Die grenzüberschreitende Restrukturierung von Kapitalgesellschaften: Eine Untersuchung der Richtlinie (EU) 2019/1023 aus der Perspektive des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts [1 ed.] 9783161624841, 9783161626074, 316162484X

Die Richtlinie (EU) 2019/1023 verpflichtet zur Einführung von Restrukturierungsverfahren, trifft aber keine Regelung für

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Die grenzüberschreitende Restrukturierung von Kapitalgesellschaften: Eine Untersuchung der Richtlinie (EU) 2019/1023 aus der Perspektive des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts [1 ed.]
 9783161624841, 9783161626074, 316162484X

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Kapitel 1: Einführung
A. Prolog
B. Forschungsgegenstand
C. Gang der Untersuchung
Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023
A. Einleitung und Gang der Untersuchung
B. Einführung in die EuRRL
I. Gliederung
II. Zwecksetzung
1. Stärkung des Binnenmarktes
a) Begründung der unionalen Kompetenz
b) Binnenmarkt und internationales Zivilverfahrensrecht
2. Förderung der „Sanierungskultur“: Insolvenzvermeidung
a) Kritik
b) Stellungnahme
c) Konsequenz für die Untersuchung der internationalen Gerichtszuständigkeit
3. Abbau notleidender Kredite
a) Begriffsbestimmung
b) Schlussfolgerung
4. Schutz von kleinen und mittleren Unternehmen
5. Befreiung vom „Insolvenzstigma“
III. Anwendungsbereich des präventiven Restrukturierungsrahmens
1. Formelle Voraussetzungen
a) Antrag
b) Staatliche Beteiligung
2. Materielle Voraussetzungen
3. Zusammenfassung
IV. Vorgesehene Sanierungsinstrumente
1. Restrukturierungsplan
a) Gesetzgeberisches Anliegen
b) Rahmenvorgaben
aa) Maßnahmen
bb) Grundsatz der Eigenverwaltung
cc) Kein Gesamtverfahren
c) Abstimmungsprozess
aa) Mehrheitsbeschluss
bb) Klassenübergreifender cram-down
2. Moratorium
a) Zweck
b) Dauer
c) Folgen
3. Schutz von Zwischenfinanzierungen und sonstigen Transaktionen
4. Zusammenfassung
C. Gerichtsbeteiligung
I. Zur Bedeutung des Begriffs „Justiz- oder Verwaltungsbehörde“
II. Notwendige Beteiligung der Justiz- oder Verwaltungsbehörde
1. Gewährung des Moratoriums
2. Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten
3. Bestätigung des Restrukturierungsplans
4. Schutz von Finanzierungen und sonstigen Transaktionen
5. Rechtsbehelfe nach Art. 16 EuRRL
III. Keine Regelung zum Internationalen Privat- und Verfahrensrecht
IV. Zusammenfassung
D. Schlussbetrachtungen
Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren
A. Einleitung und Gang der Untersuchung
B. Zur internationalen Gerichtszuständigkeit im Binnenmarkt
I. Begriffsbestimmung
II. Eingrenzung der zu untersuchenden Regelwerke
III. Dogmatische Maximen des internationalen Zivilverfahrensrechts
1. Herleitung der Interessenlage und der Grundprinzipien
2. Parteiinteressen im internationalen Zivilverfahren
3. Staatsinteressen im internationalen Zivilverfahren
4. Spezifika des internationalen Insolvenzverfahrens
5. Unklarheit der Grundsätze des internationalen Restrukturierungsverfahrens
IV. Zusammenfassung
C. Interesse an Restrukturierung unter fremdem Recht
I. Umsetzungsspielraum innerhalb der Richtlinie
1. Zugang zum Verfahren
a) Begriff der wahrscheinlichen Insolvenz
b) Antragsberechtigung
c) Zahl der Zugänge zum Verfahren
2. Planmaßnahmen
3. Planbetroffenheit
4. Planannahme
5. Klassenübergreifender cram-down
6. Moratorium
7. Zusammenfassung
II. Verhältnis von Zuständigkeit und anwendbarem Recht
1. Gleichlauf von forum und ius
2. Anwendbares IPR
3. Anerkennung ergangener Entscheidungen
4. Ergebnis
5. Zusammenfassung
III. Forum shopping und Wettbewerb der Rechtsordnungen
1. Zum Begriff „forum shopping“
2. Wettbewerb der Rechtsordnungen?
a) Angebot und Nachfrage
b) Preisbildung
c) Fazit
IV. Ergebnisse
D. Gesellschaftsrecht im Restrukturierungsverfahren
I. Verhältnis von EuRRL und Gesellschaftsrecht
1. „Einordnung“ des Restrukturierungsrechts
2. Verhältnis von Restrukturierungs- und Gesellschaftsrecht
3. Zwischenergebnis
II. Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsstatut
1. Die Qualifikation
2. Relevanz
III. Grenzen der Fremdrechtsanwendung
IV. Ergebnis
E. Fazit
F. Thesen
Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO
A. Einleitung und Gang der Untersuchung
B. Der Anwendungsbereich der EuInsVO
I. Persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich
II. Räumlicher Anwendungsbereich
III. Sachlicher Anwendungsbereich
1. Gesamtverfahren
2. Zweck des Verfahrens
3. Öffentlichkeit
4. Die Alternativen Art. 1 lit. a)–c)
a) Entzug der Verfügungsgewalt, Bestellung eines Verwalters; lit. a)
b) Aufsicht durch ein Gericht; lit. b)
c) Vorrübergehende Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen; lit. c)
5. Der Anhang A
a) Aufnahme in Anhang A
b) Abweichung eines aufgenommenen Verfahrens
c) Zusammenfassung
IV. Ergebnis
C. Das Restrukturierungsverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO
I. Abstrakte Beschaffenheit
1. Ausgestaltung als Gesamtverfahren i.S.d. EuInsVO?
2. Insolvenzvermeidung
3. Öffentlichkeit
4. Mechanismen des Restrukturierungsverfahrens
a) Vermögensbeschlag
b) Aufsicht durch ein Gericht
c) Moratorium
5. Delegation an eine Behörde
6. Zusammenfassung
II. Verfahren nach dem StaRUG
1. Insolvenzvermeidendes Gesamtverfahren
2. Mechanismen
3. Öffentlichkeit und Gerichtsbeteiligung
4. Aufnahme in den Anhang A
III. Zusammenfassung
D. Die Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der EuInsVO
I. Einführung
II. Das COMI-Kriterium nach Art. 3 EuInsVO
1. Teleologie
2. Vermutung nach Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 EuInsVO als Ausgangspunkt
3. Widerlegung der Vermutung
a) Begriffsverständnis
b) Weitere Aspekte zur COMI-Bestimmung
c) Zusammenfassung
4. Maßgeblicher Zeitpunkt
III. Forum shopping unter der EuInsVO
1. Genese
a) Die Konstellationen
b) Ein Blick zurück
c) Zusammenfassung
2. Zeitlicher Gestaltungsrahmen
3. Optionen
a) Verlegung des Satzungssitzes
aa) Rechtliche Durchführbarkeit
bb) Hindernisse
cc) Konsequenz
b) Verlegung des Verwaltungssitzes
aa) Rechtliche Durchführbarkeit
bb) Hindernisse
cc) Konsequenz
c) Zusammenfassung
4. Ergebnis
IV. Abschließende Betrachtung der Ergebnisse
E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO
I. Einführung
II. Zu den Grundsätzen der Qualifikation
III. Lex fori concursus nach Art. 7 EuInsVO
1. Konkretisierung in Art. 7 Abs. 2 EuInsVO
2. Annahme und Wirkungen des Restrukturierungsplans
a) Problemfall: Gesellschaftsrechtliche Wirkungen des Plans
b) Lösungsansätze
c) Zwischenergebnis
3. Zusammenfassung
IV. Abgrenzung zum Gesellschaftsstatut
1. Ausgangspunkt: Reichweite des Gesellschaftsstatuts
2. Insolvenzrechtliche Qualifikation
a) Von Gourdain./.Nadler zu Kornhaas./.Dithmar
b) Konsequenz
c) Geltung für das Restrukturierungsrecht
d) Zusammenfassung
3. Übertragung der Grundsätze
a) Eingriff in Gesellschafterrechte
aa) Verweis auf das Gesellschaftsrecht?
bb) Restrukturierungsrechtliche Qualifikation
b) Haftungsfragen
aa) Ausweitung der Haftung?
bb) Qualifikation
c) Ergebnis
4. Fazit
V. Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit
1. Schutzbereich
2. Eingriff
3. Zusammenfassung
VI. Abschließende Betrachtung
F. Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen
I. Einführung
II. Grundsatz der automatischen Anerkennung
1. Anerkennung der Eröffnungsentscheidung, Art. 19 EuInsVO
a) Zuständigkeit des Gerichts
b) Insolvenzverfahren
aa) Anerkennung der Eigenschaft als Insolvenzverfahren
bb) Insolvenzverfahren als „Vorfrage“
cc) Streitentscheid
dd) Ergebnis
c) Eröffnungsentscheidung
aa) Auslegung des Entscheidungsbegriffs
bb) Behandlung der Restrukturierungsanzeige nach § 31 StaRUG
d) Zusammenfassung
2. Anerkennung sonstiger Entscheidungen, Art. 32 EuInsVO
a) Entscheidungen zur Durchführung und Beendigung des Verfahrens
b) Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Verfahren
c) Sonstige Entscheidungen
d) Zusammenfassung
3. Wirkungen der Anerkennung
III. Grenzen der Anerkennung
1. Verstoß gegen den ordre public, Art. 33 EuInsVO
2. Forum shopping
3. Änderungen der Gesellschaftsstruktur
IV. Zusammenfassung
G. Fazit
Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb des Geltungsbereichs der EuInsVO
A. Einleitung und Gang der Untersuchung
B. Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren
I. Anwendungsbereich der EuGVVO
1. Zivil- und Handelssache
2. Bereichsausnahme Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO
a) Dogma des lückenlosen Ineinandergreifens
b) Anhang A
c) Definition des EuGH aus Gourdain./.Nadler
d) Erweiterung des Anwendungsbereichs der EuInsVO n.F
e) Zusammenfassung
f) Auswirkungen
II. Ein passendes Zuständigkeitsregime?
1. Art. 24 Nr. 2 EuGVVO
2. Art. 24 Nr. 1 EuGVVO
3. Gerichtsstandsvereinbarung, Art. 25 EuGVVO
4. Beklagtengerichtsstand
a) Kläger-Beklagten-Verhältnis
b) Anwendung Art. 8 Nr. 1 EuGVVO
aa) Streitgenossenschaft als Lösungsansatz?
bb) Enger Zusammenhang und Gebotenheit gemeinsamer Entscheidung
cc) Zusammenfassung
5. Zuständigkeitsbestimmung nach den Grundsätzen der EuGVVO
6. Conclusio
III. Anerkennung nach Art. 36 ff. EuGVVO
1. Auswirkungen der Bereichsausnahme
2. Entscheidung i.S.d. Art. 36 Abs. 1 EuGVVO
a) Definition Entscheidungsbegriff
b) Übertragung der Kontroverse zum SoA?
c) Argumente gegen eine Übertragung
d) Zusammenfassung
3. Grenzen der Anerkennung
4. Zusammenfassung
IV. Ergebnis
C. Die Anwendung europäischen Kollisionsrechts auf das Restrukturierungsverfahren
I. Grundsätzliches zur sog. „materiell-rechtlichen Anerkennung“
II. Anwendung der Rom I-VO
1. Anwendungsbereich der Rom I-VO
a) Restrukturierungsplan als vertragliches Schuldverhältnis
b) Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, Art. 1 Abs. 2 lit. f)
c) Zusammenfassung
2. Reichweite des Vertragsstatuts
a) Art. 12 lit. d) Rom I-VO
b) Anwendung der Lutz./.Bäuerle-Rechtsprechung
c) Zweifel an der Übertragbarkeit?
d) Tauglichkeit für finanzwirtschaftliche Restrukturierungen
3. Zusammenfassung
III. Anwendung des europäischen Gesellschaftskollisionsrechts
IV. Fazit
D. Die Anwendung nationalen Rechts auf das Restrukturierungsverfahren
I. Kein internationales Restrukturierungsrecht
II. Doppelfunktionale Anwendung des § 35 StaRUG
1. Ergebnis der Zuständigkeitsprüfung
2. Folgen der nationalen Zuständigkeitsbestimmung
3. Zusammenfassung
III. Anwendung der §§ 335 ff. InsO
1. Qualifikation als Insolvenzverfahren
a) BGH-Urteil „Schnellverschlussklappe“
b) Übertragung auf das Restrukturierungsverfahren
c) Nichtöffentlichkeit
d) Fazit
2. Anwendbares Recht
3. Anerkennung von Entscheidungen nach § 343 InsO
a) Voraussetzungen der Anerkennung
aa) Verfahrenseröffnung
bb) Sonstige Entscheidungen
cc) Zusammenfassung
b) Wirkungen der Anerkennung
c) Grenzen der Anerkennung
aa) Spiegelbildprinzip
bb) Verstoß gegen den ordre public
cc) Fazit
4. Zusammenfassung
IV. Anwendung des § 328 ZPO
V. Zusammenfassung
E. Auswirkungen auf forum shopping und den Wettbewerb der Rechtsordnungen
F. Europäische Analogielösung
I. Status quo
II. Herleitung eines Lösungsansatzes
III. Die Analogievoraussetzungen im Einzelnen
IV. Berücksichtigung der Grenzen des Ansatzes
V. Ergebnis
G. Fazit
Kapitel 6: Schlussbetrachtungen und Gesamtfazit
A. Bewertung der Untersuchungsergebnisse im Einzelnen
I. Die Anwendung der EuInsVO
II. Die Anwendung nationalen Rechts
III. Forum shopping und Wettbewerb der Rechtsordnungen
IV. Ambivalente Haltung zum Phänomen forum shopping
B. Plädoyer für eine europäische Restrukturierungsverordnung
I. Einbeziehung von Sanierungsverfahren in die EuInsVO dogmatisch inkonsistent
II. Eckpfeiler einer EuRestructVO
1. Einbeziehung geheimer Verfahren
2. Abkehr vom COMI
3. Anwendbares Recht
4. Umfassende Anerkennung
5. Parteiautonomie
III. Zusammenfassung
C. Fazit
D. Epilog
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis

Citation preview

Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 197 herausgegeben von

Rolf Stürner

Jork Christoph Greeve

Die grenzüberschreitende Restrukturierung von Kapitalgesellschaften Eine Untersuchung der Richtlinie (EU) 2019/1023 aus der Perspektive des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts

Mohr Siebeck

Jork Christoph Greeve, geboren 1996; Studium der Rechtswissenschaft in Heidelberg und Lausanne (Schweiz); 2023 Promotion (Heidelberg); Rechtsreferendariat am Hanseatischen Oberlandesgericht. orcid.org/0009-0000-4281-3593

Drucklegung gefördert durch die Studienstiftung ius vivum. Zugl.: Heidelberg, Univ., Diss., 2023. ISBN 978-3-16-162484-1 / eISBN 978-3-16-162607-4 DOI 10.1628/978-3-16-162607-4 ISSN 0722-7574 / eISSN 2568-7255 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg im Sommersemester 2022 als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 23. November 2022 statt. Rechtsprechung und Literatur sind bis Dezember 2022 berücksichtigt. Zu großem Dank bin ich meinem geschätzten Doktorvater Herrn Professor Dr. Christoph A. Kern, LL.M. (Harvard) verpflichtet, der mich bei der Themenfindung und während des gesamten Schreibprozesses stets aufmerksam begleitet und unterstützt hat. Herrn Professor Dr. Andreas Piekenbrock danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens verbunden mit konstruktiven Anregungen, die zur Verbesserung des Manuskripts beigetragen haben. Für den Vorsitz der Disputation und das angenehme Prüfungsgespräch danke ich Herrn Professor Dr. Heinrich Schoppmeyer. Herrn Professor Dr. Dres. h.c. Rolf Stürner danke ich herzlich für die Aufnahme in die Schriftenreihe. Den Druck der vorliegenden Arbeit hat die Studienstiftung ius vivum gefördert. Dafür danke ich vielmals Herrn Professor Dr. Haimo Schack. Besonders dankbar bin ich meinen guten Freunden und meiner Familie für ihren Rückhalt und ihre Unterstützung während meiner Dissertationsphase. Widmen möchte ich diese Arbeit meinen Eltern, die es mir ermöglicht haben, meinen Weg frei, selbstbewusst und mit leichtem Gepäck gehen zu können. Ich bin dafür dankbarer als es Worte je beschreiben könnten. Berlin, im März 2023

Jork Christoph Greeve

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI

Kapitel 1: Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Forschungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023 . . . . . . . . . .

7

A. Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Einführung in die EuRRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

C. Gerichtsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

D. Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

A. Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

Zur internationalen Gerichtszuständigkeit im Binnenmarkt . . . . . . . . .

41

C. Interesse an Restrukturierung unter fremdem Recht . . . . . . . . . . . . . . .

52

D. Gesellschaftsrecht im Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . .

70

E.

Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

F.

Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

B.

B.

B.

VIII

Inhaltsübersicht

Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

A. Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

Der Anwendungsbereich der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

C. Das Restrukturierungsverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

D. Die Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

E.

Das anwendbare Recht nach der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121

F.

Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen . . . . . . . . . . . . .

144

G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160

Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb des Geltungsbereichs der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

A. Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren . . .

164

C. Die Anwendung europäischen Kollisionsrechts auf das Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187

D. Die Anwendung nationalen Rechts auf das Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

197

B.

B.

E.

Auswirkungen auf forum shopping und den Wettbewerb der Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

218

Europäische Analogielösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

219

G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224

Kapitel 6: Schlussbetrachtungen und Gesamtfazit . . . . . . . . . . . . .

227

A. Bewertung der Untersuchungsergebnisse im Einzelnen . . . . . . . . . . . . .

227

Plädoyer für eine europäische Restrukturierungsverordnung . . . . . . . .

232

C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239

D. Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

240

F.

B.

Inhaltsübersicht

IX

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

241

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

261

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI

Kapitel 1: Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Forschungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023 . . . . . . . . . .

7

A. Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

B. Einführung in die EuRRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zwecksetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stärkung des Binnenmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begründung der unionalen Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Binnenmarkt und internationales Zivilverfahrensrecht . . . . . 2. Förderung der „Sanierungskultur“: Insolvenzvermeidung . . . . . . a) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenz für die Untersuchung der internationalen Gerichtszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abbau notleidender Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schutz von kleinen und mittleren Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . 5. Befreiung vom „Insolvenzstigma“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendungsbereich des präventiven Restrukturierungsrahmens . . . 1. Formelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 8 9 9 9 10 11 12 12

B.

13 14 14 15 16 16 17 17 17

XII

Inhaltsverzeichnis

b) Staatliche Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materielle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorgesehene Sanierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Restrukturierungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzgeberisches Anliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rahmenvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundsatz der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kein Gesamtverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abstimmungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mehrheitsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Klassenübergreifender cram-down . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Moratorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutz von Zwischenfinanzierungen und sonstigen Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 32

C. Gerichtsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Bedeutung des Begriffs „Justiz- oder Verwaltungsbehörde“ . . . . II. Notwendige Beteiligung der Justiz- oder Verwaltungsbehörde . . . . . 1. Gewährung des Moratoriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestätigung des Restrukturierungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schutz von Finanzierungen und sonstigen Transaktionen . . . . . . 5. Rechtsbehelfe nach Art. 16 EuRRL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Keine Regelung zum Internationalen Privat- und Verfahrensrecht IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33 35 35 36 36 37 37 38 39

D. Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

A. Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

Zur internationalen Gerichtszuständigkeit im Binnenmarkt . . . . . . . . . Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingrenzung der zu untersuchenden Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . Dogmatische Maximen des internationalen Zivilverfahrensrechts 1. Herleitung der Interessenlage und der Grundprinzipien . . . . . . . . 2. Parteiinteressen im internationalen Zivilverfahren . . . . . . . . . . . .

41 42 43 44 45 46

B. I. II. III.

18 19 21 21 21 22 23 23 24 26 26 27 27 29 30 30 31

Inhaltsverzeichnis

XIII

3. Staatsinteressen im internationalen Zivilverfahren . . . . . . . . . . . . 4. Spezifika des internationalen Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . 5. Unklarheit der Grundsätze des internationalen Restrukturierungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 51

C. Interesse an Restrukturierung unter fremdem Recht . . . . . . . . . . . . . . . I. Umsetzungsspielraum innerhalb der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zugang zum Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff der wahrscheinlichen Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zahl der Zugänge zum Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Planmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Planbetroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Planannahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Klassenübergreifender cram-down . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Moratorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis von Zuständigkeit und anwendbarem Recht . . . . . . . . . . . 1. Gleichlauf von forum und ius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbares IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkennung ergangener Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Forum shopping und Wettbewerb der Rechtsordnungen . . . . . . . . . . 1. Zum Begriff „forum shopping“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wettbewerb der Rechtsordnungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Angebot und Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Preisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52 54 54 54 55 55 55 56 57 58 59 59 59 60 60 61 63 63 63 64 65 66 67 68 69

D. Gesellschaftsrecht im Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verhältnis von EuRRL und Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Einordnung“ des Restrukturierungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis von Restrukturierungs- und Gesellschaftsrecht . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsstatut . . . . . . . . . 1. Die Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzen der Fremdrechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70 70 70 71 72 72 72 73 74 75

Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

E.

47 49

XIV

Inhaltsverzeichnis

Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

A. Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

Der Anwendungsbereich der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesamtverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweck des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Alternativen Art. 1 lit. a)–c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entzug der Verfügungsgewalt, Bestellung eines Verwalters; lit. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufsicht durch ein Gericht; lit. b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorrübergehende Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen; lit. c) . . . . . . . . . . . 5. Der Anhang A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufnahme in Anhang A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abweichung eines aufgenommenen Verfahrens . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80 80 80 82 82 83 84 85

F.

B. I. II. III.

C. Das Restrukturierungsverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abstrakte Beschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgestaltung als Gesamtverfahren i.S.d. EuInsVO? . . . . . . . . . . 2. Insolvenzvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mechanismen des Restrukturierungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . a) Vermögensbeschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufsicht durch ein Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Moratorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Delegation an eine Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfahren nach dem StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenzvermeidendes Gesamtverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Öffentlichkeit und Gerichtsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufnahme in den Anhang A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85 86 86 87 87 88 89 90 90 90 91 92 92 93 93 94 94 95 96 96 96 96 97 98 99

Inhaltsverzeichnis

XV

D. Die Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das COMI-Kriterium nach Art. 3 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Teleologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermutung nach Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 EuInsVO als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Widerlegung der Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Aspekte zur COMI-Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Forum shopping unter der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ein Blick zurück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitlicher Gestaltungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verlegung des Satzungssitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtliche Durchführbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verlegung des Verwaltungssitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtliche Durchführbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abschließende Betrachtung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

102 103 104 105 106 107 107 108 108 109 111 111 112 112 112 115 116 117 117 118 119 119 120 120

Das anwendbare Recht nach der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu den Grundsätzen der Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lex fori concursus nach Art. 7 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konkretisierung in Art. 7 Abs. 2 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Annahme und Wirkungen des Restrukturierungsplans . . . . . . . . . a) Problemfall: Gesellschaftsrechtliche Wirkungen des Plans b) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abgrenzung zum Gesellschaftsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt: Reichweite des Gesellschaftsstatuts . . . . . . . . . .

121 121 123 124 124 125 126 126 127 128 128 128

E. I. II. III.

99 99 100 101

XVI

Inhaltsverzeichnis

2. Insolvenzrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Von Gourdain./.Nadler zu Kornhaas./.Dithmar . . . . . . . . . . b) Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geltung für das Restrukturierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übertragung der Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingriff in Gesellschafterrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verweis auf das Gesellschaftsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Restrukturierungsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . b) Haftungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausweitung der Haftung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

129 130 132 132 133 133 134 134 135 136 136 137 138 138 139 139 140 143 143

F. Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsatz der automatischen Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anerkennung der Eröffnungsentscheidung, Art. 19 EuInsVO . . . a) Zuständigkeit des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anerkennung der Eigenschaft als Insolvenzverfahren . . . bb) Insolvenzverfahren als „Vorfrage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Streitentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eröffnungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auslegung des Entscheidungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Behandlung der Restrukturierungsanzeige nach § 31 StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennung sonstiger Entscheidungen, Art. 32 EuInsVO . . . . . a) Entscheidungen zur Durchführung und Beendigung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Verfahren . . . . c) Sonstige Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzen der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144 144 145 145 146 146 147 147 148 148 148 148 149 150 151 151 152 152 153 153 155

Inhaltsverzeichnis

XVII

1. Verstoß gegen den ordre public, Art. 33 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . 2. Forum shopping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Änderungen der Gesellschaftsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155 156 158 160

G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160

Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb des Geltungsbereichs der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

A. Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren . . . Anwendungsbereich der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zivil- und Handelssache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bereichsausnahme Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . a) Dogma des lückenlosen Ineinandergreifens . . . . . . . . . . . . . . b) Anhang A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Definition des EuGH aus Gourdain./.Nadler . . . . . . . . . . . . . d) Erweiterung des Anwendungsbereichs der EuInsVO n.F. . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ein passendes Zuständigkeitsregime? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 24 Nr. 2 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 24 Nr. 1 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gerichtsstandsvereinbarung, Art. 25 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beklagtengerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kläger-Beklagten-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung Art. 8 Nr. 1 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Streitgenossenschaft als Lösungsansatz? . . . . . . . . . . . . . . bb) Enger Zusammenhang und Gebotenheit gemeinsamer Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zuständigkeitsbestimmung nach den Grundsätzen der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Conclusio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anerkennung nach Art. 36 ff. EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswirkungen der Bereichsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidung i.S.d. Art. 36 Abs. 1 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Definition Entscheidungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragung der Kontroverse zum SoA? . . . . . . . . . . . . . . . . c) Argumente gegen eine Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164 164 164 165 165 167 169 170 172 172 172 173 174 175 176 176 178 178

B. I.

179 180 180 181 181 182 182 183 183 184 185 186

XVIII

Inhaltsverzeichnis

4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186 187

C. Die Anwendung europäischen Kollisionsrechts auf das Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsätzliches zur sog. „materiell-rechtlichen Anerkennung“ . . . . II. Anwendung der Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich der Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Restrukturierungsplan als vertragliches Schuldverhältnis . . . b) Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, Art. 1 Abs. 2 lit. f) c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reichweite des Vertragsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 12 lit. d) Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung der Lutz./.Bäuerle-Rechtsprechung . . . . . . . . . . c) Zweifel an der Übertragbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Tauglichkeit für finanzwirtschaftliche Restrukturierungen 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung des europäischen Gesellschaftskollisionsrechts . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187 188 189 189 189 191 192 192 192 193 194 194 195 196 196

D. Die Anwendung nationalen Rechts auf das Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kein internationales Restrukturierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Doppelfunktionale Anwendung des § 35 StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ergebnis der Zuständigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Folgen der nationalen Zuständigkeitsbestimmung . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung der §§ 335 ff. InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Qualifikation als Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) BGH-Urteil „Schnellverschlussklappe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragung auf das Restrukturierungsverfahren . . . . . . . . . c) Nichtöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkennung von Entscheidungen nach § 343 InsO . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirkungen der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Spiegelbildprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verstoß gegen den ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

197 197 198 198 199 200 200 200 201 202 203 205 206 207 208 209 209 210 210 211 212 214 215

Inhaltsverzeichnis

4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anwendung des § 328 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E.

XIX 216 216 217

Auswirkungen auf forum shopping und den Wettbewerb der Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

218

Europäische Analogielösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Status quo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herleitung eines Lösungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Analogievoraussetzungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berücksichtigung der Grenzen des Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

219 220 220 222 223 224

G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224

Kapitel 6: Schlussbetrachtungen und Gesamtfazit . . . . . . . . . . . . .

227

Bewertung der Untersuchungsergebnisse im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . Die Anwendung der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Anwendung nationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forum shopping und Wettbewerb der Rechtsordnungen . . . . . . . . . . Ambivalente Haltung zum Phänomen forum shopping . . . . . . . . . . .

227 227 228 229 230

Plädoyer für eine europäische Restrukturierungsverordnung . . . . . . . . Einbeziehung von Sanierungsverfahren in die EuInsVO dogmatisch inkonsistent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eckpfeiler einer EuRestructVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einbeziehung geheimer Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abkehr vom COMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umfassende Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

232 233 234 235 235 237 237 237 238

C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239

D. Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

240

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

241

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

261

F. I. II. III. IV. V.

A. I. II. III. IV. B. I.

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.E. ABl. Abs. AEUV AktG Alt. Aufl. BB BeckOGK BeckOK BerDGesVR BerKom BGB BGBl. BGH BGHZ BT-Drs. BVerfG BVerfGE bzw. COMI CVA DB ders. dies. DStR DZWIR EBA EBA FINREP ebd. EG EGBGB EIR ESUG EU

anderer Ansicht am Ende Amtsblatt Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktiengesetz Alternative Auflage Betriebsberater Beck’scher Online-Großkommentar Beck’scher Online-Kommentar Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Berliner Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Center of Main Interest Company Voluntary Arrangement Der Betrieb derselbe dieselbe Deutsches Steuerrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht European Banking Authority European Banking Authority Reporting on Financial Information ebendort Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche European Insolvency Regulation Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7. Dezember 2011, BGBl. 2011 Teil I Nr. 64, S. 2582 ff. Europäische Union

XXII EuGH EuGVO EuGVVO EuInsVO EuRRL EUV EuZW EWiR EWS EZB f. ff. FK gem. GG GmbHG GmbHR GPR GreifRecht GVG GWR h.M. HamKom Hdb. Hrsg. Hs. ICR IILR InsO IPRax JDrInt JherJb jM jurisPR-InsR JZ KMU KSzW KTS LAG LG lit. m.w.N. MobiRL MüKo NJOZ NJW Nr.

Abkürzungsverzeichnis Europäischer Gerichtshof Verordnung (EG) 44/2001 Verordnung (EU) 2012/1215 Verordnung (EU) 2015/848 Richtlinie (EU) 2019/1023 Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Europäische Zentralbank folgend folgende Frankfurter Kommentar gemäß Grundgesetz Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union Greifswalder Halbjahresschrift für Rechtswissenschaft Gerichtsverfassungsgesetz Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht herrschende Meinung Hamburger Kommentar Handbuch Herausgeber Halbsatz International Corporate Rescue International Insolvency Law Review Insolvenzordnung Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Journal du droit international, E´douard Clunet (Begr.) Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Rudolf v. Jhering (Hrsg.) jurisMonatszeitschrift juris PraxisReport Insolvenzrecht Juristenzeitung Kleine und mittlere Unternehmen Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Insolvenzrecht (Konkurs Treuhand Sanierung) Landesarbeitsgericht Landgericht litera mit weiteren Nachweisen Richtlinie (EU) 2019/2121 Münchener Kommentar Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Nummer(n)

Abkürzungsverzeichnis NZG NZI OLG RabelsZ RG RGZ RIW RL Rn. Rom I-VO S. SoA StaRUG UAbs. UmwG vgl. VO WHOA WM WRP ZEuP ZfRV ZGR ZHR ZInsO ZIP ZPO ZRI ZRP ZVglRWiss ZZP

XXIII

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Oberlandesgericht Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Reichsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Verordnung (EG) 593/2008 Seite(n) Scheme of Arrangement Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz Unterabsatz Umwandlungsgesetz vergleiche Verordnung Wet homologatie onderhands akkoord v. 7. Oktober 2020 Niederländisches Umsetzungsgesetz zur EuRRL Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wettbewerb in Recht und Praxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht & Rechtsvergleichung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess

Kapitel 1

Einführung A. Prolog Im Jahr 1901 veröffentlicht Thomas Mann seinen Roman „Buddenbrooks – Verfall einer Familie“, mit dem ihm sofort sein Durchbruch als Autor gelingt. Im Jahr 1929 wird Thomas Mann für dieses Werk sogar der Nobelpreis für Literatur verliehen. Die Geschichte der Lübecker Kaufmannsfamilie Buddenbrook gilt als erster großer deutschsprachiger Gesellschaftsroman1 und ermöglicht einen Einblick in die Weltsicht und die Wertvorstellungen des Besitzbürgertums der industrialisierten Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.2 Im dritten Teil des Romans heiratet Tony Buddenbrook auf Drängen ihrer Eltern den Hamburger Kaufmann Bendix Grünlich. Besonders ihr Vater Jean Buddenbrook befürwortet diese Ehe, nachdem er Einblick in die Geschäftsbücher des Grünlich genommen hat. Seiner Frau schwärmt Jean Buddenbrook vor, die Bücher seien „zum Einrahmen“.3 Doch nimmt die Geschichte ihren Lauf und es stellt sich heraus, dass die Bücher des Grünlich gefälscht waren. Er ist beim Bankier Kesselmeyer hoch verschuldet, zahlungsunfähig und hat die Heirat mit Tony Buddenbrook nur deshalb betrieben, um seine finanziellen Schwierigkeiten durch die Mitgift zu verschleiern. In Anbetracht des Bankrotts des Schwiergersohns ermutigt Jean Buddenbrook seine Tochter zur Auflösung derjenigen Ehe, die er einst selbst forciert hatte. Er bietet ihr die Rückkehr in das Lübecker Elternhaus an, um sie nicht den „Peinlichkeiten aussetzen zu müssen“, die durch die Liquidation des Geschäftes des Ehemannes über sie hineinbrechen würden.4 Dieser Erzählstrang des Romans verdeutlicht auf eindrückliche Weise, welche gesellschaftliche Ächtung das geschäftliche Scheitern und der Bankrott zum Anfang des 20. Jahrhunderts erfuhren.5 Das vielleicht beste Schlaglicht auf diese Weltsicht liefert der innere Monolog der Tony Buddenbrook, nachdem sie vom finanziellen Ruin ihres Mannes erfährt:6 „Bankerott das war etwas Gräßlicheres

1

Vgl. Wysling, in: Koopmann, Thomas-Mann-Handbuch, S. 363. Vgl. Gutjahr, Buddenbrooks von und nach Thomas Mann, Vorwort; v. Wilpert, in: Moulden/v. Wilpert, Buddenbrooks-Handbuch, S. 245 ff. 3 Mann, Buddenbrooks, Dritter Teil, Viertes Kapitel, S. 114. 4 Mann, Buddenbrooks, Vierter Teil, Siebtes Kapitel, S. 219. 5 Vgl. auch Zipperer, NJW 2016, 750, 752. 6 Ebenso Uhlenbruck, in: FS Gerhardt, S. 979, 981; Zipperer, NJW 2016, 750, 752. 2

2

Kapitel 1: Einführung

als der Tod, das war Tumult, Zusammenbruch, Ruin, Schmach, Schande, Verzweiflung und Elend.“7 Glücklicherweise ist die Welt, die Thomas Mann in seinem Roman beschreibt, untergegangen und auch das unternehmerische Scheitern hat einen Bedeutungswandel erfahren. Die „Start-up Kultur“ forciert einen offenen Umgang mit gescheiterten Geschäftsideen. In unzähligen Städten werden regelmäßig sogenannte „FuckUp Nights“ als soziales Event veranstaltet, die jungen Gründer*innen eine Plattform bieten, um offen vor Publikum über ihre Fehlentscheidungen zu sprechen. Diese Veranstaltungen sollen junge Menschen animieren, selbst das unternehmerische Glück zu suchen und sich von Rückschlägen nicht abhalten zu lassen. Genaue statistische Erhebungen fehlen, landläufig heißt es aber, neun von zehn Start-Ups würden nicht fortgeführt.8 Trotz allem scheint aber eine gewisse Makelbehaftung der Insolvenz die Zeit überdauert zu haben. Zumindest verwendete die Europäische Kommission noch im Jahr 2016 unter anderem dieses Narrativ für die Begründung eines Richtlinienvorschlags zur Einführung eines sogenannten „präventiven Restrukturierungsrahmens“. Dort heißt es, Unternehmer sollten „nicht stigmatisiert werden, wenn redliche Geschäftspläne scheitern“.9 Die Bemühungen der Kommission waren erfolgreich. Zum 20. Juni 2019 trat die Richtlinie (EU) 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz)10 in Kraft. Die Verhinderung der Stigmatisierung der Insolvenz ist in dieser Richtlinie aber allenfalls ein Nebenschauplatz. Vordergründung ist mit der Richtlinie bezweckt, Sanierungsinstrumente im Recht der Mitgliedstaaten zu implementieren, die einen Schuldner befähigen, die materielle Insolvenz gänzlich abzuwenden. Damit treibt die EuRRL die größte Veränderung des Insolvenzrechts seit der Buddenbrookschen Zeit weiter voran, nämlich die stetige Fortentwicklung vom klassischen Instrument der Gesamtvollstreckung hin zum Sanierungsgedanken.11

7

Mann, Buddenbrooks, Vierter Teil, Siebtes Kapitel, S. 218. Zeit Online, „Wir sind eine Familie?“, v. 10. Oktober 2017. Online abrufbar unter https://www.zeit.de/arbeit/2017-10/start-ups-berlin-arbeitswelt-versprechen-luegen. Zuletzt abgerufen am 6. November 2022. 9 COM (2016) 723 final, S. 7. 10 Im Folgenden abgekürzt als EuRRL. 11 Vgl. etwa Paulus, JZ 2009, 1148, 1151 ff.; Kübler, in: Kübler, HRI, § 1, Rn. 1–19; Humpenöder, Der Sanierungsgedanke im deutschen Insolvenzrecht, S. 27–66; Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, S. 28–33; Uhlenbruck, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in der Krise, 4. Teil Rn. 4.7. Zum Ganzen kritisch Heese, Die Funktion des Insolvenzrechts im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2018, S. 80–101. 8

B. Forschungsgegenstand

3

B. Forschungsgegenstand Die EuRRL ist in der Literatur umfassend beschrieben, gewürdigt und kritisch begleitet worden.12 Mit Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungsund Insolvenzrechts vom 22. Dezember 202013 hat der deutsche Gesetzgeber das sogenannte „Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz“14 eingeführt und damit die EuRRL bereits in das nationale Recht umgesetzt. Erstaunlicherweise hat aber ein Aspekt sowohl in der EuRRL selbst, als auch in der einschlägigen Literatur und auch in den Gesetzgebungsmaterialien zum StaRUG nur eine stiefmütterliche Behandlung erfahren, der aber in einer globalisierten und vernetzten Welt von überragender Bedeutung ist. Vollkommen unklar ist nämlich bisher, wie die internationale Gerichtszuständigkeit für das neue Restrukturierungsverfahren zu bestimmen ist. Erst allmählich findet sich in der Literatur eine Behandlung dieser Fragestellung;15 eine umfassende Untersuchung steht aus. Dies gibt Anlass zu näherer Befassung. Die Inanspruchnahme der einzelnen Restrukturierungsinstrumente unter der Richtlinie erfordert unter gewissen Voraussetzungen stets die Beteiligung einer „Justiz- und Verwaltungsbehörde“.16 Die Frage der internationalen Zuständigkeit wird also zu den ersten gehören, mit der sich die Praxis konfrontiert sieht, sobald es sich um einen Restrukturierungsfall handelt, der Bezug zu mehr als nur einem Mitgliedstaat aufweist. Außerdem begünstigt Unklarheit in der Frage der internationalen Zuständigkeit die Beeinflussung des internationalen Gerichtsstandes. So sind in der Vergangenheit unter dem Stichwort „Sanierungsmigration“ Verfahren zu großer Aufmerksamkeit gelangt, in denen zum Zwecke der

12 Vgl. etwa Bork, ZIP 2017, 1441 ff.; Brinkmann, NZI-Beilage 1/2019, 27 ff.; Freitag, ZIP 2019, 541 ff.; Kern, NZI-Beilage 1/2019, 18 ff.; H. F. Müller, ZGR 2018, 56 ff.; Parzinger, ZIP 2019, 1748 ff.; Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring; Seibt/Treuenfeld, DB 2019, 1190 ff.; Skauradszun, KTS 2019, 161 ff.; Smid, ZInsO 2020, 266 ff.; Thole, ZIP 2017, 101 ff. 13 BGBl. 2020 Teil I, S. 3256 ff. Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz. Abgekürzt: SanInsFoG. 14 Kurz: StaRUG. 15 Etwa Skauradszun, ZIP 2019, 1501 ff. Treffenderweise betitelt als: „Die Restrukturierungsrichtlinie und das ,verschwitzte‘ internationale Zivilverfahrensrecht“. Vgl. auch Dammann, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 1 EuRRL, Rn. 54–88; Thole, ZIP 2021, 2153 ff.; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654 ff.; Madaus, ZIP 2022, 1233 ff.; Piekenbrock, in: FS Gehrlein, S. 455–467. 16 Vgl. etwa Art. 10 Abs. 1 EuRRL. Dazu ausführlich unten Kapitel 2, C. II.

4

Kapitel 1: Einführung

Insolvenzvermeidung ein ganz bestimmter internationaler Gerichtsstand ausgewählt wurde.17 Deshalb ist von Interesse, ob derartige Konstellationen auch im Rahmen künftiger Restrukturierungsverfahren zu erwarten sind. Darüber hinaus hat die internationale Gerichtszuständigkeit weitere Implikationen. Sie wirkt sich direkt auf das anwendbare Recht und auch auf die Anerkennung ausländischer Entscheidungen aus. Deshalb kann bei einer reinen Untersuchung der Gerichtszuständigkeit nicht stehengeblieben werden. Vorliegend sollen daher auch die Wechselwirkungen der Gerichtszuständigkeit mit dem anwendbaren Recht und der Anerkennungsfähigkeit ausländischer Entscheidungen berücksichtigt werden. Diese Fragstellungen sollen in der vorliegenden Arbeit allerdings nur im Hinblick auf Kapitalgesellschaften untersucht werden, da die haftungsbeschränkten Gesellschaftsformen den besonders praxisrelevanten Anteil der Restrukturierungsfälle stellen dürften. Unberücksichtigt bleiben deshalb sämtliche Restrukturierungskonstellationen, in denen eine natürliche Person unmittelbar oder mittelbar als Schuldner für Verbindlichkeiten haftet. Außerdem wird nur die Rechtslage für den europäischen Binnenmarkt dargestellt; Drittstaatensachverhalte bleiben ausgeklammert.

C. Gang der Untersuchung Die anstehende Untersuchung gliedert sich in fünf Teile. Zunächst werden im zweiten Kapitel die Grundlagen der EuRRL erläutert. Hier soll dargestellt werden, welchen Zwecken die Richtlinie zu dienen bestimmt ist. Außerdem werden die einzelnen Sanierungsinstrumente herausgearbeitet und deren Funktion im Restrukturierungsprozess erläutert. Zuletzt wird untersucht, in welchem Umfang eine gerichtliche Beteiligung für das Restrukturierungsverfahren vorgesehen ist. Ein genaues Verständnis der Richtlinie ist erforderlich, um darauf aufbauend die grenzüberschreitenden Fragstellungen fundiert untersuchen zu können. Sodann werden im dritten Kapitel die bereits angedeuteten Implikationen der internationalen Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren vertiefend herausgearbeitet. Zunächst erfolgt eine Auseinandersetzung mit den dogmatischen Grundlagen des internationalen Zivilverfahrensrechts. Außerdem wird die These, dass es vor der Durchführung eines Restrukturierungsverfahrens zu einer Beeinflussung des internationalen Gerichtsstandes kommen könnte, auf ihre Plausibilität hin untersucht. Hierzu wird das Verhältnis von Zuständigkeit 17 Dazu ausführlich Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 5 ff. Vgl. auch Westpfahl, ZGR 2010, 385, 386; Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033 ff.; Paulus, ZIP 2011, 1077 ff.; Vallender, ZGR 2006, 425 ff. Vgl. auch die Monografien Reuß, „Forum Shopping“ in der Insolvenz, Tübingen, 2011; Wyen, Rechtswahlfreiheit im europäischen Insolvenzrecht, Tübingen, 2014.

C. Gang der Untersuchung

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und anwendbarem Recht beleuchtet. Abschließend wird herausgearbeitet, dass ein Spannungsverhältnis zwischen Gesellschafts- und Insolvenz- bzw. Restrukturierungsrecht in den hier interessierenden Fällen der Restrukturierung einer Kapitalgesellschaft entstehen kann. Diese Überlegungen dienen der weiteren Spezifizierung des Untersuchungsgegenstands für die im Hauptteil erfolgende Befassung mit dem Zuständigkeitssystem. Im nachfolgenden vierten Kapitel wird untersucht, ob sich die Fragen der internationalen Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts und der Anerkennung ergangener Entscheidungen für das Restrukturierungsverfahren mit Hilfe der EuInsVO lösen lassen. Dafür besteht eine hohe Plausibilität, da ausweislich der Erwägungsgründe zumindest der Richtliniengeber selbst eine Anwendung der EuInsVO auf das Restrukturierungsverfahren in Betracht gezogen hat. So heißt es in Erwägungsgrund 13 EuRRL, die Richtlinie solle vollständig mit der EuInsVO vereinbar sein.18 Gleichwohl konstatiert dieser Erwägungsgrund, die Richtlinie schreibe nicht vor, dass ein Restrukturierungsverfahren sämtliche Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der EuInsVO erfüllen müsse.19 Mithin scheint der Richtliniengeber in Betracht zu ziehen, dass die grenzüberschreitenden Fragestellungen des Verfahrens nicht notwendigerweise nach der EuInsVO zu lösen sind. Deshalb wird im fünften Kapitel dieser Arbeit der Frage nachgegangen, wie Zuständigkeit, anwendbares Recht und Anerkennung ausländischer Entscheidungen zu bestimmen sein könnten, falls die EuInsVO sich nicht heranziehen ließe. Im abschließenden sechsten Kapitel dieser Arbeit wird der Versuch einer Bewertung der herausgearbeiteten Untersuchungsergebnisse unternommen. Darauf aufbauend wird ein Vorschlag zur Fortentwicklung des internationalen europäischen Restrukturierungsrechts unterbreitet.

18 Erw.-Gr. 13 EuInsVO lautet wörtlich: „Diese Richtlinie sollte unbeschadet des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) 2015/848 gelten, jedoch vollständig mit dieser Verordnung vereinbar sein und diese ergänzen, indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, präventive Restrukturierungsverfahren einzuführen, die bestimmten Mindestgrundsätzen der Wirksamkeit genügen. Sie verfolgt keinen anderen Ansatz als den der genannten Verordnung, nach dem die Mitgliedstaaten Verfahren beibehalten oder einführen können, die nicht die Bedingungen der öffentlichen Bekanntmachung für die Mitteilung nach Anhang A der genannten Verordnung erfüllen. Die vorliegende Richtlinie schreibt zwar nicht vor, dass bei den Verfahren in ihrem Anwendungsbereich sämtliche Bedingungen für die Mitteilung nach dem genannten Anhang A erfüllt sein müssen, ihr Ziel ist aber, die grenzüberschreitende Anerkennung dieser Verfahren und die Anerkennung und Vollstreckbarkeit der Urteile zu erleichtern.“ 19 Vgl. Fn. 18.

Kapitel 2

Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023 A. Einleitung und Gang der Untersuchung Die umfassende Untersuchung der internationalen Dimension des Restrukturierungsverfahrens bedarf einiger gedanklicher Vorarbeit, die im vorliegenden Kapitel zu leisten sein wird. Zunächst soll ein Einblick in die Regelungen der EuRRL gegeben werden, um eine Vorstellung davon entwickeln zu können, wie das Restrukturierungsverfahren nach der Richtlinie beschaffen ist. Dafür wird einleitend darauf eingegangen, welche konkreten Zwecke mit der EuRRL verfolgt werden. Sodann werden die Eintrittsvoraussetzungen in das Verfahren und die konkreten Sanierungsinstrumente genauer betrachtet. Abschließend soll untersucht werden, an welchen Stellen eine gerichtliche Beteiligung im Restrukturierungsverfahren vorgesehen ist. Dies ist erforderlich, um zu konkretisieren, in welchen Situationen sich überhaupt die Frage nach der internationalen Verfahrenszuständigkeit im Restrukturierungsprozess stellt.

B. Einführung in die EuRRL Die EuRRL verpflichtet die Mitgliedstaaten, innerhalb von zwei Jahren einen sogenannten präventiven Restrukturierungsrahmen zu erlassen.1 Dieser soll Schuldnern in finanziellen Schwierigkeiten bei einer wahrscheinlichen Insolvenz zur Verfügung stehen, um die Insolvenz abzuwenden und die Bestandsfähigkeit des Schuldners sicherzustellen, Art. 1 Abs. 1 lit. a) EuRRL.2 Außerdem sieht die Richtlinie die Implementierung von Verfahren vor, die eine Entschuldung insolventer Unternehmer gewährleisten sollen, Art. 1 Abs. 1 lit. b) EuRRL. Zuletzt bezweckt die Richtlinie die Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren, Art. 1 Abs. 1 lit. c) EuRRL. Die Regelungen der EuRRL sollen nun auf ihre Grundzüge heruntergebrochen und im Hinblick auf die für diese Arbeit relevanten Aspekte untersucht werden.

1 Eine Verlängerung der Umsetzungsfrist um ein Jahr kann bei besonderen Umsetzungsschwierigkeiten in Anspruch genommen werden, Art. 34 Abs. 2 EuRRL. 2 Vgl. auch Garcimartin, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 1 EuRRL, Rn. 1 f.

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Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023

I. Gliederung Die EuRRL ist in sechs Titel untergliedert. Titel 1 enthält allgemeine Bestimmungen und definiert insbesondere den Gegenstand und den Anwendungsbereich der Richtlinie. In Art. 2 EuRRL werden die relevanten Begriffe legaldefiniert. Das „Herzstück“3 der EuRRL bildet Titel 2, der die Festsetzungen über den präventiven Restrukturierungsrahmen enthält. Dabei wird in Kapitel 1 zunächst der Anwendungsbereich des Restrukturierungsrahmens festgelegt. Sodann werden im Kapitel 2 Maßnahmen vorgeschlagen, die zur Erleichterung der Verhandlungen über den präventiven Restrukturierungsrahmen führen sollen. Insbesondere soll eine Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen vorgenommen werden können, um die Verhandlungen über einen Restrukturierungsrahmen überhaupt zu ermöglichen.4 Im dritten Kapitel (Art. 8 ff. EuRRL) enthält die Richtlinie Festlegungen über den sogenannten „Restrukturierungsplan“. Dieser ist das zentrale Sanierungsinstrument und in seinem Inhalt mit dem Insolvenzplan nach §§ 217 ff. InsO vergleichbar.5 Die im Rahmen eines Restrukturierungsplans vereinbarten Zwischenfinanzierungen werden durch bevorzugte Behandlung im Falle eines späteren Insolvenzverfahrens einem besonderen Schutz unterstellt (Titel 2, Kapitel 4).6 Auch die Pflichten der Unternehmensund Geschäftsleitung werden konkretisiert (Titel 2, Kapitel 5). Titel 3 der EuRRL dient der Harmonisierung der Entschuldungsverfahren innerhalb der Europäischen Union. Nach der Umsetzung muss in jedem Mitgliedstaat mindestens ein Verfahren zur vollständigen Entschuldung zur Verfügung stehen,7 dabei darf die Entschuldung für Unternehmer ab dem Zeitpunkt der behördlichen Bestätigung eines Tilgungsplans bzw. der Verfahrenseröffnung nicht mehr als drei Jahre betragen.8 Titel 4 enthält Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Insolvenz-, Restrukturierungs- und Entschuldungsverfahren, die im Wesentlichen darauf abzielen, genügende Sachkompetenz von Behördenmitgliedern9 sowie bestellten Verwaltern10 zu gewährleisten. Sodann werden die Mitgliedstaaten im fünften Titel verpflichtet, Daten über Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren zu aggregieren11 und an die Europäische Kommission weiterzuleiten.12 Dies soll der Kommission die Möglichkeit verschaffen, die Umsetzung und Pra-

3 H. F. Müller, ZGR 2018, 56, 68; Seagon, NZI-Beilage 1/2019, 73, 74; Kayser, ZIP 2017, 1393, 1399. 4 Art. 6 Abs. 1 EuRRL. 5 Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 226, 227. Desch, in: Desch, § 3, Rn. 1: „funktionale Übereinstimmung“. 6 Siehe Art. 17 Abs. 1 EuRRL. 7 Art. 20 Abs. 1 EuRRL. 8 Art. 21 Abs. 1 EuRRL. 9 Art. 25 lit. a) EuRRL. 10 Art. 26 Abs. 1 lit. a) EuRRL. 11 Art. 29 Abs. 1 EuRRL. 12 Art. 29 Abs. 6 EuRRL.

B. Einführung in die EuRRL

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xistauglichkeit der Richtlinie fortlaufend zu überprüfen.13 Titel 6 der EuRRL enthält die Schlussbestimmungen. Für die vorliegende Arbeit sind ausschließlich die Regelungen zum präventiven Restrukturierungsrahmen von Relevanz, die sich im zweiten Titel der EuRRL finden. Teilweise wird auch auf Aspekte des vierten Titels eingegangen werden. Die übrigen Vorschriften der EuRRL werden allenfalls beiläufig behandelt.

II. Zwecksetzung Die EuRRL verfolgt eine Vielzahl unterschiedlicher Zwecke, die im Folgenden dargelegt werden. Deren Betrachtung ist für die vorliegende Arbeit von großer Relevanz. Die internationalen Implikationen des Restrukturierungsverfahrens müssen so gelöst werden, dass den Zwecken der Richtlinie gebührend Rechnung getragen wird. 1. Stärkung des Binnenmarktes Ein Blick in die Erwägungsgründe zeigt, dass die EuRRL den primären Zweck verfolgt, Reibungen innerhalb des Binnenmarktes abzubauen, die dadurch bedingt sind, dass erhebliche Rechtsunterschiede zwischen den nationalen Restrukturierungs-, Insolvenz und Entschuldungsverfahren bestehen.14 Unsicherheit in Bezug auf die mitgliedstaatlichen Voraussetzungen zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens bzw. einer Restrukturierung wird als wesentliches Hemmnis für grenzüberschreitende Investitionen begriffen.15 Daher soll der Binnenmarkt durch eine Steigerung der Effizienz von Restrukturierungsverfahren insgesamt gestärkt werden. a) Begründung der unionalen Kompetenz Diese Erwägungen zielen darauf ab, die Kompetenz der europäischen Union zur materiellen Rechtsvereinheitlichung zu begründen.16 Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung kann die Europäische Union gerade nur in denjenigen Bereichen tätig werden, die ihr von den Mitgliedstaaten in den Verträgen übertragen worden sind, Art. 5 Abs. 2 AEUV. Ihr fehlt die sogenannte „Kompetenz-Kompetenz“, also die Fähigkeit, ihre eigenen Zuständigkeiten selbstständig zu erweitern.17 Die Europäische Union ist nach Art. 81 Abs. 1 AEUV befugt, 13 Vgl. Erw.-Gr. 92. Siehe auch Richter, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 29 EuRRL, Rn. 1 f. 14 Vgl. Erw.-Gr. 1, Erw.-Gr. 8. 15 Siehe Erw.-Gr. 7, Erw.-Gr. 8. 16 Vgl. Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Teil 1, Rn. 26 ff. 17 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 1 AEUV, Rn. 18.

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Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023

Rechtsetzung in dem Bereich der justiziellen Zusammenarbeit zu betreiben. Dazu gehört insbesondere der Erlass von Normen, die eine gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen von Mitgliedstaaten ermöglichen,18 sowie eine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts.19 In dem Bereich des Insolvenzrechts sind entsprechende Maßnahmen durch den Erlass der EuInsVO getroffen worden.20 Die Kompetenztitel im Art. 81 Abs. 2 AEUV sind abschließend.21 Die Europäische Union hat demnach eine Kompetenz zur Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des internationalen Privat- und Verfahrensrechts und im Bereich des allgemeinen Zivilprozessrechts, nicht jedoch im Bereich des materiellen Rechts der Mitgliedstaaten22 und damit auch nicht im Bereich des materiellen Insolvenzrechts. Insofern musste die EuRRL auf eine andere Kompetenzgrundlage gestützt werden. Mit dem Verweis auf die bestehenden Beschränkungen im Binnenmarkt durch die uneinheitliche Rechtslage und die daraus resultierenden Einschränkungen insbesondere im Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit ist auf Art. 53 sowie Art. 114 AEUV zurückgegriffen worden.23 b) Binnenmarkt und internationales Zivilverfahrensrecht Unbestritten hat jedenfalls die Harmonisierung des europäischen Zivilprozessrechts eine herausragende Binnenmarktrelevanz. Ein Justizwesen, das eine effektive grenzüberschreitende Durchsetzung von Ansprüchen gewährleistet, ist ein integraler Bestandteil eines funktionsfähigen europäischen Binnenmarktes.24 Deshalb wurde bereits zu Zeiten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Rechtsvereinheitlichung im europäischen Zivilprozessrecht vorangetrieben.25

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Art. 81 Abs. 1 lit. a) AEUV. Art. 81 Abs. 1 lit. c) AEUV. 20 Vgl. Erw.-Gr. 3 EuInsVO. 21 Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV, Rn. 8; Lenzing, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 81 AEUV, Rn. 7; Leible, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV, Rn. 19, Rosenau/Petrus, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 81 AEUV, Rn. 8; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/ AEUV, Art. 81 AEUV, Rn. 6; a.A. Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 81 AEUV, Rn. 38. Für die h.M. streitet hingegen ein Vergleich mit dem Wortlaut des Art. 65 EGV „schließen ein“, da sich diese Formulierung in Art. 81 AEUV nicht mehr wiederfindet. 22 Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV, Rn. 16; Leible, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV, Rn. 44. 23 Kritisch dazu etwa Stellungnahme VID v. 1. März 2017, S. 8 ff.; Morgen, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Einl., Rn. 13; Würdinger, jM 2018, 90, 92; Kayser, ZIP 2017, 1393, 1395; Berg, EuZW 2019, 442; Piekenbrock, NZI-Beilage 2017, 36. Vgl. dagegen Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL Teil 1, Rn. 32 ff.: „keine Zweifel“ an der Rechtsgrundlage. 24 Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 3, Rn. 3.1. 25 Dazu Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 1, Rn. 1.1–1.10. 19

B. Einführung in die EuRRL

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Diese Binnenmarktrelevanz begründet gerade die Kompetenzzuweisung an die Union zur justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen durch Art. 81 AEUV.26 Damit die Restrukturierungsinstrumente die gewünschten Effekte auf den Binnenmarkt entfalten können, muss also die Gerichtszuständigkeit für die entsprechenden Verfahrensschritte so weit wie möglich europäisch einheitlich geregelt werden. Die im Restrukturierungsverfahren getroffenen Gerichtsentscheidungen müssen grenzüberschreitend anerkennungsfähig und vollstreckbar sein. Trotz dieser offensichtlichen Binnenmarktrelevanz und der eindeutigen Kompetenzzuweisung an die EU im Bereich des internationalen Zivilverfahrensrechts findet sich in der EuRRL keine Regelung für grenzüberschreitende Restrukturierungen.27 Dieses Versäumnis überrascht und ist darüber hinaus geeignet, die Ziele der Richtlinie insgesamt zu untergraben. 2. Förderung der „Sanierungskultur“: Insolvenzvermeidung Ein weiteres wesentliches Ziel der EuRRL ist die Förderung der „Sanierungskultur“ im europäischen Binnenmarkt.28 Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten sollen nicht vorschnell abgewickelt, sondern frühzeitig derart umstrukturiert werden, dass deren langfristiger Fortbestand am Markt gewährleistet ist. Das Eingreifen der Maßnahmen der mitgliedstaatlichen Insolvenzregime wird dabei als zu spät betrachtet.29 Der Richtliniengeber hat vor Augen, ein Verfahren zu implementieren, das einen Rechtsrahmen für die vorinsolvenzliche Unternehmensrestrukturierung bietet, der bisher nicht in ausreichendem Maße in allen Mitgliedstaaten zur Verfügung stand.30 Die Sanierung krisenbehafteter Unternehmen soll nach der Vorstellung des europäischen Gesetzgebers dazu dienen, Arbeitsplätze zu erhalten und einen „Brain-Drain“ zu verhindern.31 Unternehmen pauschal in die Insolvenz zu schicken, so kann nach Lektüre der Erwägungsgründe pointiert zusammengefasst werden, sei eine Vernichtung von Ressourcen einer Volkswirtschaft.

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Leible, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV, Rn. 5. Erw.-Gr. 12–14 EuRRL tangieren diese Frage zwar, das genaue Verhältnis der EuRRL zur EuInsVO bleibt aber kryptisch und wird in der Richtlinie selbst nicht weiter präzisiert. Kritisch dazu auch Paulus, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Intro., Rn. 15 ff. 28 COM (2016) 723 final; S. 7 f.; Thole, ZIP 2017, 101, 101. 29 Siehe Erw.-Gr. 4. 30 Vgl. Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL Teil 1, Rn. 11; Dammann, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructurng, Art. 1 EuRRL, Rn. 2 f. 31 Erw.-Gr. 2; Erw.-Gr. 4; Erw.-Gr. 8; Erw.-Gr. 16; COM (2016) 723 final S. 2, S. 6. 27

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Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023

a) Kritik In Anbetracht dessen wird teils scharfe Kritik an dem in der EuRRL enthaltenen Sanierungsgedanken geübt. Das (Unternehmens)Insolvenzrecht habe in einer Volkswirtschaft gerade bereinigende Funktion dergestalt, dass nicht konkurrenzfähige Unternehmen gezwungen sind, aus dem Markt auszuscheiden; durch die EuRRL bestehe die Gefahr, dass diese grundsätzliche Ordnungsfunktion zumindest teilweise verlorenginge.32 Es sei nicht sinnvoll, Geschäftsmodelle, die sich am Markt nicht trügen, gleichsam künstlich zu beatmen.33 Außerdem sei das Ziel des deutschen Insolvenzverfahrens allein die Gläubigerbefriedigung, wie schon § 1 InsO zum Ausdruck bringe.34 Die EuRRL reite auf der Welle eines kritisch zu betrachtenden „Sanierungshypes“.35 Der in der Richtlinie enthaltene Fokus auf die Sanierung und den damit verbundenen Arbeitsplatzerhalt sei dem französischen Recht entlehnt und dem deutschen Recht bislang unbekannt.36 Die Kritik am Sanierungsgedanken wird mit dem Argument unterfüttert, dass ein Spannungsfeld zwischen der Orientierung des Verfahrens an den Gläubigerinteressen und der beabsichtigten Unternehmensfortführung bestehe.37 Die Fortführung eines krisenbehafteten Unternehmens erfolge gleichsam auf dem Rücken der geprellten Gläubiger.38 Es bestehe die Gefahr, dass die Anreize der EuRRL zur Unternehmensfortführung die berechtigten Interessen der Gläubiger hintenanstelle.39 b) Stellungnahme Zutreffend ist, dass die Abwicklung insolventer Unternehmen in einer Marktwirtschaft eine wichtige Ordnungsfunktion erfüllt. Es ist allerdings fraglich, ob diese Form der Vermögensreallokation das einzige rechtliche Mittel darstellen sollte, um auf wirtschaftliche Krisensituationen zu reagieren. Vielmehr scheint eine Koexistenz von Abwicklungs- und Sanierungsverfahren sinnvoll.40 Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Weltmärkte41 im Frühjahr des Jahres 32 Korch, ZHR 182 (2018), 440, 442. In diesem Sinne auch Heese, Die Funktion des Insolvenzrechts im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2018, 74 ff. Vgl. zum Sanierungsgedanken etwa Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11, 16; Kayser, ZIP 2018, 2189 ff. 33 Korch, ZHR 182 (2018), 440, 442. 34 Paulus/Dammann, ZIP 2018, 249, 250. 35 So Thole, ZIP 2017, 101, 101. Für eine Darstellung der Problematik des zunehmenden Fokus auf die Sanierung: ders. in: Heinrich, Unternehmenssanierung im Fokus der Arbeitsund Insolvenzrechtspraxis, 2015, 87, 100 ff. 36 Paulus/Dammann, ZIP 2018, 249, 250. 37 Korch, ZHR 182 (2018), 440, 442. 38 Korch, ZHR 182 (2018), 440, 453. 39 Korch, ZHR 182 (2018), 440, 481. 40 Vgl. Stürner, in: MüKo InsO, Einl., Rn. 2 f. 41 Das Corona-Virus kostet den Welthandel pro Quartal 320 Mrd. US-Dollar, Pressemittelung Euler Hermes v. 6. März 2020. Zusammenfassung in ZInsO 2020, Heft 12, S. III.

B. Einführung in die EuRRL

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2020 zeigen deutlich, dass Unternehmen gänzlich unverschuldet in eine wirtschaftliche Schieflage geraten können. Gerade in einer solchen Situation scheint es erforderlich, einem Unternehmen durch eine Sanierung eine zweite Chance am Markt zu ermöglichen. Auch die Feststellung, dass eine Liquidation eines insolventen Unternehmens regelmäßig den Gläubigerinteressen am besten entspreche, relativiert sich erheblich bei einem Blick in die Statistik. Die durchschnittliche Quote bei Unternehmensinsolvenzen lag in Deutschland für Verfahren, die bis zum Jahr 2017 beendet worden sind, bei 6,2 %.42 Vor diesem Hintergrund ist durchaus fraglich, ob das gesetzlich festgesetzte Ziel des Insolvenzverfahrens der „Befriedigung“ im Rahmen der Liquidation überhaupt zufriedenstellend erreicht wird.43 Wird den Gläubigern also im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens ermöglicht, hinsichtlich eines höheren Anteils der ausstehenden Forderungen befriedigt zu werden, indem das fortgeführte Unternehmen Gewinne erwirtschaftet, die zur Begleichung der Ausstände verwendet werden, so ist der (scheinbare) Widerspruch aufgelöst.44 Dann nämlich liegt der Fortführungswert des Unternehmens höher als der Liquidationswert; die Sanierung ist damit volkswirtschaftlich sinnvoll und sogar wünschenswert.45 In diesem Fall dient die Fortführung des Unternehmens der Wahrung der Interessen der Gläubiger. Die Gefahr, dass die Unternehmenssanierung die Gläubiger unter dem Strich schlechter stellt als eine Liquidation, ist selbstverständlich nicht von der Hand zu weisen. Das Weiterwirtschaften kann zu einer Verringerung des zur Befriedigung zur Verfügung stehenden Kapitals führen.46 Daher bedarf es innerhalb des Restrukturierungsverfahrens einer Kontrollinstanz, die über die Wahrung der Gläubigerrechte wacht und einen Missbrauch des Verfahrens verhindert.47 c) Konsequenz für die Untersuchung der internationalen Gerichtszuständigkeit Aus dem Vorstehenden folgt, dass der staatlichen Beteiligung im Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL eine erhebliche Bedeutung zukommt. Die für das Verfahren notwendige Überwachungsfunktion wird durch staatliche Institutionen wahrgenommen werden.48 Dieser Aspekt muss bei der Bestimmung der 42 Statistisches Bundesamt, Pressemittelung Nr. 115 v. 27. März 2019; online unter https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/03/PD19 115 52411.html. Zuletzt abgerufen am 6. November 2022. Auch in diesem Sinne argumentierend Paulus/Dammann, ZIP 2018, 249, 250. 43 Flessner, KTS 2010, 127, 142: Die Formulierung des § 1 InsO sei eine „lebenserleichternde Lüge“. 44 Vgl. Eidenmüller, in: MüKo InsO, Vor. §§ 217–269, Rn. 7 und § 217, Rn. 176. 45 Vgl. dazu Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11, 16. 46 Vgl. Kern, in: MüKo InsO, § 270b, Rn. 12 zur entsprechenden Problematik im Rahmen des § 270b InsO. 47 Heese, Die Funktion des Insolvenzrechts im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2018, S. 76. 48 Dazu noch ausführlich unten C. II.

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Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023

internationalen Zuständigkeit besondere Berücksichtigung finden. Ein wirksamer Schutz der Gläubigerrechte kann im Restrukturierungsverfahren nur gewährleistet werden, wenn die für die Planbestätigung zuständigen Stellen eindeutig und rechtssicher festzustellen sind. Auch die wechselseitige Anerkennung der Entscheidungen im europäischen Binnenmarkt muss gewährleistet sein, um den Schutz der Gläubigerinteressen länderübergreifend durchsetzen zu können. Mithin erfordert eine nachhaltige Förderung der Sanierungskultur im Binnenmarkt auch die Befassung mit der internationalen Zuständigkeit. Umso frappierender ist es, dass dieser Aspekt in der Richtlinie nur eine stiefmütterliche Behandlung erfährt. 3. Abbau notleidender Kredite Ebenfalls hat sich die EuRRL dem Ziel verschrieben, notleidende Kredite (sog. non-performing loans) abzubauen.49 Was unter einem „notleidenden Kredit“ zu verstehen ist, ergibt sich nicht aus der EuRRL selbst. a) Begriffsbestimmung Zur Konkretisierung des Begriffs des „notleidenden Kredits“ kann auf den Leitfaden der Europäischen Zentralbank50 für Banken zu notleidenden Krediten zurückgegriffen werden.51 Dort empfiehlt die EZB für die Definition des Begriffs „notleidender Kredit“, auf die einheitliche Definition der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde52 für „notleidende Risikopositionen“ (sog. non-performing exposures) zurückzugreifen.53 Der Begriff der Risikoposition ist ein Überbegriff, der neben Krediten auch andere Formen der Kapitalverschaffung, wie beispielsweise Schuldverschreibungen umfasst.54 Eine Definition des Begriffs der „notleidenden Risikopositionen“ enthält Absatz 213 Anhang V EBA FINREP55. Danach ist eine Risikoposition als notleidend einzustufen, wenn diese entweder mehr als 90 Tage überfällig ist56 oder deren vollständige Begleichung durch den 49

Siehe Erw.-Gr. 3; Thole, ZIP 2017, 101, 101. Im Folgenden EZB. 51 Online abrufbar unter https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/guida nce on npl.de.pdf. Zuletzt abgerufen am 6. November 2022. Folgend abgekürzt als „EZB NPL Leitfaden“. Vgl. dazu auch Schluck-Amend, NZI-Beilage 1/2019, 14, 15. 52 Im Folgenden EBA. 53 EZB NPL Leitfaden, S. 53. 54 Siehe EBA Report on Non-Performing Loans 2019, S. 11, dort Fn. 4. Online abrufbar unter https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/document library/Risk%20Analy sis%20and%20Data/Risk%20Assessment%20Reports/2019//Final%20EBA%20Report%2 0on%20NPLs-for%20publication final.pdf. Zuletzt abgerufen am 6. November 2022. 55 Online abrufbar unter https://www.eba.europa.eu/sites/default/documents/files/docum ents/10180/2321183/b67323ac-27fa-482d-926e-ae7ba3e90cb8/Annex%20III%20%28Ann ex% 205 %20 %28FINREP%29 %29.pdf; siehe Seite 53. Zuletzt abgerufen am 6. November 2022. 56 Abs. 213 lit. a) Anhang V EBA FINREP. 50

B. Einführung in die EuRRL

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Schuldner ohne die Verwertung von Sicherheiten als unwahrscheinlich gelten kann.57 Rechtlich bindend ist die vorliegende Definition ausschließlich für das aufsichtsrechtliche Meldewesen.58 Die EZB empfiehlt jedoch Banken eine Anwendung ebendieser Kriterien für die bilanzielle Erfassung von notleidenden Krediten.59 Insofern sollen die Kriterien des Absatzes 213 Anhang V EBA FINREP auch für die vorliegende Arbeit zur Begriffsbestimmung des „notleidenden Kredits“ herangezogen werden. b) Schlussfolgerung Die EuRRL soll die Früherkennung von wirtschaftlichen Krisensituationen begünstigen und bewirken, dass Präventionsmaßnahmen bereits getroffen werden, bevor ein Schuldner die oben genannten Kriterien des Absatzes 213 Anhang V EBA FINREP erfüllt.60 Eröffnungsvoraussetzung des Restrukturierungsverfahrens ist konsequenterweise bereits die wahrscheinliche Insolvenz des Schuldners.61 Wenn aber die EuRRL das Ziel, notleidende Kredite zum Schutz der Volkswirtschaften der EU-Mitgliedstaaten abzubauen, erreichen soll, so muss das Restrukturierungsverfahren nach der Richtlinie zu einem wirklich sicheren Hafen für Schuldner und Gläubiger werden. Das kann nur gelingen, wenn die im nationalstaatlichen Restrukturierungsverfahren getroffenen Maßnahmen sich in ihrer Wirkung auf den gesamten europäischen Binnenmarkt erstrecken. Zur Verdeutlichung mag hier das Moratorium nach Art. 6 Abs. 1 EuRRL dienen. Dort ist vorgesehen, dass Schuldner zur Unterstützung der Verhandlung über den präventiven Restrukturierungsrahmen eine Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen in Anspruch nehmen können. Wurde dem Antrag durch ein mitgliedstaatliches Gericht stattgegeben, ist es für die Funktionsfähigkeit des Verfahrens unabdingbar, dass dieses Moratorium Wirkung in allen Mitgliedstaaten entfaltet. Ansonsten besteht die Gefahr, dass gewisse Gläubiger ihre Forderungen vor den Gerichten anderer Staaten einklagen.62 Dies würde die Haftungsmasse für diejenigen Gläubiger, die durch das Moratorium gebunden sind, empfindlich schmälern. Zusätzlich würde derjenige Teil der Darlehensforderungen, die dem Moratorium unterliegen, deutlich schneller zum notleidenden Kredit, da deren Begleichung bei einem nur partiell wirkenden Moratorium besonders unwahrscheinlich wäre.63 Unter derartigen Bedingungen ist eine erfolgver57

Abs. 213 lit. b) Anhang V EBA FINREP. Siehe EZB NPL Leitfaden, S. 53. 59 Siehe EZB NPL Leitfaden, S. 53 ff. 60 Siehe Erw.-Gr. 3 EuRRL. 61 Art. 4 Abs. 1 EuRRL. 62 Diese Gefahr besteht insbesondere bei Gläubigern, deren Forderungen einem anderen Recht unterstehen als dem Recht des „Restrukturierungsstaats“. Diese Konstellation wird wegen der immer zunehmenden Internationalisierung des Geschäftsverkehrs keine Seltenheit darstellen. Diese Problematik für Art. 7 Abs. 5 EuRRL adressierend, wenn als Forderungsstatut das Recht eines Drittstaats berufen ist, Skauradszun, KTS 2019, 161, 175 f. 63 Abs. 213 lit. b) Anhang V EBA FINREP stellt darauf ab, ob die vollständige Beglei58

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Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023

sprechende Restrukturierung unmöglich. Die noch folgende Untersuchung muss sich also auch der Frage stellen, wie eine grenzüberschreitende Wirkungserstreckung von Maßnahmen im Restrukturierungsverfahren praktisch am besten umzusetzen ist. 4. Schutz von kleinen und mittleren Unternehmen Ausweislich der Erwägungsgründe soll die EuRRL ferner dem Ziel dienen, kleine und mittlere Unternehmen64 zu schützen. KMU soll durch eine Harmonisierung des Restrukturierungsrechts die wirtschaftliche Aktivität im europäischen Ausland erleichtert werden.65 Nach den Vorstellungen des Richtliniengebers schrecken Unsicherheiten in Bezug auf das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht in anderen Mitgliedstaaten vor Investitionen im Ausland ab; insbesondere verfügten KMU nicht über die erforderlichen finanziellen Ressourcen, um diese Risiken abzuwägen, weshalb sie durch die Rechtsunterschiede in diesem Bereich als besonders beeinträchtigt gelten.66 Ebenso führten die hohen Transaktionskosten üblicherweise dazu, dass KMU häufiger liquidiert als saniert würden.67 Diese Kosten sollen durch die flexiblere Gestaltung des Verfahrens nach der EuRRL insbesondere für KMU gesenkt werden.68 Sind allerdings die Rechtsfragen der grenzüberschreitenden Restrukturierung nicht verbindlich geregelt und deshalb mit Unsicherheiten behaftet, so können gerade aus diesem Umstand erhebliche Transaktionskosten entstehen, die insbesondere KMU von der Inanspruchnahme des Verfahrens abhalten dürften. 5. Befreiung vom „Insolvenzstigma“ Außerdem verfolgt die EuRRL das Ziel, Restrukturierungsmaßnahmen vom „Stigma“ der Insolvenz zu befreien.69 Zu Grunde liegt der Gedanke, dass die chung der Forderung durch den Schuldner ohne die Verwertung von Sicherheiten als „wahrscheinlich“ gelten kann. Setzen andere Gläubiger ihre Forderungen vor Gerichten außerhalb des „Restrukturierungsstaats“ durch, so schmälern sie die Haftungsmasse und damit die Wahrscheinlichkeit, dass der Gläubiger in der Lage sein wird, die übrigen eingefrorenen Forderungen zu begleichen. 64 Folgend abgekürzt als KMU. Aus Erw.-Gr. 18 der EuRRL ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten sich bei der Definition dessen, was unter einem KMU zu verstehen ist, an der Richtlinie 2013/34/EU oder der „Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen“ orientieren sollen. Ein großes Unternehmen liegt danach vor, wenn zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt sind: a) Bilanzsumme größer als 20 Mio. †, b) Nettoumsatzerlöse über 40 Mio. † c) Durchschnittlich 250 Beschäftigte während des laufenden Geschäftsjahres. Vgl. Art. 3 Abs. 1–4 RL 2013/34/EU und Art. 2 der Kommissionsempfehlung vom 6. Mai 2003. 65 Siehe Erw.-Gr. 7. 66 Siehe Erw.-Gr. 7. 67 Siehe Erw.-Gr. 17. 68 Siehe Erw.-Gr. 29. 69 Vgl. COM (2016) 723 final, S. 6, S. 7, S. 40; Erw.-Gr. 72 EuRRL; Thole, ZIP 2017, 101, 101.

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Insolvenz, wie bereits einleitend dargelegt, trotz eines grundsätzlichen Mentalitätswandels in der öffentlichen Wahrnehmung noch häufig negativ assoziiert ist.70 Diese öffentliche Stigmatisierung begrenzt die Möglichkeiten von Sanierungsmaßnahmen, die legislativ im Bereich des Insolvenzrechts verankert sind.71 Durch eine begriffliche Abspaltung der Sanierung von der Insolvenz scheint es der Richtliniengeber zu bezwecken, die Stigmatisierung des neuen Verfahrens zu verhindern und Schuldnern neue Anreize zu geben, sich überhaupt einem Restrukturierungsverfahren zu unterziehen. Es wird insofern zu untersuchen sein, ob diese begriffliche Trennung auch im Rahmen des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts für das Restrukturierungsverfahren eingehalten werden kann. Immerhin könnte dies einen Anreiz für Mitgliedstaaten sein, das neu eingeführte Restrukturierungsverfahren nicht im Anhang A der EuInsVO zu listen, um jegliche Assoziation mit der Insolvenz schon im Ansatz zu vermeiden.

III. Anwendungsbereich des präventiven Restrukturierungsrahmens Die Analyse der Anwendungsvoraussetzungen ist zentral für das Verständnis der Funktionsweise des präventiven Restrukturierungsrahmens. 1. Formelle Voraussetzungen Zunächst werden die formellen Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung dargestellt. Offensichtlich können bereits Schuldner, die vom Anwendungsbereich der EuRRL ausgenommen sind, den Restrukturierungsrahmen nicht in Anspruch nehmen. Dazu zählen in erster Linie Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute.72 a) Antrag Gem. Art. 4 Abs. 7 EuRRL steht der präventive Restrukturierungsrahmen auf Antrag des Schuldners zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten können ferner vorsehen, dass auch Gläubiger und Arbeitnehmervertreter antragsberechtigt sind.73 Zur Verfahrenseinleitung bedarf es dann dennoch der Zustimmung des Schuldners.74 Dabei steht es den Mitgliedstaaten frei, dieses Zustimmungserfordernis auf KMU zu beschränken. Ob eine Verfahrenseinleitung ohne Beteiligung des Schuldners sinnvoll ist, darf bezweifelt werden: Der Erfolg einer Unternehmens70 Vgl. etwa Jaffe´/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1856; Seagon, ZVglRWiss 108 (2009), 203, 211 f.; Bork, ZIP 2010, 397, 413. 71 In diesem Sinne zu verstehen Jaffe´/Friedrich, ZIP 2008, 1849, 1856; Seagon, ZVglRWiss, 108 (2009), 203, 211 f.; Bork, ZIP 2010, 397, 413. 72 Vgl. Art. 1 Abs. 2 EuRRL. 73 Art. 4 Abs. 8 EuRRL. 74 Art. 4 Abs. 8 EuRRL: „vorbehaltlich der Zustimmung des Schuldners“.

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sanierung hängt doch gerade wesentlich von der Mitwirkungsbereitschaft des Schuldners ab.75 b) Staatliche Beteiligung Zu welchem Zeitpunkt ein solcher Antrag gestellt werden muss, das Verfahren also staatlicher Beteiligung bedarf, ist hingegen weniger eindeutig geregelt. Hier ist zu beachten, dass ein Restrukturierungsverfahren im Gegensatz zum Insolvenzverfahren keine Antragspflicht kennt.76 Die Verfahrenseinleitung ist freiwillig und die Mechanismen sind als „Rahmen“ ausgestaltet;77 nach der Struktur der EuRRL kann der Schuldner also die im Einzelfall zweckdienlichen Instrumente heranziehen.78 Die staatliche Beteiligung am Restrukturierungsverfahren kann zudem auf das „erforderliche und angemessene“ Maß beschränkt werden, Art. 4 Abs. 6 EuRRL. Damit soll den Mitgliedstaaten ermöglicht werden, das Restrukturierungsverfahren möglichst flexibel auszugestalten.79 Einfache Verhandlungen mit den Gläubigern bedürfen keiner Rechtfertigung; erst wenn im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens in Rechtspositionen eingegriffen wird, ist eine staatliche Beteiligung erforderlich.80 Dies ist meist dann der Fall, wenn der Schuldner konkrete Restrukturierungsinstrumente in Anspruch nimmt. So erfordert die Bestätigung des Restrukturierungsplans eine gerichtliche Beteiligung.81 Dies gilt auch für die Inanspruchnahme eines Moratoriums, Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 EuRRL. Das Moratorium ist aus Perspektive des Schuldners wohl regelmäßig ein notwendiges Mittel, um mit den Gläubigern in Verhandlungen treten zu können, da andernfalls zu befürchten wäre, dass durch

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Goetker, in: Flöther, Sanierungsrecht, E., Rn. 39. Vgl. dazu Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 4 EuRRL, Rn. 15. Die „wahrscheinliche Insolvenz“ gem. Art. 4 Abs. 1 EuRRL markiert den Zeitpunkt, ab dem der Schuldner den Restrukturierungsrahmen in Anspruch nehmen kann. Eine Verpflichtung dazu besteht nicht. Dazu Garcimartin, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 4 EuRRL, Rn. 6 ff. Hingegen muss ein Insolvenzantrag ohne schuldhaftes Zögern gestellt werden, sofern eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet ist, § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO. 77 Dazu Kern, NZI-Beilage 1/2019, 18, 18. 78 Vgl. Garcimartin, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 4 EuRRL, Rn. 32 ff. 79 Vgl. Erw.-Gr. 29. 80 Goetker, in: Flöther, Sanierungsrecht, E., Rn. 84; Garcimartin, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 4 EuRRL, Rn. 39. 81 Vgl. Art. 10 Abs. 1 EuRRL. Dies gilt zumindest für Restrukturierungspläne, die Forderungen ablehnender Gläubiger beeinträchtigten. Wird der Restrukturierungsplan hingegen einstimmig angenommen, bedarf es keiner gerichtlichen Bestätigung. In diesem Fall handelt es sich aber auch um eine konsensuale Vertragsänderung, die nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ohnehin immer vereinbart werden kann. 76

B. Einführung in die EuRRL

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die Bekanntgabe finanzieller Schwierigkeiten ein Ansturm auf die Haftungsmasse ausgelöst wird.82 2. Materielle Voraussetzungen In materieller Hinsicht ist die zentrale Voraussetzung der Einleitung des Restrukturierungsverfahrens das Vorliegen einer „wahrscheinlichen Insolvenz“.83 Die Definition dieser Eingangsvoraussetzung bleibt dabei dem nationalen Recht überlassen.84 Die Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der wahrscheinlichen Insolvenz sind in hohem Maße unklar.85 Eine Insolvenz ist im Geschäftsleben immer zu einem gewissen Grad wahrscheinlich.86 Die maßgebliche Frage lautet daher, wie wahrscheinlich die Insolvenz sich abzeichnen muss, bevor dem Schuldner die in der Richtlinie vorgesehenen Werkzeuge an die Hand gegeben werden. Eine detaillierte Darstellung der unterschiedlichen Ansätze ist dem Zweck dieser Arbeit nicht dienlich.87 Die folgenden Ausführungen beschränken sich also darauf, die Grundzüge der Richtlinienvorgaben und damit möglicher Umsetzungsvarianten darzustellen, um diese Ergebnisse für die Analyse der internationalen Implikationen des Verfahrens fruchtbar machen zu können. Im Grundsatz gilt Folgendes: Der präventive Restrukturierungsrahmen muss bereits zur Verfügung stehen, bevor ein Schuldner nach nationalem Recht insolvent wird.88 Diese Prämisse ist eigentlich selbstverständlich, denn andernfalls könnte der Restrukturierungsrahmen die angedachte präventive Wirkung überhaupt nicht entfalten. Außerdem gilt zu verhindern, dass es Schuldnern gelingt, durch eine Inanspruchnahme des Restrukturierungsverfahrens eine unvermeidliche Liquidation hinauszuzögern und dadurch auf Kosten der Gläubiger „weiterzuwirtschaften“.89 Dies würde die Kritiker der EuRRL bestätigen, die durch die Einführung der Richtlinie eine Abkehr vom Prinzip der Gläubigerbefriedigung und damit einen Verlust der volkswirtschaftlichen Ordnungsfunktion des Insolvenzrechts insgesamt befürchten.90 82

In diesem Sinne Goetker, in: Flöther, Sanierungsrecht, E., Rn. 48. Art. 4 Abs. 1 EuRRL verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Schuldnern bei „wahrscheinlicher Insolvenz“ Zugang zum Restrukturierungsrahmen gewährt wird. 84 Art. 2 Abs. 2 lit. b) EuRRL. 85 Vgl. Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 4 EuRRL, Rn. 2: „Programmansatz ohne Details“. 86 Kern, NZI-Beilage 1/2019, 18, 19. Ähnlich auch Garcimartin, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 4 EuRRL, Rn. 17. 87 Vgl. dazu etwa Freitag, ZIP 2019, 541, 546 f.; Garcimartin, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 4 EuRRL, Rn. 13–18; Hoegen/Kranz, NZI-Beilage 1/2019, 53, 55; Lange/Swierczok, BB 2019, 514, 515 f.; H. F. Müller, ZGR 2018, 56, 63; Skauradszun, KTS 2019, 161, 165 ff.; Thole, ZIP 2017, 101, 102 ff. 88 Vgl. Erw.-Gr. 24. Auch Garcimartin, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 4 EuRRL, Rn. 15; Thole, ZIP 2017, 101, 102. 89 Vgl. Heese, Die Funktion des Insolvenzrechts im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2018, S. 47, 72 ff. 90 Siehe dazu bereits oben: B. II. 2. a). 83

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Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023

Auf der anderen Seite läuft der Gesetzgeber auch durch eine besonders frühzeitige Eröffnung des Anwendungsbereichs Gefahr, dem Missbrauch des Restrukturierungsverfahrens Vorschub zu leisten.91 So würden ab diesem Zeitpunkt Eingriffsrechte bestehen, die bisher nur im Rahmen eines Insolvenzverfahrens verfügbar waren.92 Dies öffnet loan-to-own Strategien93 Tür und Tor und birgt das Risiko, dass ein Restrukturierungsverfahren gebraucht wird, um die Kontrolle über ein eigentlich „gesundes“ Unternehmen zu erlangen.94 Vor diesem Hintergrund sollte die Insolvenzwahrscheinlichkeit sich für die Zwecke der Eröffnung so manifestiert haben, dass von einer erheblichen Existenzbedrohung in absehbarer Zeit ausgegangen werden kann.95 Aus internationaler Perspektive gilt es, die Bemühungen der mitgliedstaatlichen Gesetzgebung nicht zu Makulatur zu machen. Die Richtlinie enthält gerade deshalb keine Definition der Insolvenz sowie der wahrscheinlichen Insolvenz, weil das materielle Insolvenzrecht grundsätzlich in die Regelungsautonomie der Mitgliedstaaten fällt.96 Insofern sollten wohl Friktionen des Restrukturierungsrahmens mit den nationalen Insolvenzrechten vermieden werden.97 Diese Friktionen können im internationalen Verkehr selbstverständlich dennoch auftreten, wenn Restrukturierungs- und Insolvenzstatut auseinanderfallen. Dies ist prima facie jedenfalls deshalb möglich, weil die grenzüberschreitenden Aspekte des Restrukturierungsverfahrens sich nicht zwangsläufig nach den Vorschriften der EuInsVO bemessen.98

91 Vgl. Garcimartin, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 4 EuRRL, Rn. 17: „in order to prevent misuse and expropriation strategies, the time frame should not be anticipated excessively, namely to situations where the risk of insolvency is remote“. Siehe auch Erw.-Gr. 24, 68 EuRRL. 92 So ermöglicht der Restrukturierungsplan Forderungskürzungen oder ggf. den Eingriff in Anteilseignerrechte mittels Mehrheitsentscheids. Vor diesem Hintergrund bestehen gegen eine starke Absenkung der Eintrittsvoraussetzungen auch verfassungsrechtliche Bedenken, vgl. Kern, NZI-Beilage 1/2019, 18, 18. Eine detaillierte Aufschlüsselung der Mechanismen des Restrukturierungsplans findet sich unten unter B. IV. 93 Der Begriff „loan-to-own“ Investment bezeichnet ein Geschäftsmodell, bei dem Investoren auf dem Sekundärmarkt Forderungen an einer Zielgesellschaft erwerben, um damit im Rahmen eines Sanierungsverfahrens durch einen debt-to-equity-swap in die Gesellschafterstellung zu gelangen. Dazu: Risse/Kästle/Gebler, M&A von A–Z, 2. Auflage, Stichwort: Loan-to-own-Strategie. 94 Vgl. Brinkmann, NZI-Beilage 1/2019, 27, 28. 95 Vgl. Fn. 87 zu denkbaren Ansätzen. 96 Siehe dazu oben B. II. 1. a). 97 Vgl. auch Paulus, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 2 EuRRL, Rn. 64. 98 Dazu bereits oben Kapitel 1, B.

B. Einführung in die EuRRL

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3. Zusammenfassung Die Einleitung des Restrukturierungsverfahrens steht im Grundsatz dem Schuldner zu. Die Mitgliedstaaten können allerdings unter gewissen Umständen auch einen Gläubigerantrag vorsehen. Einer staatlichen Beteiligung in Form eines Antrages bedarf das Verfahren erst dann, wenn in konkrete Rechtspositionen eingegriffen wird. So ist etwa die Gewährung eines Moratoriums oder die Bestätigung eines Restrukturierungsplans von der Befassung einer staatlichen Stelle abhängig. Immer dann, wenn eine staatliche Beteiligung im Verfahren erforderlich ist, steht bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt auch die internationale Verfahrenszuständigkeit im Raum. Materielle Voraussetzung der Verfahrenseinleitung ist das Vorliegen der „wahrscheinlichen Insolvenz“. Deren Ausgestaltung obliegt den Mitgliedstaaten, damit Friktionen mit dem nationalen Insolvenzrecht vermieden werden.

IV. Vorgesehene Sanierungsinstrumente Die EuRRL enthält drei wesentliche Sanierungsinstrumente, deren Funktion und Wirkungsweise nun in gebotener Kürze dargestellt werden sollen. Zentrales Sanierungsinstrument99 nach der EuRRL ist der Restrukturierungsplan, der im Grundsatz mit dem Insolvenzplan des deutschen Rechts vergleichbar ist.100 Zur Unterstützung der Verhandlungen über den Restrukturierungsplan kann der Schuldner die Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Art. 6 EuRRL in Anspruch nehmen. Im Restrukturierungsverfahren erhaltene Zwischenfinanzierungen und sonstige abgeschlossene Transaktionen werden durch die Regelungen nach Art. 17 und 18 EuRRL für den Fall einer späteren Insolvenz einem besonderen Schutz unterstellt. 1. Restrukturierungsplan Die Regelungen zum Restrukturierungsplan finden sich in Titel II, Kapitel 3 der EuRRL. Die Mitgliedstaaten sind nunmehr verpflichtet, im Vorfeld der Insolvenz101 eine Restrukturierung mittels Restrukturierungsplans zu gewährleisten. Der Restrukturierungsplan ermöglicht, die relevanten Stakeholder kraft Mehrheitsbeschlusses an ein Restrukturierungskonzept zu binden und damit Sanierungsbeiträge auch gegen den Willen der opponierenden Minderheit durchzusetzen.

99 So etwa Smid, ZInsO 2020, 266, 266; Berger, ZInsO 2016, 2413, 2414; H. F. Müller, ZGR 2018, 56, 68; Seagon, NZI-Beilage 1/2019, 73, 74; Kayser, ZIP 2017, 1393, 1399. 100 Knapp, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 8, Rn. 1, 4. 101 Der Restrukturierungsplan muss ab dem Zeitraum der wahrscheinlichen Insolvenz nach Art. 4 Abs. 1 EuRRL zur Verfügung stehen. Zur Einordnung des Begriffs siehe oben B. III. 2.

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a) Gesetzgeberisches Anliegen Der Restrukturierungsplan ist das wichtigste Instrument für das Anliegen des Richtliniengebers, Unternehmensrestrukturierungen im europäischen Binnenmarkt wesentlich zu vereinfachen.102 Zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensrestrukturierung ist die Kooperation103 der beteiligten Gläubiger und die Koordination104 des Sanierungsprozesses.105 Das deutsche Recht sowie das Recht vieler anderer europäischer Mitgliedstaaten106 sah nach Ansicht des Richtliniengebers bisher zur Lösung dieser Koordinations- und Kooperationskonflikte außerhalb eines Insolvenzverfahrens keine ausreichenden107 Werkzeuge vor. Unternehmensrestrukturierungen konnten im Vorfeld der Insolvenz grundsätzlich nur durch privatautonome Vereinbarungen mit allen Beteiligten umgesetzt werden.108 Die EuRRL bietet den Unternehmen im europäischen Binnenmarkt in der Krise nun ein Sanierungsinstrument, das die betroffenen Gläubiger bindet, ohne dass die Wirksamkeit der Vereinbarung von dem Einverständnis jedes einzelnen Gläubigers abhängig wäre. Der Schuldner erhält die Möglichkeit,

102

Siehe dazu bereits oben B. II. 2. Kooperationsprobleme ergeben sich, wenn Anteilseigner oder Gläubiger die Mitwirkung am Restrukturierungsvorhaben aus eigennützigen Motiven verhindern und aufgrund einer Blockadeposition in der Lage sind, die Restrukturierung insgesamt zu verhindern. Anteilseigner sind dazu ggf. aufgrund einer Sperrminorität in der Lage, können aber aus ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zum Handeln im Gesellschaftsinteresse verpflichtet werden. Eine derartige gesellschaftsrechtliche Innenbindung besteht zwischen Gläubigern nicht und kann (richtigerweise) auch nicht aus Treu und Glauben hergeleitet werden. Gläubiger können daher nicht zum (Teil-)Verzicht auf Forderungen verpflichtet werden. Dieser Umstand räumt insb. Großgläubigern Blockadepotential ein. Dazu eingängig Baums, Unternehmensfinanzierung, § 58, Rn. 52–67. 104 Die Problematik der Koordination besteht darin, dass die einzeln zu erbringenden Sanierungsbeiträge aufeinander aufbauen. Die Parteien der Vereinbarung schrecken vor Vorleistung zurück und knüpfen den eignen Sanierungsbeitrag an die Erbringung des Beitrages der anderen Beteiligten. Siehe dazu Baums, Unternehmensfinanzierung, § 58, Rn. 48–51. 105 Baums, Unternehmensfinanzierung, § 58, Rn. 48 ff.; Westpfahl, ZGR 2010, 385, 395; Eidenmüller, ZIP 2007, 1729, 1731. 106 Nur Frankreich mit der proce´dure de sauvegarde und England mit dem scheme of arrangement kannten bisher Restrukturierungsverfahren. Diese Verfahren haben für die Vorschriften der EuRRL Pate gestanden. Vgl. dazu etwa Eidenmüller, in: MüKo InsO, Vor. §§ 217–269, Rn. 76. Anderen Mitgliedstaaten waren entsprechende Kollektiverfahren bisher allerdings weitestgehend unbekannt. 107 Eine Ausnahme bildet freilich das SchVG, das die Änderung der Anleihebedingungen für nach deutschem Recht begebene Schuldverschreibungen gem. § 5 Abs. 1 SchVG dem Mehrheitsbeschluss zugänglich macht. Dazu ausführlich Matjuschkin, Bondholder Governance nach dem Schuldverschreibungsgesetz, S. 80 ff. Darüber hinaus kannte das deutsche Recht keine Verpflichtung von Gläubigern, sich an einem mehrheitlich unterstützen Sanierungskonzept zu beteiligen. Siehe dazu etwa: BGH, Urt. v. 12. Dezember 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319–333. 108 Vgl. dazu Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 264 ff.; Hoegen/Kranz, NZI-Beilage 1/2019, 53, 54 ff. 103

B. Einführung in die EuRRL

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seinen Gläubigern den Restrukturierungsplan zur Annahme vorzulegen. Dabei gilt der Restrukturierungsplan gem. Art. 9 Abs. 6 EuRRL als angenommen, wenn in jeder Abstimmungsklasse eine Mehrheit zustande gekommen ist. Eine Zustimmung jedes einzelnen Betroffenen ist daher gerade nicht erforderlich. Insofern ermöglicht der Restrukturierungsplan, dissentierende Gläubiger zu überstimmen. Für die überstimmten Parteien bedeutet dies einen „Zwangseingriff“ in deren Rechtsposition. Mit dem vorgesehenen Abstimmungsverfahren können die Koordinations- und Kooperationskonflikte bei der Unternehmenssanierung außerhalb der Insolvenz also überwunden werden. b) Rahmenvorgaben Im Folgenden sollen kurz die wesentlichen Rahmenvorgaben der Richtlinie für den Restrukturierungsplan skizziert werden. aa) Maßnahmen Das Verfahren nach der Richtlinie erlaubt eine Restrukturierung mit allen Mitteln, die sich unter die in Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 EuRRL getroffene Begriffsdefinition fassen lassen.109 Danach ist unter einer Restrukturierung jede Maßnahme zu verstehen, die in einem Unternehmen getroffen wird und sich auf die Zusammensetzung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten oder auch auf die Kapitalstruktur auswirkt.110 Darin inbegriffen ist der Verkauf von Vermögenswerten oder Geschäftsbereichen, sowie, abhängig vom nationalen Recht, auch der Verkauf des Unternehmens als Ganzes sowie operative Maßnahmen. Diese sperrig anmutende Formulierung ist wie folgt zu übersetzen: Das Restrukturierungsverfahren ermöglicht Eingriffe sowohl in die Aktiv- als auch in die Passivseite der Unternehmensbilanz.111 Eine Beschränkung auf die finanzielle Restrukturierung, wie sie zuweilen gefordert wurde,112 enthält das Richtlinienverfahren damit nicht. Denkbare Sanierungswerkzeuge für die Passivseite der Bilanz sind etwa Forderungsstundungen, Forderungskürzungen oder auch die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital.113 Indem der Restrukturierungsbegriff der Richtlinie auch die Veräußerung von Vermögenswerten oder Unternehmensteilen erfasst, 109 Vgl. Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 2 EuRRL, Rn. 8 ff. zu der Frage, was als taugliche Restrukturierungsmaßnahme nach der EuRRL grundsätzlich in Betracht kommt. 110 Näher dazu Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 2 EuRRL, Rn. 8 ff. 111 Madaus, in: Flöther, Sanierungsrecht, F., Rn. 186 ff.; Dammann, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 2 EuRRL, Rn. 2–14. 112 Vgl. etwa Gravenbrucher Kreis, Stellungnahme v. 28. Februar 2017, S. 2 f.; Thole, ZIP 2017, 101, 107. 113 Madaus, in: Flöther, Sanierungsrecht, F., Rn. 187. Die Möglichkeit, eine Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital vornehmen zu können, hängt von der konkreten Umsetzungsvariante ab.

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Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023

können im Verfahren auch Veränderungen an der Aktivseite der Unternehmensbilanz vorgenommen werden. Interessanterweise ermöglicht die Richtlinie, anders als noch der Kommissionsvorschlag,114 auch die Veräußerung des Unternehmens als Ganzes.115 Als ultima ratio kann das nationale Recht also vorsehen, dass ein Unternehmen vom Rechtsträger getrennt und auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird.116 Dies steht im Widerspruch zu den Zielen des Art. 4 Abs. 1 EuRRL, wonach das Restrukturierungsverfahren gerade die Abwendung der Insolvenz und die Sicherung der Bestandsfähigkeit des Schuldners und damit des Rechtsträgers bezweckt.117 Mithin räumt die Richtlinie im Zweifel dem Erhalt des Unternehmens im wirtschaftlichen Sinne Vorzug vor dem Erhalt des Rechtsträgers ein.118 bb) Grundsatz der Eigenverwaltung Nach Art. 5 Abs. 1 EuRRL haben die Mitgliedstaaten die Verpflichtung sicherzustellen, dass die Schuldner im Verfahren „ganz oder zumindest teilweise die Kontrolle über ihre Vermögenswerte und den täglichen Betrieb ihres Unternehmens behalten“. Das Restrukturierungsverfahren soll also grundsätzlich in Eigenverwaltung119 durchgeführt werden. Leider konkretisiert die Richtlinie nicht, was unter einer „teilweisen Kontrolle über die Vermögenswerte und den täglichen Betrieb des Unternehmens“ zu verstehen sein soll.120 Eine gewisse Klarheit lässt sich allerdings aus einer Zusammenschau mit Vorschriften über den Restrukturierungsbeauftragten, Art. 5 Abs. 2, 3 sowie Art. 2 Abs. 1 Nr. 12 EuRRL, erlangen.121 Daraus lässt sich das Folgende ableiten:

114 Im Kommissionsvorschlag COM (2016) 723 final war in Erw.-Gr. 2 sowie Art. 2 Nr. 2 die Veräußerung des Unternehmens als Ganzes noch nicht vorgesehen. In der endgültigen Version der EuRRL wurde die Veräußerung des Unternehmens als Ganzes hinzugefügt. Dazu Madaus, in: Flöther, Sanierungsrecht, F., Rn. 190. 115 Madaus, in: Flöther, Sanierungsrecht, F., Rn. 190. 116 Kritisch zur „übertragenden Sanierung“ im Restrukturierungsverfahren Hofmann, NZI-Beilage 1/2019, 22, 24. 117 Madaus, in: Flöther, Sanierungsrecht, F., Rn. 190. Kritisch wohl auch Dammann, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 2 EuRRL, Rn. 13. 118 Vgl. Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 2 EuRRL, Rn. 14. 119 Der Begriff Eigenverwaltung entstammt dem deutschen Recht und bezeichnet ein Verfahren nach §§ 270 ff. InsO, in dem der Schuldner abweichend vom Grundsatz des § 80 InsO auf gerichtliche Anordnung unter die Aufsicht eines Sachwalters gestellt wird, aber die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen weitestgehend behält. Dazu Bork, Insolvenzrecht, Rn. 464 ff. 120 Vgl. Morgen, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 5, Rn. 17. 121 In diesem Sinne auch Veder, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 5 EuRRL, Rn. 13, Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 5, Rn. 4.

B. Einführung in die EuRRL

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Im Grundsatz soll der Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen behalten.122 Ein Restrukturierungsbeauftragter wird nämlich von der zuständigen Behörde bzw. dem zuständigen Gericht nur bestellt, wenn dies erforderlich ist, Art. 5 Abs. 2 EuRRL. Nur für die Fälle des Art. 5 Abs. 3 EuRRL ist die Bestellung verpflichtend vorgesehen. Danach muss ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden, sofern dem Schuldner ein Moratorium nach Art. 6 Abs. 3 EuRRL gewährt (lit. a), der Restrukturierungsplan im Wege des klassenübergreifenden cram-down für verbindlich erklärt wird (lit. b) oder wenn ein entsprechender Antrag des Schuldners oder einer Gläubigermehrheit vorliegt (lit. c). Auch die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten bedeutet noch keinen Kontrollverlust für den Schuldner. Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 12 EuRRL kann der Restrukturierungsbeauftragte unterstützend (lit. a) und überwachend (lit. b) in der Phase der Aushandlung des Restrukturierungsplans tätig werden. Auch die Übernahme der Kontrolle über das Unternehmen ist nur „teilweise“ vorgesehen (lit. c). Einen vollständigen Verlust der Verfügungsbefugnis, wie er etwa in § 80 InsO für das deutsche Insolvenzverfahren vorgesehen ist, kennt die EuRRL also nicht. Die Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners ist nach der Konzeption der Richtlinie eher als Ausnahme angelegt. Dafür sprechen auch die Entstehungsgeschichte der Norm123 sowie deren Erwägungsgründe. Der ursprüngliche Richtlinienentwurf der Kommission sah die Beteiligung eines Restrukturierungsbeauftragten nur fakultativ vor.124 Aufgrund erheblicher Bedenken, dass dieser Umstand zu einer Missbrauchsanfälligkeit des Restrukturierungsverfahrens führen könnte,125 wurde die zwingende Beteiligung eines Restrukturierungsbeauftragten in den Fällen des Art. 5 Abs. 3 EuRRL nachträglich eingefügt.126 Das spricht dafür, dass die Richtlinie grundsätzlich von dem Gedanken der Eigenverwaltung geprägt ist. Indem den Schuldnern die Möglichkeit gegeben wird, im Restrukturierungsverfahren die Kontrolle über ihre Vermögenswerte zu behalten, soll ein Anreiz zur frühzeitigen Einleitung des Verfahrens gesetzt werden.127 Letztlich verbleibt den Mitgliedstaaten bei der Gestaltung der Verfügungsbefugnis des Schuldners im Verfahren nach der Richtlinie ein weitgehender Umsetzungsspielraum.128 Ein vollständiger Entzug der Verfügungsbefugnis ist nach der Richtlinie nicht vorgesehen und auch nicht zulässig.

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Veder, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 5 EuRRL, Rn. 1. Dazu eingängig Morgen, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 5, Rn. 7–14. 124 Vgl. Art. 5 Abs. 2 COM (2016) 723 final. 125 Vgl. etwa Stellungnahme Bundesrat v. 10. März 2017, BR-Drucksache 1/17 (B), S. 9; Stellungnahme VID v. 1. März 2017, S. 23; Stellungnahme BDI v. 15. März 2017, S. 5 f. 126 Morgen, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 5, Rn. 17. 127 Vgl. Erw.-Gr. 30. 128 Morgen, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 5, Rn. 17. 123

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cc) Kein Gesamtverfahren Im Unterschied zum Insolvenzverfahren nach deutschem Recht ist das Restrukturierungsverfahren nicht als Gesamtverfahren129 ausgestaltet.130 Hingegen besteht die Möglichkeit, die Wirkungen des Restrukturierungsplans auf einzelne Gläubiger oder Gläubigergruppen zu beschränken.131 Dies ergibt sich aus der Formulierung des Art. 8 Abs. 1 lit. c) EuRRL, wonach nur die „betroffenen Parteien“ im Restrukturierungsplan zu benennen sind.132 Im Umkehrschluss gibt es also auch „nicht betroffene Parteien“, wie auch Art. 8 Abs. 1 lit. e) EuRRL feststellt. Diese Differenzierung findet sich auch in den Erwägungsgründen.133 c) Abstimmungsprozess Nach Art. 9 Abs. 1, 2 EuRRL sind die Mitgliedstaaten verpflichtet sicherzustellen, dass Schuldner den betroffenen Parteien einen ausgearbeiteten Restrukturierungsplan zur Annahme vorlegen und die betroffenen Parteien über diesen Plan abstimmen können. Betroffene Partei ist dabei, wer von dem Restrukturierungsplan unmittelbar betroffen ist, damit also jeder, dem eine Rechtsbeeinträchtigung im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens droht.134 Ob dies nur Gläubiger, oder auch Arbeitnehmer und Anteilseigner sein können, hängt von der Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht ab.135

129 Der Begriff Gesamtverfahren wird in der vorliegenden Arbeit in dem Sinne gebraucht, dass in einem Verfahren die Gesamtheit aller Gläubiger umfasst ist. Davon zu unterscheiden ist der Begriff des Kollektivverfahrens. Dieser indiziert, dass in einem Verfahren ein Kollektiv, also eine Personenmehrheit beteiligt ist. Dabei braucht es sich allerdings gerade nicht um die Gesamtheit der Gläubiger zu handeln. Diese Differenzierung geht auf Paulus, EuInsVO, Art. 1, Rn. 13 zurück. Die EuInsVO folgt dieser Differenzierung nicht. Gem. Art. 2 Nr. 1 EuInsVO genügt für ein Gesamtverfahren i.S.d. EuInsVO, dass ein wesentlicher Teil der Gläubiger des Schuldners am Verfahren beteiligt ist. 130 So ist gem. § 38 InsO jede Person mit einem begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner ein Insolvenzgläubiger. 131 Madaus, in: Flöther, Sanierungsrecht, F., Rn. 171; Knapp, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 8, Rn. 21. Zu den Vorteilen der fehlenden Gesamtwirkung siehe Madaus/Wessels, KTS 2018, 247, 255 ff. 132 So auch Veder, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 8 EuRRL, Rn. 9. 133 Siehe Erw.-Gr. 39, 43, 44, 45 und 46. 134 Knapp, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 8, Rn. 32; Dammann, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 9 EuRRL, Rn. 8. Eine mittelbare Betroffenheit wie beispielsweise die Beeinträchtigung der Werthaltigkeit einer Forderung genügt hingegen nicht. 135 Nach Art. 12 Abs. 1 EuRRL können die Mitgliedstaaten etwa Anteilsinhaber vom Restrukturierungsverfahren ausschließen. Der Art. 1 Abs. 5 lit. a) EuRRL stellt den Mitgliedstaaten frei, die Forderungen von Arbeitnehmern aus dem Anwendungsbereich des Restrukturierungsverfahrens auszunehmen.

B. Einführung in die EuRRL

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aa) Mehrheitsbeschluss Dabei ist die Annahme des Restrukturierungsplans von einem Mehrheitsbeschluss abhängig.136 Dies ist Kernbestandteil des präventiven Restrukturierungsrahmens und maßgeblich für das Gelingen der vorinsolvenzlichen Sanierung.137 Die Abstimmung erfolgt in Klassen, die im Vorfeld eingeteilt werden.138 Der Plan gilt nach Art. 9 Abs. 6 UAbs. 1 Satz 1 EuRRL als angenommen, wenn in jeder Abstimmungsklasse eine Mehrheit erreicht wird. Dabei haben die Mitgliedstaaten die Wahl, ob sie die Mehrheit als Summen- oder Kopfmehrheit ausgestalten.139 Eine Summenmehrheit ist gegeben, wenn die Forderungsbeträge der zustimmenden Gläubiger mindestens 50 % der Gesamtsumme der Forderungen in der Abstimmungsklasse erreichen.140 Das konkrete Mehrheitserfordernis wird in der Richtlinie nicht festgelegt; die Mitgliedstaaten dürfen allerdings über eine Zustimmungsquote von 75 % nicht hinausgehen, Art. 9 Abs. 6 UAbs. 2 Satz 2 EuRRL. Die Abstimmung nach Klassen soll die Planannahme vereinfachen141 und gleichzeitig eine interessengerechte Behandlung vergleichbarer Rechte gewährleisten.142 Bei der Klassenbildung ist zu berücksichtigen, dass die Mitglieder in ausreichendem Maße gemeinsame Interessen abbilden; jedenfalls müssen gesicherte und ungesicherte Gläubiger in separaten Klassen behandelt werden, Art. 9 Abs. 4 UAbs. 1 EuRRL. Allerdings können die Mitgliedstaaten für KMU eine Ausnahme vom Erfordernis der Gruppenbildung vorsehen, Art. 9 Abs. 4 UAbs. 3 EuRRL. Die Annahme erfordert dann die Mehrheit aller betroffenen Parteien. bb) Klassenübergreifender cram-down Für den Fall, dass eine Planannahme im Verfahren nach Art. 9 EuRRL scheitert, weil die erforderliche Mehrheit nicht in jeder Abstimmungsgruppe erreicht wurde, sieht die Richtlinie in Art. 11 EuRRL mit dem sogenannten „klassenübergreifenden cram-down“143 ein gesondertes Verfahren vor. Dieses ermöglicht,

136 Vgl. Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 9 EuRRL, Rn. 6. 137 Siehe oben B. IV. 1. a), insb. Fn. 103, 104. 138 Vgl. Art. 9 Abs. 4 EuRRL; Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 9 EuRRL, Rn. 14. 139 Siehe Art. 9 Abs. 6 UAbs. 1 Satz 2 EuRRL. So auch Lange/Swierczok, BB 2019, 514, 518. 140 Siehe zum Konzept der Summenmehrheit etwa Hintzen, in: MüKo, § 244 InsO, Rn. 13; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 244 InsO, Rn. 4. 141 Vgl. Dammann, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 9 EuRRL, Rn. 36 ff. Entsprechend zur vergleichbaren Regelung in § 220 InsO Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 222 InsO, Rn. 2. 142 Erw.-Gr. 44. 143 Der cross-class cram-down stammt aus dem US-amerikanischen Chapter 11-Verfahren. Vgl. United States Code, Titel 11 (Bankruptcy), Chapter 11 (Reorganization), § 1129 (b) (2).

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den Plan trotz fehlenden Mehrheitsbeschlusses für verbindlich zu erklären.144 Auf diesem Wege soll eine Möglichkeit geschaffen werden, die Obstruktion des Restrukturierungsverfahrens durch einzelne Gläubigergruppen zu überwinden.145 Der Restrukturierungsplan wird von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde klassenübergreifend für verbindlich erklärt, wenn die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 1 lit. a)–d) EuRRL vorliegen. Dies erfordert zunächst entweder die Zustimmung zum Restrukturierungsplan seitens der Mehrheit der Abstimmungsklassen, sofern davon mindestens eine Klasse aus gesicherten Gläubigern besteht, oder mindestens seitens einer Abstimmungsklasse, die keine Anteilseigner enthält und nicht aus Gläubigern besteht, die unter der Zugrundelegung von Fortführungswerten nach den nationalen Liquidationsprioritäten keine Zahlung erhalten würden, Art. 11 Abs. 1 lit. b) EuRRL. Die Formulierung in lit. b) ist, wie an einigen anderen Stellen der Richtlinie, gewohnt sperrig. Im Ergebnis lässt sich jedoch das Folgende herauskristallisieren: Die Richtlinie setzt für die Durchführung des klassenübergreifenden cram-down nur die Zustimmung einer Gläubigergruppe voraus, die im Rahmen des Liquidationsverfahrens noch Geld erhielte.146 Die alleinige Zustimmung nur der Anteilseigner ist nicht ausreichend. Den Mitgliedstaaten steht im Falle der Umsetzung jedoch offen, wenigstens eine Beeinträchtigung147 der zustimmenden Partei vorauszusetzen.148 Ebenso können die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung nach Art. 11 Abs. 1 UAbs. 3 EuRRL eine höhere Zahl zustimmender Klassen für den cram-down verlangen.149 Außerdem muss der Restrukturierungsplan gewährleisten, dass ablehnende Abstimmungsklassen betroffener Gläubiger mindestens ebenso wie andere gleichrangige Klassen und besser als nachrangige Klassen gestellt werden, Art. 11 Abs. 1 lit. c) EuRRL. Damit implementiert die Richtlinie die sogenannte relative priority rule.150 Besser gestellt bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nachranAuch das deutsche Insolvenzrecht kennt mittlerweile durch das Obstruktionsverbot nach § 245 InsO einen entsprechenden Mechanismus. 144 Vgl. Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 11 EuRRL, Rn. 1. 145 Vgl. Veder, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 11 EuRRL, Rn. 4; Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 11 EuRRL, Rn. 1. 146 Kowalewski/Praß, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 11, Rn. 29. Veder, in: Paulus/ Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 11 EuRRL, Rn. 24: „supported by at least one in-the-money class of affected parties.“ 147 Beeinträchtigung meint gem. Erw.-Gr. 54 a.E., dass die Partei eine Forderungskürzung hinnehmen muss. Vgl. auch: Kowalewski/Praß, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 11, Rn. 28, Fn. 54. 148 Vgl. Art. 11 Abs. 1 UAbs. 3 EuRRL. 149 Für ein höheres Zustimmungserfordernis Skauradszun, KTS 2019, 161, 189. Aus der Perspektive des Gesellschaftsrechts kritisch H. F. Müller, ZGR 2018, 56, 75, m.w.N. 150 Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 11 EuRRL, Rn. 17.

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gige Klassen quotal eine geringere Befriedigung erhalten als die ihnen vorrangigen Klassen.151 Zusätzlich ergibt sich aus dem Prinzip des Gläubigerinteresses, dass ablehnende Gläubiger nach dem Restrukturierungsplan nicht schlechter stehen dürfen als im Falle der Liquidation, Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 EuRRL. Mithin kann ein Restrukturierungsplan im Wege des cram-down für allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn ablehnende Gläubigerklassen prozentual mehr Geld erhalten als nachrangige Klassen und besser stehen als sie im Liquidationsverfahren stünden. Die Mitgliedstaaten können nach Art. 11 Abs. 2 EuRRL auch die Implementierung der sog. absolute priority rule vorsehen.152 Diese Regelung war im deutschen Recht in § 245 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO bisher für die Bestätigung von Insolvenzplänen vorgesehen.153 Im Unterschied zur Regel des relativen Vorrangs sieht diese vor, dass Forderungen von ablehnenden Gläubigern in vollem Umfang zu erfüllen sind, bevor nachrangige Gläubiger eine Zahlung erhalten.154 2. Moratorium Ein weiteres wesentliches Instrument des Restrukturierungsverfahrens ist die Möglichkeit, Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Art. 6 EuRRL aussetzen zu können. Für dieses Instrument hat sich in der Literatur der Begriff „Moratorium“ eingebürgert,155 der auch hier verwendet wird. Das Moratorium führt zu einem vorübergehenden Ruhen des Rechts der Gläubiger, ihre Forderungen gegen den Schuldner im Rahmen eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens durchsetzen zu können; ebenso ist die Pfändung und Verwertung von Vermögenswerten des Schuldners ausgeschlossen, Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 EuRRL. Davon sind alle Arten von Forderungen, so auch gesicherte Forderungen, erfasst, Art. 6 Abs. 2 EuRRL. Lediglich Arbeitnehmerforderungen sind gemäß Art. 6 Abs. 5 EuRRL ausgenommen.156 151 Vgl. Madaus, Is the Relative Priority Rule right for your jurisdiction?, 18. Januar 2020, S. 5. Online abrufbar unter https://stephanmadaus.de/2020/01/20/a-simple-guide-to-the-relat ive-priority-rule/. Zuletzt abgerufen am 6. November 2022. 152 Vgl. Veder, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 11 EuRRL, Rn. 38. 153 Vgl. Drukarczyk/Schüler, in: MüKo InsO, § 245, Rn. 21 ff. Mit dem SanInsFoG wurde allerdings zum 1. Januar 2021 der § 245 Abs. 2 Satz 2 InsO neu eingefügt, der unter gewissen Voraussetzungen eine Durchbrechung der absoluten Priorität ermöglicht. Dazu Geiwitz/v. Danckelmann, in: BeckOK InsO, § 245, Rn. 14b ff. 154 Vgl. Veder, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 11 EuRRL, Rn. 34. 155 Siehe etwa Fritz/Scholtis, BB 2019, 2051, 2051; Kayser, ZIP 2017, 1393, 1397; Seagon, NZI-Beilage 2017, 12, 13; Schönfelder, in: Flöther, Sanierungsrecht, F., Rn. 10; Ziegenhagen, ZInsO 2020, 2, 5. 156 Die Mitgliedstaaten haben gem. Art. 6 Abs. 5 UAbs. 1 EuRRL jedoch die Möglichkeit, Forderungen von Arbeitnehmern ebenfalls in das Restrukturierungsverfahren einzubeziehen, sofern sie die Erfüllung dieser Forderungen auf einem vergleichbaren Schutzniveau sicherstellen.

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a) Zweck Zweck des Moratoriums ist es, dem Schuldner die Verhandlung über den Restrukturierungsplan überhaupt zu ermöglichen.157 Ohne ein Moratorium müsste ein verhandlungswilliger Gläubiger befürchten, einen Ansturm auf die Haftungsmasse auszulösen, der die Unternehmenssituation nur weiter verschlechtert.158 Die Aussetzung soll dem Schuldner während der Verhandlungen also eine „Atempause“159 verschaffen. Die Verhandlungen können auf diese Weise ohne drohenden Gläubigerzugriff geführt und eine Unabhängigkeit von Akkordstörern160 gewährleistet werden.161 Ferner ermöglicht das Moratorium Liquiditätssicherung während des Verhandlungsprozesses.162 b) Dauer Grundsätzlich ist die Aussetzung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für eine Dauer von vier Monaten vorgesehen, Art. 6 Abs. 6 EuRRL. Allerdings kann die Aussetzungsdauer unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 7 EuRRL verlängert werden, sofern die Mitgliedstaaten eine entsprechende Öffnungsklausel in den nationalen Verfahren vorsehen. Höchstens kann das Moratorium für bis zu zwölf Monate gewährt werden, Art. 6 Abs. 8 EuRRL. Dabei enthält Art. 6 Abs. 8 UAbs. 2 EuRRL eine Sonderregelung für den Fall, dass das mitgliedstaatliche Verfahren nicht der EuInsVO unterfällt.163 Wurde der Interessenschwerpunkt eines Unternehmens innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor dem Beginn des präventiven Restrukturierungsverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, so ist die Gesamtdauer der Aussetzung auf vier Monate begrenzt.164 157 158

Vgl. Erw.-Gr. 32. In diesem Sinne Goetker, in: Flöther, Sanierungsrecht, E., Rn. 48; Bork, ZIP 2010, 397,

406. 159 So wörtlich Bork, ZIP 2010, 397, 406; Boss/Luttmann, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 6, Rn. 1. 160 Der Begriff „Akkordstörer“ umschreibt die Weigerung einzelner Gläubiger, ein mehrheitlich getragenes Sanierungskonzept zu unterstützen, um sich aus der daraus ergebenden Blockadeposition Sondervorteile zu verschaffen. Dieses Verhalten ist bei der außergerichtlichen Sanierung dadurch ermöglicht, dass es nach dem Urteil BGH, Urt. v. 12. Dezember 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319 ff. keine Pflicht der Gläubiger gibt, sich an einem Sanierungskonzept zu beteiligen. Näher zur sog. „Akkordstörer-Problematik“ Vuia, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechtshandbuch, § 4, Rn. 7; Matjuschkin, Bondholder Governance nach dem Schuldverschreibungsgesetz, S. 23 ff. sowie S. 40 ff. 161 Bork, ZIP 2010, 397, 406; Schönfelder, in: Flöther, Sanierungsrecht, F., Rn. 11. 162 Schönfelder, in: Flöther, Sanierungsrecht, F., Rn. 13. 163 Dazu Richter, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 6 EuRRL, Rn. 48. 164 Die Regelung Art. 6 Abs. 8 UAbs. 2 EuRRL ist darauf gemünzt, den Anreiz zu nehmen, eine Verlegung des Interessenschwerpunkts mit dem Ziel anzustreben, in den Anwendungsbereich einer Rechtsordnung zu gelangen, die eine längere Aussetzungsfrist vorsieht. Mithin soll forum shopping verhindert werden. So auch: Richter, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 6 EuRRL, Rn. 48.

B. Einführung in die EuRRL

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c) Folgen Das Moratorium führt dazu, dass den Gläubigern für einen festgelegten Zeitraum nicht möglich ist, ihre Forderungen gerichtlich durchzusetzen. Rechtstechnisch implementiert das Moratorium eine prozessuale Durchsetzungssperre.165 Auch die Aufrechnung mit Forderungen gegen den Gläubiger ist ausgeschlossen.166 Allerdings können bestehende Verbindlichkeiten weiter fällig werden; zu einer Zwangsstundung führt das Moratorium nicht.167 Eine Gesamtwirkung168 ist für das Moratorium nicht zwangsläufig vorgesehen: Es besteht die Möglichkeit, dessen Wirkungen auf einzelne Gläubigergruppen zu beschränken, Art. 6 Abs. 3 EuRRL. Außerdem ruht während der Dauer des Moratoriums die Verpflichtung des Gläubigers, einen Insolvenzantrag zu stellen, Art. 7 Abs. 1 EuRRL. Ebenso ist die Einleitung eines Insolvenzverfahrens aufgrund eines Gläubigerantrages während des Moratoriums ausgeschlossen, Art. 7 Abs. 2 EuRRL. Weitere Folgen des Moratoriums ergeben sich aus Art. 7 Abs. 4 und 5 EuRRL. Eine detaillierte Darstellung ist für die Zwecke dieser Arbeit indes nicht erforderlich.169 3. Schutz von Zwischenfinanzierungen und sonstigen Transaktionen Die EuRRL unterstellt neue Finanzierungen, Zwischenfinanzierungen und sonstige Transaktionen, die im Zusammenhang mit der Restrukturierung stehen, durch die Art. 17 und 18 EuRRL einem besonderen Schutz, um damit zu gewährleisten, dass dem Schuldner im Restrukturierungsverfahren die notwendige Liquidität zur Verfügung steht.170 Die Privilegierung dieser Rechtsgeschäfte ist notwendig, um die Gefahr der Insolvenzanfechtung zu bannen.171 Nur dieser Schutz ermöglicht es den betroffenen Unternehmen, die zur Sanierung erforderliche neue Liquidität überhaupt bereitgestellt zu bekommen.172 Ebenso sollen die Finanzierer von jeglicher Haf-

165 Madaus, in: Ebke/Seagon/Blatz, Unternehmensrestrukturierung im Umbruch, 2017, S. 43, 50. 166 Schönfelder, in: Flöther Sanierungsrecht, F., Rn. 63. 167 Klupsch/Schulz, EuZW 2017, 85, 88. 168 Zur Differenzierung zwischen Kollektiv- und Gesamtwirkung bereits oben Fn. 129. 169 Nähere Ausführungen zu den Wirkungen des Moratoriums finden sich etwa bei Schönfelder, in: Flöther, Sanierungsrecht, F., Rn. 62; Richter, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 7 EuRRL; Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 7 EuRRL; Boss/Luttmann, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 7. 170 Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 17 EuRRL, Rn. 1. 171 Vgl. etwa Bork, ZIP 2010, 397, 407. 172 Hoegen/Wolf, in: Flöther, Sanierungsrecht, F., Rn. 457; Klupsch/Schulz, EuZW, 2017, 85, 88; Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 17 EuRRL, Rn. 1; Fannon, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 17 EuRRL, Rn. 12 f.

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Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023

tung, sowohl zivil- als auch strafrechtlicher Natur, freigehalten werden, Art. 17 Abs. 1 lit. b) EuRRL. Zusätzlich sieht Art. 17 Abs. 4 EuRRL die Möglichkeit vor, entsprechende Finanzierungen in einem späteren Insolvenzverfahren prioritär zu behandeln.173 Für sonstige Transaktionen ordnet Art. 18 Abs. 1 EuRRL ebenfalls einen Anfechtungsschutz im Rahmen der Insolvenz an. Auch diese Privilegierung dient dem Zweck, das Unternehmen während des Restrukturierungsverfahrens ordnungsgemäß weiterführen zu können. Um eine angemessene Rechtsberatung in der Krisenphase sicherzustellen, sind auch die Zahlungen für die Inanspruchnahme professioneller Rechtsberatung einem besonderen Schutz unterstellt, Art. 18 Abs. 2 lit. b) EuRRL. Im internationalen Restrukturierungsfall muss sichergestellt sein, dass den Schutzmechanismen des anwendbaren Restrukturierungsstatuts zu grenzüberschreitender Wirksamkeit im gesamten Binnenmarkt verholfen wird. 4. Zusammenfassung Vorstehend sind die wesentlichen Restrukturierungsinstrumente der EuRRL und ihre grundsätzliche Funktionsweise herausgearbeitet worden. Zentrales Instrument ist der Restrukturierungsplan. Während der Planverhandlungen kann ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden. Dieser übt lediglich eine überwachende Funktion aus; ein vollständiger Verlust der Verfügungsbefugnis ist in der Richtlinie nicht vorgesehen. Zur Unterstützung der Verhandlungen mit den Gläubigern kann der Schuldner ein zeitlich begrenztes Moratorium beantragen. Werden Sanierungsfinanzierungen gewährt und in den Plan aufgenommen, unterliegen sie einer privilegierten Behandlung in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren. All diesen Instrumenten ist gemein, dass ihre Funktionalität in einem grenzüberschreitenden Restrukturierungsfall wesentlich von der internationalen Gerichtszuständigkeit und der grenzüberschreitenden Anerkennungsfähigkeit abhängt. So muss klar geregelt sein, welche Gerichte für die Gewährung eines Moratoriums oder die Bestätigung eines Restrukturierungsplans zuständig sind. Eine wirksame Privilegierung von Sanierungsfinanzierungen im gesamten Binnenmarkt ließe sich nur erreichen, sofern der Restrukturierungsplan seine Wirkungen automatisch unionsweit entfaltet.

173 Kritisch zur privilegierten Behandlung von Finanzierungen, insbesondere im Rahmen der Insolvenz, Kayser, ZIP 2017, 1393, 1400.

C. Gerichtsbeteiligung

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C. Gerichtsbeteiligung Da in der vorliegenden Arbeit die Bestimmung der internationalen Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren einen Schwerpunkt bilden soll, ist es erforderlich zu untersuchen, in welchen Verfahrensstadien die Richtlinie konkret die Beteiligung mitgliedstaatlicher Gerichte vorschreibt. Sobald eine solche Beteiligung vorgesehen ist, stellt sich bei einem grenzüberschreitenden Restrukturierungsfall unmittelbar die Frage der internationalen Zuständigkeit.

I. Zur Bedeutung des Begriffs „Justiz- oder Verwaltungsbehörde“ Sofern eine staatliche Beteiligung am Restrukturierungsverfahren vorgesehen ist, so soll diese durch eine „Justiz- oder Verwaltungsbehörde“ erfolgen.174 Aus Perspektive des deutschen Rechts ist dies bemerkenswert, da das deutsche Insolvenzverfahren unter maßgeblicher Beteiligung der Insolvenzgerichte abläuft. Ein behördliches Insolvenzverfahren kennt das deutsche Recht nicht. Nach dem Verständnis des deutschen Rechts handelt es sich bei einem Gericht um ein Organ, dem die Rechtsprechung obliegt und das mit Richtern besetzt ist.175 Behörden sind hingegen in die Staatsverwaltung eingegliedert und dazu berufen, mit staatlicher Autorität öffentliche Aufgaben wahrzunehmen.176 Zumindest nach dem deutschen Begriffsverständnis scheint eine Gerichtsbeteiligung für das neue Restrukturierungsverfahren nicht vorgesehen zu sein. Jedoch ist zu beachten, dass die EuRRL als Rechtsakt der Europäischen Union autonom auszulegen ist.177 Der Begriff „Justiz- oder Verwaltungsbehörde“ kann daher nicht von der Warte des deutschen Rechts aus verstanden werden. Zu klären ist also, wie der Begriff „Justiz- und Verwaltungsbehörde“ unter Zugrundelegung einer autonomen Auslegung zu verstehen ist. Aus Erw.-Gr. 86 ergibt sich, dass der Richtliniengeber begrifflich zwischen „Justiz- und Verwaltungsbehörden“ und „Gerichten“ differenziert. Daraus kann gefolgert werden, dass „Justiz- und Verwaltungsbehörde“ in der Richtlinie jedenfalls nicht als Synonym für den Begriff „Gericht“ verwendet wird. Dieses Ergebnis lässt sich auch durch einen Vergleich mit anderen europäischen Rechtsakten stützen.178 So dif174 Vgl. etwa Art. 2 Abs. 1 Nr. 4, 12; Art. 5 Abs. 2; Art. 7 Abs. 3; Art. 8 Abs. 1, 5; Art. 10 Abs. 1, 2, 3 und 4; Art. 11 Abs. 1; Art. 14; Art. 15 Abs. 1; Art. 16 Abs. 1 EuRRL. 175 Vgl. Weber, in: Weber, Rechtswörterbuch, Stichwort „Gericht“ sowie „Rechtsprechende Gewalt“. 176 Vgl. Weber, in: Weber, Rechtswörterbuch, Stichwort „Behörden“. Vgl. ferner § 1 Abs. 4 VwVfG. 177 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 17. Dezember 1980 – Rs. C-149/79, Kommission./.Belgien, ECLI:EU:C:1980:297, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 14. Januar 1982 – Rs. C-64/81, Nicolaus Corman./.Hauptzollamt Gronau, ECLI:EU:C:1982:5, Rn. 8. Siehe dazu auch Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 19 EUV, Rn. 28; Gaitanides, in: v. d. Groeben/Schwarze/ Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 19 EUV, Rn. 43, jeweils m.w.N. zur EuGH-Judikatur. 178 Im europäischen internationalen Privat- und Verfahrensrecht ist eine rechtsaktüber-

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ferenziert die EuInsVO in Art. 2 Nr. 6 lit. i) sowie lit. ii) zwischen Justizorganen, und damit Gerichten im institutionellen Sinne, sowie sonstigen im Rahmen von Insolvenzverfahren zur Entscheidung berufenen Behörden.179 Ebenso ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus Art. 3 EuGVVO, dass der europäische Gesetzgeber unter den Begriff „Gericht“ grundsätzlich keine Behörden fasst.180 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im europäischen Sekundärrecht eine begriffliche Trennung zwischen Behörde und Gericht erfolgt. Daraus kann geschlossen werden, dass Gerichte nicht am Restrukturierungsverfahren beteiligt werden müssen. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob Gerichte am Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL überhaupt mitwirken dürfen. Die vorgesehene Beteiligung einer „Justiz- und Verwaltungsbehörde“ am Verfahren könnte etwa dahingehend zu interpretieren sein, dass ein behördliches Verfahren beabsichtigt und eine gerichtliche Beteiligung mithin ausgeschlossen ist. Aus Erw.-Gr. 86 Satz 3 ergibt sich jedoch, dass der Begriff auch Gerichte umfasst.181 Auch andere Erwägungsgründe legen nahe, dass eine Gerichtsbeteiligung beim Restrukturierungsverfahren zumindest nicht untersagt ist.182 Insofern ist es den Mitgliedstaaten ermöglicht, die Entscheidungskompetenz entweder auf eine Behörde oder auf ein Gericht zu übertragen.183 Zu welcher Form der Umsetzung sich die Mitgliedstaaten greifende Auslegung grundsätzlich denkbar. Diese taucht meistens zwischen den Vorschriften der Rom I-VO und der EuGVVO auf. Vgl. dazu etwa Stadler, IPRax 2015, 203 ff; Mankowski, EWiR 2014, 371 f.; Rühl, GPR 2013, 122 ff; Bitter, IPRax 2008, 96 ff.; Hess, in: FS Leipold, 2009, 237, 239, 249; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 3, Rn. 3.9; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 3, Rn. 98. Zur einheitlichen Auslegung des Verbraucherbegriffs unter den VO (EG) 44/2001 und VO (EG) 805/2004 EuGH, Urt. v. 5.12.2013 – Rs. C-508/12, Walter Vapenik./.Josef Thurner, ECLI:EU:2013:790, Rn. 25: „Insoweit ist, um die Beachtung der vom europäischen Gesetzgeber auf dem Gebiet der Verbraucherverträge verfolgten Ziele und die Kohärenz des Unionsrechts zu gewährleisten, insbesondere der in anderen unionsrechtlichen Regelungen enthaltene Verbraucherbegriff zu berücksichtigen.“ Mithin kommt es grundsätzlich in Betracht, den der EuRRL zugrundeliegenden Gerichtsbegriff unter Berücksichtigung anderer EU-Sekundärrechtsakte auszulegen. 179 Vgl. J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 2, Rn. 18; Thole, in: MüKo InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 17. 180 Art. 3 EuGVVO: „Für die Zwecke dieser Verordnung umfasst der Begriff ,Gericht‘ die folgenden Behörden […]“. Mithin wird der Gerichtsbegriff spezifisch für die Zwecke der EuGVVO erweitert. Vgl. dazu etwa Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 3 EuGVVO, Rn. 1; Gottwald, in: MüKo ZPO, Art. 3 EuGVVO. Daraus ist zu schließen, dass Behörden grundsätzlich dem Gerichtsbegriff nicht unterfallen. 181 Erw.-Gr. 86 Satz 3 EuRRL lautet: „Die Einrichtung von Fachgerichten oder -kammern oder die Ernennung von Fachrichtern im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften sowie die Bündelung der Zuständigkeit bei einer begrenzten Zahl von Justiz- oder Verwaltungsbehörden würden effiziente Mittel zur Erreichung der Ziele der Rechtsicherheit und der Effizienz der Verfahren sein.“ 182 Siehe Erw.-Gr. 75, 85 und 92. 183 Backes/Blankenburg, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 10, Rn. 13; Laroche, in: Flöther, Sanierungsrecht, E., Rn. 88; Skauradszun, KTS 2019, 161, 177; Specovius/von Wilcken, NZI-Beilage 2017, 24, 26.

C. Gerichtsbeteiligung

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entscheiden werden, ist überwiegend noch offen.184 In der Literatur zur Umsetzung der Richtlinie in das deutsche Recht wird jedoch weit überwiegend davon ausgegangen, dass es zweckmäßig sei, (Insolvenz-) Gerichte am Restrukturierungsverfahren zu beteiligen.185 Was die Analyse der internationalen Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren anbetrifft, so folgt aus dem Vorhergesagten, dass zu untersuchen sein wird, wie sich die Entscheidung durch ein Gericht respektive durch eine Behörde auf die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit sowie die Anerkennung der ergangenen Entscheidungen auswirkt.

II. Notwendige Beteiligung der Justiz- oder Verwaltungsbehörde Die Beteiligung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde ist in mehreren Phasen des Restrukturierungsverfahrens denkbar. Sie kann etwa für die Gewährung eines Moratoriums erforderlich sein. Ferner können staatliche Stellen für die Ausarbeitung des Restrukturierungsplans, bei dessen Bestätigung oder für den Eintritt der Rechtsfolgen notwendig sein. Außerdem ist eine staatliche Beteiligung im Rechtsbehelfsverfahren unverzichtbar. Ziel der Richtlinie ist es, die Gerichts- bzw. Behördenbeteiligung auf das Erforderliche und Angemessene zu beschränken.186 Dennoch stellt die Richtlinie Mindestanforderungen an die behördliche Beteiligung in den einzelnen Phasen des Verfahrens, die für die weitere Untersuchung von Interesse sind. 1. Gewährung des Moratoriums Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 EuRRL wird das Moratorium entweder von einer Justizoder Verwaltungsbehörde gewährt oder gilt kraft Gesetzes.187 Eine staatliche Beteiligung zur Einleitung eines Moratoriums scheint daher auf den ersten Blick nicht zwingend vorgesehen.188 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der automatische Eintritt einer Vollstreckungssperre an ein auslösendes Ereignis geknüpft werden müsste. Hier kommt ausschließlich die Stellung eines Antrages

184 Der deutsche Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, Gerichte mit der Kontrollfunktion im Verfahren zu betrauen, § 34 Abs. 1 StaRUG. Ebenso der niederländische Gesetzgeber, Art. 369 Nr. 7 Faillissementswet. 185 Siehe etwa: Laroche, in: Flöther, Sanierungsrecht, E., Rn. 94; Skauradszun, KTS 2019, 160, 169; Freitag, ZIP 2019, 541, 545; Schmidt, WM 2017, 1735, 1737; Balthasar, ZHR 183 (2019), 662, 683; H. F. Müller, ZGR 2018, 56, 59 ff.; Römermann, GmbHR 2019, R204, R205; Vallender, NZI-Beilage 1/2019, 71, 72; Blankenburg, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 4, Rn. 46; Blankenburg, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 6, Rn. 89; Hirschberger, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 16, Rn. 45; Spahlinger, NZI-Beilage 2017, 27, 29. 186 Erw.-Gr. 29. 187 Siehe auch Richter, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 2 EuRRL, Rn. 29. 188 Vgl. Kern, NZI-Beilage 1/2019, 18, 18; Richter, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 2 EuRRL, Rn. 29.

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Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023

auf Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens i.S.d. Art. 4 Abs. 7 EuRRL in Betracht.189 Grundsätzlich bedarf ein solcher Antrag keiner staatlichen Beteiligung.190 Hinge davon allerdings der Eintritt eines Moratoriums ab, so hätte der Antrag Eingriffscharakter und müsste daher zwangsläufig bei einer staatlichen Stelle gestellt werden, um den notwendigen Schutz von Drittinteressen im Verfahren zu gewährleisten.191 Mithin kann ein Moratorium im Restrukturierungsverfahren nicht ohne staatliche Beteiligung erwirkt werden. Es hängt von der Umsetzung der EuRRL in den Mitgliedstaaten ab, ob der Schuldner bei einer staatlichen Stelle direkt einen Antrag auf Aussetzung der Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen stellen muss oder ob er gehalten ist, die Einleitung des Restrukturierungsverfahrens bei einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde zumindest anzuzeigen, um damit den gesetzlichen Eintritt des Moratoriums auszulösen. Eine Beteiligung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde ist damit aber in jedem Fall vorgesehen. Die Verlängerung eines Moratoriums muss immer von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt werden, Art. 6 Abs. 7 Satz 1 EuRRL. 2. Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten Eine staatliche Beteiligung ist ebenfalls im Vorfeld der Bestätigung des Restrukturierungsplans bei der Einschaltung des Restrukturierungsbeauftragten vorgesehen. Der Restrukturierungsbeauftrage ist von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde zu bestellen, Art. 2 Abs. 1 Nr. 12 EuRRL.192 Gemäß Art. 5 Abs. 3 EuRRL ist dessen Beteiligung zumindest in drei Fällen notwendig. Danach ist ein Restrukturierungsbeauftragter am Verfahren zu beteiligen, wenn die Behörde ein Moratorium gewährt, der Restrukturierungsplan im klassenübergreifenden cram-down bestätigt werden muss193 oder ein entsprechender Antrag des Schuldners oder der Gläubiger vorliegt. 3. Bestätigung des Restrukturierungsplans Die Beteiligung der Justiz- und Verwaltungsbehörden im Rahmen des Bestätigungsprozesses eines Restrukturierungsplans ist in Art. 10 Abs. 1 EuRRL detailliert geregelt.

189

Blankenburg, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 4, Rn. 49. Dazu bereits oben B. III. 1. b). Vgl. auch: Blankenburg, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 4, Rn. 50. 191 Vgl. Blankenburg, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 4, Rn. 49, Art. 6, Rn. 113 ff.; Goetker, in: Flöther, Sanierungsrecht, E., Rn. 84. 192 Vgl. auch Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 5 EuRRL, Rn. 6; Veder, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 2 EuRRL, Rn. 58, Art. 5 EuRRL, Rn. 13. 193 Richtigerweise kritisch zu der Regelung Art. 5 Abs. 3 EuRRL Seagon, NZI-Beilage 1/2019, 73, 75 f. 190

C. Gerichtsbeteiligung

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Danach sind zunächst Restrukturierungspläne, die die Forderungen oder die Beteiligung von ablehnenden Parteien beeinträchtigen, von einer staatlichen Stelle zu bestätigen, Art. 10 Abs. 1 lit. a) EuRRL. Damit ist jeder Restrukturierungsplan, der nicht einstimmig beschlossen wurde, von der Bestätigung durch eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde abhängig.194 Da davon auszugehen ist, dass ein Restrukturierungsplan regelmäßig nur dann entworfen werden wird, wenn eine konsensuale Lösung nicht zu erzielen ist,195 benötigt nach Art. 10 Abs. 1 lit. a) EuRRL wohl beinahe jeder Restrukturierungsplan die Beteiligung staatlicher Stellen.196 Die staatliche Beteiligung soll sicherstellen, dass die Forderungskürzungen in einem angemessenen Verhältnis zum Sanierungserfolg stehen.197 Ebenfalls sind Restrukturierungspläne, die eine neue Finanzierung vorsehen, einer Behörde zur Bestätigung vorzulegen, Art. 10 Abs. 1 lit. b) EuRRL. Dies lässt sich damit begründen, dass neue Finanzierungen nach Art. 17 EuRRL einem besonderen Anfechtungsschutz unterliegen.198 Die notwendige Beteiligung der Justiz- oder Verwaltungsbehörde soll also gewährleisten, dass diese Privilegierung nicht zu einer ungebührlichen Gläubigerbenachteiligung führt.199 Zuletzt sind Restrukturierungspläne bestätigungsbedürftig, die zu einem Verlust von mehr als 25 % der Arbeitsplätze führen, Art. 10 Abs. 1 lit. c) EuRRL. 4. Schutz von Finanzierungen und sonstigen Transaktionen Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, den besonderen Schutz von Finanzierungen und sonstigen Transaktionen200 nur unter der Bedingung zu gewähren, dass eine Justiz- und Verwaltungsbehörde ex ante oder ex post eine Kontrolle vornimmt, Art. 17 Abs. 2, Art. 18 Abs. 2 EuRRL. 5. Rechtsbehelfe nach Art. 16 EuRRL. Eine Beteiligung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde ist selbstverständlich auch im Rechtsbehelfsverfahren erforderlich. Die Richtlinie sieht in Art. 16 Abs. 1 EuRRL für Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung eines Restrukturierungsplans einen Devolutiveffekt vor.201 Hingegen soll nach der Konzeption der Richt194

Garcimartin, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 10 EuRRL,

Rn. 2. 195 Vgl. auch Garcimartin, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 10 EuRRL, Rn. 3. 196 Sogar einstimmig angenommene Restrukturierungspläne können gerichtlich bestätigt werden. Vgl. AG München, Beschl. v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21 = NZI 2022, 31, 32. 197 Erw.-Gr. 48. 198 Backes/Blankenburg, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 10, Rn. 7. Vgl. zur Privilegierung neuer Finanzierungen bereits oben B. IV. 3. 199 Art. 10 Abs. 2 lit. e) EuRRL. 200 Oben B. IV. 3. 201 Hirschberger, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 16, Rn. 4. Vgl. auch Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, Europ. Preventive Restructuring, Kommentar EuRRL, Art. 16 EuRRL, Rn. 4 ff.

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Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023

linie dem eingelegten Rechtsbehelf grundsätzlich keine Suspensivwirkung zukommen, Art. 16 Abs. 3 UAbs. 1 EuRRL.202 Die Mitgliedstaaten können jedoch abweichend hiervon bestimmen, dass die zur Entscheidung berufenen Stellen die Durchführung des Restrukturierungsplans ganz oder teilweise aussetzen können, um die Interessen der Parteien zu wahren, Art. 16 Abs. 3 UAbs. 1 EuRRL. Damit sollen der Restrukturierungserfolg gewährleistet und unnötige Verzögerungen vermieden werden.203

III. Keine Regelung zum Internationalen Privat- und Verfahrensrecht Bedauerlicherweise sind sämtliche Implikationen grenzüberschreitender Restrukturierung in der Richtlinie weitgehend ungeregelt. Allein in Art. 6 Abs. 8 UAbs. 2 EuRRL findet sich eine Berücksichtigung internationaler Sachverhalte. Nach der Vorschrift ist die Gesamtdauer eines Moratoriums auf vier Monate begrenzt, wenn der COMI eines Schuldners innerhalb von drei Monaten vor der Eröffnung des Verfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wurde.204 Diese Vorschrift greift allerdings nur dann, wenn sich Mitgliedstaaten entschieden haben, die Richtlinie durch ein Verfahren umzusetzen, das die Bedingungen für die Mitteilung nach Anhang A der EuInsVO nicht erfüllt.205 Der Richtliniengeber geht also offenbar davon aus, dass ein Verfahren nach der Richtlinie im Anwendungsbereich der EuInsVO liegen kann, aber nicht muss. Dies unterstreicht auch Erw.-Gr. 13 EuInsVO. Nach dessen Satz 2 soll es ausdrücklich keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten geben, das Restrukturierungsverfahren so auszugestalten, dass es dem Anwendungsbereich der EuInsVO unterfällt.206 Ausweislich der Vorschrift Art. 6 Abs. 8 UAbs. 2 EuRRL hat der Richtliniengeber offensichtlich erkannt, dass durch Verfahren, die außerhalb der Grenzen der EuInsVO liegen, die Möglichkeit besteht, auf die internationale

202 Vgl. auch Paulus, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 16 EuRRL, Rn. 8. 203 Vgl. Erw.-Gr. 65. 204 Art. 6 Abs. 8 UAbs. 2 EuRRL lautet wörtlich: „Haben sich Mitgliedstaaten dafür entschieden, diese Richtlinie im Wege eines oder mehrerer Verfahren beziehungsweise einer oder mehrerer Maßnahmen umzusetzen, die die Bedingungen für die Mitteilung nach Anhang A der Verordnung (EU) 2015/848 nicht erfüllen, so ist die Gesamtdauer der Aussetzung im Rahmen dieser Verfahren auf höchstens vier Monate begrenzt, wenn der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor Einreichung eines Antrags auf Eröffnung eines präventiven Restrukturierungsverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wurde.“ 205 Für den exakten Wortlaut vgl. Fn. 204. 206 Erw.-Gr. 13 Satz 2 lautet wörtlich: „Die vorliegende Richtlinie schreibt zwar nicht vor, dass bei den Verfahren in ihrem Anwendungsbereich sämtliche Bedingungen für die Mitteilung nach dem genannten Anhang A erfüllt sein müssen, ihr Ziel ist aber, die grenzüberschreitende Anerkennung dieser Verfahren und die Anerkennung und Vollstreckbarkeit der Urteile zu erleichtern.“

C. Gerichtsbeteiligung

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Gerichtszuständigkeit Einfluss zu nehmen.207 Mit der Vorschrift wird bezweckt, entsprechende Anreizstrukturen im Restrukturierungsverfahren abzumildern.208 Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit, die internationale Verfahrenszuständigkeit, das anwendbare Recht und die Anerkennung ausländischer Entscheidungen für das Restrukturierungsverfahren einer umfassenden Untersuchung zuzuführen. Dabei ist einerseits zu betrachten, wie sich das Restrukturierungsverfahren und die EuInsVO zueinander verhalten. Andererseits ist darauf einzugehen, wie die grenzüberschreitenden Fragestellungen des Verfahrens zu lösen sind, falls die EuInsVO nicht zur Verfügung stehen sollte.

IV. Zusammenfassung Die EuRRL schreibt die Beteiligung einer „Justiz- oder Verwaltungsbehörde“ am Restrukturierungsverfahren als Kontrollinstanz in genau definierten Situationen zwingend vor. Der Begriff ist so zu verstehen, dass sowohl ordentliche Gerichte als auch Verwaltungsbehörden die Kontrollfunktion übernehmen können. Welcher Institution diese Aufgabe überantwortet wird, entscheiden die Mitgliedstaaten. Eine Beteiligung staatlicher Kontrollinstanzen ist nach Richtlinie für alle wesentlichen Restrukturierungsinstrumente vorgesehen. Die Gewährung eines Moratoriums ist entweder direkt bei einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde zu beantragen oder muss wenigstens öffentlich angezeigt werden. Auch erfordert die Verlängerung des Moratoriums einen Antrag. Ebenso muss der Restrukturierungsbeauftragte staatlich bestellt werden. Restrukturierungspläne bedürfen zu ihrer Verbindlichkeit immer einer staatlichen Bestätigung, außer für den wohl seltenen Fall, dass sie einstimmig angenommen wurden und mithin die Rechte Ablehnender nicht beeinträchtigen. Auch der Schutz von Sanierungsfinanzierungen in einem späteren Insolvenzverfahren hängt von der Beteiligung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde ab. Die ordentliche Gerichtsbarkeit ist naturgemäß im Rechtsbehelfsverfahren involviert. Für die weitere Untersuchung der Problemkreise grenzüberschreitender Restrukturierung soll schwerpunktmäßig auf die Gewährung eines Moratoriums, die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten und die Planbestätigung abgestellt werden, da diese Instrumente zentral für das Restrukturierungsverfahren sind und zwingend staatlicher Beteiligung bedürfen.

207 Vgl. Richter, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 6 EuRRL, Rn. 48. 208 Richter, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 6 EuRRL, Rn. 48: „The second subparagraph obviously aims to discourage forum-shopping for preventive restructuring frameworks […]“.

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Kapitel 2: Grundlagen der Richtlinie (EU) 2019/1023

D. Schlussbetrachtungen In der vorliegenden Arbeit wird der präventive Restrukturierungsrahmen, wie er in den Vorschriften des zweiten Titels der EuRRL niedergelegt ist, einer genaueren Untersuchung im Hinblick auf potentielle Problemkreise grenzüberschreitender Restrukturierung unterzogen. Der Richtliniengeber bezweckt mit der EuRRL im Wesentlichen drei Dinge: die Stärkung des Binnenmarktes, die Förderung einer nachhaltigen Sanierungskultur und den Abbau sog. non-performing loans. All diese Zwecke lassen sich nachhaltig aber nur dann erreichen, wenn in den grenzüberschreitenden Belangen des Verfahrens hinreichende Rechtssicherheit herrscht. Der Restrukturierungsrahmen steht grundsätzlich auf Antrag des Schuldners im Zeitpunkt der nach nationalem Recht zu definierenden „wahrscheinlichen Insolvenz“ zur Verfügung und besteht aus verschiedenen Instrumenten, die der Schuldner nach Bedarf in Anspruch nehmen kann. Zentral ist der Restrukturierungsplan, der dem Schuldner ermöglicht, ein Gläubigerkollektiv kraft Mehrheitsbeschlusses und staatlicher Bestätigung an ein zuvor ausgehandeltes Restrukturierungskonzept zu binden. Damit werden die einem Restrukturierungskonzept inhärenten Koordinations- und Kooperationskonflikte vermieden, indem hold-out-player im Zuge der der Planannahme überstimmt und die einzelnen Sanierungsbeiträge der Gläubiger aufeinander abgestimmt werden können. Der Restrukturierungsplan ermöglicht dabei Eingriffe sowohl in die Aktiv- als auch die Passivmasse eines Unternehmens. Das Verfahren wird in Eigenverwaltung geführt, kann aber durch einen Restrukturierungsbeauftragten unterstützt werden. Weiter kann der Schuldner ein Moratorium in Anspruch nehmen, um während des Verhandlungsprozesses vor dem Gläubigerzugriff geschützt zu sein. Ferner besteht die Möglichkeit, Sanierungsfinanzierungen im Verfahren insolvenzfest zu begeben. Die Beteiligung einer staatlichen Kontrollinstanz in Form eines Gerichts oder einer Behörde ist zu genau definierten Verfahrenszeitpunkten für alle wesentlichen Sanierungsinstrumente vorgesehen. Sämtliche Problemkreise grenzüberschreitender Restrukturierungsverfahren sind jedoch unberücksichtigt geblieben. Dem Richtliniengeber scheint eine Anwendung der EuInsVO vorzuschweben, die aber nicht weiter konkretisiert wird. Er erkennt, dass durch diese ungeregelte Frage Gefahren drohen, ergreift aber nur für das Moratorium punktuell eine Gegenmaßnahme. Dies wird vorliegend zum Anlass genommen, die internationalen Implikationen des Restrukturierungsverfahrens einer genauen Betrachtung zu unterziehen, da die grenzüberschreitenden Fragestellungen für das Gelingen eines Restrukturierungskonzepts im europäischen Binnenmarkt von herausragender Bedeutung sind.

Kapitel 3

Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren A. Einleitung und Gang der Untersuchung In diesem Kapitel sollen die Implikationen der internationalen Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren näher beleuchtet werden, um daraus Leitplanken für den weiteren Gang der Untersuchung zu entwickeln und die Thematik einzugrenzen. In einem ersten Schritt erfolgen grundsätzliche Überlegungen zu der Rolle des internationalen Zivilverfahrensrechts, um daraus einen Bewertungsmaßstab für die im Hauptteil folgende Untersuchung zu bilden. Sodann folgen Gedanken zum Verhältnis von Zuständigkeit und anwendbarem Recht, um einschätzen zu können, inwiefern Umsetzungsspielräume innerhalb der EuRRL Anreize zur Beeinflussung des internationalen Gerichtsstandes schaffen. Abschließend wird das Spannungsverhältnis zwischen Gesellschaftsund Restrukturierungsstatut einer genaueren Analyse unterzogen. Die Ausführungen schließen mit Thesen, die das Fundament für den Fortgang der Arbeit bilden.

B. Zur internationalen Gerichtszuständigkeit im Binnenmarkt Der Europäischen Union ist nach Art. 81 Abs. 1 AEUV die Kompetenz zugewiesen, Rechtssetzung im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit zu betreiben. Aus diesem Grund ist das internationale Zivilverfahrensrecht in der EU bereits in weiten Teilen durch Verordnungen einheitlich geregelt. Dennoch verbleibt auch weiter ein Anwendungsbereich für die nationalen Bestimmungen zur internationalen Zuständigkeit. Für den weiteren Gang der Untersuchung ist daher zunächst eine kurze Eingrenzung des zu untersuchenden Regelwerks erforderlich. Außerdem muss eine Befassung mit den Grundprinzipien des internationalen Zivilverfahrensrechts erfolgen. Im Hauptteil dieser Arbeit werden die verschiedenen denkbaren Varianten der Bestimmung internationaler Gerichtszuständigkeit sowie deren Auswirkungen auf das anwendbare Recht und die Anerkennung von Entscheidungen im Ausland beleuchtet. Abschließend soll eine Bewertung des Status quo erfolgen. Voraussetzung jeder Wertung ist aber die Bestimmung eines Bewertungsmaßstabes. Dieser soll vorliegend aus den dogmatischen Grundprinzipien des internationalen Zivilverfahrensrechts erarbeitet werden.

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

Nur wenn Klarheit darüber herrscht, welchen übergeordneten Zwecken die Bestimmung internationaler Gerichtszuständigkeit dient, kann ein fundiertes Urteil darüber gefällt werden, ob das was ist auch sein soll.

I. Begriffsbestimmung Das internationale Zivilverfahrensrecht umfasst die Gesamtheit aller inländischen Normen, die sich auf Prozessrechtsverhältnisse mit ausländischen Elementen beziehen.1 Dazu zählen wegen des Anwendungsvorrangs2 des europäischen Rechts selbstverständlich auch die EU-Rechtsakte im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zentrale Regelungsanliegen dieser Normen sind einerseits die Jurisdiktion eines Staates bei einem Prozessrechtsverhältnis mit Auslandsbezug3 und anderseits die Anerkennung und Vollstreckung im Ausland ergangener Gerichtsentscheidungen.4 Zum internationalen Zivilverfahrensrecht zählen auch die Normen zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte im Insolvenzverfahren sowie zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen in einem solchen Verfahren, obwohl es sich bei einem Insolvenzverfahren nicht um einen klassischen Zivilprozess mit einem Kläger-Beklagten Verhältnis handelt.5 Das Insolvenzrecht lässt sich aber dennoch zum Zivilverfahrensrecht zählen, da es sich im weiteren Sinne um Vollstreckungsrecht handelt.6 Nun ist es Gegenstand dieser Arbeit, zu untersuchen, ob die bekannten Normen für die Zuständigkeitsbestimmung in Insolvenzverfahren auch auf das neue Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL angewendet werden können, da dessen Intention gerade nicht die Vollstreckung sondern die Insolvenzvermeidung ist.7 Bereits daran wird deutlich, dass sich unter Anwendung der klassischen Instrumente möglicher1 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 1, Rn. 10; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 1, Rn. 1.12; Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Erster Teil, Rn. 9; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 1, Rn. 1.1; Prütting, in: Prütting/ Gehrlein, ZPO, Einl., Rn. 67; Gottwald, in: Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 1, Rn. 1.2. 2 Grundlegend EuGH, Urt. v. 5. Februar 1963 – Rs. C-26/62, Van Gend & Loos, ECLI: EU:C:1963:1. Für Verordnungen ergibt sich der Anwendungsvorrang mittlerweile ausdrücklich aus Art. 288 Abs. 2 AEUV. 3 Bei den Normen des internationalen Zivilprozessrechts handelt es sich jedoch nicht um Kollisionsnormen. Ihnen fehlt es dafür an der erforderlichen „Allseitigkeit“. Ein Staat vermag kraft seiner Hoheitsgewalt nur seine eigene Jurisdiktion zu regeln, aber keine Gerichtszuständigkeit eines anderen Staates zu begründen. Dazu Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 1, Rn. 9. 4 Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Erster Teil, Rn. 1. 5 Vgl. Looschelders, in: Staudinger, Einleitung zum IPR, Rn. 289; v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 5, Rn. 2; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3, Rn. 1. 6 Vgl. Hess, Insolvenzrecht Großkommentar, Bd. 1, Vor. § 1 InsO, Rn. 2 f.; Prütting, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Einl., Rn. 2; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 1, Rn. 1.8. 7 Vgl. oben Kapitel 2, B. II. 2.

B. Zur internationalen Gerichtszuständigkeit im Binnenmarkt

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weise Friktionen ergeben können. Weiter ist zu untersuchen, ob andere Normen aus dem Bereich des internationalen Zivilverfahrensrechts als Werkzeug für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit sowie der Anerkennung ergangener Entscheidungen im Restrukturierungsverfahren zur Verfügung stehen.

II. Eingrenzung der zu untersuchenden Regelwerke Untersucht werden sollen alle Normen, die für die Zuständigkeitsbestimmung und die Anerkennung von Entscheidungen im Restrukturierungsverfahren potentiell relevant sein können. Der Anwendungsvorrang des europäischen Rechts gebietet es, zunächst die entsprechenden Vorschriften aus diesem Bereich zu untersuchen. Am nächsten liegt, auf die EuInsVO zurückzugreifen. Die Verordnung regelt die internationale Zuständigkeit, das anwendbare Recht und Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen für Insolvenzverfahren.8 Mit der Neufassung der EuInsVO9 ist deren Anwendungsbereich erweitert worden, sodass auch präventive Verfahren umfasst sein können.10 Daher ist zumindest grundsätzlich denkbar, die EuInsVO auch für das Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL heranzuziehen. Dafür spricht auch Erw.-Gr. 13 EuRRL, aus dem sich ableiten lässt, dass die Richtlinie auf Kompatibilität mit der EuInsVO ausgelegt worden ist.11 Dennoch verdeutlicht Art. 1 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a)–c) EuInsVO, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Verfahren in den Anwendungsbereich der EuInsVO fällt. Mithin scheint es von der konkreten Ausgestaltung des Restrukturierungsverfahrens abzuhängen, ob die Kriterien des Art. 1 Abs. 1 EuInsVO erfüllt sind und das Verfahren in den Anhang A der EuInsVO aufgenommen werden kann. Dies gibt Anlass zur näheren Befassung.

8

Vgl. Kindler, in: MüKo BGB, Vor. Art. 1 EuInsVO, Rn. 3–11. Mit der Verordnung (EU) 2015/848 v. 20. Mai 2015 wurde die Verordnung (EG) 1346/2000 v. 29. Mai 2000 abgelöst und grundlegend überarbeitet. Dazu etwa Mock, in: BeckOK InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 1 f. 10 Vgl. J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 1, Rn. 6 f. 11 Erw.-Gr. 13 EuRRL lautet wörtlich: „Diese Richtlinie sollte unbeschadet des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) 2015/848 gelten, jedoch vollständig mit dieser Verordnung vereinbar sein und diese ergänzen, indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, präventive Restrukturierungsverfahren einzuführen, die bestimmten Mindestgrundsätzen der Wirksamkeit genügen. Sie verfolgt keinen anderen Ansatz als den der genannten Verordnung, nach dem die Mitgliedstaaten Verfahren beibehalten oder einführen können, die nicht die Bedingungen der öffentlichen Bekanntmachung für die Mitteilung nach Anhang A der genannten Verordnung erfüllen. Die vorliegende Richtlinie schreibt zwar nicht vor, dass bei den Verfahren in ihrem Anwendungsbereich sämtliche Bedingungen für die Mitteilung nach dem genannten Anhang A erfüllt sein müssen, ihr Ziel ist aber, die grenzüberschreitende Anerkennung dieser Verfahren und die Anerkennung und Vollstreckbarkeit der Urteile zu erleichtern.“ 9

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

Darüber hinaus kann eine Anwendbarkeit der EuGVVO in Betracht kommen, sofern der Anwendungsbereich der EuInsVO für Restrukturierungsverfahren nicht eröffnet wäre. Daran könnte prima facie zu zweifeln sein, da Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO eine Bereichsausnahme für Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren enthält. Dem lässt sich jedoch eine systematische Erwägung entgegenhalten. Die EuInsVO und die EuGVVO sollen „lückenlos ineinandergreifen“.12 Insofern ließe sich anbringen, dass nur solche Verfahren unter die Bereichsausnahme fallen, die im Anwendungsbereich der EuInsVO liegen.13 Eine derartig strikt verstandene Alternativität beider Rechtsinstitute könnte also eine Anwendbarkeit der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren begründen. Gesichert ist diese Erkenntnis jedoch keineswegs.14 Auch dies gibt Anlass zu weiteren Überlegungen. Sollten weder die EuInsVO noch die EuGVVO zur Verfügung stehen, ist das nationale Recht heranzuziehen. Auch hier liegt ein Rückgriff auf die autonomen Vorschriften zum internationalen Insolvenzrecht nahe, die sich in §§ 335 ff. InsO finden. Dafür wäre gleichwohl Voraussetzung, dass sich ein Restrukturierungsverfahren als Insolvenzverfahren im Sinne dieser Vorschriften begreifen ließe.15 Hilfsweise könnte erwogen werden, bestimmte gerichtliche Entscheidungen im Restrukturierungsverfahren als „Urteile“ zu qualifizieren und insofern auf § 328 ZPO zurückzugreifen.

III. Dogmatische Maximen des internationalen Zivilverfahrensrechts Jede Regelung internationaler Gerichtszuständigkeit steht vor der Herausforderung, eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen miteinander in Einklang bringen zu müssen. Eine Zuständigkeitsnorm lässt sich deshalb als Ergebnis der Gewichtung und Abwägung der hinter ihr stehenden Zuständigkeitsinteressen begreifen.16 Daher soll aufgeschlüsselt werden, anhand welcher Grundprinzipien sich der Gesetzgeber bei der Normierung internationaler Zuständigkeit leiten lässt und leiten lassen muss. Dabei sind einerseits die allgemeinen Zielbestimmungen des internationalen Zivilverfahrensrechts zu beachten. Darüber hinaus sind auch die speziellen Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung für Insolvenzverfahren zu berücksichtigen.

12

Vgl. Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 1 EuGVVO, Rn. 98 m.w.N. So etwa Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1503, ders., in: Kübler/Prüttung/Bork, InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 11. 14 Kritisch etwa Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 44 ff. 15 Vgl. zur Einordnung des Begriffs „Insolvenzverfahren“ Reinhart, in: MüKo InsO, Vor. §§ 335 ff. InsO, Rn. 96–103. 16 Vgl. etwa: Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 167 ff.; Heldrich, in: FS Ficker, S. 205, 207 ff.; J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 95–111; Kropholler, in: Hdb. Internat. Zivilverfahrensrecht, Bd. 1, Kapitel 3, § 1, Rn. 17; Knof, in: Uhlenbruck, Art. 3 EuInsVO, Rn. 8. 13

B. Zur internationalen Gerichtszuständigkeit im Binnenmarkt

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1. Herleitung der Interessenlage und der Grundprinzipien Die Interessenlage und die Prinzipien des internationalen Zivilverfahrensrechts stehen in engem Zusammenhang mit der Funktion des Zivilverfahrens im bürgerlichen Rechtsstaat.17 Mithin sind insofern zunächst einige grundsätzliche Erwägungen anzustellen. Ihre wechselseitigen zivilrechtlichen Ansprüche können die Bürger im demokratischen Rechtsstaat vor dem Hintergrund des staatlichen Gewaltmonopols nur mit obrigkeitlicher Hilfe durchsetzen.18 Der Zivilprozess ist folglich ein formalisierter Rahmen, innerhalb dessen der Staat dem Bürger private Rechtsdurchsetzung ermöglicht.19 Aus dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch20 ergibt sich eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates, einen solchen Rahmen vorzuhalten.21 Da der Staat also von Verfassungswegen dazu verpflichtet ist, die Institution des Zivilprozesses zur Verfügung zu stellen, muss er notwendigerweise auch Gerichte für das Verfahren bereithalten und für zuständig erklären. Kurz lässt sich formulieren: Gerichtszuständigkeit ist eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Justizgewähranspruchs.22 Der Zivilprozess ist also für den Bürger geschaffen. Daraus folgt, dass bei der Normierung internationaler Zuständigkeit die Individualinteressen der am Prozess beteiligten Parteien zu berücksichtigen sind.23 Gleichzeitig übt der Staat im Zivilprozess Hoheitsgewalt aus.24 Im internationalen Kontext hängt die Frage, welche Anforderungen an den Inlandsbezug eines Prozesssachverhalts gestellt werden, um ihn der heimischen Jurisdiktion zu unterstellen, davon ab, wieweit ein Staat seine Hoheitsgewalt ausdehnen kann und ausdehnen möchte.25 Daher beeinflussen neben den Individualinteressen

17 Vgl. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 202 ff., der hier vom sog. „Freiheitsmodell“ spricht. 18 Vgl. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 289. 19 Heldrich, in: FS Ficker, S. 205, 207. 20 Dazu BVerfG, Beschl. v. 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395 ff., NJW 2003, 1924 ff. Der Art. 19 Abs. 4 GG gewährt Gerichtsschutz nur vor Akten öffentlicher Gewalt. Das BVerfG leitet allerdings aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG den sog. „allgemeinen Justizgewährungsanspruch“ ab, der Rechtsschutz auch im Wege der Zivilgerichtsbarkeit garantiert. Vgl. auch Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20, Rn. 199. 21 Vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90, Rn. 275 f. 22 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02, C. 2., BVerfGE 107, 395, 405, NJW 2003, 1924: „Das Grundgesetz sichert im Bereich […] des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs das Offenstehen des Rechtswegs.“ 23 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 251 ff. Dazu ausführlich: J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, Erster Teil, S. 112 ff. 24 Vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 6, Rn. 177. 25 Das Interesse an der Ausdehnung heimischer Gerichtsgewalt hängt vom Grad der Inlandsbezogenheit des Streitgegenstandes ab. Vgl. Heldrich, in: FS Ficker, S. 205, 207. Zu den völkerrechtlichen Grenzen der Gerichtsgewalt ausführlich: Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 6, Rn. 174 ff.

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

auch staatliche Interessen die internationale Zuständigkeit.26 Diese staatlichen Interessen müssen im europäischen Binnenmarkt zusätzlich um die Prinzipien des Binnenmarktes und der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen ergänzt werden. Darüber hinaus hängen die staatlichen Interessen vom konkret in Rede stehenden Verfahren ab. Die staatlichen Interessen müssen für diese Untersuchung also um die Spezifika des Insolvenzverfahrens bereichert werden. Im Ergebnis lassen sich die hinter einer Zuständigkeitsnorm stehenden Interessen in Partei- und Staatsinteressen unterteilen.27 Anhand dieser Zweiteilung soll nun ein verfeinerter Überblick über die Interessenlage gegeben werden.28 2. Parteiinteressen im internationalen Zivilverfahren Vordergründig haben die Parteien ein übereinstimmendes Interesse an einem schnellen, kostengünstigen und zuverlässigen Gerichtsverfahren.29 Ebenfalls ist jede Partei an der räumlichen Nähe des Gerichts interessiert.30 Hier ist das Interesse von Kläger und Beklagtem allerdings regelmäßig gegenläufig gelagert, außer in dem seltenen Fall, dass Kläger und Beklagter am selben Ort wohnhaft sind.31 Die Ausgestaltung internationaler Gerichtszuständigkeit steht hier vor der Herausforderung, einerseits dem Anspruch des Klägers auf Justizgewähr durch die Eröffnung zumutbarer Gerichtsstände, und andererseits dem Interesse des Beklagten an der Begrenzung seiner Gerichtspflicht gerecht werden zu müssen.32 Dieses Spannungsfeld wird mit dem Grundsatz actor sequitur forum rei33 aufgelöst, der als allgemeines Prinzip des Prozessrechts gelten kann,34 aber gleichwohl gelegentlich durchbrochen wird.35

26 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 257 ff. Dazu ausführlich: J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, Dritter Teil, S. 616 ff. 27 Oft nehmen Autoren eine Dreiteilung in Partei-, Ordnungs- und Staats- bzw. Gerichtsinteressen vor. So etwa Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 250; J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 110 f. Dem soll hier nicht gefolgt werden, da sich diese Aufteilung dem Vorwurf ausgesetzt sieht, die Interessentrias des internationalen Privatrechts nach Kegel auf das internationale Zivilverfahrensrecht zu übertragen. Vgl. dazu: Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 181 f. 28 Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass es Überschneidungen geben kann; s. nur Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 175: „Zuständigkeitsinteressen lassen sich nach alledem sowohl als Ausdruck individueller Rechtsschutzinteressen als auch als Ausdruck staatlicher Friedens- und Ordnungsinteressen begreifen.“ 29 Vgl. Knof, in: Uhlenbruck, Art. 3 EuInsVO, Rn. 9; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 168. 30 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 251; J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 117 ff. 31 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 251. 32 Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Vierter Teil, Rn. 1126. 33 Der Kläger folgt dem Gerichtsstand des Beklagten. 34 Vgl. Kropholler, in: Hdb. Internat. Zivilverfahrensrecht, Bd. 1, Kapitel 3, § 2, Rn. 265. 35 Dazu Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 1–6.

B. Zur internationalen Gerichtszuständigkeit im Binnenmarkt

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Die Parteien haben darüber hinaus ein gemeinsames übereinstimmendes Interesse an der Vorhersehbarkeit des Gerichtsstands.36 So muss der Beklagte das Risiko kalkulieren können, in einem bestimmten Land gerichtspflichtig zu sein, während der Kläger wissen muss, vor welchen Gerichten er seine Ansprüche durchsetzen kann. Weiter sind die Parteien daran interessiert, dass ein Gericht zur Entscheidung berufen wird, dass „sach- und beweisnah“ ist, da dies Zeit und Kosten spart und mithin die Rechtsdurchsetzung erheblich erleichtert.37 Im internationalen Kontext hat ferner die Rechtsnähe des Gerichts eine überragende Bedeutung.38 Da kein Gleichlauf zwischen internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht existiert,39 sind die Parteien also daran interessiert, ein Gericht zu berufen, das im auf den Sachverhalt anwendbaren Recht versiert ist.40 Aus der Perspektive des Klägers ist ferner die Vollstreckungsnähe des Gerichts von Relevanz.41 Daher kann ein Interesse daran bestehen, in einem Land zu klagen, in dem der Beklagte wesentliche Vermögensgegenstände hält, um keine grenzüberschreitende Vollstreckung betreiben zu müssen.42 Darüber hinaus kann den Parteien ein Interesse an der Wirksamkeit bzw. der Anerkennungsfähigkeit der ergangenen Entscheidung im Ausland attestiert werden.43 Eine grenzüberschreitend uneinheitliche Beurteilung eines Rechtsverhältnisses ist der Rechtssicherheit abträglich und birgt die erhebliche Gefahr sich widersprechender Gerichtsentscheidungen. 3. Staatsinteressen im internationalen Zivilverfahren Ganz grundsätzlich hat auch der Staat ein originäres Interesse daran, Gerichtsschutz durch die heimischen Gerichte zu gewähren; die Ausprägung dieses Interesses hängt von der Intensität des Inlandsbezuges des Streitgegenstandes ab.44

36 Vgl. EuGH, Urt. v. 17. Juni 1992 – Rs. C-26/91, Jakob Handte & Co GmBH./.Traitements me´cano-chimiques des surfaces SA, ECLI:EU:C:1992:268, Rn. 19; BGH, Urt. v. 29. März 2011 – VI ZR 111/10, Rn. 10, NJW 2011, 2059, 2060. Siehe auch: Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 254. 37 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 252. 38 Heldrich, in: FS Ficker, S. 205, 210; J. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 108; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 170; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 253. 39 Dazu Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Vierter Teil, Rn. 1041 ff. 40 Vgl. Fn. 38. 41 Heldrich, in: FS Ficker, S. 205, 208; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 170. 42 Dazu anschaulich Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 84. 43 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 170. 44 Kropholler, in: Hdb. Internat. Zivilverfahrensrecht, Bd. 1, Kapitel 3, § 1, Rn. 17. Vgl. auch Heldrich, in: FS Ficker, S. 205, 207.

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

Auch der „internationale Entscheidungseinklang“ kann als staatliches Interesse im internationalen Zivilverfahren aufgefasst werden. Nach diesem Ideal soll der Ausgang eines Rechtsstreits nicht von der Zufälligkeit des internationalen Gerichtsstands abhängen; sich widersprechende Gerichtsentscheidungen sind nach Möglichkeit zu verhindern.45 Unter zuständigkeitsrechtlicher Perspektive kann dies mit der Gewährleistung der wechselseitigen Anerkennung von Gerichtsentscheidungen erreicht werden.46 Der internationale Entscheidungseinklang ist damit die Kehrseite des Wirksamkeitsinteresses der Verfahrensparteien. Gleichzeitig verfolgen Staaten mit den Gesetzen zur internationalen Zuständigkeit auch Schutzinteressen. Bestimmte Personengruppen werden zuständigkeitsrechtlich privilegiert, um prozessuale Waffengleichheit zu gewährleisten und damit ihrem Justizgewähranspruch zu genügen.47 Schutzinteressen werden regelmäßig dann verfolgt, wenn abweichend vom Grundsatz actor sequitur forum rei ein Klägergerichtsstand zur Verfügung gestellt wird.48 Zu den staatlichen Zuständigkeitsinteressen sollen an dieser Stelle auch die Grundsätze des europäischen internationalen Zivilprozessrechts gezählt werden. Es handelt sich dabei nicht um die Interessen eines einzelnen Staates sondern um die gemeinsam verfolgten Interessen des Staatenverbunds49 der Europäischen Union im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen. Deren Grundsätze hat der EuGH in seinem Urteil TNT Express ./. AXA50 auf fünf wesentliche Aspekte prägnant heruntergebrochen. Danach fußt die justizielle Zusammenarbeit auf folgenden wesentlichen Grundsätzen: a) freier Verkehr der

45 Vgl. etwa Rauscher, IPR, Rn. 55; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 260; Kegel/Schurig, IPR, § 2, II. 46 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 260. Das Ideal des internationalen Entscheidungseinklangs wird auch im internationalen Privatrecht verfolgt, erfährt hier gleichwohl aber eine andere Ausprägung. Hier soll diesem Ziel durch die Wahl international gebräuchlicher Anknüpfungspunkte und der Suche nach dem Sitz des Rechtsverhältnisses genügt werden. Vgl. Kegel/Schurig, IPR, § 2, II. Die Suche nach dem „Sitz des Rechtsverhältnisses“ geht auf v. Savigny zurück. Vgl. v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 8, S. 108 ff., 118. 47 Vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 257; Heldrich, in: FS Ficker, S. 205, 213 ff. 48 Beispielsweise kann ein Verbraucher für eine Klage aus einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrages nach § 29c Abs. 1 Satz 1 ZPO am Gericht seines Wohnsitzes Klage erheben. Auch Art. 18 Abs. 1 EuGVVO eröffnet einen Klägergerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers. Dazu Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 257. 49 Das BVerfG hat in seiner Maastricht-Entscheidung, BVerfG, Urt. v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, den Begriff „Staatenverbund“ eingeführt. Dieser verdeutlicht, dass es sich bei der EU um mehr als einen bloßen Staatenbund handelt, der allerdings die Schwelle zu eigener Staatlichkeit noch nicht überschritten hat. In diesem Sinne wird der Begriff Staatenverbund auch in dieser Arbeit verwendet. Zum Ganzen siehe Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 1 AEUV, Rn. 55 ff. 50 EuGH, Urt. v. 04. Mai 2010 – Rs. C-533/08, TNT Express Nederlands BV./.AXA Versicherung AG, ECLI:EU:C:2010:243.

B. Zur internationalen Gerichtszuständigkeit im Binnenmarkt

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Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, b) Vorhersehbarkeit der zuständigen Gerichte und damit Gewährung von Rechtssicherheit, c) geordnete Rechtspflege, d) möglichst weitgehende Vermeidung von Parallelverfahren und e) das wechselseitige Vertrauen in die Justiz.51 Auf einer Metaebene steht die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen in einem direkten Zusammenhang mit dem Binnenmarkt.52 Schwierigkeiten bei der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Rechtspositionen hemmen die Wirkungskraft der europäischen Grundfreiheiten.53 Deshalb bildet die Vereinheitlichung des europäischen internationalen Zivilprozessrechts seit jeher eine Speerspitze europäischer Harmonisierungsvorhaben.54 Das europäische internationale Zivilverfahrensrecht steht im Dienst des europäischen Gedankens.55 4. Spezifika des internationalen Insolvenzverfahrens Für die Zuständigkeitsbestimmung im Insolvenzverfahren müssen die genannten Grundsätze um die Zwecke des Insolvenzverfahrens erweitert werden. Zentraler Grundsatz des nationalen Insolvenzverfahrens ist die Gleichbehandlung der Gläubiger (par condicio creditorum).56 Diese kann bei einem grenzüberschreitenden Insolvenzfall optimal nur durch ein weltweit einheitliches Insolvenzverfahren unter einer einzigen Rechtsordnung erreicht werden.57 Die Gleichbehandlung der Gläubiger erfordert also die Einheitlichkeit und Universalität des Insolvenzverfahrens.58 Einheitlichkeit bedeutet dabei, dass für einen Insolvenzschuldner nur ein einziges Verfahren eröffnet wird.59 Nach dem Grundsatz der Universalität soll das Insolvenzverfahren Zugriff auf das gesamte Schuldnervermögen ermöglichen, unabhängig davon, ob es im In- oder Ausland belegen ist, und unter einer

51 Ebd. Fn. 50. Bestätigt durch EuGH Urt. v. 19. Dezember 2013 – Rs. C-452/12, Nipponkoa Insurance Co. (Europe) Ltd./.Inter-Zuid Transport BV, ECLI:EU:C:2013:858. 52 Vgl. dazu Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 3, Rn. 3.1 ff.; ders. weist in § 1, Rn. 1.1 darauf hin, die EG-Kommission habe bereits im Jahr 1959 festgestellt, dass „ein echter Binnenmarkt […] erst dann ermöglicht sein [wird], wenn ein ausreichender Rechtsschutz gewährleistet ist.“ Dies ebenfalls betonend Leible, in: Streinz EUV/AEUV, Art. 81 AEUV, Rn. 16. 53 Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 1, Rn. 1.1; Leible, in: Streinz EUV/AEUV, Art. 81 AEUV, Rn. 16. 54 Vgl. Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 81 AEUV, Rn. 20–24. 55 Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 81 AEUV, Rn. 24. Vgl. dazu auch Lagarde, in: Kieninger, Denationalisierung des Privatrechts, S. 1–18. 56 Vgl. Bork, Insolvenzrecht, Rn. 2; Stürner, in: MüKo InsO, Einleitung, Rn. 62 f. 57 Vgl. Paulus, EuInsVO, Einl., Rn. 35; Kindler, in: Kindler/Nachmann/Bitzer, Hdb. InsR Europa, § 1, Rn. 1 ff. 58 So auch Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Einleitung, Rn. 13. 59 Eidenmüller, IPRax 2001, 2, 5 f.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 23, Rn. 1223.

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

einzigen Rechtsordnung durchgeführt werden.60 Diese „Ideale“61 liegen sowohl dem deutschen als auch dem europäischen internationalen Insolvenzrecht zu Grunde.62 Gleichwohl werden diese Prinzipien nicht ausnahmslos durchgehalten.63 So lässt sowohl das europäische als auch das deutsche Recht zum Schutz lokaler Kleingläubiger64 Sekundärinsolvenzverfahren zu.65 Dingliche Sicherheiten unterliegen dem Recht des Belegenheitsortes.66 Dennoch können Einheitlichkeit und Universalität als Grundsatz des Internationalen Insolvenzrechts begriffen werden. Die Durchbrechungen zeigen nur, dass – wie bereits festgestellt worden ist – Zuständigkeitsnormen Ausprägung der Gewichtung verschiedener Zuständigkeitsinteressen sind. Auch Universalität und Einheitlichkeit können nicht absolut gelten. 5. Unklarheit der Grundsätze des internationalen Restrukturierungsverfahrens Unklarheit besteht allerdings über die Grundsätze und Zuständigkeitsinteressen des internationalen Restrukturierungsverfahrens. Sicherlich lassen sich die allgemeinen Prinzipien übertragen. Auch im Restrukturierungsfall haben die Parteien ein Interesse an einem schnellen, unkomplizierten und möglichst kostengünstigen Verfahren. Auch die Nähe des Gerichts wird den Parteien gelegen kommen. Ebenso wird der Staat daran interessiert sein, bestimmte Schutzinteressen zu verfolgen und etwa Kleingläubiger oder Arbeitnehmer unter seine Protektion stellen. Ebenso können die europäischen Grundsätze der justiziellen Zu-

60 Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 9, Rn. 9.1; Paulus, NZI 2001, 505, 506; Madaus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 2; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 23, Rn. 1220. Richtigerweise ist zwischen Universalität und Einheitlichkeit des Verfahrens zu differenzieren. Siehe dazu Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Einleitung, Rn. 17. Diese begriffliche Trennung legt auch der Wortlaut des Erw.-Gr. 22 EuInsVO nahe. 61 So wörtlich Paulus, EuInsVO, Einl., Rn. 35; Madaus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 2. 62 Zum deutschen Recht siehe §§ 335, 343 InsO. Zum europäischen Recht siehe Art. 3, 19 EuInsVO. 63 Paulus, EuInsVO, Einl., Rn. 40 ff.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 9, Rn. 9.2, Madaus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 2 f. 64 Vgl. zu dieser Schutzfunktion etwa Hermann, in: Uhlenbruck, Art. 34 EuInsVO, Rn. 13. Zum autonomen deutschen Recht siehe etwa Reinhart, in: MüKo InsO, § 356 InsO, Rn. 3. 65 Das deutsche Recht gewährt nach § 356 Abs. 1 Satz 1 InsO die Möglichkeit, trotz eines anerkennungsfähigen Hauptinsolvenzverfahrens im Ausland im Inland ein Sekundärinsolvenzverfahren zu eröffnen. Die EuInsVO lässt nach Art. 34 die Durchführung eines Sekundarinsolvenzverfahrens zu. 66 Art. 8 EuInsVO bestimmt insofern, dass dingliche Rechte eines Gläubigers oder eines Dritten an Sachen, die sich im Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat befinden, von der Verfahrenseröffnung nicht berührt werden. Bei Art. 8 EuInsVO handelt es sich um eine Sachnorm. Vgl. dazu Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 8 EuInsVO, Rn. 6. Für das deutsche autonome Recht gilt insofern Art. 43 Abs. 1 EGBGB.

B. Zur internationalen Gerichtszuständigkeit im Binnenmarkt

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sammenarbeit in Zivilsachen auch im Restrukturierungsverfahren Geltung beanspruchen. Fraglich ist allerdings, ob die Grundsätze des internationalen Insolvenzverfahrens für die Zwecke des Restrukturierungsverfahrens angemessen sind. Das Insolvenzverfahren zielt primär auf Haftungsverwirklichung im Wege der Gesamtvollstreckung.67 Hingegen bezweckt das Restrukturierungsverfahren die Abwendung der Insolvenz, ist also vollstreckungsvermeidend ausgerichtet. Konsequenterweise sind daher nach der EuRRL auch nicht sämtliche Gläubiger in das Verfahren einzubeziehen.68 Im Sinne der Verfahrenseffizienz genügt es zur Insolvenzvermeidung regelmäßig, nur bestimmte Schlüsselgläubiger in das Restrukturierungskonzept einzubinden.69 Deshalb scheint es prima facie zweifelhaft, ob Vorschriften, die auf die grenzüberschreitende Abwicklung vollstreckungsrechtlicher Gesamtverfahren gerichtet sind, auch im internationalen Restrukturierungsfall überzeugende Antworten liefern. Dies wird im Hauptteil der Arbeit umfassend zu untersuchen sein. Die Analyse der internationalen Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren de lege lata wird zeigen, ob die Interessen im internationalen Restrukturierungsverfahren insolvenzrechtlich gelagert oder aber von diesen zu unterscheiden und deshalb de lege ferenda abzuspalten sind.

IV. Zusammenfassung Es wird zu untersuchen sein, welche Vorschriften aus dem Bereich des internationalen Zivilverfahrensrechts auf grenzüberschreitende Restrukturierungsverfahren angewendet werden können. Hier wird auf die Vorschriften der EuInsVO, der EuGVVO sowie die §§ 335 ff. InsO einzugehen sein. Um eine Bewertung des bestehenden Zuständigkeitssystems vornehmen zu können, sind die maßgeblichen Zuständigkeitsinteressen herausgearbeitet worden. Diese lassen sich in Partei- und Staatsinteressen unterteilen. Die Parteien sind übereinstimmend an einem möglichst schnellen und kostengünstigen Verfahren interessiert und möchten ein Gericht berufen, das örtlich sowie sach- und beweisnah ist. Ferner haben die Parteien ein Interesse an der Vorhersehbarkeit des Gerichtsstandes. Die Staaten haben ein Interesse daran, Gerichtsschutz durch heimische Gerichte zu gewähren; außerdem verfolgen sie Schutzinteressen. Ferner sind im europäischen Binnenmarkt die Grundsätze der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen zu berücksichtigen. In grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren erfordert die angestrebte Gleichbehandlung der Gläubiger die Einheitlichkeit und Universalität des Verfahrens. Die Grundsätze grenzüberschreitender Restrukturierungsfälle 67

Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Kapitel 1, Rn. 1.11 ff.; Bork, Insolvenzrecht, § 1, Rn. 1. Siehe oben Kapitel 2, B. IV. 1. b) dd). Vgl. auch Veder, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 8 EuRRL, Rn. 9 f.; de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 667. 69 Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 340; Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033, 2038. 68

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

sind unklar. Die allgemeine Interessenlage des Zivilverfahrens lässt sich übertragen. Fraglich ist allerdings, ob die Prinzipien des internationalen Insolvenzverfahrens herangezogen werden können, da das Restrukturierungsverfahren nicht auf Vollstreckung, sondern auf Insolvenzvermeidung gerichtet ist. Dies wird eine Analyse des bestehenden Zuständigkeitssystems zeigen.

C. Interesse an Restrukturierung unter fremdem Recht Unter dem Stichwort „Sanierungsmigration“ sind in der Vergangenheit einige Fälle sowohl in der juristischen Fachwelt als auch in der breiten Öffentlichkeit zu einer gewissen Berühmtheit gelangt, in denen deutsche Kapitalgesellschaften britische Gerichte anriefen, um unter Anwendung der in Großbritannien verfügbaren Rechtsinstitute eine drohende Insolvenz abzuwenden.70 Dafür wurden teils komplizierte Konstruktionen gewählt, um den Anwendungsbereich britischer Jurisdiktion zu eröffnen.71 Diesen Weg schlug man ein, da das deutsche Insolvenzrecht im betreffenden Zeitpunkt aus Sicht der handelnden Personen keine ausreichenden Mechanismen zur Bewältigung der finanziellen Schieflage vorhielt.72 Auf den ersten Blick ist man geneigt zu denken, dass diese komplexen Vorgehensweisen spätestens mit dem Ablauf der Umsetzungsfrist der EuRRL der Vergangenheit angehören, da zu diesem Zeitpunkt in jedem Mitgliedstaat ein präventives Restrukturierungsverfahren zur Verfügung stehen müsste, das strauchelnde Unternehmen in Anspruch nehmen können. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass die EuRRL sich durch auffällig viele und weitgehende Umsetzungsspielräume auszeichnet.73 Ursächlich ist wohl ein zäher Verhandlungsprozess; nur mit der Gewährung großzügiger Umsetzungsoptionen war die zur Verabschiedung der Richtlinie erforderliche Mehrheit im Rat und im Parlament überhaupt zu erreichen.74 Dies wird vorhersehbar dazu führen, dass die Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten der EU ganz unterschiedlich ausfallen wird.75 Eine Harmonisierung des materiellen 70 Ausführlich Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 5 ff. Vgl. auch Westpfahl, ZGR 2010, 385, 386; Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033 ff.; Paulus, ZIP 2011, 1077 ff.; Vallender, ZGR 2006, 425 ff. 71 Vgl. etwa zum Phänomen des „COMI-Shifting“ Weller, ZGR 2008, 835 ff.; Schwemmer, NZI 2009, 355 ff. Zum „Wettbewerb der Insolvenzrechte“ Eidenmüller, ZGR 2006, 467 ff. 72 Vgl. Jacoby, ZGR 2010, 359 ff.; Westpfahl, ZGR 2010, 385 ff. 73 Skauradszun, KTS 2019, 161, 162 zählt etwa 70 Öffnungsklausen. Den weiten Umsetzungsspielraum ebenfalls betonend: Eidenmüller, in: MüKo InsO, Vor §§ 217–268, Rn. 76. Eine detaillierte Auflistung der hier interessierenden Umsetzungsspielräume findet sich sogleich unter: C. I. 74 Dugue´, ZInsO 2020, 494, 494. 75 Brinkmann, in: Ebke/Seagon/Blatz, Aktuelle Fragestellungen der Restrukturierung und Transformation, 2020, S. 41, 50.

C. Interesse an Restrukturierung unter fremdem Recht

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Rechts wird deshalb allenfalls bedingt eintreten.76 Damit ist aber auch das Phänomen der „Sanierungsmigration“ nicht aus der Welt. Aus Sicht eines Schuldners mit Restrukturierungsbedarf kann in Anbetracht divergierender Restrukturierungsregime auch fortan ein nachvollziehbares Interesse bestehen, in den Einflussbereich derjenigen Rechtsordnung zu gelangen, unter der die Umsetzung des Restrukturierungskonzepts am erfolgversprechendsten ist.77 Die Umsetzungsspielräume in der EuRRL haben also das Potential dazu, die Konkurrenz der Restrukturierungsregime im europäischen Binnenmarkt erneut zu befeuern. Dieses Phänomen wird durch den Brexit78 noch verschärft, da der Zutritt zum britischen Rechtsraum mangels Anwendbarkeit der europäischen Grundfreiheiten nunmehr jedenfalls erschwert ist.79 Ebenfalls ist die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen britischer Gerichte nicht mehr lückenlos gewährleistet, da die EuGVVO und die EuInsVO im Verhältnis zu Großbritannien nicht mehr anwendbar sind. Damit ist auch die Attraktivität des Scheme of Arrangement oder des Company Voluntary Arrangement erheblich geschmälert.80 Deshalb scheint es durchaus plausibel, dass in Zukunft andere Rechtsordnungen die sich ergebende Lücke füllen werden und das Stichwort „Sanierungsmigration“ noch nicht der Rechtsgeschichte überlassen ist.81 Besteht nach alledem eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass auch zukünftig ein Interesse daran bestehen kann, die Restrukturierung unter einer ganz bestimmten Rechtsordnung durchzuführen, folgt daraus für den Fortgang der Untersuchung zweierlei: Zunächst sind die Umsetzungsspielräume der Richtlinie genauer zu betrachten, um die Frage beantworten zu können, ob diese derart gravierend sind, dass sie ein praktisches Interesse daran begründen können, auf das anwendbare Recht Einfluss zu nehmen. Ansonsten wäre die skizzierte Problematik von vornherein rein theoretischer Natur. In einem nächsten Schritt ist der Frage nachzugehen,

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Dugue´, ZInsO 2020, 494, 494. Fritz/Scholtis, BB 2019, 2051, 2052. In diesem Sinne auch Madaus, European Insolvency and Restructuring, TLE-050–2018. Dies wird – aller Voraussicht nach – diejenige Rechtsordnung sein, die an das Restrukturierungsverfahren die geringsten Anforderungen stellt und dabei gleichzeitig ein schnelles sowie kostengünstiges Verfahren bereithält. 78 Brexit ist ein Akronym aus den Wörtern „Britain“ und „Exit“. Darunter ist der Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu verstehen, der am 31. Januar 2020 stattgefunden hat. 79 Die Zuständigkeitseröffnung britischer Gerichtsbarkeit oder jedenfalls die Anwendungseröffnung britischen Rechts setzt voraus, dass relevante Anknüpfungsmomente in Zusammenhang mit dem Vereinigten Königreich gebracht werden. Das ist regelmäßig die Verlegung des Wohn- oder Gesellschaftssitzes. Sobald die Personenfreizügigkeit bzw. Niederlassungsfreiheit im Verhältnis zum Vereinigten Königreich keine Anwendung mehr findet, wird dieser Prozess jedenfalls erschwert. 80 Vgl. Hess, IPRax 2016, 409, 416. 81 Vgl. Dammann, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 1, Rn. 55; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 654; Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Vorb. EuInsVO, Rn. 17. 77

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

welche Rolle die internationale Gerichtszuständigkeit bei der Einflussnahme auf das anwendbare Restrukturierungsrecht spielt. Nur dann, wenn die internationale Gerichtszuständigkeit insofern überhaupt eine Bedeutung zukommt, haben nämlich weitere Überlegungen zur Beeinflussung des anwendbaren Restrukturierungsrechts in dieser Arbeit einen Platz.

I. Umsetzungsspielraum innerhalb der Richtlinie Die folgende Übersicht zu Umsetzungsspielräumen unter der EuRRL ist fokussiert auf solche Optionen, die aus Sicht des Verfassers für die Attraktivität eines nationalen Restrukturierungsrechts von Bedeutung sind. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt der Überblick nicht; er dient allein der Überprüfung der These, dass auch in Zukunft ein Interesse an der Beeinflussung des anwendbaren Restrukturierungsrechts bestehen kann. 1. Zugang zum Verfahren Bereits die Zugangsvoraussetzungen zum Restrukturierungsverfahren eröffnen den Mitgliedstaaten erhebliche Umsetzungsspielräume. Konkret können die Mitgliedstaaten über den Begriff der wahrscheinlichen Insolvenz, die Antragsberechtigung und auch die Zahl der Zugänge zum Verfahren disponieren. a) Begriff der wahrscheinlichen Insolvenz Zentrale Bedeutung für den Zugang zum Verfahren kommt dem Begriff der „wahrscheinlichen Insolvenz“ zu. Nach Art. 2 Abs. 2 lit. a) und b) EuRRL ist der Begriff der „Insolvenz“ sowie der „wahrscheinlichen Insolvenz“ im Sinne des nationalen Rechts zu verstehen. Damit verbleibt den Mitgliedstaaten hier ein erheblicher Umsetzungsspielraum.82 Die Mitgliedstaaten können sich sogar dazu entscheiden, die Eröffnung des Restrukturierungsverfahrens auf Unternehmenskrisen auszuweiten, die nicht auf finanziellen Schwierigkeiten beruhen.83 Bei einem sehr weiten Verständnis der wahrscheinlichen Insolvenz wäre es mithin denkbar, den Restrukturierungsrahmen bereits bei einer Strategiekrise84 oder etwa bei Gesellschafterstreitigkeiten85 zur Anwendung zu bringen. Vor diesem 82 Vgl. Paulus, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 2 EuRRL, Rn. 63 ff. 83 Vgl. Erw.-Gr. 28: „Die Mitgliedstaaten sollten den Anwendungsbereich von in dieser Richtlinie vorgesehenen präventiven Restrukturierungsrahmen auf Fälle erstrecken können, in denen sich Schuldner in nichtfinanziellen Schwierigkeiten befinden, sofern diese Schwierigkeiten mit der tatsächlichen und erheblichen Gefahr verbunden sind, dass ein Schuldner gegenwärtig oder in Zukunft seine Verbindlichkeit bei Fälligkeit nicht begleichen kann.“ 84 Vgl. Goetker, in: Flöther, Sanierungsrecht, E., Rn. 69; Siepmann, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 4, Rn. 27; Jacobi, ZInsO 2017, 1, 6. 85 Der Fall Suhrkamp zeigt eindrücklich, dass Insolvenzverfahren auch zur strategischen Lösung von Gesellschafterstreitigkeiten genutzt werden. Abschließend dazu BVerfG, Beschl.

C. Interesse an Restrukturierung unter fremdem Recht

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Hintergrund erscheint es durchaus plausibel, dass ein Interesse daran bestehen kann, in den Anwendungsbereich einer anderen Jurisdiktion zu gelangen, sofern das „heimische“ Restrukturierungsrecht den Verfahrensbeginn erst zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht. b) Antragsberechtigung Grundsätzlich wird das Restrukturierungsverfahren auf Antrag des Schuldners eingeleitet, Art. 4 Abs. 7 EuRRL. Die Mitgliedstaaten können sich jedoch auch dazu entscheiden, den Gläubigern ein Antragsrecht zu gewähren, Art. 4 Abs. 8 EuRRL. Die Gläubiger können also daran interessiert sein, dasjenige Restrukturierungsregime zu berufen, das ihnen ein Antragsrecht einräumt.86 c) Zahl der Zugänge zum Verfahren Den Mitgliedstaaten ist gestattet, die Zahl der Zugänge zum Restrukturierungsverfahren zu begrenzen, Art. 4 Abs. 4 EuRRL. Sollte ein Schuldner das Restrukturierungsverfahren in einem Mitgliedstaat erfolglos durchlaufen haben, der von dieser Umsetzungsoption dergestalt Gebrauch gemacht hat, dass ein weiteres Verfahren nicht in Betracht kommt, so könnte der Schuldner bestrebt sein, einen erneuten Restrukturierungsversuch in einem anderen Mitgliedstaat einzuleiten. 2. Planmaßnahmen Auch bei den möglichen Planmaßnahmen besteht ein signifikanter Umsetzungsspielraum. So können Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 5 EuRRL bestimmte Forderungen vom Anwendungsbereich des Restrukturierungsrahmens ausnehmen.87 Ein Unternehmen, das unter hohen Lohnkosten leidet, wird etwa ein Interesse daran haben, die Restrukturierung einer Rechtsordnung zu unterstellen, die von der Umsetzungsvariante Art. 1 Abs. 5 lit. a) EuRRL keinen Gebrauch gemacht hat und einen Eingriff in Arbeitnehmerforderungen ermöglicht. Ebenso können die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung vorsehen, dass mittels eines Restrukturierungsplans ein Unternehmen als Ganzes verkauft werden kann, wie sich aus Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 EuRRL ergibt.88 Auch dieser Umstand kann ein Interesse begründen, auf das anwendbare Recht Einfluss zu nehmen.

v. 18. Dezember 2014 – 2 BvR 1978/13, NJW 2015, 465. Vgl. dazu etwa Schäfer, ZIP 2015, 1208 ff. m.w.N. 86 Vgl. Brinkmann, in: Ebke/Seagon/Blatz, Aktuelle Fragestellungen der Restrukturierung und Transformation, 2020, S. 41, 50; ders., NZI-Beilage 1/2019, 27 ff. 87 Dazu ausführlich Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, Kommentar EuRRL, Art. 1 EuRRL, Rn. 15 ff. 88 Dammann, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 2 EuRRL, Rn. 3, 12. Dazu kritisch Madaus, in: Flöther, Sanierungsrecht, F., Rn. 190.

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

3. Planbetroffenheit Relevante Umsetzungsspielräume bestehen auch bei dem Kreis potentiell in den Restrukturierungsplan einzubeziehender Schuldner. Etwa können die Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 3 EuRRL Finanzinstitute, die nicht bereits in Art. 1 Abs. 2 lit. a)–f) EuRRL genannt sind, vom Restrukturierungsrahmen ausnehmen. Hier wird in der deutschen Literatur empfohlen, alle in § 1 KWG gelisteten Finanzunternehmen aus dem Anwendungsbereich des Restrukturierungsrahmens auszunehmen, da diese der Aufsicht der BaFin unterstehen.89 Ein praktisch besonders relevanter Umsetzungsspielraum ist in Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 EuRRL niedergelegt. Danach können die Mitgliedstaaten darüber entscheiden, ob sie Anteilsinhaber in die Wirkungen des Restrukturierungsplans mit einbeziehen.90 Entscheidet sich ein Mitgliedstaat gegen die Einbeziehung von Anteilsinhabern in das Restrukturierungsverfahren, so kann mittels eines Restrukturierungsplans keine Änderung der Gesellschafterstruktur einer sanierungsbedürftigen Gesellschaft erreicht werden.91 Stattdessen wären weiterhin die Beschlussvoraussetzungen des Gesellschaftsrechts einzuhalten, sodass den Gesellschaftern potentiell eine Blockadeposition zukäme.92 Dies ist deshalb ein so wesentlicher Umsetzungsaspekt, weil eine erfolgreiche Sanierung regelmäßig auch die Änderung der Kapitalstruktur eines Unternehmens erfordert.93 Die Gläubiger werden nämlich ihre Zugeständnisse im Sanierungsverfahren üblicherweise davon abhängig machen, dass auch die Gesellschafter sich finanziell am Sanierungsverfahren beteiligen.94 Hochrelevante Sanierungsinstrumente, wie etwa ein debt-equity-swap95 erfordern zudem den Eingriff in die Gesellschafterstruktur eines Unternehmens. Die Attraktivität eines Sanierungsregimes hängt mithin auch maßgeblich davon ab, in welchem Umfang es den zwangsweisen Eingriff in die Rechte der Anteilseigner ermöglicht.

89

Vgl. Morgen, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 1, Rn. 13. Veder, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 2 EuRRL, Rn. 15. 91 Vgl. Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, Kommentar EuRRL, Art. 2 EuRRL, Rn. 15. 92 Die Entscheidungsfreiheit der Gesellschafter im Restrukturierungsfall ist durch die gesellschaftsrechtliche Treupflicht begrenzt. Nach der BGH-Entscheidung „Girmes“ ist es einem Minderheitsgesellschafter verwehrt, eine sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierung aus eigennützigen Motiven zu verhindern. BGH, Urt. v. 20. März 1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136–177. Vgl. dazu: Schluck-Amend, in: Münchener Anwaltshdb. GmbH-Recht, § 23, Rn. 25 f. 93 Vgl. Drukarczyk/Schöntag, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechtshandbuch, § 3, Rn. 40 ff. 94 Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 430 f., 778 ff. 95 Dazu J. Vetter, in: MüKo GmbHG, Vor. § 58, Rn. 86 ff.; Brünkmans, in: Brünkmans/ Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 8, Rn. 215 f. Ausführlich Bronger, Debt Equity Swaps als finanzwirtschaftliches Sanierungsinstrument, S. 40–96. 90

C. Interesse an Restrukturierung unter fremdem Recht

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4. Planannahme Auch das Verfahren zur Planannahme eröffnet den Mitgliedstaaten große Umsetzungsspielräume. Zunächst kann die Beteiligung der Justiz- und Verwaltungsbehörden nach Art. 4 Abs. 6 EuRRL auf das „Erforderliche und Angemessene“ beschränkt werden. Den Mitgliedstaaten obliegt es also, die Art und den Umfang der Gerichtsbeteiligung auszugestalten.96 Ein Verfahren, das staatliche Beteiligung auf ein Mindestmaß beschränkt, ist attraktiv. Das lässt sich zunächst damit begründen, dass Diskretion als ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein Sanierungsverfahren gilt.97 Dafür streitet auch die berühmte Feststellung Karsten Schmidts, nach der eine Unternehmenssanierung „früh, still und schnell“98 zu erfolgen habe. Sobald ein restrukturierungswilliges Unternehmen dazu verpflichtet ist, eine staatliche Stelle in das Verfahren einzubeziehen, fällt es umso schwerer, diese Maximen erfolgreicher Sanierung einzuhalten. Durch die Beteiligung eines Gerichts ist das Verfahren jedenfalls nicht mehr „still“ abzuwickeln. Die konkrete Ausgestaltung der staatlichen Beteiligung am Restrukturierungsverfahren wirkt sich also direkt auf die Attraktivität des Restrukturierungsrahmens aus und kann damit ein Interesse begründen, auf das anwendbare Recht Einfluss zu nehmen. Auch die zur Abstimmung erforderliche Klassenbildung kann von den Mitgliedstaaten weitgehend ohne Restriktionen ausgestaltet werden.99 Die Richtlinie gibt lediglich vor, dass die Klassen „aufgrund nachprüfbarer Kriterien in ausreichendem Maße gemeinsame Interessen abbilden“, Art. 9 Abs. 4 UAbs. 1 EuRRL. Der Umsetzungsspielraum ist also denkbar weit. Da die Planannahme unabdingbare Voraussetzung für die Umsetzung des Restrukturierungskonzepts ist, kann ein Spielraum bei der Klassenbildung über die Zukunft des Unternehmens entscheiden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Mehrheiten für die Annahme des Restrukturierungsplans selbstständig festlegen können, wie sich aus Art. 9 Abs. 6 UAbs. 2 EuRRL ergibt. Dabei dürfen die Mitgliedstaaten maximal eine Mehrheit von 75 % vorsehen, wobei zusätzlich Gestaltungsspielraum dahingehend besteht, ob zur Summenmehrheit eine Kopfmehrheit hinzutreten muss.100 Auch aus dieser Perspektive kann also ein Interesse daran bestehen, auf das anwendbare Recht Einfluss zu nehmen.

96 Garcimartin, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 4 EuRRL, Rn. 39; Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 4 EuRRL, Rn. 13. 97 Bork, ZIP 2010, 397, 401. Ausführlich: Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 331 ff. 98 K. Schmidt, Gutachten D für den 54. DJT (1982), Bd. 1, D. 133; ders., KTS 1982, 614, 624. 99 Vgl. Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 9 EuRRL, Rn. 14 ff. 100 Siehe zur Summen- und Kopfmehrheit oben Kapitel 2, B. IV. 1. c) aa).

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

5. Klassenübergreifender cram-down Ebenfalls bestehen weitgehende Umsetzungsspielräume bei der Planannahme im Rahmen eines klassenübergreifenden cram-down nach Art. 11 EuRRL, also für den Fall, dass nicht alle Gläubigerklassen dem ausgearbeiteten Plan zugestimmt haben.101 Zunächst können die Mitgliedstaaten eine höhere Anzahl zustimmender Klassen zur Voraussetzung für den klassenübergreifenden cram-down machen, Art. 11 Abs. 1 UAbs. 3 EuRRL. Die Richtlinie sieht hier als Mindestmaß nur eine zustimmende Gläubigerklasse vor.102 Außerdem ermöglicht die Richtlinie mit der absolute priority rule und der relative prority rule zwei unterschiedliche Formen der Behandlung dissentierender Gläubiger.103 Die Mitgliedstaaten können bei der Umsetzung für eines der beiden Prinzipien optieren, Art. 11 Abs. 2 EuRRL. Damit obliegt es den Mitgliedstaaten festzulegen, ob Wertzuweisungen an nachrangige Klassen vom Einverständnis der vorrangigen Klassen abhängen oder ob diese bereits dann ermöglicht werden, wenn der vorrangigen ablehnende Klasse eine höhere Befriedungsquote zugesprochen wird.104 Die relative priority rule wird mitunter scharf kritisiert, da sie die Haftungsverfassung juristischer Personen nachhaltig beschädige, indem sie Gesellschafter auf Kosten der Gläubiger subventioniere.105 Nach der Regel des absoluten Vorrangs, können Anteilseigner ihre Beteiligung nur dann behalten, wenn ablehnende vorrangige Gläubigerklassen vollumfänglich befriedigt worden sind.106 Die Regel des relativen Vorrangs ermöglicht hingegen den Erhalt der Eignerstellung bei nur teilweiser Befriedigung der ablehnenden vorrangigen Gläubiger.107 Deshalb können Anteilseigner einer Gesellschaft daran interessiert sein, die Restrukturierung unter einer Rechtsordnung durchzuführen, die „nur“ die Geltung der relativen Vorrangregel vorsieht, um nicht befürchten zu müssen, im Rahmen des cram-down aus der Gesellschaft gedrängt zu werden.108

101

Genauer zur Planannahme im Rahmen des cram-down oben Kapitel 2, B. IV. 1. c) bb). Dies ergibt sich aus Art. 11 Abs. 1 lit. b) ii) EuRRL; siehe dazu bereits oben Kapitel 2, B. IV. 1. c) bb). 103 Siehe zu Unterschieden, Funktion und Wirkungsweise oben Kapitel 2, B. IV. 1. c) bb). 104 Vgl. Brinkmann, European Insolvency and Restructuring, TLE-009–2019; Madaus, Is the Relative Priority Rule right for your jurisdiction?, 18. Januar 2020, S. 5. Online abrufbar unter https://stephanmadaus.de/2020/01/20/a-simple-guide-to-the-relative-priority-rule/. Zuletzt abgerufen am 7. November 2022. 105 Vgl. Weijs/Jonkers/Malakotipour, Distortion of European Insolvency Law, Centre for the Study of European Contract Law Working Paper No. 2019–05. Online abrufbar unter https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract id=3350375. Zuletzt abgerufen am 7. November 2022. Vgl. auch Brinkmann, European Insolvency and Restructuring, TLE-009–2019. 106 Kowalewski/Praß, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 11, Rn. 52 f. Siehe zur vergleichbaren Regelung des § 245 Abs. 2 Nr. 2 InsO Rühle, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 245 InsO, Rn. 17, 21. 107 Balthasar, ZHR 183 (2019), 662, 684; Brinkmann, European Insolvency and Restructuring, TLE-009–2019. 108 Dies war gerade das Ziel der Implementierung der Regel des relativen Vorrangs. Ge102

C. Interesse an Restrukturierung unter fremdem Recht

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6. Moratorium Auch im Rahmen des Moratoriums besteht ein Umsetzungsspielraum für die Mitgliedstaaten. So ist es ihnen gestattet, gewisse Forderungen vom Anwendungsbereich des Moratoriums auszunehmen, Art. 6 Abs. 4 EuRRL. Grundsätzlich ist die Dauer des Moratoriums auf vier Monate angesetzt, Art. 6 Abs. 6 EuRRL. Jedoch kann die Dauer nach Art. 6 Abs. 7 EuRRL auf einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten verlängert werden.109 Die Dauer des Moratoriums kann ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Gelingen des Restrukturierungsverfahrens darstellen und bietet damit einen Grund, auf das anwendbare Recht Einfluss zu nehmen. Dies hat auch der Richtliniengeber erkannt, wie sich aus Art. 6 Abs. 8 EuRRL ergibt. Mit dieser Regelung will der Richtliniengeber offensichtlich Maßnahmen zur Verhinderung von forum shopping auch für den Fall treffen, dass Mitgliedstaaten ein Verfahren implementieren, dass nicht in den Anwendungsbereich der EuInsVO fällt.110 Inwieweit diese Regelung dazu geeignet ist, wird noch zu untersuchen sein. 7. Zusammenfassung Es ist gezeigt worden, dass die EuRRL mannigfaltige Umsetzungsspielräume enthält, die ein Interesse begründen können, auf das Restrukturierungsstatut Einfluss zu nehmen. Bei liberaler Umsetzung der Richtlinienvorgaben haben viele Umsetzungsspielräume das Potential dazu, die Erfolgsaussichten des Verfahrens deutlich zu erhellen. Ein Interesse, die Restrukturierung unter einer bestimmten Rechtsordnung durchzuführen, kann dabei sowohl auf Seiten der Schuldnergesellschaft, jedoch unter Umständen auch aus Perspektive der Gläubiger bestehen.

II. Verhältnis von Zuständigkeit und anwendbarem Recht Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass ein erhebliches Interesse an der Beeinflussung des auf ein Restrukturierungsverfahren anwendbaren Rechts bestehen kann. Die vorliegende Arbeit will unter anderem die internationale Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren umfassend analysieren. Nach-

sellschaftern sollte ein zusätzlicher Anreiz geboten werden, ein Restrukturierungsverfahren einzuleiten. Dazu Stanghellini/Mokal/Paulus/Tirado, Best Practises in European Restructuring, Contractualised Distress Resolution in the Shadow of the Law, Chapter II. 9., S. 46 f. Online abrufbar unter https://www.codire.eu/wp-content/uploads/2018/11/Stanghellini-Mok al-Paulus-Tirado-Best-practices-in-European-restructuring.-Contractualised-distress-resol ution-in-the-shadow-of-the-law-2018-1.pdf. Zuletzt abgerufen am 7. November 2022. 109 Dazu Richter, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restruturing, Art. 6 EuRRL, Rn. 40 ff. 110 Dazu bereits oben Kapitel 2, Vgl. auch Richter, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 6 EuRRL, Rn. 48.

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

folgend soll aufgezeigt werden, dass die Bestimmung des zuständigen Gerichts kein technischer Selbstzweck ist, sondern maßgeblichen Einfluss auf das anwendbare Sachrecht hat. Wie dieses Abhängigkeitsverhältnis konkret beschaffen ist und wie weitgehend die Gerichtszuständigkeit die Rechtsanwendung beeinflussen kann, soll nachfolgend erläutert werden. 1. Gleichlauf von forum und ius Zwingenden Einfluss auf das anwendbare Recht hat der internationale Gerichtsstand, sofern ein sog. Gleichlauf von forum und ius besteht. Dies ist der Fall, wenn das international zuständige Gericht auf den zu entscheidenden Sachverhalt sein jeweiliges nationales Recht anwendet.111 In der Theorie besteht ein derartiger Gleichlauf nicht: weder hat die Gerichtszuständigkeit Auswirkungen auf das anwendbare Sachrecht, noch sind umgekehrt diejenigen Gerichte international zuständig, deren Recht auf den Sachverhalt anwendbar ist.112 Richtigerweise werden internationales Prozess- und internationales Privatrecht als zwei voneinander zu trennende Materien begriffen.113 Jedoch ist im Recht der Europäischen Union ein entsprechender Gleichlauf verstärkt zum „Grundprinzip“ geworden, indem für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts dieselben Anknüpfungskriterien zu Grunde gelegt werden.114 Dies gilt auch für die EuInsVO. Sowohl internationale Zuständigkeit als auch das anwendbare Recht bemessen sich danach, in welchem Land der Schuldner den Schwerpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, Art. 3 und 7 EuInsVO. Sofern sich also die Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach den Vorschriften der EuInsVO bemisst, wirkt sich die internationale Gerichtszuständigkeit direkt und unmittelbar auf das Restrukturierungsstatut aus. 2. Anwendbares IPR Die Gerichtszuständigkeit wirkt sich jedoch auch dann auf das anwendbare Recht aus, wenn kein Gleichlauf zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht besteht. Das auf den zu entscheidenden Sachverhalt anwendbare Recht bestimmt sich nach dem internationalen Privatrecht der lex fori.115 Durch die 111

Vgl. v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 5, Rn. 146. Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Erster Teil, Rn. 39; v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 5, Rn. 146. 113 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 1, Rn. 23 ff.; Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Erster Teil, Rn. 39 ff.; v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 5, Rn. 145. 114 Stürner, in: BeckOGK, Art. 6 EGBGB, Rn. 74, hier in Bezug auf die EuErbVO, die sowohl für die Zuständigkeit als auch für das anwendbare Recht auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Todeszeitpunkt abstellt. Vgl. Art. 4 und 21 EuErbVO. Siehe dazu auch Looschelders, in: Staudinger, Einleitung zum IPR, Rn. 291. 115 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 266; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 1, Rn. 1.61. 112

C. Interesse an Restrukturierung unter fremdem Recht

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Auswahl des forums wird also gleichzeitig das anwendbare internationale Privatrecht gewählt und damit mittelbar das anwendbare Sachrecht beeinflusst. Deshalb ist auch außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO die internationale Gerichtszuständigkeit eine maßgebliche Weichenstellung für das anwendbare Recht und damit für die Erfolgsaussichten des Restrukturierungsverfahrens. 3. Anerkennung ergangener Entscheidungen Ein dritter wesentlicher Aspekt ist die Anerkennungsfähigkeit der im Ausland ergangenen Entscheidungen. Eine Einwirkung auf die internationale Gerichtszuständigkeit ist nur dann attraktiv, wenn die dort ergangenen Entscheidungen auch im gesamten europäischen Binnenmarkt oder jedenfalls im Inland116 Wirkung entfalten. Die wechselseitige Anerkennung ist innerhalb des europäischen Binnenmarkts grundsätzlich gewährleistet; sie ist ein Grundsatz des europäischen Rechts und im Primärrecht ausdrücklich niedergelegt, Art. 81 Abs. 1 AEUV. Teilweise wird die Urteilsfreizügigkeit sogar als „fünfte Grundfreiheit“ begriffen.117 Der europäische Gesetzgeber ist nach Art. 81 Abs. 2 lit. a) AEUV kompetent, Maßnahmen zu erlassen, die die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen ermöglichen.118 Eine „Urteilsfreizügigkeit“ wird im europäischen Binnenmarkt wegen des wechselseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten in die Rechtsstaatlichkeit ihrer Justizsysteme gewährt.119 Auf diese Kompetenzgrundlage gestützt hat der europäische Gesetzgeber die EuInsVO und die EuGVVO erlassen.120 Diese ermöglichen in ihrem Anwendungsbereich die automatische Anerkennung von Entscheidungen, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangen sind.121 Es findet keine re´vision au fond statt122, ebenfalls ist ein Exequaturverfahren123 nicht vorgesehen. Sofern die künftigen

116

Für die Zwecke dieser Arbeit also Deutschland. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 3, Rn. 3.17. Auch an anderer Stelle den Bezug der Urteilsfreizügigkeit zu den europäischen Grundfreiheiten betonend ders., IPRax 2001, 301, 302; ders., in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 81 AEUV, Rn. 33. 118 Dazu ausführlich Leible, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV, Rn. 22–26. 119 Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 81 AEUV, Rn. 31. 120 Vgl. Leible, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV, Rn. 23. 121 Nach Art. 19 EuInsVO wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in allen Mitgliedstaaten automatisch anerkannt. Dies gilt nach Art. 32 Abs. 1 EuInsVO auch für alle sonstigen Entscheidungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Der Art. 36 EuGVVO ermöglicht die automatische Anerkennung von allen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen im Anwendungsbereich der Verordnung. 122 Siehe Art. 52 EuGVVO. Re´vision au fond meint die Überprüfung des Urteils in der Sache. Die Anerkennung bzw. Vollstreckung eines Urteils darf nicht deshalb verweigert werden, weil der Rechtsstreit im Inland anders entschieden worden wäre. Vgl. Ulrici, in: BeckOK ZPO, Art. 52 EuGVVO, Rn. 2 ff. 123 Im Rahmen eines Exequaturverfahrens wird ein ausländisches Urteil im Inland für 117

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

Restrukturierungsverfahren also in den Anwendungsbereich einer dieser Verordnungen fielen, wäre die gegenseitige Anerkennung der Entscheidungen, wie etwa die Bestätigung eines Restrukturierungsplans, sichergestellt. Außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Verordnungen müsste auf das deutsche autonome internationale Zivilverfahrensrecht zurückgegriffen werden. Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen richtete sich hierbei entweder nach § 343 Abs. 1 InsO oder nach § 328 Abs. 1 ZPO. Auch hier kommt es für die Anerkennungsfähigkeit rein auf das Vorliegen der prozessualen Voraussetzungen der Norm an. Eine Überprüfung der Entscheidung in der Sache findet nicht statt.124 Mithin lässt sich folgendes festhalten: Sowohl im europäischen als auch im autonomen deutschen internationalen Zivilprozessrecht ist das Anerkennungsrecht gegenüber den Regelungen des internationalen Privatrechts verselbstständigt.125 Für die Frage der Anerkennungsfähigkeit ist nicht von Belang, ob der ausländische Richter aus inländischer Perspektive das richtige Sachrecht angewendet hat.126 Ein deutsches Gericht ist also sowohl nach europäischem als auch nach autonomem Recht gehalten, eine ausländische Entscheidung anzuerkennen, selbst wenn diese zu einem Ergebnis führt, das bei Anwendung des inländischen Rechts nicht zu Stande gekommen wäre. Eine Grenze der Anerkennungsfähigkeit bildet der ordre public127 für Fälle, in denen die Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen inländischen Rechtsgrundsätzen nicht zu vereinbaren ist.128 Diese Grenze ist sehr eng.129 Aus alledem folgt, dass die Einflussnahme auf die Gerichtszuständigkeit auch aus der Perspektive des Anerkennungsrechts attraktiv ist. Dadurch besteht die

vollstreckbar erklärt. Ein entsprechendes Verfahren war unter der EuGVÜ noch vorgesehen; mit Art. 39 EuGVVO ist dieses endgültig abgeschafft. Der Schuldner kann gegen die automatische Vollstreckbarkeit ein Vollstreckungsversagungsverfahren nach Art. 46 ff. EuGVVO anstrengen. Vgl. Rauscher, IPR, Rn. 2395 ff. 124 Sowohl nach § 343 Abs. 1 InsO als auch nach § 328 Abs. 1 ZPO ist keine Überprüfung der Entscheidung in der Sache vorgesehen. Ausführlich zu den Anerkennungsvoraussetzungen Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 25–66; Gottwald, in: MüKo ZPO, § 328, Rn. 80–163. Vgl. auch Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Erster Teil, Rn. 46. 125 Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Erster Teil, Rn. 41a, 46. 126 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 1, Rn. 24; Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Erster Teil, Rn. 42 ff. 127 Eine Versagung der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist sowohl im europäischen internationalen Zivilverfahrensrecht als auch im autonomen deutschen Zivilverfahrensrecht unter Berufung auf den ordre public vorgesehen: Art. 45 Abs. 1 lit. a) EuGVVO, Art. 33 EuInsVO, § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. 128 Vgl. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Trotz unterschiedlichen Wortlauts ist auch im Rahmen von Art. 45 Abs. 1 lit. a) EuGVVO und Art. 33 EuInsVO die Überprüfung vorzunehmen, ob das Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen des inländischen Rechts im Konflikt steht. Vgl. Gottwald, in: MüKo ZPO, Art. 45 EuGVVO, Rn. 12 ff.; Kindler, in: MüKO BGB, Art. 33 EuInsVO, Rn. 6. So auch v. Hein, in: MüKO BGB, Art. 6 EGBGB, Rn. 110. 129 Vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 17, Rn. 1010 ff.

C. Interesse an Restrukturierung unter fremdem Recht

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Möglichkeit, im Ausland eine Gerichtsentscheidung zu erwirken, die bei Anwendung des inländischen Rechts so nicht ergangen wäre. Eine solche Entscheidung entfaltet im Binnenmarkt auf dem Gebiet der Zivil- und Handelssachen grundsätzlich automatisch grenzüberschreitend ihre Wirkung und greift damit auch im Inland. 4. Ergebnis Es konnte gezeigt werden, dass internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht eng miteinander verwoben sind.130 Kommt es, wie unter der EuInsVO, zu einem Gleichlauf von forum und ius, besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Ansonsten wirkt die Gerichtszuständigkeit zumindest mittelbar auf das anwendbare Recht, da das Gericht das anwendbare Recht nach dem internationalen Privatrecht lex fori bestimmt. Ausländische Urteile sind zudem im europäischen Binnenmarkt grundsätzlich grenzüberschreitend anzuerkennen. 5. Zusammenfassung Die Ausführungen zeigen, dass in Folge großzügiger Umsetzungsspielräume in der EuRRL potentiell ein Interesse daran besteht, eine Restrukturierung unter einer ganz bestimmten Rechtsordnung durchzuführen. Ferner konnte gezeigt werden, dass der Beeinflussung des anwendbaren Rechts stets eine Einflussnahme auf die Gerichtszuständigkeit vorgeschaltet ist. Wer also bestrebt ist, auf das Restrukturierungsstatut einzuwirken, wird nicht an der Befassung mit internationaler Gerichtszuständigkeit vorbeikommen. Der Gerichtszuständigkeit kommt eine Schlüsselfunktion zu.

III. Forum shopping und Wettbewerb der Rechtsordnungen Soeben wurde dargestellt, dass die Verfahrensparteien daran interessiert sein können, die Restrukturierung unter einer ganz bestimmten Rechtsordnung durchzuführen (I). Weiter ist herausgearbeitet worden, dass die Beteiligten eines Restrukturierungsverfahrens zur Durchsetzung dieses Interesses vorhersehbar auf die internationale Gerichtszuständigkeit Einfluss nehmen werden (II.). Für die Auswahl eines bestimmten internationalen Gerichtsstandes hat sich die Bezeichnung „forum shopping“ eingebürgert.131 Die restrukturierungswilligen Parteien werden also versuchen, diejenigen Gerichte anzurufen, deren Befassung 130

Vgl. v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, Rn. 145: „Wie ein Ring in einer Kette eingebunden

[…]“. 131 Vgl. etwa v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 5, Rn. 157; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 272; Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Vierter Teil, Rn. 1095; Patzina, in: MüKo ZPO, § 12, Rn. 103, Reuß, „Forum Shopping“ in der Insolvenz, S. 6 ff. Das Begriffsverständnis unterscheidet sich im Detail. Eine Abgrenzung folgt sogleich unter III. 1.

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

dem Verfahren zu den größten Erfolgschancen verhilft. In Kürze zusammengefasst: Wegen großzügiger Umsetzungsspielräume besteht im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens der EuRRL ein Anreiz für sog. forum shopping. 1. Zum Begriff „forum shopping“ Der Begriff „forum shopping“ wird in der rechtwissenschaftlichen Literatur disparat verwendet.132 Dies macht eine kurze Begriffsbestimmung erforderlich. Teilweise wird forum shopping auf die Auswahl zwischen mehreren per se zur Verfügung stehenden Gerichtsständen begrenzt.133 Allerdings ist auch denkbar, dass ein Kläger auf den die internationale Zuständigkeit begründenden Anknüpfungsgegenstand einwirkt, um die Zuständigkeit der Gerichte eines ganz bestimmten Staates zu eröffnen.134 Im internationalen Insolvenzrecht sind entsprechende Gestaltungen vorgekommen und unter dem Stichwort „COMI-Shifting“ bekannt geworden.135 Nach dem COMI-Modell des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO ist eine internationale Zuständigkeit nur der Gerichte desjenigen Mitgliedstaates eröffnet, in dem der COMI belegen ist.136 Mehrere nebeneinander bestehende Gerichtsstände für ein Hauptverfahren sind daher im System der EuInsVO nicht angelegt.137 Die Einwirkung auf den COMI zur Eröffnung einer bestimmten internationalen Zuständigkeit ließe sich mithin unter das soeben an erster Stelle eingeführte enge Begriffsverständnis nicht fassen.138 Da es allerdings auch bei diesen Gestaltungen um die strategische Auswahl des günstigsten Forums geht, ist es überzeugend, auch diese unter dem Begriff forum shopping zu subsumieren.139 Mithin soll forum shopping in dieser Arbeit als die Auswahl des günstigsten 132

Vgl. ebd., Fn. 131. v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 5, Rn. 157; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 272. So hat der Kläger, der gegen einen Beklagten aus unerlaubter Handlung vorgeht, nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO seine Klage vor den Gerichten desjenigen Mitgliedstaates anzustrengen, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Nach der vom EuGH vertretenen sog. „Ubiquitätstheorie“ ist das schädigende Ereignis sowohl am Handlungs- als auch am Erfolgsort eingetreten. Fallen Handlungs- und Erfolgsort auseinander, stehen dem Kläger also per se mehrere internationale Gerichtsstände zur Verfügung, zwischen denen er auswählen kann. Erstmals EuGH, Urt. v. 30. November 1976 – Rs. C-21/76, Bier./.Mines de potasse d’Alsace SA, ECLI:EU:C:1976:166, Rn. 15 ff. Mittlerweile st. Rspr. Vgl. dazu Gottwald, in: MüKo ZPO, Art. 7 EuGVVO, Rn. 55. 134 Vgl. Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 474 ff. 135 Vgl. Wessels, IILR 2014, 310, 321; Kindler, in: MüKo BGB, Art. 3 EuInsVO, Rn. 36. Ausführlich dazu Weller, ZGR 2008, 835 ff.; Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 33 ff.; Schwemmer, NZI 2009, 355 ff. 136 Vgl. Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 9. 137 Ebd. 138 Vgl. Reuß, „Forum Shopping“ in der Insolvenz, S. 6 f. 139 So auch Reuß, „Forum Shopping“ in der Insolvenz, S. 6 ff.; Huber, in: Gottwald, Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, S. 3 ff.; Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 474 ff.; Ferrari, Revue critique de droit international prive´, 2016, 85, 99. 133

C. Interesse an Restrukturierung unter fremdem Recht

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internationalen Gerichtsstandes begriffen werden, ganz gleichgültig, auf welche Art und Weise die internationale Zuständigkeit begründet wird.140 Außerdem ist mit dem Begriff forum shopping gelegentlich ein Werturteil verknüpft. So wird forum shopping teilweise mit rechtsmissbräuchlichem Verhalten gleichgesetzt;141 noch öfter wird der Begriff jedenfalls pejorativ verwendet.142 So heißt es in den Erwägungsgründen der EuInsVO, dass unter forum shopping die Verlagerung von Gerichtsverfahren von einem in den anderen Mitgliedstaat zu verstehen sei, „um auf diese Weise eine günstigere Rechtsstellung zum Nachteil der Gesamtheit der Gläubiger zu erlangen“.143 Diese Wertung will die vorliegende Arbeit vom Begriff forum shopping getrennt wissen.144 Forum shopping wird hier allein für die Beschreibung von Konstellationen verwendet, in denen Parteien zwischen mehreren bestehenden Gerichtsständen auswählen oder auf Anknüpfungsmerkmale einwirken, um eine bestimmte Gerichtszuständigkeit zu erwirken. Der Begriff wird also wertneutral verwendet. Gleichwohl will sich die Arbeit einer Bewertung nicht verschließen. Diese soll aber der Untersuchung nicht a priori vorangestellt sein, sondern sich nach einer Analyse der Gerichtszuständigkeit im Hauptteil der Arbeit im letzten Kapitel anschließen. Erst wenn untersucht worden ist, wie die Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL im europäischen Binnenmarkt legislativ ausgestaltet ist und ob sich daraus überhaupt Möglichkeiten zum forum shopping ergeben, kann eine Bewertung erfolgen. Diese Bewertung betrifft dann nur die Auswirkungen dieses Phänomens im konkreten Fall des Restrukturierungsverfahrens. 2. Wettbewerb der Rechtsordnungen? Sollte sich im Laufe der Untersuchung herausstellen, dass tatsächlich ernstzunehmende Möglichkeiten bestehen, die internationale Gerichtszuständigkeit zu beeinflussen und damit auch das anwendbare Restrukturierungsrecht zu bestimmen, so drängt sich die Frage auf, ob die europäischen Mitgliedstaaten dadurch untereinander in Wettbewerbsdruck geraten. Entfachen die Möglichkeit, forum shopping betreiben zu können und das korrespondierende Interesse der Verfahrensbeteiligten, die Restrukturierung unter einer ganz bestimmten Rechtsordnung durchführen zu können, also einen Wettbewerb der Restrukturierungsrechte?145 140

Ähnlich auch Ferrari, Revue critique de droit international prive´, 2016, 85, 99. Vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 10, Rn. 605 ff.; Knof/Mock, ZInsO 2008, 253, 254. 142 Etwa Lord Simon of Glaisdale, Atlantic Star (Owners) v Bona Spes (Owner), A.C. 436, 471: „Forum Shopping is a dirty word“. Vgl. auch LoPucki: Courting Failure, S. 27. 143 Vgl. Erw.-Gr. 5 EuInsVO. 144 So auch Ferrari, Revue critique de droit international prive´, 2016, 85, 97 ff. Richtig auch Thole, ZZP (122) 2009, 423, 425: „[…] während Forum Shopping nicht per se mit einem Makel behaftet ist.“ 145 Dazu Kern, NZI-Beilage 1/2021, 74 ff. Bejahend J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 654; 141

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

a) Angebot und Nachfrage Die Idee vom Wettbewerb der Rechtsordnungen bedeutet eine Übertragung des ökonomischen Marktmodells auf den Prozess der Rechtssetzung.146 Die klassische Mikroökonomie versteht einen Markt als Mechanismus, bei dem sich durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage Preise bilden.147 Im vorliegenden Fall müssten die europäischen Mitgliedstaaten mithin als „Anbieter“ eines Restrukturierungsverfahrens und die Verfahrensbeteiligten als „Nachfrager“ nach justizieller Infrastruktur aufzufassen sein.148 Bereits die Betrachtung von Staat und Bürger als eine Konstellation von Angebot und Nachfrage bereitet Schwierigkeiten, denn im klassischen Staatsrechtsverständnis gilt der Staat als Monopolist; die ihm angehörigen Bürger werden kraft seiner Personal- und Gebietshoheit zu Rechtsunterworfenen.149 Über diesen Zweifel lässt sich allerdings aus Perspektive des internationalen Privatrechts hinweggelangen. Die Monopolstellung des Staates wird dort aufgebrochen, wo Parteiautonomie150 gewährt ist.151 Besteht wie hier durch die Beeinflussung der internationalen Zuständigkeit

Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Vorb. EuInsVO, Rn. 17. Diesen Aspekt für das Insolvenzrecht untersuchend Eidenmüller, ZGR 2006, 467 ff. 146 Kern, GreifRecht 2014 (18), 114, 115. Grundlegend zum Wettbewerb der Rechtsordnungen etwa Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen, S. 8–103; Peters, in: Gemeinwohl durch Wettbewerb, VVDStRL, Bd. 69, S. 9–52. Vgl. auch Vogenauer, in: Eidenmüller, Regulatory Competition, S. 227, 228 f. Die Idee des institutionellen Wettbewerbs geht zurück auf Tiebout, Journal of Political Economy 64 (1956), 416–424, der die Voraussetzungen des Wettbewerbs zwischen US-amerikanischen communities beschrieb. Vgl. dazu auch Rühl, Statut und Effizienz, S. 224 f. 147 Gabler Wirtschaftslexikon, L–O, Stichwort: „Markt“. Ausführlich Acemoglu/Laibson/ List, Microeconomics, 2018, S. 59 ff.; Browning/Zupan, Microeconomics, 2020, S. 4 ff. 148 Rühl, Statut und Effizienz, S. 225; Kadelbach, in: Kadelbach, Wettbewerb der Systeme – System des Wettbewerbs in der EU, S. 9, 13 ff. Vgl. auch Tiebout, Journal of Political Economy 64 (1956), S. 419. 149 Vgl. Peters, in: Gemeinwohl durch Wettbewerb, VVDStRL, Band 69, S. 15 f. Nach Eidenmüller, JZ 2009, 641, 648 ist aber richtigerweise zu berücksichtigen, dass die Wahlmöglichkeiten den Bürgern nur durch Gesetz gewährt werden, mithin der Rechtsmarkt sich ebenfalls als Produkt von Recht darstellt. 150 Die Parteiautonomie bezeichnet das Recht der Parteien eines Sachverhalts mit Auslandsbezug, das auf diesen Sachverhalt anwendbare Recht zu wählen. Die Parteiautonomie ist gleichsam der „lange Arm“ der Privatautonomie. Im internationalen Kontext können die Parteien eines Rechtsverhältnisses also nicht nur den Inhalt eines Vertrages im Rahmen der gesetzlichen Grenzen frei bestimmen, sondern auch zusätzlich Einfluss darauf nehmen, welche Rechtsordnung die gesetzlichen Grenzen festlegt. Vgl. Hausmann, in: Hausmann/ Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis, § 2, Rn. 69. 151 Peters, in: Gemeinwohl durch Wettbewerb, VVDStRL, Band 69, S. 19; Kadelbach, in: Kadelbach, Wettbewerb der Systeme – System des Wettbewerbs in der EU, S. 9, 14; Vogenauer, in: Eidenmüller, Regulatory Competition, S. 227, 230. Nach Peters und Kadelbach kann ein direkter Staatenwettbewerb entstehen, sofern kollisionsrechtliche Rechtswahlmöglichkeiten eröffnet sind. Vgl. auch Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen, S. 57 f., 75. Mobilität ist nach Kieninger Grundvoraussetzung des institutionellen Wettbewerbs. Die

C. Interesse an Restrukturierung unter fremdem Recht

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mittelbar die Möglichkeit, das anwendbare Recht zu beeinflussen, so scheint es durchaus möglich, die Mitgliedstaaten als Anbieter ihrer Restrukturierungsinfrastruktur und die Parteien als Nachfrager zu begreifen. b) Preisbildung Dies allein genügt allerdings nicht, um tatsächlich von einer Wettbewerbssituation auszugehen. Das Marktmodell setzt neben dem Bestehen von Angebot und Nachfrage auch den Mechanismus der Preisbildung voraus. Die Möglichkeit, forum shopping betreiben zu können, ist deshalb notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für einen Wettbewerb der Rechtsordnungen.152 Aus dem Erfordernis der Preissetzung lassen sich zwei weitere Anforderungen ableiten, die für einen Wettbewerb der Rechtsordnungen Voraussetzung sind.153 Zunächst müssen die Nachfrager, also die Beteiligten des Restrukturierungsverfahrens, überhaupt von ihrer Wahlmöglichkeit Gebrauch machen.154 Bleiben Sie passiv, kann ein Markt nicht entstehen. Eine Beeinflussung des anwendbaren Rechts kann etwa schlicht deshalb unterbleiben, weil den „Wahlberechtigten“ nicht bekannt ist, dass eine solche Möglichkeit überhaupt besteht oder auch dass eine „fremde Rechtsordnung“ für die Zwecke des betreffenden Sachverhalts vorteilhaft ist.155 Jenseits dieser „Informationsproblematik“156 können auch die Transaktionskosten einer Rechtswahl so hoch sein, dass die Anwendung einer anderen Rechtsordnung auf den Sachverhalt diese nicht aufzuwiegen im Stande ist.157 Allerdings haben bereits in der Vergangenheit im Insolvenzrecht derartige Wahlentscheidungen stattgefunden, sodass eine gewisse Plausibilität besteht, dass auch künftig mit vergleichbaren Konstellationen zu rechnen ist.158 Dafür spricht auch, dass die rechtswissenschaftliche Literatur für einen möglichen Wettbewerb auf dem Gebiet des Restrukturierungsrechts zumindest sensibilisiert zu sein scheint.159

Mobilität sei abhängig von den anwendbaren Kollisionsregeln. Vgl. auch Tiebout, Journal of Political Economy 64 (1956), 419: „fully mobile“. 152 Rühl, in: FS Kirchner, S. 975, 977; dies., Statut und Effizienz, S. 225 ff.; Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen, S. 57 ff. 153 Vgl. Peters, in: Gemeinwohl durch Wettbewerb, VVDStRL, Band 69, S. 21 f. 154 Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen, S. 60 f.; Rühl, in: FS Kirchner, S. 975, 977; dies., Statut und Effizienz, S. 229 ff. Siehe auch Tiebout, Journal of Political Economy 64 (1956), 419. 155 Vgl. Kern, GreifRecht 2014 (18), 114, 117; Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen, S. 85. 156 So wörtlich Kern, GreifRecht 2014 (18), 114, 117. 157 Vgl. Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen, S. 60 f.; Rühl, Statut und Effizienz, S. 230 ff. 158 Ausführlich dazu etwa Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 1 ff.; Weller, ZGR 2008, 835 ff.; Eidenmüller, ZGR 2006, 467 ff. 159 Vgl. etwa Kern, NZI-Beilage 1/2021, 74 ff.; Paulus, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Intro., Rn. 15 ff.

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

Ferner ist auf Seiten der Anbieter, also der europäischen Mitgliedstaaten, ein „Anpassungsdruck“ erforderlich.160 Für eine Wettbewerbssituation müssen also auch die rechtsanbietenden Staaten tätig werden und ihre eigene Rechtsordnung derjenigen des erfolgreichsten Mitbewerberstaates anpassen.161 Bleiben die Staaten hingegen untätig, kommt kein Wettbewerb zustande. Diese Frage lässt sich in der vorliegenden Arbeit nicht abschließend beantworten, sondern hängt wesentlich von den Entwicklungen der Zukunft ab. Allerdings kann die Plausibilität einer Anpassungsreaktion des deutschen Gesetzgebers überprüft werden. Eine Anpassung scheint zumindest dann wahrscheinlich, wenn Entscheidungen, die in ausländischen Restrukturierungsverfahren ergehen, im Inland anzuerkennen sind. Dann nämlich wirkten ausländische Entscheidungen unmittelbar im Inland und könnten als „Bedrohung“ für die hiesige Justizinfrastruktur begriffen werden.162 Deshalb sind die Möglichkeiten der Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen in Restrukturierungsverfahren eingehend zu untersuchen. c) Fazit Für einen Wettbewerb der Restrukturierungsrechte ist erforderlich, dass die Mitgliedstaaten und die Verfahrensparteien in einem Verhältnis von Angebot und Nachfrage stehen. Dafür ist zu untersuchen, ob durch die spezifische Bestimmung der internationalen Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren Möglichkeiten für die Parteien bestehen, forum shopping zu betreiben.163 Weiter ist erforderlich, dass die Nachfrager von ihrer Wahlmöglichkeit tatsächlich Gebrauch machen. Dies ist zumindest plausibel, da es bereits in der Vergangenheit Konstellationen gegeben hat, in denen zum Zwecke der Unternehmenssanierung forum shopping betrieben wurde. Zuletzt müssen die Staaten durch die Wahlentscheidungen in einen Anpassungsdruck versetzt werden. Dies ist dann denkbar, wenn Entscheidungen ausländischer Restrukturierungsgerichte im Inland anzuerkennen wären.

160 Peters, in: Gemeinwohl durch Wettbewerb, VVDStRL, Bd. 69, S. 21; Kadelbach, in: Kadelbach, Wettbewerb der Systeme – System des Wettbewerbs in der EU, S. 9, 15; Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen, S. 88 ff.; Rühl, in: FS Kirchner, S. 975, 977; dies., Statut und Effizienz, S. 233 ff. 161 Ebd. 162 Vgl. Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen, S. 88 f., die „spürbare Folgen“ als Voraussetzung eines institutionellen Wettbewerbs betrachtet. Vgl. auch Tiebout, Journal of Political Economy 64 (1956), S. 419. 163 Vgl. Peters, in: Gemeinwohl durch Wettbewerb, VVDStRL, Bd. 69, S. 19: „Der dritte Wahlmodus ist die direkte kollisionsrechtliche Rechtswahl, die in der Regel keine physische Ortsveränderung erfordert. Sie geschieht oft über die prozessrechtliche Schiene mittels Gerichtsstands- oder Schiedsklauseln. Hier ist die Marktanalogie im Begriff des ,forum shopping‘ präsent.“ Vgl. auch Reuß, „Forum Shopping“ in der Insolvenz, S. 16 f.: „unverzichtbares Bindeglied“.

C. Interesse an Restrukturierung unter fremdem Recht

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Ob es im Restrukturierungsrecht zu einem Wettbewerb der Rechtsordnungen kommen wird, kann in dieser Arbeit nicht abschließend geklärt werden.164 Angestrebt ist aber, die Plausibilität der These zu überprüfen.

IV. Ergebnisse Die EuRRL weist an zentralen Stellen erhebliche Umsetzungsspielräume auf. Voraussichtlich werden deshalb in den Mitgliedstaaten Restrukturierungsverfahren implementiert, die sich stark voneinander unterscheiden. Dieser Umstand kann ein Interesse daran begründen, für die Restrukturierung dasjenige Recht zu wählen, unter dem das Vorhaben am erfolgversprechendsten ist. Allerdings bestehen keine direkten Rechtswahlmöglichkeiten im Bereich des Restrukturierungsrechts. Das anwendbare Recht kann aber mittelbar durch die Einflussnahme auf die internationale Gerichtszuständigkeit gewählt werden. Deshalb ist die Untersuchung der internationalen Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren von besonders großem Interesse und wird in dieser Arbeit mit Blick darauf vorgenommen, welche Gestaltungsmöglichkeiten für forum shopping sich daraus ergeben können. Der Begriff forum shopping wird wertneutral verwendet und umfasst auch Konstellationen, in denen auf Anknüpfungsmerkmale, wie etwa den COMI, eingewirkt wird, um die Zuständigkeit eines ganz bestimmten Gerichts zu eröffnen. Weiterhin wurde die These eingeführt, dass sich im europäischen Restrukturierungsrecht ein Wettbewerb der Rechtsordnungen entwickeln könnte. Dafür ist die Möglichkeit, eine Auswahlentscheidung durch forum shopping treffen zu können, eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Weiter ist erforderlich, dass es zu einer Auswahlentscheidung auf Seiten der Nachfrager und zu einer Anpassungsreaktion des Gesetzgebers kommt. Dass diese beiden Voraussetzungen künftig erfüllt sein werden, ist aufgrund der Entwicklungen im europäischen Insolvenzrecht der letzten Jahre zumindest plausibel. Letztgültig wird die Frage in der vorliegenden Arbeit nicht beantwortet werden können, da sie maßgeblich von tatsächlichen Entwicklungen in der Zukunft abhängt. Die Untersuchung der These erfordert neben der Befassung mit der internationalen Zuständigkeit auch die Untersuchung der Anerkennungsfähigkeit im Ausland ergangener Entscheidungen in Restrukturierungsverfahren.

164 Zu pauschal daher J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 654; Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Vorb. EuInsVO, Rn. 17.

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

D. Gesellschaftsrecht im Restrukturierungsverfahren Eine Untersuchung sämtlicher Fragestellungen hinsichtlich des in Restrukturierungsverfahren anwendbaren Rechts würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Deshalb soll die Frage des anwendbaren Rechts auf eine Konstellation spezifiziert werden, die ungelöste rechtliche Fragestellungen bereithält und gleichzeitig von praktischer Relevanz ist. Ausgangspunkt der vorliegenden Überlegungen ist die Untersuchung, wie sich der ungeregelte Aspekt der internationalen Zuständigkeit auf die Restrukturierung von Kapitalgesellschaften auswirkt. Soeben konnte bereits herausgearbeitet werden, dass auf die internationale Gerichtszuständigkeit eingewirkt werden wird, um das anwendbare Restrukturierungsrecht zu beeinflussen. Wie attraktiv diese Beeinflussung tatsächlich ist, hängt auch von der Reichweite des Restrukturierungsstatuts ab. Regelmäßig erfolgt in einem Restrukturierungsverfahren nicht nur ein Eingriff in Finanzverbindlichkeiten, sondern auch eine Veränderung der Kapitalstruktur der Schuldnergesellschaft, beispielsweise indem im Rahmen eines debt-equity-swap Forderungen in Eigenkapital gewandelt werden. Könnten mit der mittelbaren Wahl des Restrukturierungsrechts durch forum shopping gleichzeitig auch die Voraussetzungen einer gesellschaftsrechtlichen Kapitalmaßnahme im Restrukturierungsverfahren beeinflusst werden, bekäme die Frage der internationalen Zuständigkeit eine noch größere Relevanz. Dies bietet Anlass zur näheren Betrachtung des Verhältnisses zwischen EuRRL und Gesellschaftsrecht einerseits und der Abgrenzung von Insolvenzund Gesellschaftsstatut andererseits.

I. Verhältnis von EuRRL und Gesellschaftsrecht Zunächst wird nun das Verhältnis von EuRRL und Gesellschaftsrecht, so wie es in den Vorschriften der Richtlinie niedergelegt ist, näher beleuchtet werden. Einerseits wird dabei versucht, eine Antwort darauf zu geben, wie sich das Restrukturierungsrecht überhaupt charakterisieren lässt. Sodann wird untersucht, wie weit sich das Restrukturierungsrecht zu Lasten des Gesellschaftsrechts ausdehnen kann, indem etwa die Voraussetzungen einer Kapitalmaßnahme im Restrukturierungsverfahren modifizierten Anforderungen unterliegen. 1. „Einordnung“ des Restrukturierungsrechts Die Regelungen zum neuen Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL liegen an der „Schnittstelle“ zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht.165 Das neu zu schaffende Restrukturierungsrecht hat gleichsam eine „Zwitterstellung“: Etwa

165

659.

So wörtlich: Haas, in: FS Godehard Kayser, S. 309, 335; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654,

D. Gesellschaftsrecht im Restrukturierungsverfahren

71

sieht Art. 19 EuRRL ein Pflichtenprogramm für die Unternehmensleitung im Falle der wahrscheinlichen Insolvenz vor und Art. 32 EuRRL gestattet Abweichungen von der Richtlinie (EU) 2017/1132.166 Die EuRRL adressiert damit einerseits gesellschaftsrechtliche Aspekte.167 Andererseits ist der Mechanismus des Restrukturierungsplans,168 der mit Mehrheitsentscheid169 sogar klassenübergreifend170 für verbindlich erklärt und zwangsweise Eingriffe in Gesellschafterrechte enthalten kann,171 dem Insolvenzrecht entlehnt. Eine ganz ähnliche Figur kennt das deutsche Recht bereits mit dem Insolvenzplan, §§ 217 ff. InsO.172 Diese Janusköpfigkeit des Restrukturierungsrechts wird dazu führen, dass der Gesetzgeber für die Umsetzung der EuRRL Veränderungen im nationalen Gesellschaftsrecht und im nationalen Insolvenzrecht vornehmen wird. Insolvenz- und Gesellschaftsrecht werden gut aufeinander abgestimmt sein müssen, um einen praxistauglichen Restrukturierungsrahmen anbieten zu können. 2. Verhältnis von Restrukturierungs- und Gesellschaftsrecht Ebenfalls klärungsbedürftig ist, ob Veränderungen der Gesellschaftsstruktur im Restrukturierungsplan nur unter Einhaltung der Vorgaben des anwendbaren Gesellschaftsrechts vorgenommen oder das Gesellschaftsrecht durch den Restrukturierungsplan überlagert wird. Die Richtlinie selbst enthält diesbezüglich zwei Anhaltspunkte. Aus Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 EuRRL ergibt sich, dass auch Anteilsinhaber zu den „betroffenen Parteien“ eines Restrukturierungsverfahrens gehören können.173 Dies spricht dafür, dass es den Mitgliedstaaten nach der Richtlinie freisteht, die Vorgaben des Gesellschaftsrechts durch restrukturierungsrechtliche leges speciales zu überformen.174 Einem Umkehrschluss aus Art. 12 Abs. 1 EuRRL kann entnommen werden, dass eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung sogar in einen cross-class cram-down einbezogen werden kann.175

166 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts. 167 Vgl. etwa Paulus, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 32 EuRRL, Rn. 1; Spahlinger, NZI-Beilage 1/2019, 69 ff.; Korch, ZIP 2020, 446, 446: „Die Restrukturierungsrichtlinie ist nicht nur für das Insolvenzrecht, sondern auch für das Gesellschaftsrecht hochbedeutsam.“ 168 Vgl. Art. 8 ff. EuRRL. 169 Siehe Art. 9 Abs. 6 EuRRL. 170 Dazu Art. 11 Abs. 1 EuRRL. 171 Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 EuRRL. 172 Knapp, in: Morgen, Kommentar EuRRL, Art. 8, Rn. 1, 4; Spahlinger, NZI-Beilage 1/2019, 69, 69. 173 Veder, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 2 EuRRL, Rn. 15; Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 2 EuRRL, Rn. 15. 174 Vgl. Korch, ZIP 2020, 446, 446–448. 175 Diese Umsetzungsvariante stellt ein „Mehr“ zur bloßen „Betroffenheit“ nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 EuRRL dar. Betroffenheit bedeutet, dass die Änderung einer Gesellschafter-

72

Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

Dieser Befund ergibt, dass es der Entscheidungsautonomie der Mitgliedstaaten obliegt, wie weit sie das Restrukturierungsrecht zu Lasten des Gesellschaftsrechts ausdehnen möchten. Die Richtlinie selbst enthält auch zu diesem Aspekt wenig Verbindliches.176 3. Zwischenergebnis Das Restrukturierungsrecht nimmt in der Form, wie es in der EuRRL niedergelegt ist, eine Zwitterstellung zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht ein. Dabei bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, ob und inwieweit sie im Restrukturierungsverfahren eine Abweichung von den Vorschriften des Gesellschaftsrechts gestatten und das Restrukturierungsrecht so zu Lasten des Gesellschaftsrechts ausgestalten.

II. Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsstatut Schon bisher ist es im nationalrechtlichen Kontext im Detail schwierig gewesen, eine trennscharfe Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht vorzunehmen.177 Diese Frage gewinnt durch das Restrukturierungsrecht noch an Komplexität. Während die Abgrenzung im nationalen Recht eher rein akademischer Natur ist, drohen im internationalen Kontext handfeste Folgen. 1. Die Qualifikation Die direkten Auswirkungen der Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht im internationalen Kontext lassen sich vor dem Hintergrund der Funktionsweise einer international-privatrechtlichen Kollisionsnorm begreifen. Da nicht für jede einzelne Rechtsnorm ein separater Rechtsanwendungsbefehl besteht, werden generalisierende Kollisionsnormen geschaffen.178 Deren Anknüpfungsgegenstand ist stets ein Systembegriff.179 Die Subsumtion einer Rechtsfrage unter einen solchen und damit unter die Kollisionsnorm wird als Qualifikation

stellung Gegenstand des Restrukturierungsplans nach Art. 8 EuRRL sein kann. Zu dessen Verbindlichkeit ist aber eine Mehrheit in jeder Klasse – also auch in der Klasse der Gesellschafter selbst – erforderlich. Danach muss ein Restrukturierungsplan, der eine Veränderung der Gesellschaftsstruktur vorsieht, vom mehrheitlichen Willen der Gesellschafter getragen sein. Eine Einbeziehung in den cross-class cram-down bedeutet hingegen, dass das fehlende mehrheitliche Einverständnis der Gesellschafter unschädlich gemacht und im Abstimmungsverfahren „ersetzt“ werden kann. 176 So auch Korch, ZIP 2020, 446, 446 f.; Schäfer, ZIP 2019, 1645, 1645 f. 177 Zu Abgrenzungsproblemen im Bereich der Unternehmensinsolvenz etwa K. Schmidt, ZIP 2018, 853 ff. 178 Vgl. etwa das Kegel’sche „Bündelungsmodell“. Kegel/Schurig, IPR, § 6 II. 2. Dazu auch v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 7, Rn. 139 ff. 179 Vgl. dazu Hausmann, in: Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis, § 3, Rn. 1.

D. Gesellschaftsrecht im Restrukturierungsverfahren

73

bezeichnet.180 Das deutsche und das europäische internationale Privatrecht kennen Kollisionsnormen je für die Systembegriffe „Gesellschaftsrecht“ und „Insolvenzrecht“.181 Die Bestimmung des anwendbaren Rechts für ein grenzüberschreitendes Restrukturierungsverfahren erfordert also die Einordnung in eine dieser beiden Systembegriffe, solange eine eigene Kollisionsregel fehlt. Da das Restrukturierungsrecht eine Zwitterstellung zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht einnimmt, liegen Einordnungsschwierigkeiten nahe. Diese Systemambivalenz ist eine besondere Herausforderung im Rahmen der Qualifikation.182 Die vorliegende Arbeit wird deshalb auf den Aspekt der Qualifikation im Querschnittsbereich Gesellschafts- und Insolvenzrecht vertiefend eingehen. 2. Relevanz Die Abgrenzung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut ist deshalb so relevant, da für beide Rechtsgebiete jeweils unterschiedliche Kollisionsnormen zur Verfügung stehen, die unterschiedliche Anknüpfungsgegenstände vorhalten. Das internationale Gesellschaftsrecht ist nicht kodifiziert.183 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit hat das deutsche Gesellschaftskollisionsrecht maßgeblich beeinflusst und dazu geführt, dass im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nunmehr im Wesentlichen die Gründungstheorie angewendet wird.184 Danach richtet sich das Gesellschaftsstatut nach dem Ort der Inkorporation; die Gesellschaft braucht darüber hinaus aber im Gründungsstaat nicht ansässig zu sein.185 Mithin herrscht im europäischen Binnenmarkt hinsichtlich des Gesellschaftsstatuts eine faktische Rechtsformwahlfreiheit.186

180 Etwa Lorenz, in: BeckOK BGB, EGBGB, Einleitung zum IPR, Rn. 54; Kegel/Schurig, IPR, § 7, S. 228 f., 336; Hausmann, in: Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis, § 3, Rn. 1. 181 Das anwendbare Gesellschaftsrecht wird entweder nach der Sitz- oder der Gründungstheorie bestimmt. Dazu v. Hein, in: MüKo BGB, Art. 4 EGBGB, Rn. 161 ff. Für das Insolvenzrecht bestimmen der Art. 7 Abs. 1 EuInsVO oder § 335 InsO über das anwendbare Recht. Nach beiden Vorschriften ist grundsätzlich die lex fori concursus maßgeblich. 182 Diese Problematik besteht in ähnlicher Weise bei der Qualifikation des § 1371 BGB. Anlass ist die Zwitterstellung dieser Norm zwischen Ehegüterrecht und Erbrecht. Dazu etwa Kegel/Schurig, IPR, S. 335; v. Hein, in: MüKo BGB, Einl. IPR, Rn. 127. 183 Statt vieler v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 2, Rn. 619; Ringe, in: Schmidt/Lutter, AktG, Int. GesR, Rn. 3. 184 Ausführlich dazu Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftrecht, § 3, Rn. 1–33; Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 371–378; Ringe, in: Schmidt/Lutter, AktG, Int. GesR, Rn. 3, Rn. 18–48, jeweils m.w.N. Traditionell folgte das deutsche Recht der Sitztheorie. Die EuGHJudikatur erforderte insofern allerdings eine teilweise Abkehr. Die Sitztheorie gilt aber weiterhin im Verhältnis zu Drittstaaten. Dazu ausführlich etwa Schmidt, EuZW 2021, 613 ff. 185 Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 354–358. 186 Ringe, in: Schmidt/Lutter, AktG, Int. GesR, Rn. 50; Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftrecht, § 3, Rn. 24 ff.; Weller, ZEuP 2016, 53, 62 f.

74

Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

Insolvenzrechtlich wird hingegen gem. Art. 7 Abs. 1 EuInsVO an das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung angeknüpft.187 Nach der EuInsVO kommt also im Grundsatz das Recht desjenigen Landes zur Anwendung, in dem der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Gesellschaft lokalisiert ist, Art. 3 Abs. 1 EuInsVO.188 Deshalb fallen Insolvenz- und Gesellschaftsstatut immer dann auseinander, wenn eine Gesellschaft außerhalb ihres Gründungsstaates schwerpunktmäßig wirtschaftlich tätig ist.189 Stimmt der nationale Gesetzgeber aber, so wie skizziert, die nationalen Gesellschafts- und Insolvenzregime aufeinander ab, kann ein Auseinanderfallen der Statuten zu Inkonsistenzen führen. Deshalb wird die vorliegende Arbeit sich auch vertieft mit der Abgrenzung zwischen Insolvenz- bzw. Restrukturierungsstatut und Gesellschaftsstatut befassen.

III. Grenzen der Fremdrechtsanwendung Die Anwendung inländischen Restrukturierungsrechts auf eine Auslandgesellschaft setzt zunächst voraus, dass überhaupt ein entsprechender „kollisionsrechtlicher Anwendungsbefehl“ vorliegt.190 Im Anwendungsbereich der EuInsVO wäre fremdes Restrukturierungsrecht mithin immer dann auf eine Gesellschaft anzuwenden, wenn deren COMI nicht im Land der Inkorporation lokalisiert ist. Damit drängt sich die Frage nach Schranken der Fremdrechtsanwendung auf ausländische Gesellschaftsformen auf. Trotz eines kollisionsrechtlichen Anwendungsbefehls können sich Grenzen für die Rechtsanwendung aus dem Europarecht ergeben.191 Die EuRRL enthält insofern keine Restriktionen. Grundsätzlich denkbar wäre jedoch, dass eine Anwendung fremden Restrukturierungsrechts die betroffene Gesellschaft in ihrer Niederlassungsfreiheit192 verletzt.193 Ein Eingriff kann hier nämlich bereits dann anzunehmen sein, wenn der Marktzutritt der Gesellschaft behindert oder weniger attraktiv gemacht wird.194 Dies scheint im Falle der Anwendung fremden

187

Dazu etwa Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 7 EuInsVO, Rn. 1 f. Vgl. Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 1. 189 Ausführlich Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 9, Rn. 1–45. 190 Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 461; Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 28. 191 Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 461; Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 28; Kieninger, RabelsZ 73 (2009), 607, 614 f. 192 Die Niederlassungsfreiheit ist in Art. 49 AEUV verankert und findet nach Art. 54 AEUV auch Anwendung auf die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründeten Gesellschaften. Ausführlich zum Gewährleistungsgehalt der Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 54 AEUV, Rn. 30–78. 193 Vgl. Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 28 ff.; Ego, in: MüKo AktG, Europ. Aktienrecht, Rn. 245 ff.; Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 508. 194 EuGH Urt. v. 31. März 1993 – Rs. C-19/92, Dieter Kraus./.Land Baden-Württemberg, 188

D. Gesellschaftsrecht im Restrukturierungsverfahren

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Restrukturierungsrechts nicht von vornherein ausgeschlossen.195 Müssten die Gesellschafter durch das anwendbare Restrukturierungsrecht etwa fürchten, im Falle einer wirtschaftlichen Krise aus der Gesellschaft „gedrängt“ zu werden, könnte dies durchaus ein Faktor sein, der bei der Standortwahl berücksichtigt wird und abschreckend wirkt. Insofern wird auch das Verhältnis von restrukturierungsrechtlicher Qualifikation und Niederlassungsfreiheit näher zu betrachten sein.

IV. Ergebnis Die vorliegende Arbeit wird sich vertieft mit dem Verhältnis von Restrukturierungs- und Gesellschaftsstatut bei grenzüberschreitenden Unternehmensrestrukturierungen auseinandersetzen. Diese Fragestellung ist deshalb besonders relevant, weil sich Restrukturierungsrecht als Zwittermaterie zwischen Insolvenzund Gesellschaftsrecht begreifen lässt. Die EuRRL ihrerseits enthält zu diesem Aspekt wenig Verbindliches, weshalb es den Mitgliedstaaten überlassen bleiben wird, diesen Aspekt auszugestalten. Klar ist aber, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie das nationale Insolvenz- und Gesellschaftsrecht aufeinander abstimmen werden. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten werden Insolvenz- und Gesellschaftsrecht allerdings nach unterschiedlichen Kollisionsnormen angeknüpft. Das Gesellschaftsstatut bemisst sich nach dem Recht des Staates der Inkorporation, während das Insolvenzrecht desjenigen Staates zur Anwendung gelangt, in dem der COMI der betreffenden Gesellschaft lokalisiert ist. Bei Gesellschaften, die schwerpunktmäßig im Ausland tätig sind, droht also ein Auseinanderfallen von Insolvenz- und Gesellschaftsstatut. Dies kann zu Friktionen im Restrukturierungsverfahren führen. Deshalb hat die Bestimmung der Reichweite des Restrukturierungsstatuts große praktische Relevanz und soll eingehend untersucht werden. Außerdem ist zu erörtern, ob die Fremdrechtsanwendung mit der Niederlassungsfreiheit im Einklang steht.

ECLI:EU:C:1993:125, Rn. 32; EuGH Urt. v. 30. November 1995 – Rs. C-55/94, Reinhard Gebhard./.Consiglio dell’Ordine degli Avvocati e Procuratori di Milano, ECLI:EU:C:1995:411, Rn. 37. 195 Ob durch die Entscheidung EuGH, Urt. v. 10. Dezember 2015 – Rs. C-594/14, Kornhaas./.Dithmar, ECLI:EU:C:2015:806, Rn. 28 eine Übertragung der Keck-Rechtsprechung auf die Niederlassungsfreiheit stattgefunden hat und danach nunmehr ausschließlich Beschränkungen des Marktzutritts einen Eingriff in den Schutzbereich begründen, ist unklar. Dafür Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 8; Kindler, in: MüKo BGB, Int. GesR, Rn. 442 f.; ders., EuZW 2016, 136, 138; Weller/Hübner, NJW 2016, 223, 225; Verse/ Wiersch, EuZW 2016, 330, 331; Korte, in: Caliess/Ruffert, Art. 49 AEUV, Rn. 60 ff. Ablehnend etwa Bayer/Schmidt, BB 2016, 1923, 1931; Mankowski, NZG 2016, 281, 285. Ferner ist unklar, ob die Entscheidung Kornhaas./.Dithmar sich auf das Restrukturierungsrecht übertragen lässt. Dies lässt einen Konflikt der Anwendung inländischen Restrukturierungsrechts auf Auslandsgesellschaften mit der Niederlassungsfreiheit nicht ausgeschlossen erscheinen, weshalb eine nähere Untersuchung erforderlich ist.

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

E. Fazit Die Bestimmung der internationalen Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der Richtlinie ist offen. Deshalb sollen im Hauptteil dieser Arbeit die verschiedenen denkbaren Lösungsansätze einander gegenübergestellt werden. Schwerpunktmäßig wird hier auf das Verhältnis des Restrukturierungsverfahrens zur EuInsVO und zur EuGVVO sowie zu den Vorschriften §§ 335 ff. InsO einzugehen sein. Abschließend soll eine Bewertung des Statuts quo erfolgen. Den Maßstab der Betrachtung bilden dabei die Zuständigkeitsinteressen, die vorstehend ausführlich hergeleitet wurden und sich grob in Partei- und Staatsinteressen unterteilen lassen. Bisher offen ist, welche Interessen für das internationale Restrukturierungsverfahren als maßgeblich gelten müssen. Die Untersuchung der internationalen Gerichtszuständigkeit verfolgt hier aber keinen rein technischen Selbstzweck. Durch die unklare Regelung der internationalen Gerichtszuständigkeit bestehen vorhersehbar für die Parteien gewisse Möglichkeiten, auf die Gerichtszuständigkeit einzuwirken, also forum shopping zu betreiben. Daran kann vor allem deshalb ein erhebliches Interesse bestehen, weil die EuRRL den Mitgliedstaaten große Umsetzungsspielräume lässt, weshalb das anwendbare Restrukturierungsrecht erheblichen Einfluss auf die Erfolgsaussichten des Verfahrens haben kann. Mangels direkter Rechtswahlmöglichkeiten kann eine Einwirkung auf das anwendbare Recht nur durch forum shopping erfolgen. Die These, dass durch etwaige Möglichkeiten, forum shopping zu betreiben, ein Wettbewerb der Restrukturierungsrechte im Binnenmarkt entfacht werden wird, kann nur auf ihre Plausibilität hin überprüft werden, da zusätzlich weitere Bedingungen eintreten müssen, die ungewiss und nicht abschließend vorherzusehen sind. Wie sich Gerichtszuständigkeit und anwendbares Recht zueinander verhalten, wird in der vorliegenden Arbeit anhand des Verhältnisses von Restrukturierungs- und Gesellschaftsrecht untersucht. Die Richtlinie verhält sich zu dieser Fragstellung nicht. Im internationalen Kontext ist die Abgrenzungsfrage besonders relevant, da davon die anwendbare Kollisionsnorm abhängt. Deshalb muss untersucht werden, wie sich beide Statuten sinnvoll voneinander abgrenzen lassen. Vorhersehbar werden bei Gesellschaften, die schwerpunktmäßig im Ausland tätig sind, Restrukturierungs- und Gesellschaftsstatut auseinanderfallen. Dies kann Inkonsistenzen im Restrukturierungsverfahren bedingen. Ebenfalls steht in Frage, ob die Fremdrechtsanwendung mit der Niederlassungsfreiheit in Einklang zu bringen ist.

F. Thesen

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F. Thesen Im zweiten Kapitel konnte gezeigt werden, dass die EuRRL detaillierte Regelungen für das zu schaffende Restrukturierungsverfahren enthält, dabei aber die Frage der internationalen Gerichtszuständigkeit nur beiläufig tangiert; dieser Themenkomplex muss mithin als weitgehend ungeregelt begriffen werden. In diesem Kapitel sollten darauf aufbauend die Implikationen der ungeregelten internationalen Zuständigkeit illustriert und damit der Gegenstand der Untersuchung weiter spezifiziert werden. Die Ergebnisse lassen sich in folgenden Thesen zusammenfassen, die die Grundlage der weiteren Untersuchung bilden. (1.) Es gibt zwei potentielle Möglichkeiten, die internationale Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren zu bestimmen. Zunächst ist denkbar, die EuInsVO heranzuziehen. Dies hat eine gewisse Plausibilität, da der Richtliniengeber ausweislich der Erwägungsgründe dies zumindest in Betracht gezogen hat. Fiele das Restrukturierungsverfahren nicht in den Anwendungsbereich der EuInsVO, käme als europäischer Rechtsakt hilfsweise die EuGVVO zur Zuständigkeitsbestimmung in Betracht. Hier ist gleichwohl bereits fraglich, ob deren Anwendungsbereich eröffnet ist. Wäre der Anwendungsbereich verschlossen, bliebe nur der Rückgriff auf autonomes Verfahrensrecht. Aus dieser Zweiteilung folgt, dass die beiden Varianten (entweder EuInsVO oder EuGVVO bzw. autonomes Recht) im Hauptteil dieser Arbeit gegenüberzustellen sind. Abschließend soll aus den Analyseergebnissen eine Bewertung herausgearbeitet werden. (2.) Die Bewertung des Zuständigkeitssystems hängt maßgeblich von den hinter den Zuständigkeitsnormen stehenden Interessen ab. Für die Zwecke dieser Untersuchung wird zwischen Partei- und Staatsinteressen unterschieden. (3.) Für das Restrukturierungsverfahren sind noch keine speziellen Zuständigkeitsinteressen herausgearbeitet. Diese müssen aus den Grundsätzen des allgemeinen Zivilprozessrechts und des Insolvenzrechts hergeleitet werden. Es soll untersucht werden, ob die Ziele und Interessen, die mit dem internationalen Insolvenzrecht verfolgt werden, kritiklos auf das Restrukturierungsverfahren übertragen werden können. Würden für ein internationales Restrukturierungsverfahren andere Wertungsinteressen herausgearbeitet, bedeutete dies, dass die EuInsVO nur bedingte Tauglichkeit zur Bestimmung der internationalen Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren besäße. (4.) Die EuRRL weist an zentralen Punkten wesentliche Umsetzungsspielräume auf. Deshalb geht der Verfasser davon aus, dass die EuRRL in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich umgesetzt werden wird. Dies kann ein Interesse daran begründen, auf das anwendbare Recht Einfluss zu nehmen. Die Einflussnahme auf das anwendbare Recht erfolgt im Bereich des Restrukturierungsverfahrens „mittelbar“ durch die Einwirkung auf die Gerichtszuständigkeit, da primäre Rechtwahlmöglichkeiten nicht bestehen. Daher steht im Bereich des Restrukturierungsverfahrens künftig sog. forum shopping zu erwarten. (5.) Das Interesse, die Restrukturierung unter einer ganz bestimmten Rechtsordnung durchzuführen, kann zu einem Wettbewerb der Rechtsordnungen füh-

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Kapitel 3: Die Implikationen der Gerichtszuständigkeit

ren. Dazu ist forum shopping eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Ob es zu einem entsprechenden Wettbewerb kommen wird, ist darüber hinaus vom Verhalten der Rechtssubjekte und der Gesetzgebung abhängig. Beides hängt von künftigen Unwägbarkeiten ab. Daher kann vorliegend nur die Plausibilität der Annahme untersucht werden. (6.) Restrukturierungsrecht ist eine Zwittermaterie zwischen Gesellschaftsund Insolvenzrecht. Was das anwendbare Recht betrifft, so stehen zu dessen Bestimmung zwei unterschiedliche Kollisionsnormen zur Verfügung, die divergierende Anknüpfungsgegenstände vorhalten. Durch Schwierigkeiten bei der Qualifikation droht ein Restrukturierungsrahmen, der im nationalen Kontext Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht aufeinander abstimmt, auseinanderzubrechen und damit inkonsistent zu werden. Deshalb ist die Abgrenzung zwischen Restrukturierungs- und Gesellschaftsstatut besonders relevant. (7.) Die Anwendung ausländischen Restrukturierungsrechts könnte eine Gesellschaft in ihrer Niederlassungsfreiheit verletzen. Die Art. 49, 54 AEUV stehen einer Fremdrechtsanwendung insoweit entgegen, als die Anwendung vom Gründungsstatut abweichender Rechtsordnungen die Niederlassung behindert oder weniger attraktiv erscheinen lässt. Dies scheint für das Restrukturierungsrecht zumindest denkbar.

Kapitel 4

Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO A. Einleitung und Gang der Untersuchung Nunmehr soll untersucht werden, wie sich Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL und die EuInsVO zueinander verhalten. Ausgangspunkt der Untersuchung ist Erw.-Gr. 13 EuRRL. Danach sollen die Vorschriften der EuRRL mit der EuInsVO „vereinbar sein“; die Mitgliedstaaten sind jedoch nicht verpflichtet, das Restrukturierungsverfahren so auszugestalten, dass es sämtliche Voraussetzungen für die Aufnahme in Anhang A und damit für eine Eröffnung des Anwendungsbereichs der EuInsVO erfüllt.1 Mit anderen Worten: Der Richtliniengeber geht davon aus, dass ein Restrukturierungsverfahren unter die EuInsVO fallen kann, aber nicht muss. Mithin soll es von der konkreten Umsetzung der EuRRL in den Mitgliedstaaten abhängen, ob die EuInsVO für grenzüberschreitende Restrukturierungsverfahren zur Verfügung steht. Daraus ergibt sich folgender Aufbau der Untersuchung: Zunächst soll der Anwendungsbereich der EuInsVO abstrakt dargestellt werden. Sodann wird untersucht, ob das Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL so ausgestaltet ist, dass es die Anwendungsvoraussetzungen der EuInsVO grundsätzlich erfüllen könnte. Daran anschließend soll die Frage beantwortet werden, ob das deutsche Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG der EuInsVO unterfällt. In einem nächsten Schritt sollen die in Kapitel 3 herausgearbeiteten Implikationen der internationalen Zuständigkeitsbestimmung mit den Ergebnissen in Bezug gesetzt werden. Daher muss beantwortet werden, wie sich eine Anwen-

1 Erw.-Gr. 13 EuRRL lautet wörtlich: „Diese Richtlinie sollte unbeschadet des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) 2015/848 gelten, jedoch vollständig mit dieser Verordnung vereinbar sein und diese ergänzen, indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, präventive Restrukturierungsverfahren einzuführen, die bestimmten Mindestgrundsätzen der Wirksamkeit genügen. Sie verfolgt keinen anderen Ansatz als den der genannten Verordnung, nach dem die Mitgliedstaaten Verfahren beibehalten oder einführen können, die nicht die Bedingungen der öffentlichen Bekanntmachung für die Mitteilung nach Anhang A der genannten Verordnung erfüllen. Die vorliegende Richtlinie schreibt zwar nicht vor, dass bei den Verfahren in ihrem Anwendungsbereich sämtliche Bedingungen für die Mitteilung nach dem genannten Anhang A erfüllt sein müssen, ihr Ziel ist aber, die grenzüberschreitende Anerkennung dieser Verfahren und die Anerkennung und Vollstreckbarkeit der Urteile zu erleichtern.“

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

dung der EuInsVO auf die Möglichkeiten der Parteien zum forum shopping und die Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen auswirkt. Außerdem wird den Wechselbeziehungen zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht, insbesondere mit Blick auf das Gesellschaftsstatut, besondere Beachtung geschenkt. Ferner wird die Anerkennungsfähigkeit im Ausland ergangener Entscheidungen in Restrukturierungsverfahren untersucht.

B. Der Anwendungsbereich der EuInsVO Im folgenden Abschnitt werden nun die wesentlichen Voraussetzungen für die Anwendung der EuInsVO dargestellt. Dabei wird nicht eine vollumfängliche Abbildung jeglicher Feinheiten angestrebt, sondern eine Zusammenfassung derjenigen Aspekte, die für ein Restrukturierungsverfahren von besonders herausgehobener Bedeutung sind.

I. Persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich Der persönliche Anwendungsbereich wird in Art. 1 Abs. 2 EuInsVO eingeschränkt.2 Diese Einschränkungen wirken sich auf das Verhältnis von Restrukturierungsverfahren und EuInsVO jedoch nicht aus, da Versicherungsunternehmen, Kreditinstitute, Wertpapierfirmen und Organismen für gemeinsame Anlagen gleichermaßen außerhalb des Anwendungsbereichs der EuRRL liegen.3 Der zeitliche Anwendungsbereich kann Art. 84, 92 EuInsVO entnommen werden.4 Auch insofern ergeben sich keine Komplikationen. Die EuInsVO ist in allen ihren Teilen in Kraft getreten, bevor die ersten Umsetzungsgesetze zur EuRRL erlassen waren.

II. Räumlicher Anwendungsbereich Räumlich findet die EuInsVO Anwendung, sofern ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt5 und der COMI des Schuldners in einem Mitgliedstaat lo-

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Vgl. dazu etwa Knof, in: Uhlenbruck, Art. 1 EuInsVO, Rn. 32 ff. Versicherungsunternehmen sind nach Art. 1 Abs. 2 lit. a) EuInsVO und nach Art. 1 Abs. 2 lit. a) EuRRL ausgenommen. Gleiches gilt für Kreditinstitute nach Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuInsVO sowie Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuRRL; Wertpapierfirmen nach Art. 1 Abs. 2 lit. c) EuInsVO und Art. 1 Abs. 2 lit. c) Alt. 1 EuRRL und Organismen für gemeinsame Anlagen nach Art. 1 Abs. 2 lit. d) sowie Art. 1 Abs. 2 lit. c) Alt. 2 EuRRL. 4 Knof, in: Uhlenbruck, Art. 1 EuInsVO, Rn. 1. 5 Dies folgt aus Art. 81 Abs. 1 AEUV. Für den Auslandsbezug kann bereits eine Rechtswahl genügen: EuGH, Urt. v. 8. Juni 2017 – Rs. C-54/16, Vinyls Italia SpA./.Mediterranea di Navigazione SpA, ECLI:EU:C:2017:433. Vgl. dazu Paulus, EuInsVO, Art. 1. Rn. 31. Siehe auch Mock, in: BeckOK InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 20. 3

B. Der Anwendungsbereich der EuInsVO

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kalisiert ist.6 Ein darüberhinausgehender „qualifizierter“ Unionsbezug ist nicht erforderlich.7 Ein solcher ist nur dann Voraussetzung der Anwendung der EuInsVO, wenn eine konkrete Norm einen spezifischen Bezug zur Union ihrem Wortlaut nach voraussetzt.8 Daraus folgt, dass die Wirkungen eines nach EuInsVO eröffneten Verfahrens sich grundsätzlich global erstrecken und nicht etwa auf den Binnenmarkt beschränkt sind.9 Die EuInsVO findet keine Anwendung in Dänemark, da das Land seit dem Vertrag von Amsterdam einen Vorbehalt gegenüber der Teilnahme an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen ausgesprochen und von der Möglichkeit, sich gleichwohl an der EuInsVO zu beteiligen, keinen Gebrauch gemacht hat.10 Außerdem ist die EuInsVO in Großbritannien seit dem vollzogenen Brexit nicht mehr anwendbar.11 Das zukünftige Verhältnis der EU zu Großbritannien in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen ist in höchstem Maße unklar;12 die politische Erklärung zur künftigen Zusammenarbeit13 behandelt diesen Aspekt allenfalls „stiefmütterlich“14. Bis auf Weiteres ist Großbritannien also in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen wie ein Drittstaat zu behandeln. Ebenso gilt Dänemark für die Zwecke des internationalen Insolvenzrechts als Drittstaat.

6 J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 1, Rn. 54; Paulus, EuInsVO, Einl., Rn. 48 sowie Art. 1 Rn. 36; Hess/Koutsoukou, in: Kronke/Melis/Kuhn, Handbuch Int. Wirtschaftsrecht, Teil O., Rn. 22. 7 EuGH, Urt. v. 16. Januar 2014 – Rs. C-328/12, Ralph Schmid./.Lilly Hertel, ECLI:EU:C: 2014:6, Rn. 20 ff. sowie EuGH, Urt. v. 4. Dezember 2014 – Rs. C-295/13, H./.H.K., ECLI:EU: C:2014:2410. 8 EuGH, Urt. v. 16. Januar 2014 – Rs. C-328/12, Ralph Schmid./.Lilly Hertel, ECLI:EU:C: 2014:6, Rn. 21–23. 9 Vgl. Paulus, EuInsVO, Einl., Rn. 48. 10 Vgl. Erw.-Gr. 88 EuInsVO; Paulus, EuInsVO, Einl., Rn. 13; Mock, in: BeckOK InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 19. 11 Nach Art. 67 Abs. 3 lit. c) des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, 2019/C 384 I/01, gilt die EuInsVO jedoch für alle Verfahren, die in der Übergangszeit vom 1. Februar 2020 bis zum 31. Dezember 2020 eingeleitet worden sind, fort. Für das Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL ist diese Übergangsregelung gleichwohl unerheblich, da in dieser Zeit mangels Umsetzung keine Restrukturierungsverfahren eingeleitet werden konnten. 12 Vgl. Looschelders, in: Staudinger, Einleitung zum IPR, Rn. 774. 13 Politische Erklärung zur Festlegung des Rahmens für die künftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich, 2019/C 384 I/02, ABl. der Europäischen Union C 384I, v. 12. November 2019. Online abrufbar unter https://eur-lex.eur opa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=OJ:C:2019:384I:TOC. Zuletzt abgerufen am 7. November 2022. 14 So wörtlich Wagner, IPRax 2021, 2, 3.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

III. Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich kann Art. 1 EuInsVO entnommen werden. 1. Gesamtverfahren Zunächst ist der Anwendungsbereich der EuInsVO ausschließlich für Gesamtverfahren eröffnet, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO. Ein Gesamtverfahren zeichnet sich dadurch aus, dass an ihm alle oder zumindest ein wesentlicher Teil der Gläubiger beteiligt sind, Art. 2 Nr. 1 EuInsVO. Sofern nicht alle Gläubiger am Verfahren beteiligt sind, ist erforderlich, dass die Forderungen der unbeteiligten Parteien nicht berührt werden. Maßgeblich für die Definition ist nun, was unter einem „wesentlichen Teil“ i.S.d. Art. 2 Nr. 1 EuInsVO zu verstehen ist. Eine Antwort darauf bleibt die EuInsVO jedoch schuldig. In einem ersten Zugriff wäre denkbar, die Wesentlichkeit unter Berücksichtigung der schieren Anzahl der Gläubiger zu bestimmen. Legt man ein solches Verständnis zu Grunde, wäre maßgeblich, ob eine überwiegende Anzahl der Gläubiger vom Verfahren erfasst ist. Diese Bestimmung kann anhand unterschiedlicher Kriterien erfolgen. Denkbar wäre, auf eine Kopfmehrheit oder eine Summenmehrheit oder sogar auf beide Kriterien kumulativ abzustellen.15 Eine weitere Konkretisierung ist unter Berücksichtigung des Erw.-Gr. 14 EuInsVO möglich. Danach soll der Umfang der einzubeziehenden Gläubiger auch vom in Rede stehenden Verfahren abhängen. Eine Einbeziehung nur eines Teils der Gläubiger ist danach zulässig, wenn Ziel des Verfahrens die Rettung des Schuldners ist. Insofern scheint es überzeugend, nicht allein auf die Summe der Gläubiger, sondern auch auf deren Funktion im Verfahren zu blicken.16 Dies scheint auch in Anbetracht der französischen Sprachfassung überzeugend. Dort ist von „une partie importante des cre´anciers“ die Rede. „Wesentlichkeit“ kann danach auch als „Wichtigkeit“ für das entsprechende Verfahren verstanden werden. Dementsprechend können als wesentliche Gläubiger jedenfalls diejenigen Gläubiger in das Verfahren mit einzubeziehen sein, die für dessen Gelingen unabdingbar sind.17 Verfahren, die nur einen wesentlichen Teil der Gläubiger einbeziehen, sind gerade deshalb in den Anwendungsbereich der EuInsVO einbezogen worden, um auch insolvenznahe Restrukturierungsverfahren unter die EuInsVO fassen zu können.18 Die Urfassung19 der EuInsVO setzte nämlich die Einbeziehung aller Gläubiger voraus.20 15

So auch Knof, in: Uhlenbruck, Art. 2 EuInsVO, Rn. 4. Thole, in: MüKo InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 4; Knof, in: Uhlenbruck, Art. 2 EuInsVO, Rn. 4. 17 In diesem Sinne auch Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 23 ff. 18 Vgl. dazu Hess, in: Hess/Oberhammer/Pfeiffer, European Insolvency Law, Rn. 114; Piekenbrock, ZIP 2014, 250, 256 f.; Paulus, EuInsVO, 4. Auflage, Kommentierung der VO (EG) 1346/2000, Art. 1, Rn. 8. 19 Verordnung (EG) 1346/2000. 20 Vgl. Fn. 18. 16

B. Der Anwendungsbereich der EuInsVO

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Zur Beantwortung der Frage, ob im konkreten Fall der „wesentliche Teil“ der Gläubiger in das Verfahren einbezogen worden ist, kann in einem ersten Zugriff auf die schiere Anzahl der Gläubiger abgestellt werden. Sollte eine Mehrheit der Gläubiger weder nach Köpfen oder nach Summen im Verfahren beteiligt sein, kann eine Einbeziehung der wesentlichen Gläubiger dennoch anzunehmen sein, wenn diejenigen Gläubiger in das Verfahren eingebunden werden, mit denen eine Verhandlung unabdingbar ist, um eine Liquidation zu verhindern. Die Vereinbarkeit eines Restrukturierungsverfahrens mit dem Anwendungsbereich der EuInsVO wird allenfalls ausnahmsweise an der Einbeziehung der wesentlichen Gläubiger scheitern, wenn die Auswahl der betroffenen Gläubiger willkürlich erfolgt.21 Die übrigen Voraussetzungen des Gesamtverfahrens bereiten keine Schwierigkeiten. Das Restrukturierungsverfahren ist auf Insolvenzvermeidung angelegt,22 und schon die EuRRL schließt Wirkungen auf nicht einbezogene Gläubiger aus.23 2. Zweck des Verfahrens Die EuInsVO findet ausweislich ihres Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Anwendung auf Gesamtverfahren, die auf Grundlage gesetzlicher Regelungen zur Insolvenz stattfinden.24 Auf die mit dem Gesamtverfahren verfolgten Zwecke kommt es für die Anwendung der EuInsVO nicht an;25 Rettung, Schuldenanpassung, Reorganisation oder Liquidation werden als denkbare Zweckvarianten aufgeführt. Der Verordnungsgeber stellt damit klar, dass die in den Mitgliedstaaten divergierenden Zweckausrichtungen von Insolvenzverfahren der Anwendungseröffnung in keinem Fall entgegenstehen sollen.26 Ferner steht die EuInsVO nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 auch für Verfahren offen, die lediglich bei bestehender Insolvenzwahrscheinlichkeit eingeleitet werden können; in diesem Fall muss das Verfahren auf die Vermeidung der Insolvenz ausgerichtet sein.27 Die Neufassung der EuInsVO ist gerade darauf zugeschnitten worden, auch präventive Verfahren in ihren Anwendungsbereich einzuschließen.28 21 Entsprechend hält auch Paulus den Anwendungsbereich des Tatbestandsmerkmals für „denkbar weit“. Siehe Paulus, EuInsVO, Art. 2, Rn. 3. 22 Siehe etwa Art. 1 Abs. 1 lit a) EuRRL. 23 Art. 15 Abs. 2 EuRRL verlangt von den Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Gläubiger, die an der Annahme des Restrukturierungsplans nicht beteiligt gewesen sind, von den Planwirkungen nicht beeinträchtigt werden. 24 Siehe auch Erw.-Gr. 16 EuInsVO. 25 Paulus, EuInsVO, Art. 1, Rn. 6 spricht insofern von „Zweck- und Zielneutralität“. 26 Knof, in: Uhlenbruck, Art. 1 EuInsVO, Rn. 22 meint treffenderweise, dass die Auflistung der Zwecke in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO „weniger die Funktion der Begrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs“ erfüllt als der Klarstellung diene, dass der Sanierungsgedanke von der EuInsVO akzeptiert werde. 27 J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 1, Rn. 32. 28 Siehe etwa Erw.-Gr. 10 EuInsVO; Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 6b; Dornblüth, in: Heidelberger Kommentar, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 4; Parzinger, NZI 2016, 63, 64.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

3. Öffentlichkeit Weiter erfordert der Anwendungsbereich die Öffentlichkeit des Gesamtverfahrens, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO. Fraglich ist allerdings, welche Voraussetzungen an die Öffentlichkeit des Verfahrens zu stellen sind. Dem reinen Wortsinn nach könnte es sogar genügen, wenn das Insolvenzverfahren durch mediale Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit bekannt würde.29 Dass eine in diesem Sinne verstandene Öffentlichkeit dem Verordnungsgeber nicht vorschwebte, erhellt ein Blick in Erw.-Gr. 12. Danach ist spezifisch die Eröffnung des Gesamtverfahrens öffentlich bekanntzumachen.30 Die Veröffentlichung des Verfahrens ist danach formaler Akt; eine gleichsam zufällige Öffentlichkeit genügt nicht.31 Die Öffentlichkeit des Verfahrens soll gewährleisten, dass sämtliche Gläubiger vom Verfahren Kenntnis erlangen, um deren Einbeziehung in das Verfahren sicherzustellen.32 Ferner sollen die Gläubiger in die Lage versetzt sein, die internationale Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts nach Art. 5 EuInsVO rügen zu können.33 Augenscheinlich sollten geheime Insolvenzverfahren aus dem Anwendungsbereich der EuInsVO herausgehalten werden.34 Die Pflicht zur Veröffentlichung ist zudem im Zusammenhang mit den Vorschriften Art. 24 ff. EuInsVO zu betrachten.35 Der Verordnungsgeber verpflichtet die Mitgliedstaaten, nationale Insolvenzregister zu errichten, die europäisch miteinander vernetzt werden. Damit soll eine bessere Information der Gläubiger gewährleistet und die Eröffnung von Parallelverfahren möglichst verhindert werden.36 Die nach Art. 1 EuInsVO erforderliche Öffentlichkeit ist folglich mit der Aufnahme in das nationale Insolvenzregister zu bewirken.37 Der Anwendungsbereich der EuInsVO ist dabei erst ab dem Zeitpunkt eröffnet, zu dem die Öffentlichkeit des Verfahrens hergestellt ist.38 Um die dargestellten Zwecke der Verfah-

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Vgl. Paulus, EuInsVO, Art. 1, Rn. 19 zu denkbaren Auslegungsalternativen. Auch eine Sitzungsöffentlichkeit genügt nicht: Madaus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 8. 31 So auch Thole, ZEuP 2014, 39, 48; Paulus, EuInsVO, Art. 1, Rn. 19. 32 Erw.-Gr. 12 EuInsVO; J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 1, Rn. 17; Ehret, in: Braun, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 7; Knof, in: Uhlenbruck, Art. 1 EuInsVO, Rn. 16; Fehrenbach, GPR 2016, 282, 285. 33 Ebd. 34 Siehe Erw.-Gr. 13 EuInsVO: „[…] vertraulich geführte Insolvenzverfahren sollen vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden. […]“. Knof, in: Uhlenbruck, Art. 1 EuInsVO, Rn. 18 meint, der EuInsVO liege deutlich die Wertung zu Grunde, dass ein Interesse an der Vertraulichkeit des Verfahrens hinter dem Interesse der Gesamtheit der Gläubiger an einem öffentlichen Verfahren zurückzutreten habe. 35 Brinkmann, KTS 2014, 381, 386. 36 Siehe Erw.-Gr. 76 EuInsVO. 37 Vallender, in: Vallender, EuInsVO, Art. 1, Rn. 22; Brinkmann, in: Brinkmann, EIR, Art. 1, Rn. 14. Vgl. auch Abel/Hengst, in: Morgen, StaRUG, § 84, Rn. 6. 38 Siehe dazu COM (2012) 744 final, S. 6; Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 6a. 30

B. Der Anwendungsbereich der EuInsVO

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rensöffentlichkeit nicht zu konterkarieren, muss eine Rückwirkung ausgeschlossen sein. Die Wirkungen der EuInsVO können sich also erst auf Verfahrensschritte erstrecken, die nach der förmlichen Veröffentlichung ergangen sind.39 Eine Veröffentlichung nur des Verfahrensergebnisses, die rückwirkend zur Anwendung der EuInsVO führte, würde die Wahrung der Rechte der Gläubiger nicht in ausreichender Form sicherstellen.40 4. Die Alternativen Art. 1 lit. a)–c) Art. 1 Abs. 1 EuInsVO enthält in lit. a) – c) eine Aufzählung möglicher Wirkweisen eines Insolvenzverfahrens, das in den Anwendungsbereich der EuInsVO fällt. Dabei handelt es sich um Alternativen; die aufgezählten Voraussetzungen brauchen nicht kumulativ vorzuliegen.41 Die Varianten sind drei abschließende Möglichkeiten, im Insolvenzverfahren „Kontrolle“ über den Schuldner auszuüben.42 Ziel der Aufzählung ist es, auch präventive Verfahren in den Anwendungsbereich aufzunehmen, bei denen es nicht zu einem „klassischen“43 Gesamtvermögensbeschlag mit Verwalterbestellung kommt.44 Derartige Verfahren lagen vor der Neufassung außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO.45 a) Entzug der Verfügungsgewalt, Bestellung eines Verwalters; lit. a) Die Eröffnungsvoraussetzungen der EuInsVO a.F. sind in Art. 1 Abs. 1 lit. a) EuInsVO n.F. aufgegangen.46 Danach gehört zu den denkbaren Wirkweisen eines Insolvenzverfahrens der Entzug der Verfügungsgewalt über das Vermögen. Dieser kann ganz oder nur teilweise erfolgen. Außerdem sind nur solche Verfahren erfasst, die die Bestellung eines Verwalters vorsehen.47 Teilweiser Vermögensbeschlag ist in dem Sinne zu verstehen, dass dieser entweder nur einen Teil des Vermögens oder nur einen Teil der Verfügungsbefugnis umfasst.48 Die Anforderungen an den Verwalter sind in Art. 2 Nr. 5 EuInsVO legal definiert.

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So auch Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 22. Auch in diesem Sinne zu verstehen Paulus, EuInsVO, Art. 1, Rn. 19 a.E. 41 Mock, in: BeckOK InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 11. 42 Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 7. 43 Vallender, in: Vallender, EuInsVO, Art. 1, Rn. 8 verweist darauf, dass der EuInsVO a.F. ein traditionelles Verständnis des Verordnungsgebers vom Insolvenzverfahren zu Grunde lag. Vgl. dazu auch Hess/Oberhammer/Pfeiffer, in: Hess/Oberhammer/Pfeiffer, European Insolvency Law, Rn. 37. 44 Vgl. Fehrenbach, GPR 2014, 282, 283 f.; Thole, ZEuP 2014, 39, 43. 45 Vgl. Kemper, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 1 EuInsVO 2000, Rn. 4; Paulus, EuInsVO 2000, Art. 1, Rn. 8 ff. 46 Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 8. 47 Dornblüth, in: Heidelberger Kommentar, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 3; Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 8. 48 Kindler, in: MüKo BGB, Art. 1 EuInsVO, Rn. 7. 40

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

b) Aufsicht durch ein Gericht; lit. b) Ebenfalls ist denkbar, dass Vermögen und Geschäfte des Schuldners der Kontrolle oder Aufsicht durch ein Gericht unterstellt werden, Art. 1 Abs. 1 lit. b) EuInsVO. Diese Kontrolle soll wenigstens voraussetzen, dass ein Gericht aufgrund des Rechtsbehelfs eines Verfahrensbeteiligten Sicherungsmaßnahmen ergreifen kann.49 Danach können auch Verfahren mit erheblich zurückgedrängter Gerichtsbeteiligung dem Anwendungsbereich unterfallen.50 Durch die Alternative in lit. b) können auch Verfahren in Eigenverwaltung unter die EuInsVO gefasst werden.51 Ebenfalls zielt diese Variante darauf ab, Sanierungsverfahren zu erfassen;52 entsprechende Verfahren sehen üblicherweise keinen Vermögensbeschlag vor. c) Vorrübergehende Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen; lit. c) Zuletzt können gem. lit. c) auch Verfahren in den Anwendungsbereich der EuInsVO fallen, im Rahmen derer eine vorübergehende Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen gewährt wird. Eine entsprechende Aussetzung kann entweder gerichtlich oder kraft Gesetzes angeordnet werden. Einschränkend formuliert Art. 1 Abs. 1 lit. c) EuInsVO, dass nur solche Verfahren dem Anwendungsbereich unterfallen können, die geeignete Maßnahmen zum Schutze der Gläubigergesamtheit vorhalten und im Falle ihres Scheiterns in ein Verfahren nach lit. a) oder b) überführt werden. Die EuInsVO verhält sich aber nicht dazu, wie ein geeigneter Schutz der Gläubiger beschaffen sein muss.53 Weiter ist zu beachten, dass die Aussetzung der Einzelzwangsvollstreckung nur zu dem Zweck gewährt werden darf, Verhandlungen mit den Schuldnern zu ermöglichen. Eine Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners ist nicht vorgesehen.54

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Vgl. Erw.-Gr. 10 a.E. Vgl. Paulus, EuInsVO, Art. 1, Rn. 24. 51 Undritz, in: A. Schmidt, EuInsVO, Art. 1, Rn. 16; Knof, in: Uhlenbruck, Art. 1 EuInsVO, Rn. 25. Zur Diskussion, ob Verfahren in Eigenverwaltung dem Anwendungsbereich der EuInsVO a.F. unterfallen, Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/ Chalupsky, Art. 1 EuInsVO 2000, Rn. 29. 52 Kindler, in: MüKo BGB, Art. 1 EuInsVO, Rn. 10, Undritz, in: A. Schmidt, EuInsVO, Art. 1 Rn. 16. 53 Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 1, Rn. 10 relativiert dieses Ergebnis aber treffenderweise dadurch, dass eine Änderung des Anhangs A im ordentlichen Verfahren beschlossen werden muss. Dieser Aspekt wird folgend noch umfassend beleuchtet werden. 54 Fehrenbach, GPR 2016, 282, 286. 50

B. Der Anwendungsbereich der EuInsVO

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5. Der Anhang A Aus Art. 1 Abs. 1 Satz 3 EuInsVO ergibt sich, dass diejenigen Verfahren, auf die in Abs. 1 Bezug genommen wird, in Anhang A gelistet sind. Die Tragweite dieses Satzes erhellt vollständig erst eine Zusammenschau mit Erw.-Gr. 9. Dort heißt es, dass diejenigen Insolvenzverfahren, die die Anwendungsvoraussetzungen der EuInsVO erfüllen, erschöpfend in Anhang A aufgeführt sind; die angerufenen Gerichte prüfen eine Eröffnung des Anwendungsbereichs nicht selbstständig nach.55 Praktisch bedeutet dies, dass für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der EuInsVO einzig ausschlaggebend ist, ob das betreffende Verfahren im Anhang A der Verordnung aufgeführt ist.56 Daraus könnte prima facie geschlossen werden, dass die vorgenannten Definitionsmerkmale keine eigenständige Bedeutung besäßen. Um dies abschließend beurteilen zu können, ist jedoch vertiefend zu untersuchen, auf welche Weise ein Verfahren in Anhang A aufgenommen werden kann und welche Auswirkungen eine nachträgliche Veränderung eines bereits aufgenommenen Verfahrens auf die Anwendungseröffnung hat. a) Aufnahme in Anhang A Zur Aufnahme eines Verfahrens in den Anhang A der EuInsVO bedarf es einer Änderung der Verordnung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren.57 Art. 45 EuInsVO a.F., der ein vereinfachtes Verfahren zur Änderung des Anhangs A vorsah, ist im Zuge der Neufassung der EuInsVO ersatzlos gestrichen worden.58 Will ein Mitgliedstaat ein Verfahren in den Anhang A aufnehmen lassen, muss das ordentliche Gesetzgebungsverfahren nach Art. 81 Abs. 2 lit a), 289 Abs. 1, 294 AEUV initiiert werden.59 Die Aufnahme eines Verfahrens in den Anhang A 55 Erw.-Gr. 9 lautet wörtlich: „Diese Verordnung sollte für alle Insolvenzverfahren gelten, die die in ihr festgelegten Voraussetzungen erfüllen, unabhängig davon, ob es sich beim Schuldner um eine natürliche oder juristische Person, einen Kaufmann oder eine Privatperson handelt. Diese Insolvenzverfahren sind erschöpfend in Anhang A aufgeführt. Bezüglich der in Anhang A aufgeführten nationalen Verfahren sollte diese Verordnung Anwendung finden, ohne dass die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats die Erfüllung der Anwendungsvoraussetzungen dieser Verordnung nachprüfen. Nationale Insolvenzverfahren, die nicht in Anhang A aufgeführt sind, sollten nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen.“ 56 Siehe etwa Undritz, in: A. Schmidt, EuInsVO, Art. 1, Rn. 18; Vallender, in: Vallender, EuInsVO, Art. 1, Rn. 43; Prager/Keller, WM 2015, 805, 805 f. Der EuGH hat entsprechend bereits zur EuInsVO a.F. entschieden: Siehe EuGH, Urt. v. 22. November 2012 – Rs. C-116/11, Bank Handlowy w Warszawie SA./.Christianapol sp. zo.o., ECLI:EU:C:2012:739, Rn. 33: „Folglich fällt ein Verfahren, sobald es in Anhang A der Verordnung aufgenommen ist, in den Anwendungsbereich der Verordnung. Die Aufnahme in diesen Anhang hat die unmittelbare und verbindliche Wirkung, die den Bestimmungen einer Verordnung zukommt.“ 57 Statt vieler siehe etwa Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 3; J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 1, Rn. 39. 58 J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 1, Rn. 38. 59 Ehret, in: Braun, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 19; Parzinger, NZI 2016, 63, 64.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

ist mithin sehr schwerfällig und denkbar unflexibel gestaltet.60 Die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 EuInsVO entfalten hier jedoch ihre Wirkung, indem sie im Gesetzgebungsverfahren als Richtmaß dafür dienen, ob ein Verfahren überhaupt in den Anhang A aufgenommen werden kann.61 Insofern sind die dargestellten62 Definitionsmerkmale des Insolvenzverfahrens keinesfalls bedeutungslos. Anders als üblich, adressieren sie jedoch nicht den Rechtsanwender, sondern den Rechtssetzer, also die Mitgliedstaaten und die Europäischen Institutionen. b) Abweichung eines aufgenommenen Verfahrens Weiter ist von Interesse, wie es sich auswirkt, wenn ein Verfahren, das bereits in den Anhang A der EuInsVO aufgenommen worden ist, durch den nationalen Gesetzgeber derart verändert wird, dass es die Anforderungen des Art. 1 Abs. 1 EuInsVO nun nicht mehr erfüllt. Selbstverständlich könnte der europäische Gesetzgeber die EuInsVO im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren abändern und das betreffende Verfahren aus dem Anhang A streichen. Dafür wäre jedoch Voraussetzung, dass der Verordnungsgeber von der Veränderung überhaupt Kenntnis erlangt.63 Dies unterstellt, führt das langwierige Änderungsverfahren jedenfalls dazu, dass erst mittelfristig reagiert werden könnte.64 Insofern stellt sich die Frage, ob ein nationales Gericht unter engen Voraussetzungen befugt ist, die Anwendung der EuInsVO zu verweigern, obwohl das betreffende Verfahren im Anhang A gelistet ist. Anders gewendet: Steht den Gerichten der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzungen eine eigenständige Prüfkompetenz zu?65 Der EuGH hat zu dieser Fragestellung noch unter Geltung der EuInsVO a.F. Stellung bezogen und klargestellt, dass die EuInsVO selbst dann auf ein in Anhang A genanntes Verfahren anzuwenden ist,

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So auch Parzinger, NZI 2016, 63, 64. Vallender, in: Vallender, EuInsVO, Art. 1, Rn. 46; Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 14; Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 2; Ehret, in: Braun, InsO, Art. 1, Rn. 19; Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 3. 62 Siehe oben B. I. bis B. III. 4. 63 Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 86 Abs. 1 EuInsVO verpflichtet, Informationen über das nationale Insolvenzrecht an das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen zu übermitteln. Außerdem erstattet die Kommission nach Art. 90 Abs. 1 EuInsVO Bericht über die Anwendung der EuInsVO. Es scheint zumindest nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen einer Meldung eines Mitgliedstaats oder eines Kommissionsberichts entsprechende Änderungen bemerkt würden. 64 Einschränkend ist Folgendes zu beachten: Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 86 Abs. 2 EuInsVO verpflichtet, ihre Informationen zum nationalen Recht „regelmäßig“ zu aktualisieren. Dieser Rechtsbegriff verbleibt jedoch unbestimmt. Ein Kommissionsbericht gem. Art. 90 Abs. 1 EuInsVO ist erstmalig im Jahr 2027 und danach alle 5 Jahre vorzulegen. Unter Berücksichtigung dessen erscheint es eher unwahrscheinlich, dass der Verordnungsgeber von nationalen Gesetzesänderungen umgehend Kenntnis erhielte. 65 Beispielsweise hat eine solche für sich in Anspruch genommen: LAG Düsseldorf, Urt. v. 14. Juli 2011 – 15 Sa786/10, NZI 2011, 874. 61

B. Der Anwendungsbereich der EuInsVO

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wenn dieses eigentlich die Definitionsmerkmale des Art. 1 EuInsVO nicht erfüllt.66 Diese Rechtslage wurde in der Neufassung der EuInsVO bestätigt; der Erw.-Gr. 9 stellt nun ausdrücklich klar, dass die Gerichte eine Eröffnung der Anwendungsvoraussetzungen nicht eigenständig nachprüfen. Die Formulierung ist im Indikativ gehalten,67 aber so zu verstehen, dass die Gerichte gar nicht befugt sind, eine entsprechende Prüfung anzustellen.68 Dafür spricht auch der zugrundeliegende Gedanke, mit der Aufzählung der Verfahren in Anhang A Rechtssicherheit schaffen zu wollen.69 Eine Prüfungskompetenz der mitgliedstaatlichen Gerichte würde die entsprechenden Bestrebungen konterkarieren.70 Die Aufzählung in Anhang A ist mithin abschließend und allein maßgeblich dafür, ob ein Verfahren dem Anwendungsbereich der EuInsVO unterfällt.71 Eine darüber hinausgehende Prüfkompetenz der mitgliedstaatlichen Gerichte ist abzulehnen. Die EuInsVO behilft sich damit, die Mitgliedstaaten gem. Art. 86 Abs. 2 EuInsVO zu regelmäßigen Informationen über das nationale Recht zu verpflichten.72 Ob damit Abweichungen der Definition in Art. 1 Abs. 1 EuInsVO und den im Anhang A aufgenommenen Verfahren gänzlich verhindert und gar ein darauf beruhendes Missbrauchspotential73 ausgeschlossen werden kann, ist allerdings fraglich. c) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten. Den Gerichten ist es verwehrt zu überprüfen, ob ein Verfahren „zu Recht“ im Anhang A gelistet ist; allein die Aufzählung ist für die Anwendungseröffnung maßgeblich. Die Definitionsmerkmale des Art. 1 Abs. 1 EuInsVO haben Bedeutung nur insofern, als sie „Leitplanken“ darstellen, anhand derer entschieden wird, ob ein Verfahren grundsätzlich in den Anhang A aufgenommen werden könnte.

66 EuGH, Urt. v. 22. November 2012 – Rs. C-116/11, Bank Handlowy w Warszawie SA./.Christianapol sp. zo.o., ECLI:EU:C:2012:739, Rn. 33, 35. Entsprechend interpretieren den EuGH etwa Reinhart, in: MüKo InsO, 3. Auflage 2016, Art. 1 EuInsVO 2000, Rn. 2; Wimmer, jurisPR-InsR 7/2015 Anm. 1; J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 1, Rn. 34. 67 Kritisch zum „indikativ-narrativ“ formulierenden Stil der EuInsVO Paulus, EuInsVO, Art. 1, Rn. 26. 68 Vallender, in: Vallender, EuInsVO, Art. 1, Rn. 44; Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 2a; J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 1, Rn. 35; Mock, in: BeckOK InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 10; Piekenbrock, KSzW 2015, 191, 192. 69 Vgl. Reinhart, in: MüKo InsO, 3. Auflage 2016, Art. 1 EuInsVO 2000, Rn. 2; Vallender, in: Vallender, EuInsVO, Art. 1, Rn. 43. 70 Paulus, EuInsVO, Art. 2, Rn. 11. 71 Statt vieler Thole, in: MüKo InsO, Art. 2, Rn. 2; Knof, in: Uhlenbruck, Art. 1 EuInsVO, Rn. 30; Piekenbrock, KSzW 2015, 191, 192. 72 Zu Anhang A und der Regelung Art. 86 EuInsVO Paulus, EuInsVO, Einl., Rn. 66. 73 Zur Missbrauchsgefahr etwa Parzinger, NZI 2016, 63, 64; Paulus, NZI 2012, 297, 302 f.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

IV. Ergebnis Der persönliche und zeitliche Anwendungsbereich der EuInsVO und der EuRRL verhalten sich zueinander kongruent. Die EuInsVO findet räumlich Anwendung, sofern der COMI des Schuldners in einem europäischen Mitgliedstaat lokalisiert ist und ein grenzüberschreitender Bezug besteht. In sachlicher Hinsicht findet die EuInsVO Anwendung auf öffentliche Gesamtverfahren. Auf die Zweckrichtung des Verfahrens kommt es nicht an; auch Sanierungsverfahren sind erfasst. Ein Gesamtverfahren liegt vor, wenn es alle wesentlichen Gläubiger umfasst, wobei die Wesentlichkeit numerisch und funktional bestimmt werden kann. Öffentlichkeit wird durch Bekanntgabe der Verfahrenseröffnung im Insolvenzregister bewirkt. Eine Anwendung der EuInsVO ist erst ab eingetretener Öffentlichkeit möglich. Weiter ist erforderlich, dass ein Verfahren mindestens einen teilweisen Vermögensbeschlag mit Verwalterbestellung oder aber wenigstens die Aufsicht des Schuldners durch ein Gericht vorsieht. Außerdem kann die Gewährung eines Moratoriums ausreichend sein, sofern dieses verhandlungsunterstützend gewährt und im Falle seines Scheiterns in ein Verfahren mit einer der erstgenannten beiden Wirkweisen überführt wird. De lege lata finden sich alle Verfahren, die diese Voraussetzungen erfüllen, im Anhang A der EuInsVO. Für den Rechtsanwender kommt es nicht auf die genannten Definitionsmerkmale, sondern auf die dortige Aufzählung an. Die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 EuInsVO sind nur insofern von Belang, als sie die Kriterien für die Aufnahme in den Anhang A bilden.

C. Das Restrukturierungsverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO Im Folgenden soll untersucht werden, ob das Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL derart beschaffen ist, dass es dem Anwendungsbereich der EuInsVO grundsätzlich unterfallen könnte. Wie bereits dargelegt, deutet Erw.-Gr. 13 EuRRL eine Kompatibilität an. Diese vom Richtliniengeber getroffene Feststellung bedarf jedoch der vertieften Auseinandersetzung. Außerdem soll ergründet werden, ob das deutsche Umsetzungsgesetz, das sogenannte StaRUG,74 die Anwendungsvoraussetzungen der EuInsVO erfüllt.

I. Abstrakte Beschaffenheit Zunächst wird rein die abstrakte Beschaffenheit des Verfahrens nach der EuRRL beleuchtet. Hier soll der Frage nachgegangen werden, ob die Grenzen der Richt-

74 Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen v. 22. Dezember 2020, BGBl. 2020 Teil I, S. 3256 ff.

C. Das Restrukturierungsverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO

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linie so gezogen sind, dass ein Verfahren nach einem nationalen Umsetzungsgesetz grundsätzlich dem Anwendungsbereich der EuInsVO unterfallen könnte. 1. Ausgestaltung als Gesamtverfahren i.S.d. EuInsVO? Um als Gesamtverfahren i.S.d. EuInsVO zu gelten, muss ein Restrukturierungsverfahren zumindest den wesentlichen Teil der Gläubiger einbeziehen, Auswirkungen auf nicht einbezogene Gläubiger ausschließen und auf Insolvenzvermeidung ausgerichtet sein.75 Die letztgenannten Merkmale bereiten keine Schwierigkeiten. Das Verfahren nach der EuRRL ist ausweislich Art. 1 Abs. 1 lit a) auf Insolvenzvermeidung ausgelegt; nach Art. 15 Abs. 2 EuRRL sind unbeteiligte Gläubiger von den Wirkungen des Plans nicht betroffen. Art. 8 Abs. 1 lit. e) EuRRL schreibt vor, im Restrukturierungsplan diejenigen Parteien unter Angabe von Gründen zu benennen, die von den Planwirkungen nicht erfasst sind. Werden also nur gewisse Gläubiger in das Verfahren einbezogen, ist dieses Vorgehen nach der Richtlinie begründungspflichtig. Außerdem muss im Restrukturierungsplan erläutert werden, warum die vorgeschlagenen Maßnahmen die Insolvenz des Schuldners verhindern und die Bestandsfähigkeit sicherstellen, Art. 8 Abs. 1 lit. h) EuRRL. Von diesen Voraussetzungen können die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung auch nicht abweichen.76 Oben ist gezeigt worden, dass die Anforderungen an ein Gesamtverfahren denkbar weit sind. Insofern ist sicherzustellen, dass die Auswahl der betroffenen Gläubiger nicht willkürlich erfolgt und zumindest diejenigen vom Verfahren erfasst sind, die für dessen Gelingen unabdingbar sind.77 Die dargelegte doppelte Begründungspflicht hinsichtlich der einbezogenen Gläubiger und der Erfolgsaussichten zwingt den Schuldner, den Restrukturierungsplan so zu gestalten, dass eine willkürliche Auswahl der betroffenen Parteien unterbleibt und mindestens die wesentlichen Gläubiger einbezogen sind. Die Gerichte werden diese Voraussetzungen bei der Bestätigung des Plans kraft Gesetzes und die Gläubiger schon im Eigeninteresse nachprüfen.78

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Siehe oben B. III. 1. In Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuRRL heißt es wörtlich: „Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass Restrukturierungspläne […] mindestens folgende Informationen enthalten müssen.“ Hier besteht mithin kein Umsetzungsspielraum. 77 Siehe oben B. III. 1. 78 Die Gläubiger werden – rationales Verhalten unterstellt – eine willkürliche Unterwerfung unter den Restrukturierungsplan sowie offensichtlich fehlende Erfolgsaussichten nicht zu unterstützen gewillt sein und schon deshalb die Planbestätigung verweigern. Siehe zu den „Kostenvorteilen“ einer Sanierung vor der Insolvenz Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 331 ff. sowie zum „Gerechtigkeitsstreben“ der Beteiligten ders. S. 361 f. Zu den auftretenden Kooperationsproblemen eingängig Baums, Unternehmensfinanzierung, § 58, Rn. 52 ff. Für die Gerichte handelt es sich bei den Voraussetzungen nach Art. 8 EuRRL um Formvorschriften, deren Einhaltung zu prüfen ist. 76

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

Mithin erfüllt das Restrukturierungsverfahren nach der Richtlinie unproblematisch die Voraussetzungen eines Gesamtverfahrens im Sinne der EuInsVO.79 2. Insolvenzvermeidung Hinsichtlich des Verfahrenszwecks ergeben sich keine Komplikationen. Das Verfahren nach der EuRRL ist auf die Vermeidung der Insolvenz des Schuldners ausgelegt.80 Rettung und Reorganisation eines Unternehmens gehören zu den von der EuInsVO akzeptierten Verfahrenszwecken.81 Außerdem findet die EuInsVO ausdrücklich Anwendung auch auf Verfahren, die lediglich die Wahrscheinlichkeit der Insolvenz voraussetzen, Art. 1 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO. Der Verfahrenszweck der EuInsVO n.F. ist gegenüber deren Urfassung bewusst so ausgeweitet worden, dass auch präventive Verfahren in deren Anwendungsbereich fallen.82 3. Öffentlichkeit In den Anwendungsbereich der EuInsVO fallen ausschließlich öffentliche Verfahren; die Öffentlichkeit wird durch Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung im Insolvenzregister bewirkt.83 Um die internationale Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der EuInsVO bestimmen zu können, müsste das Verfahren diesen Anforderungen genügen. Die EuRRL enthält hingegen keine der EuInsVO entsprechenden Vorgaben in Bezug auf die Verfahrensöffentlichkeit.84 Zentrale Mechanismen der EuRRL sind das Moratorium und der Restrukturierungsplan.85 Für diese beiden Instrumente wird lediglich die Kenntnis der betroffenen Parteien zur Wirksamkeitsvoraussetzung gemacht.86 Damit ist aber noch nicht gesagt, dass die Kenntnis der betroffenen Parteien im Wege der Verfahrensöffentlichkeit herzustellen wäre. So ist denkbar, dass die betroffenen Parteien über die Verfahrenseröffnung mittels der Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks in Kenntnis gesetzt werden. Ein solches Vorgehen erfüllte gleichwohl nicht die Öffentlichkeitsvoraussetzungen der Eu-

79 So auch Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 39; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 655; a.A. Piekenbrock, in: FS Gehrlein, S. 455, 457. 80 Dazu oben Kapitel 2, C. I. 1. b). Siehe auch Erw.-Gr. 2, 4, 24, 50 und 69 sowie Art. 1 Abs. 1 lit. a), Art. 4 Abs. 1., Art. 8 Abs. 1 lit. h), Art. 10 Abs. 3 EuRRL. 81 Siehe oben B. III. 2. 82 Siehe dazu bereits oben Fn. 28. Vgl. dazu auch Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 35. 83 Siehe oben B. III. 3. 84 Vgl. Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 40 „nicht eingefordert, aber auch nicht ausgeschlossen“. Zustimmend auch Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 13. 85 Siehe oben Kapitel 2, B. IV. Hier ist auch eine Gerichtsbeteiligung regelmäßig zwingend vorgesehen. Dazu auch bereits oben Kapitel 2, C. II. 86 Art. 6 Abs. 3 UAbs. 2; Art. 10 Abs. 2 lit. c) EuRRL.

C. Das Restrukturierungsverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO

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InsVO.87 Das Schweigen der EuRRL in Bezug auf die Verfahrensöffentlichkeit bedeutet, dass den Mitgliedstaaten hier ein Umsetzungsspielraum zusteht.88 Verpflichtet sind die Mitgliedstaaten allein sicherzustellen, dass alle betroffenen Parteien vom Verfahren in Kenntnis gesetzt werden.89 Mithin obliegt es den Mitgliedstaaten, ob sie für das Restrukturierungsverfahren eine einfache Kenntnis der betroffenen Parteien genügen lassen oder aber eine Registerpublizität vorsehen. Mit dieser Entscheidung können die Mitgliedstaaten gleichzeitig darüber disponieren, ob für ihr Restrukturierungsverfahren der Anwendungsbereich der EuInsVO eröffnet ist.90 4. Mechanismen des Restrukturierungsverfahrens Weiter ist zu untersuchen, ob die Mechanismen des Restrukturierungsverfahrens mit wenigstens einer der Alternativen des Art. 1 Abs. 1 lit. a)–c) EuInsVO kompatibel sind. Insofern werden die wesentlichen Instrumente des Restrukturierungsverfahrens, der Restrukturierungsplan, der Restrukturierungsbeauftragte und das Moratorium, in den Blick genommen. Hier ist eine Gerichtsbeteiligung meist unabdingbar,91 sodass sich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Frage der internationalen Gerichtszuständigkeit stellt. a) Vermögensbeschlag Dem Grundsatz nach ist das Restrukturierungsverfahren auf Eigenverwaltung ausgerichtet, Art. 5 Abs. 1 EuRRL. Insofern scheint ein Entzug der Verfügungsgewalt nach Art. 1 Abs. 1 lit. a) EuInsVO zunächst nicht einschlägig. Allerdings ermöglicht Art. 5 Abs. 1 EuRRL auch, dem Schuldner nur die „teilweise Kontrolle“ über seine Vermögenswerte zu belassen. Hier ist fraglich, ob diese nur „teilweise Kontrolle“ die Voraussetzungen des teilweisen Entzugs der Verfügungsgewalt i.S.d. Art. 1 Abs. 1 lit. a) EuInsVO erfüllt. Aus Erw.-Gr. 30 sowie Art. 1 Abs. 1 Nr. 12 lit. c) EuRRL ergibt sich, dass die Kontrollfunktion im Restrukturierungsverfahren durch den Restrukturierungsbeauftragten ausgeübt wird. Mithin könnte das Restrukturierungsverfahren dann unter Art. 1 Abs. 1 lit. a) EuInsVO fallen, wenn dem Beauftragten die Rechte eines Verwalters i.S.d. Art. 1 Abs. 1 lit. a) i.V.m. Art. 2 Nr. 5 EuInsVO zustehen. Dafür wäre es ausreichend, wenn der Verwalter die Geschäftstätigkeit des Schuldners überwacht, Art. 2 Nr. 5 v) EuInsVO. Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 12 lit. b), lit c) EuRRL ist eine

87

Vgl. oben B. III. 3. Im Ergebnis auch Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Vorb. EuInsVO, Rn. 43. 89 Vgl. Erw.-Gr. 51, 64 EuRRL. 90 So auch Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Vorb. EuInsVO, Rn. 43; v. Bismarck/ Schulz, NZI-Beilage 1/2019, 82, 83 f. Vgl. auch J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 655; Hoos/ Schwartz/Schlander, ZIP 2021, 2214, 2216 f.; Madaus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 9. 91 Siehe zur notwendigen Gerichtsbeteiligung Kapitel 2, C. II. 88

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

entsprechende Überwachungsbefugnis des Restrukturierungsbeauftragten vorgesehen. Grundsätzlich ist es daher möglich, auch ein Sanierungsverfahren in teilweiser Eigenverwaltung unter Art. 1 Abs. 1 lit. a) EuInsVO zu fassen.92 Dafür spricht ferner, dass bereits das Eigenverwaltungsverfahren der §§ 270 ff. InsO unter die EuInsVO a.F. fiel.93 Im Ergebnis scheint daher eine Subsumtion des Restrukturierungsverfahrens unter Art. 1 Abs. 1 lit. a) EuInsVO grundsätzlich möglich.94 Ob ein Verfahren im Einzelfall tatsächlich unter Art. 1 Abs. 1 lit. a) EuInsVO zu fassen ist, hängt aber von der Umsetzung der EuRRL in einem Mitgliedstaat, der konkreten Verfahrensausprägung und insbesondere den Befugnissen des Restrukturierungsbeauftragten ab.95 b) Aufsicht durch ein Gericht Unmittelbar auf die Einbeziehung von Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung gemünzt ist die Verfahrensalternative des Art. 1 Abs. 1 lit. b) EuInsVO, nach der das Vermögen bzw. die Geschäfte des Schuldners der Kontrolle durch ein Gericht zu unterstellen sind.96 Im Rahmen der Gewährung eines Moratoriums nach Art. 6 Abs. 1 EuRRL haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass eine Justizoder Verwaltungsbehörde dieses umgehend wieder aufheben kann, sofern es nicht länger zweckdienlich ist, Art. 6 Abs. 9 lit. a) EuRRL. Außerdem ist nach Art. 5 Abs. 3 lit. a) EuRRL eine behördliche Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten erforderlich, sofern ein allgemeines Moratorium gewährt wird. Mithin ist während des Moratoriums eine Aufsicht des Schuldners sichergestellt. Zur Bestätigung des Restrukturierungsplans ist gem. Art. 10 Abs. 2, 3 EuRRL zu prüfen, ob das Interesse der Gläubiger im Restrukturierungsplan angemessen berücksichtigt und das Unternehmen bestandsfähig ist. Mithin ist auch in dieser Phase des Verfahrens eine Art. 1 Abs. 1 lit. b) EuInsVO entsprechende Kontrolle des Schuldners sichergestellt.97 c) Moratorium Ferner kann nach Art. 1 Abs. 1 lit. c) EuInsVO isoliert ein Moratorium dem Anwendungsbereich der EuInsVO unterfallen, sofern im Rahmen dessen ein angemessener Schutz der Gläubiger besteht. Über die behördliche Eingriffsbefug-

92 Vgl. Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 8; Knof, in: Uhlenbruck, Art. 2 EuInsVO, Rn. 12. Verfehlt daher Piekenbrock, in: FS Gehrlein, S. 455, 457. 93 Zur Behandlung der Eigenverwaltung unter der EuInsVO a.F. etwa Kindler, in: MüKo BGB, 6. Auflage, Art. 1 EuInsVO, Rn. 7; Reinhart, in: MüKo InsO, 2. Auflage, Art. 1 EuInsVO, Rn. 6. 94 So im Ergebnis auch Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 41. 95 In diesem Sinne auch J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 655. 96 Siehe oben B. III. 4. b). 97 Vgl. J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 655; a.A. Piekenbrock, in: FS Gehrlein, S. 455, 457.

C. Das Restrukturierungsverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO

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nis nach Art. 6 Abs. 9 lit. a) EuRRL ist der Schutz sichergestellt. Weitere Voraussetzung ist allerdings, dass ein Moratorium im Falle seines Scheiterns in ein Verfahren nach Art. 1 Abs. 1 lit. a) oder b) EuInsVO überführt wird. Einen solchen Automatismus sieht die EuRRL nicht vor. Vielmehr zwingt Art. 7 Abs. 7 EuRRL die Mitgliedstaaten sogar sicherzustellen, dass das ergebnislose Auslaufen eines Moratoriums nicht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führt, das die Liquidation des Schuldners zur Folge hat.98 Bei strenger Berücksichtigung dieses Wortlauts könnte ein Moratorium nach Art. 6 EuRRL die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 lit. c) EuInsVO mithin nicht erfüllen. Es wurde jedoch soeben festgestellt, dass ein Moratorium nach der EuRRL bereits unter Art. 1 Abs. 1 lit. b) fällt, weil schon in dieser Phase des Verfahrens eine ausreichende gerichtliche Kontrolle sichergestellt wird. Es wäre insofern widersinnig, das Moratorium zwar unter lit. b), aber nicht unter lit. c) fassen zu können, da letzterer gegenüber ersterem abgeschwächte Anwendungsvoraussetzungen enthalten soll.99 5. Delegation an eine Behörde Die EuRRL erlaubt, die Kontrollfunktion im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens statt an ein Gericht, an eine Behörde zu übertragen.100 Demgegenüber sieht der Wortlaut der EuInsVO einheitlich die Beteiligung eines Gerichts vor. Insofern ist fraglich, ob ein Umsetzungsgesetz, das eine Behörden- statt einer Gerichtsbeteiligung im Verfahren implementiert, nicht dem Anwendungsbereich der EuInsVO unterfällt. Dafür ist maßgeblich, wie der Begriff „Gericht“ in der EuInsVO verwendet wird. Art. 2 Abs. 6 EuInsVO nimmt eine Legaldefinition vor. Hier wird ein gespaltener Gerichtsbegriff eingeführt.101 Gem. Art. 2 Nr. 6 i) ist für die Zwecke des Art. 1 Abs. 1 lit. b) und c) ein enger Gerichtsbegriff zu Grunde zu legen.102 Dieser umfasst nur Gerichte im institutionellen Sinne; Behörden sind darin nicht inbegriffen.103 Mithin muss ein Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL die Kontrolle des Schuldners durch ein Gericht im institutionellen Sinne vorsehen, um dem Anwendungsbereich der EuInsVO unterfallen zu können.

98 Vgl. Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 7 EuInsVO, Rn. 17; Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 43; a.A. wohl J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 655. 99 Vgl. Undritz, in: A. Schmidt, EuInsVO, Art. 1, Rn. 17. Nach Bornemann, in: GrafSchlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 43 genüge es, dass das Verfahren unter lit. a) und b) gefasst werden könne. 100 Siehe oben Kapitel 2, C. I. 101 Paulus, EuInsVO, Art. 2, Rn. 20. Vgl. auch Sutschet, in: Vallender, EuInsVO, Art. 2, Rn. 15. 102 Vgl. Knof, in: Uhlenbruck, Art. 2 EuInsVO, Rn. 14; Paulus, EuInsVO, Art. 1, Rn. 24; Thole, in: MüKo InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 17; Mock, in: BeckOK InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 11 ff.; Kindler, in: MüKo BGB, Art. 2 EuInsVO, Rn. 11. 103 Vgl. J. Schmidt, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 2, Rn. 17; Thole, in: MüKo InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 18; Kindler, in: MüKo BGB, Art. 2 EuInsVO, Rn. 11.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

6. Zusammenfassung Dem Grundsatz nach ist das Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL derart beschaffen, dass es in den Anhang A der EuInsVO aufgenommen werden könnte. Einzig die Öffentlichkeit des Verfahrens und die Beteiligung eines Gerichts im institutionellen Sinne zur Überwachung des Schuldners sind nicht zwingend vorgegeben. Hier verbleibt den Mitgliedstaaten Umsetzungsspielraum. Sofern die Mitgliedstaaten ein Verfahren dem Anwendungsbereich der EuInsVO unterstellen wollen, sollten sie das Verfahren so ausgestalten, dass die Kontrolle des Schuldners durch ein Gericht ausgeübt und die Eröffnung des Verfahrens im nationalen Insolvenzregister bekanntzumachen ist.

II. Verfahren nach dem StaRUG Abschließend wird nun dargestellt, ob das deutsche StaRUG-Verfahren dem Anwendungsbereich der EuInsVO unterfällt. 1. Insolvenzvermeidendes Gesamtverfahren Das StaRUG ist als Gesamtverfahren ausgestaltet. Die Regelung in § 8 Nr. 2, 3 StaRUG stellt sicher, dass die Auswahl der Planbetroffenen an sachgerechten Kriterien orientiert wird. Dies ist der Fall, wenn sich die Einbeziehung der Forderungen nach dem Ausmaß der wirtschaftlichen Schwierigkeiten richtet, oder gar alle einbeziehungsfähigen Forderungen vom Verfahren umfasst sind. Insofern ist gewährleistet, dass eine willkürliche Auswahl der Gläubiger unterbleibt und wenigstens all diejenigen Positionen vom Verfahren umfasst sind, die für ein Gelingen des Verfahrens unabdingbar sind. Damit sind die Voraussetzungen eines Gesamtverfahrens i.S.d. EuInsVO erfüllt.104 Der Restrukturierungsrahmen ist ferner auf Insolvenzvermeidung ausgelegt.105 2. Mechanismen Das Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG verpflichtet unter gewissen Umständen106 zur Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten. Dabei steht es im Ermessen des Gerichts, den Restrukturierungsbeauftragten zu befähigen, 104 Detailliert dazu oben B. III. 1. So im Ergebnis auch Skauradszun, in: Skauradszun/ Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 36 ff. 105 § 14 Abs. 1 StaRUG verpflichtet den Schuldner, dem Restrukturierungsplan eine begründete Erklärung beizufügen, aus der sich die Bestandsfähigkeit sowie die Aussichten auf Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit ergeben. 106 Nach § 73 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG etwa dann, wenn Rechte von Verbrauchern betroffen sind; außerdem, wenn ein umfassendes Moratorium gewährt wird, § 73 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG; ferner, wenn absehbar ist, dass der Plan nur im Wege der gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung nach § 26 StaRUG angenommen werden wird, § 73 Abs. 2 StaRUG. Dazu Blümle/Erbe, in: Braun, StaRUG, § 73, Rn. 3 ff.

C. Das Restrukturierungsverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO

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die Geschäfte des Schuldners überwachen oder gar Zahlungen autorisieren zu können, § 76 Abs. 2 Nr. 2, 3 StaRUG. Wird das Restrukturierungsverfahren in diesem Sinne ausgestaltet, erfüllt der Restrukturierungsbeauftragte die Anforderungen an einen Verwalter i.S.d. Art. 2 Nr. 5 EuInsVO. Das Restrukturierungsverfahren fiele dann bereits unter Art. 1 Abs. 1 lit. a) EuInsVO.107 Eine gerichtliche Kontrolle des Vermögens und der Geschäfte des Schuldners i.S.d. Art. 1 Abs. 1 lit. b) EuInsVO ist im Rahmen der Stabilisierungsanordnung durch § 59 Abs. 2 StaRUG sichergestellt. Danach hebt das Restrukturierungsgericht das Moratorium auf Antrag eines betroffenen Gläubigers auf, sofern dieser das Vorliegen eines Beendigungsgrundes glaubhaft macht. Dadurch erfüllt das Moratorium auch die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 lit. c) EuInsVO.108 Für das Planbestätigungsverfahren ist eine entsprechende Kontrolle durch §§ 63, 66 StaRUG sichergestellt. Danach ist zur Bestätigung des Plans eine gerichtliche Kontrolle erforderlich, die von Amts wegen erfolgt; zusätzlich kann ein ablehnender betroffener Gläubiger gegen eine Planbestätigung sofortige Beschwerde beim Restrukturierungsgericht erheben.109 Mithin entsprechen die Mechanismen des StaRUG den Anforderungen des Anwendungsbereichs der EuInsVO.110 3. Öffentlichkeit und Gerichtsbeteiligung Die bisherigen Darstellungen zum StaRUG entsprechen den vorhergehenden Untersuchungen. Diese zeigen, dass Knackpunkt der Kompatibilität eines Verfahrens mit der EuInsVO die Beteiligung eines Gerichts sowie die Verfahrensöffentlichkeit ist.111 Der deutsche Gesetzgeber hat Gerichte mit der Aufsicht über das Restrukturierungsverfahren betraut, § 34 Abs. 1 StaRUG. Insofern ergeben sich keine Probleme. Einzig die Öffentlichkeit des Verfahrens ist fraglich. Im Kapitel 4, §§ 84 ff. StaRUG, hat der Gesetzgeber eigens Regelungen für öffentliche Restrukturierungssachen geschaffen.112

107 Siehe dazu oben C. I. 4. a). Vgl. auch Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 41. 108 Siehe dazu oben C. I. 4. c). 109 Nach § 63 Abs. 1 StaRUG ist die Bestätigung des Restrukturierungsplans von Amts wegen zu versagen, wenn die Voraussetzungen der Ziffern 1–3 vorliegen. Außerdem steht den Planbetroffenen gegen die Bestätigung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu, § 66 Abs. 1 StaRUG. Dafür ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer glaubhaft macht, dass er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird, als er ohne den Plan stünde, § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG. Vgl. etwa zu den Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal Fendel, in: Braun, StaRUG, § 66, Rn. 9. 110 Im Ergebnis auch Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 41 f. 111 Dazu oben C. I. 3., 5. sowie 6. 112 Diese Vorschriften traten allerdings erst mit Verzögerung, und zwar zum 17. Juli 2022 in Kraft, Art. 25 Abs. 3 Nr. 1 SanInsFoG. Bis dahin konnten also keine öffentlichen Restrukturierungssachen vor deutschen Gerichten durchgeführt werden.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

Nach § 84 Abs. 1 StaRUG erfolgen öffentliche Bekanntmachungen in Restrukturierungssachen nur, sofern der Schuldner dies beantragt. Nach Art. 84 Abs. 2 Satz 2 StaRUG sind die in Art. 24 Abs. 2 EuInsVO genannten Angaben öffentlich bekanntzumachen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt, wie auch beim Insolvenzverfahren,113 durch eine zentrale und länderübergreifende Veröffentlichung im Internet, Art. 86 Abs. 1 Hs. 1 StaRUG. Mit dem direkten Verweis auf die EuInsVO in Art. 84 Abs. 2 Satz 2 StaRUG sowie der entsprechenden Anwendbarkeit des Art. 102c EGInsO, die in § 88 StaRUG angeordnet wird, zeigt der Gesetzgeber, dass die öffentliche Restrukturierungssache dem Anwendungsbereich der EuInsVO unterfallen soll.114 Wird die Verfahrensöffentlichkeit vom Schuldner nicht beantragt, so unterbleiben öffentliche Bekanntmachungen im Restrukturierungsverfahren. Damit wären die abstrakten Anwendungsvoraussetzen der EuInsVO nicht erfüllt.115 Dies hat der Gesetzgeber implizit klargestellt, indem Verweise auf die EuInsVO und Art. 102c EGInsO nur im Kapitel zum öffentlichen Verfahren zu finden sind. Nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG unterfallen mithin nicht dem Anwendungsbereich der EuInsVO.116 4. Aufnahme in den Anhang A Wie dargestellt, kommt es für die Anwendung der EuInsVO nur auf die Aufnahme in den Anhang A an. Damit zur Bestimmung der internationalen Gerichtszuständigkeit sowie des anwendbaren Rechts für das deutsche Restrukturierungsverfahren die EuInsVO herangezogen werden kann, musste das StaRUG-Verfahren also in den Anhang A aufgenommen werden. Mit Wirkung zum 10. Januar 2022 ist die „öffentliche Restrukturierungssache“ für Deutschland nunmehr im Anhang A der EuInsVO gelistet.117 Auch insofern stehen der Anwendung der EuInsVO mithin keine Bedenken entgegen. Statt eine Aufnahme des neuen Verfahrens in den Anhang anzustrengen, hätte jedoch erwogen werden können, die Vorschriften zum StaRUG in die InsO zu inkorporieren, da das Insolvenzverfahren bereits im Anhang A aufgenommen war.118 Trotz einer nachträglichen Änderung eines bereits aufgenommenen Ge113

Vgl. § 9 InsO. So auch Kern, NZI-Beilage 1/2021, 74, 76; Schlöderl/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1042; Tashiro, in: Braun, StaRUG, § 84, Rn. 2; Skauradszun, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 1. 115 Vgl. Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 40. 116 Allgemeine Meinung. Vgl. exemplarisch etwa Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 40; Madaus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 9; ders., ZIP 2022, 1233 ff.; Schelo, WM 2022, 556 ff.; Skauradszun, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 36; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 655; Thole, ZIP 2021, 2153 ff. 117 ABl. der Europäischen Union L 455/4, v. 20. Dezember 2021. Online abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32021R2260&from=D E. Zuletzt abgerufen am 7. November 2022. 118 Vgl. Freitag, ZIP 2019, 541, 548. 114

D. Die Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der EuInsVO

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setzes findet die EuInsVO nämlich weiter Anwendung.119 Damit hätte es auch der Übergangsfrist des Art. 25 Abs. 3 Nr. 1 SanInsFoG nicht bedurft. Öffentliche Restrukturierungsverfahren hätten auf diesem Wege umgehend und nicht erst mit Verzögerung120 zur Verfügung gestanden und im grenzüberschreitenden Kontext unmittelbar der EuInsVO zugeschlagen werden können, ohne dass ein Abwarten des langwierigen Verfahrens zur Änderung des Anhang A erforderlich gewesen wäre. Im Ergebnis unterfällt ein StaRUG-Verfahren dem Anwendungsbereich der EuInsVO nur dann, wenn der Schuldner gem. § 84 Abs. 1 StaRUG öffentliche Bekanntmachungen beantragt.121

III. Zusammenfassung Die Anforderungen der EuRRL an das Restrukturierungsverfahren sind so gewählt, dass ein Umsetzungsgesetz der Mitgliedstaaten dem Anwendungsbereich der EuInsVO unterfallen kann. Maßgeblich kommt es hier darauf an, ob die Mitgliedstaaten die Verfahrenskontrolle einem Gericht überantworten und das Verfahren öffentlich gestalten. Das öffentliche Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG erfüllt diese Voraussetzungen und konnte deshalb in den Anhang A der EuInsVO aufgenommen werden. Die EuInsVO findet jedoch nur dann Anwendung, wenn das Verfahren auf Antrag des Schuldners öffentlich durchgeführt wird. Für nichtöffentliche StaRUG-Verfahren kann die EuInsVO nicht herangezogen werden.

D. Die Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der EuInsVO In einem nächsten Schritt wird dargestellt, welche Gerichte unter Anwendung der EuInsVO für die Durchführung eines grenzüberschreitenden Restrukturierungsverfahrens zuständig wären und welche Auswirkungen sich daraus ergeben.

I. Einführung Ausgangspunkt für die Bestimmung der internationalen Gerichtszuständigkeit ist Art. 3 Abs. 1 EuInsVO. Danach richtet sich die Eröffnungszuständigkeit für ein Insolvenzverfahren nach dem Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen

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Siehe oben B. III. 5. b). Vgl. Fn. 112. 121 Vgl. Fn. 116. 120

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

des Schuldners. Für diesen Ort hat sich die Abkürzung „COMI“122 eingebürgert, die auch im Folgenden gebraucht wird. Zunächst soll dargestellt werden, anhand welcher Kriterien der COMI eines Schuldners zu bestimmen ist. Dabei beschränkt sich die Bearbeitung auf den COMI einer juristischen Person, da sich die vorliegende Arbeit ausschließlich mit einem Restrukturierungsverfahren für Kapitalgesellschaften auseinandersetzt. Darauf aufbauend soll untersucht werden, welche Möglichkeiten bestehen, auf das COMI-Kriterium und damit auf die internationale Gerichtszuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren Einfluss zu nehmen. Abschließend werden die gefundenen Ergebnisse zusammengefasst und kritisch gewürdigt.

II. Das COMI-Kriterium nach Art. 3 EuInsVO Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 EuInsVO ist die zentrale Norm der Verordnung.123 Danach sind die Gerichte desjenigen Mitgliedstaats für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Der COMI wird in Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EuInsVO als der Ort definiert, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und der für Dritte feststellbar ist. Daraus ergibt sich, dass der COMI auf objektiven Umständen beruht, die aber zusätzlich nach außen erkennbar („für Dritte feststellbar“) hervortreten müssen.124 Für juristische Personen besteht nach Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 EuInsVO eine Vermutung dahingehend, dass sich der COMI am Sitz befindet. Gleichwohl soll diese Annahme nicht gelten, wenn der Sitz innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor Antragstellung in einen anderen Mitgliedstaat verlegt worden ist, Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EuInsVO. Diese vier Sätze der EuInsVO, nach denen die maßgeblich relevante Bestimmung der Gerichtszuständigkeit zu treffen ist, stehen etwas beziehungslos nebeneinander. Die Definition ist unscharf und erheblich wertungsbedürftig.125 Eine erste Orientierung soll die Befassung mit der Teleologie des COMI bieten. Sodann werden die Voraussetzungen zur Bestimmung des COMI aufgeschlüsselt und das Verhältnis der einzelnen Tatbestandsmerkmale zueinander präzisiert. Grundlage bildet die einschlägige EuGH-Rechtsprechung, mit der eine Konkretisierung des COMI stattgefunden hat. Angestrebt ist nicht die Befassung mit sämtlichen Feinheiten des COMI-Begriffs, sondern eine Grundlegung zur Metaebene der COMI-Kasuistik, die eine solide Basis für die darauffolgende Untersuchung der Möglichkeiten zum forum shopping unter der EuInsVO bildet. 122 COMI ist eine Abkürzung für Center of Main Interest, also der englischen Übersetzung des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“. 123 Vgl. etwa Knof, in: Uhlenbruck, Art. 3 EuInsVO, Rn. 1. 124 Geimer/Garber, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 3 EuInsVO, Rn. 10; Undritz, in: A. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 6; Knof, in: Uhlenbruck, Art. 3 EuInsVO, Rn. 24 ff. 125 Vgl. Madaus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 10; Thomale, IPRax 2018, 254, 257.

D. Die Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der EuInsVO

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1. Teleologie Primärer Zweck des COMI-Kriteriums ist es, das Insolvenzverfahren an demjenigen Ort durchzuführen, zu dem der Schuldner, objektiv erkennbar, die engsten Beziehungen unterhält.126 Die Anknüpfung an den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners soll den Gläubigern Vorhersehbarkeit des Insolvenzforums ermöglichen und damit der Rechtssicherheit dienen.127 Die Gläubiger sollen die rechtlichen Risiken des Insolvenzfalles kalkulieren können.128 Gleichzeitig verwirklicht der COMI zu Gunsten des Schuldners das zivilprozessuale Prinzip actor sequitur forum rei.129 Das Insolvenzverfahren ist vor dem „Heimatgericht“ des Schuldners anzustrengen; dieses befindet sich nach der Konzeption der EuInsVO gerade am COMI. Zuletzt ist das COMI-Prinzip auch mit den materiell-insolvenzrechtlichen Zwecken verquickt. In einem grenzüberschreitenden Fall sollte das Insolvenzverfahren vor den Gerichten desjenigen Mitgliedstaats durchgeführt werden, in dem die Verwirklichung der Ziele des Insolvenzverfahrens – üblicherweise die Haftungsverwirklichung – am erfolgversprechendsten ist.130 Dafür kommen Orte in Betracht, an denen auf den Schuldner zugegriffen werden kann, also etwa dort, wo sich Organisationsstrukturen oder Vermögenswerte befinden.131 Außerdem bezweckt der Verordnungsgeber mit der EuInsVO, missbräuchliches forum shopping zu verhindern.132 Zuletzt ist das COMI-Kriterium auch Ausdruck des Universalitätsprinzips.133 Der Verordnungsgeber bezweckt im Grundsatz die Durchführung eines einzigen Verfahrens am Ort des COMI, in dem das gesamte Schuldnervermögen erfasst ist.134 Zum Gläubigerschutz sind allerdings Parallelverfahren als Ausdruck des Territorialitätsprinzips möglich; mithin mag man von „modifizierter Universalität“ sprechen.135

126 Vgl. EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 58. 127 EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 49; EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C:2006:281, Rn. 33. 128 Virgo´s/Schmit, S. 18, Rn. 75. 129 Klöhn, NZI 2006, 383, 384; Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 8; Vallender/Zipperer, in: Vallender, EuInsVO, Art. 3, Rn. 10. 130 Vgl. Knof, in: Uhlenbruck, Art. 3 EuInsVO, Rn. 12; Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 2; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Art. 3 EuInsVO 2000, Rn. 12. 131 Ebd. 132 Vgl. Erw.-Gr. 5, 29 und 31 EuInsVO. 133 Siehe Erw.-Gr. 23 EuInsVO. 134 Erw.-Gr. 23 EuInsVO; Paulus, EuInsVO, Art. 3, Rn. 1 ff.; Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 4. 135 Wörtlich Thole, in: MüKo InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 5. Siehe auch Paulus, EuInsVO, Einl., Rn. 40 ff.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

2. Vermutung nach Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 EuInsVO als Ausgangspunkt Ausgangspunkt136 für die Bestimmung des COMI ist die gesetzliche Vermutung aus Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 EuInsVO, wonach sich der COMI grundsätzlich am Sitz der juristischen Person befindet. Der Wortlaut lässt jedoch nicht klar erkennen, ob hiermit der satzungsmäßige Sitz137 oder aber der Verwaltungssitz138 gemeint ist. Dabei handelt es sich jedoch um eine Ungenauigkeit der Übersetzung.139 In der französischen Fassung heißt es „sie`ge statuaire“; die englische Fassung spricht von „registered office“. Mithin ist auch in der deutschen Sprachfassung der Satzungssitz gemeint; dieser ist Träger der gesetzlichen Vermutung.140 Mit dem Vermutungstatbestand soll Rechtssicherheit geschaffen werden.141 Der Satzungssitz ist ein formelles Kriterium, das im Rechtsverkehr verwendet wird und daher den Gläubigern üblicherweise bekannt sein dürfte.142 Außerdem ist der Satzungssitz einfach zu bestimmen und daher ein besonders effizientes Anknüpfungskriterium.143 Diese gesetzliche Vermutung gilt allerdings nicht, wenn der Satzungssitz innerhalb von drei Monaten vor Antragstellung in einen anderen Mitgliedstaat verlegt worden ist, Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 EuInsVO. Die Frist soll dazu dienen, missbräuchliches forum shopping durch den Schuldner zu verhindern.144 Ob das Ziel damit erreicht werden kann, ist allerdings fraglich.145 Der Ausschluss 136 Dass Ausgangspunkt der Bestimmung des COMI die Vermutungswirkung zugunsten des Satzungssitzes ist, ergibt sich aus EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 44 ff. So auch Gruber, DZWIR 2018, 301, 305. 137 Als Satzungssitz wird derjenige Ort bezeichnet, der im Gesellschaftsvertrag als Sitz bezeichnet ist. Vgl. insofern für das deutsche Gesellschaftsrecht § 4a GmbHG; § 5 AktG. Auch etwa Wilhelm, KapitalGesR, Rn. 244. 138 Als Verwaltungssitz wird nach der sog. „Sandrockschen Formel“ derjenige Ort verstanden, von dem aus ständig und tatsächlich die Geschäfte der Gesellschaft geführt werden. Vgl. dazu Sandrock, in: BerDGesVR, Heft 18 (1978), S. 169, 238; ders., in: FS Beitzke, 1979, S. 669, 683; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 228; Hupka, in: MüKo GmbHG, § 4a, Rn. 11. 139 Vgl. etwa Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 44; Fehrenbach, GPR 2016, 282, 289; Tashiro/Delzant, in: Braun, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 11. 140 Ganz herrschende Meinung. Siehe etwa Undritz, in: A. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 10; Mock, in: BeckOK InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 7; Thole, in: MüKo InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 13; Fehrenbach, GPR 2016, 282, 289; Dornblüth, in: Heidelberger Kommentar, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 6. 141 Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 34; Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 46. 142 Knof, in: Uhlenbruck, Art. 3 EuInsVO, Rn. 23; Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 46. 143 Vgl. Thomale, IPRax 2018, 254, 255. 144 Vgl. Erw.-Gr. 31 EuInsVO. Mock, in: BeckOK InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 16 spricht von „Insolvenztourismus“. 145 Kritisch auch Parzinger, NZI 2016, 63, 65; Thole, IPRax 2017, 213, 215; Fehrenbach, GPR 2016, 282, 288 f. Detailliert zum forum shopping unter der EuInsVO sogleich D. III.

D. Die Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der EuInsVO

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bezieht sich allein auf die sich aus der Verlegung des Satzungssitzes ergebende Vermutung, dass sich damit auch der COMI in einem anderen Mitgliedstaat befindet. Eine tatsächlich erfolgte Verlegung des COMI ist aber nicht erfasst. Bei Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 EuInsVO handelt es sich also ausdrücklich nicht um eine „Sperrfrist“, die eine Verlegung des COMI für einen Zeitraum von drei Monaten als unbeachtlich einstuft.146 Eine solche „Sperrfrist“ lässt sich auch nicht aus teleologischen Erwägungen konstruieren.147 Zwar zielte der Verordnungsgeber ausweislich der Erwägungsgründe darauf ab, missbräuchliches forum shopping zu verhindern, dem ausdrücklichen Wortlaut nach hat er aber eine Unbeachtlichkeit nur für die Verlegung des Satzungssitzes angeordnet.148 Dies stützt auch eine systematische Erwägung: Hätte der Verordnungsgeber eine Sperrfrist auf die Verlegung des COMI an sich ausweiten wollen, hätte er eine solche in Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 EuInsVO verortet. Dies ist jedoch nicht geschehen. Aus der Verortung der Sperrfrist im UAbs. 2 wird auch systematisch deutlich, dass sich diese nur auf die sich aus der Verlegung des Satzungssitzes ergebende Vermutung bezieht. Die UAbss. 3, 4 folgen dieser Regelungssystematik. Die in Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 EuInsVO angeordnete Frist bezieht sich mithin nur auf eine Verlegung des Satzungssitzes und nicht auf einer Veränderung des COMI schlechthin.149 Es lässt sich festhalten, dass für die Bestimmung des COMI einer Gesellschaft zunächst deren Satzungssitz maßgeblich ist. Dieser entfaltet allerdings keine Vermutungswirkung, sofern innerhalb von drei Monaten vor Insolvenzantragstellung eine Verlegung in einen anderen Mitgliedstaat stattgefunden hat. 3. Widerlegung der Vermutung Die soeben dargestellte Vermutung kann nach der Judikatur des EuGH widerlegt werden, wenn sich der Ort der Hauptverwaltung aus Sicht von Dritten nicht am satzungsmäßigen Sitz befindet.150 Diese Rechtsprechung ist in der Neufassung der EuInsVO in die Erwägungsgründe aufgenommen worden151 und wurde damit durch den Verordnungsgeber explizit gebilligt. 146

So aber Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 48 ff. In diesem Sinne aber Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 54: Es sei einer „offenkundigen Wertungswidersprüchlichkeit Rechnung zu tragen“, deren Kenntnis dem Verordnungsgeber nicht unterstellt werden könne. 148 Siehe auch Erw.-Gr. 31: „Im Rahmen […] der Verhinderung von betrügerischem oder missbräuchlichem forum shopping sollte die Vermutung, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Sitz […] ist, nicht gelten, wenn […] der Schuldner seinen Sitz […] in einem Zeitraum von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat.“ (Hervorhebungen durch Verf.). 149 So auch die h.M. Vgl. etwa Dornblüth, in: Heidelberger Kommentar, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 9; Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 37; Frind/Pannen, ZIP 2016, 398, 400; Thole, IPRax 2017, 213, 215; Parzinger, NZI 2016, 63, 65. 150 EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 51; EuGH, Urt. v. 15. Dezember 2011 – Rs. C-191/10, Rastelli Davide e C. Snc./.Jean-Charles Hidoux, ECLI:EU:C:2011:838, Rn. 35. 151 Erw.-Gr. 30 Satz 2: „Bei einer Gesellschaft sollte diese Vermutung widerlegt werden 147

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

a) Begriffsverständnis Problematisch ist die disparate Begriffsverwendung. Der COMI wird nach Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EuInsVO als der Ort verstanden, an dem der Schuldner der Verwaltung seiner Interessen nachgeht. Demgegenüber misst der EuGH in seinem Urteil Inderedil dem „Ort der Hauptverwaltung“ eine maßgebliche Bedeutung zu. Völlig unklar bleibt aber, wie die Begriffe zueinander ins Verhältnis zu setzen sind.152 Ist der Ort der Hauptverwaltung ein Synonym für den Ort, an dem der Schuldner der Verwaltung seiner Interessen nachgeht, oder nur ein Aspekt, der für die Bestimmung dieses Ortes herangezogen werden kann? Wie verhält sich dazu der bereits oben eingeführte Begriff des Verwaltungssitzes? Eine Klärung ist zwingend erforderlich, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie der COMI einer juristischen Person in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH zu bestimmen ist. Der EuGH hat sich in seinem Urteil Interedil – zumindest was die Bestimmung des COMI anbetrifft – in weiten Teilen den Auffassungen aus dem Schlussantrag der Generalanwältin Kokott angeschlossen.153 Kokott hat in ihrem Schlussantrag den Begriff der Hauptverwaltung eingeführt und definiert als denjenigen Ort, an dem die Geschäftsführung sitzt und dort nach außen erkennbar die Geschicke der Gesellschaft lenkt.154 Mithin liegt auch dem Urteil Interedil dieses Begriffsverständnis zu Grunde. Das deutsche Recht versteht unter dem Verwaltungssitz einer Gesellschaft nach der sog. „Sandrockschen Formel“ den Ort, von dem aus ständig und tatsächlich die Geschäfte der Gesellschaft geführt werden.155 Hier werden die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt.156 Die beiden aufgeführten Definitionen unterscheiden sich in der Wortwahl, aber nicht im Inhalt.157 Sowohl für den Ort der Hauptverwaltung als auch für den Verwaltungssitz ist maßgeblich, wo die Geschäftsführung operativ tätig wird. Bei dem Ort der Hauptverwaltung und dem Verwaltungssitz handelt es sich mithin um Synonyme.158 können, wenn sich die Hauptverwaltung der Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat befindet als in dem Mitgliedstaat, in dem sich der Sitz der Gesellschaft befindet […]“. 152 Kritisch hierzu etwa auch Thole, in: MüKo InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 31: „wenig gelungen“. 153 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 50, 52. 154 GA Kokott v. 10. März 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:132, Rn. 69. 155 Siehe oben Fn. 138. 156 BGH, Urt. v. 21. März 1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269, 272, NJW 1986, 2194, 2195; BGH, Beschl. v. 10. März 2009 – VIII ZB 105/07, NJW 2009, 1610, 1611. Vgl. auch Toussaint, in: BeckOK ZPO, § 17, Rn. 7. 157 Ähnlich auch Knof, in: Uhlenbruck, Art. 3 EuInsVO, Rn. 34. 158 So auch Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 62. Siehe auch v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 7, Rn. 34: „Der effektive Verwaltungssitz tritt in Kollisionsnomen europäischen Ursprungs unter dem Namen Hauptverwaltung auf.“

D. Die Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der EuInsVO

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Damit bleibt zu klären, ob der EuGH in seinem Urteil Interedil auch eine Gleichsetzung von COMI und Hauptverwaltung vorgenommen hat. Im Urteil wird klargestellt, dass weitere Faktoren zur Bestimmung des COMI heranzuziehen sind, sofern Satzungssitz und Hauptverwaltung auseinanderfallen.159 Mithin werden COMI und Ort der Hauptverwaltung keinesfalls gleichgesetzt; letzterer bildet aber ein wesentliches und schwerwiegendes Indiz für die Bestimmung des ersteren. b) Weitere Aspekte zur COMI-Bestimmung Fallen also Hauptverwaltung (Verwaltungssitz) und Satzungssitz an einem Ort zusammen, befindet sich dort der COMI; eine abweichende Lokalisierung kommt nicht mehr in Betracht.160 Andernfalls ist eine vom Satzungssitz abweichende Belegenheit des COMI möglich. Insbesondere bei sogenannten „Briefkastengesellschaften“, die am Ort ihrer Gründung keiner operativen Tätigkeit nachgehen, kann dieser Nachweis gelingen161, ist jedoch auch in weiteren Fällen denkbar.162 Sind Hauptverwaltung und Satzungssitz nicht am selben Ort belegen, kommt es für die Bestimmung des COMI auf eine wertende Gesamtbetrachtung aus Gläubigerperspektive an.163 In diese Abwägung sind alle Orte einzustellen, an denen der Schuldner einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht oder Vermögenswerte besitzt.164 Als Indizien können etwa Anschriften und Kontoverbindungen,165 Verwaltungs- oder Geschäftsräume166 und Betriebsstätten,167 aber auch die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde168 herangezogen werden. Ebenfalls kann der Einsatzort der überwiegenden Anzahl der Mitarbeiter relevant sein.169 Auf den 159 EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 51 ff.; GA Kokott v. 10. März 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:132, Rn. 70. 160 EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 50; GA Kokott v. 10. März 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:132, Rn. 69; EuGH, Urt. v. 15. Dezember 2011 – Rs. C-191/10, Rastelli Davide e C. Snc./.Jean-Charles Hidoux, ECLI:EU:C:2011:838, Rn. 34. 161 EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C:2006:281, Rn. 35. 162 Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 59. 163 GA Kokott v. 10. März 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:132, Rn. 65. 164 EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 52. 165 Kindler, in: MüKo BGB, Art. 3 EuInsVO, Rn. 16. 166 Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 91 ff. 167 GA Kokott v. 10. März 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:132, Rn. 70. 168 Thomale, IPRax 2018, 254, 256. 169 Vallender/Zipperer, in: Vallender, EuInsVO, Art. 3, Rn. 27.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

Ort der Management-Entscheidungen (sog. „mind-of-management“ Kriterium) kann nicht alleinmaßgeblich abgestellt werden.170 Dieser ist regelmäßig für Dritte nicht erkennbar; daher befindet sich der COMI einer konzerngebundenen Gesellschaft nicht per se am Interessenmittelpunkt der Konzernmutter.171 Neben diesen organisationsrechtlichen Aspekten kann auch dem Ort der Belegenheit des hauptsächlichen Vermögens eine bedeutende Rolle zukommen, um die vermögensrechtliche Komponente des Insolvenzverfahrens angemessen zu berücksichtigen; in Zweifelsfällen geht aber der Ort der operativen Tätigkeit der Vermögensbelegenheit vor.172 c) Zusammenfassung Trotz der Konkretisierung, die das COMI-Prinzip in den Urteilen Eurofood, Interedil und Rastelli erfahren hat, verbleibt ein erheblicher Wertungsspielraum.173 Der EuGH versteht die Vermutung zugunsten des Satzungssitzes nach Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 EuInsVO als Ausdruck der Tatsache, dass dem Ort der Hauptverwaltung bei der Zuständigkeitsbestimmung der Vorzug zu geben sei.174 Hauptverwaltung und COMI werden allerdings de iure nicht gleichgesetzt. Fallen Hauptverwaltung und Satzungssitz auseinander, muss der COMI mittels wertender Gesamtbetrachtung aus Gläubigerperspektive ermittelt werden; es wird nicht etwa schlicht dem Ort der Hauptverwaltung Vorzug eingeräumt. Damit soll Flexibilität für den Fall geschaffen werden, dass die Geschäftsführung zwar objektiv erkennbar in einem Mitgliedstaat operativ tätig wird, die Gläubigerbeziehungen und das verwertbare Vermögen aber in einem anderen Mitgliedstaat lokalisiert sind.175 Praktisch kommt es dennoch beinahe ausschließlich auf den Ort der Hauptverwaltung an176 einerseits deshalb, weil die Außenperspektive per definitionem bereits für die Feststellung der Hauptverwaltung maßgeblich ist,177 andererseits, weil die maßgeblichen Interessen mit hoher Wahrscheinlichkeit ohnehin am Ort der Hauptverwaltung lokalisiert sind. Damit rückt das COMIKriterium gedanklich stark in die Nähe der gesellschaftsrechtlichen Sitztheo170

Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 60. Vgl. EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C: 2006:281, Rn. 36. 172 Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 68; Fehrenbach, ZEuP 2013, 353, 368. 173 Kritisch zu den Urteilen etwa Gruber, DZWIR 2018, 301, 304 f.; Kaul, ZfRV 2018, 269, 276. 174 EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 48; EuGH, Urt. v. 15. Dezember 2011 – Rs. C-191/10, Rastelli Davide e C. Snc./.Jean-Charles Hidoux, ECLI:EU:C:2011:838, Rn. 32. 175 Thole, in: MüKo InsO, 3. Auflage, Art. 3 EuInsVO, Rn. 4. 176 Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 60; Thole, in: MüKo InsO, 3. Auflage, Art. 3 EuInsVO, Rn. 4; Bornemann, in: Graf-Schlicker, Art. 3 EuInsVO, Rn. 56. Vgl. auch Thole, in: MüKo InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 31 f. 177 Thole, in: MüKo InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 36; Thole, ZEuP 2014, 39, 55. 171

D. Die Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der EuInsVO

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rie.178 Manche Autoren wollen gar einen Gleichlauf zwischen COMI und effektivem Verwaltungssitz annehmen.179 4. Maßgeblicher Zeitpunkt Der COMI muss sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Staat des angerufenen Gerichts befinden; mithin ist für die Eröffnungszuständigkeit die jüngste Belegenheit des COMI maßgeblich.180 Damit führt auch eine Verlegung des COMI unmittelbar vor Antragstellung grundsätzlich zu einem Wechsel der Zuständigkeit.181 Wird der COMI nach Antragstellung, aber vor Eröffnung des Verfahrens verlegt, bleiben die Gerichte desjenigen Mitgliedstaates zuständig, in dem der COMI des Schuldners bei Antragstellung lokalisiert war.182 Demnach ist eine Verlegung des COMI nach Eröffnung des Verfahrens erst recht unschädlich; dies folgt auch bereits aus dem Grundsatz der perpetuatio fori183.

III. Forum shopping unter der EuInsVO Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit die EuInsVO ihrem Anspruch, missbräuchliches forum shopping zu verhindern,184 gerecht wird, indem die de lege lata bestehenden Möglichkeiten eruiert werden, den internationalen Gerichtsstand für ein Insolvenzverfahren zu wählen. Es ist bereits erläutert worden, dass an der Auswahl des Forums bei grenzüberschreitenden Restrukturierungsverfahren ein erhebliches Interesse bestehen kann.185 Unter der EuInsVO besteht keine Möglichkeit, den Gerichtsstand direkt zu wählen. Forum shopping erfolgt hier also über eine Veränderung des COMI.

178

Vgl. Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 91. Vgl. Fehrenbach, GPR 2016, 282, 288; Weller, in: FS Blaurock, 497, 506; Weller/Harms/ Rentsch/Thomale, ZGR 2015, 361, 369. Bereits vor der einschlägigen Judikatur des EuGH Borges, ZIP 2004, 733, 737. 180 EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 54. 181 Siehe etwa Kindler, in: MüKo BGB, Art. 3 EuInsVO, Rn. 36; Thole, in: MüKo InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 64; a.A. Bornemann, in: Graf-Schlicker InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 47 ff. Zu den Ausnahmefällen etwa bei „Missbräuchlichkeit“ der Verlegung sogleich D. III. 182 EuGH, Urt. v. 17. Januar 2006 – Rs. C-1/04, Susanne Staubitz-Schreiber, ECLI:EU:C: 2006:39, Rn. 29. 183 Nach dem Grundsatz der perpetuatio fori bleibt ein einmal zuständiges Gericht für einen Rechtsstreit zuständig, auch wenn später zuständigkeitsbegründende Umstände wegfallen. Vgl. Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 99, Rn. 34 ff. Gerhold, in: BeckOK GVG, § 17, Rn. 8 ff. 184 Vgl. Erw.-Gr. 29 EuInsVO. 185 Ausführlich oben Kapitel 3, C. 179

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

1. Genese Das Phänomen des forum shopping ist im europäischen Insolvenzrecht seit geraumer Zeit bekannt. Insbesondere englische Gerichte haben Insolvenz- bzw. Restrukturierungsverfahren über ausländische Kapitalgesellschaften eröffnet. Diese Historie bietet Anhaltspunkte dafür, mit welchen Gestaltungen auch künftig im Rahmen internationaler Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL zu rechnen ist. Für die „Auslandsverfahren“ vor englischen Gerichten lassen sich drei Konstellationen unterscheiden. a) Die Konstellationen Die erste Gruppe bilden Insolvenzverfahren über Konzerntochtergesellschaften. Durch eine großzügige Handhabung des COMI-Kriteriums tendierten englische Gerichte dazu, den Interessenschwerpunkt einer Konzerntochtergesellschaft am COMI der Muttergesellschaft zu vermuten und damit ihre Zuständigkeit zu begründen.186 Der EuGH hat jedoch klargestellt, dass der COMI nicht unter Rückgriff auf die sog. mind-of-management Doktrin bestimmt werden kann.187 Insofern ist diese Fallgruppe für die Analyse bestehender Möglichkeiten des forum shopping nicht weiter von Interesse. Die zweite Konstellation bilden Verfahren, im Rahmen derer deutsche Gesellschaften einer finanziellen Restrukturierung in einem britischen Scheme of Arrangement unterzogen worden sind.188 Das Scheme of Arrangement ist nicht im Anhang A der EuInsVO gelistet, weshalb britische Gerichte ihre Zuständigkeit nach autonomem Recht bestimmen konnten, ohne dass es auf die Belegenheit des COMI angekommen wäre. Auf diese Konstellationen wird in Kapitel 5 vertieft eingegangen.189 Für die nun folgende Untersuchung von Interesse ist die dritte Konstellation, in der deutsche Gesellschaften in der Krise Schutz durch das britische Company Voluntary Arrangement gesucht haben. Dieses Verfahren ist im Anhang A der EuInsVO gelistet, weshalb eine Belegenheit des COMI im Vereinigten Königreich erforderlich war, um die Gerichtszuständigkeit zu begründen.190

186 Vgl. etwa Daisytek-ISA, High Court of Justice Leeds v. 16. Mai 2003, [2003] B.C.C. 562; MG Rover, High Court Birmingham v. 18. April 2005, [2005] EWHC 874 = NZI 2005, 467 ff. 187 Vgl. EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C: 2006:281, Rn. 37. Siehe auch Kindler, in: MüKo BGB, Art. 3 EuInsVO, Rn. 22: „Darin [in Eurofood Rn. 37] liegt eine klare Absage an die Mind-of-Management-Theorie.“ 188 Vgl. etwa Rodenstock GmbH [2011] EWHC 1104 (Ch) = [2011] Bus. L.R. 1245; Primacom Holdings GmbH [2012] EWHC 164 (Ch) = [2013] B.C.C. 201 = ZIP 2012, 440, 442. Dazu auch Paulus, ZIP 2011, 1077 ff. 189 Unten Kapitel 5, B. I. 2. d.; siehe dort insbesondere Fn. 41–43. 190 Vgl. Anhang A EuInsVO, United Kingdom, Punkt 4: „Voluntary Arrangements under Insolvency Regulation“.

D. Die Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der EuInsVO

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b) Ein Blick zurück In besagter dritter Konstellation sind die Fälle Deutsche Nickel,191 Schefenacker192 und Hans Brochier Holdings193 einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Insofern können sie als Paradigmata für Einwirkungen auf den COMI dienen, weshalb ein kurzer Blick zurück lohnenswert erscheint. Vorreiter der „Sanierungsmigration“ in das Vereinigte Königreich war die Deutsche Nickel AG, die im Jahr 2005 einen „Umzug“ anstrengte.194 Die Migration vor britische Gerichte wurde mittels einer britischen Vorratsgesellschaft (DNick Ltd.) verwirklicht.195 Diese erwarb zunächst sämtliche Aktien der Deutsche Nickel AG, bevor die AG darauffolgend in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt wurde.196 Deren einzige Komplementärin wurde die DNick Ltd., als Kommanditistin fungierte eine weitere zu diesem Zweck gegründete Vorratsgesellschaft britischen Rechts.197 Durch den Austritt der Kommanditistin ging das gesamte Vermögen im Wege der Anwachsung gem. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, § 738 Abs. 1 BGB auf die DNick Ltd. über.198 Sämtliche Anteile an Tochtergesellschaften der vormals Deutsche Nickel AG wurden in einem weiteren Schritt auf die DNick Holding plc., eine Tochtergesellschaft der DNick Ltd. übertragen.199 Diese gesellschaftsrechtlichen „Vorarbeiten“ sollten es ermöglichen, die Gläubiger der DNick Ltd. im folgenden Restrukturierungsprozess durch Anteile an der neu strukturierten Gruppe zu befriedigen.200 Sodann wurde ein Company Voluntary Arrangement angestrengt, im Rahmen dessen die Gläubiger dem Restrukturierungsvorschlag mit großer Mehrheit zustimmten; die Forderungen der Gläubiger wurden pro rata in Aktien an der DNick Holding plc. umgetauscht und das Verfahren konnte nach einem Jahr erfolgreich beendet werden.201

191 Eine ausführliche Fallstudie findet sich bei Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 17 ff. Mangels verfügbarer Gerichtsdokumente beruhen die anstehenden Ausführungen grundlegend auf der Fallstudie von Steffek. Vgl. dazu auch Vallender, NZI 2007, 129, 131 f. 192 Dazu Carli/Rieder/Mückl, ZIP 2010, 1737, 1739; Paulus, NZI 2008, 1, 2 ff. Ausführlich Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 1 ff. 193 Dazu Andres/Grund, NZI 2007, 137 ff.; Kebekus, ZIP 2007, 84 ff.; Ballmann, BB 2007, 1121 ff. Ausführlich Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 33 ff. 194 Vgl. Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 17. 195 Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 25 f. 196 Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 25 f. 197 Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 26. 198 Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 26. Detailliert zur Umwandlung im Wege der grenzüberschreitenden Anwachsung Johannsen-Roth, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 8, § 42, Rn. 39 ff. 199 Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 27. 200 Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 28. 201 Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 32.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

Zu großer Bekanntheit ist der Fall Schefenacker gelangt, in dem ebenfalls eine Sanierungsmigration vor englische Gerichte durchgeführt wurde.202 Gesellschaftsrechtlich wurde – wie zuvor im Fall Deutsche Nickel – die Schefenacker AG zunächst in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt, deren gesamtes Vermögen sodann durch den Austritt der übrigen Gesellschafter der Komplementärin Schefenacker plc. anwuchs.203 Daraufhin wurde ein Company Voluntary Arrangement durchgeführt, dem knapp 76 % der Anleihegläubiger zustimmten.204 Die Anleihegläubiger verloren ihre Ansprüche aus der Verbindlichkeit und erhielten dafür 5 % der Stammaktien an der restrukturierten Schefenacker plc. sowie eine Teilzahlung.205 Auch im Fall Hans Brochier, einer im Raum Nürnberg im Baugewerbe tätigen Gesellschaft, wurde ein Restrukturierungsverfahren vor dem High Court of Justice London angestrengt.206 Erneut wurde eine Umwandlung in eine englische Ltd. im Wege der Anwachsung betrieben.207 Allerdings versäumte man es, auch die operative Geschäftstätigkeit nach London zu verlegen.208 Dort soll zwar ein Büroraum zur Verfügung gestanden haben, für den allerdings nie Miete entrichtet wurde.209 Es fehlte an jeglicher Infrastruktur; selbst dem Leiter der Abteilung Finanzen war die Existenz der Büroräumlichkeiten unbekannt.210 Sowohl der High Court als auch das Amtsgericht Nürnberg eröffneten am selben Tag im August 2006 beinahe zeitgleich ein Insolvenzerfahren, denn beide Gerichte gingen davon aus, dass sich der COMI jeweils im Inland befinde.211 Erst im Nachgang stellte sich heraus, dass die Eröffnung des Verfahrens in Großbritannien unter teilweiser Angabe falscher Informationen zum COMI erwirkt

202 Vgl. etwa folgende Veröffentlichungen der Tagespresse: Höfinghoff, in: Der Spiegel, Ausgabe v. 17. Oktober 2006, Warum es eine schwäbische Firma nach London zieht; Beck, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe v. 29. Mai 2007, Verzerrung der Realität; Buchenau, in: Handelsblatt, Ausgabe v. 6. November 2006, Schefenacker strebt Insolvenz nach britischem Recht an. 203 Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 7; R. Paulus, DZWIR 2008, 6, 7 f. 204 Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 9 ff. Siehe auch Windsor/Müller-Seils/Burg, NZI 2007, 7 ff. 205 Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 9 ff.; Carli/ Rieder/Mückl, ZIP 2010, 1737, 1739. 206 Vgl. Hans Brochier Holdings Ltd., High Court of Justice London v. 15. August 2006, [2006] EWHC 2594 (Ch) = ZIP 2007, 187. Dazu auch Knof, in: Uhlenbruck, Art. 3 EuInsVO, Rn. 59. 207 Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 34 ff. 208 Vgl. AG Nürnberg, Beschl. v. 1. Oktober 2006 – 8034 IN 1326/06, NZI 2007, 186, 187. Siehe auch Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 35 ff. 209 Andres/Grund, NZI 2007, 137, 139. 210 So die Sachverhaltsschilderung bei Andres/Grund, NZI 2007, 137,139 f. 211 Vgl. AG Nürnberg, Beschl. v. 1. Oktober 2006 – 8034 IN 1326/06, NZI 2007, 186, 187; Hans Brochier Holdings Ltd., High Court of Justice London v. 15. August 2006, [2006] EWHC 2594 (Ch) = ZIP 2007, 187.

D. Die Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren nach der EuInsVO

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wurde.212 In der Folge erklärte der High Court die Bestellung der administrators für unwirksam, da sich der COMI der Hans Brochier Holdings Ltd. die gesamte Zeit in Deutschland befunden habe.213 Der Fall Hans Brochier kann insofern als Paradebeispiel für die bloße Simulation einer COMI-Verlegung begriffen werden.214 c) Zusammenfassung Die aufgeführten Fälle zeigen, dass in der Vergangenheit versucht wurde, eine Verlegung des COMI durch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen zu bewirken, indem man die deutsche Schuldnergesellschaft in eine Gesellschaft britischen Rechts umwandelte. Dabei bediente man sich in allen drei Fällen des Anwachsungsmodells. Der Fall Hans Brochier belegt aber, dass eine erfolgreiche Veränderung des COMI nicht allein auf eine Verlegung des Satzungssitzes gestützt werden kann, sondern zusätzlich auch eine Verlegung des operativen „Epizentrums“ des Unternehmens erfordert. Zwar könnte man bezweifeln, dass die operativen Funktionen in den Fällen Deutsche Nickel oder Schefenacker tatsächlich nach England verlegt worden sind und damit eine COMI-Verschiebung überhaupt stattgefunden habe,215 jedenfalls haben die englischen Gerichte aber in beiden Konstellationen das Verfahren eröffnet und erfolgreich zu Ende geführt. In Folge der Satzungssitzverlegung bestand immerhin eine gesetzliche Vermutung zu Gunsten eines COMI in England. Der Fall Brochier hat jedoch die Sensibilität der Literatur und der Gerichte für bloß simulierte COMI-Verlegungen erhöht, sodass davon auszugehen ist, dass diesem Aspekt in künftigen Verfahren eine besonders sorgfältige Untersuchung zuteilwird.216 2. Zeitlicher Gestaltungsrahmen Zuvor ist bereits dargestellt worden, dass der COMI sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Staat des angerufenen Gerichts befinden muss.217 Eine Veränderung des COMI hat mithin abgeschlossen zu sein, bevor der Antrag auf Verfah-

212

Vgl. Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 40. Hans Brochier Holdings Ltd., High Court of Justice London v. 15. August 2006, [2006] EWHC 2594: „The only possible conclusion to reach from the totality of the evidence was that the centre of main interests of HBH [Hans Brochier Holdings] was in Germany and had at all material times, and particularly on August 4, 2006, been so. The objective and ascertainable facts pointed inevitably to that conclusion.“ 214 Vgl. Kindler, in: MüKo BGB, Art. 33 EuInsVO, Rn. 13, dort Fn. 36; Weller, ZGR 2008, 835, 853. 215 Kritisch zum Fall Schefenacker etwa: Griffiths/Hellmig, NZI 2008, 418, 419. 216 Forum shopping im Insolvenzrecht ist durch das Phänomen der Sanierungsmigration ein vielbeachtetes Thema in der rechtswissenschaftlichen Literatur geworden. Vgl. dazu etwa die Monografien Reuß, „Forum Shopping“ in der Insolvenz, Tübingen, 2011; Wyen, Rechtswahlfreiheit im europäischen Insolvenzrecht, Tübingen, 2014. 217 Siehe D. II. 4. 213

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renseröffnung gestellt wird. Obwohl möglicherweise teleologisch sinnvoll,218 handelt es sich bei der Frist in Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 EuInsVO nicht um eine Sperrfrist für die Verlegung des COMI schlechthin.219 Daher kann eine Veränderung des COMI theoretisch noch bis zum letzten Tag vor Antragstellung erfolgen. Gleichwohl wird es in diesem Falle praktisch schwer sein, tatsächlich auf anknüpfungsrelevante Tatsachen einzuwirken und nicht bloß eine COMI-Verlegung zu simulieren. Dennoch verbleibt für eine Verschiebung des COMI ein weiter Spielraum, was in Anbetracht der Tatsache, dass die EuInsVO sich der Verhinderung des forum shopping verschrieben hat, jedenfalls bemerkenswert ist. Wie groß die Gestaltungsspielräume jenseits der zeitlichen Dimension sind, wird nachfolgend aufgezeigt. 3. Optionen Die Untersuchung der EuGH-Rechtsprechung zum COMI-Kriterium hat ergeben, dass für dessen Bestimmung Satzungssitz und Ort der Hauptverwaltung einer Gesellschaft maßgeblich relevant sind. Sind Satzungssitz und Ort der Hauptverwaltung identisch belegen, befindet sich dort unwiderleglich der COMI.220 Eine rechtlich einwandfreie und deshalb unangreifbare COMI-Verlegung wird also darauf abzielen, sowohl Satzungssitz als auch Hauptverwaltung in dasjenige Land zu verbringen, dessen Gerichtszuständigkeit eröffnet werden soll. Mithin sind nun die Möglichkeiten sowohl der Satzungssitz- als auch der Hauptverwaltungsverlegung zu eruieren. Hierbei wird die Rechtslage ausschließlich für die Aktiengesellschaft und GmbH deutschen Rechts dargestellt. a) Verlegung des Satzungssitzes Zunächst wird nun auf die Möglichkeiten zur Verlegung des Satzungssitzes eingegangen. aa) Rechtliche Durchführbarkeit Der Satzungssitz einer GmbH und einer AG kann nur ein Ort im Inland sein, wie sich aus § 4a GmbHG bzw. § 5 AktG ergibt.221 Der Beschluss, den Satzungssitz ins Ausland zu verlegen, ist daher als Auflösungsbeschluss zu werten, der die Liquidation der Gesellschaft zur Folge hat.222 Es kann mithin keine GmbH oder AG 218

Vgl. Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 49 ff. Ausführlich oben D. II. 2. 220 Vgl. etwa Thole, in: MüKo InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 36. 221 Allg. Meinung. Vgl. etwa Heider, in: MüKo AktG, § 5, Rn. 1–7; Wicke, in: Grigoleit, AktG, § 5, Rn. 1–3; Wamser, in: Henssler/Strohn, GesR, § 4a GmbHG, Rn. 1 f. 222 Vgl. Heinze, in: MüKo GmbHG, 3. Auflage, § 4a, Rn. 87; Jaeger, in: BeckOK GmbHG, § 4a, Rn. 8; Heider, in: MüKo AktG, § 5, Rn. 54. Nach a.A. ist ein entsprechender Beschluss nichtig: Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 4a, Rn. 9; Wicke, in: Wicke, GmbHG, § 4a, Rn. 10; Hupka, in: MüKo GmbHG, § 4a, Rn. 93. 219

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deutschen Rechts mit ausländischem Satzungssitz geben.223 Diese Wegzugsbeschränkung ist auch unter Berücksichtig der Niederlassungsfreiheit zulässig, da der EuGH an mehreren Stellen klargestellt hat, dass Gesellschaften als Konstrukt des nationalen Rechts zu achten sind.224 Danach ist es Angelegenheit der Mitgliedstaaten festzulegen, welche Verbindung zum Herkunftsstaat bestehen muss, um nach dem nationalen Recht als Gesellschaft wirksam bestehen zu können;225 dies ist gleichsam Voraussetzung dafür, dass der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit überhaupt eröffnet ist.226 Das deutsche Recht hat mit § 4a GmbHG und § 5 AktG festgelegt, dass diese Verbindung mittels eines inländischen Satzungssitzes herzustellen ist. Mithin ist eine Verlegung des Satzungssitzes unter Beibehaltung der inländischen Rechtsform nach deutschem Recht nicht möglich.227 Allerdings kann eine Verlegung des Satzungssitzes im Wege eines grenzüberschreitenden Formwechsels erreicht werden, denn mit dem Urteil Polbud hat der EuGH entschieden, dass auch die isolierte Satzungssitzverlegung mit dem Ziel, sich in eine Rechtsform des Zuzugsstaates umzuwandeln, dem Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit grundsätzlich unterfällt.228 Dies steht allerdings unter der Voraussetzung, dass der Zuzugsstaat die isolierte Satzungssitzverlegung nach seinem Recht als ausreichende Verbindung betrachtet.229 Der Formwechsel aus einer deutschen GmbH oder AG in eine ausländische Gesellschaftsform durch Satzungssitzverlegung ist mithin dann möglich, wenn der Zuzugsstaat seinerseits der Gründungstheorie folgt.230 Mit der Richtlinie (EU) 2019/2121 hat der euro-

223 Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 414; Heider, in: MüKo AktG, § 5, Rn. 4. In Ausnahmefällen kann es einen doppelten Satzungssitz geben, von denen einer im Ausland belegen ist. Dies sei hier aber ausgeklammert. 224 Vgl. EuGH, Urt. v. 27. September 1988 – Rs. C-81/87, Daily Mail and General Trust PLC, ECLI:EU:C:1988:456, Rn. 19, 24; EuGH, Urt. v. 16. Dezember 2008 – Rs. C-210/06, Cartesio Oktato´ e´s Szolga´ltato´ bt, ECLI:EU:C:2008:723, Rn. 104, 109 und 110. 225 Ebd. 226 Das Urteil Cartesio in diesem Sinne interpretierend Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 393; Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 22. 227 Hupka, in: MüKo GmbHG, § 4a, Rn. 93: Identitäts- und rechtsformwahrende grenzüberschreitende Satzungssitzverlegung ist unzulässig. Vgl. auch Ringe, in: Schmidt/Lutter, AktG, Int. GesR, Rn. 55. 228 EuGH, Urt. v. 25. Oktober 2017 – Rs. C-106/16, Polbud – Wykonawstwo sp. z o.o., ECLI:EU:C:2017:804, Rn. 34–41, 43. 229 EuGH, Urt. v. 25. Oktober 2017 – Rs. C-106/16, Polbud – Wykonawstwo sp. z o.o., ECLI:EU:C:2017:804, Rn. 35, 43 f. 230 Bayer/Schmidt, ZIP 2017, 2225, 2231; Heckschen, GWR 2020, 449, 450. Dieses Ergebnis kritisch betrachtend: Kieninger, ZEuP 2018, 309, 314 f. Eine Übersicht der Länder im europäischen Binnenmarkt, die der Gründungstheorie folgen, findet sich bei Kindler, in: MüKo BGB, Int. GesR, Rn. 512. Dazu gehören: Bulgarien, Kroatien, Niederlande, Rumänien, die Tschechische Republik und Ungarn. Italien sieht eine einseitige Kollisionsnorm für Gesellschaften mit geschäftlichem Schwerpunkt im Ausland vor. In diese Länder wäre mithin ein Formwechsel durch isolierte Satzungssitzverlegung zweifelsfrei möglich.

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päische Gesetzgeber nunmehr einen verfahrensrechtlichen Rahmen für den grenzüberschreitenden Formwechsel geschaffen, der allerdings noch in das nationale Recht umzusetzen ist.231 Zuvor bestehende Rechtsunsicherheiten werden damit zumindest künftig ausgebessert und der grenzüberschreitende Verkehr erleichtert.232 Zudem kann eine grenzüberschreitende Verschmelzung auf einen Rechtsträger mit Satzungssitz im Ausland vorgenommen werden. Gleichwohl ist hier zu beachten, dass es bei genauer Betrachtung nicht zu einer Sitzverlegung der verschmolzenen Gesellschaft kommt, sondern diese ihre bisherige Existenz durch Vermögensübertragung aufgibt und in der neu gegründeten Gesellschaft fortlebt.233 Bei Verschmelzungsvorgängen, die allein eine Einwirkung auf den COMI bezwecken, wird allerdings meist auf eine Vorratsgesellschaft im Ausland verschmolzen werden,234 sodass bei praktischer Betrachtung ein vergleichbares Ergebnis erzielt wird. Seit dem EuGH-Urteil Sevic steht fest, dass die Mitgliedstaaten der EU eine Verschmelzung einer ausländischen Gesellschaft auf eine inländische zumindest dann zulassen müssen, wenn sie dieses Rechtsinstitut für inländische Gesellschaften vorhalten.235 Durch die Art. 118 ff. Richtlinie (EU) 2017/1132 ist auch das Verfahrensrecht der grenzüberschreitenden Verschmelzung sekundärrechtlich abgesichert.236 Die §§ 122a ff. UmwG transformieren die sekundärrechtlichen Anforderungen in das nationale Recht.237 Damit ist für 231 Die Umsetzungsfrist endet am 31. Januar 2023, Art. 3 Abs. 1 MobilRL. Der Verfahrensrahmen gilt allerdings nur für Kapitalgesellschaften i.S.d. Anhang II der Richtlinie (EU) 2017/1132, Art. 86 b Nr. 1 Richtlinie (EU) 2017/1132, neu eingefügt mit Art. 1 Nr. 5 MobilRL. Darunter fallen für Deutschland die AG und die GmbH. Umfassend zur MobilRL etwa Habersack, ZHR 182 (2018), 495 ff.; Schmidt, ZEuP 2020, 565 ff.; Teichmann, NZG 2019, 241 ff. Die Bundesregierung hat am 5. Oktober einen ersten Entwurf für ein Umsetzungsgesetz vorgelegt. Vgl. BT-Drs. 20/3822 v. 5. Oktober 2022, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie. 232 Teichmann, NZG 2019, 241, 247: „Das Company Law Package hat das Zeug zum großen Wurf. Es bietet einen verlässlichen Rahmen für den Formwechsel und die Spaltung über die Grenze.“ Vgl. auch die Stellungsnahmen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 5.10.2022 zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie. Online abrufbar unter https://www. bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw42-de-umwandlungsrichtlinie-915592. Zuletzt abgerufen am 11. November 2022. Zur bisherigen Rechtslage vgl. Hupka, in: MüKo GmbHG, § 4a, Rn. 93 ff. 233 Kindler, in: MüKo BGB, Int. GesR, Rn. 791 weist darauf hin, dass zwischen grenzüberschreitender Sitzverlegung und grenzüberschreitender Verschmelzung strikt zu trennen sei. 234 Vgl. Parzinger, NZI 2016, 63, 65. 235 EuGH, Urt. v. 13. Dezember 2005 – Rs. C-411/03, Sevic Systems AG, ECLI:EU:C: 2005:762, Rn. 22 f, 31. 236 In den Art. 118 ff. Richtlinie (EU) 2017/1032 ist die Richtlinie (EG) 2005/56 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten aufgegangen. Dazu Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 8, Rn. 52 ff. 237 Vgl. Polley, in: Henssler/Strohn, GesR, § 122a UmwG, Rn. 1 ff.; Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 8, Rn. 55.

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grenzüberschreitende Verschmelzungsvorgänge eine hohe Transaktionssicherheit gewährleistet.238 bb) Hindernisse Als Hindernisse für eine Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland sind zwei Aspekte zu berücksichtigen. Einerseits ist eine Satzungssitzverlegung einer deutschen Gesellschaft nur im Wege des grenzüberschreitenden Formwechsels möglich, wobei dessen Durchführbarkeit von den rechtlichen Voraussetzungen im Zuzugsstaat abhängt.239 Folgt der Zuzugsstaat der Sitztheorie, was zumindest in dieser Konstellation europarechtlich zulässig ist,240 führt die Satzungssitzverlegung zur Liquidation. Allerdings zeigt die Praxis, dass selbst in Staaten, die der Sitztheorie verschrieben sind, eine Prüfung der Belegenheit des tatsächlichen Verwaltungssitzes bei der Satzungssitzverlegung gegebenenfalls unterbleibt; so konnte im Fall Polbud ein grenzüberschreitender Formwechsel vorgenommen werden, obwohl Luxemburg eigentlich der Sitztheorie folgt.241 An einer entsprechenden Prüfung besteht im Zuzugsstaat unter Berücksichtigung des Wettbewerbs der Rechtsordnungen im Gesellschaftsrecht möglicherweise auch nur ein untergeordnetes Interesse. Andererseits ist die Frist in Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 EuInsVO in Betracht zu ziehen. Wie bereits dargelegt, handelt es sich dabei nicht um eine Sperrfrist.242 Eine Verlegung des Satzungssitzes bleibt auch im Zeitraum von drei Monaten vor Verfahrenseröffnung weiter möglich; lediglich erwächst aus dieser Verlegung nicht mehr die Vermutung, dass sich damit auch der COMI am neuen Satzungssitz befindet. Wer also bestrebt ist, den COMI innerhalb dieses Zeitraums zu verlegen, wird auf andere Gestaltungsmaßnahmen zurückgreifen müssen. Allerdings bleibt die prohibitive Wirkung dieses Mechanismus begrenzt: Zunächst liegt eine einfache Handlungsoption in der Verschmelzung auf eine Vorratsgesellschaft im gewünschten Verfahrensstaat.243 Da die verschmolzene Gesellschaft ihre rechtliche Existenz verliert, kommt es auf den Satzungssitz der Vorratsge238 Vgl. Oppenhoff, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 8, § 18, Rn. 1: „Durch die Vorschriften [gemeint sind §§ 122a ff. UmwG sowie die Richtlinie (EG) 2005/56] wird erstmals ein (weitgehend) rechtssicheres Verfahren für grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften innerhalb der EU […] bereitgestellt.“ 239 Siehe oben D. III. 3. a) aa). 240 Vgl. EuGH, Urt. v. 25. Oktober 2017 – Rs. C-106/16, Polbud – Wykonawstwo sp. z o.o., ECLI:EU:C:2017:804, Rn. 43. Zuvor bereits EuGH, Urt. v. 12. Juli 2012 – Rs. C-378/10, VALE E´pite´si kft, ECLI:EU:C:2012:440, Rn. 31 f.; EuGH, Urt. v. 16. Dezember 2008 – Rs. C-210/06, Cartesio Oktato´ e´s Szolga´ltato´ bt, ECLI:EU:C:2008:723, Rn. 109–112; EuGH, Urt. v. 27. September 1988 – Rs. C-81/87, Daily Mail and General Trust PLC, ECLI:EU:C: 1988:456, Rn. 19–21. Vgl. auch Kieninger, ZEuP 2018, 309, 311 ff. 241 Vgl. dazu Bayer/Schmidt, ZIP 2017, 2225, 2231; Teichmann, NZG 2019, 241, 248; Teichmann/Knaier, GmbHR 2017, 1314, 1315 f. 242 Siehe dazu oben D. II. 2. 243 Parzinger, NZI 2016, 63, 65.

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sellschaft an, der unproblematisch bereits länger als drei Monate im Zuzugsstaat bestehen kann.244 Schwerer wiegt die Tatsache, dass die Frist bei genauerer Betrachtung für die Konstellation eines Restrukturierungsverfahrens eher ungeeignet scheint. Die Frist wird in der Literatur bereits für „klassische Insolvenzverfahren“ als sehr kurz kritisiert.245 Unter Berücksichtigung, dass der Begriff der „wahrscheinlichen Insolvenz“ konturlos beschaffen und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Insolvenz – je nach Umsetzung – weit vorgelagert sein kann, besteht in einem Restrukturierungsverfahren ein weniger akuter Handlungsdruck; damit ist auch die Wirkung der Verlegungsfrist begrenzt. Innerhalb der drei Monate könnten so etwa Verhandlungen mit den Gläubigern angestrengt werden. Ebenfalls ist denkbar, die Planabstimmung, sofern sie außergerichtlich stattfindet, bereits durchzuführen. Der Antrag auf gerichtliche Bestätigung könnte dann nach Fristablauf gestellt werden. Außerdem ist das Restrukturierungsverfahren so ausgestaltet, dass dem Schuldner die Wahl verbleibt, nur auf bestimmte Sanierungsinstrumente zurückzugreifen. Zumindest theoretisch könnte daher erwogen werden, dass der Schuldner vor Verlegung des Satzungssitzes ein Moratorium vor den Gerichten des Landes A beantragt, nach der Gewährung eine Verlegung des Satzungssitzes initiiert, die zwischenzeitliche Übergangsphase von mindestens drei Monaten nutzt, um geschützt vom Moratorium die Verhandlungen mit den Gläubigern durchzuführen und schließlich die Planbestätigung im Land B des neuen Satzungssitzes beantragt. Diese Überlegungen zeigen, dass die Frist aus Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 EuInsVO, deren Wirksamkeit gegen forum shopping ohnehin zweifelhaft ist,246 für die Zwecke eines Restrukturierungsverfahrens noch ungeeigneter scheint. cc) Konsequenz Eine rechtsformwahrende Satzungssitzverlegung ist nach deutschem Recht nicht möglich. Allerdings kann eine grenzüberschreitende Umwandlung in Erwägung gezogen werden. Das europäische Primär- und Sekundärrecht bieten dafür einen rechtssicheren Rahmen. Der grenzüberschreitende Formwechsel durch Satzungssitzverlegung ist allerdings von der Akzeptanz des Zuzugsstaats abhängig. Innerhalb von drei Monaten vor Verfahrenseröffnung ist eine Verlegung des Satzungssitzes wenig attraktiv, da daraus keine Vermutung für die Belegenheit des COMI abgeleitet werden kann. Durch eine Verschmelzung auf eine ausländische Vorratsgesellschaft lässt sich die Frist des Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 EuInsVO allerdings aushebeln. Prohibitiv wirkt der Umstand, dass Satzungssitzverlegun-

244

Vgl. Parzinger, NZI 2016, 63, 65. Kindler/Sakka, EuZW 2015, 460, 462; Commandeur/Römer, NZG 2015, 988, 989. Zustimmend auch Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 34. 246 Vgl. etwa Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 44 ff.; Fritz, DB 2015, 1882, 1885. 245

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gen im Binnenmarkt – zumindest aus deutscher Perspektive – stets einen Wechsel der Rechtsform bedingen. b) Verlegung des Verwaltungssitzes Es ist bereits dargelegt worden, dass der Ort der Hauptverwaltung, der für die Lokalisierung des COMI überwiegend maßgeblich ist,247 nach der Definition im Schlussantrag der Generalanwältin Kokott zum Urteil Interedil dem Begriff des Verwaltungssitzes des deutschen Rechts entspricht.248 Wer also bestrebt ist, den Anknüpfungspunkt „Hauptverwaltung“ zu verändern, muss den Verwaltungssitz einer Gesellschaft verlegen. Deshalb wird nachfolgend die Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen GmbH und AG betrachtet. aa) Rechtliche Durchführbarkeit Das deutsche internationale Privatrecht folgte für die Bestimmung des auf eine Gesellschaft anwendbaren Rechts traditionell der Sitztheorie.249 Die Verlegung des Verwaltungssitzes geht danach aus inländischer Sicht mit einem Statutenwechsel und dem Verlust der Rechtsfähigkeit einher.250 Europarechtlich ist diese Anknüpfung bei „Wegzugsfällen“ nicht zu beanstanden.251 Wie bereits dargelegt, achtet der EuGH die mitgliedstaatlichen Gesellschaftsformen als Geschöpfe des nationalen Rechts und erblickt in der Verpflichtung, den Verwaltungssitz im Inland belassen zu müssen, keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit.252 Trotzdem hat der deutsche Gesetzgeber sich mit der Streichung der § 4a Abs. 2 GmbHG und § 5 Abs. 2 AktG dafür entschieden, die Belegenheit des Verwaltungssitzes außerhalb des Bundesgebiets nunmehr für zulässig zu erachten.253 Diese Entwicklung war zwar europarechtlich nicht zwingend, steht aber im Zusammenhang mit dem Wettbewerb der Rechtsordnungen im Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten.254 Ob diesen Normen – über einen sachrechtlichen Gehalt 247

Siehe oben D. II. 3. c). Siehe oben D. II. 3. a). Vgl. auch v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 7, Rn. 34. 249 Vgl. etwa Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 72 ff.; Thölke, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 6, § 1, Rn. 3 ff.; Kindler, in: MüKo BGB, Int. GesR, Rn. 423 ff. 250 Vgl. Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 344 f.; Ego, in: MüKo AktG, Europ. Aktienrecht, Rn. 204; Müller, in: BeckOGK, AktG, § 1, Rn. 113; Tiedje, in: v. d. Groeben/ Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 54 AEUV, Rn. 36. 251 Verse, ZEuP 2013, 458, 461 f.; Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 24; Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 390. 252 EuGH, Urt. v. 16. Dezember 2008 – Rs. C-210/06, Cartesio Oktato´ e´s Szolga´ltato´ bt, ECLI:EU:C:2008:723, Rn. 109–112. 253 Statt vieler Ringe, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 5, Rn. 1, § 45, Rn. 37; Hupka, in: MüKo GmbHG, § 4a, Rn. 12. 254 So Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 33. Vgl. BT-Drs. 16/6140 v. 25. Juli 2007, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), S. 29. Dort heißt es, die Anpassung sei nötig, da inländische Gesellschaften den EU-ausländischen in ihrer Mobilität „unterlegen“ seien. 248

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

hinaus – auch eine kollisionsrechtliche Aussage zu entnehmen ist,255 braucht an dieser Stelle nicht weiter expliziert zu werden, da nur Wegzugskonstellationen im Binnenmarkt betrachtet werden: Begriffe man § 4a GmbHG, § 5 AktG als Sachnormen, so käme es zu einer Rückverweisung, sofern der Zuzugsstaat der Gründungstheorie folgte.256 Diese Rückverweisung nimmt das deutsche Recht an, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. Der Zuzugsstaat ist aber im Lichte der Niederlassungsfreiheit verpflichtet, an das Gründungsstatut anzuknüpfen, sofern der Herkunftsstaat den Wegzug erlaubt.257 Dieser Wegzug wird gerade durch § 4a GmbHG, § 5 AktG gestattet. Mithin können die deutschen Rechtsformen GmbH und AG ihren Verwaltungssitz sanktionslos in jeden europäischen Mitgliedstaat verlegen. bb) Hindernisse Rechtliche Hindernisse für die Verlegung des Verwaltungssitzes sind nicht ersichtlich. Insbesondere die Frist des Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 EuInsVO gilt nicht für eine Verlegung des Verwaltungssitzes. Indem der Gesetzgeber die Verlegung des Verwaltungssitzes aus Deutschland gestattet hat, unterfällt diese Vorgehensweise dem Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit. Die europäischen Mitgliedstaaten sind deshalb verpflichtet, die zuziehende Gesellschaft als Rechtskonstrukt anzuerkennen; Beschränkungen sind allenfalls insoweit statthaft, als sie zum Schutze zwingender Allgemeinwohlinteressen erforderlich sind.258 Deshalb können sich für eine Verwaltungssitzverlegung unmittelbar vor einem Restrukturierungsverfahren einzig praktische Hindernisse ergeben. Regelmäßig wird hier auf enorm hohe Transaktionskosten und die Verfahrenskomplexität verwiesen, die zur Folge hätten, dass eine insolvenznahe Verwaltungssitzverlegung regelmäßig keine gangbare Option sei.259 Dies ist, abstrakt betrachtet, sicher 255 Für eine kollisionsrechtliche Aussage plädieren etwa Verse, ZEuP 2013, 458, 466 ff.; Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 33; Hoffmann, ZIP 2007, 1581, 1582 ff.; Ringe, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 5, Rn. 12. Dagegen etwa Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 416 ff.; Kindler, IPRax 2009, 189, 197 ff.; Kindler, in: MüKo BGB, Int. GesR, Rn. 431. Siehe zum Ganzen auch Ego, in: MüKo AktG, Europ. Aktienrecht, Rn. 224 ff. 256 Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 418. 257 Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 19; Weller, IPRax 2017, 167, 168 f. Siehe auch EuGH, Urt. v. 30. September 2003 – Rs. C-167/01, Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam./.Inspire Art Ltd., ECLI:EU:C:2003:512, Rn. 95 ff.; EuGH, Urt. v. 5. November 2002 – Rs. C-208/00, Überseering BV./.Nordic Construction Company Baumanagement GmbH, ECLI:EU:C:2002:632, Rn. 94; EuGH, Urt. v. 9. März 1999 – Rs. C-212/97, Centros Ltd./.Erhvervs- og Selskabsstyrelsen, ECLI:EU:C:1999:126, Rn. 38 f. 258 Vgl. EuGH, Urt. v. 30. September 2003 – Rs. C-167/01, Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam./.Inspire Art Ltd., ECLI:EU:C:2003:512, Rn. 107; EuGH, Urt. v. 5. November 2002 – Rs. C-208/00, Überseering BV./.Nordic Construction Company Baumanagement GmbH, ECLI:EU:C:2002:632, Rn. 92. 259 Eidenmüller/Frobenius/Prusko, NZI 2010, 545, 548 f.; Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art. 3 EuInsVO, Rn. 16; Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 3, Rn. 16.

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zutreffend. Dennoch mag es Konstellationen geben, in denen eine Verwaltungssitzverlegung auch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, insbesondere wenn damit der Fortbestand des Unternehmens gesichert werden kann. Immerhin gibt es historische Vorbilder für die Gestaltung. Erschwerend kommt hinzu, dass die Zugangsvoraussetzungen für ein Restrukturierungsverfahren, je nach Umsetzung, sehr weit gefasst sein können. Ist ein Schuldner gerade bestrebt, die frühen Zugangsvoraussetzungen eines Mitgliedstaates auszunutzen, kann dies höhere Transaktionskosten rechtfertigen, zumal diese im folgenden Restrukturierungsverfahren möglicherweise wieder auf die Gläubiger abgewälzt werden können. cc) Konsequenz Indem der deutsche Gesetzgeber die Verlegung des Verwaltungssitzes einer GmbH und einer AG in das Ausland gestattet hat, untersteht diese Vorgehensweise dem Schutz der Niederlassungsfreiheit. Damit stehen einer Verwaltungssitzverlegung keine rechtlichen Schwierigkeiten entgegen. Praktisch erfordert eine Einflussnahme auf den Verwaltungssitz, dass der Ort, an dem die Geschäftsführung sitzt und nach außen erkennbar die Geschicke der Gesellschaft lenkt, in ein anderes Land verlegt wird.260 Dabei sollte sichergestellt werden, dass die Gläubiger von den geänderten Umständen unterrichtet sind, indem Änderungen der Adresse oder Kontoverbindung in der Geschäftskorrespondenz hervorgehoben werden.261 Abschreckend können Transaktionskosten wirken. Diese machen die Veränderung des Verwaltungssitzes aber nicht per se unmöglich; vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. c) Zusammenfassung Sowohl die grenzüberschreitende Satzungssitz- als auch die Verwaltungssitzverlegung stehen unter dem Schutz des europäischen Rechts und sind damit verhältnismäßig leicht umzusetzen. Die Satzungssitzverlegung begegnet größeren Schwierigkeiten, da sie einen Wechsel der Rechtsform bedingt und wegen der Frist des Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 EuInsVO innerhalb von drei Monaten vor der Eröffnung des Restrukturierungsverfahrens eine Verlegung des COMI nicht mehr zu begründen vermag.

260 So die Definition des Ortes der Hauptverwaltung im GA Kokott v. 10. März 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:132, Rn. 69. Dieser Ort ist gleichbedeutend mit dem Verwaltungssitz des deutschen Rechts. Näheres dazu bereits oben D. II. 3. a). 261 Vgl. Erw.-Gr. 28 EuInsVO.

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4. Ergebnis Forum shopping ist unter der EuInsVO keinesfalls ausgeschlossen. Durch einige wegweisende Judikate des EuGH der vergangenen Jahre ist klargestellt, dass die grenzüberschreitende Unternehmensmobilität im Lichte der Niederlassungsfreiheit einen hohen Schutz genießt. Deshalb können die maßgeblichen Anknüpfungskriterien für den COMI, namentlich der Satzungs- und Verwaltungssitz, ohne größere rechtliche Schwierigkeiten innerhalb des Binnenmarktes verlegt werden. Selbst das entsprechende Verfahrensrecht wird durch Richtlinien sukzessive europäisch harmonisiert. Wurde in der Vergangenheit noch auf das sog. „Anwachsungsmodell“ zurückgegriffen, um zum Zwecke des COMI-Shifting eine grenzüberschreitende Umwandlung durchzuführen, stehen nunmehr noch weitere Möglichkeiten zur Verfügung. Der europäische Gesetzgeber hat auf die Veränderung des COMI im Rahmen der sog. Sanierungsmigration reagiert und in Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 EuInsVO eine Frist eingeführt, innerhalb derer aus der Verlegung des Satzungssitzes keine Vermutung für die Lokalisation des COMI mehr entstehen kann. Damit war bezweckt, forum shopping im Rahmen der Insolvenz einzudämmen. Tatsächlich verstärkt diese Frist allerdings den Anreiz, ausschließlich den Verwaltungssitz einer Gesellschaft zu verlegen. Dieser Anreiz ist dadurch begründet, dass es für die Lokalisation des COMI im Zweifel ausschließlich auf den Verwaltungssitz ankommt und mithin die Belegenheit des Satzungssitzes nur eine untergeordnete Rolle spielt. Ferner begegnet die Verlegung des Verwaltungssitzes auch rechtlich weniger Schwierigkeiten, da sie in Folge der EuGH-Rechtsprechung nicht mit einem Statutenwechsel einhergeht, also rechtsformwahrend möglich ist. Lediglich Transaktionskosten können prohibitiv wirken. Es ist daher zu vermuten, dass forum shopping aus deutscher Perspektive in Zukunft nicht mehr hauptsächlich, wie noch in der Vergangenheit, über den Wechsel in eine ausländische Rechtsform, sondern vermehrt über eine ausschließliche Verlegung des Verwaltungssitzes stattfinden wird.

IV. Abschließende Betrachtung der Ergebnisse Mit dem COMI-Kriterium ist bezweckt, das Verfahren an dem Ort zu führen, zu dem der Schuldner objektiv erkennbar die engsten Verbindungen unterhält. Ausgangspunkt für die Bestimmung des COMI ist der Satzungssitz der Gesellschaft, der eine Vermutung für die Belegenheit des COMI entfalten soll. Diese ist allerdings hinfällig, wenn der Satzungssitz innerhalb von drei Monaten vor Antragstellung in einen anderen Mitgliedstaat verlegt worden ist. Andernfalls kann die Vermutung widerlegt werden, sofern sich der Ort der Hauptverwaltung (bei dem es sich um ein Synonym des deutschrechtlichen Begriffs des Verwaltungssitzes handelt) an einem anderen Ort befindet. Für diesen Fall ist die Belegenheit des COMI anhand einer wertenden Betrachtung aus Gläubigerperspektive zu bestimmen. In diese Betrachtung sind alle Orte einzustellen, an denen der Schuldner

E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO

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einer wirtschaftlichen Aktivität nachgeht oder auch Vermögenswerte besitzt. Praktisch wird aber auch diese Gesamtbetrachtung meist zu einer Lokalisierung der relevanten Aspekte am Ort der Hauptverwaltung führen. Damit besteht regelmäßig ein Gleichlauf zwischen COMI und dem effektiven Verwaltungssitz. Der COMI muss sich im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung im Land des angerufenen Gerichts befinden. Forum shopping ist unter der EuInsVO nicht ausgeschlossen, da das COMIKriterium mit dem Satzungs- und Verwaltungssitz wandelbare Anknüpfungsgegenstände verwendet. Die Wandelbarkeit der Anknüpfungsgegenstände wird ermöglicht durch die Niederlassungsfreiheit, da Sitzverlegungen im Binnenmarkt ihrem Schutzbereich unterstellt sind. Pointiert lässt sich formulieren, dass die Rechtssicherheit im Sekundärrecht somit faktisch durch das Primärrecht unterminiert wird. Die neu eingeführte Frist in Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 EuInsVO vermag grundsätzlich und im Besonderen bei Restrukturierungsverfahren forum shopping nicht zu verhindern. Schutz vor forum shopping bietet die EuInsVO einzig dadurch, dass der COMI ein faktenintensives Kriterium ist und eine Veränderung des Satzungs- und Verwaltungssitzes unabhängig von ihrer grundsätzlichen Durchführbarkeit rein praktisch meist einen sehr großen Aufwand bedeutet und daher hohe Transaktionskosten bedingt. Trotz dessen ist denkbar, dass es künftig bei Restrukturierungsverfahren unter der EuInsVO zu forum shopping kommen wird, insbesondere, wenn die Erfolgsaussichten des Verfahrens maßgeblich vom anwendbaren Recht abhängen. Bei Restrukturierungsverfahren hat das Unternehmen den Status der materiellen Insolvenz noch nicht erreicht, weshalb weniger Zeitdruck und auch größerer finanzieller Spielraum zur Durchführung entsprechender Gestaltungen zur Verfügung steht. Hier setzt die EuInsVO den Anreiz, ausschließlich den Verwaltungssitz zum Zwecke der Restrukturierung zu verlegen, weshalb die Möglichkeit besteht, dass in solchen strategischen Restrukturierungsverfahren Satzungsund Verwaltungssitz der betroffenen Kapitalgesellschaft auseinanderfallen.

E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO In einem nächsten Schritt wird nun der Frage nachgegangen, wie sich die EuInsVO im Restrukturierungsverfahren auf das anwendbare Recht auswirkt. Schwerpunktmäßig wird dabei das Verhältnis von Restrukturierungs- und Gesellschaftsstatut betrachtet.

I. Einführung Für die anstehende Untersuchung ist primär Art. 7 EuInsVO maßgeblich. Der EuInsVO liegt der Gedanke der Einheit von forum und ius zu Grunde.262 Im 262

Geimer/Garber, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 7 EuInsVO, Rn. 2 ff.; Kindler, in:

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

Grundsatz wendet das zur Entscheidung berufene Insolvenzgericht also das Insolvenzrecht seines eigenen Staates an. Entsprechend wird das Restrukturierungsstatut ermittelt, sofern sich das Restrukturierungsverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO befindet. Die Anwendung des Heimatrechts gilt allerdings nur für solche Rechtsfragen, die dieser Kollisionsnorm unterfallen, mithin spezifisch insolvenz- bzw. restrukturierungsrechtlich zu qualifizieren sind.263 Daher muss die Reichweite der Kollisionsnorm Art. 7 EuInsVO im Hinblick auf restrukturierungsrechtliche Belange untersucht werden. Das Restrukturierungsrecht nimmt eine „Zwitterstellung“ zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht ein.264 Deshalb sind Abgrenzungsschwierigkeiten zum Gesellschaftsstatut vorgezeichnet. Die lex fori concursus kann nur bis zu den Toren des Gesellschaftsstatuts reichen.265 Wie die Grenze zwischen diesen Materien gezogen wird, ist eine Frage der Qualifikation. Praktisch bedeutsam ist diese Grenzziehung deshalb, weil das COMI-Kriterium derzeit so beschaffen ist, dass es einen Anreiz dafür bietet, den Verwaltungssitz zum Zwecke der Rechtswahl in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, gleichzeitig den Satzungssitz aber unangetastet zu lassen.266 Da das Europarecht in den hier interessierenden Konstellationen zwingt, hinsichtlich des anwendbaren Gesellschaftsstatuts auf die Gründungstheorie zurückzugreifen,267 unterliegen in einem solchen Falle das Gesellschafts- und Insolvenzstatut unterschiedlichen Rechtsordnungen. Aber auch jenseits strategischen forum shoppings steht ein Auseinanderfallen der Statuten immer dann zu befürchten, wenn ein Unternehmen außerhalb des Staates seiner Inkorporation das Zentrum der wirtschaftlichen Tätigkeit entfaltet.268 Exemplarisch wird nun untersucht, welches Recht auf die folgenden Fragstellungen anwendbar ist: (1.) Zugangsvoraussetzungen zum Restrukturierungsverfahren, (2.) Wirkungen des Moratoriums, (3.) Annahmevoraussetzungen für den Restrukturierungsplan, (4.) Zulässigkeit gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen, (5.) Haftung der Geschäftsleiter im Verfahren. MüKo BGB, Art. 7 EuInsVO, Rn. 1; Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 7, Rn. 3. 263 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Art. 4 EuInsVO 2000, Rn. 6; Knof, in: Uhlenbruck, Art. 7 EuInsVO, Rn. 19; Piekenbrock, in: Brinkmann, EIR, Art. 7, Rn. 3. 264 Dazu ausführlich oben Kapitel 3, D. I. 265 Vgl. Liersch, in: Vallender, EuInsVO, Art. 7, Rn. 5. 266 Siehe dazu oben D. III. 4. 267 Vgl. EuGH, Urt. v. 30. September 2003 – Rs. C-167/01, Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam./.Inspire Art Ltd., ECLI:EU:C:2003:512, Rn. 95 ff.; EuGH, Urt. v. 5. November 2002 – Rs. C-208/00, Überseering BV./.Nordic Construction Company Baumanagement GmbH, ECLI:EU:C:2002:632, Rn. 94; EuGH, Urt. v. 9. März 1999 – Rs. C-212/97, Centros Ltd./.Erhvervs- og Selskabsstyrelsen, ECLI:EU:C:1999:126, Rn. 38 f. 268 Häufig als „Scheinauslandsgesellschaft“ bezeichnet. Dieser Begriff wird hier vermieden, da die Verwendung des Präfix „Schein“ ein illegitimes Verhalten impliziert, was in Anbetracht der EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit zumindest unpräzise erscheint. Noch schärfer Paulus, EuInsVO, Art. 3, Rn. 23.

E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO

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II. Zu den Grundsätzen der Qualifikation Als Qualifikation wird in der Terminologie des internationalen Privatrechts die Subsumtion unter den Anknüpfungsgegenstand einer Kollisionsnorm verstanden.269 Dieser Vorgang bereitet deshalb Schwierigkeiten, weil nicht für jede materiell-rechtliche Norm eine spezifische Kollisionsnorm zur Verfügung steht.270 Die materiell-rechtlichen Normenkomplexe werden auf kollisionsrechtlicher Ebene abstrahiert und „gebündelt“.271 Für einen Komplex materiell-rechtlicher Normen steht damit ggf. nur eine einzige Kollisionsnorm zur Verfügung. Die Zuordnung einer Norm des materiellen Rechts zu einer bestimmten Kollisionsnorm wird mittels Systembegriffen bewirkt; die Kollisionsnorm findet immer dann auf einen Sachverhalt Anwendung, wenn die entscheidungserheblichen Normen dem in der Norm verwendeten Systembegriff (dem Anknüpfungsgegenstand) unterfallen.272 Die Systembegriffe des materiellen Rechts sind dabei nicht notwendigerweise deckungsgleich mit denjenigen des Kollisionsrechts.273 Die Regelungssystematik im materiellen Recht hat daher keine Auswirkung auf die Qualifikation und kann lediglich als Indiz herangezogen werden. Es wäre also verfehlt, eine Norm allein deshalb insolvenzrechtlich zu qualifizieren, weil sie sich in der InsO befindet. Die genaue dogmatische Vorgehensweise bei der international-privatrechtlichen Qualifikation ist in der Vergangenheit Gegenstand umfangreicher Diskussion gewesen.274 Vorzugswürdig ist die Methode der funktionalen Qualifikation lege fori.275 Für die Zuordnung zum Anknüpfungsgegenstand kommt es auf die konkrete Funktion der Sach- und der Kollisionsnorm im Regelungsgefüge an.276 269 v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6, Rn. 1; v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 7, Rn. 138; Looschelders, in: Staudinger, Einleitung zum IPR, Rn. 1081; Rauscher, IPR, Rn. 474; Lorenz, in: BeckOK BGB, Einleitung zum IPR, Rn. 53. Kegel/Schurig, IPR, § 7 III. 1. begreifen die Qualifikation demgegenüber als Frage der Auslegung des Anknüpfungsgegenstandes. Praktische Unterschiede ergeben sich hier gleichwohl nicht. Die „Entdeckung“ der Qualifikationsfrage geht auf Franz Kahn, JherJb 30 (1891), 1, 107 ff. und Etienne Bartin, JDrInt 24 (1897), 466 ff. zurück. 270 Vgl. Lorenz, in: BeckOK BGB, Einleitung zum IPR, Rn. 55. 271 So der Erklärungsansatz nach dem Kegel’schen „Bündelungsmodell“. Kegel/Schurig, IPR, § 6 II. 2. 272 Vgl. dazu v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 7, Rn. 3 ff. Zur Frage, ob Sachverhalt oder Norm qualifiziert werden, siehe ausführlich ebd., Rn. 4 m.w.N. 273 v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 7, Rn. 173; Lorenz, in: BeckOK BGB, Einleitung zum IPR, Rn. 60. 274 Ein ausführlicher Überblick zum Meinungsstand ist etwa zu finden bei v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 7 II., Rn. 138 ff.; Kegel/Schurig, IPR, § 7 III; v. Hein, in: MüKo BGB, Einleitung zum IPR, Rn. 118–132. 275 v. Hein, in: MüKo BGB, Einleitung zum IPR, Rn. 121; v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 7, Rn. 173 ff., v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6, Rn. 27 ff.; Kegel/Schurig, IPR, § 7 IV; Lorenz, in: BeckOK BGB, Einleitung zum IPR, Rn. 59; Looschelders, in: Staudinger, Einleitung zum IPR, Rn. 1091 ff. 276 Ebd.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

Im Rahmen des Art. 7 EuInsVO muss die Qualifikation allerdings verordnungsautonom erfolgen; mithin können auch die kollisionsrechtlichen Begriffe des nationalen Rechts zur Konkretisierung nicht herangezogen werden, da ansonsten eine europäisch einheitliche Anwendung der Verordnung nicht gewährleistet wäre.277

III. Lex fori concursus nach Art. 7 EuInsVO Nach dem Vorhergesagten muss die Reichweite der lex fori concursus im Ausgangspunkt anhand des Art. 7 EuInsVO bestimmt werden. Bei genauer Betrachtung ist der Begriff lex fori concursus missverständlich, handelt es sich bei einem Restrukturierungsverfahren doch gerade nicht um ein auf Liquidation gerichtetes Insolvenzverfahren. Befindet sich ein nationales Restrukturierungsverfahren jedoch im Anhang A und damit im Anwendungsbereich der EuInsVO, ist es terminologisch auch ein Insolvenzverfahren im Sinne der EuInsVO, wie sich aus Art. 2 Nr. 4 EuInsVO ergibt. Deshalb kann der Begriff lex fori concursus auch das auf ein Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL anwendbare Recht (Restrukturierungsstatut) umfassen und wird auch im Folgenden in diesem Sinne verwendet. Der Art. 7 Abs. 1 EuInsVO bestimmt, dass auf das Verfahren und seine Wirkungen das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung anzuwenden ist. Dabei handelt es sich um eine Sachnormverweisung, das autonome internationale Privatrecht im Verfahrensstaat und sich daraus möglicherweise ergebende Weiterverweisungen gelangen nicht zur Anwendung.278 1. Konkretisierung in Art. 7 Abs. 2 EuInsVO Die Formulierung aus Art. 7 Abs. 1 EuInsVO liefert bei der maßgeblichen Qualifikationsfrage, welche Rechtsbereiche zum Insolvenzverfahren zu zählen sind, nur einen geringen Erkenntnisgewinn. Eine Konkretisierung enthält die Aufzählung in Art. 7 Abs. 2 EuInsVO, die allerdings nicht abschließender Natur ist.279 Danach regelt das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung, unter welchen Voraussetzungen das Verfahren eröffnet wird, durchzuführen und zu beenden ist. Daraus ergibt sich, dass die Zugangsvoraussetzungen zum Restrukturierungs277 Siehe zur verordnungsautonomen Qualifikation: EuGH, Urt. v. 29. Oktober 2009 – Rs. C-174/08, NCC Construction Danmark A/S./.Skatteministeriet, ECLI:EU:C:2009:669, Rn. 24 m.w.N.; EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 42. Vgl. auch Mock, in: BeckOK InsO, Art. 7 EuInsVO, Rn. 5; Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art. 7 EuInsVO, Rn. 5. 278 Etwa Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 7 EuInsVO, Rn. 1; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, Art. 7 EuInsVO, Rn. 3. 279 EuGH, Urt. v. 9. November 2016 – Rs. C-212/15, ENEFI Energiahatekonysagi Nyrt./.DirectÀ ia Generala˘ Regionala˘ a FinantÀ elor Publice BrasÀ ov, ECLI:EU:C:2016:841, Rn. 21. Vgl. auch Kindler, in: MüKo BGB, Art. 7 EuInsVO, Rn. 14.

E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO

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verfahren dem Recht der Verfahrenseröffnung unterliegen.280 Ob eine „wahrscheinliche Insolvenz“ i.S.d. Art. 1 Abs. 1 lit. a) EuRRL vorliegt, richtet sich also nach dem Recht des Staates, in dem der COMI des Schuldnerunternehmens belegen ist. Nach Art. 7 Abs. 2 Satz 2 lit. f) EuInsVO bestimmt das Insolvenzstatut ferner, wie sich die Eröffnung des Verfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger auswirkt. Mithin ist auch das Moratorium281 unter diese Tatbestandsvariante zu subsumieren.282 2. Annahme und Wirkungen des Restrukturierungsplans Etwas schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob auch die Annahmevoraussetzungen und rechtlichen Wirkungen des Restrukturierungsplans dem Insolvenzstatut unterfallen. Art. 7 Abs. 2 Satz 2 lit. j) EuInsVO legt fest, dass das Insolvenzstatut auch die Voraussetzungen und Wirkungen der Beendigung des Verfahrens durch Vergleich umfasst. Unter diese Alternative fällt der deutsche Insolvenzplan.283 Damit entscheidet das Insolvenzstatut über das Verfahren, also insbesondere auch darüber, welche Gläubiger stimmberechtigt und welche Mehrheiten für die Annahme des Insolvenzplans erforderlich sind.284 Es erscheint richtig, diese Rechtsauffassung auch auf die Vorschriften zum Restrukturierungsplan zu übertragen. Dafür spricht, dass der Restrukturierungsplan dem Institut des Insolvenzplans des deutschen Rechts im Wesentlichen entspricht.285 Prinzipielle Unterschiede, die sich für eine andere Qualifikation ins Feld führen ließen, sind nicht ersichtlich. Mithin unterliegt das Verfahren zur Annahme eines Restrukturierungsplans dem Restrukturierungsstatut; danach bemessen sich insbesondere die zur Annahme erforderlichen Mehrheiten. Insofern ergeben sich keine Probleme.

280 Die Eröffnungsgründe zählen zu den Eröffnungsvoraussetzungen i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 EuInsVO. Siehe etwa Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 7, Rn. 8; Kemper, ZIP 2001, 1609, 1612. 281 Art. 6 EuRRL. Im deutschen Recht sog. „Stabilisierungsanordnung“ nach § 49 StaRUG. 282 Knof, in: Uhlenbruck, Art. 7 EuInsVO, Rn. 73: „Auswirkungen der Verfahrenseröffnung können […] die Unzulässigkeit oder das Verbot der Rechtsverfolgungsmaßnahmen […] sein.“ 283 Vgl. etwa: Paulus, NZI 2001, 505, 513; Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 7, Rn. 58; Knof, in: Uhlenbruck, Art. 7 EuInsVO, Rn. 89; Fehrenbach, ZIP 2014, 2485, 2488; Werner, Der Insolvenzplan im Anwendungsbereich der EuInsVO, S. 127 ff. 284 Thole, in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 40, Rn. 22 ff., 25. 285 Vgl. Madaus, in: Flöther, Sanierungsrecht, F., Rn. 167 ff.; Kayser, ZIP 2017, 1393, 1399. Thole, in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 40, Rn. 71: „deutliche Parallelen“.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

a) Problemfall: Gesellschaftsrechtliche Wirkungen des Plans Die lex fori concursus erfasst dem Wortlaut der lit. j) nach auch die Wirkungen der Beendigung des Insolvenzverfahrens. Damit ist klargestellt, dass auch die Rechtsfolgen eines bestätigten Plans nach Verfahrensbeendigung der lex fori concursus unterliegen.286 Zu Schwierigkeiten kann diese Vorschrift dann führen, wenn im bestätigten Restrukturierungsplan gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen vorgesehen sind. Dies ist nach der EuRRL zumindest möglich. Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 EuRRL sieht vor, dass auch Anteilsinhaber eines Schuldnerunternehmens zu den betroffenen Parteien eines Restrukturierungsverfahrens gehören können, ihre Anteile mithin potentiell in das Restrukturierungsverfahren einbezogen sind.287 Der deutsche Gesetzgeber hat diese Umsetzungsoption genutzt. So ist in § 7 Abs. 4 Satz 1 StaRUG bestimmt, dass Restrukturierungsforderungen im Verfahren in Anteilsrechte gewandelt werden können. Gem. § 7 Abs. 4 Satz 5 StaRUG kann in einem Restrukturierungsplan sogar jede Regelung getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist. Eine Veränderung der Kapitalstruktur einer Gesellschaft durch einen Restrukturierungsplan könnte mithin zu den „Wirkungen“ der Verfahrensbeendigung i.S.d. lit. j) gezählt werden und damit der lex fori concursus unterstehen. Dies bedeutete eine Verdrängung der Entscheidungsgremien der Kapitalgesellschaft durch den Gläubigerausschuss.288 Mit Annahme des Restrukturierungsplans unter Einhaltung der lex fori concursus könnte die betreffende Maßnahme als beschlossen gelten und wäre dann vom zuständigen Handelsregister einzutragen.289 b) Lösungsansätze Wie die Veränderung der Kapitalstruktur einer Gesellschaft im Restrukturierungsplan kollisionsrechtlich zu beurteilen ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst ist fraglich, ob eine restrukturierungsbedingte Veränderung der Gesellschaftsstruktur grundsätzlich überhaupt unter Art. 7 EuInsVO zu fassen, also restrukturierungsrechtlich zu qualifizieren ist. Dies ist prima facie zumindest nicht zwingend, wie ein Blick in Art. 7 Abs. 2 Satz 2 lit. k) EuInsVO zeigt. Danach unterstehen der lex fori concursus die Rechte der Gläubiger nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, obwohl sich diese Rechtsfolge strenggenommen bereits aus

286

Vgl. Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 7 EuInsVO, Rn. 44. Veder, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 2 EuRRL, Rn. 15; Cranshaw, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar EuRRL, Art. 2 EuRRL, Rn. 15. 288 Vgl. Korch, ZIP 2020, 446, 447 ff. 289 Unstreitig überlagert die lex fori concursus jedenfalls die registerrechtlichen Vorschriften nicht. Vgl. etwa Piekenbrock, NZI 2012, 905, 911 f.; Thole, in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 40, Rn. 51; Kuntz, ZGR 2014, 649, 680, 689; Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 7 EuInsVO, Rn. 21. 287

E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO

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lit. j) herleiten lässt.290 Insofern ließe sich e contrario schließen, dass die Rechte der Anteilsinhaber nach Beendigung des Verfahrens weiter dem Gesellschaftsstatut zugeordnet sind. Die EuRRL hilft bei der Lösung dieser Frage nicht weiter. Bereits die Einbeziehung von Anteilsinhabern in das Restrukturierungsverfahren ist von der Richtlinie nicht zwingend vorgesehen.291 Die Mitgliedstaaten haben gem. Art. 12 Abs. 2 EuRRL einzig sicherzustellen, dass Anteilsinhaber die Annahme eines Restrukturierungsplans nicht grundlos verhindern können. In welcher Form die Mitgliedstaaten diese Problematik aber adressieren und für den Restrukturierungsfall vom Gesellschaftsrecht abweichende Vorschriften implementieren müssen, ist von der Richtlinie in keiner Weise determiniert.292 Die für die Qualifikation erforderliche Berücksichtigung des funktionalen Zusammenhangs im Regelungsgefüge,293 hängt deshalb maßgeblich von der konkreten Umsetzung in das nationale Recht ab. Für das deutsche StaRUG-Verfahren ist demnach die Auslegung der Formulierung „gesellschaftsrechtlich zulässig“ in § 7 Abs. 4 Satz 5 StaRUG wegweisend. Hier sind zwei Auslegungsvarianten denkbar.294 Einerseits könnte die Formulierung auf den numerus clausus des Gesellschaftsrechts zielen und mithin klarstellen, dass auch die Gestaltungen im Restrukturierungsplan dem gesellschaftsrechtlichen Typenzwang unterliegen. Andererseits lässt sich die Wendung aber auch als Rechtsgrundverweis verstehen, sodass im Restrukturierungsplan beschlossene Maßnahmen noch gesellschaftsrechtlich umzusetzen wären. Im letzteren Falle müsste man den Restrukturierungsplan als Vertrag auffassen, der die Gesellschafter lediglich verpflichtet, die beschlossenen Änderungen gesellschaftsrechtlich umzusetzen. c) Zwischenergebnis Grundsätzlich unterstehen das Annahmeverfahren und die Wirkungen eines bestätigten Restrukturierungsplans der lex fori concursus, wie aus Art. 7 Abs. 2 Satz 2 lit. j) EuInsVO zu entnehmen ist. Schwierigkeiten ergeben sich aber, wenn im Plan gesellschaftsrechtliche Maßnahmen beschlossen wurden. Hier ist unklar, ob diese auch zu den Wirkungen der Planbestätigung zu zählen sind und mithin dem Restrukturierungsstatut unterfallen oder aber dem Gesellschaftsstatut zuzuschlagen sind. Um die aufgeworfene Frage letztgültig zu klären, bedarf es vertiefter Befassung mit der Abgrenzung von Restrukturierungs- und Gesellschaftsstatut. Zudem ist die konkrete Ausgestaltung im nationalen Recht maßgeblich, da die EuRRL keine verbindlichen Maßgaben enthält. Exemplarisch soll daher auf § 7 Abs. 4 StaRUG eingegangen werden. 290

So auch Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 7 EuInsVO, Rn. 44. Siehe dazu Fn. 287. Vgl. auch Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 EuRRL. 292 Zu diesem Aspekt sowie denkbaren Lösungsansätzen im nationalen Recht Garcimartin, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 12, Rn. 10 ff. 293 Zu den dogmatischen Grundlagen der Qualifikation oben E. II. 294 Dazu etwa Skauradszun, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 2, Rn. 85 ff. 291

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

3. Zusammenfassung Es konnte gezeigt werden, dass die Zugangsvoraussetzungen zum Restrukturierungsverfahren, die Wirkungen des Moratoriums und das Abstimmungsverfahren des Restrukturierungsplans restrukturierungsrechtlich zu qualifizieren sind und mithin der lex fori concursus unterstehen. Vertiefter Auseinandersetzung bedarf allerdings die Frage, ob gesellschaftsrechtliche Maßnahmen im Restrukturierungsplan nach restrukturierungsrechtlichen Vorschriften getroffen werden können oder an den Voraussetzungen lex societatis zu messen sind. Auch bleibt noch zu klären, welcher Rechtsordnung etwaige speziell restrukturierungsrechtliche Haftungsvorschriften unterstehen.

IV. Abgrenzung zum Gesellschaftsstatut Die Untersuchung, ob gesellschaftsrechtliche Maßnahmen und restrukturierungsrechtliche Haftungsmechanismen der lex societatis oder der lex fori concursus unterstehen, wird exemplarisch anhand der Vorschriften des StaRUG behandelt, da die EuRRL insofern nur Umsetzungsoptionen und mithin keine hinreichend konkreten Vorgaben enthält. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 5 StaRUG können im Restrukturierungsverfahren alle Maßnahmen getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig sind. Exemplarisch nennt § 7 Abs. 4 Satz 3 StaRUG Kapitalmaßnahmen, die für ein Restrukturierungsverfahren sicherlich die größte Bedeutung haben.295 Mit § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG hat der Gesetzgeber zudem eine Vorschrift eingeführt, nach der die Geschäftsführer für eine Verletzung von Sorgfaltspflichten im Restrukturierungsverfahren gegenüber der Schuldnergesellschaft haften.296 Die Frage der Reichweite des Gesellschaftsstatuts wird nun beispielhaft anhand dieser Normen untersucht. 1. Ausgangspunkt: Reichweite des Gesellschaftsstatuts Um eine Abgrenzung zwischen Restrukturierungsstatut und Gesellschaftsstatut vornehmen zu können, ist im Ausgangspunkt die Befassung mit der Frage erforderlich, welche Aspekte im Grundsatz der lex societatis unterstehen. Da es vorliegend um die Auslegung des Art. 7 EuInsVO geht und mithin eine autonome Qualifikation vorzunehmen ist, kommt es darauf an, welche Fragen im europäischen Recht typischerweise dem Gesellschaftsstatut zugeordnet werden. Gewichtige Indizien dafür können dem europäischen Sekundärrecht entnommen werden.297 So enthält Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO eine Bereichsausnahme für 295 Fridgen, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 7, Rn. 59: „[…] weil die Aufbringung von Eigenkapital nicht selten ein wichtiger Bestandteil für eine erfolgreiche Restrukturierung ist“. 296 Für Einzelheiten siehe etwa Riedemann, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43, Rn. 22 ff.; Kuntz, ZIP 2021, 597 ff.; Bitter, ZIP 2021, 321 ff. 297 Magnus, in: Staudinger, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 80; Kindler, in: MüKo BGB, Art. 7 EuInsVO, Rn. 13; Mock, in: BeckOK InsO, Art. 7 EuInsVO, Rn. 71.

E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO

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das Gesellschaftsrecht, in der exemplarisch aufgeführt ist, welche Aspekte als davon umfasst gelten. Daraus lässt sich schlussfolgern, welche Fragen nach dem Verständnis des europäischen Gesetzgebers grundsätzlich dem Gesellschaftsstatut unterstehen.298 Dazu gehören sämtliche Fragen der inneren Verfassung einer Gesellschaft. Darunter sind etwa Kapital- und Strukturmaßnahmen und auch die Übertragung von Gesellschaftsanteilen zu fassen.299 Die für ein Restrukturierungsverfahren besonders relevanten und in § 7 Abs. 4 StaRUG angelegten gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen sind danach im Grundsatz dem Gesellschaftsstatut zuzuschlagen. Auch aus der SE-VO lässt sich ein Argument für die Qualifikation der Haftungsvorschrift § 43 StaRUG herleiten. Art. 51 SE-VO ordnet eine Haftung der Mitglieder des Leitungsorgans für Pflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft an. Der Europäische Gesetzgeber scheint daher davon auszugehen, dass die Haftung der Geschäftsleiter gegenüber ihrer Gesellschaft für Pflichtverletzungen im Grundsatz der lex societatis untersteht. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit einer Qualifikation aus der Warte des deutschen Rechts. Danach ist das Gesellschaftsstatut Einheitsstatut, dem sämtliche Fragen von der Gründung bis zur Liquidation einer Gesellschaft zugeordnet sind.300 Der BGH formulierte treffend, dass das Gesellschaftsrecht bestimme, „unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaft entsteht, lebt und vergeht.“301 Mithin lässt sich festhalten, dass die in § 7 Abs. 4 StaRUG angelegten Maßnahmen sowie die Frage der Haftung von Geschäftsleitern gegenüber der Gesellschaft im Grundsatz gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren sind. 2. Insolvenzrechtliche Qualifikation Der Eintritt der materiellen Insolvenz ist ein „Wendepunkt“ für die Kapitalgesellschaft.302 Die Haftungsbeschränkung erfordert eine Ausrichtung an den Interessen der Gläubiger, sobald nicht mehr genügend Kapital zur Deckung aller ausstehenden Gesellschaftsverbindlichkeiten zur Verfügung steht.303 Ab diesem 298 Etwa Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 419: „Aus Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO, der die Rechtsverhältnisse von Außengesellschaften aus dem Anwendungsbereich des Internationalen Vertragsrechts in der Rom I-VO ausnimmt, kann e contrario die Reichweite des Gesellschaftsstatuts abgeleitet werden.“ 299 Vgl. Paulus, in: BeckOGK, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 114; Magnus, in: Staudinger, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 85; Kieninger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 20. 300 Etwa Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 16; Kegel/Schurig, IPR, § 17 II. 2.; v. Bar/ Mankowski, IPR, Bd. 2, Rn. 634 ff.; Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 420; Eisenhardt/ Wackerbarth, Gesellschaftsrecht I, § 1, Rn. 15. 301 BGH, Urt. v. 11. Juli 1957 – II ZR 318/55, II. 2., BGHZ 25, 134, 144, NJW 1957, 1433, 1434. 302 Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 15. 303 Vgl. Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 15a, Rn. 1 ff.; Klöhn, in: MüKo InsO, § 15a, Rn. 19.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

Zeitpunkt werden die gesellschaftsrechtlichen Regelungen daher vom Insolvenzrecht überlagert,304 dessen Ziel es ist, die Haftungsmasse für die Gläubiger zu erhalten.305 Die Leitungsmacht der Gesellschaftsorgane wird suspendiert, um ein risikobehaftetes Weiterwirtschaften zu Lasten der Gläubiger zu verhindern.306 Stattdessen wird die Verwaltung des Schuldnervermögens vom Insolvenzverwalter ausgeübt;307 im Übrigen gilt das Prinzip der Gläubigerautonomie.308 Diese in allen Rechtsordnungen mehr oder weniger deutlich anzutreffende Zäsur muss selbstverständlich im Rahmen der Qualifikation ihre Berücksichtigung finden, denn wie die Gesellschaft „fortlebt“ oder ob sie „vergeht“, hängt nun vom Insolvenzrecht ab. a) Von Gourdain./.Nadler zu Kornhaas./.Dithmar Entsprechend grundsätzliche Erwägungen lassen sich auch in einigen wegweisenden EuGH-Entscheidungen betreffend die Auslegung des Begriffs „Insolvenzrecht“ wiederfinden. Zuerst befasste sich der EuGH in der Rechtssache Gourdain./.Nadler mit der Abgrenzung von allgemeinem Zivilrecht und Insolvenzrecht.309 In diesem Fall war zu entscheiden, ob eine Klage gegen einen faktischen Geschäftsführer auf Zahlung zur Insolvenzmasse310 als Zivil- und Handelssache gem. Art. 1 Abs. 1 EuGVÜ zu begreifen oder diese Streitigkeit unter die Bereichsausnahme betreffend Konkurse zu fassen sei. Der EuGH entschied, dass zur Abgrenzung darauf abzustellen sei, ob der geltend gemachte Anspruch unmittelbar aus dem Konkursverfahren hervorgeht oder in einem engen Zusammenhang damit steht.311 304 Vgl. K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 99 f.; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 69, Rn. 3; H. F. Müller, in: MüKo GmbHG, § 64, Rn. 98; ders., in: Jaeger, InsO, § 35, Rn. 147 f. Nach a.A. werden die gesellschaftsrechtlichen Regelungen im Insolvenzfall nur „verdrängt“ und nicht überlagert. Etwa BGH, Urt. v. 14. Februar 2019 – IX ZR 149/16, Rn. 26, ZIP 2019, 666, 669; Koch, in: MüKo AktG, § 262, Rn. 12. Die Auswirkungen der Diskussion sind indes gering. Vgl. Haas, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 60, Rn. 42: „müßig“. 305 Vgl. Prütting, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 1, Rn. 28 ff. 306 Klöhn, in: MüKo InsO, § 15a, Rn. 35. 307 Vgl. § 80 Abs. 1 InsO. Dazu etwa Ries, in: MüKo InsO, § 56, Rn. 57 ff.; Prütting, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Einl., Rn. 78; Webel, in: Graf-Schlicker, InsO, § 80, Rn. 16 ff. 308 Dazu Pape/Reichelt/Schultz/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 12, Rn. 11 ff. Grundsätzliche Entscheidungen im Verfahren sind danach den Gläubigern zugewiesen. Eine besonders starke Ausprägung erfährt dieses Prinzip im Eigenverwaltungsverfahren. Vgl. dazu Kern, in: MüKo InsO, Vorb. §§ 270–285, Rn. 27 ff. 309 Konkret ging es um die Auslegung des Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ, der „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“ vom Anwendungsbereich ausnahm. Der Begriff Konkurs lässt sich aber unter den Oberbegriff Insolvenz fassen. Dazu Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Auflage, Bd. II, § 1, Rn. 1.4. 310 Verfahrensgegenständlich war die französische „Action en comblement de passif social“. Nunmehr geregelt in Art. L. 651–2 Code de Commerce. 311 EuGH, Urt. v. 22. Februar 1979 – Rs. C-133/78, Henri Gourdain./.Franz Nadler, ECLI:EU:C:1979:49, Rn. 4.

E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO

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Indizien dafür seien etwa die Geltendmachung eines Anspruchs durch den Insolvenzverwalter, der Zweck der Haftungsmaximierung zu Gunsten der Gläubigergesamtheit oder aber auch das Abweichen vom „allgemeinen Haftungsrecht“.312 Im Ergebnis kommt es danach also auf die „insolvenzrechtliche Prägung“ der Rechtsfigur an.313 Diese Grundsätze hat der EuGH in späteren Entscheidungen bestätigt und weiter präzisiert. Etwa findet sich in den Urteilen Seagon./.Deko Marty und FTex./.Lietuvos-Anglijos der Gedanke wieder, dass eine insolvenzrechtliche Klage unmittelbar aus dem Verfahren hervorgehen oder jedenfalls in engem Zusammenhang damit stehen müsse.314 In den Entscheidungen Nickel & Goeldner./.Kintra sowie H./.H.K. wird erneut der Tatsache, dass eine Vorschrift aus Gründen der materiellen Insolvenz von allgemeinen Vorschriften des Zivil- und Handelsrechts abweiche, maßgebliche Bedeutung beigemessen.315 Zuletzt hatte sich der EuGH im Fall Kornhaas./.Dithmar mit dieser Abgrenzungsproblematik auseinanderzusetzen. Verfahrensgegenständlich war die Frage, ob die Geschäftsführerin einer in einem deutschen Insolvenzverfahren befindlichen Limited aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F.316 auf Ersatz von Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife in Anspruch genommen werden konnte. Es kam also darauf an, ob der Anspruch dem Gesellschaftsstatut oder dem Insolvenzstatut zuzuordnen ist. Unter Rückgriff auf die vorstehend dargelegten Grundsätze qualifizierte der EuGH den Anspruch insolvenzrechtlich, da er in engem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren stehe und von allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftungsinstituten abweiche.317 Auch hier argumentiert der EuGH funktional und stellt fest, dass der Ersatzanspruch der Durchsetzung der Insolvenzantragspflicht und der Sicherung der Insolvenzmasse diene und deshalb dem Insolvenzstatut zuzuschlagen sei.318 312 EuGH, Urt. v. 22. Februar 1979 – Rs. C-133/78, Henri Gourdain./.Franz Nadler, ECLI:EU:C:1979:49, Rn. 5. 313 Haubold, IPRax 2002, 157, 162. Zustimmend Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 259. 314 EuGH, Urt. v. 12. Februar 2009 – Rs. C-339/07, Christopher Seagon./.Deko Marty Belgium NV, ECLI:EU:C:2009:38, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 19. April 2012 – Rs. C-213/10, F-Tex SIA./.Lietuvos-Anglijos UAB „Jadecloud-Vilma“, ECLI:EU:C:2012:215, Rn. 27. 315 EuGH, Urt. v. 4. September 2014 – Rs. C-157/13, Nickel & Goeldner Spedition GmbH./.„Kintra“ UAB, ECLI:EU:C:2014:2145, Rn. 24, 27; EuGH, Urt. v. 4. Dezember 2014 – Rs. C-295/13, H./.H.K., ECLI:EU:C:2014:2410, Rn. 21–23. 316 Seit dem 1. November 2008 § 64 Satz 1 GmbHG. Zum 1. Januar 2021 aufgehoben durch Art. 16 Nr. 2 SanInsFoG. Das Zahlungsverbot ist mit Art. 5 Nr. 9 SanInsFoG durch Einführung des neuen § 15b InsO nunmehr rechtsformneutral geregelt. Siehe dazu etwa Thole, BB 2021, 1347, 1352 ff.; Baumert, NZG 2021, 443 ff. 317 EuGH, Urt. v. 10. Dezember 2015 – Rs. C-594/14, Simona Kornhaas./.Thomas Dithmar, ECLI:EU:C:2009:669, Rn. 16 ff. 318 EuGH, Urt. v. 10. Dezember 2015 – Rs. C-594/14, Simona Kornhaas./.Thomas Dithmar, ECLI:EU:C:2009:669, Rn. 18–20. Gegen die Argumentation des EuGH Mock, IPRax 2016, 237, 239 ff.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

b) Konsequenz Die vorstehenden Untersuchungen zeigen, dass einer insolvenzrechtlichen Qualifikation alle Rechtsinstrumente zuzuführen sind, die Ausprägung der materiellen Insolvenz als „Wendepunkt“319 in der Existenz der Kapitalgesellschaft sind, die also speziell insolvenzrechtlichen Zwecken dienen. Auch der EuGH hat eine solche teleologische Betrachtung vorgenommen. Die Frage nach der Abweichung von allgemeinen Instituten des Zivilrechts bedeutet nämlich nichts anderes, als die Untersuchung anzustrengen, ob die betreffende Norm ihrem Sinn und Zweck nach auf die spezielle Interessenlage im Insolvenzverfahren zugeschnitten, ob sie also „Sonderrecht“ für den Insolvenzfall ist.320 c) Geltung für das Restrukturierungsrecht Nun stellt sich berechtigterweise die Frage, ob die obengenannten Gedanken und Judikate auf die Situation im Restrukturierungsverfahren kritiklos übertragen werden können. So betrafen die genannten EuGH-Entscheidungen sämtlich Fälle, in denen die materielle Insolvenz bereits eingetreten war. Teleologisch betrachtet, bietet dieser Zeitpunkt einen sauberen Schnitt, um das Eingreifen insolvenzrechtlicher Institute zu rechtfertigen: Die Abkehr von der Einzelzwangsvollstreckung zur kollektiven Haftungsverwirklichung ist zwingend erforderlich, wenn die Aktiva die Verbindlichkeiten nicht mehr decken, die Kapitalgesellschaft also gleichsam auf dem Rücken der Gläubiger wirtschaftet.321 Das „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ der Einzelzwangsvollstreckung muss dann der par condicio creditorum weichen, um einen ruinösen Wettlauf zur Haftungsmasse zu verhindern.322 Eine solche dogmatisch rote Linie lässt sich im Bereich des Restrukturierungsverfahrens nicht finden. Die EuRRL überlässt es gar den Mitgliedstaaten, den Zeitpunkt der „wahrscheinlichen Insolvenz“ zu bestimmen. Je früher dieser Zeitpunkt liegt, desto schwerer lässt sich eine dogmatisch tragfähige Begründung dafür finden, dass die Gesellschafter Eingriffe in ihre Rechtsstellung zu dulden haben. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass mit der EuRRL eine rechtspolitische Entscheidung getroffen worden ist.323 Mit dem Restrukturierungsverfah319

Formulierung nach Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 15. Kritisch zu einer Qualifikation im Grenzbereich zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht, die anhand teleologischer Kriterien vorgenommen wird, Fehrenbach, ZIP 2014, 2485, 2488 ff. Stattdessen wird vorgeschlagen, auf die Eigenheiten der insolvenzrechtlichen Kollisionsregel abzustellen. Im Ergebnis handelt es sich aber auch dabei um eine teleologische Herangehensweise. 321 Vgl. Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Auflage, Bd. II, § 1, Rn. 1.2. 322 Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Auflage, Bd. II, § 1, Rn. 1.2; Hirte, in: Uhlenbruck, § 15a InsO, Rn. 1 ff. 323 So auch Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 676: Mit dem StaRUG sei die „rechtspolitische Entscheidung gefallen, auch bei der vorinsolvenzlichen Sanierung die Anteilsrechte in das Restrukturierungsplanverfahren einzubeziehen“. 320

E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO

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ren wird das Ziel verfolgt, Unternehmensinsolvenzen zur Stützung des Binnenmarktes zu verhindern. Dazu werden die Eingangsvoraussetzungen in das Verfahren abgesenkt. „Wendepunkt“324 ist nunmehr bereits die wahrscheinliche Insolvenz. Nun werden bereits ab diesem Zeitpunkt die Rechte der Gläubiger zu Lasten der Eigentümer gestärkt, obwohl die Gesellschaftsanteile formell noch nicht entwertet sind, eine Entwertung aber bereits „droht“. Die EuGH-Rechtsprechung lässt sich deshalb auch auf die Qualifikation restrukturierungsrechtlicher Elemente übertragen, handelt es sich doch bloß um eine teleologische Vorgehensweise. Nunmehr müssen die besonderen Zwecke der EuRRL als neues rechtspolitisches Desiderat berücksichtigt werden. Damit ist eine Norm dann restrukturierungsrechtlich zu qualifizieren, wenn es sich um „Sonderrecht“ zum Zwecke der Insolvenzvermeidung handelt. d) Zusammenfassung Das Vorstehende lässt sich wie folgt zusammenfassen: Ausgangspunkt einer Qualifikation im Grenzbereich zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht muss die Frage sein, welche Aspekte im Grundsatz überhaupt dem Gesellschaftsstatut zuzuordnen sind. Hier ist gezeigt worden, dass das Gesellschaftsstatut „Einheitsstatut“ ist, dem sämtliche Rechtsfragen betreffend das Innen- und Außenverhältnis der Gesellschaft unterstehen. Eine autonome Qualifikation ergibt, dass im europäischen Recht sämtliche gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen sowie die Haftung der Geschäftsleiter gegenüber der Gesellschaft im Normalfall dem Gesellschaftsstatut unterstehen. Abweichend davon muss jedoch dann insolvenz- bzw. restrukturierungsrechtlich qualifiziert werden, wenn die betreffende Norm von allgemeinen Vorschriften abweicht, um den Zwecken des Insolvenz- oder des Restrukturierungsverfahrens zur Durchsetzung zu verhelfen. 3. Übertragung der Grundsätze Die EuRRL enthält hinsichtlich gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen und der Haftung der Geschäftsleiter im Verfahren nur sehr unkonkrete Vorschriften, weil den Mitgliedstaaten insofern große Umsetzungsspielräume verbleiben. Aus diesem Grund vermag die vorliegende Arbeit eine allgemeingültige Antwort darauf, wie Vorschriften eines Restrukturierungsverfahrens mit gesellschaftsrechtlichem Bezug nach der EuRRL international-privatrechtlich zu qualifizieren sind, nicht zu geben.325 Die vorstehend ausgearbeiteten Grundsätze zur Qualifikation werden deshalb nun auf die Vorschriften der § 7 Abs. 4 und § 43 Abs. 1 StaRUG angewendet, die in Deutschland in Umsetzung der EuRRL erlassen wurden. Die Untersuchungsergebnisse können zumindest Anhaltspunkte dafür bieten, wie vergleichbare Vorschriften anderer Rechtsordnungen qualifiziert werden könnten. 324 325

Formulierung nach Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 15. Dazu bereits oben E. III. 2. b).

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

a) Eingriff in Gesellschafterrechte § 7 Abs. 4 Satz 1 StaRUG legt fest, dass Restrukturierungsforderungen in Anteilsrechte umgewandelt werden können. Die Norm dient dazu, einen debt-equity-swap im Restrukturierungsverfahren zu ermöglichen.326 Darüber hinaus kann nach § 7 Abs. 4 Satz 5 StaRUG im Restrukturierungsplan jede Maßnahme getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist. Diese Vorschrift wäre dem Restrukturierungsstatut zuzuschlagen, wenn sie von allgemeinen Vorschriften abweicht, um den Zwecken des Restrukturierungsverfahrens zur Durchsetzung zu verhelfen.327 Deshalb muss untersucht werden, welche Wirkung dieser Norm im nationalen Recht beizumessen ist. aa) Verweis auf das Gesellschaftsrecht? Dem Wortlaut nach wäre es möglich, § 7 Abs. 4 Satz 5 StaRUG als Rechtsgrundverweis auf das Gesellschaftsrecht zu deuten.328 „Gesellschaftsrechtlich zulässig“ würde demnach heißen, dass die Voraussetzungen des Gesellschaftsrechts auch im Restrukturierungsverfahren einzuhalten sind.329 Dann aber erübrigte sich das skizzierte Spannungsfeld, da unabhängig von der internationalprivatrechtlichen Qualifikation stets die Voraussetzungen des anwendbaren Gesellschaftsrechts zu wahren wären. Zur Auslegung kann auf § 225a Abs. 3 InsO zurückgegriffen werden. In dieser Norm findet sich die wortgleiche Formulierung zur Zulässigkeit gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen im Insolvenzplan.330 Auch hier ist strittig, ob es sich dabei um einen Gesamtverweis auf das Gesellschaftsrecht handelt oder einzig um den Hinweis, dass der numerus clausus des Gesellschaftsrechts auch im Insolvenzverfahren gilt.331 Weit überwiegend wird angenommen, dass letzteres zuträfe und die Wirksamkeit jeder gesellschaftsrechtlichen Maßnahme, soweit sie insolvenzrechtlich besonders geregelt ist, nach diesen insolvenzrechtlichen Regelungen zu beurteilen sei.332 Hat der Gesetzgeber also in Anbetracht dieser in Literatur und

326 Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 7, Rn. 23; Smid, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 7, Rn. 111; Böhm, in: Braun, StaRUG, § 7, Rn. 17; Fridgen, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 7, Rn. 65. 327 Siehe oben E. IV. 2. d). 328 So zur wortgleichen Formulierung in § 225a Abs. 3 InsO etwa Simon/Merkelbach, NZG 2012, 121, 125. 329 Ebd. 330 § 225a Abs. 3 InsO lautet wörtlich: „Im Plan kann jede Regelung getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist, insbesondere die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft oder die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten.“ 331 Vgl. dazu Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 232 ff. 332 Aus der Rspr. etwa OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 1. Oktober 2013 – 5 U 145/13, ZIP 2013, 2018, 2019 ff. Aus der Literatur etwa Eidenmüller, in: MüKO InsO, § 225a, Rn. 76 ff.; ders., NJW 2014, 17 ff.; Spliedt, in: K. Schmidt, InsO, § 225a, Rn. 35 ff.; Thole, ZIP 2013, 1937, 1940 ff, ders., Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 232 ff.; Gei-

E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO

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Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung im neuen StaRUG die wortgleiche Passage eingeführt, lässt das darauf schließen, dass er ebendiese Rechtsfolge anordnen wollte.333 Die Zulässigkeit gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen im Restrukturierungsverfahren bemisst sich daher nach den leges speciales im StaRUG. Für die Vornahme etwa einer Kapitalmaßnahme tritt im Restrukturierungsverfahren der Gläubigerausschuss an die Stelle der ansonsten zuständigen Entscheidungsgremien der Gesellschaft.334 Insofern ist mit § 7 Abs. 4 StaRUG eine Überlagerung des Gesellschaftsrechts bewirkt.335 Dies ist auch rechtsformneutral geschehen. Der Wortlaut beschränkt die Anwendbarkeit nicht auf bestimmte Gesellschaftsformen; mithin können auch Auslandsgesellschaften Adressaten der Norm sein. bb) Restrukturierungsrechtliche Qualifikation Die Möglichkeit, im Restrukturierungsplan gesellschaftsrechtliche Maßnahmen treffen zu können, die mit Annahme des Plans zur Wirksamkeit gelangen, wird mit dem Ziel gewährt, den Anteilseignern ihre Blockadeposition zu nehmen.336 Im Abstimmungsverfahren bilden die Anteilseigner eine eigene Abstimmungsklasse, deren Ablehnung auch gruppenübergreifend ersetzt werden kann, § 26 Abs. 1 StaRUG. Damit kann eine gesellschaftsrechtliche Maßnahme im Restrukturierungsverfahren sogar gegen den Willen der Anteilseigner durchgesetzt werden.337 Insofern sind die Vorschriften zur Einbeziehung gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen in den Restrukturierungsplan ein Paradebeispiel für restrukturierungsspezifisches Sonderrecht.338 Ab dem Zeitpunkt der „wahrscheinlichen Insolvenz“ ist es bezweckt, den Einfluss der Gesellschafter zu Gunsten der Gläubigergesamtheit zu brechen, um damit die Chancen auf eine aussichtsreiche Sanierung zu erhöhen. Diese teleologischen Erwägungen sprechen dafür, die Vor-

witz/von Danckelmann, in: BeckOK InsO, § 225a InsO, Rn. 18; a.A. etwa H. F. Müller, KTS 2012, 419, 441 ff.; Schäfer, ZIP 2014, 2417, 2418 ff. 333 Vgl. Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 676; Fridgen, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 7, Rn. 80. 334 So für § 225a Abs. 3 InsO Thole, ZIP 2013, 1937, 1940. Vgl. auch Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 7, Rn. 29 ff. 335 So auch Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 7, Rn. 35, der meint, „dass das StaRUG die gesellschaftsrechtlichen Wertungen überlagert“. 336 Fridgen, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 7, Rn. 4. 337 Vgl. auch § 2 Abs. 3 StaRUG. Dazu Skauradszun, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 2, Rn. 84 ff. 338 Vgl. Kuntz, ZGR 2014, 649, 676, der zur Restrukturierung nach deutschem Insolvenzplan festhält: „[…] aus der Gesamtschau ergibt sich, dass das materielle Insolvenzrecht das mitgliedschaftliche Stimmrecht der Anteilseigner in weitem Umfang neu formt und neu gestaltet.“ Kuntz plädiert dafür, die Kapitalherabsetzung im Insolvenzverfahren zumindest aus deutscher Perspektive insolvenzrechtlich zu qualifizieren, ebd., S. 692.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

schriften zur Einbeziehung gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen dem Restrukturierungsstatut zuzuschlagen.339 Würde gesellschaftsrechtlich qualifiziert, richtete sich die Zulässigkeit gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen nach dem Gründungsstatut der im Restrukturierungsverfahren befindlichen Auslandsgesellschaft. Ließe das Heimatrecht der Gesellschaft Eingriffe nicht oder nur unter strengeren Voraussetzungen zu, so schmälerte dies die Restrukturierungschancen und damit die Befriedigungsaussichten der Gläubiger. Dies stünde aber im Widerspruch zu den Zwecken der EuInsVO. Die Haftungsverwirklichung soll sich gerade nach dem Recht des COMI vollziehen, da die Gesellschaft zu diesem Ort die engste Verbindung hat und dieser mithin für die Gläubiger erkennbar ist.340 Diese Grundsatzentscheidung sollte nicht durch eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation zu Makulatur gemacht werden. Die Gesellschafter werden dadurch nicht über Gebühr belastet. Die Entscheidung, an welchem Ort die Gesellschaft den Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit entfaltet, liegt in ihrer Sphäre, denn im Gegensatz zu den Gläubigern haben die Gesellschafter Einfluss auf die Geschäftsführung und damit auf den COMI. Mithin unterstehen die Wirksamkeitsvoraussetzungen gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen im Restrukturierungsverfahren dem Restrukturierungsstatut. b) Haftungsfragen Schwierig zu beurteilen ist auch die Frage, wie die Haftungsvorschrift aus § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG zu qualifizieren ist. Auch hier muss zunächst das nationale Recht näher betrachtet werden. Es ist zu klären, wie sich die Norm zu den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Tatbeständen der Geschäftsleiterhaftung verhält,341 denn von der Position zu dieser Frage hängt auch das Qualifikationsergebnis ab, sofern man dieses, wie hier vorgeschlagen, maßgeblich an teleologischen Erwägungen orientiert. aa) Ausweitung der Haftung? Zunächst ist zu untersuchen, inwiefern durch § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG überhaupt eine Ausweitung der Haftung von Geschäftsleitern stattgefunden hat. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG sind die Geschäftsleiter einer juristischen Person verpflichtet darauf hinzuwirken, dass der Schuldner die Restrukturie-

339 Ebenso Thole, in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 40, Rn. 32 f.; Kuntz, ZGR 2014, 649, 692; Piekenbrock, NZI 2012, 905, 911. So im Ergebnis auch Fehrenbach, ZIP 2014, 2485, 2489 ff., allerdings mit einem etwas anderen Argumentationsstrang. Anteilsrechte würden im Restrukturierungsverfahren als Teil der Passivmasse begriffen und müssten deshalb nach insolvenzrechtlichen Verteilungsregeln modifizierbar sein. 340 Siehe oben D. II. 1. 341 Vgl. bereits oben E. IV. 3. a).

E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO

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rungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt. Mit dieser Norm ist bezweckt, die Restrukturierungspflichten des Schuldners, die in § 32 Abs. 1 Satz 1 StaRUG wortgleich niedergelegt sind, auch auf die Geschäftsleiter zur Anwendung zu bringen.342 Fraglich ist dabei, ob sich dies nicht bereits aus der allgemein-gesellschaftsrechtlichen Legalitätspflicht ergibt, die etwa in § 43 Abs. 2 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 AktG normiert ist.343 Richtigerweise erfolgt durch § 32 Abs. 1 Satz 1 StaRUG eine Definition des Sorgfaltsmaßstabs im Restrukturierungsverfahren.344 Es lässt sich zwar argumentieren, dass dessen Einhaltung bereits über die Legalitätspflicht sichergestellt ist und der Norm § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG damit allein eine klarstellende Funktion zukommt.345 Eine Ausweitung der Haftung hat aber insoweit stattgefunden, als in § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG nunmehr eine Form der Drittschadensliquidation346 angeordnet ist, nach der die Geschäftsleiter im Falle einer Pflichtverletzung dem Schuldner in Höhe des den Gläubigern entstandenen Schadens haften. Diese Rechtsfolge ließe sich weder aus § 43 Abs. 2 GmbHG noch aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG herleiten, da insofern ein Schaden der Gesellschaft Voraussetzung wäre.347 bb) Qualifikation Für die Zwecke der Qualifikation folgt aus dem Zuvorgesagten, dass im Rahmen der Haftung zwischen einer Veränderung des Pflichtenkanons der Geschäftsleiter und einer Ausweitung der Haftungstatbestände zu differenzieren ist. Die Norm des § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG schafft einen Haftungstatbestand für die Geschäftsführung, indem diese nunmehr der Gesellschaft auf den durch die Verletzung der Restrukturierungspflichten entstanden Gläubigerschaden haftet. Damit dient die Norm der Durchsetzung der Gläubigerinteressen im Verfahren und kann mithin als restrukturierungsspezifisches Sonderrecht begriffen werden. Dies gilt umso mehr, als der Tatbestand die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache voraussetzt.348 Der Tatbestand des § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG ist mithin dem Restrukturierungsstatut zugehörig. 342 Riedemann, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43, Rn. 4; Bitter, ZIP 2021, 321, 332; Mock, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 43, Rn. 5 f. 343 So zu verstehen, Scholz, ZIP 2021, 219, 222 ff.; Bitter, ZIP 2021, 321, 333. 344 Weber/Dömmecke, in: Braun, StaRUG, § 32, Rn. 2; Pannen, in: Pannen/Riedemann/ Smid, StaRUG, § 32, Rn. 1 f.; Kramer, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 32, Rn. 2. 345 Gehrlein, BB 2021, 66, 75; Jungmann, ZRI 2021, 209, 212; Scholz, ZIP 2021, 219, 222 f.; Birnbreier, NZI-Beilage 1/2021, 25, 26. 346 So Scholz, ZIP 2021, 219, 225, 226. 347 Vgl. Scholz, ZIP 2021, 219, 225 f. Allenfalls könnte man, wie auch Scholz, erwägen, ob der Gläubigerschaden nicht ohnehin nur einen Reflex zur Verringerung des Gesellschaftsvermögens darstellt. Dies ist aber abzulehnen, da die Interessen von Gesellschaft und Gläubigern in der wirtschaftlichen Krise diametral entgegenstehen können. 348 Riedemann, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43, Rn. 4; Weber/Dömmecke, in: Braun, StaRUG, § 43, Rn. 5; Mock, in: BeckOK, StaRUG, § 43, Rn. 2.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

Auch die Restrukturierungspflichten des Schuldners aus § 32 Abs. 1 StaRUG und die Pflicht zur Krisenfrüherkennung aus § 1 Abs. 1 StaRUG sollten dem Restrukturierungsstatut zugeschlagen werden. Beide Normen legen Verhaltenspflichten nieder, die speziell auf das Restrukturierungsverfahren zugeschnitten sind. Wie sich die Normen im Einzelfall auf die Pflichtenbindung auswirken, braucht für die Frage der Qualifikation nicht entschieden zu werden.349 Telos der Normen ist es, einen Mindeststandard an Verhaltenspflichten im Verfahren zu garantieren.350 So stellt § 1 Abs. 3 StaRUG ausdrücklich klar, dass weitergehende Verpflichtungen nach anderen Gesetzen unberührt bleiben. Es erscheint notwendig, die Geschäftsleiter einer in einem deutschen Restrukturierungsverfahren befindlichen (Auslands-)Gesellschaft rechtsformunabhängig auf diesen Mindeststandard festzulegen, da davon maßgeblich der Erfolg des Verfahrens und damit die Befriedigungsaussichten der Gläubiger abhängen. Dies ist nur durch eine restrukturierungsrechtliche Qualifikation gewährleistet. Auch bei den Verhaltenspflichten aus §§ 1 Abs. 1, 32 Abs. 1 StaRUG handelt es sich daher um Sonderrecht, das dem Restrukturierungsstatut zuzuschlagen ist. c) Ergebnis Die Wirksamkeitsvoraussetzungen gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen unterstehen dem Restrukturierungsstatut, soweit sie im StaRUG eine spezielle Regelung erfahren haben. Auch der Haftungstatbestand des § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG ist restrukturierungsrechtlich zu qualifizieren. Das gilt auch für speziell auf das Verfahren zugeschnittene Pflichten, wie sie etwa in § 32 Abs. 1 und § 1 Abs. 1 StaRUG zu finden sind. Wesentliche Rechtsvorschriften des StaRUG, die die gesellschaftsrechtliche Verfasstheit des Schuldners betreffen, finden mithin auch auf Auslandsgesellschaften Anwendung. 4. Fazit Es konnte gezeigt werden, dass maßgebliche Vorschriften des StaRUG betreffend die Schuldnergesellschaft der lex fori concursus unterstehen. Damit finden diese Vorschriften auch auf eine Auslandgesellschaft Anwendung, die sich in einem in Deutschland anhängigen Restrukturierungsverfahren befindet. Die Gesellschafter und Geschäftsführer müssen sich also auch auf solche Vorschriften des StaRUG einstellen, die die Binnenverfasstheit ihrer Gesellschaft betreffen, sofern sich der COMI in Deutschland befindet. Dies erscheint deshalb billig, da beide Parteien – im Gegensatz zu den Gläubigern – Einfluss auf die Belegen349 So ist umstritten, ob sich aus einer Gesamtschau der §§ 32 Abs. 1, 43 Abs. 1 StaRUG ein sog. shift of fiduciary duties ergibt. Dafür etwa Bitter, ZIP 2021, 321, 333 f. Dagegen etwa Scholz, ZIP 2021, 219, 222 f. Siehe zum Ganzen auch Desch/Hochdorfer, in: Desch, § 6, Rn. 21. 350 Vgl. Mock, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 43, Rn. 2; Kuntz, ZIP 2021, 597, 603 ff.

E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO

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heit des COMI nehmen können. Gleichzeitig führt dieses Qualifikationsergebnis aber auch dazu, dass es deutschen Gesellschaften ermöglicht ist, sich den Vorschriften des StaRUG zu entziehen, sofern sie den COMI in einen anderen europäischen Mitgliedstaat verlegen. Die rechtlichen Hürden dafür hat der EuGH mit seinen wegweisenden Urteilen zur Niederlassungsfreiheit jedenfalls sukzessive abgebaut.

V. Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit Weiterhin ist zu untersuchen, ob die soeben vorgenommene Qualifikation im Einklang mit dem europäischen Primärrecht steht, denn die international-privatrechtliche Qualifikation entbindet nicht von der Beachtung der Grundfreiheiten.351 Insofern ist fraglich, ob nicht die Anwendung ausländischen Restrukturierungsrechts die Gesellschaft in ihrer Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt. Die Art. 49, 54 AEUV verbieten, Gesellschaften eines Mitgliedstaates bei der freien Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat zu beschränken. Immerhin könnte die Aussicht, im Falle der wahrscheinlichen Insolvenz dem ausländischen Restrukturierungsrecht ausgesetzt zu sein, die wirtschaftliche Betätigung im europäischen Ausland weniger attraktiv erscheinen lassen.352 Wichtige Erkenntnisse lassen sich hier aus dem bereits aufgegriffenen Urteil des EuGH Kornhaas./.Dithmar gewinnen, in dem der EuGH zur Vereinbarkeit der Anwendung inländischen Insolvenzrechts auf eine Auslandgesellschaft mit der Niederlassungsfreiheit erstmals Stellung bezog.353 1. Schutzbereich Zunächst müsste in der vorliegenden Fragestellung der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit überhaupt eröffnet sein. Diesem unterfallen alle Gesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates wirksam gegründet worden und im Binnenmarkt ansässig sind.354 Die Ansässigkeit setzt eine Belegenheit der Hauptverwaltung, des Satzungssitzes oder der Hauptniederlassung innerhalb der

351 Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 28: „Unabhängig davon, auf welchem Weg man kollisionsrechtlich zum deutschen Recht gelangt, muss auf der zweiten Ebene sichergestellt sein, dass seine Anwendung auf die Auslandsgesellschaft mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist.“ Siehe auch Mankowski, NZG 2016, 281, 284: „Ob eine bestimmte Frage insolvenz- oder gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren ist, ist aus Sicht der Niederlassungsfreiheit eigentlich unerheblich.“ Ferner Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 508; Bitter, WM 2004, 2190, 2191; Eidenmüller, RabelsZ 70 (2006), 474, 481. 352 Nach den EuGH-Urteilen Kraus und Gebhard genügt dies für eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Näheres dazu sogleich, Fn. 360. 353 EuGH, Urt. v. 10. Dezember 2015 – Rs. C-594/14, Simona Kornhaas./.Thomas Dithmar, ECLI:EU:C:2009:669. 354 Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 54 AEUV, Rn. 14 ff.; Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 54 AEUV, Rn. 12.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

Union voraus.355 Von einem Niederlassungsvorgang ist in Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit dann auszugehen, wenn eine feste Einrichtung mit der Absicht zur dauerhaften selbstständigen wirtschaftlichen Betätigung im Zuzugsstaat errichtet wird.356 Dies ist unproblematisch jedenfalls dann erfüllt, wenn eine Verlegung des Verwaltungssitzes stattfindet.357 Vorliegend stehen Konstellationen in Rede, bei denen Gesellschaften nach dem Recht eines europäischen Staates gegründet worden sind, deren Hauptverwaltungssitz (und damit auch ihr COMI358) nicht im Gründungsstaat, sondern in einem anderen europäischen Mitgliedstaat belegen ist oder in einen solchen verlegt wird. Diese Sachverhalte fallen unproblematisch in den Schutzbereich der Art. 49, 54 AEUV. 2. Eingriff Von maßgeblicher Bedeutung ist damit die Frage, ob die Anwendung inländischen Restrukturierungsrechts überhaupt eine Beschränkung i.S.d. Art. 49 Abs. 1 AEUV darstellt. Der Beschränkungsbegriff ist hier vom EuGH ursprünglich nur als Diskriminierungsverbot verstanden, später aber sukzessive ausgeweitet worden.359 Mit den Urteilen Kraus und Gebhard hat der EuGH als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit jegliche Praxis begriffen, die geeignet ist, die wirtschaftliche Betätigung in einem Mitgliedstaat zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.360 Betrachtet man rein die oben genannte Formulierung aus den Urteilen Kraus und Gebhard, ließe sich die Anwendung inländischen Restrukturierungsrechts sehr wohl als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auffassen. Für den Fall, dass das Restrukturierungsrecht des Zuzugsstaates strengere Rechtsvorschriften für den Krisenfall – beispielsweise in Form scharfer Geschäftsführerhaftung oder weitreichender Eingriffsbefugnisse in Anteilseignerrechte – vorsieht, wären diese

355 Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 54 AEUV, Rn. 10; Forsthoff, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 54 AEUV, Rn. 14; Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 54 AEUV, Rn. 12. 356 Vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 49 AEUV, Rn. 16; Tiedje, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 49 AEUV, Rn. 9 ff.; Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 49, Rn. 11–18. 357 Vgl. etwa Kindler, in: MüKo BGB, Int. GesR, Rn. 142; Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 54, Rn. 14. 358 Zur faktischen Übereinstimmung von COMI und Verwaltungssitz siehe oben D. II. 3. c). 359 Etwa Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 49 AEUV, Rn. 88 ff.; Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 3 ff. Sehr ausführlich Steinke, Die Übertragbarkeit der Keck-Rechtsprechung des EuGH auf die Niederlassungsfreiheit, S. 142 ff. 360 EuGH, Urt. v. 31. März 1993 – Rs. C-19/92, Dieter Kraus./.Land Baden-Württemberg, ECLI:EU:C:1993:125, Rn. 32; EuGH, Urt. v. 30. November 1995 – Rs. C-55/94, Reinhard Gebhard./.Consiglio dell’Ordine degli Avvocati e Procuratori di Milano, ECLI:EU:C:1995:411, Rn. 37.

E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO

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Vorschriften sicherlich geeignet, die Niederlassung weniger attraktiv zu machen. Immerhin müssten die Anteilseigner im Falle der wahrscheinlichen Insolvenz fürchten, ihre Beteiligung am Unternehmen im Rahmen eines cram-down vollständig zu verlieren. Geschäftsführer könnten vor schärferer Haftung zurückschrecken. Dies würde dazu führen, dass es sich bei der Anwendung inländischen Restrukturierungsrechts um einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff handelte, dessen Rechtmäßigkeit anhand der im Urteil Gebhard aufgestellten Kriterien zu messen wäre.361 Eine solches Verständnis berücksichtigt allerdings nicht hinreichend, dass es sich bei den Vorschriften des Restrukturierungsrechts nicht um Normen handelt, die den Zutritt zum Markt, also den Niederlassungsvorgang als solchen, sondern erst das Verhalten am Markt nach erfolgter Niederlassung betreffen. So hat der EuGH mit der Keck-Rechtsprechung das Beschränkungsverbot im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit auf Maßnahmen begrenzt, die den Marktzugang betreffen.362 Indem unterschiedslos anwendbare Regelungen für Verkaufsmodalitäten nicht an der Warenverkehrsfreiheit gemessen wurden, stellte das Urteil klar, dass die Warenverkehrsfreiheit nur dem Abbau „spezifischer Zugangshindernisse“ aber nicht der Verwirklichung „allgemeiner wirtschaftlicher Handlungsfreiheit“ dient.363 Eine entsprechende Korrektur hat im Rahmen der Niederlassungsfreiheit jedenfalls nicht ausdrücklich stattgefunden.364 Dennoch sprechen schwerwiegende Gründe dafür, auch hier nur solche Maßnahmen als Beschränkung aufzufassen, die die Niederlassung als solche, nicht aber das Verhalten am Markt nach der Niederlassung betreffen.365 Andernfalls gestattete man der Niederlassungsfreiheit die „Generalüberprüfung der nationalen Rechtsordnung“,366 was einer 361 Nach dem Urteil EuGH, Urt. v. 30. November 1995 – Rs. C-55/94, Reinhard Gebhard./.Consiglio dell’Ordine degli Avvocati e Procuratori di Milano, ECLI:EU:C:1995:411, Rn. 37 sind entsprechende Beschränkungen nur gerechtfertigt, wenn sie vier Voraussetzungen erfüllen: 1. Anwendung in nichtdiskriminierender Weise, 2. Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls, 3. Geeignetheit und 4. Erforderlichkeit zur Zielerreichung. 362 EuGH, Urt. v. 27. November 1993 – Rs. C-267/91 und C-268/91, Keck./.Mithouard, ECLI:EU:C:1993:905 Rn. 16 f. 363 W. Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 34 AEUV, Rn. 44, gekennzeichnete Passagen sind wörtlich zitiert. Ähnlich Müller-Graff, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 34 AEUV, Rn. 250 ff. 364 Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 8: „In der Judikatur zur Niederlassungsfreiheit hat der EuGH zwar ein explizites Bekenntnis zu „Keck“ stets vermieden aber ebenfalls wiederholt auf die Erschwerung des Marktzugangs abgehoben […]“. 365 Siehe etwa Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 3, Rn. 16; ders., NJW 2005, 1618, 1621; Paefgen, ZIP 2004, 2253, 2255; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 10 f.; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 201 f. Im Ergebnis übereinstimmend, ohne aber auf eine Übertragung der Keck-Grundsätze zu rekurrieren, Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 49 AEUV, Rn. 112; ähnlich auch Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV, Rn. 60 ff. a.A. etwa Tiedje, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 49 AEUV, Rn. 111. 366 So wörtlich Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 3, Rn. 16.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

schwerwiegenden Kompetenzverschiebung zulasten der Mitgliedstaaten gleichkäme, für die sich schwerlich eine Rechtfertigung finden lässt. Nach erfolgreichem Marktzutritt ist es zumutbare „Integrationslast“, an Vorschriften des allgemeinen Verkehrsrechts gebunden zu sein.367 Es lässt sich keine plausible Begründung dafür finden, dass ein ausländischer Geschäftstreibender nach erfolgreichem Marktzutritt rein wegen einer grenzüberschreitenden Implikation anders zu behandeln wäre, als sein inländischer Mitbewerber. Diese Sichtweise bestätigt auch das Urteil Kornhaas./.Dithmar, von dem einige Autoren meinen, dass damit eine Übertragung der Keck-Rechtsprechung auf die Niederlassungsfreiheit stattgefunden habe.368 Stützen lässt sich diese Argumentation jedenfalls damit, dass die Anwendung des Haftungstatbestandes für verbotene Zahlungen nach Insolvenzreife auf eine Auslandgesellschaft nach Ansicht des EuGH keine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit darstellte, da dieser Tatbestand weder die Gründung der Gesellschaft, noch deren Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, sondern allein die Tätigkeit am Markt betreffe.369 Insofern hat der EuGH die bereits aus dem Urteil Keck bekannte Differenzierung zwischen Marktzugangs- und Tätigkeitsausübungsregeln auch hier angewendet.370 Ob dem Urteil aber eine so grundlegende Bedeutung beigemessen werden muss, dass damit eine Übertragung der Keck-Grundsätze schlechthin stattgefunden habe, kann man, in Anbetracht der Tatsache, dass nur die kleine Kammer beriet und eine vorherige Befassung des Generalanwalts für obsolet erachtet wurde, bezweifeln.371 Sicherlich lässt sich aus dem Urteil aber ableiten, dass zumindest die Anwendung inländischen Insolvenzrechts auf eine Auslandsgesellschaft keine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt und mithin gänzlich unproblematisch erfolgen kann.372

367 Vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 49 AEUV, Rn. 112. 368 Ego, in: MüKo AktG, Europ. Aktienrecht, Rn. 120; Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 8; Kindler, EuZW 2016, 136, 139; Verse/Wiersch, EuZW 2016, 330, 331; Weller/Hübner, NJW 2016, 223, 225. 369 EuGH, Urt. v. 10. Dezember 2015 – Rs. C-594/14, Simona Kornhaas./.Thomas Dithmar, ECLI:EU:C:2009:669, Rn. 28. 370 Ego, in: MüKo AktG, Europ. Aktienrecht, Rn. 120; Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 8; Kindler, EuZW 2016, 136; 139, Verse/Wiersch, EuZW 2016, 330, 331; Weller/Hübner, NJW 2016, 223, 225. 371 Bayer/Schmidt, BB 2016, 1923, 1931; Mankowski, NZG 2016, 281, 285. Keine generelle Öffnung für die vollumfängliche Anwendung inländischer Gläubigerschutzregeln sehen Scholz, ZEuP 2016, 959, 971 f.; Wansleben, EWS 2016, 72, 78. 372 Dies bestreiten auch diejenigen nicht, die nach dem Urteil Kornhaas./.Dithmar einer generellen Übertragbarkeit der Keck-Grundsätze entgegentreten. Siehe etwa Bayer/Schmidt, BB 2016, 1923, 1931; Mankowski, NZG 2016, 281, 285 f.; Scholz, ZEuP 2016, 959, 971; Wansleben, EWS 2016, 72, 78.

E. Das anwendbare Recht nach der EuInsVO

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Dieses Ergebnis lässt sich auf das Restrukturierungsrecht übertragen. Der EuGH argumentiert, dass die Haftung aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F.373 weder die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft betreffe, noch eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für eine Unterschreitung der inländischen Mindestkapitalvorschriften statuiere.374 Daher sei weder die Gründung, noch die Niederlassung der Gesellschaft betroffen; die Norm finde ausschließlich tätigkeitsbezogen Anwendung.375 All dies gilt auch für die angeführten Normen des StaRUG, die ebenso wie das Insolvenzrecht ein – zudem durch die EuRRL harmonisiertes – Sonderregime für Gesellschaften in der Krise statuieren und mithin auch als Tätigkeitsausübungsregelungen i.S.d der Rechtssache Kornhaas zu begreifen sind. Letztlich kann es also dahinstehen, ob mit Kornhaas eine Übertragung der Keck-Grundsätze stattgefunden hat, da nach jeder Betrachtungsweise die Anwendung inländischen Restrukturierungsrechts die Niederlassungsfreiheit einer Auslandsgesellschaft nicht verletzt. 3. Zusammenfassung Die Anwendung inländischen Restrukturierungsrechts auf eine Auslandsgesellschaft steht mit der Niederlassungsfreiheit in Einklang. Eine Korrektur der supra vorgenommenen Qualifikation braucht mithin nicht zu erfolgen. Die untersuchten Vorschriften des StaRUG unterstehen sämtlich der lex fori concursus.

VI. Abschließende Betrachtung Bei einer Kapitalgesellschaft, die in einem anderen europäischen Staat als demjenigen ihrer Inkorporation den Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit entfaltet, fallen anwendbares Gesellschafts- und Restrukturierungsrecht auseinander. Deshalb hat die Abgrenzung beider Statuten eine hohe praktische Relevanz. Methodisch ist die Abgrenzung anhand der international-privatrechtlichen Qualifikation vorzunehmen. Diese hat im Anwendungsbereich der EuInsVO europäisch-autonom zu erfolgen und ist systemimmanent mit einiger Unschärfe behaftet. Der Europäische Gerichtshof hat in einigen grundlegenden Entscheidungen klargestellt, dass eine Abgrenzung anhand funktioneller Kriterien erfolgt. Für die Zuordnung einer national-rechtlichen Norm zum Restrukturierungsstatut kommt es mithin darauf an, ob die Vorschrift als „Sonderrecht“ für den Restrukturierungsfall zu begreifen ist. Unproblematisch fallen die Zugangsvoraussetzungen zum Restrukturierungsverfahren, die Annahmevoraussetzungen für den Restrukturierungsplan und die Wirkungen des Moratoriums unter

373

Dazu bereits Fn. 738. EuGH, Urt. v. 10. Dezember 2015 – Rs. C-594/14, Simona Kornhaas./.Thomas Dithmar, ECLI:EU:C:2009:669, Rn. 25–27. 375 EuGH, Urt. v. 10. Dezember 2015 – Rs. C-594/14, Simona Kornhaas./.Thomas Dithmar, ECLI:EU:C:2009:669, Rn. 28. 374

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

das Restrukturierungsstatut. Schwierigkeiten bei der Qualifikation bereitet die Einordnung gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen im Restrukturierungsplan und die Geschäftsleiterhaftung im Verfahren. Die entsprechenden Vorschriften des StaRUG sind nach hier vertretener Auffassung ebenfalls dem Restrukturierungsrecht zuzuschlagen, da sie von allgemeinen Vorschriften zu Gunsten der Erfolgsaussichten des Verfahrens abweichen. Dies spricht zumindest ganz grundsätzlich dafür, ebenso mit vergleichbaren Normenkomplexen in ausländischen Umsetzungsgesetzen zur EuRRL zu verfahren. Mithin können ausländische Kapitalgesellschaften nach dem Recht eines anderen europäischen Mitgliedstaates restrukturiert werden; auch Eingriffe in die Gesellschaftsstruktur sind vollumfänglich möglich, sofern nicht eine Konstruktion geschaffen werden soll, die dem Recht der Inkorporation gänzlich unbekannt ist. Dies kann den Anreiz verstärken, den COMI zum Zwecke der Restrukturierung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen. Die Geschäftsleiter einer ausländischen Kapitalgesellschaft unterliegen im Verfahren denjenigen inländischen Haftungsvorschriften, die speziell für das Restrukturierungsverfahren geschaffen sind. Die Niederlassungsfreiheit steht der Anwendung inländischen Restrukturierungsrechts auf Auslandsgesellschaften nicht entgegen, da die entsprechenden Vorschriften nur das Verhalten am Markt und nicht den Marktzutritt betreffen. Das EuGH-Urteil Kornhaas./.Dithmar lässt sich insofern übertragen.

F. Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen Abschließend bleibt zu untersuchen, wie sich die Anwendung der EuInsVO auf die Anerkennung von Entscheidungen in einem Restrukturierungsverfahren auswirkt. Die EuInsVO ist anerkennungsfreundlich376: im Grundsatz zielt die Verordnung darauf ab, die unmittelbare und automatische Anerkennung von Entscheidungen zu ermöglichen.377

I. Einführung Es besteht ein überragendes praktisches Interesse daran, Gerichtsentscheidungen grenzüberschreitend anzuerkennen. Andernfalls drohen „hinkende“ Rechtsverhältnisse, die der Rechtssicherheit abträglich sind und mithin grenzüberschreitende Transaktionen erheblich erschweren. Dies gilt im Besonderen im Wirtschaftsrecht, zu dem auch das Insolvenz- und das Restrukturierungsrecht zu zählen sind.378 Die Erfolgsaussichten eines Restrukturierungsverfahrens stehen

376

Vgl. Mankowksi, NZI 2008, 604, 605. Siehe Erw.-Gr. 65 EuInsVO. 378 Vgl. Westpfahl, ZRI 2020, 157, 182. 377

F. Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen

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und fallen mit der Anerkennung der ergangenen gerichtlichen Entscheidungen. Bereits die Eröffnung des Verfahrens muss grenzüberschreitend anerkennungsfähig sein, um parallele Hauptverfahren zu verhindern.379 Zudem muss der Planbestätigung zu grenzüberschreitender Wirksamkeit verholfen werden. Ansonsten bestünde etwa die Gefahr, dass ein Gläubiger, der einen „Haircut“ hinnehmen musste, den Schuldner vor Gerichten eines anderen Mitgliedstaates auf die ungekürzte Forderungssumme in Anspruch nimmt. Ein nachhaltiger Sanierungserfolg wäre so kaum zu erreichen. Ob die EuInsVO ein geeignetes Instrument ist, um dem Sanierungserfolg des Restrukturierungsverfahrens zu grenzüberschreitender Wirkung zu verhelfen, soll daher nunmehr untersucht werden.

II. Grundsatz der automatischen Anerkennung Der „anerkennungsfreundliche Geist“380 der EuInsVO drückt sich in den Art. 19 bis 33 EuInsVO aus, die einen der „Grundpfeiler“381 der EuInsVO darstellen. Von besonderer Bedeutung sind hier die Art. 19, 20, 32 und 33 EuInsVO, deren Gehalt im Hinblick auf das Restrukturierungsverfahren nun näher zu beleuchten ist. Konkret soll untersucht werden, ob die Eröffnung eines Restrukturierungsverfahrens, die Gewährung eines Moratoriums und die Wirkungen eines bestätigten Restrukturierungsplans nach den Vorschriften der EuInsVO grenzüberschreitend anzuerkennen sind. 1. Anerkennung der Eröffnungsentscheidung, Art. 19 EuInsVO Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Art. 3 zuständiges Gericht in allen Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist. Die Wirksamkeit bemisst sich nach der lex fori concursus; die Entscheidung braucht noch nicht in formelle Rechtskraft erwachsen zu sein.382

379 Nach der Eröffnung eines Hauptverfahrens können in anderen Mitgliedstaaten nur noch Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden, Art. 3 Abs. 3 EuInsVO. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Eröffnung des Hauptverfahrens im Inland anerkannt wird. Vgl. dazu Kindler, in: MüKo BGB, Art. 34 EuInsVO, Rn. 8 ff. 380 Mankowski, NZI 2008, 604, 605; Skauradszun, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 1. 381 Paulus, EuInsVO, Art. 19, Rn. 1. 382 Kindler, in: MüKo BGB, Art. 19 EuInsVO, Rn. 8; Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 19, Rn. 15; Sutschet, in: Vallender, EuInsVO, Art. 19, Rn. 11; Schultz, in: Heidelberger Kommentar, InsO, Art. 19 EuInsVO, Rn. 6. Näher dazu etwa Skauradszun, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 19 EuInsVO, Rn. 14.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

a) Zuständigkeit des Gerichts Die Textpassage, nach der das Verfahren durch ein nach Art. 3 EuInsVO zuständiges Gericht zu eröffnen ist, lässt sich ihrem reinen Wortlaut nach so verstehen, dass die Anerkennung der Eröffnungsentscheidung unter der Bedingung der internationalen Zuständigkeit des Eröffnungsgerichts steht.383 Konsequent gedacht, müsste damit den Gerichten anderer Mitgliedstaaten die Kompetenz zugesprochen sein, die internationale Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts anhand Art. 3 EuInsVO zu untersuchen; dies käme einer Überprüfung der Eröffnungsentscheidung in der Sache gleich. Einer solchen Interpretation hat der EuGH allerdings eine Absage erteilt.384 Das Anerkennungsprinzip ist Ausdruck des wechselseitigen Vertrauens der Justizsysteme, mit dem es nicht in Einklang steht, eine Entscheidung zur Zuständigkeit in der Sache zu überprüfen.385 Mithin ist eine Eröffnungsentscheidung selbst dann anzuerkennen, wenn das eröffnende Gericht seine Zuständigkeit fälschlicherweise angenommen hat und deshalb bei objektiver Betrachtung international unzuständig gewesen ist.386 Die Beteiligten sind insofern darauf verwiesen, Rechtsbehelfe im Eröffnungsstaat geltend zu machen.387 b) Insolvenzverfahren Tatbestandliche Voraussetzung der automatischen Anerkennung nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO ist ferner, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Überprüfung in der Sache nicht stattfinden darf, kann man fragen, ob eine Anerkennung auch dann erfolgen muss, wenn das Eröffnungsgericht fälschlicherweise vom Vorliegen eines Insolvenzverfahrens im Sinne der EuInsVO ausgegangen ist. Man mag argumentieren, dass dieser Fall nur selten vorkommen wird, da die Verfahren im Anwendungsbereich abschließend im Anhang A der EuInsVO gelistet sind und somit das fälschliche „für ein Insolvenzverfahren Halten“ nahezu ausgeschlossen ist. Allerdings verdeutlichen die Vorschriften des StaRUG, dass ein solcher Irrtum durchaus vorkommen kann. Das StaRUG-Verfahren fällt nämlich nur dann in den Anwendungsbereich der EuInsVO, wenn es öffentlich durchgeführt wird.388 So ist in den Anhang A der EuInsVO auch nur die „öffentliche Restrukturie383 Kindler, in: MüKo BGB, Art. 19 EuInsVO, Rn. 9 befürwortet daher eine teleologische Reduktion. Zum missverständlichen Wortlaut siehe auch Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 19 EuInsVO, Rn. 6; Mock, in: BeckOK InsO, Art. 19 EuInsVO, Rn. 7. 384 EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C:2006:281, Rn. 38–44. 385 EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C:2006:281, Rn. 42. Siehe auch: Erw.–Gr. 65 EuInsVO. 386 Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 19, Rn. 12. 387 EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C:2006:281, Rn. 42. Auch: Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 19, Rn. 15. 388 Siehe oben C. II. 3., III.

F. Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen

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rungssache“ aufgenommen.389 Das lässt einen Irrtum des eröffnenden Gerichts nicht gänzlich ausgeschlossen scheinen. Dieser Problematik kann mit zwei möglichen Denkansätzen begegnet werden. aa) Anerkennung der Eigenschaft als Insolvenzverfahren Möglich wäre, davon auszugehen, dass die Feststellung des Eröffnungsgerichts, es handele sich bei dem in Rede stehenden Verfahren um ein Insolvenzverfahren i.S.d. EuInsVO, ihrerseits Gegenstand der automatischen Anerkennung sei. Gerichte anderer Mitgliedstaaten wären dann ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Eröffnungsentscheidung an diese Feststellung gebunden.390 bb) Insolvenzverfahren als „Vorfrage“ Steht die Anerkennung einer Eröffnungsentscheidung in Rede, stellt sich aus Perspektive des erkennenden Gerichts allerdings zunächst die Frage, ob es überhaupt eine Norm gibt, die als Rechtsfolge die automatische Anerkennung anordnet. Die Anerkennungswirkungen können nämlich nur dann eintreten, wenn der Art. 19 EuInsVO für die betreffende Eröffnungsentscheidung überhaupt heranzuziehen ist.391 Um eine Anerkennung aus Art. 19 EuInsVO herleiten zu können, muss also zunächst die Frage beantwortet werden, ob die EuInsVO auf die vorliegende Anerkennungsfrage anwendbar ist und damit, ob es sich um die Eröffnung eines in Anhang A gelisteten Verfahrens handelt.392 Kommt es für ein Gericht also darauf an, ob die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ipso iure anzuerkennen ist, kann es die Eröffnungsentscheidung immer insofern überprüfen, als es untersucht, ob ein Insolvenzverfahren i.S.d. Anhang A der EuInsVO eröffnet worden ist. 389 Vgl. ABl. der Europäischen Union L 455/4, v. 20. Dezember 2021. Online abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32021R226 0&from=DE. Zuletzt abgerufen am 08. Mai 2022. 390 So heißt es in Erw.-Gr. 65 a.E., dass die Mitgliedstaaten die Eröffnungsentscheidung des Gerichts keiner Überprüfung unterziehen dürfen. Auch in der Literatur finden sich mitunter Formulierungen, die so verstanden werden können, als griffe das Anerkennungsregime immer dann, wenn das Entscheidungsgericht die EuInsVO herangezogen habe. Etwa Thole, in: MüKo InsO, Art. 19 EuInsVO, Rn. 23: „Hat sich das Eröffnungsgericht auf die EuInsVO gestützt, greift die automatische Anerkennung ohne Überprüfungsmöglichkeit.“ Auch Undritz, in: A. Schmidt, EuInsVO, Art. 19, Rn. 12: „Für die automatische Anerkennung […] ist hinreichend, wenn das Gericht seine internationale Zuständigkeit nach Art. 3 [EuInsVO] angenommen hat.“ Pannen/Riedemann, in: Pannen, EIR, Art. 16, Rn. 15: „[…] it suffices if the opening court considered itself competent on account of Art 3 of the EIR.“ 391 So auch Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 9, Rn. 9.61; Hess/Koutsoukou, in: Kronke/Melis/Kuhn, Handbuch Int. Wirtschaftsrecht, Teil O., Rn. 60. 392 So im Ergebnis auch Duursma-Kepplinger/Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Art. 16 EuInsVO 2000, Rn. 5; Kindler, in: MüKo BGB, Art. 19 EuInsVO, Rn. 5; Skauradszun, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 19 EuInsVO, Rn. 4, 18; Thole, in: MüKo InsO, Art. 19 EuInsVO, Rn. 6 f.; Schultz, in: Heidelberger Kommentar, InsO, Art. 19 EuInsVO, Rn. 4.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

cc) Streitentscheid Letzteres ist vorzugswürdig. Die privilegierte Anerkennung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Kreis der einbezogenen Verfahren rechtssicher feststeht.393 dd) Ergebnis Mithin muss in Anerkennungsfragen der Rückgriff auf Anhang A gestattet sein, um zu überprüfen, ob das anzuerkennende Verfahren überhaupt im Anwendungsbereich der EuInsVO liegt.394 Das mit der Anerkennungsfrage befasste Gericht kann demnach die automatische Anerkennung einer Verfahrenseröffnung nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO stets dann verweigern, wenn das eröffnete Verfahren nicht im Anhang A erscheint. c) Eröffnungsentscheidung Nach Art. 19 Abs. 1 EuInsVO wird spezifisch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unionsweit anerkannt. aa) Auslegung des Entscheidungsbegriffs Was als Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufzufassen ist, definiert Art. 2 Nr. 7 EuInsVO. Nach Art. 2 Nr. 7 lit. i) ist als Eröffnungsentscheidung jede Entscheidung eines Gerichts zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Bestätigung der Eröffnung eines solchen Verfahrens zu begreifen. Die Formulierung ist tautologisch und hilft bei reiner Berücksichtigung des Wortsinns nicht weiter.395 Deshalb sollte auf eine teleologische Auslegung zurückgegriffen werden.396 Mit der Neufassung der EuInsVO sind auch präventive Verfahren in den Anwendungsbereich der Verordnung einbezogen worden; deshalb müssen auch die Anforderungen an die Eröffnungsentscheidung flexibilisiert werden, um Situationen erfassen zu können, in denen es an einer förmlichen Eröffnungsentscheidung fehlt.397 Deshalb kann die Gewährung eines Moratoriums und auch die Bestätigung eines Restrukturierungsplans unproblematisch als Eröffnung des 393

Thole, in: MüKo InsO, Art. 19 EuInsVO, Rn. 5. Vgl. Fn. 392. 395 Thole, in: MüKo InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 21 spricht richtigerweise von einer „NichtDefinition“. 396 Richtig Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 22, der meint, die Aufzählung der Eröffnungsentscheidungen sei nicht abschließend, sodass auch andere Formen der Verfahrenseröffnung in Betracht kämen, sofern „sie in ihren Wirkungen mit der Eröffnung eines den Anforderungen des Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 genügenden Verfahrens vergleichbar sind.“. Ähnlich Thole, in: MüKo InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 20: Die Eröffnungsentscheidung sei „funktional“ zu verstehen. Vgl. auch Tashiro, in: Braun, InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 33 f. 397 Vgl. Thole, in: MüKo InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 21; Dornblüth, in: Heidelberger Kommentar, InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 7. 394

F. Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen

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Verfahrens qualifiziert werden.398 Nach Art. 2 Nr. 7 lit. ii) kann die Eröffnung des Verfahrens auch in der Bestellung eines Verwalters erblickt werden. Da ein vollständiger Verlust der Verfügungsbefugnis nach der EuInsVO n.F. nicht mehr vorausgesetzt ist,399 lässt sich auch die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten unter Art. 2 Nr. 7 lit. ii) EuInsVO fassen und kann daher die Eröffnung eines Restrukturierungsverfahrens darstellen.400 bb) Behandlung der Restrukturierungsanzeige nach § 31 StaRUG Sogar die bloße Anzeige eines Restrukturierungsverfahrens, wie sie in Deutschland gemäß § 31 StaRUG vorgesehen ist, stellt eine Eröffnungsentscheidung im Sinne des Art. 19 Abs. 1 EuInsVO dar.401 Zwar führt das Restrukturierungsgericht nach der Anzeige keine Sachentscheidung im formellen Sinne vergleichbar mit einem Insolvenzeröffnungsbeschluss durch,402 jedoch tritt mit der Anzeige nach nationalem Recht die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ein, § 31 Abs. 3 StaRUG. Wie bereits dargestellt, sollte für die Frage, ob es sich bei einem Verfahrensschritt bereits um eine Eröffnungsentscheidung im Sinne des Art. 19 Abs. 1 EuInsVO handelt, eine teleologische Betrachtungsweise herangezogen werden.403 Durch die Anzeige und die daraus resultierende Rechtshängigkeit treten nach nationalem Recht gewichtige Rechtsfolgen ein. So ruht nach § 42 Abs. 1 StaRUG die Insolvenzantragspflicht; der Schuldner braucht den Eintritt eines Insolvenzgrundes nur noch anzuzeigen.404 Außerdem treffen den Schuldner mit der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache die Pflichten aus § 32 StaRUG.405 Zudem ist nach nationalem Recht mit der Anzeige die Fixierung der nationalen Gerichtszuständigkeit bezweckt.406 So heißt es bereits in der Gesetzesbegründung, dass die nationale Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts durch die Anzeige bestimmt und nach dem Grundsatz der perpetuatio fori durch später

398 Vgl. Skauradszun, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 44; ders., in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 10; Dornblüth, in: Heidelberger Kommentar, InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 7. 399 Siehe etwa Thole, in: MüKo InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 23; Müller, in: Mankowski/ Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 19, Rn. 8; Paulus, EuInsVO, Art. 2, Rn. 25. 400 So auch Skauradszun, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 44. 401 A.A. Skauradszun, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 19 EuInsVO, Rn. 25; Tashiro, in: Braun, InsO, Art. 19 EuInsVO, Rn. 34. 402 Vgl. Pannen, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 31, Rn. 17; Hoffmann/Braun, in: Flöther, StaRUG, § 31, Rn. 3. 403 Vgl. Fn. 396. 404 Vgl. Pannen, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 31, Rn. 68; Hoffmann/Braun, in: Flöther, StaRUG, § 31, Rn. 3. 405 Kramer, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 31, Rn. 65; Hoffmann/Braun, in: Flöther, StaRUG, § 31, Rn. 1. 406 Vgl. Haffa/Schuster, in: Braun, StaRUG, § 31, Rn. 23; Pannen, in: Pannen/Riedemann/ Smid, StaRUG, § 31, Rn. 67.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

eintretende Umstände wie eine Sitzverlegung nicht mehr berührt werden solle.407 Es erscheint überzeugend, diese Fixierung der Zuständigkeit auch auf den grenzüberschreitenden Restrukturierungsfall zu übertragen. Dies lässt sich nur dadurch erreichen, dass bereits die Anzeige des Verfahrens als Eröffnungsentscheidung unter der EuInsVO qualifiziert wird. Dieses Verständnis steht auch mit der für Unionsrechtsakte erforderlichen autonomen Auslegung408 nicht in Konflikt. Im Rahmen einer teleologisch-autonomen Betrachtung der Eröffnungsentscheidung unter der EuInsVO muss berücksichtigt werden, dass nunmehr auch präventive Verfahren in den Anwendungsbereich einbezogen sind, und ebenso, welche Wirkungen eine konkrete Maßnahme nach nationalem Recht hat.409 Die Anzeige soll nach nationalem Recht diejenige Zuständigkeitsfixierung bewirken, die im klassischen Insolvenzverfahren durch die Eröffnungsentscheidung eintritt. Deshalb scheint es richtig, schon die Anzeige eines Restrukturierungsverfahrens unter Art. 19 EuInsVO zu fassen. d) Zusammenfassung Art. 19 EuInsVO führt zu einer automatischen Anerkennung der Eröffnungsentscheidung in allen Mitgliedstaaten. Die Anforderungen an die Verfahrenseröffnung sind im Hinblick auf die Einbeziehung präventiver Verfahren in den Anwendungsbereich der EuInsVO flexibilisiert worden. Deshalb kann sowohl die Gewährung eines Moratoriums als auch die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten und sogar die bloße Anzeige des Verfahrens eine Eröffnungsentscheidung darstellen. Die Gerichte anderer Staaten sind nicht befugt, die Eröffnungsentscheidung in der Sache nachzuprüfen. Insbesondere darf die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts keiner zweiten Überprüfung unterzogen werden. Dadurch wird das Prioritätsprinzip verwirklicht, nach dem nur das zuerst eröffnete Hauptverfahren Wirkungen entfaltet.410 Die automatische Anerkennung gem. Art. 19 EuInsVO wird aber nicht in Kraft gesetzt, wenn ein Eröffnungsgericht seine Zuständigkeit fälschlicherweise aus der EuInsVO herleitet, obwohl das Verfahren mangels Nennung in Anhang A nicht in deren Anwendungsbereich fällt.

407 Vgl. BT-Drs. 19/24181 v. 9. November 2020, Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts, S. 136. Zustimmend Haffa/Schuster, in: Braun, StaRUG, § 31, Rn. 23 f. 408 Vgl. bereits Kapitel 2, Fn. 177. 409 Vgl. Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 2 EuInsVO, Rn. 22. Zum Wortlaut Fn. 396. 410 Vgl. Art. 62 EuInsVO. Näheres zum Prioritätsprinzip findet sich etwa bei Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 62, Rn. 2 ff.; Kindler, in: Kindler/Nachmann/Bitzer, Hdb. Insolvenzrecht Europa, § 3, Rn. 90 ff.

F. Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen

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2. Anerkennung sonstiger Entscheidungen, Art. 32 EuInsVO Im Anwendungsbereich der EuInsVO werden neben der Eröffnung auch sonstige Entscheidungen zur Durchführung und Beendigung des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe des Art. 32 Abs. 1 UAbs. 1 EuInsVO anerkannt. Dies gilt auch für Entscheidungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren stehen, Art. 32 Abs. 1 UAbs. 2 EuInsVO. Daraus lässt sich die folgende Abstufung herausarbeiten.411 a) Entscheidungen zur Durchführung und Beendigung des Verfahrens Zunächst werden Entscheidungen zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens sowie ein gerichtlich bestätigter Vergleich ohne weitere Förmlichkeiten anerkannt, Art. 32 Abs. 1 UAbs. 1 EuInsVO. Damit sind primär Folgeentscheidungen gemeint, die die Gesamtheit der Gläubiger betreffen.412 Mit dem Verweis auf gerichtlich bestätigte Vergleiche sind solche Rechtsinstitute angesprochen, die Rechtsbeziehungen zwischen Schuldnern und Gläubigern modifizieren.413 Darunter fällt also der Restrukturierungsplan nach der EuRRL.414 Dies gilt selbstverständlich nur für solche Restrukturierungspläne, die im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens ergangen sind, das sich im Anwendungsbereich der EuInsVO befindet.415 Die Ausführungen zur Eröffnungsentscheidung gelten insofern entsprechend. Eine weitere Entscheidung im Restrukturierungsverfahren, die unter Art. 32 Abs. 1 UAbs. 1 EuInsVO gefasst werden kann, ist etwa die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten,416 sofern diese nicht bereits als Eröffnungsentscheidung nach Art. 2 Nr. 7 lit. ii) EuInsVO zu qualifizieren ist.417 Auch die Anordnung eines Moratoriums kann nach Art. 32 Abs. 1 UAbs. 1 EuInsVO aner-

411 Zum „Stufensystem“ siehe etwa Thole, in: MüKo InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 3; Reutershan, in: Vallender, EuInsVO, Art. 32, Rn. 2 ff. 412 Mock, in: BeckOK, Art. 32, EuInsVO, Rn. 9; Undritz, in: A. Schmidt, EuInsVO, Art. 32, Rn. 3. 413 Thole, in: MüKo InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 9a; Reutershan, in: Vallender, EuInsVO, Art. 32, Rn. 7. 414 Thole, in: MüKo InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 9a. Ebenso für den Insolvenzplan Thole, in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 40, Rn. 47 ff. 415 Thole, in: MüKo InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 9a. 416 Vgl. Mock, in: BeckOK, Art. 32, EuInsVO, Rn. 9: „Verwaltungsbestellung“. 417 Vgl. Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 32, Rn. 18. Letztlich hängt dies wohl von der zeitlichen Folge ab. Steht die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten am Beginn des Verfahrens, ist die Anerkennung nach Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 EuInsVO bewirkt. Wird er erst später im Laufe des Verfahrens eingeschaltet, wäre diese Entscheidung nach Art. 32 Abs. 1 UAbs. 1 EuInsVO anerkennungsfähig. So auch Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 6.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

kannt werden,418 sofern das Moratorium erst im Laufe des Restrukturierungsverfahrens gewährt wird und nicht bereits mit der Eröffnung erlassen wurde.419 b) Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Verfahren Nach Art. 32 Abs. 1 UAbs. 2 EuInsVO werden auch die Entscheidungen in insolvenzbezogenen Annexverfahren, für die die Gerichte des Insolvenzeröffnungsstaates nach Maßgabe des Art. 6 EuInsVO zuständig sind, unionsweit anerkannt.420 Dazu zählen etwa Insolvenzanfechtungsklagen.421 Schwierige Abgrenzungsfragen ergeben sich im Bereich der Geschäftsleiterhaftung. Zur Abgrenzung ist richtigerweise darauf abzustellen, ob die betreffende Haftungsvorschrift ihren Rechtsgrund im Insolvenzrecht hat und es sich damit um einen speziell insolvenzrechtlichen Haftungstatbestand handelt.422 Insofern scheint es überzeugend, dass auch Entscheidungen betreffend die Haftung aus § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG nach Art. 32 Abs. 1 UAbs. 2 EuInsVO unionsweit anzuerkennen sind und kein Rückgriff auf die EuGVVO nötig ist. Dies erscheint vor allem auch deshalb überzeugend, da es sich nach hier vertretener Ansicht bei § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG gerade um eine speziell restrukturierungsrechtliche Haftungsnorm handelt, die der lex fori concursus untersteht. Insofern sollte ein Gleichlauf mit dem Anerkennungsregime angestrebt werden. c) Sonstige Entscheidungen Die Anerkennung aller sonstigen Entscheidungen, die nicht unter Art. 32 Abs. 1 EuInsVO fallen, richtet sich nach der EuGVVO, wie sich aus Art. 32 Abs. 2 EuInsVO ergibt. Damit ist klargestellt, dass die Anerkennungsvorschriften der EuInsVO ein Sonderregime für Entscheidungen im Insolvenzverfahren bieten. Abzulehnen ist ein Verständnis dieser Vorschrift, nach dem eine Entscheidung, die nicht Abs. 1 unterfiele, zwingend nach den Vorschriften der EuGVVO anzuerkennen wäre.423 Vielmehr ist notwendig, dass die EuGVVO ihrerseits Anwen-

418 Vgl. Skauradszun, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 10; v. Bismarck/Schulz, NZI-Beilage 1/2019, 82, 83. 419 Vgl. Fn. 417. 420 Kindler, in: MüKo BGB, Art. 32 EuInsVO, Rn. 16 ff. 421 EuGH, Urt. v. 12. Februar 2009 – Rs. C-339/07, Christopher Seagon./.Deko Marty Belgium NV, ECLI:EU:C:2009:38, Rn. 28. Dazu kritisch Kern/Stürner, LMK 2009, 278572. 422 Vgl. Kindler, in: MüKo BGB, Art. 32 EuInsVO, Rn. 18; Skauradszun, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 32. 423 Etwas unklar Mock, in: BeckOK InsO, Art. 32, Rn. 17. Richtig Bornemann, in: GrafSchlicker, InsO, Art. 32, Rn. 12: „keine Auffangregelung“.

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dung findet.424 Damit kommt der Vorschrift allein eine deklaratorische Wirkung zu.425 d) Zusammenfassung Alle wesentlichen gerichtlichen Entscheidungen, die in einem Restrukturierungsverfahren getroffen werden, unterliegen nach Art. 32 Abs. 1 EuInsVO der automatischen Anerkennung und können gem. Art. 32 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EuInsVO nach den Vorschriften der EuGVVO vollstreckt werden. Von besonderer praktischer Wichtigkeit ist, dass der Restrukturierungsplan der automatischen Anerkennung zugänglich ist. Ein Moratorium und die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten können auch als Durchführungsentscheidungen automatisch anerkannt werden, sofern diese nicht bereits eine Eröffnungsentscheidung i.S.d. Art. 19 Abs. 1 EuInsVO darstellen. 3. Wirkungen der Anerkennung Die Wirkungen der Anerkennung von Verfahrensentscheidungen bemessen sich nach Art. 20 Abs. 1 EuInsVO. Dort ist festgelegt, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ohne weitere Förmlichkeiten in jedem anderen Mitgliedstaat diejenigen Wirkungen entfaltet, die das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beimisst. Aus Art. 32 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 EuInsVO ergibt sich, dass Durchführungsentscheidungen „ebenfalls ohne weitere Förmlichkeiten“ anerkannt werden, für diese Entscheidungen also die identischen Anerkennungswirkungen eintreten, wie für Eröffnungsentscheidungen.426 Entscheidungen im Geltungsbereich der EuInsVO werden nach dem Prinzip der Wirkungserstreckung anerkannt, wie sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 1 EuInsVO ergibt.427 Allerdings wird uneinheitlich beurteilt, welche Rechtsfolgen daraus unter der EuInsVO konkret herzuleiten sind.428 Unstreitig erfasst die Wirkungserstreckung jedenfalls die verfahrensrechtlichen Aspekte der anzuerkennenden Entscheidung.429 Teilweise wird aber argumentiert, die mate424 EuGH, Urt. v. 10. September 2009 – Rs. C-292/08, German Graphics Graphische Maschinen GmbH./.Alice van der Schee, ECLI:EU:C:2009:544, Rn. 17–20. Thole, in: MüKo InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 28 stellt klar, dass es sich nicht um eine Rechtsfolgen-, sondern um eine „deklaratorische Rechtsgrundverweisung“ handele. 425 Skauradszun, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 41; Thole, in: MüKo InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 28. 426 Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 32, Rn. 30 spricht insofern von einer „systematischen Ergänzung“. Siehe auch Thole, in: MüKo InsO, Art. 20 EuInsVO, Rn. 4. 427 Thole, in: MüKo InsO, Art. 20 EuInsVO, Rn. 4; Knof, in: Uhlenbruck, Art. 20 EuInsVO, Rn. 4 ff.; Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 20, Rn. 6; Kindler, in: MüKo BGB, Art. 20 EuInsVO, Rn. 1; Mock, in: BeckOK InsO, Art. 20, Rn. 1. 428 Vgl. Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 20, Rn. 8 ff. 429 Schultz, in: Heidelberger Kommentar, InsO, Art. 20 EuInsVO, Rn. 5; Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Vierzehnter Teil, Rn. 3500.

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riell-rechtlichen Wirkungen seien von der Anerkennung nicht umfasst und stattdessen nach Maßgabe des einschlägigen Kollisionsrechts zu beurteilen.430 Schwerwiegende praktische Auswirkungen hätte dies auf die Anerkennung gerichtlich bestätigter Restrukturierungspläne. Wären die materiell-rechtlichen Wirkungen von der Anerkennung ausgeschlossen, so bedeutete dies, dass die Gestaltungswirkungen des Planes, etwa Forderungskürzungen oder gar die Veränderung der Kapitalstruktur einer Schuldnergesellschaft, keiner automatischen Wirksamkeit in allen Mitgliedstaaten zugeführt würden.431 Sofern die Vertreter einer nur verfahrensrechtlichen Anerkennung argumentieren, die Wirkungserstreckung sei mittels kollisionsrechtlicher Anerkennung nach Maßgabe des Art. 7 EuInsVO zu bewirken,432 bedeutete dies nichts anderes als eine Überprüfung der Entscheidung in der Sache. Eine kollisionsrechtliche Wirkungserstreckung erfolgt nämlich nur, wenn aus Sicht des Anerkennungsstaates die kollisionsrechtliche Entscheidung korrekt und das „richtige“ Recht auf den Sachverhalt angewendet worden ist.433 Das hieße jedoch, eine re´vision au fond vorzunehmen, die gerade im Anwendungsbereich der EuInsVO schlechterdings ausgeschlossen sein soll.434 Deshalb bewirkt die Anerkennung unter der EuInsVO richtigerweise eine umfassende Erstreckung aller prozessualen und auch materiell-rechtlichen Wirkungen des Verfahrens auf das Ausland.435 Mithin sind auch die Gestaltungswirkungen des Restrukturierungsplans von der unmittelbaren Anerkennung erfasst.436 Dies gilt natürlich nur für solche Aspekte, die ihrerseits Gegenstand des Verfahrens gewesen und vom Entscheidungsgericht insolvenzrechtlich qualifiziert worden sind. Wird mit einem Restrukturierungsplan in die Gesellschafterstellung einer Auslandsgesellschaft eingegriffen, tritt diese Rechtsänderung zwar ipso iure ein, dennoch entbindet dies nicht von der Pflicht, die Rechtsänderung beim zuständigen Registergericht zur Eintragung anzumel-

430 Etwa Reinhart, in: MüKo InsO, 2. Auflage, Art. 17 EuInsVO 2000, Rn. 3 ff.; Gruber, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr; Art. 17 EuInsVO 2000, Rn. 3; Homann, KTS 2000, 343, 351–356. Differenzierend Skauradszun, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 20 EuInsVO, Rn. 7 ff. 431 Vgl. Thole, in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 40, Rn. 49. 432 Vgl. Reinhart, in: MüKo InsO, 2. Auflage, Art. 17 EuInsVO 2000, Rn. 7 f.; Gruber, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr; Art. 17 EuInsVO 2000, Rn. 3. 433 Dazu ausführlich noch unten Kapitel 5, C. I. 434 Vgl. Erw.-Gr. 65 EuInsVO. Siehe zum Grundsatz des Gegenseitigen Vertrauens unter der EuInsVO etwa auch Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 33, Rn. 38; Kindler, in: MüKo BGB, Art. 19 EuInsVO, Rn. 9. 435 Kindler, in: MüKo BGB, Art. 20 EuInsVO, Rn. 10; Knof, in: Uhlenbruck, Art. 20 EuInsVO, Rn. 5; Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 20 EuInsVO, Rn. 4; Thole, in: MüKo InsO, Art. 20 EuInsVO, Rn. 3–8, Art. 32 EuInsVO, Rn. 9b; Müller, in: Mankowski/ Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 20, Rn. 10–14. Vgl. auch Virgo´s/Schmit, S. 33 f., Rn. 153. 436 Thole, in: MüKo InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 9a ff. So auch zur analogen Problematik beim Insolvenzplan ders., in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 40, Rn. 50 ff. Vgl. auch Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 366–373.

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den.437 Die registerrechtlichen Implikationen sind nämlich kein Gegenstand des Restrukturierungsplans.438

III. Grenzen der Anerkennung Soeben konnte gezeigt werden, dass die Entscheidungen innerhalb eines EuInsVO-Verfahrens vollumfänglich sowohl verfahrensrechtlich als auch materiellrechtlich anerkannt werden. Da eine re´vision au fond ausgeschlossen ist, sind ausländische Gerichte faktisch gehalten, eine Entscheidung selbst dann anzuerkennen, wenn diese im Inland so niemals ergangen wäre.439 Damit ist die Frage nach den Grenzen der automatischen Anerkennung aufgeworfen. Anerkennungshindernisse können sich aus dem ordre public nach Art. 33 EuInsVO ergeben. 1. Verstoß gegen den ordre public, Art. 33 EuInsVO Nach Art. 33 EuInsVO kann sich jeder Mitgliedstaat weigern, ein Insolvenzverfahren anzuerkennen, soweit diese Anerkennung mit seiner öffentlichen Ordnung unvereinbar ist. Hierunter fallen etwa die verfassungsmäßig garantierten Rechte des Einzelnen. In Betracht kommen sowohl verfahrensrechtliche als auch materiell-rechtliche Verstöße.440 Der verfahrensrechtliche ordre public schützt die Verfahrensgarantien.441 Ein Verstoß liegt etwa vor, wenn einem Beteiligten rechtliches Gehör gänzlich versagt worden ist.442 Der materiell-rechtliche ordre public ist einschlägig, sofern die Entscheidung Grundsätzen des nationalen materiellen Rechts diametral entgegensteht.443 Denkbar sind hier etwa Verletzungen verfassungsrechtlich geschützter Eigentumspositionen.444 Allerdings ist der gesamte Tatbestand eng auszulegen.445 Auch hier greift der Grundsatz des gegenseitigen

437 Vgl. zur Rechtslage für den Insolvenzplan Thole, in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 40, Rn. 51. 438 Piekenbrock, NZI 2012, 905, 911 f.; Thole, in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 40, Rn. 51; ders., in: MüKo InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 9b; Kuntz, ZGR 2014, 649, 680, 689; Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 7 EuInsVO, Rn. 21. 439 Vgl. v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 5, Rn. 134. 440 Kindler, in: MüKo BGB, Art. 33 EuInsVO, Rn. 10; Thole, in: MüKo InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 11 f.; Reutershan, in: Vallender, EuInsVO, Art. 33, Rn. 1; Riedemann, in: Pannen, EIR, Art 26, Rn. 4; Undritz, in: A. Schmidt, EuInsVO, Art. 33, Rn. 8; Hermann, in: Uhlenbruck, Art. 33 EuInsVO, Rn. 4 f. 441 Riedemann, in: Pannen, EIR, Art. 26, Rn. 5; Reutershan, in: Vallender, EuInsVO, Art. 33, Rn. 2. 442 EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C:2006:281, Rn. 67. 443 Vgl. Thole, in: MüKo InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 12. 444 Riedemann, in: Pannen, EIR, Art. 26, Rn. 10. 445 Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 9, Rn. 9.61.

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Vertrauens.446 Der Wortlaut fordert einen offensichtlichen Verstoß. Allein die Abweichung von zwingendem inländischen Recht begründet noch keine Anwendung des Art. 33 EuInsVO.447 Der ordre public hat Ausnahmecharakter und ist allenfalls einschlägig, wenn die Anerkennung zu schlechterdings unerträglichen Ergebnissen führte.448 Bei den in dieser Arbeit beleuchteten Konstellationen stechen zwei Fälle hervor, in denen ein Verstoß gegen den ordre public zumindest möglich erscheint. Zunächst ist denkbar, dass eine Verlegung des COMI mit dem Ziel, in den Geltungsbereich eines günstigeren Restrukturierungstatuts zu gelangen, als rechtsmissbräuchlich angesehen und deshalb eine spätere Anerkennung der Verfahrensergebnisse unter Berufung auf Art. 33 EuInsVO versagt werden könnte. Ferner könnte erwogen werden, ob die Veränderung der Kapitalstruktur einer Auslandsgesellschaft im cross-class cram-down dann einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstellt, wenn das Restrukturierungsstatut hier geringere Anforderungen stellt als das Heimatstatut der Kapitalgesellschaft. Denn möglicherweise wird die Eigentumsposition der Gesellschafter in einem solchen Fall über Gebühr beeinträchtigt. 2. Forum shopping Es ist bereits herausgearbeitet worden, dass forum shopping im Bereich der EuInsVO durch die Einwirkung auf die Anknüpfungsgegenstände des COMI erfolgt, indem Satzungssitz und/oder Verwaltungssitz einer Kapitalgesellschaft verlegt werden.449 Dieses Vorgehen steht jedoch unter dem Schutz der Niederlassungsfreiheit, weshalb es im Grundsatz schwerfällt, darin überhaupt einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zu erblicken,450 zumal auch das europäische Primärrecht zur öffentlichen Ordnung der Mitgliedstaaten zählt.451 Andererseits erkennen die Erwägungsgründe der EuInsVO an, dass forum shopping auch in missbräuchlicher oder betrügerischer Form stattfinden kann.452 Es muss also Formen der Einwirkung auf den Gerichtsstand geben, die trotz des grundsätzlichen Schutzes des Primärrechts als missbilligenswert einzustufen sind.

446 Undritz, in: A. Schmidt, EuInsVO, Art. 33, Rn. 2; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 9, Rn. 9.61. 447 Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 8. 448 Vgl. EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C: 2006:281, Rn. 62–64; Paulus, EuInsVO, Art. 33, Rn. 2. Bereits in Erw.-Gr. 65 heißt es, dass die Gründe für eine Nichtanerkennung „auf das unbedingt notwendige Maß“ zu beschränken sind. 449 Ausführlich oben D. III. 450 Vgl. etwa Paulus, EuInsVO, Einl. Rn. 30, Art. 33, Rn. 23; Weller, ZGR 2008, 835, 849. 451 Hess, IPRax 2001, 301, 305. 452 Siehe Erw.-Gr. 29 und 31.

F. Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen

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Damit ist aber noch nicht gesagt, dass missbräuchliches forum shopping im Wege der Nichtanerkennung ergangener Entscheidungen nach Art. 33 EuInsVO zu korrigieren ist: Könnte ein Gericht eines Zweitstaates nämlich einer Entscheidung des Eröffnungsstaates die Anerkennung unter Berufung darauf verweigern, dass die Zuständigkeit des Erstgerichts missbräuchlich erschlichen wurde, käme dies einer Überprüfung der Entscheidung in der Sache gleich.453 Es ist nämlich gerade Aufgabe des erkennenden Gerichts, seine Zuständigkeit selbst zu überprüfen.454 Dieses Verständnis ist auch in der Systematik der EuInsVO angelegt.455 Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO prüft das mit einem Insolvenzantrag befasste Gericht seine internationale Zuständigkeit von Amts wegen selbst. Zweifel an der internationalen Zuständigkeit sind nach Art. 5 EuInsVO vor dem eröffnenden Gericht anzubringen.456 Mithin lässt sich konstatieren, dass die Frage, ob die Zuständigkeitsbegründung im Einzelfall missbräuchlich erfolgte, nach der Systematik der EuInsVO vom Eröffnungsgericht selbst und nicht von Gerichten anderer Mitgliedstaaten zu beurteilen ist.457 Daher ist es abzulehnen, den ordre public Vorbehalt aus Art. 33 EuInsVO zur Korrektur von forum shopping heranzuziehen. Zu beurteilen, ob ein Fall der missbräuchlichen Rechtsgestaltung vorliegt, ist Angelegenheit des Eröffnungsgerichts. In krassen Einzelfällen mag eine Anwendung des Art. 33 EuInsVO gerechtfertigt sein, jedoch nur dann, wenn aus dem forum shopping selbst so schwerwiegende Benachteiligungen für einzelne Verfahrensbeteiligte folgen, dass von einer offensichtlichen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ausgegangen werden kann.458 Wie ein solcher Fall konkret beschaffen wäre, braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden.459 Festzuhalten bleibt, dass die Auswirkungen von forum shopping regelhaft nicht über den ordre public Vorbehalt zu korrigieren sind. Alles andere bedeutete, den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens der europäischen Justizsysteme nicht hinreichend ernst zu nehmen.460 453 So auch Reuß, „Forum Shopping“ in der Insolvenz, S. 196; Bork, ZIP 2016, S011, S013; Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 32, Rn. 20; Kindler, in: MüKo BGB, Art. 33 EuInsVO, Rn. 13; Thole, in: MüKo InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 16; Laukemann, IPRax 2012, 207, 210 f. 454 Grundlegend EuGH, Urt. v. 27. April 2004 – Rs. C-159/02, Gregory Paul Turner./.Felix Fareed Ismail Grovit, Harada Ltd, Changepoint SA, ECLI:EU:C:2004:228, Rn. 28; EuGH, Urt. v. 10. Februar 2009 – Rs. C-185/07, Allianz SpA, Generali SpA./.West Tankers Inc., ECLI:EU:C:2009:69, Rn. 29; EuGH, Urt. v. 21. Januar 2010 – Rs. C-444/07, MG Probud Gdynia sp. z o.o., ECLI:EU:C:2010:24, Rn. 29. 455 Bork, ZIP 2016, S011, S013 f.; Oberhammer, in: Bork/van Zwieten, EIR, Rn. 33.15. 456 Hermann, in: Uhlenbruck, Art. 33 EuInsVO, Rn. 21. 457 Bork, ZIP 2016, S011, S013; Kindler, in: MüKo BGB, Art. 33 EuInsVO, Rn. 13; Thole, in: MüKo InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 16; Laukemann, IPRax 2012, 207, 210 f. 458 Virgo´s/Schmit, S. 44, Rn. 205 betonen, dass es auf das Ergebnis der Anerkennung ankommt. Ähnlich auch Paulus, EuInsVO, Art. 33, Rn. 23: „ganz exzeptionelle Fälle“. Thole, in: MüKo InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 16. 459 Umfangreiche Erwägungen dazu finden sich bei Reuß, „Forum Shopping“ in der Insolvenz, S. 318 ff. 460 Vgl. Riedemann, in: Pannen, EIR, Art. 26, Rn. 11.

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

3. Änderungen der Gesellschaftsstruktur Ferner ließe sich erwägen, restrukturierungsbedingte Eingriffe in Anteilseignerrechte am ordre public zu messen. Wird über eine Gesellschaft im Ausland ein Restrukturierungsverfahren eröffnet, weil dort deren COMI belegen ist, so findet das Restrukturierungsrecht dieses Landes Anwendung, Art. 7 Abs. 1 EuInsVO. Sieht die betreffende Rechtsordnung nun frühere Eintrittsvoraussetzungen in das Verfahren oder geringere Mehrheitserfordernisse für die Planannahme vor, so kann es sein, dass die Gesellschafter im Restrukturierungsplan Beschneidungen ihrer Rechtsposition dulden müssen, die im Inland so niemals hätten eintreten können. Darin könnte man eine so schwerwiegende Beeinträchtigung der Eigentumsposition der Gesellschafter erblicken, die möglicherweise eine Versagung der Anerkennung zu begründen im Stande wäre.461 Hiergegen ist allerdings zweierlei einzuwenden. Zunächst ist zu bedenken, dass die Abweichung von nationalem Recht für sich genommen keinesfalls einen Verstoß gegen den ordre public begründet.462 Die Wertungsentscheidungen ausländischen Rechts und ausländischer Gerichte sind im Grundsatz hinzunehmen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Restrukturierungsrechte der Mitgliedstaaten in Umsetzung der EuRRL ergehen, mit der eine Mindestharmonisierung463 stattgefunden hat. Die nationalen Restrukturierungsverfahren dürften demnach nicht unter den Standard an Eigentumsschutz abrutschen, den die EuRRL vorgibt. Der europäische Gesetzgeber ist bei der Rechtssetzung durch Art. 17 GRCh der Wahrung des Eigentumsgrundrechts verpflichtet.464 Der ordre public aus Art. 33 EuInsVO ist seinerseits europäisch eingerahmt, indem nicht nur die innerstaatlichen Verfassungsprinzipien sondern auch die europäischen Grundrechtsstandards Gegenstand des ordre public sind.465 Daher können nati-

461 Pleister/Theusinger, in: Kübler, HRI, § 51, Rn. 33 meinen etwa, der ordre public würde dann „getestet“, wenn das ausländische Insolvenzrecht eine vergleichbare Maßnahme gegen den Willen der Gesellschafter nicht zulässt. Nach Skauradszun, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 22 seien zumindest die Kritiker restrukturierungsbedingter Eingriffe in die Kapitalstruktur potentiell geneigt, eine entsprechende Argumentation im Rahmen des Art. 33 EuInsVO anzubringen. 462 Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 8; Thole, in: MüKo InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 12. 463 Siehe etwa Riewe, ZRP 2017, 179, 180; Hölzle, ZIP 2017, 1307, 1307; v. Bismarck/ Schulz, NZI-Beilage 1/2019, 82, 83. 464 Nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 gilt die Charta für die Organe und Einrichtungen der Union. Vgl. Terhechte, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 49 AEUV, Rn. 1 f.: Die Ausübung der Unionsgewalt hat sich an der GRCh messen zu lassen. Dies gilt mithin auch für die Restrukturierungsrichtlinie. Vgl. dazu Kindler, in: Kindler/Nachmann/ Bitzer, Hdb. Insolvenzrecht Europa, § 3, Rn. 24. 465 Thole, in: MüKo InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 9; Skauradszun, in: Kübler/Prütting/ Bork, Art. 33 EuInsVO, Rn. 11; Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 33, Rn. 8 ff.; Kindler, in: MüKo BGB, Art. 33 EuInsVO, Rn. 6; Hess, IPRax 2001, 301, 305.

F. Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen

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onale Gesetze, die in Umsetzung einer Richtlinie erlassen wurden, nur insoweit gegen den ordre public verstoßen, als ein Umsetzungsspielraum besteht.466 Aus den Vorschriften der Richtlinie selbst wird deutlich, dass der Richtliniengeber sich um einen Ausgleich der Interessen bemüht und eigentumsrechtliche Belange abgewogen hat.467 Wollte man nun in konkreten Eingriffen in Anteilseignerrechte einen ordre public Verstoß erblicken, müsste dargetan werden, dass das nationale Verfassungsrecht einen wesentlich höheren Eigentumsschutz verlangt, als Art. 17 GRCh und die einschlägigen Vorschriften der EuRRL gewährleisten. Dies ist aber nicht ersichtlich. Das deutsche Recht kannte Zwangseingriffe in Gesellschafterrechte bereits bevor die EuRRL erlassen wurde.468 Dass für die Abstimmungsmehrheit in den Klassen nach deutschem Recht 75 %469 der Stimmen erforderlich sind, lässt sich jedenfalls nicht zwingend aus dem Grundgesetz ableiten.470 Dies gilt auch für den Eröffnungstatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit, § 29 Abs. 1 StaRUG i.V.m. § 18 Abs. 2 InsO. Hier wurde mit dem SanInsFoG der maßgebliche Prognosezeitraum jüngst auf 24 Monate festgelegt.471 Bei konkreten Umsetzungsfragen handelt es sich also um rechtspolitische Diskussionspunkte und nicht etwa um verfassungsrechtliche Mindeststandards.472 Dies spricht dafür, dass restrukturierungsbedingte Eingriffe in die Kapitalstruktur keinen ordre public Verstoß darstellen, der einer Anerkennung von Planentscheidungen entgegenstünde.473 Dies gilt jedenfalls solange, als die Umsetzungsgesetze der Mitgliedstaaten sich im Rahmen der Vorgaben der EuRRL halten.

466

Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 33, Rn. 9. Siehe etwa Erw.-Gr. 48, 49, 50, 57. 468 Im Insolvenzplanverfahren können gem. § 225a Abs. 3 InsO gesellschaftsrechtliche Maßnahmen zum Planinhalt gemacht werden. Diese Norm wurde mit dem ESUG eingeführt und ist bereits seit 2012 in Kraft. 469 Siehe § 25 Abs. 1 StaRUG 470 So genügt für die Planannahme im Insolvenzverfahren die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger in jeder Gruppe, § 244 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Hingegen fordert das StaRUG für die Annahme des Restrukturierungsplans drei Viertel der Stimmrechte. Damit sind die Mehrheitserfordernisse im StaRUG deutlich höher, vgl. dazu Spahlinger, NZI-Beilage 1/2021, 32, 33. Dies verwundert, da die Eingangsvoraussetzungen in beide Verfahren identisch sind, spricht aber dafür, dass die erforderlichen Abstimmungsmehrheiten keine zwingenden Rechtsgrundsätze sind. 471 Siehe Art. 5 Nr. 10 SanInsFoG. Zuvor bestand über den maßgeblichen Prognosezeitraum Unklarheit. Dazu Wolfer, in: BeckOK InsO, § 18, Rn. 23. 472 Gehrlein, BB 2021, 66, 71 sieht die Rechtfertigung für restrukturierungsbedingte Eingriffe richtigerweise in der Gefährdung der vollständigen Gläubigerbefriedigung. Nicht gesagt ist damit aber, ab welchem Zeitpunkt diese Gefährdung vorliegt. Dabei handelt es sich gerade um eine rechtspolitische Frage. 473 So im Ergebnis auch Skauradszun, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 11. Aufgrund eines verfehlten Verständnisses des ordre public zu weit Pleister/Theusinger, in: Kübler, HRI, § 51, Rn. 33. 467

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Kapitel 4: Das Restrukturierungsverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO

IV. Zusammenfassung Der ordre public stellt ein Korrektiv für den Automatismus der Anerkennung im Geltungsbereich der EuInsVO dar. Dennoch kommt diesem Tatbestand absoluter Ausnahmecharakter zu.474 Ein Verstoß gegen Art. 33 EuInsVO ist der „letzte Rettungsanker“. Weder schuldnerinitiiertes forum shopping noch Eingriffe in Gesellschafterrechte vermögen im Normalfall eine Verweigerung der Anerkennung nach Art. 33 EuInsVO zu tragen. Damit ist gleichzeitig klargestellt, dass Restrukturierungsplänen, die in ausländischen Verfahren im Geltungsbereich der EuInsVO gerichtlich bestätigt wurden, ein hoher Schutz zukommt. Der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in die Justizsysteme führt dazu, dass kaum Konstellationen denkbar sind, in denen eine Anerkennung ausscheidet.

G. Fazit Die EuInsVO findet Anwendung auf öffentliche Gesamtverfahren. Sämtliche Verfahren, für die der Anwendungsbereich eröffnet ist, finden sich im Anhang A der Verordnung. Für den Rechtsanwender kommt es nur auf die Nennung des Verfahrens im Anhang A an. Das Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL ist grundsätzlich so beschaffen, dass es in den Anhang A aufgenommen werden könnte. Eine Aufnahme kommt allerdings nur für öffentlich durchzuführende Verfahren in Betracht. Für geheime Restrukturierungsverfahren steht die EuInsVO nicht zur Verfügung. Folgerichtig sieht der deutsche Gesetzgeber auch nur das öffentliche StaRUG-Verfahren zur Aufnahme in den Anhang A vor. Für die Zuständigkeitsbestimmung nach der EuInsVO kommt es auf den Ort der Belegenheit des COMI an. Bei der Bestimmung des COMI besteht erheblicher Wertungsspielraum. Maßgeblich relevant für die Bestimmung ist der Ort der Hauptverwaltung, bei dem es sich um ein Synonym für den Verwaltungssitz handelt. Das COMI-Kriterium hat damit große Ähnlichkeit zur gesellschaftsrechtlichen Sitztheorie. Forum shopping ist unter der EuInsVO n.F. weiterhin möglich. Die maßgeblichen Anknüpfungskriterien, der Satzungs- und Verwaltungssitz, können im Binnenmarkt verlegt werden, da die grenzüberschreitende Mobilität von Gesellschaften unter dem Schutz der Niederlassungsfreiheit steht. Die Verlegung des Satzungssitzes geht mit einem Wechsel der Rechtsform einher; hingegen ist die Verlegung des Verwaltungssitzes rechtsformwahrend möglich. Prohibitiv können Transaktionskosten wirken. Die Frist in Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 EuInsVO bezieht sich ausschließlich auf die Verlegung des Satzungssitzes und setzt daher einen Anreiz dafür, ausschließlich auf den Verwaltungssitz einzuwirken. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Satzungs- und Verwaltungssitz auseinanderfallen. 474 Vgl. auch Hess/Laukemann, in: FS Wellensiek 2011, S. 813, 820: „nur begrenzte Bedeutung“.

G. Fazit

161

Nach der EuInsVO findet auf ein Insolvenzverfahren grundsätzlich das Insolvenzrecht des Staates des angerufenen Gerichts Anwendung. Unproblematisch gilt dies jedenfalls für die Zugangsvoraussetzungen zum Restrukturierungsverfahren, die Wirkungen des Moratoriums und die Annahmevoraussetzungen des Restrukturierungsplans. Schwierigkeiten ergeben sich allerdings bei gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen. Ob diese unter die lex fori concursus fallen, oder nach dem Gesellschaftsstatut zu bemessen sind, ist eine Frage der Qualifikation. Die Methode der Qualifikation ist mit einigen Unsicherheiten behaftet, weshalb eine Einordnung schwerfällt. Der EuGH hat entschieden, dass für die Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht auf funktionelle Kriterien abzustellen ist. Nach hier vertretener Auffassung bemisst sich die Wirksamkeit gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen im Restrukturierungsplan ausschließlich nach dem anwendbaren Restrukturierungsrecht. Ebenfalls finden speziell restrukturierungsrechtliche Haftungsinstitute auch auf Geschäftsleiter ausländischer Gesellschaften Anwendung, sofern diese im Inland ein Restrukturierungsverfahren durchlaufen. Diese Qualifikation steht auch im Einklang mit der Niederlassungsfreiheit, da sich die Ausführungen der Entscheidung Kornhaas./.Dithmar auf das Restrukturierungsrecht übertragen lassen. Ferner ermöglicht die EuInsVO die automatische grenzüberschreitende Anerkennung sämtlicher Entscheidungen, die im Restrukturierungsverfahren ergehen. Bereits die Gewährung eines Moratoriums oder die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten können die Eröffnung eines Verfahrens darstellen, die nach Art. 19 Abs. 1 EuInsVO anzuerkennen ist. Alle übrigen Entscheidungen sind nach Art. 32 Abs. 1 EuInsVO anzuerkennen. Dazu gehört auch die Bestätigung eines Restrukturierungsplans. Die Anerkennung hat eine grenzüberschreitende Wirkungserstreckung zur Folge, die nicht nur die verfahrens- sondern auch die materiell-rechtlichen Wirkungen der Planbestätigung umfassen. Damit entfalten auch Veränderungen der Kapitalstruktur einer Auslandsgesellschaft Wirkung im Gründungsstaat, sodass eine Restrukturierung einer Kapitalgesellschaft vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaates denkbar ist. Grenzen der automatischen Anerkennung können sich allenfalls aus dem ordre public ergeben. Dieser ist allerdings nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen einschlägig. Weder ein schuldnerinitiiertes forum shopping noch schwerwiegende Eingriffe in die Gesellschaftsstruktur vermögen im Grundsatz einen Verstoß zu begründen. Damit ist diese Grenze der Anerkennung eher theoretischer Natur. Im Ergebnis wird im Ausland bestätigten Restrukturierungsplänen im Anwendungsbereich der EuInsVO ein sehr hoher Schutz zuteil.

Kapitel 5

Das Restrukturierungsverfahren außerhalb des Geltungsbereichs der EuInsVO A. Einleitung und Gang der Untersuchung Wie bisher gezeigt, unterfallen Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL dem Anwendungsbereich der EuInsVO nur dann, wenn sie öffentlich durchgeführt werden. Wie Gerichtszuständigkeit, anwendbares Recht und Anerkennungsfähigkeit ausländischer Entscheidungen zu beurteilen sind, wenn der Weg über die EuInsVO versperrt ist, bleibt zu untersuchen. Dies ist gerade deshalb besonders relevant, weil Restrukturierungsverfahren, wenn sie öffentlich durchgeführt werden, an einem erheblichen Nachteil leiden. Berühmt ist der Ausspruch Karsten Schmidts, eine erfolgreiche Unternehmenssanierung sei möglichst „früh, still und schnell“ durchzuführen.1 „Still“ wird ein öffentliches Restrukturierungsverfahren nicht durchzuführen sein, weshalb aus Sicht der Praxis ein erhebliches Interesse daran besteht, die Verfahrensöffentlichkeit zu vermeiden.2 Gleichzeitig wird damit das Terrain der EuInsVO verlassen. Aus deutscher Perspektive ist ferner zu beachten, dass die Vorschriften §§ 84–88 StaRUG, die öffentliche Restrukturierungssachen regeln, erst zum 17. Juli 2022 in Kraft treten.3 Vorerst wird es also gar keine StaRUG-Verfahren geben können, deren grenzüberschreitende Aspekte mit Hilfe der EuInsVO zu lösen sind. Zuletzt findet die EuInsVO im Verhältnis zu Dänemark keine Anwendung. Kurzum: Genügend Gründe sprechen für eine sorgfältige Analyse der grenzüberschreitenden Implikationen eines Restrukturierungsverfahrens, die sich abseits der EuInsVO ergeben. Zunächst wird nachfolgend untersucht, ob die EuGVVO ein taugliches Instrument zur Bestimmung der Zuständigkeit und der Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen im Restrukturierungsverfahren sein könnte. Zum anwendbaren Recht findet sich in dieser Verordnung jedoch keine Regelung, weshalb in einem nächsten Schritt darauf eingegangen wird, ob nicht die Rom I-VO dazu herangezogen werden könnte. Sodann wird untersucht, auf welche Regelungen des nationalen Rechts zurückgegriffen werden kann, sofern

1

K. Schmidt, Gutachten D für den 54. DJT (1982), Bd. 1, D. 133; ders., KTS 1982, 614,

624. 2 Vgl. dazu etwa Flöther/Eckelt, in: Flöther, Sanierungsrecht, B., Rn. 7 f.; Abel/Herbst, in: Morgen, StaRUG, § 84, Rn. 4 3 Siehe Art. 25 Abs. 3 Nr. 1 StaRUG.

164

Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

EuGVVO und Rom I-VO nicht zur Verfügung stehen. Abschließend wird ein eigener Lösungsvorschlag entwickelt, der sich als „Europäische Analogielösung“ bezeichnen lässt.

B. Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren Die Verordnung (EU) 1215/2012 regelt die internationale Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Zumindest prima facie scheint es möglich, auch eine Restrukturierungssache darunter zu fassen. Deshalb soll im Folgenden näher untersucht werden, ob die EuGVVO tatsächlich auf Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL Anwendung finden kann. Maßgeblich entscheidend ist hier das Verständnis der Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 1 lit. b) EuGVVO und das sich daraus ergebende Verhältnis zwischen EuInsVO und EuGVVO.

I. Anwendungsbereich der EuGVVO Die EuGVVO gilt für Verfahren, die ab dem 10. Januar 2015 eingeleitet worden sind, Art. 66 Abs. 1 EuGVVO. Der sachliche Anwendungsbereich ergibt sich aus Art. 1 EuGVVO. Danach ist die Verordnung anzuwenden, sofern es sich um eine Zivil- und Handelssache handelt und kein Ausschlussgrund nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 bzw. Art. 1 Abs. 2 EuGVVO vorliegt. 1. Zivil- und Handelssache Der Begriff Zivil- und Handelssache ist nicht legal definiert. Aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO ergibt sich, dass es im Kern um die Abgrenzung zu öffentlichrechtlichen Streitigkeiten geht.4 Der EuGH legt den Begriff der Zivilsache weit aus.5 Für die Abgrenzung maßgeblich ist der Streitgegenstand.6 Eine öffentlichrechtliche Streitigkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn der Staat in Ausübung hoheitlicher Befugnisse gehandelt hat.7 4 Vgl. Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 1 EuGVVO, Rn. 1; SA Szpunar v. 23. April 2020 – Rs. C-73/19, Belgischer Staat./.Movic BV, ECLI:EU:C:2020:297, Rn. 18 f.; Antomo, in: BeckOK ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 44. 5 Siehe etwa EuGH, Urt. v. 19. Juli 2012 – Rs. C-154/11, Ahmed Mahamdia./.Demokratische Volksrepublik Algerien, ECLI:EU:C:2012:491, Rn. 38; EuGH, Urt. v. 22. Oktober 2015 – Rs. C-523/14, Aannemingsbedrijf Aertssen NV./.VSB Machineverhuur BV, ECLI:EU:C: 2010:24, Rn. 28. So auch Geimer, in: Zöller, ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 17; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 2. 6 Geimer, in: Zöller, ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 18; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 2. 7 Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 1 EuGVVO, Rn. 7; SA Szpunar v. 23. April 2020 – Rs. C-73/19, Belgischer Staat./.Movic BV, ECLI:EU:C:2020:297, Rn. 18–20.

B. Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren

165

Bei einem Restrukturierungsverfahren geht es nicht um die Ausübung hoheitlicher Befugnisse, sondern um die Gestaltung privatrechtlicher Rechtsbeziehungen unter gerichtlicher Aufsicht. Mithin kann ein Restrukturierungsverfahren als Zivilsache begriffen werden.8 Dafür spricht auch die Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuInsVO. Diese wäre gänzlich überflüssig, wenn es sich bei entsprechenden Verfahren bereits unstreitig nicht um eine Zivilsache handelte. 2. Bereichsausnahme Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO Zentrale Bedeutung für die Frage, ob die EuGVVO auf Restrukturierungsverfahren angewendet werden kann, hat die Bereichsausnahme aus Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO. Danach findet diese Verordnung keine Anwendung auf Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren. Diese Regelung dient der Abgrenzung zur EuInsVO und stellt klar, dass Zuständigkeit und Anerkennung für Konkursverfahren nicht nach Maßgabe der EuGVVO zu bemessen sind, sondern dem Spezialregime der EuInsVO unterfallen.9 Damit ist natürlich noch nicht gesagt, welche Voraussetzungen an ein Konkursverfahren i.S.d. lit. b) zu stellen sind. a) Dogma des lückenlosen Ineinandergreifens Eine erste Annäherung kann mit Hilfe des systematischen Zusammenhangs erfolgen. Im Grundsatz sollen EuGVVO und EuInsVO so ausgelegt werden, dass jede Regelungslücke und Überschneidung zwischen beiden Rechtsregimen vermieden wird.10 Diese gefestigte Rechtsprechung des EuGH stützt sich auf den Schlosser-Bericht zum Beitritt Dänemarks, Irlands und Großbritanniens zum Brüsseler-Übereinkommen.11 Dort findet sich zum ersten Mal die These des lückenlosen Ineinandergreifens von Konkurs- und Brüsseler Übereinkommen.12 8 So auch Skauradszun/Nijnens, ICR 2019, 193, 196 f.; Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1503; ders., in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 62; ders., in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 11; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 657. 9 Vgl. Geimer, in: Zöller, ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 41 ff. 10 EuGH, Urt. v. 19. April 2012 – Rs. C-213/10, F-Tex SIA./.Lietuvos-Anglijos UAB „Jadecloud-Vilma“, ECLI:EU:C:2012:215, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 4. September 2014 – Rs. C-157/13, Nickel & Goeldner Spedition GmbH./.„Kintra“ UAB, ECLI:EU:C:2014:2145, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 11. Juni 2015 – Rs. C-649/13, Comite´ d’entreprise de Nortel Networks SA./.Cosme Rogeau, ECLI:EU:C:2015:384, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 9. November 2017 – Rs. C-641/16, Tünkers France./.Expert France, ECLI:EU:C:2017:847, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 20. Dezember 2017 – Rs. C-649/16, Peter Valach./.Waldvierteler Sparkasse Bank AG, ECLI:EU: C:2017:986, Rn. 24; EuGH, Urt. v. 18. September 2019 – Rs. C-47/18, Skarb Pan´stwa Rzeczypospolitej Polskiej./.Stephan Riel, ECLI:EU:C:2019:754, Rn. 33. 11 EuGH, Urt. v. 19. April 2012 – Rs. C-213/10, F-Tex SIA./.Lietuvos-Anglijos UAB „Jadecloud-Vilma“, ECLI:EU:C:2012:215, Rn. 21. 12 Bericht Schlosser zu dem Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof, Rn. 53.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

Beim Brüsseler Übereinkommen handelt es sich quasi um die Urversion der EuGVVO.13 Ein EG-Konkursübereinkommen konnte zwar nie in Kraft treten, wurde aber letztlich in Form der EuInsVO Realität.14 Mithin lässt sich das Dogma des lückenlosen Ineinandergreifens von EuInsVO und EuGVVO historisch absichern. Da es sich bei der EuInsVO um die speziellere Verordnung handelt, bildet diese den Ausgangspunkt der Abgrenzung.15 Der Erw.-Gr. 7 EuInsVO stellt klar, dass die EuInsVO diejenigen Verfahren umfasst, die von der Bereichsausnahme Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO betroffen sind; auch hier wird das Ideal des lückenlosen Ineinandergreifens aufgegriffen. Daraus lässt sich also schließen, dass jedenfalls alle Verfahren, die sich im Anwendungsbereich der EuInsVO befinden, nicht der EuGVVO unterfallen.16 Hier steht allerdings in Frage, ob umgekehrt aus der Tatsache, dass ein Verfahren – konkret ein nichtöffentliches Restrukturierungsverfahren – außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO liegt, geschlossen werden kann, dass es sich dabei nicht um ein Konkursverfahren i.S.d. Art. 1 Abs. 1 lit. b) EuGVVO handelt und damit der Anwendungsbereich der EuGVVO eröffnet ist. In den bereits angesprochenen EuGH-Urteilen findet sich eine Passage, die sich entsprechend deuten ließe. Dort heißt es, dass „spiegelbildlich“ diejenigen Klagen, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 3 EuInsVO fallen, im Anwendungsbereich der EuGVVO liegen.17 Es fällt allerdings auf, dass hier vom Anwendungsbereich des Art. 3 EuInsVO die Rede ist, während sich die formale Definition eines Insolvenzverfahrens und damit des Anwendungsbereichs der EuInsVO in Art. 1 EuInsVO findet. Dies lässt sich damit begründen, dass in allen betreffenden Entscheidungen die Zuständigkeit für Annexverfahren in Rede stand.18 Bevor mit Art. 6 EuInsVO n.F. die bisherige Judikatur des EuGH zu 13

Vgl. Gottwald, in: MüKo ZPO, Vor. Art. 1 EuGVVO, Rn. 6 ff. Vgl. Paulus, EuInsVO, Einl., Rn. 3–13; Antomo, in: BeckOK ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 76; Gottwald, in: MüKo ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 21. 15 Antomo, in: BeckOK ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 77. 16 Antomo, in: BeckOK ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 77; Madaus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 20. 17 EuGH, Urt. v. 19. April 2012 – Rs. C-213/10, F-Tex SIA./.Lietuvos-Anglijos UAB „Jadecloud-Vilma“, ECLI:EU:C:2012:215, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 4. September 2014 – Rs. C-157/13, Nickel & Goeldner Spedition GmbH./.„Kintra“ UAB, ECLI:EU:C:2014:2145, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 11. Juni 2015 – Rs. C-649/13, Comite´ d’entreprise de Nortel Networks SA./.Cosme Rogeau, ECLI:EU:C:2015:384, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 9. November 2017 – Rs. C-641/16, Tünkers France./.Expert France, ECLI:EU:C:2017:847, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 20. Dezember 2017 – Rs. C-649/16, Peter Valach./.Waldvierteler Sparkasse Bank AG, ECLI:EU:C:2017:986, Rn. 24; EuGH, Urt. v. 18. September 2019 – Rs. C-47/18, Skarb Pan´stwa Rzeczypospolitej Polskiej./.Stephan Riel, ECLI:EU:C:2019:754, Rn. 33. 18 Für Sachverhaltsschilderungen siehe EuGH, Urt. v. 19. April 2012 – Rs. C-213/10, Rn. 11–17; EuGH, Urt. v. 4. September 2014 – Rs. C-157/13, Rn. 14–19; EuGH, Urt. v. 11. Juni 2015 – Rs. C-649/13, Rn. 9–21; EuGH, Urt. v. 9. November 2017 – Rs. C-641/16, Rn. 7–15; EuGH, Urt. v. 20. Dezember 2017 – Rs. C-649/16, Rn. 12–20; EuGH, Urt. v. 18. September 2019 – Rs. C-47/18, Rn. 18–31. Namen und Fundstellen oben Fn. 17. 14

B. Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren

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Annexverfahren in die EuInsVO aufgenommen wurde,19 war nämlich unklar, ob sich die Zuständigkeit für zivilrechtliche Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren stehen, aus der EuInsVO oder aus der EuGVVO ergibt.20 Hier ging es also nicht um die Abgrenzung der formellen Anwendungsbereiche von EuGVVO und EuInsVO, sondern um die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Einzelklage (noch) als dem Insolvenzverfahren zugehörig begriffen werden kann. Bei dem oben zitierten Umkehrschluss des EuGH handelt es sich mithin um ein spezielles Argument zur Abgrenzung von EuInsVO a.F. und EuGVVO bei Annexverfahren.21 Es lässt sich aber nicht grundsätzlich auf die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden Verordnungen übertragen, wie auch ein einfaches Gedankenspiel zeigt: Sollte etwa die Anerkennung einer Ehescheidung deshalb nach den Vorschriften der EuGVVO erfolgen, weil die EuInsVO dafür offensichtlich nicht zur Verfügung steht? Die Anwendung dieses Arguments zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche beider Verordnungen stellte also einen induktiven Fehlschluss dar. Das Dogma des lückenlosen Ineinandergreifens führt bei genauer Betrachtung im Ergebnis nur insofern weiter, als klargestellt ist, dass alle Verfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO nicht der EuGVVO unterfallen.22 b) Anhang A In einem nächsten Schritt ist zu bedenken, wie der Anwendungsbereich der EuInsVO für die Zwecke der Abgrenzung zu bestimmen ist. Hier sind zwei Vorgehensweisen denkbar. Einerseits könnte der theoretische Anwendungsbereich herangezogen werden, wie er in Art. 1 EuInsVO definiert ist.23 Andererseits könnte

19 Thole/Swierczok, ZIP 2013, 550, 553: Art. 6 EuInsVO sei „Kodifizierung des Deko Marty-Urteils“. Dazu auch Undritz, in: A. Schmidt, EuInsVO, Art. 6, Rn. 1–3; Hänel, in: Vallender, EuInsVO, Art. 6, Rn. 4 ff. 20 Grundlegend EuGH, Urt. v. 12. Februar 2009 – Rs. C-339/07, Christopher Seagon./.Deko Marty Belgium NV, ECLI:EU:C:2009:38, Rn. 19 ff. Dazu kritisch Kern/Stürner, LMK 2009, 278572. Zum Meinungsstand unter der EuInsVO a.F. siehe etwa Oberhammer, KTS 2009, 27, 40 ff. 21 Dies betonen auch Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 44; Thole, ZIP 2021, 2153, 2155; ders., in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 42; Schelo, WM 2022, 556, 558; Piekenbrock, in: FS Gehrlein, S. 455, 462. 22 Die Reichweite des Dogmas vom „lückenlosen Ineinandergreifen“ überspannen Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1503, ders., in: Kübler/Prüttung/Bork, InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 11; ders., in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 71 ff.; Skauradszun/Nijnens, ICR 2019, 193, 197, 201; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 657 f.; Madaus, ZIP 2022, 1233, 1237; ders., in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 18 ff. Diese Ansicht vermag schon aus diesem Grund nicht zu überzeugen. 23 SA Szpunar v. 27. März 2019 – Rs. C-716/17, Vorabentscheidungsersuchen des Østre Landsret, ECLI:EU:C:2019:262, Rn. 31; Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 45; Thole, ZIP 2021, 2153, 2155; Madaus, ZIP 2022, 1233, 1237; ders., in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 18 ff.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

erwogen werden, auf die Nennung eines Verfahrens in Anhang A abzustellen, die für die praktische Anwendbarkeit der EuInsVO von Belang ist.24 Tatsächliche Auswirkungen hätte dies für das StaRUG in dem Zeitraum gehabt, zu dem die öffentliche Variante des Verfahrens noch nicht in Anhang A aufgenommen war.25 Die öffentliche Verfahrensvariante erfüllt nämlich unabhängig von der Aufnahme in den Anhang A die abstrakten Anwendungsvoraussetzungen der EuInsVO.26 Für ein Abstellen auf den Anhang A spräche die Einfachheit und Klarheit der Handhabung. Gleichzeitig ermöglichte dies in der „Übergangsphase“ vor der Aufnahme eines Verfahrens in den Anhang A eine unionsweite Anerkennung von Restrukturierungsverfahren. Dies ist im Grundsatz im Interesse aller Beteiligten.27 Indessen ist das Verfahren zur Aufnahme in den Anhang A zu berücksichtigen. Unter der Neufassung der EuInsVO ist für eine Änderung des Anhang A kein vereinfachtes Verfahren mehr vorgesehen, vielmehr ist die Änderung der Verordnung im Wege des ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erforderlich.28 Formal kommt hier der Kommission das Initiativrecht zu, Art. 294 Abs. 2 AEUV. Praktisch ist die Kommission aber auf die Mitwirkung der Mitgliedstaaten angewiesen, um darüber informiert zu sein, welche Verfahren überhaupt für die Aufnahme in Anhang A in Betracht kommen.29 Dieses Informationsbedürfnis verdeutlicht auch Art. 86 EuInsVO. Faktisch initiieren also die Mitgliedstaaten die Aufnahme eines nationalen Verfahrens in den Anhang A.30 Hat ein Mitgliedstaat nun ein Interesse daran, sein Restrukturierungsverfahren aus dem Anwendungsbereich der EuInsVO herauszuhalten, um das Verfahren auch ausländischen Unternehmen zur Anwendung zu eröffnen, deren COMI nicht im Inland belegen ist,31 hat dieser Staat es in der Hand, die Aufnahme in 24 So für das Restrukturierungsverfahren Skauradszun/Nijnens, ICR 2019, 193, 197, 201; Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1503; ders., in: Kübler/Prüttung/Bork, InsO, Art. 32 EuInsVO, Rn. 11 ff., ders.; KTS 2019, 161, 171, ders., in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 65 ff. Entsprechendes vertreten etwa für das Scheme of Arrangement Mankowski WM, 1201, 1202 f.; Kusche, Die Anerkennung des SoA in Deutschland, S. 93 ff. 25 Vgl. Kapitel 4, Fn. 112. 26 Siehe oben Kapitel 4, C. II. und III. 27 Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1502. 28 Dazu etwa Vallender, in: Vallender, EuInsVO, Art. 1, Rn. 46; Knof, in: Uhlenbruck, Art. 1 EuInsVO, Rn. 31. 29 Vgl. COM (2016) 317 final, S. 1 ff. Hier teilte Polen der Kommission die grundlegende Reform seines nationalen Umstrukturierungsgesetzes mit und bat um Änderung des Anhangs A und B der EuInsVO. Auf S. 3 heißt es dazu wörtlich: „Polen hat der Kommission Änderungen der Listen in den Anhängen mitgeteilt. Daher hat die Kommission keine andere Möglichkeit, als Änderungen der Anhänge der Verordnung vorzuschlagen, soweit diese Änderungen den in der Verordnung festgelegten Anforderungen genügen.“ 30 Kindler, in: MüKo BGB, Art. 1 EuInsVO, Rn. 3; Kindler/Sakka, EuZW, 460, 461; Vallender, in: Vallender, EuInsVO, Art. 1, Rn. 46. Vgl. auch Madaus, ZIP 2022, 1233, 1237. 31 Dass dieser Gedanke nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt das niederländische Umset-

B. Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren

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Anhang A zu verhindern.32 Stellte man nun im Rahmen der Abgrenzung zur EuGGVO darauf ab, ob ein Verfahren im Anhang A der EuInsVO genannt ist, würde ein zusätzlicher Anreiz für diese Vorgehensweise geschaffen, da insofern die Möglichkeit bestünde, den Verfahrensergebnissen mit Hilfe der EuGVVO zu unionsweiter Anerkennung zu verhelfen.33 Daraus ergäbe sich ein zusätzlicher Anreiz für forum shopping, wo es aber doch gerade Ziel der EuInsVO ist, solches zu verhindern.34 Dies spricht dafür, im Rahmen der Abgrenzung der Anwendungsbereiche auf die formalen Anwendungsvoraussetzungen aus Art. 1 EuInsVO abzustellen. Diese Einschätzung unterstützt auch Erw.-Gr. 7 EuInsVO, der klarstellt, dass allein deshalb, weil ein Verfahren nicht im Anhang A der EuInsVO gelistet ist, nicht geschlossen werden könne, es falle unter die EuGVVO. c) Definition des EuGH aus Gourdain./.Nadler Da ein systematisches Argument im vorliegenden Fall nur in Teilen weiterhilft, soll eine weitere Annäherung über den Wortlaut erfolgen. Eine Definition von Konkursen, Vergleichen und ähnlichen Verfahren gem. Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO hat der EuGH in der Rechtssache Gourdain./.Nadler vorgenommen. Danach sei für diese Verfahren charakteristisch, dass sie auf der Zahlungseinstellung, der Zahlungsunfähigkeit oder der Erschütterung des Kredits des Schuldners beruhen und ein Eingreifen der Gerichte beinhalten, das in eine zwangsweise kollektive Liquidation der Vermögenswerte des Schuldners oder zumindest in eine Kontrolle durch die Gerichte mündet.35 Die Definition setzt die Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit, mithin die materielle Insolvenz voraus. Eine solche liegt bei einem Restrukturierungsverfahren nicht vor; dieses dient gerade der Insolvenzvermeidung. Insofern ließe sich argumentieren, es handele sich bei dem Restrukturierungsverfahren nicht um ein konkursähnliches Verfahren im Sinne der Definition.36

zungsgesetz zur EuRRL (sog. Wet Homologatie Onderhands Akkord = WHOA). Hier wurde bereits vor dem formellen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens offensiv beworben, dass es eine „COMI“ und eine „Non-COMI“-Version geben werde. Vgl. dazu Dammann, in: Paulus/ Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 1, Rn. 55. 32 Kritisch dazu Kindler, in: MüKo BGB, Art. 1 EuInsVO, Rn. 3; Kindler/Sakka, EuZW, 460, 461; Madaus, ZIP 2022, 1233, 1237. 33 Madaus, ZIP 2022, 1233, 1237. Vgl. dazu auch Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 42, der insofern von „Restrukturierungstourismus“ spricht. 34 Vgl. etwa Erw.-Gr. 4 EuInsVO. 35 EuGH, Urt. v. 22. Februar 1979 – Rs. C-133/78, Henri Gourdain./.Franz Nadler, ECLI:EU:C:1979:49, Rn. 4. 36 Voit, in: Musielak, ZPO, Art. 1 EuGVVO, Rn. 6; Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1503; ders., in: Skauradszun/Fridgen, § 84 StaRUG, Rn. 66; Skauradszun/Nijnens, ICR 2019, 193, 197.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

Dem lässt sich jedoch entgegenhalten, dass die zitierte Entscheidung aus dem Jahr 1979 stammt. Zu diesem Zeitpunkt waren Sanierungsverfahren weitaus weniger verbreitet. Dem Sinn und Zweck nach wollte man solche Verfahren aus dem Anwendungsbereich der EuGVVO heraushalten, auf die das Zuständigkeitsregime der Verordnung nicht zugeschnitten ist.37 Bei Konkursverfahren handelt es sich üblicherweise um Kollektivverfahren, wohingegen die EuGVVO in erster Linie „klassische“ Kläger-Beklagten-Verhältnisse im Blick hat.38 Zieht man nun in Betracht, dass Restrukturierungsverfahren sich insolvenzrechtlicher Mechanismen – wie etwa des Restrukturierungsplans – bedienen, spricht ein teleologisches Verständnis dafür, den Bereichsausschluss auch auf Restrukturierungsverfahren auszuweiten.39 Gleichzeitig kann man natürlich betonen, dass Restrukturierungsverfahren sich vom klassischen Insolvenzverfahren lösen, indem sie gerichtsferner gestaltet und insofern eher unternehmensrechtlich einzuordnen seien.40 Die EuGH-Definition der Bereichsausnahme ist nur ein schwaches Argument, da sie vor mehr als vierzig Jahren ergangen ist. Versucht man, sich der Bereichsausnahme teleologisch zu nähern, ist das Ergebnis offen. Sowohl für die Konkursähnlichkeit als auch für das Gegenteil lassen sich Argumente finden. d) Erweiterung des Anwendungsbereichs der EuInsVO n.F. Die Diskussion zur Anwendung der EuGVVO auf Sanierungsverfahren ist nicht neu. Die rechtswissenschaftliche Literatur in Deutschland hat das Phänomen der sogenannten Sanierungsmigration41 zum Anlass genommen, umfangreich zur Anerkennungsfähigkeit des Scheme of Arrangement in Deutschland Stellung zu beziehen.42 Es bestand Uneinigkeit darüber, ob die EuGVVO zur Anerkennung 37 Vgl. etwa Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 6, Rn. 6.16: „Die Herausnahme erfolgte ursprünglich aus der Erwägung, dass die betroffenen Materien sich nicht für eine Koordinierung durch das EuGVÜ eigneten.“ Ebenso Kropholler/v. Hein, Art. 1 EuGVO, Rn. 16. Ähnlich Bornemann, in: Graf-Schlicker, Art. 1 EuInsVO, Rn. 45: Die EuInsVO wurde geschaffen, „um den Besonderheiten insolvenzrechtlicher Verfahren gerecht zu werden“. Siehe auch P. Jenard, Bericht zu dem Übereinkommen v. 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, Drittes Kapitel, IV. B., S. 11. 38 Vgl. Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Vor. Art. 4 EuGVVO, Rn. 21. 39 Ähnlich Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1043; Riedemann, in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Vor. §§ 84–88, Rn. 7; Kahlert/Schumann, DStR 2021, 2741, 2748. 40 Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1503. 41 Als „Sanierungsmigration“ wurde das Bestreben von Unternehmen bezeichnet, zum Zwecke der bilanziellen Sanierung in den Anwendungsbereich der englischen Rechtsordnung zu gelangen. Vgl. dazu Steffek, in: Münchener Hdb. Gessellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 42, Rn. 5 ff. Dazu auch bereits oben Kapitel 4, D. III. 1. 42 Siehe etwa Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210 ff.; Mankowski, WM 2011, 1201 ff.; Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033, 2043 ff.; Westpfahl, in: FS Görg, 569, 591 ff.; Thole, ZGR 2013, 109, 116 ff.; Paulus, ZIP 2011, 1077 ff.; Lüke/Scherz, ZIP 2012, 1101 ff.; SchümannKleber, IILR 2011, 447 ff.; Kusche, Die Anerkennung des SoA in Deutschland, S. 78 ff.; Laier,

B. Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren

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im Ausland durchgeführter Sanierungsverfahren herangezogen werden könnte. Eine weit verbreitete Meinung in der Literatur plädierte damals für die Anwendung der EuGVVO auf das Scheme of Arrangement43 und selbst der BGH bekundete obiter dicens eine gewisse Sympathie für diesen Ansatz.44 Da das neue Restrukturierungsverfahren eine gewisse Ähnlichkeit mit dem SoA besitzt, liegt es auf den ersten Blick nahe, die damals prominent vertretene These zur Anwendbarkeit der EuGVVO auf das Verfahren nach der EuRRL zu übertragen.45 Diese zunächst plausibel anmutende These ist aber bei genauerer Untersuchung wenig überzeugend.46 Sie berücksichtigt nämlich nicht, dass die EuInsVO mittlerweile überarbeitet wurde und der Anwendungsbereich nunmehr auch präventive Verfahren umfasst.47 Mit der neuen Fassung der EuInsVO hat der Gesetzgeber gerade bezweckt, den zugrundeliegenden Verfahrensbegriff auszuweiten, da dieser nicht mehr als zeitgemäß begriffen wurde.48 Verfahren zur Insolvenzvermeidung, die sich aber insolvenzrechtlicher Mechanismen bedienen, sollen nunmehr nach den Vorschriften der EuInsVO abgewickelt werden.49 Damit lässt sich die Neufassung der EuInsVO sogar als Gegenbewegung zu oben erwähntem Ansätzen in der Literatur begreifen.50 Die offensichtliche Intention des Verordnungsgebers, die grenzüberschreitenden Fragestellungen für Restrukturierungsverfahren der EuInsVO zu unterstellen, ist auch im Rahmen der Auslegung von Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO zu berücksichtigen und führt dazu, dass diese Verfahren – unabhängig davon, ob sie öffentlich oder geheim geführt werden – der Bereichsausnahme unterfallen.51 Dafür spricht auch, dass der VerordGWR 2011, 252, 254 ff.; Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 39, Rn. 42 ff. 43 Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210 ff.; Mankowski, WM 2011, 1201 ff.; Westpfahl/ Knapp, ZIP 2011, 2033, 2043 ff.; Steffek, in: Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Bd. 6, § 39, Rn. 42 ff. jeweils m.w.N. 44 BGH, Urt. v. 5. Februar 2012 – IV. ZR 194/09, NJW 2012, 2113 ff., Rn. 26. A.A. zuvor OLG Celle, Urt. v. 8. September 2009 – 8. U 46/09, ZIP 2009, 1968, II. 1. b) dd). 45 So ausdrücklich Skauradszun/Nijnens, ICR 2019, 193, 197 f.; Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1503. 46 Richtig Thole, in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 40, Rn. 73: „lässt sich darauf nicht ohne weiteres übertragen“. 47 Erw.-Gr. 10 Satz 1 EuInsVO: „In den Anwendungsbereich dieser Verordnung sollten Verfahren einbezogen werden, die die Rettung wirtschaftlich bestandfähiger Unternehmen, die sich jedoch in finanziellen Schwierigkeiten befinden, begünstigen und Unternehmern eine zweite Chance bieten.“ Siehe auch Art. 1 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO. Dazu bereits oben Kapitel 4, B. III. 2. 48 COM (2016) 744 final, S. 2 f., 5 ff.; Fehrenbach, GPR 2016, 282, 283; Thole/Swierczok, ZIP 2013, 550, 551. 49 Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 6; Dornblüth, in: Heidelberger Kommentar, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 4; Parzinger, NZI 2016, 63, 64. 50 Vgl. dazu Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 9, Rn. 9.15, der argumentiert, dass eine Anerkennung eines SoA seit der EuInsVO n.F. nicht mehr unter der EuGVVO erfolgen könne. 51 Ebenso Schlöderl/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1044; Thole, in: Brünkmans/Thole,

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

nungsgeber Restrukturierungsverfahren zum Schutze der Gläubiger ausdrücklich nur dann zu unionsweiter Anerkennung verhelfen will, wenn sie öffentlich durchgeführt werden.52 Diese klare gesetzgeberische Intention würde ignoriert, wenn vertrauliche Restrukturierungsverfahren über den „Umweg“ der EuGVVO zu grenzüberschreitender Wirksamkeit ipso iure verholfen würde.53 e) Zusammenfassung EuInsVO und EuGVVO verhalten sich dergestalt zueinander, dass Verfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO gleichzeitig der Bereichsausnahme Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO unterfallen. Der Umkehrschluss, dass Verfahren, die der EuInsVO nicht unterfallen, nach den Vorschriften der EuGVVO zu beurteilen wären, verfängt aber nicht. Der Erw.-Gr. 7 EuInsVO spricht sich sogar ausdrücklich gegen dieses Verständnis aus. Gleichzeitig ist zu konstatieren, dass präventive Restrukturierungsverfahren nach dem Willen des Gesetzgebers im Anwendungsbereich der EuInsVO liegen. Dennoch will der Gesetzgeber zum Schutze der Gläubiger nicht jeglichen Sanierungsverfahren mit dem Mittel der EuInsVO zu unionsweiter Anerkennung verhelfen, sondern nur denjenigen Verfahren, die öffentlich durchgeführt werden. Diese klare gesetzgeberische Entscheidung ist im Rahmen der Auslegung zu respektieren; sie würde konterkariert, wendete man auf die nichtöffentliche Verfahrensvariante die Vorschriften der EuGVVO an.54 Präventive Restrukturierungsverfahren sind eindeutig der EuInsVO zugewiesen; daneben verbleibt für eine Anwendbarkeit der EuGVVO kein Raum. f) Auswirkungen Nach der hier vertretenen Auffassung steht de lege lata kein europäischer Rechtsakt zur Lösung grenzüberschreitender Zuständigkeitsfragen in nichtöffentlichen Restrukturierungsverfahren zur Verfügung.

II. Ein passendes Zuständigkeitsregime? Weiter soll hilfsweise untersucht werden, ob die Vorschriften der EuGVVO zumindest potentiell ein taugliches Zuständigkeitsregime für grenzüberschreitende

Hdb. Insolvenzplan, § 40, Rn. 73; ders., ZIP 2021, 2153, 2155; Piekenbrock, in: FS Gehrlein, S. 455, 462; Hoos/Schwartz/Schlander, ZIP 2021, 2214, 2219. In diesem Sinne auch Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 9, Rn. 9.11 ff. Zustimmend auch Paulus/Bähr/Hackländer, ZIP 2021, 1085, 1090. 52 Siehe Erw.-Gr. 12 und 13 EuInsVO. So bereits COM (2016) 744 final, S. 6 und 9. 53 Ganz zutreffend Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 48. Vgl. auch Thole, ZIP 2021, 2153, 2155. 54 Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 48; Thole, ZIP 2021, 2153, 2155.

B. Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren

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Restrukturierungsverfahren vorhielten, sofern man der oben erarbeiteten Auffassung nicht folgen will und die EuGVVO grundsätzlich auf das Verfahren für anwendbar hält. Ferner kann diese Untersuchung auch der Kontrolle des oben gefundenen Ergebnisses dienen, denn dem Sinn und Zweck nach sollen ja gerade diejenigen Verfahren vom Anwendungsbereich der EuGVVO ausgenommen sein, auf die diese Verordnung nicht zugeschnitten ist. 1. Art. 24 Nr. 2 EuGVVO Eine ausschließliche Zuständigkeit für die Durchführung von Restrukturierungsverfahren am Sitz der Gesellschaft könnte sich aus Art. 24 Abs. 2 EuGVVO ergeben. Unter diese Norm fallen nämlich Verfahren, welche die Gültigkeit der Beschlüsse von Gesellschaftsorganen zum Gegenstand haben.55 Eine Anwendung auch auf das Restrukturierungsverfahren könnte damit begründet werden, dass die Gläubigerversammlung im Restrukturierungsverfahren als maßgebliches Entscheidungsgremium an die Stelle der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung tritt und insofern als Quasi-Organ fungiert.56 Dem ist jedoch zunächst entgegenzuhalten, dass ein Restrukturierungsverfahren vor der Entscheidung der Gläubigerversammlung über die Annahme des Restrukturierungsplans weitere Mechanismen vorhält, die nur schwerlich unter diese Norm zu subsumieren sind. Gänzlich unklar wäre etwa, wo die Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen zu beantragen wäre. Außerdem zielt die Norm dem Grundsatz nach auf Binnenstreitigkeiten ab, also Verfahren, welche das Innenverhältnis der Gesellschaft betreffen.57 Im Restrukturierungsverfahren geht es hingegen um das Außenverhältnis, konkret um die Beziehung der Gesellschaft zu ihren Gläubigern. Außerdem lässt sich das Telos der ausschließlichen Zuständigkeit nach Art. 24 Nr. 2 EuGVVO nicht recht auf das Restrukturierungsverfahren übertragen: Mit der ausschließlichen Zuständigkeit für Binnenstreitigkeiten am Gesellschaftssitz ist ein Gleichlauf von forum und ius bezweckt.58 Ein solcher Gleichlauf ließe sich bei Restrukturierungsverfahren über eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Satzungssitz59 gar nicht er55 Sog. Beschlussmängelstreitigkeiten. Näher dazu Gottwald, in: MüKo ZPO, Art. 24 EuGVVO, Rn. 27; Kern, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 13/2, Art. 24 EuGVVO, Rn. 26 ff. 56 Zur Stellung der Gläubigerversammlung im Verfahren Kapitel 2, B. IV. 1. c. 57 Vossler, in: BeckOK ZPO, Art. 24 EuGVVO, Rn. 18; Gottwald, in: MüKo ZPO, Art. 24 EuGVVO, Rn. 23; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 24 EuGVVO, Rn. 124. 58 Kern, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 13/2, Art. 24 EuGVVO, Rn. 24; Gottwald, in: MüKo ZPO, Art. 24 EuGVVO, Rn. 23; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 24 EuGVVO, Rn. 104; Kindler, NZG 2010, 576, 577. 59 Art. 24 Nr. 2 Satz 2 EuGVVO verweist für die Bestimmung des Sitzes auf das nationale Kollisionsrecht des Forums. Durch die EuGH-Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit der Gesellschaften (vgl. dazu oben Kapitel 4, D. III. 3.) hat sich allerdings bei Binnenmarktsachverhalten die „Gründungstheorie“ etabliert, sodass durch S. 2 nunmehr faktisch auf den Satzungssitz verwiesen ist. Vgl. dazu Kern, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 13/2, Art. 24 EuGVVO, Rn. 25; Gottwald, in: MüKo ZPO, Art. 24 EuGVVO, Rn. 30; Kindler, NZG 2010, 576, 577; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 24 EuGVVO, Rn. 112 ff.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

reichen, sondern führte dazu, dass die Forderungen von Finanzgläubigern nach dem am Satzungssitz geltenden Restrukturierungsrecht gestaltbar wären. Der EuInsVO lässt sich aber entnehmen, dass sich der europäische Gesetzgeber bewusst gegen eine zwingende Zuständigkeit für insolvenzrechtliche Streitigkeiten am Satzungssitz der Gesellschaft ausgesprochen hat, da eine solche die Interessen der Gläubiger nicht in ausreichendem Maße berücksichtigen würde.60 Ferner sind ausschließliche Zuständigkeiten nach ständiger Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen, da sie dem verordnungsimmanenten Grundsatz, stets eine Zuständigkeit am Wohnsitz des Beklagten zu eröffnen, zuwiderlaufen.61 Dies alles zeigt, dass eine Anwendung von Art. 24 Nr. 2 EuGVVO auf Restrukturierungsverfahren keine taugliche Lösung darstellt.62 2. Art. 24 Nr. 1 EuGVVO Außerdem ist die Vorschrift Art. 24 Nr. 1 EuGVVO zu berücksichtigen. Diese Norm statuiert eine ausschließliche Zuständigkeit am Ort der Belegenheit für Verfahren, die dingliche Rechte an unbeweglichen Gegenständen betreffen. Als dingliche Rechte qualifiziert der EuGH solche Rechtspositionen, die gegenüber jedermann wirken;63 daher fällt etwa eine Hypothek unter diese Vorschrift.64 Umfasst sind jedoch nur solche Klagen, die den Inhabern den Bestand und Umfang ihrer Rechtsstellung sichern sollen.65 Danach fiele jedenfalls ein Restrukturierungsplan, der Grundpfandrechte einbezieht, unter diese Vorschrift.66 Die Anwendung führte mithin dazu, dass ein Restrukturierungsverfahren, das auch Grundpfandrechte betrifft, ausschließlich vor den Gerichten im Land der Belegenheit des Grundstücks geführt werden könnte. Da dieser ausschließliche Gerichtsstand aber nur im Verhältnis zu Grundpfandgläubigern zur Verfügung steht, richtet sich die Gerichtszuständigkeit im Verhältnis zu „gewöhnlichen“ Gläubigern nach allgemeinen Regeln;67 die Restrukturierung von Grundpfand-

60 Vgl. EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C: 2006:281, Rn. 32 ff. Zwar besteht eine grundsätzliche Vermutung zu Gunsten der Belegenheit des COMI am Satzungssitz. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden, um den Interessen der Gläubiger angemessen Rechnung zu tragen. 61 Siehe etwa EuGH, Urt. v. 2. Oktober 2008 – Rs. C-372/07, Nicole Hassett./.South Eastern Health Board, ECLI:EU:C:2008:534, Rn. 18. 62 So im Ergebnis auch Thole, ZIP 2021, 2153, 2155; Piekenbrock, in: FS Gehrlein, S. 455, 463. A.A. J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 659. 63 Kern, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 13/2, Art. 24 EuGVVO, Rn. 15 m.w.N. 64 Vgl. Vossler, in: BeckOK ZPO, Art. 24 EuGVVO, Rn. 9 ff. 65 Siehe etwa EuGH, Urt. v. 17. Dezember 2015 – Rs. C-605/14, Virpi Komu./.Pekka Komu, ECLI:EU:C:2015:833, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 16. November 2016 – Rs. C-417/15, Wolfgang Schmidt./.Christiane Schmidt, ECLI:EU:C:2016:881, Rn. 30. Siehe auch Kern, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 13/2, Art. 24 EuGVVO, Rn. 16; Dörner, in: Saenger ZPO, Art. 24 EuGVVO, Rn. 9. 66 So im Ergebnis wohl auch Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1505. 67 Eine Streitgenossenschaft nach Art. 8 Nr. 1 EuGVVO kann nur auf den allgemeinen

B. Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren

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rechten müsste also im Ergebnis vom restlichen Verfahren abgespalten am Ort der Belegenheit erfolgen.68 Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Finanzverbindlichkeiten regelmäßig mit Grundpfandrechten gesichert sind, begründet die Anwendung von Art. 24 Nr. 1 EuGVVO also erhebliche Hindernisse.69 Die Restrukturierung von Immobilienunternehmen wäre unter Anwendung der EuGVVO wohl gänzlich unmöglich. Letztendlich zeigt die Vorschrift, dass die EuGVVO nicht auf kollektive Verfahren zugeschnitten ist. Dies verdeutlicht ein Vergleich mit Art. 8 EuInsVO. Auch diese Norm dient dem Schutz dinglicher Rechte und damit der Hoheitsrechte der Belegenheitsstaaten, verwirklicht diesen aber nicht auf Ebene der Zuständigkeit, sondern durch eine Beschränkung der grundsätzlichen Anwendbarkeit der lex fori concursus.70 Jenseits dessen bleibt es aber bei der Universalzuständigkeit des Gerichts nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO; eine Zersplitterung der Zuständigkeit und die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten werden damit verhindert. 3. Gerichtsstandsvereinbarung, Art. 25 EuGVVO Eine Lösungsmöglichkeit könnten Gerichtsstandsvereinbarungen bieten. Art. 25 Abs. 1 EuGVVO ermöglicht den Parteien grundsätzlich, eine Vereinbarung über die Zuständigkeit zu treffen. Eine solche Vereinbarung kann entweder vor oder auch nach der Entstehung der Rechtsstreitigkeit getroffen werden.71 Eine Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Entstehen der Streitigkeit ist für Restrukturierungsverfahren kaum ein gangbarer Weg, wird ein solches Verfahren doch gerade initiiert, wo ein konsensualer Weg nicht beschritten werden kann.72 Daher muss eine Gerichtsstandsvereinbarung in relevante Vertragswerke – etwa den Kreditvertrag – bereits aufgenommen sein.73 Gleichwohl bindet eine Gerichtsstandsvereinbarung nur die Parteien, hilft also immer dann nicht weiter, wenn nur ein Teil der einzubeziehenden Forderungen der Gerichtsstandsvereinbarung unterliegt.74 In einem solchen Fall müsste es dann zu einer Trennung der Verfahren kommen, was praktisch keinen befriedigenden Lösungsweg darstellt.75 MitBeklagtengerichtsstand nach Art. 4 Abs. 1 EuGVVO gestützt werden und ist damit am ausschließlichen Gerichtsstand unzulässig. Siehe Gottwald, in: MüKo ZPO, Art. 8 EuGVVO, Rn. 2; Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 8 EuGVVO, Rn. 3. 68 Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1505. 69 So auch Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1505; ders., in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 79 ff. 70 Näher Mock, in: BeckOK InsO, Art. 8 EuInsVO, Rn. 1 ff.; Reinhart, in: MüKo InsO, Art. 8 EuInsVO, Rn. 1. 71 Eingehend zum Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 214 ff. 72 Vgl. etwa Freitag, ZIP 2019, 541, 545. 73 Vgl. Schlöderl/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1045; Thole, ZGR 2013, 109, 119. 74 So zur Behandlung des SoA unter der EuGVVO Thole, ZGR 2013, 109, 119. 75 Vgl. Thole, ZGR 2013, 109, 119.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

hin lässt sich konstatieren, dass die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung für einen Großteil der Restrukturierungsverfahren keinen nennenswerten Mehrwert bietet.76 In Einzelfällen, etwa der Restrukturierung eines Konsortialkreditvertrages mit entsprechender Gerichtsstandsvereinbarung,77 würde die Anwendung des Art. 25 EuGVVO jedoch eine rechtssichere Bestimmung des zuständigen Gerichts ermöglichen.78 Gleichwohl ist zu beachten, dass im Wege einer Gerichtsstandsvereinbarung keine ausschließlichen Zuständigkeiten derogiert werden können, Art. 25 Abs. 4 EuGVVO. Mithin lässt sich die soeben skizzierte Problematik betreffend Grundpfandrechte auch mittels einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht lösen. Auch deshalb ist Art. 25 EuGVVO nur bedingt tauglich zur Anwendung auf Restrukturierungsverfahren. 4. Beklagtengerichtsstand Ist ein besonderer Gerichtsstand nicht einschlägig, so muss auf den allgemeinen Beklagtengerichtsstand zurückgegriffen werden. Nach der Grundkonzeption der EuGVVO sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen, Art. 4 Abs. 1 EuGVVO. a) Kläger-Beklagten-Verhältnis Insbesondere an der Norm Art. 4 Abs. 1 EuGVVO ist zu erkennen, dass die EuGVVO auf „klassische“ Kläger-Beklagten-Verhältnisse ausgelegt ist und keine Kollektivverfahren im Blick hat.79 Fraglich ist, wie sich im Restrukturierungsverfahren überhaupt die Person des Beklagten bestimmen lässt. Man könnte erwägen, die zu restrukturierende Gesellschaft als „Beklagte“ einzustufen, und deshalb die Gerichtszuständigkeit gem. Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 EuGVVO zu bestimmen. Dies hätte den Vorteil, dass alternativ80 der Sat76 Zustimmend Thole, ZGR 2013, 109, 119 f. Wohl auch Schlöderl/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1045. 77 So haben englische Gerichte für Restrukturierungen unter dem SoA ihre Zuständigkeit angenommen, sofern im Kreditvertrag die Zuständigkeit englischer Gerichte gewählt worden ist. Diese Situation lässt sich auf nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL übertragen, da auch das SoA nicht im Anhang A der EuInsVO aufgenommen und das Vereinigte Königreich zum Zeitpunkt der Entscheidungen noch EU-Mitglied gewesen ist, sodass die EuGVVO Anwendung fand. Vgl. etwa Rodenstock GmbH [2011] EWHC 1104 (Ch) = [2011] Bus. L.R. 1245, p. 13 f.; Primacom Holdings GmbH [2012] EWHC 164 (Ch) = [2013] B.C.C. 201, p. 21 = ZIP 2012, 440, 442, Rn. 13; Tele Columbus GmbH [2014] EWHC 249 (Ch) para 5; Apcoa Parking Holdings GmbH [2014] EWHC 3849 (Ch) = [2015] Bus. L.R. 374, p. 40 ff. 78 Im Ergebnis auch Schlöderl/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1045. Ebenso zur Rechtslage unter dem SoA, die sich hier – wie gesagt (Fn. 77) – übertragen lässt, Westpfahl/ Knapp, ZIP 2011, 2033, 2044; Thole, ZGR 2013, 109, 119; Sax/Swierczok, ZIP 2017, 601, 605. 79 Zustimmend etwa Thole, ZGR 2013, 109, 120. 80 Die drei Anknüpfungsgegenstände sind alternativ zueinander; dem Schuldner verbleibt

B. Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren

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zungssitz, der Ort der Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung der Gesellschaft als Anknüpfungskriterium zur Verfügung stehen und insofern zumindest ein gewisser Gleichlauf zum COMI-Kriterium gewährleistet wäre.81 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL grundsätzlich einen Schuldnerantrag vorsehen.82 Dies spricht dafür, die Gläubiger als Beklagte zu betrachten. Faktisch bedeutet nämlich die Initiierung eines Restrukturierungsverfahrens, mit gerichtlicher Unterstützung „klageweise“ eine Vertragsänderung gegen die Gläubiger durchsetzen zu wollen. Anders gewendet kann man formulieren, dass sich die Beklagtenrolle durch den „Widerstand gegen die Inanspruchnahme“83 auszeichnet. Die Schuldnergesellschaft begehrt einen Sanierungsbeitrag der Gläubiger, den diese gerade nicht freiwillig beizusteuern bereit sind. Insofern ist es überzeugender, die Gläubiger als Beklagte zu betrachten. Die Schuldnergesellschaft als Beklagte anzusehen, steht außerdem in krassem Widerspruch zu den Grundwertungen des Beklagtengerichtsstands. Das Prinzip actor sequitur forum rei dient dem Schutz des Beklagten, indem er verhindert, dass dieser sich vor einem fremden Forum verteidigen muss.84 Dies gilt im Besonderen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, da die Prozessführung vor ausländischen Gerichten für die Parteien mit erheblichen – insbesondere auch finanziellen – Belastungen einhergeht.85 Der Beklagtengerichtsstand ist also ein wichtiges Instrument zur Gewährleistung der prozessualen Waffengleichheit.86 Dieses Schutzes bedürfen im Restrukturierungsverfahren die Gläubiger. Diese sind es, die im Verfahren, möglicherweise sogar gegen ihren ausdrücklichen Willen, einen Sanierungsbeitrag zu leisten haben, obwohl sie ohne Einfluss auf die Geschäftsführung der Schuldnergesellschaft sind und insofern keine Verantwortung für die wirtschaftliche Lage der Gläubigerin tragen. Eine Abwägung der Parteiinteressen fällt mithin zu Gunsten der Gläubiger aus. All dies spricht dafür, die Gläubiger im System der EuGVVO als Beklagte zu betrachten und nicht etwa die Schuldnergesellschaft.87 insofern ein Wahlrecht. Siehe etwa Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 63 EuGVVO, Rn. 1; Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 63 EuGVVO, Rn. 3; Thode, in: BeckOK, ZPO, Art. 63 EuGVVO, Rn. 1 ff. 81 Vgl. Thole, ZGR 2013, 109, 123; Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1214; Schlöderl/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1045. 82 Siehe Art. 4 Abs. 7 EuRRL. Zwar können nach Abs. 8 auch Gläubiger einen Antrag auf Einleitung des Restrukturierungsverfahrens stellen. Die Einleitung des Verfahrens hängt aber auch hier von der Zustimmung des Gläubigers ab. Dazu bereits oben Kapitel 3, C. I. 1. b. 83 So wörtlich Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1214. 84 Dazu etwa Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 243; Heldrich, in: FS Ficker, Die Interessen bei der Regelung der internationalen Zuständigkeit, S. 205, 213 ff.; Patzina, in: MüKo ZPO, § 13, Rn. 1. Grundsätzlich dazu bereits oben Kapitel 3, B. III. 2. 85 Vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 243. 86 Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, Art. 4 EuGVVO, Rn. 2, Köhler, WRP 2013, 1130, 1130. 87 So im Ergebnis auch Skauradszun, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 75.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

b) Anwendung Art. 8 Nr. 1 EuGVVO Grenzüberschreitende Restrukturierungen werden sich gleichwohl dadurch auszeichnen, dass die Gläubigerschaft ihren (Wohn-)Sitz in verschiedenen Ländern hat und nicht etwa auf einen Mitgliedstaat konzentriert ist. Dies führt wiederrum zur Frage, wie darauf, unter der Annahme, dass ein Beklagtengerichtsstand am Sitz des Gläubigers besteht, zu reagieren ist. Ein denkbarer Lösungsweg könnte in der Anwendung des Art. 8 Nr. 1 EuGVVO bestehen.88 Danach können mehrere Personen vor den Gerichten des Ortes, an dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, gemeinsam verklagt werden, wenn zwischen den Klagen ein so enger Zusammenhang besteht, dass eine gemeinsame Entscheidung geboten erscheint, um sich widersprechende Entscheidungen zu verhindern. Die Anwendung dieser Norm lässt sich unter zwei Gesichtspunkten bewerten. Zunächst kann man fragen, ob die Streitgenossenschaft am Wohnsitz eines Gläubigers für das Restrukturierungsverfahren überhaupt zu sinnvollen Ergebnissen führt. Außerdem ist zu untersuchen, ob die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind. aa) Streitgenossenschaft als Lösungsansatz? Auf den ersten Blick erscheint die Lösung über die Streitgenossenschaft nach Art. 8 Nr. 1 EuGVVO bestechend, da sie eine Konzentration der Zuständigkeit an einem Gericht bewirkt. Auch aus Perspektive der Schuldnergesellschaft ist eine Anwendung des Art. 8 Nr. 1 EuGVVO sehr attraktiv, da über die Anwendung dieser Norm ein Weg zu den Restrukturierungsgerichten jedes Landes eröffnet ist, in denen nur ein einziger Gläubiger seinen Wohnsitz hat.89 Damit würde dem Schuldner also faktisch eine Wahl des zuständigen Forums eröffnet. In Anbetracht der Tatsache, dass darüber auch mittelbar eine Beeinflussung des anwendbaren Rechts erfolgt,90 kann diese Wahl für die Erfolgsaussichten des Restrukturierungsverfahrens von großer Bedeutung sein. Diese Perspektive berücksichtigt allerdings die Interessen der beteiligten Gläubiger in völlig unzureichender Weise. Gerichtliche Zuständigkeit ist Ausdruck der Gewichtung und

Differenzierend hingegen Madaus, ZIP 2022, 1233, 1235, der nur die gegen den Restrukturierungsplan opponierenden Gläubiger, als Beklagte im Sinne der EuGVVO begreift. 88 Für die Anwendung plädieren Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1506 f.; ders., in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 76 ff.; Madaus, ZIP 2022, 1233, 1234 ff.; ders., European Insolvency and Restructuring, TLE-050–2018; ders., Stellungnahme zum RegE eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) sowie zum diesbezüglichen Antrag der Fraktion der FDP v. 12. November 2020. Online abrufbar unter htt ps://www.bundestag.de/resource/blob/806302/5235168ddc676b9436c8540322e53865/madau s-data.pdf. Zuletzt abgerufen am 30. November 2022. So auch für SoA Sax/Swierczok, ZIP 2017, 601, 605; Lürken/Plank, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Rn. 11.139. 89 Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1506; ders., in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 78, 78.1; Sax/Swierczok, ZIP 2017, 601, 605. 90 Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 3, C. II.

B. Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren

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Abwägung der Zuständigkeitsinteressen der beteiligten Parteien.91 Im Grundsatz haben alle Beklagten ein schutzwürdiges Interesse daran, ein Gerichtsverfahren an ihrem Wohnsitz zu führen.92 Da es sich bei einem Restrukturierungsverfahren jedoch um ein Kollektivverfahren handelt, ist es nicht möglich, mit Ausnahme des unrealistischen Falles, dass alle Gläubiger am selben Ort ihren Wohnsitz haben, jedem Gläubiger einen Heimatgerichtsstand zur Verfügung zu stellen. Deshalb muss ein anderer Gerichtsstand als „kleinster gemeinsamer Nenner“ gefunden werden. In der EuInsVO ist der COMI als Kompromisslösung festgelegt. Auch wenn dieses Anknüpfungskriterium sicherlich problembehaftet ist, behandelt es jedenfalls alle Gläubiger gleich und schafft zudem Vorhersehbarkeit.93 Dies wäre nicht gewährleistet, wenn ein Restrukturierungsverfahren im Wege der Streitgenossenschaft an jedem Ort durchgeführt werden könnte, an dem irgendein Gläubiger seinen Wohnsitz hat. Die anderen Gläubiger wären dann gezwungen, sich auf ein völlig willkürliches Forum einzulassen, da sie die anderen Gläubiger nicht kennen und deshalb auch die potentiellen Gerichtsstände nicht werden vorhersehen können.94 Daher ist eine Lösung über Art. 8 Abs. 1 EuGVVO schon im Grundsatz abzulehnen, da dieser Ansatz für die Gläubiger zu untragbaren Gerichtszuständigkeiten führt.95 bb) Enger Zusammenhang und Gebotenheit gemeinsamer Entscheidung Die Streitgenossenschaft setzt nach Art. 8 Nr. 1 EuGVVO voraus, dass zwischen den Klagen eine so enge Verbindung besteht, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren einander widersprechende Entscheidungen ergehen. Diese Voraussetzungen könnten insofern als gegeben betrachtet werden, als einzelne Forderungen in einem Restrukturierungsverfahren notwendigerweise zu Gläubigerklassen zusammenzufassen sind, um den Mehrheitsentscheid erst zu ermöglichen. Natürlich erfordert das Restrukturierungsverfahren wegen seines speziellen Charakters als Kollektivverfahren zwingend eine einheitliche Entscheidung. Der enge Zusammenhang der einzelnen Forderungen miteinander müsste dann mit einer Art „Schicksalsgemeinschaft“ der Gläubiger eines schwächelnden Schuldners begründet werden.96

91

Ausführlich dazu oben Kapitel 3, B. III. Vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8, Rn. 243; Heldrich, in: FS Ficker, Die Interessen bei der Regelung der internationalen Zuständigkeit, S. 205, 213 ff.; Patzina, in: MüKo ZPO, § 13, Rn. 1. 93 Siehe dazu oben Kapitel 4, D. II. 1. 94 Vgl. auch Thole, ZIP 2021, 2153, 2156. Vorhersehbarkeit des Forums ist aber gerade auch eine Maxime der EuGVVO, vgl. Erw.-Gr. 15 EuGVVO. 95 Mit vergleichbarer Argumentation kritisch Thole, ZIP 2021, 2153, 2156. 96 In diesem Sinne wohl Skauradszun, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 77. Differenzierend Madaus, ZIP 2022, 1233, 1235, vgl. dazu bereits Fn. 87. 92

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

Dies wäre aber eine sehr zweckorientierte Auslegung. Bei genauer Betrachtung passen die Voraussetzungen des Art. 8 Nr. 1 EuGVVO gar nicht auf ein Verfahren, dass sich gegen eine Gläubigermehrheit als Kollektiv richtet. Die Norm hat kontradiktorische Einzelverfahren im Blick, deren enger Zusammenhang im Grundsatz dann gegeben ist, wenn den einzelnen Verfahren dieselbe Sach- und Rechtslage zugrunde liegt.97 Ein ausreichender Zusammenhang soll etwa dann fehlen, wenn Ansprüche auf voneinander unabhängige Vertragsverhältnisse gestützt werden.98 In einem Restrukturierungsverfahren werden hingegen Forderungen aus den unterschiedlichsten Vertragsverhältnissen gebündelt. Es geht auch nicht um die Durchsetzung von Ansprüchen der Schuldnergesellschaft. Dies zeigt, dass eine Subsumtion eines Restrukturierungsverfahrens unter die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 8 Nr. 1 EuGVVO beinahe unmöglich ist. Auch das spricht gegen die Anwendung der Norm. cc) Zusammenfassung Eine Anwendung des Art. 8 Nr. 1 EuGVVO kommt nicht in Betracht. Zum einen ist die Norm in ihren Voraussetzungen keinesfalls auf Kollektivverfahren ausgelegt. Zum anderen führte die Zuständigkeitskonzentration am Wohnsitz eines beliebigen Gläubigers zu unhaltbaren Ergebnissen, die berechtigte Zuständigkeitsinteressen anderer Gläubiger verletzten. 5. Zuständigkeitsbestimmung nach den Grundsätzen der EuGVVO Da die geschriebenen Zuständigkeitsnormen der EuGVVO auf Sanierungsverfahren nicht zugeschnitten sind, wird teilweise vertreten, für diese Verfahren sei die Zuständigkeit aus der Verordnung selbst in Analogie zu bestehenden Zuständigkeitsvorschriften zu entwickeln.99 Ziel müsse es sein, das sachnächste Gericht zu bestimmen; in Sanierungsverfahren sei schwerpunktmäßig die Gesellschaft betroffen, weshalb an deren Sitz eine Zuständigkeit zu begründen sei.100 Dies entspreche dem Grundgedanken der Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 EuGVVO bzw. Art. 24 Nr. 2 EuGVVO, die für Klagen gegen eine Gesellschaft und betreffend die Gültigkeit von Organbeschlüssen eben eine solche Gerichtszuständigkeit am Sitz begründen.101 Auch der EuGH habe in der Rechtssache Seagon./.Deko Marty bereits eine Zuständigkeit in Analogie zum bestehenden Eu-

97 Vgl. EuGH, Urt. v. 13. Juli 2006 – Rs. C-539/03, Roche Nederland BV./.Frederick Primus, Milton Goldenber, ECLI:EU:C:2006:458, Rn. 26. So auch Gottwald, in: MüKo ZPO, Art. 8 EuGVVO, Rn. 9. 98 Siehe OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 1. August 2013 – 11 AR 234/12, II. 2. d) bb). Zustimmend Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 8 EuGVVO, Rn. 10a. 99 So vertreten es zur Zuständigkeitsbestimmung für das SoA Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1214 f.; Thole, ZGR 2013, 109, 120 ff. 100 Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1214. 101 Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1214; Thole, ZGR 2013, 109, 122 f.

B. Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren

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InsVO-Regime begründet; im Übrigen handele es sich auch bei Gesellschafterbeschlüssen um Mehrheitsentscheidungen, sodass eine Vergleichbarkeit mit der Planabstimmung nicht ganz von der Hand zu weisen sei.102 Dieser Auffassung ist jedenfalls insofern zuzustimmen, als eine Gerichtszuständigkeit am Sitz, die also einen faktischen Gleichlauf zum COMI-Kriterium gewährleistet,103 im Prinzip zu begrüßen ist.104 Skeptisch zu betrachten ist allerdings der Ansatz, diese Rechtsfolge aus der EuGVVO herzuleiten. Der Schutzzweck des Beklagtengerichtsstands lässt sich auf die vorliegende Situation nicht übertragen.105 Auch die Annahme einer Vergleichbarkeit mit den Grundsätzen des Art. 24 Nr. 2 EuGVVO ist jedenfalls angreifbar.106 Vor allem erfordert eine Analogie neben der Vergleichbarkeit der Interessenlage – die hier bereits zweifelhaft ist – eine planwidrige Regelungslücke.107 Ebendiese Planwidrigkeit lässt sich nicht belegen, da die EuGVVO, wie soeben herausgearbeitet, ersichtlich auf kollektive Verfahren gar nicht zugeschnitten ist. Im Wege der Analogie sollte nicht versucht werden, was nicht passt, passend zu machen. 6. Conclusio Das Zuständigkeitsregime der EuGVVO stellt keine tauglichen Anknüpfungspunkte für Restrukturierungsverfahren zur Verfügung. Einen Vorteil bietet lediglich die unter der Verordnung bestehende Möglichkeit, eine Gerichtsstandsvereinbarung zu schließen. Über eine Prorogation können allerdings nur sehr spezifische Verfahren gelöst werden; keinesfalls ist Art. 25 EuGVVO ein „Allheilmittel“. Die analoge Entwicklung einer Zuständigkeit aus den Grundsätzen der Verordnung am Sitz der Gesellschaft klingt bestechend, ist aber tatsächlich ein Ausdruck dessen, dass die Verordnung per se auf Restrukturierungsverfahren nicht zugeschnitten ist. Die genauere Betrachtung der Zuständigkeitsvorschriften der EuGVVO unterstützt den oben gewählten Ansatz, auch Restrukturierungsverfahren unter die Bereichsausnahme Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO zu fassen.

III. Anerkennung nach Art. 36 ff. EuGVVO Neben der Zuständigkeit für Gerichtsverfahren in Zivil- und Handelssachen regelt die EuGVVO auch die grenzüberschreitende Anerkennung von Entschei-

102

Thole, ZGR 2013, 109, 121 f. Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1214. 104 So bereits oben Fn. 81. 105 Siehe oben B. II. 4. a). 106 Oben B. II. 1. 107 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202 ff.; Möllers, Juristische Methodenlehre, § 6, Rn. 102 ff. Die Analogie ist auch im Europarecht anerkannt, siehe etwa Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. II, Europarecht, Rn. 82. 103

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

dungen, die in entsprechenden Verfahren ergangen sind. Ob dieses Anerkennungsregime auf Restrukturierungsverfahren angewendet werden kann, wird in diesem Abschnitt untersucht. 1. Auswirkungen der Bereichsausnahme Sofern man der hier vertretenen Auffassung folgen will und die Bereichsausnahme Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO auch bei Restrukturierungsverfahren für einschlägig hält, steht auch das Anerkennungsregime der EuGVVO nicht zur Verfügung. Die automatische Anerkennung nach Art. 36 ff. EuGVVO ist nur für Verfahren im Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet.108 Die Tatsache, dass eine re´vision au fond unter der Verordnung ausgeschlossen109 und damit auch solche Entscheidungen anerkennungsfähig sind, in denen das Entscheidungsgericht seine Zuständigkeit bei objektiver Betrachtung fälschlicherweise angenommen hat,110 darf nicht dazu verleiten anzunehmen, dies gelte auch für eine fehlerhafte Anwendung der EuGVVO insgesamt.111 Eine Bindung an die Rechtsansicht des erkennenden Richters hinsichtlich der Anwendbarkeit der Verordnung besteht gerade nicht.112 Nach hier vertretener Auffassung stehen die Art. 36 ff. EuGVVO also nicht für die Anerkennung von in Restrukturierungsverfahren ergangenen Entscheidungen zur Verfügung. 2. Entscheidung i.S.d. Art. 36 Abs. 1 EuGVVO Geht man hingegen von einer Anwendbarkeit der EuGVVO auf Restrukturierungsverfahren aus, so hängt die Anerkennungsfähigkeit davon ab, ob die betreffende gerichtliche Maßnahme im Restrukturierungsverfahren als Entscheidung i.S.d. Art. 36 Abs. 1 aufgefasst werden kann.

108 Garber, in: BeckOK ZPO, Art. 36 EuGVVO, Rn. 7; Kusche, Die Anerkennung des SoA in Deutschland, S. 85. 109 Art. 52 EuGVVO. Dazu etwa Ulrici, in: BeckOK ZPO, Art. 52 EuGVVO, Rn. 2 ff. Vgl. auch E. Peiffer/M. Peiffer, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 EuGVVO, Rn. 2; Hess, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 36 EuGVVO, Rn. 1. 110 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 36 EuGVVO, Rn. 10. 111 So aber wohl Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1507: „Wer der hier vertretenen Auslegung der Brüssel Ia-VO nicht folgen und keine Zuständigkeitsregelung der Art. 4 ff. Brüssel Ia-VO anwenden will, muss in einem Restrukturierungsrahmen ergangene Gerichtsentscheidungen i.S.v. Art. 2 Buchst. a. Brüssel Ia-VO trotzdem nach Art. 36 Brüssel Ia-VO anerkennen und nach Art. 39 Brüssel Ia-VO vollstrecken. Denn nach h.M. ist das Anerkennungs- und Vollstreckungsregime der Brüssel Ia-VO unabhängig von der Zuständigkeitsfrage, insbesondere unabhängig davon, ob die Zuständigkeitsfrage richtig entscheiden wurde.“ 112 Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 36 EuGVVO, Rn. 9; Geimer, in: Zöller, ZPO, Art. 36 EuGVVO, Rn. 26; E. Peiffer/M. Peiffer, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 EuGVVO, Rn. 7: „Im Rahmen der Anerkennungsprüfung […] prüft das Gericht […], ob die EuGVVO anwendbar ist“. So auch die Rechtlage unter der EuInsVO, vgl. Kapitel 4, F. II. 1. b.

B. Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren

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a) Definition Entscheidungsbegriff Der Entscheidungsbegriff ist in Art. 2 lit. a) EuGVVO legal definiert. Eine Entscheidung wird danach von einem Gericht erlassen; auf die konkrete Bezeichnung kommt es nicht an. Daraus ist zu schließen, dass nicht nur Urteile im „technischen Sinne“113 grenzüberschreitend vollstreckbar sind, sondern alle Akte eines Rechtssprechungsorgans mit Außenwirkung.114 Der Begriff des Gerichts wird selbst nicht definiert; insofern kann aber auf den Gerichtsbegriff nach Art. 6 EMRK zurückgegriffen werden, nach dem es sich bei einem Gericht um einen unabhängigen und unparteiischen Spruchkörper handelt.115 In Abgrenzung dazu können Entscheidungen von Verwaltungsbehörden gerade nicht nach den Vorschriften der EuGVVO unionsweit anerkannt werden.116 Dies ist für das Restrukturierungsverfahren von Relevanz, da die EuRRL auch die Delegation von Entscheidungen an eine Behörde gestattet.117 Sollte ein Mitgliedstaat Verwaltungsbehörden zur maßgeblichen Entscheidungsinstanz im Restrukturierungsverfahren berufen, käme eine Anerkennung dieser Entscheidungen nach dem Regime der EuGVVO nicht in Betracht. Für das deutsche StaRUG ergeben sich insofern keine Komplikationen, da die Amtsgerichte für Entscheidungen in Restrukturierungssachen zuständig sind, § 34 Abs. 1 StaRUG. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass der Tatbestand des Art. 36 EuGVVO weit auszulegen ist,118 spricht einiges dafür, auch gerichtliche Entscheidungen im Restrukturierungsverfahren unter diese Vorschrift zu fassen, auch wenn die Verordnung auf Kollektivverfahren eigentlich nicht ausgelegt ist. b) Übertragung der Kontroverse zum SoA? Allerdings ist hinsichtlich der Anerkennung in England bestätigter SoA-Verfahren in Rechtsprechung und Literatur vor einiger Zeit kontrovers diskutiert worden, ob eine entsprechende gerichtliche Planbestätigung nach den Vorschriften der EuGVVO in Deutschland anerkannt werden kann.119 Da das Restrukturie-

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So Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 36 EuGVVO, Rn. 38. Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 2 EuGVVO, Rn. 5. Hess, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 2, EuGVVO, Rn. 2: „alle Akte staatlicher Rechtspflege, die den Parteien etwas zusprechen oder aberkennen“. 115 Koller, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 2 EuGVVO, Rn. 16; Oberhammer, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage, Art. 32 EuGVO, Rn. 11. Zustimmend Hess, in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 2 EuGVVO, Rn. 6. 116 Koller, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 2 EuGVVO, Rn. 17; Oberhammer, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage, Art. 32 EuGVO, Rn. 10 f. 117 Siehe Kapitel 2, C. I. 118 EuGH, Urt. v. 15. November 2012 – Rs. C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung AG./.Samskip GmbH, ECLI:EU:C:2012:719, Rn. 26–32. 119 Für eine Anerkennung plädierten etwa Petrovic, ZInsO 2010, 265, 266 ff.; Mankowski, WM 2011, 1201, 1204 ff.; Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033, 2045 ff.; Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1217 ff.; Thole, ZGR 2013, 109, 126 ff.; Kusche, Die Anerkennung des SoA in 114

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

rungsverfahren zumindest eine gewisse Ähnlichkeit zum SoA hat120 und nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren ebenfalls nicht im Anhang A der EuInsVO gelistet sind,121 könnte erwogen werden, diese Rechtsauffassung zu übertragen. „Knackpunkt“ der damaligen Kontroverse war die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Denilauler.122 Dort hatte der EuGH festgestellt, dass eine Entscheidung i.S.d. EuGVVO nur dann gegeben sei, wenn ein kontradiktorisches Verfahren zu Grunde liege.123 Gemeint ist damit, dass beide Parteien im vorhergehenden Verfahren angehört worden sind.124 Unter Berufung darauf, dass dem Gericht im SoA nur eine beurkundende Funktion zukäme und es faktisch den von den Parteien ausgehandelten Vergleichsplan absegne, wurde verneint, dass es sich insofern um ein kontradiktorisches Verfahren und bei der Planbestätigung um eine anerkennungsfähige Entscheidung handele.125 c) Argumente gegen eine Übertragung Jedoch lassen sich gewichtige Argumente gegen eine Übertragung dieser Rechtsansicht auf die Anerkennung von Entscheidungen in Restrukturierungsverfahren ins Feld führen. So kann man bereits das Erfordernis eines kontradiktorischen Verfahrens unter der Neufassung der EuGVVO als überholt betrachten.126 Jedenfalls hat sich auch die Literatur mehrheitlich für die Anerkennung eines bestätigten SoA nach Art. 36 EuGVVO ausgesprochen.127 Richtigerweise wurde darauf hingewiesen, dass der Richter den von den Parteien ausgehandelten Vergleich daraufhin überprüfe, ob er billig und gerecht sei;128 dem Richter kämen so Deutschland, S. 126; Sax/Swierczok, ZIP 2017, 601, 602 ff. Obiter dicens BGH, Urt. v. 15. Februar 2012 – IV ZR 194/09, Rn. 26, NJW 2012, 2113 ff. Ablehnend OLG Celle, Urt. v. 8. September 2009 – 8 U 46/09, II. 1. b) dd), ZIP 2009, 1968 ff.; Schümann-Kleber, IILR 2011, 447, 450 ff.; Lüke/Scherz, ZIP 2012, 1101, 1107 ff. 120 Siehe etwa Sax/Swierczok, in: Flöther, Sanierungsrecht, K., Rn. 2; Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1503; Thole, ZIP 2017, 101, 107. 121 Ausführlich oben Kapitel 4, C. I. 3. 122 EuGH, Urt. v. 21. Mai 1980 – Rs. C-125/79, Bernard Denilauler./.S.N.C. Couchet Fre`res, ECLI:EU:C:1980:130. 123 EuGH, Urt. v. 21. Mai 1980 – Rs. C-125/79, Bernard Denilauler./.S.N.C. Couchet Fre`res, ECLI:EU:C:1980:130, Rn. 13 f. 124 Vgl. ebd., Rn. 11. 125 So etwa OLG Celle, Urt. v. 8. September 2009 – 8 U 46/09, II. 1. b) dd) (a); Lüke/Scherz, ZIP 2012, 1101, 1108 f.; Schümann-Kleber, IILR 2011, 447, 450 f. 126 Leible, in: Rauscher, EuZPR, Art. 2 EuGVVO, Rn. 15: Ein Umkehrschluss aus Art. 2 lit. a) Satz 3 EuGVVO ergebe, dass auch ohne Ladung des Beklagten ergangene Maßnahmen grundsätzlich dem Entscheidungsbegriff unterfallen würden. Dies stelle eine Abkehr von der Denilauler-Entscheidung dar. Siehe auch Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 36 EuGVVO, Rn. 49: „overruled“. A.A. etwa Mäsch, EuZW 2016, 713, 717. 127 Etwa Petrovic, ZInsO 2010, 265, 266 ff.; Mankowski, WM 2011, 1201, 1204 ff.; Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033, 2045 ff.; Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1217 ff.; Thole, ZGR 2013, 109, 126 ff.; Kusche, Die Anerkennung des SoA in Deutschland, S. 126; Sax/Swierczok, ZIP 2017, 601, 602 ff. 128 In Re Albama New Orleans Texas & Pacific Junction Railway Company [1891] 1.Ch 213,

B. Die Anwendung der EuGVVO auf das Restrukturierungsverfahren

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auf Antrag Eingriffsbefugnisse zu.129 Damit handele es sich zumindest um ein potentiell kontradiktorisches Verfahren, was den Voraussetzungen der EuGHRechtsprechung entspreche.130 Auch die Gerichte im Restrukturierungsverfahren haben weitgehende Eingriffsbefugnisse. So darf das zuständige Gericht den Restrukturierungsplan nur bestätigen, wenn mindestens die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 EuRRL eingehalten sind. Außerdem können die Gerichte die Gewährung eines Moratoriums verweigern, soweit sie dieses nicht für erforderlich halten.131 Das Restrukturierungsgericht führt also eine inhaltliche Überprüfung durch und ist gerade nicht auf eine rein beurkundende Funktion beschränkt.132 Damit lässt sich also ein kontradiktorischer Charakter – sofern man diesen überhaupt noch für erforderlich hält – des Restrukturierungsverfahrens begründen, da das Gericht zumindest auf Antrag über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte entscheidet und die Parteien ggf. auch anhört.133 Deshalb handelt es sich bei der Bestätigung eines Restrukturierungsverfahrens auch um eine Entscheidung gem. Art. 36 EuGVVO und keinesfalls um einen Vergleich, der nach Art. 59 EuGVVO zu behandeln wäre.134 d) Zusammenfassung Die Entscheidungen des Restrukturierungsgerichts, wie etwa die Gewährung eines Moratoriums oder aber die Bestätigung eines Restrukturierungsplans, können unter Art. 36 EuGVVO gefasst werden,135 sofern man die EuGVVO entgegen der hier vertretenen Ansicht für anwendbar hielte. Art. 36 EuGVVO hilft jedoch nicht weiter, wenn ein Mitgliedstaat vom Umsetzungsspielraum der EuRRL dergestalt Gebrauch macht, dass Verwaltungsbehörden zur Entscheidung in Restrukturierungsverfahren berufen sind.

247: „[The court] must be satisfied that the proposal was at least so far fair and reasonable, as that an intelligent and honest man, who is a member of that class, and acting alone in respect of his interest as such a member, might approve of it.“ 129 Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1217; Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033, 2045; Mankowski, WM 2011, 1201, 1204; Kusche, Die Anerkennung des SoA in Deutschland, S. 114. 130 Mankowski, WM 2011, 1201, 1204; Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033, 2045; Schwarz, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Rn. 14.112. 131 Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 EuRRL. 132 Vgl. etwa Vallender, NZI-Beilage 1/2019, 71, 72; Flöther/Eckelt, in: Flöther, Sanierungsrecht, B., Rn. 8. 133 Vgl. etwa Art. 10 EuRRL. 134 Für die Unterscheidung von Entscheidung und Vergleich kommt es darauf an, ob das Gericht eine inhaltliche Überprüfung vornimmt. Siehe dazu etwa Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 2 EuGVVO, Rn. 5. Ablehnend auch Cranshaw, ZInsO 2021, 2345, 2354. 135 So im Ergebnis auch Madaus, ZIP 2022, 1233, 1237 f.; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 661; Skauradszun, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 87 ff.

186

Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

3. Grenzen der Anerkennung Die Grenzen der Anerkennung ergeben sich aus Art. 45 EuGVVO. Wichtigster Grund für die Versagung der Anerkennung von Entscheidungen ist auch hier ein Verstoß gegen den ordre public, Art. 45 Abs. 1 lit. a) EuGVVO. Dieser ist, ebenso wie der ordre public-Vorbehalt aus Art. 33 EuInsVO, europäisch eingerahmt.136 Die Rechtsprechung zu Art. 45 EuGVVO kann insofern sogar auf die EuInsVO übertragen werden.137 Daher kann an dieser Stelle auf die Überlegungen unter der EuInsVO verwiesen werden.138 Auch unter der EuGVVO stellt der ordre publicVorbehalt nur einen „letzten Rettungsanker“ dar.139 Verstöße, die zur Versagung der Anerkennung führen, werden demnach nur höchst ausnahmsweise anzunehmen sein.140 Ein schuldnerinitiiertes forum shopping oder Eingriffe in die Gesellschaftsstruktur führen in keinem Fall per se zu einer Versagung der Anerkennung nach Art. 45 Abs. 1 lit. a) EuGVVO.141 Auf die anderen Anerkennungsversagungsgründe nach Art. 45 Abs. 1 lit. b)–e) EuGVVO braucht hier nicht vertiefend eingegangen zu werden. Sie mögen zwar auch in Restrukturierungsverfahren in Einzelfällen Anwendung finden,142 deren Untersuchung bietet aber über den Einzelfall hinaus keinen Erkenntnisgewinn. Auch Entscheidungen unter der EuGVVO genießen einen hohen Schutz. Der grundsätzlich bezweckte Ausschluss einer re´vision au fond führt, ebenso wie bei der EuInsVO, dazu, dass Entscheidungen nur höchst ausnahmsweise nicht anerkannt werden können. 4. Zusammenfassung Nach hier vertretener Auffassung findet das Anerkennungsregime der EuGVVO auf nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren keine Anwendung, da diese Verfahren unter die Bereichsausnahme Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuInsVO fallen. Hält man die Bereichsausnahme hingegen für nicht einschlägig, können auch Entscheidungen in Restrukturierungsverfahren nach Art. 36 EuGVVO europaweit anerkannt

136 Vgl. etwa Thole, in: MüKo InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 8; Gottwald, in: MüKo ZPO, Art. 45 EuGVVO, Rn. 12. 137 EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C:2006:281, Rn. 64. Siehe auch Thole, in: MüKo InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 8; Müller, in: Mankowski/ Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 33, Rn. 4. 138 Oben Kapitel 4, F. III. 139 Gottwald, in: MüKo ZPO, Art. 45 EuGVVO, Rn. 12: „nur ausnahmweise eingreifen“. Dörner, in: Saenger, ZPO, Art. 45 EuGVVO, Rn. 2: „äußerst restriktiv auszulegen“. 140 Ebd. 141 Dazu ausführlich bereits oben Kapitel 4, F. III. 142 Siehe etwa BGH, Urt. v. 15. Februar 2012 – IV ZR 194/09, Rn. 27 ff., NJW 2012, 2113 ff., der die Anerkennung eines ein Versicherungsunternehmen betreffenden SoA in Deutschland gem. Art. 35 Abs. 1 EuGVVO a.F. (mittlerweile Art. 45 Abs. 1 lit. e) EuGVVO) daran scheitern ließ, dass die Vorschriften über die Zuständigkeit in Versicherungssachen verletzt waren.

C. Die Anwendung europäischen Kollisionsrechts

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werden. Eine Versagung der Anerkennung wird nur höchst ausnahmsweise begründbar sein. Daher führte eine Anwendung der EuGVVO auf nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren zumindest in den Fragen der Anerkennung zu einem Gleichlauf mit der Behandlung öffentlicher Verfahren unter der EuInsVO. So ließe sich das bemerkenswerte Ergebnis verhindern, dass die Öffentlichkeit des Verfahrens über die Reichweite der Anerkennung entscheidet.

IV. Ergebnis Das Zuständigkeitsregime der EuGVVO bietet für Restrukturierungsverfahren keine tauglichen Anknüpfungspunkte. Nur in Einzelfällen vermag eine Gerichtsstandsvereinbarung eine praktisch gangbare Zuständigkeitsbestimmung zu ermöglichen. Für eine generelle Lösung der Zuständigkeitsfrage in Restrukturierungsverfahren eignet sich die EuGVVO mithin nicht. Andererseits ist das Anerkennungsregime der EuGVVO zumindest grundsätzlich für Restrukturierungsverfahren tauglich, zumindest solange Gerichte und nicht Behörden zur Kontrollinstanz berufen sind. Die Maßnahmen in den Verfahren sind als „Entscheidungen“ nach Art. 36 EuGVVO einzustufen, die mithin unionsweit anerkannt werden. Von den Rechtsfolgen her führte dies zu einer Gleichstellung mit den öffentlichen Restrukturierungsverfahren, die nach Art. 32 EuInsVO ebenso unionsweit anerkannt werden können. Dieses Ergebnis ist prinzipiell zu begrüßen, da über eine Anwendung der EuGVVO vermieden würde, dass von der Verfahrensöffentlichkeit die unionsweite Anerkennung abhinge. Allerdings fällt das Restrukturierungsverfahren nach hier vertretener Auffassung unter die Bereichsausnahme für Konkursverfahren nach Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuInsVO. Daran ist auch in Anbetracht der positiven Auswirkungen des Anerkennungsregimes nicht zu rütteln. Die Subsumtion unter die Bereichsausnahme verhindert, dass Restrukturierungsverfahren anhand der völlig unpassenden Zuständigkeitsnormen der EuGVVO beurteilt werden, und dient so dem Schutz der Interessen einbezogener Gläubiger.

C. Die Anwendung europäischen Kollisionsrechts auf das Restrukturierungsverfahren Kommt eine Anwendung der EuGVVO auf Restrukturierungsverfahren nicht in Betracht, ist zu erwägen, ob nicht andere europäische Sekundärrechtsakte hilfsweise zur Verfügung stehen. So könnte man etwa die Rom I-VO bei Restrukturierungsverfahren für einschlägig halten. Diese Verordnung bestimmt das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht; Vorschriften zur internationalen Gerichtszuständigkeit finden sich dort nicht. Wird das anzuwendende Recht europäisch einheitlich bestimmt, werden Restrukturierungsverfahren unabhängig davon, vor den Gerichten welcher Mitgliedstaaten sie angestrengt wer-

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

den, nach derselben Rechtsordnung geführt. Auch dieser Umstand würde dazu führen, dass ein Restrukturierungsverfahren unionsweit Wirkung entfalten könnte, da das ausländische Gericht von der Warte des internationalen Privatrechts eines jeden Mitgliedstaates das „richtige“ Privatrecht angewendet hätte. Materiell-rechtlich entfalteten die Restrukturierungsmaßnahmen mithin in allen Mitgliedstaaten ihre Wirkung, ohne dass es auf eine Anerkennung der ausländischen Gerichtsentscheidungen überhaupt ankäme. Andererseits könnte erwogen werden, ob die lex causae der betroffenen Rechtsposition eine Restrukturierung nach ihrem Recht zulässt. Das Restrukturierungsstatut wäre danach lediglich ein Appendix eines anderen Sachstatuts und bedürfte keiner eigenen Kollisionsnorm. Denkbar wäre insofern, das Restrukturierungsstatut etwa für vom Forderungs- oder dem Gesellschaftsstatut mit umfasst zu halten.

I. Grundsätzliches zur sog. „materiell-rechtlichen Anerkennung“ Dieses eingangs beschriebene „Phänomen“ wird in der einschlägigen Literatur oft als „materiell-rechtliche Anerkennung“ bezeichnet.143 Diese Bezeichnung erscheint indes irreführend, da sie zumindest eine Ähnlichkeit zur prozessrechtlichen Anerkennung impliziert, die nicht gerechtfertigt erscheint. Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung aus dem Ausland bedeutet, die Wirkungen dieser Entscheidung, die sich nach dem Grundsatz der Territorialität eigentlich nur im Entscheidungsstaat entfalten, auf das Inland zu erstrecken.144 Dabei wird den ausländischen Gerichten üblicherweise ein „Vertrauensvorschuss“ entgegengebracht, indem die inländische Hoheitsgewalt auf eine Generalüberprüfung verzichtet und sich stattdessen auf die Kontrolle wesentlicher Mindeststandards beschränkt.145 Gänzlich anders liegen die Dinge, wenn man die Restrukturierungsmaßnahmen statt verfahrensrechtlich materiell-rechtlich betrachtet146 und die Wirksamkeit dieses sich im Ausland abspielenden Sachverhaltes anhand des internationalen Privatrechts überprüft. Hier kommt es zu einer Überprüfung der Entscheidung in der Sache147 anhand des aus inländischer Perspektive anwendbaren Sachrechts. Theoretisch führt auch dieses Vorgehen zur einheitlichen Be-

143 Dazu ausführlich Thole, ZIP 2021, 2153, 2159 ff. Vgl. zum SoA etwa Thole, ZGR 2013, 109, 142; Petrovic, ZInsO 2010, 265, 271; Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033, 2045; Kusche, Die Anerkennung des SoA in Deutschland, S. 174. Auch Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 12, Rn. 12.11. 144 Vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 17, Rn. 923; Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Erster Teil, Rn. 40: Die Subsumtionstätigkeit des ausländischen Gerichts wird im Inland beachtet, v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, § 4, Rn. 71. 145 Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 12, Rn. 12.2. 146 Mit überzeugender Argumentation für das SoA Paulus, ZIP 2011, 1077, 1080. 147 Es findet also eine re´vision au fond statt. Vgl. insofern zur Privatscheidung im Ausland, bei der es zu ähnlichen Fragestellungen kommt, Johanson, NJOZ 2020, 353, 357.

C. Die Anwendung europäischen Kollisionsrechts

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urteilung eines Sachverhalts, allerdings unter der Prämisse, dass gesamteuropäisch dasselbe Sachrecht anwendbar ist und jedes befasste Gericht auf Grundlage dieses Rechts identisch entscheidet. Während ersteres durch eine Anwendung des europäischen Kollisionsrechts gewährleistet wäre, ist letzteres nicht mit gleicher Sicherheit anzunehmen. Dennoch vermag die Anwendung des europäischen Kollisionsrechts eine gewisse Rechtssicherheit zu bieten; mit einer Anerkennung im prozessrechtlichen Sinne ist dieses Vorgehen jedoch nicht zu vermengen. Besser ist es, etwa von materiell-rechtlicher Wirksamkeitskontrolle zu sprechen. Welche Möglichkeiten für Restrukturierungsverfahren insofern bestehen, soll nachfolgend untersucht werden.

II. Anwendung der Rom I-VO In erster Linie scheint eine Anwendung der Rom I-VO denkbar. Insofern ist von Interesse, ob die Instrumente des Restrukturierungsverfahrens als vertragliches Schuldverhältnis aufgefasst werden können und sich das anwendbare Recht mithin direkt nach den Vorschriften der Rom I-VO bestimmen lässt. Ferner wird untersucht, ob Forderungen nach der lex causae restrukturiert werden können und sich das anwendbare Restrukturierungsrecht deshalb jedenfalls hilfsweise mittelbar aus der Rom I-VO ergeben könnte. 1. Anwendungsbereich der Rom I-VO Zunächst müsste der Anwendungsbereich der Rom I-VO auch ein nichtöffentliches Restrukturierungsverfahren umfassen. Nach Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO gilt die Verordnung für vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen. Dass es sich bei einem Restrukturierungsverfahren um eine Zivilsache handelt, ist bereits herausgearbeitet worden.148 a) Restrukturierungsplan als vertragliches Schuldverhältnis Durchaus fraglich ist allerdings, ob etwa ein Restrukturierungsplan als vertragliches Schuldverhältnis betrachtet werden kann. Für ein solches ist charakteristisch, dass es auf einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung beruht.149 Die Bindung an einen Restrukturierungsplan ist für die majorisierte Minderheit aber unfreiwillig; darin besteht gerade der Sinn und Zweck des Verfahrens.150 Man mag argumentieren, dass Restrukturierungspläne auch einstimmig beschlossen und bei einem Mehrheitsentscheid jedenfalls die zustimmenden Gläubiger frei148

Siehe oben B. I. 1. Vgl. dazu auch Paulus, in: BeckOGK, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 24 ff. St. Rspr. Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 21. Januar 2016 – Rs. C-359/14, „ERGO Insurance“ SE./.„If P&C Insurance“AS, ECLI:EU:C:2016:40, Rn. 43 f. Siehe auch M. Stürner, in: Erman, BGB, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 2; Martiny, in: MüKo BGB, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 7; Spickhoff, in: BeckOK BGB, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 30. 150 Siehe oben Kapitel 2, B. IV. 1. a). 149

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

willig gebunden werden. Jedoch sind diese Fälle sämtlich uninteressant, da sie kein Streitpotential bieten. Rechtssicherheit und grenzüberschreitende Wirksamkeit sind gerade bei denjenigen Restrukturierungsplänen besonders relevant, die eine resolute Minderheit gegen ihren Willen binden. Dies spricht deutlich gegen eine vertragsrechtliche Qualifikation.151 Andererseits sollen als vertragliches Schuldverhältnis auch solche Verbindungen qualifiziert werden können, die kraft Kontrahierungszwang zustande kommen.152 Für die im Verfahren majorisierte Minderheit könnte die mehrheitliche Abstimmung zu Gunsten des Plans einem Kontrahierungszwang entsprechen, das Restrukturierungskonzept ebenfalls zu unterstützen. Letztlich handelt es sich beim Kontrahierungszwang aber um ein Beispiel, das die Grenzen der Definition offenlegt.153 Vielmehr muss zusätzlich darauf abgestellt werden, ob zwischen den Parteien eine Sonderverbindung zu Stande kommt.154 Dies ist zwischen den Gläubigern eines wahrscheinlich insolventen Schuldners gerade nicht der Fall. Die gemeinsame Gläubigerstellung ist vielmehr rein zufällig.155 Der Restrukturierungsplan ist ein Mittel zur Überwindung der einem Restrukturierungsprozess inhärenten Koordinations- und Kooperationsproblematik156 und begründet darüber hinaus kein spezielles Rechtsverhältnis. Auch dies spricht gegen eine Qualifikation des Restrukturierungsplans als Vertrag. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es Telos des Tatbestandsmerkmals ist, den Anwendungsbereich der Verordnung gegen andere Sekundärrechtsakte abzugrenzen und insbesondere eine Trennlinie zu außervertraglichen Schuldverhältnissen zu ziehen.157 Die Tatsache, dass die EuInsVO leges speciales für die grenzüberschreitende Abwicklung von Restrukturierungsverfahren vorhält, spricht deshalb dafür, den Restrukturierungsplan nicht vertragsrechtlich zu qualifizieren.158 Der EuGH hat festgehalten, dass zwischen der EuGVVO und der 151 So auch Paulus, in: BeckOGK, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 26. Mit vergleichbarer Argumentation für das SoA Thole, ZGR 2013, 109, 143 f. 152 Kieninger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 6; Martiny, in: MüKo BGB, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 7; Magnus, in: Staudinger, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 34. 153 Magnus, in: Staudinger, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 34 meint, das Definitionsmerkmal „versage“ in diesem Fall. 154 M. Stürner, in: Erman, BGB, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 2; Magnus, in: Staudinger, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 34; Martiny, in: MüKo BGB, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 7. 155 Und entspricht damit wohl eher dem zufälligen Aufeinandertreffen zweier Individuen im Rahmen eines Delikts. Gerade zu diesen außervertraglichen Schuldverhältnissen will das Merkmal der Freiwilligkeit abgrenzen. Auch das spricht gegen eine Qualifikation des Restrukturierungsplans als Vertrag. Vgl. auch Madaus, Der Insolvenzplan, S. 188 f.: Die gemeinsame Gläubigerstellung stelle keinen freiwilligen Zusammenschluss dar, weshalb etwa eine Einordnung der Gläubigergemeinschaft im Insolvenzplan als BGB-Gesellschaft ausscheide. 156 Dazu Baums, Unternehmensfinanzierung, § 58, Rn. 48 ff. Bereits ausführlich oben Kapitel 2, B. IV. 1. a). 157 Etwa Kieninger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 5; Martiny, in: MüKo BGB, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 7. 158 Vgl. Paulus, in: BeckOGK, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 24.

C. Die Anwendung europäischen Kollisionsrechts

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Rom I-VO möglichst Auslegungsgleichlauf herzustellen sei.159 Dass nach hier vertretener Ansicht Restrukturierungsverfahren der Bereichsausnahme Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO unterfallen, spricht also auch dafür, die Rom I-VO nicht für einschlägig zu halten. Mithin handelt es sich beim Restrukturierungsplan nicht um ein vertragliches Schuldverhältnis, sodass die Anwendung der Rom I-VO insoweit ausgeschlossen ist. b) Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, Art. 1 Abs. 2 lit. f) Nicht unter die Rom I-VO fallen auch sämtliche Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, wie Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO zu entnehmen ist. Die Norm dient der Abgrenzung zum internationalen Gesellschaftsrecht; grundsätzlich sind daher sämtliche Aspekte des Gesellschaftsrechts von der Bereichsausnahme erfasst.160 Darunter fallen sowohl die Gründung und Auflösung als auch alle Fragen betreffend die innere Verfasstheit der Gesellschaft.161 In einem Restrukturierungsverfahren können neben Eingriffen in Finanzverbindlichkeiten auch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen vorgenommen werden.162 Entsprechende Strukturmaßnahmen sind richtigerweise restrukturierungsrechtlich zu qualifizieren, sofern sie im Rahmen eines solchen Verfahrens vorgenommen werden, und damit gerade nicht dem allgemeinen Gesellschaftsstatut zuzuschlagen.163 Insofern könnte erwogen werden, die Bereichsausnahme für Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht hier nicht für einschlägig zu halten. Dabei handelte es sich allerdings um eine zu formalistische Betrachtungsweise. Für eine Ausdehnung der Bereichsausnahme auch auf restrukturierungsbedingte gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen spricht zunächst das Postulat des Auslegungsgleichlaufs von EuGVVO und Rom I-VO.164 Die fehlende Bereichsausnahme für Konkursverfahren unter der Rom I-VO kann damit nicht als Beleg dafür herangezogen werden, dass diese Aspekte unter die Verordnung fielen. Dafür sprechen auch teleologische Gründe. Ebenso wie bei der EuGVVO,165 sollen Bereichsausnahmen solche Rechtsfragen aus dem Anwendungsbereich heraushalten, für deren Lösung der Rechtsakt keine tauglichen Antworten bereithält.166 So würde die Anwendung der Rom I-VO dazu führen, dass den Par159 EuGH, Urt. v. 21. Januar 2016 – Rs. C-359/14, „ERGO Insurance“ SE./.„If P&C Insurance“AS, ECLI:EU:C:2016:40, Rn. 43. Siehe auch Erw.-Gr. 7 Rom I-VO. 160 Paulus, in: BeckOGK, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 113; Magnus, in: Staudinger, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 82; Kieninger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 20. 161 Magnus, in: Staudinger, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 83, 85. 162 Dazu bereits ausführlich Kapitel 4, E. IV. 163 Oben Kapitel 4, E. IV. 4. 164 EuGH, Urt. v. 21. Januar 2016 – Rs. C-359/14, „ERGO Insurance“ SE./.„If P&C Insurance“AS, ECLI:EU:C:2016:40, Rn. 43. Siehe auch Erw.- Gr. 7 Rom I-VO. 165 Oben B. I. 2. c), Fn. 37. 166 Kieninger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 2.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

teien eine direkte Rechtswahl ermöglicht würde, die bei gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen systemwidrig ist;167 dies aber gilt in gleicher Weise für gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen in einem Restrukturierungsverfahren. Demnach liegen jedenfalls168 Restrukturierungspläne, die gesellschaftsrechtliche Maßnahmen enthalten, außerhalb des Anwendungsbereichs der Rom I-VO. c) Zusammenfassung Restrukturierungspläne können nicht als vertragliches Schuldverhältnis i.S.d. Rom I-VO aufgefasst werden. Im Besonderen gilt dies auch für solche Restrukturierungspläne, die gesellschaftsrechtliche Maßnahmen vorsehen. Die Analyse des Anwendungsbereichs zeigt, dass die Rom I-VO für Restrukturierungsverfahren nicht geeignet scheint. 2. Reichweite des Vertragsstatuts Unstreitig fallen allerdings die einzelnen in das Restrukturierungsverfahren einbezogenen Vertragsverhältnisse in den Anwendungsbereich der Rom I-VO. Über diesen „Umweg“ könnte man dennoch zu einer Anwendung der Verordnung auf Restrukturierungsverfahren gelangen. Dies wäre dann der Fall, wenn das Vertragsstatut seinerseits das Restrukturierungsrecht, nämlich als besondere Form des Erlöschens einer Verpflichtung gem. Art. 12 lit. d) Rom I-VO, umfasste. Diese Argumentation wurde jedenfalls für das SoA in der Vergangenheit prominent bemüht.169 Auch hier ist folglich eine Übertragbarkeit zumindest denkbar, was weitere Befassung mit diesem Aspekt erforderlich macht. a) Art. 12 lit. d) Rom I-VO Nach Art. 12 lit. d) Rom I-VO umfasst das auf einen Vertrag anzuwendende Recht auch die verschiedenen Arten des Erlöschens der Verpflichtungen. Es erscheint zumindest plausibel, einen bestätigten Restrukturierungsplan als besondere Form des Erlöschens einer Verbindlichkeit zu betrachten. Unter die Norm können nämlich im Grundsatz alle denkbaren Formen des Erlöschens gefasst werden.170 Einschränkend ist jedoch zu beachten, dass der EuGH insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen unter Berufung auf den lex specialis Grundsatz nicht unter Art. 12 lit. d) Rom I-VO, sondern unter die EuInsVO subsumiert.171 Bei der 167

Magnus, in: Staudinger, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 79. Sofern man diese entgegen hier vertretener Ansicht überhaupt als vertragliches Schuldverhältnis einstufen will. 169 Etwa Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1216; Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033, 2045; Thole, ZGR 2013, 109, 144 ff. 170 Vgl. etwa Weller, in: BeckOGK, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 35; Ferrari, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 19; M. Stürner, in: Erman, BGB, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 13. 171 EuGH, Urt. v. 16. April 2015 – Rs. C-557/13, Hermann Lutz./.Elke Bäuerle, ECLI:EU: C:2015:227, Rn. 46 ff. Dazu etwa Stangl/Kern, LMK 2015, 370158. 168

C. Die Anwendung europäischen Kollisionsrechts

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Abgrenzung beider Verordnungen sollen die mit der EuInsVO verfolgten Ziele maßgeblich entscheidend sein.172 b) Anwendung der Lutz./.Bäuerle-Rechtsprechung Zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs beider Verordnungen hat der EuGH in seinem Urteil Lutz./.Bäuerle eine Folgenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Ziele der EuInsVO vorgenommen.173 Auf die vorliegende Frage übertragen, muss untersucht werden, zu welchen Ergebnissen eine Anwendung der Rom I-VO führte und ob das gefundene Ergebnis mit den Zwecken der EuInsVO in Einklang zu bringen ist. Zwar findet die EuInsVO auf geheime Restrukturierungsverfahren keine Anwendung, dies steht aber einem Rückgriff auf die Lutz./Bäuerle-Grundätze in der vorliegenden Situation nicht entgegen, wie gezeigt werden wird.174 Dehnt man das Vertragsstatut auf restrukturierungsbedingte Eingriffe in Forderungen aus, richtete sich das Restrukturierungsrecht nach dem Forderungsstatut.175 Müssten in ein Restrukturierungsverfahren also Forderungen unterschiedlicher Rechtsordnungen einbezogen werden, bestünden hinsichtlich jeder Forderung unterschiedliche Anforderungen an den Restrukturierungsplan. In Anbetracht der erheblichen Umsetzungsspielräume in der EuRRL176 wäre ein Restrukturierungsverfahren unter dieser Prämisse faktisch undurchführbar. Durch Art. 7 EuInsVO wurde eine einheitliche Kollisionsnorm geschaffen, um möglichst alle verfahrens- und materiell-rechtlichen Fragen einheitlich nach der lex fori concursus abwickeln zu können.177 Damit ist bezweckt, Gläubigergleichbehandlung zu gewährleisten und forum shopping zu verhindern.178 Beide Ziele werden durch eine Anwendung der Rom I-VO unterminiert. Unterliegen einbezogene Forderungen unterschiedlichen Rechtsordnungen, divergierten auch die Anforderungen an restrukturierungsbedingte Eingriffe, was zu einer Ungleichbehandlung führte. Forum shopping kann eine Anwendung der Rom I-VO nicht verhindern, da die Verordnung keine Zuständigkeitsfragen regelt; es bliebe insofern bei nationalem Zuständigkeitsrecht, was größere Gestaltungsspielräume ermöglicht. Eine Übertragung der Grundsätze aus dem EuGH-Urteil Lutz./.Bäuerle führt somit zu dem Ergebnis, dass die Rom I-VO nicht auf Restrukturierungsverfahren anzuwenden ist. Die mit der EuInsVO verfolgten Ziele, Verfahren unter einer 172 Ebd., Rn. 46: „Die zuletzt genannten Artikel [4 und 13 EuInsVO a.F.] sind nämlich gegenüber der Rom-I-Verordnung als lex specialis anzusehen und im Licht der mit der Verordnung Nr. 1346/2000 angestrebten Ziele auszulegen.“ 173 Ebd., Rn. 46–48. 174 Dazu sogleich unter II. 2. c 175 Vgl. Thole, ZGR 2013, 109, 144. 176 Eine Übersicht der Umsetzungsspielräume findet sich oben Kapitel 3, C. I. 177 Vgl. Erw.-Gr. 66 EuInsVO. 178 Kindler, in: MüKo BGB, Art. 7 EuInsVO, Rn. 5.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

einheitlichen Rechtsordnung durchzuführen und damit Gläubigergleichbehandlung zu gewährleisten, würden nämlich so in keiner Weise erreicht. Dies spräche dafür, Restrukturierungspläne nicht als besondere Form des Erlöschens einer Verbindlichkeit nach Art. 12 lit. d) Rom I-VO zu begreifen. c) Zweifel an der Übertragbarkeit? An einer Übertragbarkeit auf den vorliegenden Fall könnte man aber mit der Begründung zweifeln, dass die EuInsVO im zugrundeliegenden Urteil tatsächlich anwendbar war,179 wohingegen deren Anwendungsbereich für nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren gerade verschlossen ist. Insofern könnte die EuInsVO gerade nicht als lex specialis aufzufassen sein, weshalb der Rückgriff auf die allgemeine Regelung wieder zulässig wäre.180 Allerdings hat der EuGH in seinem Urteil Lutz./.Bäuerle bei genauer Betrachtung nur eine teleologische Auslegung des Art. 12 Abs. 1 lit. d) Rom I-VO vorgenommen. Auch jenseits des Anwendungsbereichs der EuInsVO überzeugen die angebrachten Argumente des EuGH. Die Entscheidung lässt sich deshalb über den konkret entschiedenen Fall hinaus verallgemeinern: Die durch die Anwendung der Rom I-VO bedingte Zersplitterung des anwendbaren Restrukturierungsrechts beraubte das Verfahren seiner praktischen Wirksamkeit. Ein Kollektivverfahren kann sinnvoll nur unter einem für alle Beteiligten einheitlichen Rechtsrahmen durchgeführt werden.181 Eine Anwendung der Rom I-VO vereitelte damit auch den Zweck der EuRRL, in den Mitgliedstaaten eine Sanierungskultur zu etablieren.182 d) Tauglichkeit für finanzwirtschaftliche Restrukturierungen Allerdings stellte eine Anwendbarkeit der Rom I-VO für rein finanzwirtschaftliche Restrukturierungen eine gangbare Handlungsoption dar, sofern die einbezogenen Forderungen sämtlich derselben Rechtsordnung unterstehen. Eine „Zersplitterung“ des Restrukturierungsstatuts drohte in diesen Fällen gerade nicht. Wohl aus diesem Grund plädieren einige Autoren für eine Anwendbarkeit der Rom I-VO auf Restrukturierungsverfahren.183 Ursprünglich wurde diese Rechtsauffassung zur grenzüberschreitenden Anerkennung des SoA entwickelt184 179 EuGH, Urt. v. 16. April 2015 – Rs. C-557/13, Hermann Lutz./.Elke Bäuerle, ECLI:EU:C:2015:227, Rn. 31. 180 So könnte Paulus, in: BeckOGK, Art. 1 Rom I-VO, Rn. 26 verstanden werden, der im Rahmen der Qualifikation darauf abstellt, ob „die EuInsVO Anwendung finden will“. 181 Vgl. Pfeiffer, in: Hess/Oberhammer/Pfeiffer, European Insolvency Law, Rn. 626. Kritisch Piekenbrock, in: Brinkmann, EIR, Art. 7, Rn. 12: „such reasoning seems unilateral“. 182 Dazu oben Kapitel 2, B. II. 2. 183 So meint Skauradszun, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 103, dass eine Forderung in Anwendung des Art. 12 Abs. 1 lit. d) Rom I-VO nach dem jeweiligen Forderungsstatut restrukturiert werden könne. Zumindest implizit scheint Skauradszun damit die Anwendbarkeit der Rom I-VO vorauszusetzen. 184 Vgl. Fn. 42.

C. Die Anwendung europäischen Kollisionsrechts

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und vermochte auch vor diesem Hintergrund zu überzeugen. In den zu Grunde liegenden Fallkonstellationen ging es gerade um die Umgestaltung von Forderungen, die – meist kraft Rechtswahl – ausschließlich dem englischen Recht unterlagen.185 Gänzlich anders liegen die Dinge allerdings beim Restrukturierungsverfahren, das als Kollektivverfahren ausgestaltet ist und in seinem Anwendungsbereich weit über eine bloße finanzielle Restrukturierung hinausgeht.186 In ein Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL können Forderungen unterschiedlichster Rechtsordnungen einbezogen werden. Deshalb sollte die zum SoA vertretene Auffassung zur Anwendbarkeit der Rom I-VO nicht unreflektiert auf das Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL übertragen werden. So plädierte Thole zwar für eine Anwendbarkeit der Rom I-VO auf das SoA,187 er lehnt diese aber richtigerweise für Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL ab.188 Die Tauglichkeit der Rom I-VO für finanzwirtschaftliche Restrukturierungen, in denen nur Forderungen einer einzigen Rechtsordnung einbezogen sind, ist ein Zufallsbefund und liefert kein verallgemeinerungsfähiges Argument für die Anwendbarkeit der Rom I-VO. Hielte man die Kürzung einer Forderung im Restrukturierungsplan für von Art. 12 Abs. 1 lit. d) Rom I-VO umfasst, müsste man diese Vorschrift konsequenterweise auf alle (geheimen) Restrukturierungsverfahren anwenden, die sich außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO befinden, ganz unabhängig davon, ob Forderungen einer einzigen oder vieler verschiedener Rechtsordnungen von der Restrukturierung betroffen sind. 3. Zusammenfassung Die Rom I-VO steht für die Bestimmung des anwendbaren Rechts in Restrukturierungsverfahren nicht zur Verfügung. Weder lassen sich die einzelnen Restrukturierungsmaßnahmen als vertragliche Schuldverhältnisse begreifen, noch umfasst das allgemeine Vertragsstatut das anwendbare Restrukturierungs185 Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1215: Ein englisches Gericht „ist zudem zuständig, wenn eine Gesellschaft mit Sitz außerhalb Englands ein Scheme nach englischem Recht durchführt und die betroffenen Forderungen eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der englischen Gerichte enthalten. Fehlt diese Voraussetzung, denn fehlt den englischen Gerichten auch die internationale Zuständigkeit […].“. Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033, 2045: „Soweit sich das SoA auf Kreditverträge bezieht, die englischem Recht unterliegen, hat das mit der Frage der Auswirkungen des SoA auf die betroffenen Vertragsverhältnisse befasste Gericht englisches Recht anzuwenden. […] Sofern das zugrunde liegende Vertragsverhältnis hingegen dem deutschen Recht unterliegt, dürfte eine Anerkennung des SoA auf Grundlage der Rom I-VO von vornherein nicht in Betracht kommen.“. Vgl. auch Thole, ZGR 2013, 109, 146 f. 186 Vgl. Thole, ZIP 2021, 2153, 2159 f. 187 Vgl. Thole, ZGR 2013, 109, 144 ff. 188 Überzeugend argumentiert Thole, ZIP 2021, 2153, 2159 f., dass das Erlöschen einer Forderung im Restrukturierungsverfahren auch restrukturierungsrechtlich zu qualifizieren sei.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

recht.189 Insbesondere sprechen allgemein-teleologische Erwägungen gegen die Anwendung der Rom I-VO. Abgesehen von spezifischen Einzelfällen, in denen nur Forderungen einer einzigen Rechtsordnung in das Verfahren einbezogen sind, dürfte nämlich die Anwendung der Rom I-VO in der Praxis zu großen Problemen führen.

III. Anwendung des europäischen Gesellschaftskollisionsrechts Auch eine Anwendung des Gesellschaftskollisionsrechts ist für nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren kein tauglicher Lösungsansatz. Es ist bereits herausgearbeitet worden, dass restrukturierungsbedingte Eingriffe in Forderungsrechte und sogar die Gesellschaftsstruktur nicht gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren sind.190 Das Gesellschaftsstatut umfasst mithin das Restrukturierungsstatut nicht. Das Restrukturierungsrecht ist eine eigenständige Rechtsmaterie, die auch kollisionsrechtlich differenziert zu behandeln ist. Eine Anwendung des Gesellschaftskollisionsrechts kommt schon aus diesem Grund nicht in Betracht. Ferner ist bereits dargestellt worden, dass ein restrukturierungsbedingter Eingriff in eine Kapitalgesellschaft keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt.191 Dieser Aspekt hat auch für die vorliegende Frage eine Implikation. Eine fehlende Betroffenheit des Schutzbereichs bedeutet nämlich, dass sich für Restrukturierungsverfahren aus der Niederlassungsfreiheit – anders als für originär gesellschaftsrechtliche Fragestellungen192 – keine Anforderungen an den international-privatrechtlichen Anknüpfungsmoment ableiten lassen. Mangels sekundärrechtlicher Regelungen für geheime Verfahren, sind die Mitgliedstaaten insofern frei, den Anknüpfungsmoment autonom festzulegen. Eine materiellrechtliche Wirksamkeitskontrolle würde mithin keine einheitliche Beurteilung des anwendbaren Sachverhalts im europäischen Binnenmarkt gewährleisten.

IV. Fazit Weder die Rom I-VO noch das Gesellschaftskollisionsrecht können auf grenzüberschreitende nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren angewendet werden. Auch anderweitige europäische Sekundärrechtsakte stehen nicht zur Verfügung. Die Vorschriften der Rom II-VO finden lediglich Anwendung auf Ansprüche auf Schadenshaftung aus außervertraglichen Schuldverhältnissen wegen unerlaubten Handlungen, die abschließend in Art. 2 Abs. 1 Rom I-VO definiert sind.193 Darunter lässt sich ein Restrukturierungsverfahren ersichtlich nicht fas189

A.A. wohl Skauradszun, in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 103. Oben Kapitel 4, E. IV. 191 Oben Kapitel 4, E. V. 192 Vgl. dazu etwa Habersack/Verse, Europ. Gesellschaftrecht, § 3, Rn. 24 ff.; Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 371 ff.; Ego, in: MüKo AktG, Europ. Aktienrecht, Rn. 245 ff. 193 Vgl. EuGH, Urt. v. 21. Januar 2016 – Rs. C-359/14 und C-475/14, „ERGO Insurance“ 190

D. Die Anwendung nationalen Rechts auf das Restrukturierungsverfahren

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sen. Eine materielle Wirksamkeitskontrolle anhand des europäischen Kollisionsrechts kommt für nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren mithin nicht in Betracht.

D. Die Anwendung nationalen Rechts auf das Restrukturierungsverfahren Vorstehend wurde herausgearbeitet, dass sich für nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren aus dem europäischen Recht keine Lösungen für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts sowie die Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen ableiten lassen. Mithin bleibt insofern einzig der Rückgriff auf das nationale Recht. Maßgeblich wird hier auf die Vorschriften §§ 335 ff. InsO und § 328 ZPO einzugehen sein.

I. Kein internationales Restrukturierungsrecht Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung der EuRRL mit dem StaRUG darauf verzichtet,194 nationale Vorschriften zum internationalen Restrukturierungsrecht zu schaffen. Lediglich in § 84 StaRUG ist erkennbar, dass der Gesetzgeber sich mit grenzüberschreitenden Restrukturierungssachverhalten überhaupt auseinandergesetzt hat und insofern wohl von einer Anwendbarkeit der EuInsVO ausgegangen ist. Dass die EuInsVO die „Problematik“ der grenzüberschreitenden Restrukturierungsverfahren nur zum Teil – nämlich für öffentliche Verfahren – regelt, ist bereits gezeigt worden.195 Damit sind die internationalen Aspekte des Restrukturierungsverfahrens in Deutschland nur höchst unzureichend geregelt. Der Befund überrascht, zumal der Gesetzgeber mit der Stellungnahme von Madaus über diesen Missstand im Regierungsentwurf unterrichtet wurde.196 Dieser forderte ausdrücklich, autonom nationale Vorschriften zur Regelung grenzüberschreitender Fragen für den Fall zu schaffen, dass die EuGVVO sich als unanwendbar herausstellte.197 Es ist also fernliegend, dass der GesetzgeSE./.„If P&C Insurance“ AS, ECLI:EU:C:2016:40, Rn. 45 f. Siehe dazu auch Junker, in: MüKo BGB, Art. 1 Rom II-VO, Rn. 14. 194 Man mag auch formulieren: „hat es versäumt“. So etwa Paulus, ZIP 2020, 2363, der meint, dass der Gesetzentwurf die „Internationalität nahezu komplett ausblendet und sich reiner Introspektive gefällt.“ 195 Oben Kapitel 4, C. 196 Vgl. Madaus, Stellungnahme zum RegE eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) sowie zum diesbezüglichen Antrag der Fraktion der FDP v. 12. November 2020, S. 9 f.; online unter https://www.bundestag.de/resource/blob/80 6302/5235168ddc676b9436c8540322e53865/madaus-data.pdf; zuletzt abgerufen 30. November 2022. 197 Ebd., S. 10: Es bedarf „einer autonomen nationalen Regelung der internationalen Zuständigkeit und Verfahrenswirkungen sowie zur Anerkennung ausländischer Verfahren dieser Art.“

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

ber sich der Problematik nicht bewusst gewesen ist. Zumindest plausibel erscheint jedoch die Annahme, dass der Gesetzgeber – in Anbetracht der Ähnlichkeit des StaRUG-Verfahrens zum bestehenden Insolvenzverfahren198 – die §§ 335 ff. InsO für anwendbar befand und sich deshalb weiterer Regelung enthielt. Ob die autonomen Vorschriften zum internationalen Insolvenzrecht tatsächlich in der Lage sind, die sich ergebende Lücke zu schließen, wird daher nun zu untersuchen sein.

II. Doppelfunktionale Anwendung des § 35 StaRUG Eine Regelung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für Restrukturierungsverfahren fehlt. Hier kann man sich allerdings mit einer doppelfunktionalen Anwendung der Vorschrift zur nationalen örtlichen Zuständigkeit behelfen.199 Doppelfunktionale Anwendung bedeutet, eine Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus auch zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit heranzuziehen.200 Die örtliche Zuständigkeit für das Verfahren ist in § 35 StaRUG geregelt. Dessen Wortlaut entspricht § 3 Abs. 1 InsO, der die örtliche Zuständigkeit für Insolvenzverfahren bestimmt.201 1. Ergebnis der Zuständigkeitsprüfung Bei einer doppelfunktionalen Anwendung des § 35 Satz 1 StaRUG wären deutsche Restrukturierungsgerichte international zuständig, wenn der Schuldner in Deutschland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Dieser liegt bei den hier interessierenden Konstellationen der Restrukturierung von juristischen Personen am Satzungssitz, § 35 Satz 1 StaRUG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO.202 Auf den allgemeinen Gerichtsstand kommt es hingegen nur dann an, wenn eine Zuständigkeit nach § 35 Satz 2 StARUG nicht zu ermitteln ist, also kein Mittelpunkt wirtschaftlicher Tätigkeit besteht.203 Dies ist etwa dann der Fall, 198 Dazu detailliert de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661 ff.: „[Die] Zugangsvoraussetzungen, Methoden und Ziele des Restrukturierungsverfahrens (nach StaRUG) und des vom Schuldner kontrollierten Insolvenzverfahrens in der Eigenverwaltung [laufen] in vielen Teilen parallel.“ Siehe auch Paulus, ZIP 2020, 2363. 199 Für eine doppelfunktionale Anwendung des § 35 StaRUG plädiert etwa auch Thole, ZIP 2021, 2153, 2157. 200 Allg. Meinung. Siehe etwa BGHZ 44, 46, 47; BGHZ 94, 156, 157 f.; Rauscher, IPR, § 17, Rn. 2254; Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Dritter Teil, Rn. 946 ff.; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 76; Roth, in: Stein/ Jonas, ZPO, Vor. § 12, Rn. 32b; jeweils m.w.N. 201 Vgl. Baumert, in: Braun, StaRUG, § 35, Rn. 3. In Ermangelung umfangreicher Spezialliteratur zum StaRUG wird daher im Folgenden auch auf Literatur zu § 3 InsO verwiesen. In Anbetracht des identischen Wortlauts sollte die Auslegung auf § 35 StaRUG übertragbar sein. 202 Vgl. Toussaint, in: BeckOK ZPO, § 17 ZPO, Rn. 9, 9.1; Patzina, in: MüKo ZPO, § 17, Rn. 10, Baumert, in: Braun, StaRUG, § 35, Rn. 7. 203 Vgl. Pape, in: Uhlenbruck, § 3 InsO, Rn. 3; Baumert, in: Braun, StaRUG, § 35, Rn. 7.

D. Die Anwendung nationalen Rechts auf das Restrukturierungsverfahren

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wenn die Gesellschaft ihre Tätigkeit bereits gänzlich eingestellt hat.204 Anders als in Fällen der Insolvenz wird dies bei Restrukturierungssachverhalten regelmäßig nicht der Fall sein, da ja gerade bezweckt wird, die operative Tätigkeit aufrecht zu erhalten. Vorrangig205 ist mithin zu prüfen, wo der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners belegen ist, da die Gerichte dieses Ortes international zuständig wären, § 35 Satz 2 StaRUG. Obwohl kein zwingender Auslegungsgleichlauf besteht,206 ist es gleichwohl möglich, sich im Rahmen der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Mittelpunkt der wirtschaftlichen Interessen“ an der Judikatur zum COMI zu orientieren.207 Wirtschaftliche Tätigkeit erfolgt unabhängig und ist auf Gewinnerzielung gerichtet.208 Deren Mittelpunkt ist dort belegen, wo der Schuldner schwerpunktmäßig seine Geschäftstätigkeit entfaltet, maßgeblich sind insofern die tatsächlichen Umstände.209 Im Ergebnis ist auf denjenigen Ort abzustellen, an dem die Willensbildung stattfindet und objektiv erkennbar in Geschäftsführungsakte umgesetzt wird.210 2. Folgen der nationalen Zuständigkeitsbestimmung Die Definition des Mittelpunkts der wirtschaftlichen Tätigkeit erinnert an die „Sandrocksche Formel“ zur Bestimmung des Verwaltungssitzes einer Gesellschaft.211 Es ist bereits herausgearbeitet worden, dass dieses Begriffsverständnis auch dem Ort der Hauptverwaltung zu Grunde liegt, der maßgeblich relevant ist für die Bestimmung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO.212 Mithin werden beide Zuständigkeitskriterien regelmäßig mit dem Verwaltungssitz der juristischen Person zusammenfallen.213 Dies führt dazu, dass auch unter doppelfunktionaler Anwendung des § 35 StaRUG ausländische Gesellschaftsformen nach deutschem Recht restrukturiert werden könnten. Die bereits zum COMI herausgearbeiteten Spannungen zwischen Gesellschafts- und Insolvenzstatut perpetuieren sich mithin im nationalen Recht. Folgt man hingegen der These, dass im europäischen Binnenmarkt ein Wettbe-

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Rüther, in: A. Schmidt, HamKom InsO, § 3, Rn. 11. Baumert, in: Braun, StaRUG, § 35, Rn. 3; Stephan, in: K. Schmidt, InsO, § 3, Rn. 3. 206 Madaus, in: BeckOK InsO, § 3, Rn. 14.1. 207 Vgl. Stephan, in: K. Schmidt, InsO, § 3, Rn. 8. 208 Madaus, in: BeckOK InsO, § 3, Rn. 9. 209 Detailliert Ganter/Bruns, in: MüKo InsO, § 3, Rn. 10 m.w.N. 210 Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 19. Juni 2002 – 1 AR 27/02, NZI 2002, 438. Darauf sämtlich bezugnehmend Rüther, in: A. Schmidt, HamKom InsO, § 3, Rn. 13; Baumert, in: Braun, InsO, § 3, Rn. 8; Stephan, in: K. Schmidt, InsO, § 3, Rn. 9; Sternal, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 3, Rn. 9. 211 Siehe Kapitel 4, Fn. 138. 212 Oben Kapitel 4, D. II. 3. a). 213 So zum COMI bereits oben Kapitel 4, D. II. 3. c). Auf die Darstellung der Ausnahmefälle wird verzichtet. 205

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

werb um das attraktivste Restrukturierungsrecht entfacht werden wird,214 besteht durch die Anknüpfung an den Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit die grundsätzliche Möglichkeit, auch ausländische Gesellschaften in das deutsche Verfahren zu locken. Dennoch ist die deutsche Zuständigkeitsvorschrift im Vergleich zu „Mitbewerbern“ restriktiv: die Niederlande lassen für die Eröffnung der Gerichtszuständigkeit im WHOA215 eine ausreichende Verbindung zum Inland genügen.216 Insofern könnte man § 35 StaRUG auch als „Wettbewerbsnachteil“ begreifen. 3. Zusammenfassung Für die internationale Zuständigkeitsbestimmung nach § 35 StaRUG kommt es maßgeblich auf den Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an. Dieses Kriterium hat große Ähnlichkeit zum COMI nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO. Diese Ähnlichkeit wird verstärkt, indem sich einige Autoren bei der Auslegung der nationalen Zuständigkeitsnormen an der COMI-Judikatur ausrichten. Auch das nationale Zuständigkeitsrecht erlaubt mithin ausländischen Gesellschaften eine Restrukturierung im StaRUG-Verfahren; hier sind Spannungen zwischen Gesellschafts- und Restrukturierungsstatut wie nach Art. 3 EuInsVO vorgezeichnet. Die Orientierung am Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit ist aber dennoch vergleichsweise restriktiv.

III. Anwendung der §§ 335 ff. InsO Die Anwendbarkeit der Vorschriften des deutschen internationalen Insolvenzrechts aus §§ 335 ff. InsO auf Restrukturierungsverfahren steht und fällt mit dem dort zugrundliegenden Verfahrensbegriff. Ließe sich ein ausländisches Verfahren als Insolvenzverfahren im Sinne dieser Vorschriften qualifizieren, fänden die Normen selbstverständlich Anwendung. 1. Qualifikation als Insolvenzverfahren Ausweislich der Gesetzesbegründung zeichnet Verfahren i.S.d. §§ 335 ff. InsO aus, dass sie „im Wesentlichen den gleichen Zielen dienen wie ein deutsches Insolvenzverfahren“.217 In Anbetracht der Tatsache, dass deutsche Insolvenzverfahren der Gläubigerbefriedigung zu dienen bestimmt sind, wie sich aus § 1 Satz 1

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Zur Plausibilität dieser These Kapitel 3, C. III. Wet Homologatie Onderhands Akkord. Dabei handelt es sich um das niederländische Umsetzungsgesetz zur EuRRL. 216 Art. 369 Abs. 7 lit. b) Faillissementswet i.V.m. Art. 3 lit. c) Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering: „de zaak anderszins voldoende met de rechtssfeer van Nederland verbonden is“. 217 BT-Drs. 15/16 v. 25. Oktober 2002, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Insolvenzrechts, S. 18. 215

D. Die Anwendung nationalen Rechts auf das Restrukturierungsverfahren

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InsO ergibt, könnte man Zweifel daran entwickeln, ob Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL unter die Vorschriften des deutschen internationalen Insolvenzrechts subsumiert werden können.218 Ziel der Richtlinie ist nämlich in erster Linie die Sanierung des Schuldners.219 Ein solches Verständnis der Verfahrensähnlichkeit wäre allerdings in Anbetracht der international höchst disparaten Verfahrenszwecke verfehlt.220 Vielmehr ist es überzeugender, auf die Funktionsäquivalenz abzustellen und nicht etwa auf den konkreten Regelungszweck.221 Insofern kommt es darauf an, ob im betreffenden Verfahren die Rechte von Gläubigern und Schuldner als Reaktion auf die insuffiziente Vermögenssituation des Schuldners in einem gesetzlich geordneten Rahmen geregelt werden.222 a) BGH-Urteil „Schnellverschlussklappe“ Die soeben dargestellten Qualifikationsgrundsätze lassen sich mit der BGHEntscheidung „Schnellverschlussklappe“223 stützen. Dort hatte der BGH zu entscheiden, ob das US-amerikanische „Chapter 11-Verfahren“224 als Insolvenzverfahren im Inland anerkennungsfähig ist. Zunächst bekräftigte der BGH, dass die Ausrichtung des Chapter 11-Verfahrens auf Reorganisation einer Anerkennung nicht entgegenstehe, da auch im deutschen Insolvenzverfahren mit dem Insolvenzplan Regelungen zum Erhalt des Unternehmens getroffen werden können.225 Ebenfalls sei es unschädlich, dass der Schuldner im amerikanischen Verfahren die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis behielte, da auch das deutsche Verfahren die Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sachwalters gem. § 270 Abs. 1 InsO zulasse.226 Das fehlende Nachweiserfordernis hinsichtlich eines Insolvenzeröffnungsgrundes sei zwar eine erhebliche Abweichung, die aber nicht geeignet sei, der Anerkennung entgegenzustehen, da das deutsche Recht mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit auch

218 Vgl. Tashiro, in: Braun, InsO, § 335, Rn. 4. So wohl auch Kindler, in: MüKO BGB, § 343 InsO, Rn. 6 ff., der die Anerkennung davon abhängig macht, dass ein ausländisches Verfahren ebenfalls der Gläubigerbefriedigung dient. 219 Ob darin eine Abkehr vom Grundsatz der Gläubigerbefriedigung erblickt werden muss, ist unklar. Dazu bereits oben Kapitel 2, B. II. 2. a). Viel hängt jedenfalls von der mitgliedstaatlichen Umsetzung ab. Vgl. dazu auch Heese, Die Funktion des Insolvenzrechts im Wettbewerb der Rechtsordnungen, S. 20 f. 220 Paulus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 343 InsO, Rn. 4; Brinkmann, in: Graf-Schlicker, InsO, Vor. §§ 335–358, Rn. 3. 221 Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, § 335, Rn. 5; Paulus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 343, Rn. 4; Kolmann/Keller, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechtshandbuch, § 132, Rn. 22; Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, § 335, Rn. 3. 222 So Reinhart, in: MüKo InsO, Vor. §§ 335 ff. InsO, Rn. 101. 223 BGH, Urt. v. 13. Oktober 2009 – X ZR 79/06 (BPatG), GRUR 2010, 861 ff. 224 United States Code, Titel 11 (Bankruptcy), Chapter 11 (Reorganization), §§ 1101– 1195. 225 BGH, Urt. v. 13. Oktober 2009 – X ZR 79/06 (BPatG), GRUR 2010, 861 ff., Rn. 8–10. 226 Ebd. Rn. 13.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

keine materielle Insolvenz mehr voraussetze.227 Ferner sei auch keine förmliche Verfahrenseröffnung durch ein Gericht erforderlich, solange das Verfahren insgesamt gerichtsförmig ausgestaltet sei, wofür etwa die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans genügt.228 Diese Entscheidung belegt, dass es auf den verfolgten Verfahrenszweck nicht entscheidend ankommt. Sogar erhebliche Abweichungen vom inländischen Insolvenzverfahren sind hinzunehmen, solange das nationale Verfahren ein wenigstens im Grundsatz vergleichbares Institut vorhält. b) Übertragung auf das Restrukturierungsverfahren Das Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL ist ein gesetzlicher Rahmen zur Regelung der Rechte von Schuldner und Gläubigern als Reaktion auf das Vorliegen einer „wahrscheinlichen Insolvenz“, also einer insuffizienten Vermögenssituation. Insofern lässt sich das Verfahren unproblematisch unter die Verfahrensdefinition von Reinhart subsumieren.229 Die Tatsache, dass ein Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL auf Insolvenzvermeidung ausgelegt ist,230 grundsätzlich in Eigenverwaltung durchgeführt wird231 und nicht zwingend von einer förmlichen Verfahrenseröffnung abhängt,232 ist in Anbetracht der BGHRechtsprechung für die Qualifikation als Insolvenzverfahren unschädlich. Zweifel könnten allerdings hinsichtlich der fehlenden Einbeziehung sämtlicher Gläubiger angebracht sein. Im deutschen Insolvenzverfahren ist jede Person, die zur Zeit der Verfahrenseröffnung einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat, Insolvenzgläubiger, § 38 InsO.233 Anders hingegen verhält es sich im Restrukturierungsverfahren, an dem nicht zwangsläufig alle Gläubiger zu beteiligen sind, deren Betroffenheit vielmehr im Ermessen des Schuldners steht.234 Das Restrukturierungsverfahren ist mithin Kollektiv-, aber kein Gesamtverfahren.235 Hierin könnte eine so wesentliche Abweichung erblickt werden, die einer Anerkennung des Restrukturierungsrahmens als Insolvenzverfahren entgegensteht.

227

Ebd. Rn. 15. Ebd. Rn. 16. 229 Vgl. Fn. 222. 230 Vgl. oben Kapitel 2, B. II. 2. 231 Vgl. oben Kapitel 2, B. IV. 1. b) cc). 232 Vgl. oben Kapitel 2, B. III. 1. 233 Auf deren Beteiligung am Verfahren kommt es nicht an. Dazu Büteröwe, in: K. Schmidt, InsO, § 38, Rn. 1. Aussonderungsberechtigte sind nach § 47 Satz 1 InsO keine Insolvenzgläubiger. 234 Dazu oben Kapitel 2, B. IV. 1. b) dd). 235 Vgl. Paulus, EuInsVO, Art. 1, Rn. 13. Dazu ausführlich oben Kapitel 2, Fn. 129. 228

D. Die Anwendung nationalen Rechts auf das Restrukturierungsverfahren

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Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber sich bei Konkretisierung des Verfahrensbegriffs der §§ 335 ff. InsO am Anhang A der EuInsVO orientieren will.236 Der europäische Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich der EuInsVO n.F. bewusst auf Verfahren ausgeweitet, die der Insolvenzabwendung dienen, und im Zuge dessen ausdrücklich auch solche Verfahren zur Aufnahme in Anhang A vorgesehen, die nur einen wesentlichen Teil der Gläubiger umfassen.237 Es ist überzeugend, diese Ausweitung des europäischen Verfahrensbegriffs auch auf das nationale Recht durchschlagen zu lassen; dem Gesetzgeber wird es in Anbetracht der Gesetzesbegründung gerade darauf angekommen sein, das nationale Recht im Einklang mit dem europäischen Standard fortzuentwickeln.238 Dies spricht zunächst dafür, die fehlende Einbeziehung sämtlicher Gläubiger für unschädlich zu halten.239 Außerdem spricht diese Erkenntnis ganz grundsätzlich dafür, Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL auch vom Insolvenzverfahrensbegriff des nationalen Rechts für umfasst zu halten. c) Nichtöffentlichkeit Die Berufung auf Anhang A der EuInsVO und den entsprechenden Hinweis des deutschen Gesetzgebers führt jedoch insofern nicht weiter, als hier die Subsumtion nichtöffentlicher Restrukturierungsverfahren unter §§ 335 ff. InsO in Frage steht. Gerade diese fallen nicht unter den Verfahrensbegriff der EuInsVO. Nur für nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren ist aber die Anwendbarkeit der §§ 335 InsO praktisch relevant, da deren öffentliche Variante unproblematisch unter die EuInsVO fallen und ein Rückgriff auf das nationale Recht insofern gar nicht erforderlich und wegen des Anwendungsvorrangs240 auch nicht möglich ist. Will man den Verweis des Gesetzgebers auf die Verfahren im Anhang A der EuInsVO sehr eng verstehen, schiede die Qualifikation als „Insolvenzverfahren“ i.S.d. §§ 335 ff. InsO aus.241 Wäre es dem Gesetzgeber auf einen Auslegungsgleichlauf mit der EuInsVO jedoch entscheidend angekommen, hätte er dies im Gesetz selbst festlegen müssen. Ein Hinweis in den Gesetzgebungsmaterialien genügt für die Begründung derart weitreichender Rechtsfolgen nicht. Überzeugender ist es

236 BT-Drs. 15/16 v. 25. Oktober 2002, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Insolvenzrechts, S. 18. 237 Vgl. dazu etwa Ehret, in: Braun, InsO, Art. 1 EuInsVO, Rn. 4 f.; Kindler, in: MüKo BGB, Art. 1 EuInsVO, Rn. 5 f. Detailliert bereits oben Kapitel 4, B. III. 1. 238 So Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, § 335, Rn. 7. 239 Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, § 335, Rn. 14 ff. Ohne diese Begründung Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 14. 240 Vgl. dazu oben Kapitel 3, Fn. 2. 241 In diesem Sinne wohl Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 19. Einen eigenständigen Anwendungsbereich der §§ 335 ff. InsO neben der EuInsVO (fälschlicherweise) vollständig verneinend Cranshaw, DZWIR 2012, 133, 134.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

mithin, den Anhang A der EuInsVO lediglich als Indiz zu begreifen und keinen zwingenden Auslegungsgleichlauf anzunehmen.242 Es kommt also darauf an, ob das deutsche Recht die Öffentlichkeit für so elementar hält, dass ein geheimes Restrukturierungsverfahren nicht unter die §§ 335 ff. InsO gefasst werden kann. Grundsätzliche Verfahrensöffentlichkeit ist für die gesamte ordentliche Gerichtsbarkeit gem. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG vorgeschrieben, gilt im Insolvenzverfahren jedoch nur eingeschränkt, da hier gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 InsO auch ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann.243 Termine finden im Insolvenzverfahren nicht öffentlich statt, nur die Beteiligten sind geladen.244 Allerdings sind nach § 9 InsO öffentliche Bekanntmachungen für einige wesentliche Verfahrensschritte, wie etwa die Eröffnung, § 30 Abs. 1 InsO, oder die Einberufung der Gläubigerversammlung, § 74 Abs. 2 Satz 1 InsO, vorgeschrieben.245 Bei diesen Bekanntmachungen handelt es sich um diejenige Form der Öffentlichkeit, die auch dem Verfahrensverständnis der EuInsVO zu Grunde liegt.246 Die öffentlichen Bekanntmachungen im deutschen Insolvenzverfahren verfolgen jedoch keinen Selbstzweck, sondern haben dienende Funktion. Zunächst bezweckt die Öffentlichkeit die ordnungsgemäße Beteiligung aller Verfahrensbetroffenen, deren genaue Identität zunächst unbekannt ist.247 Die öffentliche Bekanntmachung genügt nämlich gem. § 9 Abs. 3 InsO zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten. Außerdem ist die Sicherung der Insolvenzmasse beabsichtigt.248 Mit der öffentlichen Bekanntmachung ist die befreiende Leistung an den Schuldner wesentlich erschwert.249 Auch der Erwerb von Grundstücken aus der Insolvenzmaße kraft öffentlichen Glaubens kommt für Beteiligte in Folge der Bekanntmachung regelmäßig nicht in Betracht.250

242 Vgl. etwa Kindler, in: MüKo BGB, Vor. § 335 InsO, Rn. 2; Weissinger, in: BeckOK InsO, § 343, Rn. 6. 243 Vgl. Prütting, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 5, Rn. 55 ff. 244 Vgl. dazu etwa Prütting, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Einl., Rn. 57; Hintzen, in: MüKo InsO, § 235, Rn. 22. 245 Eine Übersicht sämtlicher öffentlich bekanntzumachender Umstände findet sich bei Madaus, in: BeckOK InsO, § 9, Rn. 1. 246 Die Öffentlichkeit wird nach der EuInsVO durch Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung im Insolvenzregister bewirkt. Siehe dazu oben Kapitel 4, B. III. 3. 247 Stephan, in: K. Schmidt, InsO, § 9, Rn. 1. 248 Ganter/Bruns, in: MüKo InsO, § 9, Rn. 5a. 249 Vgl. § 82 Satz 2 InsO. Die Norm bewirkt eine Umkehr der Beweislast ab dem Zeitpunkt der Bekanntmachung des Verfahrens. Von dort an hat der Leistende zu beweisen, dass er von der Eröffnung keine Kenntnis hatte. Dies wird regelmäßig schwerfallen. Vgl. dazu Riewe/ Kaubisch, in: BeckOK InsO, § 82, Rn. 14 ff. 250 Vgl. § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 892 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 Alt. 2 BGB. Für Beteiligte wird der öffentliche Glaube des Grundbuchs nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens regelmäßig durch deren Kenntnis zerstört, sobald die öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist. Näher zum Erwerb von Grundstücken aus der Insolvenzmasse kraft öffentlichen Glaubens Vuia, in: MüKo InsO, § 81, Rn. 20 f.

D. Die Anwendung nationalen Rechts auf das Restrukturierungsverfahren

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Die Verfahrensöffentlichkeit ist mithin eng verwoben mit der Ausgestaltung eines „klassischen“ Insolvenzverfahrens, bei der es zu einer Beteiligung der Gesamtheit der Gläubiger und einer Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners kommt. Beides ist bei einem Restrukturierungsverfahren nicht der Fall. Für die Beteiligung einer genau umrissenen Gruppe an Gläubigern, die der Schuldner im Vorhinein mit seinen Beratern auswählt,251 bedarf es keiner öffentlichen Bekanntmachung. Auch eine förmliche Zustellung erfüllte diesen Zweck. An der Bekanntgabe hat der Schuldner zudem ein Eigeninteresse, da der Restrukturierungsplan nur gegenüber ordnungsgemäß einbezogenen Schuldnern seine Wirkungen entfaltet.252 Ebenfalls wird ein Restrukturierungsverfahren grundsätzlich in Eigenverwaltung durchgeführt;253 zu einer Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners kommt es damit nicht. Eine öffentliche Bekanntmachung kann damit ihre massesichernde Funktion – eine Masse gibt es bei Restrukturierungsverfahren ohnehin nicht – in keinem Fall erfüllen. Die Öffentlichkeit des deutschen Insolvenzverfahrens ist aus der spezifischen Wirkungsweise des Verfahrens zu begründen. Sie ist damit gerade kein elementares Prinzip, dass einer Qualifikation eines ausländischen Verfahrens als „Insolvenzverfahren“ entgegenstünde. Im Rahmen der Qualifikation kommt es nämlich gerade auf abstrahierte Funktionsäquivalenz und nicht auf Identität der Instrumente an.254 Der Verweis des Gesetzgebers auf den Anhang A und die Judikatur des BGH zeigt, dass der autonome Verfahrensbegriff offen steht für Verfahren, die einer finanziellen Schieflage auf andere Weise begegnen als das heimische Recht. Dies kann konsequent nur durchgehalten werden, wenn die Verfahrensöffentlichkeit nicht zur unabdingbaren Qualifikationsvoraussetzung gemacht wird. Daher fallen Restrukturierungsverfahren, auch wenn sie nichtöffentlich durchgeführt werden, unter die Vorschriften §§ 335 ff. InsO. Da kein zwingender Auslegungsgleichlauf besteht, ist die offensichtlich entgegenstehende Entscheidung des europäischen Gesetzgebers unerheblich. Es besteht damit kein Grund, diese inkonsistente Regelung255 für das nationale Recht zu übernehmen. d) Fazit Das nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren nach der EuRRL lässt sich grundsätzlich als Insolvenzverfahren i.S.d. §§ 335 ff. InsO qualifizieren. Diese Qualifikation ist freilich mit Unsicherheiten behaftet, da für die Mitgliedstaaten erhebliche Umsetzungsspielräume bestehen.256 Daher ist nicht völlig auszuschlie251 Dieses Vorgehen ist bei Restrukturierungsverfahren üblich. Vgl. Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033, 2040. 252 Gem. Art. 15 Abs. 2 EuRRL haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Gläubiger, die an der Annahme des Plans nicht beteiligt gewesen sind, keine Beeinträchtigung zu dulden haben. 253 Vgl. Art. 5 Abs. 1 EuRRL. Näher dazu Kapitel 2, B. IV. 1. b. cc. 254 Vgl. Kegel/Schurig, IPR, § 7, III. 3. b., S. 346 ff. 255 Zur Bewertung des Anwendungsbereichs der EuInsVO siehe bereits oben Kapitel 4, G. 256 Siehe oben Kapitel 3, C. I.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

ßen, dass ein Mitgliedstaat eine Umsetzungsvariante wählen wird, die doch von elementaren Grundsätzen so abweicht, dass eine Qualifikation als Insolvenzverfahren im Einzelfall ausscheiden mag. Dennoch ist das Verfahren nach seiner grundsätzlichen Konzeption in der Richtlinie so gestaltet, dass auf die §§ 335 ff. InsO regelmäßig wird zurückgegriffen werden können, sofern nicht bereits der Anwendungsbereich der EuInsVO eröffnet ist. 2. Anwendbares Recht Prinzipiell unterliegt das Insolvenzverfahren dem Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet wurde, mithin der lex fori concursus, § 335 InsO. Auch nach nationalem Recht gilt also ein grundsätzlicher Gleichlauf von forum und ius.257 Sofern deutsche Gerichte in doppelfunktionaler Anwendung des § 35 StaRUG für die Durchführung des Restrukturierungsverfahrens zuständig sind, wenden diese auch das deutsche Restrukturierungsrecht an. Die §§ 336–342 InsO sehen Ausnahmen vor, auf die aber in der vorliegenden Arbeit nicht weiter eingegangen wird. Maßgeblich kommt es auch hier, wie bereits für Art. 7 EuInsVO dargestellt,258 darauf an, ob der betreffende Aspekt insolvenz- bzw. restrukturierungsrechtlich zu qualifizieren ist.259 Zur EuInsVO wurde bereits ausführlich zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Gesellschafts- und Restrukturierungsstatut Stellung bezogen, mit dem Ergebnis, dass all diejenigen Normen dem Restrukturierungsstatut zuzuschlagen seien, die leges speciales für den Fall des Eintritts der „wahrscheinlichen Insolvenz“ darstellen und insofern von allgemeinen Vorschriften abweichen.260 Zu klären bleibt, ob sich diese Qualifikationsgrundsätze auf das nationale Recht übertragen lassen, oder ob insofern andere Maßstäbe gelten. Zunächst ist zu bemerken, dass sich in den hier betrachteten Binnenmarktsachverhalten auch außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO Spannungen zwischen Gesellschafts- und Restrukturierungsrecht einstellen, da die Anwendung des § 35 StaRUG große Ähnlichkeit zum COMI-Kriterium besitzt.261 Das Restrukturierungsrecht bemisst sich auch bei Anwendung des nationalen Rechts mithin grundsätzlich nach der Belegenheit des Verwaltungssitzes, während das Gesellschaftsstatut bei Binnenmarktsachverhalten nach der Gründungstheorie zu bestimmen ist.262 257

Lüer/Knof, in: Uhlenbruck, § 335 InsO, Rn. 4; Wenner/Schuster, in: FK InsO, § 335,

Rn. 1. 258

Oben Kapitel 4, E. Vgl. etwa Wenner/Schuster, in: FK InsO, § 335, Rn. 4; Kolmann/Keller, in: Gottwald/ Haas, Insolvenzrechtshandbuch, § 128, Rn. 20 ff.; Reinhart, in: MüKo InsO, § 335, Rn. 8. 260 Oben Kapitel 4, E. IV. 2. d). 261 Oben D. II. 3. 262 Anders Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, § 335, Rn. 13, der meint, Abgrenzungsschwierigkeiten zum Gesellschaftsstatut stellten sich in Anwendung des § 335 InsO nicht „mit 259

D. Die Anwendung nationalen Rechts auf das Restrukturierungsverfahren

207

Auch die Qualifikation im Rahmen des § 335 InsO erfolgt anhand funktioneller Kriterien.263 Hierzu wird etwa darauf abgestellt, ob die betreffende Norm auch außerhalb der Insolvenz Anwendung findet oder vielmehr eine spezielle Regelung für den Fall der Insolvenz vorhält.264 Dieses Kriterium wurde hier bereits für die Qualifikation im Rahmen des Art. 7 EuInsVO herangezogen und spricht mithin für einen Auslegungsgleichlauf beider Normen. Ebenfalls hat sich der Gesetzgeber dafür ausgesprochen, den Katalog aus Art. 7 Abs. 2 EuInsVO als „Interpretationshilfe“ heranzuziehen.265 Auch ist die Reichweite des Gesellschaftsstatuts von der Anwendung der EuInsVO bzw. des § 335 InsO unabhängig. Das spricht dafür, die bereits für Art. 7 EuInsVO herausgearbeiteten Ergebnisse zur Abgrenzung von Gesellschafts- und Restrukturierungsstatut auf § 335 InsO übertragen zu können.266 Damit unterstehen auch bei Anwendung des § 335 InsO die Wirksamkeitsvoraussetzungen gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen, soweit sie im StaRUG speziell geregelt sind, dem Restrukturierungsstatut. Dies gilt auch für den Haftungstatbestand des § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG sowie für speziell auf das Restrukturierungsverfahren zugeschnittene Pflichten, wie sie etwa in § 32 Abs. 1 und § 1 Abs. 1 StaRUG zu finden sind.267 3. Anerkennung von Entscheidungen nach § 343 InsO Gemäß § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO wird die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens im Inland anerkannt. Die Anerkennung erfolgt automatisch,268 das heißt formlos und ohne erforderlichen Titel,269 greift jedoch nicht schrankenlos, sondern ist gem. § 343 Abs. 1 Satz 2 InsO von spezifischen Anforderungen

derselben Schärfe“. Dies lässt aber außer Acht, dass die Norm – wie hier – auch auf Binnenmarktsachverhalte Anwendung finden kann. Dies übersehen wohl auch Martini/Beck, in: BeckOK InsO, § 335, Rn. 31. 263 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 24. Juni 2014 – VI ZR 315/13, ZIP 2014, 1997, 2003 f., Rn. 60 f.; Pannen/Riedemann, in: BerKom InsO, § 335, Rn. 7 f.; Kolmann/Keller, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechtshandbuch, § 128, Rn. 24; Kindler, in: MüKo BGB, § 335 InsO, Rn. 4. 264 BGH, Urt. v. 24. Juni 2014 – VI ZR 315/13, ZIP 2014, 1997, 2004, Rn. 61. Zustimmend Tashiro, in: Braun, InsO, § 335, Rn. 10. Ähnlich Martini/Beck, in: BeckOK InsO, § 335, Rn. 33. 265 BT-Drs. 15/16 v. 25. Oktober 2002, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Insolvenzrechts, S. 18. Zustimmend Pannen/Riedemann, in: BerKom InsO, § 335, Rn. 1 266 Ebenso Kindler, in: MüKo BGB, § 335 InsO, Rn. 6; Reinhart, in: MüKo InsO, § 335, Rn. 8; Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, § 335, Rn. 12. Wenner/Schuster, in: FK InsO, § 335, Rn. 4 meinen gar, dass § 335 InsO der Vorschrift Art. 7 EuInsVO „entspricht“. Ebenso Wehner, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 335, Rn. 28: „inhaltsgleich“. 267 So bereits oben für Art. 7 EuInsVO Kapitel 4, E. IV. 3. c). 268 Vgl. etwa Undritz, in: A. Schmidt, HamKom InsO, § 343, Rn. 2; Kindler, in: MüKo BGB, § 343 InsO, Rn. 34. 269 Mankowski, in: Jaeger, InsO, § 343, Rn. 48.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

abhängig. Zu welchen Ergebnissen die Anwendung dieser Norm auf Restrukturierungsverfahren führt, wird nun untersucht. a) Voraussetzungen der Anerkennung Zunächst ist Voraussetzung der Anerkennung, dass das ausländische Verfahren als „Insolvenzverfahren“ zu qualifizieren ist. Diese Frage ist bereits untersucht und positiv beschieden worden. Nationale Restrukturierungsverfahren, die in Umsetzung der EuRRL ergangen sind, werden als Insolvenzverfahren i.S.d. § 343 InsO zu begreifen sein.270 Zudem ist nach § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO nur die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens anzuerkennen. Nach § 343 Abs. 2 InsO wird die automatische Anerkennung zudem erweitert auf Sicherungsmaßnahmen sowie Durchführungs- und Beendigungsentscheidungen. Für das Restrukturierungsverfahren gibt es drei wesentliche Mechanismen, deren Anerkennung nachfolgend zu untersuchen ist: (1.) die Gewährung eines Moratoriums, (2.) die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten und (3.) die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans. Zunächst ist festzuhalten, dass § 343 InsO auf gerichtliche Entscheidungen Anwendung findet.271 Jedoch ist der Gerichtsbegriff weit auszulegen, sodass auch behördliche Entscheidungen unter die Vorschrift gefasst werden können.272 Sollte ein Mitgliedstaat sich also dazu entscheiden, die Kontrollbefugnisse im Restrukturierungsverfahren auf eine Behörde zu übertragen, was nach der EuRRL grundsätzlich möglich ist,273 kommt eine Anerkennung entsprechender Entscheidungen nach § 343 InsO in Betracht. Ob es sich bei den in Rede stehenden gerichtlichen Entscheidungen um eine Verfahrenseröffnung gem. § 343 Abs. 1 Satz 1 bzw. um eine Maßnahme nach § 343 Abs. 2 InsO handelt, ist ebenfalls eine Frage der Qualifikation.274 Da sich auch Restrukturierungsverfahren unter den Insolvenzbegriff der §§ 335 ff. InsO fassen lassen, muss dies bei der Auslegung anderer Tatbestandsmerkmale berücksichtigt werden. Es wäre inkonsistent, vom klassischen Insolvenzverfahren sich abwendende Verfahren für umfasst zu halten, deren spezifische Mechanismen im zweiten Schritt aber nicht unter die konkreten Vorschriften subsumieren zu wollen. Im Grundsatz ist daher eine großzügige Auslegung geboten.275

270

Dazu ausführlich oben D. III. 1. Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 15. 272 Vgl. Paulus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 343, Rn. 10; Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 15; Swierczok, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 343, Rn. 10. 273 Dazu oben Kapitel 2, C. I. 274 Lüer/Knof, in: Uhlenbruck, § 343 InsO, Rn. 12. 275 Vgl. Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 16. 271

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aa) Verfahrenseröffnung Nach § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO soll diejenige gerichtliche Entscheidung anerkannt werden, mit der das Verfahren formal in Gang gesetzt wird; dabei handelt es sich regelmäßig um einen Eröffnungsbeschluss.276 Allerdings sind auch Eröffnungsakte anerkennungsfähig, die ohne gerichtliche Prüfung ergehen, die bloße Antragstellung kann genügen, solange eine formelle gerichtliche Beteiligung im Verfahren gewährleistet ist.277 Dies spricht dafür, bereits den Antrag auf Gewährung eines Moratoriums als Eröffnungsbeschluss betrachten zu können, da den Gerichten nach der Richtlinie hier bereits Eingriffs- und Prüfungsbefugnisse zugebilligt sind.278 Der Zweck des Moratoriums, die Verhandlung über das Restrukturierungskonzept überhaupt erst zu ermöglichen, stützt diese Auslegung. Seiner Rolle kann das Moratorium nur gerecht werden, wenn es auch grenzüberschreitend Wirkung entfaltet. Ebenfalls kann die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragen eine formale Verfahrenseröffnung darstellen.279 Denn auch hier kommen den Kontrollinstanzen entsprechende Eingriffsbefugnisse zu.280 bb) Sonstige Entscheidungen Sonstige Entscheidungen im Insolvenzverfahren, namentlich Sicherungsmaßnahmen sowie Entscheidungen, die zur Durchführung und Beendigung des Insolvenzverfahrens ergangen sind, können nach Maßgabe des § 343 Abs. 2 InsO anerkannt werden. Eine Beendigungsentscheidung stellt etwa ein gerichtlich bestätigter Insolvenzplan dar.281 Mithin ist auch ein bestätigter Restrukturierungsplan als Beendigungsentscheidung gem. § 343 Abs. 2 InsO zu begreifen. Ein Moratorium kann, sofern es erst im Laufe des Verfahrens erlassen wird, als Sicherungsmaßnahme nach § 343 Abs. 2 InsO aufzufassen sein.282 Ob ein Moratorium

276

Vgl. Wenner/Schuster, in: FK InsO, § 343, Rn. 2. BGH, Urt. v. 13. Oktober 2009 – X ZR 79/06 (BPatG), GRUR 2010, 861 ff., Rn. 16 Zustimmend Wenner/Schuster, in: FK InsO, § 343, Rn. 2; Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, § 343, Rn. 4. 278 Die Mitgliedstaaten haben nach Art. 6 Abs. 9 EuRRL sicherzustellen, dass die Restrukturierungsgerichte oder -behörden das Moratorium unter bestimmten Umständen wieder aufheben können. So hat der BGH es genügen lassen, dass die Gerichte im US-amerikanischen Chapter 11-Verfahren einen automatic stay wieder aufheben können. Vgl. BGH, Urt. v. 13. Oktober 2009 – X ZR 79/06 (BPatG), Rn. 16 a.E. Vgl. Fn. 1119. 279 So Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 14. 280 Vgl. etwa Art. 5 Abs. 2 und 3 EuRRL. 281 Kindler, in: MüKo BGB, § 343 InsO, Rn. 38; Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 83; Swierczok, in: Heidelberger Kommentar, InsO, § 343, Rn. 17; Paulus, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 343, Rn. 24. 282 Vgl. Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 77; Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, § 343, Rn. 16. 277

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

nach Abs. 1 oder Abs. 2 anzuerkennen ist, hängt mithin vom konkreten zeitlichen Ablauf des Verfahrens ab.283 cc) Zusammenfassung Sowohl die Bestätigung eines Restrukturierungsplans als auch die Gewährung eines Moratoriums oder die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten fallen unter die Vorschrift § 343 InsO. Ob das Moratorium oder die Bestellung des Sanierungsbeauftragten im konkreten Einzelfall nach § 343 Abs. 1 oder Abs. 2 InsO anzuerkennen ist, hängt davon ab, ob entsprechende Entscheidungen direkt zu Beginn des Verfahrens getroffen werden, oder erst im Laufe ergehen. b) Wirkungen der Anerkennung Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung nach § 343 InsO führt dazu, dass deren Wirkungen auf das Inland erstreckt werden.284 Klärungsbedürftig ist allerdings, was diese Wirkungserstreckung für materiell-rechtliche Gestaltungswirkungen des Urteils bedeutet.285 Konkrete Auswirkungen hat die Frage im vorliegenden Fall für den Restrukturierungsplan. Die Problematik liegt in der Struktur des Restrukturierungsplans begründet; man kann das Institut sowohl vertragsrechtlich aber auch als Urteil begreifen.286 Daher ist zu klären, ob im bestätigten Plan vorgenommene Forderungskürzungen mit der Anerkennung ipso iure eintreten. Gegenteilig könnte man auf dem Standpunkt stehen, dass dieser Aspekt außerhalb der Anerkennungswirkungen anzusiedeln und mithin nach dem einschlägigen Kollisionsrecht zu bemessen sei.287 Es ist bereits herausgearbeitet worden, dass es abzulehnen ist, die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen des Restrukturierungsverfahrens dem Vertragsstatut zuzuschlagen.288 Andernfalls wären internationale Restrukturierungsver283

Ebenso unter der EuInsVO. Dazu ausführlich oben Kapitel 4, F. II. 2. a). Vgl. etwa BT-Drs. 15/16 v. 25. Oktober 2002, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Insolvenzrechts, S. 21; BGH, Urt. v. 14. November 1996 – IX ZR 339/95, NJW 1997, 524, 526; BGH, Urt. vom 11. Juli 1985 – IX ZR 178/84, NJW 1985, 2897, 2898 f.; Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Vierzehnter Teil, Rn. 3500; Kolmann/ Keller, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechtshandbuch, § 132, Rn. 6 ff.; Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, § 343, Rn. 4; Mankowski, in: Jaeger, InsO, § 343, Rn. 52 ff.; Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 67 ff.; Wenner/Schuster, in: FK InsO, § 343, Rn. 38. 285 Grundlegend Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, § 12, S. 325 ff. 286 Vgl. dazu Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, S. 217 f. Grundlegend zur dogmatischen Einordnung des Insolvenzplans Madaus, Der Insolvenzplan, Kapitel 3 und 4. 287 So noch BGH, Urt. v. 14.11.1996 – IX ZR 339/95, NJW 1997, 524, 526; OLG Stuttgart, Urt. v. 20. März 1989 – 5 U 156/88, IPRax 1990, 223 f.; OLG Saarbrücken, Urt. v. 31. Januar 1989 – 7 U 82/87, ZIP 1989, 1145, 1147. Nach Frankenstein, IPR, Bd. 2, S. 288 ff. ist insofern das Forderungsstatut maßgeblich. 288 Oben C. III. 2. und 3. So aber noch Frankenstein, IPR, Bd. 2, S. 288 ff. 284

D. Die Anwendung nationalen Rechts auf das Restrukturierungsverfahren

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fahren faktisch undurchführbar, da die Einbeziehung von Forderungen unterschiedlicher Rechtsordnungen dazu führte, dass uneinheitliche Verfahrensvoraussetzungen einzuhalten wären. Das Ziel der EuRRL, im europäischen Binnenmarkt eine Sanierungskultur zu implementieren, würde damit vollkommen verfehlt. Auch einer kollisionsrechtlichen Behandlung nach dem Insolvenzstatut muss entgegengetreten werden.289 Zwar würden soeben angeführte Schwierigkeiten dadurch vermieden, dennoch führte eine kollisionsrechtliche Betrachtung zu einer Überprüfung der ausländischen Entscheidung in der Sache.290 Damit würde aber der Anerkennungstatbestand nach § 343 Abs. 2 InsO zu Makulatur. Der Plan ist das „Herzstück“ des Verfahrens und die zentrale Sachentscheidung des Gerichts zur Beendigung des Verfahrens.291 Die Kürzung einbezogener Gläubigerforderungen ist das Kernanliegen des Restrukturierungsverfahrens, eine gerichtliche Beteiligung ist gerade zu diesem Zweck angeordnet. Deshalb ist es richtig, auch die materiellen Gestaltungswirkungen eines Restrukturierungsplans in die anerkennungsrechtliche Wirkungserstreckung einzubeziehen, da es sich dabei um die unmittelbaren Entscheidungswirkungen des Restrukturierungsgerichts und den Hauptzweck des Verfahrens handelt.292 Andernfalls würde die Bestätigung des Restrukturierungsplans in einem internationalen Verfahren niemals die Beendigung des Verfahrens bedeuten, da mit weiteren Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten anderer Mitgliedstaaten und dort mit entgegengesetzten Sachentscheidungen zu rechnen wäre.293 Mithin führt die Anerkennung nach § 343 InsO zu einer Wirkungserstreckung, die auch die materiellen Gestaltungswirkungen für einbezogene Forderungen im bestätigten Restrukturierungsplan mit umfasst.294 c) Grenzen der Anerkennung Es bleibt, die Grenzen der automatischen Anerkennung nach § 343 InsO näher zu betrachten. Nach § 343 Abs. 1 Satz 2 InsO gilt die automatische Anerkennung

289 So aber BGH, Urt. v. 14. November 1996 – IX ZR 339/95, NJW 1997, 524, 526; OLG Saarbrücken, Urt. v. 31. Januar 1989 – 7 U 82/87, ZIP 1989, 1145, 1147. 290 Vgl. Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, § 12, S. 372. 291 Vgl. Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, § 12, S. 369. 292 Vgl. Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 68, 83: Anerkennungsfähig sind die unmittelbaren Gestaltungswirkungen, die sich direkt aus der Entscheidung ergeben. So verhält es sich bei der Forderungsmodifikation. 293 Vgl. Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, S. 218 f., der meint, die erforderliche Rechtskraft von Sanierungsplänen führe dazu, dass deren Gestaltungswirkungen verfahrensrechtlich anzuerkennen seien. 294 So auch die herrschende Meinung. Vgl. etwa Mankowski, in: Jaeger, InsO, § 343, Rn. 189 f.; Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 82 f.; Wenner/Schuster, in: FK InsO, § 343, Rn. 38; Paulus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 343, Rn. 24; Thole, in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 40, Rn. 51.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

von ausländischen Verfahren nicht, wenn die Gerichte des Staates der Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht unzuständig sind oder soweit die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist. aa) Spiegelbildprinzip Der § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO normiert das sogenannte „Spiegelbildprinzip“.295 Dabei handelt es sich um ein Grundprinzip des deutschen Anerkennungsrechts, das sich auch in anderen Normen wiederfindet.296 Nach dem Spiegelbildprinzip ist zu untersuchen, ob der Entscheidungsstaat bei hypothetischer Anwendung des inländischen Zuständigkeitsrechts international zuständig gewesen wäre.297 Im Grundsatz sind hier zwei „Spiegelungsvorgänge“ denkbar: entweder es wird der Sachverhalt in das Inland, oder aber das inländische Zuständigkeitsrecht in das Ausland gespiegelt.298 Die beiden Varianten unterscheiden sich dann, wenn sowohl europäisches und nationales Zuständigkeitsrecht im Spiegelungsvorgang herangezogen werden könnten,299 weil in diesem Fall unklar ist, welche Zuständigkeitsnorm in das Ausland zu spiegeln wäre, und außerdem dann, wenn Drittstaatensachverhalte streitgegenständlich sind.300 Jedoch findet die EuInsVO auf nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren keine Anwendung, sodass hier ohnehin nur das nationale Zuständigkeitsrecht in Betracht kommt; außerdem werden auch keine Drittstaatensachverhalte betrachtet. Mithin ist eine weitere Differenzierung zwischen beiden Spiegelungsvarianten nicht erforderlich. Im Folgenden soll daher von einer Spiegelung des nationalen Zuständigkeitsrechts in das Ausland ausgegangen werden, da dieses Konzept dem Wortlaut nach wohl 295

Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, § 343, Rn. 10; Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 26. v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 5, Rn. 125: „zieht sich durch das gesamte autonome Anerkennungsrecht“. Vgl. etwa § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO oder § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. 297 Vgl. BGH, Urt. v. 26. März 1969 – VIII ZR 194/68, BGHZ 52, 30–39; v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. 1, § 5, Rn. 124, Kindler, in: MüKO BGB, § 343 InsO, Rn. 13; Lüer/Knof, in: Uhlenbruck, § 343 InsO, Rn. 14; Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 26. 298 Ausführlich Kern, ZZP (120) 2007, 31, 38 ff. 299 Ob europäisches Zuständigkeitsrecht bei der Spiegelung überhaupt berücksichtig werden darf, ist umstritten. Die wohl h.M. lehnt dies ab. Vgl. etwa Schärtl, IPRax 2006, 438, 442; ders., Das Spiegelbildprinzip im Rechtsverkehr mit ausländischen Staatenverbindungen, S. 12 ff.; Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Zwölfter Teil, Rn. 2897b; Gottwald, in: MüKo ZPO, § 328, Rn. 92. Nach a.A. kann aber auch europäisches Recht maßgeblich sein. Vgl. Kern, ZZP 2007 (120), 31, 55 f.; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, § 328, Rn. 10. Überzeugender ist es, auch europäisches Recht heranzuziehen, da inländische Gerichte ansonsten mehr Jurisdiktion beanspruchten, als sie zu gewähren bereit sind, vgl. Kern, ZZP 2007 (120), 31, 54. Diese Streitfrage braucht hier aber aus zweierlei Gründen nicht entschieden zu werden. Zunächst findet die EuInsVO auf nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren gar keine Anwendung. Außerdem unterscheiden sich Art. 3 Abs. 1 EuInsVO und § 35 StaRUG in den hier untersuchten Konstellationen nicht, da beide Vorschriften faktisch auf den Verwaltungssitz der Schuldnergesellschaft abstellen. 300 Vgl. Kern, ZZP 2007 (120), 31, 58 f., 63 ff. 296

D. Die Anwendung nationalen Rechts auf das Restrukturierungsverfahren

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dem Gesetzgeber vorschwebte301 und auch in der Literatur meist so verstanden wird.302 Das Spiegelbildprinzip dient dem Schutz des Beklagten, indem ausländischen Entscheidungen, die auf einer liberaleren Zuständigkeitsordnung beruhen, als das Inland sie kennt, die Anerkennung versagt wird.303 Der Beklagte braucht sich im Ausland mithin nur auf solche Gerichtszuständigkeiten einzustellen, die ihm aus dem Inland bekannt sind. Gleichzeitig dient das Spiegelbildprinzip als pauschaler Gradmesser für die Gerechtigkeit des ausländischen Verfahrens.304 Ganz konkrete Auswirkungen hat das Spiegelbildprinzip im vorliegenden Fall. Es führt dazu, dass in Deutschland ausschließlich Entscheidungen in nichtöffentlichen Restrukturierungsverfahren solcher Mitgliedstaaten anerkannt werden können, deren internationale Zuständigkeit sich im Wesentlichen nach den Grundsätzen des § 35 StaRUG – und damit faktisch nach der Belegenheit des COMI305 – bestimmt. Damit ist das COMI-Kriterium, zumindest aus deutscher Perspektive, auch außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO für nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren von Relevanz. Andere Mitgliedstaaten können sich zwar für geheime Restrukturierungsverfahren rein nach nationalem Recht für zuständig erklären und etwa eine ausreichende Verbindung in das Inland genügen lassen,306 gleichzeitig kann für diesen Fall aber eine gesamteuropäische Wirkungserstreckung der Verfahrensergebnisse nicht sichergestellt werden. Damit verwirklicht § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO ganz konkret Beklagtenschutz im Restrukturierungsverfahren. Für Forderungsgläubiger kommt es freilich darauf an, ob sie das Schuldnerunternehmen in Deutschland klageweise auf Zahlung in Anspruch nehmen können, was von der konkreten Vertragsgestaltung und den daraus folgenden Implikationen auf die Vorschriften der EuGVVO abhängt, oder jedenfalls davon, ob das autonome Recht im Land des zuständigen Gerichts ebenfalls der Spiegelbild-Doktrin folgt. Für die Gesellschafter einer in Deutschland inkorporierten Gesellschaft ist der Schutz wegen der ausschließlichen Zuständigkeit für Registersachen nach Art. 24 Nr. 3 EuGVVO hingegen garantiert. Werden in einem nichtöffentlichen Restrukturierungsverfahren im Ausland Eingriffe in die Gesellschaftsstruktur vorgenommen, wären diese Änderungen beim zuständigen deutschen Handelsregister einzutragen. Dieses ist 301 So kommt es nach § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO darauf an, ob die ausländischen Gerichte nach deutschem Recht zuständig wären. Dieser Auslegung auch zustimmend Kern, ZZP 2007 (120), 31, 70. 302 Vgl. oben Fn. 297. 303 Vgl. Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 328, Rn. 73; Kern, ZZP 2007 (120), 31, 49 f.; Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Zwölfter Teil, Rn. 2897a. 304 Vgl. Gottwald, in: MüKo ZPO, § 328, Rn. 84; Kern, ZZP 2007 (120), 31, 50 f. 305 Zur faktischen Identität von § 35 StaRUG und Art. 3 Abs. 1 EuInsVO siehe oben: D. II. 3. 306 So etwa die Niederlande: Art. 369 Abs. 7 lit. b) Faillissementswet i.V.m. Art. 3 lit. c) Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering: „de zaak anderszins voldoende met de rechtssfeer van Nederland verbonden is“. Dazu bereits oben D. II. 2.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

nach Art. 24 Nr. 3 EuGVVO für die Eintragung auch ausschließlich zuständig. Da das Insolvenzstatut zweifelsfrei die registerrechtlichen Belange nicht mehr mit umfasst,307 kommt es für das Handelsregister auf die Anerkennungsfähigkeit des ausländischen Restrukturierungsplans an. Wegen § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO ist diese aber ausgeschlossen, wenn das ausländische Gericht seine Zuständigkeit liberaler bestimmt, als § 35 StaRUG es vorsieht. bb) Verstoß gegen den ordre public Gleichfalls ist eine Entscheidung in einem ausländischen Insolvenzverfahren nach § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO zu versagen, sofern die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, also dem ordre public, unvereinbar ist. Es kommt hier, ebenso wie bei Art. 33 EuInsVO,308 auf die Grundprinzipien des nationalen Rechts an.309 Allerdings ist der nationale ordre public-Vorbehalt, anders als derjenige der EuInsVO, nicht europäisiert.310 „Europäisiert“ meint in diesem Zusammenhang, dass durch das europäische Recht ein Rahmen gesetzt ist, der die Nationalstaaten bei der Auffüllung der öffentlichen Ordnung mit eigenen Wertvorstellungen beschränkt.311 Der ordre public unterliegt damit auf europäischer Ebene einer grundsätzlichen Kontrolle durch den EuGH.312 Bereits oben ist für Art. 33 EuInsVO herausgearbeitet worden, dass weder ein schuldnerinitiiertes forum shopping noch Eingriffe in die Gesellschaftsstruktur grundsätzlich in der Lage sind, einen Verstoß zu begründen.313 Nach dem zuvor Gesagten können diese Ergebnisse auch auf die Prüfung des ordre public nach § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO insoweit übertragen werden, als nicht die europäische Ausformung des Vorbehaltes nach Art. 33 EuInsVO abweichend vom nationalen Recht die ordre public-Konformität begründet hat. Dies ist für restrukturierungsbedingte Eingriffe in Gesellschafterrechte sicherlich nicht der Fall, da auch das deutsche Recht derartige Eingriffe seit langer Zeit 307 Vgl. Piekenbrock, NZI 2012, 905, 911 f.; Thole, in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 40, Rn. 51; Kuntz, ZGR 2014, 649, 680, 689; Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, Art. 7 EuInsVO, Rn. 21. 308 Müller, in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 33, Rn. 8; Thole, in: MüKo InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 7; Mock, in: BeckOK InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 3. 309 Bornemann, in: Graf-Schlicker, InsO, § 343, Rn. 9; Brinkmann, in: K. Schmidt, InsO, § 343, Rn. 13. 310 Vgl. Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 44; Skauradszun, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 10. 311 Kropholler/v. Hein, EuZPR, Art. 34 EuGVO, Rn. 5 f.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 6, Rn. 6.237; Skauradszun, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 10 ff.; Thole, in: MüKo InsO, Art. 33 EuInsVO, Rn. 8. 312 EuGH, Urt. v. 28. März 2000 – Rs. C-7/98, Dieter Krombach./.Andre´ Bamberski, ECLI:EU:C:2000:164, Rn. 23; EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C:2006:281, Rn. 62–64. 313 Oben Kapitel 4, F. III.

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kennt.314 Für schuldnerinitiiertes forum shopping ist ein größerer Begründungsaufwand erforderlich, da oben für die Vereinbarkeit mit dem ordre public auf das Verbot der re´vision au fond und die spezielle Gesetzessystematik der EuInsVO abgestellt worden ist.315 Diese Argumente lassen sich hier freilich nicht übertragen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Zuständigkeit des entscheidenden Gerichts nach der Systematik des § 343 InsO eine Frage des Spiegelbildprinzips ist.316 Hier kann das anerkennende Gericht grundsätzlich überprüfen, ob das Erstgericht sich nach inländischen Vorstellungen zuständig erklären durfte. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss, dass die Frage der Gerichtszuständigkeit und damit auch eventuelles forum shopping nicht mehr am nationalen ordre public zu messen ist.317 Daher stellt schuldnerinitiiertes forum shopping grundsätzlich keinen Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des nationalen Rechts dar.318 Mithin begrenzt auch der nationale ordre public in den hier untersuchten Konstellationen eine Anerkennung von Entscheidungen in ausländischen Restrukturierungsverfahren nur in höchsten Ausnahmefällen.319 cc) Fazit Grenzen der Anerkennung von Entscheidungen in ausländischen nichtöffentlichen Restrukturierungsverfahren nach § 343 InsO ergeben sich aus dem Spiegelbildprinzip. In Deutschland können nur Entscheidungen von Gerichten solcher Mitgliedstaaten anerkannt werden, deren Gerichte bei Inlandsbelegenheit des Mittelpunkts der wirtschaftlichen Tätigkeit zuständig sind. Hat ein Mitgliedstaat darüber hinaus ein liberaleres Zuständigkeitsregime etabliert, scheidet eine Anerkennung in Deutschland aus. Dies schützt in erster Linie Anteilseigner deutscher Schuldnergesellschaften, aber je nach Einzelfall auch einbezogene Gläubiger, sofern diese ihre Forderungen in Deutschland einklagen können. Über das Spiegelbildprinzip kann auch schuldnerinitiiertes forum shopping sanktioniert werden, da dieses Prinzip den anerkennenden Gerichten eine Überprüfung der Zuständigkeit des Erstgerichts gestattet. Damit begrenzt die Vorschrift § 343 Abs. 1 Satz 2 InsO mittelbar den Wettbewerb der Rechtsordnungen für die Bundesrepublik Deutschland insofern, als der Gesetzgeber mangels Anerkennungsfähigkeit solcher Entscheidungen, die aufgrund liberalerer Zuständigkeitsregime im Ausland ergehen könnten, keinem Anpassungsdruck ausgesetzt ist.

314

Dazu bereits ausführlich oben Kapitel 4, F. III. 3. Oben Kapitel 4, F. III. 2. 316 Paulus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 343, Rn. 13; Geimer, in: Zöller, ZPO, § 328, Rn. 102. 317 Paulus, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 343, Rn. 13; Geimer, in: Zöller, ZPO, § 328, Rn. 102. 318 Mit anderer Begründung, aber im Ergebnis übereinstimmend BGH, Beschl. v. 18. September 2001 – IX ZB 51/00, NJW 2002, 960 f. 319 Siehe bereits oben Kapitel 4, F. III. 315

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

4. Zusammenfassung Die internationale Gerichtszuständigkeit für nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren bestimmt sich in Deutschland im Wege der doppelfunktionalen Anwendung des § 35 StaRUG. Deutsche Gerichte sind dann zur Entscheidung berufen, wenn die Schuldnergesellschaft den Mittepunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in Deutschland ausübt. Dieses Kriterium stimmt mit dem COMI nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO überein. Nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren können ferner als Insolvenzverfahren i.S.d. §§ 335 ff. InsO qualifiziert werden. Dies hat zur Folge, dass die Zuständigkeit deutscher Gerichte im Grundsatz auch die Anwendung deutschen Restrukturierungsrechts bedingt, § 335 InsO. Auch unter Anwendung deutschen Rechts kommt es zu einem Auseinanderfallen von Restrukturierungs- und Gesellschaftsstatut, sofern der Verwaltungssitz eine ausländische Gesellschaft im Inland belegen ist. Ausländische nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren können nach Maßgabe des § 343 InsO im Inland anerkannt werden. Bestellung eines Verwalters, Gewährung eines Moratoriums und Bestätigung eines Restrukturierungsplans lassen sich sämtlich unter die Vorschrift fassen. Weitgehende Auswirkungen hat dabei das Spiegelbildprinzip nach § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO, da es die inländischen Gerichte berechtigt, die Zuständigkeit des Erstgerichts nach deutschem Recht zu überprüfen, und eine Versagung der Anerkennung bedingt, sofern ein anderer Mitgliedstaat an die internationale Gerichtszuständigkeit geringere Anforderungen stellt als § 35 StaRUG. Diese Vorschrift limitiert im Verhältnis zu Deutschland auch einen möglichen Wettbewerb der Rechtsordnungen und schützt Anteilseigner deutscher Gesellschaften.

IV. Anwendung des § 328 ZPO Will man der hier vorgenommenen Qualifikation nichtöffentlicher Restrukturierungsverfahren als Insolvenzverfahren i.S.d. §§ 335 ff. InsO nicht folgen, ließe sich möglicherweise eine Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen im Restrukturierungsverfahren nach § 328 ZPO bewirken. Hierfür kommt es maßgeblich darauf an, ob die Entscheidungen in ausländischen Restrukturierungsverfahren als Urteile i.S.d. § 328 ZPO begriffen werden können. Ein Urteil im Sinne der Vorschrift ist zu verstehen als jede zivilrechtliche Sachentscheidung eines Gerichts.320 Der Begriff stimmt mit demjenigen der „Entscheidung“ nach der EuGVVO im Wesentlichen überein.321 Maßgeblich kommt es daher auch hier

320 Gottwald, ZZP 1990 (103), 257, 263 f.; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, § 328, Rn. 5. Vgl. auch Bach, in: BeckOK ZPO, § 328, Rn. 1: jede „endgültige Entscheidung materieller Art“. 321 Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 328, Rn. 54.

D. Die Anwendung nationalen Rechts auf das Restrukturierungsverfahren

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darauf an, ob das Gericht eine eigene Sachentscheidung fällt oder aber lediglich beurkundend tätig wird.322 Oben ist bereits ausführlich erläutert worden, dass die gerichtlichen Entscheidungen in Restrukturierungsverfahren sich sämtlich unter Art. 36 EuGVVO subsumieren lassen, da dem zuständigen Restrukturierungsgericht im Verfahren Eingriffsbefugnisse zukommen und sich dessen Tätigkeit mithin nicht auf eine rein „abnickende“ Funktion beschränkt.323 Mithin handelt es sich bei Entscheidungen im Restrukturierungsverfahren um Urteile i.S.d. § 328 ZPO. In § 328 Nr. 1–5 ZPO findet sich eine Auflistung von Anerkennungsversagungsgründen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird das ausländische Urteil automatisch anerkannt.324 Auf die einzelnen Versagungsgründe soll nicht vertieft eingegangen werden, da diese Untersuchung keinen weiteren Erkenntnisgewinn bietet. Jedenfalls enthält auch § 328 Nr. 1 ZPO das Spiegelbildprinzip, sodass obenstehende Ausführungen hier in gleicher Weise gelten. Sollte man einer Qualifikation des Restrukturierungsverfahrens als „Insolvenzverfahren“ i.S.d §§ 335 ff. InsO nicht zugeneigt sein, lassen sich die Anerkennungswirkungen des § 343 InsO in gleicher Weise über § 328 ZPO herleiten.325

V. Zusammenfassung Die fehlenden Vorschriften zum internationalen Restrukturierungsrecht in Deutschland lassen sich mit den bestehenden Normenkomplexen überbrücken. Die internationale Zuständigkeit für das Verfahren kann mittels einer doppelfunktionalen Anwendung des § 35 StaRUG bestimmt werden. Hier kommt es maßgeblich auf den Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an. Das Kriterium läuft damit parallel zum COMI nach der EuInsVO. Daher replizieren sich auch nach nationalem Recht Schwierigkeiten der Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsstatut, sofern eine ausländische Gesellschaft im Inland wirtschaftlich tätig und in ein Restrukturierungsverfahren einbezogen ist. Ferner lässt sich das Restrukturierungsverfahren unter die §§ 335 ff. InsO fassen, was zur Folge hat, dass sich das anwendbare Restrukturierungsrecht im Grundsatz gemäß § 335 InsO nach der lex fori concursus bemisst. Sämtliche Entscheidungen in ausländischen Restrukturierungsverfahren können außerdem grundsätzlich gem. § 343 InsO im Inland automatisch anerkannt werden, hilfsweise wäre es sogar möglich, insofern auf § 328 ZPO zurückzugreifen. Grenzen der Anerkennung ausländischer Entscheidungen in einem Restrukturierungsver322 Vgl. Bach, in: BeckOK ZPO, § 328, Rn. 1 f. Siehe zum Entscheidungsbegriff der EuGVVO oben B. III. 2. 323 Oben B. III. 2. d). 324 Vgl. etwa Gottwald, in: MüKo ZPO, § 328, Rn. 7 f.; Doerner, in: Saenger, ZPO, § 328, Rn. 5; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, § 328, Rn. 34 f. 325 So auch Schlöderl/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1047; Thole, in: MüKo InsO, § 343, Rn. 19.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

fahren ergeben sich aus dem Spiegelbildprinzip. Danach kann eine Anerkennung nur erfolgen, sofern die ausländischen Gerichte auch unter Zugrundelegung des deutschen Zuständigkeitsrechts hypothetisch zuständig wären. Dadurch werden vor allem Anteilseigner inländischer Gesellschaften vor Eingriffen in ihre Rechtsposition in ausländischen Verfahren geschützt.

E. Auswirkungen auf forum shopping und den Wettbewerb der Rechtsordnungen Vorstehend konnte herausgearbeitet werden, dass die EuGVVO auf geheime Restrukturierungsverfahren nicht angewendet werden kann.326 Die Mitgliedstaaten können ihre internationale Zuständigkeit für nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren mithin autonom bestimmen. Dies eröffnet weitgehende Möglichkeiten zum forum shopping, denn in dieser Konstellation können bereits mehrere Gerichtsstände zur Verfügung stehen, ohne dass es, wie unter der EuInsVO,327 erforderlich wäre, auf ein Anknüpfungskriterium einzuwirken. So lassen etwa die Niederlande für die Begründung der internationalen Zuständigkeit eine hinreichende Verbindung zum Inland genügen.328 Ist also der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Schuldnergesellschaft gem. § 35 StaRUG in Deutschland lokalisiert und besteht gleichzeitig eine hinreichende Verbindung in die Niederlande, so hat der Schuldner die Wahl, ein Restrukturierungsverfahren in den Niederlanden oder in Deutschland zu initiieren. Forum shopping ist in einer solchen Konstellation ohne Weiteres durchführbar, hemmende Faktoren, wie etwa besonders hohe Transaktionskosten, stehen hier nicht zu erwarten. Droht also eine „Abwanderungswelle“ deutscher Schuldnergesellschaften in ausländische Restrukturierungsverfahren, etwa in den Niederlanden?329 Auf den ersten Blick wirkt diese These plausibel, stehen der Auswahl des Forums doch in dieser Konstellation kaum Hindernisse im Weg. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das Phänomen forum shopping nicht isoliert, sondern in seiner Wechselwirkung mit dem anwendbaren Recht zu betrachten ist.330 Ein wesentlicher Motivationsfaktor für forum shopping ist demnach die grenzüberschreitende An-

326

Oben B. I. und IV. Ausführlich oben Kapitel 4, D. III. 328 Art. 369 Abs. 7 lit. b) Faillissementswet i.V.m. Art. 3 lit. c) Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering: „de zaak anderszins voldoende met de rechtssfeer van Nederland verbonden is“. 329 Vgl. Anger, in: Handelsblatt, v. 31. August 2020, Niederlande öffnet Insolvenztourismus weit die Tür. Online abrufbar unter https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/e u-richtlinie-niederlande-oeffnen-insolvenztourismus-weit-die-tuer/26144008.html?ticket=S T-542 7407–5pobqN3 oZUxzKzgnZgU5-cas01.example.org. Zuletzt abgerufen am 6. November 2022. 330 Dazu ausführlich oben Kapitel 3, C. II. und III. 327

F. Europäische Analogielösung

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erkennungsfähigkeit der im Ausland ergangenen Entscheidung.331 Diese ist aber zumindest aus deutscher Perspektive in Anbetracht des Spiegelbildprinzips nicht gewährleistet.332 Steht also die Anerkennungsfähigkeit ausländischer geheimer Restrukturierungsverfahren in Deutschland in Frage, so ist damit die Verfahrensführung im Ausland wenig attraktiv. Damit ist auch ein Wettbewerb der Rechtsordnungen, zumindest aus deutscher Perspektive, unwahrscheinlich. Die fehlende Anerkennungsfähigkeit ausländischer Entscheidungen hemmt nicht nur das Interesse der Parteien, auf Forum und anwendbares Recht überhaupt Einfluss zu nehmen, sondern führt auch dazu, dass der heimische Gesetzgeber nicht in einen Anpassungsdruck versetzt wird.333 Dieser ist aber Voraussetzung für einen solchen Wettbewerb.334 Nun kann man dieses Ergebnis für begrüßenswert betrachten, wenn man davon ausgehen will, dass Ergebnis eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen stets eine zunehmende Deregulierung im Sinne eines race to the bottom bewirkt.335 Begreift man den Wettbewerb der Rechtsordnungen hingegen als Innovations- und Entdeckungsverfahren im Hayek’schen Sinne,336 ist durch die fehlende Anerkennungsfähigkeit zumindest jeder Vorteil unregulierter internationaler Zuständigkeit zunichte gemacht. In jedem Fall bleibt Rechtsunsicherheit und die Gefahr paralleler Verfahren und doppelter Inanspruchnahme, ohne dass aus dem legislativen Status quo der internationalen Zuständigkeit für geheime Restrukturierungsverfahren irgendein Vorteil gewonnen wäre. Rechtsanwender wie Rechtssetzer sind also dazu aufgerufen, diesen misslichen Zustand im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu beheben.

F. Europäische Analogielösung Im Folgenden soll deshalb ein eigener Ansatz zur Lösung der grenzüberschreitenden Fragestellungen eines nichtöffentlichen Restrukturierungsverfahrens auf europäischer Ebene vorgeschlagen werden.

331

Dazu ausführlich oben Kapitel 3, C. II. 3. Siehe dazu oben D. III. 3. c) aa). 333 Zu den Voraussetzungen des Wettbewerbs der Rechtsordnungen oben Kapitel 3, C. III. 2. 334 Vgl. oben Kapitel 3, C. III. 2. b). 335 Vgl. etwa BGH, Beschl. v. 30. März 2000 – VII ZR 370/98, 2. c., EuZW 2000, 412, 413. Auch Kadelbach, in: Kadelbach, Wettbewerb der Systeme – System des Wettbewerbs in der EU, S. 9, 17 f. 336 v. Hayek, in: Freiburger Studien – Gesammelte Aufsätze, 1969, S. 249 ff. Dazu ausführlich Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen, S. 25 ff. 332

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

I. Status quo Der bisherige Untersuchungsbefund ist eindeutig und klar: Für nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren hält das europäische Sekundärrecht keine Lösung zu den Fragen der internationalen Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts und der Anerkennung ergangener Entscheidungen bereit. Insofern verbleibt einzig der Rückgriff auf das nationale Recht. Dieser Befund ist gleichzeitig auch frappierend: Ein nationalstaatlicher Ansatz verhindert die erforderliche Rechtssicherheit im grenzüberschreitenden Verkehr. Dies wiegt schwer, da das nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren für Schuldner besonders attraktiv ist.337 Zudem ist der Europäischen Union in Art. 81 Abs. 1 AEUV die Kompetenz zur Rechtssetzung im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit zugewiesen. Diese Zuweisung dient hehren Zielen, nämlich der Verwirklichung eines funktionierenden Binnenmarktes.338 Der Schutz des Binnenmarktes durch ein funktionierendes Restrukturierungs- und Insolvenzrecht ist dem europäischen Gesetzgeber sogar so wichtig gewesen, dass er mit der EuRRL erstmalig eine Harmonisierung des materiellen Insolvenzrechts der Mitgliedstaaten aufgegriffen hat; dies alles ohne ausdrückliche Kompetenzzuweisung in den Verträgen unter Berufung auf den dringend erforderlichen Schutz des Binnenmarktes vor divergierenden Insolvenzregimen.339 Warum der europäische Gesetzgeber seine Schutzpflicht für den Binnenmarkt in seinem originären Kompetenzbereich, nämlich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug, missachtet hat, indem er die Fragen der grenzüberschreitenden Implikationen des Restrukturierungsrahmens in großen Teilen ungeregelt ließ, lässt sich nur spekulieren.

II. Herleitung eines Lösungsansatzes Fest steht einzig die Regelungsentscheidung des europäischen Gesetzgebers beim Erlass der EuInsVO, wie sie sich aus den Erwägungsgründen der Verordnung ergibt. Von diesem Ausgangspunkt lässt sich mithin ein Lösungsvorschlag entwickeln: Der Gesetzgeber wollte der EuInsVO ausdrücklich nur Insolvenzverfahren unterstellen, deren Eröffnung öffentlich bekanntzugeben ist.340 An diesem Befund lässt sich nicht rütteln. Diese Beschränkung verfolgt keinen Selbstzweck, sondern den Schutz der Gläubiger. Durch die öffentliche Bekanntmachung soll die Kenntnis der Gläubiger von der Verfahrenseröffnung gewährleistet werden,

337

Dazu oben A., Fn. 2. Siehe etwa Leible, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV, Rn. 5; Rossi, in: Calliess/ Ruffert, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV, Rn. 1 ff. Ausführlich Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 1, Rn. 1.1–1.10. 339 Ausführlich oben Kapitel 2, B. II. 1. a). 340 Erw.-Gr. 12 EuInsVO: „Diese Verordnung sollte für Verfahren gelten, deren Eröffnung öffentlich bekanntzugeben ist […]“. 338

F. Europäische Analogielösung

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um ihnen Gelegenheit zu geben, am Verfahren teilzunehmen und auf diesem Wege den kollektiven Charakter des Verfahrens sicherzustellen.341 Deshalb sollte den Wirkungen vertraulich geführter Insolvenzverfahren ausdrücklich keine unionsweite Anerkennung zugebilligt werden.342 Als Konsequenz hat der Gesetzgeber vertraulich geführte Insolvenzverfahren vollständig aus dem Anwendungsbereich der EuInsVO ausgenommen,343 mit der Folge, dass auch internationale Gerichtszuständigkeit und anwendbares Recht nicht europäisch einheitlich bestimmt werden können. Dies ist aber keine notwendige Konsequenz des intendierten Gläubigerschutzes, da dieser ausdrücklich nur die internationale Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen betreffen sollte.344 Insofern könnte als denkbarer Lösungsansatz erwogen werden, zumindest die Vorschriften der EuInsVO betreffend internationale Gerichtszuständigkeit und anwendbares Recht analog auf vertrauliche Restrukturierungsverfahren anzuwenden. Eine analoge Anwendung europarechtlicher Vorschriften ist im Grundsatz möglich345 und auch vom EuGH vereinzelt vertreten worden.346 Gleichfalls ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine analoge Anwendung europäischer Vorschriften den Geltungsbereich des nationalen Rechts zurückdrängt, weshalb hohe Anforderungen an Begründung und Rechtfertigung zu stellen sind.347 Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung kann eine analoge Anwendung

341 Erw.-Gr. 12 EuInsVO: [Die Eröffnung ist öffentlich bekanntzugeben,] „damit Gläubiger Kenntnis von dem Verfahren erlangen und ihre Forderungen anmelden können, und dadurch der kollektive Charakter des Verfahrens sichergestellt wird.“ 342 Erw.-Gr. 13 EuInsVO: „Dementsprechend sollten vertraulich geführte Insolvenzverfahren vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden. Solche Verfahren mögen zwar in manchen Mitgliedstaaten von großer Bedeutung sein, es ist jedoch aufgrund ihrer Vertraulichkeit unmöglich, dass ein Gläubiger oder Gericht in einem anderen Mitgliedstaat Kenntnis von der Eröffnung eines solchen Verfahrens erlangt, so dass es schwierig ist, ihren Wirkungen unionsweit Anerkennung zu verschaffen.“ 343 Dazu ausführlich oben Kapitel 4, B. 344 Vgl. Erw.-Gr. 13 EuInsVO a.E. Wortlaut oben Fn. 342. 345 Vgl. Baldus/Raff, in: Gebauer/Teichmann, Europ. Privat- und Unternehmensrecht, § 3, Rn. 211 ff.; Neuner, in: Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, § 12, Rn. 27 ff. Ausführlich auch Schön, in: FS Canaris zum 80. Geburtstag, S. 147, 150 ff. 346 Etwa EuGH, Urt. v. 11. November 2010 – Rs. C-152/09, Andre´ Grootes./.Amt für Landwirtschaft Parchim, ECLI:EU:C:2010:671, Rn. 41: „Die Entsprechende Anwendung einer Bestimmung auf einen Wirtschaftsteilnehmer ist möglich, wenn […]“. Siehe auch EuGH, Urt. v. 12. Februar 2009 – Rs. C-339/07, Christopher Seagon./.Deko Marty Belgium NV, ECLI:EU:C:2009:38, Rn. 21 ff., zumindest wenn man davon ausgeht, dass die internationale Zuständigkeit für Anfechtungsklagen nicht in der EuInsVO geregelt ist. So etwa Kern/Stürner, LMK 2009, 278572. Dann handelt es sich nicht mehr um eine Auslegung, die sich im Rahmen des Wortlautes hielte, sondern um eine analoge Anwendung. Vgl. dazu Baldus/Raff, in: Gebauer/Teichmann, Europ. Privat- und Unternehmensrecht, § 3, Rn. 218 ff. A.A. SA Colomer v. 16. Oktober 2008 – Rs. C-339/97, Christopher Seagon./.Deko Marty Belgium NV, ECLI:EU:C:2008:575, Rn. 42. 347 Langenbucher, ZGR 2010, 75, 84 f.; Neuner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 12, Rn. 40.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

europäischer Normen jedenfalls nur in Bereichen vorgenommen werden, die unionaler Kompetenz unterliegen.348 Es überzeugt, auch im Rahmen europäischer Analogiebildung eine planwidrige Regelungslücke und eine erforderliche vergleichbare Interessenlage vorauszusetzen.349 So wird auch im Folgenden vorgegangen.

III. Die Analogievoraussetzungen im Einzelnen Eine Regelungslücke ist offensichtlich gegeben, da es an europäischen Normen für die grenzüberschreitenden Fragen eines nichtöffentlichen Restrukturierungsverfahrens fehlt. Die Regelung dieses Bereiches ist dem europäischen Gesetzgeber auch ausdrücklich zugewiesen, sodass sich keine kompetenzrechtlichen Bedenken gegen den angeführten Lösungsweg ins Feld führen lassen. Fraglich ist indes die Planwidrigkeit der sich ergebenden Regelungslücke. Daran könnte insofern zu zweifeln sein, als der europäische Gesetzgeber nichtöffentliche Verfahren bewusst aus dem Anwendungsbereich der Verordnung herausgehalten hat.350 Die Planwidrigkeit lässt sich allerdings unter Berücksichtigung der Folgen des ungeregelten Sachverhaltes begründen: Die Regelung der grenzüberschreitenden Verfahrensaspekte obliegt aktuell rein dem nationalen Recht und bedingt damit schwerwiegende Rechtsunsicherheit. Etwa die Möglichkeit, die internationale Gerichtszuständigkeit rein national festlegen zu können, begründet das Risiko paralleler Verfahren und „hinkender“ Rechtsverhältnisse. Dies gilt im Besonderen für das internationale Restrukturierungsrecht, in dem seit langem ein bestehender Wettbewerb der Rechtsordnungen propagiert wird. In einem Rechtsbereich, dem erhebliche Binnenmarktrelevanz beigemessen wird, kann dieser Befund nicht toleriert werden. Auch die Zwecke der EuRRL gebieten hohe Transaktionssicherheit im grenzüberschreitenden Verkehr.351 Nur auf diesem Wege lässt sich eine europäische Sanierungskultur nachhaltig etablieren. Da der europäische Gesetzgeber den Gläubigerschutz für nichtöffentliche Verfahren durch die fehlende automatische

348

Neuner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 12, Rn. 30. Diese Voraussetzungen einer analogen Anwendung entstammen dem deutschen Recht. Grundlegend Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202 ff. Nach dem EuGH ist eine analoge Anwendung möglich, wenn die Regelungen einander weitgehend entsprechen und der Regelungskomplex eine Lücke enthält, die mit einem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts unvereinbar ist, so EuGH, Urt. v. 11. November 2010 – Rs. C-152/09, Andre´ Grootes./.Amt für Landwirtschaft Parchim, ECLI:EU:C:2010:671, Rn. 41. So auch bereits EuGH, Urt. v. 12. Dezember 1985 – Rs. C-165/84, John Friedrich Krohn./.Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung, ECLI:EU:C:1985:507, Rn. 14. Dies entspricht einer planwidrigen Regelungslücke und vergleichbaren Interessenlage. Das deutschrechtliche Analogiekonzept übertragen auch Neuner, in: Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, § 12, Rn. 28; Schön, in: FS Canaris zum 80. Geburtstag, S. 147, 147 ff. 350 In diesem Sinne Skauradszun, NZI 2021, 568, 571. 351 Dazu ausführlich oben Kapitel 2, B. II. 349

F. Europäische Analogielösung

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Anerkennung gewährleisten will, fehlt es insofern an der erforderlichen Planwidrigkeit. Dies spricht aber im Umkehrschluss dafür, eine planwidrige Regelungslücke jedenfalls für die Fragen der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts annehmen zu können, da auch diesen Fragen im grenzüberschreitenden Verkehr erhebliche Relevanz beikommt. Die Nichtanwendung der EuInsVO würde in Bezug auf die internationale Zuständigkeit betroffene Gläubiger sogar schädigen und nicht schützen. Sie wären nämlich außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO den nationalen Zuständigkeitsvorschriften, die mitunter exorbitant sein können, schutzlos ausgeliefert. Vorhersehbarkeit des Forums, wie es die EuInsVO zu Gunsten aller Gläubiger propagiert,352 wäre damit gerade unterminiert. Die Berücksichtigung dieser Folgen spricht für eine planwidrige Regelungslücke, da diese beabsichtigt zu haben dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann. Eine vergleichbare Interessenlage zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Restrukturierungsverfahren ist gegeben. In beiden Fällen erfordert die angestrebte Insolvenzvermeidung größtmögliche Rechtssicherheit im grenzüberschreitenden Verkehr. Grundlegende Unterschiede sind hier nicht zu erkennen. Mithin scheint eine analoge Anwendung der EuInsVO unter Ausschluss der Vorschriften zur Anerkennung von Insolvenzverfahren aus Kapitel II der EuInsVO de lege lata der einzig mögliche Weg zur Korrektur der gesetzgeberischen Fehlleistung.353

IV. Berücksichtigung der Grenzen des Ansatzes Diesem Lösungsansatz mag man entgegenhalten, dass die Vorschriften zur grenzüberschreitenden Anerkennung von Entscheidungen gleichsam das „Herzstück“ der EuInsVO darstellen und grenzüberschreitende Transaktionssicherheit im Wesentlichen gewährleisten. Ohne die automatische Anerkennung bliebe eine re´vision au fond weiter möglich, was die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen nicht gänzlich zu bannen vermag. Dieser Einwand ist nicht von der Hand zu weisen. Der europäische Gesetzgeber hat sich aber ausdrücklich gegen eine automatische Anerkennung nichtöffentlicher Verfahren ausgesprochen. Mangels einer planwidrigen Regelungslücke kommt daher die analoge Anwendung der Anerkennungsvorschriften aus der EuInsVO nicht in Betracht.354 Der vorgeschlagene Weg ist deshalb sicherlich mit Schwächen behaftet, versucht aber die gesetzgeberische Intention des Gläubigerschutzes zu berücksichtigen. Dieser wäre nach dem vorliegenden Konzept den nationalen Anerkennungsregimen 352 EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 49; EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C:2006:281, Rn. 33. 353 A.A. Skauradszun, NZI 2021, 568, 571; ders., in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 84, Rn. 96, der keine Planwidrigkeit der Regelungslücke annehmen will. 354 Dazu bereits oben F. III.

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

überantwortet. Gleichzeitig verbesserten eine einheitliche Zuständigkeitsbestimmung und Rechtsanwendung wenigstens teilweise die grenzüberschreitende Rechtssicherheit. Die Vorschriften unterliegen sämtlich dem Auslegungsmonopol des europäischen Gerichtshofs und zumindest in der Theorie dürfte es bei unionsweiter Anwendung des Art. 3 EuInsVO nur eine einzige Hauptverfahrenszuständigkeit geben. Außerdem erhöhte eine einheitliche Zuständigkeitsbestimmung die Chance, dass ergangene Entscheidungen nach den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten anerkannt werden können.355 Schließlich würde eine materielle Wirksamkeitskontrolle durch eine kollisionsrechtliche Prüfung anhand der Vorschriften Art. 7 ff. EuInsVO die grenzüberschreitende Wirkungserstreckung zumindest begünstigen.356

V. Ergebnis Im Ergebnis sollten die Vorschriften der EuInsVO zur internationalen Zuständigkeit und zum anwendbaren Recht auf nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren solange analog angewendet werden, bis der europäische Gesetzgeber die sich ergebende Lücke geschlossen hat. Mangels planwidriger Regelungslücke kommt dies für die Anerkennungsvorschriften der EuInsVO nicht in Betracht. Dieser Ansatz berücksichtigt die Regelungsentscheidung des Gesetzgebers und dient zugleich der für die Beteiligten erforderlichen Rechtssicherheit.

G. Fazit Da die EuInsVO nur für öffentliche Restrukturierungsverfahren herangezogen werden kann, war zu untersuchen, wie Zuständigkeit, anwendbares Recht und die Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen für nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren bestimmt werden können. Nach hier vertretener Ansicht fallen nichtöffentliche Restrukturierungsverfahren unter die Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO, weshalb die Verordnung nicht anwendbar ist. Im Übrigen wäre auch das Zuständigkeitsregime für die Zwecke eines Restrukturierungsverfahrens völlig unpassend. Eine Anwendung der EuGVVO birgt die Gefahr, dass Gläubiger sich vor exorbitanten Gerichtsständen verteidigen müssten und deren Zuständigkeitsinteressen nicht hinreichend gewahrt würden. Hingegen ist die Anwendung der Anerkennungsvorschriften der EuGVVO im Prinzip wünschenswert, da sich damit in Anerkennungsfragen eine Gleichstellung mit den öffentlichen Verfahren unter der EuInsVO erreichen ließe. Gleichwohl steht das Anerkennungsregime der EuGVVO nur zur Verfügung, sofern der Anwendungsbereich der EuGVVO eröffnet ist. Daher bleibt dieser Weg für geheime Restrukturierungsverfahren verschlossen. 355 356

Zumindest unter Geltung des Spiegelbildprinzips. Dazu oben D. III. 3. c) aa). Dazu oben C. I.

G. Fazit

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Eine Anwendung der Rom I-VO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Ein Restrukturierungsplan lässt sich nicht als vertragliches Schuldverhältnis begreifen; der Anwendungsbereich der Verordnung ist also verschlossen. Auch eine Anwendung des Art. 12 lit. d) Rom I-VO hilft nicht weiter. Das Restrukturierungsstatut lässt sich nicht als besondere Form des Erlöschens einer vertraglichen Verpflichtung im Sinne der Vorschrift auffassen. Die Vorschriften der EuInsVO sind, was restrukturierungsbedingte Forderungseingriffe betrifft, als abschließende leges speciales zu begreifen. Insofern bleibt allein der Rückgriff auf das nationale Recht. Für die Zuständigkeitsbestimmung kann § 35 StaRUG doppelfunktional angewendet werden mit der Folge, dass es dafür, ebenso wie beim COMI, maßgeblich auf den Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners ankommt. Außerdem lässt sich ein Restrukturierungsverfahren unter Rückgriff auf die Grundsätze des BGH-Urteils „Schnellverschlussklappe“ und die Gesetzesmaterialien als Insolvenzverfahren i.S.d. §§ 335 ff. InsO begreifen. Deshalb kommt es gem. § 335 InsO auch im nationalen Recht zu einem grundsätzlichen Gleichlauf von forum und ius. Die Anerkennung von Entscheidungen in ausländischen Restrukturierungsverfahren kann nach § 343 InsO bewirkt werden. Hilfsweise lassen sich entsprechende Entscheidungen auch als „Urteil“ i.S.d. § 328 ZPO begreifen, sodass eine Anerkennung auch nach dieser Norm in Betracht kommt. Als Hindernis für die Anerkennung ist allerdings das sog. „Spiegelbildprinzip“ zu berücksichtigen. Dieses bedingt eine Versagung der Anerkennung, wenn das ausländische Gericht nach inländischen Grundsätzen nicht zuständig wäre, also die Vorschriften des ausländischen Rechts zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit den deutschen nicht im Wesentlichen entsprechen. Damit schützt das Spiegelbildprinzip vor exorbitanten ausländischen Gerichtsständen und im vorliegenden Fall insbesondere die Gesellschafter inländischer juristischer Personen vor Eingriffen in ihre Rechtsposition in ausländischen Restrukturierungsverfahren. Gleichzeitig hemmt das Spiegelbildprinzip auch das Interesse der Verfahrensparteien, forum shopping zu betreiben, da eine Wirkungserstreckung der Entscheidung in das Inland nicht gewährleistet ist. Dies limitiert, zumindest aus deutscher Perspektive, den Wettbewerb der Restrukturierungsrechte. Gleichzeitig ist zu konstatieren, dass die Möglichkeit, die internationale Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren autonom bestimmen zu können, erhebliche Rechtsunsicherheit und die Gefahr paralleler Verfahren bedingt. Insofern droht eine Beeinträchtigung der Interessen der Verfahrensparteien. Deshalb ist vorgeschlagen worden, die Vorschriften der EuInsVO für die Zuständigkeit und das anwendbare Recht auf geheime Restrukturierungsverfahren analog anzuwenden. Dies erscheint möglich, da sich aus den Erwägungsgründen der EuInsVO ergibt, dass diese nur deshalb nicht auf geheime Verfahren angewendet werden soll, um eine automatische grenzüberschreitende Anerkennung der Verfahrensergebnisse zum Schutze der Gläubiger zu verhindern. Dieses Ergebnis erfordert allerdings nur die Nichtanwendung der Vorschriften zur automatischen Anerkennung und wird im Übrigen von der Anwendung der Norm-

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Kapitel 5: Das Restrukturierungsverfahren außerhalb der EuInsVO

komplexe für die internationale Zuständigkeit und das anwendbare Recht nicht tangiert. Selbstverständlich ist dieser Lösungsvorschlag nicht frei von Einwänden, ermöglicht aber eine Übergangslösung, solange der europäische Gesetzgeber die vorhandene Lücke nicht zu schließen gewillt ist.

Kapitel 6

Schlussbetrachtungen und Gesamtfazit A. Bewertung der Untersuchungsergebnisse im Einzelnen Abschließend sollen die wesentlichen Ergebnisse der vorstehenden Untersuchung zusammengefasst und dem Versuch einer Bewertung unterzogen werden.

I. Die Anwendung der EuInsVO Im vierten Kapitel konnte gezeigt werden, dass die EuInsVO nur auf öffentliche Restrukturierungsverfahren anzuwenden ist. Daher richtet sich die internationale Gerichtszuständigkeit in diesen Verfahren nach der Belegenheit des COMI. Für die Bestimmung kommt es maßgeblich auf den Satzungs- und Verwaltungssitz einer Gesellschaft an, wobei im Zweifelsfalle der Verwaltungssitz maßgeblich ist. Damit hat das COMI-Kriterium eine gewisse Ähnlichkeit zur gesellschaftsrechtlichen Sitztheorie. Die Belegenheit des COMI ist daher abhängig von der Wertung tatsächlicher Gegebenheiten und deshalb mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Allerdings hat eine Konkretisierung durch die Rechtsprechung stattgefunden. Die einschlägigen Judikate können als Leitplanken für die Bestimmung des COMI herangezogen werden. Das Zuständigkeitssystem der EuInsVO gewährleistet grundsätzlich eine universelle Hauptverfahrenszuständigkeit in einem Mitgliedstaat und schützt deshalb vor der Durchführung paralleler Verfahren. Außerdem bietet das COMIKriterium eine Lösung für die widerstreitenden Interessen der Verfahrensparteien hinsichtlich eines räumlich nahen Gerichtes und schützt somit Schuldner und Gläubiger vor exorbitanten Gerichtsständen. Indem es im Rahmen der Bestimmung des COMI mitunter auf die Belegenheit von Vermögensgegenständen ankommt, gewährleistet der COMI auch Vollstreckungsnähe. Trotz gewisser Wertungsabhängigkeit des COMI bleibt das Restrukturierungsforum vorhersehbar. Das Zuständigkeitsregime der EuInsVO ist mithin für die Anwendung auf Restrukturierungsverfahren tauglich. Durch den Gleichlauf von forum und ius gewährleistet die EuInsVO Rechtsnähe des Gerichtes und dient mithin der Verfahrenseffizienz. Das ist im Grundsatz zu befürworten. Schwierigkeiten ergeben sich allerdings bei der Abgrenzung von Gesellschafts- und Restrukturierungsstatut. Zwar hat der EuGH zu Qualifikationsfragen unter der EuInsVO bereits Stellung bezogen, die von ihm vertretene funktionale Qualifikation ist allerdings mit einiger Unschärfe behaftet.

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Kapitel 6: Schlussbetrachtungen und Gesamtfazit

Zudem ist nicht klar, ob die Entscheidung Kornhaas./.Dithmar1 sich auch auf das Restrukturierungsrecht übertragen lässt. Nach hier vertretener Auffassung lassen sich dafür gute Argumente finden, gesichert ist diese Position gleichwohl nicht. Für die Restrukturierung von Auslandsgesellschaften birgt dieser Umstand erhebliche Unsicherheit. Dies ist misslich, da die schwerpunktmäßige wirtschaftliche Tätigkeit einer Gesellschaft im europäischen Ausland in Anbetracht der Niederlassungsfreiheit keine Seltenheit darstellen dürfte. Es bleibt zu hoffen, dass der europäische Gesetzgeber und der EuGH zur Klärung einerseits der Reichweite des Gesellschaftsstatuts und andererseits des Verhältnisses von Restrukturierungsstatut und Niederlassungsfreiheit in naher Zukunft beitragen. Das Anerkennungsregime der EuInsVO bereitet wenig Schwierigkeiten. Für sämtliche Entscheidungen in Restrukturierungsverfahren gewährleistet es die automatische Anerkennung in den Mitgliedstaaten. Dies ist vollumfänglich zu befürworten. Wünschenswert wäre allerdings, dass in einer künftigen Neufassung der EuInsVO die Gegenstände der Wirkungserstreckung genau spezifiziert werden. Besonders für Restrukturierungspläne ist eine Definition derjenigen Planwirkungen zu fordern, die im Rahmen der Anerkennung auch im Ausland wirken. Dies würde zur weiteren Steigerung der Rechtssicherheit wesentlich beitragen. Insgesamt führt die Anwendung der EuInsVO auf öffentliche Restrukturierungsverfahren zu annehmbaren Ergebnissen. Besonders wichtig ist die automatische grenzüberschreitende Anerkennung von Verfahrensentscheidungen. Die Vorschriften zu Zuständigkeit und anwendbarem Recht zeigen aber, dass die EuInsVO konzeptionell auf die Bewältigung „klassischer“ Insolvenzverfahren, also vollstreckungsrechtlich ausgerichtet ist.

II. Die Anwendung nationalen Rechts Schwerwiegend ist das Ergebnis des fünften Kapitels, nach dem für geheime Restrukturierungsverfahren keine europäischen Rechtsakte zur Bestimmung der Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts und der Anerkennung ergangener Entscheidungen zur Verfügung stehen. Mithin ist die grenzüberschreitende Bewältigung geheimer Restrukturierungsverfahren dem nationalen Recht überantwortet. Dies ist bereits deshalb schwer erträglich, da geheime Restrukturierungsverfahren hohe Praxisrelevanz haben und aus Sicht des Schuldners besonders attraktiv sind. Unerträglich wird dieser Befund, wenn man berücksichtigt, dass die Ziele der EuRRL, insbesondere die Stärkung des Binnenmarktes und die Förderung der Sanierungskultur, zwingend eine Rechtssicherheit im grenzüberschreitenden Verkehr erfordern. Diese ist aber, wie gezeigt worden ist, unter

1 EuGH, Urt. v. 10. Dezember 2015 – Rs. C-594/14, Kornhaas./.Dithmar, ECLI:EU:C: 2015:806.

A. Bewertung der Untersuchungsergebnisse im Einzelnen

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Anwendung des nationalen Rechts nicht gewährleistet, weshalb die Richtlinie durch die weitgehende Nichtbefassung mit internationalrechtlichen Fragen ihre eigene Zweckbestimmung torpediert. Die schwerwiegendsten Auswirkungen ergeben sich insofern hinsichtlich der Bestimmung der internationalen Gerichtszuständigkeit. Durch die Nichtanwendbarkeit europäischen Rechts bestehen für die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit keine Restriktionen. Dies begründet allerdings die Gefahr, dass die Zuständigkeitsinteressen der Parteien nicht hinreichend geachtet werden. So könnten sich Gläubiger exorbitanten Gerichtsständen ausgesetzt sehen, die kaum vorhersehbar sind. Was das anwendbare Recht betrifft, so bleibt es – zumindest aus deutscher Perspektive – bei einem Gleichlauf von forum und ius. Die Schwierigkeiten der Abgrenzung von Gesellschafts- und Restrukturierungsstatut bestehen damit in gleicher Weise wie unter der EuInsVO. Auch die grenzüberschreitende Anerkennung von Verfahrensentscheidungen ist bei Anwendung des nationalen Rechts nicht sichergestellt. Zwar sieht das deutsche Recht mit § 343 InsO großzügig von der Überprüfung ausländischer Entscheidungen in der Sache ab; europarechtlich geboten ist eine solche Vorschrift aber nicht. Die grenzüberschreitende Anerkennung wird vor allem dann auf Grenzen stoßen, wenn Schuldner sich exorbitanten Gerichtsständen ausgesetzt sehen, da zu vermuten ist, dass die Mitgliedstaaten ihre Schutzinteressen im Wege des Anerkennungsrechts gegenüber anderen Staaten durchsetzen. In Deutschland geschieht dies im Wege des Spiegelbildprinzips. Im Ergebnis ist der legislative Statuts quo für die grenzüberschreitenden Implikationen eines geheimen Restrukturierungsverfahrens bedauerlich und des europäischen Binnenmarktes nicht würdig. Es droht eine Verletzung einerseits der Grundsätze der der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen und andererseits der Zielbestimmungen der EuRRL.

III. Forum shopping und Wettbewerb der Rechtsordnungen Einleitend wurde im dritten Kapitel ausgeführt, dass ein Interesse der Verfahrensbeteiligten daran bestehen kann, auf das anwendbare Restrukturierungsrecht einzuwirken und zu diesem Zweck forum shopping zu betreiben. Sowohl für öffentliche Restrukturierungsverfahren unter der EuInsVO als auch für geheime Verfahren im Anwendungsbereich des nationalen Rechts kann auf die internationale Gerichtszuständigkeit Einfluss genommen werden. Unter der EuInsVO besteht diese Möglichkeit, da die Niederlassungsfreiheit umfassende Gesellschaftsmobilität gewährleistet und somit die maßgeblichen Anknüpfungspunkte des COMI, der Satzungs- und der Verwaltungssitz, rechtssicher in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden können. Diese Vorgehensweise ist allerdings mit einigem Aufwand verbunden und rechtlich nicht unkomplex, sodass Transaktionskosten als natürlicher Begrenzungsfaktor wirken. Gleichwohl scheint es nicht ausgeschlossen, dass es in Zukunft in bestimmten

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Kapitel 6: Schlussbetrachtungen und Gesamtfazit

Konstellationen zu forum shopping unter der EuInsVO kommt, insbesondere, wenn damit der Fortbestand eines Unternehmens gesichert werden kann. Ob dies in einen Wettbewerb der Rechtsordnungen münden wird, kann nicht abschließend beurteilt werden. Dies hängt davon ab, ob tatsächlich Wahlentscheidungen vorgenommen werden und die anderen Mitgliedstaaten sich dadurch unter Zugzwang gesetzt sehen. Dass es zu einem solchen Anpassungsdruck unter der EuInsVO kommt, ist zumindest deshalb plausibel, weil die Verordnung die grenzüberschreitende Anerkennung von Verfahrensentscheidungen problemlos ermöglicht. Gänzlich anders gestaltet sich die Rechtslage für geheime Restrukturierungsverfahren. Hier ist forum shopping aller Voraussicht nach relativ einfach durchführbar. Unterschiede in den nationalen Zuständigkeitskriterien führen dazu, dass per se mehrere internationale Gerichtsstände eröffnet sein können, sodass den Parteien eine Wahlmöglichkeit gegeben ist. Daher sind die Transaktionskosten eines solchen Vorgehens eher gering. Gleichzeitig führt die Anwendung nationalen Rechts auf Restrukturierungsverfahren dazu, dass die Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen nicht gewährleistet ist. Dies hemmt sowohl das Interesse der Parteien daran, forum shopping überhaupt zu betreiben, als auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich daraus ein Wettbewerb der Rechtsordnungen entwickeln wird. Dieses Ergebnis ist bedauerlich, ganz unabhängig davon, wie man zum Wettbewerb der Rechtsordnungen steht. Denn in jedem Fall führt der gegenwärtige Zustand nicht zu wünschenswerten Ergebnissen, sondern birgt die Gefahr, dass hervorragend beratene Parteien den „Zuständigkeitsjungel“ zu ihren Gunsten und auf Kosten weniger versierter Beteiligter zu nutzen wissen. Dies bedingt ineffiziente Restrukturierungsverfahren und verstört insbesondere dann, wenn man sich vergegenwärtigt, dass durch die EuRRL in erster Linie KMU ein einfacher und leichter Zugang zum Restrukturierungsverfahren ermöglicht werden sollte.

IV. Ambivalente Haltung zum Phänomen forum shopping Die aktuelle Haltung des europäischen Gesetzgebers zum forum shopping im Bereich des Restrukturierungs- und Insolvenzrechts scheint ambivalent. Aus den Erwägungsgründen der EuInsVO ergibt sich, dass die Verordnung Schutzvorkehrungen gegen forum shopping enthalten soll, jedoch nur gegen solche Formen, die als betrügerisch oder missbräuchlich einzustufen sind.2 Gleichwohl enthält die EuInsVO aber nur eine einzige Maßnahme, die sich als Versuch begreifen ließe, forum shopping unter der Verordnung überhaupt einzudämmen. Dabei handelt es sich um die Frist des Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 EuInsVO, deren Tauglichkeit indes sehr begrenzt ist, da sich diese allein auf eine Verlegung des

2 Erw.-Gr. 29 EuInsVO: „Diese Verordnung sollte eine Reihe von Schutzvorkehrungen enthalten, um betrügerisches oder missbräuchliches Forum Shopping zu verhindern.“

A. Bewertung der Untersuchungsergebnisse im Einzelnen

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Satzungssitzes bezieht, sich forum shopping unter der Verordnung aber ebenso allein im Wege der Verlegung des Verwaltungssitzes erreichen lässt. Ein ähnliches Bild ergibt sich unter der EuRRL. Deren Art. 6 Abs. 8 UAbs. 2 enthält ebenfalls eine Vorschrift, die auf die Verhinderung von forum shopping gemünzt ist.3 Leider ist diese Vorschrift zur Verhinderung dieses Phänomens bei genauerer Betrachtung vollkommen wirkungslos. Die Vorschrift zielt darauf ab, forum shopping für die Zwecke eines Vollstreckungsmoratoriums in solchen Verfahren zu verhindern, die nicht im Anwendungsbereich der EuInsVO liegen. Deshalb ordnet die Vorschrift an, dass die Dauer der Aussetzung eines Moratoriums auf vier Monate begrenzt ist, sofern der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners innerhalb von drei Monaten vor Eröffnung des Verfahrens verlegt wurde.4 Diese Regelung läuft aber leer, weil der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen bei Verfahren, die sich außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO bewegen, für die internationale Zuständigkeit vollkommen unerheblich ist. Dies verdeutlicht hervorragend die niederländische Regelung zur internationalen Zuständigkeit für das Restrukturierungsverfahren aus Art. 369 Nr. 7 Faillissementswet.5 Danach sind niederländische Gerichte für öffentliche Verfahren nach den Vorschriften der EuInsVO zuständig.6 Andernfalls bemisst sich die Zuständigkeit nach dem autonomen Recht, das einen gewöhnlichen Aufenthalt, einen Wohnsitz in den Niederlanden oder aber eine sonst hinreichende Verbindung zum Inland fordert,7 damit aber gerade nicht auf den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen abhebt. 3 Vgl. Richter, in: Paulus/Dammann, Europ. Preventive Restructuring, Art. 6 EuRRL, Rn. 48. 4 Art. 6 Abs. 8 UAbs. 2 EuRRL: „Haben sich Mitgliedstaaten dafür entschieden, diese Richtlinie im Wege eines oder mehrerer Verfahren beziehungsweise einer oder mehrerer Maßnahmen umzusetzen, die die Bedingungen für die Mitteilung nach Anhang A der Verordnung (EU) 2015/848 nicht erfüllen, so ist die Gesamtdauer der Aussetzung im Rahmen dieser Verfahren auf höchstens vier Monate begrenzt, wenn der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor Einreichung eines Antrags auf Eröffnung eines präventiven Restrukturierungsverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wurde.“ 5 Art. 367 Nr. 7 Faillissementswet: „Of de Nederlandse rechter rechtsmacht heeft om verzoeken als bedoeld in deze afdeling in behandeling te nemen wordt bepaald: a. op grond van de in artikel 5, derde lid, genoemde verordening voor zover het verzoeken betreft die worden ingediend in het kader van een openbare akkoordprocedure buiten faillissement en de genoemde verordening van toepassing is, dan wel b. artikel 3 van het Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering.“ 6 In Art. 367 Nr. 7 lit. a) Faillissementswet wird auf Art. 5 Abs. 3 Faillissementswet verwiesen, der seinerseits auf die Verordnung (EU) 2015/848 verweist. 7 Art. 367 Nr. 7 lit. b) Faillissementswet verweist auf Art. 3 Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering, der lautet: „In zaken die bij verzoekschrift moeten worden ingeleid, met uitzondering van zaken als bedoeld in de artikelen 4 en 5, heeft de Nederlandse rechter rechtsmacht indien: a. hetzij de verzoeker of, indien er meer verzoekers zijn, een van hen, hetzij een van de in het verzoekschrift genoemde belanghebbenden in Nederland zijn woonplaats of gewone verblijfplaats heeft,

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Kapitel 6: Schlussbetrachtungen und Gesamtfazit

Die bisherigen Bemühungen des europäischen Gesetzgebers zur Begrenzung von forum shopping auf dem Gebiet des internationalen Insolvenzrechts sprechen nicht für eine ernsthafte und tiefgehende Befassung mit der Problematik. Deshalb ist zu hoffen, dass der europäische Gesetzgeber sich dessen in Zukunft umfassend annimmt. Dabei sollte insbesondere die grundsätzliche gesetzgeberische Haltung gegenüber dem Phänomen forum shopping im Insolvenz- und Restrukturierungsrecht klargestellt werden. Der bisherige Kurs scheint erratisch und die Befassung halbherzig. Wollte man forum shopping aus diesem Bereich vollends verdrängen, wäre es konsequent, am COMI anzusetzen und dessen Wandelbarkeit zu verhindern, die aktuell durch die Niederlassungsfreiheit abgesichert ist. Will man hingegen die Auswahl des Gerichtsstands nicht vollends verdammen, so wäre zu erwägen, den Parteien in konkret umrissenen Situationen echte Wahlmöglichkeiten einzuräumen. Der gegenwärtige Zustand vermag jedenfalls nicht zu befriedigen.

B. Plädoyer für eine europäische Restrukturierungsverordnung Trotz aller Schwächen, die diese Untersuchung für die Anwendung der EuInsVO herausgearbeitet hat, ist zu berücksichtigen, dass die Verordnung jedenfalls ein in sich stimmiges und geschlossenes Regime für die Lösung der grenzüberschreitenden Implikationen eines Restrukturierungsverfahrens bereithält. Schwerwiegende Probleme ergeben sich de lege lata für geheime Restrukturierungsverfahren, die dem regulatorischen „Niemandsland“ im autonomen Recht überlassen bleiben. Auf den ersten Blick scheint deshalb die Empfehlung naheliegend, künftig auch geheime Restrukturierungsverfahren unter die EuInsVO zu fassen, mithin im Rahmen einer Neuauflage der EuInsVO schlicht auf das Kriterium der Öffentlichkeit im Anwendungsbereich zu verzichten. Bei genauerer Betrachtung ist dieser Vorschlag aber wenig überzeugend. Während das klassische Insolvenzverfahren auf Vollstreckung gerichtet ist, verfolgt das Restrukturierungsverfahren ganz andere Zwecke, nämlich in erster Linie die Lösung von Kollektivhandlungsproblemen mit dem Ziel der Vollstreckungsvermeidung.8 Die unterschiedliche Zweckrichtung von Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren erfordert auch eine differenzierende Behandlung im internationalen Kontext. Deshalb ist für die Schaffung einer Europäischen Restrukturierungsverordnung zu plädieren, die Zuständigkeit, anwendbares Recht und Anerkennung von Entscheidungen spezifisch auf die Zwecke des Restrukturierungsverfahrens abstimmt.9 b. het verzoek betrekking heeft op een bij dagvaarding ingeleid of in te leiden geding ten aanzien waarvan de Nederlandse rechter rechtsmacht heeft, of c. de zaak anderszins voldoende met de rechtssfeer van Nederland verbonden is.“ 8 Dazu ausführlich Skauradszun, KTS 2021, 1, 3 ff. 9 Dafür auch Madaus, in: Kübler/Prütting/Bork, Art. 1 EuInsVO, Rn. 24.

B. Plädoyer für eine europäische Restrukturierungsverordnung

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I. Einbeziehung von Sanierungsverfahren in die EuInsVO dogmatisch inkonsistent Die Einbeziehung von Sanierungsverfahren in die Neufassung der EuInsVO steht historisch in Zusammenhang mit deren zunehmender Praxisrelevanz und dem Phänomen der sog. Sanierungsmigration.10 Für präventive, auf Insolvenzvermeidung gerichtete Verfahren stand kein Rechtsregime zur Lösung grenzüberschreitender Fragestellungen zur Verfügung, weshalb man sich kurzerhand für die Einbeziehung in die EuInsVO entschied.11 Gleichzeitig glaubte man, damit forum shopping und deshalb die Restrukturierung von Auslandsgesellschaften unter einer fremden Rechtsordnung verhindern zu können, indem mit einer Anwendung der EuInsVO die Belegenheit des COMI maßgeblich für die Begründung der internationalen Gerichtszuständigkeit würde.12 Die Untersuchungen dieser Arbeit zeigen aber, dass dieses Ziel verfehlt wurde. Wie schon vor der Neufassung der EuInsVO liegt weiter ein großer Teil der Restrukturierungsverfahren – misslicher Weise gerade die besonders praxisrelevanten geheimen Verfahren – außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO. Die Wurzel dieses Übels ist schlicht die Tatsache, dass die Einbeziehung von Restrukturierungsverfahren in die EuInsVO dogmatisch inkonsistent ist. Eidenmüller formulierte bereits im Jahr 2016, dass es dem europäischen Gesetzgeber an einer klaren Vorstellung davon fehle, was im grenzüberschreitenden Kontext als Insolvenzverfahren zu klassifizieren und deshalb grenzüberschreitend anzuerkennen sei.13 Die Einbeziehung von Verfahren in die EuInsVO erfolge stattdessen „induktiv“ und „intuitiv“, wofür man „politisch Verständnis haben“ könne; „rechtswissenschaftlich und konzeptionell befriedigend“, sei dieses Vorgehen allerdings nicht.14 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Die dogmatische Inkonsistenz lässt sich vorliegend am Beispiel der Verfahrensöffentlichkeit illustrieren. Die Pflicht, die Verfahrenseröffnung im Insolvenzregister zu publizieren, lässt sich in der Tat für „klassische“ Insolvenzverfahren als konstitutiv betrachten; für die Zwecke einer Restrukturierung ist sie das gewiss nicht. Im „klassischen“, also auf Liquidation und Vermögensbeschlag gerichteten Insolvenzverfahren sind alle Gläubiger ipso iure einbezogen.15 Die Bekanntgabe der Verfahrenseröffnung gegenüber allen Beteiligten ist rechtsstaatlich geboten und kann bei einem Verfahren, das eine unbekannte Vielzahl an Personen betrifft, nur im Wege der Öffentlichkeit bewirkt werden.16 Ferner 10 COM (2012) 744 final, S. 2 f., S. 6 f.; Hess, in: Hess/Oberhammer/Pfeiffer, European Insolvency Law, Rn. 113 ff. 11 COM (2012) 744 final, S. 6 f. 12 Vgl. Hess, in: Hess/Oberhammer/Pfeiffer, European Insolvency Law, Rn. 271. 13 Eidenmüller, ZIP 2016, 145, 147. 14 Eidenmüller, ZIP 2016, 145, 147. 15 So ist gem. § 38 InsO jeder Insolvenzgläubiger, der im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. 16 Vgl. Stephan, in: K. Schmidt, InsO, § 9, Rn. 1; Ganter/Bruns, in: MüKo InsO, § 9, Rn. 5.

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Kapitel 6: Schlussbetrachtungen und Gesamtfazit

kommt der Verfahrensöffentlichkeit massesichernde Funktion zu, denn durch die Publizitätswirkung kann die Kenntnis der Eröffnung des Verfahrens und sich daraus ergebender Verfügungsbeschränkungen dem gesamten Rechtsverkehr unterstellt werden.17 Gänzlich anders liegen die Dinge im Restrukturierungsverfahren. Regelmäßig werden hier nicht alle, sondern ausschließlich kreditgebende Banken und sonstige besonders relevante Großgläubiger einbezogen. Die Kenntnis der Verfahrenseröffnung bei einem genau umrissenen Personenkreis lässt sich aber auch im Wege förmlicher Zustellung erreichen und erfordert gerade keine Öffentlichkeit.18 An der ordnungsgemäßen Einbeziehung in das Verfahren hat der Schuldner bereits deshalb ein originäres Eigeninteresse, weil der Restrukturierungsplan gem. Art. 15 Abs. 2 EuRRL nur gegenüber Beteiligten seine Wirkungen entfaltet. Die Gefahr, eine Änderung eines bestehenden Rechts erdulden zu müssen, ohne von der Eröffnung eines Restrukturierungsverfahrens in Kenntnis zu sein, besteht unter der EuRRL mithin gar nicht, sodass sich der mit der EuInsVO intendierte Gläubigerschutz nicht als Argument dafür verwenden lässt, eine Verfahrensöffentlichkeit zwingend vorauszusetzen. Ferner werden Verfahren unter der EuRRL in Eigenverwaltung geführt, es kommt also nicht zu Verfügungsbeschränkungen. Eine massesichernde Funktion kann die Verfahrensöffentlichkeit also für die Zwecke eines Restrukturierungsverfahrens gar nicht erfüllen. Die Tatsache, dass Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren unter der EuInsVO über einen Kamm geschoren werden, führt zu dem bedauerlichen Ergebnis, dass die Verfahrensöffentlichkeit einen Großteil der Restrukturierungsverfahren außerhalb des Anwendungsbereichs hält, obwohl die Veröffentlichungspflicht im Restrukturierungsfall überhaupt keinen Nutzen hat. Verzichtet werden kann auf dieses Kriterium unter der EuInsVO gleichwohl nicht, da es für klassische Insolvenzverfahren konstitutiv ist. Dies spricht dafür, die grenzüberschreitenden Implikationen eines Restrukturierungsverfahrens künftig in einer separaten Verordnung zu regeln.

II. Eckpfeiler einer EuRestructVO Entschiede man sich also tatsächlich dazu, eine europäische Restrukturierungsverordnung zu schaffen, könnte auch in anderer Hinsicht eine Berücksichtigung der spezifischen Aspekte eines Restrukturierungsverfahrens wünschenswert sein. Deshalb liegt es nah, an dieser Stelle einige denkbare Eckpfeiler einer künftigen EuRestructVO zu illustrieren.

17 Ganter/Bruns, in: MüKo InsO, § 9, Rn. 5a. Vgl. auch Pape, in: Uhlenbruck, § 9 InsO, Rn. 5. 18 So etwa auch Schlöderl/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1042 f.

B. Plädoyer für eine europäische Restrukturierungsverordnung

235

1. Einbeziehung geheimer Verfahren Selbstverständlich wären geheime Restrukturierungsverfahren ebenso wie öffentliche Verfahren in den Anwendungsbereich einzubeziehen. Statt der Verfahrensöffentlichkeit könnte der Anwendungsbereich einer EuRestructVO auf die Kenntnis der Verfahrensbeteiligten abstellen, die entweder im Wege der Öffentlichkeit oder aber auf sonstige Weise, etwa durch Zustellung eines Schriftstücks, sicherzustellen wäre. Auf diesem Wege ermöglichte man die erforderliche Flexibilität und sicherte gleichzeitig die Gewährleistung des notwendigen Gläubigerschutzes und der Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 EuRRL. 2. Abkehr vom COMI Ferner ist eine Abkehr vom COMI als dem zentralen Anknüpfungskriterium für Unternehmensrestrukturierungen denkbar. Zu erwägen wäre, stattdessen auf den Satzungssitz der Schuldnergesellschaft abzustellen.19 Dafür spricht, dass der COMI seinem Sinn und Zweck nach vollstreckungsrechtlich gedacht ist. So betont der EuGH in seinem Urteil zur Rechtssache Interedil, dass im Falle eines Auseinanderfallens von Satzungssitz und Hauptverwaltung entscheidend auf die Belegenheit von Vermögenswerten abzustellen sei.20 Dies leuchtet für den Fall eines „klassischen“, auf Vermögensbeschlag gerichteten Insolvenzverfahrens auch ein; für entsprechende Verfahren besteht regelmäßig ein Interesse daran, diese vor den Gerichten desjenigen Landes durchzuführen, in dem große Teile des Vermögens belegen sind.21 Anders liegen die Dinge im Restrukturierungsfall. Konzeptionell ist ein solches Verfahren gerade nicht auf Gesamtvollstreckung gerichtet, sondern auf Umgestaltung der Finanzverbindlichkeiten; zu einem Zugriff auf das Schuldnervermögen kommt es gerade nicht.22 Vor diesem Hintergrund scheint es wünschenswert, ein Anknüpfungskriterium zu finden, das für die Zwecke eines Restrukturierungsverfahrens besser geeignet ist. Auf den Satzungssitz zu rekurrieren, böte den Vorteil, dass Restrukturierungs- und Gesellschaftsstatut im Restrukturierungsfall parallel liefen;23 die bisher bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten gehörten damit der Vergangenheit an. Ferner entspräche die Anknüpfung an den Satzungssitz auch der vom EuGH zur Wahrung der Gläubigerinteressen geforderten Vorhersehbarkeit des forums.24 Der Sat19

So hat es für die EuInsVO bereits Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 480 ff. vorgeschlagen. EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 52. 21 Vgl. Mankowski, in: Mankowski/Müller/J. Schmit, EuInsVO, Art. 3, Rn. 2 m.w.N. 22 Vgl. Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, S. 134 f. Vgl. auch Skauradszun, KTS 2021, 1, 9 f. 23 Zumindest dann, wenn auch unter einer EuRestrucVO der Gleichlauf von forum und ius erhalten bliebe, wofür zu plädieren ist. Dazu sogleich unter 3. 24 Vgl. EuGH, Urt. v. 20. Oktober 2011 – Rs. C-396/09, Interedil Srl./.Intesa Gestione Crediti SpA, ECLI:EU:C:2011:671, Rn. 49; EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 – Rs. C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, ECLI:EU:C:2006:281, Rn. 33. 20

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Kapitel 6: Schlussbetrachtungen und Gesamtfazit

zungssitz ist aus Gläubigerperspektive sogar viel einfacher zu bestimmen als das COMI-Kriterium, dem wegen seiner Wertungsabhängigkeit stets eine gewisse Unberechenbarkeit anhaftet. Auch die Möglichkeiten, forum shopping zu betreiben, würden auf diese Weise für den Schuldner erheblich eingeschränkt, führte dies doch zwangsläufig zu einem Wechsel der Rechtsform. Der Satzungssitz ist in Anbetracht der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit zwar kein unwandelbares Anknüpfungskriterium, etwaige Gefahren für die Gläubiger ließen sich aber durch das nationale Umwandlungsrecht abfedern. So sieht § 122j UmwG für grenzüberschreitende Verschmelzungen einen Anspruch der Gläubiger auf Sicherheitsleistung vor, sofern die übernehmende oder neue Gesellschaft nicht dem deutschen Recht unterliegt. Nach einem Urteil des OLG Saarbrücken sind die gläubigerschützenden Vorschriften über grenzüberschreitende Verschmelzungen analog auf grenzüberschreitende Formwechsel anzuwenden.25 Zudem stehen gesetzliche Regelungen zum grenzüberschreitenden Formwechsel in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2121 in nächster Zeit zu erwarten.26 Es scheint nicht ausgeschlossen, dass es Gläubigern grundsätzlich ermöglicht ist, anlässlich einer restrukturierungsbedingten Umwandlung in eine ausländische Gesellschaftsform Sicherheitsleistung nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes zu verlangen.27 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich das Restrukturierungsverfahren nach der Richtlinie auch als Instrument staatlicher Wirtschaftspolitik begreifen lässt.28 So soll das Verfahren nach seiner Konzeption der allgemeinen Finanzmarktstabilität durch den Abbau von non-performing loans und auch der Sicherung von Arbeitsplätzen dienen.29 Nimmt man diese Konzeption ernst, spricht einiges dafür, den Staaten der Inkorporation die Hoheit über die Sanierung heimischer Gesellschaften und damit der Unternehmen, deren Rechtsträger die Gesellschaften sind, zu gewähren. Dies wäre nur im Wege der Anknüpfung an den Satzungssitz als allgemeines Zuständigkeitskriterium gewährleistet.

25

OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7. Januar 2020 – 5 W 79/19, Rn. 8, ZIP 2020, 712. Drinhausen/Keinath, in: Henssler/Strohn, GesR, § 190 UmwG, Rn. 17. 27 Freilich wäre dafür eine konkrete Gefährdung für die Durchsetzung einer Forderung darzulegen. Vgl. dazu Drinhausen, in: Semler/Stengel/Leonard, UmwG, § 122j UmwG, Rn. 9. 28 Zu dieser wirtschaftspolitischen bzw. „öffentlich-rechtlichen“ Komponente von Sanierungsverfahren siehe bereits Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, S. 134 f. 29 Vgl. Brinkmann, in: Ebke/Seagon/Blatz, Aktuelle Fragestellungen der Restrukturierung und Transformation, 2020, S. 41, 50. Zum Schutz von Arbeitsplätzen vgl. etwa Erw.-Gr. 2, 3, 4, 8 und 16. Zu den mit der EuRRL verfolgten Zwecken ausführlich bereits oben Kapitel 2, B. II. 26

B. Plädoyer für eine europäische Restrukturierungsverordnung

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3. Anwendbares Recht Hinsichtlich des anwendbaren Rechts scheint es sinnvoll, den unter der EuInsVO bestehenden Gleichlauf von forum und ius beizubehalten. Danach wäre in einer künftigen EuRestructVO das anwendbare Restrukturierungsrecht nach dem Satzungssitz der Schuldnergesellschaft zu bestimmen. Dieser Gleichlauf dient der Verfahrenseffizienz und entspricht dem übereinstimmenden Interesse der Verfahrensparteien, die Rechtssache von einem Gericht entscheiden zu lassen, das im anwendbaren Recht versiert ist.30 Ferner bedingte eine Anknüpfung an den Satzungssitz einen Gleichlauf mit dem anwendbaren Gesellschaftsrecht. Damit wären die Abgrenzungsschwierigkeiten beseitigt, die unter der EuInsVO zwischen Restrukturierungs- und Gesellschaftsstatut aufkommen. Dies ist gerade für ein Restrukturierungsverfahren besonders wünschenswert, da hier regelmäßig Veränderungen an der Kapitalstruktur erforderlich sind. Etwa für den zu Sanierungszwecken hochrelevanten debt-equity-swap ließe sich auf diesem Wege eine besondere Rechtssicherheit gewährleisten. Die rechtlichen Schwierigkeiten der Restrukturierung einer Auslandsgesellschaft unter fremdem Restrukturierungsrecht wären damit sämtlich beseitigt. 4. Umfassende Anerkennung Das umfassende Anerkennungsregime der EuInsVO sollte auch für eine EuRestrucVO übernommen werden. Danach wäre eine re´vision au fond im Ausland bestätigter Restrukturierungspläne auszuschließen und die Inhaltskontrolle auf Verstöße gegen den ordre public zu beschränken. Gleichzeitig wäre eine Klarstellung dahingehend zu empfehlen, welche Aspekte unter der Verordnung einer materiellen Wirkungserstreckung in das europäische Ausland zugänglich sind, um auch hier größtmögliche Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. 5. Parteiautonomie Zuletzt wäre zu erwägen, den Beteiligten eines Restrukturierungsverfahrens in eng umrissenen Konstellationen Parteiautonomie zu gewähren. Die Bestrebungen der Vergangenheit, zum Zwecke der Restrukturierung forum shopping zu betreiben, sind ein Beleg dafür, dass das anwendbare Recht aus der Perspektive der handelnden Personen nicht immer geeignet ist, die sich in der Krise ergebenden Rechtsfragen zufriedenstellend zu lösen. Gleichzeitig besteht mit der Auswahl des Gerichtsstands und des anwendbaren Rechts die Gefahr, dass diese zulasten der schwachen Partei getroffen wird. Parteiautonomie im Restrukturierungsfall steht also im Spannungsfeld zwischen Unternehmenserhalt und staatlichen Schutzverpflichtungen. Gleichwohl sind Konstellationen denkbar, in denen mit einer Rechtswahl keine Gefahr einer Übervorteilung einhergeht. So wäre vorstellbar, Gerichtsstands- und Rechtswahl im Falle einer reinen Restrukturie30

Dazu oben Kapitel 3, B. III. 2.

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Kapitel 6: Schlussbetrachtungen und Gesamtfazit

rung von Finanzverbindlichkeiten zu ermöglichen. Voraussetzung müsste sein, dass keine Eingriffe in die Kapitalstruktur der Schuldnergesellschaft erfolgen, um Konflikte mit dem Gesellschaftsstatut zu vermeiden, und außerdem die beteiligten Gläubiger geschäftlich versiert sind, etwa weil es sich um institutionelle Kreditgeber handelt. Danach wäre denkbar, zum Zwecke der Restrukturierung von Anleiheverbindlichkeiten oder Konsortialkreditverträgen die Wahl des Gerichtsstandes und des Rechts in die Hand der Parteien zu legen. Dogmatisch ließen sich diese Konstellationen als vertragsrechtliche Gestaltungen begreifen; im internationalen Schuldvertragsrecht ist die Parteiautonomie seit jeher Usus. Viel spricht dafür, dass diese Flexibilität denjenigen Gesellschaften, die aus Sicht der Kreditwirtschaft in Staaten mit ineffizientem Restrukturierungsregimen angesiedelt sind, die Fremdkapitalaufnahme erleichterte. Gleichzeitig könnten entsprechende Wahlmöglichkeiten Anreize nehmen, restrukturierungsbedingtes forum shopping zu betreiben. Allerdings sollte dieser Weg nur beschritten werden, wo missbräuchliche Gestaltungen ausgeschlossen werden können.

III. Zusammenfassung Trotz diverser Schwächen hält die EuInsVO ein taugliches Regime zur Lösung der grenzüberschreitenden Implikationen eines Restrukturierungsverfahrens vor. Gleichwohl steht dieser Weg nur für öffentliche Verfahren bereit. Dieser Befund sollte nicht dazu verleiten, eine Einbeziehung auch geheimer Restrukturierungsverfahren in den Anwendungsbereich zu fordern. Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der EuInsVO für präventive Verfahren ist bereits mit der Neufassung der Verordnung im Jahre 2015 erfolgt, vermochte aber die bestehenden Probleme nicht zu lösen und ist zudem dogmatisch inkonsistent. Insolvenzund Restrukturierungsverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke und dienen divergierenden Interessen, sodass auch im internationalen Kontext eine differenzierende Behandlung erforderlich ist. De lege lata können aber die bestehenden Rechtsunsicherheiten für geheime Restrukturierungsverfahren übergangsweise zumindest in Teilen überwunden werden, indem die Vorschriften der EuInsVO zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts analog auch auf die geheimen Verfahren angewendet werden. Ein Allheilmittel ist dieser Ansatz gleichwohl nicht. Die Vorschriften zur Anerkennung im Ausland ergangener Entscheidungen stehen mangels einer insoweit bestehenden planwidrigen Regelungslücke nicht zur Verfügung. De lege ferenda ist mithin die Schaffung einer europäischen Restrukturierungsverordnung (EuRestructVO) zu fordern, die Zuständigkeit, anwendbares Recht und die Anerkennung ergangener Entscheidungen spezifisch auf die Zwecke eines Restrukturierungsverfahrens abstimmt. Im Einzelnen wäre wünschenswert, dass eine solche Verordnung für geheime Restrukturierungsverfahren offensteht und außerdem vom COMI-Kriterium abrückt. Stattdessen sollte für Unternehmensrestrukturierungen der Satzungssitz als Anknüpfungskriterium

C. Fazit

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herangezogen werden. Ferner sollte der Gleichlauf von forum und ius beibehalten und auch unter einer EuRestructVO eine umfassende grenzüberschreitende Anerkennung ausländischer Verfahren gewährleistet werden. In eng umgrenzten Fällen ist die Gewährung von Parteiautonomie zu erwägen.

C. Fazit Die Schwäche der Anwendung der EuInsVO auf Restrukturierungsverfahren liegt im COMI-Kriterium. Durch die Judikatur des EuGH zur Niederlassungsfreiheit ist dieses Anknüpfungskriterium verstärkter Wandelbarkeit ausgesetzt, weshalb auch unter der Verordnung die Möglichkeit besteht, forum shopping zu betreiben, auch wenn hier meist hohe Transaktionskosten entgegenstehen dürften. Ferner bedingt der COMI ein Auseinanderfallen von Gesellschafts- und Restrukturierungsstatut, was erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten hervorruft. Untragbar ist der gegenwärtige Zustand für geheime Restrukturierungsverfahren, deren grenzüberschreitende Implikationen dem nationalen Recht überantwortet sind. Hier besteht die Gefahr divergierender mitgliedstaatlicher Zuständigkeitspolitik, sodass potentiell mehrere Gerichtsstände für ein Restrukturierungsverfahren eröffnet sein können. Ferner ist die grenzüberschreitende automatische Anerkennung von Entscheidungen für die Verfahrensparteien nicht gewährleistet. Dies verletzt die Grundsätze der europäischen justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen und vermindert die Praxistauglichkeit grenzüberschreitender geheimer Restrukturierungsverfahren ungemein. Gleichzeitig bestehen dadurch mannigfaltige Möglichkeiten, forum shopping zu betreiben, die aber keinen Wettbewerb der Rechtsordnungen bedingen. Übrig bleibt ein ineffizientes Zuständigkeitsregime, das die Gefahr birgt, von versierten Verfahrensparteien zulasten wenig Informierter ausgenutzt zu werden. Zudem ist zu konstatieren, dass der europäische Gesetzgeber ein ambivalentes Verhältnis zum forum shopping im Bereich des Insolvenz- und Restrukturierungsrechts pflegt und sich mit dieser Problematik nicht zufriedenstellend auseinandergesetzt hat. Deshalb ist gesetzgeberisches Handeln dringend erforderlich. Dabei sollte allerdings nicht der Fehler wiederholt werden, präventive Verfahren unreflektiert und ohne dogmatisches Verständnis dem Anwendungsbereich der EuInsVO zuzuschlagen. Es erscheint erforderlich, die grenzüberschreitenden Implikationen sämtlicher Restrukturierungsverfahren in einer speziellen Verordnung zu regeln. Eine solche Verordnung sollte sich zwar an der EuInsVO orientieren, aber dennoch in mancherlei Hinsicht von deren Grundfesten abrücken. So wären für Gesellschaften statt des COMI eine Anknüpfung an den Satzungssitz sowie punktuelle Rechtswahlmöglichkeiten ein progressiver Weg, um nachhaltige grenzüberschreitende Unternehmensrestrukturierungen im Binnenmarkt zu ermöglichen.

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Kapitel 6: Schlussbetrachtungen und Gesamtfazit

D. Epilog Etwa zur selben Zeit, als Thomas Mann seinen Roman „Buddenbrooks“ veröffentlicht, entscheidet das Reichsgericht in einer wegweisenden Entscheidung, dass der Untergang einer Forderung in einem ausländischen Konkursverfahren im Inland keine Wirkung entfaltet.31 Damit beschreitet das Reichsgericht den Weg einer nur territorialen Betrachtung des Konkurses.32 Die Wirkungen eines Konkursverfahrens blieben danach grundsätzlich auf die Grenzen des Verfahrensstaates beschränkt. Vollständig gibt der BGH diese strenge Territorialitätslehre erst im Jahr 1985 auf.33 Man staunt, wie der europäischen Gesetzgeber das Kunststück vollbracht hat, sich in nur einem Gesetzestext gleichzeitig erfrischend modern und beeindruckend rückwärtsgewandt zu geben.

31 RG, II. Zivilsenat, Urt. v. 11. Juli 1902, Rep. II. 130/02, RGZ 52, 155, 157: „[…] wie ausgeführt, das ausländische Konkordat eben nicht zum Nachteile des inländischen Gläubigers im Inlande wirkt.“ 32 RG, II. Zivilsenat, Urt. v. 11. Juli 1902, Rep. II. 130/02, RGZ 52, 155, 156: „Dass das deutsche Konkursrecht […] doch auf diesem Grundsatze der bloß territorialen Wirkung der ausländischen Konkurse beruht, ergibt sich insbesondere aus der Bestimmung des § 237 KO.“ 33 BGH, Urt. v. 11. Juli 1985 – IX ZR 178/48, I. 4., BGHZ 95, 256, 263 ff.

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Stichwortverzeichnis actor sequitur forum rei (46, 177) Analogielösung (219 ff.) Anerkennung (61, 144 ff., 181 ff., 207 ff.) – automatische (61, 145 ff., 182, 208) – Eröffnungsentscheidung (148 ff., 209) – materiell-rechtliche (188 ff.) – materielle Gestaltungswirkungen (153 f., 210 f.) – Planwirkungen (151, 153 ff., 209, 228) – Verfahrenswirkungen (153 f., 210 f.) – wechselseitige (14, 61) – Wirkungserstreckung (16, 153, 210, 225) COMI (64, 100 ff., 120 f., 227) – Indizien (105 f.) – Sperrfrist (103, 115) – Verlegung (64, 107 ff., 120) – Vermutung (102 ff.) – Zeitpunkt (107, 111, 121, 149 f.) cram-down (25, 27 ff., 58, 71, 156) debt-equity-swap (56, 70, 134, 237) Doppelfunktionaltiät (198 f, 216, 225) Eigenverwaltung (24, 40, 86, 93 f., 201, 234) Eröffnungsentscheidung – siehe Anerkennung EuGVVO (44, 76 f., 164 ff.) – Bereichsausnahme für Konkurse (44, 130, 165 ff., 181 f.) – Entscheidung (183 ff.) – Zuständigkeitsregime (172 ff.) EuInsVO (38, 43 f., 60, 64 f., 80 ff., 160 ff., 170 ff., 228 f.) – Anhang A (87 ff., 146 f., 167 f.) – Anwendungsbereich (82 ff.) – COMI – siehe gesonderter Eintrag – Öffentlichkeit (84 f., 92 f., 97 f.)

EuRestructVO (234 ff.) Eurofood (101 ff.) Formwechsel, grenzüberschreitend (113 f., 236) forum shopping (64 f., 107 ff., 120, 156 f., 169, 218 f., 229 ff.) Fremdrechtsanwendung (74 ff., 138, 139 ff.) Gerichtsstand (3, 41, 60 ff., 107 ff., 156 f.) – exorbitanter (224 f., 227 ff.) – Gerichtsstandsvereinbarung (175 f., 237 f.) – Interessen – siehe Zuständigkeitsinteressen – Sach- und Beweisnähe (46, 51) – Vorhersehbarkeit (46 f., 51, 101, 179, 223, 235) Gesamtverfahren (26, 82 f., 90 f., 96, 202) Geschäftsleiterhaftung (136 ff., 144, 152) Gesellschaftsstatut (70 ff., 75, 126 ff., 128 ff., 191, 196, 228, 235 f.) Gleichlauf forum und ius (47, 60, 121 f., 173, 206, 225, 229, 237) Gründungstheorie (73, 113, 122, 173, 206, 237) Handelsregister (126, 155, 213 f.) Hauptverwaltung (104 ff., 112, 117, 160, 235 f.) Insolvenzstatut (72 ff., 122, 124 ff., 199) Insolvenzstigma (1 f., 16 f.) Internationales Insolvenzverfahren (49 f., 82 ff., 200 ff.) Interedil (101 ff., 104, 117, 223, 235) internationaler Entscheidungseinklang (48) internationales Zivilverfahrensrecht (44 ff.)

262

Stichwortverzeichnis

Kollektivität (26, 132, 170, 179 f, 194, 202, 220, 232) Kollisionsnorm (72 f., 123 f.) Kornhaas./.Dithmar (130 f., 139 ff.; 161, 228)

Restrukturierungsstatut (128 ff., 132, 206) Restrukturierungsverfahren (9 ff., 40) – Interessen (51) – Öffentlichkeit (39, 84 f., 203, 235) – wahrscheinliche Insolvenz (54 f.)

lex fori concursus – siehe Insolvenzstatut Lückenlosigkeit (44, 165 ff, 172)

révision au fond (61, 154, 188, 215, 223, 237) Rom I-VO (189 ff.) Sandrocksche Formel (104, 199) Sanierung (2, 11 ff., 201, 233) Sanierungsmigration (3, 52 f., 108 ff., 120, 170, 233) Satzungssitzverlegung (112 ff.) Sevic (114) Sitztheorie (73, 115, 117, 160, 227) Spiegelbildprinzip (212 ff., 225) Staatsinteressen (47 ff.) StaRUG (96 ff., 133, 149, 152, 168, 183, 197 ff., 207) Streitgenossenschaft (178 ff.)

Mittelpunkt der Hauptsächlichen Interessen – siehe COMI Moratorium (15, 29 ff., 59, 94 f., 151, 209) Niederlassungsfreiheit (74 ff., 139 ff.) ordre public (62, 155 f., 186, 214 f.) par condicio creditorum (49, 132, 193) Parteiautonomie (237) Parteiinteressen (46 f., 177) Polbud (113) Prioritätsprinzip (150) Qualifikation (72 f., 123 f., 128 ff., 137 f.) – autonome (33, 124) – funktionale (123, 127, 131, 207) Rastelli (103 ff.) Rechtsformwahlfreiheit (73, 113) Restrukturierungsbeauftragter (24 f., 36, 93 f., 96, 149 ff., 209 f.) Restrukturierungsmaßnahmen (23 ff., 188, 195) Restrukturierungsplan (21 ff.) – Abstimmung (22, 26 ff., 57, 125, 135 f., 190) – Betroffenheit (56, 202) – Eingriff in Gesellschaftsstruktur (70 ff., 126 ff., 158 f., 191 f., 210 ff., 213) – Kopf- und Summenmehrheit (27, 57, 82) – Maßnahmen (23 f., 55, 126 f.)

Territorialität (240) Universalität (49 f., 101) Urteilsfreizügigkeit (61) Vertragsstatut (192 ff.) Verwaltungssitzverlegung (117 ff.) Vorrang – absoluter (29, 58) – relativer (28, 58) Wettbewerb der Rechtsordnungen (65 ff., 117, 218 ff., 229 ff., 239) Zuständigkeitsinteressen (44 ff., 76 f., 179 f., 224, 229)

Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht herausgegeben von Rolf Stürner

Die Schriftenreihe Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht (VVerfR) ist einem weit verstandenen Verfahrensrecht verpflichtet, ist also weder auf ein Rechtsgebiet noch auf eine Verfahrensart beschränkt. So finden sich etwa auf dem Gebiet des Zivilprozessrechts Arbeiten zum Erkenntnis- wie dem Vollstreckungsverfahren einschließlich des Insolvenzrechts, auf dem Gebiet des Strafprozessrechts Schriften zu Aspekten des Ermittlungs- wie des Hauptverfahrens. Die behandelten Themen sind zugleich ein Spiegel dessen, wie sich die Schwerpunkte der wissenschaftlichen Diskussion verschieben. Neben dogmatischen Arbeiten zu Kernfragen des nationalen Verfahrensrechts sind in den letzten Jahren vermehrt prozessrechtsvergleichende Arbeiten und Arbeiten zum internationalen Verfahrensrecht getreten; ebenfalls deutlich wird das gestiegene Interesse am Schiedsverfahrensrecht und an alternativen Konfliktlösungsmechanismen. ISSN: 0722-7574 Zitiervorschlag: VVerfR Alle lieferbaren Bände finden Sie unter www.mohrsiebeck.com/vverfr

Mohr Siebeck

www.mohrsiebeck.com