  Studioblitze  |  357

Abbildung 6.59 E Ein Blitz auf die Schattenseite der Fischerhütte verändert die Atmosphäre sehr. Der große Abstand erforderte mehr Leistung, als ein Systemblitz liefern konnte.

50 mm | ƒ8 | 1/200 s | ISO 100 | ein externer Blitz

GG Abbildung 6.60 Der Godox AD600 Pro erhält seinen Strom aus einem Lithium-Wechsel­ akku und lässt sich so unabhängig von einer Steckdose überall ver­ wenden. (Bild: Godox)

358  |  6  Blitzfotografie

Der Königsweg ist, direkt einen Akku-Generator zu verwenden: Lithium-Akkus liefern genug Energie, um auch mit 1 200-J-Blitzköpfen arbeiten zu können. Das ist zwanzigmal stärker als die stärksten Aufsteckblitze. Allerdings ist die Akkutechnik für den Dauerbetrieb im Studio nicht ideal, und die Stärke des Einstelllichts ist oft auf 50 W beschränkt, während große Generatoren auch 650 W unterstützen. Neue Akkublitzköpfe verwenden aber oft schon sehr helles LEDEinstelllicht, dass den Studioblitzen kaum nachsteht. Bei manchen Herstellern bekommen Sie für die Akkublitzanlagen zusätzliche Netzstromadapter, die die Generatoren fit für den Studioalltag machen. Insgesamt ist so eine Lösung natürlich teurer als ein von vornherein auf Netzbetrieb ausgelegter Generator. Der Kompaktblitzmarkt bietet inzwischen aber Geräte mit 600 J, die schon ab 600 € erhältlich sind und sich von jedem Kamerasystem mit zusätzlich erhältlichen Funkfernsteuerungen (ab 40 €) inkl. TTL und HSS steuern lassen. Einen echten Blitzgenerator draußen nutzen zu können, bedeutet eine klare Erweiterung Ihrer Möglichkeiten. Bedenken Sie aber, dass ein solcher Generator mit Blitzkopf bis zu zehn Kilo wiegt. Das Gewicht schränkt Sie in der Nutzung also wiederum ein – die Anschaffung will daher gut überlegt sein. Ich würde Ihnen zudem raten, auch bei einem Akku-Generator auf die Möglichkeit der Highspeedsynchronisation nicht zu verzichten, besonders dann, wenn Sie keine Mittelformatkamera verwenden, die sehr kurze Synchronzeiten (1/800 s bis 1/2000 s) über Zentralverschlussobjektive realisieren kann, sodass Sie auch bei Sonne weiter aufblenden können. Kompaktgeräte liegen bei ca. 3 kg für 600 J, aber wenn Sie diese draußen mit größeren Lichtformern verwenden, sind diese windanfällig. Ich verwende deswegen häufiger ein 7-kg-Lichtstativ, dass die Sturzgefahr bei kleineren Windstärken verringert. Wenn Sie mit 200 J auskom-

men, finden Sie Geräte von Godox und Yongnuo, die nur wenig größer als ein Systemblitz sind. Solche Geräte werden Sie eher einmal mitnehmen, vor allem weil sie in die Fototasche passen und die ¼-Zoll-Gewinde auch auf Ihrem Kamerastativ befestigt werden können.

6.10  Lichtformer im Studio Die Möglichkeiten der Lichtgestaltung im Studio sind viel größer als mit Aufsteckblitzen, die mit ihrer Mobilität und Handlichkeit punkten. Hier steht Strom zur Verfügung, das Gewicht ist zweitrangig und transportabel muss auch nicht alles sein. Der Amateur wird in diesem Bereich eher durch Platz und Geld beschränkt als durch die Möglichkeiten der Studiotechnik. Die meisten Aufgaben lassen sich aber auch hier mit überschaubarem Aufwand realisieren.

Reflektoren Ein Reflektor ist ein runder Metallkonus, der vorn an den Blitzkopf angesetzt wird. Reflektoren reichen vom kleinen weitwinkligen Schirmreflektor, der oft standardmäßig mitgeliefert wird, bis zum Beautydish mit etwa 60 cm Durchmesser. Die höchste Lichtausbeute erhalten Sie bei der Verwendung von Reflektoren, die parabolisch geformt sind und einen Abstrahlwinkel von ca. 50° besitzen. Bei den hier abgebildeten Testaufnahmen konnte ich unter Verwendung eines parabolischen Reflektors die Blitzanlage um drei Blenden weiter herunterregeln als zum Beispiel beim weit abstrahlenden kleinen Schirmreflektor oder bei einer Softbox.

HH Abbildung

6.62 Der parabolische Reflektor (Maxisoft von Hensel) ist so effektiv, dass ich den Kompaktblitz vollständig herunterregeln musste, um die gleiche Belichtung wie bei den anderen Beispielen zu erhalten.

Abbildung 6.61 E Diese Reflektorform ist sehr effektiv und liefert eine große Helligkeit. Durch den großen Durchmesser von 32 cm ist das Licht im Nahbereich auch noch gut für Porträts geeignet. (Bild: Hensel)

6.10  Lichtformer im Studio  |  359

Beautydish  | Ein Beautydish leuchtet einen großen Reflektor indirekt aus. Das

Licht wird zum Rand schwächer, sodass es nicht matschig-weich wird, sondern eine hart-weiche Mischung ergibt, die sich sehr gut für Porträts eignet. Anders als die anderen Lichtformer in dieser Größe ist ein Beautydish starr und etwas sperrig beim Transportieren. Sie sollten bei der Anschaffung eines Beautydishs auch gleich eine passende Tasche kaufen, denn gerade die weiße Bauform ist etwas empfindlich und sollte sorgsam transportiert werden. Es sind auch Varianten mit silbernem statt weißem Reflektor erhältlich, die für ein etwas härteres Licht sorgen. Ebenso lässt sich bei einem Beautydish über die ganze Reflektorfläche eine sogenannte Wabe (siehe folgenden Abschnitt) einsetzen, die ebenfalls für ein härteres Licht sorgt.

Abbildung 6.63 E Dieser Beautydish hat einen Durchmesser von 57 cm. Der mittlere Reflektor lässt sich durch eine Wabe ersetzen, wodurch das Licht etwas »knackiger« wird. (Bild: Hensel)

Abbildung 6.64 EE Ein Beautydish ergibt ein weiches, aber kein »matschiges« Licht und ist sehr gut für Porträts geeignet. Hier verwendete ich ihn in seiner Standardbauform: Ein Reflektor warf das Licht in der Mitte zurück in die Schüssel.

Waben Mit dem Einsatz einer Wabe können Sie das Licht härter machen. Eine Wabe ist ein Gitter aus Metall oder, bei Softboxen, aus Stoff, das durch seine Tiefe nur Licht durchlässt, das einigermaßen gerade hindurchfällt. Schräg einfallende Strahlen werden blockiert. Das Licht entspricht so dem von vielen kleineren Lichtquellen nebeneinander, die einen deutlich kleineren Abstrahlwinkel haben. Das Licht wird also sowohl härter als auch gerichteter und enger. Je enger die Wabenstruktur ist, desto stärker ist der Effekt, desto mehr Licht schluckt sie aber auch. Das sollten Sie im Hinterkopf haben. Ein Reflektor mit einer Wabe kann bei Einstelllicht (Glühlampen, nicht LED) sehr heiß werden – die Technik hält das gut aus, nicht aber Ihre Finger. Ich habe

360  |  6  Blitzfotografie

deswegen immer ein Paar Arbeitshandschuhe aus dem Baumarkt mit in der Lichtkiste, so muss ich nicht warten, bis die Wabe abgekühlt ist, wenn ich sie wechseln will.

Abbildung 6.65 E Eine Wabe verengt den Lichtstrahl auf besondere Weise. Das Licht entspricht dem vieler kleinerer paralleler Lichtquellen. (Bild: Hensel)

Softboxen Eine Softbox ist ein meist rechteckiger Lichtformer, bestehend aus einem Stangenrahmen, der außen mit schwarzem Tuch verkleidet ist, das innen silbern reflektiert. Die Vorderseite besteht aus einem weißen Diffusor, der das Licht sehr weich streut. Größere Softboxen haben innen meist noch einen zweiten Diffusor, der dafür sorgt, dass die Ausleuchtung noch gleichmäßiger wird, ansonsten droht das Licht in der Mitte heller zu sein als am Rand. Im Porträtbereich werden heute eher runde, 8- oder 16-eckige Softboxen bevorzugt. Durch ihren zeltartigen Aufbau eignen sich Softboxen auch für sehr große Formate. Im Stilllife-Bereich verwendet man eher rechteckige Softboxen, auch um einfachere Reflexionen mit geraden Kanten zu erhalten. Für die Autofotografie bekommen Sie softboxähnliche Lichtformer auch in acht Meter Länge. Diese werden dann allerdings am Deckenschienensystem eines Fotostudios angebracht und mit mehreren Blitzköpfen bestückt. Zu den großen Vorteilen der Softboxen zählen die Verfügbarkeit in etlichen Formaten – auch als schmale Striplights –, die klaren Reflexionen (ohne störende Streben wie bei Schirmen) und das sanfte, weiche Licht. Nachteilig ist, dass das Licht manchmal zu neutral oder tot wirkt. Deshalb eignen sich Softboxen aber gut als Aufhelllicht, weil ihr weicher Charakter keine zusätzlichen störenden Schatten erzeugt.

GG Abbildung 6.66 Hier sitzt eine Wabe vor dem Maxi­ soft-Reflektor, die das Licht sehr gerichtet durchlässt und es härter macht.

Abbildung 6.67  E Hier verwendete ich eine Softbox mit 120 × 180 cm. Je größer die Fläche, desto weicher wird das Licht. Bei dieser großen Softbox ist der Schatten an der Wand kaum noch zu erkennen.

6.10  Lichtformer im Studio  |  361

6.11  Licht setzen: Im Fotostudio und draußen »Studio« ist das lateinische Wort für Mühe, »Labor« das für Arbeit – das Fotografenleben scheint also sehr hart zu sein. Während das Labor heute nur noch eine geringe Rolle spielt, weil die Digitalfotografie in der Nachbearbeitung meist mit einem Computerarbeitsplatz auskommt, ist das Studio unverändert aktuell. Ein eigenes Fotostudio hat den Vorteil, dass Sie wirkliche Kontrolle über das Licht haben und auch mal einen Aufbau länger stehen lassen können. Falls Sie vorhaben, sich selbst ein festes Studio einzurichten, schauen Sie sich erst einmal sehr viel an. Viele Studios wurden über die Jahre immer besser an die praktischen Anforderungen angepasst, und Sie können sich dort sehr viel mit Blick auf Einrichtungsideen oder Zusammenstellung der Ausrüstung ansehen. Manche Großhändler haben Vorführstudios, und auch in Ihrer Nähe wird es Mietstudios geben, in denen man oft relativ günstig einen Tag lang arbeiten kann. Sie erhalten so eine Menge Ideen für ein eigenes Studio. Vielleicht stellen Sie aber auch fest, dass Sie zwar Licht brauchen, aber kein Studio. GG Abbildung 6.68 Um diese CMYK-Farbstimmung zu erzeugen, blitzte ich von rechts mit einer kleinen Softbox und Magenta­ filter, von links mit einer ebensolchen mit Cyanfilter. Der Hintergrund war eine gelbe Pappe, die ich ohne Filter direkt anblitzte.

135 mm | ƒ13 | 1/160 s | ISO 200 | drei Aufsteckblitze, zwei davon mit Softbox und Farbfilter

362  |  6  Blitzfotografie

Lichtbeispiel mit Aufheller und Abschatter In vielen Fällen benötigen Sie keine zweite Lichtquelle, um eine Lichtsituation in den Griff zu bekommen. Ein Aufheller, der das Licht der ersten Lichtquelle auf das Motiv und in die Schatten reflektiert, reicht dann aus, um die Schwächen der Hauptlichtquelle auszugleichen. Um das Prinzip zu verdeutlichen, habe ich in den folgenden Bildern ein einfaches Lichtbeispiel aufgebaut: Eine alte Kamera steht auf einem glänzenden Karton und wird mit einem externen Kamerablitz von links beleuchtet 1 . Da der Blitz das einzige Licht ist, habe ich die DSLR im manuellen Modus betrieben und eine Blitzsynchronzeit von 1/200 s eingestellt. Die Blende habe ich auf ƒ10 festgelegt, damit eine gute Schärfentiefe erreicht wird. Hinter der Kamera zieht sich ein schwarzer Schatten bis zum Bildrand, und die rechte Hälfte des Motivs ist wenig lebendig beleuchtet. Abhilfe schafft hier ein DIN-A4-Bogen weißes Papier, den ich rechts außerhalb des Bildes aufgestellt habe 2 . Den Bogen habe ich so positioniert, dass er das Blitzlicht gut einfängt und auch vor die zu fotografierende Kamera reicht, damit er ihre Seite beleuchten kann. In der Aufnahme 3 ist der Schatten nun nicht mehr schwarz, und die Kamera trennt sich auch gut vom Untergrund. Außerdem ist das Licht insgesamt etwas lebendiger geworden.

Die Aufnahme ist allerdings immer noch ein wenig langweilig, und Sie können das Licht mit ebenso einfachen Mitteln dramatischer gestalten. Dazu stellen Sie links eine Pappe auf, um einen Streifen des Hintergrunds abzuschatten, und vorn einen Objektivköcher, der einen Teil des Vordergrunds abdunkelt 4 .

GG Abbildung

1

2

3

4

6.69

1 Ein entfesselter Blitz beleuchtet das Motiv von links. Die Kamera trennt sich an der Unterseite nicht vom Schatten. 2 Ich stellte dem Blitz gegenüber einen Papierbogen auf, der einen Teil des Lichts zurückwarf. 3 Der Aufheller wirkt wie eine zweite, weiche Lichtquelle. Die Unterseite der Kamera hebt sich jetzt gut vom Untergrund ab. 4 Um das Licht durch Schattenwurf dramatischer zu gestalten, stellte ich zwei Abschatter vor den Blitz.

6.11  Licht setzen: Im Fotostudio und draußen  |  363

Ein eigenes Studio Fotostudios gibt es in jeder Größe – von der Zimmerecke bis zur Industriehalle. Eine gute Grundausstattung besteht aus einem 500-Jund zwei 250-J-Kompaktblitzen mit Normalreflektoren. Eine Softbox und zwei Schirme als Lichtformer, drei Lichtstative und eine Hintergrundhalterung runden die technische Ausstattung ab. Einen der kleinen Blitzköpfe können Sie auch durch ein vorhandenes Systemblitzgerät ersetzen. Ein Raum ab 12 m² (und gern auch größer) bietet sich als Studio an. Um freier bei der Lichtgestaltung zu sein, ist eine große Raumhöhe von Vorteil. Vielleicht eignet sich Ihr Dachboden gut?

364  |  6  Blitzfotografie

Die Hauptlichtquelle war die ganze Zeit über ein einziger normaler Kamerablitz. Die Lichtsituation wurde nur mit simplen, aus vorhandenem Material improvisierten Aufhellern und Abschattern verändert. Einen Blitz auf der Kamera (Canon Speedlite 580EX II) stellte ich als Master ein, sodass er den zweiten Blitz im Modus E-TTL fernsteuerte, selbst allerdings nicht mitblitzte. Der zweite Blitz stand auf einem Lichtstativ mit Schirmneiger und wurde in den Slave-Modus gesetzt. Den Zoomreflektor stellte ich auf 50 mm ein, damit der Aufheller noch im Licht war, aber der Hintergrund nicht zu viel Licht erhielt. Wenn Sie nur einen Blitz haben, können Sie ihn – sofern Sie kein Automatikkabel von einem Meter Länge haben – im manuellen Modus verwenden und die Blitzstärke einfach über Testaufnahmen ermitteln. In einem dunklen Raum benötigen Sie nicht einmal eine Fernauslösung, sondern können die Kamera auf 1 s Verschlusszeit stellen und den Blitz währenddessen von Hand auslösen.

HH Abbildung

6.70 Dem Endergebnis sieht man nicht an, dass es mit einfachsten Mitteln entstand. Die abgebildete Kamera ist übrigens eine Zeiss Ikon Nettar 515 von 1937.

Lichtbeispiel »Modellauto« »Es gibt nur eine Sonne.« Dieser alte Fotografenspruch bedeutet, dass man sich beim Ausleuchten vorrangig auf das Hauptlicht konzentrieren oder sogar mit nur einer Lichtquelle auskommen soll. Überlegen Sie also, was Sie hervorheben wollen und auf welche Weise das dafür nötige Licht möglichst wenige Nebeneffekte erzeugt. Im Idealfall reicht eine Lichtquelle aus, aber falls nicht, achten Sie darauf, dass mit weiteren Lichtquellen keine neuen Probleme entstehen wie etwa Kreuzschatten. Ich habe eine Scheibe Plexiglas, im Format DIN A3, oben und unten mit dunkler Pappe beklebt, sodass nur ein Spalt von gut 1 cm offen blieb. Den Spalt habe ich mit Transparentpapier überzogen und von hinten mit einem Aufsteckblitz beleuchtet. Alternativ können Sie auf das Transparentpapier verzichten und links und rechts einen Steg der dunklen Pappe stehen lassen. Die Kamera betrieb ich im manuellen Modus M, damit der Verschluss wegen des sehr geringen Dauerlichts nicht lange geöffnet blieb. Die Blitzbelichtung des Blitzes hinter dem Spalt beurteilen Sie hier wie folgt: Die Lichtkante muss zwar innerhalb der Reflexion keine Zeichnung aufweisen, aber sie darf auch nicht überstrahlen. Zu dunkle Bilder erkennen Sie daran, dass das Weiß nicht erreicht wird, zu helle daran, dass das Weiß in das Schwarz überstrahlt. Regulieren Sie dann die Blitzleistung. Erst wenn sie nicht mehr ausreicht, verändern Sie den ISO-Wert. Eine Testaufnahme ergab Bild 1 .

1

GG Abbildung

Strobist Unter diesem Begriff finden Sie eine ganze Szene, die sich mit trickreichem Blitzeinsatz mit oft einfachen Mitteln beschäftigt. Es gibt zum Beispiel eine FlickrGruppe mit diesem Namen, in der zu jedem Bild auch der Lichtaufbau beschrieben wird. www. strobist.blogspot.com ist ein Blog zu diesem Thema. Beide sind allerdings nur in englischer Sprache verfügbar.

2

6.71

1 Das Licht folgt in einer schmalen Reflexion der Karosserie des Modellautos. Durch das Hinterlicht ist von der Seite des Wagens allerdings gar nichts zu sehen. 2 Hier löste ich zwei Blitze von rechts und links allein aus, um die vordere Aufhellung festzulegen. 100 mm | ƒ16 | 1/250 s | ISO 100 | Makroobjektiv

6.11  Licht setzen: Im Fotostudio und draußen  |  365

Die Lichtkante ist in diesem Bild zwar wie gewünscht vorhanden, aber das Bild wirkt so reduziert und abstrakt, dass man nicht viel erkennen kann. Es musste also mehr Licht her, das die Vorderseite aufhellte, aber den dunklen Charakter des Low-Key-Bildes nicht zerstörte. Dazu legte ich zwei normale entfesselte Aufsteckblitze leicht schräg vor das Auto und stellte die Zoomreflektoren ganz eng ein. Diese beiden Lichtquellen allein ergaben die Ausleuchtung, wie sie in Bild 2 zu sehen ist. Alle Lichtquellen kombiniert ergaben das Endergebnis 3 , das Sie hier unten sehen.

3

GG Abbildung 6.72 Der Aufbau im Überblick. Drei Systemblitze und ein Streifen Pergamentpapier zwischen Pappe reichten aus.

Abbildung 6.73 E Die drei Blitze zusammen ergeben ein reduziertes Licht, das aber genug andeutet, damit die wichtigen Details zu erkennen sind.

Zum Schluss die gesammelten Aufnahmedaten: E 100-mm-Makroobjektiv, manuell fokussiert im Live-View-Modus, ƒ16, 1/125 s, ISO 100 E Blitz hinten: Aufsteckblitz auf 1/1, Zoomreflektor auf 135 mm, sodass fast nur die Pappe mit dem Schlitz beleuchtet wurde, per Funk ausgelöst. E Blitze seitlich: Links 1/32, Zoomreflektor auf 200 mm, rechts auf 1/16 Zoomreflektor auf 105 mm, da der Blitz weniger Leistung hat und sich nicht enger einstellen lässt.

366  |  6  Blitzfotografie

Hintergründe im Studio Häufig ist der beste Hintergrund im Studio der, den man überhaupt nicht wahrnimmt. In vielen professionellen Studios ist deswegen eine Wand als Hohlkehle ausgeformt. Die Rückwand geht weich gebogen in den Boden über, sodass sich nirgendwo eine Schattenfuge bilden kann. Der Hintergrund lässt sich so komplett durch die Beleuchtung bestimmen. Der Aufwand ist allerdings hoch, und in vielen Fällen gibt es dafür einen günstigen Ersatz: Eine Hintergrundrolle aus Papier, die üblicherweise in 2,75 m Breite und 10 m Länge angeboten wird, lässt sich so nach vorn auf den Boden ziehen, dass eine Hohlkehle entsteht. Der untere Bereich wird zwar irgendwann verschmutzen und zerknicken, Sie können dann jedoch den unbrauchbaren Bereich einfach abschneiden und von der Rolle nachziehen. Hintergrundrollen bekommen Sie in vielen verschiedenen Farben. Ich persönlich finde ein neutrales, nicht zu dunkles Grau am vielseitigsten.

Tipps und günstige Lösungen Auch im professionellen Fotostudio stammt nicht alles aus dem Fotohandel. Viele Anforderungen lassen sich viel günstiger mit Dingen aus dem Baumarkt oder Künstlerbedarf lösen. Als Aufheller oder Reflektor eignen sich zum Beispiel Styroporplatten aus dem Baumarkt. Sie sind leicht, stabil, farbneutral weiß und sehr günstig. Wenn nötig, bekommen Sie sie auch in über zwei Meter Höhe. Kleine Aufheller können Sie gut aus Karton basteln und nach Wunsch mit selbstklebender Silber- oder Goldfolie aus dem Bastelbedarf beziehen. Ein sehr guter Diffusor ist Transparentpapier, das Sie rollenweise kaufen können. Es lässt sich gut zwischen zwei ca. 12 mm dünnen Aluminiumrohren aus dem Baumarkt aufspannen. Das obere Rohr können Sie mit einer Doppelklemme aus dem Laborbedarf an einem Lichtstativ befestigen. So legen Sie schöne Hintergrundverläufe für Stillleben an oder ersetzen bei Bedarf eine Softbox. Eine kleine Hohlkehle erzeugen Sie einfach mit einem Bristolkarton und Reißzwecken. Den Karton lassen Sie weich auslaufen, zum Beispiel auf einen Tisch, und bekommen so einen kantenfreien Hintergrund für kleinere Motive. Einen Autopole (siehe Abbildung 6.37, Seite 343) können Sie für geringere Belastungen mit Deckenstützen für den Baubedarf ersetzen. Ich habe solche Autopoles für unter 20 € im Einsatz, die ich in Innenräumen oft anstelle von

GG Abbildung

6.74 In diesem Studio geht die Rückwand rund in Boden und Decke über, sodass es keine Schattenkanten gibt, eine sogenannte Hohlkehle.

GG Abbildung 6.75 Transparentpapier, Aluminiumrohr und Blechklammern: So können Sie günstig gute Diffusoren bauen, mit denen Sie das Licht für Stillleben streuen können. Die Klammern bekommen Sie günstig im Künstlerbedarf.

6.11  Licht setzen: Im Fotostudio und draußen  |  367

Lichtstativen verwende und die nur wenig Standfläche benötigen. Einen vier Kilogramm schweren Kompaktblitzkopf sollten Sie daran nicht befestigen, aber für einen Kamerablitz mit Softbox reichen sie allemal. Wenn Sie Bereiche schwarz abhängen müssen, eignet sich Molton gut. Ein absolutes Universalhilfsmittel ist Gaffer-Tape, ein kräftiges breites Klebeband, das man eigentlich immer dabeihaben sollte, wenn es mal aufwendiger wird.

GG Abbildung

6.76 Ein großer Karton und Reißzwecken reichen schon für eine gute Hohlkehle für Produktaufnahmen aus. Sie erhalten so einen gleichmäßigen, hellen Hintergrund ohne Schattenkante.

HH Abbildung

6.77 In der ersten Testaufnahme war das Blitzlicht noch zu wenig vom Dauerlicht zu unterscheiden, das Bild ist etwas zu dunkel und die Schärfentiefe zu knapp.

85 mm | ƒ1,2 | 1/800 s | ISO 100

368  |  6  Blitzfotografie

Lichtbeispiel »Porträt draußen« In diesem Beispiel wollte ich ein Studioporträt draußen ausleuchten. Die Dauerlichtmessung stellte ich so ein, dass der Abendhimmel noch Zeichnung aufwies und die warmen Töne des Hintergrunds zur Geltung kamen. Den manuellen Modus M wählte ich, weil so keine Automatik aktiv ist, die das Bildergebnis beeinflusst. Wenn Dauerlicht und Blitzlicht aufeinander abgestimmt werden, ist es besser, die volle manuelle Kontrolle zu übernehmen. Frontal, leicht rechts über dem Model positionierte ich ein externes Blitzgerät mit einem Schirm und stellte es auf eine manuelle, sehr geringe Leistung. Da bei Offenblende die Zeiten sehr kurz werden, entschied ich mich für die HighSpeed-Synchronisation. Der Canon-Funkauslöser ST-E3 kann den Blitz auch bei manueller Leistungsregelung als HSS-Blitz steuern. Die erste Testaufnahme (Abbildung 6.77) zeigt, dass das Dauerlicht recht gut war und der Himmel wie gewünscht aussah – vielleicht ist die Aufnahme insgesamt aber eine Spur zu dunkel. Der Blitz war allerdings so schwach, dass er den Dauerlichteindruck kaum veränderte. Für ein zweites Bild positionierte ich einen Blitz mit einer Softbox leicht links unter dem Model, um die Schatten aufzuhellen. Ich erhöhte die Blitzleistung, blendete das Objektiv auf ƒ2,8 ab und verlängerte die Verschlusszeit, sodass das Dauerlicht eine Drittelblende heller wurde. Die Belichtungsmessung in diesem Lichtbeispiel erfolgte nur durch Testaufnahmen, Erfahrungswerte und Kopfrechnen. Das visuelle Feedback auf dem Display ist so gut, dass ich meine Belichtungsmesser eigentlich immer zu Hause lasse. Sie werden feststellen, dass Sie mit zunehmender Erfahrung die Blitze so einstellen werden, dass nur noch wenige Korrekturen notwendig sind. In diesem Beispiel verwendete ich ausschließlich Aufsteckblitze. Wenn Sie nur mit kleinen Kamerablitzen arbeiten, sind Sie sehr mobil und können mit wenig Gewicht überall Licht aufbauen.

GG Abbildung 6.78 Der Gesamtaufbau in der Übersicht: ein kleines Fotostudio unter freiem Himmel

FF Abbildung

6.79 Der Vordergrund wird nun klar vom Blitzlicht dominiert, die Aufhellung von unten ist nur eine Blende geringer eingestellt als das Hauptlicht, und der Hintergrund kommt farblich gut zur Geltung, bleibt aber immer noch in weicher Unschärfe.

85 mm | ƒ2,8 | 1/125 s | ISO 100 | zwei Blitze automatisch, oben +1 LW, unten 0 LW

6.11  Licht setzen: Im Fotostudio und draußen  |  369

6.12  Blitzprobleme lösen Die aktuellen Blitzsysteme sind meist sehr zuverlässig, besitzen aber sehr viele Optionen, die dazu führen können, dass der Blitz nicht wie gewünscht arbeitet. Im Folgenden finden Sie eine Checkliste, die Ihnen bei der Fehlersuche hilft: 1.  Blitz auf der Kamera EE

EE EE

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Ist der Blitz angeschaltet, sind die Akkus stark genug? Gerade Fremdblitze verhalten sich manchmal seltsam, wenn die Akkus schwach werden. Ist die Blitzzündung der Kamera aktiviert? Ist der elektronische Verschluss aktiviert? In diesem Fall liest die Kamera den Sensor mit dem leisen Verschluss so langsam aus, dass das Blitzen nicht funktioniert, und deaktiviert deswegen den Blitz. Ist die Blitzzündung im Blitz aktiviert? Wenn der Blitz als Master eingestellt ist, lässt er sich so einstellen, dass er nur steuert, aber nicht mitblitzt. Sitzt der Blitz richtig im Blitzschuh? Sind die Kontakte sauber? Signalisiert der Blitz eine Überhitzung?

2.  Entfesselter Blitz EE EE

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370  |  6  Blitzfotografie

Master auf Kamera, externe Blitze als Slave eingerichtet? Gleicher Übertragungsweg eingestellt? Beachten Sie, dass es die optische und die Funkübertragung gibt. Gleicher Kanal eingestellt? Gleiche ID? Wenn Sie die Batterien gewechselt haben, müssen Sie den Blitz neu einstellen, weil er die Konfiguration »vergessen« hat – das ist bei vielen Blitzgeräten der Fall. Wenn Sie einen Blitzempfänger unter dem externen Blitz verwenden, können auch dort die Batterien leer sein. Bei optischer Übertragung: Ist das Umgebungslicht zu hell? Besteht eine optische Verbindung zur Blitzvorderseite des externen Blitzes? Ist er nah genug? Ist der externe Blitz in den Ruhemodus gegangen? Verlängern Sie gegebenenfalls die Zeit bis zum Ruhemodus, oder schalten Sie die Funktion ganz aus (in den C.FN-Einstellungen des Blitzes). Einmal hatte ich trotz komplett richtiger Einstellungen einen Blitzfehler. Hier half das Zurücksetzen des Blitzes auf die Ursprungskonfiguration (C.Fn/ CLEAR).

3.  Andere Probleme EE

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Wirkt das Blitzlicht streifig? Dann ist der Blitz auf HSS eingestellt und die Kamera verwendet den elektronischen Verschluss. Schalten Sie die Kamera auf den komplett mechanischen Verschluss (electronic first shutter: off) Funktioniert das Infrarot-Hilfslicht für den AF nicht? Bei Spiegellosen ist das normal, weil das Hilfslicht die Belichtungsmessung stört. Bei einer DSLR sollten Sie als ersten Test die Hand vor das Objektiv halten, sodass es in jedem Falle dunkel genug ist für die Aktivierung des Hilfslichts. Es kann auch sein, dass das Hilfslicht in den Custom-Funktionen der Kamera oder des Blitzes abgeschaltet ist.

Nicht immer liegt das Problem darin, dass der Blitz gar nicht blitzt, manchmal stimmt auch die Belichtung nicht. Wenn Sie einen Blitz eines anderen Herstellers als vom Kamerahersteller testen, dann probieren Sie ihn nicht nur in einem Entfernungsbereich aus.

GG Abbildung

6.79 Manchmal wird eine Blitzbelichtung viel zu hell, weil die Kommunikation zwischen Blitzfernsteuerung und externen Blitzen gestört ist. Bei der nächsten Aufnahme ist der Effekt dann verschwunden.

6.12  Blitzprobleme lösen  |  371

kurz & bündig:  Blitzfotografie Blitzlicht zu verwenden, ist eine sehr grundsätzliche Entscheidung. Oft ist es besser, auf den Blitz zu verzichten und ausschließlich das natürliche Licht zu nutzen. Wenn Sie aber den Blitz einsetzen, dann verstehen Sie ihn bitte nicht als Nothelfer für zu dunkle Lichtsituationen. Sehen Sie in ihm vielmehr die Freiheit, eigenes Licht zu setzen und zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Auswahl zu haben. Dieses Kapitel hat Ihnen einige der vielfältigen Möglichkeiten aufgezeigt. Die Digitalfotografie hat das Blitzen sehr stark vereinfacht. Während ich früher für Aufnahmen mit der Großbildkamera bei Blende ƒ16,5 und ISO 100 mindestens zwei 1 200-J-Generatoren mitnehmen musste, komme ich heute häufig mit ein bis vier Aufsteckblitzen aus, die per E-TTL und Funk ausgelöst werden. Ich kann mit höheren ISO-Werten und offeneren Blenden arbeiten und jede Aufnahme im Display kontrollieren. Einstelllicht ist deshalb auch nicht mehr ganz so wichtig, wenngleich es weiterhin zu den großen Vorteilen von Studioblitzen zählt. Wenn Sie manuell per Funk steuern, reichen auch alte gebrauchte Blitze für wenig Geld und günstige Funkauslöser. Nur wenn ich viel und stark blitzen muss, sehr große Lichtformer verwende oder in manchen Studiosituatio­ nen, in denen es mit Einstelllicht einfach komfortabler ist, verwende ich noch meine Blitzanlage. Beim Lichtsetzen ist es wie beim Fotografieren auch: Das Ergebnis wird besser, wenn Sie sich vorher überlegen, welche Elemente als wesentlich hervorgehoben werden sollen, und wenn Sie den Hintergrund nicht aus den Augen lassen. Vergessen Sie nie, dass sich das Blitz- und das Dauerlicht fast völlig unabhängig gestalten lassen. Ob Sie die Lichtsituation mit einem Blitz subtil verbessern oder eine völlig neue Inszenierung nur durch das Blitzlicht erschaffen: Mit Blitzlicht haben Sie eine völlig neue Gestaltungsebene.

Anregungen für die Fotopraxis EE

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372  | 

KURZ & BÜNDIG:

Blitzfotografie

Fotografieren Sie eine Person oder ein Objekt in einem abgedunkelten Raum. Versuchen Sie, möglichst unterschiedliche Lichtsituationen mit nur einem Blitzgerät zu realisieren. Sie dürfen den Blitz von Hand auslösen und Hilfsmittel aller Art verwenden. Loten Sie die Grenzen der Blitzreichweite aus. Gehen Sie dazu nachts nach draußen, öffnen Sie die Blende weit, und stellen Sie einen hohen ISO-Wert ein. Blitzen Sie manuell mit voller Kraft. Wenn die Teilchen in der Luft vor der Kamera zu hell werden, nehmen Sie den Blitz von der Kamera, und blitzen Sie von Hand, während der Verschluss offen ist.

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Suchen Sie sich einen spannenden Ort, an dem Sie nachts mit Wanderblitz ein interessantes Bild aufnehmen. Achten Sie auf Ihre Sicherheit: Nehmen Sie eine Taschenlampe mit, falls es zu dunkel ist, um den Weg gut zu erkennen. Am besten verwenden Sie einen feststellbaren Kabelauslöser, um mit Verschlusszeiten über 30 s arbeiten zu können – bei neueren Systemkameras gibt es oft noch einen Menüpunkt, in dem Sie beliebig lange Verschlusszeiten einstellen können. Basteln Sie sich eine Konstruktion, mit der Sie möglichst weiches Blitzlicht erzeugen. Das kann Papier sein, das Sie vor dem Blitz mit Tesafilm zu einem Bogen formen, oder ein Reflektor, der viel von dem nach oben gerichteten Blitzlicht nach vorn wirft (nur mit Schwenkreflektor möglich). Stellen Sie eine Person vor einen Hintergrund. Gehen Sie einmal mit dem Blitz sehr nah heran, einmal sehr weit weg. Betrachten Sie den Unterschied in der Helligkeitsverteilung zwischen Vorderund Hintergrund. Heben Sie Ihr Hauptmotiv bei Tageslicht heraus, indem Sie den Blitzreflektor auf einen engen Abstrahlwinkel stellen und ihn genau auf das Motiv schwenken. Versuchen Sie sich in der Kurzzeitfotografie. Sie müssen dafür den Blitz auf eine sehr kleine Stufe stellen oder dafür sorgen, dass die Automatik ihn weit herunterregelt. Fotografieren Sie ein Motiv, das sich mit bloßem Auge nicht erfassen lässt. Achten Sie darauf, dass das Umgebungslicht nicht zu hell ist. Zwingen Sie sich, in einer Situation, in der Sie sonst blitzen würden, ohne Ihr Blitzgerät auszukommen. Verwenden Sie umgekehrt auch dann einmal den Blitz, wenn Sie ihn eigentlich in der Tasche lassen würden. So gewöhnen Sie sich daran, den Blitz nicht mehr nur als Hilfsmittel für schwaches Licht wahrzunehmen. Suchen Sie sich ein Motiv, um das Sie sich in Ruhe herumbewegen können. Begreifen Sie den Motivort wie eine Bühne, die Sie möglichst dramatisch inszenieren sollen. Nachts kommen Sie dabei mit einem einzigen Blitzgerät aus, indem Sie entweder bei langer Verschlusszeit wanderblitzen oder Einzelaufnahmen erstellen, die Sie später am Rechner übereinanderlegen. Erstellen Sie ein Bild mit nur einem Blitz. Das Blitzgerät selbst soll im Foto sichtbar sein. Erschaffen Sie eine schöne Lichtsituation für die Makrofotografie draußen. Sie dürfen Aufheller, Lichtfilter und/oder mehr als einen Blitz verwenden.

GG Abbildung 6.80 Ein Moment, den Sie normalerweise nicht in Ruhe betrachten können: Eine Erdbeere fällt ins Wasser, und doch ist ihre obere Hälfte noch trocken.

100 mm | ƒ16 | 1/200 s | ISO 320 | drei Blitze manuell, der hintere blitzt mit Farbfolie durch einen Diffusor

KURZ & BÜNDIG:

Blitzfotografie  |  373

Kapitel 7:  Bildgestaltung Technische Aspekte können zwar ein Ausschlusskriterium für ein gutes Bild sein, etwa wenn die Schärfe danebenliegt, aber sie sind niemals ausreichend, um ein gutes Bild zu erzeugen. Ohne eine gelungene Gestaltung und ein interessantes Motiv erweckt ein Bild kaum Aufmerksamkeit und geht in einer Masse beliebiger Aufnahmen unter. Eine gute Gestaltung hilft dem Betrachter, Ihre Bilder zu lesen und von ihnen emotional angesprochen zu werden.

7.1  Grundlagen Bildgestaltung ist nicht nur ein Mittel, ein Foto schöner erscheinen zu lassen, sondern sie ist hauptsächlich dazu da, ein Bild verständlich und emotional erfahrbar zu machen. Wenn Sie sich fragen, warum sich der Betrachter das Bild später ansehen soll, und Sie diesen Grund dann visuell auf den Punkt bringen, haben Sie den richtigen Ansatz für die Gestaltung. Dabei kann dieser Grund auch eine emotionale Reaktion Ihrerseits auf das Motiv sein, etwas, was sich vielleicht gar nicht in Worte fassen lässt. Aber das muss es auch nicht – ein Bild sagt nicht nur »mehr als tausend Worte«, sondern kann auch etwas ausdrücken, was sich nicht oder nur von begabten Dichtern sagen ließe. Sie müssen ein Motiv nicht nur erkennen, sondern es auch fotografisch umsetzen können. Dabei helfen Ihnen eine bewusste Bildgestaltung und die Beschäftigung mit der Wahrnehmung. Die erste Entscheidung bei der Bildgestaltung ist die, was überhaupt aufs Bild kommt und was nicht. Häufig reduziert diese Entscheidung die Anzahl der Anordnungsmöglichkeiten schon gewaltig. Alles, was stört, soll nicht mit aufs Bild, aber auch alles, was nicht zur Bildwirkung beiträgt. Albert Einstein sagte einmal: »Man soll die Dinge so einfach machen wie möglich, aber nicht einfacher.« Das ist auch in der Gestaltung ein sehr gutes Motto. Ein ganz wesentliches Gestaltungsmittel ist viel zu umfassend, um hier in diesem Kapitel so nebenbei abgehandelt zu werden: das Licht. Aus diesem Grund hat das Thema Licht ebenso wie die Themen Farbe und Belichtung jeweils ein eigenes Kapitel erhalten. Dort werden auch die gestalterischen Aspekte behandelt, die mit Licht, Farbe und Belichtung zu tun haben.

Abbildung 7.1 Das Raster der Architektur wird zum Bildraster. Die Bildgestaltung betont aber gerade deswegen die Unterschiede.

FFF

17 mm | ƒ9 | 1/200 s | ISO 100 | Canon TS-E 17 mm ƒ4L

7.1  Grundlagen  |  375

Kunstgeschichte Noch im Spätmittelalter gab es auf Gemälden keine korrekte Perspektive, und die Größenverhältnisse der Personen waren hauptsächlich von ihrer Wichtigkeit bestimmt. Dabei sollten Sie nicht unbedingt davon ausgehen, dass die Menschen es damals einfach nicht besser konnten, sondern eher davon, dass eine perspektivisch korrekte Darstellung weniger wichtig war und eine wissenschaftliche Denkweise – wie später in der Renaissance – überhaupt nicht dem Geist der Zeit entsprach. Und obwohl die Menschen in einer völlig anderen Zeit lebten und ganz anders dachten, werden wahrscheinlich auch Sie beim Betreten einer romanischen oder gotischen Kirche den Eindruck großer Harmonie und Schönheit empfinden. Bestimmte Elemente der Harmonielehre sind schon seit über 2 000 Jahren bekannt, wie zum Beispiel der Goldene Schnitt (siehe Seite 414), wobei sie vielleicht schon vorher intuitiv verwendet wurden. In der Natur finden Sie harmonische Verhältnisse sehr häufig, weil sie dem mathematischen Ideal einer optimalen Konstruktion entsprechen. Ein bekanntes Beispiel ist das Vorkommen der Fibonacci-Folge in der Blüte der Sonnenblume. Fibonacci-Folge Die Fibonacci-Folge beginnt mit 0 und 1. Jede weitere Zahl der Folge ist die Summe der beiden vorhergehenden. 0 und 1 ergibt 1, 1 und 1 ergibt 2, 1 und 2 ergibt 3 etc.: 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233, 377, 610, 987, 1 597, 2 584, …

Das Verhältnis benachbarter Zahlen nähert sich dem des Goldenen Schnitts an. Interessanterweise finden Sie diese Zahlenpaare in der Natur recht häufig wieder: Die am weitesten verbreiteten Sonnenblumen haben 55 rechtsdrehende und 34 linksdrehende Spiralen (oder umgekehrt), seltener sind es 21 und 34. Riesensonnenblumen haben 144 und 233 Spiralen. Das ist keine Laune der Natur, sondern eine Folge der Evolution; die Anordnung im »Goldenen Winkel« sorgt für eine optimale Raumnutzung bei gleichzeitig geringer gegenseitiger Abschattung.

34

55 7.2 E

Abbildung Von den flacheren, rechtsdrehenden Spiralen gibt es 34, von den steileren, linksdrehenden 55. Solche Verhältnisse, die dem zweier benachbarter Fibonacci-Zahlen entsprechen, finden sich in der Natur häufig.

376  |  7  Bildgestaltung

FF Abbildung 7.3 Eine Kalkmalerei aus der Kirche von Broager zeigt den Tag des Jüngsten Gerichts (ca. 1500–1525). Der Bildaufbau ist typisch für das ausgehende Mittelalter, trotzdem verstehen wir die Darstellung auch 500 Jahre später noch sehr gut.

Ob Sie es wollen oder nicht: Jedes Bild, das Sie zeigen werden, wird in der Wahrnehmung Ihrer Mitmenschen von tausenden Jahren Kunstgeschichte beeinflusst. Selbst wenn sich die Betrachter nicht selbst damit beschäftigt haben, so baut doch ein großer Teil der Bilder, die sie vorher gesehen haben, darauf auf, denn selbst aktuelle Werbe- und Reportagefotos oder das Kino und Fernsehen sind davon beeinflusst. Unsere Wahrnehmungskonventionen sind gelenkt von unserer kulturellen Entwicklung. Bestimmte Symbole und Farben haben eine bestimmte Bedeutung, allerdings ist diese Bedeutung kulturabhängig. Da wir uns meistens in einer westlich geprägten Umgebung aufhalten und sich viele touristische Ziele dem angepasst haben, wird uns das oft nicht so bewusst. Aber wenn Sie schon einmal in Asien oder Afrika der einzige Ausländer weit und breit waren, kennen Sie vielleicht das Gefühl des Kulturschocks – eine Situation, in der man von Information überhäuft wird, die man nicht deuten kann, weil sich die Zeichen nicht decodieren lassen und die Konventionen sich stark vom Gewohnten unterscheiden.

Abbildung 7.4 E Ein Rabe landet auf einem Gipfelkreuz. Kaum einer wird das Bild ohne Gedanken an eine symbolische Bedeutung betrachten.

22 mm | ƒ11 | 1/2000 s | ISO 200

7.1  Grundlagen  |  377

Wahrnehmungspsychologie

GG Abbildung

7.5 Ein halbkreisförmiges Fenster reicht, um dieses Haus in der Normandie in ein lachendes Gesicht zu verwandeln. Unser Gehirn ist ständig auf der Suche nach Zeichen, Mustern und Bedeutungen.

GG Abbildung

7.6 »Die Wirklichkeit überlässt sehr viel der Vorstellung«, sagt John Lennon hier auf einem Graffito in Amsterdam.

378  |  7  Bildgestaltung

In unserer lateinischen Schrift verläuft die Leserichtung auf einer Seite von oben nach unten und in einer Zeile von links nach rechts. Deswegen fangen wir meist auch oben links an, ein Bild zu »lesen«. Wenn Sie sich Anzeigen in einer Zeitschrift anschauen, werden Sie feststellen, dass das Logo oder das Produkt fast immer unten rechts abgebildet werden. So will man sichergehen, dass zum Ende der Betrachtung das Wahrgenommene mit dem Produkt verknüpft wird. Im arabischen Sprachraum stehen die Logos häufig unten links, weil die Schrift von rechts nach links läuft. Eine Diagonale schräg durch das Bildformat wird in unserem Kulturkreis als fallend wahrgenommen, wenn sie von links oben nach rechts unten führt, und als steigend von links unten nach rechts oben. Die steigende Variante ergibt ein dynamischeres Bild. Es gibt aber auch eine Menge Einflussfaktoren, die nicht kulturabhängig sind, sondern biologische Gründe haben. Versuchen Sie einmal, während Sie diese Zeile lesen, ein Wort fünf Zeilen weiter zu erfassen, ohne die Augen zu bewegen. Sie merken spätestens dann, wie begrenzt das Sehfeld der bewussten und scharfen Wahrnehmung ist. Die Augen müssen ständig in Bewegung sein, um ein Bild oder die Wirklichkeit zu erfassen. Unser Gehirn setzt daraus erst ein Gesamtbild zusammen. Härter ausgedrückt: Ihre Wirklichkeit ist von Ihrem Gehirn konstruiert. Das hat teilweise »erschreckende« Auswirkungen, wie ein wissenschaftlicher Versuch zeigt: In einem Park mit einem Weg in der Mitte fragt ein Passant einen anderen nach dem Weg zu einer Sehenswürdigkeit. Während der zweite etwas erklärt, kommen zwei Männer, die eine Tür vorbeitragen und die zwischen den beiden hindurchgehen. Der erste Passant geht hinter der Tür mit weg, ein dritter kommt hinter der Tür mit und ersetzt den ersten. Diese beiden Personen, die für den Versuchsteilnehmer innerhalb von zwei Sekunden, in denen seine Sicht durch die Tür versperrt ist, ausgewechselt werden, können sich radikal unterscheiden, zum Beispiel in der Größe, in der Farbe der Kleidung und im Geschlecht, und trotzdem bekommt ein großer Teil der Versuchsteilnehmer diesen Wechsel nicht mit, sondern hält die beiden Personen für identisch und erklärt einfach weiter den Weg. Dieser Versuch betrifft nur die Gegenwart oder unmittelbare Vergangenheit, mit Erinnerungen an die entferntere Vergangenheit sieht es noch gravierender aus: Man hat festgestellt, dass Menschen Geschehnisse in Büchern oder Filmen als ihre eigenen ausgeben, weil sich diese in der Erinnerung mit den realen Ereignissen vermischt haben. Trotzdem sind die Leistungen unseres Gehirns sehr beachtlich: Häufig reicht ein Bruchteil einer Sekunde, um Dinge zu erkennen, und wir können in Gefah-

rensituationen oft extrem schnell reagieren. Unser Gehirn ist sehr gut anpasst an unser Leben, aber wir dürfen nicht der Illusion erliegen, es könnte objektiv Wahrheit feststellen oder uns ein unverfälschtes Bild der Wirklichkeit vermitteln. Was bedeutet das aber nun für den Fotografen? Um verstanden zu werden, müssen Sie Bilder schaffen, die ihre Lesbarkeit nicht durch überflüssige Details oder schlechte Anordnung behindern und die sich visuell klar ausdrücken. Sie müssen damit rechnen, dass unterschiedliche Betrachter Ihre Bilder unterschiedlich interpretieren werden, umso mehr, wenn sie einem anderen Kulturkreis verbunden sind. Trotzdem dürfen Sie in Ihrer Ausführung nicht zu »platt« werden, weil ein schlechtes Bild wahrscheinlich innerhalb einer Drittelsekunde als schlecht erkannt wird und sich der Betrachter dann anderen zuwendet. Und Sie müssen sich im Klaren darüber sein, dass das, was Ihr Gehirn aus Ihrer eigenen Wahrnehmung zusammenbaut, sich nicht automatisch zu einem ebenso klaren Foto zusammenfügen wird. Dafür ist ein bewusster Prozess notwendig, in dem Sie zunächst Ihre Wahrnehmung auseinandernehmen müssen, um sie anschließend wieder zu einem guten Bild zusammenzusetzen. Ein Beispiel: Sie sehen eine interessante Person in einer Stadtlandschaft und schießen einfach spontan ein Foto. Wenn Sie später das Foto sehen, werden Sie feststellen, dass die Person viel zu klein abgebildet ist und dass ihr ein Verkehrsschild aus dem Kopf zu wachsen scheint. Außerdem ist der Gesichtsausdruck sehr schlecht eingefangen. Wie kommt das? Erstens haben Sie sich während der Aufnahme so auf die Person konzentriert, dass Sie den Rest ausgeblendet haben und sie Ihnen im Verhältnis zum Umfeld größer erschien – der Bildwinkel der bewussten Wahrnehmung ist nämlich sehr klein. Die Kamera hingegen nimmt das gesamte Bildfeld ohne Gewichtung ganz neutral auf. Den Hintergrund können Sie besser ausblenden, weil Sie dreidimensional sehen, die Kamera aber nur zweidimensional. Zweitens sehen Sie das Bild in Bewegung, und Sie nehmen die prägnanten Momente der Mimik wahr, die Kamera hingegen nimmt einen beliebigen Moment auf, in dem die Person vielleicht gerade blinzelt oder sich zwischen zwei Gesichtsausdrücken befindet, ein Moment, den wir nicht bewusst erfassen. Lassen Sie mich das kurz zusammenfassen: EE Das, was ist, und das, was Sie wahrnehmen, sind zwei unterschiedliche Dinge. EE Das, was Sie wahrnehmen, und das, was Sie fotografieren, sind zwei unterschiedliche Dinge. EE Es ist normal, misslungene Fotos zu machen. EE Um gute Bilder zu machen, müssen Sie die wesentlichen Punkte des Wahrgenommenen bewusst erfassen und wieder zu einem Bild zusammensetzen. Fotografie ähnelt damit einem Übersetzungsvorgang.

GG Abbildung

7.7 Vermutlich werden viele Leser den Fußabdruck als nach oben gewölbt wahrnehmen, obwohl Fußabdrücke immer eingedrückt sind. Das Gehirn interpretiert das Licht aber unabhängig von diesem Wissen. Das Motiv richtig zu sehen, erfordert eine große Konzentration, wenn man es zuerst falsch wahrgenommen hat.

7.1  Grundlagen  |  379

Wenn Sie nun vermuten, dass aber vielleicht das, was ist, und das, was fotografiert wird, übereinstimmen kann, dann entdecken Sie andere Abgründe: Die Tatsache der Beobachtung verändert die Wirklichkeit, und dies ist schon auf submikroskopischer Ebene der Fall – das ist ein Naturgesetz aus der Quantenphysik. (Aus unbestimmten Überlagerungszuständen wird in der Quantenwelt erst im Moment der Messung eine konkrete Eigenschaft eines Teilchens.) Sie werden in Ihrem persönlichen Umfeld allerdings auch schon die Erfahrung gemacht haben, dass sich die Situationen und das Verhalten der Menschen komplett verändern, sobald eine Kamera ins Spiel kommt. Das hat zwar weniger mit Physik zu tun, steht aber dem neutralen Erfassen der Geschehnisse im Weg.

Das menschliche Auge GG Abbildung

7.8 Vielleicht werden Sie Ihrem Auge eher gerecht, wenn Sie es weniger als optisches Instrument und mehr als den vorderen Teil Ihres Gehirns ansehen.

Sie hören oft, dass ein 50-mm-Objektiv dem Auge am nächsten kommt, weil es die Perspektive ähnlich abbildet und dem Bildwinkel des Auges entspricht. Es stimmt, dass in diesem Bereich der natürlichste Eindruck erzielt wird, aber die Wahrheit ist – wie immer – komplizierter. Wenn Sie Ihre Finger seitlich neben den Kopf halten und schauen, ab wann Sie sie sehen können, werden Sie feststellen, dass Ihre Augen einen Blickwinkel von ca. 180° erfassen können. Dort außen ist die Wahrnehmung aber weder besonders detailliert, noch können Sie dort Farben bestimmen, wenn zum Beispiel ein unbekannter Gegenstand von einer anderen Person in Ihr Blickfeld geschoben wird. Das wird nach innen hin besser, aber der wirklich scharfe Bereich, mit dem Sie die Detailinformationen erfassen und jetzt diese Zeilen lesen,

FF Abbildung 7.9 Dass die Augen nicht einfach nur die Realität abbilden und wie wichtig die Bewegungen der Augen sind, können Sie mit diesem kleinen Experiment nachvollziehen: Starren Sie unbewegt auf den schwarzen Punkt in der Mitte, und versuchen Sie dabei, für etwa eine Minute die Augen nicht zu bewegen (Blinzeln ist erlaubt). Das Bild wird sich verändern, und Ringe werden verschwinden oder zu einem werden. Danach können Sie auf eine weiße Fläche schauen: Sie sehen dann das Negativ dieses Testbilds als Nachbild. Blinzeln verstärkt diesen Effekt.

380  |  7  Bildgestaltung

FF Abbildung

7.10 Halten Sie sich das rechte Auge zu, und fixieren Sie mit dem linken den Stern. Verändern Sie dann langsam Ihre Entfernung zur Grafik. Bei etwa 30 cm Abstand wird der schwarze Kreis verschwinden und durch den magentafarbenen Hintergrund ausgefüllt werden.

ist winzig. Der Punkt des schärfsten Sehens auf der Netzhaut, die Fovea centralis – auch Sehgrube genannt –, deckt nur einen Sehwinkel von 1,2 bis 1,4° ab, und das ist weniger, als ein 1 000-mm-Teleobjektiv abbildet. Das Auge »scannt« also den Bereich des bewussten Sehens ständig ab und erfasst immer nur winzige Bereiche scharf. Diese werden im Gehirn mithilfe des Gedächtnisses zusammengesetzt. Sehen ist also eher ein kognitiver als ein optischer Vorgang und unterscheidet sich grundlegend vom Fotografieren. Den Effekt, der im Experiment mit den farbigen Kreisen gezeigt wird, können Sie auch in Ihrem normalen Umfeld feststellen. Wenn Sie zum Beispiel im Bett liegen, den Rauchmelder an der Decke fixieren und die Augen nicht bewegen, werden langsam von außen alle Details in Ihrem Bildfeld verschwinden. Falls Sie keinen Rauchmelder haben, kaufen Sie heute einen bzw. erinnern Sie Ihren Vermieter an die Vorschrift, und wiederholen Sie das Experiment morgen (das ist das einzige Experiment in diesem Buch, das Ihr Leben retten kann). Es gibt einen Bereich in Ihrem Auge, den sogenannten blinden Fleck, in dem Sie gar nichts sehen können, weil dort die Nervenbahnen aus der Netzhaut treten und sich dort keine Sehzellen befinden. Trotzdem merken Sie davon nichts, wenn Sie nicht einen extra auf diese Tatsache abgestimmten Test ausführen. Das Gehirn ergänzt den Bereich einfach, ohne dass Sie es merken, ähnlich wie mit dem Reparaturpinsel in Photoshop. Schon im Auge selbst sind die Sehzellen mitei­ nan­der verschaltet, sodass bestimmte Eigenschaften einer Ansicht verstärkt werden, wie zum Beispiel der 45°-Winkel. Das führt allerdings auch zu einer Vielzahl von optischen Täuschungen.

HH Abbildung

7.11 Obwohl es Ihnen nicht so vorkommen wird, gibt es in diesem Bild nur senkrechte und waagerechte Kanten. Testen Sie das ruhig mit einem Lineal. Durch die Verstärkung von Kanteneffekten im Auge wirkt das Bild allerdings ziemlich verbeult. (Bild: Bernard Ladenthin)

7.1  Grundlagen  |  381

Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher optischer Täuschungen und jede Menge interessanter Effekte, die die menschliche Wahrnehmung betreffen. Eine Bildersuche im Internet nach »optical illusions« wird Ihnen eine unterhaltsame Zeit bescheren, noch spannender ist es aber, sich in das Thema einzulesen und sich mit den Gründen für diese Täuschungen zu beschäftigen. Das würde hier zu weit führen, aber die eigene Wahrnehmung und ihre Fallgruben besser zu verstehen, ist für einen Fotografen auf jeden Fall sinnvoll. Gestaltungsabsicht

GG Abbildung 7.12 Hier fokussierte die Kamera auf den Hintergrund statt auf die Blüte. Ich fand das Ergebnis aber interessanter als das gewünschte.

420 mm | ƒ4 | 1/250 s | ISO 400

Beim World Press Photo Award 2010 wurde ein Preisträger disqualifiziert, weil er einen hellen Fleck hinter einer bandagierten Hand wegretuschiert hatte. In den letzten Jahren wurden 16 bis 20 % der Finalisten wegen ähnlicher Verstöße (Klonen, Wegretuschieren, Überbearbeitung) disqualifiziert. African Geographic zog 2019 den ersten Preis Wildlife Photographer of the year zurück, weil der Fotograf ein Elefantenohr in Photoshop ausgebessert hatte. Wenn die Fotografen ihre Bilder bei einer Werbeagentur eingereicht hätten, hätte diese selbstverständlich erwartet, dass sie die störenden Elemente entfernen, so aber brachten sie kleine Manipulationen um renommierte Preise. Die richtige Gestaltung hängt also sehr stark vom Einsatzzweck eines Fotos ab: Was in der Werbung selbstverständlich ist, kostet Sie in der Reportage »den Kopf«, die Idealisierung in der Beautyfotografie widerspricht den Zielen der Porträtfotografie, und die Freiheiten in der Kunstfotografie stoßen in anderen Bereichen nur auf Unverständnis. Ihre Gestaltungsmittel müssen also dem Gestaltungszweck angemessen sein. Die Frage »Wie mache ich das?« kommt erst nach »Was will ich?«.

Regeln brechen Es gibt in der Fotografie eine Menge Regeln. Vergessen Sie niemals, dass Sie alle davon brechen dürfen. Oft wird ein Bild gerade deshalb treffend, weil Sie sich über diese Regeln hinweggesetzt haben. Viele Ergebnisse entstehen zufällig oder haben ihre Ursache in technischen Fehlern. Das muss nicht schlecht sein, denn manchmal entsteht dabei etwas Abbildung 7.13 E Nach einer Weile schienen die Menschen auf der gegenüberliegenden Seite der Rolltreppe der Moskauer Metro schräg zu stehen, und ich beschloss, das auch so zu fotografieren.

32 mm | ƒ4 | 1/80 s | ISO 1 600

382  |  7  Bildgestaltung

Neues, das eine eigene Qualität hat. Wenn ein Bild gut ist, dann ist es nicht wichtig, ob Sie es genau so gewollt haben, oder ob etwas passiert ist, dessen Qualität Sie erkannt haben. Sie können dem Zufall bewusst mehr Platz einräumen, wenn Sie beim Fotografieren nicht durch die Kamera schauen. Erstens werden dadurch neue Perspektiven möglich, zweitens ergeben sich manchmal Bildaufbauten, die spannend sind und etwas gewagter, als Sie sie bewusst herbeiführen würden. Es ist in jedem Fall sinnvoll, das Fotografieren aus der Hüfte oder über dem Kopf etwas zu üben, so wissen Sie besser, was Sie auf dem fertigen Bild einfangen werden und können im Ernstfall schnell gut zielen. Im Einzelfall kann es die Bildaussage unterstützen, wenn Sie sich entscheiden, etwas »falsch« zu machen. Zum Beispiel, dass die Schärfe gerade nicht auf dem Motiv liegt, Sie viel zu lange Verschlusszeiten verwenden oder das Motiv außerhalb des Lichts positionieren. Auf einem Foto des amerikanischen Fotografen Duane Michals steht ein Mensch in einer dunklen Unterführung, und sein Kopf wird vom Sonnenlicht beschienen. Man erkennt zwar das Umfeld, aber sein Kopf ist so überbelichtet, dass nur eine Lichtwolke zu sehen ist. Das Bild finden Sie unter »illuminated man« und dem Namen des Fotografen leicht im Internet. Manche würden das Bild sofort als misslungen aussortieren, aber mir ist es seit 1989, als ich es in Hamburg im Museum sah, im Gedächtnis geblieben.

F G  Abbildung

7.14 Ein Panorama über Kopf ging beim ersten Versuch in Photoshop schief (linkes Bild). Ich habe das Bild dennoch aufgehoben, weil es einen ganz eigenen Reiz besitzt.

7.1  Grundlagen  |  383

7.2  Qualitätskriterien Es ist schwierig, absolute Kriterien für die ästhetische und gestalterische Qualität eines Bildes aufzustellen, und jene, die es trotzdem versuchen, sind immer ihrem eigenen kulturellen Kontext unterworfen. Was vor 120 Jahren die Akademiemeinung zur Hochkunst war, spiegelt nicht das wider, was heute kunstgeschichtlich aus dieser Zeit für bedeutend angesehen wird. Bildgestaltung unterliegt Moden, Kulturen haben ihre eigenen Zeichensysteme und Menschen einen unterschiedlichen Geschmack. Trotzdem werden sich kundige Betrachter weitgehend einig werden, ob ein Bild etwas taugt. Im Folgenden will ich versuchen, Ihnen Anhaltspunkte für die Kriterien zu geben, wohl wissend, dass ich auch nur ein Kind meiner Zeit bin und vieles in diesem Bereich subjektiv bleibt. Vielleicht ist es einfacher, zunächst die Merkmale eines schlechten Bilds zu bestimmen.

Was schlechte Bilder ausmacht

HH Abbildung 7.15 Typisches Stockfoto, das leider auch noch handwerkliche Mängel aufweist (Bild: Astock, Nr. 6561518, https://stock.adobe.com/de)

384  |  7  Bildgestaltung

Ein schönes Beispiel für ein schlechtes Bild, das ich unter dem Titel »motivated business team« in einer Stockfoto-Agentur fand (Abbildung 7.15). Beginnen wir mit den handwerklichen Schwächen: Das Licht sieht eher zufällig als gestaltet aus. Eine Person ist fast komplett im Schatten, und da sie auch fast vollständig verdeckt ist, hätte man besser auf sie verzichtet. Die Kleidung sitzt schlecht, gerade bei der Person hinten sieht das Hemd fast schon grotesk verformt aus. Das kühle, schlecht gesetzte Licht ergibt mit dem hellbraunen Hintergrund einen unharmonischen und hässlichen Gesamteindruck. Die Gesichtsausdrücke sind nicht besonders gut eingefangen. Es wirkt eher so, als würden die Modelle herumalbern, weil sie die Aufnahmesituation schon nicht mehr ernst nehmen. Auch auf der inhaltlichen Ebene gibt es Schwächen: In der Stockfotografie (Fotografie für den Vertrieb über Bildagenturen) wird der Erfolg in der Geschäftswelt ohnehin stark überzeichnet dargestellt. Aber der hohe Prozentsatz gerade in völliger Ekstase den Erfolg feiernder Menschen in der Businessfotografie lässt eher an Sekten-Propaganda denken als an die Wirtschaft. Dieses Bild bringt selbst das nicht auf den Punkt. Die Handhaltung

wirkt eher verunglückt und die Personen eher belustigt als froh. Natürlich ist das nicht gewollt, aber da das Bild nicht klar gestaltet ist, ist die Gefahr hoch, dass es auch nicht gut verstanden wird. Bei dem zweiten Bild (siehe Abbildung 7.16) hat der Fotograf wahrscheinlich die gestalterischen Mängel erkannt. Der Bildaufbau ist etwas ungeordnet, die verschiedenen Flamingos trennen sich nicht gut voneinander. Obendrein wirken die Bildränder alle etwas abgeschnitten. Mit ein bisschen Geduld hätte der Fotograf vielleicht eine bessere Konstellation aufnehmen können. Eine weiter geöffnete Blende hätte ebenfalls geholfen, das Hauptmotiv besser vom Hintergrund abzuheben. Leider wurde hier eine andere Methode gewählt, um ein »besseres« Bild zu erhalten: Der Vogel wurde in der Bildbearbeitung mit einem regenbogenfarbenen Verlauf versehen. Das macht das Bild aber nicht besser und erzeugt einen sehr kitschigen Gesamteindruck. Man kann in Photoshop zwar sehr viel erreichen, jedoch ist es leider auch sehr leicht, ein schlechtes Bild noch schlechter zu machen. Folgende Eigenschaften werden Sie häufig bei schlechten Bildern antreffen: EE Klischee: Das Bild stellt nicht etwas unmittelbar Empfundenes oder persönlich Erfahrenes dar, sondern reproduziert nur etwas anderes und bereits sehr oft Abgebildetes, das bei genauer Betrachtung nicht einmal wahr ist oder nur überkommene Vorstellungen illustriert. Sie erkennen das Klischee auch an dem häufigen Vorkommen der immer gleichen Bildidee. Klischee und Kitsch lassen sich oft nicht voneinander trennen. EE Kitsch: In kitschigen Bildern finden sich sentimentale, unehrliche Stilmittel und Bildaussagen trivialer Schönheit, die bei näherer Betrachtungsweise in sich zusammenfallen. Bunte, einmontierte Landschaften, Wolken oder große Monde, mehrere, in der Bildbearbeitung erzeugte Rahmen, extreme HDRTechnik, übertriebene Beautyretusche oder die starke Verniedlichung von Wildtieren sind nur einige Beispiele. Der Einsatz von (oft schlechter) Typografie, mit dem die eigenen Bilder in einen Magazin-Look gebracht werden sollen, oder die Verwendung von bedeutungsschwangeren Titeln für die eigenen Bilder fallen ebenso in diese Kategorie. EE Gestalterische Beliebigkeit: Ein Foto kommt nicht auf den Punkt, weil zu viel abgebildet ist und das eigentliche Motiv nicht hervorgehoben wird. Manchmal gibt es auch gar kein Motiv.

GG Abbildung

7.16 Eine mangelhafte Gestaltung durch Bildbearbeitung ausbügeln? Das ging hier gründlich daneben. (Bild: crazymonkey, Nr. 22194650, https:// stock.adobe.com/de)

7.2  Qualitätskriterien  |  385

EE

EE

EE

EE

EE

Handwerkliche Schwächen: Das Motiv wurde zwar gut gesehen, aber

schlecht fotografiert. Ein Beispiel wäre hier eine großartige Landschaft aus dem Bus heraus fotografiert, aber auf dem Bild ist nur der Blitz zu sehen, der leider automatisch an die Scheibe geworfen wurde. Fehlendes Bewusstsein: Das Auge kann sich sehr gut auf Motive konzen­ trieren, die nur ein Prozent des Bildfelds oder weniger ausmachen. Im Foto würde dieser Bereich in der Fläche verloren gehen. Es gibt Leute, die intuitiv richtig fotografieren, aber die meisten Menschen müssen sich die Unterschiede zwischen Fotografie und Sehen bewusst machen und etwas abstrakter an die Bildgestaltung herangehen. Plattheit: Es ist zwar richtig, ein Foto auf das Wesentliche zu konzentrieren, aber gerade dann, wenn man mit dem Bild eine Botschaft verbindet, kann das nach hinten losgehen. Einen »Wink mit dem Zaunpfahl« wird jeder als flach und naiv empfinden. Solange Sie dem Betrachter nicht etwas Platz für eigene Interpretation lassen oder etwas subtiler in Ihren Bildaussagen sind, wird er sich bevormundet und für dumm verkauft fühlen. Eitelkeit: Ein großer Teil der im Internet veröffentlichten Bilder dient der fotografischen Selbstdarstellung. Dabei geht es meist nicht darum, tatsächlich etwas Relevantes aus dem Leben mitzuteilen, sondern möglichst vorteilhaft einem von außen vorgegeben Bild zu entsprechen. Ein großer Teil der auf Instagram oder Facebook gezeigten Bilder entspricht leider dem eigentlichen Zweck dieser Plattformen, nämlich ein Werbeumfeld zu bieten. Mangelndes Stilempfinden: Dies ist vor allem in der Nachbearbeitung ein Problem. Die Vorstellung, dass ein Foto mithilfe eines bestimmten »Looks« viel besser würde, stimmt nur manchmal und setzt ein feines Empfinden für die angemessenen und passenden Mittel voraus. Einfach Colourkey (farbige Details in einem ansonsten schwarzweißen Bild) zu verwenden oder »Orange and Teal« über das Bild zu ziehen, also hauptsächlich mit den Farben Orange und Cyan auszukommen, hilft nicht. Bildbearbeitungsprogramme bieten inzwischen an, die Gesichtsproportionen »schöner« zu machen, den Himmel bei Landschaftsaufnahmen auszutauschen, die Sonne scheinen zu lassen oder Regen hinzuzufügen. Das bringt Sie nicht weiter, wenn Sie den Drang haben, Bilder grundlegend zu verändern, dann machen Sie das selbst und verzichten Sie auf diese Automatiken.

Es sei dahingestellt, ob es für einen Hobbyfotografen notwendig ist, wirklich gute Bilder zu erstellen. Solange es Spaß macht und Entspannung bietet, erfüllt die Fotografie einen sinnvollen Zweck. Ebenso ist bei einem Profi, der gut von seinen Bildern leben kann, die künstlerische Qualität seiner Bilder vielleicht

386  |  7  Bildgestaltung

nicht entscheidend. Wenn Sie aber das Ziel haben, wirklich gute Bilder von Bestand zu erschaffen, wie kommen Sie dann weiter, woher beziehen Sie ein kritisches Feedback, woher die Anregungen? Wer sich eine Weile in den Amateurfoto-Treffs im Internet umgesehen hat, wird feststellen, dass von dort keine ernst zu nehmende Kritik zu erwarten ist. Zum Teil erweitern die Nutzer ihren Login-Namen um »Kommis back«, was nichts anderes heißt, dass man für (gute) Kommentare zu den eigenen Bildern ebensolche bei den Aufnahmen des Kommentierenden hinterlässt. Da geht es nicht mehr um Bildkritik, sondern um einen Austausch von Nettigkeiten als sozialen Kitt einer Gruppe. Ich will solche Foren hier gar nicht verdammen. Worauf ich hinauswill, ist, dass Sie dort schwerlich weiterkommen werden, weil Sie keine konstruktive Kritik erwarten können und Sie viele der Inspirationen dort von einer klaren und guten eigenen Arbeit eher ablenken werden. Trotzdem werden Sie auch dort manche hervorragende Arbeit finden, denn viele Amateure arbeiten auf einem großartigen Niveau und fühlen sich auf solchen Plattformen trotzdem noch wohl. FF Abbildung

7.17 Das Feedback aus dem Internet kann auch hilfreich sein: Bei Flickr zum Beispiel lassen sich die Reaktionen anderer Teilnehmer anzeigen. Das beliebteste Bild aus meinen Uploads bislang ist diese Aufnahme des Mondaufgangs über Dortmund.

7.2  Qualitätskriterien  |  387

Trolle Sie werden im Internet auch mit einem kleinen Teil der Nutzer in Kontakt kommen, die man im Volksmund »Trolle« nennt. Ihnen ist es wichtig, zu provozieren und unsinnige Diskussionen zu führen, die gern schnell in Beschimpfungen ausarten. Solche Kommunikation können Sie niemals auf einen vernünftigen Weg zurückführen. Die einzige Abhilfe ist, nicht zu antworten (»Don’t feed the trolls – Die Trolle nicht füttern!«).

Ich würde ohnehin davon abraten, Fotografen, bei denen Sie wenige Bilder finden, die Sie ansprechen, überhaupt zu kommentieren. Wenn ein Bild aber an sich einen guten Ansatz hat, kleinere Details dem Bilderfolg noch im Wege stehen (insbesondere, wenn diese Details noch zu verändern sind), können Sie gut und konstruktiv kritisieren. Es gibt allerdings auch Plattformen, auf denen dies prinzipiell nicht erwünscht ist, da sollten Sie sich dann auch daran halten. Aber fassen Sie sich bei Internetdiskussionen auch an die eigene Nase: Ist Ihre Ironie zu verstehen, bleiben Sie immer fair und freundlich, könnten unschöne Missverständnisse entstehen? Es ist oft besser, überlegt und mit etwas zeitlichem Abstand zu antworten, als vorschnell und zu emotional zu schreiben. Freuen Sie sich über Kritik an Ihren eigenen Bildern, denn häufig ist das ein Versuch, Ihnen auf Ihrem fotografischen Weg weiterzuhelfen. Manche Menschen fühlen sich jedoch durch kritische Worte persönlich angegriffen, suchen sich das in ihren Augen schlechteste Bild des Rezensenten und ziehen dann »im Gegenzug« darüber her. Wenn Sie selbst Kritik üben, kommt es besser an, wenn Sie auch positive Aspekte des Bildes erwähnen und die negativen – wenn möglich – mit praktischen Verbesserungsvorschlägen verbinden. Machen Sie sich niemals lustig über andere. Wenn Sie nicht konstruktiv sein wollen, dann lassen Sie die Finger von der Tastatur.

Merkmale guter Bilder Was macht aber ein gutes Bild aus, und wie kommt man dahin, ein solches nicht nur zufällig zu erreichen? Ein paar Punkte, die ich für wesentlich halte: EE Ehrlichkeit: Es ist nicht zwangsläufig so, dass ein Foto die Wirklichkeit wiedergeben muss, aber es muss in einer Weise aufrichtig sein. Sei es, dass es wirklich Ihren Empfindungen entspricht, Ihre Neigungen widerspiegelt oder eine Situation ungeschönt wiedergibt. EE Persönlichkeit: Prüfen Sie immer, ob Sie ein Stilmittel einsetzen, weil Sie vermuten, dass es so üblich ist oder dass es ankommen wird, oder ob es wirklich Ihrem persönlichen Gestaltungswillen entspricht. Wählen Sie Themen, die Sie interessieren, und nicht unbedingt diejenigen, bei denen Sie vermuten, dass sie die meisten Betrachter interessieren werden. Wenn Sie ehrlich zu sich selbst sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch andere von Ihrer Arbeit persönlich angesprochen werden. EE Konzentration: Der wesentliche Eindruck, den Sie vermitteln wollen, muss ohne ablenkende Elemente erfasst werden können. Klarheit in der Bildgestaltung und der Verzicht auf alles Unwichtige oder Ausschmückende sind dafür notwendig.

388  |  7  Bildgestaltung

EE

Hintergrund: Es gibt Menschen, die von Natur aus sehr

EE

schnell in der Lage sind, Bilder zu erfassen und gekonnt umzusetzen. Die meisten müssen dafür aber einiges lernen. Unser Bildverständnis ist geprägt von mindestens 2 000 Jahren Kunstgeschichte, und jedes Element oder jede Anordnung von Elementen bringt Bedeutungen mit sich, die aus einem kulturellen Kontext entstehen. Auch wenn sich ein großer Teil der Menschen niemals mit Kunstgeschichte befasst hat, wird ihre Wahrnehmung davon beeinflusst, weil sich die Schöpfer der Kinofilme und selbst der Werbeanzeigen, von denen Sie umgeben sind, damit auseinandergesetzt haben. Beschäftigen Sie sich mit der Geschichte der Fotografie, des Kinos und der Kunst. Sie werden auf diese Weise viel mehr sehen, und das wird Ihr Leben bereichern. Übung: Henri Cartier-Bresson sagte einmal: »Die ersten 10 000 Fotos sind die schlechtesten.« Das Zitat kommt aus einer Zeit, in der man für eine solche Menge Jahre brauchte und nicht eine Woche, wie es heute mit einer Digitalkamera möglich ist. Es braucht Zeit, bis Sie die Technik so weit beherrschen, dass sie Sie nicht mehr ablenkt. Sie benötigen Erfahrung, um bestimmte Möglichkeiten beurteilen zu können, und Sie müssen Fehler gemacht haben, aus denen Sie lernen konnten. Offenheit: Fotografie ist Improvisation. Häufig sind die Verhältnisse vor Ort nicht so wie geplant oder wie Sie sich es vorgestellt haben. In solchen Momenten müssen Sie schnell Ihre Möglichkeiten erkennen und sich von Ihren nicht mehr aktuellen Plänen verabschieden. Aber selbst wenn alles wie erwartet funktioniert, sollten Sie offen sein für etwas Neues. Denn gerade in solchen Situationen haben Sie die Muße, weitere Aufnahmen zu machen und zu experimentieren.

EE

GG Abbildung 7.18 Manchmal entsteht in einem Foto etwas, was man selbst erst hinterher beim Betrachten wahrnimmt. Bei diesem Dämmerungsbild sieht es so aus, als säße der Mond zwischen zwei Wolkenschichten. Das tut er natürlich nicht, lediglich die Addition des Lichts lässt es so erscheinen. In solchen Momenten aber kommt etwas von der Magie der Fotografie zum Vorschein.

600 mm | ƒ5,6 | 1/6 s | ISO 800 | APS-C

FF Abbildung

7.19 Im Ruhrgebiet werden alte Industrie­ brachen oft zu Erholungsgebieten umgebaut. Ich konnte es mir nicht verkneifen, ein vorgefundenes Kabel­ ende als Palme in die Landschaft zu stellen.

17 mm | ƒ14 | 1/100 s | ISO 100

7.2  Qualitätskriterien  |  389

EE

Aussortieren: Wenn Sie das Gefühl haben, dass mindestens 90 % Ihrer Bilder

nicht gut genug sind, spricht das für Ihre fotografische Entwicklung. Nur Anfänger finden alles toll und haben eine übertrieben gute Meinung von sich, das ist der Dunning-Kruger-Effekt. Je mehr Sie schlechte Bilder aussortieren, desto höher wird der Level der Verbleibenden. Wenn Sie sich von den Zweifeln nicht frustrieren lassen, sondern sie als Motivation zur Verbesserung sehen, dann sind Sie auf einem guten Weg. Um Ihre Bilder auf den Punkt zu bringen, haben Sie sehr viele Gestaltungsmittel zur Auswahl, von denen ich im Folgenden die wichtigsten erläutern werde.

7.3  Bildformat Das Format des Bildes beeinflusst seine Wirkung. Sie sollten bei jeder Aufnahme überlegen, ob Sie die Kamera lieber hoch oder quer halten. Gerade Anfänger neigen dazu, Querformate zu fotografieren, ohne weiter darüber nachzudenken. Bei geeigneten Motiven sollten Sie immer beide Varianten fotografieren, so sind Sie später flexibler bei der Verwendung. Nach der Aufnahme können Sie das Format durch Beschneiden verändern, nicht nur, um das Format zu verändern, sondern auch, um Bildelemente zu entfernen und den Bildaufbau zu verbessern.

Querformat HH Abbildung 7.20 Zwei Frachter liegen nach Sonnenuntergang in der Lübecker Bucht auf Reede. Das Querformat unterstreicht die meditative Ruhe des Bildes.

200 mm | ƒ3,5 | 1/800 s | ISO 2 000

390  |  7  Bildgestaltung

Das Querformat ist in sich ruhig, es liegt stabil und betont die Waagerechte. Es vermittelt Weite und kommt der menschlichen Wahrnehmung nahe. Um im Querformat ein dynamisches und dramatisches Bild aufzunehmen, müssen Sie sich mehr anstrengen als im Hochformat. Das 3 : 2-Format der APS-C- und Vollformatkameras, das vom Kleinbildformat abgeleitet wurde, ist nicht für jede Aufnahme ideal. Harmonischer und eleganter wirkt oft das 4 : 3-Format, wie es Mittelformatkameras oft verwenden. Das Kleinbildformat wurde früher oft als »Handtuch« verspottet, es ist auch ein gutes Stück länglicher als die DIN-Formate. Das Querformat heißt im Englischen land­scape – Landschaft, was nicht nur eine Hauptanwendung beschreibt, sondern auch passende Assoziationen hervorruft.

Hochformat Das Hochformat stellt sich dem Betrachter entgegen, es ist näher, dynamischer und lebendiger als das Querformat. Das Hochformat heißt im Englischen portrait, was auch hier sehr gut zu den gestalterischen Eigenschaften passt. Das Kameradesign legt ein Querformat näher, und wenn Sie häufig im Hochformat arbeiten möchten, sollten Sie in Erwägung ziehen, ein Batterieteil mit Hochformatauslöser zu erwerben. Die Kamera liegt dann besser in der Hand und lässt sich im Hochformat ebenso leicht bedienen wie im Querformat. Beobachten Sie sich, ob Sie auch zu oft das Querformat verwenden, und zwingen Sie sich im Zweifel, mehr Hochformate zu fotografieren. Wenn die spätere Verwertung nicht völlig klar ist, ist es ohnehin sinnvoll, beide Formate zu fotografieren, sofern es das Motiv hergibt. Sie können Ihre Kamera so einstellen, dass Hochformate zwar für den Rechner, aber nicht auf dem Display gedreht werden. So haben Sie die volle Displaygröße auch für die Begutachtung Ihrer Hochformataufnahmen zur Verfügung.

GG Abbildung 7.21 Im Querformat bekommt die Landschaft um den Teide etwas Fließendes und Ruhiges, die Wolken erscheinen leicht und schwebend. Ein enger gezogener hochformatiger Ausschnitt wirkt eher mächtig und drückend.

238 mm | ƒ 7,1 | 1/60 s | ISO 250

7.3  Bildformat  |  391

GG Abbildung 7.22 Das Hochformat vermittelt mehr Nähe, es wirkt aktiver und wärmer und unterstützt hier die Bildstimmung. Das Bild ist auch ein Beispiel dafür, dass man die Regel, bei Porträts auf die Augen scharfzustellen, auch einmal außer Acht lassen kann.

GG Abbildung 7.23 Das Hochformat und die lange Brennweite betonen die Größe der Felsen an der Granitküste.

435 mm | ƒ9 | 1/400 s | ISO 160

50 mm | ƒ1,2 | 1/4000 s | ISO 100

Quadrat Das Quadrat ist neutral und sachlich, es hat eine gewisse »Coolness« und ist fotografisch positiv besetzt, weil es eine Menge guter Bilder gibt, die von 6 × 6-Mittelformatkameras wie der Hasselblad aufgenommen wurden. Aber der Grat zwischen cool und langweilig ist schmal. Das quadratische Format erlaubt oft eine schöne Konzentration auf das Motiv, weil alle Seiten gleich lang sind und so an den Seiten oder oben und unten weniger Bildfläche zu füllen ist. Quadratische Filmformate wurden auch deswegen verwendet, weil man die Kamera damit niemals drehen musste: Hoch- und Querformate wurden einfach durch Beschnitt des quadratischen Originals erzeugt.

392  |  7  Bildgestaltung

Es ist einfacher, ein quadratisches Bild zu komponieren, wenn Sie sehen, was Sie tun. Wenn die Kamera nicht mit Ansichtsoptionen weiterhilft, können Sie zwei transparente Tesafilmstreifen auf das Display kleben und mit einem Folienstift die Bildgrenzen markieren. (Aber malen Sie nicht auf das Display. Zumindest bei älteren Sony-Kameras (bis α7R II) sollten Sie das gar nicht ausprobieren, weil die Antireflexbeschichtung dabei beschädigt werden kann. Das ist allerdings nur eine aufgeklebte Folie, die Sie selbst wechseln können.)

HH Abbildung

7.25 Das Quadrat lässt den Blick weniger schweifen. Das Bild wirkt etwas tiefer als im Querformat.

16 mm | ƒ5,6 | 1/60 s | ISO 1 000

GG Abbildung 7.24 Das Quadrat eignet sich gut für dieses eher grafische Motiv.

35 mm | ƒ7,1 | 1/160 s | ISO 100

Extreme Formate und Panoramen Manche Motive gehen bei Standard-Bildformaten in der Fläche etwas verloren. Das kann zum Beispiel die Bergkette in der Ferne sein, bei der dann die Ebene davor und der Himmel 85 % des Bildes ausmachen. Oder ein Turm, der plötzlich klein aussieht, wenn er in ein 2 : 3-Format gezwängt wird. Aktuelle Kameras haben so große Auflösungsreserven, dass Sie den Rest einfach wegschneiden können und in den meisten Fällen ein brauchbares Foto behalten. Wenn Sie vorher schon wissen, dass das Format ein extremes Seitenverhältnis haben wird, und

7.3  Bildformat  |  393

das Motiv unbewegt ist, dann können Sie es von vornhe­ rein als Panorama fotografieren. Nehmen Sie dafür mehrere Bilder nebeneinander oder übereinander auf, die sich zu etwa einem Drittel überschneiden. Diese Aufnahmen können Sie später leicht zu einem Panorama am Rechner zusammenfügen (siehe Seite 669). Statt einer Weitwinkelaufnahme erstellen Sie also mehrere Aufnahmen mit einem leichten Tele, die sich in der einen Richtung zum gleichen Bildwinkel addieren. In der anderen Richtung bleibt das Bild schmal. Sie haben also die Wahl, ob Sie durch Beschnitt ein viel kleineres Bild erzeugen oder durch ein Panorama ein viel größeres. Sie können vor Ort auch eine Weitwinkelaufnahme machen und die Panoramafotos nur für den Fall, dass Sie das Motiv einmal sehr groß ausgeben möchten.

Bildgröße Das gleiche Foto hat je nach Ausgabegröße eine unterschiedliche Wirkung. Während ein Porträt mit nur wenigen Zentimetern Größe vielleicht intim und vertraut wirkt, ist es in einer Größe von 1 × 1 Meter eher monumental und abweisend. Eine starke Weitwinkelaufnahme erhält wieder einen natürlichen Perspektiveindruck, wenn Sie sie sehr groß ausgeben und entsprechend nah herangehen können, sodass der Bildwinkel der Aufnahme wieder erreicht wird. Umgekehrt hat eine klein abgebildete Teleaufnahme auch eine natürliche Perspektive. Bei der Wahl der Ausgabegröße müssen Sie auch überlegen, welche Details des Fotos erkennbar bleiben müssen. Flächige, grafische Motive wirken auch in kleinen Formaten, detailreiche Gesamtansichten müssen größer gezeigt werden.

FF Abbildung

7.26 Diese Aufnahme des Campanile in Siena ist aus sechs Querformaten zusammengesetzt. So ergeben sich gut 100 Megapixel und ein Bildwinkel von ca. 210°.

17 mm | ƒ9 | 1/60 s | ISO 500 | Panorama aus sechs Einzelbildern

394  |  7  Bildgestaltung

Abbildung 7.27 Die Wucht des Meeres und der Felsen und die Surfer im Wasser werden nur in der großen Abbildung wirklich deutlich. In der kleinen Version verliert sich das Bild.

F G 

155 mm | ƒ6,3 | 1/1000 s | ISO 500

Wenn Sie vorher wissen, dass Sie für kleine Formate arbeiten, wie zum Beispiel kleine Internetbilder für eher textlastige Seiten, dann können Sie sich auch in der Bildgestaltung darauf einlassen. Es ist wie der Unterschied zwischen Fernsehspiel und Kinofilm: Sie müssen auf die kleinen Details verzichten, den Motiven viel Fläche einräumen und eher einfache Bildaufbauten realisieren. Wenn Sie für Großformate aufnehmen, müssen Sie mehr auf die technische Qualität Ihrer Bilder achten, weil das große Format auch kleine Fehler entlarvt. Dafür haben Sie die Möglichkeit, den Betrachtern auch kleine Details anzubieten und sie dazu einzuladen, sich länger mit einem Foto zu beschäftigen.

7.3  Bildformat  |  395

7.4  Kontrast Kontraste zu verwenden, bedeutet nicht nur, dass etwas Helles vor einem dunklen Hintergrund besonders gut zu sehen ist oder eine gelbe Blume vor einem blauen See leuchtender wirkt. Kontrastierende Gegensätze können die Bildaussage auf jeder Ebene verstärken. In manchen Fällen ermöglichen sie erst eine Einordnung des Bildinhalts. Wenn Sie zum Beispiel einen Felsen sehen, dann können Sie seine Größe ohne Vergleichsmaßstäbe wie Menschen oder Bäume nicht einschätzen. Wie groß der Felsen auf dem Foto wirkt, können Sie über Perspektive und Brennweite steuern. Generell kann man sagen, dass ein starkes Weitwinkel eine Steigung flacher aussehen lässt und erst bei einer längeren Brennweite Berge steil aufzuragen scheinen. Kontraste funktionieren aber auch im inhaltlichen Bereich und nicht nur im formalen. Armut und Reichtum wirken stärker, wenn man Sie gegeneinanderstellt, ebenso Altes und Neues oder Ruhe und Hektik. Man muss ein wenig aufpassen, dass man bei den Gegensätzen nicht ins Klischee verfällt, aber in den meisten Fällen funktioniert Kontrast als Stilmittel in einem Bild. Manchmal ist »Kontrast« allerdings ein zu starker Begriff, und es ist eher so, dass Sie eine Eigenschaft des Motivs zu etwas anderem in Bezug setzen. In unserem Kulturkreis wird vieles über Gegensätze definiert, eine dialektische Denkweise ist normal, und Sie werden besser verstanden, wenn auch Sie sich ihrer bedienen. Das ist aber nicht für jedes Motiv die richtige Herangehensweise. Abbildung 7.28 E Entspannt im Liegen den Haien zuschauen – dabei ist eine dicke Glaswand schon hilfreich. Inhaltlich prallen hier einige Gegensätze aufeinander, die die Bildwirkung verstärken.

19 mm | ƒ4 | 1/20 s | ISO 3 200

396  |  7  Bildgestaltung

GG Abbildung

7.29 Ein altes Bankgebäude spiegelt sich in einem modernen. Durch den exakt gewählten Kamerastandpunkt fügt es sich in die Architektur ein.

GG Abbildung 7.30 Der Bildaufbau lässt den Betrachter um das Haus am Fuße des Berges fürchten.

85 mm | ƒ5,6 | 1/250 s | ISO 200

17 mm | ƒ10 | 1/160 s | ISO 100 | Tilt-Shift-Objektiv

FF Abbildung

7.31 Dieses Bild lebt von seinen Gegensätzen: nah – fern, kalt – warm, innen – außen, hell – dunkel.

24 mm | ƒ6,3 | 1/500 s | ISO 200

7.4  Kontrast  |  397

Manchmal ist es besser, ein Motiv als Einheit zu zeigen, nicht gegen etwas anderes in Kontrast zu setzen, sondern in sich ruhend und harmonisch. Was nicht heißen soll, dass Gegensätze nicht harmonisch sein können, wie Sie das im Beispielbild mit seinem ausgewogenen Komplementärkontrast sehen (siehe Seite 457).

7.5  Abstraktion Wenn Sie Ihr Motiv so betrachten, als gäbe es kein Motiv, sondern als bestünde alles vor Ihren Augen nur aus Flächen und Formen, die Sie zu einem Bild anordnen können, dann können Sie sehr freie Bildgestaltungen umsetzen und Bilder schaffen, die auch als abstraktes Bild gut funktionieren würden. Trotzdem sollten Sie darauf achten, dass Sie mit dieser Vorgehensweise dem Motiv gerecht werden. Ansonsten werden abstrakte Fotos zu formal-ästhetischen Spielereien, deren Reiz sich schnell verbraucht. Diese Spielereien mögen gut geeignet sein, um Bildgestaltung zu üben, aber eine »Fingerübung« an sich ist nichts Zeigenswertes. Das heißt jedoch nicht, dass Sie das ganz sein lassen sollten. Fotografische Arbeiten entwickeln sich oft aus Spielereien und nehmen erst langsam Gestalt an. Und visuelles Training kann auch den »richtigen« Arbeiten guttun. Abbildung 7.32 E Der Atlantik trifft auf den Lavastrand La Palmas. Das Bild ist so reduziert, dass das Motiv zurücktritt und die Bildfläche fast für sich steht.

200 mm | ƒ5,6 | 1/250 s | ISO 100

398  |  7  Bildgestaltung

7.6  Farbe Über Farbgestaltung lassen sich ganze Bücher schreiben, in diesem Buch hat die Farbe zumindest ein eigenes Kapitel verdient (ab Seite 437). Wenn Sie anfangen, sich mit der Farbgestaltung näher zu beschäftigen, werden Sie feststellen, dass Ihnen plötzlich viel mehr farbige Details in Ihrer Umgebung auffallen werden. Das wird mit der Zeit vielleicht wieder etwas nachlassen, die Tatsache selbst wird aber bestehen bleiben. Fotografie schärft den Blick: Nach ein paar Jahren Fotografie werden Sie auch Kinofilme ganz anders anschauen, weil Sie mehr Details bewusst wahrnehmen und Ihnen die Gestaltung auffällt, während andere Zuschauer eher nur der Handlung folgen. GG Abbildung

7.7  Form Jede Ihrer Positionsveränderungen im Raum verändert die zweidimensionale Form, die das Motiv auf dem Bild haben wird. Diese Form wird mit dem Rest der Bildfläche interagieren. Vielleicht ergibt sich eine Negativform, die der Betrachter bewusst wahrnimmt. Eine Fotostudentin bildete zum Beispiel einmal das ganze Alphabet nur durch Himmelsausschnitte ab, die sich zwischen den Häusern beim Blick nach oben ergaben. Die Form kann also unabhängig vom Motiv eine weitere Bedeutungsebene erzeugen.

7.33 Der Farbverlauf durch die unterschiedliche Reife der Samenkapseln der Montbretie macht den Reiz dieses Bildes aus. Der dunkle Hintergrund verstärkt die Leuchtkraft der Farben.

100 mm | ƒ14 | 1/125 s | ISO 100 | Ringblitz

FF Abbildung

7.34 Blick auf Arromanches-les-Bains aus dem Inneren der Reste der Landungsbrücken der Alliierten

17 mm | ƒ9 | 1/320 s | ISO 125

7.7  Form  |  399

Abbildung 7.35 E Diesen Strommast fotografierte ich exakt aus der Mittelachse mit einem Superweitwinkel und beschnitt das Bild auf den unteren Trägerrahmen.

12 mm | ƒ10 | 1/250 s | ISO 200

HH Abbildung

7.36 Die Negativform wird stärker wahrgenommen als die Positivform, weil sie heller und kontrastreicher ist. Die Negativform muss also auch bei der Gestaltung berücksichtigt werden.

24 mm TS-E | ƒ11 | 8 s | ISO 640 | Panorama aus zwei Aufnahmen

400  |  7  Bildgestaltung

Auch, wenn Sie nur die Form als solches abbilden möchten, sollten Sie einen Standpunkt zum Fotografieren wählen, der das Motiv möglichst prägnant zum Ausdruck bringt.

7.8  Größe Die Größe eines Motivs ist ein Punkt, den man bei der Gestaltung häufig vergisst. Entweder wird so aufgenommen, dass das Motiv den Großteil des Formats ausfüllt, oder die Größe ergibt sich aus anderen Erwägungen. Dabei führt die Größe zu Bedeutungsveränderungen, die man nicht unterschätzen sollte. Man muss unterscheiden zwischen der Größe der Fläche, die das Motiv im Foto einnimmt, und der scheinbaren Größe des Objekts im Raum. Kleine Motive können Sie optisch vergrößern, indem Sie sie möglichst weit in den Vordergrund rücken und kurze Brennweiten verwenden. Berge wirken steiler und massiver, wenn sie mit langen Brennweiten aufgenommen werden. Ein Tele verdichtet die Abstände, eine Bergwand wird also aufgerichtet. Bei einem Weitwinkel scheint der Gipfel viel weiter weg zu liegen, der Hang erscheint also nach hinten geneigt und flacher. FF Abbildung

7.37 Ohne die Person links ließe sich die Größe des Teils der Landungsbrücken in Arromanches nicht erschließen.

35 mm | ƒ9 | 1/500 s | ISO 200 | +1,5 LW

7.8  Größe  |  401

Ohne Größenvergleiche erschließt sich die wahre Größe eines Objekts nur schwer, die Wirkung dieses Größenvergleichs haben Sie allerdings in der Hand. Das gilt natürlich auch für jeden anderen, und so sollten Sie Fotos gegenüber grundsätzlich misstrauisch sein. Eine Kammer wirkt wie ein Saal, wenn Sie sie mit einem Ultraweitwinkel fotografieren. In Hotelprospekten oder auf Immobilienplattformen im Internet finden Sie genug Beispiele solcher Bilder. Die Größe des Motivs in der Fläche hängt auch davon ab, wie das Umfeld gestaltet ist. In einer sehr ruhigen und gleichmäßigen Umgebung wird auch ein kleines Hauptmotiv noch alle Blicke auf sich ziehen, im Chaos wird es sich eher über einen großen Flächenanteil durchsetzen können. Abbildung 7.38 E Die kleine Yacht im Vordergrund ist immerhin auch schon elf Meter lang. Durch sie wird die Größe der Luxusyacht dahinter erst erfahrbar. Die lange Brennweite lässt die Boote fast maßstabsgetreu einander gegenüberstehen.

400 mm | ƒ7,1 | 1/200 s | ISO 1 000 | APS-C

7.9  Menge Selbst Naturvölker, bei denen das Zählen völlig unbekannt ist, haben Zahlwörter (die Munduruku aus dem Amazonasgebiet z. B. bis fünf), sogar manche Tiere sind in der Lage, Mengen zu unterscheiden. Wir erfassen Mengenverhältnisse also auch auf eine schnelle und intuitive Weise. So eignen sich Mengenverhältnisse auch als Gestaltungsmittel. Ob eine Szene voll oder eher leer erscheint, können Sie mit der Perspektive beeinflussen. Generell können Sie Dinge zusammenrücken, wenn Sie lange Brennweiten verwenden, und eine Menge wirkt dann verdichtet. Mit einem Weitwinkelobjektiv wird eher der Raum zwischen den Elementen betont. Der Betrachter wird häufig versuchen, Ordnung in die Vielzahl der Elemente zu bringen. Eine Menge kann chaotisch sein oder sehr organisiert. Totalitäre

402  |  7  Bildgestaltung

HH Abbildung 7.39  E Das Motiv gewinnt dadurch an Reiz, dass nur ein einziger Vogel auf einem Ast sitzt, der nach rechts zeigt. Durch das Mengenverhältnis entsteht eine zusätzliche Bedeutungsebene.

38 mm | ƒ7,1 | 1/1000 s | ISO 200

Staaten stellen ihre Bürger gern als geordnete Menge bei Massenveranstaltungen dar, dem Individuum wird ein klar umrissener Platz in einer Inszenierung zugewiesen, von dem es nicht abweichen darf. Die Wirkung einer Menge hängt sehr von der Perspektive ab, die Sie wählen. Ein erhöhter Standpunkt hilft oft, die einzelnen Elemente besser voneinander zu trennen. FF Abbildung 7.40 Die Verteilung der Kraniche am Himmel erinnerte mich an Schrift oder Noten. Um den Eindruck zu verstärken, habe ich das Bild auf Schwarz und Weiß reduziert.

400 mm | ƒ5,6 | 1/250 s | ISO 100

7.9  Menge  |  403

Helligkeit Die gestalterischen Aspekte der Helligkeit werde ich in Kapitel 5, »Belichtung«, behandeln. Solange Sie während der Aufnahme den Kontrastumfang des Motivs gut einfangen, können Sie auch später noch die Helligkeit anpassen. Nehmen Sie die Bildhelligkeiten der Kameraautomatik und der Bilddateien nicht einfach als gegeben an, sondern ändern Sie sie so, dass das Bild in sich stimmig ist.

GG Abbildung 7.41 Diese beiden Bilder wurden von derselben Raw-Datei entwickelt. Der Unterschied in der Helligkeit wirkt sich auch auf den Gefühlsausdruck des Porträts aus. Das weiche Licht kam von einem TFT-Monitor.

50 mm | ƒ1,4 | 1/60 s | ISO 3 200

7.10  Bildaufbau Natürlich können Sie die Bildelemente nicht völlig frei auf der Fläche des Bildes anordnen. Sie sind schließlich gebunden durch die Abbildungsgesetze und bestimmte, schwer veränderliche Eigenschaften des Motivs. Aber Sie sind dennoch wahrscheinlich freier, als Sie denken, denn Sie haben über den Standpunkt, den Bildausschnitt, die Brennweite, das Licht und das Format sehr mächtige Einflussmöglichkeiten auf die Bildgestaltung. Und bei vielen Motiven können Sie sogar die Anordnung im Raum noch beeinflussen, weil sie beweglich sind.

404  |  7  Bildgestaltung

Allzu oft wird man sich vor Ort gar nicht der unzähligen Alternativen bewusst und fotografiert eher so, wie der erste Eindruck war. Das können Sie auch ruhig tun, doch nach diesem ersten Bild sollten Sie überlegen, wie Sie das Motiv noch besser einfangen können und welche Möglichkeiten der Ort dafür zur Verfügung stellt. Abbildung 7.42 Der Evinger Hammerkopfturm passt genau in das Fenster des Nebengebäudes. Ich musste die Position der Kamera sehr exakt wählen, damit dieses Bild möglich wurde (analoges Großbilddia von 1993, 90-mm-Weitwinkel; an einer Digitalkamera entspräche das einem 24-mm-Shift-Objektiv). FF

Blickführung Das Auge tastet jedes Bild ab und wird dabei von bestimmten Elementen mehr angezogen als von anderen. Helle Flecken und starke Kontraste, Gesichter und Buchstaben ziehen den Blick an, Linien ziehen ihn in eine Richtung, und die natürliche (kulturell bedingte) Leserichtung spielt auch eine Rolle. Wenn der Bildaufbau das Auge dabei unterstützt, die wesentlichen Details zu erfassen, wirkt das Bild insgesamt besser. Der Bildaufbau kann leider auch Nebensächlichkeiten hervorheben oder die Augen unruhig springen lassen, weil eine Ordnung schwierig zu erkennen ist. Beobachten Sie sich selbst, welchen Weg die Augen nehmen, wenn Sie ein gutes Bild erfassen. Versuchen Sie festzustellen, was der Fotograf unternommen hat, damit sich das Bild so gut erschließt.

Abbildung 7.43 E Der Fluchtpunkt liegt leicht rechts außerhalb des Bildes, so wird der Blick immer wieder zum Meer gezogen.

28 mm | ƒ11 | 1/200 s | ISO 100

7.10  Bildaufbau  |  405

406  |  7  Bildgestaltung

Der Bildaufbau kann sogar dazu führen, dass sich bestimmte Objekte zu bewegen scheinen, weil durch die Komposition des Bildes eine Dynamik entsteht oder ein Ausgleichsbestreben angedeutet wird. Es gibt eine Art »visuelle Schwerkraft«, die eine Anziehung auf Bildobjekte ausübt, sodass der Betrachter eine Bewegung herbeisehnt. Das ist ein wenig vergleichbar mit einem Schlagzeuger, der den Beat etwas »verschleppt«, sodass der Zuhörer dann schon fast selbst auf die Trommel schlagen möchte. Wenn Sie Objekte etwas weiter außen anordnen, als sie harmonisch im Format positioniert wären, wenn Sie Objekte an schrägen Linien ausrichten oder perspektivische Verzeichnung nutzen, um Bildteile schräg ins Bild ragen zu lassen, dann erzeugen Sie immer Bewegung im Bild. Homogene Flächen geben dem Blick kaum Halt. Der Betrachter nimmt dann jede Linie auf, die wegführt, oder das Auge sucht nach dem nächsten starken Kontrast. Lassen Sie Ihren Bildaufbau nicht von technischen Details bestimmen. Die Position des AF-Messpunktes im Sucher sollte nicht darüber bestimmen dürfen, an welcher Position im Bild sich Ihr Motiv wiederfindet. Üben Sie die Messwertspeicherung, und emanzipieren Sie sich von den Vorgaben Ihrer Kamera.

Abbildung 7.44 Die hellen Fenster ziehen den Blick an.

FFF

15 mm | ƒ4 | 30 s | ISO 1 600 | Fisheye-Objektiv perspektivkorrigiert

FF Abbildung

7.45 Links: Dieses Bild wurde gespiegelt. Hier wandert der Blick zur vorderen Kante der Lok, von wo er nach rechts zum Fluchtpunkt gezogen wird. Die Lok scheint wegzufahren. Im Originalbild (rechts) ziehen die weißen Linien den Blick zur Front der Lok, wo er fast zur Ruhe kommt. Die Lok scheint anzukommen oder zumindest zu stehen.

20 mm | ƒ5,6 | 1/100 s | ISO 200

Diagonale Eine Linie, die schräg die Ecken des Formats verbindet, nennt man Diagonale. Durch unsere Leserichtung von links nach rechts wird eine Diagonale, die von links oben nach rechts unten führt, als absteigend bezeichnet, von links unten nach rechts oben als aufsteigend.

7.10  Bildaufbau  |  407

GG Abbildung

7.46  E In der linken Bildhälfte findet der Blick kaum Halt außer an den Tauen, die ihn weiter in den Bildhintergrund führen. Die gelbe Linie rechts unterstützt dies. Trotzdem kehrt das Auge manchmal zum Tau links oben zurück, weil der starke Kontrast es anzieht.

12 mm | ƒ16 | 1/100 s | ISO 200

GG Abbildung

Eine absteigende Diagonale ist ruhiger und weniger spannungsvoll, sie leitet den Blick manchmal zu schnell wieder aus dem Bild. Trotzdem bringt sie viel mehr Bewegung ins Bild, als es waagerechte oder senkrechte Linien vermögen. Eine aufsteigende Diagonale hält den Blick länger im Bild und wirkt anregender. Im Bildbeispiel aus Abbildung 7.47 wurde die Aufnahme für das zweite Bild gespiegelt. Das ist ein Kunstgriff, den Sie selten bis nie anwenden sollten, weil man es bei vielen Motiven bemerkt und es bei anderen die Wirklichkeit zu sehr verändert. Einzig ein Selbstporträt wird Ihnen so vielleicht natürlicher vorkommen, weil Sie es gewohnt sind, sich selbst im Spiegel zu sehen.

7.47 Die absteigende Diagonale ergibt einen eher ruhigen Bild­auf­ bau, der Blick wird allerdings sehr schnell aus dem Bild geführt, und der Betrachter verbringt wenig Zeit mit den Details.

35 mm | ƒ10 | 1/200 s | ISO 100

408  |  7  Bildgestaltung

GG Abbildung 7.48 Hier habe ich das Bild gespiegelt, um die Wirkung einer aufsteigenden Diagonale zu verdeutlichen. Der Blick wird eher im Bild gehalten und kann sich mit der Ansicht von Roscoff beschäftigen. Das Bild wirkt insgesamt etwas lebendiger.

Horizont Wenn Sie die Kamera gerade halten, liegt der Horizont in der Mitte des Bildes. Häufig sieht man den Horizont nicht, weil er durch Objekte im Vordergrund verdeckt ist, allerdings wird auch dann der Fluchtpunkt auf der Horizontlinie liegen. Bei geometrischen Motiven wird man also immer erahnen, wo der Horizont liegt. Ein Horizont in der Mitte ist spannungslos, und ergibt oft die langweiligste mögliche Bildvariante – immerhin führt er nicht zu stürzenden Linien. Den Horizont aus der Bildmitte zu rücken, ist also meistens ein Vorteil, dabei beeinflusst die resultierende Lage des Horizonts die Bildstimmung stark. Wenn Sie den Horizont weit unten ins Bild legen, wird die Ferne und Weite der Landschaft betont, das Bild wirkt leicht und offen und im wahrsten Sinne des Wortes luftig, weil der Himmel einen großen Teil des Bildes einnimmt. Wenn Sie den Horizont im Bild nach oben setzen, betonen Sie die Schwere und die Nähe. Das Objektiv ist nach unten geneigt und erfasst mehr vom Boden. Sie erzeugen durch eine solche Bildaufteilung eine Landschaft, durch die das Auge hindurchwandern kann, bis es an die Himmelskante stößt. Die Stimmung eines solchen Bildes kann manchmal etwas bedrückend sein, und zwar umso mehr, je höher der Horizont liegt. Natürlich kann der Horizont auch unterhalb oder oberhalb der Bildgrenzen liegen, was zur Vereinfachung des Bildaufbaus beiträgt. Wenn der Horizont oberhalb liegt, bekommt das Bild etwas Geschlossenes, wenn er unterhalb liegt, steht das Motiv gegen den Himmel, oder es ist der Himmel selbst.

HH Abbildung

7.49 Die Hafenmole von Le Tréport: Der Blick kann nicht zum Horizont abwandern, sondern bleibt im Bild. Der Bildaufbau ist grafisch und klar.

300 mm | ƒ6,3 | 1/500 s | ISO 400

Abbildung 7.50 E Der tief liegende Horizont lässt das Bild sehr leicht und luftig wirken. Der Morgendunst betont den Eindruck zusätzlich.

50 mm | ƒ3,5 | 1/60 s | ISO 100 | +1,5 LW

7.10  Bildaufbau  |  409

HH Abbildung

7.51 Das berühmte Kaufhaus GUM in Moskau. Der mittlere AF-Messpunkt half dabei, den Fluchtpunkt exakt in die Mitte zu legen. Der symmetrische Bildaufbau betont die Symme­ trie der Architektur.

17 mm | ƒ9 | 1/125 s | ISO 400

410  |  7  Bildgestaltung

Symmetrie In der Natur kommt Symmetrie erstaunlich häufig vor. Ihre linke und Ihre rechte Körperhälfte sind, zumindest weitgehend, spiegelsymmetrisch zueinander. Das gilt für einen großen Teil der Lebewesen und einen kleineren Teil der Pflanzen und der Pflanzenteile. Symmetrie wird auf einer sehr tiefen Stufe der Wahrnehmung erkannt und auf eine sehr unmittelbare Weise als schön empfunden. Wenn Sie symmetrische Objekte fotografieren, dann sollten Sie die Symmetrie entweder exakt abbilden oder deutlich von ihr abweichen. Wenn Sie einen Innenraum aufnehmen, dann stellen Sie sich also entweder exakt in die Mitte und richten Ihre Kamera auf die Zentralachse aus, oder Sie verlassen die zentrale Achse deutlich und weichen bewusst von einer symmetrischen Darstellung ab. Ich rate Ihnen, bei einem symmetrischen Motiv immer auch eine exakt symme­ trische Bildvariante mit anzufertigen. Der Standpunkt dafür ist schnell festgelegt, und der Reiz der Symmetrie verbraucht sich nicht.

Muster Wenn unser Gehirn Regelmäßigkeiten erkennen kann, also wiederkehrende Elemente, die gleichmäßig angeordnet sind, dann empfinden wir das oft als schön. Bilder mit vielen Details werden durch eine Anordnung als Muster ruhiger und bekommen einen eigenen Reiz. Wenn das Muster zum eigentlichen Bildinhalt wird, kann das Bild allerdings zur formal-ästhetischen Spielerei werden, die zwar nett anzuschauen, aber ansonsten eher langweilig ist. Muster finden Sie in Technik, Architektur und der Natur, sie entstehen oft als Folge einer Eigenschaft des Objekts oder aus der Optimierung eines Bauplans, zum Beispiel bei Bienenwaben. Eine bessere Raumnutzung und höhere Material­effizienz als bei dieser sechseckigen Anordnung ist mathematisch nicht möglich. Hier entsteht die Form aus der Funktion, und das beste Ergebnis ist gleichzeitig schön.

HH Abbildung

7.52 Durch die lange Brennweite gibt es keine perspektivische Verzeichnung, die den grafischen Eindruck der Tanks mit den Stegen stören könnte.

HH Abbildung 7.53 Die Oberfläche des MAGIC-Teleskops auf La Palma füllt das Format vollständig aus. So lenkt nichts vom regelmäßigen Aufbau ab.

400 mm | ƒ9 | 1/320 s | ISO 200

140 mm | ƒ10 | 1/320 s | ISO 100

7.10  Bildaufbau  |  411

Interessant ist es, die Muster mit einer Unregelmäßigkeit zu unterbrechen, besonders wenn diese das eigentliche Motiv darstellt. Um die Regelmäßigkeit in einem Motiv zu betonen, müssen Sie auf die Perspektive und die Bildränder achten. Das Muster wirkt dann am klarsten, wenn es nicht verzerrt ist und an den Kanten nicht unschön unterbrochen wird. Muster können Ihnen helfen, Ordnung in die Bildfläche zu bekommen und Motive leichter erfassbar zu machen. Sie üben einen eigenen ästhetischen Reiz auf den Betrachter aus.

Dreieck Wenn Sie drei Personen fotografieren möchten, ist es die langweiligste Variante, sie direkt nebeneinander anzuordnen. Wenn die Köpfe ein Dreieck bilden, ist die Komposition interessanter und das Bild meist schöner. Wenn das Dreieck mit der Spitze nach oben weist, wirkt der Aufbau am stabilsten und das Bild am ruhigsten. Mit der Spitze nach unten ist der Eindruck labiler. Wenn das Dreieck schräg steht, kommt hingegen mehr Dynamik ins Bild. Je nach gewünschtem Bildeindruck können unterschiedliche Anordnungen die beste Wirkung erzielen.

GG Abbildung

7.54  E Die Boote bilden ein Dreieck, das mit der Ausrichtung der Boote harmoniert.

45 mm | ƒ11 | 1/450 s | ISO 200 | Mittelformat

412  |  7  Bildgestaltung

GG Abbildung

7.55 Links oben: Das Dreieck der Köpfe steht schräg und bringt Dynamik ins Bild. Durch die mittige Position der Mutter und ihre Handhaltung vermittelt das Bild trotzdem eine gewisse Sicherheit. (Ungarn, Ende 19. Jahrhundert)

Abbildung 7.56 E Rechts oben: Die Eltern nehmen die gleiche Pose ein, und ihre Köpfe liegen auf gleicher Höhe. Die Köpfe des Kindes und der Eltern bilden ein auf der Spitze stehendes Dreieck. Das Kind wirkt zwischen den Eltern auch durch die Bildkomposition etwas verloren. (Ungarn, 1931)

Den Einfluss des Dreiecks auf die Bildwirkung sollten Sie sich bei der Aufnahme bewusst machen, sonst entdecken Sie später im Bild ein irritierendes Moment, das allein aus der Bildkomposition herrührt. Das Dreieck als Kompositionsprinzip wird nicht nur bei Gruppenaufnahmen bewusst wahrgenommen, es kann auch bei jedem anderen Motiv auftauchen und die Bildwirkung beeinflussen.

7.10  Bildaufbau  |  413

Punkte Wenn die Bildelemente so klein werden, dass sie als Fläche keine Rolle mehr spielen, sind nur noch ihr Ort, ihre Helligkeit und ihre Farbe wichtig. Sie werden dann gestalterisch als Punkte wahrgenommen. Ein Punkt kann durch seine Position eher ruhig sein oder Spannung aufbauen, er kann in einer Beziehung zu einer Fläche stehen oder mit mehreren Punkten einen fast musikalischen Zusammenhang bilden. Generell ist ein Punkt ein eher dynamisches Element. Der Betrachter verbindet die Orte der Punkte miteinander, und so können Eckpunkte auch Formen oder Linienbögen erzeugen.

G  Abbildung 7.57  E Die gelben Blüten vor dem blauen Bach ziehen das Auge stark an, trotzdem wirkt das Bild relativ ruhig, weil die Punkte fast ein Gleichgewicht bilden.

100 mm | ƒ2,8 | 1/1000 s | ISO 400 | Makroobjektiv

Goldener Schnitt

a GG Abbildung

b

7.58 Der Goldene Schnitt teilt eine Strecke so, dass a : b = (a + b) : a. Das heißt, dass die größere Teilstrecke zur kleineren im selben Verhältnis steht wie die Gesamtstrecke zur größeren.

414  |  7  Bildgestaltung

Der Goldene Schnitt ist eine seit der Antike bekannte Gestaltungsregel. Eine Strecke wird so unterteilt, dass das Verhältnis des kleineren Teils zum größeren Teil dem des größeren Teils zur Gesamtstrecke entspricht. Die Teilung liegt dann bei ungefähr 0,618 bei einer Strecke von 1. In Wirklichkeit hat die Zahl unendlich viele Nachkommastellen, aber so genau werden Sie ohnehin nicht gestalten können. Anders ausgedrückt ist das Verhältnis 1 : 1,618. Die gleichen Nachkommastellen sind kein Zufall, sondern eine Folge der mathematischen Besonderheit dieses Verhältnisses. Der Goldene Schnitt ist ein in der Natur häufig vorkommendes Verhältnis. Sie werden ihn aber auch in der Architektur und in der Kunst wiederfinden, in der Typografie und im Produktdesign.

GG Abbildung 7.59 Das Boot befindet sich im Goldenen Schnitt. Aber auch die Bildhöhe zur Breite steht im Verhältnis des Goldenen Schnitts.

400 mm | ƒ5,6 | 1/500 s | ISO 400

Goldene Spirale Eine verwandte Gestaltungsregel ist die Goldene Spirale. Hier wird eine Spirale erzeugt, die sich näherungsweise durch Kreisbögen beschreiben lässt, die jeweils ein Quadrat ausfüllen, das sich im Verhältnis des Goldenen Schnitts verkleinert. Besonders in der Renaissance bauten die Maler gern die bildwichtigen Elemente anhand der Goldenen Spirale auf. Sie hatten allerdings Zeit, ihr Bild in Ruhe zu konstruieren – beim schnellen Blick durch den Sucher ist diese Gestaltungsregel weniger leicht umzusetzen. Einfacher ist es, ein geeignetes Bild in Photoshop mithilfe der Überlagerung einer Goldenen Spirale freizustellen. Bedenken Sie aber, dass die Goldene Spirale am besten funktioniert, wenn das Seitenverhältnis des Bilds im Goldenen Schnitt liegt, also ungefähr 1 : 0,618 oder grob 5 : 3.

GG Abbildung 7.60 In Photoshop, Lightroom und manchen anderen Bildbearbeitungsprogrammen lässt sich beim Freistellen ein Gitter einblenden, das hilft, das Bild nach dem Goldenen Schnitt zu komponieren.

Abbildung 7.61 E Die Goldene Spirale lässt sich durch Kreisbögen annähern, deren Radien die Seitenlänge der Quadrate sind, die im Verhältnis des Goldenen Schnitts kleiner werden.

7.10  Bildaufbau  |  415

GG Abbildung

7.62  E Die Goldene Spirale führt zu ausgewogenen und spannungsreichen Bildaufbauten.

16 mm | ƒ9 | 1/60 s | ISO 160 | +11⁄3 LW

Drittelregel Die Drittelregel ist sehr populär geworden, weil sie sehr einfach zu erklären und in Photoshop und sogar in machen Kameradisplays einblendbar ist. Man teilt die Bildfläche waagerecht und senkrecht in je drei gleich große Bereiche und versucht, die wesentlichen Motivelemente an den Grenzlinien dieser Bereiche auszurichten oder auf die Schnittpunkte zu legen.

F G  Abbildung 7.63 Die Drittelregel wurde hier als Raster über das Bild gelegt. Das unbeschnittene Original des Bildes (links) ist allerdings spannungsvoller und eleganter, weil es sich nicht genau an die Drittelregel hält.

24 mm | ƒ10 | 1/800 s | ISO 160

416  |  7  Bildgestaltung

Ich persönlich würde die Drittelregel eher als ein einfaches Hilfsmittel betrachten, das Ihnen dabei hilft, das Motiv aus der Mitte zu rücken. Auf Dauer sollten Sie sich auf Ihr eigenes Harmonieempfinden verlassen und das Motiv dort positionieren, wo es Ihnen perfekt stimmig erscheint. Und vergessen Sie auch nicht, dass es nicht immer darum geht, Harmonie zu erzeugen. Manchmal wollen Sie auch Spannung im Bild erzielen, und da ist eine perfekte Ausgeglichenheit nicht förderlich. Bei vielen Kameras können Sie sich dieses Dreierraster im Display anzeigen lassen, auch beim Freistellungswerkzeug in Photoshop (ab Version CS5) lässt es sich einblenden. Selbst wenn Sie sich nicht genau an die Drittelregel halten möchten, kann das Raster bei der Positionierung nützlich sein. An die ewige Wahrheit des Goldenen Schnitts, den die Römer die »göttliche Proportion« nannten, kommt die Drittelregel jedoch nicht im Mindesten heran.

Dynamischer oder statischer Aufbau Allein durch die Komposition können Sie ein Bild ruhig oder bewegt wirken lassen. Wenn Sie zum Beispiel vor einem Haus stehen, können Sie sich parallel vor die Fassade stellen und, falls Sie etwas nach oben fotografieren, die stürzenden Linien komplett ausgleichen. Das Ergebnis wird ein ruhiges Bild werden, wenn nicht die Architektur an sich schon sehr dynamisch ist. Oder Sie stellen sich an die Ecke des Hauses, nehmen die Fassade in die Flucht, gleichen die stürzenden Linien nicht aus und stellen, wenn Sie es auf die Spitze treiben wollen, die Kamera noch schräg. Die Senkrechten sind dann verschwunden, das Bild wird von Schrägen dominiert, und das Haus scheint zu kippen. Ob Sie nun bei einem Haus unbedingt einen bewegten Eindruck erzeugen wollen, sei dahingestellt, im Einzelfall aber ist das durchaus sinnvoll. Bei wirklich bewegten Motiven sollten Sie diese Gestaltungsmittel parat haben, denn ein Bild von einem Autorennen oder einem schnell laufenden Tier, das statisch wirkt, wird dem Thema oft nicht gerecht. Allerdings macht auch manchmal der Kontrast zwischen Inhalt und Gestaltung den Reiz eines Bildes aus.

Abbildung 7.64 E Trotz des sehr dynamischen Aufbaus ist die Komposition sehr klar. Die Bildecken scheinen die Schrägen etwas aufzufangen. Ich habe das Bild nicht nur einfach schräg gestellt, sondern recht genau konstruiert. (St.-Petri-Kirche, Lübeck)

24 mm | ƒ11 | 1/40 s | ISO 100 | Tilt-Shift-Objektiv

7.10  Bildaufbau  |  417

HH Abbildung 7.65 In diesem Bild gibt es ausschließlich waagerechte und senkrechte Linien. Trotz des Hochformats und obwohl die Senkrechte betont wird, ergibt sich ein statischer und ruhiger Gesamteindruck. (Vodafone-Hochhaus, Düsseldorf)

40 mm | ƒ11 | 1/180 s | ISO 100 | APS-C | Perspektivkorrektur in Photoshop

GG Abbildung

7.66 Die Komposition kommt ohne waagerechte und senkrechte Linien aus, die Schrägen und Bögen bringen Dynamik ins Bild.

14 mm | ƒ7,1 | 1/250 s | ISO 100

418  |  7  Bildgestaltung

Auch wenn Sie das Bild sehr dynamisch aufbauen, sollten Sie auf ein Gleichgewicht in der Komposition achten. Ansonsten kann das Foto so unruhig wirken, dass es den Betrachter nervös macht wie ein schief hängendes Bild an der Wand. Der dynamische Aufbau wirkt dann am besten, wenn er nicht nur Selbstzweck ist, sondern die Bildaussage verstärkt. Wenn Sie das Gefühl, das das Motiv in Ihnen auslöst, bewusst mit gestalterischen Mitteln verstärken können, ohne dass dies als Effekt wahrgenommen wird, dann sollten Sie diese Möglichkeit auch nutzen. Einen dynamischen Aufbau zu erreichen, ist mit kurzen Brennweiten einfacher als mit langen: Die Linien stürzen stärker, die Perspektive wirkt extremer, und der Bildwinkel ist oft groß genug, um den Fluchtpunkt noch mit in die Bildfläche integrieren zu können. Bei langen Brennweiten müssen Sie oft stärker eingreifen, indem Sie zum Beispiel den Bildausschnitt schräg stellen oder einen Augpunkt (siehe Seite 422) wählen, der die Perspektive sehr betont.

G  Abbildung 7.67  E Mein Ziel war es, in dieser Aufnahme das leichte Schwindelgefühl zu erfassen, das mich in Lissabon beim Blick die Wendeltreppe hinab befiel.

17 mm | ƒ4 | 1/200 s | ISO 100

7.10  Bildaufbau  |  419

Einfachheit Wenn Sie ein gutes Bild schaffen möchten, sollte Ihr Ziel sein, alles Unnötige wegzulassen, und nicht, alles Mögliche hinzuzugeben. Warum sollten Sie ein Element hinzufügen, das an sich keinen Sinn hat? Und warum sollten Sie ein Stilmittel verwenden, das für die Bildaussage keinen Gewinn bringt? Es ist nicht nur so, dass aufgeräumte Bilder schneller verstanden werden, sie werden auch als schöner empfunden. Das betrifft nicht nur die Fotografie, sondern auch die Architektur und das Design. Das »Weniger ist mehr« von Ludwig Mies van der Rohe, einem Bauhaus-Architekten, hat auch heute noch fast überall Gültigkeit. Es kann Spaß machen, aus dieser Klarheit ab und zu auszubrechen und Bilder zu schaffen, die geradezu überladen sind, aber auf Dauer kommt man mit reduzierter Gestaltung weiter. Sie haben oft genug Schwierigkeiten, ein Motiv frei von störenden oder zumindest ablenkenden Elementen zu fotografieren. Wenn Sie ein schlichtes und klares Bild aufnehmen können, dann tun Sie das auch. Manche Fotografen haben Gewohnheiten entwickelt, die dem entgegenstehen. Zum Beispiel wollen sie immer Elemente im Vordergrund haben, die das eigentliche Motiv einrahmen, oder sie beachten zu wenig, was im Hintergrund des Motivs vor sich geht, und haben so oft ungewollte Details im Bild. Freuen Sie sich nicht nur über Ihre guten Bilder, schauen Sie sich auch die schlechten an, und fragen Sie sich, warum diese nicht wie erwartet ausgefallen sind. GG Abbildung

7.68 Dieses Beispiel simpler Gebrauchsarchitektur habe ich möglichst einfach aufnehmen wollen. Zusätzliche Elemente sind kaum wahrnehmbar, der Schatten des Nebengebäudes berührt gerade eben noch nicht die Seitenwand.

24 mm | ƒ10 | 1/320 s | ISO 100 | Canon TS-E 24 mm ƒ3,5 L

Abbildung 7.69 E Winterliche Abenddämmerung. Die Schärfe wurde auf die entfernten Äste gelegt. Ein Versuch, die Atmosphäre wie bei einem japanischen Haiku skizzenhaft einzufangen.

50 mm | ƒ1,4 | 1/100 s | ISO 800 | APS-C

420  |  7  Bildgestaltung

Beschnitt Nicht immer gelingt es, bereits bei der Aufnahme alle störenden Details außen vor zu lassen. Manchmal findet sich kein Ausschnitt, der wirklich stimmt und der in das vom Sensor vorgegebene Seitenverhältnis passt. Wenn Sie das Bild am eigenen Rechner betrachten, haben Sie mehr Ruhe als in der Aufnahmesituation und können oft durch den Beschnitt des Bildes ein sehr viel besseres Foto erzielen – sei es, dass Sie etwas Störendes wegschneiden oder dass die Bildelemente im Endformat harmonischer angeordnet werden können.

Abbildung 7.70 Dieses Bild einer Küstenszene vor Ibiza kippt etwas nach rechts, der Mann steht zu mittig, und dem Bild fehlt ein wenig Dichte (oben). Nach dem Beschnitt wird der Scharf-Unscharf-Kontrast stärker, das Bild ist gerade und der Aufbau interessanter. Es fehlt nichts, was nicht überflüssig gewesen wäre. Im unteren Bildbereich ist noch etwas Wasser zu sehen, damit der Eindruck der Landzunge nicht verloren geht.

F G 

400 mm | ƒ5,6 | 1/1250 s | ISO 200 | APS-C

Zu meinen analogen Zeiten gehörte ich zwar auch zu den Fotografen, die immer das vollständige Negativ vergrößerten, aber damals hatte ich auch Kameras mit vier unterschiedlichen Seitenformaten zur Auswahl. Heute versuche ich eher, mir Mühe zu geben, die technische Qualität der Aufnahmen so hochzuhalten, dass die Sensorauflösung auch genutzt wird, sodass ich später mehr Spielraum für alternative Ausschnitte habe. Trotzdem ist es natürlich mein Ziel, schon das Ursprungsbild so gut wie möglich ins Format zu setzen.

7.10  Bildaufbau  |  421

7.11  Perspektive Augpunkt Der Augpunkt ist der Punkt, der die Perspektive bestimmt. Wenn Sie mit einer Lochkamera fotografieren würden, wäre es die Position des Lochs. Er kann aber auch durch Ihre Pupille oder den Nodalpunkt des verwendeten Objektivs (siehe Seite 527) definiert werden.

Neunzig Prozent Ihrer Fotos werden Sie wahrscheinlich aus Ihrer normalen Stehhöhe aufnehmen. Das ist nicht verkehrt, weil Sie so einen sehr natürlichen Perspektiveindruck erhalten. Vergessen Sie aber nie, dass es Alternativen gibt, die das Bild im Einzelfall sehr viel interessanter machen oder helfen, ein Problem beim Bildaufbau zu lösen. Das wichtigste Detail bei der Bildgestaltung ist der sogenannte Augpunkt Ihrer Kamera, also der exakte Ort, von wo Sie das Foto aufnehmen. Gewöhnen Sie sich an, beweglich zu sein und diesen Punkt bewusst zu wählen. Viele Bilder werden nur deswegen mittelmäßig, weil der Standort zwischen dem Entdecken des Motivs und der Aufnahme nicht verändert wurde. Haben Sie keine Angst davor, eigenartig auszusehen, wenn Sie sich für ein Foto hinhocken oder irgendwo draufsteigen. Das gehört zum Fotografieren dazu und verhilft Ihnen oft zum besseren Bild. Aber achten Sie immer auf Ihre Umgebung,

Abbildung 7.71 E Ein besonders niedriger Augpunkt mit Blick nach oben, auch Froschperspektive genannt, lässt das Motiv größer und dynamischer erscheinen.

24 mm | ƒ8 | 1/640 s | ISO 250

FF Abbildung 7.72 Derselbe Traktor, aus meiner Stehhöhe fotografiert, wirkt sehr viel zierlicher. Wenn ich ihn mit einem erhöhten Augpunkt und Blick nach unten (Vogelperspektive) fotografiert hätte, würde er noch kleiner wirken.

21 mm | ƒ13 | 1/200 s | ISO 250

422  |  7  Bildgestaltung

auch außerhalb des Motivs. Einer meiner Lehrer stürzte bei der Suche nach der perfekten Perspektive von einer Burgmauer, sah nach seinem Sturz nur noch schwarzweiß und konnte erst nach einem halben Jahr wieder arbeiten. Sie sind in der Wahl der Perspektive noch freier, wenn Sie nicht durch den Sucher der Kamera schauen müssen. Ob Sie die Kamera einfach über Kopf halten, auf den Boden legen oder auf einem Lichtstativ in 3,80 m Höhe fahren und fernauslösen – Sie verlieren ein wenig Kontrolle, gewinnen aber viel Freiheit. Falls Sie noch viel weiter von der Kamera weg möchten oder Sie sehen müssen, was die Kamera sieht, gibt es Möglichkeiten, die Kamera über WLAN zu steuern. Wenn Sie diesen dann noch mit einem Funknetz-Adapter (mobiler WLANHotspot, auch MiFi genannt ) verbinden, können Sie sich das Live-Bild etwas verlangsamt praktisch überallhin übertragen lassen. Das werden Sie vielleicht im Normalfall nicht benötigen, aber wenn Sie Ihre Kamera an eine große Drohne hängen möchten oder eine Kamera in der Sperrzone eines Raketenstarts positionieren wollen, ist es gut zu wissen, dass es dafür Lösungen gibt, die auch für Normalbürger relativ einfach zu realisieren sind.

Vorder- und Hintergrund Um ein gelungenes Bild aufzunehmen, dürfen Sie sich nicht nur auf das eigentliche Motiv konzentrieren, sondern müssen auch den Hintergrund im Auge behalten. Stört er, ist er zu unruhig, fügt er dem Motiv etwas Ungewolltes hinzu, wird die Bildkomposition besser, wenn Sie sich etwas bewegen? Sie haben darauf mehr Einfluss, als Sie vielleicht glauben: Sie können den Standort verändern, die Höhe der Kamera zum Boden verschieben, die Blende öffnen, um den Hintergrund unschärfer abzubilden, und Sie können die Brennweite als Variable einsetzen. Entweder Sie gehen nah ans Motiv heran und verwenden ein Weitwinkelobjektiv, oder Sie treten ein paar Meter zurück und benutzen ein Teleobjektiv. Im ersten Fall erzeugen Sie Weite, weil die Umgebung optisch in die Ferne rückt und der Bildwinkel groß ist. Im zweiten Fall holen Sie einen viel kleineren Teil des Hintergrunds nah an das Motiv heran. Eine Person auf einem Marktplatz wird so entweder vom halben Marktplatz umgeben oder scheint direkt vor einer Mauer eines dahinterliegenden Hauses zu stehen. Die Blickrichtung ist zwar gleich, aber der Abstand zum Motiv und die Brennweite unterscheiden sich. Sie haben Einfluss auf die Blickrichtung, die Schärfe, die Größenverhältnisse, den Bildausschnitt und die Tiefenwahrnehmung. Und wenn Sie eigenes Licht wie zum Beispiel Blitze verwenden, können Sie auch die Beleuchtung noch verändern.

GG Abbildung

7.73 In dieser Bildreihe habe ich die Brennweite und den Standpunkt gleichzeitig verändert, sodass das Gatter im Vordergrund immer gleich groß erscheint. Je länger die Brennweite, desto näher scheint der MontSaint-Michel dem Betrachter zu kommen, obwohl er in Wirklichkeit ein paar Meter weiter wegrückt. Der Heuschober rechts wandert aus dem Bild, und das Bild erscheint flacher.

Von oben nach unten: 28 mm, 47 mm, 105 mm (APS-C) | ƒ6,3 | 1/60 s | ISO 200

7.11  Perspektive  |  423

Sie müssen sich bei der Aufnahme fragen, wie wichtig der Hintergrund inhaltlich für das Bild ist. Wenn Sie zum Beispiel einen Goldschmied in seiner Werkstatt fotografieren, dann erzählt das Umfeld etwas über die Person, und der Betrachter möchte etwas davon erkennen können. In anderen Fällen eignet sich der Bildhintergrund vielleicht nur dazu, eine angenehme Licht- und Flächenaufteilung zu erzeugen und das Hauptmotiv zu betonen. Wenn Sie beim Fotografieren den Hintergrund aus den Augen verlieren, weil Sie sich nur auf das Hauptmotiv konzentrieren, wird das oft den Bildern schaden. In der Praxis ist das einer der häufigsten Fotografenfehler. GG Abbildung 7.74 Das unscharfe Flugzeug steht im Kontrast zu dem knospenden Baum im Vordergrund. Die lange Brennweite lässt den Flieger näher (und lauter) erscheinen. Die Fluglinie (Wizz Air) ist trotz der Unschärfe erkennbar.

400 mm | ƒ5,6 | 1/500 s | ISO 100

Abbildung 7.75 E Der Bildaufbau lässt der Villa an der Granitküste bewusst wenig Raum. Dafür werden die Lage am Meer und die Gewaltigkeit der Felsen deutlich.

110 mm | ƒ6,4 | 1/850 s | ISO 200 | Mittelformat

424  |  7  Bildgestaltung

Auch wenn das Bild im Endergebnis zweidimensional ist, sollten Sie alle Möglichkeiten der dritten Dimension bei der Gestaltung ausnutzen. Der Augpunkt ist das wichtigste Gestaltungsmittel überhaupt. Konzentrieren Sie sich nicht so sehr auf die Kamera, sondern mehr darauf, wo sich die Kamera befindet und worauf sie gerichtet ist. Bei einem Zoomobjektiv verändert man den Bildausschnitt durch einen kurzen Dreh am Zoomring. Die Brennweite ist die komfortabelste Variante der Ausschnittsveränderung, aber oft ist die Änderung des Standorts die bessere Wahl. Ein paar Schritte zu tun, anstatt zu zoomen, ergibt häufig das bessere Bild. Bleiben Sie beweglich, auch im Kopf. Einen Hintergrund haben Sie immer, einen Vordergrund nicht zwangsläufig. Ein Vordergrund kann sehr zur Blickführung beitragen und dem Motiv zusätzliche Tiefe geben oder störende Elemente verdecken. Wenn er zum Bild nichts

GG Abbildung

7.76 Der Vordergrund rahmt das Gebäude im Hintergrund ein, schattet die Kamera gegen Streulicht ab und betont das Raster der 1960er-Jahre-Architektur zusätzlich. Eine Position zwei Meter weiter vorn hätte ein weniger dichtes Bild ergeben.

20 mm | ƒ13 | 1/160 s | ISO 125

7.11  Perspektive  |  425

Abbildung 7.77 E Die Blüten im Vordergrund decken jene im Hintergrund nicht vollständig ab, weil ihr Durchmesser kleiner ist als der der Blendenöffnung. Bei 600 mm und ƒ5,6 ergibt sich eine Blendenöffnung von 107 mm, während die Blüten maximal auf 30 mm kamen.

600 mm | ƒ5,6 | 1/800 s | ISO 500

beiträgt, dann lassen Sie ihn weg. Sie sollten jedes Bildelement nur dann einsetzen, wenn es einen eigenen Sinn ergibt. Die Unschärfe, die Sie im Hintergrund erreichen können, ist nichts gegen die, die im Nahbereich möglich ist. Sie können durch Blätter fotografieren und das Motiv im Hintergrund wird trotzdem nicht abgedeckt sein, sondern es wird nur ein grüner Schleier mit unterschiedlicher Dichte über dem Bild liegen. Natürlich funktioniert das nur mit einem lichtstarken Objektiv bei Offenblende, aber der Effekt ist stärker, als Sie vielleicht vermuten. Wenn die Blendenöffnung größer ist als das verdeckende Objekt, kann immer ein Bereich des Objektivs daran »vorbeisehen«, und der Hintergrund bleibt sichtbar. Im Extremfall wird das verdeckende Objekt dabei fast unsichtbar.

426  |  7  Bildgestaltung

Fluchtpunkt Ein Fluchtpunkt ist ein Punkt, in dem perspektivische Linien zusammenlaufen. Wenn Sie sich in einer Stadt mit einem rechtwinkligen Straßenraster befinden, gibt es davon sechs: vier, die am Horizont nach Norden, Osten, Süden und Westen liegen, einen nach oben (Zenit) und einen nach unten, der seltener wahrgenommen wird, den Nadir. Wenn Sie genau parallel auf eine Fläche (etwa eine Hauswand) fotografieren und die Kamera waagerecht halten, liegen alle Fluchtpunkte unendlich weit außerhalb des Bildes – eine Perspektive ist praktisch nicht sichtbar. Wenn Sie den Fluchtpunkt in die Mitte nehmen, ergibt sich eine Zentralperspektive, die die Symmetrie betont und das Auge zur Bildmitte zieht.

F G  Abbildung 7.78 In diesem Bild mit den spitz zusammenlaufenden Straßen gibt es zwei Fluchtpunkte mit einem relativ geringen Winkelabstand. Den oder die Fluchtpunkte mit ins Bild zu nehmen, betont die Tiefe des Raumes.

17 mm | ƒ13 | 1/125 s | ISO 125

7.11  Perspektive  |  427

Das bietet sich für symmetrische Motive an. Der Perspektiveindruck wird aber oft noch intensiver, wenn Sie den Fluchtpunkt aus der Mitte rücken und auf diese Weise eine der Fluchten im Bild mehr Platz erhält. Durch die Fluchtpunktperspektive läuft ein großer Teil der Linien in einem Punkt zusammen, das können Sie zur Blickführung nutzen. Diese Perspektive kann aber auch ablenken, sodass Sie sie dann lieber etwas unterdrücken statt betonen sollten. Sie haben die Wahl, ob Sie die Raumtiefe hervorheben oder eher flächig arbeiten möchten. Wenn Sie die Perspektive hervorheben möchten, schauen Sie, wo die Linien aus dem Bild laufen und ob das Bild tiefer erscheint, wenn Sie die Kamera etwas höher oder flacher halten. Oft hilft auch eine leichte Positionsveränderung, damit die bildwichtigen Linien besser durch das Format laufen oder näher an die Bildecken reichen.

GG Abbildung

7.79  E Die Schienen und Oberleitungen der Straßenbahn betonen die Perspektive zusätzlich.

12 mm | ƒ9 | 1/640 s | ISO 200

428  |  7  Bildgestaltung

GG Abbildung 7.80  E Hier liegt der Fluchtpunkt in der Mitte. Die sogenannte Zentralperspektive passt zur barocken Architektur mit den modernen Wein-Degustations-Kabinen in der Université du Vin in Suze-la-Rousse.

17 mm | ƒ7,1 | 1/50 s | ISO 1 600

7.12  Bildreihen Sie müssen nicht unbedingt einen Fotoroman erschaffen, um mehrere Bilder in einer zusammenhängenden Arbeit sinnvoll zu nutzen. Wenn Sie Bilder kombinieren, wird der Betrachter immer nach Zusammenhängen und Gemeinsamkeiten suchen, was selbst dann funktionieren kann, wenn es diese gar nicht gibt. FF Abbildung

7.81 Diese beiden Bilder ähneln einander sehr stark, aber probieren Sie einmal, beliebige Fotos aus Ihrem Archiv nebeneinanderzulegen. Sie werden fast immer in eine Beziehung zueinander treten.

7.12  Bildreihen  |  429

Serien Eine Serie ist eine Reihe von Bildern, die inhaltlich und/oder gestalterisch zusammenhängen. Wenn Sie sich ein Thema vornehmen und dieses über einen längeren Zeitraum fotografisch bearbeiten, wird dabei meistens eine Serie herauskommen. Sie werden sich dann bei der Präsentation der Serie Gedanken über Auswahl und Reihenfolge der Bilder machen müssen. Das kann auch dazu führen, dass Sie ein an sich gutes Bild aussortieren müssen, weil es nicht zur Serie passt oder den Fluss stört. Sobald Sie eine Serie für eine Präsentation oder eine Ausstellung vorbereiten, werden Sie feststellen, dass auch nebenei­nanderhängende Bilder sich gestalterisch beeinflussen und dass sich bestimmte formale Elemente über die Bildgrenzen des einzelnen Bildes erstrecken können. Eine Serie fertigzustellen, wird Ihnen viel gestalterische Erfahrung einbringen.

Sequenzen Eine Sequenz ist eine Reihe von Bildern desselben Motivs in zeitlicher Abfolge. Das kann eine sich über Sekunden verändernde Straßenszene sein oder eine bestimmte Landschaft im Laufe der Jahre. Bauprojekte oder Zerfallsprozesse eignen sich naturgemäß gut für Sequenzen, aber auch eine Reihe Porträts kann gut funktionieren. Wenn Sie eine Sequenz von exakt einem Standpunkt aus fotografieren, können Sie sie später zu einem Zeitraffervideo montieren, das Endprodukt muss also kein rein fotografisches sein.

FF Abbildung 7.82 Ein russischer Frachter, der zum Abwracken geschleppt wurde, hatte sich (oder wurde) losgerissen und lief in der Nähe von Hanstholm auf Grund. Ein paar freischaffende Abwracker schweißten ihn auseinander und verkauften ihn dann als Schrott. Ich war mehrfach dort, um den Fortschritt zu fotografieren.

Abbildung 7.83 E Drei Bilder aus einer Arbeit über die dänische Westküste. Für das Bildformat entschied ich mich nach dem Besuch eines Cinemascope-Festivals. Von oben nach unten: Kutter in einer Werft in Hvide Sande, ein Haus im Abenddunst in Klitmøller, auf der Hafenmole in Hirtshals

430  |  7  Bildgestaltung

7.12  Bildreihen  |  431

7.13  Der Einfluss der Technik

GG Abbildung

7.84 Ein altes 50-mm-DDR-Tessar an einer Sony. Dieses Bild wurde mit einem ähnlich alten Normalobjektiv aufgenommen.

55 mm | ƒ1,8 | 1/640 | ISO 100 | Super-Takumar 55 mm ƒ1,8

432  |  7  Bildgestaltung

Die Wahl der Kamera und des Objektivs beeinflusst nicht nur das Bild, sondern auch Sie, wie Sie Ihre Bilder aufnehmen. Wenn Sie alte Objektive ohne AF verwenden, dann werden diese eine andere Bildstimmung erzeugen. Die Schärfe bei Offenblende ist oft sichtbar schlechter, die Atmosphäre und die dreidimensionale Tiefe aber meist schöner. Zudem arbeiten Sie anders, wenn Sie mechanisch scharfstellen: Sie lassen sich nicht von AF-Punkten leiten und sind langsamer. Wenn Sie eine Mittelformatkamera verwenden, wird diese Sie aller Voraussicht nach verleiten, genauer zu arbeiten. Der größere Sucher, die langsamere Arbeitsweise und die höhere Bildauflösung verführen zur Sorgfalt, Sie werden eher ein Stativ verwenden als mit kleineren Kameras. Das resultierende Bild sieht aber ebenfalls aufgrund von technischen Einflüssen anders aus. Auch wenn die Unterschiede im Druck oft nicht mehr wichtig sind, wenn Sie sich das Bild in Ruhe am Bildschirm ansehen, werden Sie die Unterschiede bemerken. Die Wahl der Technik hat einen umso größeren Einfluss, je weiter Sie selbst in Ihrer fotografischen Entwicklung sind. Gleichzeitig wird sie dann auch unwichtiger, weil Sie Beschränkungen besser umgehen können und das Beste aus dem Vorhandenen herausholen können. Es kann auch umgekehrt so sein, dass Sie mit einem Smartphone bessere Bilder aufnehmen als mit einer Systemkamera, etwas weil Sie spontaner und kreativer an die Sache herangehen. Außerdem werden Sie nicht automatisch zu einem besseren Fotografen, nur weil Sie sich eine neue Profikamera zulegen. Wenn Sie allerdings eine längere Zeit den technischen Fortschritt in der Fotografie ausgelassen haben, dann macht eine neue Kamera einen echten Unterschied für Ihre fotografischen Möglichkeiten. Ansonsten hängen Ihre fotografischen Möglichkeiten und Ergebnisse mehr an Ihren Objektiven als an Ihrer Kamera. Die Erweiterung muss gar nicht teuer werden. Wer z. B. eine Kamera mit lichtschwachen Kit-Objektiven verwendet, der wird mit einem alten Normalobjektiv, einem mechanischen Adapter und vielleicht noch einem Paar Zwischenringen seine Ausdrucksmöglichkeiten stark vergrößern. Das alles zusammen ist auch für unter 50 € zu bekommen. Wenn Sie die Blende recht weit schließen, werden sich die Bildergebnisse unterschiedlicher Objektive der gleichen Brennweite fast gleichen. Bei offener oder nur wenig geschlossener Blende werden Sie den Bildern das verwendete Objektiv ansehen (siehe den Abschnitt »Bokeh« ab Seite 121).

kurz & bündig:  Bildgestaltung Gute Bilder macht man, sie passieren einem nicht. Trotzdem gibt es Chancen, bei denen Sie schnell handeln müssen, um nicht eine außergewöhnliche Aufnahme zu verpassen. Die meisten guten Bilder, die Sie gesehen haben, sind aber nicht das Ergebnis besonderer Umstände, sondern von etwas Planung und guter Gestaltung. Ihre Fotos werden immer etwas von Ihrer Persönlichkeit widerspiegeln, das können und sollten Sie auch nicht vermeiden. Ihre Bilder werden umso besser werden, je mehr Sie sich für ein Thema interessieren und je näher Sie dran sind – solange Sie immer in der Lage sind, gedanklich einen Schritt zurückzutreten und kritisch nach Verbesserungen zu suchen. Ich erinnere mich an einen Bewerber für das Fotostudium, der eine Mappe voller Saxofon-Fotos zeigte. Nur auf einem Bild war keines zu sehen, aber er merkte an, dass eine der Personen auf dem Bild Saxofon spielen würde. Manchmal steht einem die eigene Leidenschaft auch fotografisch im Weg. Der Bewerber kam nicht durch die Aufnahmeprüfung, weil die Liebe für die Fotografie deutlich kleiner schien als die für Saxofone. Trotzdem bleibe ich bei meinem Rat: Fotografieren Sie, was Sie interessiert, und machen Sie es so, wie Sie es als passend und stimmig empfinden. Bleiben FF Abbildung

7.85 Der sachkundige Besucher eines Youngtimertreffens drückt sein Interesse schon durch seine Körpersprache aus.

50 mm | ƒ2 | 1/40 s | ISO 1 000

KURZ & BÜNDIG:

Bildgestaltung  |  433

Sie sich treu, ohne die Offenheit für Kritik, Anregungen und Verbesserungen zu verlieren. Und versuchen Sie, selbst Ihr ehrlichster Kritiker zu sein, wenn dieser Kritiker weiter ist als der Fotograf, wird der Fotograf nicht stehen bleiben. Die Krise gehört dazu, aber der Spaß ist mindestens genauso wichtig. Unzufriedenheit mit den eigenen Bildern ist ein starker Motor, um besser zu werden. Wenn Sie irgendwann völlig zufrieden mit Ihren Bildern sein sollten, dann sehen Sie das als Warnsignal, zumindest wenn der Zustand länger anhält.

Anregungen für die Fotopraxis EE

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KURZ & BÜNDIG:

Bildgestaltung

Fotografieren Sie ein Motiv aus vier möglichst unterschiedlichen Perspektiven. Die fertigen Bilder sollen sich in der Wirkung möglichst stark voneinander unterscheiden. Versuchen Sie, eine möglichst perfekte Kombination aus Vorder- und Hintergrund zu finden. Fotografieren Sie dasselbe Motiv einmal sachlich und statisch sowie einmal subjektiv und dynamisch. Verwenden Sie den Goldenen Schnitt, um das Hauptmotiv im Format zu positionieren. Suchen Sie ein Bild aus Ihrem Archiv, dessen Motiv Ihnen am Herzen liegt, und versuchen Sie, nur durch Beschnitt ein optimales Ergebnis zu erzielen. Suchen Sie sich ein Thema für eine Serie oder eine Sequenz. Vier Bilder reichen für einen ersten Versuch. Nehmen Sie ein sehr einfaches Bild auf, das trotzdem nicht nur formal bestehen kann. Verbinden Sie eine Bildaussage mit einer radikal einfachen Gestaltung, ohne dass das Ergebnis platt wirkt. Nehmen Sie ein Bild auf, das von einem klaren Kontrast – welcher Art auch immer – lebt. Planen Sie, ein Bild zu erstellen, das groß ausgegeben werden soll. Die längere Kantenlänge soll mindestens 80 cm betragen. Wählen Sie ein Motiv, das in dieser Größe gut wirkt, und arbeiten Sie so exakt, dass die Qualität stimmt. Suchen Sie sich drei fotografische Regeln, gegen die Sie bewusst verstoßen möchten, ohne dabei die Qualität des Ergebnisses zu gefährden. Beobachten Sie sich dabei, wie stark die Technik der Kamera Ihre gestalterischen Entscheidungen beeinflusst. Lassen Sie sich von den Autofokus-Messfeldern Ihren Bildaufbau vorschreiben? Nehmen Sie andere Bilder auf, wenn Sie den Livebild-Modus verwenden? Fotografieren Sie immer aus Stehhöhe, weil das mit dem Sucher am bequemsten ist? Überlassen Sie den Kameraautomatiken Entscheidungen, die Sie lieber selbst treffen sollten?

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Geben Sie dem Zufall Raum, etwa, indem Sie »aus der Hüfte« fotografieren, ohne auf den Monitor zu schauen. Geben Sie Kontrolle auf, aber nicht den Qualitätswillen. Verbinden Sie Ihre starken Interessen mit der Fotografie – Ihre Bilder werden dann am besten, wenn sie Ihren Leidenschaften entsprechen. Nehmen Sie sich Zeit für ein einziges Bild, Sie können dabei ein Stativ verwenden, um den Bildausschnitt in Ruhe und genau festzulegen. Warten Sie auf den richtigen Moment, wenn es nötig ist. Denken Sie daran, dass ein gutes Bild besser ist als 100 mittelmäßige. Sie haben Zeit. Gehen Sie in Ruhe durch Ihr Archiv, entdecken Sie die verborgenen Schätze, die Sie bereits fotografiert haben. Arbeiten Sie das Bild sorgfältig aus und verzichten Sie dabei auf alle Effekte.

Abbildung 7.86 E Das extreme Hochformat unterstreicht die Tiefe des Geirangerfjords und die verhältnismäßige Winzigkeit des Kreuzfahrtschiffs. Der Blick gleitet immer weiter hinab, bis er Halt am Schiff findet.

140 mm | ƒ5,6 | 1/640 s | ISO 250

KURZ & BÜNDIG:

Bildgestaltung  |  435

Kapitel 8:  Farbe Farbe ist ein sehr direktes Gestaltungsmittel, das Ihnen großen Einfluss auf die Gefühle der Betrachter ermöglicht. Ein bewusster Umgang mit Farbe kann Ihre Bilder deutlich verbessern, manche Bilder erhalten ihre Wirkung sogar nahezu ausschließlich aus ihrer Farbzusammensetzung. Die Farbenlehre ist auch eine wichtige Grundlage der Bildbearbeitung.

8.1  Was ist Farbe? Farbe ist ein Sinneseindruck, der aus dem Zusammenspiel von Auge und Gehirn entsteht. Farbe entsteht also in Ihrem Kopf. Sie ist keine absolute Eigenschaft der Dinge, und Sie können nicht einmal wissen, ob eine andere Person bei dem, was Sie als »rot« bezeichnen, denselben Sinneseindruck hat. Es ist allerdings anzunehmen, dass Farbe bei anderen Menschen zumindest recht ähnlich funktioniert wie bei Ihnen, sonst könnten Farben nicht so gut als Bedeutungsträger fungieren. Wobei die Bedeutung der Farben stark kulturabhängig ist, wie man schon an den Begriffen erkennen kann, die für die unterschiedlichen Farben in den verschiedenen Sprachen verwendet werden. Im Altgriechischen wird das Wort »ochron« in unterschiedlichen Quellen mit der Farbe der Haut, des Feuers und des Frosches gleichgesetzt, »glaukon« wird für den Mond, das Feuer, für Blaugrau, Hellblau und für Blätter verwendet – Dinge, für die wir im Deutschen schwerlich einen gemeinsamen Begriff finden würden. Auch heute gibt es in vielen Sprachen (z. B. im Vietnamesischen) keine unterschiedlichen Begriffe für Grün und Blau. Je nach Kultur werden also unterschiedliche Farbbereiche zu einem Wort zusammengefasst und Farben unterschiedlich stark begrifflich voneinander getrennt.

FFF Abbildung 8.1 Der Reiz des Bildes liegt in der reduzierten Farbauswahl bei hohem Farbkontrast. Ein Ringblitz trug zur Leuchtkraft des Motivs bei.

70 mm | ƒ9 | 1/160 s | ISO 200 | Ringblitz

Wahrnehmungsunterschiede Die Wahrnehmung der Farben ist also nicht bei allen Menschen gleich. Zudem haben ungefähr ein Prozent der Frauen und neun Prozent der Männer eine genetisch bedingte Einschränkung in einem der drei verschiedenen Rezeptoren (für Rot, Grün und Blau) im Auge. Das bedeutet, dass sie entweder die Farben Rot und Grün oder (seltener) Blau und Gelb nicht gut unterscheiden können. Falls Sie zu den Betroffenen zählen, so müssen Sie nicht verzweifeln: Ich kenne

8.1  Was ist Farbe?  |  437

Fotografen mit Farbfehlsichtigkeit, die mit ein wenig Training in der Lage waren, auch geringe Farbstiche korrekt auszufiltern, und gute Bildbearbeiter wurden. Das Farbsehen ist ein Produkt der evolutionären Anpassung an unseren Lebensraum. Dementsprechend haben verschiedene Tiere auch ein ganz anderes Farbsehen entwickelt als wir. Ein Hund kann zum Beispiel nur Rot und Blau unterscheiden, während ein Goldfisch mit seinen vier Farbrezeptoren wahrscheinlich mehr Farben sehen kann als Sie. Schmetterlinge sollen sogar fünf verschiedene Rezeptoren besitzen und auch Farben wahrnehmen, die für uns unsichtbar im ultravioletten Strahlungsbereich liegen.

GG Abbildung

8.2 Personen mit uneingeschränktem Farbensehen sollten eine zweistellige Zahl im Kreis erkennen. Bei einer Rot-Grün-Farbfehlsichtigkeit könnten Sie nur zufällig verteilte Punkte sehen.

Key Key colour bezeichnet im Englischen die schwarze Grundplatte des Drucks, auf ihr ist auch der schwarze Text.

438  |  8  Farbe

Farbsehen: das Auge Die Funktionsweise des Farbsehens im Auge ähnelt ein wenig der einer Digitalkamera. Die Netzhaut des Auges besitzt spezialisierte Zellen, die sogenannten Zapfen, die jeweils für rotes, grünes oder blaues Licht empfindlich sind – wie die einzelnen Bauelemente auf einem Sensor. Im Unterschied zum Sensor sind sie aber ungleichmäßig verteilt: In der Mitte der Netzhaut gibt es mehr Zapfen als außen, und es gibt sogar einen blinden Fleck ganz ohne Sehzellen, an dem die Nervenbahnen aus dem Auge ins Gehirn führen. Dort sehen Sie gar nichts, aber das merken Sie meist nicht, weil das Gehirn den Bereich ähnlich dem Reparaturpinsel in Photoshop ergänzt. Die Zapfen werden von einem weiteren Zelltyp, den Stäbchen, unterstützt. Diese sind lichtempfindlicher und nehmen nur Helligkeitsunterschiede wahr. Bei schwachem Licht sind nur noch die Stäbchen aktiv, sodass Sie (fast) keine Farben mehr sehen – deshalb sind »nachts alle Katzen grau«. Nun können Sie aber nicht nur drei Farben sehen, sondern ein paar Millionen. Das kommt daher, dass die Zapfen die Einzelhelligkeiten der Farben fein abgestuft messen und die Werte der Einzelfarben anschließend zu einem Farb­ eindruck addiert werden. Gelb zum Beispiel entsteht dadurch, dass die Rezeptoren für Rot und Grün gemeinsam ansprechen, Cyan (Blaugrün) durch die Informationen der blauen und grünen Zapfen und Magenta durch die der roten und blauen Zapfen. Zwischenfarben wie Orange ergeben sich, indem die roten Rezeptoren voll ausschlagen, die grünen halb und die blauen fast gar nicht. Dieses Prinzip nennt sich additive Farbmischung. Dadurch, dass das Auge nur drei Farben in ihren unterschiedlichen Helligkeiten messen kann, ist es egal, ob sich Gelb zum Beispiel aus einer reinen Spektralfarbe von 580 nm Wellenlänge ergibt oder durch gleich helle Anteile roten und grünen Lichts. Der Sinneseindruck ist der gleiche, obwohl die zugrundeliegende physikalische Farbinformation eine ganz andere ist.

Additive Farbmischung Es ist möglich, mit rotem, grünem und blauem Licht (RGB) verschiedener Helligkeit jeden für den Menschen sichtbaren Farbeindruck zu erzeugen. Diesen Umstand nutzen Geräte wie Monitore, Beamer oder auch LED-Leuchtflächen, die mit nur drei verschiedenen Grundfarben alle anderen erzeugen. In der Praxis können diese Geräte allerdings nicht alle für das menschliche Auge sichtbaren Farben erzeugen, weil ihre Grundfarben dafür nicht rein genug sind. Die kräftigsten Farben können daher im Farbraum der Geräte nicht dargestellt werden. Die additive Farbmischung funktioniert bei Geräten, die Licht aussenden, oder bei der Lichtaufzeichnung in der Kamera oder im Auge. Der RGB-Farbraum arbeitet nach dem Prinzip der additiven Farbmischung. Als Fotograf werden Sie am häufigsten mit RGB-Farbräumen zu tun haben, weil Ihre Kamera, Ihr Scanner und Ihr Bildschirm damit arbeiten und weil die Bildbearbeitung darin gut funktioniert.

Subtraktive Farbmischung Anders als bei der additiven Farbmischung kommt bei nichtleuchtenden Farben der Farbeindruck auf eine andere Weise zustande. Dort ist die Farbe das, was die Objekte vom eintreffenden Licht übrig lassen. Ein rotes Feuerwehrauto im Tageslicht schluckt die blauen, grünen und gelben Anteile des Lichts und wandelt sie in Wärme um, nur das rote Licht wird wieder abgestrahlt. Hier werden also vom weißen Licht bestimmte Farben abgezogen, deswegen nennt man diese Methode subtraktive Farbmischung. Auf diese Weise funktioniert auch die Darstellung aller Bilder hier im Buch. Drei Druckfarben ziehen jeweils ein Drittel des Spektrums von der weißen Papierfarbe ab: Cyan filtert Rot aus, Magenta filtert Grün aus, und Gelb filtert Blau aus. In der Praxis druckt man zusätzlich Schwarz, das fast kein Licht zurückwirft, weil die drei Grundfarben Cyan, Magenta und Gelb nicht rein genug sind, um zusammen sämtliches Licht auszufiltern. Es bliebe ein dunkles Braun oder Grün übrig statt eines reinen Schwarzes. Außerdem ist die schwarze Farbe kostengünstiger. Diese Grundfarben des Drucks werden als CMYK abgekürzt für die englischen Bezeichnungen Cyan, Magenta, Yellow und Key (Schwarz). Ein Tintenstrahldrucker arbeitet nach dem gleichen Prinzip, auch wenn viele Geräte zusätzliche Farbpatronen verwenden, um den Farbraum zu vergrößern oder die Helligkeitsabstufungen zu verfeinern. Trotzdem sollten Sie Bilder als RGB-Daten an einen Foto-Tintenstrahldrucker senden, weil die Umsetzung in CMYK erst im Druckertreiber erfolgt und Sie so bessere Farben erhalten.

GG Abbildung 8.3 In einem dunklen Raum treffen ein roter, ein grüner und ein blauer Scheinwerfer versetzt auf eine Leinwand. Das Ergebnis würde dieser schematisch vereinfachten Darstellung der additiven Farbmischung sehr ähneln.

GG Abbildung

8.4 In der Mitte sind reine cyanfarbene, magentafarbene und gelbe Druckfarbe übereinander gedruckt. Durch die Überlagerung entstehen Rot, Grün und Blau. Der dunkle Farbton in der Mitte wäre bei perfekten Farben ein reines Schwarz, in der Praxis druckt man Schwarz jedoch als vierte Farbe dazu.

8.1  Was ist Farbe?  |  439

Farbtemperatur Die Farbtemperatur beschreibt die Farbe des Lichts auf einer Warm-Kalt-Skala. Sie wird in Kelvin (K) angegeben, einer Maßeinheit, die die Temperatur in 1 gleich großen Schritten angibt wie unser Grad Celsius, allerdings liegt der Nullpunkt beim absoluten Nullpunkt von −273,15 °C. Kurz gesagt: 0 °C entsprechen +273,15 K. Das Gedankenmodell hinter der Farbtemperatur ist folgendes: Sie nehmen einen idealen schwarzen Körper (also einen Gegenstand, der sämtliches Licht absorbiert und nichts reflektiert) und heizen ihn auf. Dieser Körper wird die Energie in Form von elektromagnetischen Wellen abstrahlen, wie es auch ein 2 zum Glühen gebrachtes Stück Stahl tut. Irgendwann wird die Temperatur so hoch, dass diese Strahlung nicht mehr nur Wärme ist, sondern in den sichtbaren Bereich kommt. Bei einer Temperatur von knapp 1 000 K würden Sie ein dunkGG Abbildung 8.5 les rotes Glühen bemerken. Wenn Sie die Temperatur weiter erhöhen, wird das Alle Farben auf der gebogenen LiLicht gelb, dann weiß und später blau. Es entspricht je nach Temperatur des nie 1 lassen sich als Licht mit beKörpers damit verschiedenen Lichtquellen: stimmter Wellenlänge darstellen. Für die Gerade unten 2 , die Blauviolett mit Rot verbindet und die die Magentatöne enthält, gilt dies nicht. Magenta ist immer eine Mischfarbe.

Tabelle 8.1 E Lichtquellen und ihre typischen Farbtemperaturen in Kelvin

Lichtquelle

Farbtemperatur

Kerzenlicht oder Feuer

1 200 – 1 900 K

schwache Glühlampen

2 200 – 2 700 K

starke Glühlampen

2 700 – 3 000 K

Halogenlicht

3 000 – 3 400 K

Abendlicht

4 000 K

Tageslicht und Blitz

5 600 K

bedeckter Himmel

6 500 – 7 500 K

Schatten unter blauem Himmel

9 000 – 12 000 K

Himmel in später Dämmerung

15 000 – 27 000 K

Je niedriger die Farbtemperatur ist, desto wärmer (röter) ist das Licht, und desto geringer sind die Blauanteile. Bei einer Farbtemperatur von um die 5 600 K erscheint uns das Licht reinweiß, wobei das Auge sich an die Farbtemperatur in einem weiten Bereich anpassen kann. Es macht sozusagen einen automatischen Weißabgleich, ähnlich dem Ihrer Kamera. Über 5 600 K wird das Licht bläulich bis tiefblau. Farben wie Grün oder Magenta kommen in dieser Reihe nicht vor. Wenn Sie also eine Neonleuchte mit einem grünen Farbstich verwenden, hat diese zwar eine Farbtemperatur von etwa 4 000 K (was einem gelblichen Weiß

440  |  8  Farbe

entspricht), der Grünton kann über die Farbtemperatur aber nicht abgebildet werden. Deswegen haben Sie in Adobe Camera Raw oder anderen Raw-Konvertern zwei Regler, um die Lichtfarbe zu definieren: den Regler für die Farbtemperatur und den Regler für die Abweichung in der Grün-Magenta-Achse (siehe auch Kapitel 12, »Bildbearbeitung«, ab Seite 646). Wenn Sie nun ein Bild mit Halogenbeleuchtung von 3 200 K aufgenommen haben und Sie die Farbtemperatur im Raw-Konverter (oder den Weißabgleich Ihrer Kamera) auch auf 3 200 K einstellen, wird das Licht weiß dargestellt. Wenn Sie die Farbtemperatur auf 5 600 K stellen, würde Tageslicht reinweiß dargestellt, ein Licht von 3 200 K wird bei entsprechender Konvertierung also sehr warm abgebildet. Das hat die etwas paradoxe Folge, dass Sie, wenn Sie die Farbtemperatur kühler einstellen, wärmere Bilder erhalten. Auf den zweiten Blick ist das aber ganz logisch: Je kälter Sie das Referenzweiß einstellen, desto wärmer erscheint das tatsächliche Weiß.

HH Abbildung

8.6 Dieselbe Aufnahme mit drei verschiedenen Weißpunkten. In der linken Aufnahme liegt Weiß bei 2 800 K. Das Glühlicht wirkt neutral, der Rest blau. In der mittleren Aufnahme bei 4 000 K ist das Kunstlicht warm, das Tageslicht aber noch bläulich. Rechts liegt Weiß bei 5 600 K, und das Tageslicht ist neutral, das Kunstlicht sehr warm.

12 mm | ƒ4,5 | 1/13 s | ISO 3 200

Farbsättigung Die Farbsättigung beschreibt die Intensität der Farbe unabhängig von Farbton und Helligkeit: Je stärker die Farbsättigung, desto klarer der Farbeindruck und je geringer die Sättigung, desto gedeckter erscheinen die Farben.

GG Abbildung

8.7 Der Farbstreifen zeigt einen Cyan-Ton von gleicher Helligkeit, aber mit unterschiedlicher Sättigung (von 0 % bis 100 %). 0 % (ganz links) ergeben ein reines Grau, 100 % ein leuchtendes Cyan.

8.1  Was ist Farbe?  |  441

Abbildung 8.8 E Die Farbsättigung wurde beim rechten Bild hauptsächlich durch den Regler Dynamik in Lightroom erhöht. Es kommt so dem Eindruck vor Ort wesentlich näher als die linke Variante, die unbearbeitet ist.

115 mm | ƒ5 | 1/1600 s | ISO 200

Oft sind gerade die professionellen Kameras in ihrer Standardeinstellung zurückhaltend in der Farbigkeit. Die genaue Abstufung der Farben ist auch viel wichtiger als die maximal erzielte Sättigung. Der optische Eindruck des digitalen Bildes ist deswegen meist blasser als der visuelle Eindruck vor Ort. Eine Ausnahme ist farbiges Licht bei Nacht. Das Auge verstärkt bei schwachem Licht die Helligkeitswahrnehmung statt der Farbwahrnehmung, weil die Stäbchen lichtempfindlicher sind als die Zapfen. So wirken Nachtaufnahmen bunter, als sie wahrgenommen wurden. Abbildung 8.9 E Bei diesem Bild habe ich die Farbsättigung von Blau, Orange und Gelb auf jeweils 50 % verringert, um es noch ruhiger zu machen und die Konzentration auf die Form zu verstärken.

17 mm | ƒ10 | 1/200 s | ISO 100 | Canon TS-E 17 mm ƒ4L

442  |  8  Farbe

Die Mehrzahl der Bilder profitiert davon, wenn Sie bei der Raw-Konvertierung die Farbsättigung leicht erhöhen oder eine farbkräftigere Grundeinstellung verwenden (siehe Kapitel 12, »Bildbearbeitung«). Die Farbsättigung zu vermindern, kann allerdings genauso sinnvoll sein. Hauttönen tut es gut, wenn sie nicht zu bunt wiedergegeben werden, und leicht entsättigte Bilder können eine edle und zurückhaltende Wirkung erzeugen. Bei der bevorzugten Farbigkeit scheint es einen Unterschied zwischen den Geschlechtern zu geben. Während Männer häufig zu gedeckteren und oft kühlen Farbtönen tendieren, bevorzugen Frauen eher bunte und warme Farben. Das heißt natürlich nicht, dass das immer so ist, aber machen Sie doch mal eine Probe: Nehmen Sie ein Magazin wie den Stern oder ein anderes, das gleichermaßen Frauen und Männer zur Leserschaft zählt, und vergleichen Sie die Farbstimmungen der Anzeigen, die sich eher an Männer richten, mit denen, die sich eher an Frauen richten. Versuchen Sie auch, Tendenzen zu entdecken, welche Looks in der Farbabstimmung gerade angesagt sind. Das ist Moden unterworfen, aber immer interessant zu beobachten. Achten Sie in Ihrer eigenen gestalterischen Arbeit darauf, sich nicht zu sehr von Moden mitreißen zu lassen. Bewahren Sie Ihren eigenen Kopf, und lassen Sie sich nur von dem inspirieren, was Ihnen wirklich gefällt. Sonst sehen Ihre Arbeiten irgendwann regelrecht alt aus und sind weit weniger originell und spannend, als sie es sein könnten.

HH Abbildung 8.10 Links das Testbild zur Bildschirmkalibrierung, dass Sie auch im Downloadbereich finden. Rechts das Testbild, abfotografiert vom Bildschirm und in Helligkeit und Farbtemperatur angepasst. Obwohl der Bildschirm Adobe RGB anzeigen kann, ist das Bild weniger gesättigt und leuchtkräftig, weil die Standardwerte von Adobe Lightroom und die Reproduktion in der Kamera Verluste erzeugen.

Eine unbearbeitete Aufnahme wird immer etwas weniger farbkräftig erscheinen als der Eindruck vor Ort oder das reproduzierte Original. Wenn Sie dies in der Bildbearbeitung ausgleichen, erzeugen Sie also noch keinen bunten Kitsch, sondern bringen die Wirklichkeit und den Bildeindruck näher zusammen. Bei einem großen Teil der Landschaftsfotografie heute wird die Sättigung allerdings stark übertrieben, bei den Amateuren noch mehr als bei den Profis.

8.1  Was ist Farbe?  |  443

8.2  Farbwirkung Unabhängig vom Motiv hat jede Farbe an sich eine Wirkung auf den Betrachter. Sie können sich diese Farbpsychologie zunutze machen, indem Sie sie zur Unterstützung Ihrer Bildaussage verwenden. So können Sie den Tiefeneindruck eines Bildes verstärken, wenn im Vordergrund die warmen Farben dominieren und im Hintergrund die kühlen. Mit roten Farbakzenten können Sie den Blick auf das Hauptmotiv ziehen oder mit Grün eine freundliche Ruhe erzeugen.

Rot Rot steht am langwelligen Ende des Farbspektrums (siehe auch Kapitel 4, »Licht«). Rotes Licht wird in der Atmosphäre am wenigsten gestreut, deswegen ist die Sonne beim Sonnenuntergang oft rot, weil dies die einzige Farbe ist, die bei etwas Dunst noch auf geradem Weg durch die Atmosphäre kommt. Rote Autorücklichter können im Nebel noch auf größere Entfernung gesehen werden als andersfarbige Lampen. Aber es gibt noch einen wichtigeren Grund, warum Bremslichter rot sind: Rot ist die stärkste Signalfarbe, stärker noch als Gelb. So werden Dinge, die sofort ins Auge fallen müssen, oft rot gefärbt, wie Feuerlöscher oder Stoppschilder. Rote Flächen erscheinen dem Auge näher, als sie Abbildung 8.11 E Das rote Rücklicht im leichten Nebel bestimmt das Foto, obwohl es nur einen sehr kleinen Teil der Fläche einnimmt.

30 mm | ƒ5,6 | 15 s | ISO 200 | APS-C

444  |  8  Farbe

tatsächlich sind, da das Auge Rot aufgrund seiner langen Wellenlänge weniger stark bricht. Rot ist assoziiert mit Gefahr, aber auch mit Wärme und Sinnlichkeit. Rot ist die aktivste Farbe von allen, selbst kleine rote Flächen können ein Bild schnell dominieren.

Gelb Gelb ist warm und lebendig, aktiv und dynamisch. Gelb steht für Licht und Wärme, aber auch für Neid und Gier. Gelb ist eine Warnfarbe. Wenn Sie ein gelb-schwarzes Insekt oder Reptil treffen, dann ist es entweder giftig, oder »es möchte«, dass Sie denken, es sei giftig (Mimikry). Warnschilder vor Hochspannung oder Radioaktivität verwenden Gelb mit Schwarz. Ein ins Rötliche gehendes Gelb kann große Gemütlichkeit erzeugen, gerade als Lichtfarbe. Ein ins Grünliche gehendes Gelb wirkt eher frisch, manchmal aber auch kränklich. Durch seine Signalwirkung wird die Farbe Gelb auch häufig in der Werbung verwendet, gerade wenn Billigprodukte herausgehoben werden sollen, und in der Zeitungslandschaft bezeichnet man den Boulevardjournalismus als Yellow Press. Gelb hat also auch eine laute und unseriöse Seite. Gelb ist die hellste Farbe, und so sollten Sie, wenn Sie ein reines Gelb möglichst farbkräftig fotografieren möchten, die Belichtung der Kamera um gut eine Blende heller stellen, sonst vergraut das Gelb und büßt viel von seiner Leuchtkraft ein. Einen Farbstich ins Gelbe verzeiht das Auge übrigens am ehesten, weil auch das Tageslicht morgens und abends ins Gelbliche geht.

GG Abbildung 8.12 Dass an diesem Tag vom Meer her ein eiskalter Wind blies, sieht man diesem Foto vom Sonnenuntergang in Skagen nicht an. Die Bildstimmung ist durch die dominierenden Gelb- und Orangetöne extrem warm.

600 mm | ƒ8 | 1/1000 s | ISO 1 000

Abbildung 8.13 E Richtig belichtet wird Gelb zu einer sehr leuchtenden Farbe.

70 mm | ƒ11 | 1/200 s | ISO 100 | Bildausschnitt

8.2  Farbwirkung  |  445

Grün

HH Abbildung

8.14 Dieses Detail einer Wiese im Morgentau besteht nur aus Grüntönen. Die Farbwirkung lässt das Bild sehr ruhig erscheinen.

70 mm | ƒ2,8 | 1/2000 s | ISO 200

Das menschliche Auge kann mehr Grüntöne unterscheiden als Töne jeder anderen Farbe. Die meisten Digitalkameras haben deswegen doppelt so viele Grünfilter wie Rot- und Blaufilter über den Sensorpixeln (Bayer-Muster, siehe auch Seite 40). Die Wirkung von Grün ist je nach Farbton und Kontext sehr unterschiedlich. Grün kann entspannend und angenehm wirken, frisch und lebendig, aber auch krank und giftig. Noch im 19. Jahrhundert waren grüne Farbstoffe oft hochgiftig. Eine Tapete in »Schweinfurter Grün« konnte zu ernsten Vergiftungen führen. Grün kann auch für Unreife oder Übelkeit stehen. Als Lichtfarbe wird es meist als unangenehm empfunden. Leider haben Leuchtröhren und viele Energiesparlampen oft ein grünliches Licht. Ein klares Grün als Objektfarbe wirkt ruhig, aber nicht langweilig oder leblos. Grün wird auch als positive Rückmeldung eingesetzt. Wenn die Ampel auf Grün steht, können Sie fahren, wenn das grüne Lämpchen am Gerät leuchtet, ist es angeschaltet und in Ordnung. Grün steht für das Leben und die Natur, weil Chlorophyll (das Blattgrün) grün ist. Grün ist auch die Farbe des Islams, weil es die Lieblingsfarbe Mohammeds war und die Paradiesvorstellungen mit grüner Vegetation assoziiert sind.

GG Abbildung 8.15 Das grüne Licht verleiht der Industrieanlage einen eher toxischen Charme.

16 mm | ƒ5,6 | 20 s | ISO 640

446  |  8  Farbe

Cyan Cyan liegt zwischen Grün und Blau und geht leider im normalen Sprachgebrauch etwas unter. Normales Himmelsblau ist meist viel näher an Cyan als an Blau. Cyan ist kühl und frisch, aber trotzdem ruhig. Swimmingpools werden cyan verkachelt, weil diese Farbe am ehesten mit Wasser verbunden wird. Allerdings auch mit Eis und Luft. Cyan ist technisch und klar, die gefühlsmäßigen Assoziationen sind eher schwach ausgeprägt. Cyan wirkt modern und seriös.

Abbildung 8.16 E Der tosende Atlantik vor Gran Canaria erscheint cyanfarben im Sonnenlicht

145 mm | ƒ6,3 | 1/1600 s | ISO 100

Blau Blau steht für Kühle, Ferne und Erhabenheit. Menschen frieren in blauen Badezimmern bereits bei wärmerer Raumtemperatur, als sie es in gelben tun würden. Blau wirkt ruhig und klar, metallisch und edel. Blau ist das kurzwelligste und energiereichste Licht, das am ehesten gestreut wird. Deswegen wirken die Berge in der Ferne häufig blau, weil sie durch das Streulicht aufgehellt werden. Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum Blau mit Ferne assoziiert wird: Das Auge fokussiert auf eine blaue Fläche mit einer weiteren »Entfernungseinstellung« als auf Rot. Deswegen scheint der rote Kreis in Abbildung 8.17 auch eher über der blauen Fläche zu schweben. Rot ist die viel aktivere Farbe, während sich Blau eher dezent im Hintergrund hält. Blau hat eine rationale und eine romantische Seite, es steht gleichermaßen für Sehnsucht und Ausgeglichenheit, und Blau ist die dunkelste Farbe im Spek­ trum. Wenn Sie ein reines Blau fotografieren, liefert eine Unterbelichtung um gut eine Blende die reinste Farbe. Der Blaukanal in einem Digitalfoto ist auch am anfälligsten für Farbrauschen. Blau ist die ruhigste Farbe von allen – kalt, zurückhaltend und distanziert. Aber Blau hat auch eine intensive Tiefe, die viele Menschen anspricht. Blau ist dementsprechend die meistgenannte Lieblingsfarbe.

GG Abbildung

8.17 Eine rote auf einer blauen Fläche lässt sich vom Auge nicht auf der gleichen Ebene scharfstellen. Dabei ist diese Grafik noch »harmlos«: Versuchen Sie einmal, eine kleine rote Schrift auf blauem Hintergrund zu lesen!

8.2  Farbwirkung  |  447

Abbildung 8.18 E Die frühe Abenddämmerung wird auch als »die blaue Stunde« bezeichnet.

271 mm | ƒ5,6 | 1/125 s | ISO 2 000

448  |  8  Farbe

Magenta Magenta nimmt eine Sonderrolle unter den Farben ein. Es gibt keine Farbe im Spektrum, die Magenta gleicht. Das heißt, Licht mit einer bestimmten Wellenlänge wird niemals Magenta erscheinen, denn das Spektrum reicht nur von Rot bis Blauviolett. Magenta schließt die optische Lücke im Farbkreis dahinter zum Rot zurück. Magenta ist eine nichtspektrale Farbe, die man erhält, wenn man Rot und Blau addiert oder wenn man Grün von Weiß abzieht. Magenta verbindet die Wärme des Rots mit der Kühle des Blaus. Die Farbe kann sehr edel wirken, aber auch ins Schrille gehen. Magenta hat oft etwas Spirituelles, wird dann eher Purpur genannt und gern von hohen christlichen oder jüdischen Würdenträgern getragen.

HH Abbildung 8.19 Magenta passt von der Farbstimmung her zu einer Kirche. Falls Sie einmal in Le Havre sein sollten, besuchen Sie unbedingt St. Joseph. Von unten in den 107 m hohen Kirchturm zu schauen, ist ein überwältigendes Raumerlebnis.

17 mm | ƒ9 | 0,6 s | ISO 125

8.2  Farbwirkung  |  449

Unbunte Bilder

HH Abbildung 8.20 Weißer Schnee, dunkelgrauer Fels und ein fahler Himmel mit Eiskristallen ergeben ein seltsam farbloses Bild. Die Farblosigkeit verstärkte ich durch einen Polfilter, der große Halo um die Sonne war auch mit bloßem Auge zu erkennen.

17 mm | ƒ11 | 1/200 s | ISO 100 | Polarisationsfilter

450  |  8  Farbe

Ganz unbunt ist nur Schwarzweiß. Aber es gibt Motive oder Lichtsituationen, in denen die Farbe praktisch keine Rolle spielt. In solchen Situationen können Sie die Bildwirkung oft verstärken, indem Sie das Bild zusätzlich sehr neutral abstimmen. In der Architekturfotografie können Sie so zu einer Versachlichung der Darstellung kommen und in der Landschaftsfotografie die Fahlheit des Lichts betonen. Kleine, farbige Akzente würden durch den Qualitätskontrast der Farbe sehr stark herausstechen. Diesen Qualitätskontrast künstlich herbeizuführen, indem man den Großteil des Bildes in der Bildbearbeitung entfärbt und nur Teile farbig stehen lässt (das sogenannte Colour Key), halte ich persönlich für keine gute Idee. Das verkommt schnell zum billigen Effekt, und wenn man nicht in der Lage ist, Motivbereiche auf andere Weise zu betonen, sollte man sein gestalterisches Repertoire erweitern.

8.3  Farbstimmung Die Tageszeit beeinflusst sehr stark die Atmosphäre Ihrer Bilder. Aber auch bei einem vorgegebenen Zeitpunkt haben Sie durch die Wahl des Bildausschnitts oder die Abstimmung des Weißabgleichs großen Einfluss auf die Stimmung Ihrer Aufnahmen. Farbe wirkt sehr unmittelbar auf den Betrachter, und so sollten Sie die Farbgestaltung immer als einen wesentlichen Punkt des Fotografierens betrachten.

Kunstlicht Mit Kunstlicht bezeichnet man Licht, das von künstlichen Lichtquellen erzeugt wird. Im fotografischen Sprachgebrauch schließt der Begriff das Blitzlicht nicht ein, sodass es drei unterschiedliche Lichtarten gibt: Tageslicht beziehungsweise natürliches Licht – denn auch nachts ist es nie ganz dunkel –, Blitzlicht und Kunstlicht. Im Augenblick befinden wir uns am Ende der Glühlampen-Ära, sodass ein großer Teil der vorgefundenen Beleuchtung noch aus Glühlampen besteht. Das Licht dieser Lampen hat eine Farbtemperatur, die von unter 3 000 K bei relativ schwachen Wattzahlen bis ca. 3 400 K bei hellen Halogenleuchten reicht. Es ist also um gute 2 000 K wärmer als Tageslicht. Mit dem Weißabgleich Ihrer Kamera oder dem des Raw-Konverters können Sie das Licht neutral filtern, da es ein zwar warmes, aber doch kontinuierliches Farbspektrum besitzt. Das ist aber meist nur bei Studioaufnahmen erwünscht, denn der leicht warme Grundton gehört zum Charakter des Kunstlichts und sollte im Foto erhalten bleiben. Viele Glühlampen wurden bereits durch Energiesparlampen ersetzt – durch gesetzliche Regelungen verstärkt, die den Verkauf von Glühlampen immer weiter einschränken. Für den fotografischen Bereich ist das nicht unbedingt ein Vor-

Farbwiedergabeindex Die Genauigkeit der Farbwiedergabe einer bestimmten Leuchtquelle beschreibt der sogenannte Farbwiedergabeindex. Ideal ist ein Wert von 100, wie ihn bestimmte Glühlampen erreichen können. Kompaktleuchtstofflampen kommen auf 85, was noch akzeptabel ist. Der Index kann sogar negative Werte annehmen, etwa bei Lampen, die überhaupt keine Farbwiedergabe ermöglichen. Der Farbwiedergabeindex wird meist in der Einheit CRI (Color Rendering Index) angegeben.

HH Abbildung

8.21 Im linken Bild wird das Kunstlicht durch den Weißabgleich neutral wiedergegeben, das rechte mit dem deutlichen Warmton trifft die Atmosphäre der Kirche aber viel besser.

50 mm | ƒ1,5 | 1/125 s | ISO 1 000

8.3  Farbstimmung  |  451

GG Abbildung 8.22 Eine LED-Lampe wurde auf einen Gelbton eingestellt und durch ein Spektrum fotografiert. Es überlagern sich nur rotes und grünes Licht, es gibt keine Zwischentöne.

Abbildung 8.23 E Die Beleuchtung in diesem Bild bleibt mit jedem Weißpunkt orange. Bei Straßenbeleuchtung findet man oft Natriumdampf-Lampen. Ihr gesamtes Frequenzspektrum besteht nur aus zwei leicht unterschiedlichen Gelborange-Tönen, es gibt dann keine Farbdifferenzierung mehr.

30 mm | ƒ6,3 | 2 s | ISO 800

452  |  8  Farbe

teil, da die daraufhin eingesetzten Kompaktleuchtstofflampen kein kontinuierliches Farbspektrum besaßen und somit bei der Farbwiedergabe nicht besonders genau sein können. Inzwischen werden vermehrt LED-Leuchtmittel verwendet, die in der Farbwiedergabe genauer, aber leider oft auch deutlich heller und kühler sind. Das schmälert häufig die Bildstimmung und trägt auch zu mehr Lichtverschmutzung bei. Farbiges LED-Licht besteht meist aus keinem kontinuierlichen Spektrum, sondern nur aus unterschiedlich hellen Anteilen roten, grünen und blauen Lichts. Das wirkt dann bei Lichtbrechungen manchmal etwas tot, weil sich nur drei reine Farben in der spektralen Auffächerung finden. Eine Oberfläche kann nur die Farben zurückwerfen, die auch in eintreffendem Licht enthalten sind. Wenn Sie Licht mit einem unvollständigen Spektrum auf Farbflächen schicken, werden diese je nach Farbe ungenau wiedergegeben. Wenn Farbdarstellung wichtig ist, wie etwa beim Fotografieren, beim Beleuchten von Gemälden oder in Modegeschäften, dann können Sie bei der Auswahl der Leuchtmittel auf den Farbwiedergabeindex (CRI, für Englisch Color Rendering Index) achten. Ein CRI von 100 bedeutet, dass die Farbwiedergabe genauso gut ist wie bei Sonnenlicht – manche Glühlampen können diesen Wert genau erreichen, sehr gute LEDs zumindest fast. Bestimmte Dampflampen, wie in der Abbildung 8.23 bilden das andere Ende, sie differenzieren Farben fast gar nicht, orangefarbene Straßenbeleuchtung kommt auf CRI-Werte, die bis 18 heruntergehen.

Blaue Stunde Die Zeit zwischen Sonnenuntergang und Einbruch der Dunkelheit oder ihr Gegenstück in der Morgendämmerung bezeichnet man als Blaue Stunde. Der fotografisch am besten nutzbare Teil ist leider meist nur etwa eine Viertelstunde lang. In dieser Zeit haben der Himmel und die künstliche Beleuchtung ungefähr dieselbe Helligkeit. Der Himmel ist noch hell genug, um die Schatten mit Zeichnung zu versehen, und der Kontrastumfang ist gering genug, um mit einer einzigen Aufnahme alle bildwichtigen Details zu erfassen. Die Blaue Stunde ist für viele Motive eine ideale Zeit. Der Abend ist dabei oft besser nutzbar, weil die künstliche Beleuchtung vieler Bauwerke oft spätestens gegen Mitternacht abgeschaltet wird. Der reizvolle Kontrast von Himmel und Kunstlicht ist morgens dann nicht gegeben. Ein weiterer Vorteil ist, dass an vielen Orten zu dieser Zeit weniger los ist. Tagestouristen etwa sind dann schon wieder weg, und in den Städten sind – zumindest im Sommer – Büros und Geschäfte geschlossen. Nehmen Sie in jedem Fall ein Stativ mit, denn die Farben werden besser, wenn Sie mit eher niedrigen ISOWerten fotografieren. GG Abbildung

Farbiges Licht Eine starke Steigerung der Farbwirkung erhalten Sie, wenn bereits das einstrahlende Licht farbig ist. Wenn Sie eine Farbfläche mit Licht der gleichen Farbe bestrahlen, erhalten Sie eine noch klarere Farbe. Diese ist dann häufig so klar, dass die Kamera Schwierigkeiten mit der Wiedergabe bekommt. Gerade bei blauem oder rotem Licht lässt die Helligkeitszeichnung oft nach, und die Differenzierung in den farbigen Bereichen ist recht gering. Die Farbsättigung ist dann so hoch, dass die Farben zulaufen. Farbiges Licht verändert Motive extrem – ein wenig ist es so, als würde das farbige Licht die Wirklichkeit filtern. Bei Nacht oder Dämmerung können Sie so extreme Bildwirkungen mit entfesselten Blitzen und Farbfilterfolien erreichen (siehe Seite 337).

8.24 In der Abenddämmerung hebt sich der Mont Saint-Michel sehr gut vom tiefblauen Himmel ab. Der Farbkontrast erzeugt eine intensive Atmosphäre und lässt das Bild fast dreidimensional wirken.

32 mm | ƒ7,1 | 0,8 s | ISO 500 | ­Stativ

8.3  Farbstimmung  |  453

Abbildung 8.25 E Grüne Scheinwerfer auf grünem Laub erzeugen eine extreme Farbigkeit, die sich fotografisch nur schwer wiedergeben lässt. Hier habe ich mit einem entfesselten Blitz noch ein wenig weißes Licht gesetzt, um dem Auge etwas Halt zu geben.

12 mm | ƒ10 | 34 s | ISO 800

HH Abbildung

8.26 Diese Aufnahme wurde kaum bearbeitet. Der Himmel wird durch die Lichter der 15 km entfernten Stadt Lübeck beleuchtet, während hinter mir ein Krankenwagen mit Blaulicht vorbeifuhr.

17 mm | ƒ6,3 | 30 s | ISO 1 000

454  |  8  Farbe

Selbst wenn Sie Schwarzweiß fotografieren würden, wären die Effekte der farbigen Beleuchtung deutlich zu sehen. Eine gelbe Fläche, die tagsüber sehr hell wiedergegeben wird, erscheint bei Nacht und mit blauem Licht bestrahlt schwarz. Gelb ist eine subtraktive Grundfarbe, die praktisch kein Blau zurückwirft oder durchlässt. Blau ist eine additive Grundfarbe, die kein Rot und Grün (die zusammen einen gelben Farbeindruck erzeugen) enthält. In der Kombination dieser beiden Komplementärfarben löscht sich das Licht fast ganz aus, und die Fläche erscheint schwarz – genauso wie auch ein blaues Auto unter einer gelborangenen Natriumdampflampe schwarz aussieht.

Monochrome Bilder Manche Motive bestehen praktisch nur aus einer einzigen Farbe, allein abgestuft in Helligkeit und Sättigung. Das bewirkt eine Grundharmonie im Bild und lässt die Wirkung der Farbe sehr rein hervortreten. Die Einfarbigkeit des Motivs lässt Spielraum für typografische Elemente oder Logos, die dann umso klarer hervortreten. Die Gefahr ist, dass solche Bilder langweilig oder nur dekorativ wirken, andererseits liegt in der Beschränkung auch ein eigener Reiz. Bei monochromen Bildern findet die Kamera oft keinen Anhaltspunkt für die tatsächliche Lichtfarbe und versucht so, gegen die Objektfarbe »anzufiltern«. Das kann dazu führen, dass die Farben blasser und grauer dargestellt werden, als sie es tatsächlich sind. Ein fester Weißabgleich oder das Fotografieren im RawFormat helfen dann. FF Abbildung 8.27 Die Lichtfarbe des Abendlichts lässt das Bild nur noch aus Oran­ getönen bestehen. Der Effekt verstärkt sich durch leichten Dunst und Gegenlicht.

200 mm | ƒ6,3| 1/2000 s | ISO 100

8.3  Farbstimmung  |  455

8.4  Farbkontrast Die Wirkung einer Farbe hängt auch von den umliegenden Farben ab. Das geht sogar so weit, dass gleiche Farben als unterschiedlich wahrgenommen werden, wenn sie von verschiedenen Farben umgeben sind. Die grundlegende Kenntnis der Farbkontrastarten hilft Ihnen bei gestalterischen Entscheidungen.

Kalt-Warm-Kontrast HH Abbildung 8.28 Der Farbkontrast betont den Temperaturkontrast zwischen den Flammen und dem Schnee auf den Bergen. Das Bild nahm ich gegen Mitternacht zur Sommersonnenwende in Nordnorwegen auf. Dass die Abendwolken die Farbe des Feuers wiederaufnehmen, rundet die Farbkomposition ab.

140 mm | ƒ5 | 1/400 s | ISO 320

456  |  8  Farbe

Warme und kühle Farben verstärken sich gegenseitig in der Wirkung. Der KaltWarm-Kontrast kann den räumlichen Eindruck verstärken, wenn die warmen Farben den Vordergrund dominieren. Das liegt zum einen an der Luftperspektive, die dafür sorgt, dass weiter entfernte Teile einer Landschaft durch die Lichtstreuung in der Luft (die sogenannte Rayleigh-Streuung) immer mehr verblauen, zum anderen am Auge selbst, das langwelliges Licht mit größerer räumlicher Nähe assoziiert. Der Kalt-Warm-Kontrast kann auch einen relativen Farbkontrast beschreiben, und so bilden selbst zwei kühle Farben einen leichten Kalt-WarmKontrast, wenn die eine als etwas wärmer wahrgenommen wird.

FF Abbildung

8.29 Der Komplementärkontrast von Gelb und Blau wirkt harmonischer, wenn Gelb den deutlich kleineren Teil der Bildfläche einnimmt.

32 mm | ƒ9 | 1/1000 s | ISO 250

Komplementärkontrast Komplementärfarben sind zwei Farben, die in der Mischung ein Grau ergeben, weil die eine als exakte Gegenfarbe die zweite Farbe aufheben kann. In der Schule haben Sie vielleicht folgende Paare als komplementär kennengelernt: Blau–Orange, Gelb–Violett, Rot–Grün. Das ist für die künstlerisch-gestalterische Arbeit sicher tauglich, führt in vielen Bereichen der Fotografie, wie etwa bei der Entfernung von Farbstichen, aber in die Irre. Wenn Sie sich den Farbkreis in Abbildung 8.30 ansehen, werden Sie feststellen, dass sich vielmehr andere Farbenpaare direkt gegenüberstehen und somit komplementär sind, nämlich Rot–Cyan, Grün–Magenta und Blau–Gelb. Damit aus einem Komplementärkontrast ein harmonischer Komplementärkontrast wird, muss das optische Gewicht der Farben ausgeglichen sein. Das bedeutet, dass die visuell intensivere Farbe einen entsprechend kleineren Teil

GG Abbildung 8.30 Jedes Farbenpaar, das sich im Farbkreis genau gegenüberliegt, ist komplementär. Die eine Farbe ist das Negativ der jeweils anderen.

1 FF Abbildung 8.31 Hier habe ich in Photoshop eine 2 Ebene mit einem Farbauftrag von 50 % Blau 1 über eine gelbe Ebene gelegt. Die Farben heben sich komplett auf, und im Bild (im Hintergrund des Ebenen-Bedienfelds zu sehen) 2 bleibt ein neutrales Grau übrig.

GG Abbildung

8.32 Die Komplementärfarben, mit denen Sie in der Digitalfotografie arbeiten, sind: Rot–Cyan, Grün–Magenta und Blau–Gelb. Das sind nicht zufällig auch die Grundfarben der additiven (RGB) und subtraktiven (CMYK) Farbmischung.

8.4  Farbkontrast  |  457

der Bildfläche einnimmt. Gelb ist deutlich intensiver als Blau, und so wirkt ein Bild dann harmonisch, wenn der gelbe Bereich weniger als ein Viertel der Fläche einnimmt. Das genaue Mengenverhältnis hängt auch von der Sättigung der beteiligten Farben ab. Je weniger gesättigt die Farbe ist, desto mehr Platz benötigt sie, um gegen die buntere Farbe anzukommen. Signalwirkung  | Bestimmte Farbkontraste haben eine so starke Wirkung, dass

sie allein für die Blickführung in einem Bild sorgen können. So ist Gelb auf Dunkelblau der stärkste Kontrast, den das menschliche Auge überhaupt wahrnehmen kann. Trotzdem können klare Rottöne eine noch stärkere Signalwirkung ausüben.

Abbildung 8.33 E Ein stärkerer Farbkontrast ist kaum denkbar. Gelb und Orange leuchten auf tiefem Blau. Das Bild wurde an einem extrem klaren Morgen vor Terschelling mit einer einfachen Kompaktkamera vom Segelboot aus aufgenommen.

5 mm (33-mm-Kleinbild-Äquivalent) | ƒ5,6 | 1/640 s | ISO 50

Das können Sie sich einfach zunutze machen, indem Sie Ihr Hauptmotiv durch seine Farbe zum automatischen Hingucker machen. Bedenken Sie aber, dass diese Wirkung von jedem intensiven Farbklecks ausgeht, auch wenn er mit dem eigentlichen Motiv nichts zu tun hat. Einer der klassischen Anfängerfehler in der Fotografie ist es, sich bei der Aufnahme so sehr auf das Motiv zu konzentrieren, dass man erst hinterher bemerkt, wie sehr der Hintergrund die Wirkung des Motivs stört. Eine weit gefasste Aufmerksamkeit ist aber eine Grundvoraussetzung für gelungene Bilder.

458  |  8  Farbe

Quantitäts- und Qualitätskontrast Wenn sich die Bildelemente in der Farbsättigung stark unterscheiden, spricht man von einem Qualitätskontrast. Sehr bunte Bereiche treffen dann auf wenig gesättigte Flächen, was die Farbwirkung weiter verstärkt. In Abbildung 8.34 findet sich auch ein Quantitäts- oder Mengenkontrast: Die gelbe Fläche ist viel kleiner als der gräuliche Hintergrund. Das Grün nimmt noch weniger Fläche ein.

Simultankontrast Es gibt zwei Arten des Simultankontrasts, eine zeitliche und eine räumliche. Wenn Sie eine Weile mit unbewegtem Auge auf eine stark farbige Fläche schauen und danach auf eine neutrale Fläche, dann erscheint der Teil Ihres Sichtfeldes, der vorher die Farbfläche betrachtete, in der Komplementärfarbe. Diesen zeitlichen Simultankontrast können Sie bei der Erstellung einer Diashow verwenden, um den Farbeindruck zu verstärken. Wenn Sie z. B. erst ein blaues Meer zeigen und dann einen warmen Sonnenuntergang, werden die warmen Farben intensiver wahrgenommen. Der räumliche Simultankontrast besagt, dass eine Farbfläche in ihrer Erscheinung von der umliegenden Farbe und Helligkeit beeinflusst wird. Auf dunklen Flächen erscheinen Farben heller, auf starken Farben tendieren sie zur Komplementärfarbe. Das Auge verstärkt die Unterschiede. Diesen Effekt können Sie zur Betonung von Motivdetails verwenden oder um die generelle Wirkung einer Farbkomposition zu verstärken.

GG Abbildung 8.34 In einem komplett bunten Bild würde die Blüte nicht so hervorstechen wie vor diesem eher neutralen Himmel. Der Qualitätskontrast der Farbe ist hier bildbestimmend.

60 mm | ƒ9 | 1/160 s | ISO 100 | APS-C | Blitz

FF Abbildung

8.35 Die Grauwerte in diesem Bild sind identisch, trotzdem erscheinen sie dem Auge unterschiedlich. Der Effekt verstärkt sich, wenn Sie das Bild länger mit unbewegten Augen anschauen.

8.4  Farbkontrast  |  459

8.5  Farbstich Manueller Weißabgleich In schwierigen Lichtsituationen können Sie Ihrer Kamera beim Weißabgleich helfen. Fotografieren Sie dazu eine neutrale Fläche, die vom gleichen Licht beschienen wird wie Ihr Motiv. Das kann eine Graukarte sein, aber auch eine weiße Wand oder der Asphalt einer Straße. Wählen Sie aus dem Kameramenü die Einstellungen für den manuellen Weißabgleich. Dann können Sie durch Ihre Aufnahmen im Kameradisplay gehen und eine davon als Referenzbild auswählen. Bestätigen Sie die Auswahl, und setzen Sie dann entsprechend die Weißpunkteinstellung.

GG Abbildung

Ein Farbstich ist ein Zuviel von einer bestimmten Farbe. Er zieht sich durch das ganze Bild, und es wirkt, als würden Sie es durch einen leichten Farbfilter betrachten. Bei der Bezeichnung eines Farbstichs verwendet man meist nur die sechs Grundfarben Rot, Grün, Blau und Cyan, Magenta, Gelb.

Entstehung von Farbstichen Farbstiche entstehen aufgrund verschiedener Einflüsse: EE Falscher Weißabgleich: Der häufigste Grund für einen Farbstich ist ein fehlerhafter Weißabgleich in der Kamera. Oft kann die Kamera auch Lichtfarbe und Objektfarbe nicht auseinanderhalten und korrigiert so gegen die vorherrschende Objektfarbe. Auf einem roten Untergrund zum Beispiel ergibt sich so ein Cyanstich. EE Die Beleuchtung ist von der Kamera nicht zu korrigieren: Wenn spezielle Lampen mit diskontinuierlichem Spektrum, z. B. Gasentladungslampen oder bestimmte Leuchtstoffröhren, eingesetzt werden, kann die Kamera keinen Weißpunkt finden, der wirklich passt. EE Eine große Farbfläche reflektiert: Wenn die Sonne eine farbige Fläche beleuchtet und diese auf das Motiv abstrahlt, entsteht ein Farbstich. EE Blitze: Alternde Blitzröhren etwa erzeugen einen Gelbstich und mit optischen Aufhellern gewaschene Softbox-Diffusoren einen Blaustich. Manche Blitze tendieren gerade bei kurzen Abblitzzeiten ins Magenta. Solange der Blitz die einzige Lichtquelle ist, lässt sich das über einen manuellen Weißabgleich korrigieren. Schwierig wird es bei mehreren Blitzen, die farblich nicht zusammenpassen. EE Die Farbabstimmung des Objektivs oder des Filters: Ich habe zum Beispiel ein Zoomobjektiv eines Fremdherstellers, das wärmere Bilder erzeugt, als meine anderen Objektive.

8.36 Von links nach rechts: Original, Magentastich, Rotstich, Gelbstich, Grünstich, Cyanstich, Blaustich

460  |  8  Farbe

EE

EE

Falsche Farbprofile oder absichtliche Farbveränderungen auf

der Softwareseite: Es gibt Kameras im Amateursegment und Smartphones, die etwas wärmer abgestimmt sind, um angenehmere Porträts zu erzeugen. Eine falsche Einstellung des Kameraprofils (siehe Seite 643) kann farblich praktisch jeden beliebigen Effekt erzeugen, es kommt aber eher selten vor, dass man eine Konfiguration vorfindet, bei der man aktiv eingreifen muss. Bei Scannersoftware ist das allerdings ein recht häufiges Problem. Wetterphänomene: Ein Sandsturm färbt den Himmel rot, dichte Wolken färben ihn blau. Gerade bei stark bedecktem Himmel werden Fotos oft zu blau und zu wenig gesättigt.

Bedenken Sie, dass nicht jeder Farbstich ein Fehler ist; oft ist es gerade der Farbstich, der die Stimmung des Bildes trägt. Farbneutralität würde das Bild dann langweilig machen.

Farbstiche vermeiden In den meisten Alltagssituationen liefert eine Digitalkamera mit automatischem Weißabgleich gute Ergebnisse. In speziellen Lichtsituationen oder wenn besondere Genauigkeit gefragt ist (zum Beispiel bei Produktfotos), ist ein manueller Weißabgleich sinnvoll (siehe Kasten auf der linken Seite). Sollten Sie aber vor Ort Mühe haben, die Kamera auf die Lichtsituation einzustellen, oder wenn gar keine Zeit dafür bleibt, dann fotografieren Sie im Raw-Format. So können Sie später am Computer ohne Qualitätsverluste die perfekte Farbabstimmung durchführen und haben Ihren Kopf während der Aufnahmen für andere Dinge frei. Achten Sie aber auch schon beim Fotografieren darauf, ob Sie die Ursachen eines Farbstichs – sofern er überhaupt stört – beheben können. Reflektiert etwas, das Sie wegstellen können? Stört ein Vorhang vor dem Fenster? Sollten Sie Teile der Beleuchtung lieber ausschalten?

GG Abbildung 8.37 Der Bauch der Möwe erscheint rötlich, weil das Boot darunter diffus farbig aufhellt. Jede Gegenstandsfarbe verändert das Licht in ihrem Umfeld.

Farbstiche beseitigen Da ein Farbstich sich durch alle Helligkeitsbereiche zieht, kann er in der Bildbearbeitung oft automatisch entfernt werden (siehe auch Kapitel 12, »Bildbearbeitung«). Manchmal beseitigen die Bildautomatiken von Photoshop oder anderen Programmen aber dabei auch Farbstimmungen, die man gern behalten hätte. In diesen Fällen führt eine manuelle Korrektur oft zu besseren

8.5  Farbstich  |  461

Ergebnissen. Entweder können Sie dazu Pipettenwerkzeuge verwenden, mit denen Sie auf einen Bildbereich klicken, der später neutral sein soll (das heißt rein grau), oder Sie geben in der Farbbalance einfach etwas von der jeweiligen Komplementärfarbe hinzu. Wenn das Bild also einen Blaustich hat, erhöhen Sie den Gelbanteil in der Farbbalance. Wenn das Bild rotstichig ist, ziehen Sie es etwas mehr nach Cyan. Wie das in der Praxis genau funktioniert, erfahren Sie ab Seite 659 in Kapitel 12, »Bildbearbeitung«.

Farbstiche nutzen Ein Farbstich stört, weil er die Stimmung eines Bildes verändert oder vermindert. So wirkt ein Bild von einem Tag am Meer vielleicht kalt und grau, nur weil die Farbtemperatur zu kühl abgestimmt und die Belichtung etwas zu knapp geraten ist. Mit Ihren angenehmen Erinnerungen hat das wenig zu tun. Allerdings können Sie die mögliche Stimmungsveränderung durch einen Farbstich auch zu Ihrem gestalterischen Vorteil verwenden.

G  Abbildung 8.38  E Diese Aufnahme eines BMW habe ich blaucyan eingefärbt, um eine moderne, frische Anmutung zu erzeugen. Das Original ist leicht warm (oben).

28 mm | ƒ11 | 1/800 s | ISO 100 | Mehrere Blitze

462  |  8  Farbe

Ein Bild leicht einzufärben ist zwar ein häufiges Stilmittel, im Zweifel sollten Sie aber eine natürliche Darstellung bevorzugen, alles andere muss sehr gut zum Motiv passen, um sich nicht schnell zu verbrauchen und dann künstlich und gewollt zu wirken.

8.6  Farbmanagement Stellen Sie sich vor, Sie müssten jemandem am Telefon einen bestimmten Blauton so beschreiben, dass derjenige den Farbton genau reproduzieren kann. Das Problem ist vergleichbar damit, eine Bilddatei so weiterzugeben, dass sie exakt so gedruckt werden kann, wie Sie die Farben bearbeitet haben.

Wie lässt sich Farbe standardisieren?

GG Abbildung

Der erste Versuch, einfach RGB-Werte weiterzugeben, schlägt fehl, denn es gibt nicht nur einen einzigen RGB-Farbraum, sondern sehr viele unterschiedliche. So arbeiten Sie vielleicht mit dem Adobe-RGB-Farbraum und ein Blauton von R = 60, G = 80, B = 220 sieht bei Ihnen dunkler und violetter aus als bei Ihrem Telefonpartner, der eciRGB verwendet. Hinzu kommt, dass Ihr Gegenüber einen anderen Bildschirm und einen anderen Drucker verwendet, die Ihren Geräten in der Farbdarstellung nicht ganz gleichen. Es können leider nicht alle im selben, perfekten Farbraum arbeiten, weil jeder Drucker, jeder Bildschirm einen eigenen Farbraum hat; deswegen muss es eine übergreifende Lösung geben. Das Problem ist erfreulicherweise bereits gelöst, und diese Lösung heißt Farbmanagement. Farbmanagement ist ein System für die eindeutige Weitergabe und Ausgabe von Farbinformation. Sie benutzen es fast unbemerkt täglich, weil Ihre Kamera, Ihr Computer und Ihr Drucker nach diesem Prinzip die Farben kommunizieren. Und Sie können es aktiv und bewusst verwenden, um die Farbkommunikation noch weiter zu verbessern. Wie kann Ihr Gesprächspartner nun wissen, welches Blau in Ihrem Farbraum denselben Farbton wie in seinem hat? Und wie können Sie Farben mitteilen, die im anderen Farbraum gar nicht enthalten sind? Sie benötigen dafür einen weltweit genormten Farbraum, der alle Farben enthält, die das menschliche Auge sehen kann. Die französische Normungsbehörde CIE (Commission Internationale de l‘Éclairage) erfasste diesen Farbraum bereits 1931 durch Untersuchungen mithilfe tausender Menschen. 1976 wurde dieser Farbraum verbessert und zum heute gebräuchlichen Lab-Farbraum (manchmal auch L*a*b* geschrieben). Nun können Sie den Adobe-RGB-Wert in Lab umwandeln, den Lab-Wert

GG Abbildung 8.40 Der Farbraum Adobe RGB (bunt) hat nicht nur im Blaubereich einen anderen Eckpunkt als eciRGB (grau). Die Farbe R: 0, G: 0, B: 255, die das reinste Blau beschreibt, ist also in beiden Farbräumen unterschiedlich.

8.39 Der Farbwert R: 60, G: 80, B: 220, jeweils einmal in eciRGB (links) und Adobe RGB (rechts). Nicht nur die Farbe ist unterschiedlich, sondern auch der Helligkeitswert.

8.6  Farbmanagement  |  463

mitteilen, und der Partner am Telefon wandelt ihn in seinen eciRGB-Farbraum um. Er erhält dann mit R: 56, G: 49, B: 211 dieselbe Farbe in seinem Farbraum, die R: 80, G: 80, B: 220 in Ihrem Farbraum darstellt. Abbildung 8.41 E Der RGB-Farbraum links lässt sich mithilfe des Farbprofils im Lab-Farb­ raum abbilden. Das Farbmanagement-Modul (FMM) staucht die Farben so, dass sie in den viel kleineren Farbraum des Zeitungsdrucks (rechts) passen. Dieser wird dann in CMYK umgesetzt. Trotz großer Farb­ raumunterschiede wird so eine bestmögliche Farbqualität und Genauigkeit erhalten.

Auch Photoshop führt seine Farbumwandlungen nach diesem Prinzip aus, allerdings für Millionen von Farben eines Bildes und ohne für jeden Lab-Wert bei Ihnen anzurufen. Stattdessen kann es die Übersetzung der Farbwerte in Lab in einem Dateianhängsel nachschlagen, das sich Farbprofil oder auch ICC-Profil nennt.

GG Abbildung

8.42 Das Häkchen vor ICC-Profil sollte beim Speichern in Photoshop immer gesetzt sein. Nur so ist gesichert, dass die Farben später bei Ihnen oder jemand anderem korrekt wiedergegeben werden können. Ansonsten müssten Sie beim erneuten Öffnen herumrätseln, in welchem Farbraum gearbeitet wurde.

464  |  8  Farbe

Arbeitsfarbräume In Ihrer Digitalkamera können Sie meist wählen, ob Sie die JPEG-Bilddaten in sRGB oder Adobe RGB aufzeichnen möchten. Das Raw-Format hat allerdings mehr darstellbare Farben, als selbst in den Farbraum Adobe RGB hineinpassen. Ebenso sind manche hochwertigen Tintenstrahldrucker in der Lage, einen größeren Farbraum abzudecken. Je nach Wahl des Farbraums schließen Sie also bestimmte, sehr kräftige Farben aus. Sie sollten demnach einen Standard-Arbeitsfarbraum wählen, der die Farben für alle Ihre Anwendungen enthält, weil Sie sonst schon in einer frühen Phase Farbinformation wegwerfen, die Sie vielleicht noch differenziert im Druck hätten wiedergeben können. Auf keinen Fall sollten Sie direkt in einem Gerätefarbraum arbeiten, der zum Beispiel Ihren Tintenstrahldrucker oder Ihren Bildschirm beschreibt. Solche Farbräume haben oft

Eigenschaften, die eine sinnvolle Bildbearbeitung unmöglich machen. Wenn die Grauachse z. B. ungleichmäßig verläuft, bekommen Sie wechselnde Farbstiche in den Lichtern und Schatten, sobald Sie den Kontrast verändern. Die Farbräume werden entweder mit dem Betriebsystem mitgeliefert, werden von Ihrer Bildbearbeitungssoftware installiert oder Sie können Sie herunterladen und selbst installieren. Unter Windows klicken Sie mit der rechten Maustaste auf die Profildatei (.icc) und wählen ganz oben im Kontextmenü Profil installieren. Auf dem Mac kopieren Sie das Profil in /Library/ColorSync/Profiles für die systemweite Verwendung oder in den Ordner /// Library/ColorSync/Profiles nur für den jeweiligen Benutzer. Im Folgenden finden Sie eine Übersicht über die wichtigsten RGB-Arbeitsfarbräume: sRGB | Dieser Farbraum ist recht klein, aber der verbreitetste von allen. Er wurde

in Webbrowsern selbst ohne angehängtes Profil korrekt dargestellt, wird bei Fotobelichtern meist ohne Probleme richtig ausgegeben und entspricht ungefähr dem Farbumfang eines einfachen TFT-Monitors. Inzwischen lesen moderne Webbrowser aber Farbprofile aus, und Monitore mit einem größeren Farbumfang sind auch nicht mehr teuer, sodass sich sRGB hauptsächlich dann anbietet, wenn man im Office-Bereich ohne echtes Farbmanagement arbeitet oder auf ältere Fotobelichter ausgeben möchte. Als Arbeitsfarbraum für die hochwertige Fotografie ist er zu klein. Adobe RGB | Gute Monitore für die Bildbearbeitung schaffen es, den Farbraum

Adobe RGB fast komplett abzubilden, die Offsetdruckfarben passen gut hinein, sodass ich die Bilder für dieses Buch gut in Adobe RGB bearbeiten kann. Ein guter Tintenstrahldrucker kann allerdings gerade im Blaugrünbereich mehr abbilden, sodass man im Workflow zwischen Raw-Bild und Fine-Art-Print mit Adobe RGB einige Farben verlieren würde. Für die Arbeit mit kleineren Zielfarbräumen ist er allerdings immer noch sehr gut geeignet, da er einen vernünftigen Farbumfang hat, der sich gut auf einem Monitor darstellen lässt und nicht ganz so extreme Farbraumverkleinerungen bei der Konvertierung in CMYK erfordert. ProPhoto RGB | ProPhoto RGB wurde entwickelt, um die Farben von Digitalka-

meras und hochwertigen Ausgabemöglichkeiten komplett zu umschließen. Das macht ihn vergleichsweise riesig, sodass Sie die Bildbearbeitung unbedingt in 16 Bit vornehmen sollten, um sogenannte Abrisse (engl. Banding, siehe Seite 36) zu vermeiden. Das ist bei jedem anderen Farbraum auch sinnvoll, aber bei ProPhoto RGB besonders wichtig, weil die Farbabstände hier noch größer werden können.

Druckvorstufe Die Druckvorstufe ist heute das, was früher als Reprotechnik bezeichnet wurde, und umfasst alle druckvorbereitenden Tätigkeiten wie Scans und Digitalisierungen, Bildnachbearbeitung und Druckplattenerstellung. Viele dieser Tätigkeiten laufen heute weitgehend automatisiert ab, auch weil es ausgabeunabhängige PDFFormate gibt, die sich gut an die jeweilige Ausgabetechnik anpassen lassen, ohne dass bei einem einmal ausgemessenen Druckprozess noch ein Mensch eingreifen müsste, um für genaue Farbdarstellung zu sorgen.

8.6  Farbmanagement  |  465

eciRGB v2 | Dieser Farbraum kommt aus der Druckvorstufe und lässt sich unter

www.eci.org herunterladen. Er ist dafür gedacht, eine möglichst gute Abdeckung der Druckfarbräume bei guter Konvertierbarkeit der Bilddaten zu liefern. In Adobe Photoshop Lightroom lassen sich nur die drei erstgenannten als Arbeitsfarbräume festlegen, sodass dieser Farbraum nicht viel Sinn ergäbe, weil Sie Ihre Bilder dann nochmals konvertieren müssten. In Adobe Camera Raw oder dem Raw-Konverter Capture One können Sie Ihren Arbeitsfarbraum allerdings frei wählen. Die zweite und aktuelle Version dieses Farbraums – v2 – hat den gleichen Farbumfang, aber eine andere Helligkeitsachse. Statt einem Gamma von 1,8 (siehe dazu auch Seite 274) wie in der ersten Version übernimmt er die Helligkeitsverteilung aus dem CIE-Lab-Farbraum (L* genannt, »L-star« gesprochen). Fazit | sRGB sollten Sie nur noch verwenden, wenn es technische Gründe dafür

gibt. Der Farbraum kann mit modernen Kameras, Monitoren und Druckmöglichkeiten nicht mehr mithalten. Adobe RGB ist sicher praxistauglich, wenn es aber auf die Farbraumgröße ankommt, wie bei Fine-Art-Prints besonders gesättigter Motive, ist ProPhoto RGB noch etwas besser. eciRGB v2 ist besonders im Bereich Druckvorstufe und Publishing populär. Für die meisten Fotografen ist es eher eine Geschmacksfrage, zwischen den drei größeren Farbräumen einen auszuwählen, als dass es in den Ergebnissen wirklich zu Unterschieden führen würde.

Bildschirmkalibrierung Auf der theoretischen Ebene funktioniert die Farbübertragung jetzt, leider sieht Ihr Gegenüber trotzdem etwas anderes auf seinem Bildschirm: Denn er verwendet einen anderen Monitor und hat diesen obendrein anders eingestellt. Die Lösung heißt hier Bildschirmkalibrierung, wofür Sie aber ein zusätzliches Messgerät und Software benötigen. Das Prinzip ist aber einfach: Der Computer erzeugt eine Reihe von Farben über den kompletten darstellbaren Bereich. Das Messgerät misst, wie der Monitor diese Farben umsetzt, und schickt die Werte über USB wieder in den Computer. Dieser vergleicht Soll und Ist und berechnet aus den Abweichungen eine Korrekturtabelle, aus der er ein Farbprofil für den Monitor erzeugt. Das Farbprofil wird dem Monitor vom Betriebssystem zugewiesen, und jede Farbe, die an den Monitor gesendet wird, wird nun so umgerechnet, dass der Sollwert auf dem Bildschirm erscheint. Beispielsweise ist ein Blauton auf dem Monitor zu violett und zu dunkel. Das Profil rechnet nun den Farbwert heller und mehr ins Grünliche, sodass der Monitor mit dem umgerechneten Farbwert die exakte Sollfarbe treffen kann.

466  |  8  Farbe

Wenn Sie auch den Druck kalibrieren möchten, können Sie über die Anschaffung eines Softwarepakets mit einem sogenannten Spektralfotometer nachdenken (nächster Abschnitt). Gute Bildschirmkalibrierungssysteme bekommen Sie schon für 100 bis 200 €, die teureren Spektralfotometer können die Aufgabe oft mit übernehmen. Die Bildschirmkalibrierung ist auch für den fortgeschrittenen Amateur interessant und eigentlich der wichtigste Punkt neben der korrekten Verwendung von Farbprofilen.

Praxis der Bildschirmkalibrierung Monitorkalibrierungssysteme bestehen aus einem Messgerät und einer Software. Die Software läuft meist Schritt für Schritt gut erklärt ab, sodass ich zum eigentlichen Vorgang hier nicht viel erläutern muss. Für jeden, der die Fotografie etwas ambitionierter betreibt, lohnt sich eine Kalibrierungslösung. Sie haben allerdings einige Entscheidungen zu treffen, für die hier das nötige Hintergrundwissen vermittelt werden soll.

Schritt für Schritt: Den Monitor kalibrieren Auch wenn die einzelnen Lösungen alle etwas unterschiedlich zu bedienen sind, sollten Sie doch mit der folgenden Anleitung zu einem passenden Bildschirmprofil kommen. Sie sollten die Software schon installiert haben, bevor Sie das erste Mal das Messgerät an den USB-Port stecken.

1  Vorbereitungen Führen Sie im Monitor-Menü, das Sie über eine Taste am Bildschirm aufrufen können, einen sogenannten Reset durch, damit Sie in jedem Fall von den Werkseinstellungen des Monitors ausgehen (Reset, Vorgabe, Zurücksetzen o. Ä. genannt). Der Monitor sollte mindestens eine halbe Stunde angeschaltet sein, damit die Beleuchtung auf Betriebstemperatur ist. Schalten Sie den Bildschirmschoner und den Energiesparmodus aus, damit die Messung später nicht gestört wird.

GG Abbildung 8.43 Ein Farbmessgerät auf einem Monitor. Eine Bildschirmkalibrierung gibt Ihnen die nötige Gewissheit, wenn Sie feine Farbkorrekturen ausführen wollen oder eine größere Ergebnis­ sicherheit benötigen.

2  Messgerät anschließen Schließen Sie das Messgerät am besten über einen USB-Port direkt an den Rechner an. (Manche Geräte bekommen nicht genügend Strom, wenn sie an einen USB-Hub angeschlossen werden. Bei manchen Laptops kann allerdings ein Hub mit eigenem Netzteil mehr Strom liefern als der Rechner, sodass das manchmal die bessere Wahl ist.) Benutzen Sie das mitgelieferte Gegengewicht, und neigen

8.6  Farbmanagement  |  467

Sie den Monitor ein wenig nach hinten, damit das Messgerät leicht, aber lückenlos auf dem Display aufliegt. Der eventuell mitgelieferte Saugnapf ist nur für Röhrenmonitore und könnte Ihren Flachbildschirm beschädigen. Stellen Sie sicher, dass keine andere Kalibrierungslösung aktiv ist. Wenn Sie an Ihrem eigenen Rechner sitzen und vorher den Monitor noch nicht kalibriert haben, ist das ohnehin klar. An anderen Rechnern sollten Sie in den Autostartoder Startup-Ordner schauen, ob dort etwas zur Farbanpassung des Bildschirms versteckt ist.

3  Software starten Starten Sie die Software, und wählen Sie Ihr Messgerät aus einer Liste aus, falls die Software das nicht von allein macht. Manchmal müssen Sie danach noch auf Verbinden klicken, damit das Messgerät initialisiert wird. Sie müssen einen Gammawert, eine Farbtemperatur und eine Helligkeit vorwählen, die ich Ihnen nun erläutere:  EE Farbtemperatur | Sie regelt, wie warm oder kühl die Farbabstimmung wirkt. Ziel ist, dass das Monitorbild an sich völlig neutral erscheint. Manche Programme haben lediglich 5 000 K oder 6 500 K zur Auswahl. Wenn Sie nicht gerade einen Abmusterungsplatz im dunklen Raum einrichten (dazu gleich mehr), dann ist 6 500 K die bessere Wahl, denn 5 000 K wirkt in einer Tageslichtumgebung bräunlich. Mir persönlich ist 6 500 K zu kühl, und ich würde empfehlen, eher 6 000 bis 6 200 K einzustellen, bei kühlem Licht als Arbeitsumgebung sind 6 500 K allerdings richtig. Bei manchen Monitoren, z. B. bei eher schlecht kalibrierbaren Laptop-Bildschirmen, sollten Sie hier die Einstellung Nativ wählen, die dann einfach den Kelvin-Wert der Hintergrundbeleuchtung des Monitors übernimmt. Das sollten Sie aber erst dann versuchen, wenn die erste Kalibrierung ungenügende Ergebnisse geliefert hat. Bei einem nativen Weißpunkt muss der Monitor weniger stark gegenfiltern und sich »verbiegen«. Bei schlecht kalibrierbaren Monitoren sind die Ergebnisse dann oft besser. EE Helligkeit  | Die Helligkeit des Abmusterungsplatzes sollte derjenigen des Vergleichsplatzes mit dem Normlicht entsprechen – das heißt, Weiß ist auf dem Monitor und unter dem Leuchtkasten gleich hell. Die meisten Fotografen arbeiten aber in einem Raum mit wechselnden Lichtverhältnissen. Diese sollten nicht extrem sein, denn wenn die Sonne auf den Monitor scheint, ist Bildbearbeitung nicht sinnvoll möglich. Ich empfehle, die Helligkeit auf 120 bis 140 cd/m2 (Candela pro Quadratmeter) zu stellen – abhängig von der Umgebung und Ihrem persönlichen Eindruck, wann die Helligkeiten des Monitors angenehm sind und mit den Druckergebnissen zusammenpassen.

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Gamma  | Der Gammawert regelt, wo die mittlere Helligkeit im Ton­wert­

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umfang liegt. Je höher der Gammawert ist, desto mehr Tonwerte liegen im Schattenbereich. Ein Bild ohne eine Gamma-Anpassung käme uns viel zu hell vor 1 . Den Schatten muss also in den Tonwerten des Bildes mehr Gewicht eingeräumt werden, und so setzen wir den Gammawert auf 1,8 und erhalten ein Ergebnis wie in Bild 2 . Ein Gammawert von 1,8 wird in der Druckvorstufe gern verwendet, weil er der tatsächlichen Tonwertverteilung im Druck recht gut entspricht. Wenn Sie also einen sogenannten Abmusterungsplatz in einer Druckerei einrichten wollen, in dem Drucke unter Normlicht (Lichtart D50) mit dem Monitor in einer ansonsten abgedunkelten Umgebung verglichen werden, ist ein Gammawert von 1,8 (und eine Farbtemperatur von 5 000 K) ideal. Ansonsten nehmen Sie besser ein Gamma von 2,2, das die Schatten etwas mehr betont und der tatsächlichen Wahrnehmung des Auges am nächsten kommt. Sie bekommen dann ein noch knackigeres Ergebnis 3 . Bei einigen Programmen können Sie auch L* als Helligkeitsverteilung wählen, das ist die genaue Kurve der Helligkeitswahrnehmung des menschlichen Auges und somit noch ein bisschen exakter als ein Gammawert von 2,2, dies führt allerdings auf manchen Monitoren zu etwas ungenaueren Grauverläufen.

2

3

GG Abbildung

8.45 Je höher das Gamma, desto mehr Tonwerte werden den Schatten zugeordnet, und desto dunkler erscheint das Bild.

GG Abbildung 8.44 Falls Sie mit einem Mac arbeiten und kein Messgerät besitzen, können Sie Ihren Bildschirm einstellen, indem Sie in der Systemeinstellung Monitore auf Farben klicken und dort auf Kalibrieren. Die visuelle Kalibrierung liefert eine Verbesserung der Darstellung, die aber nicht an ein gemessenes Profil heranreicht.

8.6  Farbmanagement  |  469

4  Messvorgang starten Starten Sie die Messung in der Software. Ziehen Sie das Programmfenster groß, damit die Messfläche nicht durch Streulicht von nebenstehenden Bildschirmbereichen beeinflusst werden kann, und verdunkeln Sie das Umfeld ein wenig (Lampen aus, Vorhang vor das Fenster).

5  Weißpunkt einstellen DDC-Protokoll/ADC DDC steht für Display Data Channel, das heißt, der Monitor kann Einstellungen vornehmen, die ihm von der Grafikkarte übertragen werden. ADC (automatic display control) bezeichnet dasselbe.

Achtung Auf keinen Fall sollten Sie das erstellte Farbprofil als Arbeitsfarbraum in Photoshop einstellen! Gerätefarbräume eignen sich nicht als Arbeitsfarbräume, weil Helligkeitsanpassungen zum Beispiel zu Farbverschiebungen führen können. Lassen Sie den RGB-Farbraum also auf Adobe RGB oder Ihrem Standardfarbraum stehen.

470  |  8  Farbe

Messen Sie mit der Software den Weißpunkt, und stellen Sie den vorgegebenen Kelvin-Wert mithilfe der RGB-Regler im Bildschirmmenü ein. Falls Sie einen kalibrierbaren Monitor mit DDC-Protokoll besitzen, kann der Computer die nötigen Einstellungen allein an den Bildschirm senden. Sie können bei modernen Bildschirmen zwar auch direkt im Bildschirmmenü Kelvin-Werte einstellen, aber das ist fast immer zu ungenau.

6  Helligkeit einstellen Wenn Sie in der Software einen festen Helligkeitswert von zum Beispiel 120 cd/ m² eingestellt haben und der Monitor keine Hardwarekalibrierungbeherrscht, bei der die Software das direkt im Bildschirm selbst einstellen kann, stellen Sie den Bildschirm im nächsten Schritt auf eine etwas höhere Helligkeit von etwa 130 cd/m². Da der Bildschirm die Farbtemperatur meist über eine Farbzugabe in den RGB-Filtern regelt, ist so sichergestellt, dass auch das absolute Weiß farblich korrigiert werden kann. Wenn der Bildschirm im Weiß nur so hell ist wie der Sollwert, kann nicht mehr gefiltert werden, und die Graubalance kippt in den Lichtern in Richtung des nativen Weißpunkts. Dann haben Sie oft einen gelben Farbstich, der sich nur in den hellsten Tönen zeigt. Viele Programme lassen Sie die Helligkeit und die Farbtemperatur gleichzeitig einstellen, dann können Sie auch direkt den Sollwert der Helligkeit angeben, wenn die Farbtemperatur ebenfalls genau erreicht wird. Verändern Sie nie den Kontrastregler, auch wenn die Software Ihnen das vorschlagen sollte, es sei denn, Sie arbeiten noch mit einem alten Röhrenmonitor. Wenn Sie den Kontrast erhöhen, schneiden Sie Tonwerte in den Lichtern und Schatten ab, wenn Sie ihn vermindern, erreichen Sie das reine Schwarz und Weiß nicht mehr.

7  Profil erstellen Lassen Sie den Farbmessvorgang durchlaufen, und geben Sie dem Profil einen sprechenden Namen, damit Sie die unterschiedlichen Versuche den eingestellten Werten zuordnen können. Normalerweise wird die Software das Profil selbst als Systemprofil einrichten. Überprüfen Sie das Profil in der Bildbearbeitungssoftware mit einem Testbild, das bunte Farben, Grauverläufe und Hauttöne enthält.

Wenn das Testbild gut aussieht, sind Sie fertig, wenn nicht, sollten Sie einen erneuten Messvorgang mit angepassten Einstellungen versuchen, zum Beispiel mit nativem Weißpunkt des Monitors. Sie sollten die Überprüfungsfunktion Ihrer Software nutzen, um die Abweichungen von den Sollwerten zu ermitteln. Diese werden oft in ∆E (Delta E) angegeben, ein Wert von 1 ∆E entspricht dabei von einem gerade eben wahrnehmbaren Farbabstand. K

Tipp Im Download-Bereich finden Sie ein geeignetes Testbild zur Überprüfung des Profils.

Scannerkalibrierung Wenn Sie Ihrem Scanner farbrichtiges Arbeiten beibringen möchten, ist dies relativ günstig zu erledigen. Für Windows gibt es die kostenfreie Kalibrierungssoftware CoCa (Color Camera Calibrator, www.dohm.com.au/coca/index.html). Falls sich der Link ändern sollte, werden Sie das Programm auch über eine Suchmaschine finden können. (Achten Sie darauf, dass Sie auf der Download-Seite weder Ihre E-Mail-Adresse noch Ihre Telefonnummer o. Ä. angeben müssen – seriöse Webseiten werden Ihnen das Programm nur mit einem Mausklick zur Verfügung stellen.) Es gibt auch eine Menge kommerzieller Programme zur Scannerkalibrierung, oft im Paket einer übergreifenden Kalibrierungslösung für alle Gerätearten. Das Prinzip der Scannerkalibrierung ist es, eine Vorlage mit bekannten Farbwerten einzuscannen und dann aus Scan und Farbwerten ein Profil zu berechnen, das die Abweichungen genau beschreibt.

CoCa nicht für den Mac Für den Mac gibt es leider keine Variante von CoCa, aber falls Sie noch eine Windows-Lizenz haben, können Sie diese auch unter der kostenfreien Virtualisierungslösung Virtualbox (www.virtualBox.org) installieren und CoCa in dieser Umgebung laufen lassen. So lassen sich ohne Neustart Windows-Programme auf dem Mac ausführen. Wenn Sie häufiger Windows-Software auf dem Mac verwenden wollen, lohnt sich die Anschaffung von Parallels Desktop oder VMware Fusion.

HH Abbildung 8.46 Links der Roh-Scan eines Kalibrierungstargets, rechts eingescannt mit korrektem Scanner-Farbprofil. Die Leuchtkraft und Genauigkeit der Farben hat sich extrem verbessert.

8.6  Farbmanagement  |  471

So können bereits beim Import vom Scanner die Farben so korrigiert werden, dass sie den tatsächlichen Farben der Vorlage im Rahmen des physikalisch Möglichen entsprechen. Ganz wichtig ist es, dass Sie beim Einscannen der Kalibrierungsvorlage alle Automatiken und ICC-Profile ausschalten, damit Sie einen unverfälschten Roh-Scan erhalten. Häufig können Sie dazu das Einstellfeld Farbanpassung auf Ohne setzen. Nur so funktioniert das Farbprofil später, weil es auf einer klar reproduzierbaren Basis aufsetzen kann. Die Vorlagen, Targets genannt, bekommen Sie zum Beispiel günstig und gut über die (nur in englischer Sprache verfügbare) Website www.targets.coloraid.de.

Kamerakalibrierung

GG Abbildung

8.47 Der ColorChecker Passport ist eine einfache Lösung, Kameraprofile für den Raw-Workflow zu erstellen.

Die Kalibrierung einer Digitalkamera funktioniert ähnlich wie die eines Scanners. Ein Scanner hat allerdings eine recht konstante Lichtquelle, während eine Digitalkamera bei jeder Art von Licht ein Bild machen können muss. Deswegen können Sie für eine Kamera nur bei definierten Lichtbedingungen ein Profil erstellen, das dann auch nur für diese Lichtbedingungen gilt. Das kann für die Produktfotografie im Studio oder für die Reproduktion von Kunstwerken oder Büchern sinnvoll sein, für die meisten Fotografen ist es den Aufwand aber nicht wert. Vor allem, da eine genauere Farbdarstellung nicht unbedingt schöner sein muss. Die Kamerahersteller betreiben die Farbabstimmung mit großem Aufwand, die mitgelieferten Farbprofile sind deswegen von sehr hoher Qualität und gut geeignet für die bildmäßige Fotografie. Wenn Sie keine besondere Anwendung haben, die die Kalibrierung nahelegt, dann lassen Sie es lieber sein. Und wenn Sie mit der Farbdarstellung Ihrer Kamera nicht ganz zufrieden sein sollten, dann probieren Sie andere Raw-Konverter aus, z. B. Capture One, Skylum Luminar oder den Ihres Kameraherstellers wie Digital Photo Professional bei Canon. Die Kamerakalibrierung funktioniert im Prinzip wie die Scannerkalibrierung, allerdings gilt sie immer nur für die bestimmte Lichtart, bei der kalibriert wurde. Wenn Sie die Kalibrierung in den Raw-Workflow integrieren wollen, benötigen Sie eine Software, die es Ihnen gestattet, kompatible Profile z. B. für Lightroom zu erstellen (wie etwa bei X-Rite ColorChecker Passport). Für Sie interessant ist vielleicht auch der Einsatz eines Grauwürfels (zum Beispiel der Datacolor Spy-

FF Abbildung 8.48 Beispiel einer Druckkalibrierungsvorlage für CMYK. Tintenstrahldrucker werden normalerweise mit RGB-Targets kalibriert, weil sie für den Druck aus dem RGB-Farbraum optimiert sind.

472  |  8  Farbe

derCube), der neutrales Grau, Weiß und Schwarz bietet und mit einer Lichtfalle (ein schwarzes Loch mit schwarzem, minimal reflektierendem Material ausgeschlagen) auch einen absoluten Schwarzpunkt. Der Grauwürfel ist der große Bruder der Graukarte, der Ihnen bei der Farbabstimmung und Festlegung der Farbtemperatur hilft.

Druckerkalibrierung Auch Ihren Drucker können Sie selbst kalibrieren, allerdings ist das relativ aufwendig und benötigt meist auch etwas Einarbeitung. Sie drucken dafür eine Messvorlage bei abgeschaltetem Farbmanagement auf Ihrem Drucker aus, lassen sie trocknen und messen dann mit einem Spektralfotometer die einzelnen Felder wieder ein. Die Kalibrierungssoftware berechnet daraus dann ein Farbprofil für Ihren Drucker. Dieses lässt sich aber nicht immer einfach in den Druckertreiber integrieren. Zudem sind Spektralfotometer, die die spektrale Zusammensetzung des Lichts messen können, relativ teuer. Inzwischen gibt es aber auch erschwingliche Einsteigerlösungen wie das X-Rite i1 Studio für etwa 430 € – Bildschirmkalibrierung inklusive. Wenn Sie eine Druckerkalibrierung häufiger durchführen möchten, ist das händische Ausmessen schnell lästig, weil selbst die kleineren Vorlagen schon um die 200 Messpunkte aufweisen. Eine automatische Lösung mit XY-Messtisch oder eine halbautomatische, die zumindest Messstreifen automatisch erfassen kann, macht da mehr Spaß. Professionelle Lösungen liegen bei mehreren tausend Euro, und auch mit einer solchen habe ich schon einmal zwei Tage verbracht, bis ein Proofdrucker (ein Drucker, der den Offset-Druck farbverbindlich simulieren kann) innerhalb der geforderten Toleranz war. Das zunächst verwendete Papier ermöglichte nicht den vom Hersteller versprochenen Farbraum, und die Drucke benötigten sehr lange Trocknungszeiten. Die meisten Drucker liefern heute auch ohne eigene Kalibrierung sehr genaue Ergebnisse, wenn man den Papiertyp exakt einstellt. Einsteigerlösungen können gerade beim Einsatz von speziellen Papieren und Fremdtinten die Qualität deutlich verbessern, und die Profilösungen sind wirklich nur für Profis interessant. Wenn Sie einen hochwertigen Tintenstrahldrucker verwenden und FineArt-Papiere der großen Hersteller einsetzen (z. B. Hahnemühle, Canson, Ilford), dann finden Sie auf den Papierhersteller-Websites bereits fertige ICC-Profile und Anleitungen, sodass Sie keine eigenen Messungen mehr vornehmen müssen. Die Bildschirmkalibrierung wird sicher für die meisten von Ihnen interessant sein, die Scanner- oder Kamerakalibrierung für einige, und die Druckerkalibrierung für die wenigsten.

GG Abbildung 8.49 Zusatzinformationen wie den ­Digipix3-Leitfaden für das Farbmanagement finden Sie im Download-Bereich.

8.6  Farbmanagement  |  473

kurz & bündig:  Farbe

GG Abbildung 8.50 Das Zusammenspiel der Farben ist manchmal schon ein ausreichender Anreiz, ein Bild aufzunehmen.

35 mm | ƒ4| 1/5 s | ISO 100 | Bildausschnitt

474  | 

KURZ & BÜNDIG:

Farbe

Verwenden Sie Farbe als bewusstes Gestaltungsmittel, sie hat eine direkte psychologische und emotionale Wirkung auf den Betrachter. Vermeiden Sie Farbabweichungen in eine nicht gewünschte Richtung, weil sie den Eindruck eines Bildes stark mindern können. Die Gewichtung der Farben ist eine zusätzliche Anforderung an die Bildkomposition, wobei ein harmonisches Ergebnis nicht immer das Ziel sein kann. Wichtig ist vielmehr, dass Farbaussage und Bildaussage zusammenpassen. Sie müssen das Ergebnis, das aus Ihrer Kamera kommt, nicht als gegeben hinnehmen. Wichtig ist, dass der Farbeindruck, den Sie in der Nachbearbeitung erzeugen, eine eigene Glaubwürdigkeit und emotionale Stimmigkeit hat. Er muss nicht echt sein, aber ehrlich. Ein Farbeffekt, der einem Bild nur übergestülpt wird, entlarvt sich schnell als bloße Masche. Verzichten Sie auf jeden überflüssigen Effekt, auch und gerade wenn ihn viele andere verwenden sollten. Ich kümmere mich beim Fotografieren um das Thema Farbe nur in kompositorischer Hinsicht und über die Wahl der richtigen Belichtung. Mit der exakten Farbeinstellung der Kamera belaste ich den Aufnahmeprozess nicht zusätzlich. Die genaue Abstimmung nehme ich erst im Raw-Konverter auf einem kalibrierten Monitor vor. Die Möglichkeiten des Weißabgleichs und der Bildstile sind dann interessant, wenn es um die Aufnahme von Videos geht oder wenn Sie gezwungen sind, aus Geschwindigkeitsgründen im JPEG-Format zu arbeiten. Falls Sie häufiger Bilder an Dienstleister geben oder Ihre Ansprüche an die Farbgenauigkeit steigen, sollten Sie Ihren Monitor kalibrieren. Wenn Sie Ihr analoges Bildmaterial digitalisieren wollen, ist auch die Scannerkalibrierung sinnvoll. Mit überschaubarem Aufwand erreichen Sie so eine deutlich bessere Qualität. Wer sich weiter mit dem Thema Farbe und Bildkomposition auseinandersetzen möchte, dem seien »Kunst und Farbe« von Johannes Itten und »Punkt und Linie zur Fläche« von Wassily Kandinsky ans Herz gelegt. Stärker auf Fotografie beziehen sich die Bücher von Harald Mante zu Bildaufbau und Farbdesign.

Anregungen für die Fotopraxis EE

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Versuchen Sie, ein Bild mit einem sehr ungewöhnlichen Zusammenspiel der Farben aufzunehmen. Machen Sie ein Foto, das sich durch eine perfekte Farbharmonie auszeichnet. Das Motiv darf ansonsten langweilig sein, aber wenn Sie die Aufgabe mit einem spannenden Motiv verbinden können, ist dies natürlich umso besser. Nehmen Sie ein möglichst farbloses Bild auf. Sie dürfen die Farbtemperatur anpassen, aber nicht die Sättigung verringern. Verändern Sie ein Bild durch die gewählte Farbtemperatur auf eine interessante Weise. Es muss dabei eine gewisse Glaubwürdigkeit behalten und darf nicht nur wie ein Effekt aussehen. Beleuchten Sie Ihr Motiv mit verschiedenfarbigem Licht. Das Ergebnis sollte nicht einfach nur bunt erscheinen, sondern passend beleuchtet. Sie können dafür z. B. günstige Filterfolien verwenden (siehe Seite 337). Erstellen Sie je ein monochromes Bild für die Grundfarben Rot, Gelb, Grün, Cyan, Blau und Magenta. Suchen Sie sich drei Stimmungen aus, und versuchen Sie, sie nur durch Farbgestaltung gut zu illus­ trieren. Nehmen Sie ein Bild auf, bei dem ein ganz kleiner Bildbereich die volle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wählen Sie ein kleines farbiges Objekt, und fotografieren Sie es auf Untergründen mit verschiedenen Farben. Schauen Sie, wie sich die Farbwirkung durch den Farbkontrast verändert. Sie sollten dazu die Farbtemperatur nicht auf Automatik stehen lassen, weil Sie das Ergebnis unverfälscht beurteilen möchten. Nehmen Sie ein Bild auf, bei dem die reale Farbe des Objekts nicht mehr zu erkennen ist, weil die Lichtfarbe dies verhindert. Erhöhen Sie die Farbsättigung eines wenig farbigen Raw-Bild im Raw-Konverter so weit, wie es gerade noch glaubwürdig und nicht zu bunt erscheint. Entsättigen Sie ein Bild teilweise über alle Farben oder einzelne Farben, und schauen Sie, wie sich die Bildstimmung dabei verändert.

HH Abbildung

8.51 In der Zeit um den Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang hat die Atmosphäre eine völlig veränderte Farbigkeit, die oft ganz eigene Fotogelegenheiten schafft.

95 mm | ƒ4 | 1/200 s | ISO 200

KURZ & BÜNDIG:

Farbe  |  475

Kapitel 9:  Schwarzweiß Schwarzweißfotografie ist nicht nur Fotografie ohne Farbe, sie ist eine andere Art, zu fotogra­ fieren. Vor allem aber ist sie eine andere Art, mit Licht umzugehen. Das Licht baut das Bild auf, es trennt das Motiv vom Hintergrund, betont die Strukturen und schafft den Raum. Selbst wenn Sie die Schwarzweißfotografie als solche vielleicht nicht interessiert, kann es sinnvoll sein, sich eine Zeit lang nur auf Schwarzweiß zu begrenzen. Sie erreichen dadurch eine andere Konzentration auf Licht und Komposition, die auch Ihren Farbfotos zugutekommen wird.

9.1  Kurze Geschichte der Schwarzweißfotografie Die älteste Fotografie von 1826 (siehe Seite 28) benötigte mehrere Stunden Belichtungszeit, war natürlich Schwarzweiß und nur in der Lage, blaues Licht aufzunehmen. Diese Beschränkungen galten in abgeschwächter Form für die nächsten 25 Jahre der Fotografie, bis das Kollodium-Nassplatten-Verfahren Verschlusszeiten im Sekundenbereich erlaubte. 1861 erzeugte James Clerk Maxwell das erste Farbfoto. Ab 1904 verbreitete sich die Farbfotografie zunehmend durch die Autochrom-Technik, aber erst 1936 wurde der Farbfilm in seiner heutigen Form von Agfa und Kodak auf den Markt gebracht und gewann dann schnell an Bedeutung. Ab 1884 konnte Filmmaterial das Spektrum bis ins Gelb aufnehmen (orthochromatische Sensibilisierung) und ab 1902 das gesamte Spektrum (panchromatische Sensibilisierung). So sind die frühen Fotografien stark durch die damaligen technischen Einschränkungen geprägt. Der Himmel zum Beispiel ist durch die Blau­ empfindlichkeit des Films oft weiß, und Personen sind in Stadtansichten oft nur schemenhaft zu erkennen, weil sie sich während der langen Verschlusszeit weiterbewegten. Porträts wirken meist steif, weil die Personen

Abbildung 9.1 Der Leuchtturm von Ploumanac’h im Abendlicht.

FFF

45 mm | ƒ13 | 1/120 s | ISO 100 | Mittelformat

Abbildung 9.2 E Dieses Foto einer Bootsbrücke über den Rhein in Köln wurde in den 1860er-Jahren aufgenommen. Der weiße Himmel und die verwischte Darstellung aller bewegten Elemente sind typisch für die damals verwendete Technik. (Foto: Library of Congress)

9.1  Kurze Geschichte der Schwarzweißfotografie  |  477

GG Abbildung 9.3 Der Händler wird von einer Nackenstütze stabilisiert, die zwischen seinen Beinen und als Schatten links neben seinem Kopf noch sichtbar ist. Nur so konnte er bei der langen Verschlusszeit dieser Daguerreotypie ruhig stehen. (»Occupational Portrait of a Peddler«, Myers, 1840 – 1860)

Abbildung 9.4 E Die Galata-Brücke in Istanbul in den 1890er-Jahren. Die PhotochromTechnik ließ farbige Drucke zu, die von handkolorierten Schwarz­weiß­ bildern stammten. Der Wunsch nach farbiger Fotografie führte schon früh zu aufwendigen Techniken. (Bild:  Kara-Kevi (Galata) and view of Pera, Constantinople, Turkey, ca. 1895, Library of Congress)

478  |  9  Schwarzweiß

sehr lange stillsitzen mussten. Manchmal wurde der Kopf sogar mit einer festen Stütze fixiert, um schärfere Bilder zu erhalten. Schwarzweiß wurde von vielen Fotografen und Betrachtern als Beschränkung empfunden, und es finden sich daher sehr viele Beispiele handkolorierter Aufnahmen. Mit großem Aufwand wurden die Abzüge einzeln mit Eiweißlasurfarben ausgemalt, um ein Farbbild zu erhalten. In den 1880er-Jahren wurde dann der Photochrom-Druckprozess entwickelt, der es erlaubte, kolorierte Fotos auch farbig zu drucken. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Filme, die empfindlicher waren als ISO 100; ISO-400-Filme gibt es erst seit 1967. Wenn Sie in private Fotoalben schauen, werden Sie feststellen, dass bis in die 1970er-Jahre überwiegend Schwarzweiß fotografiert wurde. Durch diesen Zeitenwechsel, in dem die Welt plötzlich farbig wurde, haben auch heutige Schwarzweißfotos sehr oft eine nostalgische Note. In der analogen Fototechnik war es einfacher und billiger, Schwarzweißbilder zu erstellen. Die Farbentwicklung war sehr temperaturabhängig und verlangte eine Genauigkeit und fast absolute Dunkelheit, die sich Amateurfotografen meist nicht zumuten wollten. Ein Schwarzweißlabor war hingegen leicht einzurichten und einfach zu betreiben. Ich selbst wählte im Studium auch deswegen oft Schwarzweiß, weil ich Farbe in der Großbildfotografie gar nicht hätte bezahlen

FF Abbildung

9.5 Ein Ballonstart in Paris um die Jahrhundertwende. Dies ist die bessere Hälfte einer stereoskopi­ schen Glasplatte, deren Fotoemul­ sion schon sehr angegriffen war. (Bild: Eigene Reproduktion, Leihgabe von www.camera09.de)

können. Im Zeitungsbereich wurde noch lange ausschließlich in Schwarzweiß gearbeitet – die FAZ hat zum Beispiel erst 2007 Farbe eingeführt. Die Fotografen sind also noch gar nicht lange an einem Punkt, an dem Schwarzweiß keine naheliegende und einfache Lösung mehr ist, sondern tatsächlich einen Mehraufwand bedeutet und somit immer eine bewusste gestalterische Entscheidung ist. Vor gar nicht allzu langer Zeit war das noch umgekehrt, da war der Schwarzweißprozess schneller und billiger als das Arbeiten in Farbe. Die Frühzeit der Fotografie ist noch nicht lange vorbei, auf den Flohmärkten finden Sie Kartons mit Glasnegativen und alte Fotoabzüge oft sehr günstig, manche Leute schmeißen diese auch einfach weg. Wenn Sie die Augen ein wenig offen halten, können Sie mithelfen, dass den nachfolgenden Generationen viele Zeugnisse der Welt ab 1826 erhalten bleiben, die sonst unwiederbringlich verloren gingen.

9.1  Kurze Geschichte der Schwarzweißfotografie  |  479

9.2  Analoge Schwarzweißfotografie

GH  Abbildung 9.6 Bei diesem Bild verwendete ich den Faltlichtschacht der Hasselblad (oben), um von unten in die über den Kopf gehaltene Kamera zu schauen. Ein Orangefilter sorgte für die richtigen Tonwerte.

80 mm | ƒ4 | 1/60 s | ISO 50 | Orangefilter

Manche meiner Profikollegen sagen, dass man die Anmutung analoger Schwarzweißfotografien nur schlecht digital erreichen könne. Daran ist sicherlich etwas Wahres, trotzdem bevorzuge ich auch für schwarzweiße Arbeiten die aktuelle Digitaltechnik. Bevor wir aber dazu kommen, möchte ich einen kurzen Ausflug in die analoge Technik machen. Gerade den jüngeren Lesern, die sich ernsthaft mit Fotografie auseinandersetzen möchten, würde ich zu einem Abstecher in die filmbasierte Schwarzweißfotografie raten. Das ist eine gute Gelegenheit, eine fotografische Urerfahrung zu machen und einen anderen Umgang mit dem Bild zu erlernen. Viele werden im Familienkreis oder über Freunde auf eine analoge Ausrüstung, die nicht mehr verwendet wird, zugreifen können. Den anderen bieten die enorm günstigen Marktpreise einer nur noch wenig genutzten Technik die Möglichkeit, sehr günstig Kameras oder Laborgerätschaften zu erwerben. Das analoge Fotoerlebnis stellt sich am ehesten mit einer manuell zu fokussierenden Kamera ein. Auch sind Festbrennweiten bei älteren Kameras besser als Zoomobjektive. Ein Gelb- oder Orangefilter ist eine schöne Erweiterung. Falls Sie eine wirklich alte Mittelformatkamera erstehen wollen, achten Sie darauf, dass sie für 120er-Rollfilm gedacht ist, denn dieses Filmformat werden Sie noch für längere Zeit ohne Probleme kaufen können. Wenn Sie selbst entwickeln wollen, versuchen Sie einmal, den Kodak Tri-X in D-76 zu entwickeln. Sie erhalten ein schönes Korn und schöne Tonwerte bei ISO  400 – eine wirklich klassische Kombination. Kodak T-MAX 100 und der Ilford Pan F Plus sind als Ergänzung für sehr feinkörnige Bilder bei gutem Licht geeignet und die T-MAX-3200-Filme für sehr hohe Empfindlichkeit bei schönem starken Korn eine gute Wahl. Analog-digitale Schwarzweißfotografie  | Sie

können auch hybrid arbeiten, das heißt analog fotografieren und den fertig entwickelten Film einscannen und dann digital weiterbearbeiten. Schwarzweißfilme lassen sich allerdings nicht besonders gut scannen, die automatische Staubentfernung funktioniert nicht mit

480  |  9  Schwarzweiß

Silberfilmen. Eine zu harte Lichtquelle in einem Kleinbildscanner ergibt hartes Korn und schlechte Tonwerte. Bei den Nikon-Kleinbildscannern ist erst der nicht mehr neu erhältliche LS-5000 wirklich gut für echte Schwarzweißfilme (silberund nicht farbstoffbasiert) geeignet, weil sein weiches Licht das Filmkorn nicht so überbetont wie seine Vorgänger. Alternativ können Sie einen farbstoffbasierten Schwarzweißfilm verwenden (wie den Ilford XP 2 Super mit ISO  400). Er lässt sich genauso gut wie jeder Farbfilm einscannen (inkl. Staubentfernung (ICE) bei entsprechenden Scannern) und in jedem Standardlabor mit in den Farbnegativprozess geben. Wenn Sie Mittelformatfilme verwenden, bekommen Sie auch mit einem Flachbettscanner mit Durchlichteinheit gute Ergebnisse. Mit einem Makroobjektiv können Sie die Negative sogar mit Ihrer Digitalkamera reproduzieren. Sie sollten dann eine gleichmäßige Lichtquelle hinter dem Film verwenden und reichlich belichten, um gute Tonwerte zu erhalten. Die Qualität der Reproduktionen mit einer hochwertigen Digitalkamera ist mindestens gleichwertig mit guten Scans.

9.3  Digitale Schwarzweißfotografie Es gibt zwar rein schwarzweiße Bildsensoren, aber diese sind in der bildmäßigen Fotografie eher selten. Sie werden vor allem im wissenschaftlichen und industriellen Bereich verwendet. Der Vorteil einer höheren Auflösung – da man schließlich jedes Subpixel ohne Interpolation nutzen könnte (siehe Seite 35) – würde erkauft mit einer geringeren Steuerbarkeit der Tonwerte, weil die Farbinformation wegfiele. Digitale Schwarzweißfotografien werden also heute meistens mit einer Farbkamera aufgenommen. Aber auch in der analogen Fotografie verwendete man die Farbe, um die Helligkeit besser differenzieren zu können: Als Schwarzweißfotograf hatte man immer einen Satz Farbfilter dabei, um die Tonwerte besser steuern zu können.

GG Abbildung

9.7 Das Filmangebot für SW ist in den letzten Jahren wieder größer geworden. (Bild: Agfaphoto)

Cross-Entwicklung Und wenn Sie schon bei analoger Fotografie sind, dann probieren Sie doch einmal aus, einen Diafilm in die Farbnegativentwicklung zu geben. Das nennt sich Cross-Entwicklung und ergibt recht harte Kontraste mit interessanten Farben.

HH Abbildung

9.8 Ungerichtetes Licht und wenig Helligkeitsunterschiede zwischen Vordergrund und Hintergrund. In Schwarzweiß bleibt nur noch ein visuelles Chaos übrig.

35 mm | ƒ2,8 | 1/500 s | ISO 2500 | Carl Zeiss Jena Flektogon 35 mm ƒ2,8

9.3  Digitale Schwarzweißfotografie  |  481

Schwarzweiß direkt in der Kamera Eine Systemkamera lässt sich so konfigurieren, dass sie direkt Schwarzweißaufnahmen erstellt. Diese Einstellung ist meist etwas in den Untermenüs versteckt, bei Nikon finden Sie sie unter Picture Control beziehungsweise Bildoptimierungen, bei Canon unter Picture Style (Bildstil). Dort können Sie auch gleich einen virtuellen Farbfilter und eine Tonung einstellen. Das ist eine sehr schöne Funktion, weil sie Ihnen bereits bei der Aufnahme ein schwarzweißes Vorschaubild liefert. Als fotografisches Endergebnis sind

GG Abbildung

9.9 Das harte Gegenlicht und die dramatische Lichtstimmung prädestinieren dieses Motiv für eine Schwarzweißbearbeitung. Um die gewünschten Tonwerte störungsfrei umsetzen zu können, war ein aus einer Raw-Datei entwickeltes RGB-Bild mit einer Farbtiefe von 16 Bit notwendig.

100 mm | ƒ11 | 1/3200 s | ISO 250 | −2⁄3 LW

482  |  9  Schwarzweiß

Aufnahmen in diesem Modus aber nur bei geringen Ansprüchen ausreichend. Wenn Sie hochwertige Schwarzweißfotografie betreiben möchten, sollten Sie diesen Bildstil nur einstellen, wenn Sie parallel im Raw-Format arbeiten. Nur dann zeichnen Sie den nötigen Tonwertumfang auf und erhalten sich alle Bearbeitungsmöglichkeiten. Wenn ein Schwarzweiß-JPEG nämlich nicht optimal ist, können Sie daran nur recht wenig ändern.

Schwarzweißkameras Beispiele für reine Schwarzweißkameras sind die Leica M Monochrom (Typ 246) oder das Phase One XF IQ3 100MP Achromatic (Mittelformatrückteil).

Schwarzweiß in der Bildbearbeitung Wenn die Schwarzweißmodi der Kamera nur für die Voransicht taugen und Sie ohnehin im Raw-Format fotografieren sollten, dann heißt das auch, dass Sie aus jeder Aufnahme Schwarzweißbilder erzeugen können, ohne in der Kamera besondere Einstellungen vornehmen zu müssen. Schwarzweißaufnahmen verzeihen eine leichte Unschärfe allerdings nicht so leicht wie ein Farbbild, und auch die Lichtführung ist etwas anspruchsvoller. Es eignet sich also nicht jedes Bild für die Schwarzweißumwandlung. Schwarzweiß setzt gutes Ausgangsmaterial voraus, denn die Schwächen eines digitalen Bildes können im Laufe der Bearbeitung schnell sichtbar werden. Einen wirklich sauberen Himmel mit perfekten Tonwertabstufungen hinzubekommen, das gelingt nur mit hochwertigen Vorlagen. Die technischen Anforderungen an ein Schwarzweißbild sind also etwas höher als an ein Farbbild. Um die Tonwerte steuern zu können, müssen Reserven im Bild vorhanden sein. Es empfiehlt sich daher, die Raw-Konvertierung in 16 Bit durchzuführen und im RGB-Modus zu bleiben, anstatt das Bild in Schwarzweiß zu konvertieren. Auch sollten Sie alle Bildbearbeitungen auf separate Einstellungsebenen legen, damit die Originaldaten bei den Bearbeitungsschritten nicht verschlechtert werden. FF Abbildung 9.10 Links: Der Himmel reißt auf und wird fleckig, weil dieses Bild nur in 8 Bit bearbeitet wurde. Gegenüber dem Original rechts ist der Kontrast des Himmels härter geworden. Die nötigen Tonwertreserven waren in der 8-Bit-Vorlage nicht mehr vorhanden.

9.3  Digitale Schwarzweißfotografie  |  483

9.4  Schwarzweiß mit Lightroom und Photoshop Die Schwarzweißumwandlung lässt sich in der digitalen Bildbearbeitung feiner steuern als in der anlogen Technik. Im Folgenden werde ich zwei typische Bearbeitungsbeispiele zeigen, eines für Adobe Photoshop Lightroom und eines für Adobe Photoshop.

Schritt für Schritt: Schwarzweißumwandlung in Lightroom Es gibt Motive, die sich durch ihre Lichtsituation ohne weiteres Nachdenken perfekt in Schwarzweiß umwandeln lassen. Meist müssen Sie jedoch bewusst entscheiden, welche Helligkeiten Sie welchen Farben zuordnen wollen, um ein wirkungsvolles Ergebnis zu erzielen.

1  Bild öffnen Öffnen Sie das Bild »Rubjerg.tif« aus dem Download-Bereich in Lightroom. Das Bild wirkt zwar etwas weich, hat durch die Lichtsituation aber Potenzial für eine Schwarzweißumwandlung.

2  In Schwarzweiß umwandeln und Kontrast erhöhen Öffnen Sie das Entwicklungsmodul mit [D]. Klicken Sie oben rechts unter Grundeinstellungen bei Behandlung: auf Schwarzweiss.

GG Abbildung 9.11 Dieses Farbbild soll in Schwarzweiß umgewandelt werden. Eine unbearbeitete Umwandlung wird der Bildstimmung aber nicht gerecht (Bild unten).

Abbildung 9.12 E Ein erhöhter Kontrast verbessert die Bildwirkung.

484  |  9  Schwarzweiß

Das Ergebnis ist eher blass und langweilig. Setzen Sie den Regler Kontrast auf +30 und den Regler Klarheit ebenfalls auf +30. Stellen Sie den Regler Struktur auf +30, um die feineren Details zu betonen.

3  Farben anpassen Bestimmte Helligkeiten werden trotz der globalen Kontrastanpassungen noch nicht wirklich gut wiedergegeben. So haben der Himmel und der Sand nun fast die gleichen Tonwerte. Schieben Sie unter dem Reiter S/W die Regler Rot und Orange nach rechts, um den Sand und die rote Spitze aufzuhellen. Blau und Aquamarin (Cyan) sollten Sie heruntersetzen, um den Himmel und das Meer abzudunkeln. FF Abbildung

9.13 Über eine Anpassung der Einzelfarben werden die Helligkeiten weiter optimiert.

FF Abbildung

9.14 Die fertige Umwandlung ergibt ein Bild, das auch in Schwarzweiß gut funktioniert.  K

485

Schritt für Schritt: Schwarzweißumwandlung in Photoshop

HH Abbildung

9.15 Das Bild »fecamp.tif« finden Sie im Download-Bereich.

Lightroom ist in den grundlegenden Bearbeitungsfunktionen zwar sehr gut, reicht aber nicht an den Funktionsumfang von Photoshop heran. Die Ebenen und Auswahlen von Photoshop helfen Ihnen dabei, Ihre Ergebnisse noch genauer an Ihre Vorstellungen anzupassen. Das Bild »fecamp.tif« habe ich aus einer Raw-Datei mit Standardeinstellungen konvertiert. Einzig die Dynamik habe ich etwas angehoben, um die Farben ein wenig besser zu trennen. Daraufhin habe ich das Bild in Photoshop etwas verkleinert.

1  Bild in Schwarzweiß umwandeln Klicken Sie in der Ebenen-Palette in Abbildung 9.16 auf das Symbol 1 Neue Misch- oder Einstellungsebene erstellen, und wählen Sie die Option Schwarzweiss. Das Bild erscheint nun in Schwarzweiß, alle Farbinformationen sind aber noch unverändert vorhanden. Die Umwandlung ist schnell, wirkt allerdings auch grau und weich. Der Farbkontrast wurde nicht genügend durch den Helligkeitskontrast ersetzt.

1 GG Abbildung

9.16  E Einstellungsebene für Schwarzweiß anlegen

486  |  9  Schwarzweiß

2  Farbbereiche optimieren Klicken Sie in der Korrekturen-Palette auf das Fingersymbol 2 . Mit ihm können Sie direkt im Bild die Helligkeit der Einzelfarben bearbeiten. Klicken Sie auf einen möglichst blauen Bereich des Himmels, und ziehen Sie die Maus mit gedrückter Taste nach links, um den Farbbereich abzudunkeln. Dann klicken Sie auf das Meer und ziehen mit gedrückter Maustaste nach rechts, um den Bereich aufzuhellen. Rot, Gelb und Magenta können Sie als Regler etwas nach rechts ziehen, um den kleinen Details des Hintergrunds mehr Frische zu geben.

2

F G  Abbildung 9.17 Wenn Sie das Fingersymbol 2 oben links anklicken, können Sie die Helligkeiten der Einzelfarben direkt im Bild mit gedrückter Maustaste ändern. Ziehen Sie nach links zum Abdunkeln und nach rechts zum Aufhellen.

3  Partialkontrast erhöhen Klicken Sie dann auf die Hintergrundebene, und rufen Sie Filter • Scharfzeichnungsfilter • Unscharf maskieren auf. Stellen Sie die Stärke auf 25 % und den Radius auf 150 Pixel. Der Partialkontrast wird so erhöht, und das Bild wirkt insgesamt »knackiger«. Der Himmel ist allerdings immer noch etwas gräulich.

Abbildung 9.18 E Unscharf-maskieren-Dialogfeld

9.4  Schwarzweiß mit Lightroom und Photoshop  |  487

4  Himmel auswählen Wählen Sie das Polygon-Lasso aus der Werk­zeug­ palette, und den Himmel mit ein wenig Luft zum Hintergrund aus. Rufen Sie Auswahl • Auswahl verändern • Weiche Kante auf, und geben Sie einen Wert von 100 Pixeln ein.

GG Abbildung

9.19 Weichen Auswahlrand einstellen

FF Abbildung

9.20 Mit der Taste [Q] kommen Sie in den Maskierungsmodus, in dem Sie gut überprüfen können, wie weich Ihre Auswahl geworden ist. Drücken Sie danach erneut [Q], um im Normal­modus weiterarbeiten zu können.

5  Struktur des Himmels verbessern

1

2 GG Abbildung 9.21 Die Auswahl ist zur Ebenenmaske 1 der Einstellungsebene geworden.

488  |  9  Schwarzweiß

Klicken Sie in der Ebenen-Palette erneut auf das Symbol 2 für Neue Füll- oder Einstellungsebene erstellen, und wählen Sie diesmal die Option Grada­tions­ kurven. Die weiche Auswahl wird so automatisch zur Ebenenmaske 1 der Einstellungsebene (das passiert immer, wenn Sie mit einer aktiven Auswahl eine neue Einstellungsebene anlegen). Alle Korrekturen wirken jetzt nur im ausgewählten Bereich. Heben Sie die Kurve am hellen Ende des Histogramms deutlich an, um die hellen Bereiche der Wolken mehr strahlen zu lassen. Ziehen Sie die Kurve am unteren Ende des Tonwertbereiches dann wieder herunter, denn Sie möchten den Kontrast erhöhen und nicht nur den Himmel aufhellen. Das Endergebnis unterscheidet sich stark von der neutralen Umwandlung. Es fängt die Stimmung vor Ort mit dem bewegten Wolkenhimmel trotz der starken Veränderung durch die Bildbearbeitung viel besser ein.

F G  Abbildung

6  Fotofilter einsetzen Klicken Sie auf die oberste Ebene der Ebenen-Palette und dann erneut auf das Symbol für eine neue Misch- oder Einstellungsebene, und wählen Sie jetzt die Option Fotofilter. Stellen Sie Filter auf Sepia und die Dichte auf 30 %. Das Häkchen vor Luminanz erhalten lassen Sie gesetzt, weil der Filter sonst das Bild abdunkelt. Wenn Sie die Ausgabequalität gut kontrollieren können, ist eine ungetonte Variante oft schöner. Eine Tonung ist eine gestalterische Option, die Sie nur bewusst einsetzen und nicht zum Standard machen sollten.

9.22 Mit einer angepassten Grada­tions­ kurve wirkt der Himmel deutlich dramatischer.

F G  Abbildung

9.23 Der Fotofilter bietet eine einfache Möglichkeit, Bilder gleichmäßig zu tonen.  K

9.4  Schwarzweiß mit Lightroom und Photoshop  |  489

9.5  Schwarzweiß farbig filtern Durch die Verwendung eines Farbfilters vor dem Objektiv oder den Einsatz eines virtuellen Farbfilters bei der Schwarzweißumwandlung in der Bildbearbeitung lassen sich die Tonwerte je nach Farbe verändern. In der Digitalfotografie sollten Sie die Farbfilter allerdings lieber im Schrank lassen und auf die besser zu steuernden Bildbearbeitungsmöglichkeiten zurückgreifen (siehe Seite 484). Um die wesentlichen Auswirkungen der Filterung demonstrieren zu können, wähle ich hier ein Porträt und eine Landschaftsaufnahme. Eine einfache, ungefilterte Schwarzweißumwandlung nur nach den Helligkeitswerten ist zwar brauchbar, allerdings fehlt der Landschaft etwas Tiefe, und die Hauttöne und Lippen beim Porträt sind nicht besonders gut differenziert (siehe Abbildung 9.24).

GG Abbildung 9.24 Eine standardisierte Schwarz­weiß­ umwandlung führt nicht bei jedem Motiv zu einem guten Ergebnis. Zu analogen Zeiten gehörten Farbfilter zu den mächtigsten Werkzeugen der Tonwertbeeinflussung überhaupt. In Lightroom oder Photoshop können Sie bei der Schwarzweißumwandlung nach dem gleichen Prinzip arbeiten, allerdings lässt sich die Wirkung noch feiner anpassen.

490  |  9  Schwarzweiß

Rot | Ein Rotfilter lässt nur rotes Licht passieren und sperrt alle anderen Farben

aus. Das ist eine sehr extreme Filterung, die für Porträts nur geeignet ist, wenn der Porträtierte stark geschminkt ist. Ansonsten werden die roten Lippen genauso hell wie die Haut, die zudem etwas wächsern und durchscheinend wirkt. Personen bekommen dadurch oft etwas Geisterhaftes, was in den allermeisten Fällen ein sehr unerwünschter Effekt ist. In der Landschaftsaufnahme wird der blaue Himmel extrem dunkel. Rot und Gelb werden nur schlecht vom Weiß differenziert, und Grün und Blau werden ebenfalls stark abgedunkelt. Die Fotos wirken dann oft sehr grafisch und wenig natürlich, die Tonwertdifferenzierung ist für die meisten Motive zu gering. Allerdings ist ein Rotfilter dann geeignet,

FF Abbildung

9.25 Schwarzweißumwandlung mit Rotfilter

wenn alles andere einen zu geringen Kontrast in den Himmel bringt oder wenn rote Bereiche deutlich aufgehellt werden müssen, etwa um sich vom Hintergrund abzusetzen. Benutzen Sie ihn nur, wenn Sie diesen extremen Effekt wirklich benötigen. Sie können den Himmel übrigens noch weiter abdunkeln, wenn Sie bei der Aufnahme einen Polarisationsfilter verwenden und ihn so drehen, dass das Streulicht im Himmel minimiert wird und dieser so dunkler und blauer erscheint. Mit einem Rotfilter erscheint er dann praktisch schwarz, was einen extremen Wolkenkontrast ergibt. Ein Rotfilter erzeugt auch die beste Fernsicht, weil er den Dunst abmildert. Gelb  | Ein Gelbfilter lässt Rot, Orange und Gelb hindurch, Grün und Blau aber

nicht. Hauttöne werden so aufgehellt, der Himmel abgedunkelt. Laub wird – je nach spektraler Zusammensetzung der Farbe – etwas heller oder dunkler wiedergegeben. Die Schatten draußen erscheinen dunkler, da sie durch den blauen Himmel aufgehellt werden. Die Grundeinstellung des Gelbfilters in Photoshop erscheint mir ein wenig zu hart und entspricht eher einem roten Filter aus der Schwarzweißfotografie. Da Sie die einzelnen Farbregler aber frei verändern können, können Sie die Voreinstellungen anpassen. Ein leicht abgemilderter Gelbfilter ist für die Landschaftsfotografie oft eine gute Wahl. Bei Porträts ist er vielleicht etwas undifferenziert, denn die Tonwerte

9.5  Schwarzweiß farbig filtern  |  491

trennen sich nicht gut voneinander, was aber auch von Vorteil sein kann, weil auch Hautunreinheiten und Äderchen abgemildert werden. Abbildung 9.26 E Schwarzweißumwandlung mit Gelbfilter

Grün | Ein Grünfilter sperrt Rot und Blau aus und lässt die Mitte des Spektrums

passieren. Laub wird durch den Grünfilter aufgehellt, der Himmel etwas dunkler, und Hauttöne werden differenziert dargestellt. Da das menschliche Auge seine Helligkeitswahrnehmung verstärkt aus dem grünen Bereich des Lichts bezieht, wirkt eine grüngefilterte Aufnahme oft recht natürlich. Abbildung 9.27 E Schwarzweißumwandlung mit Grünfilter

492  |  9  Schwarzweiß

Die Grünfilterung eignet sich gut für Landschaftsfotografie und je nach Hauttyp auch für Porträts. Es besteht lediglich die Gefahr, dass die Filterung etwas langweilig und unentschieden wirkt. Blau  | Ein Blaufilter lässt kurzwelliges Licht von Blaugrün bis Blauviolett durch

und sperrt den warmen Farbbereich ab Grün aus. Die Blaufilterung entspricht der spektralen Empfindlichkeit von historischem Filmmaterial. Mit einem Blaufilter können Sie Bildern einen antiquierten Look geben, da die Bilder aus dem 19. Jahrhundert wegen der Unempfindlichkeit des Filmmaterials für andere Farben als Blau sehr ähnlich aussehen. Damals belichtete man aber oft zusätzlich einen neuen Himmel ein, um den Effekt abzuschwächen. Ein Blaufilter sorgt dafür, dass der Himmel sehr hell dargestellt wird und Schatten aufgehellt werden. Er verstärkt auch den Dunst. Blaue Augen werden leuchtend hell, braune sehr dunkel. Hauttöne werden insgesamt dunkler abgebildet. FF Abbildung 9.28 Schwarzweißumwandlung mit Blaufilter

9.6  Kontrast Der Kontrast beschreibt die Helligkeitsverteilung im Bild. Bei geringem oder weichem Kontrast liegen die meisten Tonwerte in einem engen Bereich und heben sich nicht stark voneinander ab. Bei Farbbildern lässt die Farbstimmung oft

9.6  Kontrast  |  493

vergessen, dass der Helligkeitskontrast gering ist. Schwarzweißbilder wirken bei geringem Kontrast meist flau, es sei denn, der Tonwertumfang liegt hauptsächlich in den Lichtern (High Key) oder in den Schatten (Low Key).

F G  Abbildung

9.29 Die Bergspitzen sind 10 km entfernt, die Atmosphäre mindert den Kontrast, die Tonwerte im Histogramm liegen hauptsächlich in der Mitte.

200 mm | ƒ9 | 1/1250 s | ISO 200

Ein hoher oder harter Kontrast ist in der Schwarzweißfotografie eher selten ein Problem. In der Farbfotografie würden die Farben dagegen unnatürlich wirken, wenn der Kontrast zu stark wird. In der Schwarzweißfotografie wird sogar ein Ausfressen der Lichter oder ein Zulaufen der Schatten toleriert, wenn es zum Motiv passt. Im Normalfall sollten Sie aber darauf achten, dass der Tonwertumfang im Bild nicht überschritten wird, von kleinen Spitzlichtern abgesehen.

G  Abbildung

9.30  E Die Aufnahme der Bergkette habe ich nachbearbeitet, um den Kontrast­umfang ganz auszunutzen. Das Ergebnis wirkt sehr viel brillanter.

494  |  9  Schwarzweiß

Den Kontrast können Sie in der Schwarzweißfotografie weitgehend steuern. Sie haben bei der Ausarbeitung eines Schwarzweißbildes zwar nur recht wenige Einflussmöglichkeiten, aber diese lassen Ihnen einen großen Spielraum.

9.7  Gradation Die Gradation beschreibt, wie steil die Helligkeitskurve einer Tonwertumsetzung ansteigt. Zu analogen Zeiten steuerte man die Gradation über die Filmentwicklung und die Wahl des Fotopapiers. Wenn ein Film stärker belichtet wurde und kürzer entwickelt, wurde das Negativ weicher (kontrastärmer). Wenn man den Film unterbelichtete und länger entwickelte (Pushen genannt), konnte damit die nutzbare Empfindlichkeit erhöht werden, das Negativ wurde aber auch härter (kontrastreicher). Ebenso wurden Papiersorten der Gradation 0 (sehr weich) bis Gradation 5 (sehr hart) verwendet. So konnte man ein weiches oder sehr hartes Negativ mit dem Papier ausgleichen, hatte aber auch einen großen Gestaltungsspielraum in der Kontrastwahl. In der digitalen Fotografie können Sie die Gradation beliebig steuern. Wenn Sie die Gradationskurve in Photoshop (Bild • Korrekturen • Gradationskurven) in den Schatten anheben und in den Lichtern absenken 2 , verläuft sie in der Mitte flacher als die 45° einer unkorrigierten Kurve – das Bild erscheint weich und kontrastarm. Ich habe in diesem Beispiel außerdem das absolute Schwarz angehoben und das Weiß abgesenkt, da auf dem weichen Fotopapier auch nicht mehr der gesamte Kontrastumfang sichtbar geworden wäre.

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2

3

Abbildung 9.31 E Mit der Gradationskurve können Sie den Kontrast Ihrer Bilder wie früher mit der Wahl der Papiergradation steuern. Die 45°-Gerade entspricht der normalen Gradation 1 , die Kurve mit angehobenen Schatten und abgesenkten Lichtern der Gradation »weich« 2 und die Kurve mit abgesenkten Schatten und angehobenen Lichtern der Gradation »hart« 3 .

9.7  Gradation  |  495

Eine unkorrigierte Gradationskurve bildet jeden Tonwert auf sich selbst ab und verändert nichts. Sie können eine Gradationskurve weitgehend und mit sehr vielen verschiedenen Punkten steuern. Diese Vorgehensweise kann ein Bild aber auch schnell zerstören. Wenn zum Beispiel unterschiedliche Tonwerte auf denselben Wert abgebildet werden, wirkt das Bild nicht mehr fotografisch, sondern flächig. Wenn Sie die Lichter anheben und die Schatten absenken 3 , wird die Kurve steiler und das Bild härter. Da Sie die Endpunkte nicht verändert haben, bleibt der Kontrastumfang erhalten, das heißt, es kommt nicht zu ausgefressenen Lichtern oder zugelaufenen Schatten. Die Steuerungsmöglichkeiten sind deutlich einfacher als in der analogen Fotografie.

9.8  Abwedeln und Nachbelichten

HH Abbildung 9.32 Das frontale Licht führt zu Reflexen im Hintergrund, flacher Beleuchtung des Gesichts, und die Haare werden etwas zu dunkel wiedergegeben.

85 mm | ƒ1,6 | 1/200 s | ISO 200 | 3 Blitze

496  |  9  Schwarzweiß

Bei der analogen Schwarzweißvergrößerung schattet man das Licht des Vergrößerers oft in manchen Bereichen ab (diesen Prozess nennt man Abwedeln), während andere nachbelichtet werden. Diese Methode bietet weitergehende Steuerungsmöglichkeiten für die Tonwerte, und man kann mit härterem Fotopapier arbeiten, weil man so die Schatten und Lichterbereiche wieder in den Tonwertumfang des Papiers zurückholen kann. Für den Digitalfotografen erscheint es im ersten Moment vielleicht etwas paradox, dass Nachbelichten das Bild dunkler macht und Abwedeln heller. Aber die analoge Schwarzweißtechnik ist eine Negativtechnik. Das Silber wird nach der Entwicklung dort dunkel, wo es belichtet wurde. Und so ergibt ein Filmnegativ, das auf Negativpapier belichtet wurde, ein Positiv. In Photoshop stehen Ihnen das Abwedler-Werkzeug zur Verfügung. Die Symund das Nachbelichter-Werkzeug bole sind für Fotografen mit Dunkelkammererfahrung fast selbsterklärend. Der Abwedler erinnert an eine Pappschablone am Draht, mit der man bestimmte Bildbereiche abschattet, um sie aufzuhellen. Der Nachbelichter ist eine zum Loch geformte Hand, mit der man zusätzliches Licht nach der Standardverschlusszeit nur noch auf ausgewählte Bereiche gibt. Es ist allerdings nicht sinnvoll, mit diesen Werkzeugen direkt in den Bilddaten zu arbeiten. Im Nachhinein können Sie das nur schwer wieder rückgängig machen, und die Daten werden dadurch auch nicht besser. Eleganter und zudem praktischer ist folgendes Vorgehen:

Schritt für Schritt: Aufhellen und nachbelichten Der Aufheller und der Nachbelichter gehen auf Techniken der klassischen Dunkelkammer zurück. Der im Folgenden beschriebene Weg hat den Vorteil, dass er die ursprünglichen Bilddaten nicht verändert und so die Bildqualität nicht verschlechtert wird, wenn Sie Bildteile häufiger korrigieren müssen.

1  Neue Ebene erstellen Erzeugen Sie eine neue Ebene, und füllen Sie sie mithilfe des Füllwerkzeugs mit einem mittleren Grau (bestehend aus den Werten Rot: 128, Grün: 128, Blau: 128). Setzen Sie die Füllmethode in der Ebenen-Palette auf Weiches Licht. Die Bereiche der Ebene, die heller als dieses Grau sind, hellen die darunterliegende Ebene auf, die dunkleren dunkeln sie ab. Sie können also den Aufheller und den Nachbelichter so verwenden, dass sie direkt auf die untere Ebene wirken, ohne diese aber zu verändern.

2  Helle Bereiche nachbelichten Wählen Sie nun das Nachbelichter-Werkzeug , und malen Sie über die hellen Bereiche des Hintergrunds. Verwenden Sie dazu eine große, weiche Werkzeugspitze (hier 500 Pixel) und eine Belichtung von 30 %. Malen Sie mehrfach über die Bereiche, die vom Hauptmotiv ablenken. Dunkeln Sie auch die Wange unterhalb der Linie Mund zu Wangenknochen ab, so korrigieren Sie die flache Beleuchtung ein wenig.

GG Abbildung 9.33 Die weiteren Schritte finden auf einer mittelgrauen Ebene mit der Füllmethode Weiches Licht statt.

GG Abbildung

9.34 Die Werkzeugeinstellungen für das Nachbelichten

FF Abbildung 9.35 Der Hintergrund ist hier so weit abgedunkelt, dass er nicht mehr automatisch den Blick anzieht.

9.8  Abwedeln und Nachbelichten  |  497

Ein Tipp: Die Größe der Werkzeugspitze können Sie mit der [Alt]-Taste und gedrückter rechter Maustaste mit seitlichem Ziehen verändern. So sehen Sie gleich, ob die Größe passt.Mit Ziehen nach oben/unten ändern Sie die Härte der Spitze.

3  Dunkle Partien aufhellen Wechseln Sie nun zum Abwedler-Werkzeug , verkleinern Sie die Werkzeugspitze auf etwa 150 Pixel, und hellen Sie die Haare auf. Die Haare sollen wieder blond aussehen, aber dürfen nicht zu leuchten beginnen.

GG Abbildung GG Abbildung 9.36 Die untere Ebene bleibt unverändert, auf der oberen können Sie gut die Bereiche des Abwedelns und Nachbelichtens erkennen.

Abbildung 9.38 E Das fertige Bild nach dem Nach­ belichten und Aufhellen  K

498  |  9  Schwarzweiß

9.37 Die Einstellungen des Abwedler-Werkzeugs

Werkzeugeinstellungen  | Die Werkzeuge haben den Nachteil, dass sie leicht

einen »gemalten« Eindruck erzeugen. Sie sollten deshalb immer eine ganz weiche Werkzeugspitze wählen und lieber mehrfach leicht versetzt mit geringer Belichtung über die zu bearbeitenden Bereiche malen. Noch feiner lassen sich die Werkzeuge abstufen, wenn Sie ein Grafiktablett mit einem drucksensitiven Stift anstelle der Maus einsetzen. Selbst die günstigen Amateurgeräte (etwa die Intuos-Reihe – nicht Intuos Pro – von Wacom) bieten schon große Vorteile gegenüber einer Maus. Eine andere Möglichkeit, die Helligkeit von Bildbereichen zu verändern, besteht darin, eine weiche Auswahl zu erstellen und diese dann über die Gradationskurven abzudunkeln oder aufzuhellen. Für größere Bildbereiche ist diese Technik vorzuziehen, weil Sie so leichter einen natürlichen Eindruck erzeugen können.

9.9  Tonen In der analogen Schwarzweißtechnik wurde die Tonung nicht nur verwendet, um den Bildern eine Farbe zu geben, sondern auch, um die Silbersalze chemisch umzuwandeln und damit eine bessere Archivfestigkeit zu erlangen. Bei Bedarf finden Sie im Internet eine Menge Rezepte dafür. Sie können sogar noch einige Tonungsmittel fertig erwerben. Häufig muss das Bild erst gebleicht werden, das heißt, das Silber muss herausgelöst werden, damit sich der neue Farbstoff an die chemischen Reste andocken kann. Eine erfreulich ungiftige Methode der Tonung ist das Einlegen in schwarzen Tee, das einen angenehmen Braunton erzeugt.

F G  Abbildung

9.39 Das Bild oben ist ein analoger Schwarzweißabzug, den ich mit Bleiche behandelt habe und den ich an der Luft nachdunkeln ließ, ohne Toner zu verwenden. Das Bild links wurde digital aufgenommen und getont.

Unten: 29 mm | ƒ11 | 1/320 s | ISO 100

9.9  Tonen  |  499

In der Digitalfotografie ist eine Tonung mit geringem Aufwand zu realisieren. Falls Sie ein reines Graustufenbild haben, müssen Sie es in einen Farbmodus wie zum Beispiel RGB umwandeln und haben dann mehrere Möglichkeiten, in Photoshop eine Färbung zu erzeugen: EE Farbton/Sättigung: Unter Bild • Korrekturen • Farbton/Sättigung finden Sie in Photoshop ein Werkzeug, mit dem Sie – sobald Sie das Häkchen vor Färben gesetzt haben – den Farbton und die Sättigung der Tonung festlegen können. Den Regler Helligkeit sollten Sie in diesem Zusammenhang lieber nicht verwenden, weil Sie damit den Tonwertumfang verringern. EE Fotofilter: Mit Bild • Korrekturen • Fotofilter erreichen Sie ein Werkzeug, mit dem Sie festgelegte oder frei definierte Farben über Ihr Bild legen können. EE Verlaufsumsetzung: Über Bild • Korrekturen • Verlaufsumsetzung haben Sie die Möglichkeit, einen Farbverlauf zu definieren, der die Umsetzung der Helligkeiten in Farben regelt. Mit einem Klick auf den Verlauf kommen Sie in ein Editierfenster, das Ihnen die Möglichkeit gibt, mehrere Stützpunkte mit zugehörigen Farben zu definieren (Sie können nicht nur die Anfangs- und Endfarbe definieren, sondern auch Farben dazwischen). Die Verlaufsumsetzung kann etwas kompliziertere Umsetzungen abbilden als die beiden vorher genannten Möglichkeiten. GG Abbildung

9.40 Sie haben in Photoshop verschiedene Möglichkeiten, Ihre Bilder zu tonen.

Natürlich können Sie eine Tonung in Photoshop auch über andere Wege erreichen: Farbbalance, Variationen oder die Gradationskurve sind Beispiele für Alternativen. Der Vorteil der Tonung in der Digitalfotografie liegt nicht nur in den erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten. Sie können mit einer leichten Tonung oft Mängel in der Graubalance eines Ausgabegeräts (z. B. wenn Ihr Tintenstrahldrucker Schwarzweiß leicht farbig druckt) überdecken oder einen Farbstich in eine erwünschte Richtung lenken.

9.10  Ausgabe Bei Schwarzweißbildern ist die Erwartungshaltung bezüglich der Ausgabequalität eher noch höher als bei Farbbildern. Beim Wort Fine Art Print denken die meisten Menschen an Schwarzweiß. Der Tonwertreichtum, die Graubalance und die Oberfläche sollen ein harmonisches Ganzes ergeben – bei vielen Ausgabeverfahren stößt man da schnell an die Grenzen. Dies sind die am häufigsten verwendeten Möglichkeiten zur Schwarzweißausgabe:

500  |  9  Schwarzweiß

F G  Abbildung 9.41 Das obere Bild wurde in vier Farben gedruckt. Es hat mehr Tonwerte und Tiefe als das untere, das nur mit Schwarz gedruckt wurde. Dafür besteht beim in Farbe gedruckten Bild die Gefahr eines Farbstichs.

24 mm | ƒ9 | 1/ 125 s | ISO 100 | Canon TS-E 24 mm ƒ3,5L

EE

Ausbelichtung im Standard-Fotolabor: Das Bild wird im gleichen Prozess wie Farbbilder auf Fotopapier ausbelichtet. Das Ergebnis ist günstig und haltbar, allerdings kann die Farbabstimmung etwas abweichen, und die Aufnahmen bekommen so einen Farbstich. Wenn Sie Ihre Bilder ohnehin leicht tonen, wird das eventuell nicht auffallen. Die Bildtiefe, das heißt das reine Schwarz, ist manchmal etwas blass.

9.10  Ausgabe  |  501

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Abbildung 9.42 E Der Epson SureColor SC-P5000 ist auch für die Ausgabe von Schwarz­ weißbildern optimiert. Er druckt mit sieben farbigen und vier verschiedenen hellgrau bis schwarzen Patronen. (Bild: Epson)

502  |  9  Schwarzweiß

Ausbelichtung auf Schwarzweißpapier: Das ist eine selten angebotene

Dienstleistung und etwas teurer als die anderen Optionen, dafür lassen sich Bilder sogar auf Barytpapier ausgeben, was der Anmutung eines klassischen Schwarzweißabzugs am nächsten kommt. Barytpapiere sind Fotopapiere, bei denen das Papier auf einer Seite mit Bariumsulfat beschichtet ist. Sie verbinden eine schöne Oberfläche mit einem natürlichen Papiereindruck. Die Alternative sind PE-Papiere, die beidseitig mit Polyethylen beschichtet sind. Sie lassen sich einfacher verarbeiten, wirken aber wie Plastik. Falls Sie noch selbst analog vergrößern, sollten Sie Barytpapier einmal ausprobieren. Es muss allerdings viel länger gewässert werden, um chemikalienfrei zu werden. Tintenstrahldrucker: Sie sind relativ günstig in der Anschaffung und können zu Hause verwendet werden. Ihre Schwarzweißqualität ist aber nicht immer perfekt. Sie sollten ein Schwarzweißbild nicht ausschließlich in Schwarzweiß drucken, weil der Drucker dann versucht, nur mit kleinen schwarzen Punkten alle Tonwerte zu erzeugen. Das Ergebnis hat dann meist sichtbare Punkte in den Lichtern, ist eher flach, wenig homogen, und das Maximalschwarz ist auch nicht richtig tief. Wenn Sie in Farbe drucken, muss der Drucker eine gute Graubalance aufweisen und eine feine Tonwertabstufung in den Lichtern haben, ansonsten sehen Sie kleine farbige Punkte, und die Farbe kippt innerhalb des Grauverlaufs. Sehr hochwertige Fotodrucker haben oft die Möglichkeit, mehrere Schwarz- oder Grautinten gleichzeitig einzusetzen, um perfekte Schwarzweißdrucke zu erzeugen. Die erzielbare Qualität steht dann einem Fotoabzug in nichts nach, vor allem wenn Sie sehr hochwertige Papiere verwenden. Die Druckkosten liegen aber oft über dem, was Sie für Ausbelichtungen im Großlabor zahlen müssen. Dafür haben Sie mehr Kontrollmöglichkeiten und können spontan Ausdrucke erstellen. Gute Fotodrucker erzeugen heutzutage Bilder, die in puncto Haltbarkeit mindestens so gut sind wie ein echter Fotoabzug.

F G  Abbildung 9.43 Wie aus diesem Farbbild das große Schwarzweißbild wurde, können Sie anhand der Datei »Alsum.tif« aus dem Download-Bereich in Photoshop selbst herausfinden. Alle Einstellungsebenen sind in der Datei erhalten geblieben.

24 mm | ƒ7,1 | 1/200 s | ISO 250 | Tilt-Shift-Objektiv

9.10  Ausgabe  |  503

kurz & bündig:  Schwarzweiß Schwarzweißfotografie ist mit der digitalen Technik etwas seltener geworden, aber es sind nur jene Bereiche weggefallen, bei denen man früher aus technischen Gründen in Schwarzweiß arbeiten musste. In der klassischen Fine-ArtFotografie ist die Bedeutung von Schwarzweiß ungebrochen, und sie wird es auch bleiben. Schwarzweißfotografie ist einerseits einfacher, weil die Bereiche des Farbdesigns, der Farbstimmung oder des Weißabgleichs wegfallen. Auf der anderen Seite sind die Ansprüche an die Lichtführung, die Schärfe und den Bildaufbau meist höher. Schwarzweiß hat eine eigene Wirkung. Obwohl der Verzicht auf Farbe und damit auf den direkten emotionalen Einfluss der Farbe zu einer Versachlichung der Darstellung führt, hat Schwarzweiß eine eigene emotionale Kraft, die sich wahrscheinlich aus einem Hauch Nostalgie und der Prägung durch gute Bilder und Filme zusammensetzt. Wie viele Menschen kennen Sie, die sagen, dass sie Schwarzweißfotografie bevorzugen? Wie viele der besten Fotos, die Sie kennen, sind schwarzweiß?

Anregungen für die Fotopraxis EE

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504 

Suchen Sie eines Ihrer Lieblingsbilder aus Ihrem Archiv, das sich für eine Schwarzweißumwandlung gut eignet, und wandeln Sie es mit Zeit und Sorgfalt in Schwarzweiß um. Versuchen Sie, genau die Stimmung zu erzeugen, die Ihrem Eindruck vom Motiv entspricht. Wenn Sie die Ausrüstung noch zur Verfügung haben, fotografieren Sie mal wieder Analog-Schwarzweiß, vielleicht auch im direkten Vergleich zur Digital-

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fotografie. Kameras und Vergrößerer sind inzwischen sehr günstig, sodass Sie auch ohne vorhandene Ausrüstung einsteigen können. Fotografieren Sie ein Porträt mit einer Verschlusszeit von mindestens zehn Sekunden, und erzeugen Sie daraus ein Schwarzweißbild. So kommen Sie den Fotografien des 19. Jahrhunderts näher und erhalten einen anderen Ausdruck. Gehen Sie in eine öffentliche Bücherei, und schauen Sie den Fotobereich durch. Suchen Sie nach Klassikern der Schwarzweißfotografie: EE Ansel Adams: »Das Negativ« (ein hervorragendes Lehrbuch zur analogen SW-Fotografie; zur selben Reihe gehören »Das Positiv« und »Die Kamera«) EE Robert Frank: »Die Amerikaner« (ein Klassiker der Reportagefotografie) EE Schauen Sie nach Arbeiten von Edward Weston, Paul Strand, August Sander, Albert Renger-Patzsch, Louise Dahl-Wolfe, Hiroshi Sugimoto, Henri Cartier-Bresson, Diane Arbus, Walker Evans, Lee Friedlander, Robert ­Lebeck, Richard Avedon, Irving Penn, Robert Frank, Arnold Newman, ­Jacques-Henri Lartigue und Berenice Abbott. Diese Aufzählung ist natürlich nur ein Startpunkt und eine kleine, etwas willkürliche Auswahl. Aber für Ihre eigene fotografische Entwicklung ist es weit wichtiger, gute Bilder bewusst zu betrachten, als sich mit Fototechnik zu befassen. Je länger Sie sich mit Fotografie beschäftigen, desto bewusster werden Sie auch Kinofilme wahrnehmen. Schauen Sie sich Schwarzweißfilme an, und achten Sie auf die unterschiedliche Lichtführung im Verhältnis zu Farbfilmen. Versuchen Sie, ein Foto zu schießen, das in seiner Anmutung an einen guten Film erinnert. Wandeln Sie die Farben von Farbbildern in unterschiedlichen Variationen in Helligkeiten um, ähnlich der Verwendung von Farbfiltern bei Schwarzweißfilm. Schauen Sie, wann der Himmel, die Hauttöne, Laub oder die Augen am besten aussehen. Gehen Sie in ein Museum und gucken Sie sich alte Schwarzweißbilder im Original an. Das Museum Ludwig in Köln oder das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg sind ein guter Start. Eine gute Übersicht über die laufenden Fotoausstellungen finden Sie im Magazin Photonews.

F  Abbildung

9.44  E Der frische Schnee sorgt für weiche Schatten. Die Bild­ informa­tion ist gegenüber dem farbigen Original deutlich reduziert. Das Bild wirkt sachlicher und dokumentarisch.

22 mm | ƒ8 | 1/60 mm | ISO 100 | Polfilter

KURZ & BÜNDIG:

Schwarzweiß  |  505

Kapitel 10:  Motive Sie werden feststellen, dass Ihnen bestimmte Bereiche der Fotografie mehr liegen werden als andere und dass manche Bilder besser werden als der Rest. Das hat häufig mit persönlichem Interesse und der Leidenschaft für die Sache zu tun. Wenn Sie dabei trotzdem noch in der Lage sind, gedanklich einen Schritt zurückzutreten und überlegt an das Bildermachen heranzugehen, dann haben Sie gute Voraussetzungen für qualitativ hochwertige Bilder.

10.1  Vorbemerkungen In der Fotografie wiederholen sich bestimmte Motivbereiche ständig, sodass es sich lohnt, diese einzeln zu behandeln. Dabei ergeben sich nicht nur fototechnische Besonderheiten, sondern grundsätzlich andere Herangehensweisen. So würden Sie zum Beispiel als Pressefotograf für bestimmte Eingriffe ins Bild, die in der Werbefotografie selbstverständlich sind, gefeuert werden. Fotografie wird in so unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet, dass auch die dahinterstehenden Werte völlig verschieden sind. Fotografie kann Propaganda, Klatsch, Werbung, Aufklärung, Dokumentation, private Erinnerung, Kunst und vieles mehr sein. Ein Motiv umfasst nicht nur das abgebildete Sujet, sondern auch die Motivation, es zu fotografieren. Über Fotomotive könnte man viele Bücher schreiben. In diesem Kapitel beschreibe ich nur die wichtigsten Motive in kurzer Form.

FFF Abbildung 10.1 Beim Massenstart der Heißluftballons in Warstein.

200 mm | ƒ8 | 1/800 s | ISO 320

10.2  Porträt- und Peoplefotografie Sobald die Verschlusszeiten kurz genug waren, dass die Modelle lange genug stillhalten konnten, wurde die Porträtfotografie zum wichtigsten Zweig der Fotografie. Während sich nur wenige Menschen ein gemaltes Porträt leisten konnten, trug die günstigere Fotografie stark zur Demokratisierung des Porträts bei – vor allem, als nach Ablösung der Daguerreotypie Ende der 50er-Jahre des 19. Jahrhunderts die Bilder keine Unikate mehr waren, sondern beliebig vervielfältigt werden konnten. Viele Maler stellten sich der neuen Konkurrenzsituation und setzten selbst die Fotografie ein, um Studien zu erstellen, aber auch als Endprodukt. Louis Daguerre etwa war selbst Maler, bevor er sein fotografisches Verfahren entwickelte.

10.2  Porträt- und Peoplefotografie  |  507

FF Abbildung

GG Abbildung 10.2 Die Rückseite des Bildes zeigt zwei interessante Details: Der Fotograf kam von der Porträtmalerei und beschäftigte sich erfolgreich mit der neuen Technik. Außerdem ist das Bild beschriftet, sodass wir es auch knapp 140 Jahre später noch der dargestellten Person zuordnen können. Sie sehen: Verschlagwortung ist wichtig.

508  |  10  Motive

10.3 Ein Porträt des Philosophen Johann E­duard Erdmann (1805–1892) aus meiner Sammlung. Der Vignetteneffekt mag heute etwas unmodern sein, aber das Porträt an sich ist zeitlos. Der Charakter wurde gut eingefangen, das Licht ist schön und nichts lenkt vom Wesentlichen ab.

Ein Porträt soll mehr sein als die Abbildung einer Person, es soll etwas von ihrem Wesen vermitteln. Es geht also mehr um Persönlichkeit als um Aussehen. Wenn Sie jemanden porträtieren möchten, müssen Sie eine Atmosphäre schaffen, in der sich die Person wohlfühlt und Ihnen vertraut. Ansonsten wird sie wenig von sich offenbaren und nicht entspannt vor der Kamera agieren. Eine Kundin beschrieb das Werk eines Fotografen, bei dem sie Bilder hatte machen lassen, mit dem Satz: »Bei ihm sehen alle Frauen gleich aus.« Damit hatte sie recht, denn er setzte weiches frontales Licht und eine gute Visagistin ein, sodass die porträtierten Frauen als austauschbare Schönheiten eingefangen wurden. Aber sein Arbeitsfeld war die Beautyfotografie, die sich von der Porträtfotografie stark unterscheidet. Ein Porträt soll authentisch, persönlich und lebendig sein, während eine Beautyaufnahme »nur« schön sein soll. Dafür nimmt man gern in Kauf, sämtliche charakteristischen Eigenschaften des Porträts zu verlieren. Cindy Crawford sagte einmal, viele Frauen wären traurig, dass sie nicht so aussähen wie die Supermodels. Sie würden dabei vergessen, dass sie (die Supermodels) auch nicht so aussehen. Das ist heute noch wahrer als damals, als man das meiste über Make-up und Licht machte. Inzwischen hat selbst Photoshop im Verflüssigen-Dialog einfache Schieberegler, um ein

Lächeln zu erzeugen, die Augen größer zu machen, das Gesicht schmaler und die Lippen voller. Es gibt Kamera-Apps fürs Smartphone, die die Haut glätten und Sie 15 Jahre jünger aussehen lassen, zumindest, wenn Sie bereits ein hinreichendes Alter erreicht haben. Noch extremer ist die Software Portrait Professional, mit der Sie Gesichter sehr einfach (US-amerikanischen) Schönheitsidealen anpassen können. Das Programm erzeugt sogar Make-up und ändert die Lichtsituation. Außerdem verändert es die Gesichtsform und die Hautbeschaffenheit auf Wunsch extrem. Mein Rat ist, dass Sie das alles vergessen sollten. Gutes Licht, ein wenig Make-up und eine Bildretusche, die vielleicht einen Pickel wegmacht und die Augenringe abmildert, sollten völlig ausreichen.

Mit Models arbeiten Wenn Sie Bilder von Menschen nicht nur auf Familienfeiern oder bei speziellen Gelegenheiten machen möchten, müssen Sie sich um ein Model kümmern. Es liegt nahe, erst einmal im Familienkreis oder bei Bekannten Ausschau zu halten. Oft sind nahe Verwandte aber am schwierigsten zu fotografieren (das gilt vor allem, wenn sie älter als etwa zwölf Jahre sind). Kinder sind meist sehr unbefangen und natürlich. Gegenüber den Kindern stehen Sie aber auch in einer Art Chronistenpflicht, denn Kinderfotos gehören einfach zur eigenen Identität und solange Ihre Kinder nicht selbst fotografieren, ist es Ihre Aufgabe, ihre Entwicklung festzuhalten. Das bedeutet nicht, dass Sie diese Entwicklung gleich im Internet veröffentlichen müssen und den Großeltern können Sie Familienfotos auch auf anderem Wege als über Facebook oder Instagram zukommen lassen. Was davon öffentlich gemacht werden soll, wird ihr Kind irgendwann selbst entscheiden können. Einige der besten Porträts, die ich kenne, haben Kinder von ihren Eltern gemacht oder umgekehrt. Aber grämen Sie sich nicht, falls es für Sie kompliziert bis unmöglich sein sollte, Ihren Partner oder Ihre nahen Verwandten gut zu fotografieren, denn das ist ein sehr weit verbreitetes Phänomen. Eine zu große Vertrautheit

GG Abbildung 10.4 Gegen Abend lassen sich auch bei Sonnenlicht schöne Porträts aufnehmen. Das Licht wird dann wärmer und blendet nicht mehr so. Das Porträt wurde mithilfe eines Orangefilters aufgenommen.

85 mm | ƒ2,8 | 1/800 s | ISO 100

FF Abbildung 10.5 Partys eignen sich gut, um Menschen zu fotografieren, weil sich die Leute meist wohlfühlen und entspannt sind. Das Licht wird zudem meist angenehmer gestaltet als sonst, hier war es allerdings recht dunkel.

50 mm | ƒ1,4 | 1/13 s | ISO 3 200

10.2  Porträt- und Peoplefotografie  |  509

Abbildung 10.6 E Fast jeder hat im Bekannten- oder Freundeskreis Menschen, die besonders fotogen sind. Das Licht bestand aus dem Einstelllicht zweier Köpfe einer Studioblitzanlage mit Normalreflektoren.

50 mm | ƒ1,4 | 1/125 s | ISO 3 200

kann dem Fotografieren im Weg stehen, und dann ist es besser, nach Personen zu suchen, die einem nicht ganz so nahestehen. Im professionellen Bereich wird ein Model meist über eine Agentur gebucht und über die Tagesgage und Vergütung der Bildrechte bezahlt. Falls man nicht kommerziell arbeitet, also als Fotograf eine freie Arbeit realisieren möchte, sind die Agenturen oft bereit, neue Models umsonst arbeiten zu lassen, damit sie gute Bilder für ihr Modelbook erhalten und sich besser für kommerzielle Aufträge vermitteln lassen. Diese Möglichkeit steht aber auch nur erfahrenen Fotografen zur Verfügung, bei denen die Agentur recht sicher von gut verwendbaren Aufnahmen ausgehen kann. Im Internet finden Sie auch als Amateur jede Menge Models, die das Modeln als Nebenberuf oder Hobby betreiben. Die Bandbreite ist dabei sehr groß, sodass Sie fast jeden Typ für Ihr fotografisches Projekt finden können. Die fotografischen Vorstellungen variieren ebenso stark, sodass sich auf den Internetplattformen auch Fotografen und Models mit einem ähnlich ausgefallenen Geschmack treffen können. Wenn Sie selbst ein Fotografenprofil auf einer Plattform wie www.model-kartei.de anlegen möchten, müssen Sie ein paar Bilder hochladen, anhand derer über Ihre Aufnahme in die Kartei entschieden wird. Das ist keine hohe Einstiegshürde und dient wohl hauptsächlich dem Zweck, dass sich die Teilnehmer etwas besser einschätzen können. Inzwischen finden sich Fotografen und Models auch oft über Facebook und Instagram. Es ist ein wenig anstrengend, sich in dem Umfeld zu bewegen, da ich das Gefühl habe,

510  |  10  Motive

dass unter Amateurfotografen die Neigung zu sexistischen Darstellungen weiter zunimmt, während sie z. B. in der Werbung seit Jahren abnimmt. Für viele Fotografen und Models ist das ein reines Hobby, und Sie werden dort Leute treffen, die gern bereit sind, auf TFP-Basis zu arbeiten. Das bedeutet, dass die Models erwarten, die fertigen Bilder genauso verwenden zu können wie Sie als Fotograf. Die Abkürzung TFP steht für Time for Prints oder Time for Pictures. Das heißt, die Models tauschen ihre Arbeitszeit gegen Abzüge oder digitale Bilddaten. Dass aber viele Models das Modeln beruflich betreiben und nicht mehr umsonst auf TFP-Basis arbeiten, sollten Sie als selbstverständlich akzeptieren. Letztlich erweitert das Ihre Möglichkeiten, weil Sie so auch professionelle Models buchen können. Ich empfehle Ihnen, bevor Sie Models im Internet kontaktieren, erste Fotos mit Menschen aus Ihrem Bekanntenkreis aufzunehmen. So können Sie Erfahrung sammeln und haben etwas vorzuzeigen, wenn Sie Fototermine verabreden möchten.

Klassisches Porträt Viele Porträts entstehen mit fotografischen Standardmitteln: im Hochformat mit ca. 85 mm Brennweite. Die Schärfe wird auf die Augen gelegt, die Blende auf etwa ƒ4 (ƒ2,8 bei APS-C-Sensoren), damit das Gesicht scharf genug und der Hintergrund unscharf ist, dazu ein weiches Licht von leicht oberhalb seitlich. Dieses Licht modelliert ein Gesicht gut und ruft doch keine störenden Schatten hervor. Durch die Brennweite wirkt das Gesicht unverzerrt, und es hat eine gute Abbildungsgröße. Die recht große Blendenöffnung sorgt für eine angenehm akzentuierte Schärfe. Wenn Sie eine Kamera mit APS-C-Sensor verwenden, nutzen Sie statt 85 mm Brennweite lieber 50 mm, und öffnen die Blende wegen der größeren Schärfentiefe etwas weiter.

Abbildung 10.7 E Der Effekt der Brennweite auf ein Porträt: Links bei 44 mm wirken der Kopf schmaler, Nase und Lippen größer, das Kinn spitzer. Rechts bei 85 mm wirken die Proportionen natürlich.

10.2  Porträt- und Peoplefotografie  |  511

GG Abbildung 10.8 Gutes Bokeh ist für ein Porträtobjektiv wichtig. Der Hintergrund, in Wirklichkeit eine Tiefgarage, verschwimmt hier angenehm weich, die Schärfe liegt nur auf dem vorderen Auge.

Wenn Sie Porträts veröffentlichen wollen, bedenken Sie, dass Sie dafür auch das Einverständnis der abgebildeten Person benötigen. Am besten lassen Sie sich dafür ein sogenanntes Model Release unterschreiben, auf dem festgehalten wird, mit welcher Art der Veröffentlichung das Model und der Fotograf einverstanden sind.

85 mm | ƒ1,2 | 1/250 s | ISO 1 000

Porträt im Raum Das Umfeld einer Person erzählt oft eine Menge über sie. Deshalb kann es sinnvoll sein, das Umfeld in das Porträt einzuschließen, sei es der Arbeitsplatz oder ein Zimmer der Wohnung. Durch die oft beengten Platzverhältnisse benötigen Sie dafür fast immer ein Weitwinkelobjektiv. Ein Brennweitenbereich von 24 bis 35 mm ist ideal. Wenn die Brennweite kürzer wird, müssen Sie noch stärker aufpassen, dass die Person nicht verzerrt dargestellt wird. Nahe der Bildmitte sind die Verzerrungen aber auch bei Ultraweitwinkelobjektiven gering. Sie dürfen nur nicht zu nah am Porträtierten stehen, denn dann scheint auf dem Bild die Nase viel näher als die Ohren zu sein, und das Gesicht erinnert an das einer Spitzmaus. Ein Abstand von 1,20 m sorgt für eine unverzerrte Darstellung. Je geringer dieser Abstand wird, desto mehr müssen Sie darauf achten, dass die Perspektive nicht das Bild beeinträchtigt.

512  |  10  Motive

FF Abbildung 10.9 Als ich ein Unternehmensporträt für eine Fleischfabrik fotografierte, faszinierte mich die ruhige, freundliche und fast buddhistische Ausstrahlung des Fleischers im Gegensatz zu seiner martialischen Umgebung.

150 mm | ƒ16 | 1/125 s | ISO 50 | Großbildkamera, 4 × 5 Zoll | Softbox von rechts

Natürlich bleibt die Person immer das Hauptmotiv, und so müssen Sie sicherstellen, dass der Blick des Betrachters immer wieder zu ihr zurückgeführt wird. Wenn Licht und Kontrast dabei nicht helfen und der Hintergrund auch unscharf erkennbar bleibt, können Sie die Blende öffnen. Im Weitwinkelbereich benötigen Sie dafür lichtstarke Objektive, weil die Schärfentiefe durch den geringeren Abbildungsmaßstab höher ist als bei längeren Brennweiten. Wenn Sie genug Platz haben und auch mit einer längeren Brennweite alle bildwichtigen Details erfassen können, sollten Sie die längere Brennweite vorziehen. So können Sie besser mit der Schärfentiefe arbeiten und brauchen sich nicht um Verzerrungen zu sorgen. Bei Ganzkörperporträts sollten Sie darauf achten, die Füße nicht abzuschneiden, denn es ist sehr störend, wenn unten auch nur ein kleines bisschen fehlt. Zwischen einer Abbildung als Ganzes und einem Beschnitt oberhalb des Knies gibt es meistens keine sinnvolle Variante. Der Beschnitt oberhalb des Knies heißt im Film auch die amerikanische Einstellung, da man so in Wildwestfilmen auch die Waffe im Hüftgurt noch mit ins Bild bekommt.

Abbildung 10.10 E Beim Fototermin auf einer ehemaligen Zeche in Moers bat ich die Modelle, helle Kleidung anzuziehen. Zusammen mit einer Softbox von rechts war so sichergestellt, dass der Vorsitzende des Museumsvereins sich gut vom Hintergrund abhob.

80 mm | ƒ4 | 1/60 s | ISO 100 | Mittelformat

10.2  Porträt- und Peoplefotografie  |  513

Gruppenfotos

GG Abbildung

10.11 Dieses Gruppenbild wurde vor etwa 100 Jahren in Dänemark aufgenommen. Schönes Licht, eine gute Anordnung und ein lebendiger Ausdruck geben dem Bild trotzdem etwas Modernes. Wenn ich heute in die Schaufenster der Porträtfotografen schaue, sehe ich nur selten eine vergleichbare Qualität.

514  |  10  Motive

Die erste Regel bei Gruppenfotos lautet: »Einer guckt immer doof.« Viele Menschen blinzeln genau dann, wenn Sie gerade den Finger am Auslöser bewegen. Sie haben zwei Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken: Erstens sollten Sie bei Ihren Modellen Aufmerksamkeit für den genauen Moment der Aufnahme erzeugen, und zweitens sollten Sie gleich eine Serie aufnehmen. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es eine Aufnahme gibt, auf der alle gut aussehen und die Augen offen haben. Der Ort der Aufnahme ist auch sehr wichtig, denn es gibt gar nicht so viele Räume, in denen Sie eine größere Gruppe gut fotografieren können. Oft ist es am einfachsten, mit den Modellen nach draußen zu gehen. Meiden Sie die direkte Sonne: Es ergibt unschöne Schatten, und Ihre Modelle bekommen schnell einen etwas verkniffenen Gesichtsausdruck, weil sie die Augen vor dem hellen Licht schützen wollen. Im Schatten zu fotografieren, ist dann besser. Falls es diesen nicht geben sollte, ist Gegenlicht besser als frontales Licht. Achten Sie dann auf eine korrekte Belichtung, und vermeiden Sie zu viel Streulicht. Ordnen Sie die Personen bei größeren Gruppen nicht nur nebeneinander an. So haben Sie mehr Raum für jeden Einzelnen und einen angenehmeren Bildaufbau. Kleinere Gruppen sollten Sie bewusst selbst anordnen, um einen guten Bildaufbau zu erhalten.

Der menschliche Faktor Wenn Sie Ihre eigene Stimme auf einem Anrufbeantworter hören, nehmen Sie sie ganz anders wahr, als wenn Sie sich selbst beim Sprechen hören. Einen ähnlichen Effekt erleben viele Menschen, wenn Sie sich selbst auf Fotos sehen. Das Selbstbild und das Außenbild lassen sich dann nicht so gut zur Deckung bringen. Wenn Sie Menschen fotografieren, konfrontieren Sie sie mit ihrer Außenwahrnehmung und mit der Frage, wie sie gerade wirken und was andere von ihnen denken mögen. Viele Menschen reagieren dann etwas unsicher und fühlen sich nicht wohl, während andere ihr Fotolächeln »anknipsen« und eine unnatürliche Pose einnehmen.

Beides wollen Sie als Porträtfotograf nicht, denn Sie möchten den natürlichen Ausdruck der Person einfangen. Kurz gesagt, Sie möchten fotografieren, als wenn nicht fotografiert würde. Die folgenden Tipps können Ihnen helfen, dieses Ziel zu erreichen: EE Fotografieren Sie nebenbei, und damit meine ich ausdrücklich nicht heimlich. Machen Sie Bilder, während etwas anderes als das Fotografieren in den Vordergrund rückt. Das kann zum Beispiel die Arbeit des Porträtierten sein oder ein Gespräch, das Sie mit ihm führen. EE Schaffen Sie Vertrauen: Vermitteln Sie das Gefühl, dass Sie wissen, was Sie tun. Es hilft oft, das Display-Bild zu zeigen, damit Ihr Model eine Ahnung davon bekommt, was gerade passiert. EE Beachten Sie den Faktor Zeit: Lord Snowdon sagte einmal, er würde erst ein paar Kleinbildfilme verschießen, bevor er die Großbildkamera aufbauen würde, um die richtigen Aufnahmen zu machen. Manche Menschen muss man erst »weichknipsen«, bis sie entspannt genug sind, um wirklich etwas von sich zu offenbaren. Wenn Sie viel Zeit haben, Porträts zu schießen, dann nutzen Sie sie auch. Nach meiner Erfahrung werden die Bilder besser, je länger Sie mit einem Model zusammenarbeiten können. Gerade wenn Sie professionell fotografieren, haben Sie oft nur fünf Minuten Zeit für ein Porträt. Hier ist gute Vorbereitung wichtig. Sie brauchen das Model zum Beispiel nicht, um den Ort auszuwählen und das Licht einzurichten. Das Set kann also schon fertig sein, bevor Sie mit dem Fotografieren beginnen. Beim Film werden sogenannte Stand-in-Models verwendet, die die Stars vertreten, während das Set eingerichtet wird. Diese Rolle können Sie aber auch selbst übernehmen, wenn Sie die Kamera auf ein Stativ stellen und mit Zeit- oder Funkauslöser verwenden. Falls Sie kleine Kinder fotografieren: Deren Aufmerksamkeitsspanne ist recht kurz, das heißt, Sie müssen schnell sein oder das Bildermachen spielerisch gestalten, sodass keine Langeweile aufkommt. EE Nutzen Sie Ihre Körpersprache: Wenn ich zum Beispiel sehe, dass mein Gegenüber ein wenig in sich zusammengesunken ist, richte ich mich selbst auf. Der Porträtierte stellt sich dann zumeist auch aufrechter hin, ohne dass

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10.12 Auch wenn Sie Porträts fotografieren, können sich plötzlich Dinge ergeben, die sich zu einem neuen Bild zusammenfügen. Arbeiten Sie nicht nur nach Plan, sondern lassen Sie sich auf die Möglichkeiten der Umgebung ein.

35 mm | ƒ1,4 | 1/160 s | ISO 400

10.2  Porträt- und Peoplefotografie  |  515

ich es zur Sprache bringen müsste (und vielleicht tut er es sogar, ohne dass es ihm bewusst ist). Selbst zu lächeln ist auch die einfachste Methode, den anderen zum Lächeln zu bringen. Für viele Bewegungen reichen subtile Signale.

10.3  Aktfotografie

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10.13 Im Detail werden eher Fläche, Form und Raum wichtig, das Bild nähert sich der Abstraktion. Ein über 40 Jahre altes Objektiv lieferte eine weichere Abbildung.

55 mm | ƒ2 | 1/125 s | ISO 500 | Zuiko Auto-S 1:1,2/55

516  |  10  Motive

Die Aktfotografie hat ebenso wie die Porträtfotografie ihren Ursprung in der Malerei. Die Maler nahmen Körperstudien auf oder ließen diese aufnehmen, damit sie den menschlichen Körper exakter abbilden konnten. Erst später entwickelte sich daraus ein eigenes Genre. In der Aktfotografie geht es um die Schönheit des Körpers und um seine Darstellungsmöglichkeiten. Es geht um Licht, Proportionen, Bewegung und Formen – aber es geht nicht um Erotik. Die Aktfotografie betrachtet den Körper losgelöst von seiner Sexualität, während sich die erotische Fotografie genau dafür interessiert. Die Lichtqualität ist für eine Aktaufnahme wichtig. Oft reicht ein Fenster zur Beleuchtung, aber es kann sich lohnen, das Licht komplett im Studio aufzubauen und so die völlige Kontrolle über die Lichtsituation zu übernehmen. Zu viel Technik kann aber auch vom Eigentlichen ablenken, denn die Aktfotografie erfordert recht viel Konzentration, weil Sie den Körperausdruck, die Perspektive, das Licht und die Bildkomposition gleichzeitig im Auge behalten müssen. Gutes Licht und schöne Hintergründe finden Sie auch in der freien Natur. Hier sollten Sie allerdings einen Platz wählen, an dem Sie in Ruhe arbeiten können und der möglichst frei von Publikumsverkehr ist. Bedenken Sie auch, dass Menschen sehr unterschiedliche Moralvorstellungen haben. Während es für viele ganz selbstverständlich ist, sich unbekleidet fotografieren zu lassen, kann es für andere, besonders ältere Menschen, vielleicht ein Schock sein, Zeuge eines Outdoor-Aktshootings zu werden. Und auch in anderen Ländern herrschen natürlich andere Sitten: Ein britisches Paar etwa wurde in Dubai 2010 zu einem Monat Haft verurteilt, weil es sich in einem Restaurant einen Kuss gegeben hatte.

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10.14  E Für dieses Bild sprang Evi etliche Male auf einen Futon in der Zimmerecke. Ein Blitz von rechts oben und ein kleiner von links unten wurden fernausgelöst. Auch die Aktfotografie lässt Raum für ungewöhnliche Bildideen.

24 mm | ƒ11 | 1 s | ISO 400

Was für Porträts gilt, gilt bei der Aktfotografie umso mehr. Das Model muss Ihnen vertrauen können und eine Vorstellung davon haben, welche Art von Bildern Sie machen möchten. Eine Vorbesprechung ist deswegen unverzichtbar. Wenn Sie schon länger fotografieren und vielleicht sogar für einen bestimmten Bildstil stehen, ist das vielleicht nicht notwendig, weil sich das Model bereits einen Eindruck von Ihrer Arbeitsweise machen konnte. Auch sollte vorher abgesprochen sein, ob noch ein Assistent anwesend ist oder ob das Model eine Begleitperson mitbringen möchte. Begleitpersonen stören am wenigsten, wenn Sie sie aktiv einbeziehen und beim Licht assistieren lassen.

10.3  Aktfotografie  |  517

Klären Sie vorher auch mit Ihrem Partner, ob er Probleme damit hat, wenn Sie Aktbilder erstellen. Bei der Veröffentlichung im Internet müssen Sie die Nacktheit eventuell ausweisen, damit internationale Fotoplattformen danach filtern können. In den USA zum Beispiel gilt eine sichtbare Brustwarze bereits als jugendgefährdend, im arabischen Raum reichen dafür schon Bademoden oder unbedeckte Schultern.

GG Abbildung 10.15 Durch Kameraposition und Körperhaltung entsteht eine fast abstrakte Form. Das Licht »malte« ich mit Taschenlampen und farbigen Filterfolien während einer knappen Minute Verschlusszeit in einem abgedunkelten Raum.

18 mm | ƒ13 | 54 s | ISO 200 | APS-C

518  |  10  Motive

10.4  Modefotografie Professionelle Modeaufnahmen sind das Resultat einer guten Teamarbeit. Neben Fotograf und Model sind meistens noch ein Visagist und ein Stylist involviert, und bei komplizierteren Arbeiten auch ein oder mehrere Fotoassistenten. Eine Ausnahme ist die Streetfashion-Fotografie, die sich auf normale Menschen und ihre Mode auf der Straße konzentriert. Hier genügt eine Kamera mit einer etwas längeren Brennweite, um die Körper unverzerrt darzustellen. Natürliches Licht und spontanes schnelles Fotografieren geben den Ergebnissen einen reportagehaften Charakter. Atmosphäre erzeugen  | In der Modefotografie geht es nicht nur um die vor-

teilhafte Darstellung von Kleidung, das betrifft eher die Katalogfotografie. Es geht vielmehr um die Vermittlung eines Lebensgefühls und um Stil. Das kann zu hochgradig artifiziellen Fotos führen, die zwar sehr glamourös sind, aber wenig Berührungspunkte mit der Wirklichkeit haben. Viele Bilder werden extrem retuschiert. Ein unmöglicher Körperbau und maskenhafte Gesichter werden dabei in Kauf genommen. In manchen Medien finden Sie Bilder mit großer künstlerischer Freiheit – insbesondere die italienische Ausgabe der Vogue ist dafür ein schönes Beispiel. In anderen Bereichen muss das Bild viel näher am Produkt bleiben. Wenn Sie den künstlichen Look der Modefotografie anstreben, dann müssen Sie vor allem in Licht investieren und lernen, die Bildbearbeitung perfekt zu beherrschen. Im professionellen Bereich sind die Aufgaben des Fotografen und die der Bildretusche beziehungsweise Postproduktion oftmals getrennt. Aber der Trend geht dahin, dass die Fotografen ihre Bilder selbst bearbeiten oder zumindest jemandem im Studio haben, der diese Aufgabe für sie übernimmt. So haben sie mehr Kontrolle über den Look, und Fotografie und Bildbearbeitung können besser aufeinander abgestimmt werden. Technisch benötigen Sie in der Modefotografie für die meisten Aufnahmen nur einen gemäßigten Brennweitenbereich. Ein lichtstarkes 24–70-mmZoomobjektiv und/oder wenige lichtstarke Festbrennweiten reichen aus. Als Kamera ist eine Voll-

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10.16 Manchmal steht der Wunsch, Lebensgefühl einzufangen, dem per­ fekten Sitz der Kleidung entgegen.

135 mm | ƒ4 | 1/200 s | ISO 200 | ein Blitz auf der Kamera, ein Blitz mit Softbox rechts vor dem Model

10.4  Modefotografie  |  519

formatkamera vorzuziehen, weil sich mit ihr die Schärfe besser akzentuieren lässt und sie durch den größeren Sensor Auflösungsvorteile bietet. Von der Bildqualität her betrachtet, hat ein Mittelformatsystem Vorteile in der Modefotografie: Kurze Blitzsynchronzeiten, ein schöner Schärfeverlauf und hoher Detailreichtum der Bilder sprechen für das Mittelformat, das geringere Arbeitstempo und der hohe Preis allerdings dagegen. Auch wenn Sie als Modefotograf einen natürlichen Look bevorzugen und mit vorhandenem Licht arbeiten, so wird auch dieses Licht fast immer optimiert. Auf der Straße erkennen Sie den Modefotografen oft an einer Menge mitgeführter Diffusoren und Aufheller, die das Licht sehr viel vorteilhafter gestalten. Veränderte Vorzeichen Die Modebranche ist wahrscheinlich der erste Bereich, in dem die Blogs im Internet gegenüber den herkömmlichen Medien wie Zeitschriften und Fernsehen an Einfluss gewonnen haben. Modeblogs werden auch von der Modeindustrie ernst genommen. Das bedeutet, dass man auch als Einzelperson oder kleines Team heute Medienmacher sein und eine signifikante Reichweite erzielen kann. Die Digitalfotografie hat in Verbindung mit dem Internet eine Revolution erzeugt, deren Folgen noch lange nicht abschließend bewertet werden können. Die Berufsbedingungen für Fotografen haben sich dadurch zwar eher verschlechtert, weil durch die große Zahl an verfügbaren Bildern ein Preisdruck aufgekommen ist. Aber es wäre dumm, nicht auch die Vorteile zu nutzen, die das Internet den Fotografen bietet. Sie können sehr schnell eigene Arbeiten veröffentlichen und sind für Kunden und andere Interessierte schnell auffindbar. Ebenso haben Sie Zugang zu Trends und Informationen, die aktueller nicht sein könnten.

10.5  Sportfotografie In der Sportfotografie haben Sie selten eine freie Auswahl des Aufnahmeortes, um einerseits den Sportlern nicht im Weg zu sein, und andererseits dient es Ihrem eigenen Schutz. Blitzlicht ist während des Wettkampfes in aller Regel keine Option, weil Sie sonst die Athleten blenden könnten. Lichtstarke und meist langbrennweitige Objektive sind in der

FF Abbildung

10.17 Lange Brennweiten und kurze Verschlusszeiten sind typisch für die Sportfotografie. 400 mm waren noch zu kurz, der Ausschnitt entspricht eher 600 mm.

400 mm | ƒ7,1 | 1/2000 s | ISO 400 | Bildausschnitt

520  |  10  Motive

Sportfotografie das Mittel der Wahl. Die Notwendigkeit eines schnellen Autofokus grenzt die Auswahl der Kamera und der Objektive weiter ein. Es gibt durchaus Teleobjektive, für deren Neupreis Sie auch einen Kleinwagen kaufen könnten, und bei wichtigen Sportveranstaltungen sehen Sie oft viele solcher Objektive auf den Presseplätzen. Für die meisten Amateure steht die Anschaffung eines Superteleobjektivs nicht zur Debatte, allerdings können Sie den Aufwand minimieren, wenn Sie auf APS-C als Sensorgröße setzen. Wenn Sie dann noch eine Kamera mit einer hohen Auflösung verwenden – und so ein wenig Luft für Ausschnittvergrößerungen haben –, kommen Sie mit erheblich günstigeren Objektiven hin. Ein 70–200 mm/ƒ2,8 mit einem optionalen 1,4-fach-Konverter ist eine gute Grundlage. Sigma und Tamron haben Zooms im Angebot, die z. B. von 150 bis 600 mm reichen und mit Preisen von knapp 1 000 bis gut 1 500 € auch für viele Amateure noch im Preisrahmen liegen. Das Sony 200–600 mm-Objektiv liegt bei 2 000 €, das gut eine Blendenstufe lichtstärkere Sony SEL 600 mm ƒ4 GM OSS, das auch noch schärfer ist und einen schnelleren AF besitzt, kostet das Siebenfache. Sie sollten im Umgang mit Ihrer Ausrüstung geübt sein, damit Sie eine hohe Trefferquote erreichen. Die Serienbildeinstellung dürfen Sie übrigens ohne schlechtes Gewissen verwenden. Manche Profifotografen schießen während eines 100-Meter-Laufs mindestens 300 Aufnahmen. Dabei ist es tatsächlich so, dass drei Kameras parallel, aber leicht verzögert mit vollen 10–14 Bildern/s »durchrattern« – die zehn Fotografen von Sports Illustrated machten während der Olympiade in Peking zusammen etwa 300 000 Aufnahmen. Diese Zahl wird bei der nächsten Olympiade sicher noch höher ausfallen, eine Sony α9 II schafft heute schon 20 Fotos pro Sekunde, die nächsten Sportkamera-Generationen werden das übertreffen. Bei den schnellen Motiven in der Sportfotografie ist es hilfreich, wenn Sie die Funktionen der Belichtungsspeicherung und der des Autofokus auf zwei unterschiedliche Tasten legen, denn bei der Mehrfeldmessung wird ansonsten beides gleichzeitig festgelegt, wenn Sie den Auslöser antippen.

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10.18 Bei dieser Aufnahme vom Kite-Landboarding dämmerte es schon etwas. Aber ein Profi-AF und die gute ISOLeistung ließen noch eine verwertbare Aufnahme entstehen.

400 mm | ƒ5,6 | 1/640 s | ISO 2 000

10.5  Sportfotografie  |  521

Superteleobjektive Superteleobjektive besitzen eine Reihe von zusätzlichen Bedienelementen gegenüber kürzeren Brennweiten. Einige davon wurden aus den Bedürfnissen der Sportfotografie heraus entwickelt: EE

EE

EE

EE Fixierknopf für die Stativschelle 3 : Ein Superteleobjektiv wird direkt auf das Stativ geschraubt, damit die Kombination aus Objektiv und Kamera im Schwerpunkt gelagert werden kann. (Wenn Sie die Kamera auf das Stativ montieren und das Superteleobjektiv vorn ansetzen, können Sie durch das Gewicht sogar das Kamerabajonett verziehen.) Dadurch, dass Sie allein das Objektiv innerhalb des Rings über der Stativschelle drehen, können Sie die Kamera vom Quer- ins Hochformat schwenken. Mit dem Fixierknopf stellen Sie die neue Position dann fest ein. Diese Funktion ist auch deswegen wichtig, weil Superteles oft mit GimbalEE Stativköpfen (siehe Seite 94) oder Einbeinstativen verwendet werden, die einen Schwenk ins Hochformat entweder nicht zulassen oder nicht sinnvoll erscheinen lassen. Autofokus-Modi 4 : Außer AF (Autofokus) und MF (Manueller Fokus) gibt es hier den PF (Powerfokus). Dieser Modus ist für die Verwendung beim Filmen optimiert. Er ist besonders leise und gleichmäßig. Die Geschwindigkeit der manuEE ellen Fokussierung lässt sich ebenfalls wählen 7 . Fokusbegrenzer 5 : Falls die Kamera den Fokus nicht beim ersten Mal trifft, durchläuft sie erneut den gesamten Einstellungsbereich, was Zeit kostet, die Sie bei der Sportfotografie oft nicht haben. Deswegen können Sie dem Objektiv mitteilen, ob Sie den gesamten Bereich, den Nahbereich (zwei bis sechs Meter) oder den Fernbereich (sechs Meter bis Unendlich) verwenden wollen. So stoppt der Fokus zum Beispiel im Fernbereich bereits bei sechs Metern und läuft nicht bis zwei Meter durch. 1

Focus Preset 6 : Wenn Sie den Focus Preset eingeschaltet haben, können Sie eine bestimmte Fokusentfernung speichern. Mit einem kurzen Dreh am Playback-Ring 8 stellt das Objektiv dann jederzeit und sofort auf die gespeicherte Entfernung scharf. So können Sie zum Beispiel die Torlinie als feste Entfernung speichern und bei einem Torschuss sofort die Entfernung einstellen, ohne dass der AF danebengreifen kann. Focus Preset hat drei Einstellmöglichkeiten: Aus, Ein, und Ein mit akustischer Rückmeldung, einem kurzen Piepsen. Ich lasse den Preset meist auf Unendlich, um schnell in den Fernbereich zu kommen. AF-Stop 1 : In der Grundeinstellung unterbricht die AFStop-Taste das Fokussieren. In einigen Kameras lassen sich dieser Taste andere Funktionen zuweisen, etwa die Belichtungsspeicherung, der Start der Bildstabilisierung oder die Änderung der AF-Einstellungen. Sinnvoll ist es zum Beispiel, die Umschaltung von One-Shot-AF auf Nachführmessung auf diese Taste zu legen. Bildstabilisator-Modi 2 : Wenn Sie den Bildstabilisator eingeschaltet haben, können Sie zwischen drei Modi wählen: 1. Bewegungen werden vollständig korrigiert, 2. Bewegungen in Richtung des Mitziehens werden nicht korrigiert und 3. wie Modus 2, aber die Korrektur wird nur während der Belichtung ausgeführt, damit das Sucherbild weniger irritierend ist.

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Abbildung 10.19 E Superteles wie das EF 600 mm ƒ4L IS III USM besitzen eine Reihe zusätzlicher Einstellmöglichkeiten. (Bild: Canon)

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5 8

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522  |  10  Motive

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6

10.6  Landschaftsfotografie Landschaften, Porträts und Stillleben waren, neben religiösen Darstellungen, seit der Antike die drei größten Motivbereiche der Malerei. Seit Erfindung der Fotografie hat sich das Spektrum zwar erweitert, trotzdem gehört die Landschaftsfotografie immer noch zu den großen Themen. Dabei ist die klassische Fotografie von Naturlandschaften in den letzten Jahren etwas zurückgegangen, und immer mehr Fotografen beschäftigen sich mit dem Blick auf Kulturlandschaften und zeigen die Spuren, die der Mensch in der Landschaft hinterlassen hat. Von der technischen Seite her ist die Landschaftsfotografie überschaubar. Viele Fotografen bevorzugen zwar das digitale Mittelformat, um den Detailreichtum besser abbilden zu können, aber für eigentlich alle Bilder außer den extremen Großformaten in den Kunstgalerien tut es auch eine gewöhnliche Systemkamera. Die Objektive müssen nicht lichtstark sein, da meist abgeblendet wird, und selbst eine eventuelle Verzeichnung ist oft nicht tragisch, weil es keine streng senkrechten oder waagerechten Linien gibt, bei denen eine Verzeichnung sofort augenfällig würde.

HH Abbildung

10.20 Rauch und Wolken gaben dieser Lofoten-Landschaft Tiefe und unterstrichen die einzigartige Atmosphäre.

70 mm | ƒ6,3 | 1/500 s | ISO 400

10.6  Landschaftsfotografie  |  523

Abbildung 10.21 E Die Schatten der Fotografen zeigen die Dimensionen der jungen Vulkanlandschaft im Süden La Palmas.

24 mm | ƒ10 | 1/200 s | ISO 200

Einen Blitz benötigen Sie auch nicht oder nur in den seltenen Fällen, wenn Sie ein Element im Vordergrund akzentuieren möchten. Das Objektiv sollte aber scharf und möglichst frei von chromatischen Aberrationen sein, weil die Farbsäume gerade bei Bäumen, die gegen den Himmel fotografiert werden, sehr störend sind. Allerdings lassen sich diese Säume auch gut in der Objektivkorrektur des Raw-Konverters entfernen. Eine Landschaft läuft Ihnen zwar nicht weg, aber dafür können Sie sie auch nicht bewegen. Sie ändert sich nur im Licht und indem Sie Ihren Standpunkt verändern. Position, Tageszeit und Bildausschnitt sind also Ihre hauptsächlichen Einflussmöglichkeiten auf das Bild.

Weitwinkelperspektive Eine Landschaft mit einem Weitwinkelobjektiv aufzunehmen, ist erst einmal naheliegend. Wir erfassen mit unseren Augen meist sehr viel von der Umgebung, und eine Weitwinkelaufnahme setzt unseren Eindruck am natürlichsten um. In manchen Gegenden – etwa im Gebirge, im Wald oder an der Steilküste – ist das Weitwinkelobjektiv eine gute Wahl, in anderen wiederum wird zu viel vom langweiligen Vordergrund erfasst, und das Bild leidet dann darunter, dass dem spannenderen Teil des Motivs nur sehr wenig Raum gegeben wurde. Trotzdem ist ein starkes Weitwinkelobjektiv das wichtigste Objektiv des Landschaftsfotografen. Das kann heutzutage auch gern ein Zoomobjektiv sein, denn

524  |  10  Motive

die Qualität dieser Objektive ist inzwischen manchmal sogar besser als die von Festbrennweiten. Außerdem haben Sie mehr Kontrolle über den Bildausschnitt. Da die Motive sehr weit entfernt sind, ändern ein paar Schritte die Abbildungsgröße kaum, ein Dreh am Zoomring aber schon.

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Teleperspektive In der Landschaftsfotografie müssen Sie häufig gedanklich einen Schritt zurücktreten und sich überlegen, was genau Sie am Motiv anspricht. Ansonsten bekommen Sie enttäuschende Bilder, die die Faszination des Ortes nicht annähernd widerspiegeln. Wichtig ist, dass das wesentliche Element genügend Raum erhält. Bei Weitwinkelaufnahmen haben Sie in eher flachen Landschaften im unteren Bildbereich Sand oder Gras und im oberen Bildbereich Himmel.

10.22 Fast 1 500 m über dem Geiranger­ fjord bietet sich dieses Panorama vom Gipfel des Dalsnibba. Das starke Weitwinkelobjektiv half, den Fotografen in die Komposition einzubeziehen.

17 mm | ƒ11 | 1/40 s | ISO 100

10.6  Landschaftsfotografie  |  525

GG Abbildung

10.23 Um das Sognefjell bei Mondlicht (und später die Sterne) zu fotografieren, musste ich eine Nacht im Auto schlafen.

90 mm | ƒ5 | 3,2 s | ISO 500

526  |  10  Motive

Das kann im Einzelfall sehr schön sein, ist oft aber einfach nichtssagend. Sie müssen das Motiv dann verdichten und klarer abbilden. Das gelingt über eine Verengung des Bildwinkels, der sich dann ausschließlich über die wichtigen Bereiche erstreckt. Ein gutes Objektiv mit 70–200 mm Brennweite, eventuell ergänzt um einen Konverter, kann im Telebereich alles abdecken, was Sie brauchen.

Beobachten Sie sich: Wandert Ihr Blick über einen großen Bereich, um die Landschaft zu erfassen, oder bleibt er eher am Horizont hängen, wo in der Ferne etwas Interessantes den Blick fesselt? Im ersten Fall wählen Sie ein Weitwinkel-, im zweiten ein Teleobjektiv. Wenn der Bildwinkel zwar in der Höhe stimmt, aber in der Breite zu klein ist, erzeugen Sie ein Panorama.

Panorama Sie haben vielleicht schon einiges über Panoramafotografie gelesen, über Nodalpunktadapter und Software, bei der Sie von Hand Vergleichspunkte definieren müssen. Vergessen Sie das alles erst einmal wieder, und stellen Sie sich die Pano­ rama-Erstellung als das Einfachste überhaupt vor. Wenn Sie eine Landschaft als Panorama erfassen wollen, reicht es in den meisten Fällen, aus der Drehung des Körpers heraus einige Aufnahmen zu erstellen, die sich jeweils zu etwa einem Drittel überschneiden. Diese Aufnahmen lassen Sie dann automatisch von einer Panoramasoftware zusammenrechnen (in zylindrischer Perspektive, falls die Software Ihnen eine Wahl anbietet). Manchmal wird eine einfache Panoramasoftware auch mit der Kamera mitgeliefert. Lightroom verfügt über eine gute Panoramafunktion. Microsoft bietet den für Privatanwender kostenlosen Image Composite Editor an, der einfach und gut Panoramen berechnen kann. In einem Großteil der Fälle bekommen Sie mit diesen Werkzeugen ohne Mühe ein gutes Panorama hin. Wenn Sie mehrreihige Panoramen zusammenfügen wollen oder mehr Kontrolle über das Ergebnis benötigen, empfiehlt sich auch eine professionelle Panoramasoftware wie zum Beispiel PTGui Pro (www.ptgui.com, ca. 180 €).

HH Abbildung

10.24 Panorama aus fünf Einzelbildern. Ein Standardformat hätte den Eindruck der Bucht auf den Lofoten nicht so gut wiedergeben können.

24 mm | ƒ10 | 1/320 s | ISO 100

10.6  Landschaftsfotografie  |  527

Geotagging Die Verwendungsfähigkeit Ihrer Bilder steigt deutlich, wenn Sie wissen, wo sie aufgenommen wurden. Auf Reisen in der freien Natur geht diese Zuordnung aber leicht verloren. Inzwischen ist in einigen Kameras wie der Canon EOS 6D Mark II oder der Olympus Tough TG-6 bereits ein GPS-Empfänger eingebaut, aber auch ohne einen eingebauten Empfänger können Sie anfängertauglich mit externen Geräten wie Ihrem Smartphone arbeiten. Der Trend geht dazu, die GPS-Daten vom Smartphone direkt in die Aufnahme zu übernehmen, da eine Bluetooth-Verbindung zwischen Kamera und Smartphone mit sehr wenig Energie aufrecht erhalten werden kann. Wenn Ihre Kamera das nicht unterstützt, können Sie im Smartphone einen GPS-Track aufzeichnen und diesen später mit Ihren Aufnahmen synchronisieren. Da dies über die Aufnahmezeit funktioniert, sollten Sie die Uhr Ihrer Kamera korrekt eingestellt haben.

HH Abbildung 10.25 Erst als Panorama kommt diese Landschaft vom Roque de los Muchachos gesehen wirklich zur Geltung. Die sechs Querformate wurden aus der Hand aufgenommen und in Lightroom zusammengefügt.

100 mm | ƒ8 | 1/100 s | ISO 640

528  |  10  Motive

Unter www.geosetter.de finden Sie die Software GeoSetter, mit der Sie (leider nur unter Windows) die GPS-Daten mit Ihren Bildern synchronisieren können. Auch Bilder ohne Daten können Sie über die Kartenfunktion mit Koordinaten versehen. Diese Funktion bietet Adobe Lightroom ebenfalls. Es gibt schon KI-Systeme (Künstliche Intelligenz), die anhand des Bildinhalts den Aufnahmeort eines Bildes in vielen Fällen mit großer Genauigkeit bestimmen können. Es gibt allerdings nach wie vor einige Gegenden der Welt, in denen Ihnen auch das nicht weiterhelfen wird, weil diese keine natürlichen Landmarken aufweisen. Für das eigene Bildarchiv sind GPS-Daten praktisch immer von Vorteil, ob Sie diese im Einzelfall bei der Veröffentlichung einschließen, sollten Sie abwägen. Manch einsamer Ort, den Sie entdeckt haben, bleibt dies vielleicht besser, als dass eine Horde Instagrammer dort aufläuft.

Wenn sich allerdings wichtige Bildelemente sehr nah an der Kamera befinden, müssen Sie genauer arbeiten. Dann sollten Sie sicher sein, dass Sie die Kamera exakt um den optischen Mittelpunkt des Objektivs (den sogenannten Nodalpunkt) drehen, nur so bleibt die Perspektive konstant. Dadurch bekommen Sie später keine Probleme, den Vorder- und Hintergrund deckungsgleich zu einem Panorama zusammenzufügen. Den Nodalpunkt können Sie mit verschiedenen Methoden herausfinden. Als guter Anhaltspunkt mag gelten, dass der Nodalpunkt bei Weitwinkelobjektiven weit vorn liegt und bei längeren Brennweiten eher zur Kamera hin. Eine der einfachsten Methoden ist es, zwei schmale senkrechte Elemente in unterschiedlichem Abstand vor der Kamera zu positionieren, sodass das vordere das hintere vollständig verdeckt. Wenn Sie die Kamera nun zur Seite schwenken und das

vordere Element weiterhin das hintere überdeckt, dann ist dieser Drehpunkt der Nodalpunkt. Erscheint das hintere Element neben dem vorderen, dann stimmt die Justierung noch nicht. Wenn Sie das Objektiv nach rechts schwenken, und das vordere der beiden Elemente verschiebt sich gegenüber dem hinteren nach links, dann sitzt das Objektiv beziehungsweise die Kamera zu weit vorn. Verschiebt sich das vordere Element in die gleiche Richtung wie die Schwenkrichtung, sitzt das Objektiv zu weit hinten. Wichtig ist, dass Sie die Justierung mit der richtigen Schärfeeinstellung vornehmen, also meist auf Unendlich oder auf die hyperfokale Entfernung (siehe Seite 193), wenn Sie eine hohe Schärfentiefe benötigen. Wenn Sie nicht nur seitwärts ein Panorama erzeugen wollen, sondern auch nach oben und unten oder sogar ein Kugelpanorama, dann muss der Nodalpunkt in allen drei Achsen stimmen. Die Seitwärtsverschiebung ist normalerweise kein Problem, weil der Hersteller Ihrer Kamera die Stativschraube genau unter der Objektivachse angebracht hat – zumindest sollte er das getan haben, und bei aktuellen Systemkameras ist mir kein Gegenbeispiel bekannt. Die vertikale Drehachse können Sie einstellen, indem Sie das Objektiv senkrecht nach oben stellen (Wasserwaage verwenden!) und dann die Kamera so verschieben, dass das Objektiv nicht mehr »eiert«, weil die optische Achse exakt in der Verlängerung der Stativachse liegt. Oder Sie richten die Kamera senkrecht nach unten, denn viele Nodalpunkt­ adapter haben einen Messpunkt, den Sie z. B. mithilfe des mittleren AF-Feldes mit der Bildmitte zu Deckung bringen können. Die für ganz exakte Panoramen benötigten Nodalpunktadapter oder Panoramastativköpfe sind nicht eben günstig in der Anschaffung. Nicht viel teurer sind die motorisierten und programmierbaren Panoramaköpfe, mit denen Sie mit langen Brennweiten automatisiert Panoramen in Gigapixelgröße aufnehmen können. Unterschätzen Sie aber nicht die Rechenleistung, die Sie für das Zusammenfügen, das sogenannte Stitchen, benötigen. Selbst auf schnellen Workstations kann das etliche Stunden an reiner Rechenzeit verschlingen. Die moto-

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10.26 Um im Querformat Panoramen mit Drehung um den Nodalpunkt aufzunehmen, reicht ein einfacher Einstellschlitten, mit dem Sie die Kamera nach vorn und hinten verschieben können. Im Hochformat oder wenn mehrere Reihen aufgenommen werden sollen, benötigen Sie einen recht aufwendigen Nodalpunkt-Stativkopf.

10.6  Landschaftsfotografie  |  529

risierten Köpfe haben aber auch den Vorteil, dass Sie damit zum Beispiel den Innenraum eines Autos komplett erfassen können, ohne dass Sie zum Verstellen der Position noch einmal an die Kamera müssen. Das macht die PanoramaErstellung einfacher und weniger fehleranfällig. Mit einem Fisheye würden allerdings dafür theoretisch drei, praktisch besser fünf Aufnahmen ausreichen (je 120° gedreht plus nach oben und nach unten).

Infrarotfotografie

HH Abbildung 10.27 Dieses Bild nahm ich mit einer umgebauten DSLR auf. So konnte ich mit einem normalen Orangefilter arbeiten und durch den Sucher genug sehen. Zudem werden die Verschlusszeiten so kurz wie bei Standard-Aufnahmen.

30 mm | ƒ10 | 1/160 s | ISO 200 | Orangefilter | Kanäle in Photoshop getauscht

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Die meisten Digitalkameras eignen sich auch ganz ohne Modifikation für die Infrarotfotografie. Sie benötigen dafür nur einen Infrarotfilter, den Sie vor das Objektiv schrauben. Allerdings werden die Verschlusszeiten deutlich länger als mit umgerüsteten Kameras. Infrarotfotografie ist übrigens nicht zu verwechseln mit der Wärmebildfotografie, mit der Sie zum Beispiel die Wärmedämmung Ihres Hauses überprüfen können. Dafür sind noch deutlich längere Wellenlängen als in der Infrarotfotografie und Spezialkameras notwendig. Meine eigenen Versuche in der Infrarotfotografie habe ich mit günstigen 720-nm- und 850-nm-Infrarotfiltern unternommen. Der Infraroteffekt ist damit deutlich sichtbar, und der Filter lässt genug Licht hindurch, um korrekt belichtete Aufnahmen mit mehreren Sekunden Verschlusszeit zu erhalten. Bei 850 nm sind dafür allerdings sehr hohe ISO-Werte erforderlich, weil der Filter deutlich

FF Abbildung

10.28 Auch mit einer unmodifizierten Kamera lassen sich mit einem Sperr­filter und langen Verschlusszeiten Infrarotaufnahmen machen.

29 mm | ƒ7,1 | 20 s | ISO 400 | 720-nm-Filter

weniger von der Kamera verwendbares Licht durchlässt. Unbearbeitet erscheinen die Bilder bei 720  nm tiefrot, eine Farbe, die Sie in Photoshop auch aus der Raw-Datei nicht herausbekommen. Ich habe die Kamera (Canon) deshalb auf die gleichzeitige Aufnahme von Raw und JPEG eingestellt, eine Aufnahme gemacht und diese dann zur Festlegung des eigenen Weißabgleichs (Custom WB) im Kameramenü herangezogen. Die Kamera warnte zwar, dass das eventuell nicht klappen würde (Weißpunkt außerhalb des Wertebereichs, ca. bei 1 000 K), die Ergebnisse waren aber trotzdem neutral. Während der Aufnahmen entdeckte ich ein zweites Problem: Ich hatte seltsames bläuliches Streulicht auf den Bildern, dessen Ursprung ich zunächst nicht bestimmen konnte. Ich stellte dann fest, dass dieses Streulicht während der Aufnahme von hinten durch das Okular schien und am hochgeklappten Spiegel vorbei auf den Sensor fiel. Bei High-End-Kameras gibt es dafür ein Hebel neben dem Sucher, mit dem Sie den Sucher verschließen können. Ich musste mir mit der Okularabdeckung am Kameragurt helfen. Auch wenn Adobe Photoshop aufgrund der unteren Begrenzung des Weißabgleichs auf 2 000 K an der Umwandlung der RawDatei scheitert, Canons Digital Photo Professional und Capture One von Phase One eignen sich auch für Infrarotaufnahmen gut. Normale Objektive sind nicht für Infrarot korrigiert, sodass Sie oft etwas weiter in den

GG Abbildung

10.29 Bei Zoomobjektiven finden Sie oft mehrere Infrarot-Markierungen für verschiedene Brennweiten. Generell müssen Sie oft etwas weiter in den Nahbereich scharfstellen, weil Infra­rotlicht weniger stark gebrochen wird als das sichtbare Licht. Bei Festbrennweiten ersetzt oft ein kleiner roter Punkt den weißen Strich in der Infrarotfotografie.

FF Abbildung 10.30 Die Okularabdeckung ist sinnvoll, denn der Filter vor dem Objektiv verringert die Lichtausbeute etwa um den Faktor 100 000. Dagegen kann sich dann das geringe Streulicht von hinten sichtbar durchsetzen, da die Sucherkonstruktion auch bei hochgeklapptem Spiegel nicht hundertprozentig lichtdicht ist.

10.6  Landschaftsfotografie  |  531

Nahbereich scharfstellen müssen. Bessere Objektive besitzen einen Infrarotindikator: einen roten Punkt oder weißen Strich, der anzeigt, wie weit die Fokussierung weitergedreht werden muss. Stellen Sie zum Beispiel ohne Filter scharf, setzen Sie den Filter an, und verschieben Sie die Fokusentfernung von unter dem Eichstrich bis unter den roten Punkt.

10.7  Naturfotografie

HH Abbildung 10.31 Auch an einem Herbsttag waren morgens Offenblende und ISO 800 notwendig, um noch mit 1/160 s ­fotografieren zu können.

300 mm | ƒ2,8 | 1/160 s | ISO 800

532  |  10  Motive

Die Naturfotografie mag für einen Berufsfotografen nicht so ergiebig sein, weil der Markt relativ klein ist und viele Menschen sie mit Leidenschaft betreiben. Es gibt also bereits sehr viele gute Bilder, die auch weniger schnell veralten als in anderen Bereichen. Für den Amateurfotografen ist die Naturfotografie allerdings doppelt lohnend, weil er das Hobby der Fotografie mit dem Aufenthalt in der Natur verbinden kann. Die Natur als Motiv hat viele Vorzüge. Zum nächstgelegenen Fleckchen Natur ist es meist nicht weit, außerdem ist die Natur extrem abwechslungsreich, gerade über den Verlauf des Jahres. Und die Natur hat sozusagen definiert, was wir Menschen als schön empfinden. Die Naturfotografie stellt sehr unterschiedliche Ansprüche an die Ka­mera­ausrüstung. Die gute Nachricht ist, dass Sie einem Großteil der Situationen bereits mit einem Standardzoomobjektiv gerecht werden können, eventuell ergänzt um ein Makroobjektiv. Die schlechte Nachricht ist, dass der Aufwand gerade bei der Tierfotografie nach oben hin offen ist und manche Naturfotografen einige tausend Euro teure Objektive verwenden. Das Autofokus-System und die Belichtung Ihrer Kamera sollten Sie blind beherrschen, denn in vielen Situationen bleibt Ihnen nur wenig Zeit, um ein besonderes Bild einzufangen – Ihre Reaktionen sollten dann weitgehend automatisch ablaufen. Wer sich von guten Naturfotografen inspirieren lassen möchte, die viel Zeit in ihre Arbeit stecken können, dem sei die Website http:// photography.nationalgeographic.com empfohlen.

Tierfotografie Die meisten guten Aufnahmen wilder Tiere, die Sie aus den Medien kennen, sind das Resultat von großer Geduld, langjähriger Übung und Planung. Es gibt immer noch sehr viele Tierarten, die niemals fotografiert wurden, weil die Tiere sehr scheu und in abgelegenen Gegenden beheimatet sind. Manche Tiere lassen sich selbst nach einer langen Gewöhnungsphase an die Anwesenheit des Fotografen nur mit einem 600-mm-Teleobjektiv sinnvoll ins Format bringen. Wenn Sie richtig in die Tierfotografie einsteigen wollen, müssen Sie sich mit den Motiven mindestens so stark beschäftigen wie mit der Fotografie. Es geht nicht nur darum, ein gutes Foto mit nach Hause zu bringen, sondern Sie müssen sich im Lebensraum der Wildtiere umsichtig bewegen können. Für manche Tiere bedeutet auch die entfernte Anwesenheit eines Menschen großen Stress, und sie haben Wichtigeres zu tun, als einen Fotografen im Auge zu behalten – zum Beispiel sich um den Nachwuchs zu kümmern. Respekt vor den Tieren empfiehlt sich auch in einer weiteren Hinsicht: Ab einer bestimmten Größe oder Giftigkeit können sie zu einer ernsten Gefahr für Sie werden. Dabei geht es gar nicht einmal nur um die exotischen und anerkannt wilden Tiere wie etwa Bären oder Nilpferde. Ich habe von zwei Fotografen gelesen, die beim Fotografieren von Kühen zu Tode getrampelt wurden. Allein in den USA werden mehr Menschen von Kühen getötet als weltweit von Haien.

GG Abbildung

10.32 Ohne den Profi-AF einer hochwertigen DSLR wäre dieser Moment nicht so leicht einzufangen gewesen. Die Nachführmessung des AF hielt die Stockente im Landeanflug scharf.

300 mm | ƒ5,6 | 1/3200 s | ISO 1 600

FF Abbildung

10.33 Rentiere sind an Menschen gewöhnt und lassen sie oft auf eine Distanz von weniger als zehn Metern an sich heran. Wenn Sie im Auto sitzen, können es sogar nur ein bis zwei Meter sein. Das Bild entstand am Polarkreis in Schweden.

180 mm | ƒ6,3 | 1/500 s | ISO 100

10.7  Naturfotografie  |  533

534  |  10  Motive

Unterschätzen Sie nicht die Artenvielfalt in der Stadt. Sie ist wegen der dortigen Vielfalt ökologischer Nischen höher als in landwirtschaftlich genutzten Gebieten. In der Stadt finden Sie auch oft sogenannte Kulturfolger, die sich an die Anwesenheit des Menschen gewöhnt haben und weniger scheu sind. Dadurch lassen sie sich auch leichter fotografieren. Aber auch diesen Tieren sollten Sie keinen zusätzlichen Stress zumuten. Einige Tiere sind aber auch »abgebrüht« und betrachten den Menschen als Futterquelle. Spatzen, Möwen und Tauben zum Beispiel kommen Ihnen manchmal sehr nah. Hier können Sie fotografisch etwas entspannter zu Werke gehen, denn diese Tiere reagieren im Allgemeinen nicht schockiert, wenn Sie die Kamera herausholen. Das lässt sich aber nicht für alle Exemplare einer Tierart verallgemeinern: Stockenten, die im Stadtpark eine Fluchtdistanz von 1,5  Metern haben, fliegen in der freien Natur schon weg, wenn Sie noch 40 Meter entfernt sind. Vergessen Sie auch nicht die Haustiere. Hier haben Sie meist überhaupt keine Probleme mit dem Fotografieren. Häufig ergibt sich ein besonderer Reiz, weil sich Ausdruck und Kommunikation der Tiere etwas an die des Menschen angepasst haben (glauben Sie nicht, dass nur Sie Ihr Haustier konditionieren, das funktioniert auch andersherum!). Für Fotos von Haustieren reicht ein Normalobjektiv oder ein Standardzoom oft völlig aus. Denken Sie auch an die Videofunktion Ihrer Kamera – bestimmte Verhaltensweisen lassen sich nur in bewegten Bildern gut einfangen.

GG Abbildung

10.35 Diesen jungen Schwan fotografierte ich mit einem Fernauslöser, denn der Fotograf selbst wird von Tieren eher als Gefahr wahrgenommen als die Kamera. Später aber stieß der Schwan die Kamera sogar um.

35 mm | ƒ5,6 | 1/40 s | ISO 250 | Blitz | Orangefilter

Abbildung 10.36 E Der Ausdruck der Ziege lässt den Betrachter auf den Charakter schließen. Damit wird er wahrscheinlich danebenliegen, aber das ist unkritisch. Bei Wildtieren sollten Sie sich allerdings hüten, das Verhalten als menschenähnlich zu deuten. Erstens liegen Sie damit fast immer falsch, und zweitens kann das sehr gefährlich werden, etwa weil Sie Drohgebärden nicht erkennen.

85 mm | ƒ7,1 | 1/2000 s | ISO 200 Abbildung 10.34 Eine frisch geschlüpfte weibliche Große Königslibelle. Da ihre Flügel noch in Ruhe austrocknen mussten, hatte ich Zeit, ein paar Varianten aufzunehmen.

FFF

560 mm | ƒ13 | 1/250 s | ISO 2000

10.7  Naturfotografie  |  535

Abbildung 10.37 E Um einen solchen Moment mit einer langen Telebrennweite einzufangen, müssen Sie die Tiere, schon vorher im Sucher haben und am besten im Se­ rienbildmodus arbeiten

400 mm | ƒ5,6 | 1/1000 s | ISO 800 | leichter Bildausschnitt

Veränderungen der Natur Lassen Sie mich kurz vom fotografischen Thema abkommen: Wenn Sie sich eine Weile intensiv mit der Naturfotografie beschäftigen, dann entwickeln Sie wahrscheinlich einen intensiveren Bezug zur Natur und wenn Sie etwas älter werden, dann bekommen Sie die Veränderungen bewusst mit. Manche sind eher harmlos, wie Neozoen (neu eingewanderte Tierarten), die Sie das erste Mal beobachten. Ich erinnere mich an meine erste Nilgans in den 1990er-Jahren oder, nicht ganz so harmlos, an meine erste Tigermücke. Gletscher, die nach 25 Jahren weit zurückgegangen sind oder die Menge an Insekten, die früher im Sommer auf der Frontscheibe des Autos zu Tode kamen. An ein deutlich kühleres Klima und viel weniger Menschen, die auf Reisen an den gleichen Orten waren. Ich beobachtete Umweltprobleme wie den sauren Regen oder das Ozonloch, die sich durch Verhaltensänderungen in den Griff bekommen ließen (Kraftstoffe ohne Schwefel und Verzicht auf FCKW) und andere Probleme, wie das Artensterben und die Klimaerwärmung, die immer ernster werden. Als mein Vater geboren wurde, lebte nur ein Viertel der heutigen Zahl der Menschen auf diesem Planeten. Autos besaßen nur sehr wenige, Plastik hieß noch Bakelit und man baute Telefone, Radios und Kameras daraus und verpackte nicht 125 g Heidelbeeren darin. Als ich geboren wurde, war die Weltbevölkerung nicht einmal halb so groß wie heute, die Hälfte der Dinge, die Sie und mich umgeben, war noch gar nicht erfunden und Leute, die mit dem Flugzeug flogen, zählte

536  |  10  Motive

man zum Jetset. Wir werden immer mehr Menschen und jeder einzelne verbraucht immer mehr Ressourcen. Ich selbst bin Teil des Problems, ich fliege auf die Kanaren, um im Winter Bilder für ein neues Kamerabuch aufzunehmen, meine Ernährungsgewohnheiten sind nicht ideal für das Klima und ich bewege auch das Auto zu viel. Dass ich im Haushalt ausschließlich Ökostrom und keine weiteren Energieformen verwende oder Flüge mit Atmosfair kompensiere, hilft dabei nicht viel. Ich halte mich an ein privates Tempolimit von 130 und habe meine Kilometer im letzten Jahr um 35 % reduziert. Alles in allem erreiche ich damit immer noch fast den deutschen Durchschnitt, wo Sie selbst liegen, können Sie beim Umweltbundesamt ausrechnen (uba.co2-rechner.de). Durchschnitt klingt ungefährlich, aber dieser ist ungefähr um den Faktor 10 zu hoch, um katastrophale Veränderungen abzuwenden. Ich habe noch viel vor mir, um eine umweltverträgliche Klimabilanz zu erreichen. Zum Teil werden mir dabei Unternehmen helfen, die für sich definiert haben, z. B. bis 2039 vollständig klimaneutral zu werden, aber der Rest ist Verhaltensänderung. Ich kann und will Ihnen keine Empfehlungen geben, aber ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich nicht von selbst ernannten Experten, die das Wort »Peer-Review« noch nie gehört haben, einreden ließen, dass der Klimawandel nicht real oder nicht menschengemacht wäre. Sonst gibt es in wenigen Jahrzehnten deutlich weniger Natur zum Fotografieren und das wäre noch das allerkleinste Problem.

Makrofotografie Wenn Sie auf einer Frühlingswiese sitzen und ein Makroobjektiv dabeihaben, finden Sie buchstäblich tausende Motive auf einigen Quadratmetern. Die meisten Makroobjektive unterstützen einen Abbildungsmaßstab von bis zu 1 : 1, das heißt, der abgebildete Bildausschnitt auf dem Sensor ist genauso groß wie das Motiv selbst. Auch bei einer Vollformat-Kamera sind das aber nur 24 × 36 mm. Dieser kleine Ausschnitt hat jedoch die gleichen Vergrößerungsreserven wie ein normales Bild, das heißt, der Fotoabzug vergrößert das Motiv nochmals deutlich. So können Sie auf einem Foto Details ausmachen, die dem bloßen Auge verborgen geblieben wären. Technische Grundlagen  | Die meisten Objektive kommen im Nahbereich nur

auf Abbildungsmaßstäbe von 1 : 7 bis 1 : 10, das heißt, dass sie eher eine DINA4-Seite als eine Briefmarke formatfüllend abbilden. Sie können den Bereich erweitern, indem Sie entweder hinter dem Objektiv den Auszug mit einem Zwischenring oder einem Balgengerät vergrößern (siehe Seite 215) oder eine Nahlinse vor das Objektiv schrauben. Da normale Objektive nicht für den Nahbereich berechnet wurden, erreichen Sie damit meist keine perfekten Ergebnisse. Normale Objektive sind aber dafür optimiert, etwas Großes klein abzubilden. Wenn man die Objektive umdreht, eignen sie sich deswegen oft auch gut dazu, um etwas Kleines groß abzubilden. Ein Objektiv umgekehrt zu betreiben, nennt sich Retrostellung. Sie bekommen im Fotohandel Adapter, die es erlauben, das Objektiv mit der Frontlinse nach hinten am Filtergewinde an die Kamera zu schrauben (oft sogar mit Übertragung des Blendenwerts vom Objektiv an die Kamera durch einen mit einem Kabel verbundenen Bajonettadapter). Je kürzer die Brennweite des Objektivs ist, desto größere Abbildungsmaßstäbe lassen sich erreichen. Verlängerungsfaktor Wenn Sie mit einem Makroobjektiv im Maßstab 1 : 1 fotografieren, ist die effektive Blende zwei Blenden kleiner als die eingestellte. Blende ƒ5,6 wird so zu ƒ11, ƒ16 zu ƒ32, was deutlich jenseits einer sinnvollen Einstellung ist, weil die Beugungsunschärfe dann schon deutlich die Qualität verschlechtert. Wenn Sie im Maßstab 1 : 1 fotografieren, benötigen Sie also auch zwei Blendenstufen längere Verschlusszeiten. Die Formel für den Verlängerungsfaktor ist F = (β + 1)² (wobei β der Abbildungsmaßstab ist). Bei einem Abbildungsmaßstab von 1 : 2 (= 0,5) ergibt sich also ein Verlängerungsfaktor von 1,5² = 2,25, also etwas mehr als eine Blende (eine Blende ist Faktor 2).

GG Abbildung

10.38 Mit einem Umkehrring wurde hier ein Objektiv verkehrt herum an der Kamera angebracht.

10.7  Naturfotografie  |  537

Eine andere, günstige und gute Methode besteht darin, ein Vergrößerungsobjektiv in Verbindung mit einem Balgengerät zu verwenden. Vergrößerungsobjektive sind in diesem Bereich sehr gut, und Sie können sie sehr günstig auf dem Gebrauchtmarkt finden, weil viele Dunkelkammern aufgelöst werden. Wenn sich die vordere Standarte des Balgens neigen und kippen lässt, können Sie sogar mit der Schärfedehnung nach Scheimpflug arbeiten (siehe Seite 214).

Abbildung 10.39 E Durch die kleinen Ausschnitte in der Makrofotografie lassen sich Farbwelten erfassen, die man in größerem Maßstab nicht so leicht wiederfindet.

100 mm | ƒ14 | 1/200 s | ISO 400 | Makroobjektiv und Ringblitz an APS-C

Die einfachste und komfortabelste Lösung ist natürlich ein echtes Makroobjektiv. Da diese Objektive auch im Fernbereich hervorragende optische Qualitäten bieten und dabei oft kaum teurer sind als andere Festbrennweiten im gleichen Bereich, lohnt sich eine Anschaffung. Sie sollten bei einer universellen Verwendung auf einen schnellen Fokusmotor achten, sonst geht Ihnen eventuell manch ein Motiv verloren, weil das Makroobjektiv zu langsam fokussiert. Allerdings sind auch vollmanuelle Objektive im Makrobereich gut zu verwenden, weil Sie durch eine kleine Veränderung des Abstands zum Motiv schnell scharfstellen können. Wenn Sie bisher nur ein Standardzoomobjektiv besitzen, würde ich Ihnen zu einem 100-mm-Makroobjektiv raten, weil Sie damit auch ein gutes lichtstarkes Teleobjektiv erwerben.

538  |  10  Motive

FF Abbildung 10.40 Diese Heuschrecke hatte sich auf die Frontscheibe meines Autos gesetzt. Durch die Offenblende bekam ich einen sehr weichgezeichneten Hintergrund, die Schärfe sitzt aber exakt auf der Vorderseite des Insekts.

100 mm | ƒ2,8 | 1/2000 s | ISO 160 | Makroobjektiv

Schärfentiefe | Bei einem Abbildungsmaßstab von 1 : 1 müssen Sie ein paar Stu-

fen abblenden, um überhaupt nur einen Millimeter Schärfentiefe zu erreichen. Wind ist deswegen ein besonderes Problem. Die daraus resultierende Bewegungsunschärfe können Sie zwar gut über kurze Verschlusszeiten abfangen, aber flexible Elemente wie Pflanzen bewegen sich im Wind schnell aus der Schärfezone. Es hilft, die Stängel mit einem kleinen Stativ und einer Klemme oder auch nur mit der Hand zu fixieren. Eine Reihenaufnahme steigert die Wahrscheinlichkeit einer scharfen Aufnahme auch, aber noch besser ist ein windstiller Tag. Bedenken Sie auch, dass die Schärfe in einer flachen Ebene liegt, die senkrecht zur Objektivachse steht. Oft können Sie mit einem leichten Kippen der Kamera die Schärfeebene in eine günstigere Lage bringen. Natürlich verändert sich dadurch der Bildausschnitt, aber Sie haben im Nahbereich so viele alternative Möglichkeiten, dass sich Schärfe und Bildaufbau häufig trotzdem gut unter einen Hut bringen lassen.

Abbildung 10.41 E Wenn man den Auszug vergrößert (also den Abstand zwischen Kamera und Objektiv), steigt auch der Abbildungsmaßstab. Je nach Objektiv leidet die Bildqualität zwar etwas darunter, aber die Methode ist sehr flexibel und günstig.

10.7  Naturfotografie  |  539

Abbildung 10.42 E Ein Ringblitz liefert im Nahbereich Licht ohne störende Abschattung.

100 mm | ƒ14 | 1/160 s | ISO 100 | Makroobjektiv

Im absoluten Nahbereich muss sich der Fokus des Objektivs auch für kleine Entfernungsänderungen stark bewegen. Es ist oft einfacher, die Kamera selbst etwas zu bewegen, statt das Objektiv die Fokusänderung durchführen zu lassen. Ich fokussiere das Motiv oft mit Einzelbild-AF an und folge den Motivänderungen dann durch ganz leichte Bewegungen des Oberkörpers. Auf einem Stativ kann ein Makro-Einstellschlitten weiterhelfen, aber vielleicht werden Sie auch ganz ohne »Tricks« mit einem schnellen Objektiv gut arbeiten können. In jedem Fall erfordert die richtige Schärfe im Makrobereich bei bewegten Motiven einige Übung. GG Abbildung

10.43 Mit einem Makro-Einstellschlitten können Sie sehr exakt den Abstand der Kamera zum Motiv verändern. Die hier gezeigte Variante ermöglicht zusätzlich eine seitliche Verschiebung. (Bild: Novoflex)

540  |  10  Motive

HH Abbildung 10.44 Diese Prachtlibelle von vorn bis hinten scharf abzubilden, gelingt Ihnen bei großen Abbildungsmaßstäben nur mit Focus Stacking. (Bild: Calopteryx maculata, US Geological Survey)

Focus Stacking | Je größer der Abbildungsmaßstab ist, desto schwieriger wird

es, ein Motiv komplett innerhalb der Schärfentiefe abzubilden. Dennoch werden Sie schon Fotos gesehen haben, die eigentlich unmöglich sind, wie zum Beispiel hochauflösende und detailreiche Aufnahmen einer komplett scharfen Ameise. Sofern diese Aufnahmen nicht aus einem Elektronenmikroskop kamen, sondern wirklich fotografisch wirkten, sind sie mit einer Technik namens Focus Stacking entstanden. Hierbei werden mehrere Aufnahmen mit unterschiedlichen Schärfe­zonen so miteinander verrechnet, dass dabei ein durchgängig scharfes Bild entsteht.

Schritt für Schritt: Focus Stacking in Photoshop Ein Focus Stacking können Sie auch mit Photoshop durchführen, auch wenn die dafür notwendigen Funktionen etwas versteckt sind. Im Folgenden erkläre ich Ihnen an einem Beispiel, wie Sie diese Technik nutzen können:

1  Bilder erstellen Stellen Sie Ihre Kamera auf ein Stativ, und entscheiden Sie sich für eine von drei Möglichkeiten, Aufnahmen mit unterschiedlichem Fokus zu erstellen: EE Erstens können Sie einen Makro-Einstellschlitten verwenden, den Sie zwischen Kamera und Stativ anbringen. So können Sie mit fester Fokuseinstellung arbeiten und die Fokussierung nur über die Bewegung der Kamera nach vorn und hinten vornehmen. Wenn Sie Focus Stackings mit sehr vielen Einzelaufnahmen erstellen, kann sich auch ein automatischer motorisierter Makro-Einstellschlitten lohnen. FF Abbildung

10.45 Die Einzelaufnahme wird nach hinten hin unscharf.

60 mm | ƒ9 | 1,6 s | ISO 200 | Makroobjektiv | APS-C

10.7  Naturfotografie  |  541

EE

Beispieldateien Damit Sie die Technik des Focus Stacking auch gleich ausprobieren können, liegen im DownloadBereich im Ordner Focus_Stacking drei Beispielbilder mit unterschiedlichen Schärfeebenen bereit. Öffnen Sie diese in Photoshop, und befolgen Sie die weiteren Schritte in dieser Anleitung.

EE

Zweitens können Sie auch manuell über die Fokuseinstellung des Objektivs arbeiten. Drittens können Sie das Fokussieren auch automatisieren, indem Sie Ihre Kamera über eine spezielle Software fernsteuern. Hier gibt es zum Beispiel die Software Helicon Remote, die für Windows, Mac und Android (ab Version 3.1) angeboten wird und mit den meisten DSRLs von Canon und Nikon kompatibel ist. Magic Lantern unterstützt das automatisierte Fokussieren bei manchen Canon-Kameras sogar kameraintern. Die App DSLR-Controller für Android kann ebenfalls etliche Canon-Kameras über USB fernsteuern inkl. Focus-Stacking-Funktion. Kameras wie die Nikon D850, die Fujifilm GFX50R oder die Canon EOS RP unterstützen das Erstellen von Stacking-Serien schon serienmäßig über das Kameramenü.

2  Bilder in Ebenen laden Wählen Sie aus dem Menü Datei • Skripten • Dateien in Stapel laden. Klicken Sie auf Geöffnete Dateien hinzufügen 1 , und setzen Sie das Häkchen vor Quellbilder nach Möglichkeit automatisch ausrichten 2 . So werden die Bilder möglichst genau in Ebenen übereinandergelegt. Abbildung 10.46 E Setzen Sie das Häkchen vor Quellbilder nach Möglichkeit automatisch ausrichten, damit die Bilder möglichst exakt übereinander liegen.

1

2

3  Ebenen überblenden GG Abbildung 10.47 Alle Ebenen müssen angewählt sein.

542  |  10  Motive

Klicken Sie in der Ebenen-Palette erst auf die unterste Ebene und dann mit gedrückter [ª]-Taste auf die oberste Ebene. So sind alle drei Ebenen aktiv. Wählen Sie dann aus dem Bearbeiten-Menü Ebenen automatisch überblenden. Klicken Sie auf Bilder stapeln, und setzen Sie das Häkchen vor Nahtlose Töne

und Farben. So werden die Ebenen übergangslos ineinander gerechnet, und von jeder Ebene werden nur die Bereiche verwendet, die in der Schärfe liegen. Falls Sie das Häkchen bei Inhaltsbasierte Füllung für transparente Bereiche anklicken, werden die Außenbereiche ergänzt, die sich durch die Ebenenausrichtung ergeben. Abbildung 10.48 Das Focus Stacking finden Sie in Photoshop über die Funktion Ebenen automatisch überblenden.

FFF

FF Abbildung

10.49 Die weißen Markierungen in den Ebenenmasken zeigen die Bereiche, die in das endgültige Bild übernommen werden.

Wählen Sie aus dem Ebene-Menü Auf Hintergrundebene reduzieren. Heben Sie die Auswahl der ergänzten Bereiche mit [Strg]/[cmd]+[D] auf. Schneiden Sie ab, falls Sie sie nicht im letzten die Ränder mit dem Freistellungswerkzeug Schritt ergänzt haben. FF Abbildung 10.50 Das fertige Bild hat eine viel höhere Schärfentiefe, wirkt dabei aber völlig natürlich.  K

10.7  Naturfotografie  |  543

10.8  Reportage

GG Abbildung

10.51 12 Bilder pro Sekunde, bis zu 153 AF-Messfelder, Video, extrem hohe ISO-Zahlen und nur 20 Megapixel Auflösung trotz Vollformatsensor – die Nikon D5 ist praktisch ideal an die Erfordernisse der Pressefotografie angepasst. (Bild: Nikon)

Man könnte sagen, Reportage ist eine Erzählform, die aus nächster Nähe von der Wirklichkeit berichtet. In dieser Beschreibung liegt auch das eigentliche Problem, denn wenn Sie an einer Geschichte nah dran sind, werden Sie selbst Teil davon. Damit kann die Grenze zur Inszenierung und Fiktion schnell überschritten werden. Die Kunst der Reportage ist es, einerseits den Dingen ihren Lauf zu lassen und ein distanzierter Beobachter zu sein und andererseits nah genug dran zu sein, um wirklich etwas erzählen zu können. Wenn man die Fachmedien zum Thema Bildjournalismus verfolgt, fällt einem auf, dass in regelmäßigen Abständen über Fotografen berichtet wird, die eine bestimmte Grenze überschritten und ihre Glaubwürdigkeit verspielt haben. Das hat meist fatale Folgen für die berufliche Zukunft, denn das Vertrauen ist das wichtigste Kapital eines Bildjournalisten. Wenn bekannt wird, dass ein Fotograf Bilder stellt, Fotomontagen ohne Kennzeichnung veröffentlicht oder Fotos über die Grenze des Vertretbaren manipuliert, dann ist er für die großen Redaktionen nicht mehr tragbar. Das ist vergleichbar mit einem Textredakteur, der seine Interviews erfindet.

Schnelligkeit Wenn man keine Bilder stellen darf, dann kann man auch keine Situationen wiederholen. Jedes Bild muss bereits im Moment des Geschehens gut aufgenommen werden. Die Kameras der Pressefotografen sind deswegen die schnellsten auf dem Markt und diejenigen mit dem besten Autofokus. Abbildung 10.52 E Eine Vollformatkamera und ein lichtstarkes 70–200-mm-Objektiv liefern auch nachts noch verwertbare Ergebnisse ohne den Einsatz eines Blitzes.

200 mm | ƒ2,8 | 1/320 s | ISO 10 000

544  |  10  Motive

Natürlich gibt es ruhigere Formen des Bildjournalismus, aber die meisten Pressefotografen setzen auf Kameras, die hohe Serienbildgeschwindigkeiten, extreme Robustheit und einen High-End-Autofokus verbinden. In letzter Zeit ist auch die Videomöglichkeit immer wichtiger geworden, weil nicht mehr nur für die Printmedien gearbeitet wird. Ich würde nicht nur den Pressefotografen empfehlen, sich mit dem Thema Video auseinanderzusetzen, weil sich dies zunehmend auch zu einem Markt für Fotografen entwickelt. Auch für Amateure stellt die Videofunktion eine große Erweiterung der Möglichkeiten dar. Manche Motive funktionieren erst als bewegte Bilder, weil die Bewegung ihr wesentliches Merkmal ist. Das gleichnamige Kapitel 11 befasst sich ausführlich mit dem Thema Video. Die meisten Pressefotografen decken ihren Brennweitenbereich (oft ca. 16–200 mm) mit zwei oder drei Zoomobjektiven ab, weil sie dann nur sehr selten das Objektiv wechseln müssen und schnell auf veränderte Bildsituationen reagieren können. Eine gute Alternative zum Objektivwechsel ist ein zweiter Kamerabody mit einem anderen Objektiv. So haben Sie eine Kamera mit Telezoom- und eine zweite mit Weitwinkelzoomobjektiv griffbereit. Ein großer Systemblitz mit schnellen Akkus rundet die Ausrüstung ab. Die Größe ist dabei nicht unbedingt für die Maximalleistung notwendig, aber so lassen sich schnellere Blitzfolgezeiten bei kleineren Blitzleistungen erzielen.

GG Abbildung

10.53 Feier nach der Fußball-WM 2018. Mich erinnerte die Szene an ein Gemälde der Französischen Revolution.

400 mm | ƒ2,8 | 1/1000 s | ISO 250

Geschichten erzählen Es gibt – abseits von der Tagespresse, wo man auf Terminen oft mit etlichen Fotografen um die Aufnahmemöglichkeiten konkurrieren muss – ruhigere Themen, die man als Fotograf ganz allein bearbeiten kann. Leider gibt es für diese klassischen Fotoreportagen nicht mehr so viel Raum in den Medien, entweder weil diese Themen heute eher für das Fernsehen produziert werden oder weil schlicht nicht genügend Geld vorhanden ist, um einen Fotografen für einen längeren Zeitraum auf eine Geschichte anzusetzen. Zu den rühmlichen Ausnahmen gehören Zeitschriften wie mare, LFI (Leica Fotografie International), GEO oder das Magazin der Süddeutschen Zeitung. Eine Institution der Reportagefotografie wie das US-amerikanische Magazin Life wurde schon im Jahr 2000 eingestellt, und auch der Stern hat seine Schwerpunkte verlagert, veröffentlicht aber ab und zu noch gute Bildreportagen. Sehenswert sind auch die jährlichen Ausstellungen von World Press Photo (www.worldpressphoto.org).

Profi werden? Wenn Sie sich für Fotojournalismus interessieren, ist www. freelens.com ein guter Startpunkt im Internet. Das ist der größte Verband deutscher Fotojournalisten. Die Berufsaussichten sind allerdings nicht besonders gut, Sie sollten sich daher sehr gut überlegen, ob Sie in diesem Bereich Profi werden wollen. In den anderen fotografischen Arbeitsfeldern sieht es jedoch auch nicht viel besser aus.

10.8  Reportage  |  545

Als Amateur haben Sie den Vorteil, dass sich Ihre fotografische Arbeit nicht rechnen muss. Sie können Zeit in Projekte stecken, weil es freie Zeit ist und weil eine gute Geschichte oder Fotoserie Lohn genug ist. Das macht Sie sehr unabhängig bei der Wahl Ihrer Themen. Es ist ohnehin empfehlenswert, sich von den persönlichen Interessen leiten zu lassen, denn eigene Kenntnisse lassen Sie tiefer in ein Thema einsteigen, und persönliche Leidenschaft macht auch das Ergebnis intensiver.

GG Abbildung 10.54 Tagsüber wurde auf der CeBIT ge­ ar­beitet, abends auf den Tischen der Münchner Halle getanzt. Dass Hannover gar nicht so bayerisch ist, störte die meisten wenig, da das ­Publikum sehr international war. Als ich selbst eine Woche auf dieser Computermesse arbeitete, verwendete ich eine Horizon-Panoramakamera, um eine Reportage über das Leben nach der Messe zu machen.

Horizon 202 | ƒ2,8 | 1/60 s | ISO 3 200

546  |  10  Motive

Wenn Sie eine Reise unternehmen, dann können Sie sich darauf konzentrieren, gute Bilder mit nach Hause zu bringen – Einzelfotos, die für sich stehen und ihre eigene Qualität haben. Sie können sich aber auch darauf konzentrieren, dass diese Reise erzählbar wird, dass Sie die Erlebnisse so einfangen, dass Sie im Zusammenhang eines Reiseberichts als Einheit erfahrbar werden. Wenn man zum Beispiel mit einem VW-Bus nach China fährt oder mit dem Motorrad durch Island, ist das sicher ergiebiger als eine Pauschalreise. Aber ich habe auch schon sehr gute Reiseberichte gesehen, die an sich eher unspektakuläre Ziele hatten. Dazu sind ein gutes Auge, erzählerisches Talent und die Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen und mit ihnen in Kontakt zu treten, von großer Bedeutung. Auch ohne zu verreisen, werden Sie Themen in Ihrer Nähe finden, die andere Menschen wirklich interessieren werden, wenn sie ihnen gekonnt nahegebracht werden. Das kann eine ungewöhnliche Persönlichkeit oder ein Künstler sein, ein altes Handwerk oder ein Verein, eine besondere Freizeitbeschäftigung oder ein Sport. Direkt in Ihrer Nähe gibt es garantiert Geschichten, die eine Reportage

lohnenswert machen, aber manchmal ist das mit ein wenig Abstand besser zu erkennen. Die Dinge, die wir kennen, erscheinen uns oft nicht mehr besonders. Eine der guten Reportagen, die ich in letzter Zeit gesehen habe, war die von Ingmar Björn Nolting über ein altes Hochhaus in Göttingen. Das Thema ist nicht weit weg, aber der Fotograf war auch nah dran, indem er sich Zeit genommen hat und dort eingezogen ist, ohne die nötige Distanz für eine gute Reportage zu verlieren. Wichtig ist, dass Sie schon beim Fotografieren daran denken, dass sich die Vorgänge möglichst aus den Bildern erschließen sollen. Das ist vergleichbar mit einem Film, der auf 10 oder 20 Einstellungen reduziert ist, aber dennoch alle wesentlichen Elemente enthält. Dafür benötigen Sie auch keine umfangreiche Ausrüstung: Ich kenne sehr gute Reportagen, die mit sehr einfachen fotografischen Mitteln umgesetzt wurden. Viele der klassischen Arbeiten wurden mit einer Leica-M-Sucherkamera und maximal drei Objektiven (28 mm oder 35 mm, 50 mm und 90 mm) fotografiert, verbreitet war auch die zweiäugige Rolleiflex, meist in der Version mit Normalobjektiv. Ich habe auch schon gute Arbeiten gesehen, die nur mit einem iPhone fotografiert oder gefilmt wurden.

Dokumentarfotografie

HH Abbildung

10.55 Die »Badeanstalt der Werktätigen« um 1990 in Wismar: Ich hatte damals Sorge, dass sie nicht erhalten bleiben würde, und dokumentierte den Bau mit meiner Großbildkamera. Er wurde dann aber glücklicherweise restauriert (Dia, 4 × 5 Zoll, 90-mm-Weitwinkelobjektiv).

Die Dokumentarfotografie ist nah am Kern der Fotografie, denn Dinge genau abzubilden ist ihre große Stärke. Der Begriff der Dokumentarfotografie ist, wie ich finde, etwas doppeldeutig. Auf der einen Seite werden damit die großen Sozialreportagen aus der Zeit der Depression in den 1930er-Jahren bezeichnet, auf der anderen Seite aber auch zum Beispiel die sachlichen Aufnahmen eines John Davies, der die Veränderung der britischen Landschaft durch die Industrialisierung dokumentierte. Während das erste Beispiel dem Bereich der Reportage und der Pressefotografie angehört, hat das zweite eher Berührungspunkte mit der Kunst. Es ist fraglich, ob es eine reine Dokumentarfotografie überhaupt geben kann. Denn die Dokumentarfotografie will ein objektives Dokument herstellen, das die Wirklichkeit festhält. Solange hinter der Kamera aber ein subjektiver Mensch steht, wird diese Objektivität niemals ganz unverfälscht sein können. Vielleicht ist das einzige echte Beispiel der Dokumentarfotografie der »Starenkasten«, der vollautomatisch die Tempoüberschreitungen im Straßenverkehr dokumentiert. Der Fotograf sollte sich ganz in den Dienst des Themas stellen und versuchen, dem Motiv möglichst sachlich gerecht zu werden. Und er sollte sich bewusst sein, dass der dokumentarische Wert seiner Bilder oft mit dem Alter steigt. Fotografische Moden verbieten sich in der Dokumentarfotografie, das Bild sollte möglichst zeitlos sein.

10.8  Reportage  |  547

Wenn Sie sich einen Betrachter vorstellen, der in 50 oder 100 Jahren einen genauen Eindruck von unseren jetzigen Zeitumständen bekommen soll oder der zum Beispiel einen Eindruck der heutigen Bausituation erhalten soll, dann haben Sie wahrscheinlich einen guten Ansatz für Ihre Foto­grafie. Natürlich hat die Dokumentarfotografie oft einen ganz aktuellen Anlass und auch eine zeitnahe Verwertung. Das Gedankenmodell soll lediglich helfen, sich selbst beim Fotografieren zurückzunehmen und möglichst objektiv zu­ bleiben. Es hilft Ihnen vielleicht auch dabei, frei von fotografischen Moden zu arbeiten und zeitlose Bilder aufzunehmen.

FF Abbildung 10.56 17. Februar 2019 in Dortmund-Mengede: Das Steinkohle-Kraftwerk Gustav Knepper wird gesprengt. Der Kohleausstieg bei der Arbeit.

135 mm | ƒ4 | 1/8000 s | ISO 500

GG Abbildung

10.57 Das Bild zeigt die 32-jährige Erntehelferin Florence Owens Thompson mit zwei ihrer sieben Kinder am 9. März 1936 in Nipomo, Kalifornien. Es ist eine alternative Version eines sehr viel berühmteren Bilds, das aber auch gestellter als dieses ist. (Foto: Dorothea Lange, Library of Congress, Prints & Photographs Di­ vision, FSA/OWI Collection, LC-USZ62-131366)

548  |  10  Motive

GG Abbildung

10.58 Eine junge Arbeiterin in einer Baumwollfabrik, North Carolina, 1908. Die Arbeiten von Lewis W. Hine halfen, in den USA Gesetze gegen die Kinderarbeit auf den Weg zu bringen. (Bild mit freundlicher Genehmigung von Getty’s Open Content Program)

10.9  Reisefotografie Wenn man sich die Fotoalben der meisten Menschen durchsehen würde, könnte man leicht auf die Idee kommen, sie wären ständig auf Reisen, nur unterbrochen von ein paar Familienfeiern. Auch Sie werden sich wahrscheinlich besser daran erinnern können, wo Sie vor sechs Jahren im Urlaub waren, als an die meisten anderen Dinge aus diesem Jahr. Eine Reise versetzt einen in eine ungewohnte Umgebung und konfrontiert einen mit einer Vielzahl neuer Eindrücke. Die meisten davon sind eher positiv, da man sich das Reiseziel den eigenen Neigungen und Interessen entsprechend auswählt und mehr oder weniger tun kann, was man will. Überlegen Sie sich vorher, welchen Stellenwert die Fotografie in Ihrem Urlaub einnehmen soll und inwieweit Sie das auch mit Ihren Mitreisenden abklären sollten. Die Bandbreite reicht von einem gelegentlichen Fotografieren im Vorbeigehen bis zu einer Arbeitsreise mit festem Projektplan, auf der Sie weit mehr als acht Stunden täglich fotografieren. Auch wenn Sie durch die Familie sehr eingeplant sein sollten, können Sie für sich dennoch gute Fotogelegenheiten schaffen. Wenn Sie etwa für den Sonnenaufgang auf einen Berg fahren, haben Sie oft das schönste Licht des ganzen Tages und sind schon zurück, wenn für die anderen der Tag erst beginnt.

GG Abbildung 10.59 Der Straßenverkehr auf Malta bietet manch ungewohntes Bild.

50 mm | ƒ3,5 | 1/125 s | ISO 100

HH Abbildung

10.60 Wenn Sie einem Motiv ein wenig Zeit geben, verdichtet es sich oft von allein. Hier tauchte die junge Frau auf, die auf ein verbliebenes Plätzchen am überfüllten Strand zeigte.

24 mm | ƒ8 | 1/400 s | ISO 200 | Polfilter

10.9  Reisefotografie  |  549

Ausrüstung optimieren

GG Abbildung

10.61 Eine Wartende auf dem Kursker Bahnhof in Moskau. Mit schwererer Ausrüstung wäre ich nach einem Tag in Moskau bei 34 °C für dieses Bild nicht mehr aufmerksam genug gewesen.

24 mm | ƒ6,3 | 1/500 s | ISO 200

550  |  10  Motive

In einem Buch über Industriefotografie las ich von einer Fotografin, die etwa 600 kg Ausrüstung in einem Kleinbus mit zum Job nahm. Das war noch zu analogen Zeiten, als man mehr Licht benötigte als heute. Aber auch viele Amateure haben heute eine Fotoausrüstung, die sich nicht mehr komplett auf Reisen mitnehmen lässt – jedenfalls nicht, ohne den Urlaubscharakter der Reise zu gefährden. Wenn Sie mit dem eigenen Auto in eher sichere Gegenden fahren, können Sie recht viel Ausrüstung mitnehmen. Im Flugzeug reduziert sich die Ausrüstung von allein, weil Sie wahrscheinlich kein Extragepäck aufgeben möchten und vor Ort vielleicht nur zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein werden. Es gilt also, eine Ausrüstung auszuwählen, die leicht ist und die trotzdem für die meisten Fotogelegenheiten ausreicht. Bei mir ist das zum Beispiel ein 24–70-mm-Zoomobjektiv, ein 50 mm/ƒ1,4, ein 70–200-mm-Telezoom und ein 2-fach-Konverter plus Stativ. Wenn Platz und Auto vorhanden sind, kommen ein 100-mm-Makroobjektiv und ein Blitz dazu, manchmal auch deutlich mehr. Bei Städtereisen verzichte ich oft auf den Telebereich, weil ich ihn selten brauche und er zu viel Gewicht mitbringt, um damit einen Tag zu Fuß unterwegs zu sein. Hier ist dann bei 100 mm oder 135 mm Schluss, und das Stativ bleibt zu Hause. Sie müssen nicht immer alle Motive abdecken können. Wenn Sie sich auf ein Thema konzentrieren, können Sie sich auch auf ein bis drei Objektive beschränken. Bei meiner letzten Reise habe ich mit einer Fujifilm GFX 50r gearbeitet, mit einem 45-mm und einem 110-mm-Objektiv, die gelegentlich durch ein adaptiertes 24-mm-Objektiv ergänzt wurden. Auf Vollformat umgerechnet sind das ca. 35, 85 und 19 mm. Für Landschaft, Porträt, Architektur und Natur war das großartig. Auf Seevögel oder Surfer als Motiv musste ich dann eben verzichten, weil ich dafür längere Brennweiten benötigt hätte. Die Kameraausrüstung nehme ich beim Fliegen immer mit ins Handgepäck, das Stativ und eventuell ein günstiges Objektiv oder ein Extender landen im Koffer. Es gibt aber auch Menschen, die mit einem Reisezoom und einem Body auskommen und damit gute Bilder machen – die persönlichen Anforderungen an die Ausrüstung muss jeder für sich selbst festlegen. Es ist aber nicht unbedingt ein Zeichen von Professionalität, möglichst viel Ausrüstung mit sich herumzutragen. Fotografie muss Spaß machen, und wenn Sie körperlich unter Ihrer Ausrüstung leiden, werden Sie keine guten Bilder machen.

GG Abbildung 10.62  Die Bildwirkung ergab sich hier aus der Kombination von Abendlicht, Flut und Starkwind und einer Aufnahmeposition möglichst weit draußen auf den Felsen der Côte de Granit Rose.

110 mm | ƒ13 | 1/80 s | ISO 100 | Mittelformat

10.9  Reisefotografie  |  551

Selbst Helmut Newton sagte sinngemäß zu William Claxton: »Mach es dir nicht zu schwer. Drei Objektive, ein Body, fertig!« Und damit meinte er nicht einmal die Reise-, sondern die alltägliche professionelle Fotografie. Bedenken Sie auch, dass es Gegenden gibt, in denen ein Totalverlust der Ausrüstung, etwa durch Raub oder Diebstahl, wahrscheinlicher ist als anderswo. Hier tun es vielleicht auch die alte Kamera und ein Zoomobjektiv, das eher gut genug als gut ist. Wenn Sie häufiger mit erhöhtem Risiko unterwegs sind, können Sie eine Kameraversicherung abschließen. Bleiben Sie bitte auch in Extremsituationen vernünftig. Der mögliche Verlust von Sachwerten ist kein Grund, das eigene Leben in Gefahr zu bringen. Es kann auch helfen, sein Erscheinungsbild weniger touristisch zu gestalten und die Fototasche gegen eine neutralere Tasche zu tauschen. Besonders im Nahverkehr und an Touristen-Treffpunkten sollten Sie Ihre Ausrüstung anderen nicht zu leicht zugänglich machen.

Kulturelle Unterschiede achten

GG Abbildung

10.63 Eine Gruppe Jugendlicher spielt auf einem Felsvorsprung am Roque Nublo Karten.

17 mm | ƒ8 | 1/250 s | ISO 100

552  |  10  Motive

Wenn Sie in einem anderen Land sind, ist nicht nur das Land anders. Die Menschen haben andere Ansichten, es gelten andere Regeln und Umgangsformen. Nehmen Sie das ernst, denn unsere eigenen Gewohnheiten haben keine globale Gültigkeit. Sie werden mit einer gewissen Zurückhaltung und Offenheit weiter kommen, als wenn Sie Ihre Meinung und Ansichten in einer Kultur, die Sie vielleicht nicht ganz verstehen, durchzusetzen versuchen. Niemand erwartet von Ihnen, genauso wie die Menschen vor Ort zu sein, aber Sie sollten ihnen mit einem grundsätzlichen Respekt begegnen. Dieser Respekt beinhaltet auch, einmal auf ein Foto zu verzichten, die Privatsphäre der Menschen zu achten und sich zu fragen, ob das Fotografieren gerade in diesem Moment angemessen ist. Die Frage nach der Angemessenheit der Fotografie muss man auch gegenüber sich selbst beantworten. Ist man in der Lage, einem Thema gerecht zu werden, oder würde man sich selbst für einen unsensiblen Touristen halten?

Nicht Hinterherlaufen Wenn ein Ort es erst einmal auf die »Bucketlist« der Instagrammer geschafft hat, dann können Sie sich in der Schlange hinten anstellen und das gleiche Foto wie alle anderen machen, am besten eines, dass trotz der Schlange der Wartenden Einsamkeit vortäuscht – oder Sie lassen es einfach, fragen sich, was Sie selbst anspricht, und suchen sich Ihre eigenen Orte. Oder zumindest Ihre eigenen Zeiten. Im Sommer tagsüber schiebt sich eine Masse durch die engen Gassen des Mont St. Michel. Im Winter am frühen Morgen gehören Sie zu einer Handvoll Besucher und haben oft dabei noch besseres Licht. Bestimmte Orte sind weltweit bekannt und werden von Jahr zu Jahr von immer mehr Besuchern heimgesucht, die Bewohner werden von Airbnb-Vermietern verdrängt und das Angebot vor Ort wird von Touristenbedarf bestimmt. Diesen Trend muss man nicht verstärken. Gerade in Europa gibt es eine enorme Auswahl an interessanten Orten, da müssen nicht alle nach Barcelona oder Venedig. Gerade die Orte, die alle besuchen möchten, sind auch schon weitgehend totfotografiert und das Reiseerlebnis dort ist durch den Overtourism nicht besser geworden.

HH Abbildung

10.64 Der Blick von Mont St. Michel in die Winter-Morgensonne.

24 mm | ƒ7,1 | 1/3200 s, 1/640 s, 1/125 s | ISO 200 | HDR

10.9  Reisefotografie  |  553

10.10  Architekturfotografie Früher wurde die Architekturfotografie praktisch ausschließlich mit Fachkameras betrieben. Der Hauptgrund dafür war der einfache Ausgleich stürzender Linien durch die Perspektivkorrektur. Im Systemkamera-Bereich finden Sie Tilt-ShiftObjektive, die ähnliche Fähigkeiten haben. Auch ein großer Teil der professionellen Architekturfotografen führt die Perspektivkorrektur inzwischen in der Nachbearbeitung am Rechner durch, zumal Lightroom das inzwischen automatisch erledigen kann. Falls dies scheitern sollte, beherrschen viele Architekturfotografen alternativ auch das Ausrichten anhand zweier oder mehr Hilfslinien. Abbildung 10.65 E Wenn Sie sich die Wasserwaage in den Sucher einblenden, können Sie auch aus der Hand gut ausgerichtete Architekturaufnahmen erreichen. Ein Kinderschuhgeschäft in Gijón.

17 mm | ƒ10 | 1/250 s | ISO 100 | Canon TS-E 17 mm ƒ4L

554  |  10  Motive

Solange Sie nicht über 20° nach oben geneigt fotografieren, wird jeder kundige Betrachter von Ihren Architekturbildern erwarten, dass vertikale Linien des Gebäudes parallel abgebildet werden. Auch eine tonnen- oder kissenförmige Verzeichnung wird er nicht tolerieren.

Stürzende Linien Wenn Sie die Kamera nicht waagerecht ausrichten, sondern leicht nach oben oder unten neigen, scheinen senkrechte Linien zu kippen. Da das Gehirn diesen Effekt zu einem guten Teil ausgleicht, stört uns das bei der realen Betrachtung nicht, auf einem Foto aber sieht es etwas seltsam aus. Solange Sie die Kamera nicht zu weit kippen, sollten Sie die stürzenden Linien in der Bildbearbeitung ausgleichen. Falls Sie ein Tilt-ShiftObjektiv besitzen, können Sie das Objektiv bereits bei der Aufnahme nach oben verschieben und die Kamera in der Waagerechten belassen. Wenn Sie ein extremes Weitwinkelobjektiv verwenden, können Sie waagerecht fotografieren, die untere Bildhälfte wird dann aber meist ziemlich leer wirken. Im Normalfall wird eine leicht nach oben gekippte und nachträglich perspektivkorrigierte Aufnahme das bessere Bild ergeben. Die meisten Hobbyfotografen besitzen kein TiltShift-Objektiv, aber das perspektivische Entzerren lässt sich auch gut nachträglich in der Bildbearbei­ tung erledigen (siehe Seite 648). Ohne ein starkes Weitwinkelobjektiv sind Sie allerdings in der ­Architekturfotografie ziemlich verloren.

Abbildung 10.66 E Dieses Bild des Frankfurter Palaisquartiers entzerrte ich bereits vor der Aufnahme, da ich die Kamera waagerecht ausrichtete und das Tilt-Shift-Objektiv nach oben verschob. Das hat auch den Vorteil, dass Sie bereits im Sucher das fertige Bild sehen.

17 mm | ƒ10 | 1/320 s | ISO 100 | Tilt-Shift-Objektiv | 12 mm Verschiebung nach oben

10.10  Architekturfotografie  |  555

GG Abbildung

10.67 Ich stand hier schon mit dem Rücken an der Hauswand, um diese Jugendstil-Architektur in A Coruña aufzunehmen. Das Bild wirkt chaotisch und die Autos verzerrt.

14 mm | ƒ9 | 1/200 s | ISO 100

GG Abbildung 10.68 Die Aufnahme aus Abbildung 10.67 richtete ich in der Objektivkorrektur von Photoshop gerade, beschnitt das Bild und passte die Kontraste an. Durch das starke Weitwinkelobjektiv ist hier schon die Grenze der Korrektur erreicht. Wenn Sie die Perspektive in noch extremeren Aufnahmen korrigieren, scheinen die Gebäude oben auseinanderzulaufen.

Als Ausgleich ist die Lichtstärke jedoch ziemlich egal, weil Sie meist recht weit abblenden und zumindest in Innenräumen ohnehin immer mit dem Stativ arbeiten sollten.

Standpunkt Die möglichen Perspektiven auf ein Gebäude werden in der Praxis fast immer durch Nebengebäude, Bäume, Autos, Laternen etc. stark eingeschränkt. Ein Blick auf Google Earth oder auf bereits bestehende Bilder im Internet hilft, im Vorfeld einen Eindruck von der Raumsituation zu erhalten. Das heißt nicht, dass

556  |  10  Motive

Sie sich auf diese Informationen zu hundert Prozent verlassen können, aber es ist besser als nichts. Bei der Gelegenheit können Sie auch gleich die Wettervorhersage überprüfen. Schlechtes Wetter erlaubt fast nur Innenaufnahmen, es sei denn, das Objekt hat auch dann einen besonderen Reiz. Meistens aber werden die Bilder mit ein wenig Sonne spannender, wobei sie bei Innenaufnahmen häufig stört. Komplizierte Fassaden mögen bedeckten Himmel lieber, weil sich sonst die Bilddetails durch die Schatten verdoppeln und das Bild an Klarheit verliert. Wenn Sie Architektur fotografieren, sollten Sie die Intention des Architekten nicht außer Acht lassen: Wo liegen die Sichtachsen? Was ergibt sich aus der Nutzung des Gebäudes? Welche sind die signifikanten Perspektiven? Sind die Konstruktionsmerkmale sichtbar, oder werden sie verborgen? Und wie lässt sich die Materialität am besten hervorheben? Gebäude aus dem Barock und der Renaissance wurden oft auf eine zentrale Sichtachse hin entworfen, die sich manchmal durch die ganze Stadt zieht.

HH Abbildung 10.70 Aus dieser Perspektive wird jeder, der Le Corbusiers Wallfahrtskapelle in Ronchamp auch nur auf einem Foto gesehen hat, sie auch wiedererkennen. Die skulpturale Form und das fast schwebende Betondach kommen von hier am besten zur Geltung.

GG Abbildung 10.69 Der Wasserspeier ist ein schönes Detail im Dach dieser Betonkirche, aber viele Betrachter werden die Kirche aus dieser Perspektive nicht wiedererkennen, obwohl sie zu den berühmtesten Bauwerken des 20. Jahrhunderts zählt.

12 mm | ƒ13 | 1/200 s | ISO 100 | APS-C

17 mm | ƒ9 | 1/320 s | ISO 100 | APS-C-Sensor

10.10  Architekturfotografie  |  557

HH Abbildung

10.71 Ein Perspektivausgleich über ein TiltShift-Objektiv ist auch seitlich möglich. Hier schob ich das Objektiv etwa 8 mm nach rechts, um die horizontalen Linien parallel zu halten.

17 mm | ƒ11 | 0,4 s | ISO 200 | TiltShift-Objektiv seitlich verschoben

Fotografieren Sie symmetrische Gebäude auch symmetrisch, zumindest eine der Aufnahmen. Unterschätzen Sie dabei nicht, wie genau Sie dabei arbeiten sollten. Ich verschiebe die Kamera zum Schluss manchmal nur noch um einen knappen Zentimeter, um exakt in der Achse zu sein. Sie können sich dabei vom zentralen Autofokus-Messfeld als Markierung für die Mitte des Bildes leiten lassen. Der Platz vor dem Gebäude ist oft in einem klaren Raster mit Steinen ausgelegt, das Ihnen hilft, die genaue Achse zu finden. Bei gotischen Kirchen bekommen Sie spätestens im Innenraum häufig ein Problem, weil es gar keine durchgehende Mittelachse gibt. Damals konnte einfach noch nicht so exakt gebaut werden. Wenn Sie die Möglichkeit haben, sollten Sie Gebäude kurz nach der Fertigstellung fotografieren. So perfekt sehen Sie sie nie wieder, wobei der Zustand des Umfelds um den Neubau herum manchmal noch zu wünschen übrig lässt, etwa weil die Bepflanzung noch nicht fertig ist. Falls Sie planen, ein älteres Gebäude zu fotografieren, sollten Sie sicherstellen, dass es nicht gerade eingerüstet ist. Bei manchen Bauwerken ist das leider der Normalzustand, weil sie ständig restauriert werden.

Innenräume In Innenräumen steigt der Bildwinkelbedarf meist stark an. Ein 24-mm-Weitwinkelobjektiv an einer Vollformatkamera ist oft schon deutlich zu lang. Mein persönlicher Favorit für Innenräume ist das 17-mm-TS-E von Canon, ein Tilt-Shift-Objektiv mit 12 mm Verstellbereich. Leider gibt es ein solches Objektiv für kein anderes System. Bei Nikon ist das 14–24 mm/ƒ2,8 aber eine sehr gute Wahl, und wer weniger Geld ausgeben kann oder möchte, bekommt für unter 700 € das Sigma 12–24 mm/ƒ4,5– 5,6 DG HSM II, das bei Architekturfotografen ebenfalls recht beliebt ist. Für APS-C-Kameras hat Sigma das vergleichbare 8–16 mm/ƒ4,5–5,6 DC HSM im Angebot. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, wie zum Beispiel bei sehr großen Fensterflächen, ist es meist besser, Innenaufnahmen bei bedecktem Wetter zu machen. Das weichere Licht verursacht dann weniger Probleme beim Kontrastumfang und leuchtet die Räume harmonischer und gleichmäßiger aus.

558  |  10  Motive

FF Abbildung

10.72 Hier habe ich zwei Querformate eines nach oben und nach unten verschobenen 17-mm-Tilt-Shift-Objektivs zusammengesetzt, um etwas mehr Bildwinkel in der Höhe und ein quadratisches Format zu erhalten.

17 mm | ƒ10 | 0,4 s | ISO 200 | TiltShift-Objektiv vertikal verschoben, zwei Aufnahmen zusammengesetzt

Ebenso empfiehlt es sich sehr oft, die Raumbeleuchtung einzuschalten, weil diese ein wesentliches Gestaltungselement und Bestandteil der Architektur ist und Ihre Aufnahmen dadurch lebendiger wirken. Eigenes Licht zu setzen, ist eher weniger empfehlenswert, es sei denn, Sie möchten einen Raum nach eigenen Vorstellungen inszenieren. Meistens aber können Sie Licht und Blitze zu Hause lassen, wenn Sie Architektur fotografieren. Nach Möglichkeit sollten Sie vom Stativ aus arbeiten, um die Kamera exakt ausrichten zu können und um deckungsgleiche Belichtungsreihen zu erstellen, falls Sie den Kontrastumfang später per HDR (siehe Seite 673) erweitern müssen. Eine eingebaute Wasserwaage und ein einblendbares Gitter im Sucher sind ebenfalls von Vorteil. Wenn Ihre Kamera nicht über ein solch einblendbares Gitter verfügt, können Sie oftmals die herkömmliche Mattscheibe durch eine Gittermattscheibe ersetzen. Falls Sie kein Stativ zur Hand haben, können Sie mit einer modernen Systemkamera Bilder meist auch noch gut aus der Hand aufnehmen. Sie müssen dann ein bisschen weiter aufblenden, höhere ISO-Werte verwenden und eine Zeit wählen, die Sie gerade noch aus der Hand verwacklungsfrei halten können. Manchmal können Sie Ihre Kamera auch auflegen und dann mit idealen Einstellungen arbeiten. Wenn ich zum Beispiel senkrecht nach oben fotogra-

10.10  Architekturfotografie  |  559

GG Abbildung 10.73 Diese beiden Bildausschnitte wurden mit den exakt gleichen Einstellungen aufgenommen, nur die Leuchtstoffröhren sind bei 1/800 s Verschlusszeit jeweils in einer anderen Phase.

fiere, lege ich die Kamera einfach mit der Rückseite auf den Boden und löse mit zwei Sekunden Vorlauf aus, um nicht zu verwackeln. Achten Sie jedoch auf die Lichtquellen, wenn Sie mit kurzen Zeiten arbeiten. Leuchtstoffröhren ändern bei kurzen Verschlusszeiten nicht nur ihre Helligkeit, sondern auch ihre Farbe. Wenn Sie Verschlusszeiten länger als die Phasenlänge des Wechselstroms verwenden (1/50 s bei 50 Hz – 50 Hz ist die einheitliche Netzfrequenz in der EU), dann sind Sie auf der sicheren Seite. Das gilt auch, wenn Bildschirme mit im Bild sind, denn auch diese haben meist keine konstante Helligkeit, wenn die Zeitabschnitte kürzer sind. Stellen Sie Ihre Kamera einmal auf 1/1000 s Verschlusszeit, und fotografieren Sie eine weiße Fläche auf Ihrem LCD-Monitor. Je nach Typ der Hintergrundbeleuchtung werden Sie sich wundern, wie intensiv die Farben in diesem neutralen Bereich werden können. Aber auch mit langen Zeiten werden nicht alle Lichtquellen neutral aussehen, weil sie unterschiedliche Farbtemperaturen besitzen. Glühlampenlicht ergibt oft schöne Kalt-Warm-Kontraste in Kombination mit Tageslicht, die Sie nicht ausfiltern müssen. Leuchtstoff- oder Energiesparlampen erzeugen allerdings Farbstiche, die als eher unangenehm empfunden werden.

10.11  Fotografieren bei Nacht Viele Fotografen machen sich nicht klar, wie weit die Möglichkeiten der Fotografie in der Nacht reichen. Ich weiß nicht, wie oft ich schon gefragt wurde: »Bei dem Licht können Sie noch fotografieren?«, wenn ich mit dem Stativ irgendwo stand. Wenn Sie eine moderne Systemkamera einsetzen, können Sie mehr fotografieren, als Sie selbst mit bloßem Auge erkennen können. Mit einer HighEnd-Kamera und lichtstarken Objektiven gilt das sogar für die Fotografie aus der Hand, wobei Sie auch dann mit einem Stativ und geringeren ISO-Werten noch bessere Ergebnisse erhalten. Denn der darstellbare Kontrastumfang, die Schärfe und die Qualität der Farben sinken mit höheren ISO-Werten immer weiter ab. Auf der anderen Seite

FF Abbildung

10.74 Die Lichtempfindlichkeit moderner Kameras hat die Grenzen des Fotografierbaren verschoben. Auch Autorennen bei Nacht sind kein Problem mehr.

155 mm | ƒ2,8 | 1/80 s | ISO 12 800

560  |  10  Motive

ermöglichen hohe ISO-Werte fotografische Erfahrungen, die früher unmöglich gewesen wären. Nutzen Sie also die Lichtempfindlichkeit Ihrer Kamera aus, aber nur dann, wenn niedrigere ISO-Werte nicht mehr ausreichen. Auch Motive, die Sie vielleicht schon für »totfotografiert« halten, können in der Nacht neue Seiten offenbaren und sehr spannende Bilder ergeben. Nachts haben Sie viele Orte für sich, an denen es tagsüber vor Menschen wimmelt. Allerdings werden an vielen touristisch erschlossenen Orten später in der Nacht die Scheinwerfer ausgestellt. Ohne eine Taschenlampe könnten Sie sich dann in einer gefährlichen Situation wiederfinden, weil Sie weder den Weg noch Ihre Umgebung erkennen können. Nehmen Sie also eine Taschenlampe mit. Die kann Ihnen auch beim Fotografieren selbst nützlich sein, etwa beim manuellen Fokussieren, falls es für den Autofokus zu dunkel wird. Wenn es richtig dunkel ist, werden Objektive ohne eine Entfernungsskala zum Ärgernis. Denn auch wenn Sie fast nichts mehr sehen können, sollten Sie ein Objektiv noch auf Unendlich einstellen können. Manche Consumer-Zoomobjektive verzichten auf diese Anzeige, haben aber auch keinen Anschlag bei Unendlich, wie es bei Kameras ohne Autofokus früher oft der Fall war. Dann können Sie eigentlich nur noch auf einen entfernten Lichtpunkt hoffen, der

GG Abbildung

10.75 Lange Verschlusszeiten machen es einfach, Blitze einzufangen. Bei 25 s reichten hier sogar ISO 100 für eine gute Belichtung aus.

200 mm | ƒ2,8 | 25 s | ISO 100

10.11  Fotografieren bei Nacht  |  561

für den Autofokus hell genug ist, und das Objektiv nach der Fokussierung auf manuelle Scharfstellung umschalten.

Langzeitbelichtungen

HH Abbildung

10.76 Mit bloßem Auge sah man fast nur das Blinken der Glühwürmchen im stockdunklen Wald. Über acht Minuten Verschlusszeit bei hoher Empfindlichkeit und recht weit geöffneter Blende lassen den Wald fast taghell erscheinen und die Glühwürmchen unzählbar.

35 mm | ƒ3,5 | 502 s | ISO 2 000

562  |  10  Motive

Viele Fotografen machen sich nicht klar, dass auch hinter der 30-SekundenGrenze noch Fotografie möglich ist. Ich selbst habe den Verschluss noch nie länger als ein paar Stunden offen gelassen, aber es gibt Künstler wie Michael Wesely, die mit einer großen, analogen Lochkamera bis zu drei Jahre lang belichten. In einer sternenklaren Nacht schreiben die Sterne Kreisbahnen an den Himmel, deren Mittelpunkt der Polarstern ist. Die Erdrotation führt schon bei 30 s Verschlusszeit zu sichtbaren Unschärfen, und in drei Stunden dreht sich die Erde schon um 45°. Digitalkameras bringen so hohe Lichtempfindlichkeiten mit, dass Sie in den meisten Situationen mit wenigen Minuten Belichtung auskommen können. In Europa gibt es leider nur noch wenige Gegenden, in denen es nachts ganz dunkel wird, weil die Lichtemissionen der bewohnten Gebiete zu stark sind. Wenn Sie in eine solche Gegend kommen, schauen Sie sich den Sternenhim-

mel an, dann wissen Sie, was Sie sonst immer versäumen. In wirklich dunklen Gegenden steigen die nötigen Verschlusszeiten schnell auf wirklich lange Zeiten. In der Stadt ist zu viel Licht kaum mehr zu vermeiden, aber inzwischen setzt sich die Erkenntnis durch, dass auch Licht eine Form der Umweltverschmutzung ist. Im Englischen hat sich dafür der Begriff light pollution durchgesetzt. Was das genau ist, erfahren Sie am besten, wenn Sie sich in einer dünn besiedelten Gegend in der Nähe einer Großstadt aufhalten. Eine riesige Lichtglocke hängt über der Stadt und überdeckt das natürliche Licht. Diese Lichtglocke wird zum großen Teil durch direkt nach oben abgestrahltes Licht verursacht. In den letzten Jahren ist man dazu übergegangen, Straßenlaternen einzusetzen, die ihr Licht nur nach unten abstrahlen. Falls Sie selbst Hausbesitzer sind, sollten Sie sich überlegen, ob Außenbeleuchtung überhaupt notwendig ist und, falls ja, ob eine eher schwache und an einen Bewegungsmelder gekoppelte Beleuchtung nicht vollkommen ausreicht. Das Licht stört viele Insekten und Zugvögel auf eine beträchtliche Weise (einmal davon abgesehen, dass die Nacht wieder deutlich schöner würde). Falls Sie mit der Astrofotografie anfangen möchten, sind die Einstiegshürden weniger hoch, als Sie vielleicht denken. Sie müssen nicht gleich ein Stativ mit motorischer Nachführung verwenden, das die Erdrotation ausgleicht. Es lassen sich auch mit einer normalen Kamera und bezahlbaren Objektiven großartige Sternenhimmelfotos aufnehmen. Das ist allerdings mit kurzen Brennweiten einfacher, weil die Bewegung der Sterne bei langen Brennweiten deutlicher wird und die Bilder in weitwinkliger Perspektive oft auch interessanter sind. Wenn Sie sehr lange Verschlusszeiten erreichen möchten, erhalten Sie bessere Ergebnisse, wenn Sie einige Einzelaufnahmen direkt hintereinander machen und diese in Photoshop mit der Füllmethode Aufhellen kombinieren. So bleibt das Streulicht im Himmel geringer und die Sternspuren wirken klarer. Die Astrofotografen sind sehr erfindungsreich, um die Aufnahmequalität bei langen Verschlusszeiten zu verbessern. So kühlen einige aktiv den Sensor, um das Bildrauschen zu verringern, oder sie bauen den Infrarot-Sperrfilter vor dem Sensor aus, um auch langwelligeres Licht einfangen zu können. Andere werten mit einem Laptop das Videosignal einer zweiten Kamera aus, die auf demselben Nachführstativ steht, um die Motorsteuerung des Stativs weiter zu verbessern und so trotz der Erdrotation perfekt scharfe Bilder zu erhalten. Viele der Sternenhimmelfotos werden aber ganz ohne Zusatztechnik aufgenommen, da bei weitwinkligen Objektiven die Sternbewegungen auch bei 30 s Verschlusszeit noch nicht sehr deutlich zu sehen sind. Und wenn Sie auch die Landschaft mit auf das Bild bekommen möchten, dann können Sie ohnehin nicht der Bewegung der Sterne folgen.

10.11  Fotografieren bei Nacht  |  563

GG Abbildung 10.77 Der Perseiden-Schauer über dem Sognefjell

14 mm | ƒ2,8 | 20 s | ISO 2 500 |   Nikon AF-S Zoom-Nikkor 14–24 mm 1:2,8G ED

564  |  10  Motive

Nicht nur die zu starke Lichtabstrahlung stört in der Stadt, auch die Luftbewegungen wirken sich ungünstig auf die Schärfe aus. Hitzeflimmern gibt es nicht nur an heißen Tagen, sondern immer dann, wenn Luft unterschiedlicher Temperatur aufeinandertrifft. Um das selbst zu erfahren, stellen Sie sich mit Ihrer längsten Brennweite an ein Fenster und nehmen den Mond ins Bild. Vergrößern Sie die Live-View-Ansicht maximal, und schauen Sie sich an, wie sehr das Bild »schwimmt und tanzt«.

Kontraste bewältigen Wenn Sie in der Nacht fotografieren, ist das Raw-Format Pflicht. Sie benötigen den hohen Kontrastumfang, der im Raw-Bild aufgezeichnet wird. Die JPEGKomprimierung vernichtet gerade in den Schattenbereichen Information, sodass Sie später in der Bildbearbeitung die Schatten nicht mehr sinnvoll aufhellen können. Falls der Kontrastumfang der Raw-Datei nicht ausreichen sollte, bleibt Ihnen nur noch die Erstellung mehrerer Belichtungsvarianten und das spätere Zusammensetzen als HDR-Bild (siehe Seite 307). Da Sie ohnehin mit dem Stativ arbeiten müssen, haben Sie die besten Voraussetzungen für ein hochwertiges HDR. Beachten Sie aber, dass HDR kein Stilmittel ist, sondern eine Technik. Eine HDRAufnahme, die mehr nach HDR aussieht, als es technisch unbedingt notwendig ist, ist in meinen Augen misslungen. Oft führt eine Erweiterung des Kontrastumfangs allerdings nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis, weil Teile des Motivs so stockdunkel sind, dass eine korrekte Belichtung ohne eine Überstrahlung der anderen Bildbereiche nicht mehr zu erreichen ist. Dann müssen Sie eigenes Licht einsetzen, was nachts einfacher ist, als man es erwarten würde. Selbst relativ schwache Lichtquellen lassen sich wirksam nutzen: Ein normaler Kamerablitz kann zum Beispiel eine Strecke von über 100 m ausleuchten (siehe Seite 318), und auch eine handelsübliche Taschenlampe kann bei vielen Motiven für das notwendige Licht sorgen.

HH Abbildung

10.78 Um diese eine Aufnahme mit einem so scharf abgebildeten Mond zu erhalten, musste ich viel Ausschuss aussortieren. Die meisten Aufnahmen wurden durch das Luftflimmern, hervorgerufen von Tempera­ turunterschieden, unscharf.

1000 mm | ƒ10 | 1/320 s | ISO 1000 | Maksutov Spiegeltele

10.11  Fotografieren bei Nacht  |  565

Abbildung 10.79 E 13 Sekunden Verschlusszeit reichten, um den Motorroller mit einer kleinen LED-Taschenlampe auszuleuchten.

35 mm | ƒ5 | 13 s | ISO 320

10.12  Available Light HH Abbildung

10.80 Ein Blitz hätte die subtile Farbstimmung zerstört. Für ein Bild aus der Hand bei Offenblende war aber noch genug Licht vorhanden.

50 mm | ƒ1,4 | 1/50 s | ISO 1 600

566  |  10  Motive

Oft wird das Licht erst wirklich schön, wenn die Sonne weg ist. Innenräume bekommen abends eine intensive Atmosphäre, wenn nur noch das Kunstlicht vorhanden ist. In diesen Momenten eröffnet sich Ihnen eine eigene fotografische Welt, die Sie nicht durch den Einsatz eines Blitzlichtes zerstören sollten. Es gibt etliche Situationen, in denen sich ein Blitz ohnehin verbietet, etwa um Konzertbesucher nicht zu stören, Gemälde nicht zu schädigen oder weil der Raum zu groß ist, sodass der Blitz ihn nicht mehr ausleuchten kann. Aber auch dort, wo er erlaubt ist und technisch möglich, entstehen die besseren Bilder oft ohne Blitz. Available Light ist auch mit einer Einsteigerkamera und Kit-Objektiv kein Problem. Blende ƒ4 und ISO 1 600 reichen häufig aus – neueren Kameras erlauben oft deutlich höhere ISO-Werte. Inzwischen sind auch günstige 35-mm-ƒ1,8Objektive für APS-C-Sensoren auf den Markt gekommen (z. B. von Nikon und Sony für um die 200 €), sodass ein gutes, lichtstarkes Normalobjektiv für alle Fotografierenden mittlerweile erschwinglich geworden ist.

Mit der Digitalfotografie haben Sie bei schwachem Licht viel bessere Möglichkeiten als früher. Bei Farbfilmen war bei ISO 1 600 Schluss, und Sie hatten zugleich starke Einbußen bei Auflösung, Farbwiedergabe und Körnigkeit. Viele Kameras sind auch bei ISO  12 800 dem analogen Film noch überlegen. Falls Sie sich wegen früherer schlechter Erfahrungen an die Available-Light-Fotografie bisher nicht wieder herangetraut haben, sollten Sie ihr eine zweite Chance geben.

GG Abbildung

10.81 Ein schnelles Panorama aus der Hand – für mehr blieb vor der Generalprobe im kleinen Saal des Bolschoi-Theaters in Moskau keine Zeit. Mit Available-Light-Fotografie waren die Aufnahmen in wenigen Sekunden gemacht.

17 mm | ƒ5,6 | 1/20 s | ISO 1 600 | Panorama aus drei Aufnahmen

FF Abbildung 10.82 Available-Light-Fotografie eignet sich für ein schnelles Einfangen der Stimmung, wie hier aus dem fahrenden Auto an einem Sommerabend in Moskau.

50 mm | ƒ2,2 | 1/2000 s | ISO 1 000

10.12  Available Light  |  567

10.13  Stillleben Symbolik Wenn Sie das Thema Symbolik interessiert, ist das folgende Buch ein guter Start: Hildegard Kretschmer: Lexikon der Symbole und Attribute in der Kunst. 6. Auflage 2018, Reclam Verlag

Stillleben sind viel älter als die Fotografie – besonders in der Renaissance und im Barock machten sie einen großen Teil der Malerei aus. Wenn Sie sich näher mit historischen Stillleben beschäftigen möchten, sollten Sie sich in ihre Symbolik einlesen, denn viele dieser Bilder sind eben keine Ansammlung von möglichst naturalistisch gemalten und kunstvoll arrangierten Gegenständen, sondern voller Bedeutungen und Anspielungen. Symbolismus ist aus der Mode gekommen, und heutzutage werden Stillleben eher Stills genannt. Es bleibt ein hoher ästhetischer Anspruch und die Beschränkung auf nicht oder nicht mehr lebende Dinge. Blumen in der Vase können ein Stillleben sein, Blumen auf der Wiese nicht. Es gibt auch eine Größenbeschränkung: Sobald das Motiv nicht mehr auf einen Tisch passen würde, bezeichnet man es eigentlich nicht mehr als Stillleben.

GG Abbildung

10.83  E Eine einzige Striplight-Softbox ist für die grafischen Reflexionen auf dem Bügeleisen verantwortlich. Einfache Lichtaufbauten sorgen oft für klare Bilder.

35 mm | ƒ16 | 1/200 s | ISO 100

Für die Kameratechnik sind Stillleben eher einfach, da das Motiv unbewegt ist und alle Einstellungen in Ruhe vorgenommen werden können. Die fotografischen Herausforderungen heißen hier Licht, Materialität und Komposition. Eine Brennweite wie im Porträtbereich (70 bis 100 mm) ist auch für Stills ideal, da die Perspektive dann am natürlichsten wirkt und keine Verzerrungen den Bildeindruck stören.

568  |  10  Motive

Licht Viele Stills lassen sich sehr gut mit natürlichem Licht aufnehmen, in den letzten Jahren ist sogar ein Trend dahin zu erkennen. Direktes Sonnenlicht ist dafür jedoch in der Regel nicht ideal. Entweder wählen Sie den Schatten und streuen das Sonnenlicht mit einem Diffusor – der auch ein weißes Bettlaken sein kann – oder Sie hellen das Sonnenlicht mit einem Reflektor weich auf. In einem Studio haben Sie die Möglichkeit, maßgeschneidertes Licht für Ihr Motiv zu setzen. Gehen Sie vom Motiv aus, und überlegen Sie dann, welches Licht am besten passen würde. Möchten Sie Kanten betonen, Spiegelungen erzeugen oder das Material hervorheben? Soll das Licht an die Nachmittagssonne erinnern? Große, glänzende Flächen beschränken Ihre Lichtmöglichkeiten etwas, weil sich hier das Licht direkt spiegeln kann. Flaschen und Gläser sehen oft am besten aus, wenn sich ein schmaler Lichtreflex über die ganze Seite zieht. Dies erreichen Sie mit einer schmalen Softbox (Striplight).

GG Abbildung

10.84 Die Nikon steht auf einer schwarzen Glasplatte, hinter ihr eine Softbox, aber ein von hinten beleuchtetes Bettlaken oder Butterbrotpapier täte es auch. Rechts ein Smartphone an ein Objektiv gelehnt, links eine LED-Campingleuchte. Die Kamera, mit der ich das Bild aufnahm, lag ebenfalls auf dem Tisch.

FF Abbildung

10.85 Auch mit sehr einfachen Mitteln und ohne zu blitzen, können Sie Studioaufnahmen erstellen.

35 mm | ƒ8 | 1,2 s | ISO 200 | Bildausschnitt aus einem Querformat

10.13  Stillleben  |  569

GG Abbildung

Foodfotografie In der Foodfotografie ist das Zeitfenster, in dem das Motiv perfekt aussieht, recht kurz und umso kleiner, je wärmer es ist. Lassen Sie, um die Temperatur etwas niedriger zu halten, das Einstelllicht der Blitzanlage nicht lange und mit großer Stärke brennen. Gut ist auch eine Arbeitsteilung. In Studios wird in der Foodfotografie oft mit Koch, Foodstylist und Fotoassistent gearbeitet. Als Amateur kann man sich das natürlich nicht leisten, aber zu zweit sollten Sie schon sein, damit Sie schnell und hochwertig arbeiten können.

Abbildung 10.87 E Hartes und entferntes Blitzlicht kann dem Sonnenlicht sehr ähnlich sein.

100 mm | ƒ11 | 1/200 | ISO 200 | externer Systemblitz per Funk aus­ gelöst

570  |  10  Motive

10.86 Leichtes Gegenlicht mit einem Aufheller von vorn eignet sich gut für plastische Foodaufnahmen. Im linken Bild erzeugte ich dieses mit einem quer gestellten Striplight bei abgeblendetem Objektiv. Rechts kommt das Licht vom Fenster, und das Objektiv war aufgeblendet. Diese Version wirkt etwas natürlicher und moderner.

Links: 100 mm | ƒ14 | 1/200 | ISO 200 | Systemblitz mit Striplight 22 × 90 cm quer  Rechts: 90 mm | ƒ2,8 | 1/100 | ISO 2 500

Für Stills benötigen Sie nicht unbedingt eine Studioausrüstung. In letzter Zeit ist es wieder modern geworden, natürliches Licht von einem Fenster oder im Schatten einer Hauswand zu verwenden. Das kann auch mit dem Einfluss der Foodblogger zusammenhängen, die mit einfachen fotografischen Mitteln arbeiten und einen natürlichen Look bevorzugen. Natürlich wird da trotzdem viel inszeniert, damit man auch in einer kleinen Mietwohnung die Anmutung eines alten Landhauses hinbekommt oder das Bild so aussieht, als wäre es spontan bei einem Essen mit Freunden entstanden.

Sonnenlicht ist oft das schönste Licht. Wenn es zu hart wirken sollte, können Sie einen Reflektor zum Aufhellen der Schatten verwenden. Wenn Sie im Studio die Sonne scheinen lassen wollen, merken Sie sich folgende Faustformel: Der Durchmesser der Sonne ist grob einhundert Mal kleiner als ihr Abstand zur Erde. Wenn Sie einen Systemblitz mit 5 cm Reflektor-Durchmesser verwenden und diesen 5 Meter entfernt aufbauen, dann wird die Härte der Schattenkanten der von Sonnenlicht entsprechen. Sollte das Motiv zu groß sein, wird der Lichtabfall durch den unterschiedlichen Abstand zur Lichtquelle Sie verraten, aber für begrenzte Bildausschnitte funktioniert das recht gut.

Tricks der Studiofotografen Gehen Sie nicht davon aus, dass Studiofotografen einfach nur gutes Licht setzen. Gerade in der werblichen Foodfotografie zum Beispiel herrscht mehr Schein als Sein. Damit ein Bierfoto perfekt wirkt, werden Flasche, Etikett und Glas manchmal mit drei verschiedenen Lacken eingesprüht. Nur so perlen die Tropfen genauso ab, wie der Fotograf oder die Agentur sich das vorgestellt haben. Um den Bierschaum gut hinzubekommen und stabil zu halten, wird leicht giftiger Schaumverstärker eingesetzt. Der Schaum auf dem Kaffee wird mit Spülmittel verstärkt, Wassertropfen werden durch Glyzerin ersetzt – so ist der Schaum stabiler, und die Tropfen haben eine perfekte, runde Form. Die kleinen Tröpfchen auf kühlen Flaschen werden einfach aufgesprüht. Unerwünschte Reflexionen werden mit Mattspray entfernt, und Staub wird mit einem kleinen Kompressor weggepustet, sonst kann er je nach Lichtsituation auch bei Motiven, die nicht im Makrobereich liegen, deutlich sichtbar werden. Weiße Handschuhe, die Sie in jedem Arbeitsbekleidungsgeschäft erhalten, verhindern, dass Sie Fingerabdrücke auf glänzenden Flächen hinterlassen. Wenn ein Objekt direkt auf dem Untergrund liegt, wirkt es oft flach. Im Fotobedarf bekommen Sie Knetmasse, mit der Sie die Objekte etwas erhöht auf dem Untergrund befestigen können. Die Haftknete eignet sich ebenso, um kleine Aufheller zu fixieren. In der Werbefotografie ist also alles erlaubt, was das Bild verbessert. Werbung ist Manipulation und keine Produktinformation. Wahrheit ist unwichtig, was zählt, ist die Wirkung. Damit will ich keine Konsumkritik üben, sondern nur hervorheben, dass im Studio »gemogelt« werden darf. Wenn sich ein Problem nicht fotografisch lösen lässt, dann verändern Sie das Motiv. Im Zweifel ist das Echte aber immer besser als der Trick. Künstliche Eiswürfel sehen auch künstlich aus, und kleine Unregelmäßigkeiten lassen ein Bild erst authentisch und lebendig wirken. 95 % perfekt ist oft viel besser als 100 %.

GG Abbildung

10.88 Unscheinbar, aber im Studio sehr praktisch: Haftknete ist das kleinste Stativ der Welt. (Bild: Hama)

10.13  Stillleben  |  571

10.14  Unterwasserfotografie Die Digitalfotografie hat auch die Unterwasserfotografie angenehmer gemacht. Live View erleichtert die Bildkomposition, und heute ist nicht mehr nach nur 36 Bildern Schluss, wie das früher häufig der Fall war, weil man unter Wasser keine Filme wechseln konnte. Eine große Speicherkarte hält meist länger als die Sauerstoffflasche, sodass Sie so lange fotografieren können, wie Sie tauchen können. Wenn Sie in die Unterwasserfotografie einsteigen möchten, müssen Sie drei Dinge wissen, die Ihnen die Wahl der Ausrüstung erleichtern werden: EE Brennweitenverlängerung: Da die Lichtbrechung zwischen Glas und Wasser anders ist als zwischen Glas und Luft, erscheint die Brennweite um etwa ein Drittel verlängert. Wenn Sie also ein Normalobjektiv (50 mm) verwenden möchten, müssen Sie tatsächlich eher 35 mm Brennweite benutzen, um den gewünschten Bildeindruck zu erhalten. Die Kamera oder das Objektiv sollte also deutlich mehr Weitwinkel unterstützen, als Sie es über Wasser brauchen würden. EE Eintrübung: Wasser ist voller Schwebeteilchen. Um darin klare Bilder aufzunehmen, müssen Sie meist relativ nah an das Motiv heran. Wenn der Blitz zu nah an der Kamera ist, erhellt er eher die Schwebeteilchen vor dem Objektiv als das Motiv, das weiter weg ist. Deswegen sollte ein Blitz deutlich von der optischen Achse des Objektivs entfernt sein. EE Lichtabfall und Farbverschiebung: Je tiefer Sie tauchen, desto mehr langwellige Lichtanteile des Sonnenlichts werden ausgefiltert. Schon nach wenigen Metern ist fast nur noch Grün und Blau übrig. Wenn Sie im Raw-Format fotografieren, können Sie das anfangs noch korrigieren. Danach hilft nur noch ein Blitz, um ein vollständiges Farbspektrum zu erhalten. Abbildung 10.89 E Kompakte Unterwasserkameras lassen Sie auch dort noch entspannt Bilder aufnehmen, wo Sie Ihre Systemkamera nie guten Gewissens mitnehmen würden.

572  |  10  Motive

GG Abbildung

10.90 In vielen Unterwassergehäusen ist das Zoom kaum noch zu bedienen. Eine eher kurze Festbrennweite ist deswegen ideal zum Tauchen.

GG Abbildung 10.91 Schon kurz unter der Wasseroberfläche ist die Verschiebung in den grünblauen Farbbereich gut zu erkennen.

85 mm | ƒ4,5 | 1/125 s | ISO 4 000

35 mm | ƒ4 | 1/125 s | ISO 1 250

Es gibt Sucherkameras, die in bis zu zehn Metern Wassertiefe funktionieren. Wenn Ihnen die Qualität nicht ausreicht, müssen Sie auf Unterwasserhüllen für Kameras wie zum Beispiel von ewa-marine ausweichen. Wenn diese an ihre Grenzen kommen, hilft nur noch ein echtes Unterwassergehäuse, das Ihre Kamera wasserdicht umschließt. Echte Unterwasserkameras wie die Nikon Nikonos V oder Nikonos RS werden leider nicht mehr gebaut.

10.15  Fotografie als Kunst Es gibt etliche Künstler, die die Fotografie als Medium verwenden. Es ist nun aber nicht so, dass Sie, wenn Sie als Fotograf immer besser werden, irgendwann automatisch ein Künstler sind. Normalerweise sind Sie dann »nur« ein sehr guter Fotograf. Im Amerikanischen würde man Sie dann zwar korrekt als artist bezeichnen, aber im Deutschen ist der Begriff der Kunst viel enger gesteckt. Deswegen sollten Sie diesen Begriff auch sehr vorsichtig verwenden, nicht nur den der Kunst, sondern auch art. Es ist nicht einfach, zu definieren, was ein Bild zur Kunst macht. Ein Künstler hat meist einen völlig unterschiedlichen Ansatz und eine andere Motivation,

10.15  Fotografie als Kunst  |  573

Bilder zu machen, als der Fotograf. Für den Künstler ist die Fotografie meist kein Selbstzweck, sondern nur ein Medium. Aber muss man Kunst wollen, um Künstler zu sein? Auch das ist keine Voraussetzung, wie das Beispiel von Arnold Odermatt zeigt. Odermatt dokumentierte als Schweizer Polizeifotograf 40 Jahre lang Verkehrsunfälle. Seine Aufnahmen sind sachlich und für das Sujet von vielleicht etwas zu großer gestalterischer Qualität: reduziert auf das Wesentliche, klar und doch vielleicht ein wenig überhöht. Seine Aufnahmen erhielten erst, als sein Sohn sie für einen Dokumentarfilm entdeckte, weltweite Aufmerksamkeit in der Kunstszene. Ein Fotograf wie August Sander, dessen Berufs- oder Handwerkerporträts Sie vielleicht kennen, hatte zwar viel Austausch mit bildenden Künstlern wie Otto Dix oder Raoul Hausmann, nahm seinen Platz in der Kunstgeschichte aber mit klaren sachlichen Fotografien ein. So nah an der Fotografie muss man nicht bleiben, wie das Beispiel von Andreas Gursky zeigt. Seine Bilder sind häufig aus etlichen Fotografien montiert, was ihm eine große Freiheit über die Bildfläche gibt. Anna und Bernhard Blume schaffen mit konventionellen fotografischen Mitteln völlig neue Realitäten. Trotz humorvoller Darstellung bleibt etwas übrig, was uns tiefer berührt. Sogenannte Land-Art-Künstler wie z. B. Andy Goldsworthy verwenden Fotografie zur Dokumentation ihrer Werke in der Natur. Auf dem Kunstmarkt werden hauptsächlich die Fotos gehandelt, obwohl das eigentliche Werk ein anderes ist. Auch wenn Sie selbst niemals künstlerisch arbeiten wollen, lohnt sich für Sie die Beschäftigung mit der Kunst. Sie schärft den Blick und den Geist und ermöglicht einem in manchen Situationen, anders zu denken, weil man durch die Kunst mit ganz anderen Ideen konfrontiert wird als im sonstigen Leben.

FF Abbildung 10.92 Columbia Presbyterian Medical Center, 168th Street and Broadway, from 165th Street and Riverside Drive, Manhattan. Berenice Abbott wird heute zu Neuen Sachlichkeit gezählt, bereits 1970 widmete man ihr eine Einzelausstellung im MOMA. (Bild: New York Public Library)

574  |  10  Motive

10.16  Fotorecht Spätestens dann, wenn Sie ein Foto veröffentlichen wollen, müssen Sie eine Menge beachten. Das Folgende ist nur als Übersicht gedacht und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Gültigkeit im Einzelfall. Recht am eigenen Bild | Grundsätzlich hat jede Person, die auf einem Foto ab-

gebildet ist, das Recht, darüber zu entscheiden, ob das Bild veröffentlicht wird. Ausnahmen gelten nur für die Abbildung von Menschenmengen in der Öffentlichkeit, bei denen es auch praktisch gar nicht durchführbar wäre, eine Erlaubnis von jedem Einzelnen einzuholen. Aber selbst dort wäre eine Erlaubnis nötig, wenn eine Person bildwichtig ist, etwa weil sie der handelnde Mittelpunkt der Szene ist oder in einer anderen Art und Weise hervorgehoben wird. Eine zweite Ausnahme bilden Abbildungen von Personen im Zusammenhang mit zeitgeschichtlichen Ereignissen. Politiker oder bekannte Schauspieler beispielsweise dürfen abgelichtet und diese Bilder auch für die Presse verwendet werden, sofern die abgebildeten Personen im unmittelbaren Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis fotografiert wurden. Aber auch diese Personen haben ein Anrecht auf den Schutz der Privatsphäre, die Sie auch dann schon verletzen können, wenn etwa die Kinder dieser Personen mit abgebildet sind. Eine werbliche Nutzung verbietet sich dann ohnehin, es sei denn, Sie bleiben ganz nah an der Zeitgeschichte. Denken Sie beispielsweise an die provokante Plakatwerbung der Autovermietung Sixt, mit der sie mit verschiedenen Politikern und anderen Prominenten für ihre Dienstleistung wirbt. Beachten Sie, dass es sich hierbei um deutsches Recht handelt und dieser Bereich bislang nicht einmal EU-weit harmonisiert wurde. In England ist es (mit Einschränkungen) erlaubt, Menschen im öffentlichen Bereich aufzunehmen, während es in Frankreich und Deutschland schon ein Problem darstellen kann, wenn Sie ein Gebäude vom Balkon anstatt von der Straße aus fotografieren und das Bild dann veröffentlichen. Am besten sichern Sie sich vor einer Reise durch eine Internetrecherche ab, denn auch das Fotorecht ist Änderungen unterworfen und wird je nach Land unterschiedlich gehandhabt. Die Street-Photography ist in Deutschland praktisch tot. Wenn Sie die Bilder, die zum Beispiel Rudi Meisel in den 1970er-Jahren möglich waren, vergleichen mit dem, was ihm und anderen Fotografen heute in Deutschland möglich ist, dann sind die Möglichkeiten extrem geschrumpft. Von der Street-Photography können Sie als Anwalt besser leben als als Fotograf. Die Einführung der DS-GVO hat das keinesfalls leichter gemacht. Wenn Sie auf einer Veranstaltung fotografieren, sollten Sie sicherstellen, dass der Veranstalter auf das Fotografieren hinweist. Es gab auch schon Veranstaltungen, bei denen

Literaturtipp Das Thema Foto- und Bildrecht ist komplex. Wenn Sie sich umfassend und verlässlich informieren wollen, sollten Sie nicht »hier und da« im Internet nachlesen. Ein empfehlenswertes Buch ist ebenfalls beim Rheinwerk Verlag erschienen: Wolfgang Rau: Recht für Fotografen. Der Ratgeber für die fotografische Praxis. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Bonn: Rheinwerk Verlag 2017. Zu Entwicklungen wie der DSGVO finden Sie Downloadmaterial zum Buch.

10.16  Fotorecht  |  575

einzelne Teilnehmer, etwa durch einen roten Punkt als Aufkleber, deutlich machen konnten, dass sie nicht fotografiert werden wollten. Panoramafreiheit  | Selbst wenn keine Person im Bild ist, heißt das nicht, dass

Sie ein Foto einfach veröffentlichen dürfen. Wenn Sie in Gebäuden oder auf privatem Grund fotografieren, benötigen Sie eine Erlaubnis. Erlaubnisfrei ist nur das, was durch die sogenannte Panoramafreiheit abgedeckt ist. Bilder von öffentlichem Grund ohne Hinzunahme von Hilfsmitteln wie etwa Leitern sind frei zu verwenden. Aber selbst hier gibt es Ausnahmen, wie etwa das Urheber- und das Markenrecht. Urheberrecht  | Wenn Sie ein temporäres Kunstwerk im öffentlichen Raum fo-

tografieren, dürfen Sie die Bilder nur während der Ausstellungsphase veröffentlichen. Die Reichstagsverhüllung von Christo und Jeanne-Claude 1995 ist ein prominentes Beispiel. Hier wurde den Fotografen nach dem Abbau untersagt, die Bilder zu verwenden. Ebenso müssen Sie aufpassen, dass Sie nicht die Werke anderer Künstler und Designer mitfotografieren. Mir ist der Fall eines Fotografen bekannt, der Lizenzkosten an einen anderen Fotografen zahlen musste, weil auf seinem Bild der Kalender des zweiten Fotografen an der Wand zu sehen war. Die amerikanische Post musste über 600 000 USD Schadensersatz an einen Bildhauer zahlen, weil sie ein Foto seines Kriegerdenkmals auf der 37-Cent-Briefmarke veröffentlichte, ohne seine Erlaubnis einzuholen. Das Urheberrecht ist aber auch Ihr Recht: EE Der Urheber hat das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist (§ 12 UrhG). EE Sie haben das Recht auf Namensnennung (§ 13 UrhG). EE Es ist vererblich. Es endet 70 Jahre nach dem Tode des alleinigen Urhebers (§ 64 UrhG). EE Das Urheberrecht ist nicht gesamt übertragbar, Sie können allerdings Nutzungsrechte einräumen (§ 29, § 34 UrhG). Ohne das Urheberrecht könnten die meisten Künstler, Musiker, Schriftsteller und Fotografen nicht von ihren Werken leben. Markenrecht | Wenn ein Foto werblich genutzt werden soll, müssen Sie darauf

achten, dass Sie nicht die Rechte anderer verletzen. Markeninhaber möchten Kontrolle darüber haben, in welchem Kontext ihre Logos und Produkte auftauchen. Objekte mit geschütztem Design können davon ebenso betroffen sein. Sie können darauf verzichten, solche Objekte in Bildern zu verwenden, Sie können

576  |  10  Motive

sie so weit unkenntlich machen, dass sie neutral sind, oder sich vom Rechteinhaber ein sogenanntes Property Release besorgen, das Ihnen die Verwendung erlaubt. Das kann auch Dinge betreffen, an die man eher nicht denkt, wie zum Beispiel Autos. Ich bin selbst manchmal überrascht, was an Regelungen zu beachten ist. So musste ich eine schriftliche Erlaubnis einholen, um Bilder der Zeche und Kokerei Zollverein für dieses Buch verwenden zu dürfen, obwohl das Gelände sehr offen ist, staatlich gefördert wird und keine werbliche Verwendung vorliegt. Beachten Sie auch, dass in anderen Ländern zum Teil noch schärfere Regeln gelten. Besonders in Frankreich und den USA nimmt das teilweise extreme Ausmaße an, und Sie können nicht von Erfahrungen in einem Land auf vergleichbare Regelungen und Handhabungen in einem anderen Land schließen. Machen Sie sich also schlau, vor allem bevor Sie Bilder in Bildagenturen geben, weil diese meist auch für die Nutzung in der Werbung angeboten werden, wo die schärfsten Regeln gelten. Auf der anderen Seite sind Sie dann auch in der Lage, sachlich fundiert zu antworten, wenn jemand Sie in Ihren Rechten einschränken möchte, sei es der Wachmann in der Einkaufsstraße oder der Hausbesitzer, wenn Sie eine Straßenansicht aufnehmen. Ich bleibe dabei immer freundlich und erkläre meine Absichten, fotografiere niemals Personen, wenn diese das nicht wollen, erkläre im Einzelfall aber auch, warum ich das darf, was ich gerade mache. Ich habe von Leuten gehört, die beim Fotografieren massiv bedroht wurden. Dann hilft es oft, vorzuschlagen, die Polizei zu rufen. Wenn Sie sachlich und freundlich bleiben, sollte es meistens nicht so weit kommen müssen.

HH Abbildung 10.93 Links: So fotografierte ich das Bild. Das Markenlogo von Apple ist deutlich zu erkennen. Rechts: So ging das Bild zum Kunden. Das Laptop ist nun markenneutral, weil ich das Logo wegretuschiert habe.

85 mm | ƒ2 | 1/80 s | ISO 1 000

10.16  Fotorecht  |  577

Noch einmal abschließend: Die Beschäftigung mit dem Thema Foto- und Bildrecht ist vielleicht nicht Ihr erster Gedanke, wenn Sie sich mit der Fotografie befassen wollen. Und oft genug gilt auch das Motto »Wo kein Kläger, da kein Richter«. Dennoch möchte ich Sie ermutigen, sich auch mit diesen Aspekten der Fotografie zu befassen. Sonst tappen Sie oft im Dunkeln und müssen im schlimmsten Fall mit juristischen Konsequenzen rechnen. Auf der positiven Seite können Sie im Einzelfall vor Ort die Lage besser einschätzen und selbstbewusster argumentieren. Am Ende gilt einfach: Je mehr Sie wissen, desto bewusster können Sie Entscheidungen treffen – in die eine oder die andere Richtung! Wenn Sie sich selbst einlesen möchten, finden Sie in »Recht für Fotografen« von Wolfgang Rau einen guten Ratgeber.

Mit Fotos Geld verdienen Eine Motivation für die eigene Fotografie kann natürlich das Geldverdienen sein. Hier stehen Amateuren keine Hindernisse mehr im Weg. Heute muss man nicht mehr in der Handwerksrolle eingetragen sein, um mit Bildern Geld zu verdienen. Auch als Amateur sollten Sie sich Gedanken machen über den Wert der Bilder und die angemessene Vergütung. Wenn Microstock-Bildagenturen mit Bildpreisen ab 14 Cent werben und die Agentur davon noch einen großen Teil einbehält, ist von der Angemessenheit nichts mehr übrig. Wenn ein Kunde ein Bild von Ihnen kaufen möchte, das er im Internet gesehen hat, kann er sich auch direkt mit Ihnen in Verbindung setzen, und Sie können ein vernünftiges Honorar aushandeln, von dem Sie dann nicht nur 20 % oder 30 % wie bei manchen Bildagenturen erhalten. Umsatz und Gewinn sind sehr unterschiedliche Dinge. Für die meisten Teilnehmer an Microstock-Agenturen ist der Einsatz nicht ansatzweise kostendeckend, und damit ist die Teilnahme daran nicht viel anderes als Dumping. Viele argumentieren, dass ihnen das egal sei, weil sie ihr Geld ohnehin anders verdienen würden. Ich fände es sehr sonderbar, wenn ich meine kommerziell genutzten Arbeitsergebnisse über andere Tätigkeiten subventionieren müsste. Und Sie kämen sich vielleicht auch komisch vor, wenn Ihnen jemand erzählen würde, dass er Ihren Job gern für 50 Cent pro Stunde erledigen würde, einfach weil es ihm Spaß mache. Außerdem würde er gern seinen Freunden erzählen, dass er nun auch in dieser Branche tätig sei … Es gibt inzwischen sogar schon Metasuchmaschinen, die darauf spezialisiert sind, den billigsten Anbieter für ein be-

578  |  10  Motive

stimmtes Bild zu finden, denn viele Microstock-Fotografen streuen ihre Fotos über einige Agenturen und heizen den Preiskampf damit noch weiter an. Es gibt auch Bildagenturen, die Bilder komplett kostenfrei anbieten, selbst für die kommerzielle Nutzung. Fotos einer solchen Agentur fand man im NRW-Wahlkampf 2010 in der Wahlwerbung einer rechtspopulistischen Partei wieder, was wahrscheinlich auch nicht jedem Fotografen recht ist. Und auch die FDP musste feststellen, dass Stockmaterial nicht immer eine gute Wahl ist: Dieselbe fröhliche Familie, die sie für ihren Wahlwerbespot zur Bundestagswahl 2013 auswählte, wurde auch in einem Spot der NPD verwendet. Wenn Sie Interesse haben, in einer Bildagentur mitzuarbeiten, machen Sie sich schlau, was im Verhältnis zum Aufwand zu erwarten ist. Falls Sie nach einer Weile feststellen sollten, dass unter dem Strich nur die Ausbeutung Ihrer Arbeitskraft übrig bleibt, dann steigen Sie wieder aus. Es gibt sinnvollere Möglichkeiten, am Fotomarkt teilzunehmen, als über Agenturen, die mit Centbeträgen pro Bild werben. Ein Bild, das gut genug ist, um kommerziell verwendet zu werden, ist auch gut genug für eine angemessene Vergütung, und dann macht es auch keinen Unterschied, ob es von einem Profi oder einem Amateur stammt. Profis haben nichts gegen Konkurrenz von Amateuren, aber sie haben etwas gegen Preise, von denen niemand leben kann. Eine gute Grundlage für Bildhonorare ist die sogenannte MFM-Liste, die Sie beim Bundesverband der Pressebildagen­ turen und Bildarchive e.V. (www.bvpa.org) erwerben können.

kurz & bündig:  Motive Die Fotogeschichte hat ihre Standardthemen, trotzdem müssen Ihre Bilder nicht so aussehen, als wären sie reine Wiederholungen. In den letzten Jahren ist eine Vielzahl von echten Neuerungen auf den Markt gekommen, die auf der technischen Seite der Fotografie Dinge möglich gemacht haben, die es noch nie gab. Um nur einige zu nennen: EE ISO-Werte, die das Fotografieren aus der Hand bzw. das Filmen bei Mondlicht gestatten EE extreme Weitwinkelobjektive, wie z. B. 10 mm Brennweite für Vollformat (Samyang XP 10 mm/ƒ3,5) EE 17-mm-Tilt-Shift-Objektiv (Canon TS-E 17 mm/ƒ4L), das sich mit noch größerem Bildwinkel auch an spiegellosen Mittelformatkameras verwenden lässt EE Zooms mit durchgehender Blende ƒ1,8 (Sigma 18–35 mm/ƒ1,8 DC HSM für APS-C) EE Raw-Videos mit Systemkameras (Blackmagic Pocket Cinema Camera) EE 4 K- oder 6 K-Videoaufzeichnung mit Systemkameras EE sanfter Nachführ-Autofokus auch für Live View und Videos EE Schnelle und sichere Gesichts- und Augenerkennung im AF, zum Teil sogar für Tieraufnahmen EE automatische Panoramaköpfe EE Kamerasteuerung und Bildübertragung über WLAN und Bluetooth EE Drohnen mit automatischer Stabilisierung und GPS für Luftaufnahmen EE Studioblitze mit HSS und Akkubetrieb, sodass Sie überall Studiolicht aufbauen können Es mag Fotografen geben, die auf solche Neuerungen fast reflexartig mit einem »Brauche ich nicht!« reagieren. Für kreative Menschen eröffnen diese Neuerungen aber faszinierende neue Möglichkeiten, Bilder zu schaffen, die vorher nicht realisierbar waren. Ich habe schöne Drohnenvideos gesehen oder Landschaftsaufnahmen, die nachts von einer Drohne beleuchtet wurden. Ein Pressefotograf begleitete eine militärische Nachtpatrouille bei fast völliger Dunkelheit und kam trotzdem – dank deutlich höherer ISO-Werte – mit dem vorhandenen Licht aus. Panoramen mit hunderten Gigapixeln laden dazu ein, Großstädte am Bildschirm zu entdecken. Picken Sie sich irgendeinen Bereich heraus, und gehen Sie an die Grenzen des technisch Möglichen. Vielleicht ergibt das noch nicht umgehend großartige Ergebnisse, aber Sie werden so Ihr Repertoire an Techniken erweitern, was auf

KURZ & BÜNDIG:

Motive  |  579

Dauer zu interessanteren Bildern führt. Indem Sie neugierig bleiben und immer neue Dinge anfangen, vermeiden Sie Wiederholung und Stillstand, was Gift für Ihre Kreativität wäre.

Anregungen für die Fotopraxis E Suchen

Sie sich ein Thema, zu dem Sie in der nächsten Zeit konzentriert fotografieren. Planen Sie, daraus eine Präsentation von zwölf Bildern zu machen. Sie werden merken, dass Sie dann an fotografische Fragen viel zielgerichteter herangehen werden, als wenn Sie einfach so Bilder aufnehmen. E Versuchen Sie, einen Arbeitsablauf so zu fotografieren, dass man keine weitere Erläuterung benötigt, um ihn zu verstehen. E Nehmen Sie ein richtig gutes Porträt von einem Freund, Ihrem Partner oder einem Familienmitglied auf. E Wagen Sie sich in ein fotografisches Gebiet, das Sie bisher noch nie ausprobiert haben. Verbinden Sie das auch mit technischen Details, die Sie bisher noch nicht verwendet haben, wie zum Beispiel ultralange Verschlusszeiten oder Makrofotografie. E Fotografieren Sie Ihr Lieblingsgebäude in einer Stadt so, dass es wie eine professionelle Architekturaufnahme wirkt.

FF Abbildung

10.94 Ein Panorama aus neun Querformaten, die ich mit 16 mm Brennweite aufnahm. Die perspektivischen Verzerrungen sind enorm, passen aber zur etwas utopisch wirkenden Architektur der Kirche St. Joseph in Le Havre von Auguste Perret.

16 mm | ƒ6,3 | 1/10 s | ISO 1 000 | Panorama aus 9 Aufnahmen

580  | 

KURZ & BÜNDIG:

Motive

E Fotografieren

Sie ein Objekt, das nicht größer ist als ein Schuhkarton. Das fertige Bild soll in Licht, Aufbau, Schärfe und Atmosphäre so gut wie nur möglich sein. Alles ist erlaubt. E Können Sie sich an Ihre Träume erinnern? Setzen Sie diese Bilder in Fotos um, oder nutzen Sie sie als Anregung für eine fotografische Arbeit. E Nehmen Sie ein richtig gutes Naturfoto auf. Wenn Sie nur wenig Telebrennweite haben, kann das auch ein Tierbild in einem Park oder eine Landschaftsaufnahme sein. Stehen Sie früh auf! E Gehen Sie durch Ihre eigene Stadt und versuchen Sie, sich wie ein neugieriger Reisender zu verhalten. Entdecken und fotografieren Sie abseits des Gewohnten.

HH Abbildung

10.95 Diese Nachtaufnahme im Gewittersturm wurde teilweise durch »Naturblitze« eingefroren.

17 mm | ƒ4 | 30 s | ISO 1 250

KURZ & BÜNDIG:

Motive  |  581

Kapitel 11:  Video Die meisten aktuellen Digitalkameras unterstützen die Aufzeichnung von Video. Als Fotograf haben Sie einen großen Teil der notwendigen Grundlagen schon erlernt. Trotzdem ist vieles anders, und es gibt neue Dinge zu beachten, wenn die eigenen Filme genauso gut wie die eigenen Fotos werden sollen. Eine Beschäftigung mit dem Thema Video lohnt sich, denn viele Motive funktionieren als Bewegtbild besser, und das Medium Video lässt sich im Internet ebenso einfach zeigen wie Fotografien.

11.1  Einführung Filmen war früher sehr teuer, weil Sie 24 Bilder pro Sekunde schießen mussten, um eine flüssige Bewegung abbilden zu können. Amateure benutzten deswegen sehr kleine Filmformate wie Super 8 (ein sogenanntes Schmalfilm-Filmformat mit einer Bildgröße von 5,69 mm × 4,22 mm), um den Materialverbrauch in Grenzen zu halten. Analoges Video machte die Aufzeichnung zwar günstiger, aber der Schnitt war immer noch sehr aufwendig, und die Qualität in Schärfe und Auflösung war zumindest in der Amateurtechnik nicht gut. Das digitale Video machte den Filmschnitt auf dem Computer einfach, war aber anfangs auch noch beschränkt auf die Auflösung eines Standardfernsehers. In den fotografischen Digitalkameras tauchte Video etwa ab 2001 zuerst in den Kompaktkameras auf. Diese mussten das Sucherbild ohnehin in Echtzeit auf dem Display anzeigen (bei DSLRs als Live View bekannt), weil sie oft gar keine weitere Sucheroption mitbrachten. Von da war es nur noch ein kleiner Schritt, diese bewegten Bilder auch als Video auf der Speicherkarte ablegen zu können. Live View kam bei DSLRs erst 2006 auf. Zwei Jahre später brachte Nikon mit der D90 die erste digitale Spiegelreflexkamera mit Videofunktion auf den Markt. Die EOS 5D Mark II, die Canon kurze Zeit später einführte, überraschte mit ihrem Erfolg im Videomarkt selbst ihren Hersteller. Inzwischen zeichnet selbst die puristische Leica M Videos im Full-HD-Format auf, und man muss lange suchen, um eine Kamera ohne Videooption zu finden. Bei digitalen Kameras wird das Bild bei der Videoaufzeichnung direkt auf dem Sensor erfasst, vom Prozessor unmittelbar in einen üblichen Videostandard umgerechnet und auf die Speicherkarte geschrieben. Digitalvideo setzt also Bildsensoren voraus, die entsprechend schnell ausgelesen werden, Prozessoren, die schnell genug codieren, und Speicherkarten, die diese Datenmengen ohne Verzögerung aufnehmen können. Um diesen Prozess einfacher zu bewältigen,

Abbildung 11.1 Ein hochformatiger Ausschnitt aus einem 4 K-Video

FFF

16 mm | ƒ9 | Sony α7 R III

Film- und Videotechnik Film benutzte wie die analoge Fotografie auch Positiv- und Negativfilm-Material. Während im Amateurbereich Diafilme wie z. B. Kodachrome Verwendung fanden, die direkt ein abspielbares Positiv ergaben, wurde im professionellen Bereich auf Negativfilm belichtet, damit sich im Kopierwerk Kopien z. B. für die einzelnen Kinos anfertigen ließen. Video hingegen wurde früher analog elektronisch aufgezeichnet (auf Magnetbänder) und ist heute praktisch ausschließlich Digitaltechnik.

11.1  Einführung  |  583

lesen die Digitalkameras nicht jedes Pixel des Sensors aus, sondern eine Untermenge, die für die im Vergleich zum Foto geringere Videoauflösung ausreicht. Außerdem wird die Bildinformation stark komprimiert, sodass die Speicherbandbreite nicht so hoch sein muss. Das führt manchmal zu Einschränkungen in der Bildqualität, die Sie zum Teil aber wieder umgehen können, wie Sie später sehen werden.

GG Abbildung

11.2 Dieses Motiv erschließt sich im Video viel einfacher als im Foto. Es handelt sich um einen kleinen Ausschnitt der Wasseroberfläche eines Teichs im Wald.

584  |  11  Video

Ausrüstung | Wenn Sie anspruchsvolle Videos produzieren möchten, benötigen

Sie nicht viel Zusatzausrüstung. Wahrscheinlich besitzen Sie bereits eine DSLR oder Spiegellose und ein Stativ. Was Sie sich dann noch besorgen sollten, sind ein externes Mikrofon und eine Videoschnittsoftware. Bei Letzterer reicht eine Einsteigerversion für unter 100 € vorerst aus, oder Sie verwenden die kostenlose Version von DaVinci Resolve. Bis Sie die Funktionen wirklich benötigen, die die professionellen Lösungen mit sich bringen, wird einige Zeit vergehen. Als Amateur werden Sie wahrscheinlich dauerhaft auch mit Amateursoftware arbeiten können. Adobe Premiere Pro CC als Profisoftware können Sie für unter 300 € im Jahr mieten, das ist für einen ambitionierten Videofilmer immer noch überschaubar. DaVinci Resolve Studio kostet 325 € (Stand Juli 2019), aber das sind

einmalige Kosten und die Software ist im Profibereich ebenfalls verbreitet. Eine Stabilisierungslösung für Aufnahmen aus der Hand (siehe Seite 590) ist vielleicht auch noch eine sinnvolle Investition, aber dann haben Sie auch schon alles, um gut loslegen zu können. Alles Weitere sollten Sie erst dann erwerben, wenn Sie bei Ihrer Arbeit gemerkt haben, dass Sie es wirklich benötigen. Sie sollten aber daran denken, dass Sie für die Videoarbeit mehr Speicherkarten und vor allem mehr Akkus benötigen werden. Technische Weiterentwicklung  | Auflösung und Wiederholraten werden mit

leistungsfähigerer Elektronik steigen – einfach deswegen, weil es technisch möglich wird. Im Profibereich sind schon 6 K- und 8 K-Kameras im Einsatz, die Panasonic Lumix S1H macht 6 K-Video auch für viele Amateure erschwinglich und nutzbar. Raw im Video ist technisch auch gut machbar, Speicher und Prozessorgeschwindigkeit limitieren den Nutzen aber im Moment noch. In ein paar Jahren werden wir diese Grenzen längst hinter uns gelassen haben. Die neueren Autofokus-Systeme sind auch im Videobereich professionell zu gebrauchen.

HH Abbildung 11.3 Das ist ein Ausschnitt aus einem Frame von einem 4 K-Video; in 300 dpi ließe sich das Gesamtbild auf 32,5 cm Breite drucken, hier habe ich das Bild seitlich beschnitten, damit es noch auf die Seite passt.

11.1  Einführung  |  585

Canons Dualpixel CMOS AF in Verbindung mit einem leisen Objektiv mit STMMotor und der Wahl des Fokusbereiches ermöglichen einen Autofokus, der so sinnvoll und einfach zu verwenden ist, wie Sie es im Fotobereich gewohnt sind. Inzwischen finden Sie aber auch bei anderen Herstellern phasenbasierten AF, der praktisch uneingeschränkt videotauglich ist.

11.2  Gestaltung Ein paar gestalterische Entscheidungen fallen im Videobereich von allein weg: zum Beispiel, ob Sie Hoch- oder Querformat verwenden oder die Frage nach dem entscheidenden Moment. Dafür kommen andere Möglichkeiten hinzu wie Schwenks oder Kamerafahrten. Für Sie als Fotografen ist das eine starke Umstellung, allerdings bringen Sie die wichtigen Grundlagen mit. Eine gute Übung ganz am Anfang ist, sich einen Film anzuschauen und ihn nur nach den verwendeten Gestaltungsmitteln zu betrachten. Wenn Sie nicht gerade einen 3D-Action-Film gewählt haben, werden Sie sehen, wie zurückhaltend gute Kameraleute ihre Mittel einsetzen. Zooms werden Sie fast gar nicht finden, weniger Schwenks, als Sie vermuten, und sehr viele Dinge werden über den Schnitt gelöst. Die Kamera selbst ist häufiger in Bewegung, wofür zum Teil großer Aufwand getrieben wird, z. B. werden Schienen verlegt, auf denen sogenannte Dollys mit der Kamera fahren. Abbildung 11.4 E Im Video müssen Sie Ihre Bilder für das 16 : 9-Seitenverhältnis komponieren anstatt wie meist im Fotobereich für 3 : 2.

586  |  11  Video

Im Video haben Sie es mit einem festen und relativ breiten Seitenverhältnis zu tun, die Detailfülle der Aufnahme ist begrenzter, weil Sie mit geringerer Auflösung arbeiten und auch oft auf die spätere Wiedergabegröße keinen Einfluss haben – anders als wenn Sie z. B. einen Fotoabzug an die Wand hängen. Die Unterschiede sind nicht mehr so groß, weil heute Full HD (1 920 × 1 080 Pixel) und 4 K (3 860 × 2 160 Pixel) Standard sind und nicht mehr die analoge Fernsehauflösung von 720 × 576 Pixeln. Trotzdem ist es immer noch eine ganz andere Sache, einen Film für das Fernsehen zu drehen als einen für das Kino. Denn meistens sitzen die Zuschauer so weit von dem Fernseher weg, dass sie die volle Auflösung mit ihren Augen ohnehin nicht erfassen können. Kleine Details werden dann einfach nicht wahrgenommen. Wenn Sie einen Film wie »Lawrence von Arabien« auf einem kleinen Fernseher anschauen, dann werden Sie wissen, was ich damit meine. Im Kino ist die Leinwand so groß, dass das menschliche Auge sein ganzes Auflösungsvermögen verwenden kann. Denken Sie bei Ihren Videos also auch an die Zeit, die der Betrachter benötigt, um die Details zu erfassen. Geben Sie ihm zu wenig Zeit, wird er Dinge übersehen und sich gehetzt fühlen, geben Sie ihm zu viel, wird er sich langweilen. Schnitt  | Als Fotograf haben Sie gute Voraussetzungen für den Videobereich,

weil Sie in Bildern denken. Wenn Sie Ihr Video aus verschiedenen Einstellungen montieren, dann wird das Ergebnis sicher besser, als wenn Sie versuchen, über kontinuierliches Zoomen und Schwenken das Geschehen zu erfassen. Profis machen sich deswegen zuerst ein sogenanntes Storyboard, in dem die einzelnen Aufnahmen wie in einem einfachen Comic skizziert sind. Das wird nicht immer möglich sein, weil Sie bei manchen Drehs nicht wissen, was passieren wird. Und für manche Projekte ist es auch zu aufwendig. Trotzdem sollten Sie in Einstellungen denken und Varianten aufnehmen, um später im Schnitt Ihre Geschichte auf eine ansprechende Weise zu erzählen. Eine zweite Kamera, die die Szene aus einer anderen Perspektive aufnimmt, kann helfen, den Schnitt später lebendiger zu gestalten. Sie kann z. B. auf einem Stativ stehen und die Totale aufnehmen, also eine Übersichtsaufnahme, während Sie mit der zweiten Kamera etwas bewegter die Details erfassen. Film ist auch ohne Schnitt möglich, wie z. B. Sebastian Schipper mit seinem Film »Victoria« 2015 bewiesen hat, der Film besteht aus einer 140 Minuten langen einzigen Einstellung.

Einstellung Eine Einstellung ist die kleinste Einheit beim Filmen, eine ungeschnittene Aufnahme, also das, was Ihre Kamera zwischen Start und Stopp einer Videoaufnahme aufzeichnet.

Schwenk  | Bei einem Schwenk wird die Kamera um ein oder zwei Achsen

gedreht, ohne dass sich ihr Standort ändert. Am häufigsten sind horizontale Schwenks. Ein Schwenk bietet sich an, wenn Sie ein Panorama erfassen oder

11.2  Gestaltung  |  587

GG Abbildung

11.5 Die Kamera folgt der hereinbrechenden Welle mit einem Schwenk von rechts nach links.

GG Abbildung

11.6 Ein Fluid-Neiger ist für weiche Videoschwenks optimiert. (Bild: Manfrotto)

588  |  11  Video

einem bewegten Objekt folgen möchten. Manchmal wird der Schwenk auch verwendet, um zwei Szenenbestandteile zueinander in Bezug zu setzen. Um einen Schwenk gleichmäßig zu gestalten, ist ein Stativ mit einem Fluid-Neiger hilfreich. Das ist ein Stativkopf, dessen Bewegungen durch Flüssigdämpfung gleichmäßiger ausgeführt werden. Für den Fotobereich eignet er sich nur eingeschränkt, weil er nur in zwei Achsen beweglich ist. Sie können Ihre Kamera damit nicht so einfach ins Hochformat bringen. Die Wirkung eines Schwenks hängt sehr von der Geschwindigkeit ab: Zwischen einem langsamen Schwenk, bei dem der Betrachter Zeit hat, alle Details einer Szene zu erfassen, und einem Reißschwenk, der zwei Objekte verbindet, ohne ein einziges Detail dazwischen wahrnehmbar werden zu lassen, ist alles möglich. Bei schnellen Schwenks allerdings, gerade mit kurzen Verschlusszeiten, kann sich der Rolling-Shutter-Effekt (siehe Seite 605) störend bemerkbar machen. Wenn Sie beweglicher bleiben wollen, können Sie ein Einbeinstativ verwenden. Noch mobiler sind Sie mit einem Bruststativ, bei dem ein Ende mit einem Gurt am Körper befestigt wird und das andere an der Kamera. So hat die Kamera weniger Freiheitsgrade und ist an einem Teil Ihres Körpers befestigt, der sich weniger bewegt als die Hände. Mit ein wenig Übung können Sie damit auch Aufnahmen aus der Bewegung heraus realisieren, aber für mehr als gelegentliche Bewegungen sollten Sie eher ein Schwebestativ verwenden (siehe den Abschnitt »Ka­merafahrt« auf der nächsten Seite).

Zoom  | Professionelle Videokameras besitzen einen sogenannten Motorzoom,

der Zoomfahrten ganz gleichmäßig ausführt. Das wird Ihnen bei einem normalen Fotoobjektiv nicht so einfach gelingen, weil der Zoomring dort auf eine schnelle manuelle Brennweitenveränderung optimiert ist. Leichter wird es mit einer mechanischen Umsetzung auf ein seitliches Einstellrad (genauso wie bei einer Schärfezieheinrichtung, siehe Seite 613) oder mit manuellen Objektiven mit einem längeren Einstellweg. Allerdings sollten Sie immer überlegen, ob eine Zoomfahrt überhaupt sinnvoll ist. Das ist eines der Stilmittel, das Anfänger sicher häufiger verwenden als Profis. Achten Sie einmal bei einem Kinofilm darauf, wie oft überhaupt Zoom verwendet wird. Eine Zoomfahrt kann sinnvoll sein, wenn Sie aus einer Totalen kontinuierlich in eine Nahaufnahme wechseln wollen, um die Position im Raum klarzumachen. Oft können Sie dies aber eleganter über den Schnitt lösen. Viele Filme verwenden nur genau eine Zoomfahrt in der Eingangssequenz. Im Zweifel sollten Sie immer auf eine Zoomfahrt verzichten. Kamerafahrt | Eine Kamerafahrt ist die Veränderung des Standpunktes während

GG Abbildung 11.7 Der DJI Ronin M stabilisiert eine Kamera aktiv über Elektromotoren und reicht für eine schwere DSLR aus. (Bild: DJI)

der Aufnahme. Dies ist ein recht häufig genutztes Mittel, allerdings ist es nicht ganz einfach umzusetzen. Wenn die Bewegung nicht gleichmäßig genug ausgeführt wird, kann dies bei manchen Betrachtern sogar Übelkeit hervorrufen. Die Kamera einfach in die Hand zu nehmen und dem Motiv zu folgen, funktioniert fast nie ohne zusätzliche Hilfsmittel. Im Kinobereich werden dafür Schienen für Dollys verlegt, sodass die gesamte Kamera mit Stativ gefahren werden kann, oder es wird eine Steadicam (auch Steadycam) verwendet, die die Kamera vom Kameramann entkoppelt und flüssige Bewegungen z. B. auch bei einem über Treppen laufenden Kameramann ermöglicht. So ein System war früher preislich nur für große Produktionen möglich, aber die aktuellen Varianten für VideoDSLRs wie das DJI Ronin M liegen bei unter 1 000 €, wenn Ihre Kamera nicht so schwer ist, finden Sie auch Lösungen für um die 500 €, und für das Smartphone schon für um die 100 €. FF Abbildung 11.8 Bei einer Kamerafahrt helfen lange Verschlusszeiten von 1/30 s bis 1/60 s, um wahrnehmbares Ruckeln zu vermeiden.

11.2  Gestaltung  |  589

Kamera stabilisieren  | Es gibt allerdings auch ein paar Tricks, die die Zitternei-

gung der Kamera bei gleichzeitig freier Beweglichkeit stark einschränken. Eine ist ein sogenanntes Schwebestativ, das die Kamera durch einen mechanischen Arm mit einem Gegengewicht verbindet. So kann sich die Kamera um eine Achse nicht mehr so leicht drehen, und ihre Bewegungen werden insgesamt träger. Da Sie die Kamera-Gegengewicht-Kombination in ihrem Schwerpunkt halten, besteht keine Kippneigung in irgendeine Richtung. Mit ein wenig Übung können Sie die Kamera so sehr ruhig bewegen. Der Nachteil von Schwebestativen ist das höhere Gewicht, das auf Ihren Arm wirkt. So können sich schnell Ermüdungserscheinungen einstellen. Eine Alternative ist ein Schulterstativ, das die Kamera weich auf Ihrer Schulter abstützt. Die Bewegung ist damit vielleicht nicht ganz so weich, dafür ist es im längeren Einsatz sehr viel kraftschonender. Bildstabilisator | Eine ruhige Kamerabewegung ist die erste Wahl, lässt sich aber

GG Abbildung 11.9 Ein Schwebestativ stabilisiert die Kamerabewegung durch Gegengewichte und eine Aufhängung im gemeinsamen Schwerpunkt. (Bild: Flycam)

nicht immer erreichen. Der Einsatz eines Bildstabilisators in Objektiv oder Kamera kann das Ergebnis durchaus deutlich verbessern, kann aber auch negativen Einfluss auf die Videoqualität haben. Wenn Sie Pech haben, fängt das Bild durch den Stabilisator an, zu schwimmen, und der Betrachter wird an die Seekrankheit erinnert. Das ist besonders bei wechselnden Bewegungsrichtungen oder plötzlichen Stopps der Fall, wenn das Bild durch den Stabilisator noch nachläuft. Sie können das Bild auch in der Nachbearbeitung noch beruhigen. In der Software Adobe After Effects z. B. gibt es dafür eine Funktion, die den etwas unglücklichen Namen Verkrümmungsstabilisierung trägt. Überblendungen  | Wenn Sie zwei Einstellungen in Ihrer Schnittsoftware anei­

nanderreihen, haben Sie die Möglichkeit, sie auf die unterschiedlichsten Weisen ineinander übergehen zu lassen, vergleichbar mit den Überblendungen bei einer Diashow. Es gibt Amateure, die jeden Szenenwechsel mit Effekten wie Seitenumblättern oder Wischblenden versehen. Das sollten Sie sich lieber nicht angewöhnen, weil das für den Betrachter anstrengend und gestalterisch fragwürdig ist. Eine weiche Überblendung von zwei Einstellungen kann manchmal sinnvoll sein, eine Weiß- oder Schwarzblende – bei denen geht das Bild langsam in Weiß oder Schwarz übergeht – in seltenen Fällen auch. Dafür, dass das erste Bild in einem Strudel verschwindet oder sich zu einem Würfel zusammenfaltet und aus dem Format rotiert, kann ich mir keine Anwendung vorstellen, die das Ergebnis verbessern würde. Standard sollte für Sie der sogenannte harte Schnitt ohne jeden Firlefanz sein, jeden anderen Effekt sollten Sie nur verwenden, wenn er in sich Sinn ergibt.

590  |  11  Video

FF Abbildung 11.10 Effekte beim Übergang zweier Szenen, wie hier die Überblendung, sollten Sie auf ausgewählte Ausnahmen beschränken. Und selbst dann sollten Sie eher jene verwenden, die auch zu analogen Filmzeiten benutzt wurden, weil sie natürlicher auf den Betrachter wirken.

Wenn Sie auch künstlerisches Kino ohne Happy End mögen, schauen Sie sich den schwedischen Film »Songs from the second floor« an, der im Jahr 2000 den Preis der Jury in Cannes erhielt. Dieser Film hat pro Szene nur eine einzige unbewegte Einstellung (mit einer einzigen Ausnahme, in der die Kamera doch bewegt wird), und es wird immer dieselbe, weitwinklige Brennweite verwendet.

11.3  Technische Grundlagen Selbst die aktuellen Digitalvideostandards, wie z. B. H.264 oder seltener H.265, sind noch abhängig von unterschiedlichen Fernsehstandards in Teilen Amerikas und dem Rest der Welt. Und so können Sie die meisten videotauglichen Kameras zwischen PAL und NTSC umschalten. Je nachdem, welche Einstellung Sie wählen, bekommen Sie unterschiedliche Bildwiederholraten angeboten, d. h., es werden pro Sekunde unterschiedlich viele Einzelbilder aufgezeichnet. Um diese und weitere Einstellmöglichkeiten geht es in den folgenden Abschnitten.

Bildwiederholrate Ein Video entsteht aus einer bestimmten Anzahl von Bildern pro Sekunde. Diese Anzahl variiert je nach Fernsehnorm oder Aufzeichnungsgerät. Die Bildwiederholrate wird in fps (engl. frames per second, auf Deutsch Bilder pro Sekunde)

fps Die Bildwiederholrate wird auch als Framerate oder Bildwiederholfrequenz bezeichnet. Sie wird in fps angegeben, was für engl. frames per second, also Bilder pro Sekunde, steht.

11.3  Technische Grundlagen  |  591

angegeben. Sie sollten sich unbedingt vor der Aufnahme überlegen, welche Bildwiederholrate für Ihren Anwendungszweck die richtige ist, und mit genau dieser auch das Video aufnehmen, denn eine nachträgliche Anpassung der Bildwiederholrate bringt immer Nachteile mit sich. Ein ganzzahliges Vielfaches auf die gewünschte Bildwiederholrate zu bringen, ist kein Problem, aber wenn Sie z. B. 30 fps auf 25 fps wiedergeben möchten (um einen Film z. B. auf DVD auszugeben), dann können Sie den Film entweder etwas verlangsamen, sodass die 30 Bilder in 1,2 s abgespielt werden, oder Sie müssen die Bildwiederholrate umrechnen, also 30 Bilder auf 25 Bilder abbilden. Jedes 6. Bild lässt sich auf jedes 5. des 25-fps-Films direkt abbilden, weil beide zum selben Zeitpunkt aufgenommen wurden.

GG Abbildung

11.11 Wenn Sie 30 fps auf 25 fps herunterrechnen, können Sie jedes 6. Bild auf jedes 5. Bild abbilden (blau), dazwischen müssen Sie aber eines loswerden, entweder indem Sie ein Bild auslassen oder aus fünf vier interpolieren.

Tabelle 11.1 E Anwendungsgebiete und Bildwiederholraten

Von den Bildern dazwischen müssen Sie entweder eins wegwerfen, was zu einem Ruckeln führt, weil plötzlich zwischen zwei Bildern die doppelte Motivbewegung stattfindet, oder Sie müssen sie interpolieren, was zu Unschärfen führt und die Bewegung auch nicht ganz perfekt umsetzt. Das ist in jedem Falle ärgerlich. Welche Werte Sie für welche Anwendung wählen sollten, entnehmen Sie Tabelle 1.1: Ausgabe

Bildwiederholrate

DVD PAL

25 fps

DVD NTSC

29,97 fps

HDTV-Fernseher

25 fps, unterstützt aber auch andere Normen von 24p bis 60i.

Blu-ray-Disc

maximal Full HD in 59,94 fps interlaced, oft 24 fps

Internet-Video

25 – 60 fps

PC-Wiedergabe

25 – 60 fps

Kinofilm

24 fps

Wenn Ihnen Ihre Kamera bei den Videoauflösungen nur 30 fps und 60 fps und keine 25 fps und 50 fps anbietet, dann ist es gut möglich, dass Sie an anderer Stelle das Videosystem von NTSC auf PAL umstellen müssen. In Europa fahren Sie mit 25 oder 50 fps am besten, wenn Sie für den amerikanischen Markt produzieren (z. B. für Stock-Video), mit 30 oder 60  fps. Dabei wird meist der niedrigere Wert Ihre Wahl sein, wenn Sie keine schnellen

592  |  11  Video

Bewegungen erfassen möchten oder einen besonderen Grund für die höhere Bildrate haben. Im Kinobereich gibt es Bemühungen, von den 24  fps wegzukommen, um Probleme mit Rucklern oder Bewegungsunschärfen zu verringern. So versucht James Cameron, die Bildwiederholrate auf 48 oder sogar 60 fps hochsetzen zu lassen. Peter Jackson hat er bereits überzeugt, und so brachte dieser seinen Film »Der Hobbit – Eine unerwartete Reise« mit einer Bildwiederholrate von 48 fps in die Kinos. Einige Kritiker beschrieben das Filmerlebnis allerdings als »kalt und tot« oder »videoartig«. Es kann also gut sein, dass das Kinoerlebnis mehr mit der Bildwiederholrate zu tun hat, als wir denken. Trotzdem ist davon auszugehen, dass sich auf Dauer höhere Bildwiederholraten durchsetzen werden, weil die Einschränkungen in der Bewegungsabbildung bei 24 fps gravierend sind.

PAL-Beschleunigung Wenn ein Kinofilm auf DVD (PAL) herausgebracht wird, wird oft die sogenannte PAL-Beschleunigung angewendet: Der Film wird einfach mit 25 statt 24 Bildern/s abgespielt und der Ton geringfügig verlangsamt, weil sonst alle Akteure im Film etwa einen halben Ton höher sprechen würden. Deswegen ist die DVD-Laufzeit oft etwas kürzer als die Laufzeit des Kinofilms, weil die DVD um 4,17 % schneller abgespielt wird.

Unterschiede in der Bildwiederholrate Dass es so viele verschiedene Normen gibt, liegt auch daran, dass der Bildaufbau bei analogen Fernsehern von der Frequenz des Wechselstroms gesteuert wurde. Diese liegt in Europa bei 50 Hz und in den USA bei 60 Hz. Um Bandbreite zu sparen, übertrug man pro Bildaufbau immer nur ein Halbbild, sodass sich 25 oder 30 Vollbilder pro Sekunde ergaben.

Auflösung Im Herbst 2019 ist 4 K-Video bei den meisten aktuellen Systemkameras Standard, es gibt aber immer noch Kameras, die auf Full HD setzen oder in Full HD zumindest deutlich besser funktionieren (AF, Bildausschnitt) als in 4 K. Im professionellen Bereich gibt es bereits 8 K-Kameras, die in der Videoauflösung mit 33 MP viele Systemkameras übertreffen. Die Panasonic Lumix SH1 unterstützt 6 K, Canon hat die Entwicklung einer 8 K-Systemkamera bestätigt und von Sony gibt es auch entsprechende Gerüchte. Das wird also in Kürze auch gehobenen Consumer-Bereich verfügbar sein, ob das tatsächlich für Sie von Vorteil wäre, hängt von Ihren Anwendungen ab und der Hardware für den Videoschnitt. Wenn Sie sich heute eine Kamera für Video kaufen möchten, würde ich Ihnen zu 4 K raten, da der Unterschied zu Full HD deutlich sichtbar ist und Monitore und Fernseher in 4 K bereits sehr günstig geworden sind. Bei Beamern ist das leider noch nicht der Fall – es ist allerdings absehbar, dass die Preise auch hier sinken werden. Auf noch höhere Auflösungen zu warten, ist meines Erachtens nur für wenige sinnvoll, weil das Auge mit 4 K schon gut zufriedengestellt wird. Wenn Sie heute ins Kino gehen, dann werden Sie auch in den großen Sälen meist eine digitale Projektion mit 4 098 × 2 160 Pixeln sehen, genannt Cinema 4 K.

11.3  Technische Grundlagen  |  593

Farbe

M M M M M M M M GG Abbildung 11.12 Hier sehen Sie die gebräuchlichsten Videoauflösungen im Größen­vergleich; der nebenstehenden Tabelle entnehmen Sie die genauen Pixelangaben.

Bezeichnung

Auflösung

8 K

7 680 × 4 320

6 K

5 760 × 3 240

4 K

3 840 × 2 160

2 K

2 048 × 1 080

Full HD/1 080p

1 920 × 1 080

HD/720p

1 280 × 720

DVD PAL

  720 × 576

VGA

  640 × 480

GG Tabelle 11.2 Die gebräuchlichsten Videoauflösungen. 8 K entsprechen 33 MP, Full HD sind zwei Megapixel.

Je nach Seitenverhältnis können die 2 K- bis 8 K-Auflösungen auch andere Werte annehmen, bei 4 K wie schon beschrieben auch 4 096 × 2 160. 4 K bedeuten also im Grunde ca. 4 000 Pixel über die lange Seite. HDMI HDMI steht für High Definition Multimedia Interface und ist eine standardisierte Schnittstelle für die Übertragung von Video und Audio in hoher Qualität. Normalerweise wird die Schnittstelle dafür verwendet, das Videosignal zur Wiedergabe auszugeben, sie kann aber auch zur Aufzeichnung verwendet werden, indem Sie einen HDMI-Rekorder anschließen. Außerdem unterstützt sie Steuersignale, die die Fernsteuerung von Geräten Ihrer AV-Anlage von einem der Geräte ermöglicht, sodass Sie im Prinzip mit einer einzigen Fernbedienung auskommen können.

594  |  11  Video

Komprimierung Wenn Sie die Datenmenge von einer Minute 4 K-Video unkomprimiert abspeichern würden, ergäben sich: 3 860 × 2 180 Pixel × 3 Byte (RGB) × 30 Bilder/s × 60 s = 45,44 GB Nach nicht einmal drei Minuten wäre selbst eine 128-GB-Speicherkarte voll, alle 5 Sekunden müsste eine neue 4-GB-Datei angelegt werden, weil das Dateiformat FAT32, das bei Speicherkarten verwendet wird, keine größeren Dateien anlegen kann. Die Notwendigkeit zur Kompression ist also bei Video noch ungleich höher als bei Fotografien. Wenn Sie sich Videodateien von einer Minute Länge dann aber auf der Speicherkarte ansehen, dann belegen sie nur gut 700  MB, also etwa ein Sechzigstel der unkomprimierten Dateigröße, und das ohne direkt sichtbare Qualitätseinbußen. Dass sich Video so gut komprimieren lässt, liegt auch an drei Faktoren: der Farbunterabtastung, Interlace und Interframe.

Farbunterabtastung  | Das menschliche Auge kann Farbunterschiede nur viel

geringer aufgelöst wahrnehmen als Helligkeitsunterschiede. Es reicht also, wenn die Farbinformation nicht für jedes Pixel einzeln gespeichert wird, sondern nur für zwei oder vier Pixel gemeinsam. Dazu muss man allerdings einen Farbraum verwenden, der, anders als RGB, Farbe und Helligkeit getrennt voneinander speichern kann. Im Videobereich ist dieser Farbraum meistens YCbCr, den übrigens auch das JPEG-Format intern verwendet. Dieser Farbraum zeichnet Helligkeit (Y), die Blau-Gelb-Achse (Cb für Chroma blue) und die Rot-Grün-Achse (Cr für Chroma red) als einzelne Kanäle auf. Wenn man nun die Auflösung der Farbkanäle geringer wählt als die der Helligkeit, dann wirkt das Bild für den Betrachter immer noch stimmig, einfach, weil das menschliche Auge weit mehr Helligkeitsrezeptoren (Stäbchen) als Farbrezeptoren (Zapfen) hat. Diese Farbunterabtastung ist normalerweise bei einer Systemkamera nicht konfigurierbar, allerdings geben manche Profikameras über die HDMI-Schnitt-

GG Abbildung 11.13 Der YCbCr-Farbraum zeichnet die Helligkeit, die blau-gelbe und die rot-grüne Farbachse getrennt auf.

HH Abbildung

11.14 Das erste Bild ist eine unveränderte Farbaufnahme, im zweiten Bild wurden die Farbkanäle um sechs Pixel weichgezeichnet. Im letzten Bild wurde auch der Helligkeitskanal um sechs Pixel weichgezeichnet, das Bild wirkt völlig unscharf, während das mittlere kaum schlechter als das Original erscheint.

11.3  Technische Grundlagen  |  595

GG Abbildung 11.15 Mit einem externen HDMI-Rekorder lässt sich bei manchen Kameras eine bessere Videoqualität als intern aufzeichnen. (Bild: Atomos)

Abbildung 11.16 E Beim Interlace-Modus wird immer nur jede zweite Zeile aktualisiert. Das führt bei bewegten Motiven zu solchen Sägezahn-Effekten. Sie sollten Interlace vermeiden.

596  |  11  Video

stelle Daten in höherer Qualität aus, als sie sie auf die Speicherkarte schreiben würden. Externe Rekorder können auch mit einer höheren Bitrate umgehen als die meisten Speicherkarten – eine starke Komprimierung ist also nicht so wichtig. Die Nikon D5 und D850 geben über HDMI ein 4 : 2 : 2-Signal aus, intern nur ein 4 : 2 : 0. Ebenso ist es bei der Sony α7S II oder einer Canon EOS R (hier jedoch in 10 statt 8 Bit Farbtiefe bei HDMI output). Die Farbunterabtastung liefert also an HDMI mehr Farbinformationen als intern, sodass Sie mit einem HDMI-Rekorder eine höhere Videoqualität aufzeichnen können. Für den normalen Videoschnitt ist dieser Unterschied nicht bedeutend, wenn das Videomaterial allerdings professionell weiterbearbeitet und stärker farblich angepasst werden soll, kann die höhere Aufnahmequalität ihre Vorteile ausspielen. Interlace  | Um höhere Bildwiederholraten ohne größere Bandbreite zu ermög-

lichen, wurde das sogenannte Interlace-Verfahren entwickelt. Dabei wird in jedem Bild nur jede zweite Zeile (die jeweils in der Höhe aus einem Pixel besteht) aufgezeichnet, in einem Bild die ungeraden, in dem anderen die geraden Zeilennummern. So können Sie 50 Halbbilder pro Sekunde aufzeichnen anstatt 25 Vollbilder, kommen aber mit dem gleichen Speicher aus bzw. beim Fernsehen mit der gleichen Übertragungsrate. Die Interlace-Technik ist eigentlich ein Relikt aus den Zeiten des analogen Fernsehens, im digitalen Video führt sie eher zu Problemen. So überlagern sich die Halbbilder von bewegten Motiven mit sogenannten Kamm-Artefakten: Das eine Halbbild ist schon weiter in der Bewegung als das vorige, und so ist jede zweite Zeile im Bild verschoben, Konturen lösen sich in Zickzack-Mustern auf. Zwar gibt es Möglichkeiten, diesen Effekt durch sogenanntes Deinterlacing zu verringern, aber besser ist es, wenn Sie um jeden Videomodus mit einem »i« dahinter, das für Interlace steht, einen Bogen machen. Wenn Sie eine höhere Bildwiederholrate benötigen, verwenden Sie lieber eine geringere Auflösung, dafür aber mit einem »p« dahinter. Dieses steht für

Progressive und zeigt an, dass immer ganze Bilder, also gerade und ungerade Zeilennummern zusammen, aufgezeichnet werden. Die Zeit, in der man sich zwischen einer hohen Auflösung und einer hohen Bildwiederholrate entscheiden muss, geht übrigens gerade vorbei. Die professionelle Videokamera Sony F65 unterstützt z. B. 4 K-Auflösungen mit 120 Bildern pro Sekunde (und 8 K mit 60 fps). 4 K in 120 fps ist eine viermal höhere Auflösung und Bildwiederholrate als Full HD in 30 fps, wie sie in vielen Systemkameras noch üblich ist. 8 K/60 fps liefert sogar eine sechzehnmal so hohe Auflösung bei doppelter Framerate. Selbst bei Smartphones ist 4 K-Videoaufzeichnung schon häufig zu finden. Interframe  | Bei den meisten Motiven sind sich zwei Einzelbilder eines Films,

die z. B. nur 1/30 s auseinanderliegen, sehr ähnlich. Diese Ähnlichkeit kann man sich in der Videokomprimierung zunutze machen, indem man nur die Unterschiede zum vorigen Bild speichert. Diese Technik wird Interframe genannt. In bestimmten Abständen wird dann wieder ein ganzes Bild aufgezeichnet (Intra­ frame) statt nur die Unterschiede zu dem vorigen. Moderne Videocodecs – so heißen die Verfahren zur Codierung oder Decodierung von Videodaten – können sich dabei nicht nur auf das letzte Vollbild, sondern z. B. beim H.264-Codec auf bis zu 16 vorangegangene Intraframes beziehen. Das macht die Verarbeitung sehr rechenaufwendig, sorgt aber für gute Qualität bei geringem Speicherbedarf. Bei den professionelleren Kameras können Sie oft wählen, ob Sie diese Interframes überhaupt erzeugen (IPB) oder ausschließlich ganze Bilder aufzeichnen (All-I) möchten. Letzteres verbraucht mehr Speicher, benötigt weniger Rechenleistung und erzeugt eine etwas bessere Bildqualität.

HH Abbildung

11.17 Dieses Bild visualisiert die Änderungen zwischen zwei Videoframes (in Photoshop mit der Füllmethode Differenz übereinandergelegt). Die weißen Bereiche, die zwischen den Bildern gleich bleiben, sind recht groß. Dies macht sich die Interframe-Methode zunutze, indem sie diese Bereiche aus dem ersten Frame übernimmt und für die folgenden nur die Unterschiede aufzeichnet.

Codecs Für die mathematische Beschreibung der Videodaten gibt es verschiedene Methoden. Ihre Aufgabe ist es, die Bilddaten ohne zu viel Rechenaufwand und Qualitätsverlust zu komprimieren. Da sich im Augenblick eine dieser Methoden auf breiter Front durchgesetzt hat, verzichte ich auf eine tabellarische Aufzählung der Alternativen. Die heute meistverwendete Methode, auch Codec genannt (von engl. coder/decoder, also Codierer/Decodierer), ist H.264. Die meisten Digitalkameras verwenden sie, und auch bei der Weitergabe an Plattformen

11.3  Technische Grundlagen  |  597

MPEG Die MPEG (Moving Pictures Experts Group) ist eine aus ca. 350 Fachleuten bestehende Expertengruppe, die sich für die Standardisierung von Video-Dateiformaten einsetzt. Mit MPEG werden auch viele der von dieser Gruppe entwickelnden Standards bezeichnet, die wiederum zum Teil sogenannte Containerformate sind, d. h., sie können viele weitere Formate enthalten. Sie werden meist mit Formaten arbeiten, die unter dem Standard MPEG-4 zusammengefasst sind.

wie Vimeo oder YouTube ist sie eine sehr gute Wahl. H.264 funktioniert mit hochauflösenden Fernsehern, Blu-ray-Spielern, Smartphones, 4 K-Videos und an Ihrem PC oder Mac. H.264 ist ein Teil des MPEG-4-Standards und ist dort auch unter dem Namen AVC (engl. Advanced Video Coding, also fortgeschrittene Videocodierung) aufgeführt. H.264 ist ebenfalls Bestandteil von Apples QuickTime, das sich zu einem sehr weit verbreiteten Standard entwickelt hat. Wenn Ihre Kamera die Videodaten mit der Endung ».MOV« abspeichert, dann bedient sie sich auch des QuickTime-Standards. Und aller Wahrscheinlichkeit nach wird dann der H.264/MPEG-4 AVC Codec verwendet. Das können Sie auf dem Mac überprüfen, indem Sie einfach mit der rechten Maustaste im Finder die Informationen aufrufen. Windows selbst zeigt das nicht an, aber dort können Sie es z. B. im VLC Media Player (kostenfreier Download) über Werkzeuge • Codec-Informationen abrufen. Es ist allerdings abzusehen, dass auch H.264 nicht ewig Bestand haben wird. Der Nachfolger H.265 (HEVC) ist bereits 2013 von der MPEG (Moving Picture Experts Group) verabschiedet worden: Er bietet eine doppelt so hohe Kompressionsrate bei gleicher Bildqualität und unterstützt auch 8 K-Video. Allerdings findet er wegen höherer Lizenzkosten nur wenig Verbreitung. Lizenzkostenfreie Videoformate wie VP9, AV1 oder Daala werden deswegen wohl in Zukunft eine größere Rolle spielen.

Bitrate

Bitrate Die Bitrate, auch Datenrate genannt, beschreibt, wie viel Speicherplatz pro Sekunde von der Videocodierung benötigt wird. Sie wird meist in Mbit/s (Megabit, also Millionen Bit pro Sekunde) angegeben. Je höher die Bitrate ist, desto schneller und größer müssen die verwendeten Speicherkarten sein.

598  |  11  Video

Ähnlich wie bei JPEG lässt sich auch bei MPEG die Kompression anpassen. Sie können die Bitrate pro Sekunde zulasten der Bildqualität verringern oder erhöhen, um genauere Bildinformationen zu erhalten. Es gibt auch verlustfrei komprimierende Codecs, aber diese werden im Consumer-Bereich nicht so oft eingesetzt. (Unkomprimiertes Video können Sie allerdings bei manchen Kameras über den HDMI-Ausgang abgreifen und auf einem externen HDMI-Rekorder speichern; siehe auch Seite 594.) In vielen Kameras können Sie die Bitrate nicht verändern, dort ist vom Kamerahersteller ein sinnvoller Wert vorgewählt, der gute Qualität und Kompression miteinander verbindet. Die Bitrate ist aber trotzdem wichtig für Sie, weil sie bestimmt, wie schnell Ihre Speicherkarten sein müssen, damit Sie Video ohne Abbruch aufzeichnen können. Bei H.264 in Full HD liegt die maximale Bitrate zwischen 50 und 200 Mbit/s, also zwischen 6,25 und 25 MB/s (ein Megabyte (MB) = 8 Megabit (Mbit)). In der Praxis werden die 25 MB von den meisten Kameras nicht erreicht, sodass 12 MB/s schon viel sind. Mit einer Speicherkarte, die 30 MB/s speichern kann, sind Sie also auf der sichereren Seite. Auch bei 4 K reichen z. B. der Sony α7R II

60 oder 100 Mbit/s Datenrate (einstellbar). Inzwischen sind Karten, die bei 95 MB/s fürs Lesen und 80 MB/s fürs Schreiben liegen, günstig geworden. Diese haben für den Fotobereich den Vorteil, dass sie Serienbilder schneller speichern können, wenn der interne Puffer voll ist. Und im Videobereich funktionieren sie vielleicht auch mit Ihrer nächsten Kamera oder wenn Sie CinemaDNG speichern möchten, was ich im nächsten Abschnitt genauer erklären werde. Die Bitrate ist genau wie beim JPEG auch motivabhängig. Scharfe, unruhige Motive mit wenig Konstanz über die Zeit brauchen am meisten Daten. Eine Wasseroberfläche bei viel Wind oder Blätterrauschen sind Motivbeispiele, bei denen langsame Speicherkarten eher an ihre Grenzen kommen als bei einem Gebäude vor blauem Himmel.

GG Abbildung

11.18 Eukalyptusbäume im Wind: Das Motiv ist detailreich, scharf und chaotisch bewegt. Solche Szenen sind schwieriger zu komprimieren und benötigen eine höhere Bitrate.

Raw (CinemaDNG) Wer die Vorteile des Raw-Formates in der Fotografie lieben gelernt hat, wird in eine JPEG-artige Welt zurückgeworfen, sobald er mit dem Filmen anfängt. Hohe Kompression und geringe Bitraten lassen sehr viel weniger Nachbearbeitung zu, als man sich manchmal wünschen würde. Ideal wäre es, wenn man die Filme in einem Raw-Format aufzeichnen und in genauso guter Qualität nachbearbeiten könnte, wie man es aus dem Fotobereich kennt. Dass diese Vorteile nicht nur theoretischer Natur sind, hat Magic Lantern bewiesen, das mithilfe einer Zusatzfirmware für bestimmte Canon-DSLRs die Aufzeichnung von Video als Folge von DNG-Bildern ermöglicht. Die Bildqualität, Auflösung und die Möglichkeiten

CinemaDNG Raw Für die Videobearbeitung im Raw-Format scheint sich ein Standardformat durchzusetzen: CinemaDNG Raw. Hier wird jeder Einzelframe als DNG-Datei in ein Verzeichnis geschrieben, sodass Sie die grundlegende Bearbeitung mit Lightroom oder Adobe Camera Raw durchführen können.

11.3  Technische Grundlagen  |  599

GG Abbildung

11.19 Die linke Aufnahme ist ein Standbild aus einer normalen Videodatei der Canon EOS 6D. Rechts ist ein Frame des Raw-Videos mit der Magic-Lantern-Firmware zu sehen. Farben, Schärfe und Dynamikumfang sind beim Raw besser.

GG Abbildung 11.20 Die Blackmagic Pocket Cinema Camera 4 K ist eine erschwingliche Kamera, die von Haus aus Raw-Video aufzeichnen kann. (Bild: Blackmagic Design)

der Nachbearbeitung sind deutlich besser als bei herkömmlicher Aufzeichnung. Zu den Nachteilen gehören ein umständlicherer Workflow, enorme Datenmengen, die Notwendigkeit besonders schneller Speicherkarten und manchmal der Verzicht auf Tonaufzeichnung. Mit schnellerem Speicher und leistungsfähigeren Prozessoren sind diese Nachteile nicht mehr relevant, sodass Raw-Video sicher ein Blick in die Zukunft ist. Aber auch heute können Sie mit einer Canon EOS 5D Mark III und der Magic-Lantern-Firmware Videos erzeugen, deren technische Qualität die der um ein Vielfaches teureren Video-Spezialkameras übertrifft. Leider ist Magic Lantern für neuere Canon-DSLRs wie die 5D Mark IV noch nicht verfügbar, da die Firmware seitens Canon nun stärker gegen Veränderungen geschützt wurde. Das größte Problem bei der Raw-Video-Aufzeichnung sind die Geschwindigkeiten von Prozessor und Speicher. Wenn diese nicht schnell genug sind, bricht das Video nach ein paar Sekunden ab. Profivideokameras speichern deswegen zum Teil direkt auf 2,5-Zoll-SSDs, weil diese 500 MB/s vertragen und größere Speichermengen zur Verfügung stellen. CFast- und XQD-Speicherkarten sind allerdings ebenfalls schnell genug und werden in aktuellen Kameras zunehmend verwendet. Weil die nötige Verarbeitungsgeschwindigkeit bei Aufnahme, Aufzeichnung und Verarbeitung erst vor Kurzem verfügbar geworden ist, steht RawVideo noch am Anfang. SSD SSD steht für Solid State Disc, eine Festplattentechnik, die ähnlich wie eine Speicher­ karte funktioniert. Es wird schneller Flash-Speicher verwendet, die äußere Bauform entspricht aber der einer Festplatte, sodass Sie sie als schnellen Festplattenersatz in Ihren Rechner einbauen können. Im Profivideobereich werden SSDs auch wie Speicherkarten verwendet, weil sie schnell und groß genug für High-End-Video sind.

600  |  11  Video

HDR-Video Auf einem Röhrenmonitor war der darstellbare Kontrastumfang sehr überschaubar, neue LED- oder OLED-Monitor können einen sehr viel größeren Kontrastund Farbumfang darstellen. Um diesen bedienen zu können, muss man auch das Videoformat anpassen. HDR-Video nutzt deswegen 10 Bit Farbtiefe und kann damit theoretisch über 17 Blenden Kontrastumfang bewältigen. Wenn Sie HDR-Video ohne einen HDR-fähigen Bildschirm ansehen möchten, wird das Ergebnis sehr weich aussehen, weil der große Motivumfang auf den eher kleinen Kontrastumfang des Monitors zusammenschrumpft. Mit einem HDR-Monitor ist ein größerer Helligkeitsumfang darstellbar, allerdings muss dann auch die bilderzeugende Hardware HDR-fähig sein. Bei einem PC bedeutet das z. B., dass die Grafikkarte HDR-fähig sein muss und Sie den richtigen Anschluss verwenden müssen (HDMI ab Version 2.0a, Display Port ab Version 1.4). Zudem müssen Sie HDR in Windows 10 in den Windows HD Color Einstellungen erst einschalten. Der Mac unterstützt HDR-Video erst ab macOS 10.15 (Catalina). Wie sehr HDR in der Zukunft wichtig werden wird, bleibt abzuwarten. Das Apple Pro Display XRD ist allerdings ein High-End-HDR-Display, Apple scheint im professionellen Bereich also einen Bedarf zu sehen. Ich selbst stelle mir den Videoschnitt auf hochkontrastreichen Bildschirmen eher anstrengend vor, z. B. weil die Augen sich bei Helligkeitsschwankungen stärker anpassen müssen und die Maximalhelligkeiten recht grell sind.

GG Abbildung

11.21 Die HDR-Unterstützung müssen Sie unter Windows 10 erst einschalten.

11.4  Bildfehler Im Videobereich gibt es eine Reihe zusätzlicher Fehlermöglichkeiten, die die Arbeit erschweren oder die Betrachtung der Ergebnisse trüben können. Allerdings lassen sie sich meist gut vermeiden, wenn man die Grundlagen ihrer Entstehung verstanden hat und seine Arbeitsweise entsprechend anpasst.

Ruckeln Dass ein Video ruckelt, kann viele Gründe haben: Wenn Sie es zwischen zwei Bildwiederholraten umrechnen mussten, kann eine ruckelnde Bildwiedergabe entstehen. Oder die Wiedergabe oder die Aufzeichnung sind bzw. waren nicht schnell genug, sodass einzelne oder mehrere Frames fallen gelassen werden. Diese Probleme lassen sich leicht umgehen, wenn Sie Bildwiederholraten richtig einstellen und schnelle Speicherkarten und Computer verwenden. Eine Form

11.4  Bildfehler  |  601

des Ruckelns, mit der Sie viel häufiger zu tun haben werden, ist die, die sich ergibt, wenn Sie bewegte Motive filmen und zu kurze Verschlusszeiten verwenden. Wenn Sie allerdings Verschlusszeiten wählen, die kaum kürzer sind als die Zeit zwischen zwei Bildern im Video, also z. B. 1/30 s bei 25 fps, dann wird die Bewegungsunschärfe einen natürlichen Übergang zwischen zwei Frames schaffen und der Betrachter kein oder kaum noch Ruckeln mehr wahrnehmen.

GG Abbildung 11.22 Beide Autos fahren mit ungefähr 40 km/h. Das Linke wurde mit 1/1000 s gefilmt, das Rechte mit 1/30 s, jeweils bei 25 fps. Zwei aneinandergrenzende Frames wurden dann übereinandergelegt, um die Bewegung zwischen ihnen zu verdeutlichen. Links ergeben sich zwei klare Einzelbilder, die aber im Film als deutlich ruckelnd wahrgenommen werden. Rechts sehen Sie eine zwar durch die längere Verschlusszeit unscharfe, aber deutlich natürlichere Bewegung.

Thermische Probleme

Achtung: Laser! Bei Konzertaufnahmen kann ein starker Show-Laser bei einem direkten Treffer Ihren Kamerasensor in Sekundenbruchteilen zerstören. Die Zeile, die beim Treffer gerade ausgelesen wurde, bleibt dann unbrauchbar. Es sind auch Fälle von kleinen Videosensoren bekannt, die nach einem Lasertreffer komplett tot waren.

602  |  11  Video

Eine Systemkamera ist nicht immer grundsätzlich dafür gebaut, kontinuierlich Videoaufnahmen zu liefern. So unterschieden sich bei Canon die sehr ähnlichen Kameras EOS-1D X und EOS-1D C auch in der Sensorkühlung, denn die letztere wurde als Videokamera konzipiert. Der Nachfolger 1D  X Mark II wurde allerdings von vornherein auf 4 K-Video ausgelegt, sodass keine zwei Versionen mehr nötig sind. Ihr Sensor verbraucht weniger Strom, entwickelt also beim Auslesen weniger Hitze, so dass auf eine Kühlung verzichtet werden kann. Die Sony α6300 bekam auch deswegen schnell einen Nachfolger, weil sie bei längerer 4 KVideoaufnahme zum Überhitzen neigte, ein Firmware-Update entschärfte das Problem allerdings. Wenn ein Bildsensor pausenlos ausgelesen wird, erwärmt er sich wie ein Computerprozessor bei höchster Rechenleistung. Das kann sogar dazu führen, dass die Kamera herunterfährt, um einen dauerhaften Schaden zu

vermeiden. Meistens wird Ihre Kamera vorher eine Warnung auf dem Display anzeigen. Wenn es die Situation erlaubt, sollten Sie dann sofort eine Pause einlegen, denn ein heißer Sensor erzeugt auch mehr Bildrauschen. Bildrauschen ist im Video noch störender als im Foto, weil es sich schnell zu bewegen scheint. Schützen Sie Ihre Kamera vor direkter Sonneneinstrahlung oder z. B. bei Konzertaufnahmen vor einem nahen Scheinwerfer, damit sie nicht so schnell überhitzt. Wenn Sie in eher warmer Umgebung ein langes Ereignis kontinuierlich aufzeichnen müssen, sollten Sie eine zweite Kamera in Reserve haben.

Moiré Die meisten Digitalkameras lesen für Video nicht den ganzen Sensor aus und rechnen das Bild dann herunter auf die Videoauflösung, sondern sie lesen z. B. nur jedes dritte Pixel aus, um daraus ein Videobild zu erzeugen. Das hat große Vorteile für die Geschwindigkeit und die Rechenleistung, führt aber dazu, dass die Kameras im Videobereich noch anfälliger für Moirés sind als im Fotobereich (siehe Seite 40). Im Fotobereich hilft oft der AA-Filter oder eine leichte Objektiv­ unschärfe, sodass die Lichtpunkte sich über mehrere Pixel streuen und so keine Interferenzmuster mit der Sensorabtastung (Moirés) erzeugen. Viele Kameras liefern im Video eine sehr zurückhaltende Schärfe, um Moirés zu vermeiden und Linien nicht zu pixelig wiederzugeben. Das ist sicher besser, als in regelmäßigen Bildbereichen, wie z. B. Ziegelmauern, flimmernde Muster zu sehen, aber es verringert die Bildqualität. Videos haben also auch einen Bedarf an Nachschärfung. Wenn Sie die Ergebnisse Ihrer Kamera nicht unverändert

F G  Abbildung 11.23 In der Fassade bilden sich durch die gleichmäßigen Lamellen Moirés. Im vergrößerten Bildausschnitt können Sie die Farben und schrägen Linien, die sich als Artefakte bilden, besser erkennen.

11.4  Bildfehler  |  603

verwenden möchten, sollten Sie dies besser in der Schnittsoftware erledigen, weil Sie so besser bearbeitbares Rohmaterial haben, als wenn Sie das gleich in der Kamera machen. Abbildung 11.24 E Links sehen Sie einen Ausschnitt aus einem Standbild eines Full-HD-­ Videos, rechts einen Ausschnitt aus einem auf die gleiche Auflösung heruntergerechneten JPEG. Die Schärfe beim Video ist deutlich schlechter.

Banding Gerade wenn Sie in der Nachbearbeitung den Kontrast aufsteilen und die Farben stärker verändern, kommt das Videomaterial an seine Grenzen. Durch geringe Farbunterabtastung und hohe Kompression reicht die Bildinformation dann nicht mehr aus, um stufenlose Verläufe zu gewährleisten. Besonders kritisch reagiert oft ein klarer Himmel auf die Streifenbildung, das sogenannte Banding. Diesen Effekt gibt es in der Fotografie auch (siehe Seite 36), er lässt sich dort aber leichter umgehen, indem Sie z. B. im Raw-Format arbeiten. Um Banding zu vermeiden, sollten Sie die Farbtemperatur und die Farbstimmung bereits vor der Aufnahme annähernd festlegen und das Video mit möglichst hoher Qualität aufzeichnen. Abbildung 11.25 E Im Himmel wird durch die Nach­ bearbeitung bereits Banding erkennbar.

604  |  11  Video

Rolling Shutter Der Sensor der Videokameras wird zeilenweise von oben nach unten ausgelesen. Bei schnellen Schwenks oder schnell bewegten Motiven kann die Zeitverzögerung während des Auslesens dazu führen, dass gerade Linien schräg aussehen oder dass das Motiv verzerrt. Nun sind so schnelle Schwenks, dass sich der Rolling-Shutter-Effekt bemerkbar macht, meist gestalterisch ohnehin nicht sinnvoll, aber bei bewegten Motiven kann der Effekt stören. Bei den verschiedenen Videokameras gibt es starke Unterschiede in der Intensität des Effekts, je nachdem, wie lange die Kamera für das Auslesen eines ganzen Bildes benötigt. Bei bewegten Motiven lässt sich der Effekt des Verzerrens durch eine längere Verschlusszeit verringern, das Motiv erscheint dann nicht verformt, sondern verwischt.

GG Abbildung

11.26 Links sehen Sie die Spitze eines Milchaufschäumers in Ruhe, daneben ein Standbild mit 1/2000 s Verschlusszeit. Die Spitze scheint verzerrt, weil sie während der Auslesezeit hin und her schwankte. Bei 1/30 s erscheint sie wieder rund, weil die Bewegung verwischt und die Spitze innerhalb der Verschlusszeit mehrere komplette Drehungen macht. FF Abbildung 11.27 In diesem Bild ist alles gerade. Je näher die Teile des Motivs am Zug sind, aus dem das Video aufgenommen wurde, desto höher wird ihre Winkelgeschwindigkeit und desto mehr werden sie durch das langsame Auslesen des Sensors schräg verzerrt – der sogenannte Rolling-Shutter-Effekt.

11.4  Bildfehler  |  605

Objektivfehler Im Prinzip spielen sämtliche aus der Fotografie bekannten Objektivfehler auch im Videobereich eine Rolle. Da ich diese in Kapitel 2, »Objektive«, bereits ausführlich behandelt habe, gehe ich hier nur kurz auf die Unterschiede ein. Die Schärfeleistung ist nicht ganz so kritisch, weil die Auflösung des Videos geringer ist als die der Fotos. Zudem werden leichte Schärfemängel wegen der Bildbewegung nicht unmittelbar wahrgenommen. Chromatische Aberration ist ebenfalls etwas weniger sichtbar. Verzeichnung kann allerdings mehr stören als im Foto, weil sich eine vertikale Linie bei einem Schwenk erst in die eine und dann in die andere Richtung krümmt. Die kamerainternen Objektivkorrekturen wirken sich auch auf das Video aus. So kann es durchaus sinnvoll sein, solche Bildfehler bereits in der Kamera herauszurechnen, sodass das Video-Rohmaterial schon ohne Verzeichnung aufgenommen wird. Die Vignettierung ist ebenfalls in der Kamera herausrechenbar, aber hier sollten Sie erst überlegen, ob Sie das wollen. Für mich ist die Vignettierung eher eine Bildeigenschaft als ein Bildfehler, zur Stimmung eines Offenblende-Bildes gehört sie dazu. Sie hilft, den Blick auf die bildwichtige Mitte zu konzentrieren, und erzeugt eine eigene Atmosphäre. Bei bestimmten Anwendungsbereichen, wie z. B. bei Architekturaufnahmen, stört sie natürlich trotzdem.

FF Abbildung 11.28 Adobe Photoshop CC kann eine Ob­ jektiv­kor­rektur in­ klusive des Ausgleichs stürzender Linien auch für Videoaufnahmen durchführen.

Infrarotvideo einer zur VollspektrumKamera umgebauten Canon EOS 5DS R

606  |  11  Video

Für Objektive von Fremdherstellern ist oft keine Korrektur innerhalb der Kamera verfügbar, sodass Sie das in der Nachbearbeitung erledigen müssen, falls die Objektivfehler als störend empfunden werden. Interessanterweise unterstützt Photoshop Videos inzwischen weitgehend – ein weiteres Indiz dafür, dass Fotografie und Video immer weiter zusammenwachsen. Wenn Sie ein Video in Photoshop laden und den Objektivkorrekturfilter anwenden, dann wird Photoshop dies nur auf einen einzigen Frame anwenden. Es gibt aber eine Methode, mit der Photoshop den ganzen Film bearbeitet: 1. Öffnen Sie einen Film in Photoshop. Blenden Sie die Ebenen-Palette ein. Klicken Sie in der Ebenen-Palette auf die automatisch erstellte Videogruppe1. 2. Rufen Sie im Filter-Menü Für Smartfilter konvertieren auf. 3. Wenden Sie den Filter an. Photoshop wird diesen Filter nun als Smartfilter auf den gesamten Film beziehen. Photoshop kann ein sehr mächtiges Werkzeug im Videobereich sein. Über Smartfilter können Sie einen großen Teil der Möglichkeiten von Photoshop gleich auf ein ganzes Video anwenden. Und natürlich können Sie in den Einzelbildern auch wie in einem Foto arbeiten.

GG Abbildung

11.29 Über Smartfilter können Sie in Photoshop alle Frames eines Videos gleichzeitig bearbeiten.

11.5  Praxis Vieles im Videobereich unterscheidet sich nicht von der fotografischen Anwendung, gerade wenn Sie mit Systemkameras arbeiten. Im Folgenden gehe ich auf die Bereiche ein, die Sie zusätzlich beachten sollten, wenn Sie Videos aufnehmen. FF Abbildung 11.30 Ein starker Vorteil der großen Bildsensoren ist die Möglichkeit der selektiven Schärfe. Dadurch steigen aber auch die Anforderungen an die Genauigkeit der Scharfstellung.

11.5  Praxis  |  607

Licht Die Grundregeln für das Licht sind denen aus dem fotografischen Bereich sehr ähnlich. Allerdings ist der Spielraum in der Nachbearbeitung etwas geringer, weil Sie meistens noch nicht im Raw-Modus arbeiten können (wenn man von Ausnahmen absieht, siehe Seite 599). Zusätzliches Licht | Wenn man als Fotograf mit Video beginnt, kann ein Teil der

fotografischen Ausrüstung für diesen Bereich nicht genutzt werden. Kamerablitze sind das beste Beispiel. Es gibt zwar auch seltene Exemplare mit eingebauter Videoleuchte, aber diese richten sich eher an Einsteiger, weil sie eine recht harte und schwache Lichtquelle verwenden. Die gute Nachricht ist, dass moderne Systemkameras im Videobereich fast so gut mit schwachem Licht auskommen wie im Fotobereich. Der erste wesentliche Unterschied liegt hauptsächlich darin, dass längere Zeiten als 1/25 s nicht möglich sind und dass das Rauschen im Bewegtbild ein unangenehmes Flimmern ergeben kann. Abbildung 11.31 E Ein Tablet oder ein Smartphone kann ebenfalls ein gutes Videolicht ergeben. Dieses Modellauto wurde nur mit einem iPhone-Bildschirm beleuchtet.

Ihre Studioblitzanlage lässt sich mit dem Einstelllicht weiterverwenden, und der Vorteil ist, dass es dafür sehr viele Lichtformer gibt. Wenn Sie schon ambitionierter in diesem Bereich unterwegs sind, haben Sie vielleicht auch schon einige davon. Der Nachteil ist, dass gerade, wenn die Lichtleistung (bei Verwendung von Glühlampen) hoch ist, oft recht laute Lüfter verbaut sind, die die Tonaufnahme stören können. Für die klassischen Heißlicht-Filmleuchten gilt dies etwas abgeschwächt auch, zudem haben sie einen so hohen Stromverbrauch, dass sie sich nicht mit Akkus betreiben lassen.

608  |  11  Video

Eine gute Alternative sind LED-Flächenleuchten, die geringen Stromverbrauch, neutrale Lichtfarbe und hohe Lichtausbeute miteinander verbinden. Die Lichtintensität ist gut regelbar, und die Geräte sind auch unterwegs gut zu verwenden. Sie sind sogar so praktisch, dass sie ihren Weg zurück in den Fotobereich angetreten haben. Steve McCurry beispielsweise nahm seine Bilder für den PirelliKalender 2013 nur mit LED-Flächenleuchten und natürlichem Licht auf. Leider ist die Qualität der auf dem Markt erhältlichen LEDs sehr unterschiedlich. Wenn Sie Pech haben, erhalten Sie bei günstigen LED-Panels einen Farbstich, oft in Richtung Grün oder Magenta, der sich schlecht mit vorhandenem Licht mischt und sich auch sonst nicht gut ausfiltern lässt. Bessere Panels erzeugen ein klares weißes Licht, manche mischen auch kühle und warme LEDs, sodass Sie die Farbtemperatur über einen Drehregler anpassen können. Mit dem gleichen Trick passt auch der LED-Blitz des iPhones seine Farbe an das Umgebungslicht an. Ein wesentlicher Unterschied zum Licht in der Fotografie ist, dass das Licht unter Umständen für sich bewegende Motive geeignet sein muss. Entweder muss sich das Licht dann mitbewegen oder so weit entfernt sein, dass die Unterschiede in der Beleuchtung beherrschbar bleiben. Beim Film werden sogar 16-Kilowatt-Strahler verwendet, die man in einem weißen Heliumballon, der gleichzeitig als Diffusor dient, steigen lässt. Das ergibt dann eine Art künstlichen Mond, der durch seine Entfernung recht gleichbleibendes Licht liefert. Eine andere Möglichkeit ist, das Licht über einen Assistenten mitwandern zu lassen. Die einfachste Methode besteht darin, eine Leuchte direkt auf der Kamera zu befestigen. Dieses Licht passt aber eher für reportageartige Arbeiten.

GG Abbildung

11.32 Kleinere LED-Flächenleuchten eignen sich für den Blitzschuh, größere gehören auf ein Lichtstativ. (Bild: Manfrotto)

HH Abbildung

11.33 Selbst bei schnell fließendem Wasser passiert innerhalb 1/30 s viel. Mit zu kurzen Zeiten gefilmt würde sogar diese Bewegung abgehackt und unnatürlich wirken.

11.5  Praxis  |  609

Verschlusszeit  | Im Videobereich gibt es zwei Hauptunterschiede in Bezug auf

die Verschlusszeit: Erstens kann die Zeit nicht länger werden als der Kehrwert der Bildwiederholrate, weil die Belichtung eines Frames beendet sein muss, bevor der nächste anfängt. Zweitens folgen die Einzelbelichtungen unmittelbar aufeinander, sodass der Effekt für die Wahrnehmung ein anderer ist als beim Foto. Man sagt zwar, dass das Auge selbst ungefähr 1/25 s »belichtet«, weswegen wir z. B. bei 50 oder 60 Hz flackerndem Licht wie bei einer Leuchtstoffröhre oder manchen Fernsehern kein Flimmern mehr wahrnehmen. Trotzdem ergibt sich keine wirklich flüssige Bewegung, wenn Sie mit 1/2000 s Verschlusszeit und 25 oder 30 fps filmen. Das wird bei langsamen Bewegungen keinen Unterschied machen, aber wenn z. B. ein Fahrradfahrer schnell an der Kamera vorbeifährt, dann wird die Bewegung abgehackt erscheinen, weil sie alle 30 cm eingefroren wird. Der Eindruck wird natürlicher, sobald Sie die Verschlusszeit nicht viel kürzer als den Kehrwert der Bildwiederholrate wählen, also z. B. mit 1/60 s belichten. An einem sonnigen Tag müssten Sie dafür bei ISO 100 ungefähr auf Blende ƒ18 abblenden. Da das nur selten gewollt ist, bleibt Ihnen nur der Einsatz eines ND-Filters. Der Effekt wird natürlich auch geringer, wenn Sie eine höhere Bildwiederholrate einsetzen können, aber gerade bei voller Auflösung haben viele Systemkameras da nicht viel Spielraum, oft ist bei 30 fps Schluss. Automatische und manuelle Steuerung  | Die Automatikmodi Ihrer Kamera

GG Abbildung

11.34 Manuelle Objektive weiterzuverwenden ist im Videobereich besonders sinnvoll.

610  |  11  Video

unterscheiden sich im Videobereich oft von denen im Fotobereich. Bei manchen Kameras gibt es nur eine Video-Vollautomatik, bei der Sie gerade noch eine Belichtungskorrektur einstellen können, Blende, Zeit und ISO-Wert wählt die Kamera selbst. Bei anderen stehen die Blendenvorwahl/Zeitautomatik und die Zeitvorwahl/Blendenautomatik wie gewohnt zur Verfügung. Es gibt allerdings eine einfache Methode, die Blendenvorwahl auch bei Vollautomatik zu verwenden: Benutzen Sie einfach ein manuelles Objektiv mit einer mechanischen Blendeneinstellung. Ein solches lässt sich oft auch besser manuell scharfstellen, weil es ohne Autofokus verwendet werden muss. Viele Fotografen haben ohnehin noch alte Objektive im Schrank, einen Adapter gibt es schon für um die 20 €. Das Auflösungsvermögen eines alten Objektivs muss für die 2 oder 8 Megapixel im Video nicht so hoch sein wie für die z. B. 24 Megapixel im Foto. Sie können die Blende fest einstellen und sanft fokussieren. Abgesehen davon gibt es viele alte Objektive, die einen ganz wundervollen Abbildungscharakter besitzen und mit denen Sie sehr atmosphärische Filme drehen können. Solange die Lichtverhältnisse während der Szene gleichbleibend sind, sollten Sie die manuelle Steuerung bevorzugen. So gibt es weniger Schwankungen

durch die Regelversuche der Kamera, und Sie haben eine exakte Kontrolle über die bildbestimmenden Faktoren. Wenn Sie ein Brautpaar aus der Kirche heraus in den Sonnenschein begleiten und dies mit einer einzigen Einstellung erreichen möchten, dann müssen Sie eine Automatik einsetzen, und selbst diese wird die großen Helligkeitsunterschiede vielleicht nicht sauber abbilden können. Aber bei einem Großteil aller Einstellungen bleiben die Lichtverhältnisse recht konstant, sodass Sie manuell belichten sollten. Wenn z. B. jemand kurz in einem dunklen Anzug durch das Bild läuft, würde die Automatik die Helligkeit hochziehen und danach wieder herunterregeln. In der manuellen Belichtungssteuerung wäre die Störung weit geringer, weil sich nur kurz etwas Dunkles durchs Bild bewegt und ansonsten alles konstant bliebe. Wenn Sie über Tische mit Kerzen darauf schwenken, regelt die Kamera die Belichtung herunter, wenn die Kerzen in die Bildmitte geraten, und Sie können die Gesichter nicht mehr so gut erkennen. In der manuellen Steuerung bleibt das Leuchten der Kerzen unverändert, und Sie können die Belichtung sauber auf die Gesichter abstimmen. FF Abbildung 11.35 Manueller Fokus und manuelle Belichtung verhindern hier ein ständiges Nachregeln der Kamera. Die Szene wird ruhiger und natürlicher.

Bildstile Genau wie beim JPEG können Sie in der Kamera auch für das Video die Einstellungen für Schärfe, Kontrast, Farbsättigung und Farbton über Bildstile vornehmen. Sie können versuchen, bereits aus der Kamera fertiges Videomaterial zu erhalten, das Sie nur noch schneiden müssen. Allerdings dürfen Sie dann nicht vergessen, diese Einstellungen für jede Situation neu anzupassen.

11.5  Praxis  |  611

Beispielsweise hatte ich bei Tests den Kontrast und die Sättigung für schöne Wolkenaufnahmen angehoben. Später »fraßen« mir dann bei Mondaufnahmen die Lichter aus, und der Mond wurde zu bunt, weil ich vergessen hatte, den Bildstil wieder zurückzusetzen. Die zweite und etwas professionellere Methode ist es, bei der Aufnahme von Videomaterial auf optimale Nachbearbeitungsmöglichkeiten zu achten. Das hat zwar den Nachteil, dass die Videos aus der Kamera weich und etwas unscharf wirken, allerdings haben Sie dafür noch nichts kaputt gemacht, was Sie über das Schnittprogramm nicht wieder anpassen können. Bei Videofilmern mit Canon-Kameras ist der Cinestyle-Bildstil von Technicolor beliebt, den Sie unter www.technicolorcinestyle.com kostenlos herunterladen können. Er nutzt den Dynamikumfang der Kamera aus und bietet eine gute Basis zur weiteren Bearbeitung. Sony unterstützt bei einigen Kameras S-Log, Canon C-Log, die ebenfalls eine flache Gradation erzeugen und sich gut für die Nachbearbeitung eignet. Bei der Sony α7R III z. B. verbergen sich die S-Log2 und S-Log3-Profile als Einstellungen PP7-PP09 unter dem Menüpunkt Fotoprofil. Die Einstellung PP4 unterstützt die Norm Rec. 709, die den Farbraum für HD-Fernsehen enthält. Wer wenig nachbearbeiten und natürliche Farben im Video erhalten möchte, sollte das ausprobieren. Wenn Sie eine andere Kameramarke verwenden, können Sie Schärfe, Kontrast und Sättigung verringern, um diese in der Nachbearbeitung dann wieder anzuheben. So arbeiten Sie wie mit einem weichen Negativfilm, der die Szene gut erfasst und der immer über genug Spielraum auch für kontrastreiche Motive verfügt. FF Abbildung 11.36 Oben habe ich den Standard-Bildstil der Canon-Kameras verwendet. Das Ergebnis ist ansprechend, lässt sich aber kaum noch anpassen. In der Mitte daneben eine Aufnahme im Cinestyle-Bildstil. Das Bild wirkt weich und etwas grau, bietet aber alle Informationen für eine gute Bearbeitung. Unten habe ich die Gradation der CinestyleAufnahme angehoben und etwas nachgeschärft.

612  |  11  Video

Fokus Im professionellen Filmbereich ist Autofokus oft noch kein Thema, die CinemaObjektive besitzen normalerweise gar keinen AF, sondern lassen sich über eine sehr fein abgestufte Entfernungsskala manuell scharfstellen. Zudem haben sie standardisierte Zahnräder, über die eine externe Scharfstellung (Follow Focus oder Schärfezieheinrichtung genannt) angeschlossen werden kann. Bei Kinoproduktionen gibt es oft den Job eines sogenannten Focuspullers, der nur dafür da ist, die Schärfe der Kamera nachzuführen. Im absoluten Einstiegsbereich hingegen lässt sich die Scharfstellung überhaupt nicht manuell durchführen, oft übernimmt eine Gesichtserkennung die Wahl des Schärfebereichs, manchmal können Sie über einen Touchscreen oder Pfeiltasten einen Fokusbereich vorwählen. Zwischen diesen beiden Extremen liegt der Bereich, in dem Sie wahrscheinlich am ehesten arbeiten werden. Bei den DSLRs und Spiegellosen ist der Autofokus zunehmend sinnvoll verwendbar, was auch daran liegt, dass der Phasen-AF inzwischen auch direkt auf dem Bildsensor anwendbar ist. Kameras wie die Canon EOS 90D, die EOS-1D X II oder die Sony α7S II führen eine Phasenmessung (siehe Seite 202) direkt auf dem Sensor durch. Das hat den Vorteil, dass das Objektiv den Schärfebereich direkt anfahren kann und so sanfte Übergänge zwischen zwei Schärfepunkten ermöglicht. So kommt es nicht zu dem störenden »Pumpen« (der Fokus fährt hin und her, um den optimalen Scharfstellpunkt zu finden) und auch die Schärfenachführung bewegter Motive gelingt weich und gleichmäßig. Einige Spiegellose bekommen auch mit reiner Kontrastmessung einen brauchbaren Video-AF hin. In der Praxis werden Sie Autofokus und manuellen Fokus mischen, abhängig von den Fähigkeiten Ihrer Kamera und den Erfordernissen des Motivs. Wenn Sie ein Motiv mit fester Schärfeeinstellung wie z. B. eine Landschaft aufnehmen, sollten Sie den Autofokus immer deaktivieren, weil er im schlimmsten Fall die Aufnahme zerstört. Bei sehr dynamischen Motiven und guter Kameraleistung bleibt Ihnen nur der Autofokus, weil Sie selbst nicht schnell genug die Schärfe nachziehen können. Die einzige Ausnahme ist eine große Schärfentiefe, aber diese werden Sie mit langen Brennweiten nicht hinbekommen. Im Bereich dazwischen ist es oft eine gestalterische Entscheidung: Reicht ein schneller, sauberer Fokuswechsel, oder sollte ein langsamer Übergang stattfinden? Wenn Sie manuell scharfstellen, dann kann zusätzliche Ausrüstung die Arbeit erleichtern: z. B. eine Fokussierhilfe und ein externer HDMI-Monitor in einer Größe von etwa 7 Zoll, auf dem Sie das Bild und die Schärfe besser begutachten können. Die Fokussierhilfe kann z. B. den Scharfstellring des Objektivs auf ein seitliches Drehrad umlegen oder eine elektronische Schärfenachführung

GG Abbildung

11.37 Ein typisches Cinema-Objektiv: Blende und Entfernung lassen sich über Zahnräder einstellen, einen AF gibt es nicht. (Bild: Canon)

GG Abbildung 11.38 Konventionelle DSLR-Objektive lassen sich so umrüsten, dass ein weicher manueller Fokus leichter zu erzielen ist. (Bild: Redrock Micro)

11.5  Praxis  |  613

GG Abbildung

11.39 Kleine Zusatzmonitore erleichtern das Scharfstellen und die Bild­kon­ trolle. (Bild: Lilliput)

per USB sein. Sehr praktisch ist es, wenn Sie bei Ihrer Kamera den Fokuspunkt über den Touchscreen festlegen können, gerade dann, wenn auch die Geschwindigkeit des Fokuswechsels in der Kamera anpassbar ist. Eine große Hilfe beim manuellen Scharfstellen ist das sogenannte Focus Peaking. Dabei werden die Bereiche, die in der Schärfe liegen, sehr deutlich hervorgehoben, z. B. durch ein klares Rot. So können Sie leicht erkennen, ob die Schärfe zu weit vorn oder hinten liegt, und mit weniger Anstrengung und größerer Präzision die Schärfe nachziehen. Viele externe LCD-Monitore unterstützen diese Funktion selbstständig, indem sie den Kontrast des Videobilds auswerten. Einige Digitalkameras unterstützen das von Haus aus auch auf dem eingebauten LCD-Monitor.

Abbildung 11.40 E Leuchtend blaue Pixel zeigen hier die Bereiche der Schärfe an. Durch das Focus Peaking können Sie auch bei flüchtiger Betrachtung des Monitors oder des elektronischen Suchers die Schärfebereiche schnell erfassen.

HH Abbildung

11.41 Dieses Blitzschuhmikro ist an Gummibändern aufgehängt, damit sich keine Kamerageräusche übertragen. (Bild: Rode)

614  |  11  Video

Ton Zwar hat praktisch jede digitale Videokamera ein internes Mikrofon – oft auch zwei für die Stereoaufzeichnung –, aber das ist eher eine Notlösung als ein perfektes Produktionsmittel. Die Audioqualität ist jedoch in der Regel eher schwach – dadurch, dass das Mikrofon im Kameragehäuse sitzt, übertragen sich auch die Betriebsgeräusche der Kamera. Sie hören dann den Fokusmotor, die Blende und den Bildstabilisator. Zwar gibt es auch sehr leise Objektive extra für Video, aber davon wird das interne Mikro immer noch nicht wirklich gut. Eine bessere Lösung ist es, im Blitzschuh ein externes Mikrofon, das z. B. mithilfe von Gummibändern mechanisch entkoppelt ist, über den Mikrofonanschluss an die Kamera anzuschließen.

Externe Mikrofone | Wenn Sie sich ein externes Mikrofon für den Außeneinsatz

kaufen, sollten Sie gleich einen Windschutz mitbesorgen. Selbst leichter Wind kann zu deutlich hörbaren Geräuschen bei der Tonaufnahme führen. Der Windschutz sollte dem Mikrofon angepasst sein. Er sieht meist aus wie ein langhaariges Fell, und obwohl er im Englischen oft als »Dead Cat«, also »tote Katze«, bezeichnet wird, müssen Sie keine Befürchtungen haben: Er besteht aus synthetischen Materialien. Wenn kein Wind weht, sollten Sie ihn abnehmen, da sonst der Ton ein wenig dumpfer wird. Ein Verlängerungskabel für das Mikrofon ist auch eine gute Idee, denn oft bekommen Sie eine bessere Tonqualität, wenn Sie mit dem Mikro näher an der Tonquelle sind als mit der Kamera. Es gibt für verschiedene Anwendungsfälle jede Menge unterschiedlicher Mikrofontypen: Richtmikrofone arbeiten wie ein Teleobjektiv, indem sie nur einen engen Winkel erfassen. Es gibt Ansteckmikrofone für Sprecher, Mono-Mikrofone für rauscharme Interviews und Gesangsmikrofone, die nur sehr nahe Quellen erfassen und sich gut für laute Umgebungen eignen. Eine andere Lösung für einen guten Ton sind externe Tonaufzeichnungsgeräte. Darin sind bereits hochwertige Mikrofone eingebaut, sie unterstützen aber auch externe Mikros. Über einen Kopfhörerausgang können Sie den Ton während oder vor der Aufnahme überprüfen. Im WAV-Format lässt sich der Ton auch unkomprimiert aufzeichnen, um eine optimale Tonqualität zu erhalten. Die spätere Synchronisation des Tons mit dem Video­bild ist bei Verwendung externer Tonaufzeichnungsgeräte auch nicht kompliziert. Beim Film wird dafür gern die sprichwörtliche Klappe zu Hilfe genommen, die einen lauten Knall erzeugt, der sich automatisch als Synchronisationspunkt in der Videoschnittsoftware finden lässt. Die Klappe ist auch dafür da, die Szenennummer und die Nummer des Takes auf dem Film- und Tonmaterial zu dokumentieren, deswegen werden diese nicht nur beschriftet, sondern die Information auch noch einmal für die Tonspur gesprochen. Für die einfachere Synchronisation sollten Sie die interne Tonaufzeichnung Ihrer Kamera natürlich mitlaufen lassen, manche Videoschnittlösung kann dann den externen Ton automatisch richtig zuordnen. Der größte Nachteil eines externen Tonaufzeichnungsgerätes ist es, dass Sie noch ein Gerät mehr dabeihaben. Gerade wenn Sie allein draußen unterwegs sind, ist ein externes Mikrofon die einfachere Lösung, weil es einfach auf der Kamera verbleiben kann.

GG Abbildung

11.42 Ein Windschutz ist ein unentbehrliches Zubehör für ein externes Mikrofon.

11.5  Praxis  |  615

Abbildung 11.43 E Ein Frame aus einem Video, das 17 Minuten lang nur dieses Bild zeigt. Interessant ist aber die Tonspur, die ein unglaubliches Vogelkonzert zur Morgendämmerung enthält. Ich war froh, ein Mikrofon mitgenommen zu haben.

Ton aussteuern | Bei einer Digitalkamera gibt es meist zwei Möglichkeiten, die

GG Abbildung 11.44 Ein eigenes Aufzeichnungsgerät für den Ton liefert die besten Ergebnisse. (Bild: Zoom)

616  |  11  Video

Aufzeichnung des Tons an die Lautstärke der Schallquellen anzupassen: automatisch oder manuell. Die automatische Pegelsteuerung sorgt dafür, dass die Empfindlichkeit bei leisen Tönen hochgesetzt und bei lauten heruntergeregelt wird. Die Automatik ist praktisch, weil Sie sich nicht um die Aussteuerung kümmern müssen, sie reicht für die Aufnahme von Umgebungsgeräuschen aus und kann auch dafür sorgen, dass man Sprache immer versteht. Ein so aufgezeichnetes Symphoniekonzert möchten Sie aber bestimmt nicht hören, weil die Dynamik dabei nivelliert wird und die leisen Abschnitte nicht mehr leise bleiben. Sehr leise Geräuschpegel werden dabei unnatürlich überbetont, und bei sehr lauten reagiert die Automatik erst, wenn es schon zu spät ist, also das erste Mal übersteuert wurde. Trotzdem reicht diese Methode für viele Anwendungsfälle aus. Wenn Sie bessere und vor allem stärker kontrollierbare Ergebnisse haben möchten, bietet sich die manuelle Tonaufnahme an. Hier reicht der Regelbereich meist von −40 dB bis 0 dB. Das entspricht einem Wertumfang von 1 : 10 000 bis 1. Alles, was über 0 dB ist, wird rigoros abgeschnitten, so wie bei der Belichtung, wenn der Weißwert erreicht wurde. Das sollten Sie unbedingt vermeiden, weil der Ton dann schnell sehr verzerrt und unangenehm klingt. Zu gering sollten die Ausschläge allerdings auch nicht werden, denn dann müssen Sie später die Lautstärke anheben, und das ist mit Qualitätseinbußen verbunden, ungefähr so, als würden Sie eine stark unterbelichtete Aufnahme heller ziehen. Das Rauschen nimmt dann zu, und die Abstufungen werden geringer.

Wenn Sie Ihre Tonaufnahme manuell aussteuern, sollten Sie immer eine Aussteuerungsreserve lassen, damit der Ton nicht verzerrt. Eine Vollaussteuerung um −10  dB oder −12  dB ist ein guter Wert. Wenn die absoluten Spitzen bis −6 dB gehen, sind Sie auch noch in einem guten Bereich. Die Anzeige des Tons verfügt meist über einen sogenannten Peak-Wert, der als Punkt dort stehenbleibt, wo in den letzten Sekunden die größte Lautstärke gemessen wurde. So können Sie die Spitzenwerte ganz in Ruhe ablesen und müssen nicht den schnellen Ausschlägen folgen. Mit einer professionelleren Kamera können Sie oft über einen Kopfhörerausgang den Ton überprüfen und auch während der Aufnahme den Pegel noch manuell anpassen. Bei Kameras mit Touchscreen sollten Sie die Berührungsempfindlichkeit auf hoch einstellen, damit Sie nur ganz leicht den Bildschirm antippen müssen, ohne damit ein Geräusch zu verursachen. Beachten Sie, dass externe Mikrofone über eine interne Vorverstärkung verfügen. So können Sie den Ausgangspegel des Mikros auf den Eingang Ihrer Tonaufzeichnung abstimmen. Wenn Sie z. B. ein zu leises Signal zu sehr verstärken müssen, geht das auf Kosten von Dynamik und verursacht Rauschen. Ein zu starkes Signal wiederum führt leichter zu Verzerrungen. Wenn Sie den Ton in der Schnittsoftware anpassen, sollte die Sprache immer etwas lauter sein als Musik und Hintergrundgeräusche. Das gilt nicht nur bei der gleichzeitigen Wiedergabe, wo es selbstverständlich wäre, sondern generell. Bei Musik empfiehlt es sich, diese bereits vor dem Schnitt als Tonspur festzulegen, damit sich die Szenenwechsel harmonisch zur Musik gestalten lassen. Vor einer Veröffentlichung des Videos, z. B. im Internet, müssen Sie sich um die Rechte der verwendeten Musik kümmern. Also am besten ganz am Anfang, bevor Sie mit dem Schnitt anfangen.

GG Abbildung

11.45 Die Tonaufzeichnung ist hier gut ausgesteuert. Höher gehen sollten Sie aber nicht mehr, da die Übersteuerungsreserve schon sehr klein ist. So sollte die Messung also bei den hohen Lautstärken aussehen. Die gelben Punkte repräsentieren die Peaks, also die kürzlich gemessenen Spitzenwerte.

FF Abbildung 11.46 In der Schnittsoftware (hier DaVinci Resolve 16) können Sie die einzelnen Tonspuren wie mit einem Mischpult anpassen.

11.5  Praxis  |  617

Digitalzoom

HH Abbildung

11.47 Dieses Videobild wurde mit einem 100-mm-Objektiv aufgenommen. Durch einen 3-fachen Digitalzoom entspricht der Bildwinkel dem eines 300-mm-Objektivs.

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Im Fotobereich ist Digitalzoom nur ein Marketingtrick, weil die Bilddaten einfach hochinterpoliert werden, um eine längere Brennweite vorzutäuschen. Im Videobereich ist das oft etwas anders, denn die Auflösung der Bildsensoren ist um ein Mehrfaches höher als die der Videoauflösung. Wenn Sie z. B. eine Kamera mit einer Auflösung von 5 760 × 3 840 Pixel haben, was 22 MP entspricht, dann können Sie daraus in der Mitte 1 920 × 1 080 Pixel ausschneiden und erhalten so eine Brennweitenverlängerung um den Faktor 3 über die Bildbreite – in der Diagonalen sogar etwas mehr. Sie können also einen dreifachen Digitalzoom einsetzen und arbeiten trotzdem noch zu 100 % auf echten Pixeln. Wenn Sie den Digitalzoom mit einer ohnehin schon langen Brennweite verwenden, wird der Bildwinkel extrem eng, was zu ungewöhnlichen Bildwirkungen führen kann. Ähnliche Effekte erhalten Sie, wenn Sie eine Kamera mit einem kleinen Sensor über einen Adapter an ein starkes Tele anschließen. Eine Blackmagic Micro Cinema Camera (Sensorgröße 12,48 mm × 7,02 mm) an einem 400er-Teleobjektiv wird auch fast absurde Effekte ermöglichen.

FF Abbildung 11.48 840 mm mit 3-fach-Digitalzoom an einer APS-C-Kamera lassen den Mond zu groß für das Bildformat werden.

Zeitraffer Zeitrafferaufnahmen entstehen meist nicht über die Videofunktion, sondern sie werden aus regelmäßig aufgenommenen Fotos am Computer berechnet. Es gibt auch Kameras, die diese Berechnung intern vornehmen können, aber es hat auch Vorteile, wenn Sie das Video erst am Rechner erzeugen. Wenn Sie, statt ein Video mit 25 fps aufzunehmen, ein Bild alle 10 s erzeugen, dann haben Sie eine 250-fach beschleunigte Zeit im fertigen Video, in einer Sekunde Video laufen also über vier Minuten Realzeit ab, in gut 14 s eine Stunde. In manchen Kameras wie z. B. der Nikon D850 lässt sich die Intervallauslösung bereits programmieren, bei anderen ist ein programmierbarer Kabelauslöser die beste Wahl (ca. 40 € von Fremdherstellern). Zu Hause oder im Studio können Sie auch vom Laptop oder Tablet per USB auslösen. Viele neuere Systemkameras können gleich ein Zeitraffervideo intern erzeugen, bei dem Sie natürlich nicht mehr so viel eingreifen können wie bei einzelnen Raw-Bildern. Dafür verschleißt diese Funktion nicht den Kameraverschluss, braucht viel weniger Platz auf der Speicherkarte und liefert mit wenig Aufwand ein meist ansprechendes Ergebnis. Sie können für Zeitrafferaufnahmen aus Einzelbildern kleinere Raw-Formate wählen, da Sie die volle Auflösung für das Video nicht benötigen und so Platz und Rechenzeit sparen. Falls Sie die Einzelaufnahmen aber auch fotografisch verwerten möchten, sollten Sie die Auflösung lieber hoch lassen. Für schnelle Tests reichen auch JPEGs, aber für perfekte Ergebnisse ist Raw immer besser. Zeitraffervideos wirken räumlicher und dynamischer, wenn sich die Kamera während der Aufnahme bewegt. Das können Sie allerdings kaum selbst durch-

Eieruhr verwenden Echte Slider- oder Stepper-Motor-Produkte sind teuer und umständlich zu transportieren. Eine schöne Lösung, in einer Stunde eine 360°-Drehung zu machen und dabei kaum Geld auszugeben, ist eine handelsübliche drehbare Eieruhr. Einmal aufgezogen, dreht sie sich in einer Stunde einmal im Kreis. Sie trägt zwar keine Profi-DSLR, aber eine ActionKamera, Kompaktkamera, eine leichte Spiegellose oder eine Einsteiger-DSLR sind noch möglich.

11.5  Praxis  |  619

führen, weil Sie sicher nicht stundenlang die Kamera zwischen den Aufnahmen exakt um wenige Millimeter verschieben wollen. Dafür sind Schienensysteme erhältlich, die dies mit einem Steppermotor und einer Kontrolleinheit automatisch erledigen. Technisch Versierte können sich so etwas auch selbst bauen, denn ähnliche Anforderungen gibt es im Maschinenbau zuhauf, und so können Sie auf Standardbauteile aus der Industrie zurückgreifen. Wenn der Zeitraum der Zeitrafferaufnahme begrenzt ist oder die Lichtverhältnisse aus anderen Gründen gleich bleiben, sollten Sie die manuelle Belichtung verwenden. Die Automatik kann sonst zu leicht schwankenden Helligkeitswerten führen, die ein unschönes Flimmern im Video ergeben. Dieses Flimmern können Sie allerdings mit spezialisierten Werkzeugen wie z. B. dem Plugin LR-Timelapse (http://lrtimelapse.com) auch wieder herausrechnen. In Adobe Premiere Pro gibt es ebenfalls einen Anti-Flimmer-Filter. Für die Videonachbearbeitung sind auch kostenlose Filter erhältlich, suchen Sie einfach nach »deflicker« im Netz – die Lösungen helfen auch bei flimmernden Leuchtstoffröhren. Wenn Sie vom Tag in die Nacht oder umgekehrt fotografieren, empfiehlt sich die Zeitautomatik, da diese am besten die Bildhelligkeit anpassen kann und die Blende dabei nicht ändert. Falls ein konstanter Zeitablauf wichtig ist, sollten Sie darauf achten, dass die Verschlusszeiten nicht länger werden als der Abstand zwischen den Aufnahmen. Sie können natürlich nicht alle 10 Sekunden ein Bild mit 30 s Verschlusszeit aufnehmen. Schalten Sie den Autofokus unbedingt aus, sonst kann es passieren, dass er keinen Fokuspunkt mehr findet und so die Aufnahme beendet oder das Bild zum Pumpen bringt.

GG Abbildung 11.49 Mit einer Gleitschiene und entsprechendem Zubehör lassen sich Kamerafahrten für Zeitrafferaufnahmen automatisieren. (Bild: Slidekamera)

Schritt für Schritt: Zeitraffer in Photoshop Um ein Zeitraffervideo aus Einzelbildern zu erstellen, benötigen Sie nicht einmal Videoschnittsoftware, weil z. B. auch Adobe Photoshop diese Möglichkeit bereits eingebaut hat. Im Folgenden werde ich die Arbeitsweise genau beschreiben. Beispieldaten finden Sie im Download-Bereich im Ordner Zeitraffer.

620  |  11  Video

1  Bilder machen Nehmen Sie eine Reihe von Fotos vom Stativ aus auf. Pro Sekunde Video benötigen Sie 25 Bilder (oder 30, je nach Bildwiederholrate). Stellen Sie die Kamera auf Manuell oder Zeitautomatik. Fokussieren Sie vor, und schalten Sie den Autofokus dann ab. Stellen Sie am Kabelauslöser oder in der Kamera das Intervall ein: für Wolken bei nicht allzu starkem Wind 5 bis 10 s, bei Szenen mit Menschen eher 1 bis 2 s. Hier habe ich 30 s gewählt, weil die Verschlusszeit so lang war.

2  Bilder anpassen und skalieren Öffnen Sie die Bilder in Lightroom, wählen Sie alle gemeinsam aus, und passen Sie sie grundlegend an. Exportieren Sie sie dann als JPEG in hoher Qualität, setzen Sie die Auflösung herunter (einpassen auf 1 920 × 1 920), weil Sie für ein Video in Full HD nicht mehr benötigen. Aus Fotoaufnahmen können Sie natürlich auch leicht 4 K-Zeitraffer erstellen, aber darauf habe ich hier verzichtet, um den Download nicht zu groß werden zu lassen. Für das Beispiel habe ich all das schon vorbereitet, sodass Sie einfach in Photoshop auf Öffnen gehen, den Ordner Zeitraffer anwählen, ein Bild anklicken und das Häkchen vor Bildsequenz setzen können. Wenn Sie auf Öffnen klicken, werden Sie als Nächstes gefragt, welche Bildwiederholrate Sie wählen möchten. Geben Sie hier 25 fps ein, um das Video später auch gut auf einem HD-Fernseher wiedergeben zu können.

3  Film nachbearbeiten Photoshop behandelt die Bilder jetzt als zusammenhängendes Objekt, das Sie auch bearbeiten können. Klicken Sie in der Ebenen-Palette auf das Symbol Neue Misch- oder Einstellungsebene erstellen, und wählen Sie Tonwertkorrektur aus dem aufklappenden Menü. Schieben Sie dann in der Eigenschaften-Palette den Regler Mittelton-Tonwertspreizung anpassen auf 0,70, um den Nachteindruck wieder stärker werden zu lassen. Ohne Einstellungsebene beziehen sich Bearbeitungen nur auf ein Einzelbild des Films.

GG Abbildung 11.50 Durch das Häkchen vor Bildsequenz lädt Photoshop alle zusammenhängenden Bilder als Film.

GG Abbildung 11.51 Geben Sie 25 fps bei der Bildwiederholrate (Framerate) ein, das entspricht der europäischen Fernsehnorm.

11.5  Praxis  |  621

Abbildung 11.52 E Links: Mit einer Einstellungsebene 1 können Sie den gesamten Film anpassen. Rechts: Mitteltöne auf 0,70 2 dunkelt das Bild etwas ab.

2 HH Abbildung 11.53 Bringen Sie die Bilddaten auf das Videoformat.

1

4  Film beschneiden Das Seitenverhältnis eines Fotos ist meist 3 : 2 (4 : 3 bei MFT), das eines HD-Films aber 16 : 9. Wählen Sie deshalb aus dem Menü Bild den Eintrag Arbeitsfläche, und ändern Sie die Höhe in 1 080 Pixel. So füllt das Bild später das Videoformat voll aus, ansonsten wären rechts und links schwarze Balken zu sehen.

5  Film ausgeben Wählen Sie Datei • Exportieren • Video ren­dern, um den fertigen Film auszugeben. Die Standardeinstellungen sind bereits gut passend, Sie müssen nur die Grösse auf Dokumentgrösse setzen und oben einen Namen für das Video vergeben. Klicken Sie auf Rendern, und öffnen Sie den fertigen Film mit einem Videoplayer. K

FF Abbildung 11.54 Die Encoding-Einstellungen können Sie auf den Standardwerten belassen.

622  |  11  Video

Zeitlupe Eine Zeitlupe ist mit einer Digitalkamera nicht so uneingeschränkt zu realisieren wie eine Zeitrafferaufnahme. Im besten Fall können Sie ein Video mit 240 fps aufnehmen, was dann eine 8- bis 10-fache Verlangsamung ermöglicht. Wenn Sie stärker verlangsamen möchten, müssen Sie entweder zu Spezialkameras greifen, die es auch mit 500 000 oder 1 000 000 fps (allerdings nicht bei voller Auflösung) gibt, oder zu einem Trick greifen. Echte Highspeedkameras sind preislich einem gut ausgestatteten Mittelklassewagen vergleichbar, visuell überzeugende Ergebnisse lassen sich aber oft schon mit 60-fps-Ausgangsmaterial erzeugen, das mithilfe von Plugins wie z. B. Twixtor (www.revisionfx.com/products/ twixtor) interpoliert wird. Hier sollten Sie kurze Verschlusszeiten verwenden, um möglichst scharfe Einzelaufnahmen zu erhalten, zwischen denen dann die Zwischenbilder errechnet werden. Diese Technik kennen Sie vielleicht unter dem Begriff Morphing. Die Berechnung von Zwischenbildern kann glaubwürdige Übergänge erzeugen – Ereignisse, die zwischen zwei Frames passiert sind, werden dabei natürlich nicht erfasst. Für die wissenschaftliche Bildbearbeitung können diese Plugins eine echte Hochgeschwindigkeitskamera nicht ersetzen, in vielen kreativen Anwendungen schon. Allerdings sehen die Ergebnisse manchmal auch etwas künstlich aus, gerade wenn sehr kleinteilige Bewegungen wie Wasserspritzer abgebildet werden sollen. Bei manchen Beamern oder Fernsehern wird eine ähnliche Technik verwendet, um die Bewegungen durch die Generierung von Zwischenframes flüssiger aussehen zu lassen. Ein Fernseher mit 100 Hz errechnet so aus 25-fps-Videomaterial drei Zwischenframes pro Videoframe.

GG Abbildung

11.55 Die GoPro Hero 7 Black Edition kann bei 1080p mit 240 fps aufzeichnen. Damit können Sie eine 9,6-fache Zeitlupe erreichen, indem Sie die Wiedergabe auf die normalen 25 fps verlangsamen.

11.6  Kameras Auch wenn ich in diesem Kapitel größtenteils über die Videomöglichkeiten der DSLRs und Spiegellosen schreibe, weil dies die Kameras sind, die die meisten von Ihnen wohl zur Verfügung haben, soll ein kleiner Blick in die weitere Videowelt nicht fehlen. Es kann durchaus sinnvoll sein, Ihre Kameraauswahl zu erweitern, wenn Sie sich intensiver mit der Videoproduktion auseinandersetzen möchten. Trotzdem werden Sie auch mit Ihrer Systemkamera in der Lage sein, professionelle Videofilme zu erstellen. Camcorder  | In der Frühzeit des Videos waren Kamera und Videorekorder ge-

trennte Einheiten und wurden über ein Kabel verbunden. Als man beide Geräte in eines zusammenfassen konnte, schuf man den Begriff Camcorder als Kurzform

11.6  Kameras  |  623

von »Camera-Recorder«. Heute fasst der Begriff den Großteil der Videokameras zusammen. Die günstigsten Videokameras liegen unter 100 €, nach oben hin sind kaum Grenzen gesetzt. Wenn Sie eines der besseren Modelle mit 4 KVideo um etwa 750 € erwerben, haben Sie oft ein gutes Klappdisplay und einen ausklappbaren elektronischen Sucher an Bord. Das Mikrofon ist hochwertig, ebenso das Objektiv, das mit Motorzoom z. B. einen 20-fachen Zoombereich unterstützt. Der Sensor ist recht klein, dafür die Bildwiederholfrequenz oft höher als bei einer Systemkamera und die Bildstabilisierung noch wirkungsvoller. Sie können dem Motiv leichter folgen als bei den meisten Systemkameras und ohne Probleme flüssig zoomen. Die Schärfeverhältnisse sind allerdings nicht so schön kinoartig, da der Sensor viel kleiner ist und eher einer Kompaktkamera entspricht. Kompaktkamera und Smartphone  | Im Großen und Ganzen gilt hier das GleiGG Abbildung

11.56 4 K-Camcorder liefern nicht den Look einer Systemkamera, sind aber auf Video spezialisiert. (Bild: Panasonic)

che, was ich schon im Kamerakapitel über diese Geräte gesagt habe. Full HD oder 4 K sind auch hier Standard. Smartphones haben den Vorteil, dass auch für den Videobereich viele Apps vorhanden sind und dass sie direkt vernetzt sind. Kompaktkameras können Ihre Einsatzbereiche erweitern: Eine DSLR möchten Sie vielleicht nicht auf unruhiger Strecke ans Motorrad schrauben, eine wetterfeste und robuste Kompakte schon. Bei schwachem Licht kommen diese Kameras schnell an ihre Grenzen, aber Videoaufnahmen bei gutem Licht können Sie in ein Systemkamera-Video hineinschneiden, ohne dass dies groß auffällt.

FF Abbildung 11.57 Schneeregen im Kajak in der Antarktis. Eine wasserdichte Kompaktkamera ist hier ideal. (Bild: Silke Westphalen)

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Die Einschränkungen ergeben sich beim Smartphone eher aus der festen, meist weitwinkligen Brennweite und der sehr hohen Schärfentiefe. Der Vorteil eines Smartphones liegt auch in dem meist hervorragenden Bildschirm, der obendrein über eine fein abgestimmte berührungsempfindliche Benutzeroberfläche verfügt. Durch die enormen Stückzahlen und den Konkurrenzdruck am Markt ist das Innovationstempo sehr hoch, sodass wir in Smartphones sicher noch einige technische Überraschungen erleben dürfen, die dem Foto- und dem Videobereich zugutekommen werden. FF Abbildung 11.58 Dies ist ein Standbild aus einem ­Video vom iPhone. Sie sehen an der hohen Schärfentiefe, dass ein kleiner Sensor verwendet wurde, aber die technische Qualität ist erstaunlich hoch.

Action-Kamera  | Diese Kategorie von Kameras hatte in den letzten Jahren si-

cher eine der größten Wachstumsraten zu verzeichnen. Die Kameras sind oft nur wenig größer als eine Streichholzschachtel, haben ein weitwinkliges Objektiv, meist als Fisheye, und unterstützen hohe Auflösungen und Bildwiederholraten. Zudem sind sie robust ausgelegt, sodass sie Erschütterungen und Wettereinflüssen trotzen können. Durch ihr geringes Gewicht und vielfältiges Befestigungszubehör lassen sie sich fast überall anbringen, ohne dass sie – selbst bei extremen Beschäftigungen – stören würden. Surfbrett, Kanu, Motorrad, Fahrradhelm, Modellflugzeug, Ski oder der Blitzschuh einer anderen Kamera können so zu einem Ort werden, an dem eine kleine Kamera unauffällig ihren Dienst tut. Neuere Modelle stabilisieren auch bei sehr bewegten Sportarten gut. Nachteile dieser Kameras sind eine oft geringe Akkulaufzeit, wenig Einstellmöglichkeiten, der Verzicht auf ein Display und die Tatsache, dass sie manche ihrer Besitzer zu Dingen verleiten, die diese lieber sein lassen sollten. Es gibt leider einen Trend, sich bei immer waghalsigeren Unternehmungen zu filmen.

11.6  Kameras  |  625

Die erfolgreichen Versuche werden dann für das Marketing von Energydrinks verwendet, die nicht erfolgreichen werden verdrängt. Allein im Lauterbrunnental in der Schweiz gab es zwischen 1994 und April 2019 57 Todesfälle beim Basejumping, allein in den letzten drei Jahren sind dort 13 Menschen zu Tode gekommen. Filmen mit Drohnen Seit einigen Jahren sind Drohnen in großer Zahl und in unterschiedlichen Marktsegmenten verfügbar. Bereits um die 50 € gibt es kleine Drohnen mit eingebauter Videokamera zu kaufen, diese sind aber eindeutig dem Spielzeugsegment zuzuordnen. Ich würde empfehlen, sich für den Einstieg eine Drohne mit Kamera, Fernbedienung und Gimbalhead im Komplettpaket zu kaufen, und zwar am besten eine, die ihre Position auf Wunsch auch bei Wind selbst halten kann. Diese Geräte sind einfach zu fliegen, liefern ein stabiles Videobild und sind recht günstig. Modelle mit 4 K-Kamera wie die DJI Mavic Pro sind in guter Ausstattung für ca. 800 € zu bekommen, neuere Modelle kosten oft gut das Doppelte. Selbst wenn Sie alles selbst aufbauen wollen und eine größere Kamera verwenden möchten, sollten Sie das erst tun, nachdem Sie mit einem solchen Einsteigergerät einige Flugerfahrung erworben haben. Eine große Drohne durch Fehlbedienung zu verlieren ist teuer, noch schlimmer ist es, wenn bei einem Unfall Menschen zu Schaden kommen. Machen Sie sich außerdem mit den gesetzlichen Bestimmungen vertraut, bevor Sie sich Ihre erste Drohne kaufen (siehe auch Seite 575).

Videokameras für Digitalkamera-Objektive  | Canon hat nach seinem Erfolg

HH Abbildung 11.59 Die Canon EOS C200 ist als professionelle Videokamera konzipiert, arbeitet aber mit normalen Canon-EFObjektiven zusammen. (Bild: Canon)

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mit der EOS 5D Mark II im Videobereich begonnen, auch reine Videokameras für das EF-Bajonett zu entwickeln. Während die EOS-1D C nur eine leicht veränderte Profi-DSLR war, die immerhin 4 K-Video aufzeichnen konnte, sind in der C-Reihe reine Videokameras entstanden, die mit der Bedienung einer Fotokamera nichts mehr gemein haben. Durch das Standardbajonett haben Sie als Besitzer einer solchen Kamera aber Zugriff auf ein riesiges Objektivangebot, das zudem oft schon beim Anwender vorhanden ist, wenn er in das System einsteigt. Das Einstiegsmodell C100 Mark II liegt bei 3 000 €, für das 4 K-Modell C300 Mark II müssen Sie mit 10 000 € rechnen. Interessanter für den ambitionierten Privatanwender sind sicher die Kameras von Blackmagic Design. Eine 4 K-Kamera mit EF-Bajonett ist für unter 3 000 € zu bekommen. Sie dürfen aber nicht vergessen, dass Systemkameras wie z. B. eine Sony α7S II, Panasonic Lumix S1H oder eine Nikon Z6 sich ebenfalls sehr gut für die Videoproduktion eignen.

Preislich liegen diese Videokameras also zum Teil nicht mehr über denen hochwertiger Systemkameras, sie sind aber noch besser auf die Erfordernisse der Videoproduktion abgestimmt. Die Anforderungen an Ihren Workflow sind allerdings auch höher, die bessere Qualität wird mit mehr Aufwand bei der Nachbearbeitung erkauft. Das wird im Laufe der Zeit alles etwas einfacher werden, weil sich Standards durchsetzen, Technik und Software immer ausgereifter werden und die Computer immer schneller. Rig  | Wenn Sie tiefer in die Videoproduktion einsteigen, werden Sie schnell

merken, dass Sie an Ihrer Kamera nur eine Stativbuchse und nur einen Blitzschuh haben. Um mehr Zubehör gleichzeitig verwenden zu können, benötigen Sie eine Lösung, die alles auf eine praktische Weise zusammenhält. Mit einem sogenannten Rig können Sie z. B. die Fokuseinheit, den Tonrekorder, den HDMIMonitor und die Schulter-Trageeinheit modular zusammenbauen. Oder Sie befestigen einen HDMI-Rekorder und eine Mattebox. Letztere ist sozusagen die Luxusversion einer Streulichtblende, mit der Sie das Objektiv sehr exakt gegen Scheinwerferlicht abschirmen können.

GG Abbildung 11.60 Mit einem Rig können Sie sämtliches Videozubehör zu einer gut transportablen Einheit zusammenfassen. (Bild: Redrock Micro)

11.6  Kameras  |  627

kurz & bündig:  Video Die Entwicklung im Videobereich wird die im Fotobereich in den nächsten Jahren an Geschwindigkeit übertreffen, und es wird viele Fotografen geben, die dies auch für den fotografischen Bereich nutzen werden. Warum nicht 4 K-Video mit 30 Bildern pro Sekunde aufzeichnen und sich später den optimalen Moment für ein Standbild aussuchen, anstatt mit 10 Bildern pro Sekunde den Verschluss dem Ende seiner Lebensdauer näher zu bringen? Vor allem, weil das Video sich unabhängig vom Bild ebenfalls vermarkten lässt. Eine 8 K-Kamera hätte mit 33 MP eine Einzelbildauflösung, die für praktisch alle Fotoanwendungen ausreichen würde. Der Autofokus ist heute im Videobereich so gut, dass die Videoerstellung auch für Einsteiger recht einfach geworden ist. Ihre Systemkamera wird in den meisten Fällen eine Videoleistung mitbringen, die auch professionelle Produktionen erlauben würde. Manche Motive lassen sich mit Bewegung und Ton noch intensiver einfangen, als es das reine Foto ermöglicht. Wenn Sie durch die Beschäftigung mit dem Video mehr in Abläufen und Einzelszenen denken, kann Ihnen das auch in Ihrer fotografischen Arbeit nutzen. Im Unterschied zu früher bekommen Sie heute beim Erwerb einer Fotoausrüstung automatisch eine Videoausrüstung dazu, wenn Sie von seltenen Ausnahmen wie der Nikon Df absehen, bei der die Videofunktion absichtlich weggelassen wurde. Nutzen Sie sie ruhig. Und selbst, wenn Sie gar keinen Antrieb haben, selbst im Videobereich tätig zu werden, sind das Kino und die Filmgeschichte großartige Inspirationsquellen für die Fotografie.

Anregungen für die Videopraxis EE

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KURZ & BÜNDIG:

Video

Analysieren Sie ein paar Minuten eines Films, den Sie sehr mögen, nach Aufbau, Einstellungen, Schnittfolge, Farbstimmung und Ton. Sie sollten den Film jederzeit stoppen und spulen können. Machen Sie das Gleiche mit einer Actionszene, und achten Sie nur darauf, wie mit Bewegung umgegangen wird. Erstellen Sie eine Zeitrafferaufnahme. Nehmen Sie einen kurzen Film mit ein paar Einstellungen auf. Planen Sie ihn exakt voraus, und setzen Sie diesen Plan 1 : 1 um. Lesen Sie ein paar Bücher zum Thema Film. Nicht zur Technik, sondern zu den gestalterischen Aspekten, zur Theorie und Analyse. Ein schönes und unterhaltsames Filmbuch ist »Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?« von

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François Truffaut. Zwei großartige Regisseure unterhalten sich mit viel Liebe zum Kino über jeden einzelnen Hitchcock-Film. Sehen Sie sich mehrere Filme eines bestimmten Kameramanns oder einer Kamerafrau an. Sie können einfach schauen, wer bei Filmen, die Sie gestalterisch sehr schön fanden, die Kamera gemacht hat. Oder Sie lassen sich von dieser Liste anregen: Christopher Doyle, Roger Deakins, Rachel Morrison, Alfonso Cuarón, Robert Burks, Emmanuel Lubezki, Wally Pfister, Janusz Kamin´ski, Hoyte van Hoytema und Sacha Vierny. Nehmen Sie sich ein wenig Zeit, und stöbern Sie auf vimeo.com nach kreativen Videos. Sie werden dort viel eher interessante Arbeiten finden als z. B. auf youtube.com. Auch beim Film wird viel improvisiert, wenn Sie schlechte Anregungen brauchen und ein wenig Lachen möchten, folgen Sie »shittyrigs« auf Instagram. Versuchen Sie, die Atmosphäre eines Ortes nur über ein paar Videobilder einzufangen. Außer einem Mikrofon sollten Sie kein Zubehör einsetzen. Drehen Sie einen kleinen Stummfilm, der alle Aspekte visuell erklärt. Der Betrachter muss ohne Probleme verstehen können, worum es geht. Sie dürfen keinen Text verwenden.

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11.61 Ohne den Lärm der Motoren geht bei einem historischen Rennen viel verloren, guter Ton ist auch für die Wirkung der Bilder wichtig.

KURZ & BÜNDIG:

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Kapitel 12:  Bildbearbeitung Eigentlich ist kein Bild fertig, wenn es aus der Kamera kommt. Der visuelle Eindruck ist meist blasser, als es der Anblick des Motivs vor Ort gewesen ist. Amateurkameras versuchen zwar, ein möglichst scharfes und buntes Bild zu erzeugen, aber das ist eher von Nachteil, weil dann wenig Spielraum zur gezielten Nachbearbeitung bleibt. Eine gute Kamera unterstützt das Raw-Format und lässt auch bei JPEG-Bildern etwas Luft für die Bearbeitung. In diesem Kapitel soll nicht von Tricks und Effekten die Rede sein, sondern von den grundlegenden Bildbearbeitungsmethoden, die für jeden Fotografen wichtig sind.

12.1  Vorbemerkungen Bildbearbeitung ist nur wenig jünger als die Fotografie selbst. In der Frühzeit der Fotografie wurde der Himmel in Landschaftsaufnahmen durch die starke Blauempfindlichkeit der Filme weiß, weshalb schon sehr früh separat aufgenommene Himmel in der Dunkelkammer nachträglich einbelichtet wurden. Malerei und Fotografie wurden kombiniert, Montagen aus verschiedenen Negativen erstellt, Dinge hinzugefügt oder wegretuschiert. Berühmt sind die Retuschen während der Stalinzeit, bei denen Menschen, nachdem Sie in Ungnade gefallen oder ermordet worden waren, aus den Bildern entfernt wurden. So gab es in der Sowjetunion kein offizielles Bild mehr, auf dem auch Leo Trotzki zu sehen gewesen wäre. Stalin selbst hat sich auf Bilder von Massenveranstaltungen (die er aus Angst vor Attentaten mied) hineinretuschieren lassen. Wenn Sie digital fotografieren, stellt sich die Frage, ob man Bildbearbeitung einsetzt, nicht mehr. Es gibt nur noch die Frage, wie viel Bildbearbeitung man möchte. Schon in der Kamera werden die Bilder entrauscht und beim JPEG-Format auch nachgeschärft und farblich verändert. Auch eine Raw-Konvertierung ist immer eine Bildbearbeitung, aber Sie haben die Wahl, ob Sie einen möglichst natürlichen und unveränderten Eindruck erhalten möchten oder ob Sie einen Bildstil erzeugen möchten, der stark durch die Nachbearbeitung bestimmt wird.

FFF Abbildung 12.1 Dieser Hahn stand tatsächlich auf der Straße in den Bergen von Gran Canaria, die Originalszene war zugegebenermaßen jedoch etwas anders als abgebildet.

28 mm | ƒ11 | 1/800 s | ISO 100 | Bildausschnitt

Abbildung 12.2 E Der Junge wurde in dieses Bild hineinretuschiert, seine Kleidung ist komplett gemalt. Das Bild stammt aus dem Ungarn der 1950er-Jahre. Auch ohne Computer wurde also schon massive Bildbearbeitung betrieben.

12.1  Vorbemerkungen  |  631

Die meisten Fotografen werden sich bei der Aufnahme eines Motivs nicht um die letzten Feinheiten der Farbabstimmung, der Helligkeit und des Kontrasts kümmern, sondern eher darauf achten, dass die Schärfe und der Bildaufbau stimmen und dass sie den Kontrastumfang gut aufzeichnen. Als man zu analogen Zeiten Dias belichtet hat, musste alles im Aufnahmevorgang gesteuert werden. Heutzutage können Sie einen großen Teil dieser Arbeiten in Ruhe in der Nachbearbeitung erledigen, wenn Sie im Raw-Format fotografieren. Im JPEGFormat sind ebenfalls Korrekturen möglich, aber im Vergleich zum Raw-Format nur in deutlich geringerem Ausmaß.

12.2  Auswahl der Geräte Selbst mit einem sieben Jahre alten Computer kann man heute noch gut Bildbearbeitung betreiben. So werden Sie, wenn Ihr System gut läuft, nicht unbedingt eine Neuanschaffung tätigen müssen, sobald Sie verstärkt Bilder bearbeiten möchten. Für alle, die einen neuen oder besseren Rechner kaufen möchten, will ich trotzdem einen Überblick aus Fotografensicht geben.

Systemfrage: PC, Mac oder Tablet? In den meisten Fällen haben Sie diese Entscheidung schon hinter sich. Es ist auch keine wirklich wichtige Entscheidung, weil die wesentliche Software für Fotografen auf beiden Systemen gut läuft. Ich arbeite mit PC und Mac, die Unterschiede für die Bildbearbeitung sind inzwischen gering. PC  | Einen PC können Sie günstiger erwerben als einen Mac, es gibt eine grö-

ßere Anzahl unterstützter Hardware und Software, und PCs lassen sich oft gut erweitern. Allerdings erfordern PCs mehr technisches Wissen und oft auch mehr Arbeit, um technische Probleme in den Griff zu bekommen. Wegen der weiteren Verbreitung von PCs ist deutlich mehr Schadsoftware in Umlauf, gegen die man den Rechner absichern muss. Mac  | Ein Mac ist etwas einfacher zu bedienen, verursacht meist weniger Pro­

bleme und hat – sowohl was die Hardware betrifft als auch die Benutzeroberfläche – eine hohe Designqualität. Die Wahrscheinlichkeit, mit Schadsoftware in Berührung zu kommen, wenn man nicht selbst den Installationsvorgang angestoßen hat, ist immer noch extrem gering. Auf einem Mac lässt sich auch Windows installieren, sodass Sie die zwei Systeme parallel betreiben können – mit

632  |  12  Bildbearbeitung

Virtualisierungslösungen wie Parallels Desktop oder VMware Fusion sogar gleichzeitig. Die Geräteauswahl ist deutlich geringer, da Apple der einzige Hersteller ist. Einige Programme gibt es auch nicht für macOS. Ein Mac ist meist teurer als ein PC, allerdings relativiert sich der Unterschied, wenn man auf wirklich vergleichbare Qualität achtet und den Wiederverkaufspreis mit in Betracht zieht. Linux  | Linux soll hier nicht ganz unter den Tisch fallen: Das freie Betriebssys-

tem hat seine Vorzüge, allerdings ist die Softwareauswahl im fotografischen Bereich immer noch sehr dünn und die Handhabung auch heute noch eher etwas für Computerexperten (ich würde mich allerdings freuen, wenn diese Aussagen bald veralten würden). Auch die Hardwareunterstützung bereitet manchmal Probleme, wenn Sie z. B. Bildschirmmessgeräte für die Kalibrierung verwenden möchten. Mit GIMP, Darktable, Raw Therapee und Corel AfterShot Pro (vormals Bibble) gibt es recht leistungsfähige Bildbearbeitungs- und Raw-KonvertierungsProgramme, trotzdem ist das Angebot nicht vergleichbar mit dem von Mac oder Windows. Wenn Sie in der Linux-Welt nicht wirklich zuhause sind, vergessen Sie diese Option besser. Tablet und Smartphone  | Die Betriebssysteme, auf denen heute die meisten

Bilder entstehen, und die oft nur nach Effektvorgaben (z. B. mit Hipstamatic) automatisch bearbeitet werden, heißen iOS und Android. Als ausschließliche Arbeitsumgebung für ambitionierte Fotografen sind diese im Moment nur eingeschränkt geeignet. Die Technik im Smartphone- und Tabletbereich schreitet aber so schnell voran, dass diese Systeme auch als Arbeitsumgebung immer wichtiger werden. Adobe hat Lightroom in einer Version für Tablets herausgebracht, Photoshop ist als Vollversion für iOS angekündigt. Sehr gut ist auch jetzt schon Affinity Photo, allerdings auch nur für das iPad, die Unterstützung im Fotobereich ist bei Android deutlich geringer, sodass ich Ihnen zum iPad raten würde, wenn Sie nicht nur einfache Bearbeitung auf dem Tablet machen möchten. Das günstige iPad 6 (ab 300 €) unterstützt bereits den Apple Pencil (erste Version), sodass Sie mit dem Stift auf dem Bildschirm arbeiten können. Das ist für

HH Abbildung

12.3 Affinity Photo auf dem iPad ermöglicht eine umfassende Bildbearbeitung.

12.2  Auswahl der Geräte  |  633

Bildbearbeitung ein großer Vorteil. Unter Android sind Snapseed, Lightroom, Photoshop Express oder PicsArt verbreitete Lösungen, um Bilder zu bearbeiten. Das Microsoft Surface Pro ist ein Tablet mit Windows – allerdings laufen viele Programme dort ohne eine vollständige Tablet-Unterstützung. An das Nutzungserlebnis eines iPad kommt das Surface in der Bildbearbeitung noch nicht heran. Ein weiterer Vorteil des iPad ist, dass Sie es an einem Mac als Stifttablett ähnlich eines Wacom Cintiq verwenden können, ab iOS 13 und macOS Catalina ohne zusätzliche Software. Unter Windows funktioniert das momentan leider nur mit einer Mietsoftware (Duet Display), zumindest, wenn Sie den Stift voll nutzen möchten.

Ausstattung des Computers Bildbearbeitungssoftware stellt hohe Ansprüche an den Prozessor und die Speicherkapazität, dafür ist die Grafikleistung eher unwichtig. Hier ein paar Tipps zur Ausstattung Ihres Rechners: Hauptspeicher  | Für eine normale Bildbearbeitung sind 8  GB Hauptspeicher

ausreichend. Falls Sie viele Panoramen erzeugen oder mit großen Dateien oder vielen Ebenen arbeiten, sind auch 32 GB oder mehr sinnvoll. Achten Sie bei der Auswahl eines Computers darauf, dass sich der Arbeitsspeicher erweitern lässt. Bei den günstigen Speicherpreisen sollten Sie einen neuen Rechner allerdings gleich mit mindestens 32 GB ausstatten. Betriebssystem  | Sie sollten sich bei einer Neuanschaffung für ein 64-Bit-Sys-

tem entscheiden. Es ist zwar nicht schneller als ein 32-Bit-System, hat aber den großen Vorteil, dass Sie erheblich mehr Speicher verwenden können und einzelnen Anwendungen wie etwa Photoshop mehr Speicher zuteilen können. Bei einem 32-Bit-System ist bei maximal 4 GB Hauptspeicher Schluss, aber selbst, wenn Sie nur 4 GB Speicher zur Verfügung haben, können die Programme auf einem 64-Bit-System mehr davon nutzen. macOS ist immer ein 64-Bit-System. Bei Windows 10 müssen Sie explizit eine 64-Bit-Version kaufen, die aber deutlich verbreiteter und nicht teurer ist. Prozessor | Bildbearbeitung ist gut parallelisierbar, und so können Sie den Vor-

teil von Mehrkernprozessoren gut ausnutzen. Ein aktueller 4- bis 16-Kern-Prozessor ist eine gute Wahl. Beachten Sie, dass die teuersten Prozessoren oft nur wenig schneller sind als solche, die nur halb so viel kosten. Falls Sie sich vorher informieren möchten, finden Sie im Internet Leistungstests der Prozessoren

634  |  12  Bildbearbeitung

unter dem Stichwort »benchmark«, oft sogar direkt für Photoshop (geben Sie das als Suchwort ruhig mit an). Beachten Sie auch den Stromverbrauch, der als TDP (Thermal Design Power) angeben wird. Sehr gute Prozessoren finden Sie unter den AMD Ryzen und Intel i7/i9. Grafikkarte  | Bildbearbeitungsprogramme nutzen zunehmend die Rechenleis-

tung der Grafikkarte. Die Technik kann mit manchen Grafikkarten zu Darstellungsfehlern führen, deswegen lässt sie sich ausschalten. Eine schnelle Grafikkarte kann also auch zunehmend Teile der Bildbearbeitung beschleunigen. Achten Sie auch darauf, dass die Karte mindestens zwei digitale Ausgänge besitzt, falls Sie mit zwei Monitoren arbeiten möchten, aber auch das ist heutzutage praktisch Standard. DVI unterstützt maximal 2 560 × 1 600  Pixel Auflösung, wenn Sie höhere Auflösungen nutzen möchten, müssen Sie DisplayPort (ab Version 1.2 für 4 K, ab Version 1.3 für 5 K und ab Version 1.4 für 8 K) oder HDMI (ab Version 1.4B 4 K mit 30 Hz, ab 2.0 für 4 K 60 Hz, ab 2.1 bis 8 K 60 Hz) verwenden. In Verbindung mit einem guten hardwarekalibrierbaren Monitor kann auch eine 10-Bit-Ausgabe pro Farbkanal sinnvoll sein, so werden Verläufe gleichmäßiger dargestellt. Beachten Sie aber, dass Sie dies unter Windows und Photoshop eventuell extra aktivieren müssen. HDR für Bildbearbeitung ist mit dem 2019er MacPro angekündigt, spielt aber bislang noch keine Rolle, sodass die HDR-Unterstützung für die Bildbearbeitung (noch) kein Kriterium bei der Monitorwahl ist. Festplatte  | Moderne Festplatten sind fast immer schnell und groß genug, so-

dass Sie speziell für die Bildbearbeitung wenig beachten müssen. Allerdings sollten Sie immer alle Daten mindestens doppelt vorhalten, sodass Sie von Anfang an mindestens eine externe Festplatte einsetzen sollten, auf der Sie Ihre Bilddaten regelmäßig sichern. Wenn Ihre Daten wichtiger werden, geben Sie zusätzlich eine Sicherung außer Haus. Eine SSD (siehe Seite 600) ist schneller und verbraucht etwas weniger Strom, was sie gerade für Laptops interessant macht. In einem stationären Rechner lohnt es sich besonders, das Boot-Laufwerk mit dem System und den Programmen auf eine SSD umzustellen. Alle Bilddaten auf SSDs vorzuhalten, dürfte für die meisten Fotografen, die große Bildmengen erzeugen, noch zu teuer sein. Das wird sich in den nächsten Jahren allerdings ändern, sodass sie die klassischen Festplatten mehr und mehr verdrängen werden. Noch schneller kann ihr System werden, wenn Sie eine m.2 SSD verwenden, die nicht durch den SATA-Bus, der normalerweise für Festplatten verwendet wird, auf maximal 600 MB/s beschränkt ist.

HH Abbildung 12.4 Ein NAS mit acht Festplatten (Bild: Synology)

12.2  Auswahl der Geräte  |  635

Bildschirm | Bei der Auswahl des Bildschirms kommt es sehr auf Ihre Ansprüche

GG Abbildung 12.5 Die Topklasse der Bildbearbeitungsmonitore sind im Moment hardwarekalibrierbare LCD-Bildschirme. (Bild: NEC)

an. Die Zeit der Röhrenbildschirme ist jedenfalls vorbei, und die flachen TFT-Displays haben sich komplett durchgesetzt. Die günstigsten Displays werden in TNTechnik hergestellt. Sie sind stark bildwinkelabhängig und lassen keinen besonders großen Farbraum zu. Wenn Sie einen Bildschirm stark seitlich betrachten und er dann deutlich bräunlich und dunkler wirkt, verwendet er die TN-Technik und ist für die Bildbearbeitung nicht die ideale Wahl. Allerdings kann man auch mit TN-Displays arbeiten. Besser sind aber Bildschirme, die in der sogenannten PVA- oder IPS-Technik gebaut werden. Diese sind weniger bildwinkelabhängig und erreichen in den besseren Varianten den Farbumfang des Adobe-RGBFarbraums ganz oder zumindest zu 96 %. Die Wiederholgeschwindigkeit und die Maximalhelligkeit sind für Sie als Bildbearbeiter unwichtig. Erstere ist für Spiele interessant, und eine Helligkeit von über 160 cd/m² werden Sie für die Bildbearbeitung nicht benötigen (120 cd/m² sind ein üblicher Wert). Wer mehr ausgeben kann und hohe Ansprüche hat, kann über einen hardwarekalibrierbaren Monitor nachdenken. Ein normaler, hochwertiger Monitor lässt sich aber meist gut genug kalibrieren (siehe Seite 466). Achten Sie auf die Gleichmäßigkeit der Ausleuchtung. Die sehen Sie am besten, indem Sie einen neutralgrauen Bildschirmhintergrund einstellen. Gerade wenn Sie viele Bilder gleichzeitig darstellen möchten, 4 K-Videos schneiden oder wenn Sie sehr hochauflösende Kameras verwenden, ist eine hohe Bildschirmauflösung von Vorteil. Ein 4 K- oder 5 K-Monitor hat nur den Nachteil, dass die Schrift und Bedienelemente älterer Software zu klein dargestellt werden. Lightroom, Photoshop, Capture One und DxO Photo Lab sind aber bereits angepasst. Zudem ist die Schärfe bei 4 K-Bildschirmen besser, weil die Anti-Reflexbeschichtung deutlich feiner ausgeführt ist. Ich bevorzuge sie auch deswegen, weil ich bei der Bildauswahl bereits in einer Mehrbilderansicht die Schärfe beurteilen kann.

12.3  Software für Bildbearbeitung Ich habe vor der neuen Auflage recherchiert, welche Software am meisten verwendet wird. Adobe Lightroom und Photoshop liegen immer noch vorn. Photoshop und Lightroom lassen sich als »Creative Cloud Foto-Abo« für 11,89 €/ Monat (Stand September 2019) mieten. Das lohnt sich für Fotografen, die die Muße haben, sich etwas ernsthafter mit Bildbearbeitung zu beschäftigen. Sie können sich unter www.adobe.de Testversionen für 7 Tage herunterladen.

636  |  12  Bildbearbeitung

Die Zeiten, als Adobe unangefochtener Spitzenreiter war, sind aber vorbei – ich selbst arbeite immer mehr auch mit anderen Lösungen wie Affinity Photo, Capture One oder Skylum Luminar. Manche meiner Profikollegen arbeiten schon komplett Adobe-frei, und das nicht nur, weil sie von Adobe genervt sind, sondern weil sie so auch bessere Farben und eine fotografischere Bildstimmung erhalten. Wie schlecht Lightroom manchmal in kritischen Situationen die Farben umsetzt, merken Sie erst, wenn Sie andere Raw-Konverter verwendet haben. Auch die starre Benutzeroberfläche von Lightroom wirkt nicht mehr so ansprechend, wenn Sie es auch anders kennen. Trotz alledem lässt sich mit Adobe gut arbeiten. Wählen Sie, was Ihnen am besten gefällt, aber testen Sie die Alternativen ruhig einmal – zumal meist kostenlose Testversionen erhältlich sind oder Sie als Besitzer einer Sony oder Fujifilm eine spezielle Capture-One-Lizenz nutzen dürfen. Wer eine Canon-Kamera verwendet, sollte in jedem Falle einen Blick auf Digital Photo Professional werfen, der Canon-eigene Raw-Konverter ist kostenlos und liefert sehr gute Ergebnisse. Eine weitere recht mächtige Software ist Corel PaintShop Pro, das selbst im Bundle mit Corel Painter und dem Raw-Konverter Aftershot 3 unter 90 € kostet, ohne die zusätzliche Software unter 70 € (Stand September 2019). Affinity Photo ist inzwischen wahrscheinlich die Nummer zwei auf dem Markt. Es lehnt sich an Photoshop an, ist schnell und mit etwa 55 € (iPad 18 €, Stand September 2019) eine günstige Option. Zudem ist es hervorragend integriert mit Affinity Designer und Publisher, die iPad-Version ist die wahrscheinlich beste Bildbearbeitung auf dem Tablet – zumindest bis die Photoshop-Vollversion kommt und auch danach wird man in Ruhe vergleichen müssen. Das größte Projekt aus dem Open-Source-Bereich ist GIMP, das Sie komplett kostenfrei verwenden dürfen. Die Hersteller liefern oft einen Raw-Konverter mit. So können Sie z. B. – falls Sie mit einer Canon-Kamera fotografieren – das mit Ihrer Kamera mitgelieferte Digital Photo Professional mit GIMP kombinieren. Auf diese Weise geben Sie gar kein zusätzliches Geld aus und haben trotzdem mächtige Werkzeuge zur Hand. Wegen der weiten Verbreitung und der Vorbildfunktion für andere Bildbearbeitungssoftware demonstriere ich die Bildbearbeitung in diesem Kapitel und im Buch insgesamt anhand von Lightroom und Photoshop. Trotzdem möchte ich Sie anregen, sich nicht darauf zu beschränken und Alternativen zumindest auszuprobieren. Für die Raw-Konvertierung lohnt sich z. B. ein Blick auf Capture One, nach dessen Verwendung sich der Eindruck einstellen kann, dass Lightroom bestimmte Farbtöne manchmal einfach unterschlägt.

Weitere Alternativen EE

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Affinity Photo (auch für iPad) affinity.serif.com/de/photo/ Capture One www.captureone.com Corel PaintShop Pro www.paintshoppro.com GIMP www.gimp.org Nur für den Mac (und iPad), im App-Store erhältlich: Pixelmator

12.3  Software für Bildbearbeitung  |  637

12.4  Beispiel für einen Datenworkflow

HH Abbildung 12.6 Bilder in Lightroom sortieren und verschlagworten

638  |  12  Bildbearbeitung

Es gibt heute sehr viele Möglichkeiten, den Datenworkflow sehr ausgefeilt und teilautomatisiert durchzuführen. Ich selbst halte mein System eher einfach, auch weil ich skeptisch gegenüber bestimmten Sicherheitsversprechen bin. Ich habe einmal miterlebt, wie ein Server allein deswegen ausfiel, weil die Umschaltung der beiden redundanten Netzteile kaputtging – eigentlich ein Merkmal, das ihn besonders ausfallsicher machen sollte. Ein Freund verlor sämtliche Daten auf einem NAS (Network-Attached Storage, einem ans Netzwerk angeschlossenen Speicher mit mehreren Festplatten), weil die Software auf dem System die automatische Mehrfachsicherung so durcheinanderwürfelte, dass nur Datenmüll übrig blieb. Er hatte eine zweite Sicherung dahinter geschaltet, sodass außer den Kosten für neue Hardware und etwas Arbeit kein Schaden entstand, aber von der Vorstellung, dass man sich irgendetwas hinstellt und dann nichts mehr schiefgehen kann, sollten Sie sich verabschieden. Trotzdem können Sie mit recht einfachen Mitteln eine sehr gut funktionierende Lösung aufbauen. Im Folgenden will ich Ihnen meinen Workflow schildern, als Anregung für eigene Gedanken zu diesem wichtigen Thema. Während des Fotografierens arbeite ich ausschließlich im Raw-Format. Ich nehme meistens zu einem Auftrag auch kein Laptop mit und keine Datensicherungslösung. Dafür habe ich über 1 TB an Speicherkarten, sodass ich auch für längere Zeit einfach durchfotografieren kann, ohne mich um die Daten zu kümmern. Zur Kontrolle vor Ort komme ich mit dem Kameradisplay aus. Wenn eine Speicherkarte voll ist oder ich aus anderen Gründen wechsle, stecke ich sie verkehrt herum in die Speicherkartenmappe. So sehe ich auf den ersten Blick, welche Karte voll und welche leer ist. Beim Job arbeite ich entweder mit mehreren Kameras oder mit einer, die auf zwei unterschiedliche Speicherkarten schreiben kann. So bin ich sicher, dass selbst bei einem Defekt einer Speicherkarte noch genug übrig bleibt. Am Arbeitsplatz überspiele ich alle Bilddaten eines Jobs oder eines Termins in einen Ordner

mit sprechendem Namen, der in einem Oberordner mit der Jahreszahl steckt. Das mache ich mit Lightroom, weil es Duplikate erkennt, die schon importiert wurden, und auch gleich Vorschauen zur schnellen Bearbeitung erzeugt. Im Ordner 2019 gibt es dann also Unterordner wie beispielsweise Sprengung_Gustav_ Knepper, Ruhrwiesen-14-2-19 oder Repro_historisch. So kann ich selbst bei wiederkehrenden Motiven oder Dateinamen schon anhand des Ordnernamens in der Dateisuche den richtigen auswählen. Wenn sämtliche Bilder in diesen Ordner übertragen wurden, spiele ich manchmal noch die GPSTracks vom iPhone oder aus der Canon EOS 5D Mark IV dazu, so habe ich die Geokoordinaten an der richtigen Stelle. Danach führe ich eine rudimentäre Verschlagwortung durch, sodass zum Beispiel Ortsnamen, verwendete alte Objektive (ohne Exif) oder Jobdetails gar nicht erst in Vergessenheit geraten können. Dann vergrößere ich die Bildansicht so weit, dass ich die Bilder qualitativ begutachten kann, und markiere jedes einzelne, das für eine Verwendung infrage kommt, mithilfe der Taste [6] oder der Sprühdose mit der Farbe Rot. Zum Schluss filtere ich die Ansicht mit einem Klick auf Rot unter Attribut oder Metadaten, sodass ich nur noch die rot markierten Dateien zu sehen bekomme. Bilder, die für eine Weiterverarbeitung als HDR, Montage oder Panorama gedacht sind, markiere ich mit der Taste [7] in Gelb. So kann ich später auf einen Blick alle Bilder ausfiltern, die noch zusammengefügt werden müssen. Ich markiere die Bildserien, die ich unter ähnlichen Gegebenheiten aufgenommen habe, und korrigiere diese Bilder gemeinsam. Mit gedrückter [Strg] bzw. [cmd] -Taste lassen sich Bilder nacheinander anklicken, oder Sie klicken auf das erste und dann mit gedrückter [ª] -Taste auf das letzte, um eine ganze Reihe auf einmal zu markieren. Die Tastenkürzel [Strg] +[A] bzw. [cmd] +[A] funktionieren hier ebenfalls. Nachdem ich die Korrekturen in Lightroom vorgenommen habe, öffne ich einzelne Bilder im Format TIFF/16 Bit zur Weiterbearbeitung beziehungsweise Retusche in Photoshop oder Affinity Photo. Oft aber benötige ich die Bilder nur zur Weitergabe an Online-Dienste oder Normalbürger. Dann setze ich im Vor-

1

GG Abbildung

12.7 Wenn Sie den Schalter auf Autom. Synchr. 1 stellen, werden die Einstellungen auf alle ausgewählten Bilder angewendet.

12.4  Beispiel für einen Datenworkflow  |  639

feld die Auflösung herunter und wähle als Format JPEG. An Kunden gehen die Bilder meist als TIFF/8 Bit fertig bearbeitet, denn abgesehen von einigen Werbeagenturen kann man nicht davon ausgehen, dass die Kunden sie bestmöglich für die weitere Verwendung anpassen können. Die Bilder übertrage ich meist mit Internetdiensten wie wetransfer.com. Für Kunden mit größeren Sicherheitsanforderungen, z. B. gegen Industriespionage, stelle ich die Bilder auch auf einen eigenen sFTP-Server, sodass diese nicht unverschlüsselt durch das Netz gehen. Erst nach der grundsätzlichen Vorauswahl und Raw-Bearbeitung sichere ich die Bilder zusätzlich auf eine externe Festplatte und lösche die Speicherkarten erst dann wieder. So bleiben Auswahl und Bearbeitung im Backup erhalten. Von Zeit zu Zeit erzeuge ich zusätzliche Backups der Bilddaten, die ich an die Familie oder sehr gute Freunde außer Haus gebe. So könnte ich auch bei einem Totalschaden oder Komplettverlust meiner Computeranlage immer noch auf den Großteil meiner Bilder zurückgreifen. Wenn ich eine große Menge an Bildern für die Weiterverarbeitung in – am Beispiel der EOS 5DS R – fast 290 MB große TIFF-Dateien umgewandelt habe, werde ich diese natürlich nicht stapelweise an den Kunden schicken wollen, damit er seine Bildauswahl trifft. Lightroom unterstützt dafür einen Massenexport im JPEG-Format in einstellbarer Größe. Aus diesen Bildern, als Zip-Datei gepackt und per Dateiversendedienst verschickt, kann der Kunde schnell eine Auswahl treffen. Überlegen Sie aber, ob Sie die Bilder bei der Vorauswahl mit Wasserzeichen versehen, sodass keine unbearbeiteten und unlizenzierten Bilder verwendet werden.

12.5  RGB als Arbeitsfarbraum Ihre Digitalkamera zeichnet die Bilder mit für Rot, Grün und Blau empfindlichen Sensorelementen auf. Die resultierende Aufnahme liegt dann folgerichtig im RGB-Farbraum vor. Grundsätzlich sollten Sie auch alle weiteren Bearbeitungsschritte in diesem Farbraum vornehmen. Es gibt einige ältere Bücher oder Internetseiten, die Ihnen die Verwendung des CMYK-Farbraums (siehe Seite 439) für die grundlegende Bildbearbeitung nahelegen. Vergessen Sie das schnell wieder, denn außer bei abschließenden Anpassungen für den Offsetdruck sollten Sie diesen Farbraum nie verwenden. CMYK beschreibt einen Farbraum für einen bestimmten Druckprozess. Für alle anderen Druckprozesse, zum Beispiel auf anderen Papiersorten oder mit anderen Druckfarben, wären die Ergebnisse schlecht brauchbar. Außerdem verfälschen Helligkeitsanpassungen in CMYK auch die Farben.

640  |  12  Bildbearbeitung

Eine Helligkeitsanpassung verändert zwar auch in RGB die Farben, aber hier ändert sich nur die Buntheit, während sich in CMYK die Farben in nicht gewünschte Richtungen verändern können. Außerdem stellen Photoshop oder Lightroom manche Werkzeuge zur Verfügung, die intern im sogenannten Lab-Farbraum arbeiten. In diesem wird die Helligkeitsinformation völlig unabhängig von der Farbinformation verwaltet, und Sie haben so keine Nebeneffekte zu befürchten. Mehr zu den Farbräumen finden Sie ab Seite 463 (Abschnitt 8.6, »Farbmanagement«). Hier bleibt nur festzuhalten, dass die Bildbearbeitung in RGB durchgeführt wird. Lab ist grundsätzlich auch geeignet, CMYK nicht. Durch die Abhängigkeit von Farbe und Helligkeit ergibt sich, dass Sie am schnellsten zu guten Ergebnissen kommen, wenn Sie erst die Helligkeit bearbeiten, danach die Farbe und abschließend die Schärfe. Die beste Qualität erhalten Sie, wenn Sie die grundlegenden Einstellungen so weit wie möglich im Raw-Konverter vornehmen und das Bild danach im 16-Bit-Modus in der Bildbearbeitungssoftware weiterbearbeiten. Auch innerhalb Photoshops kann sich eine Weiterbearbeitung über Filter • Camera-Raw-Filter lohnen, weil die Werkzeuge des Raw-Konverters oft etwas besser arbeiten als die Photoshop-eigenen Anpassungsmöglichkeiten.

Abbildung 12.8 E Das obere Bild ist ein weich entwickeltes Raw-Foto, es kann mehr Kontrast vertragen. Auf dem Bild darunter habe ich den Kontrast in RGB per Gradationskurve angehoben. Das Bild ist dadurch auch bunter geworden, was sehr häufig ein erwünschter Nebeneffekt ist. Auf dem untersten Bild habe ich dieselbe Gradationskurve nur auf den Helligkeitskanal des Lab-Modus angewendet. Der Kontrast stieg im gleichen Maße, nicht jedoch die Farbsättigung.

25 mm| ƒ4 | 1/800 s | ISO 5 000

12.5  RGB als Arbeitsfarbraum  |  641

12.6  Raw-Konvertierung Wer Raw-Dateien konvertieren möchte, dem bieten sich eine Vielzahl von Softwarelösungen an. Viele davon sind kostenfrei, von den anderen lassen sich Probeversionen herunterladen, die einige Wochen ohne Einschränkungen laufen. Ich empfehle Ihnen, mindestens drei einmal selbst auszuprobieren, um ein Gefühl dafür zu bekommen, welchen Unterschied der Einsatz eines anderen Raw-Konverters ausmachen kann. Auf jeden Fall sollten Sie sich den Konverter Ihres Kameraherstellers anschauen, weil er oft gute Farben liefert, die den Abbildung 12.9 E Dieses Bild habe ich mit folgenden Raw-Konvertern in ihren jeweiligen Standardeinstellungen entwickelt: Lightroom (oben links), Capture One Pro (oben rechts), Affinity Photo (unten links), Skylum Luminar 3 (unten rechts). Die Wahl des Konverters hat Einfluss auf das Ergebnis. Sie sollten also ein wenig testen, bevor Sie sich festlegen.

200 mm| ƒ4 | 1/250 s | ISO 100

642  |  12  Bildbearbeitung

Ergebnissen der Konvertierung in der Kamera entsprechen. Anschließend testen Sie Photoshop beziehungsweise Lightroom (beide verwenden das gleiche RawEntwicklungs-Modul Adobe Camera Raw und erzeugen deswegen gleiche Ergebnisse) und noch einen weiteren wie etwa Capture One Pro, DxO Photolab, Corel AfterShot Pro oder Skylum Luminar. Lightroom | Lightroom ist eher auf eine schnelle Bearbeitung vieler Bilder aus-

gelegt und datenbankbasiert, übernimmt also einen großen Teil der Bildverwaltung selbst. Photoshop arbeitet zur Bilderverwaltung mit der Adobe Bridge zusammen und setzt direkt auf dem Dateisystem Ihres Computers auf, Sie können es natürlich auch als Erweiterung von Lightroom verwenden und die Bridge beiseitelassen. Lightroom hat Stärken im Workflow, den verfügbaren Plugins, dem Entrauschen und dem Funktionsumfang. Capture One und DxO Photo Lab | Capture One erzeugt eine angenehme Farb-

stimmung, geht dennoch gut mit Neutraltönen um und differenziert die Farben sehr gut. DxO Photo Lab hat sehr gute Kamera-/Objektivprofile und holt das Optimum an Schärfe aus den Aufnahmen heraus, indem es z. B. auch die abfallende Schärfe zum Rand hin berücksichtigt, allerdings werden neuere Kameras von DxO noch nicht unterstützt. Skylum Luminar  | Bislang (Stand September 2019) unterstützt Luminar noch

keine Workflowkomponenten, kann aber gute Raw-Konvertierungen erzeugen und hat innovative Elemente wie den Accent AI Filter 2.0, der ein Bild recht gut an den Augeneindruck anpassen kann. Canon .cr3-Dateien werden noch nicht unterstützt.

Kameraprofile Wenn Sie eine Raw-Datei in Lightroom oder Photoshop öffnen, werden Sie feststellen, dass sie blasser erscheint als auf dem Kameradisplay. Das liegt erstens daran, dass das Display meist bunter und brillanter abgestimmt ist, und zweitens, dass der Raw-Konverter die Farbeinstellungen der Kamera zunächst einmal ignoriert, zumindest wenn er nicht der herstellereigene ist. Das Bild wird mit einem eher zurückhaltenden Standardprofil angezeigt, das noch viel Spielraum zur Nachbearbeitung bietet. Je nach Kameramarke haben Sie aber in Adobe Camera Raw Zugriff auf die Kameraprofile. Wenn Sie mit einer Canon-Kamera im Bildstil Landschaft fotografiert haben und in Camera Raw Camera Landscape einstellen, dann kommt die Farbabstimmung im Raw-

12.6  Raw-Konvertierung  |  643

Konverter der in Ihrer Kamera sehr nah. Adobe hat die Kameraprofile bei neueren Kameras wie der Canon EOS RP allerdings eingespart und liefert dafür mehr eigene Profile mit. Falls ein solches Kameraprofil bei Ihrer Kamera nicht verfügbar sein sollte, ist das kein Grund zum Verzweifeln, denn auch das Adobe-Profil lässt sich schnell anpassen. Sie bekommen so mit wenigen Eingriffen ein Bild, das noch näher am Motiveindruck ist, den Sie vor Ort hatten, als es allein über das Kameraprofil möglich wäre.

GG Abbildung

12.10 Diese Raw-Aufnahme wirkt beim ersten Öffnen im Raw-Konverter noch reichlich blass und farblos.

300 mm | ƒ2,8 | 1/800 s | ISO 320

F G  Abbildung 12.11 Mit der Einstellung Kamera Landschaft v2 kommt der Eindruck dem auf dem Kameradisplay nach der Aufnahme schon näher, weil auch die Kamera auf den Bildstil Landschaft eingestellt war. Lightroom hat diese Information beim Öffnen der Datei aber ignoriert und sein eigenes Profil zugrunde gelegt.

Lightroom: Grundeinstellungen Die Justierungsmöglichkeiten für Farbe und Helligkeit in Adobe Camera Raw bzw. Lightroom sind so gut, dass sie hier und da sogar die von Photoshop selbst übertreffen. Es kann sich deswegen lohnen, auch TIFF- und JPEG-Dateien mit Camera Raw oder Lightroom zu bearbeiten. Bevor ich zu einem praktischen

644  |  12  Bildbearbeitung

Beispiel komme, möchte ich im Folgenden kurz die Wirkung der einzelnen Regler erklären. EE Farbtemperatur: Über den Temp.-Regler stellen Sie ein, welche Farbtemperatur Lightroom als Beleuchtung annehmen soll, anhand derer die neutralen Töne festgelegt werden und die Farbabstimmung erfolgt. Je höher dieser Wert, desto wärmer werden die Farben im Bild, je niedriger, desto kälter. EE Tonung: Die Farbtemperatur wirkt nur anhand der Gelb-Blau-Achse, der Regler Tonung dient der Justierung der Grün-Magenta-Achse. Eine Aufnahme bei Leuchtstoffröhrenlicht, das leicht grün ist, muss also etwas in Richtung Magenta verschoben werden, um neutral zu wirken. EE Belichtung: Ein Wert von +1 entspricht einer Belichtungskorrektur von einer Blende. Zu starke Korrekturen führen leicht zu ausfressenden Lichtern oder zulaufenden Schatten. EE Kontrast: Dieser Regler macht das Bild härter oder weicher, ohne den Tonwertumfang dabei zu stark zu verändern. Die absoluten Lichter und Schatten werden also nicht aus dem Tonwertumfang geschoben, sondern es wird nur die Kurve dazwischen aufgesteilt oder abgeflacht. EE Lichter: Mit diesem Regler können die hellen Bereiche aufgehellt oder abgedunkelt werden. EE Tiefen: Mit diesem Regler werden die dunklen Bereiche aufgehellt, um mehr Zeichnung in die Schatten zu bringen, oder abgedunkelt, um den Kontrast zu erhöhen. EE Weiss: Dieser Regler bezieht sich auf die hellsten Bereiche des Bilds. Wenn Sie den Wert verringern, können Sie die Lichterzeichnung damit bestmöglich verbessern, eine Erhöhung lässt die hellen Bereiche mehr leuchten. EE Schwarz: Der Regler Schwarz schneidet die Schatten ab. Wenn Sie den Wert verringern, erzielen Sie mehr Zeichnung in den Schatten, aber auch mehr Rauschen. Falls es kein echtes Schwarz im Bild gibt, können Sie den Wert erhöhen, um einen besseren Kontrast zu erhalten. EE Struktur: Dieser Regler verstärkt oder vermindert Bilddetails, die zwischen Klarheit (große Frequenz) und Schärfe (kleine Frequenz) liegen. Mit ihm lassen sich z. B. Haut glätten (minus) oder Felsstrukturen verstärken (plus). EE Klarheit: Mit der Klarheit verändern Sie den Partialkontrast des Bildes. Das wirkt beim Erhöhen ähnlich dem Filter Unscharf maskieren (siehe Seite 667) mit großem Radius, beim Verringern wie ein flächiger Weichzeichner. Das kann zum Verschwärzlichen des Bildes führen, sodass Sie vielleicht die Dynamik oder die Sättigung erhöhen sollten. EE Dunst entfernen: Dieser Regler versucht die Kontrastminderung und die Kontrastminderung, Aufhellung und Farbveränderung durch Dunst zu kor-

GG Abbildung

12.12 Die Grundeinstellungen in Lightroom

12.6  Raw-Konvertierung  |  645

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rigieren. Ins Plus gezogen verstärkt er die Farben und die Kontraste und dunkelt das Bild ab, kann aber auch zu Farbverfälschungen führen. Ins Minus gezogen lässt er das Motiv wie im Nebel erscheinen. Dynamik: Dieser Regler verändert die Sättigung eines Bildes umso geringer, je näher sie bereits an 100 % ist. So können Sie die Bilder farbiger gestalten, ohne dass die Farben unnatürlich aussehen oder zulaufen. Sättigung: Dieser Regler verändert die Farbsättigung. Zu hohe Werte lassen ein Bild allerdings rasch zu bunt wirken. Außerdem gibt es für die Schwarzweißumwandlung viel bessere Wege, als die Sättigung auf null zu setzen (siehe Seite 484).

Bildbearbeitung in Lightroom Tipp Sie finden die Bilder für alle Übungen im Download-Bereich (siehe Seite 23).

Lightroom ist inzwischen so mächtig, dass Sie Photoshop nur noch für Aufgaben wie komplexe Retuschen, Montagen oder genaue Auswahlen verwenden müssen. Die Standardbildbearbeitung lässt sich vollständig im Raw-Konverter erledigen. Im Folgenden zeige ich Ihnen eine komplette Bearbeitung in Lightroom.

Schritt für Schritt: Eine grundlegende Bildbearbeitung in Lightroom Wie viel von dem, was man früher in Photoshop erledigen musste, heute schon in den Raw-Konverter gewandert ist, sehen Sie auch an dem folgenden Arbeitsbeispiel. Öffnen Sie »Caldera.cr3«. Abbildung 12.13 E Das Ursprungsbild wirkt deutlich zu dunkel, von der Vulkanlandschaft ist nur wenig zu erkennen.

646  |  12  Bildbearbeitung

1  Helligkeit anpassen Ziehen Sie den Regler Tiefen 3 auf +80, um die Schatten aufzuhellen. Da der Himmel bereits so hell ist, sollten Sie das nicht über den Regler Belichtung tun. Stellen Sie dann den Regler Weiss 4 auf −40, um den hellen Himmelsbereichen eine bessere Durchzeichnung zu ermöglichen.

2  Kontraste verbessern Über Struktur 5 und Klarheit 6 können Sie den Kontrast der Details erhöhen. Hier habe ich Klarheit auf +30 und Struktur auf +15 gesetzt.

3  Farbton anpassen Der Eindruck des Abendrots kommt noch nicht zur Geltung. Setzen Sie den Regler Sättigung auf +30 7 . Nun sehen Sie auch den Farbton besser, ich habe ihn angepasst, indem ich den Regler Temp. (Farbtemperatur) 1 auf 5 800 stellte, um das Bild wärmer zu machen, und den Regler Tonung 2 auf +14, um die Abendstimmung mit etwas weniger Magenta nicht zu übertreiben. Als kleinen Bonus können Sie im Reiter HSL/Farbe noch auf das blaue Feld klicken und die Sättigung auf +40 und die Luminanz auf −20 stellen, so bekommt der Himmel noch etwas mehr Tiefe. FF Abbildung 12.14 Die Einstellungen in Lightroom

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3 4 5 6 7

Abbildung 12.15 E Im Bild oben wurden die Schatten und Lichter angepasst. In der Mitte sehen Sie das Bild nach den Einstellungen für Struktur und Klarheit. Ganz unten verstärkt eine wärmere Abstimmung das Abendlicht.  K

12.6  Raw-Konvertierung  |  647

Objektiv- und Perspektivkorrektur mit Lightroom Die Objektivkorrekturen in Lightroom bringen eine komfortable Perspektivkorrektur mit. Diese funktioniert sogar, wenn das Motiv Abweichungen von der Senkrechten aufweist, liegt allerdings manchmal auch daneben, sodass Sie manuell eingreifen müssen.

Schritt für Schritt: Objektiv- und Perspektivkorrektur in Lightroom Gerade bei Architekturaufnahmen stört es, wenn parallele Linien nicht parallel erscheinen oder ein Gebäude leicht schräg seitlich aufgenommen wurde. Lightroom stellt mit den Objektivkorrekturen ein mächtiges Werkzeug zur Verfügung, mit dem Sie die Perspektive auch automatisch ausgleichen können.

1  Objektivfehler korrigieren Öffnen Sie das Bild »Rotterdam.cr2« aus dem Download-Bereich. Scrollen Sie rechts nach unten, um den Dialog Objektivkorrekturen anzuzeigen. Setzen Sie die Häkchen vor Chromatische Aberration entfernen 1 und Profilkorrekturen aktivieren 2 . Dann werden eine eventuelle Verzeichnung, chromatische Aberration und Vig­ nettierung aus dem Bild herausgerechnet. Lightroom greift dafür auf eine Bibliothek an Objektivprofilen zurück. Sollte Ihr Objektiv nicht dabei sein, können Sie eines mithilfe der Software Lens Profile Creator selbst erstellen, die Sie 1 2 auch unter http://links.westbild.de aufgeführt finden.

FF Abbildung 12.16 Die Objektivkorrekturen gleichen die Verzeichnung, chromatische Aberration und die Vignettierung des Objektivs aus.

648  |  12  Bildbearbeitung

2  Stürzende Linien ausgleichen Wählen Sie nun den Dialog Transformieren, und klicken Sie auf Vertikal 4 . Lightroom versucht dann, die Vertikalen senkrecht auszurichten. Falls das Ergebnis einmal unbefriedigend sein sollte, können Sie oben links im Menü auf das Symbol Upright-Werkzeug mit Hilfslinien 3 klicken und die Senkrechten bzw. Waagerechten im Bild mit der Maus nachzeichnen. Wenn Sie auf die Schaltfläche Voll klicken, werden auch seitlich zusammenlaufende Linien ausgeglichen. Das ist aber nur sinnvoll, wenn Sie das Bild fast frontal aufgenommen haben; im Beispiel wird das Ergebnis zu extrem.

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GG Abbildung

12.17

4 Sie können die Hilfslinien zum Ausrichten auch von Hand ziehen, eine vergrößerte Ansicht im Bild hilft bei der Genauigkeit.

FF Abbildung

12.18 Ein Klick auf Vertikal 4 korrigiert die stürzenden Linien.  K

Raw-Dateien mit Lightroom exportieren Da eine Raw-Datei praktisch nie das Endprodukt ist, bietet Ihnen Lightroom unterschiedliche Möglichkeiten zum Export. Wenn Sie die Datei in Photoshop weiterbearbeiten möchten, reicht ein [Strg] +[E] ([cmd] +[E] beim Mac) aus, um das Bild zu exportieren. Die Optionen für den Export stellen Sie unter Bearbeiten • Voreinstellungen • Externe Bearbeitung ein.

12.6  Raw-Konvertierung  |  649

Wenn die Bilder direkt aus Lightroom exportiert werden sollen, funktioniert dies auch für große Bildmengen über Datei • Exportieren. Hier können Sie die Bilder umbenennen, skalieren, schärfen oder mit Wasserzeichen versehen. Für die Weitergabe an Freunde oder »Endverbraucher« reicht meist ein etwas kleiner skaliertes JPEG, gerade wenn die Kamera sehr hochauflösend ist, während für die hochwertige Weiterbearbeitung ein 16-BitTIFF empfehlenswert ist. Ich selbst habe auch eine Vorgabe angelegt, die die Originaldatei von der Festplatte in ein Verzeichnis auf der internen SSD kopiert, von dem aus ich die Weiterbearbeitung in Capture One vornehme. Die Exportoptionen sind also sehr vielfältig und praxisgerecht. Eine dritte Möglichkeit des Exports sind die Veröffentlichungsdienste, mit denen Sie direkt Sammlungen erstellen können, die dann z. B. bei Flickr, Facebook oder per Plug­in auch bei vielen anderen Diensten wie 500px oder Pinterest hochgeladen werden. Hier können Sie die original Raw-Dateien einfach auf den Dienst links unten in der Bibliotheksansicht ziehen, die dann nach den Einstellungen im Veröffentlichungsmanager ähnlich denen, die sie im Exportfenster finden, bearbeitet und hochgeladen werden.

1 2

FF Abbildung 12.19 Oben: Den Export nach Photoshop sollten Sie immer in 16 Bit 2 vornehmen, um keine Qualität zu verlieren. ProPhoto RGB 1 erhält den Farbumfang der Bilder, Adobe RGB ist aber in der Praxis kein großer Unterschied. Unten: In diesem Beispiel werden JPEGs exportiert, umbenannt, geschärft und auf 4 000 Pixel für die längere Bildkante skaliert (also 10,7 MP bei einem Seitenverhältnis von 3 : 2).

650  |  12  Bildbearbeitung

12.7  Bildbearbeitung in Photoshop Lightroom stößt spätestens dann an seine Grenzen, wenn Sie ausgewählte Bereiche des Bildes separat behandeln möchten, denn über die Möglichkeiten eines Verlaufsfilters oder groben Pinsels kommen die Werkzeuge zur selektiven Bearbeitung kaum hinaus. Aber auch bestimmte Feinabstimmungen (z. B. Gradationskurve, Farbbalance) sind in Photoshop komfortabler zu erledigen. Selbst stark fehlbelichtete Fotos lassen sich mit den richtigen Werkzeugen in Photoshop oft noch in ein verwendbares Bild umwandeln, wenngleich Sie im Raw-Format fotografierte Bilder besser schon in Camera Raw korrigieren sollten. Die Anpassung der Helligkeit sollte der erste Schritt in der Bildbearbeitung sein, weil Sie erst danach die anderen Faktoren wie Schärfe oder Farbe richtig beurteilen können. Im Anschluss werde ich Ihnen die wichtigsten PhotoshopWerkzeuge anhand praktischer Übungen vorstellen.

Tonwertkorrektur Die Tonwertkorrektur ist eines der ältesten Werkzeuge für die Helligkeitskorrektur. Sie kann nichts, was die Gradationskurve nicht auch könnte, ist durch ihre Beschränkung auf drei Anfasser für die Tonwertspreizung und zwei für den Tonwertumfang aber viel einfacher und intuitiver zu handhaben.

Schritt für Schritt: Tonwertkorrektur Die Tonwertkorrektur ist ein klassisches Werkzeug der Bildbearbeitung, das Sie nicht nur in Photoshop finden. Zwar finden Sie sämtliche Funktionen auch in der Gradationskurve wieder, aber die ist nicht ganz so klar und einfach zu bedienen.

1  Bild öffnen Öffnen Sie das Bild »Tonwerte.tif« in Photoshop. Das Bild hat sehr geringe Kontraste, weil am Abend die Wolken in das Tal ­zogen. Abbildung 12.20 E Obwohl das Bild sehr geringe Kontraste aufweist, sind dank der Aufnahme im Raw-Format genügend Tonwerte für eine kontrastreichere Variante vorhanden.

12.7  Bildbearbeitung in Photoshop  |  651

2  Tonwerte anpassen Rufen Sie mit [Strg] +[L] beziehungsweise am Mac mit [cmd] +[L] die Ton­wert­ korrektur auf. Schieben Sie den weißen Anfasser 3 unter dem Histogramm von ganz rechts nach links, bis der entsprechende Wert in der Tonwertspreizung bei 224 liegt, den mittleren Anfasser 2 auf 1,12 und den linken Anfasser 1 auf 36. Alternativ können Sie diese Werte per Tastatur in die Felder eintragen. Mit diesen Werten setzen Sie den Weißpunkt so, dass die Lichter gerade eben nicht ausfressen, den Schwarzpunkt so, dass das Bild gerade eben den vollen Tonwertumfang erhält, und hellen das Ergebnis dann noch ein klein wenig auf.

1

2

3

GG Abbildung

12.21 Der Dialog Tonwertkorrektur

Abbildung 12.22 E Das fertig bearbeitete Bild  K

652  |  12  Bildbearbeitung

Gradationskurve Die Gradationskurve erlaubt es, die Helligkeit verschiedener Tonwertbereiche unterschiedlich anzupassen. Mit ihrer Hilfe können Sie praktisch jede Helligkeitsanpassung bewerkstelligen, aber Sie können auch rasch den Bildeindruck zerstören, indem Sie zum Beispiel einen kleinen Bereich der Kurve in die Waagerechte bringen.

Schritt für Schritt: Gradationskurve Die Gradationskurve ist eines der wichtigsten und mächtigsten Werkzeuge in der Bildbearbeitung. Während man in Lightroom eine Vielzahl von Reglern für den gleichen Funktionsumfang verwenden müsste, fasst die Gradationskurve alles in einem Dialog zusammen.

1  Lichter aufhellen

HH Abbildung

12.24 Den perfekten Sternenhimmel gibt dieses Bild nur unzureichend wieder. Der Kontrast ist ebenfalls zu schwach.

14 mm | ƒ1,8 | 30 s | ISO 3 200 

Öffnen Sie das Bild »Sterne.tif« in Photoshop. Das Bild wirkt etwas zu weich und dunkel, um dem dramatischen Sternenhimmel in den Bergen Nordspaniens gerecht zu werden. Rufen Sie mit [Strg] +[M] beziehungsweise [cmd] +[M] den Dialog Gradationskurven auf. Klicken Sie über dem abfallenden »Berg« im Histogramm 5 in die Kurve, und ziehen Sie diese dort stark nach oben, um die Sterne hervorzuholen.

4

5

GG Abbildung

12.23 Der Dialog Gradationskurven

12.7  Bildbearbeitung in Photoshop  |  653

2  Tiefen absenken Durch den vorhergehenden Schritt wurde die gesamte Kurve angehoben. Klicken Sie deswegen in den unteren Bereich 4 (siehe Abbildung 12.23), und ziehen Sie den Kurvenpunkt etwas unter die 45°-Linie. Der Kontrast steigt dadurch insgesamt an. Klicken Sie auf OK.

FF Abbildung 12.25 Das Ergebnis der Gradationskurvenkorrektur

3  Farbe verstärken Wählen Sie Bild • Korrekturen • Dynamik aus dem Menü, und schieben Sie den Regler Sättigung auf 30. Auf diese Weise werden die Farben des Bildes deutlich satter, trotzdem ergeben sich keine übertriebenen Effekte.

4  Partialkontrast verstärken Rufen Sie Filter • Scharfzeichen • Unscharf Maskieren auf und stellen Sie die Stärke auf 25 % und den Radius auf 150 Pixel. So erhöhen Sie den Kontrast innerhalb der Milchstraße. 

654  |  12  Bildbearbeitung

F G  Abbildung 12.26 Das Ergebnis nach Korrektur der Sättigung und dem Unscharf Maskieren.  K

Camera-Raw-Filter Falls Ihre Kamera einmal aus Versehen auf JPEG eingestellt war oder Sie aus anderer Quelle JPEGs bearbeiten müssen, können Sie trotzdem die Werkzeuge von Adobe Camera Raw verwenden, die denen in Photoshop selbst oft überlegen sind. Das gilt natürlich auch für jedes andere Bild, das sich bereits in Photoshop befindet.

12.7  Bildbearbeitung in Photoshop  |  655

GG Abbildung

12.27 Das JPEG-Bild ist zu dunkel, zu weich und zu warm. In Adobe Camera Raw können Sie es schonender verbessern als mit den anderen Photoshop-Werkzeugen.

656  |  12  Bildbearbeitung

Öffnen Sie die Datei »rotkehlchen.jpeg«, und rufen Sie Filter • Camera RawFilter auf. Erhöhen Sie die Belichtung auf +1 und den Kontrast auf +40. Nun können Sie die Farbe noch besser beurteilen. Um den kühlen Wintertag besser zur Geltung zu bringen, vermindern Sie die Farbtemperatur um –20. Erhöhen Sie die Sättigung um +30, die Klarheit um +20 und die Struktur um +30. So wird das Bild etwas farbiger und kontrastreicher. Klicken Sie dann auf OK. Der Camera-Raw-Filter eignet sich auch besonders gut, wenn Sie die Farbtemperatur verändern, die Klarheit erhöhen oder Einzelfarben anpassen möchten. Wenn eine Korrektur in Photoshop selbst das Bild verdirbt, sollten Sie überprüfen, ob der Camera-Raw-Filter nicht ein viel besseres Ergebnis liefern kann. Natürlich können Sie ein JPEG auch gleich in Lightroom bearbeiten, das setzt genauso auf Adobe Camera Raw auf.

HH Abbildung

12.28  E Rechts: Adobe Camera Raw lässt sich aus Photoshop wie ein Filter aufrufen. Unten sehen Sie das korrigierte Bild.

Farbton/Sättigung Die Stimmung eines Bildes hängt an seiner Farbigkeit. Häufig bleibt der Eindruck ohne eine Nachbearbeitung nur unvollkommen, sei es, dass die Kamera zum Beispiel das Violett einer Blüte nicht richtig einfangen kann, der automatische Weißabgleich die Farben zu neutral darstellt oder die Sättigung viel zu zurückhaltend eingestellt ist. Neben dem Einstellfeld Dynamik, das Sie kennengelernt haben, werde ich Ihnen im Folgenden noch drei weitere grundlegende Werkzeuge von Photoshop vorstellen, zuerst Farbton/Sättigung.

Schritt für Schritt: Farben ersetzen mit »Farbton/Sättigung« Öffnen Sie das Bild »Auto.tif« in Photoshop. Der Besitzer des Hauses hat wohl eine Vorliebe für Blau. Wir wollen uns anschauen, wie das Bild aussähe, wenn er Grün bevorzugen würde.

1  Auswahl erstellen Wählen Sie das Auswahlrechteck aus der Werkzeugpalette, und ziehen Sie einen Rahmen mit etwas Abstand um die Fensterläden und das Auto. Rufen Sie aus dem Menü Auswahl • Auswahl verändern • Weiche Auswahl auf. Geben Sie 50 Pixel ein, und drücken Sie OK.

GG Abbildung 12.29 Eine Szene aus Cayeux-sur-Mer in der Normandie

24 mm | ƒ9 | 1/320 s | ISO 200

GG Abbildung

12.30 Die weiche Auswahlkante verhindert harte Übergänge, falls der Hintergrund ein wenig auf die Farbkorrektur reagieren sollte.

FF Abbildung 12.31 Im Maskierungsmodus (Taste [Q] ) wird die gewählte Auswahl so dargestellt.

12.7  Bildbearbeitung in Photoshop  |  657

2  Farben verändern Drücken Sie [Strg] +[U] oder [cmd] +[U] , um den Dialog Farbton/Sättigung aufzurufen. Stellen Sie im Farbbereichswähler 1 die Blautöne ein. Für eine noch genauere Bestimmung der Ausgangsfarbe könnten Sie mit der Maus auf den entsprechenden Farbbereich des Autos klicken, aber das ist hier gar nicht nötig. Ziehen Sie dann den Regler Farbton auf −90. Sie werden feststellen, dass das resultierende Grün etwas zu grell und unnatürlich erscheint. Um den Farbton in einen glaubwürdigen Bereich zu bringen, reduzieren Sie die Sättigung und die Helligkeit auf −15. In der Praxis werden Sie dieses Werkzeug eher dazu einsetzen, Einzelfarben zu verbessern, anstatt sie zu verfremden. Gerade die selektiven Einsatzmöglichkeiten machen die Funktion Farbton/Sättigung interessant. Sie müssen allerdings aufpassen, dass das Bild durch die Veränderung nicht unnatürlich erscheint.

1

GG Abbildung 12.32 Der Dialog Farbton/Sättigung

GG Abbildung 12.33 Das Ergebnis der Farbänderung  K

658  |  12  Bildbearbeitung

Farbbalance Die Funktion Farbbalance beseitigt oder erzeugt Farbstiche, verstärkt oder schwächt eine Farbstimmung ab – je nachdem, wie Sie sie einsetzen. Es gibt Bilder, bei denen Sie in den Lichtern, Mitteltönen und Schatten unterschiedliche Farbstiche haben (ein sogenannter kippender Farbgang). Mithilfe der Farbbalance können Sie dies korrigieren.

Schritt für Schritt: Farben optimieren mit »Farbbalance« Mithilfe der Farbbalance lassen sich sehr einfach die Farben eines Bildes optimieren. Sie werden diese Funktion so ähnlich in vielen Bildbearbeitungsprogrammen wiederfinden.

Tipp Die meisten Bilder werden etwas leuchtender und frischer, wenn Sie in der Farbbalance im Bereich Lichter 5 % Gelb hinzugeben. Schieben Sie den Gelb–Blau-Regler dafür auf −5. Der Effekt ist bei Porträts besonders deutlich.

1  Lichter anpassen Wenn Sie einen Farbstich entfernen wollen, sollten Sie immer mit den Mitteltönen anfangen. Diese reagieren am stärksten auf eine Färbung, das heißt, in den Mitteltönen ist die erreichbare Farbsättigung am höchsten. Öffnen Sie das Bild »La-Palma.tif«, und rufen Sie mit [Strg] +[B] beziehungsweise [cmd] +[B] den Dialog Farbbalance auf. Die Sonnenuntergangsstimmung wurde durch die Kamera gegenkorrigiert. Um sie wieder stärker hervorzuholen, klicken Sie unten auf den Bereich Lichter 2 und verschieben den Regler Gelb– Blau auf −50 und den Regler Cyan–Rot auf +10. So färben Sie die Lichter leicht rot und stark gelb.

HH Abbildung 12.34 Farbbalance für die Lichter einstellen

2

FF Abbildung

12.35 Im Bild ist die automatische Weißbalance zu neutral geraten.

70 mm | ƒ6,3 | 1/80 s | ISO 320

12.7  Bildbearbeitung in Photoshop  |  659

2  Mitteltöne korrigieren Klicken Sie auf Mitteltöne, und schieben Sie den Magenta–Grün-Regler auf −7 und Gelb–Blau auf +15. Die Mitteltöne gehen so mehr in ein warmes Blau, was den Stich der Lichterkorrektur etwas ausgleicht und trotzdem die Farbstimmung des Bilds positiv beeinflusst. Abbildung 12.36 E Farbbalance für die Mittel­ töne einstellen

3  Schattenbereiche ändern Klicken Sie auf Tiefen, und schieben Sie den Regler Gelb–Blau auf +24. So sind die Schatten weniger gelb und wirken tiefer und kühler, und das Bild wirkt nicht so, als wäre noch ein Farbstich übrig geblieben. Abbildung 12.37 E Farbbalance für die Tiefen einstellen

Abbildung 12.38 E Das korrigierte Bild  K

660  |  12  Bildbearbeitung

Selektive Farbkorrektur Ein sehr feines und exaktes Korrekturwerkzeug ist die Selektive Farbkorrektur. Mit ihr können Sie alle Grundfarben einzeln korrigieren. Wenn Sie nur die Sättigung einer Farbe erhöhen, steigern Sie damit oft auch einen unerwünschten Farbanteil. Mit diesem Werkzeug aber können Sie jede Farbe von Nebenfarben oder Verschmutzungen befreien, aber genauso auch den einzelnen Farben einen etwas anderen Farbton zuweisen. Die besten Ergebnisse bringt dieses Werkzeug meiner Erfahrung nach, wenn Sie die Komplementärfarbe aus der jeweiligen Farbe herausziehen und, falls diese dann zu hell wird, den Regler Schwarz in den Plusbereich verschieben.

Tipp Wenn Sie in Adobe Photoshop Lightroom arbeiten, erreichen Sie ähnliche Bearbeitungsmöglichkeiten über die ersten beiden Reiter des Menüfelds HSL/Farbe/SW.

FF Tabelle

Farbe

Komplementärfarbe

Rot (Gelb + Magenta)

Cyan

Gelb

Blau (Magenta + Cyan)

Grün (Cyan + Gelb)

Magenta

Cyan

Rot (Gelb + Magenta)

Blau (Magenta + Cyan)

Gelb

Magenta

Grün (Cyan + Gelb)

12.1 Farben und ihre jeweilige Komplementär- bzw. Korrekturfarbe

Die Farben können Sie noch feiner anpassen, indem Sie auch die Farbanteile unterschiedlich gewichten. Wenn zum Beispiel ein Baum im Schatten zu blass und zu kühl wirkt, ziehen Sie zuerst die Komplementärfarbe Magenta auf −20, um das Grün aufzuklaren. Danach nehmen Sie auch etwas Cyan aus dem Grün, um dieses weniger kühl und mehr gelblich erscheinen zu lassen. Zum Schluss erhöhen Sie den Wert für Schwarz noch ein wenig, da die Farbe sonst zu hell wirken würde. Nach diesem theoretischen Beispiel nun ein praktisches.

Abbildung 12.39 E Die leicht verblassten Farben passen zwar zu diesem 1960er-Jahre Hotrod auf einem Karussell und dem Vintage-Objektiv, wir möchten aber mehr JahrmarktBuntheit ins Bild bringen.

55 mm | ƒ1,2 | 1/30 s | ISO 10 000 |   Nikon Nikkor 55 mm ƒ1,2 S.C. (1973)

12.7  Bildbearbeitung in Photoshop  |  661

Öffnen Sie das Bild »Hotrod.tif«, und rufen Sie dann Bild • Korrekturen • Selektive Farbkorrektur auf. Klicken Sie unter Vorgabe auf Rottöne, und stellen Sie Cyan auf −40, Magenta auf +5 und Schwarz auf 10. Klicken Sie dann auf Gelbtöne, und fahren Sie mit den in Tabelle 12.2 gezeigten Werten fort. Farbbereich

GG Abbildung

12.40 Der Dialog Selektive Farbkorrektur

Tabelle 12.2 E Korrekturwerte für das Bild »Hotrod.tif«

Korrekturwerte Cyan

Magenta

Gelb

Schwarz

Rottöne

−40

+5





Gelbtöne

−15

−10





Grüntöne



−30





Cyantöne



−10

−30



Blautöne





−20



Magentatöne

−40



−20



Grautöne



−5

−5



Die Selektive Farbkorrektur ist eines der feinsten Werkzeuge in Photoshop überhaupt. Auf den ersten Blick erscheint sie vielleicht etwas abstrakt, aber mit etwas Gewöhnung können Sie die Farben damit genau wie gewünscht gestalten. Sie können die Einstellungsparameter abspeichern und später wieder über das kleine Menüsymbol laden. Falls Sie Capture One verwenden, finden Sie dort den Farbeditor, der noch besser ist, weil Sie dort viel genauer definieren können, welche Farbbereiche Sie überhaupt verändern wollen.

FF Abbildung

12.41 Das korrigierte Bild

662  |  12  Bildbearbeitung

Retuschieren Die meisten Fotografen kommen spätestens dann mit der Retusche in Berührung, wenn sie den Staub auf dem Sensor aus dem Bild entfernen wollen. Zum Glück bieten Photoshop (und Lightroom) Werkzeuge an, die mitdenken. Der Reparaturpinsel etwa sucht sich selbstständig Bildbereiche, die die retuschierten Stellen am besten ergänzen, und das inhaltsbasierte Füllen eignet sich sogar, um große Bildbereiche zu entfernen.

Schritt für Schritt: Retuschieren Sie können nicht nur kleine Fehler, sondern auch größere Objekte aus Bildern entfernen. Mit dem inhaltsbasierten Füllen ist das sogar erschreckend einfach.

1  Bild öffnen Öffnen Sie das Bild »Blick.tif«. Hier stehen drei Personen im Bild und blicken auf eine Landschaft in der Bretagne. Übungshalber lassen wir zwei davon aus dem Bild verschwinden.

GG Abbildung 12.42 Das Ursprungsbild mit drei Personen

23 mm | ƒ11 | 1/200 s | ISO 500 | Polfilter

12.7  Bildbearbeitung in Photoshop  |  663

2  Auswahl erstellen Wählen Sie das Ausbessern-Werkzeug aus der Werkzeugpalette (es befindet sich hinter dem Bereichsreparatur-Pinsel). Ziehen Sie eine relativ enge Auswahl um die zwei Personen auf der rechten Seite. Mit gedrückter [ª] -Taste können Sie Bereiche zur Auswahl hinzufügen, mit gedrückter [Alt] -Taste davon wieder abziehen, falls Sie beim ersten Mal keine gute Auswahl erstellt haben sollten.

3  Auswahl verschieben Wählen Sie unter Ausbessern oben in der Optionenleiste den Modus Inhaltsbasiert. So erzeugt Photoshop eine möglichst ähnliche Struktur in den übermalten Bereichen. Schieben Sie die Auswahl rechts neben die beiden Personen, sodass die Rasenkante auf einer Höhe bleibt. Lassen Sie dann die Maustaste los. Abbildung 12.43 E Modus für das Ausbessern festlegen

Abbildung 12.44 E Die Auswahl ist nach rechts verschoben, der aufgenommene Bereich wird nun vor dem Loslassen der Maustaste doppelt angezeigt.

Verräterische Details Sie sollten immer darauf achten, dass keine Schatten, Spiegelungen oder verräterische Details von wegretuschierten Elementen übrig bleiben. Zumindest visuell sollte eine Retusche stimmig sein. Mithilfe der Analyse der digitalen Daten ist es allerdings sehr viel einfacher, Bildmanipulationen zu erkennen. Wenn Sie das Thema interessiert, suchen Sie im Internet nach »Digitale Bildforensik«. Ich persönlich finde es sehr beruhigend, dass sich digitale Manipulationen derzeit noch nachweisen lassen – auch wenn sie gut gemacht sind.

664  |  12  Bildbearbeitung

4  Füllung ausbessern Wenn Sie nun in dem ausgebesserten Bereich Teile entdecken, die ein wenig übermalen, auffallen, dann können Sie sie mit dem Bereichsreparatur-Pinsel bis auch sie perfekt passen. Hier war es z. B. ein doppeltes Bäumchen, das ich mit diesem Werkzeug wieder entfernt habe. 

FF Abbildung 12.45 Der Bereichsreparatur-Pinsel deckt hier ein verräterisches Bäumchen ab.

FF Abbildung

12.46 Das fertig retuschierte Bild  K

12.7  Bildbearbeitung in Photoshop  |  665

12.8  Scharfzeichnen Wenn die Kamera JPEG-Bilder aufnimmt, erhöht sie den Schärfeeindruck der Bilder automatisch. Das können Sie zwar auch ausschalten, aber als Grundeinstellung wird scharfgezeichnet. Bei den einfachen Sucherkameras und vielen Smartphones wird oft sogar überschärft, weil die meisten Nutzer dieser Kameras knackige und bunte Bilder lieben.

Beim Export Wenn Sie ein Raw-Bild aus Lightroom exportieren, finden Sie im Ausgabedialog einen Bereich Ausgabeschärfe 1 , in dem zum Beispiel Glanzpapier, Standard oder Bildschirm, niedrig steht. Diese kurze Information bezeichnet den Ausgabezweck und die Stärke der Nachschärfung. Auch hier wird also nachgeschärft, sobald Sie das Bild konvertieren. Und Sie sehen an den Auswahlmöglichkeiten unter Schärfen für 2 , dass je nach Ausgabezweck unterschiedliche Schärfeeinstellungen zweckmäßig sind.

1 2

FF Abbildung 12.47 Die Exportieren-Optionen in Lightroom

Beim Skalieren Die gerade gemachten Einstellungen sind aber nur dann passend, wenn das Bild gleich auf die richtige Größe gerechnet wird, denn ansonsten verringert sich der Schärfeeindruck beim Herunterrechnen etwas. Photoshop berücksichtigt auch dies, denn Sie können beim Skalieren der Bildgröße (unter dem Menüpfad Bild • Bildgrösse) unter Neu berechnen das Interpolationsverfahren Bikubisch schärfer (Verkleinerung) oder Details erhalten 2.0 3 wählen. So wird der Schärfeverlust durch das Herunterrechnen im selben Vorgang durch erneutes Scharfzeichnen ausgeglichen.

666  |  12  Bildbearbeitung

FF Abbildung

12.48 Der Bildgrösse-Dialog in Photoshop

3

Wie ist es überhaupt möglich, dass ein Computer ein Bild schärfer erscheinen lassen kann? Da Schärfe eine Kombination von Auflösung und Kontrast ist (siehe Seite 187) und die (Detail-)Auflösung kaum zu beeinflussen ist, muss der Kon­trast erhöht werden. Wenn der Kontrast insgesamt erhöht wird, wirkt das Bild ein wenig schärfer, aber gleichzeitig auch viel härter. Man muss also den Detail­ kontrast lokal beeinflussen, ohne den Gesamteindruck stark zu verändern. Die einfachste und am weitesten verbreitete Lösung dafür ist die Funktion Unscharf maskieren.

Unscharf maskieren Der Begriff »unscharf maskieren« mag zunächst paradox klingen, erklärt sich aber, wenn wir uns die zugrundeliegende Technik näher ansehen. In der Analogfotografie fertigte man zur Nachschärfung ein leicht unscharfes Negativ an, legte dieses mit dem Original übereinander und projizierte diese dann zusammen auf Fotopapier. Neben einer dunklen Fläche wurde so eine leicht unscharfe helle Kante sichtbar, die den Kantenkontrast und damit den Schärfeeindruck verstärkte. Das Prinzip bleibt auch in der Digitalfotografie bestehen: Ein unscharfes Negativ wird mit dem Original so verrechnet, dass Helligkeitsunterschiede an den Kanten verstärkt werden. In Photoshop finden Sie diesen Filter unter Filter • Scharfzeichnungsfilter • Unscharf maskieren. Am Bildbeispiel lässt sich nicht nur das Prinzip erkennen, sondern es lassen sich auch die negativen Effekte studieren, die bei zu großen Werten entstehen: Der Kontrast steigt zu sehr an, und die Kanten bekommen sogenannte Halos – leuchtende Kanten, die das Motiv sichtbar überstrahlen.

12.8  Scharfzeichnen  |  667

F G  Abbildung

12.49 Dieses Foto von Ahornblättern (links) ist ganz leicht unscharf. Das Bild rechts habe ich in Photoshop absichtlich deutlich zu stark geschärft. Eine Stärke von 300 und ein Radius von 10 lassen das Prinzip des Unscharf-Maskierens deutlich erkennen. Die roten Blätter werden von einer cyanfarbenen Kante überstrahlt. Der helle Hintergrund strahlt als dunkle Kante in die Blätter hinein, und so hat sich der Kantenkontrast deutlich erhöht.

Die Herausforderung beim Unscharf maskieren ist es, Werte zu finden, die den unscharfen Eindruck beheben oder stark vermindern, aber gleichzeitig den Bildeindruck nicht zerstören und natürlich wirken. Es gibt in Photoshop noch eine modernere Methode des Nachschärfens, die Sie unter Filter • Scharfzeichnungsfilter • Selektiver Scharfzeichner aufrufen. Mit ihr können Sie feine Details noch besser hervorheben. Schauen Sie sich den Filter in jedem Falle an. Mir persönlich schärft er manchmal zu viele Dinge, die ich gar nicht schärfer haben möchte, und ich habe auch deswegen dem Unscharf maskieren hier den Vorrang gegeben, weil Sie diese Funktion in jeder anderen Bildbearbeitungssoftware vorfinden werden. Das soll Sie aber nicht davon abhalten, andere Vorlieben zu entwickeln. Der Selektive Scharfzeichner ist technisch weiterentwickelt und kann etwas feiner arbeiten als Unscharf maskieren. FF Abbildung

12.50 In der schematischen Darstellung wird das Prinzip noch klarer. Oben ist eine unscharfe Grenze zwischen Hellrot und Grau zu sehen. Unten: Nach dem Unscharf maskieren wird die Kante härter, weil auf der einen Seite Cyan und auf der anderen Seite dunkleres Rot den Kantenkontrast erhöhen. Das Cyan ergibt sich aus der Komplementärfarbe von Rot – da das Hellgrau keine Farbe hat, dunkelt die Kante das Rot nur etwas ab.

668  |  12  Bildbearbeitung

FF Abbildung

12.51 Dasselbe Bild wie in Abbildung 12.49 habe ich hier mit einer Stärke von 150 und einem Radius von 1,2 Pixeln geschärft.

12.9  Panorama Die Einzelbilder für Landschaftspanoramen lassen sich normalerweise unkompliziert aus der Hand aufnehmen (siehe Seite 527) – jedenfalls dann, wenn das Motiv nicht stark in den Vordergrund ragt. Das Zusammensetzen ist ebenso einfach, wie das folgende Beispiel zeigt.

Schritt für Schritt: Panorama erstellen Sie können in Lightroom sehr einfach ein Panorama aus mehreren Aufnahmen erstellen, auch wenn diese etwas ungenau aus der Hand geschossen wurden.

1  Photomerge Panorama Importieren Sie die vier Raw­Dateien aus dem Ordner »Panorama« in Lightroom. Markieren Sie das erste Bild mit einem Klick, das letzte mit [ª] + Klick. Statt wie hier Einzelbelichtungen können Sie in Lightroom auch Belichtungsreihen zusammensetzen.

Abbildung 12.52 E Die vier Einzelaufnahmen in Lightroom

12.9  Panorama  |  669

2  Panorama erzeugen Drücken Sie [Strg] +[M] oder [cmd] +[M] am Mac, um Foto • Zusammenfügen von Fotos • Panorama aufzurufen. Wählen Sie unter Layout die Option Zylindrisch 1 . In diesem Modus arbeitet Lightroom wie eine Rotationspanoramakamera (zum Beispiel die Noblex oder die Horizon), was eine sehr natürliche Perspektive für Aufnahmen mit großem Bildwinkel ergibt und vermeidet, dass die Bilddaten bei weiten Winkeln wegen der Perspektivkorrektur riesig und zum Rand hin verzerrt werden. Abbildung 12.53 E Projektion auswählen

1 2

3  Randverkrümmung korrigieren

HH Abbildung

12.54 Das fertige Panorama  K

670  |  12  Bildbearbeitung

Durch die perspektivische Anpassung der Einzelbilder haben sich Bögen an den Bildrändern ergeben. Sie können die weißen Bereiche abschneiden oder von Lightroom füllen lassen. Schieben Sie für das Füllen den Regler Randverkrümmung 2 auf 100. Gerade Linien an den Seiten wirken bei dieser Einstellung oft verbogen, hier ergeben sich keine störenden Effekte. Klicken Sie deshalb auf Zusammenfügen.

In der nächsten Schrittanleitung zeige ich Ihnen eine Methode, die sich nur dann eignet, wenn die Bildinformation an den Rändern nicht wahrheitsgetreu sein muss.

Schritt für Schritt: Panorama mit der Funktion »Inhaltsbasiertes Füllen« erweitern Reportagefotografen überlesen das Folgende am besten, denn was jetzt kommt, ist Mogeln in Reinform. Photoshop besitzt ein Werkzeug, mit dem es Bildbereiche anhand umliegender Bildinformation auffüllen kann, sodass es möglichst wenig auffällt. Es ist eigentlich dafür gedacht, bestimmte Bildelemente sehr einfach wegretuschieren zu können, aber Sie können es auch verwenden, um ein Bild zu ergänzen.

HH Abbildung 12.55 In der Datei »Bilbao.tif« wählen Sie den transparenten Rand aus.

1  Rand auswählen Durch die perspektivischen Angleichungen ist der Bildrand vieler Panoramen nach dem Zusammenfügen ungleichmäßig. Sie könnten so ein Bild auf ein Rechteck beschneiden, würden dann aber Bildbereiche verlieren. Klicken Sie auf den Zauber­ in der Werkzeugpalette, oder drücken Sie stab [W] , um ihn aufzurufen. Klicken Sie dann mit dem Werkzeug mehrfach mit gedrückter [ª] -Taste auf die transparenten Randbereiche, sodass diese komplett in einer Auswahl erscheinen.

2  Auswahl erweitern Rufen Sie Auswahl • Auswahl verändern • Erweitern auf. Geben Sie bei Erweitern um einen Wert von 4 Pixeln an, und klicken Sie auf OK. Die Auswahl läuft dann vier Pixel weit in das Bild hinein und verhindert so, dass später störende Kanten zu erkennen sind.

3  Fläche füllen

GG Abbildung 12.56 Auswahl erweitern

Wählen Sie Bearbeiten • Fläche füllen oder [ª] +[F5] , um das gleichnamige Menü aufzurufen. Stellen Sie unter Inhalt die Option Inhaltsbasiert ein. Setzen Sie das Häkchen vor Farbanpassung, damit Photoshop die angrenzenden Farben besser in die Berechnung einbezieht. Klicken Sie auf OK, und lassen Sie sich überraschen.

12.9  Panorama  |  671

Manchmal ergeben sich in den gefüllten Bereichen unschöne Doppelungen, die können verraten, dass hier ergänzt wurde. Mit dem Bereichsreparatur-Pinsel Sie diese Bildbereiche übermalen, bis das Ergebnis natürlich erscheint (siehe auch Seite 664). Allerdings eignet sich nicht jede Bildinformation für das inhaltsbasierte Füllen. Hier sollten Sie das Bild lieber beschneiden, um schlecht ergänzte Strukturen zu entfernen.

4  Freistellen GG Abbildung

12.57 Fläche inhaltsbasiert füllen

Abbildung 12.58 E Der Frei­stel­lungsrahmen

Abbildung 12.59 E Das fertig ergänzte Panorama  K

672 

Drücken Sie [C] , um das Frei­stel­lungs­werk­zeug aufzurufen. Ziehen Sie die seitlichen mittleren Anfasser jeweils so weit ins Bild, dass alle unsauber ergänzten Bereiche außen bleiben. Drücken Sie dann [¢] , um die Freistellung zu bestätigen. 

12.10  HDR HDR ist eine Methode, die Belichtungen mehrerer Bilder in einem Bild zu vereinen, um einen höheren Tonwertumfang und Tonwertreichtum zu erhalten. Die Abkürzung steht für High Dynamic Range (hoher Dynamikumfang). Um ein HDR-Bild zu erstellen, müssen Sie eine Belichtungsreihe von einem Motiv erstellen. Da die Bilder exakt übereinander passen sollen, ist dabei ein Stativ von Vorteil. Allerdings kann HDR-Software kleine Abweichungen meist gut korrigieren, sodass es oft ausreichend ist, schnell hintereinander aus der Hand aufgenommene Serienbilder zu verwenden. Die Belichtungswerte verändern Sie am einfachsten über eine automatische Belichtungsreihe (AEB, siehe auch Seite 299). Ich verwende meist drei Belichtungen mit −2, 0, und +2 Blenden Korrektur. Lightroom hat inzwischen eine sehr einfache und mächtige HDR-Lösung eingebaut, die es erlaubt, die Ergebnisse weiterhin als Raw zu behandeln. Zudem erzeugt Lightroom bereits im ersten Schritt recht natürlich wirkende HDRs. Eine Alternative ist Photomatix Pro, das sehr viel mehr Einstellmöglichkeiten bietet und das sich auch gut für die Batch-Verarbeitung eignet – sinnvoll etwa, wenn Sie Panoramen aus vielen Einzelbildern zusammensetzen wollen, die jeweils als Belichtungsreihe fotografiert wurden. Die Software können Sie unter hdrsoft.com/de als Testversion herunterladen und bei Gefallen für gut 80 € erwerben.

Schritt für Schritt: HDR mit Lightroom Lightroom hat ein leistungsfähiges HDR-Werkzeug eingebaut. Der große Vorteil ist, dass Sie mit dem fertigen HDR im Raw-Workflow bleiben können. Zudem sind die Ergebnisse recht natürlich.

1  Bilder öffnen Öffnen Sie Lightroom, und importieren Sie die drei Raw-Dateien aus dem Ordner HDR. Markieren Sie das erste Raw und dann mit gedrückter [ª] -Taste das letzte. Drücken Sie [Strg] +[H] bzw. [cmd] +[H] , um das HDR-Werkzeug aufzurufen.

FF Abbildung

12.60 Ausgangsbilder für das HDR-Bild auswählen

12.10  HDR  |  673

2  HDR-Werkzeug In dem nun erscheinenden Fenster nehmen Sie folgende Einstellungen vor: E Setzen Sie das Häkchen vor Automatisch ausrichten, da die Aufnahmen aus der Hand geschossen wurden. E Setzen Sie ebenfalls das Häkchen vor Automatischer Tonwert, so steuert Lightroom die Helligkeitsverteilung. Sie können alle Anpassungen später noch editieren. E Stellen Sie die Stärke der Geisterbildentfernung auf Niedrig, da es in dem Bild kaum bewegte Details gibt, die Störungen hervorrufen könnten. Klicken Sie dann auf Zusammenfügen.

3  Tonwerte anpassen GG Abbildung 12.61 Der HDR-Dialog

GG Abbildung 12.62  E Tiefen anpassen, um dem HDR einen natürlicheren Look zu geben

674  |  12  Bildbearbeitung

Lightroom hat nach dem Berechnen im selben Verzeichnis eine DNG-Datei abgelegt. Diese funktioniert wie ein Raw, hat aber einen höheren Tonwertumfang, und der Belichtungsregler geht nun über +/−10 LW. Klicken Sie auf das DNG, und drücken Sie dann die Taste [D] für das Entwickeln-Menü. Das Bild ist nun etwas zu weich und könnte mehr Lichterzeichnung vertragen. Senken Sie Weiß und Tiefen weiter ab und erhöhen Sie Struktur und Sättigung ein wenig, alle von mir verwendeten Werte finden Sie in der Abbildung. 

FF Abbildung 12.63 Das fertige HDR-Bild  K

12.11  Dateiformate Während Ihre Bildbearbeitungssoftware etliche Dateiformate unterstützt, die ich ab Seite 679 näher erläutern werde, kommt Ihre Digitalkamera mit zwei Formaten aus: JPEG und Raw. FF Abbildung

12.64 In diesem Bild habe ich den Himmel als Neutralpunkt gewählt. Während die Raw-Datei links die Farbveränderung im Raw-Konverter klaglos mitmacht, ist das JPEG, mit dem ich das Gleiche in Photoshop versucht habe (rechts), kaum noch als Foto zu erkennen. Raw-Dateien haben auf jeden Fall das größere Potenzial für die Bildbearbeitung.

12.11  Dateiformate   |  675

JPEG in der Digitalkamera JPEG ist die Abkürzung von Joint Photographic Experts Group, einer Organisation, die sich um standardisierte Dateiformate für den Fotobereich kümmert. Das JPEG-Format wurde entworfen, um eine kleine Dateigröße bei gleichzeitig geringer Beeinträchtigung der Bildqualität zu erreichen. Hierfür werden die Bilddaten komprimiert. Vereinfacht gesagt, werden bei der JPEG-Kompression die Bilddaten in Farb- und Helligkeitsinformationen aufgeteilt und so reduziert, dass sich für das menschliche Auge wenig Unterschiede ergeben, die Informationsmenge aber deutlich sinkt. So muss zum Beispiel die Farbinformation weniger scharf sein als die Helligkeitsinformation. Danach wird die Datenmenge weiter komprimiert, indem regelmäßige Strukturen zusammengefasst und häufige Datenfolgen kürzer ausgedrückt werden. Das Ergebnis ist eine Datenmenge, die bei durchschnittlichen Motiven durchaus 10- bis 15-mal kleiner sein kann, ohne dass man direkt einen Unterschied bemerkt. Im Internet ist mittlerweile fast jedes Bild ein JPEG, und viele Amateurkameras beherrschen nur dieses eine Format. Selbst in Bilddatenbanken hilft das JPEG-Format, große Bilder schneller verfügbar zu machen. Nun gibt es allerdings Details, die das Auge in einem JPEG-Bild zunächst nicht wahrnimmt, die nach einer leichten Bildbearbeitung aber plötzlich sichtbar werden, zum Beispiel Details in den Schatten. Auch ein Farbstich, der aus einem Bild entfernt wurde, kann Strukturen sichtbar machen, die von der Kompression des Formats herrühren. Und je häufiger Sie ein Bild erneut im JPEG-Format speichern, desto größer werden die Verluste in der Bildqualität.

GG Abbildung

12.65 Links zerstört eine zu starke JPEG-Kompression die Details, rechts habe ich denselben Ausschnitt im TIFF-Format gespeichert.

676  |  12  Bildbearbeitung

Die Stärke der Kompression ist auch abhängig vom Detailreichtum und von der Schärfe der Ursprungsdaten. Je feiner und schärfer das Bild ist, desto größer wird das resultierende JPEG sein. Es gibt sogar Fotografen, die die JPEG-Größe als direktes Qualitätskriterium für eine Kamera oder eine Objektiv-Kamera-Kombination verwenden, aber das ist etwas übertrieben, da auch der Algorithmus oder die Kompressionsparameter einen großen Einfluss auf die Dateigröße haben. Kurz zusammengefasst: Das JPEG-Format ist schnell verfügbar, einfach, klein und funktioniert überall, es verschenkt aber einen großen Teil der von Ihrer Kamera aufgezeichneten Bildinformation schon beim ersten Speichern. Ich selbst verwende JPEGs entweder nur zusätzlich zum Raw-Format oder dann, wenn eine große und länger anhaltende Serienbildgeschwindigkeit wichtig ist, wie zum Beispiel bei Hochhaussprengungen. Bei Raw geht einer Kamera häufig schon nach 10 bis 15 Bildern die Puste aus, und das sind bei den üblichen Serienbildgeschwindigkeiten nur 2 bis 3 Sekunden. Die Daten können nicht so schnell auf die Speicherkarte geschrieben werden, wie sie anfallen. Manche Kameras können JPEGs so lange auf die Karte schreiben, bis sie voll ist.

Raw Raw ist das englische Wort für roh. Roh oder weitgehend unbearbeitet sind auch die Daten, die in diesem Format von der Kamera auf die Speicherkarte geschrieben werden. Die Messwerte der einzelnen Pixel des Sensors werden direkt gespeichert und um eine Liste der Einstellungen ergänzt, die in der Kamera während der Auslösung vorlagen. Diese können später zur Ausarbeitung des Bildes herangezogen werden, müssen es aber nicht. Denn das Raw-Format lässt Ihnen auch später alle Möglichkeiten offen, ein Bild mit anderen Einstellungen als zum Zeitpunkt der Aufnahme zu entwickeln. Die Speichergröße der Raw-Datei ist trotz des vollen Datenumfangs verhältnismäßig moderat. Wenn Sie zum Beispiel eine Kamera mit 20 Megapixeln verwenden, kommen Sie grob gerechnet auf eine Datenmenge von 120 Megabyte pro Raw-Datei: 20 × 3 × 2, also 20 Megapixel × 3  Farben (RGB) × 16  Bit (=  2  Byte). In Wirklichkeit ist ein Raw-Bild dieser Kamera aber meist nur gut 20 Megabyte groß. Wie kommt das? Erstens ist ein Pixel Ihrer Kamera tatsächlich nur rot, grün oder blau, die RGB-Pixel werden erst durch Interpolation erzeugt (siehe auch Seite 35). Das kann später der Raw-Konverter im Computer übernehmen, sodass die Kamera hierfür keinen Speicherplatz aufwenden muss. Zweitens ist auch eine verlustfreie Komprimierung bei durchschnittlichen Bildern in der Lage, fast die Hälfte an Platz einzusparen. So kommen Sie also bei einem Raw-Bild auf der Speicherkarte auf eine fünf- bis sechsmal kleinere Datei,

12.11  Dateiformate   |  677

als das Bild in voller Qualität geöffnet auf Ihrem Computer im Speicher belegt. Raw-Formate  | Die meisten Kamerahersteller verwenden

eigene Raw-Formate (z. B. ».CR2« und ».CR3« bei Canon, ».NEF« bei Nikon, ».ORF« bei Olympus, ».ARW« bei Sony). Manche Kamerahersteller bieten aber auch die Verwendung des von Adobe entwickelten DNG-Standards (DNG = Digital Negative) in der Kamera an (Leica, Pentax). Das hat gerade bei weniger verbreiteten Kameras den Vorteil, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass man die Dateien auch noch in fernerer Zukunft mit aktueller Software öffnen können wird.

DNG – Digital Negative Adobe stellte das Format DNG 2004 mit dem Ziel vor, herstellereigene Raw-Formate auf mittlere Sicht zu ersetzen. Das hat nicht funktioniert, auch wenn kleinere Hersteller wie Leica oder Ricoh das Format gern übernommen haben. Für einen Anwender einer Kamera von großen Herstellern gibt es keinen Grund, seine Daten z. B. für bessere Archivsicherheit in DNG umzuwandeln, es sei denn, sie sollen in Software weiterverarbeitet werden, die nur DNG unterstützt. Wer in Lightroom ein Panorama oder ein HDR-Bild erzeugt, wird damit auch eine DNG-Datei erhalten, die sich wie eine normale Raw-Datei weiterverarbeiten lässt. Das DNG hat hier auch den Vorteil, dass es mehr als 16 Bit pro Farbkanal unterstützt, sodass in der HDR-Datei keine Tonwertabstufungen verloren gehen. DNG kann auch praktisch beliebige Metadaten in sich aufnehmen, sodass Platz für alle herstellereigenen Kameradaten besteht und keine XMP-Datei mehr zusätzlich erzeugt werden muss, wenn die Metadaten eines RawBilds geändert werden.

FF Abbildung 12.66 Die Bilder unterscheiden sich nur durch unterschiedliche Einstellungen im RawKonverter. Mit einem Raw-Bild ist auch nach der Aufnahme noch alles möglich.

55 mm | f4 | 25 s | ISO 1000 | RAW

678  |  12  Bildbearbeitung

In Photoshop Wenn Sie in Photoshop ein Bild abspeichern möchten, werden Sie mit einer Vielzahl von möglichen Dateiformaten konfrontiert. Hier soll etwas Übersicht geschaffen werden: EE Photoshop (».psd«): Es kann alles, was Photoshop auch kann, und ist das beste Format, wenn Sie aufwendige Montagen mit Ebenen speichern möchten. Das TIFF-Format ist aber mittlerweile weitgehend ähnlich leistungsfähig. EE Großes Dokumentenformat (».psb«): Wie der Name schon sagt, werden große Bilder mit bis zu 300 000 Pixeln Seitenlänge unterstützt, ansonsten ist es ähnlich dem PSD-Format. Sie werden es wohl fast nie benötigen. EE BMP (».bmp«): Ein eher veraltetes Windows-Format, das höchstens für Office­Anwendungen interessant ist. EE CompuServe GIF (».gif«): Ein uraltes Format für Internetgrafiken mit nur 256 darstellbaren Farben. Es ist immer noch interessant für grafische Elemente im Internet, z. B. GIF-Animationen. Wenn Sie Bilder für das Internet brauchen, verwenden Sie aber lieber den Menüpunkt Datei • Für Web und Geräte speichern, weil Sie dort die GIF-Optionen besser steuern können. EE Dicom (».dcm«): Dicom ist nur im medizinischen Bereich gebräuchlich. EE Photoshop EPS (».eps«): EPS steht für »Encapsulated PostScript«, also eingekapseltes Postscript. Postscript ist eine Seitenbeschreibungssprache, in der auch Vektordaten definiert werden können. Sehr verbreitet im Grafikdesign und als Format sehr mächtig. EE Photoshop DCS 1.0 (».eps«): Historisches Spezialformat, um CMYK-Bilder als Farbauszüge zu speichern. EE Photoshop DCS 2.0 (».eps«): Dieses Format erlaubt es, Farbkanäle aus Schmuckfarben zu definieren. Immer noch praktisch für die Druckvorstufe. EE IFF-Format (».iff«): Dieses veraltete Format ist Ihnen vielleicht noch vom Commodore Amiga bekannt. EE JPEG (».jpeg«): Das am weitesten verbreitete Datenformat überhaupt. Es bietet eine gute, aber verlustbehaftete Kompression. Es ist für die Weiterbearbeitung nicht sehr gut geeignet, aber gut für die Weitergabe per E-Mail oder im Web. EE JPEG 2000 (».jp2«): Die technisch verbesserte Version von JPEG ist kaum verbreitet und stirbt bereits wieder aus, sodass ich von der Verwendung nur abraten kann. EE JPEG Stereo (».jps«): JPS ist ein spezielles JPEG-Format für Stereobilder.

GG Abbildung 12.67 Diese Dateiformate bietet Photoshop CC zur Auswahl, wenn Sie ein RGB-Bild abspeichern wollen.

12.11  Dateiformate   |  679

EE

EE

EE

EE

EE

EE

EE EE

Mehrbildformat (».mpo«): Dieses Standardformat für 3D-Bilder wird auch

von stereoskopischen Kameras verwendet. Photoshop PDF (».pdf«): PDF ist z. B. interessant, wenn Sie Bilder aus Photoshop in Adobe Acrobat als eigene Seite einbinden wollen. Photoshop kann Präsentationen auch mehrseitig als PDF erzeugen. Photoshop Raw (».raw«): Das Raw-Format speichert »nackte« Bildinformation, selbst die Ausdehnung in Pixeln wird nicht mitgespeichert. Es hat nichts mit Camera Raw zu tun, und Sie sollten es nicht verwenden. PNG (».png«): Der Nachfolger von GIF mit sehr vielen Möglichkeiten ist interessant für das Internet, sonst aber eher nicht. Pixar(».pxr«): Historisches Grafikformat für den 3D-Bereich, es unterstützte sehr früh Alphakanäle, mit denen zum Beispiel dreidimensionale Tiefeninformation mit in der Datei gespeichert werden kann. Portable Bitmap (».pbm«): Es ist nur für reine Schwarzweißbilder ohne Grauabstufungen geeignet. Solche sollten Sie normalerweise eher als TIFF speichern. Scitex (».sct«): Historisches Format aus dem Digitaldruck. TIFF (».tif«): Das absolute Standardformat. Ich werde es im nächsten Abschnitt näher erklären.

Die meisten Fotografen werden mit JPEG, TIFF und PSD auskommen: das JPEGFormat für die Weitergabe kleiner Bilddateien per E-Mail oder generell im Internet, TIFF-Dateien für die Archivierung oder hochqualitative Weitergabe und Photoshop (PSD), wenn kompliziertere Arbeiten in Photoshop so gespeichert werden sollen, dass sämtliche Bearbeitungsmöglichkeiten erhalten bleiben. Natürlich heißt das nicht, dass Sie die Original-Raw-Dateien Ihrer Kamera löschen sollen. Sie sollten sie immer behalten, weil nur sie den vollen Umfang der Bildinformation besitzen. Aber Sie können ein Bild nach der Bearbeitung eben nicht wieder im kameraeigenen Raw-Format abspeichern.

TIFF TIFF ist eines der am weitesten verbreiteten Bildformate überhaupt. Allerdings ist es so vielseitig, dass nicht alle Programme auch alle Möglichkeiten des Formats unterstützen. Trotzdem ist es eine sehr gute Wahl, wenn Sie Bilddaten ohne Qualitätsverlust weitergeben möchten. Die meisten Bilder in diesem Buch zum Beispiel liegen als TIFF vor, denn die Druckqualität ist besser als beim JPEGFormat, und trotzdem kommt es in der Weiterverarbeitung nicht zu Problemen, weil TIFF einer der Standards in der Druckvorstufe ist. Meine fertigen Bilder

680  |  12  Bildbearbeitung

archiviere ich ebenfalls als TIFF, weil dieses Format wahrscheinlich recht lange noch gut gelesen werden kann. Sie können im TIFF-Format auch die Bilddaten komprimieren, ohne die Qualität zu verringern – anders als bei JPEGs. Der ältere Standard für die Komprimierung ist LZW (nach den drei Architekten des Algorithmus Lempel, Ziv und Welch). In neueren Versionen unterstützt TIFF auch ZIP und sogar JPEG – Letzteres ist dann natürlich nicht verlustfrei. Sie sollten aber davon Abstand nehmen, TIFFs mit 16  Bit pro Kanal komprimiert abzuspeichern. Die Dateien werden dann eher größer als kleiner und brauchen länger beim Laden und Speichern. Obendrein sinkt die Archivsicherheit, weil die Komprimierung den Datenaufbau verkompliziert. Bei 8-Bit-TIFFs können Sie aber bei durchschnittlichen Bildern fast die Hälfte des Speicherplatzes sparen, wenn Sie komprimieren.

JPEG als Ausgabeformat Über die Schwächen von JPEG als Aufnahmeformat beziehungsweise über die Vorteile von Raw habe ich schon genug geschrieben. Trotzdem nutze ich das JPEG-Format als Ausgabeformat täglich. Ob ich Bilder im Internet präsentieren will, eine Bildübersicht platzsparend in einem PDF unterbringen oder Bilder per E-Mail versenden möchte: All das funktioniert am besten mit dem JPEG-Format. JPEG unterstützt nur Graustufenbilder und RGB-Daten in 8 Bit pro Farbe. Sie können in Photoshop zwar auch CMYK-Bilder als JPEG abspeichern, aber das ist nicht Bestandteil des offiziellen Standards und kann zu Überraschungen in der Weiterverarbeitung führen. Wenn Sie in Photoshop eine JPEG-Datei abspeichern, können Sie die Qualität auf einer Skala von 0 bis 12 einstellen. Werte von 8 bis 12 sind qualitativ meistens ausreichend, die Einstellung 12 lässt die Dateien allerdings oft nur wenig kleiner als das Original werden – insbesondere bei sehr scharfen und detailreichen Bildern. Unter den Format-Optionen finden Sie drei Möglichkeiten: EE Grundlinie (Standard): Das kompatibelste Ur-Format von JPEG ist gut geeignet zur sicheren Weitergabe. EE Grundlinie optimiert: Diese Option erzeugt etwas kleinere Dateien und etwas genauere Farben als Grundlinie (Standard) – eine gute Wahl. EE Progressiv: Die Einstellung Progressiv stammt aus der Zeit langsamer Internetverbindungen. Ein JPEG erscheint zunächst ganz grob aufgelöst, dann

GG Abbildung 12.68 Die Speicheroptionen von TIFF: Die Pixelanordnung und die Bytereihenfolge können Sie ignorieren, denn moderne TIFF-Leser kommen mit allen Möglichkeiten gut zurecht. Die LZW-Kompression wird durchgängiger unterstützt, 16-Bit-Bilder sollten Sie allerdings gar nicht komprimieren, obwohl diese Bilder es am nötigsten hätten. Aber leider bringt die Komprimierung hier nichts und kostet nur Zeit.

GG Abbildung 12.69 Wenn Sie das Häkchen vor Vorschau gesetzt haben, können Sie die Auswirkungen der Kompression am Bildschirm betrachten. Darunter sehen Sie die resultierende Dateigröße.

12.11  Dateiformate   |  681

etwas feiner und schließlich in Vollauflösung. Allerdings können Sie auch bis zu fünf Durchgänge einstellen. Für diese Einstellung gibt es heutzutage eigentlich keine Berechtigung mehr, und der mehrfache Aufbau nervt beim Betrachten, sodass Sie diese Option am besten gar nicht mehr verwenden.

12.12  Metadaten Die reinen Bildinformationen sind für einen großen Teil der Verwendungsmöglichkeiten von Bildern nicht ausreichend. In der Pressefotografie etwa gehört eine genaue Beschreibung untrennbar zum Bild dazu, und auch in der Amateurfotografie erlangen die Metadaten eine immer größere Bedeutung. Durch sie werden Bilder suchbar, Fehler lassen sich besser analysieren, Bilder lassen sich durch Geotagging direkt auf Karten positionieren oder nach Eigenschaften filtern.

Exif-Standard

HH Abbildung

12.70 In der Tabelle auf der rechten Seite sehen Sie die Exif-Daten für das Bild unten, die bei der Aufnahme gespeichert wurden.

682  |  12  Bildbearbeitung

Der Begriff Exif steht für Exchangeable Image File Format und ist ein Standard, der es den Digitalkameras verschiedener Hersteller erlaubt, die Aufnahmedaten im selben Format abzuspeichern. So schreibt Ihre Kamera mit jeder Aufnahme eine Vielzahl von Kameraeinstellungen in die Bilddatei. Sogar die Einstellungen der angeschlossenen Blitzgeräte, der Wechselobjektive oder GPS-Empfänger werden aufgezeichnet. Dieser Standard kommt also automatisch zum Einsatz, wenn Sie digital fotografieren, weil dies Ihre Kamera für Sie erledigt. Und da in den Exif-Daten technische Angaben versammelt sind, die bei der Aufnahme meist korrekt erfasst werden, müssen Sie diese Daten nur selten editieren. Eine große Ausnahme ist eine nicht korrekt gesetzte Uhrzeit in der Kamera oder ein falsches Datum. Das führt dazu, dass Sie Aufnahmen verschiedener Kameras nicht richtig zeitlich sortieren können, die GPS-Informationen nicht zu den Bildern passen oder dass sich die Bilder bei einer Suche nach dem Aufnahmedatum nicht finden lassen. Achten Sie deswegen besonders bei der Umstellung von Sommer- auf Winterzeit darauf, dass Sie auch die Uhr in Ihrer Kamera umstellen. Programme, um ExifDaten nachträglich zu ändern, finden Sie zuhauf im Internet, die Umstellung der Zeit und des Datums beherrscht Light-

room allerdings auch von Haus aus. Für die nachträgliche Änderung von ExifDaten werden Sie zum Beispiel im Softwareverzeichnis von Heise fündig, das Sie unter www.heise.de/software erreichen (eine gute Adresse für direkte Downloads ohne versteckte Abo-Fallen und andere Internetrisiken). Unter Windows können Sie die Software GeoSetter (www.geosetter.de) verwenden, auf dem Mac z. B. XnView (www.xnview.com/de/xnviewmp). Diese Programme eignen sich auch zur vollständigen Anzeige der Exif-Daten, Photoshop zeigt diese nur unter Datei • Dateiinformationen • Raw-Daten komplett an, allerdings nur im schlechter lesbaren XML-Format.

HH Tabelle 12.3 Die Exif-Daten für das in Abbildung 12.70 gezeigte Bild

Exif-Feld

Wert

Kommentar

Dateiname

_90A9280.CR3

Original Dateiname

Dateigröße

27.5MB

Größe der Raw-Datei

Hersteller

Canon

Marke

Kamera

Canon EOS R

Kameratyp

Belichtungsprogramm

Blendenpriorität

= Zeitautomatik

Firmware

Firmware Version 1.1.0

Firmware der Kamera

Größtmögliche Blende

1,8

Offenblende des angesetzten Objektivs

Belichtungsmessmethode

Multi-Segment

= Mehrfeldmessung

Blitzmodus

Blitz wurde nicht ausgelöst

Brennweite

35,0 mm

Brennweite des angesetzten Objektivs

Sensorauflösung horizontal

1866,666656

In Pixel pro cm

Sensorauflösung vertikal

1866,666656

In Pixel pro cm

Einheit der Sensorauflösung

cm

Belichtungsmodus

Automatische Belichtung

Szenenaufnahmetyp

Standard

Kein Motivprogramm o.ä.

Weißabgleich

Manuell

Kein automatischer Weißabgleich

Weißabgleich

(Tageslicht)

Farbtemperatur auf Tageslicht einstellen

Kameraseriennummer

13021001170

Gut zu wissen, falls die Kamera gestohlen wird

Datum

2019:03:06 16:13:06

Tag und Zeitpunkt der Aufnahme

Erstellungsdatum/-uhrzeit 1/100 Sekunden

63

Auf die hundertstel Sekunde genau!

Blende

ƒ8,0

Blendenwert

12.12  Metadaten  |  683

Exif-Feld

Wert

Kommentar

ISO-Wert

200

Eingestellte Lichtempfindlichkeit des Sensors

Verschlusszeit

1/250 s

Verschlusszeit

EV

±0,00 EV

Keine Belichtungskorrektur

Objektiv-Typ

RF35 mm ƒ1,8 MACRO IS STM

Bezeichnung Objektiv

Objektiv Seriennummer

000000000

(Konnte hier nicht ausgelesen werden)

Nördl. oder südl. Breite

Nördliche Breite

Beginn GPS-Information

Geografische Breite

28 deg 12‘ 51,13«

GPS Breitengrad

östl. oder westl. Länge

Westliche Länge

Westlich des Nullmeridians

Geografische Länge

16 deg 40‘ 38,21«

GPS Längengrad

GPS-Höhenbezug

Höhe über Normal Null

Meeresspiegel

GPS-Höhe

2038,91 m

Höhe über N.N.

GPS-Empfänger Status

Messung aktiv

Die Werte sind aktuell gewesen

Geodätisches Datum

WGS-84

Der verwendete GPS-Standard

Kamera-Orientierung

Horizontal (normal)

Querformat

Datum der letzten Änderung

2019:03:06 16:13:06

Datei wurde noch nicht geändert, daher ist das Datum gleich dem Erstellungsdatum.

Diverse Farbdaten

Kameraprofil, Weißpunkt, Helligkeit, Rauschen Schatten, Bayermuster etc.

Exif enthält auch sehr viel Farbmanagement-Information. Diese werden in dieser Tabelle aber nicht einzeln ausgeführt.

Copyright

Copyright: Christian Westphalen Fotodesign www.westbild.de

Copyright-Informationen (lassen sich bei vielen Kameras automatisch ins Bild schreiben)

Exif-Version

0231

Version des Exif-Standards V 2.31

Bildbreite

6880

Pixelbreite des Sensors

Bildhöhe

4546

Pixelhöhe des Sensors

System-Ausschnitt Größe

6720 4480

Das eigentliche Bild ist etwas kleiner als der Sensor hergibt

Ausschn./Seitenverh.

3:2

Seitenverhältnis

Künstler

Photographer: Christian Westphalen

Kann in der Kamerasoftware voreingestellt werden

AF-Betriebsart

One-Shot AF

One Shot (kein Servomodus)

AF-Bereich-Auswahlmodus

AF-Erweiterung:Umgebung

Breites AF-Feld

Bildstil

Standard

Kameraprofil für Farbe/Schärfe etc.

684  |  12  Bildbearbeitung

Exif-Feld

Wert

Kommentar

Rauschreduzierung bei Langzeitbelichtung

Aus

Rauschreduzierung bei Langzeitbelichtung

High ISO Rauschreduzierung

Standard

High ISO Rauschreduzierung

Tonwert Priorität

Möglich

D+ eingeschaltet

Automatische Belichtungsoptimierung

Ausgeschaltet

Helligkeitsanpassung des JPEGs aus

Randlichtkorrektur

Aktivieren

Vignettierung des Objektivs korrigieren

Chromat. Aberrationskorrektur

Aktivieren

CA korrigieren

Verzeichnungskorrektur

Aktivieren

Verzeichnung korrigieren

Beugungskorrektur

Aktivieren

Nachschärfen gegen Beugungsunschärfe ein

Dig. Objektivoptimierung

Aktivieren

Komplettes Objektivprofil verwenden

Staublöschungsdaten anwenden

Keine Daten

Für evtl. Fleckenentfernung

Exif-Daten sind gerade bei der Fehlersuche sehr nützlich. So können Sie bei einem unscharfen Bild leicht überprüfen, ob es verwackelt sein kann, indem Sie die Verschlusszeit betrachten. Für das Beispielbild in Abbildung 12.70, dessen Verschlusszeit von 1/250 s Sie Tabelle 12.3 entnehmen können, ist eine Verwacklung extrem unwahrscheinlich. Bei Testreihen führt die Kamera für Sie Buch, sodass Sie keine Notizen machen müssen. Sogar bei der Bildersuche kann Exif behilflich sein: Wenn Sie in Adobe Bridge, in Lightroom oder in Photoshop Elements die Bildsuche zum Beispiel auf alle Bilder einschränken, die mit einer Brennweite von 85 mm im Hochformat und einer größeren Blendenöffnung als ƒ4,5 aufgenommen wurden, erwischen Sie mit großer Wahrscheinlichkeit auch einige Porträtaufnahmen. Da Exif viele herstellerabhängige Felder unterstützt und verteilt in der Bilddatei gespeichert wird, ist es leider sehr wahrscheinlich, dass bei einem erneuten Speichern ein Teil der Exif-Daten verloren geht. Für den vollen Satz an Exif-Daten öffnen Sie also am besten immer die unveränderte Originaldatei. Es gibt eine Menge Exif-Möglichkeiten, die hier in der Tabelle noch nicht aufgeführt wurden. So lassen sich Objektivprofile unterbringen oder die genauen AF-Parameter z. B. für eine Anzeige der verwendeten AF-Felder speichern. Nikon hat in der Frühzeit sogar mal die Weißabgleichsinformationen verschlüsselt gespeichert, ist davon aber netterweise wieder abgekommen, sodass jeder Raw-Konverter die Information nutzen kann. Exif ist wichtig, Sie arbeiten damit täglich, selbst wenn Sie es nicht merken, z. B. wenn Ihr Raw-Konverter die Objektivfehler kompensiert.

GG Tabelle 12.3 Die Exif-Daten für das in Abbildung 12.70 gezeigte Bild (Forts.)

12.12  Metadaten  |  685

IPTC-Daten Die Bezeichnung IPTC rührt vom International Press Telecommunications Council her, dem Weltverband der Nachrichtenagenturen und Zeitungen für die Normierung des Nachrichtenaustauschs. Dieser entwickelte 1991 das Information Interchange Model (IIM, in der Praxis und auch im Folgenden nur IPTC genannt), das sicherstellen soll, dass Bildbeschreibungen weltweit standardisiert sind und international verwendet werden können. Die ursprüngliche technische Umsetzung ist inzwischen veraltet, weil sie unter anderem Probleme mit der Verwendung von Umlauten hatte. Der Wichtigkeit dieses Standards tut dies aber keinen Abbruch, weil er in einer aktualisierten Form innerhalb von XMP (siehe folgenden Abschnitt) als IPTC-Kern weiterlebt. Für Sie ist dieser Standard dann wichtig, wenn Sie Bilder verkaufen oder auch nur sicherstellen möchten, dass andere Menschen Ihre Bilder im Internet wiederfinden können. Die Fotoplattform www.flickr.com zum Beispiel wandelt IPTC-Verschlagwortungen in direkt suchbare Schlagwörter um, sodass die Bilder über die Bildsuche von Google auffindbar sind. Inzwischen fügt Flickr auch automatisch eigene Suchwörter hinzu, die es anhand von Bilderkennung mithilfe künstlicher Intelligenz erzeugt. Momentan hat IPTC direkt in den Bildern (und nicht über Umwege wie Flickr) keinen großen Einfluss auf die Auffindbarkeit in Google. Es ist aber wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert. Interessanterweise wertet Google die Exif-Daten aber schon seit 2011 aus, und die Copyright-Informationen sind seit 2018 anzeigbar. Sie selbst wollen Ihre Bilder auch wiederfinden, und so lohnt es sich, auch ohne Veröffentlichung der Bilder im Internet, vernünftig zu verschlagworten. Achten Sie in jedem Fall darauf, dass die Software, mit der Sie das tun, die Verschlagwortung nicht einfach nur in eine eigene, nicht standardkonforme Datenbank schreibt. Ihre Schlagwörter sollten immer direkt in die Bilddatei geschrieben werden, und zwar am besten im IPTC-Standard, was bei TIFF- und JPEG-Dateien ohne Weiteres möglich ist. Bei Ihren Raw-Dateien geht das leider nicht so einfach, denn hier muss die Software sogenannte XMP-Dateien anlegen (siehe den folgenden Abschnitt), die zusätzlich zu den Originaldateien in das Verzeichnis bzw. bei DNG-Dateien mit in die Dateien geschrieben werden. Ein guter Test, um zu prüfen, ob Ihre Software standardkonform arbeitet, ist, ein Bild in einem Programm zu verschlagworten und es dann in einem anderen zu öffnen. Die ausgefüllten Metadaten sollten dann auch hier vollständig und unverändert lesbar sein. Auf der sicheren Seite sind Sie mit Capture One, Photoshop und Lightroom, und auch Photoshop Elements unterstützt den IPTC-Standard gut.

686  |  12  Bildbearbeitung

XMP-Daten Das Kürzel XMP steht für Extensible Metadata Platform, auf Deutsch »erweiterbare Metadatenplattform«. Der XMP-Standard wurde 2001 von Adobe eingeführt, er ist aber ein offener Standard, der seinerseits wieder auf gut eingeführten Standards wie RDF (Resource Description Framework, für die Bereitstellung von Metadaten im Internet) und XML (eXtensible Markup Language, ein textbasiertes Austauschformat für hierarchisch strukturierte Daten) basiert. Bei XMP wurde alles richtig gemacht: Es ist offen, erweiterbar, standardisiert und zukunftssicher. Außerdem bettet XMP auf sinnvolle Weise bestehende Standards wie IPTC ein. Normalerweise wird XMP direkt in die Bilddatei geschrieben. Für TIFF- und JPEG-Bilder ist das kein Problem, bei Raw-Dateien – die je nach Hersteller und Kamerageneration unterschiedliche und zum Teil nichtoffene Standards verwenden – werden die XMP-Dateien in eine zweite Datei mit dem gleichen Namen, aber der Dateiendung ».xmp« geschrieben. Wenn Sie beispielsweise eine Raw-Datei mit dem Namen »_09A9280.cr3« inklusive

HH Abbildung 12.71 Beispiel für eine ausführliche IPTC­ Verschlagwortung: Für die Standard­ anwendungen reichen Stichwörter, Überschrift und Autor aus.

12.12  Metadaten  |  687

Ortsbeschreibung und Stichwörtern verschlagworten oder auch nur die Parameter für Helligkeit und Farbsättigung ändern, schreiben Photoshop und einige andere Programme sofort eine zweite Datei namens »_09A9280.xmp« mit in das Verzeichnis. In diese Datei werden dann sämtliche Metadaten ausgelagert.

GG Abbildung

12.72 Bei Raw-Dateien werden die XMPDaten separat gespeichert. In Englischen heißen diese Dateien »XMPsidecar«, wie der Beiwagen eines Motorrads.

DPOF-Standard DPOF ist das Digital Print Order Format, mit dem Sie bereits in der Kamera festlegen können, welche Bilder Sie gedruckt oder auf Fotopapier ausgegeben haben möchten. Die nötigen Funktionen dafür finden Sie meist im Wiedergabe-Menü Ihrer Kamera. Die Daten werden mit auf die Speicherkarte geschrieben, sodass es ausreicht, die Karte in ein Bildbestellungsterminal eines Fotodienstleisters zu schieben, damit das Gerät die Bestelldaten automatisch übernehmen kann. Sie können etwas Ähnliches auch zu Hause nutzen, wenn Sie einen Drucker haben, der PictBridge unterstützt. Damit lassen sich Bilder direkt aus der Kamera über ein USB-Kabel oder manchmal auch über Bluetooth oder WLAN auf dem Drucker ausgeben. Ein Computer ist dann gar nicht mehr nötig. Die etwas fummelige Bedienung in der Kamera kommt an den Komfort einer Auswahl am Computer aber nicht heran. Und so eignet sich DPOF eher für die gelegentliche Nutzung auf Reisen oder bei spontanem Bedarf.

Geotagging

GG Abbildung 12.73 Das GPS zeigt an: N 59° 49,421 / E 007° 11,567. Wenn Sie diese Koordinaten in Google Earth eingeben, sehen Sie genau, wo ich zum Zeitpunkt der Aufnahme stand.

688  |  12  Bildbearbeitung

Die Verschlagwortung des Ortes wird oftmals dann schwierig, wenn man sich nicht in der Nähe einer Landmarke oder in einer Stadt aufhält. Noch schwieriger ist es, wenn man von einer langen Reise mit tausenden Aufnahmen zurückkommt. Mit etwas Glück lassen sich die Bilder anhand der Reihenfolge zwischen zwei gut erkennbaren Orten halbwegs zuordnen, aber das ist sehr viel Arbeit und obendrein ungenau. Allerdings lässt sich diese Arbeit auch vollautomatisch und auf wenige Meter genau erledigen. Neuere Kameras nehmen oft per Bluetooth Kontakt zur App des Kameraherstellers auf dem Smartphone auf und übertragen die GPS-Koordinaten von dort direkt in die Metadaten der Aufnahme. Wenn Ihre Kamera das nicht unterstützt oder keinen eigenen GPSEmpfänger eingebaut hat, können Sie auch einen GPS-Track aufzeichnen. Dazu brauchen Sie eine Digitalkamera mit korrekt eingestelltem Datum und eingestellter Uhrzeit und ein Smartphone oder einen GPS-Empfänger, der entweder in die Kamera eingebaut ist, als Fotozubehör mit entsprechender Software geliefert wird oder der seine Daten in Standardformaten, wie zum Beispiel NMEA, GPX, PLT oder IGC, abspeichern kann.

Später lässt sich aus den Bildern der Digitalkamera herauslesen, wann sie aufgenommen wurden, und aus der GPS-Datei, wann das GPS-Gerät an welchem Ort war. Die Software schreibt dann die Koordinaten direkt in das Exif-Feld für die GPS-Information. Viele Kameras haben inzwischen einen GPS-Empfänger eingebaut. Da dieser aber recht viel Batterieleistung benötigt, sollten Sie daran denken, das sogenannte Tracking wieder auszuschalten, wenn Sie es nicht benötigen, oder die GPS-Informationen eben nur für die jeweilige Aufnahme abzuspeichern und keinen kompletten Track mit der Kamera aufzuzeichnen. Ein Smartphone können Sie auf langen Reisen eher an der 12-V-Buchse im Auto wieder aufladen als Ihre Kamera. Zudem sind Smartphones gerade innerhalb der Stadt noch genauer, weil sie auch die WLAN-Zugangspunkte zur Positionsbestimmung verwenden können. Lightroom wertet die GPS-Daten aus und schreibt beim Export der Bilddaten in eine Datei auch die Ortsbezeichnung im Klartext in die Bilder. Leider ist das nicht der Fall, wenn Sie aus Lightroom direkt in Photoshop exportieren. Die freie Software GeoSetter (www.geosetter. de, nur für Windows) ist eine Alternative für alle, die Lightroom nicht nutzen. Hier können Sie die Klartext-Ortsbeschreibung automatisch auch in hunderte Bilder schreiben lassen, solange die GPS-Daten vorhanden sind. Auf dem Mac können Sie z. B. den GPSPhotoLinker (www.earlyinnovations.com/gpsphotolinker) verwenden.

GG Abbildung

12.74 Lightroom kann die Bilder nach den GPS-Daten auf einer Karte anordnen.

Automatische Verschlagwortung Vor ein paar Jahren befand sich Software in der Entwicklung, die die Horizontlinie von Fotos auswertete und mit einem dreidimensionalen Modell der Erde mathematisch abglich. So erhoffte man sich, zumindest in etwas bergigen Gegenden eine automatische Ortsbestimmung für die Verschlagwortung zu erreichen. Heute werden andere Ansätze verfolgt. Stellen Sie sich ein System vor, das in jedem Jahr mit Milliarden von Bildern von überall auf der Welt gefüttert wird, von denen ein beträchtlicher Teil (gerade die Handyfotos) über GPS-Informationen verfügt. Wenn Sie diese Informationen mit einem sehr großen, nach Art eines neuronalen Netzes (grob ähnlich den im menschlichen Gehirn bestehenden Lernmechanismen) auf-

gebauten Computersystem auswerten, dann können Sie nach einer Weile Bilder ohne GPS-Information einspeisen, und das System ist in der Lage, den Ort wiederzuerkennen. So ein System befindet sich bei Facebook bereits im Aufbau, und auch Flickr wird Ihnen heute schon zu einem hochgeladenen Bild automatisch erzeugte Schlagwörter vorschlagen, denn Sie können diese Technik auch auf Gesichter oder Gegenstände ausweiten. Die verwendete Technik nennt sich Deep Learning, auf Deutsch »Tiefes Lernen«, und ist ein Bereich aus der künstlichen Intelligenz, von dem Sie in naher Zukunft noch einiges mitbekommen werden.

12.12  Metadaten  |  689

kurz & bündig:  Bildbearbeitung Die Bildbearbeitung bietet viele Versuchungen, und natürlich dürfen Sie alles ausprobieren. Vieles bleibt aber nur Effekt, verbessert ein Bild nicht wirklich, und im Zweifel sollten Sie das Ergebnis in der Übungsschublade belassen und nicht veröffentlichen. Konzentrieren Sie sich anfangs darauf, Ihre Bilder mit den grundsätzlichen Bearbeitungswerkzeugen in Kontrast und Farbe anzupassen und kleine, störende Details wegzuretuschieren. Selbst wenn Sie am Rechner Fantasiewelten erschaffen möchten, werden Sie diese Grundlagen immer brauchen, und sei es nur, um die Elemente einer Fotomontage einander anzupassen. Für die meisten Fotografen wird der Computer eine Art Fotolabor sein, in dem man versucht, einen möglichst guten Abzug des »digitalen Negativs« herzustellen. Wer interessiert die Entwicklung der elektronischen Bildbearbeitung verfolgt, weiß, dass noch einiges auf uns zukommen wird und selbst Werkzeuge wie Photoshop noch lange nicht ausgereizt sind. Viele Dinge werden noch einfacher werden, andere überhaupt erst möglich, und aus manchen Aufnahmen, die Sie heute für technisch misslungen halten, werden Sie in der Zukunft mehr herausholen können, als Sie heute vermuten. Das inhaltsbasierte Füllen von Photoshop bietet einen Vorgeschmack – hier wird deutlich, wie sehr Bildbearbeitungssoftware »mitdenken« kann und wie einfach sich komplizierte Aufgaben lösen lassen. Abbildung 12.75 E Ein Spielzeugauto in der Werkstatt. Photoshop eignet sich gut dazu, fiktive Situationen visuell glaubwürdig umzusetzen.

690  | 

KURZ & BÜNDIG:

Bildbearbeitung

Um sich in dieser Vielzahl der Möglichkeiten nicht zu verlieren, müssen Sie sich überlegen, was Sie mit Ihren Bildern erreichen wollen. Ich persönlich verfolge das Ziel, meinen persönlichen Eindruck des Motivs am Rechner wiederherzustellen, auch wenn dies Eingriffe in der Bildbearbeitung erfordert. Diese sollten aber möglichst nicht augenfällig werden: »Photoshop ist, wenn man es nicht sieht.« Aber auch ganz neue Bilder am Rechner zu montieren ist sehr reizvoll. Es gibt viele gelungene Beispiele, allerdings auch eine Menge, die in die Kitschfalle getappt sind. Heute kann sich ein Student eine Digitalkamera und einen Bildbearbeitungsrechner leisten, die vor fünfzehn Jahren nicht einmal den größten Werbeagenturen zur Verfügung standen. Die technischen Möglichkeiten sind enorm, und dennoch bin ich froh, die Fotografie zu Beginn mit sehr einfacher Technik betrieben zu haben. Ich hatte so Zeit, den Umgang mit ihr zu erlernen. Allerdings lässt er sich heute schneller lernen, weil die digitale Technik ein unmittelbares Feedback gibt. Früher sah man die Negative erst nach der Entwicklung und den Fotoabzug erst langsam im Entwicklerbad erscheinen. Heute zeigt das Display das Bild unmittelbar nach der Aufnahme, und der Monitor reagiert praktisch in Echtzeit auf die Veränderungen in der Bildbearbeitung. Insgesamt ist es also einfacher geworden, gute Bilder zu machen, aber genauso schwierig geblieben, sehr gute zu machen. Um sich weiterzuentwickeln, ist es wichtig, mit dem Lernen nicht aufzuhören, aber genauso wichtig, einmal Erlerntes auch wieder loszulassen und die Dinge anders anzugehen als bislang. Die Bildbearbeitung gehört heute zur Fotografie wie früher das Labor, aber während sich früher ein Großteil der Amateure mit den Standardergebnissen aus den Laboren zufriedengab, ist es heute viel leichter möglich, die Ausarbeitung der Bilder selbst in die Hand zu nehmen. Die Hürden beim Erlernen der Bildbearbeitung sind nur am Anfang hoch, und es lohnt sich, sich mit dem Thema Bildbearbeitung richtig auseinanderzusetzen, sodass es eine Einheit bilden kann mit Ihrer Fotografie. Wenn Sie das Gefühl haben, keine Zeit für das Ausarbeiten Ihrer Bilder zu haben, dann sollten Sie sich fragen, ob es nicht sinnvoller wäre, lieber weniger Bilder besser zu machen als viele, die aus Zeitmangel nicht gut aufbereitet werden können. Einer meiner Gründe, Fotodesign zu studieren, war, dass ich dachte, im kreativen Bereich würde meine Tätigkeit erst relativ spät durch Computer ersetzt werden können. Zum Teil ging das erschreckend schnell. Der IKEA-Katalog ist zu einem sehr großen Teil Computergrafik und nicht mehr fotografiert.

HH Abbildung 12.76 Fällt Ihnen etwas auf? Dieses Porträt ist auf den zweiten Blick ein wenig seltsam. Der eine Schneidezahn sitzt mittig unter der Nase (aber das tut er bei Tom Cruise auch), die Augen sind etwas ungleichmäßig und das Ohrläppchen macht eine seltsame Welle. Doch wenn Sie bedenken, dass es diese Frau nicht gibt und das gesamte Bild von einer KI (genauer: GAN für Generative Adversarial Networks) erzeugt wurde, ist das Ergebnis recht überzeugend. Sie können das unter https://thispersondoesnot­ exist.com selbst ausprobieren.

KURZ & BÜNDIG:

Bildbearbeitung  |  691

GG Abbildung

12.77 Die App Snapchat, macht aus der Frau, die es nicht gibt (oder aus Ihnen), mit dem entsprechenden Filter in Echtzeit einen Mann (bzw. eine Frau).

692  | 

KURZ & BÜNDIG:

Bei Christie’s in New York wurde 2018 ein von einem Computer erschaffenes »Gemälde« namens »Edmond de Belamy« für 432 500 $ versteigert. »Katie Jones« auf LinkedIn schickte fleißig Kontaktanfragen an Politiker und wichtige Entscheider in den USA, in Wirklichkeit verbarg sich hinter ihr ein russischer Spion und ihr Foto war wie das auf der Vorseite abgebildete Beispiel komplett computererzeugt. Es gibt Versuche mit elektronischen Plakatwänden, die über Kameras die Reaktion der Betrachter auswerten und das Plakat immer leicht verändern und dann überprüfen, ob sich die Reaktion verbessert. Gesichts- und Stimmungserkennung, evolutionäre Algorithmen übernehmen hier einen Teil der Aufgaben einer Werbeagentur. Mit den Benutzereingaben cloudbasierter Bildbearbeitungsprogramme könnte man KIs trainieren, die die Bearbeitung später automatisch übernehmen. Wenn diese Bilder zusätzlich auf sozialen Netzwerken veröffentlicht werden und die »Likes« ausgewertet werden, ließe sich daraus auch eine qualitative Beurteilung ableiten, die zum besseren Training der KIs genutzt werden kann. Automatische Bildveränderungen kann heute jedes bessere Smartphone in Echtzeit erledigen. Neuere iPhones lassen Sie die Beleuchtungssituation eines Porträts nachträglich verändert, weil die Gesichtsform durch den eingebauten Gesichtsscanner auch dreidimensional erfasst wird. Die App Snapchat verschönert oder verschlimmbessert Sie mit den unterschiedlichsten Filtern live, macht aus Ihnen eine Person des anderen Geschlechts oder verpasst Ihnen einen Vollbart. Es gibt einen Trend weg von den händischen Bearbeitungen in Programmen wie Photoshop und hin zu Prozessen, die computergeneriert sind, neuronale Netze und maschinelles Lernen verwenden. Für Kreative bietet das auch Chancen und neue Möglichkeiten, allerdings besteht die Gefahr, dass weniger versierte Teilnehmer das dazu nutzen werden, noch ähnlichere und künstlichere Bilder zu machen, wie Sie sie in großen Teilen der Plattform Instagram schon heute betrachten können. Das ist allerdings alles sehr harmlos, gegenüber dem, was auf den Journalismus zukommt. Ein manipuliertes Video, in dem Nancy Pelosi betrunken erscheint, beruht noch auf einfachen Anpassungen der Geschwindigkeit und Tonhöhe. Suchen Sie aber im Netz nach dem Begriff »Deepfake«, dann werden Sie viel weitreichendere Möglichkeiten entdecken. Bild- und Multimediaforensik, d. h. die Möglichkeit, Bilder, Videos und Tondokumente auf Manipulationen untersuchen zu können, wird immer wichtiger werden. Ob das aber gegen die zunehmende Qualität der Manipulationen längerfristig eine Chance hat, ist ungewiss.

Bildbearbeitung

Anregungen für die Fotopraxis EE

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Nehmen Sie eines Ihrer Fotos, das ganz unterschiedliche Farbstimmungen vertragen kann (z. B. eine Dämmerungsaufnahme mit Kunstlicht), und erstellen Sie im Raw-Konverter mindestens sechs verschiedene Varianten in Farbe und Kontrast. Entscheiden Sie erst am nächsten Tag, welche Variante Sie bevorzugen. Stellen Sie Ihre Kamera auf ein Stativ, und nehmen Sie mehrere Fotos eines Raums mit Selbstauslöser auf, sodass Sie jeweils an einer anderen Stelle stehen oder sitzen. Montieren Sie diese Bilder in Ebenen übereinander, und löschen Sie Teile der Ebenen, sodass Sie mehrfach in diesem Raum erscheinen. Laden Sie die Testversion eines Raw-Konverters herunter, und versuchen Sie, in diesem eines Ihrer besten Bilder mit etwas Zeit so gut wie möglich zu konvertieren. Vergleichen Sie das Ergebnis mit dem, das Sie in Ihrer Standardsoftware erzielt haben. Retuschieren Sie ein Objekt aus einem Foto weg, dass mindestens 20 % der Bildfläche einnimmt. Kopieren Sie ein Porträtbild auf eine zweite Ebene. Retuschieren Sie alle Störungen komplett weg, und glätten Sie die Haut, bis es übertrieben perfekt aussieht. Setzen Sie dann die Deckkraft der retuschierten Ebene herab, sodass das Bild wieder natürlich wirkt. Wählen Sie ein kontrastarmes Foto, und versuchen Sie, möglichst viel an Bilddetails deutlich sichtbar zu machen und den Gesamtkontrast so weit zu erhöhen, wie es noch vertretbar ist, ohne dem Bild zu schaden. Nehmen Sie ein Bild auf, und bearbeiten Sie es dann mit dem Ziel, es so aussehen zu lassen, als wäre es vor 100 Jahren entstanden. Suchen Sie sich ein Bild aus einer Zeitschriftenanzeige, das Ihnen sehr gut gefällt. Versuchen Sie, den Look des Bildes möglichst genau auf eine Ihrer RawAufnahmen zu übertragen. Probieren Sie, wie weit Sie mit Ihrem Tablet in der Bildbearbeitung kommen. Fangen Sie mit kostenlosen Apps an. Nutzen Sie die Möglichkeiten von Bildbearbeitungssoftware so weit wie Ihnen möglich, erstellen Sie Montagen, setzen Sie unmögliche Bildideen um oder Bilder, an die Sie sich aus Träumen erinnern.

KURZ & BÜNDIG:

Bildbearbeitung  |  693

Danke Ohne die Unterstützung zahlreicher Menschen wäre dieses Buch nicht zu realisieren gewesen. Ihnen möchte ich herzlich danken! Meinen Models Ama Edem Tamakloe, Anja Herrmann, Annika Sophie Supe, Caro Rörig, Denise, Diana, Elena, Esther, Evi, Heike, Ieva, Julia Rosenfeld, Julee, Katharina, Lilith, Lisa Löpke, Miriam Witteborg, Neus, Nila, Nina, Tanja Penke, Verena und Clemens danke ich für die Abdruckgenehmigung ihrer Bilder. Michael Quack (Visual Pursuit Düsseldorf, www.visualpursuit.de) erlaubte

mir, seine Lichtformervergleiche im Download-Bereich an Sie weiterzugeben. Christian Bettenbrock ermöglichte mir mit seinem Geschäft Camera09

(www.camera09.de) Zugriff auf die Fotogeschichte in Form von Kameras, Objektiven, Glasplatten, Prints und historischer Fotoliteratur. Ich danke ihm auch für zahlreiche Hinweise auf die Besonderheiten, die der Fotomarkt in den letzten bald 200 Jahren hervorgebracht hat. Für die Unterstützung bei technischen Fragen und für die Produktfotos danke ich den Kamera-, Licht- und Zubehörherstellern. Die Bildgeber sind direkt bei den Bildern aufgeführt. Meinen Lesern der drei bisherigen Auflagen danke ich für Rückmeldungen, Anregungen und Vorschläge, die geholfen haben, die Große Fotoschule kontinuierlich zu verbessern. Elena Minaeva (www.minaeva.de) danke ich für die Illustrationen zu Kom-

position und Licht. Von meinen Lehrern und Dozenten an der FH Dortmund – Prof. Harald Mante, Prof. Heiner Schmitz und Axel Wehrtmann – sowie von Michael Werner, bei dem ich ein Jahr lang in Hamburg assistieren konnte, habe ich viel gelernt. Einiges davon ist auch in dieses Buch eingeflossen.

694  |  Danke

Das Team des Rheinwerk Verlags: Je besser etwas funktioniert, desto weniger bekommt man davon mit. Mein Dank an alle, die an Satz, Grafik, Korrektorat, Verlagsaufgaben und anderem gearbeitet haben, besonders an Frank Paschen (Lektorat) und Annika Holtmannspötter (Korrektorat). Ich danke außerdem allen, die mir erst wieder einfallen, wenn dieses Buch schon gedruckt ist …

Danke  |  695

Sie nähern sich der letzten Seite d ­ ieses Buches, … … aber im Download-Bereich zu diesem Buch (www. rheinwerk-verlag.de/4942) finden Sie zusätz­liches Material und weiterführende Informationen: EE Beispielbilder zu den Schritt-für-Schritt-Anleitungen EE Dokumente und Testgrafiken EE Linklisten zu Software und hilfreichen Websites Zusätzlich finden Sie Aktualisierungen in meinem Blog, den ich speziell zu dem Zweck eingerichtet habe, Sie auf dem Laufenden zu halten: https://fotoschule. westbild.de. Alle Programme, die Sie für die Schritt-fürSchritt-Anleitungen benötigen oder die sonst im Buch Erwähnung finden, sind auch unter https://links.westbild. de aufgeführt.

Glossar 4 K

Abblenden

Eine Videoauflösung, die ungefähr 4 000 Pixel in der Breite liefert. Im professionellen Bereich gibt es bereits 8 K-Kameras mit entsprechend etwa 8 000 Pixeln Breite.

Verkleinern des Objektivdurchmessers durch die Blende. Dabei vergrößert sich der Blendenwert, es gelangt weniger Licht auf den Sensor, und die → Schärfentiefe steigt an.

für ein anderes → Bajonett als das der verwendeten Kamera. AEB

Abkürzung für Automatic Exposure Bracketing. Die Kamera erstellt eine automatische → Belichtungsreihe.

AA-Filter

Kurz für Anti-Aliasing-Filter. Ein Filter vor dem Bildsensor, der das Bild ganz leicht unscharf macht, sodass scharfe Lichtpunkte auch auf die Nebenpixel abgebildet werden. Damit werden Treppchenbildung bei feinen Linien und → Moirés vermieden. Abbildungsfehler

Objektive haben Eigenschaften, die der perfekten Abbildung eines Motivs entgegenstehen. Diese lassen sich auch mit hohem konstruktiven Aufwand nur teilweise korrigieren. Übrig bleiben Abbildungsfehler, die zu (Rand-)Unschärfe, Verzerrung der Perspektive, Farbsäumen oder Randabdunklung führen. Abbildungsmaßstab

Das Größenverhältnis von abgebildetem Objekt zur Abbildung. Bei einem Abbildungsmaßstab von 1 : 10 wird ein 8 cm hohes Objekt 8 mm groß auf dem → Sensor abgebildet.

Abblendtaste

Altglas

Ein Knopf an der → Kamera, der die Blende auf den eingestellten Wert schließt. So bekommen Sie im Sucher einen groben Eindruck von der zu erwartenden → Schärfentiefe. Das Sucherbild wird dabei dunkler. An einer Canon-Kamera mit eingeschaltetem Systemblitz gibt der Blitz eine Sekunde Dauerlicht ab, sodass Sie auch die Blitzwirkung im Sucher sehen können.

Ein in der Fotoszene gebräuchlicher Begriff für alte Objektive, meist aus den 1950er- bis 1980erJahren, aber nicht darauf beschränkt. Das Altglas liefert zwar nicht die Schärfe moderner Objektive, oft aber eine angenehmere und lebendigere Bildwirkung.

Action-Kamera

Eine Kamera, die klein und robust genug ist, um sie z. B. beim Sport an der Kleidung oder am Helm zu befestigen. Durch ihr geringes Gewicht eignet sie sich auch dafür, an einer Drohne befestigt zu werden. Adapter

Ein Zwischenstück, mit dem sich Geräte unterschiedlicher Systeme miteinander verwenden lassen. In diesem Buch bezieht sich die Adaptierung meist auf ein Objektiv

APS-C

Abkürzung für Advanced Photo System Classic, ein Filmformat (25,1 × 16,7 mm) aus analogen Zeiten, das ungefähr 1,5-mal kleiner ist als das Kleinbild- bzw. → Vollformat. Die meisten → ­DSLRs besitzen Sensoren ungefähr in APS-C-Größe. Artefakt

Eine Bildstörung, die nicht vom Motiv stammt, sondern sich aus den technischen Aspekten der Aufzeichnung ergibt. So kann z. B. eine → JPEG-Kompression zu Artefakten führen oder auch zu einer → Moiré-Bildung.

Glossar  |  697

Auflagemaß

Backfocus/Frontfocus

Der Abstand zwischen → Sensor und Oberseite des → Bajonetts und somit der optisch wirksame Innenraum eines Kameragehäuses.

Eine konstante Fehleinstellung des Autofokus. Die eingestellte Fokusentfernung liegt entweder vor dem angemessenen Punkt (Frontfocus) oder dahinter (Backfocus). Viele → ­DSLRs erlauben eine manuelle Justierung im Menü, bei Spiegellosen kommt der Effekt nur in Ausnahmefällen vor.

Auflösung

Die Fähigkeit, kleine Strukturen unterscheidbar wiederzugeben. Die Auflösung wird pro Strecke oder pro Fläche gemessen, z. B. 300 Punkte pro Zoll als Druckauflösung oder 18 Megapixel als Gesamtauf­ lösung eines Sensors. Auch → Objektive haben eine Auflösungsgrenze, oberhalb derer auch eine höhere Sensorauflösung keine höhere Gesamtauflösung bringt.

dunkleren oder helleren Bildeindruck zu erhalten. Die Automatik geht von einer mittleren Motiv­ helligkeit aus. Falls diese nicht gegeben ist oder die Messung bei kontrastreichen Motiven zu unerwünschten Ergebnissen kommt, kann die → Belichtung üblicherweise um mindestens zwei Blendenstufen nach Plus und Minus angepasst werden.

Bajonett

→ Systemblitz

Genormter Anschluss für Wechselobjektive, die mit einem Entriegelungsknopf und einer kurzen Drehung abgenommen werden können. Über Kontakte im Bajonett werden auch digitale Daten übertragen, die z. B. den Blendenwert (→ Blende) steuern oder die Entfernung einstellen.

Autofokus

Banding

Automatisches Scharfstellen der Kamera auf das Motiv. Spiegelreflexkameras verwenden separate Phasenvergleichssensoren, die die Schärfe auch bei bewegten Motiven sehr schnell vorausberechnen können. Kameras ohne Spiegel führen mithilfe des → Sensors eine Kontrastmessung durch, oder sie verwenden Phasenvergleichspixel, die vergleichbar der Schärfesuche bei den → ­DSLRs arbeiten. Die reine Kontrastmessung führt manchmal zum → Pumpen, und ist für bewegte Motive schlechter geeignet als die Phasenmessung.

→ Streifenbildung

Mehrere Bilder werden kurz hintereinander mit veränderten Belichtungswerten aufgenommen – entweder um eine korrekt belichtete Variante zu erhalten oder um diese Aufnahmen später zu einem → HDR-Bild zusammenfügen zu können. In der Praxis ist es meist besser, zwischen den Aufnahmen die → Verschlusszeit zu verändern, anstatt die Blende.

Belichtung

Belichtungszeit

Vorgang, bei dem eine lichtempfindliche Schicht (→ Sensor) dem Licht ausgesetzt wird. Der → Verschluss begrenzt die Zeit der Belichtung, die Blende begrenzt die Intensität. Die Empfindlichkeit (→ ISO-Wert) bestimmt die notwendige Lichtmenge für ein korrekt belichtetes Bild.

→ Verschlusszeit

Aufsteckblitz

698  |  Glossar

Belichtungskorrektur

Anpassung der Werte der Belichtungsautomatik, um einen

Belichtungsreihe

Bilddatei

Ein Dokument, das die digitalen Bilddaten aller → Pixel und die → Metadaten (→ Exif) zusammen­ fasst. Eine Digitalkamera kann diese Daten praktisch vollständig in eine → Raw-Datei oder in Teilen und vereinfacht in eine kleinere → JPEG-Datei schreiben.

Bildrauschen

Bit

→ Rauschen

Kurzwort für Binary Digit, die kleinste Einheit in der zweiwertigen Logik. Das Binärsystem ist ein Zahlensystem mit nur den zwei Ziffern 0 und 1 statt der zehn Ziffern wie in unserem Dezimalsystem. Die Zahl 23 z. B. wird im Binärsystem als 10111 dargestellt. Um 256 Graustufen abbilden zu können, werden 8 Bit benötigt, moderne Kameras lösen üblicherweise 14 Bit/Farbe auf, was für 214 = 16 384 Abstufungen (pro Farbe) reicht. Maximum sind momentan 16 Bit/Farbe, also 65 536 mögliche Werte.

Bildstabilisator

Vorrichtung, die das → Verwackeln der Kamera bei der Belichtung mechanisch ausgleicht. Entweder wird dafür ein Teil des → Objektivs beweglich ausgelegt oder der → Sensor so bewegt (→ IBIS), dass er der Bildverschiebung hinterher­ läuft. Manche Kameras können diese beiden Arten kombinieren. Es gibt auch eine elektronische Bildstabilisierung, die versucht, die Effekte des Verwackelns aus der → Bilddatei herauszurechnen, sie ist qualitativ allerdings viel schlechter als die mechanische. Bildwiederholrate

Die Anzahl der Einzelbilder pro Sekunde, die für ein Video aufgezeichnet werden. Bildwinkel

Der Winkel, innerhalb dessen das Motiv noch durch den Bildausschnitt erfasst wird. Er wird quer, hoch oder diagonal gemessen. Je kürzer die → Brennweite (Weitwinkel) ist und je größer das Sensorformat, desto größer ist der Bildwinkel. Lange Brennweiten (→ Tele) ergeben engere Bildwinkel.

Blende

Die Blende ist eine mechanische Vorrichtung, die den nutzbaren Objektivdurchmesser von außen nach innen verkleinern kann, um so weniger Licht durchzulassen und eine höhere → Schärfentiefe zu erreichen, da ein engeres Strahlenbündel das Motiv über einen weiteren Tiefenbereich scharf abbilden kann.

dann während der Verschlusszeit über den Sensor läuft. Die Blitzsynchronzeit einer Systemkamera liegt typischerweise um 1/250 s. Bokeh

Die ästhetische Qualität der Abbildung unscharfer Bildbereiche. Brennweite

Wenn Lichtstrahlen parallel auf eine Linse einfallen, werden sie in einem Punkt gebündelt, der um die Brennweite vom Mittelpunkt der Linse entfernt liegt. Bei einem → Objektiv entspricht die sogenannte Hauptebene dieser Linsenmitte. Je kürzer die Brennweite, desto größer ist der erzielbare → Bildwinkel. Weitwinkelobjektive haben also eine kurze Brennweite, Teleobjektive eine lange. Bulb (B)

Belichtungsmodus, in dem der Verschluss für Langzeitbelichtungen praktisch beliebig lange geöffnet bleiben kann. Der Verschluss bleibt so lange geöffnet, wie der (Kabel-) Auslöser gedrückt bleibt.

Blitzsynchronzeit

Die kürzeste Zeit, bei der der → Verschluss den → Sensor ganz freigibt und ein kurzer Lichtblitz den gesamten Sensor auf einmal belichten kann. Bei einem Schlitzverschluss werden alle kürzeren Zeiten durch die Verengung des Verschlussschlitzes erreicht, der

Byte

8 → Bit Chromatische Aberration

Ein → Abbildungsfehler, bei dem sich Farbsäume an kontrastreichen Bildkanten ergeben.

Glossar  |  699

CMYK

Kurzbezeichnung für das Farbmodell der subtraktiven Farbmischung, das mit den Grundfarben Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz (Key Color) auskommt. Mit dieser Methode werden Farben im Druck dargestellt. Wenn Sie mit einer Lupe die Bilder dieses Buchs betrachten, werden Sie die vier Grundfarben erkennen können. Tintenstrahldrucker verwenden oft noch zusätzliche Farben, um den → Farbraum zu erweitern. Codec

Kurz für Coder/Decoder. Ein Verfahren zur Codierung und Kompression von Videodaten bei der Aufzeichnung oder beim Abspeichern und zur Decodierung bei der Wiedergabe. Ein Beispiel für einen verbreiteten Videocodec ist H.264. Cropfaktor

Der Faktor, um den eine → Brennweite gegenüber dem → Vollformat verkürzt werden muss, um bei einem kleineren Sensor den gleichen → Bildwinkel zu erreichen. → APSC hat einen Cropfaktor von 1,5 (Nikon und andere) oder 1,6 (Canon), → Four Thirds einen Cropfaktor von 2. Ein 100-mm-Teleobjektiv an einem Vollformatsensor entspricht also einem 50-mm-Objektiv an einem Four-Thirds- und ca. 67 mm an einem APS-C-Sensor. Es gibt

700  |  Glossar

auch Cropfaktoren kleiner als 1, die Mittelformatsensoren von Fujifilm, Pentax und die kleineren bei Hasselblad kommen z. B. auf 0,79 Digitalzoom

Die Digitalzoom-Funktion nimmt einen Bildausschnitt aus der Mitte der Aufnahme und rechnet ihn in der Kamera auf die volle Bildgröße hoch. Da dies einer normalen → Interpolation entspricht, lässt sich das genauso gut bzw. schlecht am Computer erledigen. Interessant ist der Digitalzoom höchstens dann, wenn man direkt aus der Kamera heraus Bilder bestellen will, die einen kleineren Bildwinkel nutzen, als den, der mit der längsten → Brennweite möglich gewesen wäre. Eine Ausnahme ist der Videobereich, weil dort kleinere Auflösungen als die volle Sensorauflösung verwendet werden, somit kann ein Digitalzoom ohne Qualitätsverlust eingesetzt werden, solange immer noch ein Sensorpixel pro Bildpixel Verwendung findet. DNG

Ein Standardformat für → Raw-Bilder von Adobe. DNG steht für Digital Negative. Manche Kamerahersteller wie z. B. Leica, Pentax und Hasselblad verwenden DNG auch als kamerainternes Raw-Format, andere Formate lassen sich für die Archivierung konvertieren,

was aber für weitverbreitete Formate wie ».CR2« von Canon oder ».NEF« von Nikon keine Vorteile verspricht. Diese sind durch ihre breite Unterstützung in verschiedenen Anwendungssoftwares auch recht archivsicher. DSLR

Abkürzung für Digital Single Lens Reflex, (einäugige) digitale Spiegelreflexkamera. Eine Digitalkamera, die das durch das → Objektiv fallende Bild über einen Spiegel in einen optischen → Sucher umleitet – bei Profikameras die verbreitetste Bauform. Dynamikumfang

Der Dynamikumfang beschreibt den Bereich zwischen dem dunkelsten und dem hellsten darstellbaren Helligkeitswert. Unterhalb dieses Bereichs ist nur noch Bildrauschen (→ Rauschen) ohne erkennbare Details vorhanden, oberhalb davon reines Weiß ohne jede → Zeichnung (bei Farbbildern kann auch eine Farbe übrig bleiben, die aber keine Details mehr zeigt). Aktuelle → Systemkameras haben bei → JPEG-Bildern einen Dynamikbereich von etwa 9 bis 11 Blendenstufen, beim → Raw-Format ca. 12 bis 14 Blendenstufen (unter optimalen Bedingungen). Wenn ein höherer Dynamikumfang zu bewältigen ist, bleibt nur die → HDR-Technik.

Electronic Shutter

Exif

Farbraum

→ Elektronischer Verschluss

Kurz für Exchangeable Image File Format, ein Standard für die Aufnahme von Belichtungsdaten (z. B. Kameramodell, → Blende, → Verschlusszeit, → Weißabgleich) in die Bilddatei.

Kameras, Bildschirme und andere farbfähige Geräte unterscheiden sich in den darstellbaren Farben. Die Menge der darstellbaren Farben lässt sich als dreidimen­ sionales Gebilde, den sogenannten Farbraum, darstellen. Man unterscheidet zwischen Gerätefarb­ räumen, die ein Gerät beschreiben, und Arbeitsfarbräumen (z. B. Adobe-RGB, sRGB), die extra für die Bildbearbeitung geschaffen wurden.

Elektronischer Verschluss

Wenn die Sensorinformation vor Beginn der Verschlusszeit elektro­ nisch gelöscht und beim Beenden elektronisch gespeichert wird, spricht man von einem elektronischen → Verschluss. Dieser verursacht kein Geräusch, hat aber (noch) Nachteile wie → Streifenbildung bei flimmerndem Licht oder den → Rolling Shutter Effekt. Viele Kameras verwenden deswegen standardmäßig nur einen elektronischen ersten Verschlussvorhang und einen mechanischen zweiten (electronic first shutter). Empfindlichkeit

Die Fähigkeit, auch schwache Signale aufzuzeichnen. Je höher die Empfindlichkeit (→ ISO-Wert), desto weniger Licht genügt für eine korrekt belichtete Aufnahme. EVF

Abkürzung für Electronic Viewfinder. Ein elektronischer Sucher, der das Sensorbild auf einem kleinen eingebauten Monitor zeigt. Ein EVF ist bei hellem Licht besser zu betrachten als der Monitor auf der Kamerarückseite. EVIL

→ Spiegellose

Extender

Canons Bezeichnung für einen → Konverter. Farbfilter

Ein optisches Element, das einen bestimmten Wellenlängenbereich des Lichts ausschließt oder abschwächt und somit nur bestimmte Farbbestandteile des Lichts durchlässt. In der Digitalfotografie werden Farbfilter kaum noch verwendet. Farbmanagement

Eine Sammlung von Techniken, die eine farbrichtige Darstellung auf verschiedenen Geräten wie z. B. Monitoren und Druckern oder bei der Weitergabe von Bildern sicherstellen soll. Farbprofil

Eine Datei, die die Farbrauminformation eines Geräts oder eines Bildes enthält und notwendig für das → Farbmanagement ist. Bei Dateiformaten wie → TIFF oder → JPEG lässt sie sich direkt mit in die → Bilddatei speichern.

Farbstich

Die Farbdarstellung erscheint von einer neutralen Darstellung hin zu einem Übergewicht einer bestimmten Farbe verschoben. Einer der Gründe für einen Farbstich ist die Wahl einer falschen → Farbtemperatur in der Kamera oder in der Bildbearbeitung. Farbtemperatur

Ein glühender Gegenstand ändert seine Farbe mit steigender Temperatur, von Rot, Orange, Gelb über Weiß nach Blau. Die Farbtemperatur beschreibt die Lichtfarbe anhand der Temperatur (gemessen in → Kelvin) eines idealen schwarzen Körpers, die dieser beim Ausstrahlen gleichfarbigen Lichts hätte. Farbtiefe

Beschreibt die Abstufung von Helligkeitsstufen pro Grundfarbe.

Glossar  |  701

Moderne → Systemkameras zeichnen meist 14 oder 16 Bit pro Farbe auf, das sind jeweils 16 384 oder 65 536 Abstufungen pro Farb­kanal (Rot, Grün, Blau). → JPEG kann davon nur 256 verwenden, was etwa 16,7 Millionen Farbabstufungen insgesamt entspricht, die das menschliche Auge zwar noch übertreffen, aber bei der Bild­bearbeitung nur wenige Reserven lassen.

Four Thirds

Global Shutter

Ein Kamerasystem, das für → Sensoren mit einer Diagonale von 21,63 mm – üblicherweise 17,3 × 13 mm – bestimmt ist. Die Sensordiagonale ist damit halb so groß wie bei → Vollformat-Sensoren. Es gibt mit Micro Four Thirds eine Variante für spiegellose Kameras, bei der nur das → Auflagemaß kleiner ist, die Sensorgröße aber gleich bleibt.

Firmware

fps

Ein elektronischer Verschluss auf dem → Sensor, der es ermöglicht, alle Bilddaten gleichzeitig auszulesen anstatt wie bisher zeilenweise hintereinander. Die Technik verhindert Streifenbildung und → Rolling-Shutter-Effekte beim elektronischen Verschluss und ermöglicht beliebig kurze → Blitzsynchronzeiten. Im Herbst 2019 gibt es leider noch keine Kameras außerhalb von Industrieanwendungen, die dies ermöglichen.

Die fest in einem Gerät wie z. B. einer Kamera gespeicherte Software. Viele Kameras erlauben eine Aktualisierung dieser Software durch den Anwender, um neue Funktionen nachzurüsten. Auch viele → Objektive besitzen eine eigene Firmware, die jedoch meist noch beim Kundenservice aktualisiert werden müsste, falls sich daran Änderungen ergeben sollten. Eine Ausnahme bildet Sigma, die für einige der neueren Objektive ein USBDock anbieten, mit denen auch der Anwender Objektive aktualisieren kann.

Abkürzung für frames per second (Bilder pro Sekunde). Maßeinheit für die → Bildwiederholfrequenz.

Graufilter

Framerate

Großbild

→ Bildwiederholfrequenz

Filmformate oberhalb der Rollfilmformate. Üblich sind 9 × 12 cm bis 20 × 25 cm. Sensoren dieser Größe gibt es nur für Spezialanwendungen wie Teleskope oder Satelliten. In der Digitalfotografie sind sie noch nicht verfügbar.

Focus Stacking

Mehrere Aufnahmen mit unterschiedlichem Fokuspunkt werden zu einer einzigen Aufnah­me mit höherer Schärfentiefe zusammengerechnet.

702  |  Glossar

Frontfocus

→ Backfocus/Frontfocus Full HD

Eine Videoauflösung von 1 920 × 1 080 Pixeln.

→ ND-Filter

HDMI Geotagging

Verwendung von Satellitendaten des Global Positioning Systems (GPS) zur Ortsverschlagwortung von Digitalfotos. Gigabyte (GB)

Eine Milliarde → Byte

Abkürzung von High Definition Multimedia Interface. Eine Standardschnittstelle zur digitalen Übertragung von Video und Audio. Die meisten Systemkameras mit Videofunktion besitzen auch einen HDMI-Ausgang, mithilfe dessen man sie z. B. an einen Fernseher anschließen kann.

→ Supersync

verzichten, weil sich dadurch an den Kanten bewegter Motive Sägezahnlinien ergeben können. Interlace wird bei den Aufzeichnungsformaten durch ein nachgestelltes »i« kenntlich gemacht. 1 080i z. B. steht für eine → Full-HD-Auflösung im Interlace-Modus.

Highspeedsync

IBIS

Interpolation

Hochgeschwindigkeits­synchro­nisa­tion (HSS). Blitzmodus, in dem der Blitz viele kleine Blitze direkt hinterei­nander abgibt, um bei Verschlusszeiten, die kürzer sind als die → Blitzsynchronzeit, weiterhin Blitzlicht verwenden zu können. Die Blitzreichweite nimmt dabei ab.

Bildstabilisierung über einen in der Kamera beweglich aufgehängten Sensor, die Abkürzung steht für In Body Image Stabilisation. Die Technik hat den Vorteil, dass sie jedem Objektiv zugutekommt, z. B. auch wenn Sie mit alten analogen Objektiven arbeiten.

Berechnung der Pixelfarben bei der Veränderung der Pixelmenge. Wenn z. B. ein Bild in Höhe und Breite halbiert wird, wird aus vier → Pixeln eines gemacht. Hierzu kann man den Durchschnitt der Farbwerte aller vier Pixel als Farbwert für das neue Pixel verwenden.

Infrarot

IPTC

Der Lichtbereich, der langwelliger als das sichtbare Licht ist. Obwohl für das Auge unsichtbar, lässt sich dieses Licht noch zur Fotografie mit einer Digitalkamera verwenden, wenn Sie das sichtbare Licht mithilfe eines Infrarotfilters aussperren oder eine → Vollspektrum-Kamera verwenden.

Abkürzung für International Press and Telecommunications Council. Standard für die Verschlagwortung (Bildbeschreibung, Suchwörter, Verwendungshinweise) eines Bildes in den → Metadaten einer → Bilddatei.

HDR

Abkürzung von High Dynamic Range (hoher → Dynamik­­um­fang) Einzelbilder einer → Be­lichtungs­ reihe werden zu einem einzigen Bild kombiniert, das den Dynamikumfang aller Bilder zusammen erreicht.

Histogramm

Eine grafische Darstellung der Helligkeitsverteilung eines Bilds. Das Histogramm kann bei der Beurteilung der richtigen Belichtung eine Hilfe sein, z. B. um den Spielraum für eine Überbelichtung abschätzen zu können.

detektions-AF verwenden kann. Hybrid heißt das System deswegen, weil es zusätzlich die → Kontrastmessung verwendet, also eine Mischung aus zwei Systemen darstellt. Hypersync

Hybrid-AF

Auf dem Bildsensor sind spezielle Pixel untergebracht, die über eine Abschattung oder Teilung in der Lage sind, durch unterschiedli­che Bereiche der Objektivöffnung zu schauen. Dadurch ergeben sich phasenversetzte Bilder, die das Autofokussystem zur Berechnung der Schärfe nach dem Phasen-

Interlace

Eine Technik, bei der im Videobereich nur jede zweite Zeile eines Bilds aufgezeichnet wird. Gerade und ungerade Zeilennummern ergeben dann zusammen Halbbilder, die sich bei der Wiedergabe ergänzen. Sie sollten nach Möglichkeit auf Interlace-Aufzeichnung

ISO-Wert

Maß für die Lichtempfindlichkeit des → Sensors. Eine Verdopplung des ISO-Werts versetzt die Kamera in die Lage, ein Bild mit halb so viel Licht aufzuzeichnen. Dafür wird entweder die → Blende um eine volle Stufe geschlossen oder die → Verschlusszeit halbiert. Hohe ISO-Werte führen aber zu stärkerem → Bildrauschen.

Glossar  |  703

JPEG

Abkürzung für Joint Photographic Experts Group. Ein Dateiformat, das es erlaubt, Bilddaten sehr platzsparend zu speichern. Das Format löscht Teile der Bildinformation, die vom menschlichen Betrachter meist ohnehin nicht wahrgenommen würden. Allerdings bietet dieses Format weniger Spielraum für die Bildbearbeitung als das → Raw-Format. Kelvin (K)

Standardeinheit für die → Farbtemperatur. Entspricht der Temperatur (Wärme) eines idealen schwarzen Körpers in Kelvin, bei dem dieser Licht in der entsprechenden Farbtemperatur abstrahlen würde.

2-fach-Konverter verdoppelt die Brennweite und den Blendenwert der → Offenblende. Aus einem 200 mm/ƒ2,8 wird so ein 400 mm/ ƒ5,6. Üblich ist ebenfalls der Faktor 1,4, etwas seltener der Faktor 1,7.

Tausend → Byte, veraltet: 1 024 Byte Kontrastmessung

Eine Autofokusmethode, die direkt auf dem → Sensor funktioniert. Sie macht sich zunutze, dass der Kontrast eines Bilds dann am höchsten ist, wenn die Schärfe optimal eingestellt ist. Konverter

Ein optisches Element, das zwischen Kamera und → Objektiv gesetzt wird, um die → Brennweite des Objektivs zu vergrößern. Ein

704  |  Glossar

Ein → Objektiv, das für den Nahbereich und → Abbildungsmaßstäbe bis zu 1 : 2 oder 1 : 1 optimiert wurde. Trotzdem sind Makroobjektive auch für den Fernbereich gut geeignet.

Leitzahl

Maß für die Leistungsfähigkeit bzw. Reichweite eines Blitzes. Die Leitzahl geteilt durch den Blendenwert ergibt die Reichweite in Metern. Die Leitzahl wird normalerweise für ISO 100 angegeben. Außerdem ändert sie sich nach der Brennweiteneinstellung des → Zoomreflektors. Je weitwinkliger die Blitzausleuchtung, desto kleiner wird die Leitzahl des Blitzes. Lichtstärke

Kilobyte (kB)

Makroobjektiv

Je weiter sich ein → Objektiv aufblenden lässt, desto lichtstärker ist es. Für die Lichtstärke ist also ausschließlich die → Offenblende entscheidend. Meist werden Objektive mit einem kleinsten Blendenwert von ƒ2,8 und darunter als lichtstark bezeichnet. Livebild-Modus

Das Bild, das vom → Sensor aufgezeichnet wird, wird praktisch verzögerungsfrei auf dem Kameradisplay wiedergegeben. Da sich dieses Bild meist vergrößern lässt, eignet es sich sehr gut zum manuellen Scharfstellen.

Megabyte (MB)

Eine Million → Byte Megapixel (MP)

Eine Million → Pixel Metadaten

Daten, die andere Daten beschreiben. Die Metadaten einer Bilddatei beschreiben die Aufnahmeumstände eines Bildes, wie z. B. → Verschlusszeit, Uhrzeit, Kameramodell und eingestellte → Farbtemperatur (→ Exif). Auch die vom Fotografen selbst hinzugefügte Bildbeschreibung (→ IPTC) wird zu den Metadaten gezählt. Mikrolinse

Da der lichtempfindliche Bereich eines → Pixels kleiner ist als seine Sensorfläche, wird das Licht mittels winziger Linsen, die über jedem einzelnen Pixel sitzen, auf diesen Bereich gebündelt. Diese Linsen heißen Mikrolinsen, ihr Zweck ist es, die Lichtausbeute zu vergrößern und die →Vignettierung an den Bildrändern zu verringern.

Mikroobjektiv

MPEG

Objektiv

Ein Objektiv für den absoluten Nahbereich bei → Abbildungsmaßstäben über 1 : 1, d. h., das Bild auf dem → Sensor ist größer als das Motiv selbst. Mikroobjektive lassen sich im Fernbereich nicht verwenden. Sie haben nur einen kurzen Entfernungsbereich nahe der Frontlinse, den sie scharf ab­ bilden können.

Abkürzung für Motion Picture Experts Group, eine Expertengruppe, die Standardformate für die Videoaufzeichnung und Wiedergabe definiert. Mit dem Begriff MPEG wird ebenfalls eine Reihe dieser Standards bezeichnet.

Ein Objektiv ist eine Linsenkon­ struktion (seltener auch Spiegel­ konstruktion), die das Licht bündelt, sodass sich damit Abbildungen erzeugen lassen. Obwohl sich eine bestimmte → Brennweite mit einer einzelnen Linse erreichen lässt, sind mehrlinsige Konstruktionen notwendig, um die zahlreichen → Abbildungsfehler in den Griff zu bekommen.

Mittelformat

Früher hauptsächlich die Bezeichnung für alle Filmformate, die auf 6 cm breitem Rollfilm aufgenommen wurden. Heute werden die Sensorformate, die größer als → Vollformat sind, als Mittelformat bezeichnet. Sensoren, die groß genug sind, um sie als → Großbild zu bezeichnen, sind für normale fotografische Anwendungen nicht auf dem Markt. Moiré

Wenn sich in einem Bild feine Muster befinden, deren Auflösung ähnlich der Sensorauflösung ist, können sich diese beiden überlagern und → Artefakte bilden. Moirés äußern sich zum Beispiel in Farbstreifen oder Helligkeitsschwankungen, die mit dem eigentlichen Motiv nichts zu tun haben.

MTF-Kurve

Abkürzung für Modulation Transfer Function, Kontrastübertragungsfunktion. Eine MTF-Kurve ist eine Grafik, die die Schärfeleistung eines → Objektivs von der Bildmitte bis in die Bildecken abbildet. ND-Filter

Neutraldichte-Filter, auch Graufilter genannt. Er lässt nur einen Teil des Lichts unabhängig von seiner Wellenlänge durch und vermindert damit die Belichtung. ND-Filter werden verwendet, wenn das Licht zu hell für die geplante Aufnahme ist, etwa wenn lange → Verschlusszeiten bei Sonnenschein erzielt werden sollen.

Offenblende

Wenn die → Blende ganz geöffnet ist, begrenzt nur noch der Innendurchmesser des Objektivs das einfallende Licht. Der sich daraus ergebende Blendenwert ist die Offenblende. Pixel

Ein Bildpunkt und Kurzform von Picture Element. Digitale Fotografien sind in Raster aufgeteilt, deren kleinstes Element, ein Pixel, immer nur eine Farbe annehmen kann. Phasenerkennung

Nodalpunkt

Wenn ein → Objektiv bei einer Panoramaaufnahme um seinen Nodalpunkt gedreht wird, ergeben sich keine Perspektivabweichungen zwischen Vorder- und Hintergrund. Der Nodalpunkt ist der optische Mittelpunkt eines Objektivs.

Vergleich von zwei aus mit leicht unterschiedlichem Winkel aufgenommen Teilbildern für die Fokussierung (→ Autofokus). Ähnlich der Entfernungsschätzung durch das stereoskopische Sehen beim Menschen.

Glossar  |  705

Polarisation

Raw

Die Einschränkung der Schwingungsrichtung des Lichts bei der Reflexion an nichtmetallischen Oberflächen. Sie kann genutzt werden, um mittels eines Polfilters (kurz für Polarisationsfilter) Refle­ xionen zu verringern oder Farben zu verstärken.

In diesem Format speichert die Kamera die Messwerte des → Sensors vollständig in einer → Bilddatei. So bleiben alle Möglichkeiten für die spätere Bildbearbeitung offen, nicht einmal die → Farbtemperatur muss vor der Aufnahme festgelegt werden.

Progressive

Rig

Das Gegenteil von → Interlace. Hier werden die Einzelbilder komplett aufgezeichnet, also gerade und ungerade Zeilen zusammen. Ein nachgestelltes »p« kennzeichnet diese Verfahren wie in 1 080p.

Ein Befestigungssystem, mit dem Zubehör für das Videofilmen an einer Kamera angebracht werden kann.

Pumpen

Wenn der → Autofokus vor Erreichen der Schärfe hin- und herfährt, spricht man von Pumpen. Das ist besonders im Video störend. Rauschen

Wenn kein Licht auf einen → Sensor fällt, ergibt sich kein absolutes Schwarz, sondern zufällige Messwerte, die davon herrühren, dass die Messvorrichtung von sich aus Signale erzeugt, die aus den zufälligen Bewegungen der Elektronen stammen. Dieses sogenannte Rauschen nimmt mit höherer Temperatur zu und wird umso besser sichtbar, je höher die eingestellte Empfindlichkeit (→ ISO-Wert) ist.

706  |  Glossar

RGB

Kurzbezeichnung für das Farbmodell der additiven Farbmischung, das mit den Grundfarben Rot, Grün und Blau auskommt. Das menschliche Auge und die meisten Digitalkameras nehmen Farben nach diesem Prinzip wahr. Ein Monitor mischt die Pixelfarben meistens aus roten, grünen und blauen → Subpixeln, es gibt allerdings schon Monitormodelle, die zusätzlich andere Grundfarben verwenden, um einen größeren → Farbraum darstellen zu können.

→ Schlitzverschlusses oder das zeilenweise Auslesen eines Videobilds ergeben. Schärfentiefe

Der Bereich der Entfernung von der Kamera, innerhalb dessen die abgebildeten Objekte als scharf erscheinen. Die Schärfentiefe wird größer mit kleinerem → Abbildungsmaßstab und größeren Blendenwerten. Schlitzverschluss

Eine Vorrichtung vor dem → Sensor, die diesen nur für die Dauer der → Verschlusszeit freigibt. Die Besonderheit des Schlitzverschlusses ist, dass die kurzen Zeiten durch einen über die Sensorfläche wandernden Schlitz gebildet werden. Die kürzeste Verschlusszeit, die ohne Schlitzbildung auskommt, ist die → Blitzsynchronzeit. Schnittweite

Der Abstand zwischen Hinterlinse des → Objektivs und → Sensor. Eine geringe Schnittweite, wie sie bei → Spiegellosen möglich ist, lässt andere und manchmal bessere Objektivkonstruktionen zu.

Rolling-Shutter-Effekt

Eine Bildverzerrung bei bewegten Motiven, die sich daraus ergibt, dass unterschiedliche Bildbereiche zu unterschiedlichen Zeiten aufgezeichnet werden. Der Effekt kann sich durch die Ablaufzeit eines

Sensor

Der Sensor ist das lichtempfindliche elektronische Bauteil in einer Digitalkamera, das Licht und damit das Bild aufzeichnet. Der Sensor wandelt für jedes einzelne → Pixel

Licht in Strom und diesen Strom in digitale Messwerte um, die dann in einer → Bilddatei zusammengefasst werden. Der Sensor ersetzt den Film einer analogen Kamera als lichtempfindliches Medium.

Stativ

Sucher

Vorrichtung zur Fixierung der Kamera, damit sie sich während der → Verschlusszeit nicht bewegt. Meistens ist ein Stativ als Dreibein ausgeführt, aber es gibt auch Einbein- oder Klemmstative.

Der Sucher dient der Bildbetrachtung während der Aufnahme. Er wird entweder optisch wie bei einer Spiegelreflex- oder Sucherkamera (z. B. Leica M9) ausgeführt oder über einen elektronischen Bildschirm (→ Livebild-Modus, → Spiegellose).

Speed Booster

Eine Art umgekehrter → Konverter. Er verkürzt die → Brennweite, verkleinert den → Bildkreis und den → Blendenwert. Mit einem 0,71x-Speed-Booster wird aus einem 85-mm-Objektiv mit ƒ2 für Vollformat ein 60-mm-Objektiv mit ƒ1,4 für eine APS-C-Kamera. Die Bildwirkung des Vollformatobjektivs bleibt dabei an der APS-C-Kamera erhalten. Speicherkarte

Ein kompaktes Wechselmedium zur Speicherung der Bilddaten in der Kamera. Eine Speicherkarte benutzt Flash-Speicher, der mit Stromsignalen beschrieben wird, jedoch keinen Strom benötigt, um die Information gespeichert zu halten. Spiegellose

Eine Systemkamera ohne optischen Sucher. Das Sensorbild wird auf dem Display und meist auch in einem elektronischen Sucher (→ EVF) angezeigt. Einen Spiegel, der das Bild wie bei einer DSLR in einen optischen Sucher reflektiert, gibt es nicht mehr.

Streifenbildung

Streifen im fertigen Bild können durch flimmerndes Licht in Verbindung mit dem → Elektronischen Verschluss, durch Sensoreigenschaften wie etwa Reihen von Pixeln für die Phasenerkennung oder durch Verluste bei der Bildkompression entstehen.

Supersync

Licht, das durch interne Reflexionen im → Objektiv oder in der Kamera auf den → Sensor gerät. Streulicht vermindert den Bildkontrast oder erzeugt störende Lichtflecken.

Eine Technik, bei der die gesamte Abbrennzeit eines Blitzes für die Belichtung mit kürzeren Verschlusszeiten als der Blitzsynchronzeit genutzt wird. Der Zündzeitpunkt wird vorverlegt, sodass der Blitz bereits zu Anfang des Verschlussablaufs abzubrennen beginnt und über die Abbrenndauer leuchtet. Das funktioniert meist nur bei voller Blitzleistung, weil ansonsten die Abbrennzeiten nicht mehr lang genug für einen kompletten Verschlussablauf sind.

Streulichtblende

Systemblitz

Ein Objektivvorsatz, der das → Objektiv von Licht außerhalb seines → Bildwinkels abschattet, um Streulicht zu vermindern.

Ein Blitzgerät, das sich in den Blitzschuh einer Kamera stecken lässt und die herstellereigene Blitzautomatik unterstützt. Systemblitze können auch extern verwendet werden und lassen sich dann meist optisch oder per Funk fernsteuern.

Streulicht

Subpixel

Damit ein → Pixel eines Bildschirms alle Farben darstellen kann, ist es aus mindestens drei farbigen Subpixeln aufgebaut – je eines für Rot, Grün und Blau.

Systemkamera

Kamera mit Wechselobjektiven und weiteren Anschlussmöglichkeiten, z. B. für externe Blitzgeräte.

Glossar  |  707

Sammelbezeichnung für → DSLRs und → Spiegellose. Tele

lassen sich Aufnahmen verschiedener Kameras zeitgenau schneiden oder auch mit externen Tonaufzeichnungen synchronisieren.

Gebräuchliche Bezeichnung für → Objektive mit langer Brennweite, früher auch Fernobjektive genannt.

Timelapse

Terabyte (TB)

TTL

Eine Billion → Byte. Eine Festplatte mit einem Terabyte kann etwa 40 000 → Raw-Dateien einer 20-Megapixel-Kamera speichern.

Abkürzung für Through The Lens. Eine Messmethode, die das Licht durch das → Objektiv misst, um (Blitz-)Belichtung und Schärfe festzulegen.

Verzeichnung

→ Zeitraffer

Tiefpassfilter

→ AA-Filter TIFF

Abkürzung für Tagged Image File Format. Ein Standardformat für Bilddaten, das auch ein Containerformat ist, sodass sich verschiedene Datentypen in einem TIFF befinden können. Meistens wird ein TIFF jedoch verlustfrei komprimiert und eignet sich ideal für die Speicherung bearbeiteter Bilddaten. Ein TIFF kann jedoch auch ein JPEG enthalten, was für die weitere Bearbeitung natürlich keine Vorteile gegenüber einer reinen JPEG-Datei bieten würde. Timecode

Eine Codierung zur exakten zeitlichen Bestimmung jedes Einzelbilds in einem Film. Wird in Stunde:Minute:Sekunde:Frame-Nr. angegeben. Mithilfe des Timecodes

708  |  Glossar

eines → Bildstabilisators um bis zu vier Blendenstufen länger sein als ohne.

Wenn ein → Objektiv verzeichnet, bildet es gerade Linien nicht mehr gerade ab, was besonders am Bildrand deutlich sichtbar wird. Die Linien erscheinen dann nach außen gebogen (tonnenförmig), nach innen gebogen (kissenförmig) oder sogar wellenförmig. Vignettierung

Verschluss

Der Verschluss befindet sich meistens direkt vor dem → Sensor (→ Schlitzverschluss) und gibt diesen nur für die Dauer der → Verschlusszeit frei. Bei Kompakt- oder Mittelformatkameras sind Zentralverschlüsse üblich, die ähnlich der → Blende funktionieren und mit im → Objektiv sitzen.

Die Abdunkelung eines Bildes zum Rand hin. Sie hat verschiedene Ursachen. Eine der wichtigsten, die Selbstabschattung des → Objektivs, lässt sich durch → Abblenden um etwa zwei Stufen minimieren. Vlogger

Zeitraum, in dem der → Verschluss Licht auf den → Sensor lässt.

Kurz für Video-Blogger. Eine Vlogger-Kamera ist meist klein, hat gute Video-Eigenschaften und die Möglichkeit, das Bild über einen Klappbildschirm von der Vorderseite der Kamera aus zu kontrollieren.

Verwackeln

Vollformat

Bewegung der Kamera während der → Belichtung. Um ein Verwackeln zu vermeiden, kann man ein → Stativ verwenden oder so kurze Verschlusszeiten einsetzen, dass die Bewegung während dieser Zeit kaum einen Effekt hat. Diese Verschlusszeiten können beim Einsatz

Mit dem Begriff Vollformat werden Sensorgrößen bezeichnet, die genauso groß sind wie ein Kleinbildnegativ, nämlich 24 × 36 mm. Beispielkameras sind die Leica M, die Modelle D5, D850, Z6 und Z7 von Nikon, die Modelle EOS-1D X Mark II, EOS 5D (Mark I–IV),

Verschlusszeit

EOS R von Canon, die Panasonic S1 und S1R sowie die Modellreihen Alpha 7 und Alpha 9 von Sony.

Zeichnung

Erkennbare Bildinformation in den Schatten oder Lichterbereichen eines Bildes.

Vollspektrum-Kamera

Ein → Sensor hat einen durchschnittlichen Empfindlichkeitsbereich von 350 bis 1 100 nm, also von UV- bis → Infrarotlicht. Dieser wird durch einen Filter vor dem Sensor auf den Bereich des sichtbaren Lichts begrenzt. Wenn Sie diesen Filter entfernen (lassen), wird Ihre Kamera zur Vollspektrum-Kamera, mit der Sie z. B. mit einem IR-Filter vor dem Objektiv Infrarotaufnahmen erstellen können, deren Verschlusszeiten tausendmal kürzer sind als ohne Umbau. Weißabgleich

Mit dem Weißabgleich stimmt die Kamera ihre Farbdarstellung auf die Lichtfarbe ab, sodass → Farbstiche durch die Lichtfarbe verkleinert oder ganz ausgeglichen werden.

Zeilensprungverfahren

→ Interlace

entsteht der Eindruck einer schneller ablaufenden Zeit bzw. höheren Geschwindigkeit der Vorgänge. Wenn Sie z. B. ein Bild pro Sekunde aufnehmen und 25 Bilder pro Sekunde abspielen, dann dauern 25 Minuten im Film nur eine Minute, bei 50 fps nur 30 Sekunden.

Zeitlupe

Wenn Sie Videos mit einer höheren → Bildwiederholfrequenz aufnehmen als abspielen, ergibt sich eine verlangsamte Wiedergabe. Bei einer 120-fps-Aufnahme, die mit 30 fps abgespielt wird, werden aus einer Sekunde vier Sekunden Video. Alternativ werden in Videoaufnahmen Zwischenbilder berechnet, um die Zeit zu dehnen, die Qualität der Darstellung ist dabei allerdings geringer. Zeitraffer

Wenn Sie die Einzelbilder eines Videofilms deutlich langsamer aufnehmen als Sie später abspielen,

Zoom

Ein → Objektiv mit veränderlicher → Brennweite, das somit unterschiedliche → Bildwinkel abbilden kann. Zoomreflektor

Optische Konstruktion im Blitzgerät, die den Abstrahlwinkel des Blitzes an die verwendete → Brennweite anpassen kann. So wird nur der → Bildwinkel ausgeleuchtet, der tatsächlich benötigt wird, und die Blitzreichweite steigt bei langen Brennweiten an.

Glossar  |  709

Mers-les-Bains im Abendlicht. 710  |  Glossar

110 mm | f11 | 1/5 s | ISO 100 | Stativ | Mittelformat

Index 4K  697 4K-Video  593 6K-Video  593 8K-Video  593 16:9-Seitenverhältnis  586 16-Bit-Modus  36, 37, 641 Schwarzweiß  483 32-Bit-System  634 64-Bit-System  634 µFT-Standard  53

A AA-Filter → Antialiasing-Filter Abbildungsfehler  118, 122, 697 Abbildungsmaßstab  62, 119, 143, 148, 150, 537, 697 Abblenden  118, 697 Abblendtaste  136, 697 Abbott, Berenice  574 Abenddämmerung  453 Aberration chromatische  125, 132 longitudinale chromatische  126, 184 sphärische  123 Abschatter  362 Abstraktion  398 Abwedeln  496 Achromat  152 Action-Kamera  67, 625, 697 Active D-Lighting  271 Adams, Ansel  292, 505 Adapter  165, 697 Adapterring  165 ADC (Automatic Display Control)  470 Additive Farbmischung  438, 439 Adobe Bridge  643 Adobe RGB  37, 463, 465

AEB  299, 697 AE-Lock  287 AF-C-Modus  206 Affinity Photo  637 AF-Hilfslicht  201 AF-Lock  287 AF-S-Modus  205 AF-Stop  522 AI-Servo-Modus  206 Akku  90, 91 Akkublitzanlage  358 Aktfotografie  516 Altglas  697 Amerikanische Einstellung  513 Android  633 Anfangsblende  119, 120 Antialiasing-Filter  41, 697 Anti-Flacker-Funktion  248 Apochromat  125 App  66 APS-C  45, 46, 113, 697 APS-H  45, 46 Arbeitsblende  120 Arbeitsfarbraum  464, 470, 640 Architekturfotografie  143, 554 Standpunkt  556 Artefakt  697 ARW-Datei  678 Asphärische Linsen  123 Astrofotografie  42, 563 Astro Stacking  156 Atget, Eugène  29 Aufbau dynamischer  417 statischer  417 Aufhellblitz  336 Aufhellen  299, 326 Aufhellen und nachbelichten (Schritt für Schritt)  497

Aufheller  252, 253, 362, 571 Auflagemaß  139, 698 Vergleich  165 Auflösung  34, 187, 698 Auge  44 Video  593 Auflösungsvermögen  187 Auge  189 Aufnahmedaten  682 im Buch  19 Aufsteckblitz  320 Lichtformer  346 Auge  224, 380 Auflösungsgrenze  44 Auflösungsvermögen  189 blinder Fleck  381, 438 Farbsehen  438 Stäbchen  224, 595 Zapfen  224, 595 Augen-AF  207 Augmented Reality  66 Augpunkt  422 Ausbessern-Werkzeug (Photoshop)  664 Ausdruck, Bildqualität  35 Ausfressen  273 Ausgabe  500 Ausgabegröße  394 Ausgefressene Bereiche  80 Auslösen ohne Speicherkarte  82 Auslösepriorität  206 Auslöser  54 Ausrüstung optimieren  550 Video  584 Ausschnittsvergrößerung  63 Aussortieren  390 Autochrom-Technik  477 Auto Exposure Bracketing (AEB)  299, 308, 697

Index  |  711

Auto-Exposure Lock (AEL)  287, 290 Autofokus  201, 698 AI Focus  206 Hybrid-AF  204 Kontrastmessung  204 Nachführmessung  205 Phasenvergleich  202 Schärfepriorität  205 Autofokusmodi  205 Autofokustest  209 Autofotografie  251 Auto-ISO  198, 279 Autopole  343, 367 Available Light  180, 243, 566 AVC  598

B Backfocus  137, 203, 209, 698 Back-illuminated  39 Backup  98, 99 Bajonett  51, 698 Balgen  74 Balgengerät  215, 538 Banding  36, 465, 698 Video  604 Barnack, Oskar  50 Barytpapier  502 Batterie  91 Batteriegriff  92 Batteriepack  59 Bayer, Bryce E.  40 Bayer-Muster  40, 446 Beautydish  360 Aufsteckblitz  349 Beautyfotografie  237, 297, 508, 519 Bedienelemente  82 Belichtung  261, 698 auf die Lichter  271 Erfahrungswerte  266 Langzeitbelichtung  300 Zonensystem nach Ansel Adams  292 Belichtung (Lightroom)  645

712  |  Index

Belichtungsautomatik  278 Belichtungskorrektur  289, 698 manuelle  290 Messwertspeicherung (AE-L)  287, 290 nach Farbe  291 Zonensystem  292 Belichtungsmessarten  284 Integralmessung  284 Matrixmessung  286 Mehrfeldmessung  286 mittenbetonte Messung  285 Selektivmessung  285 Spotmessung  287 Belichtungsmesser, externer  267 Belichtungsmessung  265 Gegenlicht  238 Belichtungsreihe  299, 698 HDR  308 Belichtungssimulation  288 Belichtungszeit → Verschlusszeit  Beliebigkeit  385 Bereichsreparatur-Pinsel (Photoshop)  665 Beschnitt  421, 513 Betrachtungsabstand  189 Betrachtungsentfernung  35 Betriebssystem  634 Beugung  26, 223 Beugungsoptik (DO/PF)  169, 170 Beugungsunschärfe  26, 118, 119, 138, 150, 196, 262, 264, 537 Bewegungsunschärfe  199 Bewusstsein (Bildgestaltung)  386 Bikubisch schärfer (Ver­ kleinerung)  666 Bild monochromes  455 unbuntes  450 Bildanalyse  384, 388 Bildaufbau  404 Bildausrichtung, automatische  82 Bildbearbeitung  631 Affinity Photo  633, 637

Arbeitsfarbraum  640 Bildmanipulation  664 Canon Digital Photo Professional (DPP)  637 Capture One  637 Corel AfterShot Pro  633 Corel PaintShop Pro  637 Darktable  633 Dateiformate  675 DxO Photo Lab  643 Farben ersetzen  657 Farbraum  640 GIMP  633, 637 Hardware  632, 634 HDR  673 Lightroom  636, 646 Linux  633 Mac  632 Metadaten  682 Panorama  669 Photoshop  636, 651 Raw Therapee  633 Retusche  663 Scharfzeichnung  666 Schwarzpunkt  652 schwarzweiß  483 Skylum Luminar  637 Smartphone  633 Software  636 Tablet  633 Weißpunkt  652 Windows-PC  632 Bildbeurteilung  384 Bilddatei  698 Bilder gute  388 schlechte  384 Bildersuche  685 Bildfehler im Video  601 Bildfeldwölbung  124 Bildformat  390 extreme Formate  393 Hochformat  391

Panorama  393 Quadrat  392 Querformat  390 Bildgestaltung  375 Abstraktion  398 AF-Messpunkt  407 Aussortieren  390 Beliebigkeit  385 Beschnitt  421 Bildaufbau  404 Bildreihen  429 Blickführung  405 Diagonale  407 Dreieck  412 Drittelregel  416 dynamischer Aufbau  417 Ehrlichkeit  388 Einfachheit  420 Einfluss der Technik  432 Eitelkeit  386 Farbe  399 Fluchtpunkt  427 Form  399 Goldener Schnitt  414 Goldene Spirale  415 Größe  401 Handwerk  386 Helligkeit  404 Hintergrund  423 Hintergrundwissen  389 Horizont  409 Kitsch  385 Klischee  385, 396 Kontrast  396 Konzentration  388 Menge  402 Muster  411 Offenheit  389 Perspektive  422 Plattheit  386 Punkte  414 Qualitätskriterien  384 Regeln brechen  382

Sequenz  430 Serie  430 statischer Aufbau  417 Stilempfinden  386 Symmetrie  410 Übung  389 Vordergrund  423 Bildgröße  394 Bildjournalismus  544 Bildkomposition  115 Bildkreis  215 Bildkritik  387 Bildmanipulation  664 Bildrauschen  → Rauschen Bildrecht  510, 575 Bildreihe  429 Bildretusche  519 Bildschirm  636 Bildschirmauflösung  636 Bildschirmkalibrierung  466 Gamma  469 Helligkeit  468 Bildserie  430 Bildspeicher, mobiler  98 Bildstabilisator  64, 93, 154, 167, 261, 522, 699 Video  590 Bildstile  79, 643 Cinestyle  612 Video  611 Bildübertragung  98 Bildverwaltung  638 Bildwiederholfrequenz  591, 702 Bildwiederholrate  591, 592, 699 Bildwinkel  107, 109, 110, 380, 699 Bit  31, 699 Bitmap  31 Bitrate  598 Bittiefe  36 Blasebalg  86 Blau  447 Blaue Stunde  448, 453 Blaufilter  493

Blende  115, 263, 699 effektive  119 kritische  118 Schreibweise  118, 134 und Schärfe  118 und Verschlusszeit  117 Blendenautomatik  281 Blitzfotografie  332 Blendenreihe  117 Blendenstern  118 Blendenvorwahl  280 Blickführung  405 Blickwinkel  107, 109, 110, 380, 699 Blinder Fleck (Auge)  381, 438 Blitz Abbrennzeit  328 interner  320 Blitzbelichtungskorrektur  331 Blitze fotografieren  561 Blitzfotografie  317 Blendenautomatik  332 Blitzleistung  352 Blitzlicht  200 Blitzmodi  321 Blitzprobleme lösen  370 Blitzreichweite  318 Blitzröhre  355 Blitzschatten  334 Blitzsteuergerät  342 Blitzsynchronzeit  318, 699 entfesselt blitzen  336 Fernauslösung  339 Funkauslöser  336, 341 indirekt blitzen  334 Infrarotfernauslöser  340 Kurzzeitfotografie  344 Kurzzeitsynchronisation (HSS)  325 Langzeitbelichtung  337 Leitzahl (LZ)  318 Licht farbig filtern  337 manueller Modus  321, 333 mit mehreren Blitzgeräten  336 Programmautomatik  332

Index  |  713

Ringblitz  356 rote Augen  324 Servoblitzauslöser  340 Stroboskopeffekt  329 Studioblitze  351 TTL  323 Verschlussvorhang  330 Wanderblitz  337 Zeitautomatik  333 Zoomreflektor kreativ nutzen  335 Blitzlichtmessung  323 Blitzsynchronzeit  48, 72, 262, 325 Blooming  43 Blume, Anna und Bernhard  574 Blu-ray-Disc  100, 592 BMP  679 Bogenminute  44 Bokeh  121, 263, 699 Boom-Stativ  343 Brechung  222 Brechungsindex  249 Brennpunkt  109 Brennweite  107, 109, 699 Brennweitenverlängerung  112, 113, 158 unter Wasser  572 Brewster-Winkel  173, 256 Bridge-Kamera  65 Bruststativ  588 Bulb  301, 699 Byte  90, 699

C Camcorder  623 Camera obscura  25 Camera Raw  643 Camera-Raw-Filter  655, 656 Cameron, Julia Margaret  29 Candela  468 Capture One  637, 643 Cartier-Bresson, Henri  389 CCD-Sensor  42 CD  100

714  |  Index

Centerfilter  130 CFast-Karte  88 CF-Karte  89 Chaos  402 Chromatische Aberration  125, 132, 699 CIE  463 Cinema 4K  593 CinemaDNG  599 Cinemascope  34 Cinestyle-Bildstil  612 Claxton, William  552 Cloud  100 CMOS-Sensor  43 Aufbau  39 CMYK  439, 464, 640, 700 CoCa (Color Camera Calibrator)  471 Codec  700 Colour Key  450 Computer, Ausstattung  634 Copyright  576 einstellen  83 Corel AfterShot Pro  633 Corel PaintShop Pro  637 CR2-Datei  678 CR3-Datei  678 Creative Cloud  636 Cropfaktor  112, 113, 700 Cross-Entwicklung  481 Cyan  447

D Daguerre, Louis  28, 507 Daguerreotypie  28, 478, 507 Darktable  633 Dateiformate  675 BMP  679 Dicom  679 GIF  679 IFF  679 in Photoshop  679 JPEG  676, 679, 681 JPEG 2000  679

JPEG Stereo  679 MPO  680 Photoshop DCS  679 Photoshop EPS  679 Photoshop PDF  680 Photoshop Raw  680 PNG  680 Portable Bitmap  680 PSB  679 PSD  679 PXR  680 Raw  677 SCT  680 TIFF  680 Datenrate  598 Datensicherung  101 Datenträger  100 Datenworkflow  638 Dauerlicht  324 Davies, John  547 DDC (Display Data Channel)  470 Deadpixel  304 Deckenschienensystem  343 Degas, Edgar  241 Deinterlacing  596 Detail  394 Dezentrierung  125, 136 Diagonale  407 Dicom  679 Diffractive Optics (DO)  170 Diffraktion → Beugung Diffusor  252, 253, 361, 569 selbst bauen  367 Digital Negative (DNG)  101, 678, 700 Digital Photo Professional (DPP)  637 Digitalzoom  36, 700 Video  618 Videobild  36 Dispersion  223 Display  30, 391 Dithering  32 Dix, Otto  574

DJI  69 DNG → Digital Negative (DNG)  Dokumentarfotografie  547 Dolly  586, 589 Doppelbelichtung, Photoshop  312 Doppelklemme  367 dpi (dots per inch)  34 DPOF  688 Dreieck  412 Drei-Wege-Neiger  94 Drittelregel  416 Drohne  53, 69, 626 Vorschriften  69 Druckausgabe in schwarzweiß  500 Druckerkalibrierung  473 Druckvorstufe  465 DSGVO  575 DSLM → Spiegellose  DSLR  53, 700 Funktionsweise  54 Sucher  54 Sucherkonstruktion  54 Vor- und Nachteile  56 Dunkelfeldbelichtung  212 Dunkelfeldmessung  304 Dunning-Kruger-Effekt  390 Dunst entfernen (Lightroom)  645 Durchlichtschirm  347 DVD  100 Dynamik  407 Dynamikerweiterung  78 Dynamik (Lightroom)  646 Dynamik (Photoshop)  654 Dynamikumfang  42, 175, 271, 700

E eciRGB  463 eciRGB v2  466 Edgerton, Harold  200, 317 Effektive Blende  119 Ehrlichkeit  388 Einbeinstativ  93, 588 Einfachheit  420

Einfarbigkeit  455 Einsteckfilter  154 Einsteigerkamera  104 Einstein, Albert  375 Einstelllicht  351, 353 Einstellung amerikanische  513 Video  587 Einstellungsebene  486 Eitelkeit  386 Elektronischer Verschluss  302, 701 Empfindlichkeit  701 Energiesparlampe  451 Enfuse (Lightroom)  308 Entaniya  112 Entfernungsskala  561 Entfesselt blitzen  336 Erdrotation  563 E-TTL-II  323 Evans, Frederick H.  29 EVF  701 EVIL → Spiegellose Exchangeable Image File Format (Exif)  682, 701 Expose To The Right (ETTR)  273 Exposure Value (EV)  269 Extender  158 Extender → Konverter 

F Facebook  386, 509, 510 Faltlichtschacht  70 Faltreflektor  253 Farbbalance Photoshop  659 Schritt für Schritt  659 Farbdifferenzierung  307 Farbe  399, 437 Blau  447 Cyan  447 Gelb  445 Grün  446 Helligkeitsunterschiede  292

Komplementärfarbe  661 Magenta  449 monochrom  455 Rot  444 Signalwirkung  458 Sinneseindruck  438 unbunte  450 Wahrnehmung  437 Farben optimieren (Photoshop)  659 Farbfehler  126 Farbfehlsichtigkeit  438 Farbfilter  701 für Schwarzweiß  490 Farbfotografie, Geschichte  477 Farbiges Licht  453 Farbig filtern (Blitzfotografie)  337 Farbkanal  33 Farbkomposition  456 Farbkontrast  456, 458 Farbkreis  457 Farblängsfehler (LoCA)  126 Farbmanagement  463, 701 Farbmischung additive  438, 439 subtraktive  439 Farbprofil  464, 701 Monitor  466 Farbpsychologie  444 Farbquerfehler  125 Farbraum  37, 38, 701 Adobe RGB  463, 465 Arbeitsfarbraum  464 CMYK  640 eciRGB  463 eciRGB v2  466 Gerätefarbraum  464 Lab  463 ProPhoto RGB  465 RGB  439, 640 sRGB  464, 465 YCbCr  595 Farbrauschen  447 Farbsättigung  78, 222, 441

Index  |  715

Farbspektrum  221 Farbstich  226, 460, 701 entfernen (Photoshop)  659 Farbstimmung  451 Farbtemperatur  78, 440, 468, 701 in Lightroom  645 Farbtiefe  36, 701 Farbton (Lightroom)  645 Farbton/Sättigung (Photoshop)  657 Farbunterabtastung  595 Farbwert  222 Farbwiedergabeindex (CRI)  451, 452 Farbwirkung  444 Farbzeichnung  121 Fashionfotografie  519 Fenster  145, 232 Fernauslöser  93, 94 Tierfotografie  535 Fernauslösung (Blitzfotografie)  339 Fernsehstandard  591 Festbrennweite  110 Festplatte  100, 635 Fibonacci-Folge  376 Filmen → Video  Filmkorn  480 Filter  170 Filterhalter  177 Fine Art Print  500 Firmware  83, 702 Objektiv  169 Update  83 Fisheye-Objektiv  112, 128, 140 Flickr  66, 387 Flimmern, Video  620 Fluchtdistanz  149, 535 Fluchtpunkt  427 Flugzeug  96 Fluid-Neiger  94 Fluorit-Linse  125, 154 Focus Peaking  211, 614 Focus Preset  522 Focus Stacking  197, 541, 702 Photoshop  541

716  |  Index

Fokusbegrenzer  522 Fokusdifferenz  208 Fokus, manueller  210 Fokuspunkt  109 Fokustest  209 Folienfilter  177 Follow Focus  613 Foodfotografie  570 Form  399 Formate (Video)  591 Fotoassistent  253 Fotografiegeschichte  28 Fotojournalismus  545 Fotokunst  573 Fotomarkt  578 Fotopapier  501 Fotorecht  575 Fotorucksack  97 Fotostudio  362 Fototasche  95 Fotozelle  321, 323, 340 Four Thirds  702 Fovea centralis  145, 381 Foveon-Sensor  43 Fox Talbot, William Henry  28 fps (frames per second)  591, 702 Framerate → Bildwiederholfrequenz Frank, Robert  505 Fremdobjektiv  165 Frontfocus  137, 203, 209, 698 Front-illuminated  39 Froschperspektive  422 Full HD  583, 587, 593, 702 Funkauslöser  95, 321, 341

G Gaffer-Tape  368 Galgenstativ  343 Gamma  271, 274, 469 Ganzkörperporträt  513 Gegenlicht  238, 298 Gehirn  379, 381 Gelb  445

Gelbfilter  491 Geld verdienen  578 Generator  354 asynchroner  354 synchron  357 Geokoordinaten  639 GeoSetter  683, 689 Geotagging  528, 688, 702 Gerätefarbraum  464, 470 Gesichts-AF  207 Gestaltungsabsicht  382 Gestaltungsmittel  390 Getriebeneiger  94 GIF  679 Gigabyte  89, 702 Gimbal-Head  94, 154 GIMP  633, 637 Gittermattscheibe  156, 559 Glasscheibe  256 Gleichgewicht (Komposition)  419 Gleitschiene  620 Global Shutter  50, 327, 702 Glühlampe  451 Gobo  357 Goldener Schnitt  376, 414 Goldene Spirale  415 Goldsworthy, Andy  574 Google Earth  232, 556 GPS  65, 528, 639, 688, 689, 702 GPSPhotoLinker  689 Gradation  495 Gradationskurve  495, 641 Photoshop  653 Schritt für Schritt  653 Grafikkarte  635 Grafiktablett  499 Graufilter  175, 702 Graukarte  460 Grau, mittleres  268 Graustufen  32 Grauwürfel  472 Großbild  702 Großbildkamera  74, 214

Größe  401 Größenvergleich  402 Größenverhältnisse  376 Grün  446 Grundfarben Druck  439 Monitor  439 Grundrauschen  39, 264, 277, 304 Grünes Leuchten  226 Grünfilter  492 Gruppenaufnahme  413, 514 Gursky, Andreas  574 Gute Bilder  388

H H.264  591 H.265  591, 598 Haftknete  571 Haiku  420 Halbbild  593, 596 Halo  667 Handgepäck  96 Handwerkliche Schwächen  386 Handykamera  65 Harmonie  417 Harmonielehre  376 Hasselblad  70 Hauptebene  109 Hauptspeicher  634 Hausmann, Raoul  574 Haustiere  535 Hauttöne, schwarzweiß  492 HDMI  594, 702 HDMI-Rekorder  596, 598 HDR  238, 247, 299, 307, 559, 565, 673, 703 Bildbearbeitung  673 Geisterbilder  310 mit Lightroom (Schritt für Schritt)  673 Photomatix Pro  673 Video  601 HDR-Software  309

HDTV-Fernseher  592 Helligkeit  222, 404, 468 Helligkeitsverteilung  33 gleichmäßigere  174 High Dynamic Range → HDR High Key  297, 494 High-Speed Synchronisation (HSS) → Kurzzeitsynchronisation (HSS) Hine, Lewis W.  548 Hintergrund  423 Hintergrundwissen  389 Hinterlinsenfilter  176 Histogramm  33, 80, 297, 494, 703 Hitzeflimmern  156, 565 Hochformat  391 Hochformatauslöser  59, 60, 391 Hohlkehle  367 Holga  71 Horizont  409, 527 HSS → Kurzzeitsynchronisation (HSS)  Hybrid-AF  204, 703 Hybrides Arbeiten  480 Hyperfokale Entfernung  193, 529 Hypersync  327, 703, 707

I IBIS  703 ICC-Profil  464 IFF  679 Improvisation  389 Indirekt blitzen  334 Individualfunktionen  81 Infrarot  703 Infrarotfernauslöser  95, 340 Infrarotfotografie  42, 530 Infrarot-Hilfslicht  180 Infrarotindikator  532 Infrarot (IR)  221 Infrarot-Sperrfilter  41, 530, 563 Innenaufnahmen  232, 557, 558 Innenfokussierung  150 Instagram  386, 509, 510, 528, 553, 629

Integralmessung  284 Interframe  597 Interlace  596, 703, 709 Interner Blitz  320 Internetdiskussion  388 Interpolation  35, 36, 40, 703 Intervallauslöser → Fernauslöser  iOS  633 iPhone  65 IPS-Technik  636 IPTC  686, 703 Iris  115, 196 ISO-Erweiterung  225, 305, 307 ISO-Wert  39, 77, 212, 264, 703 Automatik  279 echter  217 Rauschen  304 Itten, Johannes  474 iTTL  323

J Joule (J)  317, 318 JPEG  36, 77, 676, 679, 681, 704 Grundlinie optimiert  681 Grundlinie (Standard)  681 Helligkeitsinformationen  277 im Raw-Konverter  655 Kompression  676 Kontrastumfang  271 progressives  681 Rauschen  305 JPEG 2000  679 JPEG Stereo  679

K Kabelauslöser → Fernauslöser  Kalibrierung → Bildschirm­ kalibrierung  Kalt-Warm-Kontrast  456 Kamera  25 geräuscharmer Modus  303 Grundaufbau  30 Konfiguration  77

Index  |  717

Vollspektrum-Kamera  709 Wartung  77 Kamerablitz  320 Kamerafahrt  589 Zeitraffer  619 Kamerakalibrierung  472 Kameraprofile  643 Kameraversicherung  552 Kamm-Artefakte  596 Kandinsky, Wassily  474 Kartenleser  98 Kehrwertregel  198, 261 Kelvin (K)  226, 440, 704 Kerzenlicht  243 Kilobyte  90, 704 Kit-Objektiv  57, 58, 178 Kitsch  385 Klarheit (Lightroom)  645 Kleinbild, Größe  46 Kleinbildkamera  50 Kleinbildscanner  481 Klischee  385, 396 Kodak Tri-X  480 Kollodium-Nassplatte  28, 477 Koma  123 Kompaktblitz  354 Kompaktkamera  62 Auswahlkriterien  63 mit großem Sensor  64 Videoaufnahmen  624 Kompendium  177 Komplementärfarbe  457, 661 Komplementärkontrast  457 Komprimierung  676 Video  594 Kondensator  318 Kontrast  78, 133, 188, 396 Schwarzweißfotografie  493 Kontrast (Lightroom)  645 Kontrastmessung  204, 287, 704 Kontrastumfang  80, 225, 270, 404, 559 bei diffusem Licht  233

718  |  Index

Belichtungsreihe  299 Gegenlicht  298 Nachtaufnahmen  246 in der Nacht  565 Konverter  158, 701, 704 Konzentration  388, 392 Korn  480 Körperhaltung  198 Kreuzlicht  241, 253 Kreuzsensor  120, 202 Kritische Blende  118 Kugelkopf  94 Kugelpanorama  141 Kulturelle Unterschiede  552 Kulturkreis  378 Leserichtung  405 Kunst  573 Kunstgeschichte  376 Kunstlicht  248, 292, 451 Kurzzeitfotografie  344 Kurzzeitsynchronisation (HSS)  325, 703

L Lab-Farbraum  463, 469, 641 Lab-Modus  641 Land-Art-Kunst  574 Landschaftsfotografie  523 Panorama  527 Teleperspektive  525 Weitwinkel  524 Lange, Dorothea  548 Langzeitbelichtung  175, 212, 300, 337, 562 Laser  602 Lawrence, George R.  29 LCD-Bildschirm  82 LED  226, 452, 609 Lee-Filterfächer  337 Leica  50, 547 Leitblende  352 Leitzahl (LZ)  318, 704 Leserichtung  378, 405

Leuchtkasten  468 Leuchtkraft  445 Leuchtstoffröhren  281, 560 Licht  221 Aufheller  252 Available Light  243 Brechungsindex  249 diffuses  232 farbiges  453 Farbspektrum  221 frontales  236 Gegenlicht  238, 298 gestalten  252 hartes  235 Infrarot (IR)  221 Kreuzlicht  241 Kunstlicht  248 Nacht  246 natürliches  221 Oberlicht  240 Photon  221 Physik  221 Polarisation  254 Seitenlicht  237 Spektralfarben  222 Streiflicht  237 Ultraviolett (UV)  221 Unterlicht  240 vorhandenes  243 Wahrnehmung durch das Auge  224 Wahrnehmung durch die Digital­ kamera  225 weiches  232, 234 Lichtabfall  248 Lichtemissionen  562 Lichtempfindlichkeit  77 DSLR  225 Lichter (Lightroom)  645 Lichtfalle  473 Lichtfarbe  226, 440 Lichtformer Aufsteckblitz  346 Beautydish  360

Schirme  347 Softbox  361 Studio  359 Systemblitze  346 Wabe  360 Lichtintensität  248 Lichtmalerei  244 Lichtmessung  267 Lichtqualität  231 Lichtrichtung  232, 236 Lichtriegel  354, 355 Lichtstärke  119, 704 Lichtstativ  343, 367 Lichtwert (LW)  269 Lichtwürfel  251 Lichtzelt  251 Lightpainting  244 Wanderblitzen  245 Light pollution  563 Lightroom  636, 643 Bildbearbeitung  646 Bildoptimierung  644 Export  649 Grundeinstellungen  644 HDR  673 Objektiv- und Perspektiv­ korrektur  648 Panorama  669 schwarzweiß  484 stürzende Linien ausgleichen  649 Voreinstellungen Export  649 Linearpolfilter  173, 257 Linienpaar  35, 133 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm)  133, 187 Liniensensor  202 Linse  108 Linux  633 Lithium-Ionen-Akku  90 Live View  79, 137, 217, 704 Belichtungsmessung  288 LoCA  126

Lochkamera  25, 422, 562 mit einer Spiegelreflexkamera nachbauen  27 Nachteile  26 Look  386 Lord Snowdon  515 Low Key  297, 494 Luftbewegungen  565 Lupenobjektiv  150 Lytro Illum  202 LZ → Leitzahl (LZ)  LZW (TIFF-Kompression)  681

M Mac  632 Magenta  449 Magic Lantern  599 Makro-Einstellschlitten  540 Makrofotografie  537 Schärfentiefe  539 Makroobjektiv  148, 538, 704 Mante, Harald  474 Manuelle Fokussierung  210 Manueller Modus, Blitzfoto­ grafie  333 Markenrecht  576 Mass Storage  98 Master  364 Master-Blitz  342 Matrixmessung  286 Mattebox  627 Mattscheibe  195 wechseln  211 Maxwell, James Clerk  477 McCurry, Steve  609 Megabyte  704 Megapixel  34, 704 Kompaktkamera  63 Mehrfachbelichtung  312 Mehrfeldmessung  286 Meisel, Rudi  575 Menge  402 Mengenkontrast  459

Menschenmenge (Fotorecht)  575 Messblitz  324 Messwertspeicherung  290 Metabones Speed Booster  160 Metadaten  30, 682, 704 DPOF  688 Exif  682 Geotagging  688 IPTC  686 XMP  687 MFM-Liste  578 Michals, Duane  383 Micro Four Thirds  46, 702 Micro-SD-Karte  89 Microstock-Bildagentur  578 Mies van der Rohe, Ludwig  420 Mietstudio  362 MiFi  423 Mikrofon  615 Windschutz  615 Mikrolinse  39, 704 Mikroobjektiv  150, 705 Mimikry  445 Miniaturisierungseffekt  157 MIOPS  345 Mittelformat  45, 705 Mittelformatkamera  70 analoge  70 digitale  72 Mittenbetonte Messung  285 Mitziehen  199 Mobiltelefon → Smartphone Modefotografie  519 Model  509 Modelbook  510 Modellauto, Lichtbeispiel  365 Model Release  512 Modulations-Transfer-Funktion  188 Moiré  42, 43, 705 Video  603 Molton  368 Mondaufnahme  565 Mondlicht  247

Index  |  719

Monitor  636 hardwarekalibrierbarer  636 kalibrieren (Schritt für Schritt)  467 Monochromes Bild  455 Moralvorstellungen  516, 552 Morphing  623 Motiv  507 Motivgröße  401 Motivprogramme  57, 278, 283 Motorzoom  589 MOV-Datei  598 MPEG  598, 705 MPO-Format  680 mRaw  35 MTF-Kurve  132, 188, 705 Multi-coated  128 Multicopter → Drohne  Muster  411 Muybridge, Eadweard  29 Myers  478

N Nachbelichten  496 Nachführmessung  205 Nachführstativ  563 Nachtfotografie  246, 560 Nadar  29 Nadir  427 Nahlinse  152 Nahpunkt  193 NAS  638 Natriumdampf-Lampe  452 Naturfotografie  532 ND-Filter  175, 176, 353, 610, 705 Near Field Communication (NFC)  99 NEF-Datei  678 Negativform  399 Neonlicht  226 Neozoen  536 Nero Trigger  345 Netzadapter  91 Netzhaut  145 Netzwerk-Speicher  100

720  |  Index

Neumond  225 Neutraldichtefilter  175 Neutralgrau  268 Newton, Helmut  552 NFC → Near Field Communication (NFC) NiCd-Akku  91 Niépce, Nicéphore  28 Nikonos  573 NiMH-Akku  91 Nodalpunkt  422, 528, 705 Stativkopf  529 Nodalpunktadapter  529 Nolting, Ingmar Björn  547 Normalbrennweite  110 Normalobjektiv  145 Normlicht  468, 469 NTSC  591, 592 Nyquist-Grenze  187

O Oberlicht  240 Objekthelligkeit  268 Objektiv  107, 705 Adapter  697 adaptieren  165 AF-Stop  522 Altglas  697 Aufbau  108 Auflösungsvermögen testen  137 Bildstabilisator  522 Bokeh  121 Cinema-Objektive  613 Entfernungsskala  193, 561 Fehler herausrechnen  132 Festbrennweite  110 Filter  170 Firmware  169 Fisheye-Objektiv  112, 140 Floating Elements  108 Focus Preset  522 Fokusbegrenzer  522 Gauß-Typ  108

Innenfokussierung  150 Lupenobjektiv  150 Makroobjektiv  148, 538 Mikroobjektiv  148, 150 MTF-Kurve  132 Normalobjektiv  110, 145 Öffnungsdurchmesser  116 Porträttele  146 Powerfokus (PF)  522 Qualität einschätzen  132 Retrofokus  139 Retrostellung  537 Spiegelteleobjektiv  153 Stativschelle  522 Strahlengang  138 Supertele  522 Teleobjektiv  110, 138, 152 Tessar  108 testen  135 Tilt-Shift-Objektiv  156 Ultrateleobjektiv  154 Ultraweitwinkelobjektiv  142 Vergrößerungsobjektiv  538 Vergütung  238 Video  626 Weitwinkelobjektiv  110, 143 Zoomobjektiv  110, 160 Objektivität  547 Objektivkorrektur  556 Lightroom  648 Objektivreinigung  172 Objektivschutzdeckel  172 Odermatt, Arnold  574 Offenblende  119, 264, 539, 566, 705 Offenheit  389 Okularabdeckung  531 One-Shot-Modus  205 Optische Täuschung  381 Ordnung  402 ORF-Datei  678 Orthochromatisch  477 O’Sullivan, Timothy H.  29 Overtourism  553

P PAL  591, 592 Pancake-Objektiv  178 Panchromatisch  477 Panorama  394, 527, 580 Bildbearbeitung  669 erstellen (Schritt für Schritt)  669 erweitern (Schritt für Schritt)  671 Microsoft Image Composite Editor  527 PTGui Pro  527 Panoramafreiheit  576 Panoramakamera  104, 546 Panorama-Kopf  94 Panoramasoftware  527, 529 Parallels Desktop  471, 633 PDF  680 Peak-Wert  617 Pentaprisma  54 Peoplefotografie  507 PE-Papier  502 Persönlichkeit  388 Persönlichkeitsschutz  509 Perspektive  113, 376, 380, 394, 422, 556 Perspektivkorrektur  76, 140, 554 Phasen-Fresnel (PF)  170 Phasenvergleich  202 Photochrom-Technik  478 Photomatix Pro  308, 673 Photon  221, 277 Photoshop  308, 636 Abwedler-Werkzeug  496 Auswahl erstellen  488 Bildbearbeitung  651 Camera-Raw-Filter  655 Einstellungsebene  486 Farbbalance  659 Farbton/Sättigung  657 Fotofilter  489 Gradationskurve  488, 495, 653 Maskierungsmodus  657 Nachbelichter-Werkzeug  496

Retusche  663 Selektive Farbkorrektur  661 Tonwertkorrektur  651 Unscharf maskieren  487, 667 Videobearbeitung  607 Video rendern  622 weiche Auswahlkante  488 Zeitraffervideo  620 Photoshop DCS  679 Photoshop EPS  679 Photoshop Raw  680 PictBridge  688 Picture Style Editor  79 Pixel  31, 34, 38, 705 Pixelgröße  45 Pixelpeeper  218 Planfilm  74 Plattheit  386 PNG  680 Polarisation  254, 706 Polarisationsfilter  173, 254, 256 Polfilter → Polarisationsfilter  Portable Bitmap  680 Portrait Professional  509 Porträt  360 Aktfotografie  516 Bildrecht  512 Gruppenfoto  514 im Raum  512 klassisches  511 menschlicher Faktor  514 Porträtbrennweite  122, 511 Porträtfotografie  507 Porträtobjektiv  147 Porträttele  146 Positiv-Negativ-Technik  28 Postproduktion  519 Powerfokus  522 Preisdruck  520 Pressefotografie  179 Prisma  222 Privatsphäre  552, 575 Programmautomatik  282 Blitzfotografie  332

Progressive  597, 706 Property Release  577 ProPhoto RGB  465 Prozessor  634 PSB  679 PSD  679 PTP  98 Pufferspeicher  88 Punkte  414 Purple Fringing  126 Pushen  225, 305, 495

Q qDslrDashboard  66 Quadrat  392 Qualitätskontrast  450, 459 Qualitätskriterien  384 Quantitätskontrast  459 QuantumFilm  44 Querformat  390 QuickTime  598

R RAID  100 Randabdunklung  130 Rauschen  35, 264, 277, 706 im Video  603 Rauschunterdrückung  212, 303 Raw  35, 40, 77, 230, 677, 706 exportieren  649 Formate  678 Kontrastumfang  270 Konverter  642, 678 Konvertierung  642 schwarzweiß  483 Video  599 Raw-Konverter  637 Adobe Camera Raw  643 Adobe Lightroom  642, 643 Capture One  643 Capture One Pro  642 DxO Photo Lab  642, 643 JPEG  655

Index  |  721

Kameraprofile  643 Raw Therapee  633 Tonwerte  272 Rayleigh-Streuung  226, 456 Recht am eigenen Bild  575 Referenzweiß  441 Reflektor  359 selbst bauen  367 Reflexion  127, 224, 249, 256, 356 diffuse  252 vermeiden  256 Reflexschirm  347, 348 Regelmäßigkeit  411 Regenbogen  255 Reinigungsflüssigkeit  87 Reisefotografie  549 Fotoausrüstung  550 Reportagefotografie  544 Reproduktion  481 Reprotechnik  465 Retrofokus  139 Retrostellung  537 Retusche  519, 663 Gestaltungsabsicht  382 Schritt für Schritt  663 Rezeptor (Auge)  437 RGB  40, 706 RGB-Farbraum  439, 640 RGB-Werte  463 Richtungssensor  82 Rig  627, 706 Ringblitz  354, 355, 356, 437, 540 Rollfilm  70 Rolling-Shutter-Effekt  48, 588, 605, 706 Video  605 Rot  444 Rotationspanoramakamera  670 Rote Augen  324 Rotfilter  490

722  |  Index

S Sammellinse  107 Sander, August  574 SanDisk  88 Sättigung  222 Sättigung (Lightroom)  646 Scannerkalibrierung  471 Scannerrückteil  76 Schärfe  187 Körperhaltung  198 selektive  218 speichern  208 und Abbildungsgröße  189 und Blende  118 Schärfebestimmung, Methoden  201 Schärfedehnung  538 Schärfeebene  119, 208 Schärfenachführung  81 Schärfentiefe  118, 143, 190, 264, 539, 706 Focus Stacking  541 Kompaktkamera  62 Sensorformat  192 Unendlich-Bereich  193 Schärfepriorität  205 Schärfezieheinrichtung  613 Scharfstellen automatisches  201 bei Nacht  562 manuelles  210 Scharfzeichnen  79, 121, 666 beim Export  666 beim Skalieren  666 Halo  667 selektiver Scharfzeichner  668 unscharf maskieren  667 Schatten  237, 239, 362 aufhellen  252 harter  235 weicher  233 Scheimpflug’sche Regel  214, 538 Schipper, Sebastian  587 Schirm  347

Schirmhalter  348 Schlechte Bilder  384 Schlitzverschluss  48, 325, 706 Schmalfilm-Filmformat  583 Schnellkupplungsplatte  93 Schnitt  587 harter  590 Schnittweite  706 Schraubfilter  176 Schritt für Schritt Aufhellen und nachbelichten  497 Auflösungsvermögen der Objektive testen  137 Auf Staub auf dem Sensor testen  84 Bildbearbeitung in Lightroom  646 Die optimale Schärfe erreichen  216 DSLR als Lochkamera nutzen  27 Farbbalance  659 Farbton/Sättigung  657 Focus Stacking in Photoshop  541 Gradationskurve  653 HDR mit Photoshop  673 Monitor kalibrieren  467 Objektive selbst testen  135 Objektiv- und Perspektivkorrektur in Lightroom  648 Panorama erweitern  671 Panorama in Lightroom erstellen  669 Retuschieren  663 Schwarzweißumwandlung in Lightroom  484 Schwarzweißumwandlung in Photoshop  486 Tonwertkorrektur  651 Zeitraffer in Photoshop  620 Schulterstativ  590 Schutzfilter  170 Schwächen, handwerkliche  386 Schwarz (Lightroom)  645 Schwarzpunkt (Bildbearbeitung)  652 Schwarzweiß  78 16-Bit-Modus  483 Druckausgabe  500

in der Bildbearbeitung  483 in der Kamera  482 in Lightroom  484 Schwarzweißfilm farbstoffbasiert  481 Kodak Tri-X  480 scannen  481 silberbasiert  481 Schwarzweißfotografie  477 Abwedeln  496 analoge  480 Blaufilter  493 digitale  481 farbige Filter  490 Gelbfilter  491 Geschichte  477 Grünfilter  492 Hauttöne  492 hybrides Arbeiten  480 Kontrast  493 Nachbelichten  496 Rotfilter  490 Tonung  499 Schwarzweißmodus  78 Schwarzweißumwandlung in Lightroom (Schritt für Schritt)  484 in Photoshop  486 Schwebestativ  588, 590 Schwellenwert  31 Schwenk  587 Schwenkreflektor  320 SDHC-Karte  89 SD-Karte  89 Sehfeld  378 Sehgrube  145, 381 Sehwinkel  109, 111 Seitenlicht  237 Seitenverhältnis, Video  586 Selbstbild  514 Selektive Farbkorrektur (Photoshop)  661

Selektiver Scharfzeichner (Photoshop)  668 Selektivmessung  285 Sensor  38, 706, 707 aktive Kühlung  563 BSI  39 CCD  42 CMOS  38, 43 Empfindlichkeit steuern  264 Foveon  43 QuantumFilm  44 X-Trans-Sensor  41 Sensoraufbau  41 Sensorformat  45 Übersicht  46 Sensorgröße  45 Sensorreinigung  86 Sepiatonung  489 Sequenz  430 Serie  430 Serienaufnahme, Speicherkarte  88 Servoblitzauslöser  324, 327, 340 Shiften der Zeit-Blenden-Kombination  282 → Tilt-Shift-Objektiv  Sicherungskopie  99 Sichtachse  557 Siemensstern  137, 604 Signalfarbe  444 Signalverstärkung (ISO-Wert)  264 Signalwirkung (Farbe)  458 Silent Mode  303 Silhouette  238, 299 Simultankontrast  459 Sinneseindruck  438 Skylum Luminar  637 Slave-Blitz  340, 342, 364 Slave-Modus  321 Slim-Filter  176 S-Log  612 Smartphone  65, 633 Videoaufnahmen  624 SnapBridge  99

Softbox  348, 361, 568 Aufsteckblitz  349 Software Enfuse  308 GeoSetter  683 Luminance HDR  308 Photomatix Pro  308 Photoshop  308 Solid State Disc (SSD)  635 Sonne, grünes Leuchten  226 Sonnenlicht  222 Sozialreportage  547 Speed Booster  707 Speedlite-Transmitter  342 Speedring  352 Speicherkarte  88, 638, 707 Datenrettung  101 Geschwindigkeit  88 Speichermedium  88 Spektralfarben  125, 222, 223, 438 Spektralfotometer  467 Spezialkameras  68 Sphärische Aberration  123 Spiegellose  52, 140, 707 Belichtungsmessung  288 Gehäusegröße  52 Vor- und Nachteile  56 Spiegelreflexkamera  53 als Lochkamera nutzen  27 Namenserklärung  27 Spiegelschlag  302 Spiegelteleobjektiv  153 Spiegelung  249, 251 vermindern  173 Spiegelverriegelung  302 Spiegelvorauslösung  93, 217, 243, 302 Sportfotografie  520 Spot  355, 357 Spotmessung  287 sRaw  35 sRGB  37, 464, 465 SSD (Solid State Disc)  600, 635

Index  |  723

Stäbchen (Auge)  224, 438, 595 Standardobjektiv  145 Stand-in-Model  515 Standpunkt Architekturfotografie  556 Perspektive  113 Stativ  92, 707 Auswahlkriterien  92 Autopole  343, 367 Boom-Stativ  343 Bruststativ  588 Dolly  589 Einbeinstativ  588 Fluid-Neiger  588 Galgenstativ  343 Nachführstativ  563 Schulterstativ  590 Schwebestativ  588, 590 Steadicam  589 Stativkopf  94 Stativschelle  522 Stativvibration  93 Staub  84 Staubentfernung  86 Steadicam  589 Steckfilter  177 Steppermotor  169 Sternenhimmel  244, 562, 563 Stieglitz, Alfred  29 Stilempfinden, mangelndes  386 Stillleben  568 Stilmittel  388 Stitchen  529 Stockfotografie  384 Storyboard  587 Strahlengang  30, 138, 139 Strahlung, elektromagnetische  221 Streetfashion  519 Streiflicht  237 Streulicht  119, 127, 247, 447, 531, 707 Streulichtblende  128, 177, 217, 707 Video  627 Striplight  361, 569

724  |  Index

Strobist  365 Stroboskopeffekt  329 Stroboskopmodus, Aufsteckblitz  329 Stromaggregat  357 Stromversorgung  90 Struktur (Lightroom)  645 Studioblitz  321, 351 draußen verwenden  357 Leistung  351 Lichtformer  359 Studioblitzanlage, Video­ aufnahmen  608 Studiofotografie  362 Hintergrundrolle  367 Lichtbeispiele  362 Lichtformer  359 Tricks  571 Stürzende Linien  555 Stylist  519 Styroporplatte  367 Subpixel  707 Subtraktive Farbmischung  439 Sucher  30, 707 Gitter  559 optischer  54 Sucherbild  120 Unschärfe  195 Sunny 16  266 Super 8  583 Supersync → Hypersync Superteleobjektiv  522 Superzoom  160 Symbolik  568 Symmetrie  410, 427, 428, 558 Synchronkabel  340 Systemblitz  320, 707 Systemkamera  707 Einsteiger  57 mit Spiegel  53 Mittelklasse  58 Profis  60 spiegellose  52 Vollformat  59

T Tablet  633 Talbot, W. H. F.  29 Taschenlampe  244 Telekonverter  178 umgekehrter  160 Teleobjektiv  138, 152, 708 Teleskop  154 Telezoom  163 Terabyte  89, 708 TFP  511 TFT-Display  636 Through The Lens (TTL) → TTL (Through The Lens)  Tiefen (Lightroom)  645 Tiefpassfilter  42, 708 Tierfotografie  533 Kulturfolger  535 TIFF  680, 708 LZW-Kompression  681 Tilt-Shift-Objektiv  156, 214, 554 Timecode  708 Time for Prints (TFP)  511 Timelapse → Zeitraffer  Tintenstrahldrucker  439 schwarzweiß  502 Ton  614 aussteuern  616 Peak-Wert  617 Pegel  616 Tonung  499 Photoshop  489 Tonwerte  33 Tonwertkorrektur Photoshop  651 Schritt für Schritt  651 Tonwertpriorität  271 Tonwertumfang  307 Tracking  689 Transparentpapier  367 Transponder  341 Troll  388 Truffaut, François  629

TTL (Through The Lens)  267, 323, 708 Twitter  65

U Überbelichtung  233, 274 Überbelichtungswarnung  80, 289 Überblendung  590 Übertragungsgeschwindigkeit  98 Übung  389 UHS-I, UHS-II  90 Ultrakurzzeitfotografie  200 Ultraschall-Autofokusmotor  168 Ultrateleobjektiv  154 Ultraviolett (UV)  221 Ultraweitwinkelobjektiv  142 Ultrazoom  164 Umgebungslichtsensor  226 Umkehrring  151, 537 Unbuntes Bild  450 Unendlich  193 Unendlich-Einstellung  109 Unschärfe  121 Unschärfekreis  119, 121 Unscharf maskieren, Photoshop  667 Unterbelichtung  276 Unterlicht  240 Unterwasserfotografie  572 Brennweitenverlängerung  572 Farbverschiebung  572 Urheberrecht  576 USB 1.1  98 USB 2.0  98 USB 3.0  98 USB-Kabel  98 UV-Filter  170

V Verblauen  456 Vergrößerungsobjektiv  215, 538 Vergütung  127, 224, 238 Verlängerungsfaktor  119, 138, 537 Verlaufsfilter  174

Verschlagwortung  638, 639, 686 automatische  689 Verschluss  26, 48, 708 elektronischer  49, 302, 701 Global Shutter  702 Schlitzverschluss  706 Verschlussvorhang  48, 330 Verschlusszeit  48, 117, 199, 261, 698 und Blende  117 Video  610 Verwackeln  167, 197, 708 Verzeichnung  130, 139, 140, 555, 708 kissenförmige  131 tonnenförmige  131 wellenförmige  131 Video  583 Action-Kamera  625 Auflösung  593 Ausrüstung  584 Automatik  610 AVC  598 Banding  604 Bildfehler  601 Bildqualität  598 Bildrauschen  603 Bildstabilisator  590 Bildstile  611 Bildwiederholrate  591, 592 Bitrate  598 Blu-ray-Disc  592 Camcorder  623 CinemaDNG  599 Codecs  597 Dateigrößen  594 Deinterlacing  596 Digitalzoom  618 Dolly  586 Einstellung  587 externe Rekorder  596 Farbtemperatur  231 Farbunterabtastung  595

Flimmern  620 Fokus  613 Follow Focus  613 Formate  591 Framerate  591 Gestaltung  586 H.264  591 H.265  591, 598 Halbbild  593, 596 harter Schnitt  590 HDMI  594 HDMI-Rekorder  596, 598 HDR  601 HDTV-Fernseher  592 Interframe  597 Interlace  596 Kamerafahrt  589 Kamera stabilisieren  590 Kamm-Artefakte  596 Kompaktkamera  624 Komprimierung  594 Laser  602 Licht  608 Mattebox  627 Mikrofone  615 Moiré  603 MOV  598 MPEG  598 Nachbearbeitung  612 ND-Filter  610 NTSC  591, 592 Objektive  610 Objektivfehler  606 PAL  591, 592 PAL-Beschleunigung  593 Photoshop  607 Progressive  597 Raw  599 Rig  627 Rolling-Shutter-Effekt  588, 605 Ruckeln  601 Schärfezieheinrichtung  613 Schnitt  587

Index  |  725

Schwarzblende  590 Schwenk  587 Seitenverhältnis  586 S-Log  612 Smartphone  624 Storyboard  587 Streifenbildung  604 Szenenwechsel überblenden  590 thermische Probleme  602 Ton  614 Ton aussteuern  616 Überblendung  590 unkomprimiertes  598 Verschlusszeit  602, 608, 610 Vollbild  593, 596 Weißblende  590 Zeitlupe  623 Zeitraffer  619 Zoom  589 Zoomfahrt  589 Videokamera  626 Videoschnittsoftware  584 Vignettierung  119, 129, 139, 264, 708 natürliche  130 Vimeo  598, 629 Visagist  519 Vlogger  708 VMware Fusion  471, 633 Vogelperspektive  422 Vollautomatik  283 Vollbild  593, 596 Vollformat  45, 50, 59, 708 Größe  46 Vollspektrum-Kamera  709 Vorblitz  321 Vordergrund  423 Vorsatzlinse  152

726  |  Index

W

Y

Wabe  360 Wahrnehmung  375, 378, 410 Farbe  437 Wahrnehmungspsychologie  378 Wanderblitz  245, 337 Wärmebildfotografie  530 Wasser, Schwebeteilchen  572 Wasserwaage  156 Wattsekunde (Ws)  317, 318 WAV-Format  615 Weichzeichner  233 Weißabgleich  226, 440, 455, 709 automatischer  226 Farbstich  460 in der Bildbearbeitung  230 JPEG  230 manueller  227, 460, 531 Raw  230 Weiß (Lightroom)  645 Weißpunkt  470, 531, 652 Weitwinkelobjektiv  143 Weitwinkelzoom  161 Wellenlänge  125, 221, 440 Werbefotografie, Tricks  571 Werbung (Fotorecht)  577 Wesely, Michael  562 Wettervorhersage  232 Windows-PC  632 WLAN  99, 423 Workflow, digitaler  638

YCbCr  595 YouTube  598, 629

X X-Kontakt  330, 340 XMP  686, 687 XnView  683 XQD/CFexpress  89

Z Zapfen (Auge)  224, 438, 595 Zauberstab (Photoshop)  671 Zeichnung  80, 709 in dunklen Bereichen  271 Zeilensprungverfahren  703, 709 Zeitautomatik  280 Blitzfotografie  333 Zeit-Blenden-Kombination shiften  282 Zeitlupe  623, 709 Zeitraffer  619, 708, 709 in Photoshop  620 Zeitvorwahl  281 Zenit  427 Zentralachse  410 Zentralperspektive  429 Zentralverschluss  72, 327 Zerstreuungskreis  189, 264 Zirkularpolfilter  173, 257 Zonensystem  292 Zoom  160, 709 Video  589 Zoomkäfig  125 Zoomobjektiv  110, 160 Zoomreflektor  319, 335, 709 Zubehör  88 Zufall  383 Zwischenring  150

Dieses E-Book ist ein Verlagsprodukt, an dem viele mitgewirkt haben, insbesondere: Lektorat Frank Paschen Korrektorat Annika Holtmannspötter, Münster Herstellung E-Book Kamelia Brendel Covergestaltung Eva Schmücker Coverbild iStock: 471926619 © Sara Winter, 1095014518 © CoffeeAndMilk Satz E-Book Hanno Elbert, rheinsatz, Köln

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4., aktualisierte Au lage 2020 © Rheinwerk Verlag GmbH, Bonn 2020

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Christian Westphalen ist Diplom-Fotodesigner und arbeitet als selbstständiger Fotograf, Trainer und Autor. Seit 2006 schreibt er Bücher für den Rheinwerk Verlag und Artikel für Fachzeitschriften. Unter http://fotoschule.westbild.de bloggt er für seine Leser.

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