Die Geburt der Republic: Staatsverständnis und Repräsentation in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft 9783666367069, 3525367066, 9783525367063

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Die Geburt der Republic: Staatsverständnis und Repräsentation in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft
 9783666367069, 3525367066, 9783525367063

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Historische Semantik

Herausgegeben von Gadi Algazi, Bernhard Jussen, Christian Kiening, Klaus Krüger und Ludolf Kuchenbuch Band 4

Vandenhoeck & Ruprecht

Thomas Maissen

Die Geburt der Republic Staatsverständnis und Repräsentation in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft

Mit 43 Abbildungen

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < http://dnb.d-nb.de > abrufbar. ISBN 10: 3-525-36706-6 ISBN 13: 978-3-525-36706-3

Gedruckt mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und der Stiftung »Dr. phil. Josef Schmid Staatsarchivar von Luzern und Frau Amalie Schmid-Zehnder«.

© 2006 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany.

Umschlagbild: Johann Jacob Schärer, Deckengemälde im Zürcher Rathaus, 1698.

Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck und Bindung: a Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Inhalt

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Republikanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Politische Ordnungsvorstellungen der Städtebürger im Alten Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Politisches Selbstverständnis in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Methodische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . 5. Erkenntnisziel und Vorgehen . . . . . . . . . . . . . .

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1. Jean Bodin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Josias Simlers Von dem Regiment der lobl. Eÿdgenoßschaft . . . 3. Fazit: Die Wörter »Souveraineté« und »Respublica« . . . .

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II. Republiken unter Monarchien: Europa im 17. Jahrhundert . . . .

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I. Das Jahr 1576: Jean Bodin und Josias Simler

1. Monarchie und Republik im politischen Denken bis zum 16. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rohan und das »Interesse« der Staaten . . . . . . . . . . 4. Grotius und das Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Diplomatisches Zeremoniell und Westfälischer Friede . . 6. Venedig und die kleinen italienischen Republiken . . . . 7. Die Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Das Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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78 84 93 98 101 108 114 129 138 148

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Inhalt

III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt . . . . . . . . . . . 1. 2. 3. 4. 5.

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IV. Zürich als Paradigma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Huldrych Zwinglis »Staatsverständnis« . . . . . . . . 2. Das reformierte »Staatsdenken« nach Zwingli . . . . 3. Titulatur, Repräsentation und Geschichtsbild im 17. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Bürgermeister stirbt nie . . . . . . . . . . . . . . 5. Regentenspiegel und politische Ethik . . . . . . . . . 6. Von der konfessionellen zur säkularen Außenpolitik 7. Das niederländische Moment: Petrus Valkenier . . . 8. Die frühaufklärerischen Sozietäten . . . . . . . . . . 9. Das neue Rathaus von 1698 . . . . . . . . . . . . . . 10. Das Naturrecht in der Bürgerbewegung von 1713 . . 11. Die »Virgo Tigurina« und ihre Bürgermeister . . . . 12. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone . .

431

6. 7. 8. 9. 10. 11.

1. 2. 3. 4. 5. 6

Das politische Selbstverständnis der Eidgenossen vor 1648 Die Eidgenossenschaft in der Reichspublizistik . . . . . . . Die Beurteilung der Eidgenossenschaft in Frankreich . . . Wettsteins Mission und der Westfälische Friede . . . . . . Die Sprache des Völkerrechtssubjekts: Souveränität, Interesse, Republik, Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . Die öffentlichrechtliche Literatur nach 1648 . . . . . . . . Protokollarische Konflikte mit Frankreich: die Gesandtschaft von 1663 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Friedensschlüsse und Völkerrecht im späten 17. und 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Schöpfung der »Helvetia« in Malerei und Dichtung . Der Souveränitätshut: Johann Jacob Leus Simler-Edition von 1722 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

Genf . . . Wallis . . Neuchâtel Bern . . . Fribourg .

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434 443 451 456 473

Inhalt

6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20.

Solothurn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Basel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mülhausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schaffhausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . St. Gallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graubünden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Luzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uri, Schwyz, Unterwalden und Gersau . . . . . . Glarus und Appenzell . . . . . . . . . . . . . . . Fürstabtei St. Gallen, Fürstbistum Basel und Biel Baden, Bremgarten, Mellingen . . . . . . . . . . Lausanne, Stein am Rhein, Rapperswil . . . . . . Rottweil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Schluss: Frühneuzeitlicher »Republikanismus« in der Eidgenossenschaft. Ein Definitionsversuch aus der Perspektive von 1798 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Vorwort

»Quae pro reip.[ublicae] utilitate scribuntur aeterna sunto.« Die Inschrift beim Eingang zum Schaffhauser Staatsarchiv ist eitle Hoffnung für den Verfasser einer akademischen Qualifikationsschrift. Doch sein Text ist nicht allein vergänglich, auch die Republik selbst wird nicht ewig währen; und ebenso wenig die Souveränität, die doch zeitlich unbegrenzt sein sollte. Es ist wohl kein Zufall, wenn die historisierte Souveränität sich als das eigentliche Thema dieser Arbeit entpuppt hat – in einer Zeit, in der dieses Hauptmerkmal des modernen Staates sich immer stärker als brüchig erweist, von supranationalen Institutionen und multinationalen Interessengruppen gleichermaßen in Frage gestellt wird. Doch nicht die Souveränität stand am Anfang der Überlegungen zu dieser Habilitationsschrift, sondern die Selbstdarstellung urbaner Eliten im (konfessionellen) Vergleich zwischen Zürich, Genf, Hamburg und Köln. Wenn sich das Projekt erfolgreich in eine andere Richtung entwickelt hat, so haben zahlreiche Professoren, Kollegen, Verwandte und Freunde dazu beigetragen. Luise Schorn-Schütte hat nicht nur bei der ursprünglichen Konzeption der Arbeit mitgedacht und ihren Wandel stets interessiert verfolgt, sondern ihrem Potsdamer Assistenten auch beträchtliche Freiräume belassen – nicht zuletzt mit dem uneigennützigen Rat an die entstehende Familie, ihren Wohnsitz in Zürich, am Arbeitsort meiner Frau, zu nehmen. Dort begannen 1995 die Archivrecherchen, die in einer ersten Phase durch substanzielle Beiträge der Janggen-Pöhn-Stiftung (St. Gallen), der Holderbank-Stiftung (Zug), der Weitnauer-Stiftung (Basel) und der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft Basel getragen wurden. Danach, und über längere Zeit, konnte die Arbeit als Forschungsprojekt des Schweizerischen Nationalfonds weitergeführt werden. Beim SNF hat insbesondere Rudolf Bolzern das Projekt stets mit erheblichem Wohlwollen begleitet. Das andere, nicht nur finanzielle Bein in dieser Zeit wurde die Neue Zürcher Zeitung: Mit großem Vertrauen und erheblichen Freiheiten hat ihr Chefredaktor, Hugo Bütler, den jungen Wissenschaftler mit der neu geschaffenen Zuständigkeit für »historische Analysen« beauftragt. Auch wenn diese vor allem das 20. Jahrhundert betrafen, erlaubten mir die vielfältigen Tätigkeiten etwa als Rezensent und der angeregte 9

Vorwort

Austausch mit Redaktionskollegen, viele Einsichten zu entwickeln, die auch diesem Projekt zugute kamen. Der Kontakt zur universitären Wissenschaft blieb in all den Jahren eng, auch wenn mein Doktorvater, Hans Rudolf Guggisberg, Ende 1995 viel zu früh verstarb. Sein Nachfolger in Basel, Kaspar von Greyerz, hat noch in seinem Zürcher Doktorandenkolloquium einen angeregten Diskussionskreis geschaffen, der als Lesegruppe bis heute existiert. Aus diesem Kreis seien repräsentativ für viele gute Gespräche die anderen noch aktiven Gründungsmitglieder Sebastian Bott und Sandro Salvetti genannt. Ich hatte auch immer wieder Gelegenheit, Teilresultate meiner Arbeit an Tagungen und Colloquien zu präsentieren. Es handelte sich um das Forschungszentrum Europäische Aufklärung in Potsdam (Martin Fontius), das Berner Doktorandencolloquium (Peter Blickle), eine Tagung zur Stadt im Centre d’Etudes Supérieures de la Renaissance in Tours (Gérald Chaix), eine Potsdamer Tagung zur politischen Kommunikation (Luise Schorn-Schütte), zweimal das Bielefelder Colloquium zur Vormoderne (Wolfgang Mager und Andreas Suter), das Collège de France (Emmanuel Le Roy Ladurie), eine Genfer Tagung zur Schweizer Stadtgeschichte (François Walter), die Tagung zum Schweizer Republikanismus in Ascona (Simone Zurbuchen), eine Münsteraner und Pariser Tagung zu Kunst und Westfälischem Frieden (Klaus Bussmann und Jacques Thuillier), das rechtshistorische Colloquium an der Universität Genf (Bénédict Winiger), das Frankfurter MPI für Rechtsgeschichte (Michael Stolleis), das Vormoderne-Colloquium der Universität Basel (Achatz von Müller), das Frühneuzeitcolloquium in Frankfurt (Luise Schorn-Schütte), der Zürcher Ausspracheabend für Rechtsgeschichte (Marcel Senn und Clausdieter Schott), die Genfer Société d’Histoire et d’Archéologie (Alexis Keller), die Zürcher Colloquien zu Kirchengeschichte (Emidio Campi) und zur Frühen Neuzeit (Bernd Roeck), die Basilea-Ausstellung in der Basler Skulpturhalle (Stefan Hess), das Münsteraner Colloquium zur Vormoderne (Ulrich Pfister) und die Zürcher Antiquarische Gesellschaft (Peter Niederhäuser), eine Neuenburger Konferenz zur Rolle des Imperiums in der Westschweiz (Jean-Daniel Morerod) und diejenige in Jena zu frühneuzeitlichen Freiheitsvorstellungen (Georg Schmidt). Den genannten und ungenannten Organisatoren und den Teilnehmern dieser Veranstaltungen bin ich für die Einladungen und ungezählte Anregungen zu großem Dank verpflichtet. Viele Antworten, manchmal auch auf schriftliche Anfragen, erhielt ich von den Staats-, Stadt- und Landesarchivaren und ihren Mitarbeitern in Appenzell, Basel, Bern, Chur, Den Haag, Fribourg, Genf, Glarus, 10

Vorwort

Herisau, Köln, Luzern, Mulhouse, Neuchâtel, Obwalden, Rottweil, St. Gallen, Schaffhausen, Schwyz, Sion, Solothurn und Zug. Wohl aufgehoben und gut beraten wusste ich mich als Dauergast im Zürcher Staatsarchiv und in der Zentralbibliothek Zürich, ganz besonders in der Abteilung Alte Drucke. Für einzelne, wichtige Hinweise und Anregungen danke ich außerdem den Mitarbeitern der Zürcher Bullinger-Edition, namentlich Hans Ulrich Bächtold und Rainer Henrich, sowie Christine Barraud-Wiener, Lucas Burkart, Georg Carlen, Walter Dettwiler, Thomas Fröschl, Angela Gastl Hartmann, Fritz Glauser, Daniel Guggisberg, Urs Hafner, Eco Haitsma Mulier, René Hauswirth, Stefan Hess, André Holenstein, Michael Kempe, Helmut G. Koenigsberger, Georg Kreis, Niklaus Landolt, Thomas Lau, Dominique Liechtenhan, Guy P. Marchal, Franz Mauelshagen, Nicolette Mout, Simon Netzle, Robert Oresko, Christian Renfer, Rémy Scheurer, Rudolf Schnyder, Klaus Schreiner, Sven Tode, Maurice de Tribolet, Martin van Gelderen, Wyger Velema, Matthias Waschek, Regula Weber-Steiner, Matthias Weiß; und vielen anderen. Jon Mathieu hat das Werk einer aufwendigen Kritik unterzogen und den Aufbau angeregt, wie er jetzt auch vorliegt. Teile der Arbeit oder den ganzen Text haben außerdem kritisch durchgelesen Alfred Bürgin, Daniela Hacke, Urs Jost, Günther Mattern und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Heidelberg: Marion Bechtold, Isabelle Deflers, Thorsten Fuchs, Verena Gander, Pit Kapetanovic, Erika Lokotsch, Sebastian Meurer und Susan Richter. Von den Luzerner Mitarbeiterinnen hat Anne Fochler Yammine das Manuskript durchgesehen, Daniela Schmied zudem einmal mehr mit Akribie Lücken gefüllt und das Register erstellt. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank ebenso wie den Herausgebern der »Historischen Semantik«: Gadi Algazi hat meine Arbeit für diese neue Reihe vorgeschlagen, noch bevor sie beendet war, Bernhard Jussen und Christian Kiening haben sich seinem Urteil angeschlossen. Die Veröffentlichung wird ermöglicht durch Druckkostenbeiträge des Schweizerischen Nationalfonds und der Dr. Josef Schmid-Stiftung in Luzern. Wie diese Institutionen haben Martin Rethmeier und Dörte Rohwedder beim Verlag Vandenhoeck & Ruprecht enormen Langmut bewiesen mit einem Autor, der die versprochenen Kürzungen wegen dreier anderer Buchpublikationen und Luzerner wie Heidelberger Verpflichtungen schließlich erst mit dreijähriger Verspätung vornehmen konnte. Das waren zuletzt fast fünf Jahre, seitdem er die Habilitationsschrift Anfang Februar 2001 an der Universität Zürich eingereicht hatte. Sie fand damals im Kommissionspräsidenten Peter Stotz, in Carlo Moos und Roger Sablonier sowie dem auswärtigen Gutachter Ul11

Vorwort

rich Pfister (Münster) eine kritische und sachkundige Beurteilung, die mir in verschiedener Beziehung weitergeholfen hat. Ebenfalls der Habilitationskommission angehört hat Bernd Roeck als Fachvertreter für frühneuzeitliche Geschichte. Nach seiner Berufung nach Zürich hat er mich zuverlässig, kompetent und kollegial durch das Verfahren begleitet, wofür ihm herzlich gedankt sei. Mein Vater, Bernhard Maissen, hat mir in monatelanger Arbeit eine Datenbank für die Bibliographie dieser Arbeit entworfen und solange meinen Wünschen angepasst, bis keine mehr offen waren. Er hat den Abschluss der Habilitationsschrift noch erlebt, aber leider nicht mehr die Drucklegung dieser gekürzten Version, die ihm – auch sonst – vieles schuldet. Dass Freiheiten Privilegien sind, mehr oder weniger verdient verliehen und weniger souverän errungen als mühsam verteidigt, das erfährt man während langen, erfüllten Jahren an einer Habilitationsschrift. Dieses Privileg, den Alltag mit einem großen Ziel, aber wenigen äußeren Zwängen selbst einteilen zu können, habe ich genutzt und geteilt mit meiner Frau, Martina Bächli, und den vier Kindern, die während dieser Arbeit zur Welt kamen: Lucas, Valentin, Patricia und Anna. Ihnen allen sei dieses Buch gewidmet als Erinnerung an eine – nicht nur, aber in erster Linie – ihretwegen sehr schöne, einmalige Zeit. Heidelberg, im Dezember 2005

Thomas Maissen

Vorwort

Einleitung und Forschungsstand

Governments or governors are either supreme or subordinate. For absolute monarchy to admit in its precincts any government or governors, that are not subordinate but supreme, were a plain contradiction. But that regulated monarchy, and that democracy may do it, is seen in the princes of Germany and in the cantons of Switzerland; nevertheless, these being governments that have derived this not from the wisdom of any legislator, but from accident, and an ill disposition of the matter, whereby they are not only incapable of greatness but even of any perfect state of health, they come not under the consideration of art, from which they derive not; but of chance, to which we leave them. James Harrington, A System of Politics (ca. 1660), 5, 101 Was unsre Eidsg. Republiken betrift, so sein dieselben alle Werke des Zufalls. Keiner war bestimmt und keiner war eingerichtet, ein freier unabhängiger Staat zu werden. Sie wurden in der Zeit der Barbarei nach und nach freier; und nach den Absichten und dem Eigennuzzen derienigen, die darinne Meister sein wollten, ohne auf die wahren Erforderniße eines Staates zu sehen, gebildet. Nun stehn sie in einer vollkommnen Unmöglichkeit verbeßert zu werden, ihrer Schwäche und Verwirrung da und erwarten biß sie endlich durch ihre innerliche Krankheit nach und nach verzehret oder von einem mächtigen Fremden aufgefreßen werden. Isaak Iselin, Brief an Salomon Hirzel, 23. Mai 17582

James Harrington und Isaak Iselin treffen sich in ihrem Verdikt über die eidgenössischen Republiken – es sind Produkte des Zufalls, von »chance« und »accident«. Niemand hat sie rational so eingerichtet, wie sie sein sollten. Gleichwohl erfüllen sie, als Ausnahmen in ihrer Zeit, eine Voraussetzung, die beide, Iselin wie Harrington, und auch sie diesbezüglich eher Ausnahmen in ihrer Zeit, grundsätzlich als günstig für ein wohlgeordnetes Staatswesen ansehen: Es sind keine Monarchien. Im Gegenteil, das monarchische Element fehlt bei den Schweizern völlig, was sie von den übrigen frühneuzeitlichen Republiken unterscheidet: Venedig und Genua mit ihren Dogen, die nieder-

1 Harrington, Oceana, 1992, S. 277 = ders., Works, 1977, S. 840 f. 2 StABS , Privatarchiv 98 (Iselin Archiv), 57, 230/231; zitiert bei Im Hof, Iselin, 1947, S. 207; vgl. 453.

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Einleitung und Forschungsstand

ländischen Generalstaaten mit dem oranischen Statthalter, nicht zu reden von den Ländern, die im 18. Jahrhundert manchmal Republik genannt werden, weil die monarchische Gewalt ständisch oder parlamentarisch stark eingeschränkt ist, England oder Polen. Sie alle könnte man mit mehr oder weniger Mühe einer staatsrechtlichen Analyse unterziehen, Harringtons »consideration of art«, nicht aber die Eidgenossenschaft, die wie das Heilige Römische Reich deutscher Nation nur als historisches Produkt erklärbar ist, als Geburt der Umstände und ohne die formende Gestaltungskraft von Staatsmännern oder politischen Denkern. Zwar ist die frühneuzeitliche Schweiz eine Republik, die Verfassungsform, wie sie Harrington vorschwebt. Doch die Eidgenossenschaft verfügt nicht über die Qualitäten, welche die Theoretiker am Freistaat rühmen, und sie gehorcht auch nicht den staatsrechtlichen Kriterien, mit denen die Theoretiker diese Staatsform zu analysieren pflegen. Deshalb überlassen sie die Eidgenossenschaft ihrer historischen Zufälligkeit. Das gilt nicht nur für Harrington, sondern auch für die moderne Erforschung des Republikanismus. Außerhalb der Schweiz interessiert sie sich kaum für ein Land, das vor Rousseau keinen bekannten politischen Philosophen hervorgebracht hat. In der Schweiz selbst ist der Republikanismus gründlicher erst in der Aufklärungszeit untersucht worden, in der Epoche eines Isaak Iselin, der sich reflektiert und zugleich kritisch damit auseinandergesetzt hat. Dabei wird implizit vorausgesetzt, dass er sich mit einer zeitlosen eidgenössischen Spezialität beschäftigte, wo er von der Republik handelte. Dass dem nicht so ist, will diese Arbeit zeigen: Wann und weshalb in der Schweiz ein republikanisches Selbstverständnis entstand, das diesen Namen verdient.

1. Republikanismus Republikanismus ist ein modisches Thema oder wenigstens eine modische Bezeichnung für Themen, die man unter diesem Namen situieren will.3 Als historiographische Kategorie ist »republicanism« schon etwas älter und wird im Rückblick auf eine scheinbar vergangene Epoche geprägt. H. A. L. Fisher versteht sein 1911 erschienenes Buch The Republican Tradition in Europe als Pionierwerk und erwähnt die Historia del Movi3 Einen ausgezeichneten Überblick über die gegenwärtige philosophische und historische Forschung liefert Geuna, Tradizione repubblicana, 1998.

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1. Republikanismus

miento Republicano des Andalusiers Emilio Castelar als einzigen anderen, aber »exuberanten« Versuch auf diesem Gebiet.4 Mittelfristig zum Begründer des gegenwärtigen historischen Interesses am Republikanismus wird Hans Baron, wohl ohne direkten Bezug zu Fisher, sondern inspiriert von der politischen Situation im Deutschland der Zwischenkriegszeit und seinem Lehrer Ernst Troeltsch sowie dessen geistesverwandtem Freund Max Weber. Bei der Verteidigung der Weimarer Republik und in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus verschiebt sich Barons Ansatz von einer geplanten, aber trotz Vorarbeiten nie erschienenen Monographie über Calvinist Republicanism hin zum italienischen Civic Humanism als Wurzel des modernen Republikanismus, wofür er bereits 1925 das deutsche Wort »Bürgerhumanismus« geprägt hat.5 Kann eine Zivilgesellschaft ohne Bürgertugenden existieren? Barons Konfrontation der Florentiner Republikaner mit den tyrannischen Visconti ist von dieser brutal aktualisierten Grundproblematik ebenso getragen wie Hannah Arendts Wiederentdeckung der aristotelischen Vita activa als aktiver Partizipation des Bürgers, der nur so die Voraussetzungen von Freiheit und Sicherheit bewahrt, die in demokratischen Massengesellschaften stets durch Totalitarismen bedroht sind.6 Die philosophischen und historiographischen Anregungen der beiden deutsch-jüdischen Emigranten werden kaum zufällig in den sechziger Jahren in den USA stark rezipiert, als das Selbstverständnis einer freiheitlichen Nation im vietnamesischen Sumpf in die Irre geht. Die dominante liberal-individualistische, vor allem auf Locke zurückgeführte Denktradition weist Deutungsdefizite auf, denen man aus politischen wie methodischen Gründen aber auch nicht mit einem marxistischen Determinismus abhelfen will. Der Suche nach den unschuldigen Ursprüngen der »founding fathers« und über sie zu den reinen europäischen Wurzeln gilt die Präsidialadresse des VenedigSpezialisten Frederic C. Lane, die er 1965 vor der American Historical Association hält: »Ideas born in Athens lived in Florence and are alive today«. Mit traditionell republikanischem Pathos beklagt er die Dekadenz von Verfassung und Moral, die auch die USA nicht ausnehme, »now when our republicanism has become similarly old and corrupt«.7 In ähnlichem Geist präsentiert wenig später William Bouwsma Ve-

4 Fisher, Republican Tradition, 1911, S. v/vi. 5 Graf, Tagtraum, 2000; vgl. Baron, Calvinist republicanism, 1939, S. 40; ders., Crisis, 1955. 6 Ar endt, Revolution, 1965; dies., Vita activa, 1981. 7 Lane, Roots, 1966, S. 417 f., 420.

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Einleitung und Forschungsstand

nedig als freiheitliches Modell während der gegenreformatorischen »Finsternis«.8 Mit dem in der Mitte der sechziger Jahre begonnenen und 1975 veröffentlichten The Machiavellian Moment legt John G. A. Pocock die Basis der aktuellen Forschungsdiskussion und eine magistrale Synthese disparater älterer Ansätze vor:9 Barons civic humanism, Felix Gilberts Studien zu Machiavelli und Guicciardini, die von Zera S. Fink 1945 erforschten »classical republicans« der englischen Revolutionszeit und die von Caroline Robbins 1959 präsentierten »commonwealthmen« des 18. Jahrhunderts. Aus diesen europäischen Bewegungen leitet Pocock eine »atlantic republican tradition« her, wobei er die von Bernard Bailyn und Gordon Wood in den späten sechziger Jahren vertretene Neuinterpretation der amerikanischen Revolution aufnimmt, die nun weniger als Produkt von Lockes Liberalismus verstanden wird, sondern auch als Ausdruck republikanischer Anliegen.10 Pocock versteht den »classical republicanism« weniger als kohärente Theorie im engen Sinn denn als Sprache der Bürgertugend, die in veränderten historischen Situationen übernommen und aktualisiert werde. Im 18. Jahrhundert führt er dies hin auf den Gegensatz von republikanischem »homo politicus« und liberalem »homo mercator«, von »civic humanism« und »natural rights«, von »virtue« und »commerce«, womit die amerikanische Revolution als »last act of the civic Renaissance« vor dem Triumph des Liberalismus dasteht.11 Auf der einen Seite steht also die letztlich aristotelische Vorstellung von kollektiver Freiheit, die ermöglicht wird durch Pflichterfüllung für das Gemeinwohl und politische Partizipation. Damit konfrontiert Pocock, auf der anderen Seite, die Vorstellung von naturgegebener individueller, durch eine anonymstaatliche Rechtssphäre geschützter Freiheit, die zur Verfolgung persönlicher (materieller) Interessen dient. Die aristotelisch-griechische Traditionslinie des Republikanismus als Partizipation entspricht in der Terminologie Isaiah Berlins der positiven Freiheit und in derjenigen Benjamin Constants der politischen 8 Bouwsma, Venice, 1968. 9 Pocock, Machiavellian Moment, 1975; zur (marxistischen) Kritik und seinen Repliken ders., Machiavellian Moment Revisited, 1981; ders., Gog, 1987, als Erwiderung auf P ecchioli, Mito, 1983. Für den Erfolg von Pococks Republikanismus-Konzept in den USA Rodgers, Republicanism, 1992. 10 Fink, Republicans, 1945; Robbins, Commonwealthmen, 1959; Bailyn, Origins, 1967; Wood, Creation, 1969. 11 Pocock, Machiavellian Moment, 1975, S. 462, 550; zur Methode und »politischen Sprache« unten, S. 34.

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1. Republikanismus

»liberté des anciens«; in ihrer modernen Konsequenz läuft sie auf die direkte Demokratie hinaus.12 Dagegen hat Quentin Skinner seine Interpretation des Republikanismus in letzter Zeit zusehends zu einer »neoroman theory of free states« verlagert, wobei namentlich seit der englischen Revolution der Schutz des individuellen Bürgers vor Willkür im Mittelpunkt steht, also letztlich der Rechtsstaat. Skinners Hauptanliegen ist weniger die Pocock’sche politische Tugend als der Gegensatz zwischen der Freiheit des Bürgers und den von der Staatsmacht ausgehenden Verpflichtungen, damit einerseits die gleichmäßige Partizipation an der Gesetzgebung und andererseits der Schutz des Einzelnen vor Sklaverei.13 Ausgehend von Skinner versteht auch Philip Pettit republikanische Freiheit als »non-domination«, nämlich als Verwahrung selbst gegen bloß potenzielle Willkür, wie sie auch im nichtstaatlichen Bereich begegnen kann.14 Ein Problem teilt allerdings Skinner mit Pocock: Nicht nur 150 Jahre und ein halber Kontinent trennen die tragenden Säulen ihrer Konzepte, Machiavellis Italien und Miltons England, sondern auch ein unterschiedlicher historischer Erfahrungshorizont. Kann man also tatsächlich von einer kontinuierlichen Tradition von Bürgerhumanismus oder Republikanismus in Europa ausgehen? Die Suche nach entsprechenden Belegen im nordalpinen Festlandeuropa hat erst vor kurzem richtig eingesetzt. Während die amerikanische Entdeckung der republikanischen Tradition vor der moralischen Krise der sechziger Jahre zu verstehen ist, scheinen zwei Impulse die entsprechenden Forschungsbemühungen in Europa anzustoßen: einerseits der problematische Aufbau einer »civil society« in den vormals staatssozialistischen Ländern, andererseits eine historische und philosophische Begründung für das säkulare und überethnische Projekt einer europäischen Union als Bürgergesellschaft. In diesem Zusammenhang kann man das von der European Science Foundation finanzierte Forschungsvorhaben »Republicanism: a shared European heritage« deuten, das von Skinner und Martin van Gelderen geleitet worden ist und sich in zwei Bänden mit Beiträgen zu den verschiedenen Ländern des Kontinents niedergeschlagen hat. Darin wird in mehreren Beiträgen der Republikanismus als Antimonarchismus thematisiert.15 Bei früheren Autoren, gerade etwa Pocock, ist die republikanische Verfas-

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Berlin, Concepts, 1958; Constant, Liberté, 1980. Skinner, Liberty, 1998, S. 11, 17–25, 36, 54 f. P ettit, Republicanism, 1997. So Velema, Republic, 2002; Dzelzainis, Anti-monarchism, 2002; Scott, Classical Republicanism, 2002.

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Einleitung und Forschungsstand

sung im eigentlichen Sinn, also ohne gekröntes Haupt, nicht im Vordergrund gestanden, sondern die Bürgertugenden. Auch Antony Black führt, von einem anderen Ansatz her, eine Liste von republikanischen Normen an: die gerechte und gleiche Behandlung der Bürger hinsichtlich Rechtsprechung, Steuer und Wehrdienst sowie die Verpflichtung, dem Gemeinwohl zu dienen. Davon unterscheidet Black die republikanische Verfassung als solche, die entstehe, wenn Regierende gewählt werden und dem Gesetz unterworfen bleiben, die Bürger an der Entscheidungsfindung partizipieren und die Gemeinschaft auch gegen außen souverän ist.16 So verstanden, kann das republikanische Wertsystem durchaus in Staaten gelten, die nicht republikanisch verfasst sind. Dagegen hat namentlich Blair Worden wiederholt betont, dass von Republikanismus sinnvollerweise nur dort gesprochen werden sollte, wo er auch tatsächlich mit einer klaren konstitutionellen Präferenz für die Republik verbunden ist.17 Bei einer solchen Vorgehensweise richtet sich der Blick weniger auf philosophiegeschichtliche »Tunnelgeschichten« wie diejenige Pococks, sondern auf diejenigen kontinentalen Staaten, die über Jahrhunderte hinweg als Freistaaten verfasst waren. Grundlegend bleibt in dieser Hinsicht, auch dank ersten Syntheseversuchen des Herausgebers, Helmut G. Koenigsbergers 1988 erschienener Tagungsband Republiken und Republikanismus in der Frühen Neuzeit.18 Ein besonderes Interesse verdient neben den italienischen Stadtstaaten, zu denen Franco Venturi grundlegende Überlegungen beigesteuert hat,19 der »momento olandese«, die Modellwirkung der Generalstaaten, deren Berücksichtigung Salvo Mastellone bereits eingefordert hat.20 Mit Ernst Heinrich Kossmann und Eco Haitsma Mulier kann man annehmen, dass die holländische Entwicklung sich nicht mit dem »Machiavellian moment« harmonisieren lässt.21 Vielmehr ist sie Teil einer anderen epochalen Entwicklung, wie Kossmann festhält: »Indeed, one of the crucial developments in European, and for that matter world history, was the adoption of sovereignty by potentially democratic bodies or – to put it crudely – the suddenly discovered possibility that absolutist democracy

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Black, Republikanismus, 1998, S. 13, 17. Wor den, Republicanism, 1991; vgl. auch Geuna, Tradizione, 1998, S. 112. Koenigsberger, Republiken, 1988; ders., Republicanism, 1997. Venturi, Utopia, 1970, bes. S. 31–33, 86–90, 114. Mastellone, Repubblicani, 1985, S. 151. Pocock, Problem, 1982; Kossmann, Dutch republicanism, 1985; Mulier, Controversial republican, 1990.

1. Republikanismus

might be a satisfactory form of government.«22 Ein anderer hervorragender Kenner der niederländischen Verhältnisse, Herbert H. Rowen, hält eine Tatsache fest, die in der gesamten Diskussion um den Republikanismus zu wenig beachtet wird, nämlich seine Historizität: »The ›monarchy-republic‹ division is quite modern, and begins to take clear shape only in the seventeenth century.«23 Rowens ebenso knappe wie wichtige Überlegungen betonen zu Recht die ständische Ordnung als Gemeinsamkeit von Monarchie und Republik in der Frühen Neuzeit, ohne aber darauf einzugehen, inwiefern das Souveränitätskonzept die Interpretation der Verfassungen verändert. Überblicksdarstellungen zu diesen alteuropäischen Republiken gibt es nur wenige, so Yves Durands Buch Les Républiques au temps des Monarchies von 1973, das die Parallelen zwischen republikanischer Verfassung und religiöser, vor allem calvinistischer Heterodoxie wohl allzu stark betont.24 Materialreich ist die leider unpublizierte Wiener Dissertation Thomas Fröschls über Die frühneuzeitliche Republik (1981), mit der die vorliegende Studie manche Fragen der Begrifflichkeit, der Selbstdarstellung und des diplomatischen Zeremoniells gemeinsam hat. Einzelne seiner Ergebnisse hat Fröschl in Form von Aufsätzen publiziert und dabei starkes Gewicht auf »republikanische« Konstanten im Auftritt und bei der Repräsentation gelegt: die Betonung des Kollektivs anstelle der Einzelperson, ein besonderes Amtsethos, der Kult der Libertas und der Gesetze.25 Wie fast die ganze bisherige Literatur geht aber auch Fröschl davon aus, dass ein Staat automatisch zur »Republik« wird, wenn ein König fehlt, und sich dann entsprechend repräsentiert; dass also die freistaatliche Option dank dem antiken Muster zeitlos gegeben ist. Im Unterschied dazu will die vorliegende Untersuchung das Phänomen der Republik aufgrund der Annahme historisieren, dass der polyarchischen oder gemischten Verfassung erst in einer bestimmten historischen Situation der Name »Republik« gegeben wird und dass sich erst danach ein republikanisches Selbstverständnis entwickeln kann.

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Kossmann, Singularity, 1976, S. 13 f. Rowen, Kingship, 1966, S. 421. Durand, Républiques, 1973. Fröschl, Republik, 1981; vgl. ders., Selbstdarstellung, 1988; Virtues, 1998.

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2. Politische Ordnungsvorstellungen der Städtebürger im Alten Reich Im deutschen Sprachraum taucht »Republikanismus« als Forschungsthema spät auf.26 Erst mit Wolfgang Magers 1984 gedrucktem Artikel »Republik« für die Geschichtlichen Grundbegriffe und Koenigsbergers erwähntem Sammelband breitet sich die Diskussion um den Republikanismus aus. Darin nimmt Heinz Schilling das Begriffspaar »Republik« und »Republikanismus« bereitwillig als Paradigma auf, um nicht-monarchische Ordnungsvorstellungen auf internationaler Ebene zu vergleichen. Er verwendet »Republikanismus« nicht in einem engen, antimonarchischen Sinn, sondern als Distanzierung von der »Welt des Adels und der Fürsten«, als städtebürgerliche Rechts- und Politikideale, die dahingehend untersucht werden, inwiefern sie als Vorläufer des modernen Rechtsstaats erfasst werden können.27 Einen impliziten, aber »veritablen Republikanismus« findet Schilling bei städtischen Konflikten innerhalb der Bürgerschaft oder mit Territorialherren, wenn Egalität (bei Lasten und in den Gremien), Konstitutionalität, Partizipation am Regiment, Öffentlichkeit oder persönliche Grund- und Freiheitsrechte gefordert werden. Damit werden die Städte des Alten Reiches zu Vorstufen oder »Bausteinen« einer »wirklichen«, auf Individualrechten beruhenden republikanischen Theorie, wie sie erst nach 1789 begegnet.28 Schillings Vorgehen ist also stark entwicklungsgeschichtlich geprägt und vor dem Hintergrund der Modernisierungs- beziehungsweise Konfessionalisierungsdebatte zu verstehen. Es steht in der Tradition eines erstmals 1963 erschienenen, wirkungsmächtigen Aufsatzes von Otto Brunner, der städtische Konflikte in der Zeit der Oligarchisierung als Gegensatz von Jean Bodin und Althusius, vom nur Gott verantwortlichen Absolutismus der Obrigkeit und den genossenschaftlichen Idealen der Bürgerschaft verstanden hat.29 Die oft harmonisierenden politischen Wert- und Ordnungsvorstellungen des städtischen Bürgertums sind seit Brunner verstärkt erforscht worden, so bei Hans-Christoph

26 Wenig sinnvoll die Verwendung bei Schubert, Reichstage, 1966, S. 525–578; eine frühe Rezeption dann bei Dopheide, Republikanismus, 1980. 27 Schilling, Republikanismus, 1988, S. 122. 28 Schilling, Republikanismus, 1988; ähnlich ders., Stadt, 1991, S. 24, 34. 29 Brunner, Souveränitätsproblem, 1968.

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2. Politische Ordnungsvorstellungen der Städtebürger im Alten Reich

Rublack, Bernd Roeck oder Eberhard Isenmann.30 Manche Einzelstudie und einige vergleichende Arbeiten haben auch die von Brunner thematisierten Verfassungskonflikte nach sich gezogen. Dabei ist deutlich geworden, dass die Opposition gegen das erstarrte patrizische Regiment vorwiegend von wirtschaftlichen Aufsteigern getragen wurde.31 Für sie ist der Territorialfürst oder zu einem späteren Zeitpunkt, über den Prozessweg, auch der Kaiser das modernisierende Moment.32 In Bielefeld haben sich verschiedene Forscher dem vormodernen, ständisch fundierten »polyarchischen Ratsregiment« gewidmet, wie es Wolfgang Mager nennt, ebenso dessen Ordnungsvorstellungen und dem Weiterwirken republikanischer Vorstellungen im 19. Jahrhundert.33 Mager möchte das Wort Republikanismus für die theoretisch fundierte, moderne Lehre von der Republik reservieren, der es nicht mehr um die aristotelische Regimentenlehre als Suche nach der richtigen hierarchischen Ordnung im Gemeinwesen zu tun ist, sondern um eine Verfassungslehre als Regelung der Beziehung zwischen Bürgergesellschaft und Staat. »Republik« wäre demnach im Sinn von Thomas Paine und Kant zu beschränken auf den »Staat mit gewaltenteilig-repräsentativer Verfassung und der Geltung vorstaatlicher Grundrechte«.34 Für die frühneuzeitlichen Polyarchien rekurriert Mager stattdessen auf das Konzept der »konsensgestützten Herrschaft«. Zentrale Prinzipien sind dabei die städtische Autonomie gegen außen, die Teilhabe nicht an der Herrschaft, sondern an kollektiven Privilegien, iura et libertates, und der vor allem durch Wahlprozeduren ermöglichte und legitimierende Konsens zwischen Regierenden und Regierten.35 Mager hebt die Analogien zwischen fürstlicher und städtischer Herrschaft hervor; man solle in der Frühen Neuzeit weniger von einer »Oligarchisierung« als von einer »Professionalisierung« der Räte sprechen, welche die Auswahl zunehmend auf im praktischen Sinn »Regimentsfähige« und damit insbesondere auf Juristen beschränkt habe. Der städtische Rat werde in der ständischen Gesellschaft ebenso als naturgegebene, organologisch zwingende Herrschaft angesehen wie der Fürst – als Haupt des politischen 30 Rublack, Grundwerte, 1982; Borst, Verfassung, 1984; Roeck, Augsburg, 1989, S. 215–225, 228 f.; Isenmann, Norms, 1997. 31 So Friedrichs, Town Revolts, 1982; ders., Early Modern City; Gerteis, Stadtrevolten, 1981; Pr ess, Reichsstadt, 1987; Zück ert, Republikanismus, 1991. 32 Lau, Bürgerunruhen, 1999, S. 513–520. 33 Nolte, Bürgerideal, 1992. 34 Mager, Republikanismus, 1998, S. 249. 35 Meier/Schr einer, Stadtregiment, 1994; Meier, Mensch, 1994; ders., Republikanische Ikonographie, 1998; Schr einer, Teilhabe, 1996.

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Körpers oder als »repraesentatio« im wörtlichen Sinn von »Vergegenwärtigung … der Körperschaftsmitglieder ›ut universi‹ gegenüber den Körperschaftsmitgliedern ›ut singuli‹ und insofern als Regiment«.36 In einer zeitgenössischen, korporationsrechtlichen Formulierung lautet derselbe Sachverhalt bei Johann Jacob Moser: »Ein Land-Ständisches Corpus stellet in Landes-Sachen die gesammte Landes-Innwohnerschafft vor«, und Otto Brunner hat ihn später wegweisend neu formuliert: »Die Stände ›vertreten‹ nicht das Land, sondern sie ›sind‹ es.«37 Da die als »Identität« verstandene Repräsentation keine Vorstellung eines Mandats und damit einer Gebundenheit der Regierung beinhalte, gebühre dem Regiment unbedingter Gehorsam.38 Mager kritisiert die germanistisch-rechtsgeschichtliche Dialektik von (fürstlicher) Herrschaft und (freiheitlicher) Genossenschaft, die auf Otto von Gierke zurückgeht und wiederum Peter Blickles ausdrücklich gegen Otto Brunner formulierte Betrachtungsweise prägt. Blickle geht davon aus, dass es außer dem größtenteils begangenen, aber verlustreichen fürstlich-absolutistischen Weg in die Moderne auch egalitäre, genossenschaftlich-selbstverwaltete Alternativen gegeben habe, nämlich in der strukturell ähnlichen städtischen und ländlichen Gemeinde des »gemeinen Mannes« als Vorläufer des späteren Staatsbürgers.39 In dieser Sichtweise »ist der Parlamentarismus der Komparativ zu Kommunalismus … Der Superlativ zu Kommunalismus freilich heißt Republikanismus.«40 Die gesellschaftliche Organisationsform des Kommunalismus habe »das Modell der republikanischen Staatsform in nuce in sich« getragen und unter günstigen Bedingungen seine institutionelle Form – etwa in Graubünden oder im Wallis –

36 Mager, Genossenschaft, 2000, S. 105 f.; zu ähnlichen Schlüssen kommt im Zusammenhang mit Althusius Kossmann, Popular sovereignty, 2000, S. 159–161; ebenso kurz zur Schweiz P eyer, Verfassungsgeschichte, 1978, S. 55. 37 Brunner, Land, 1981, S. 423 (= ibid., 1939, S. 485); Moser zitiert bei Stollberg-Rilinger, Vormünder, 1999, S. 82. 38 Mager, Genossenschaft, 2000, S. 109 f. 39 Blickle, Parlamentarismus, 1993, S. 12. Blickles Verwendung von Gierke ist relativ neu, aber dafür dezidiert, vgl. Blickle, Gierke, 1995, dort S. 262 zu »Herrschaft und Genossenschaft« als heuristische Kategorien. Die »diametrale« Gegenüberstellung Kommunalismus-Feudalismus ist bei Blickle hingegen häufig, auch ohne Rekurs auf Gierke, so Blickle, Kommunalismus, 1986, S. 555; vgl. ders., Kommunalismus, 1, 2000, S. 159. Für die Problematik dieser Dichotomien Wunder/Hauptmeyer, Feudalismusbegriff, 1991; Mager, Genossenschaft, 2000. 40 Blickle, Kommunalismus, 1986, S. 546.

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3. Politisches Selbstverständnis in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft

als Freistaat gefunden.41 Blickle identifiziert also »republikanisch« mit »korporativ-bündisch« und versteht die gemeinwohlorientierte »Republik« als Gegenbegriff zu eigennütziger »Herrschaft«, nämlich als »Freiheit der Bürger, durch Gesetze kontrollierte politische Machtausübung (regimen politicum) durch mehrere oder viele (dominium plurium)«.42 In Blickles Umfeld ist nicht nur das Wort »Republik(anismus)« bereitwillig, aber recht inkohärent aufgegriffen worden,43 sondern auch die angebliche Genese des Phänomens: »Communitas … ist nach dem neuesten Stand der Forschung der Vorläuferbegriff für Respublica bzw. Republik.«44 Von anderer Seite ist Blickles Konzept des »Republikanismus« aber auch kontrovers diskutiert worden, etwa von Robert von Friedeburg mit dem Hinweis, dass für Blickle zentrale Begriffe wie »Gemeinnutz« Gemeinplätze der gesamten frühneuzeitlichen Politiktheorie darstellen, gerade auch der fürstlichen; von einem »veritablen reichsstädtischen Republikanismus, der sich vom monarchischen Organisationsprinzip unterschieden hätte«, möchte Friedeburg nicht reden.45

3. Politisches Selbstverständnis in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft Bei aller methodischen Innovation und Differenziertheit erinnert Peter Blickles Dichotomie Feudalismus-Kommunalismus/Republikanismus an die Gegenüberstellung von (österreichischem) »Feudalismus« und (helvetischer) »Demokratie« in der älteren liberalen Schweizer Historiographie.46 In einer Kontinuitätslinie, die letztlich Habsburg, Reich, Kaiser und Deutschland gleichsetzt, ist dort die Eidgenossenschaft seit

41 Blickle, Untertanen, 1981, S. 142; vgl. ders., Kommunalismus, 1986, S. 533– 535, 544 f., 549 f., 555; ders., Kommunalismus und Republikanismus, 1988; ders., Parlamentarismus, 1993; ders., Kommunalismus, 1, 2000, S. 152–158; 2, 2000, S. 72. 42 Blickle, Einführung, 1998, S. 9; ders., Republiktheorie, 1998, S. 195. 43 In Blickle, Traditionen, 1998, verwenden elf von dreizehn Beiträgern »Republikanismus«, »republikanisch« oder »Republik« im Aufsatztitel, oft aber nur dort. 44 Würgler, Verfassungstourismus, 1997, S. 227. 45 Friedeburg, Wegscheide, 2000, S. 566–579, 607 f.; vgl. Friedeburgs Rezension von Blickle, Kommunalismus, 2000, in: FAZ , 5. September 2000. 46 Vgl. etwa Liver, Entwicklung, 1970 (urspr. 1933), und Blickle, Kommunalismus, 2, 2000, S. 93, auch S. 85, Anm. 186.

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ihrer Gründung als Gegenmodell gedeutet worden, als »ein Glied jener mächtigen genossenschaftlichen, kleinstaatlich-republikanischen Freiheitsbewegung, welche die romanisch-germanischen Völker des 11. bis 14. Jahrhunderts gegen die feudalen und monarchischen Gewalten des Mittelalters ausgefochten haben.«47 Die unbestreitbare Tatsache, dass das monokratische Element in der Schweizer Geschichte weitgehend fehlt, hat die nationale Historiographie dazu verführt, ein entsprechendes Selbstbewusstsein als naturgegebene Folge anzusehen. Im 19. Jahrhundert wird das »eigenthümliche republikanische Leben« als Grund dafür angeführt, dass sich die Eidgenossen im Spätmittelalter dem monarchischen und aristokratischen Prinzip im Reich entfremdet hätten.48 Aber auch in der bis heute wohl meistverbreiteten Überblicksdarstellung von 1983 steht: »Jede Stadt fühlte sich als Republik. Das politische Denken war beherrscht von der tief verwurzelten Idee der Freiheit.«49 Ähnlich kann man 1991 für die Frühe Neuzeit ohne nähere Präzisierung ein »profond ancrage du concept de république dans les mentalités helvétiques« postulieren.50 Entsprechend werden auch die Figur Wilhelm Tells, Freiheitssymbole oder entsprechende literarische Motive in der Regel ohne weitere historische Differenzierung als gleichsam ewige Zeichen eines »Republikanismus« verstanden.51 So werden für die »idée républicaine« »siècles de tradition« beansprucht, obwohl konkrete Bekundungen eines republikanischen Selbstverständnisses in der Regel nur seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts angeführt werden können.52 Mitverantwortlich für diese Einschätzung ist derjenige Forscher, der die aufklärerischen Debatten um die Republik am gründlichsten aufgearbeitet hat: Ulrich Im Hof, der ein »republikanisches Grundgefühl als ›politische Kultur‹« voraussetzt, ebenso einen »betonten Republikanismus aristo-demokratischer Prägung«53 Nach ihm bildet ein »altväterischer« Republikanismus ein konstituierendes Element des schweizerischen Nationalbewusstseins und eine Wurzel der modernen Demokratie.54 Bezeichnenderweise unpräzis 47 K. Meyer, Gründung, 1939, S. 2. 48 J. Meyer, Bundesrecht, 1878, S. 524; ähnlich schon Bluntschli, Bundesrecht, 1875, S. 234 (urspr. 1849). 49 De Capitani, Beharren, 1986, S. 482. 50 Walter, Idée, 1991, S. 90. 51 Andr ey, Tell, 1994; Thomk e, Selbstbewusstsein, 1999. 52 So Czouz-Tornar e, Idée, 1994, S. 214. 53 Im Hof, Nationalbewusstsein, 1982, S. 194; ders., Stadt, 1983, S. 98. 54 Im Hof, Politisches Leben, 1949, S. 165; ders., Geschichte der Schweiz, 1974, S. 54; dagegen Schott, Bartele, 1983, S. 24.

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3. Politisches Selbstverständnis in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft

ist Im Hof dagegen bei der Datierung; so spricht er von Bern »in Form der kommunalen Republik, deren Entstehen irgendwo im Spätmittelalter angesetzt werden muss«.55 Damit steht Im Hof allerdings in einer längeren Tradition. Seit der Aufklärung, nicht zufällig sein Spezialgebiet, werden in der Schweiz Geschichtswerke über einzelne Kantone als »Republiken« und »Freystaaten« veröffentlicht.56 Wenige Verfasser machen sich aber Gedanken über den Beginn dieser Verfassungsform, da sie ja scheinbar schon immer gegeben war. Kann man nicht Machiavelli zitieren: »Stettono Roma e Sparta molti secoli armate e libere. E’ Svizzeri sono armatissimi e liberissimi«?57 Diese Stelle haben Schweizer im 20. Jahrhundert oft angeführt, jedoch nicht während der Frühen Neuzeit. Ihr ist der Florentiner als Verkünder der Staatsraison durchaus bekannt, doch wird er von Katholiken wie von Protestanten gleichermaßen als unchristlich abgelehnt und im helvetischen Kontext erst von Rousseau rehabilitiert. Ebenfalls erst nachträglich, im Bundesstaat, diskreditiert die liberale Nationalgeschichtsschreibung das schweizerische Ancien Régime als Verfallsstufe, in der frankreichhörige Oligarchen den demokratischen und nationalen Gedanken unterdrückt hätten, der den mittelalterlichen Bund beseelt und dann wieder für die Regeneration von 1830 und 1848 als Anknüpfungspunkt gedient habe. Der Absolutismus, wie er in »unschweizerischer« Art imitiert worden sei, fügt sich so betrachtet in die skizzierte herrschaftliche Tradition, von der die organisch-genossenschaftliche, freiheitlich-demokratische Verfassung als helvetisches Proprium sich wesensgemäß unterscheide.58 Es ist wenig überraschend, dass die freiheitliche Tradition nicht nur den Gegensatz zur österreichischen Tyrannis und zum französischen

55 Im Hof, Ausstrahlung, 1991, S. 9. 56 1737 erscheinen Fragmens historiques de la Ville et République de Berne (evtl. von Johann Rudolf Gruner, vgl. Feller/Bonjour, Geschichtsschreibung, 2, 1962, S. 534), 1794 Johann Georg Heinzmanns Beschreibung der Stadt und Republik Bern und 1789 in Luzern Josef Busingers Geschichte des Freystaats Unterwalden. Im 19. Jahrhundert folgen Johann Caspar Bluntschli, Geschichte der Republik Zürich, Zürich 1846; Johann Anton von Tillier, Geschichte des eidgenössischen Freistaates Bern, Bern 1838–1840; Philipp Anton von Segesser, Rechtsgeschichte der Stadt und Republik Luzern, Luzern 1851–1858; Eusèbe-Henri Gaullieur, Genève depuis la constitution de cette ville en république jusqu’à nos jours (1532–1856), Genf 1856; Conradin v. Moor, Geschichte von Currätien und der Republik »gemeiner drei Bünde«, Chur 1874. Die Liste ließe sich problemlos erweitern. 57 Machiavelli, Principe, 1997, S. 151 (cap. 12), vgl. ders., Discorsi, 1997, S. 234 (1, 12), 310 (1,55). 58 Fehr, Absolutismus, 1952, S. 194; vgl. zum historiographischen Bild des Ancien Régime auch Würgler, Revolution, 1998.

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Absolutismus erklärt, sondern von der Schweizer Historiographie auch für die Ablösung vom römisch-germanischen Imperium herangezogen wird, wenn etwa Heinrich Flach 1899 die Ursachen des Schwabenkriegs erklärt: »Aber auch die Schweizer fühlten sich nicht mehr als Deutsche, als Untertanen des Kaisers, sondern als freie Söhne ihrer herrlichen Gebirgswelt, als selbständige Republikaner.«59 Das 400 JahrJubiläum des Basler Friedens bringt auch die erste Blüte der These von der »faktischen Unabhängigkeit« mit sich, die dank dem Schwabenkrieg erlangt worden sei.60 Diese »de facto Unabhängigkeit« ist bis in die Gegenwart, zusammen mit ihrer »de jure« Bestätigung 1648, eine unausrottbare Schulweisheit der Schweizer geblieben, die auch gestandene Historiker weiter nachreden.61 Wo die offensichtliche Orientierung am Reich der postulierten realen Entfremdung widerspricht, so erklärt ein Staatsrechtler wie Ernst Reibstein die erwartete, aber fehlende Distanzierung als »politische Klugheit«.62 Vollends hilflos werden die Kommentare, wenn noch im 18. Jahrhundert in einzelnen Kantonen Reichsinsignien auftauchen.63 Karl Mommsen ist bis jetzt der einzige, der in verschiedenen Arbeiten versucht hat, die Ablösung der Eidgenossenschaft von Kaiser und Reich differenziert aufzuarbeiten, jedoch noch ohne zu einer Synthese zu gelangen.64 Mommsen belegt 1958 in Eidgenossen, Kaiser und Reich, dass die Staatlichkeit der Orte im 15. und 16. Jahrhundert stets durch alte, vom Kaiser verliehene Freiheiten und Rechte gerechtfertigt, die Eidgenossenschaft als Ganzes dagegen als legitimer Verteidigungsbund gegen die Tyrannis österreichischer Vögte interpretiert wird.65 Angesichts der schwierigen Quellenbasis zu »Ansichten über den Staat und den Herrschaftsanspruch der Obrigkeiten« in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft sucht er 1970 deren Spuren in seiner zweiten Monographie über Basler juristische Disputationen. Allerdings führt die iso-

59 Flach, Schwabenkrieg, 1899, S. 76 f. 60 Dazu Niederhäuser, »Kriegs«-Geschichte, 2000, S. 162 f. 61 Morar d, Höhe, 1986, S. 324; Würgler, Unruhen, 1995, S. 194; ebenso der tabellarische Überblick in Kleine Geschichte, 1998, S. 315; auch im Ausland redet man von dieser »faktischen Unabhängigkeit«, so Dickmann, Westfälischer Friede, 1977, S. 432. 62 Vgl. die gewundenen Ausführungen von Reibstein, Respublica, 1949, S. 56 f., 65 f., auch 71 f. 63 Gr eter-Stück elberger, Obwalden, 1965, S. 6 f. 64 Mommsen, Eidgenossen, 1958, S. 10, hofft denn auch, dass »andere einen der angedeuteten Pfade weiterbeschritten«. 65 Mommsen, Eidgenossen, 1958, S. 43, 50–54, 96 f.

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3. Politisches Selbstverständnis in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft

lierte Behandlung gelehrter Theorien, und stammten sie auch nur von »gewöhnlichen« Akademikern, insofern in die Irre, als sich für Mommsens Hauptfrage – die Übernahme des Souveränitätskonzepts – schon deshalb bei Basler Doktoranden wenig Material findet, weil sie vorwiegend aus dem Reich stammen und die Schweizer Probleme »so gut wie gar nicht« behandeln.66 So sieht Mommsen die Reichsidee zu Recht als konservatives Moment in der Eidgenossenschaft an, geht aber zu Unrecht davon aus, dass sie bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts generell dominiere, weshalb erst danach das Bewusstsein schweizerischer Eigenstaatlichkeit entstanden sei. Andere Quellengattungen, die der politischen Praxis näher liegen, können ungleich aufschlussreicher sein als die akademischen Disputationen. Doch auch wenn Mommsen durch die gewählten zeitlichen und quellenmäßigen Beschränkungen sein Vorhaben nur unvollständig ausführen konnte, hat er doch als erster formuliert, dass die schweizerische Staatlichkeit nicht als von selbst betriebener, geradliniger Ablösungsprozess beschrieben werden kann, sondern in einem schwierigen Spannungsverhältnis zwischen unterschiedlichen Rechts- und damit Staatskonzeptionen verstanden werden muss. Damit geht Mommsen über die im Übrigen verdienstvolle und akribische Beschreibung des Verhältnisses zwischen Eidgenossenschaft und Reich im 17. Jahrhundert hinaus, die vor allem Frieda Gallati und Julia Gauss zu verdanken ist.67 Wegweisend auch für Mommsen sind dagegen zwei ältere Aufsätze Hans Sigrists, die – wie gezeigt über den Kreis der Spezialisten hinaus weitgehend folgenlos – die Ereignisse von 1499 quellengerecht interpretieren, also nicht als »faktische« Lösung vom Reich.68 Für das 16. Jahrhundert sind seither die unbestreitbare Reichspräsenz, aber auch deren limitierter Charakter, von René Hauswirth und jüngst von Bettina Braun belegt und erörtert worden. Heinz Mohnhaupt hat zudem die verfassungsrechtliche Stellung der Eidgenossenschaft zum Reich vor 1648 untersucht.69 Es ist generell die neuere ausländische, deutsche Forschung, welche die nationalgeschichtliche Perspektive sachte aufgebrochen hat. In seiner Gegen-

66 Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 7–15, 188, 206; vgl. auch ders., Souveränitätslehre, 1968, S. 440. 67 Gallati, Kaiserhof, 1932; Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, sowie von beiden die in der Bibliographie erwähnten Aufsätze. 68 Sigrist, Reichsreform, 1947; ders., Interpretation, 1949. 69 Hauswirth, Realität, 1970; Mohnhaupt, Verhältnis, 1984; Braun, Eidgenossen 1997.

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Einleitung und Forschungsstand

überstellung der eidgenössischen Städte und der deutschen Reichsstädte konstatiert Eberhard Isenmann, dass sich eine Schere zwischen den im 15. Jahrhundert noch ähnlichen Verhältnissen auftut: Hier verliere die Oberherrschaft des Kaisers allmählich ihre Bedeutung, während sie dort eine zunehmende Rolle als Schutz- und Schiedsmacht gespielt habe.70 Peter Moraw deutet das eidgenössische Verharren in einem altertümlichen, nicht institutionalisierbaren Nischendasein als Anhänglichkeit an die alte, »offene« Verfassung des Reichs, die sich der wirtschaftlichen, sozialen und staatlichen Verdichtung mit ihren Lasten und Eingriffen entziehen will.71 Für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges und der Exemtion vergleicht Johannes Burkhardt die Gesamteidgenossenschaft mit den Niederlanden und Böhmen und spricht von einer »Staatsbildung aus ständestaatlichen Wurzeln«, welche auf die – treffend, aber unschön so genannte – »Verzwischenstaatlichung aller europäischen Verhältnisse« im 17./18. Jahrhundert reagiert habe. Volker Press hält fest, dass die Eidgenossenschaft bei diesem Prozess im Vergleich mit der böhmischen Ständerevolte bereits um 1600 vergleichsweise weit fortgeschritten ist, um an anderer Stelle aber doch das vermeintliche Paradoxon zu bestaunen, dass die Schweizer trotz ausgeprägter Autonomie weiter auf das Privilegiensystem des Reichsverbands rekurrieren.72 Olaf Mörke sieht das Fehlen der absolutistischen Kernelemente Gottesgnadentum, Dynastie und Souveränität als Voraussetzung für eine – in seiner Einschätzung erfolgreiche – alternative Entwicklung des »schwachen Staats« in den Niederlanden und der Eidgenossenschaft. In eher traditioneller Sichtweise betrachtet Mörke beide Länder als Wahrer der alteuropäischen Mischverfassung, die sich ohne absolutistische Erfahrungen zu einer modern-demokratischen Mischkonstitution entwickelt hätten.73 Über diesen Forschungsstand hinaus haben die Publikationen von 1998, im Umfeld des 350 Jahre-Jubiläums der Exemtion, kaum Neues erbracht, wenn man von Marco Jorios systematischer Bestandsaufnahme der zahlreichen »nexus imperii« absieht, welche Teile der Eidgenossenschaft noch bis 1806 an das Reich binden.74 Hans Conrad Peyers

70 Isenmann, Gemeinde, 1991, S. 259; vgl. auch Schwinges, Solothurn, 1996, S. 472f. 71 Moraw, Reich, 1986. 72 Burkhar dt, Staatsbildung, 1992, S. 278, 282, 286; Pr ess, Schweiz, 1992, S. 287; ders., Reichsstadt, 1987, S. 12. 73 Mörk e, Erfolgsrezept, 1999, S. 46, 58. 74 Jorio, Nexus, 1999.

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3. Politisches Selbstverständnis in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft

Verfassungsgeschichte der alten Schweiz von 1978 stellt damit weiterhin den Stand der Forschung dar, wenn er feststellt, dass die kantonalen Obrigkeiten nach dem Dreißigjährigen Krieg beginnen, ihre Souveränität zu betonen, und sich das politische Denken zunehmend auf die Obrigkeiten konzentriert.75 Peyer hat auch Anregungen gegeben, neben dem Verhältnis zum Reich andere Einflüsse zu berücksichtigen, so in der von ihm betreuten und von Gerhard Oestreich inspirierten Dissertation Frieder Walters über die »niederländische Bewegung« in der Schweiz während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.76 Diese Einflüsse, insbesondere bei der Lipsius-Rezeption, weist Walter für Zürich und Bern nach, womit deutlich wird, dass der entsprechende Prozess wohl in erster Linie auf kantonaler Ebene untersucht werden muss. Für einzelne Orte sind denn tatsächlich auch schon durchwegs gehaltvolle Arbeiten entstanden, welche den Verfassungswandel und politische Ordnungsvorstellungen zusammen untersuchen und dabei das Konzept der Souveränität nicht voraussetzen, sondern seine historische Problematik zumindest ahnen. Adolf Alois Steiner hat für Zug die Konfrontation von altem Herkommen und dem »impulsiv vordrängenden« demokratischen Prinzip der Landgemeinden nachgewiesen.77 Für das Wallis ist Grégoire Ghika in verschiedenen Arbeiten den kurzen, aber sehr anregenden Überlegungen seines Doktorvaters Wolfgang A. Liebeskind gefolgt und hat gezeigt, wie Bodins Konzept der Souveränität den dualistischen Ständestaat untergräbt.78 Maurice de Tribolet hat in letzter Zeit in mehreren Aufsätzen gezeigt, wie das französische Souveränitätsdenken in Neuchâtel aufgenommen wird, um die fürstliche Herrschaft zu begründen.79 Wie dasselbe in einer Konfliktsituation im städtischen Umfeld um 1680 geschieht, hat Christoph von Steiger für Bern analysiert.80 Einen ersten, gelungenen und singulären Versuch, eine Typologie dieser innerkantonalen Unruhen zu entwerfen, hat 1974 Pierre Felder vorgelegt, der das »völlig neue Rechtsdenken« der aufgeklärt-aristokra-

75 P eyer, Verfassungsgeschichte, 1978, S. 102, 107. 76 Walter, Einflüsse, 1979, S. 38, 54; vgl. P eyer, Verfassungsgeschichte, 1978, S. 94– 97. 77 Steiner, Legitimität, 1960, S. 121–124, 134, 146–151. 78 Ghika, Etat corporatif, 1947, zur Souveränitätsproblematik allgemein v. a. S. 142– 146. 79 T ribolet, Conception, 1987; ders., T ribolet, Liberté chrétienne, 1999; ders., Modèle, 2000. 80 Von Steiger, Probleme, 1954.

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Einleitung und Forschungsstand

tischen Obrigkeit illustriert.81 Blockierte Partizipations- und Aufstiegschancen sieht Rudolf Braun in seinen Ausführungen über die politische Kultur im schweizerischen Ancien Régime als grundlegendes Spannungspotenzial.82 In Auseinandersetzung mit Habermas deutet Andreas Würgler die städtischen und ländlichen Unruhen als einen bisher vernachlässigten Ausgangspunkt politischer Öffentlichkeit. Dabei zeigt er sich überrascht, dass »absolutistische Territorien« (der Fürsten) und republikanische Oligarchien gleichermaßen repressiv gegen alte Rechte der Untertanen vorgehen.83 In der ersten Analyse politischer Sprachen in der Schweiz hat Randolph Head aber gezeigt, dass in Graubünden um 1600 neben obrigkeitlich-autoritären auch eine – wie er sie nennt – radikal-populistische Sprache entsteht, die nicht auf das alte Recht rekurriert.84 Nicht viel älter als Heads Pionierwerk, das gleichsam Pocock und Blickle kombiniert, ist das neu erwachte Interesse am Schweizer »Republikanismus«. Etliche Impulse dürften von der Berner Ausstellung von 1991 ausgegangen sein, die unter dem Titel Zeichen der Freiheit das Bild oder vielmehr Bilder der Republik dokumentiert.85 Die äußerst reiche Dokumentation trägt die Handschrift Ulrich Im Hofs und seines Mitarbeiters François de Capitani.86 Auf neuere methodische Ansätze greift André Holenstein zurück, für den der »alteidgenössische Republikanismus nicht so sehr Theorie, sondern Praxis« ist, weshalb Holenstein – im Bourdieuschen Sinn – einen entsprechenden »Habitus« der Gleichheit aufzeigen will.87 Ähnlich spricht auch François Walter von »un art de vivre républicain«, der Einfachheit und Gleichheit beinhalte.88 Unter dem Einfluss von Pococks und Skinners Fragestellungen ist es aber insbesondere die »republikanische Tugend« in ihrer Konfrontation mit den vor allem ökonomischen Veränderungen des 18. Jahrhun81 Felder, Typologie, 1976, S. 376 f.; nach ihm P eyer, Verfassungsgeschichte, 1978, S. 134–141; für die typisch helvetische historiographische Lücke Braun, Ancien Régime, 1984, S. 256 f. 82 Braun, Ancien Régime, 1984, S. 256–313. 83 Würgler, Unruhen, 1995, S. 125. 84 Head, Democracy, 1995; ders., Social Order, 1992; dazu Maissen, Gemeinden, 2001. 85 Dazu der Ausstellungskatalog von Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991. 86 Im Hof/De Capitani, Helvetische Gesellschaft, 1983; vgl. die im selben Sammelband erschienenen Aufsätze von Im Hof, Nationalbewusstsein, 1982, und De Capitani, Antike, 1982. 87 Holenstein, Republikanismus, 1999, S. 105, 120; außerdem grundlegend ders., Huldigung, 1990. 88 Walter, »Felicitas«, 1993, S. 4.

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4. Methodische Vorbemerkungen

derts, die in letzter Zeit das Forschungsinteresse beansprucht hat. Allerdings geschah dies weiterhin fast ausschließlich im Hinblick auf die relativ gut erforschte Zeit von Rousseau, Bodmer, Pestalozzi, Iselin oder Haller – also die Zeit nach Montesquieus Esprit des lois, der 1748 die Tugend wirkungsmächtig zum Prinzip der Republik erklärte. Dieser zeitliche Schwerpunkt zeigt sich in den wegweisenden Arbeiten Bela Kapossys zu einem spezifisch schweizerischen, lang nachwirkenden agrarisch-politischen Wirtschaftsdenken während der Aufklärung oder bei den meisten Beiträgen im Sammelband über die Ausbildung eines Schweizer Nationalbewusstseins und Erziehung eines neuen Bürgers im Zeichen der republikanischen Tugend.89 Derselben Epoche gelten die abgeschlossenen, aber noch ungedruckten Habilitationsarbeiten von Daniel Brühlmeier über den »Schweizer Republikanismus« im 18. Jahrhundert, von Daniel Tröhler über den republikanischen Diskurs in der Pädagogik und von Simone Zurbuchen, die dem aufklärerischen Republikanismus in einer Sammlung von Aufsätzen nachgegangen ist.90 In einer weiteren, bald abgeschlossenen Habilitationsschrift widmet sich Thomas Lau mit Schwergewicht auf die Jahre 1656 bis 1712 unter anderem der Schweizer Rede von der »Nation«.91 Diese Arbeiten zeigen die Intensität der jüngeren Debatten, machen aber auch deutlich, dass es umfassende Arbeiten zu Staatstheorie und -bewusstsein in der Eidgenossenschaft des 17. Jahrhunderts noch nicht gibt.92

4. Methodische Vorbemerkungen Wenn Republik und erst recht »Republikanismus« nicht als gleichsam zeitlos vorgegebene konstitutionelle Optionen verstanden werden, dann stellt sich die Frage, aus welchen Wurzeln die intensiven Debatten der Aufklärer über die Republik hervorgehen. Die Metapher von der »Geburt der Republik« im Titel des vorliegenden Buches drückt 89 90 91 92

Kapossy, Prix, 1998; ders., Republicanism, 2000. Zurbuchen, Patriotismus, 2003. Vgl. Lau, Appartenenza, 2002. Das bestätigt die selbst auf knappstem Raum magere Skizze von Carlen, Staatstheorien, 1981; anregend für die Zeit um 1600 ist Stadler, Staatsbewusstsein, 1999 (urspr. 1958), für Bern auch Von Gr eyerz, Nation, 1953; zudem die erwähnte Dissertation von Walter, Einflüsse, 1979, und zu Simler Reibstein, Respublica, 1949. Karl Schäppi hat seine um 1970 offenbar weit vorangetriebene Dissertation zu Simler leider nie abgeschlossen.

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Einleitung und Forschungsstand

dieses Anliegen aus, wohl wissend, dass die Suche nach »Ursprüngen« eine ebenso alte wie problematische Obsession der Historiker darstellt. In der gegenwärtigen Republikanismus-Diskussion scheint aber eine andere Gefahr viel verbreiteter zu sein, die der Ahistorizität und des Anachronismus. So hält denn Marco Geuna in seinem grundlegenden Forschungsbericht fest: »Il rischio … è che ogni teorico si costruisca l’immagine della tradizione repubblicana che più gli aggrada, senza dichiararlo esplicitamente. … La tentazione delle operazioni anacronistiche o delle ricostruzioni ad hoc è, per ogni studioso, sempre presente.«93 Daher postuliert Geuna auch nicht den einen, monolithischen »Republikanismus«, sondern versucht, innerhalb der republikanischen Tradition(en) verschiedene »Denkfamilien« zu unterscheiden.94 Diese gibt es auch bei der aktuellen historischen Erforschung und Verwendung des Konzepts »Republikanismus«, wobei sich aufgrund des Gesagten sechs Ansätze skizzieren lassen, auch wenn sie sich nicht alle auf derselben (Abstraktions-)Ebene befinden. 1. Pococks »griechisches« Modell eines aktiven, partizipativen Republikanismus als Voraussetzung wahren Bürgerdaseins in einem Milizsystem. 2. Skinners »römisches« Modell eines instrumentalen Republikanismus, der partizipativer Elemente zur Sicherung von Rechten und zur Abwehr von Willkür bedarf. 3. Die nicht auf Metatheorien hinauslaufende, tendenziell eher deskriptive Betrachtung der frühneuzeitlichen Republiken, ihres Verfassungslebens und ihrer politischen Debatten, wie sie etwa Venturi, Kossmann, Haitsma Mulier, Worden oder auch Durand und Fröschl betrieben haben. 4. Schillings Suche nach Postulaten, die sich in der Perspektive einer langfristigen demokratischen Modernisierung dynamisieren lassen. 5. Blickles Verständnis der Republik als staatliche Institutionalisierung kommunaler Werte und Handlungsformen. 6. Der begriffsgeschichtliche Ausgangspunkt Magers, der »Republikanismus« für die gewaltenteilige Repräsentativverfassung reservieren will und die polyarchische Verfassung der vormodernen Stadt als »konsensgestütztes Ratsregiment« versteht. Rekurriert wird dabei aber fast immer – und meistens eher implizit als explizit – auf ein republikanisches Modell, wie es entweder die antike oder spätmittelalterliche italienische Realität offeriert oder, in der 93 Geuna, Tradizione, 1998, S. 124. 94 Geuna, Tradizione, 1998, S. 119–121.

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4. Methodische Vorbemerkungen

Theorie, einzelne Autoren wie Machiavelli. Ausgehend von solchen Modellen erhält der Republikanismus den Charakter einer zeitlosen »Lehre«, die in den wesentlichen Zügen klar definiert werden könne. Bei solchen Deduktionen wird, was an sich vertretbar ist, die objektive Verfassungskategorie »Republik« als nichtmonarchische Herrschaft für eine Klassifizierung von Staatsordnungen benutzt, um dann – je nach Forschungsinteresse – Werte, soziale Praktiken, konstitutionelle Eigenheiten oder Verhaltensmuster, die sich in einer solchen »Republik« feststellen lassen, als »republikanisch« oder als Zeichen eines »Republikanismus« zu deuten. Die Gefahren dieser Methode sind offensichtlich: willkürliche Auswahl der Kriterien und fehlende Abgrenzung zu anderen (monokratischen) Verfassungsformen, wo analoge Prinzipien oder Normen durchaus auch vorkommen können. Der hier gewählte Ansatz geht anders vor und will letztlich nichts anderes als eine wortgeschichtliche Frage beantworten: Wann und weshalb beginnt man in der Eidgenossenschaft von »Republik« zu sprechen, welche Verhaltens- und Denkweisen erhalten zu einem gewissen Zeitpunkt die Etikette »republikanisch«? Angestrebt wird eine konsequente Historisierung von »Republik« und »Republikanismus«, die in der Schweizer Historiographie zu unreflektierten, aber wichtigen Konstanten der Interpretation geworden sind. Dies geschieht nicht mit der Illusion, eine klare, widerspruchsfreie Definition, ein »Begriff« Republik lasse sich durch semantische Studien etablieren. Vielmehr geht es darum zu verstehen, unter welchen historischen Umständen ein von jeher vieldeutiges Wort, dessen Gebrauch für uns längst selbstverständlich (aber weiterhin vieldeutig) ist, aus dem Lateinischen ins Deutsche übernommen wird. Impliziert ist damit, dass von einem »Republikanismus« oder – zurückhaltender – von einem »republikanischen Selbstverständnis« nur dann gesprochen werden sollte, wenn Menschen das Wort »Republik« auch wirklich gebrauchen und damit ein Phänomen verbalisieren, das ihnen selbst benennenswert erscheint. Dass es die »Republik« als objektive Verfassungsform schon davor gegeben hat, ist unbestreitbar, bleibt aber sekundär. Wunder nimmt, weshalb diese objektive Verfassung zu einem gewissen Zeitpunkt eine bestimmte, subjektive Benennung erfährt. Die wortgeschichtliche Analyse wird im Folgenden kritisch hinterfragen, ob die Quellensprache eine Basis abgibt für die häufige Identifikation von Republik(anismus) mit freiheitlich, monarchomachisch, antiabsolutistisch, genossenschaftlich, einträchtig und/oder ständisch. Dabei gilt es nicht nur herauszufinden, wann das Wort »Republik« in der Eidgenossenschaft auftaucht, sondern in welchen Zusammenhän33

Einleitung und Forschungsstand

gen es verwendet und was damit assoziiert wird. Soweit die oben skizzierten sechs Herangehensweisen an das Phänomen Republik auch verschiedene Methoden implizieren, ergibt sich dabei ein kombiniertes Vorgehen. Es gilt die Beschreibung der schweizerischen Verfassungsverhältnisse und politischen Kultur mit einem sprachanalytischen Ansatz zu verbinden, der den Wortgebrauch in den zeitgenössischen Kontext einbettet und damit auch weniger Gefahr läuft, auf der Suche nach »Ursprüngen« oder »roten Fäden« den Quellen Gewalt anzutun. In diese Richtung weisen die theoretischen Überlegungen, die Pocock und systematisch vor allem Skinner als Vordenker der »Conceptual history« angestellt haben.95 Über das sorgfältige Studium von Texten der »mittleren Ebene« – Traktate, Pamphlete, Flugschriften und so weiter – werden die zeitgenössischen Sprech- und Schreibweisen, die behandelten Problemkreise, die Konzeptionen, Grundannahmen und Argumentationsgänge herausgeschält. Im Vergleich damit wird erst deutlich, wo ein großer Denker konventionell bleibt und wo er mit den Sprech- und Denkregeln seiner Mitbürger bricht, indem er eine neue – wie Skinner sie nennt – »Ideologie« prägt oder, im Sinne Pococks, eine modifizierte politische Sprache.96 Diese Mehrzahl von Sprachen, die Pocock wenig konsistent auch Diskurse, Paradigmata, Vokabulare oder Rhetoriken nennt, stehen als Schablonen zur Verfügung, um politische Konzepte zu entwerfen oder Institutionen und Praktiken zu legitimieren; sie sind auch bis zu einem gewissen Grad miteinander kombinierbar und geben den Rahmen vor, in dem politische Probleme überhaupt erst formulierbar sind. Damit ist auch deutlich, dass die Sprache etwa des »Republikanismus« keine Ideologie im modernen Sinn, kein kohärentes oder widerspruchsfreies Lehrgebäude ist, sondern eine Argumentationslogik und ein »set of themes«, die auch nur teilweise übernommen und mit Versatzstücken anderer Sprachen verbunden werden können.97 Werden im Sinne Skinners Worte als Taten verstanden, so ist die Frage, welchen Zweck Sprechakte verfolgen, ohnehin wichtiger als deren innere Kohärenz oder deren Möglichkeit, »Realität« durch Wörter ausdrücken. 95 Dazu T ully, Meaning, 1988, und die Aufsätze in Pagden, Languages, 1987; außerdem auch Rosa, Ideengeschichte, 1994; Lottes, Intellectual History, 1996; Reichar dt, Semantik, 1998, S. 14–18. 96 Pocock über Intellectual History, in: History Today 35 (1985), S. 52; zitiert nach Richter, Rekonstruktion, 1991, S. 145. 97 Dies etwa gegen Van Gelder en, Political thought, 1992, S. 278–281, der die bei ihm fast nur aus Machiavelli abgeleitete Theorie des Bürgerhumanismus selbst eine »Ideologie« nennt.

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4. Methodische Vorbemerkungen

Die Vorstellung politischer Sprachen unterscheidet die sogenannte »Cambridge School« vom deutschen Projekt der Geschichtlichen Grundbegriffe, das am Bedeutungswandel zentraler Wörter die beschleunigten Veränderungen sozioökonomischer Strukturen vor allem in der »Sattelzeit« zwischen 1750 und 1850 aufzeigen oder vielmehr sprachlich nachvollziehend »begreifen« will. Die Vorstellung von »Schlüsselbegriffen«, deren Bedeutung sich zwar wandelt, aber jeweils doch definitorisch klar bestimmt werden kann, verrät die philosophiehistorischen Wurzeln des Unternehmens, die auch in den zugrunde gelegten Quellen zur Geltung kommen: nicht nur geistesgeschichtliche Höhenflüge, aber weit überwiegend akademisch-theoretische Texte.98 Anders als beim »Begriff« geht man bei einer »Sprache« davon aus, dass eine Vokabel nicht für sich allein, sondern erst – einerseits – in Verbindung mit weiteren Wörtern und – andererseits – im Rahmen einer kommunikativen Handlung Sinn ergibt: also als »Teamwork« von Sprecher und Hörer, von Intention und Rezeption.99 Das intentionale Moment rückt seinerseits in der französischen Diskursanalyse völlig in den Hintergrund, wo es um die Regelmäßigkeiten und Normen geht, welche jenseits des sich äußernden Subjekts das Reden oder Schreiben bedingen und einschränken.100 Methodisch nahe liegt dem hier gewählten Vorgehen die Synthese aus französischer Diskursanalyse einerseits und deutscher Begriffsgeschichte andererseits, die Rolf Reichardt, Eberhard Schmitt und HansJürgen Lüsebrink mit dem 1985 begonnenen Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680–1820 herausgeben. Gegenüber den Geschichtlichen Grundbegriffen erweitern sie nicht zuletzt das Quellenkorpus um Alltagstexte, serielle Quellen und Bilder. Wichtiger als der einzelne Begriff oder das »Schlagwort« ist sein »Wortfeld«, die gemeinsame Analyse von Wörtern, die auch zusammen vorkommen, über die Zeiten hinweg aber aus einem Wortfeld verschwinden oder in ein anderes abwandern können. Damit geht es bei den Politisch-sozialen Grundbegriffen endgültig nicht mehr um die Geistesgeschichte der einzelnen (großen) Denker, sondern um eine »Sozialgeschichte der kollektiven Denk- und

98 Zur Problematik (aber auch zu den Verdiensten) der Geschichtlichen Grundbegriffe Schöttler, Paradigma, 1988, S. 172–175; Reichar dt, Semantik, 1998, S. 10–13; Dipper, Geschichtliche Grundbegriffe, 2000. 99 Vgl. Skinners Ablehnung der »history of concepts« in T ully, Meaning, 1988, S. 283. 100 Foucault, Archäologie, 1988; ders., Ordnung, 1991; dazu Schöttler, Paradigma, 1988; zur »léxicométrie« Reichar dt, Semantik, 1998, S. 18–22.

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Argumentationsmuster«.101 Neben der Sprache, Rede und Text, sind in einem weiteren, kommunikationstheoretischen Verständnis von Kultur rituelle Handlungen, im vorliegenden Zusammenhang insbesondere das diplomatische Zeremoniell, und die bildliche Repräsentation in all ihren Formen weitere Quellen dafür, wie die »soziale Wirklichkeit« symbolisch ausgedrückt und mit Sinn versehen wird.102 Im Hinblick auf eine »politische Ikonographie«, besonders wichtig ist die Interpretation von künstlerischen Produkten, die zu einem »alltäglichen Gebrauchgegenstand« gehören: Repräsentationsarchitektur, Titelkupfer, auch Stadtveduten und Kalender oder Münzen, Siegel und andere Herrschaftszeichen. In diesem Bereich hat unter anderem Bernd Roeck wegweisende Arbeiten vorgelegt, die über die ältere, hilfswissenschaftliche Realienkunde und Rechtsarchäologie hinausweisen.103 Die analoge Schweizer Bildproduktion ist hingegen erst ansatzweise – so bei Georg Kreis, Guy Marchal und Hans von Tavel – analysiert worden, obwohl etwa mit dem erwähnten Ausstellungskatalog Zeichen der Freiheit ein wertvolles Quellenkorpus vorliegt.104 Die Frage, wie die neue Vorstellung des »Staates« über Bilder vermittelt, ja »fabriziert« wird, ist dagegen erst ansatzweise und bloß für die Monarchie untersucht worden.105

5. Erkenntnisziel und Vorgehen Die gemeinsame Betrachtung von schriftlicher und bildlicher Überlieferung und deren Entstehungsbedingungen ist besonders wichtig bei einem noch kaum erforschten Gebiet wie dem politischen Denken der 101 So Schöttler, Paradigma, 1988, S. 178; vgl. Reichar dt, Semantik, 1998, S. 22–28; auch Lüsebrink, Begriffsgeschichte, 1998. 102 Vgl. für das Zeremoniell Stollberg-Rilinger, Zeremoniell, 1997; dies., Zeremoniell, 2000; für Bildquellen die Beiträge der beiden Herausgeber in Wohlfeil/Tolk emit, Historische Bildkunde, 1991; Talk enberger, Illustration, 1994; grundlegend jetzt Hask ell, Kunst, 1995, und Roeck, Auge, 2004. 103 Roeck, Titelkupfer, 1983; ders., Rathaus, 1995; Roeck/Behringer, Bild, 1999; vgl. auch die Einleitung zu Kintzinger, Chronos, 1995, sowie Burkhar dt, Bildkultur, 1998; ders., Pyramide, 1998. Für eine »politische Ikonographie« die Beiträge in John/Krimm, Bild, 1997. 104 Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991; Kr eis, Helvetia, 1991; für die Frühe Neuzeit darauf beruhend Sterck en, Enthüllung, 1998; Marchal, Alte Eidgenossen, 1991; Von Tavel, Bildthemen, 1992; vgl. jetzt auch Kapossy, Pictura, o. J. 105 So Burk e, Ludwig XIV., 1992.

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5. Erkenntnisziel und Vorgehen

Eidgenossen in einem langen 17. Jahrhundert. Das Erkenntnisziel gilt dabei weniger der – in der Schweiz kaum vorhandenen – politischen Philosophie oder der politischen Praxis, sondern dem dazwischen liegenden Bereich. Es geht um das politische Selbstverständnis und die entsprechende Selbstdarstellung, das politische Denken und Schreiben, Sprechen und Argumentieren als pragmatische, oft theoretisch kaum reflektierte Handlung. Die (Wort- und Bilder-)Sprache ist dabei verstanden als das Medium, in dem dieses Selbstverständnis dauernd modifiziert werden muss – als Anpassung an die veränderten äußeren Umstände, wobei aber die Sprache zugleich intendiert wie ungewollt wieder auf diese Umstände zurückwirkt. In diesem dauernden Prozess geht es weniger um den Inhalt von Aussagen als um deren Möglichkeit: Unter welchen Bedingungen und mit welcher Absicht fließen staatsrechtliche Neologismen in die (schweizer-)deutsche Sprache ein, welche objektiven Veränderungen und subjektiven Deutungen geben sie wieder, wie wirken sie auf die politische Praxis zurück, und inwiefern ist die Eidgenossenschaft in diesem Adaptionsvorgang kein Einzelfall, sondern ein symptomatischer Fall in der sich ausdifferenzierenden Staatengemeinschaft? Es ist bereits angesprochen worden, dass in diesem Prozess weder das Wort noch die Verfassungsform »Republik« als etwas – zeitlos oder beispielsweise seit Cicero oder Machiavelli – Gegebenes betrachtet werden. John Adams, der Mitbegründer der – republikanischen – Verfassung der USA , gesteht 1807 in einem Brief sogar, dass er nie verstanden habe, was »a Republican Form of Government« eigentlich sei, »and I believe no other man ever did or ever will«.106 Erst recht ist das lateinische »Respublica« ein Wort, das sehr viel bedeuten kann und erst angesichts der Herausforderungen des 17. Jahrhunderts in der Eidgenossenschaft einen freistaatlichen Sinn macht – und bekommt. So entsteht zwar Neues, in der Sprache wie in der »sozialen Wirklichkeit«, doch dieses Neue kann nicht beliebig getauft werden. Es ist dies ein Problem, das Montesquieu in den allerersten Zeilen des Esprit des lois benennt: »J’ai eu des idées nouvelles; il a bien fallu trouver de nouveaux mots, ou donner aux anciens de nouvelles acceptions.«107 Übersetzungen, Analogien, Fremdwörter müssen herangezogen, Vertrautes neu kombiniert oder behutsam ergänzt werden, um Neues zu vermitteln – und wenn so allmählich neue Sprechgewohnheiten üblich wer106 Adams, Correspondence, 4, 1878, S. 432 (8. August 1807), ausführlich zitiert bei Mager, Genossenschaft, 2001, S. 60, Anm. 224. 107 Montesquieu, Esprit, 1951, S. 227.

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Einleitung und Forschungsstand

den, werden sie ihrerseits auch auf Gegenstände angewandt, die bisher einen anderen Namen hatten. Werden solche Phänomene unter einem Wort subsumiert, so entstehen in einer »geteilten« Vergangenheit verankerte Gruppenidentitäten: nicht etwa als gleich bleibende, »identische« Essenz der Gruppe oder als weit zurückreichende gemeinsame historische Erfahrung, wohl aber eine Kontinuität kollektiver, kreativer sprachlicher Selbstvergewisserung und Abgrenzung. Im 17. Jahrhundert findet diese kollektive Identitätsstiftung in der Eidgenossenschaft vor dem Hintergrund unaufhörlicher Kriege statt, in denen der frühmoderne Staat die herkömmliche ständische Einbindung der politischen Herrschaft erheblich zurückstutzen und sich institutionell verfestigen kann.108 Innere Verfriedung, äußere Kriegsbereitschaft und -führung sowie entsprechende Ressourcenmobilisierung stellen die Herausforderung an alle Länder dar. Für deren Bewältigung sehen die meisten Zeitgenossen die großen westlichen Erbmonarchien als erfolgreichstes Modell an. Deshalb ist die – ja auch von Gott, Papst und Kaiser praktizierte – Einzelherrschaft unbestritten, sie stellt kaum hinterfragt das Verfassungsideal dar: »Wie die zweite Hälfte des 20. Jh. von der Demokratie war das 17. Jh. überzeugt von der Monarchie.«109 Wenn der Schweizer Bund von Städten und Talschaften gezwungen ist, eine staatliche Identität zu formulieren, so geschieht dies demnach aus einer äußerst defensiven Position, die etwas legitimieren muss, was der Regel und aller Vernunft zu widersprechen scheint. Wohl gibt es das anerkannte republikanische Modell, Venedig, das sich aber mit Herrschaftspraxis und dogalem Selbstverständnis so gut wie möglich in das monarchische Abendland einfügt. Wohl gibt es ein auch in den Monarchien anerkanntes, ja bewundertes, aber fernes republikanisches Vorbild: das antike Rom, bis zu einem gewissen Grad auch die griechischen Poleis. Doch die Eidgenossen berufen sich, anders als vereinzelt im 16. und häufig im 18. Jahrhundert, im Grand siècle nicht auf Scipio oder Perikles. Ihre Selbstdeutung läuft nicht wie bei den italienischen Humanisten über einen stolzen genetischen Rekurs auf römische Vorfahren, sondern über die Positionierung ihrer verbündeten Gemeinwesen in einem römischen Reich deutscher Nation und dann, zusehends, in einer europäischen Staatenwelt. Im ersten gilt die Sprache der Privilegien, in der zweiten diejenige der »Souveränität«. In ihr erst macht das deutsche Wort »Republik« Sinn; und damit auch eine Reihe ande108 Reinhar d, Staatsgewalt, 1999, S. 336; Oestr eich, Herrschaftsvertrag, 1980, v. a. S. 247–250. 109 Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 72.

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5. Erkenntnisziel und Vorgehen

rer staats- und völkerrechtlicher Termini, wie »Neutralität«, »absolut«, »Interesse«. Es sei hier wiederholt, dass dies ein nominalistischer Zugang zum Problem ist. Ganz unabhängig davon, ob ein allfälliges absolutistisches Programm irgendwo erfolgreich umgesetzt werden kann, ob es also den Absolutismus »wirklich« gab,110 wird das Wort Absolutismus mit seinen Konnotationen im 17. Jahrhundert zu einem umstrittenen Leitund Kampfwort. Es reflektiert eine Wahrnehmung der Umwelt, die sich real tatsächlich verändert und dabei – befürwortend oder ablehnend – Identitäten schafft. Ob die widersprüchlichen Interpretationen der Souveränitätslehre im Jahrhundert nach Jean Bodin seinen Intentionen oder der »Realität« gerecht werden, ist für die folgenden Ausführungen letztlich irrelevant. Es ist ein – in unserem Zusammenhang – müßiges Problem der Verfassungsgeschichte, wer in welchem frühneuzeitlichen Staat »wirklich« souverän ist. Die Souveränität ist eine juristische Kategorie, die fast jeder historischen Realität nicht angemessen ist, was ihre sensationelle Erfolgsgeschichte nur noch faszinierender macht. Die Schweizer Bundesverfassung von 1848 enthält auch nach der Revision von 1999 den Satz: »Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist.«111 Bodin würde sich ob solcher Formulierungen im Grab umdrehen, die eines sehr deutlich zeigen: Souveränität gibt es nicht; aber es gibt das Wort »Souveränität« als Sprachkonvention, als politisches Argument. Entscheidend ist hier deshalb die Frage, inwiefern solche staatsrechtliche Vorstellungen von Europäern und insbesondere von Schweizern aufgenommen werden, die mit modifizierten politischen Ordnungsvorstellungen den historischen Wandel im 17. Jahrhundert zu erfassen suchen. Diese Fragestellung hat sich als das Thema dieser Arbeit herausgestellt, die anfänglich – im Geiste der vorherrschenden »freiheitlichen« Interpretation des Forschungskonzepts – nur auf das Wort »Republik« konzentriert war. Im Unterschied zu »Republik« ist »Souveränität« bisher im Reservat der Verfassungs-, Rechts- und Philosophiegeschichte verblieben, auch wenn namentlich dank Helmut Quaritsch wichtige begriffsgeschichtliche Vorarbeiten vorliegen.112 Allerdings haben jüngst Klaus Malettke und – in Auseinandersetzung mit ihm – Guido Braun die Instrumentalisierung der Souveränitätslehre 110 Dazu Henshall, Myth, 1992; vgl. Asch/Duchhar dt, Absolutismus, 1996. 111 BV Art 40, Abs. 1, hält dazu klar fest: »Bundesrecht bricht kantonales Recht.« 112 Quaritsch, Staat, ders., Souveränität, 1986; vgl. auch den darauf gestützten Artikel in den Geschichtlichen Grundbegriffen: Klippel, Souveränität, 1990.

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Einleitung und Forschungsstand

in den französisch-deutschen Beziehungen im 17. Jahrhundert untersucht, Braun auch die Übersetzungsproblematik.113 So folgenreich Brunners erwähnter Aufsatz über »Souveränitätsproblem und Sozialstruktur« sonst auch gewesen ist, so wenig ist aber sonst das doch bereits im Titel angesprochene Problem der (inneren) Souveränität reflektiert worden, obwohl Brunner andeutet, dass mit neuen, juristischen Vorstellungen an sich herkömmliche, »unausweichliche« Konflikte ausgefochten werden, die nun aber – wegen Bodin – den bequemen, herkömmlichen Rekurs auf eine städtische Mischverfassung erheblich erschweren. Letztlich behilft man sich in den Reichsstädten – wie in der Schweiz bis heute – mit der bloß intellektuell unbefriedigenden Lösung einer geteilten Souveränität. Brunner weist auch darauf hin, dass die Juristen in den Reichsstädten nicht eine geschlossene Theorie aus Bodin übernehmen, sondern einzelne Argumente, wenn etwa einem Hamburger Bürgermeister in den 1670er Jahren vorgeworfen wird, er strebe nach »absoluta potestas«, nämlich einer der »bürgerlichen Freiheit hochschädlichen Souveraineté«.114 Im Unterschied zum späteren und nun wieder umstrittenen Verständnis des Absolutismus ist sich Brunner dabei noch durchaus bewusst, dass völlig bindungslose »absolute Souveränität« nicht ein Anspruch oder das Ziel einer Konfliktpartei ist, schon gar nicht der französischen Apologeten ihrer »monarchie légitime«. Wohl aber wird ihr dies jeweils von den Gegnern vorgeworfen, also in Form einer propagandistischen Feindbezeichnung.115 Als solche verbalen und visuellen Argumente werden im Folgenden »Republik« und (absolute) »Souveränität« untersucht, ohne Rücksicht darauf, ob sie »richtig« verstanden werden oder woher sie übernommen worden sind. Es liegt nach dem Gesagten auf der Hand, dass im Folgenden, wenn die vieldeutige »Republik« erörtert wird, nicht der definitorische Klarheit suggerierende »Begriff«, sondern jeweils »Wort« gebraucht wird.116

113 Malettk e, Frankreich, 1994; ders., Perception, 2001; Braun, Traductions, 1996. 114 Brunner, Souveränitätsproblem, 1968, S. 312, 316 f. 115 Brunner, Gottesgnadentum, 1968, S. 170 f.; ders., Souveränitätsproblem, 1968, S. 302, 308–312; vgl. Oestr eich, Herrschaftsvertrag, 1980, S. 234. 116 Stolleis, Rechtsgeschichte, 1997, S. 11–13, gegen Koselleck, Begriffsgeschichte, 1979, S. 28 f., der aber die Problematik erkannt und später mit Kategorien wie »Erfahrungsraum« und »Erwartungshorizont« den ursprünglichen Ansatz hin zu einer »Sozial- und Mentalitätsgeschichte begrifflich orientierter Sprachhandlungen« erweitert hat, vgl. Kosellek, Zukunft, 1989, S. 349–375, dazu auch Reichar dt, Semantik, 1998, S. 12 f., 23 (für »Schlagwort« statt »Begriff«).

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5. Erkenntnisziel und Vorgehen

Dagegen kann dann von einem »Konzept« gesprochen werden, wenn – wie bei der Souveränität – nicht nur eine eindeutige Definition, sondern eine ganze damit zusammenhängende Theorie vorhanden ist. Die Eidgenossenschaft hat als Untersuchungsgegenstand den gewaltigen Vorteil, dass sie nicht nur im politischen, sondern auch im sprachlichen Sinn eine europäische Schnittfläche darstellt. Übersetzungen aus der italienischen oder französischen staatsrechtlichen Terminologie sind seit dem 16. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit. Grundlegende juristische oder philosophische Abhandlungen sind in der Schweiz allerdings Mangelware, weshalb hier Quellen der »mittleren« Text- und Bildebene möglichst systematisch erschlossen werden: theologische und politische Traktate, Dissertationen, Theaterstücke, Enkomien und Leichenreden sowie historiographische und staatsrechtliche Werke mit deren Titelkupfern; diplomatische Korrespondenz und das entsprechende Protokoll und Zeremoniell, Bürgereide und Huldigungen; bildliche Stadt- und Staatsdarstellungen und Allegorien; offizielle Symbolträger wie Siegel, Münzen, Wappenscheiben, Mandate oder (Regiments-)Kalender; offizielle Repräsentationsarchitektur, insbesondere Rathausbauten. Der sinnstiftende Anpassungsprozess an veränderte politische und sprachliche Rahmenbedingungen wird im Folgenden ausgehend von zwei konträren, für die Eidgenossenschaft gleichermaßen wichtigen Staatsbegründungen vorgeführt, dem Reichsgedanken bei Josias Simler und Bodins Souveränitätslehre (Kapitel II). In diesem Spannungsfeld wird gleichsam in immer engeren Kreisen die Frage nach dem politischen Selbstverständnis angegangen. Am Anfang stehen die Ausbildung der postimperialen europäischen Staatenwelt und eines ihr angemessenen Völkerrechts sowie die Rolle der alten oder neu entstehenden Freistaaten in dieser Ordnung (Kapitel III). In ihr erlernt die Eidgenossenschaft nicht mühelos die Konzepte, die Sprache und die Repräsentationsformen eines Völkerrechtssubjekts (Kapitel IV). Ein wichtiges Hindernis dabei ist die föderale Struktur der Eidgenossenschaft, weshalb analog und zugleich konfrontativ die paradigmatische Entwicklung im Vorort Zürich untersucht wird, wo sich der entsprechende Prozess dank aktiver Außenpolitik und reicher Quellenlage bis auf die Ebene von Sozietäten, Repräsentativbauten, kollektiven und individuellen Biographien hinunter verfolgen lässt (Kapitel V). Die Kriterien, die sich beim Wandel des politischen Selbstverständnisses in Zürich als wichtig erwiesen haben, werden abschließend bei anderen Kantonen, Zugewandten und einzelnen freien Städten untersucht, so dass in einem differenzierten Szenario nachvollziehbar ist, welche Vor41

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aussetzungen die Übernahme des modernen Staatsdenkens beschleunigen oder verzögern (Kapitel VI). Wie schon einige der bisher gewählte Forschungstermini verraten, etwa »Vormoderne« oder »Staatsbildung«, plagen den Schreibenden keine unüberwindlichen Vorbehalte gegen die gängigen Metatheorien, ansonsten er für den Titel kaum die entwicklungsgeschichtliche Metapher der »Geburt« gewählt hätte. Allerdings bedeutet eine Geburt wohl einen Anfang, nicht aber, dass das Ergebnis schon feststeht. Es geht hier nicht um einen zwangsläufigen Prozess, sondern um Anpassungsleistungen, die – gerade in der Eidgenossenschaft – immer wieder offen und umstritten sind. So gelangt diese Arbeit zu Resultaten, die der oben am Beispiel von Schilling und Blickle skizzierten Hinführung der frühneuzeitlichen Republik hin zum modernen, demokratischen Rechtsstaat zuwiderlaufen. Wo im Folgenden von »traditionell« und »modern« die Rede ist, geschieht dies also nicht deterministisch oder wertend, sondern chronologisch, im Sinn von »älter« und »jünger«: Reichsgedanke und Privilegien sind »traditionell«, weil sie im Mittelalter Gemeingut sind; die Souveränität ist dagegen modern, doch scheint sich das in unserer eigenen Gegenwart wieder zu ändern. Im 17. Jahrhundert existieren in dieser Hinsicht traditionell und modern nebeneinander, und dieses Konkubinat soll hier analysiert werden. Die Rede von der Republik ist dabei nicht das einzige oder das beherrschende Thema der politischen Sprache im 17. Jahrhundert. Aber es ist, zusammen mit der Souveränität, ein neues und im Aufklärungszeitalter folgenreiches: keine Ideologie, aber eine Kategorie der Selbstdeutung und allmählich des Selbstbewusstseins.

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Abb. 1: Karte der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft.

5. Erkenntnisziel und Vorgehen

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I. Das Jahr 1576: Jean Bodin und Josias Simler

Im Mittelalter wird Herrschaft in erster Linie als iurisdictio verstanden, als Rechtsprechung im weiten Sinn der Interpretation und Anwendung des ein für allemal von Gott gegebenen Rechts. Im Anschluss an Aristoteles sehen die Fürstenspiegel eines Thomas von Aquin oder Aegidius Romanus den Idealherrscher als Inkarnation der Gerechtigkeit, der allumfassenden Haupttugend im politischen Körper. In der interpretationsbedürftigen und entsprechend widersprüchlich gedeuteten römischrechtlichen Tradition beruht die Jurisdiktionsgewalt auf dem merum et mixtum imperium – nämlich der eigentlich dem Fürsten vorbehaltenen Kompetenz, mit dem Schwert zu strafen, also der Straf- und Blutgerichtsbarkeit (merum imperium), und den delegierbaren, niedereren Gerichten (mixtum imperium).1 Gesetzgebung ist als Ergänzung des gemeinen, römischen Rechts oder des Gewohnheitsrechts möglich, wenn diese einen Sachverhalt nicht abdecken; doch es nimmt dem bestehenden, alten Recht seine Würde nicht und schränkt es vor allem nicht ein. Dieses Recht liegt einem sakral geordneten, umfassenden und organisch zusammenhängenden Normengebäude zugrunde, das sich zwar akademisch entsprechend den zwei Universalgewalten in die komplementären Bereiche von ius civile und ius canonicum scheiden lässt, aber gleichwohl einheitlich und transzendental verankert bleibt. Der Kaiser im Weltlichen und der Papst im Geistlichen sind als Weltenherrscher in erster Linie die obersten Richter, die Gott in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich direkt verantwortlich sind. Sie übertragen judikative Kompetenzen durch Leihe oder längerfristig über Privilegien an untere Instanzen; alle anderen Hoheitsrechte werden letztlich abgeleitet aus ihrer Verfügungsgewalt darüber, was rechtens ist.2 Die zwei Schwerter sorgen damit nicht nur dafür, dass die Menschen in einem irdischen Sinn Recht bekommen, sondern erhalten eine überirdische Ordnung aufrecht, in welcher der Weltenherrscher jeder Person einen ihrem Stand gemäßen Platz zugedacht hat. Diese seit der Spätantike entwickelte, zugleich römisch-imperiale und augustinische Weltdeutung im Rahmen der Heilsgeschichte ent1 Gilmor e, Argument, 1941, S. 15–44. 2 Vgl. Stolleis, Öffentliches Recht, 1988, S. 157, 165 f.

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spricht mit der Herausbildung der nationalen Monarchien der Realität immer weniger und wird damit auch in der Theorie fragwürdig. Legitim ist nicht mehr zwangsläufig die Gewalt, die vom Kaiser belehnt oder privilegiert worden ist, sondern diejenige, die de facto selbständig ihren Bürgern oder Untertanen Schutz und Recht gewährt. Doch auch in den sich emanzipierenden westlichen Staaten bleibt der König wie einst der Kaiser in erster Linie ein Richter, als den ihn noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Franzose Charondas Le Caron präsentiert.3 Gesetzgebung als konforme Ergänzung der göttlichen Ordnung ist denkbar, doch die Würde des Herrschers besteht nicht in der dynamischen Produktion neuen Rechts, sondern in der weisen, billigen Auslegung des bestehenden, alten und ewigen Rechts, welches das Fundament einer statischen Ordnung bildet. Insbesondere wird auch die Monopolisierung von Herrschaftsrechten beim französischen König – etwa durch Charles Dumoulin – damit begründet, dass der letztinstanzliche Richter einheitlich und allen anderen klar übergeordnet sein muss.4 Nicht nur das Entstehen der Nationalstaaten, auch die Glaubensspaltung machen die Universalmächte als Grundpfeiler der politischen Ordnung fragwürdig. Das geistliche Schwert reicht nicht mehr, als Ergänzung zum weltlichen, katholon – über das eine Ganze hinweg. Damit fällt manchenorts nicht zuletzt das kanonische Recht weg, das bisher in vielen Fragen des Alltags, wie etwa der Ehe, die Regeln gesetzt hat. In dem Maß, wie die umfassende ältere Weltdeutung der Realität nicht mehr entspricht und sich – als Nebenprodukt vor allem theologischer Überlegungen – alternative Interpretationen anbieten, verbreitet sich Ungewissheit über die Regeln des Zusammenlebens: Wann ist dem Gewissen und wann der Autorität zu gehorchen, wann hat welche irdische Gewalt das Sagen, und wie weit bestimmt die Geistlichkeit im Politischen oder die Obrigkeit im Religiösen mit? Die Fragen nach der Basis und der Begrenzung der politischen Macht führen zu einer Vielzahl von Antworten, zum obrigkeitlichen Mord aus Staatsraison, zum Tyrannenmord als Antwort und ebenso zum Widerstandsrecht. Jede allgemeingültige, universale Lösung dieser Probleme, durch Konzile, Religionsgespräche oder kaiserliche Erlasse, muss einige der konfessionellen und politischen Parteien, die um ihre Wahrheit ringen, benachteiligen, ja existenziell in Frage stellen. Den vorläufigen theoretischen Ausweg aus dieser Situation weist Jean Bodin. 3 Church, Constitutional Thought, 1941, S. 199–201. 4 Gilmor e, Argument, 1941, S. 129.

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1. Jean Bodin

1. Jean Bodin Diese Untersuchung nimmt ihren Ausgang bei Jean Bodins Souveränitätslehre. Damit ist keine Stunde Null der politischen Theorie reklamiert, kein mythischer Ursprung, von dem aus sich etwas – etwa das republikanische Selbstverständnis der Schweiz – »entwickelt« hat. Dass das Wort »souveraineté« älter ist als Bodin und »Wurzeln« des Konzepts wie meistens bis in die Antike zurückverfolgt werden können, ist klar.5 Bodins Bedeutung liegt darin, dass er ältere Überlegungen in der Notsituation des Bürgerkriegs systematisiert und ein kohärentes Konzept entwirft. Gemäß seiner Definition wird »Souveränität« unvermeidlicher Referenzpunkt der politischen Theorie, aber auch der staats- und völkerrechtlichen Praxis. Das Souveränitätskonzept weist von Anfang an und Bodins eigentlichen Anliegen entsprechend die doppelte Stoßrichtung auf, die im vorliegenden Buch stets wieder begegnen wird: Sie fordert, dass alle Hoheitsrechte im Inneren eines Landes von einer einzigen Quelle ausgehen und dass diese oberste Gewalt durch keine fremde – geistliche oder weltliche – Macht eingeschränkt wird. Ebenso wichtig ist für den Franzosen die Abgrenzung gegen außen – und damit gegen die universalen Konzepte von Reich und Papstkirche. Schon in der Methodus ad facilem historiarum cognitionem von 1566 widmet Bodin ein ganzes Kapitel der Confutatio eorum qui quattuor monarchias aureaque saecula statuunt: Die Translationstheorie wird als absurd abgetan.6 In der Methodus setzt sich Bodin auch mit Aristoteles’ Verständnis von Bürger und Polis auseinander und bemängelt, dass er das Wesen des »summum imperium« nicht erörtert, sondern weitgehend mit der Amtsgewalt der Beamten gleichgesetzt habe, was unsinnig sei.7 Eher beiläufig zählt der Franzose auf, worin diese oberste Staatsgewalt bestehe: »in magistratibus creandis & officio cuiusque definiendo; in legibus iubendis aut abrogandis; in bello indicendo ac finiendo; in extrema provocatione; in potestate vitae & necis«.8 Dies sind, allerdings in anderer Reihenfolge, dieselben Kompetenzen, die er im berühmten Kapitel 1, 8 der République ausführlich behandeln wird. Bereits in der

5 Zur Begriffsgeschichte Quaritsch, Souveränität, 1986; vgl. dazu auch Stolleis, Öffentliches Recht, 1988, S. 171–173. 6 Bodin, Methodus, 1566, S. 346–361 (cap. 7). 7 Bodin, Methodus, 1566, S. 180–183; 198–200. 8 Bodin, Methodus, 1566, S. 200.

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Methodus ist die Erbmonarchie die beste und naturgemäße Staatsform, wie Bodin gegen Machiavellis Lob der Republik und Gasparo Contarinis Verklärung der venezianischen Freiheit festhält: »at libertatis causa non sunt Respublicae constitutae, sed bene vivendi.«9 Für das gute bürgerliche Leben entscheidend ist nämlich nicht die in Schamlosigkeit ausartende Freiheit und die venezianische Vielzahl von Ämtern und Pfründen, sondern in erster Linie Kontinuität und sicherheitspolitische Effizienz der politischen Ordnung.10 Sowohl empirisch wie auch normativ ist Bodins Idealverfassung auf Frankreich ausgerichtet, das zu dieser Zeit, vor der Bartholomäusnacht, noch nicht völlig in der Anarchie der Religionskriege versunken ist. Damit bleibt er in einem zentralen Punkt der konventionellen politischen Theorie verhaftet: Der Souverän kann zwar ein neues Gesetz erlassen, bleibt aber selbst an dieses gebunden und darf es auch nicht nach Gutdünken verändern. Der wahre Monarch, und ebenso eine Aristokratie, ist nicht nur durch die Fundamentalgesetze gebunden, sondern gemäß seinem Krönungseid dem Gesetz ebenso unterworfen wie ein gewöhnlicher Bürger: Er darf auch die »mores civitatum« und »antiqua consuetudo«, also Privilegien und Herkommen, nicht ohne Zustimmung der Betroffenen (oder ihrer ständischen Institutionen) ändern. Bodin lehnt zwar schon in der Methodus die gemischte, nicht aber die gemäßigte Verfassung ab. Somit entspricht der König, der sich wie in der Türkei oder Persien dem Gesetz nicht unterwirft, dem, was in der République »monarchie seigneuriale« heißen wird, also einem Herrscher über – auch personenrechtlich – Unfreie.11 Für Bodin ist der französische, überhaupt der okzidentale Monarch also in der Methodus noch ein gemäßigter Herrscher, und zwar erheblich gemäßigt durch ständische Mitsprache, die Unterwerfung unter das Gesetz und unabhängige Magistraten, die dem fürstlichen Hang zur Tyrannis entgegentreten.12 Damit folgt der Politique in seinem Frühwerk noch ganz der traditionellen Lehre, wonach Frankreich eine »monarchie tempérée« bilde, »reglée et refrenée par bonnes loix, ordonnances et coustumes«, wie es 1519 der wirkungsmächtige Claude de Seyssel formuliert hat.13 Noch 1561 lobt Charles Dumoulin das Land gar für seine Mischverfas-

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Bodin, Methodus, 1566, S. 329, vgl. auch 318–328. Bodin, Methodus, 1566, S. 331 f. Bodin, Methodus, 1566, S. 239. Bodin, Methodus, 1566, S. 305. Claude de Seyssel, Grant Monarchie de France, 1557, S. 9 f., zitiert bei Albertini, Das politische Denken, 1951, S. 44, Anm. 2.

1. Jean Bodin

sung: »L’Etat composé des trois espèces de gouvernement est à préférer à chacune particulière desdites espèces, soit en utilité, soit en excellence, ou perpétuité … Le Royaume de France c’est Monarchie avec un assaisonnement et température d’Aristocratie et Démocratie des Estats et ordres«.14 Obwohl die Methodus manche Anliegen Bodins bereits gut illustriert oder zumindest andeutet, ist die konsequente Souveränitätstheorie in dreierlei Hinsicht erst ein Ergebnis seiner 1576 erscheinenden Six livres de la République:15 Nun bildet sie das zentrale, als neuartig erkannte und deklarierte Thema des Buches; dabei wird die Gesetzgebung zur ersten und wichtigsten Kompetenz des Souveräns; und erst jetzt ist er selbst absolut, erhaben sowohl über das Gesetz als auch über den Konsens von Ständen und Parlamenten. In der Methodus von 1566 ist es dem Juristen darum gegangen, den Staat zu definieren (als Gemeinschaft, die einer einzigen Befehlsgewalt unterworfen ist). Nun will er das im Staat wirksame Prinzip, sein Fundament analysieren, was – wie Bodin selbstbewusst festhält – eine innovative Leistung darstellt. Im zentralen Kapitel 1, 8 definiert er erstmals die »souveraineté« (»Maiestas« auf Lateinisch) als »puissance absolue & perpétuelle d’une République«:16 Sie ist ungeteilt, zeitlich unbegrenzt, durch keine andere innere oder äußere Gewalt limitiert und dem gesetzten Recht nicht unterworfen. »La souveraineté donnée à un Prince sous charges et conditions, n’est pas proprement souveraineté, ni puissance absoluë« – es sei denn, die Schranken entsprechen dem göttlichen oder natürlichen Recht.17 Es ist also, in einer auch in der Schweiz später populären Formulierung, »absolument souverain, qui ne tient rien, apres Dieu, que de l’espee« – »qui post Deum immortalem subditus sit nemini«.18 Souveränität bedeutet für die Herrscher, »qu’ils puissent donner loy aux sujects, et casser ou aneantir les loix inutiles, pour en faire d’autres« – nach ihrem freien Willen, der sich in der Ediktformel »Car tel est notre plaisir« ausdrückt und keiner Zustimmung der Stände bedarf.19 Diese Kompetenz – den Untertanen in ihrer Gesamtheit und ohne ihre Zustimmung das Gesetz vorzuschreiben – ist nunmehr, an14 Charles Dumoulin, Commentaires analytiques, 1561, Vorwort, zitiert bei Mor el, Régime mixte, 1996, S. 105. 15 So namentlich Franklin, Bodin, 1973, S. 164–166. 16 Bodin, République, 1986, 1, S. 179 (1, 8); ders., Respublica, 1586, S. 78: »Maiestas est summa in cives ac subditos legibusque soluta potestas.« 17 Bodin, République, 1986, 1, S. 187 (1, 8). 18 Bodin, République, 1986, 1, S. 229 (1, 9); ders., Respublica, 1586, S. 108 (1, 9). 19 Bodin, République, 1986, 1, S. 191 f., 198 f. (1, 8).

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ders als in der Methodus, der Kern der souveränen Macht und der absoluten Gewalt.20 Hat Bodin 1566 den Krönungseid des französischen Königs noch als wunderschön angesehen, so führen in seiner revidierten Sichtweise solche Beschwörungen der Landesrechte dazu, eine Monarchie auf eine Aristokratie oder Demokratie zu reduzieren.21 Allerdings versteht sich der Politique nicht als Apologet obrigkeitlicher Willkür: Gesetzesänderungen sieht er dort für legitim an, wo bisherige Regelungen ungerecht geworden sind, und sogar ungerechte Gesetze sollten nicht unvermittelt geändert werden. Doch im selben Zusammenhang stellt er klar, dass »necessité … n’a point de loy … et n’y a loix si excellentes soyent elles, qui ne souffrent changement, quand la necessité le requiert«.22 »Salus populi suprema lex esto« lautet mit Cicero die oberste Devise. Sie legitimiert bei Bodin, wenn der Souverän altes Recht bricht. Bei seinen fürstlichen Adepten wird die Formel extensiver benutzt werden, um im Namen des Allgemeinwohls ohne Rücksicht auf das Herkommen gesetzgeberisch zu wirken.23 Die Souveränität ist damit theoretisch völlig gelöst von der aktiven judikativen und exekutiven Tätigkeit des Herrschers: Die durch keine irdische Macht beschränkte Legislative ist ihr Hauptcharakteristikum. Indem Bodin das von seinen Zunftgenossen schon wiederholt erörterte »princeps legibus solutus« in der République systematisiert und kanonisiert, bricht er konsequenterweise auch mit der eigentlichen Quelle dieser Formel (Digesten 1, 3, 31): Welche Gültigkeit soll das römische Recht haben, wenn der Fürst losgelöst von jedem Recht Gesetze geben kann? Bodin historisiert das römische Recht in der Tradition des humanistischen mos gallicus und relativiert es damit in seiner Gültigkeit: Es ist nicht länger das gemeine Recht, sondern das spezifische des römischen Kaiserreichs, das in anderen Ländern keine Gültigkeit beanspruchen kann. Dazu kommt, dass das römische Recht in seiner zeitlichen Bedingtheit nicht mehr durch Glossierung im Sinne des mos italicus aktualisiert werden kann, sondern unnormierte Rechtsräume freilässt, die nach neuer, nationaler Gesetzgebung verlangen – womit die für den Politique ohnehin zentrale Funktion des Gesetzgebers eine zusätz-

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Bodin, République, 1986, 1, S. 204 (1, 8); vgl. Bodin, Staat, 1981, S. 222. Bodin, République, 1986, 1, S. 209 (1, 8); vgl. ders., Methodus, 1566, S. 239. Bodin, République, 1986, 4, S. 102 f. (4, 3). Cicero, Leg., 3, 8; vgl. Hinrichs, Fürstenlehre 1969, S. 76, der aus der lateinischen Ausgabe von Bodin den Satz zitiert: »nihil turpe videri potest quod cum salute Reipublicae coniunctum sit«.

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liche Bedeutung und Würde erhält.24 Hochverrat begeht deshalb, wer das römische Recht einer Weisung seines Fürsten entgegenstellt.25 Ein eigenes Kapitel, das zehnte und letzte im ersten Buch, widmet Bodin den »vrayes marques de la souveraineté«, die – wie er erneut festhält – noch niemand aufgelistet habe. An erster Stelle in der hierarchischen Ordnung steht die uneingeschränkte Gesetzgebung (»legem dare«): »à parler proprement on peut dire qu’il n’y a que ceste seule marque de souveraineté, attendu que tous les autres droits sont compris en cestui là«.26 Ausdrücklich wird dabei konstatiert, dass das herkömmliche Hauptattribut der Obrigkeit, die Rechtsprechung (»faire justice«), kein Zeichen der Souveränität ist.27 Auch wenn deren weitere Merkmale im »donner et casser la loy« eigentlich enthalten sind, zählt der Jurist sie auf, zuerst die vier nächstwichtigsten Kompetenzen: das exklusive Recht, Krieg zu führen und Bündnisse oder Frieden zu schließen (»bellum indicere, aut pacem inire«), die Einsetzung von Regierung und Beamten (»magistratus mandare«), die Entscheidung als höchstrichterliche Berufungsinstanz (»extrema provocatio«) und das Begnadigungsrecht (»contra vim legum ac iudiciorum liberare«). Darauf folgen die eigentlichen, fiskalischen Regalien und weniger zentrale Hoheitsrechte: das Münzrecht, die Entscheidung über Maße und Gewichte, über Steuern und Steuerprivilegien, die Ausfertigung von Geleitbriefen und das Strandrecht, das Talions- oder Vergeltungsrecht und der Titel Majestät.28 Auf Lateinisch spricht Bodin von den »Iura maiestatis«, was mit dem Plural noch stärker an die mittelalterliche Vorstellung von Regalien erinnert. Doch der Staatstheoretiker versteht die Souveränität gerade nicht mehr als Summe einzelner obrigkeitlicher Rechte, sondern als das eine, umfassende Recht, zugleich auch die »Kompetenz-Kompetenz« des Herrschers, der allein entscheidet, welche Bereiche staatlich sind und damit seiner Verantwortung obliegen.29 Herrschaft wird damit nicht mehr induktiv und additiv durch viele Teilrechte vor allem im Bereich der Rechtsprechung begründet, sondern deduktiv durch einen einzigen und nur einem einzigen zustehenden Rechtstitel, der vor allem auf die Gesetzgebung und die oberste

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Mayer-Tasch in Bodin, Staat, 1981, 1, S. 13. Bodin, République, 1986, 1, S. 220 f. (1, 8). Bodin, République, 1986, 1, S. 309 (1, 10). Bodin, République, 1986, 1, S. 299 (1, 10). Bodin, République, 1986, 1, S. 306–340 (1, 10); auf Lateinisch, ders., Respublica, 1586, S. 153–173. 29 Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 36.

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Befehlsgewalt abzielt.30 Damit bringt Bodin erstmals die inneren, staatsrechtlichen Aspekte der Souveränität mit den äußeren, völkerrechtlichen in einer unauflöslichen Verbindung zusammen. Das Bewusstsein, dass es sich hierbei um ursprünglich unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche handelt, wird im 17. Jahrhundert – anders als heute – noch gegenwärtig sein. Eine wie erwähnt bereits in der Methodus angelegte Konsequenz der unteilbaren, von der Gesetzgebung ausgehenden Souveränität ist die klare Absage an das aristotelisch-thomistische Ideal der Mischverfassung – und damit an die gängige Interpretation von Dauer und Erfolg der allgemein bewunderten Modelle Sparta, Rom und Venedig, das in Auseinandersetzung mit Contarini als ursprüngliche Demokratie und nunmehr reine Aristokratie entlarvt wird.31 Ausdrücklich als absurd und – qua Majestätsverbrechen – todeswürdig verworfen wird die Mischverfassung aber auch, wenn sie zur Interpretation der französischen gemäßigten Monarchie herangezogen wird. Für den Politique gibt es allein die drei reinen Staatsformen Monarchie, Aristokratie und Demokratie – je nachdem, bei wem die Souveränität liegt. »L’estat de la France est simple, et pure Monarchie«: Weder (angeblich demokratische) Generalstände noch die (bei manchen Autoren aristokratischen) Institutionen Parlament oder Cour des Pairs beschränken den König in irgendeiner Weise – alle ihre Angehörigen sind schlichte, demütige Untertanen.32 Mit dieser Abwertung der ständischen Mitsprache ist der entscheidende Bruch zur Tradition und zu Bodins eigener Methodus vollzogen. Während die Souveränität eine Mischverfassung im herkömmlichen Sinn ausschließt, führt Bodin – auch hier seiner Gründerrolle bewusst – eine über Rousseau und Kant bis heute weiterwirkende Unterscheidung ein, die verschiedene Verfassungsprinzipien kombinieren kann: die Trennung von Staats- und Regierungsform, auf Französisch von »estat (d’une république)« und »gouvernement«, auf Lateinisch von »forma reipublicae«/»reipublicae status« und »forma gubernandi«/ »imperandi ratio«.33 So kann ein monarchischer Souverän durchaus eine aristokratische oder demokratische Regierung einsetzen, und

30 Vgl. Stolleis, Öffentliches Recht, 1988, S. 397. 31 Bodin, République, 1986, 2, S. 19–21 (2, 1), vgl. 4, S. 52 f. (4, 1) und ders., Methodus, 1566, S. 215–223. 32 Bodin, République, 1986, 2, S. 21–23 (2, 1). 33 Bodin, République, 1986, 2, S. 34 f. (2, 2), vgl. 120–125 (2, 7); Bodin, Respublica, 1586, S. 189 (2, 2).

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auch andere Kombinationen sind denkbar. Doch für Bodin hat ein monarchischer Souverän einen entscheidenden Vorsprung gegenüber den anderen Staatsformen: »Le principal point de la Republique, qui est le droit de souveraineté, ne peut estre ni subsister, à parler proprement, sinon en la Monarchie: car nul ne peut estre souverain en une Republique qu’un seul.«34 Eine Körperschaft von mehreren oder eines ganzen Volkes kann man sich zwar als Träger der Souveränität vorstellen, doch werden sie in Sachfragen immer wieder uneinig sein und damit Anlass zu Parteiungen und Bürgerkriegen geben, während sie in ihrer Vielköpfigkeit selbst kein Heer führen oder rasche Entscheidungen fällen können. Einheitlichkeit der Befehlsgewalt und unvoreingenommene, gebildete Rationalität, welche Ämter und Pflichten nach den übergeordneten Prinzipien einer Geometrie und Arithmetik austarierenden Ordnung harmonisch verteilt, sind also die großen Vorteile der von der Natur vorgegebenen »Monarchie pure et absoluë [qui] est la plus seure Republique, et sans comparaison la meilleure de toutes«.35 Dies sagt Bodin nicht, um einem Fürsten zu schmeicheln, sondern »pour la seureté et vie heureuse des sujects«, die unter der demokratischen Unordnung oder Anarchie, die sich aus ständischer Mitsprache ergeben, am meisten leiden. Schon in der Methodus hat der Rechtsgelehrte ja das »bene vivere« und nicht die Freiheit zum Zweck des Staates erklärt. Die »vraye felicite« der Bürger, wie sie in der République heißt, verlangt zuerst auf der existenziellen Ebene, der Staat müsse »asseurer leur estat contre les estrangers, et garder les subjects d’offenser les uns les autres, ou si quelcun est offensé, reparer la faute«; auf einer höheren Stufe widmet sich der Bürger der Ausbildung der Tugend (»vertu«) und zuletzt der Kontemplation im antiken Sinn als Götterschau.36 »Wahre Freiheit« wird gegenüber der aristotelischen Tradition dahingehend umdefiniert, dass sie eine obrigkeitliche Herrschaftsordnung voraussetzt: »La vraye liberté populaire ne gist en autre chose sinon à jouïr de ses biens en seureté, et ne craindre qu’on face tort à l’honneur, ni à la vie de soy, de sa femme, ni de sa famille.«37 Die so definierte persönliche Freiheit in einer »Monarchie royale ou legitime« ist klar getrennt vom (ebenfalls legitimen) Status des sklavenähnlichen Untertanen in einer despotischen »Monarchie seigneuriale« 34 35 36 37

Bodin, Bodin, Bodin, Bodin,

République, République, République, République,

1986, 1986, 1986, 1986,

6, 6, 1, 6,

S. 178 (6, 4). S. 183 f., vgl. 180 f. (6, 4), sowie 2, S. 123 (2, 7). S. 33 f. (1, 1). S. 161 (6, 4).

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und erst recht von der illegitimen, egoistischen Willkür in einer Tyrannis: Zwar hat der Bürger keinen Anspruch auf politische Partizipation, doch umgekehrt haben der rechtmäßige Souverän, seine Beamten oder andere Gewalten auch keinen Zugriff auf seine Person oder den Besitz, die naturrechtlich geschützt sind.38 Der Respekt vor dem Eigentum, das kein Fürst der Welt »à son plaisir« wegnehmen oder besteuern kann, bildet also in der Theorie die Schranke legitimer monarchischer Herrschaft. Wo sich allerdings das Prinzip Eigentumsgarantie und das Gebot des Staatserhalts widerstreiten, obsiegt Letzteres, da nur eine funktionsfähige Herrschaft überhaupt ein unversehrtes Dasein der Untertanen ermöglichen kann.39 Die Stände können also prinzipiell über die Steuererhebung entscheiden; doch im Zweifelsfall haben nicht sie das letzte Wort. Ähnlich sieht es für die anderen Bindungen des Souveräns aus, die Bodin im Prinzip weiter für gültig ansieht: die Fundamentalgesetze des Landes sowie das göttliche und natürliche Recht.40 Es gibt keine weltliche Instanz außer dem Souverän selbst, die entscheiden kann, ob eine irdische, von ihm erlassene »lex« in Übereinstimmung mit dem metaphysischen »ius« ist.41 Ebenso wenig kann ein irdisches Wesen korrigierend oder strafend gegen ihn eingreifen, sollte er gegen die naturrechtliche Norm »pacta sunt servanda« verstoßen, obwohl Pflichten aufgrund eines Vertrags – anders als beim Gesetz – für den Souverän ausdrücklich dieselbe Gültigkeit haben wie für jeden Privatmann.42 Die Hierarchie der Werte ist auch bei der brennend aktuellen Frage von Tyrannenmord und Widerstandsrecht eindeutig. 1572 ist Bodin, des Protestantismus verdächtigt, nur knapp den Mördern der Bartholomäusnacht entkommen. Dieses Ereignis provoziert die berühmten monarchomachischen Schriften Franco-Gallia, De iure magistratuum und Vindiciae contra tyrannos, worin die absolute Gewalt als »cousine germaine de tyrannie« angeklagt wird.43 Bodin zieht jedoch ganz andere

38 Bodin, République, 1986, 2, S. 34 f. (2, 2), vgl. auch S. 35–67. 39 Bodin, République, 1986, 1, S. 201 (1, 8); auch S. 221 f. 40 Giesey, Jurisprudence, 1973, S. 180–182; zu den Fundamentalgesetzen Bodin, République, 1986, 1, S. 197 (1, 8). 41 Zur Unterscheidung von »lex« und »ius« Bodin, République, 1986, 1, S. 221 (1, 8): »mais il y a bien difference entre le droit & la loy: l’un n’emporte rien que l’equité, la loy emporte commandement; car la loy n’est autre chose que le commandement du souverain, usant de sa puissance.« Vgl. Mayer-Tasch in Bodin, Staat, 1981, S. 35, Anm. 76. 42 Bodin, République, 1986, 1, S. 193, 195 (1, 8). 43 Languet/Mornay, Vindiciae, 1979, S. 139.

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Konsequenzen als die Hugenotten Hotman, Bèze, Duplessis-Mornay oder Languet.44 Wer mit ihnen die Stände über den Herrscher stellt, »fait revolter les vrais subjects de l’obeissance qu’ils doyvent a leur Prince souverain«.45 Die Prioritäten sind eindeutig: Anarchie ist schlimmer als die grässlichste Tyrannis, und damit ist das exzessive Ausüben von kontraktualistischen Kontrollrechten gefährlicher als das exzessive Ausüben der Souveränität.46 Es gibt nur ein formales Kriterium, das den Tyrannenmord erlaubt: die widerrechtliche Usurpation durch einen fremden Herrscher.47 In diesem Fall herrscht gleichsam noch der objektive Tatbestand des gerechten (Abwehr-)Kriegs. Dagegen berechtigt keine subjektive Erfahrung oder Beurteilung dazu, einen Herrscher zu töten, auch wenn ein Untertan ihn für »cruel, exacteur et meschant a outrance« ansieht; gegen einen Tyrannen in diesem Sinn darf nur ein Gleichrangiger antreten, also ein anderer Souverän. Bodins Ausführungen zum Widerstandsrecht sind nicht nur im Rahmen seiner eigenen Argumentation konsistent, sondern ergeben sich durchaus aus den reformierten und monarchomachischen Beiträgen zum Thema, welche Widerstand nur solchen ständischen Institutionen oder Gruppen zugesprochen haben, die selbst ebenfalls legitimerweise herrschaftsfähig sind.48 Da für Bodin alle Herrschaftsrechte vom Souverän ausgehen, kann ihm folgerichtig nur ein anderer Souverän Widerstand leisten. In Frankreich und den anderen absoluten Monarchien ist also niemand berechtigt, gerichtlich oder mit Waffen gegen den König vorzugehen, selbst wenn dieser die unbeschreiblichsten Schandtaten, Frevel und Grausamkeiten begeht. Sogar wenn er das göttliche oder natürliche Recht verletzt, darf man ihm nur den Gehorsam verweigern oder sich den Befehlen durch Flucht entziehen.49 Bei dieser schon rein formal stark eingeschränkten Befähigung zu Widerstand geht es Bodin wie gesagt nicht um einen Freipass für den Souverän. Gute Herrschaft ist ethisch eingebunden, sie hat göttlichem und natürlichem Recht zu gehorchen und einige ganz konkrete Regeln zu befolgen, etwa bei der Besteuerung. Es gibt ein Recht und Rechtsvorstellungen, die über dem Herrscher stehen und für ihn verbindlich

44 Vgl. zur Auseinandersetzung mit den Monarchomachen Salmon, Bodin, 1973. 45 Bodin, République, 1986, 1, S. 198 (1, 8). 46 Bodin, République, 1986, 1, S. 14 (préface); vgl. auch ibid., 6, S. 145 f. (6, 4). 47 Bodin, République, 1986, 1, S. 69 (2, 5). 48 Friedeburg, Wegscheide, 2000, S. 566–579, 607 f. 49 Bodin, République, 1986, 1, S. 72–81 (2, 5).

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sind. Aber es gibt keine irdische Instanz, die ihn bei noch so krassen Übertretungen selbst des metaphysischen Rechts zur Rechenschaft ziehen könnte. Die Folge eines solchen Majestätsverbrechens an Gott ist ein Krieg zwischen dem Allmächtigen und dem König; den Untertanen kommt dabei keine Rolle zu.50 Bodins Werk ist ein grundlegender Bruch mit der mittelalterlichen, noch im 16. Jahrhundert dominierenden kontraktualistischen Tradition und namentlich mit ihrer monarchomachischen Erneuerung und Präzisierung, die in den Vindiciae den Herrscher durch zwei Verträge – nicht nur mit Gott, sondern auch mit dem Volk – bindet und ihn so auf einen Amtsträger reduziert.51 Wie die Methodus gezeigt hat, ist auch Bodin zumindest anfangs der konsensualen Herrschaft und den ständischen Institutionen wohlgesinnt, wie sie in seiner Zeit in der politischen Theorie, aber auch in der Praxis für die oft sehr autonome französische Verwaltung charakteristisch sind.52 Wirkungsmächtiger und letztlich konsequenter als die Reste der mittelalterlichen Vertragslehre53 ist jedoch, sowohl für die fürstliche Praxis als auch für die Theorie im 17. Jahrhundert, die absolutistische Leseweise der Souveränitätslehre, etwa bei Charles Loyseau und Cardin Le Bret. Dabei ist es irrelevant, ob der Absolutismus eines Louis XIV mit Bodins Intentionen übereinstimmt oder nicht.54 Für den Juristen des 16. Jahrhunderts sind absolutistische Prinzipien und maßvolle Praxis noch vereinbar, weil er nicht die Übermacht des Königs, sondern dessen Ohnmacht vor Augen hat. Erst das 17. Jahrhundert wird aufgrund monarchischer Exzesse in absoluter Souveränität nicht Abhilfe, sondern Bedrohung sehen.

50 Vgl. Bodin, République, 1986, 1, S. 192 f. (1, 8). 51 In der Forschung wird in diesem Zusammenhang häufig, wohl seit Church, Constitutional Thought, 1941, von »constitutionalism« gesprochen; vgl. auch Skinner, Foundations, 2, 1978, S. 195–199. Ich gebrauche jedoch das Wort »kontraktualistisch«, das näher bei der mittelalterlichen Vorstellung eines Herrschaftsvertrags steht und auch nicht mit dem modernen, liberalen Konstitutionalismus seit dem späten 17. Jahrhundert verwechselt werden kann. 52 Franklin, Bodin, 1973, S. 152–162. 53 Dazu namentlich Church, Constitutional Thought, 1941, S. 212–242. 54 Das absolutistische Potenzial wird etwa betont von Dennert, Bemerkungen, 1973, S. 230, während Spitz, Bodin, 1998, S. 5 f., Bodins Absolutismus mit dem realpolitischen zusammen zum »Mythos« erklärt. Auch Giesey, Jurisprudence, 1973, hebt die selbst in Kapitel 1, 8 in den Marginalien eingebauten Schranken hervor und spricht auf S. 172 sogar von Bodins »anti-absolutism«; dazu auch Mayer-Tasch in Bodin, Staat, 1981, S. 23–41.

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Bis zu Bodins Zeiten haben sich die mannigfaltigen und oft widersprüchlichen herrschaftlichen und judikativen Zuständigkeiten und Beschränkungen in einer feudalen Welt am besten mit der antiken Vorstellung einer Mischverfassung erfassen lassen. Mit der République existiert nun ein neues Kriterium und ein logischer Kontext, welche eine präzisere Antwort einfordern und ermöglichen, wenn die Frage nach der Staatsform gestellt ist: Wer ist der Souverän? Der Franzose selbst führt dies apodiktisch an einem äußerst sensiblen Thema vor: »L’Empire d’Allemagne est une Aristocratie.« In Bodins Interpretation, die bei den Reichspublizisten säkulare Debatten auslösen wird, ist selbst Karl V. in keiner seiner Besitzungen absoluter Herrscher gewesen; die Souveränität liegt bei den im Reichstag vereinten Ständen, die den – einst selbst souveränen – Kaiser wählen und einen Krönungseid schwören lassen.55 Was im mittelalterlichen Verständnis als Mittler zu Gott die Quelle aller irdischen Herrschaft und Rechtsprechung gewesen ist, wird so – da de facto nicht absolut – zu einer untergeordneten Regierungsinstanz. Mit dem Souveränitätskonzept löst Bodin die Herrschaftsbegründung völlig aus dem rechtlichen und (heils-)geschichtlichen Zusammenhang des römisch-deutschen Imperiums. Damit erscheint der Okzident nicht länger als pyramidale Ordnung von adligen Herrschaftsträgern, deren Hierarchie sich daraus ergibt, dass sie in unterschiedlichem Maß Privilegien und Freiheiten erhalten haben. Stattdessen trennt der Staatsdenker dialektisch und mit erheblichen Folgen für das diplomatische Zeremoniell: auf der einen Seite die absolut Souveränen, auf der anderen ihre Untertanen, zu denen auch Herzöge und Grafen zählen und erst recht alle anderen Lehensträger. Das Heilige Römische Reich und das darin verkörperte Lehenssystem bilden also sowohl die reale als auch die staatstheoretische Barriere, jenseits von der Souveränität erst möglich wird. Zwar besitzen laut Bodin die Herzöge von Mailand, Mantua oder Savoyen scheinbar alle Attribute der Souveränität, und doch ist in Italien niemand souverän außer Venedig und dem Papst, da die Obergerichtsbarkeit überall beim Kaiser verbleibt und Huldigung und Reichsacht Gültigkeit behalten. Zudem verzichten die italienischen Fürsten und Städte auf das Proprium der Souveränität, nämlich eigenes gesetztes oder Gewohnheitsrecht auszuüben, wenn sie befürchten müssen, es könnte dem gemeinen Recht Kaiser Friedrichs zuwider laufen. Auch den deutschen Reichsfürsten wird die Souveränität nicht zuerkannt, und schon gar 55 Bodin, République, 1986, 1, S. 252–254 (1, 9); 2, S. 21 (2, 1), 99–106 (2, 6); vgl. auch Schubert, Reichstage, 1966, S. 360–382.

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nicht den Reichsstädten, die dem Reichskammergericht unterworfen sind – sie alle sind nur Glieder des Reichs und haben damit an der aristokratischen Souveränität bloß Anteil.56 Souverän sein kann bei Bodin also allein ein König – oder aber eine unabhängige Republik. In welche Kategorie fällt nun die Eidgenossenschaft, die Bodin mit grundsätzlichem Wohlwollen und oft erstaunlicher Detailkenntnis der kantonalen Verfassungen beschreibt? In der nicht ganz eindeutigen Formulierung der République und etwas klarer in der lateinischen Übersetzung gehören die Eidgenossenschaft und Graubünden nicht länger zum Reich, es sind »civitates ab imperio Germanorum avulsae, quae nec imperij, nec Imperatoris edictis se teneri satis declaraverunt«.57 In einem der zentralen Kapitel der République dienen die Schweizer Kantone (»qui sont tous souverain, et ne recognoissent prince ni Monarque du monde pour souverain«) als Beispiel, um die »prerogative d’honneur« zu exemplifizieren, die protokollarische Rangfolge unter – in ihrer Souveränität – Gleichwertigen.58 Doch im selben Kapitel führt Bodin die Kantone zusammen mit den Reichsstädten an, die dem Kammergericht unterstellt bleiben, und schildert sie anhand der erst vor kurzer Zeit erfolgten Privilegienbestätigung von 1559 als Vasallen: »Les Suisses en general envoyerent leurs Ambassadeurs à l’Empereur Ferdinand, pour obtenir confirmation de leurs privileges: qui est une forme d’hommage et recognoissance qu’ils tiennent leur liberté de l’Empire.«59 Die Obrigkeit von Fribourg nenne ihre Stadt selbst »membre de l’Empire: jaçoit qu’ils ont leur estat à part en pleine souveraineté: les autres confessent tenir leurs privileges et libertez de gouverner leur estat des Empereurs, comme Uri, Undervalden, et Schwitz, et en ont lettres patentes de Louïs de Bavieres«.60 Bodin konstatiert also, ohne es auch zu analysieren, dass die Schweizer nach seiner Definition eigentlich souverän sind, doch sich selbst als Reichsglieder verstehen, ihre Freiheit in Privilegien begründet ansehen und sich diese vom Kaiser bestätigen lassen. Gegen eine – wie er schreibt – verbreitete Meinung verkündet Bodin in konsequenter Auslegung seiner Lehre, dass die Schweizer nicht eine

56 Bodin, République, 1986, 1, S. 254–259 (1, 9); 297 f. (1, 10), 105 (2, 6). 57 Bodin, Respublica, 1586, 1, S. 77 (1, 7); vgl. ders., République, 1986, 1, S. 175 (1, 7): »qui ne tiennent rien de l’Empire, et moins encore de l’Empereur«. 58 Bodin, République, 1986, 1, S. 287 (1, 9). 59 Bodin, République, 1986, 1, S. 259 (1, 9). 60 Bodin, République, 1986, 2, S. 107 (2, 6); vgl. ders., Respublica, 1586, S. 227 (2, 6).

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einzige Republik bilden, sondern deren 13 und mit den Zugewandten sogar 22 Republiken: »chacune a sa souveraineté divisee des autres« und damit auch eigene Beamten, Finanzen und Territorien, ebenso eigene Wappen, Kriegsrufe, Titel, Münzen, Siegel, Rechtsprechung und Gesetze. Analog bilden die Bündner drei Staaten: »Car les estats communs, le domaine commun, les dietes communes, les amis et ennemis communs, ne font pas un estat commun …, ains la puissance souveraine, de donner loy chacun à ses subjects«.61 Konsequent ist auch im Schweizer Fall die Ablehnung der Mischverfassung: In allen Kantonen herrschen entweder Demokratien (Landorte) oder Aristokratien (Städte).62 Widersprüchlich ist allerdings die Auskunft, ob nun Bern, Basel und Zürich Demokratien mit aristokratischer Regierungsform sind oder umgekehrt Aristokratien mit demokratischer Regierungsform.63 Das zeigt, dass Bodin seinen reichen empirischen Stoff nicht immer überblickt, aber auch, dass sich die historische gewachsene Ordnung im Reich und in der Eidgenossenschaft nicht ohne weiteres der neuartigen staatsrechtlichen Rationalität fügt. Ein weiterer scheinbarer Widerspruch ist für die Verhältnisse in der Schweiz von Bedeutung, allerdings nicht in ihrem Zusammenhang entwickelt. Bodin, der dem Herrscher sogar den freiwilligen Verzicht auf Souveränitätsrechte untersagt, muss erst recht und kategorisch bestreiten, dass diese durch Verjährung (»praescriptio«) erlangt werden können.64 Doch an anderer Stelle wird eine Form der Verjährung denkbar: Die Usurpation gilt nach etwa einem Jahrhundert (»puta centum annorum decursu«) ununterbrochener Herrschaft nicht mehr als Tyrannis, sondern wird legitim, wenn sie von den Untertanen selbst nicht mehr in Frage gestellt wird.65 Das ist eine andere Position als die reichsrechtliche, für die Verjährung nicht denkbar ist.66 Bodins praescriptio liefert dagegen eine Antwort, wenn man sich fragt, ob sich ein Reichsglied überhaupt je vom Imperium lösen, also souverän werden kann. Voraussetzung dafür ist faktische und unbestrittene Herrschaft seit über einem Jahrhundert, umso mehr, als den Schweizern die aus61 Bodin, République, 1986, 1, S. 167, vgl. 163 f. (1, 7), und ders., Methodus, 1566, S. 191 f. 62 Bodin, République, 1986, 2, S. 21 (2, 1); 2, S. 118 (2, 7); Respublica, 1586, S. 232. 63 Bodin, République, 1986, 2, S. 97 (2, 6); vgl. 6, S. 163 (6, 4), 298 (6, 6); ders., Methodus, 1566, S. 285–288. 64 Bodin, République, 1986, 1, S. 336, 341 (1, 10). 65 Bodin, Respublica, 1586, 2, S. 208 (2, 5); im Französischen ist die Passage knapper und weniger präzis, Bodin, République, 1986, 2, S. 72 (2, 5). 66 Dazu unten, S. 178.

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geübten Souveränitätsrechte nicht durch Nachlässigkeit des Herrschers oder eigenen Betrug anheim gefallen sind, sondern durch offene, kriegerische Aneignung. Was im ewigen Kaiserreich stets eine nur vorübergehend erfolgreiche Insubordination bleiben müsste, kann laut Bodin in einer säkularen Staatenwelt – obwohl anfangs illegitim – nach einem längeren Zeitraum als rechtmäßig anerkannt werden.

2. Josias Simlers Von dem Regiment der lobl. Eÿdgenoßschaft Josias Simler (oder Simmler) wird 1530 in Kappel geboren und lebt ab 1544 im Hause seines Taufpaten, des Reformators Heinrich Bullinger in Zürich; dessen Tochter Elisabeth heiratet Simler 1551, und nach deren Tod Margaretha, die Tochter von Antistes Rudolf Gwalther und Enkelin Zwinglis. Simler wird zuerst Pfarrer, 1552 dann Professor für das Neue Testament und 1560 für Altes Testament am Zürcher Carolinum. Besonders prägend ist für ihn außer Bullinger der italienische Refugiant und Professor Petrus Martyr Vermigli, dessen Nachfolger (1562, wieder für Neues Testament) und Biograph Simler wird. Neben weiteren Lebensbeschreibungen verfasst er naturwissenschaftliche Arbeiten, lateinische Übersetzungen von Bullingers Werken und einen De alpibus commentarius (1574), mit dem er die wissenschaftliche Alpenkunde begründet. Im Todesjahr 1576 erscheint dann bei Froschauer als »kurtzer außzug«67 eines geplanten, umfassenderen Geschichtswerks zuerst auf Lateinisch De republica Helvetiorum und im selben Jahr die eigenhändige deutsche Fassung Regiment gmeiner loblicher Eydtgnoschafft. Davon folgt im selben Jahr eine leicht, aber nicht mehr vom Autor erweiterte Version, die 1577 gleich zweimal neu aufgelegt wird.68 Im selben Jahr erscheinen auch schon lateinische Neuauflagen, sowohl in Zürich als auch in Paris bei Jacques du Puys, der 1586 auch Bodins lateinische Respublica drucken wird. Weitere Ausgaben des lateinischen Textes entstehen 1608 in Zürich, 1627 in Leiden bei Elzevir und noch 1734 in Zürich. Auch das deutsche Regiment erlebt 1610 und 1645 Zürcher Neuauflagen, bevor es 1722, 1735 und 1792 in der reich kommentierten Ausgabe Johann Jacob Leus wieder greifbar wird. Fast gleichzeitig mit den Originalausgaben erscheint 1577 die französische 67 Simler, Regiment, 1577, S. 259v; Republica, 1576, S. 5*. 68 Aus einer dieser Ausgaben: Simler, Regiment, 1577 (ZBZ Ri 129), wird im Folgenden zitiert; sie entspricht der überarbeiteten Edition von 1576.

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Abb. 2: Josias Simler, La République des Suisses, Genf 1577, Frontispiz.

Fassung La république des Suisses in Genf (Abb. 2); übersetzt hat den Text auf Simlers Wunsch der hugenottische Antimachiavellist Innocent Gentillet.69 In Genf (1598, 1607 und 1639), in Paris (1578 und 1579)

69 Pottiée-Sperry, Destin, 1994.

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und in Antwerpen (1579) werden weitere Ausgaben von Simlers République gedruckt. Schließlich kommt 1613 in Delft eine niederländische Übersetzung De Republik van Switzerlandt heraus. Simlers Regiment erscheint also im gleichen Jahr wie Bodins République, und offenbar bestellt der Zürcher kurz vor seinem Tod noch das französische Buch.70 Doch auf sein Werk hat es naturgemäß keinen Einfluss mehr, Simlers Geisteswelt ist eine ganz andere als Bodins, wie bereits die Behauptung zeigt, die Eidgenossenschaft bilde als Ganzes eine »respublica«: »sunt populi & urbes non paucae, una nihilominus est civitas, una Respublica«. Man könne zwar denen schlecht widersprechen, die dies bestreiten, weil im Rahmen einer »Commun« (»una respublica«) alle Mitglieder den Mehrheitsbeschlüssen Gehorsam schuldeten; gerade dies gelte aber für die Kantone gegenüber der Eidgenossenschaft nicht. Doch der ewige Bund, Tagsatzungen und Verhandlungen, gemeine Herrschaft, geteilte »Satzungen, mandat, rechte und alte gewohnheiten und breüch« erlaubten es, wenn man nicht allzu subtil argumentiere, die Eidgenossenschaft anzusehen »gleych als wenns ein Statt wer, ein Commun und ein Regierung«, die ja auch seit über zweihundert Jahren die »gemeine freyheit deß Vatterlands« mit vereinten Kräften verteidige.71 In der Widmung rechtfertigt Simler sein Werk damit, dass aus Neid und Hass falsche Nachrichten von den Eidgenossen als »aufrürigen Pauren« zirkulierten: »Unsere Vorderen« hätten den Adel erschlagen und verjagt und ein Regiment ohne Ordnung und Gehorsam eingerichtet, in dem Bauer und Edelmann sich nicht unterschieden. »Anarchia«, die allzu reale Gefahr, die Bodin zu seinen unkonventionellen Theorien inspiriert, ist hier nur der Vorwurf übelwollender Ausländer. Er sei unberechtigt, behauptet Simler, denn die meisten Orte seien ursprünglich frei gewesen, die anderen zumindest privilegiert. Diejenigen, die Österreich untertan gewesen seien, hätten sich von diesem erst losgesagt, als die Vögte ihre Freiheiten beschnitten und sie so genötigt hätten, sich zu widersetzen: »da haben sy mit gwerter hand sich selbs gefreyet«.72 Es handle sich also nicht um Aufruhr oder Unrecht: »Deshalb haben auch die Rhömischen Keyser die Eydgnössischen Pündt inen lassen gefallen, die selbigen bestetet und inen darüber herr-

70 Mor eau-Reibel, Bodin, 1933, S. 225. 71 Simler, Regiment, 1577, S. 10r/v; Republica, 1576, S. 1v; vgl. République, 1577, S. 3, und Reibstein, Respublica, 1949, S. 82 f. 72 Simler, Regiment, 1577, S. 3r/v, 6v, 10v; vgl. Simler, Republica, 1576, S. 2.

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liche Privilegia und freyheiten geben.«73 Simler verwahrt sich auch gegen den Vorwurf, man habe alle Adligen vertrieben, sondern »vil mehr Tyrannen so den Adel missbrauchten«; die verbliebene Nobilität werde geachtet und könne nach ihren Rechten leben. Der Hauptteil beginnt mit den »freyen Regimenten oder Communen, die keinem Fürsten oder Herren underworfen sind«, unter denen Venedig und die Eidgenossenschaft die vornehmsten seien.74 Anders als bei der Serenissima ist die Schweizer Freiheit jedoch nicht in sich selbst begründet, sondern noch vollständig und betontermaßen aufgehoben in der Universalmonarchie. Vom Kaiser, (angeblich) Ludwig dem Frommen und Friedrich II., stammten die ersten Privilegien der Urkantone, die ihn gegen den Papst unterstützten. Rudolf von Habsburg bestätigte ihre Freiheiten, während sein Sohn, Herzog Albrecht, versuchte, den Reichsbesitz für das Haus Österreich zu entfremden. Das weckte den Widerstand der Schweizer: »Sy seyen gar herrlich von Römischen Königen unnd Keyseren gefreyet, das sy nicht mehr von dem Reych gesündert söllen werden, deßhalb seyen sy willens, wie ihre Vorfahren vestigklich bey dem Reych zubeharren.«75 Nicht nur der gemeine Mann, auch viele Adlige schlossen sich dem Schwur vom Rütli an.76 Ludwig der Bayer erlaubte den Orten 1329, ihre Reichsvögte selbst zu wählen, »die allein über das blut richten, unnd sunst kein Jurisdiction und gwalt über die Stett haben«. Sie repräsentieren also im Blutbann die Einbindung in die höhere, universale Ordnung; abgesehen davon sind die eidgenössischen Orte aber für Simler seit dem 14. Jahrhundert autonom.77 Die Erweiterung der dreiörtigen Eidgenossenschaft erfolgt jeweils nach demselben Prinzip wie im Falle Zürichs: Vom Adel bedrängt, sucht die bis dahin stets vorbildlich reichstreue Stadt Hilfe beim Kaiser, der ihre Unveräußerlichkeit garantieren, sie beschirmen müsste; allein gelassen, muss sich Zürich dem Bund mit den Waldstätten anschließen, um in legitimer Notwehr gemeinsam mit diesen seine Freiheiten zu verteidigen.78 Eine antimonarchische Spitze findet sich nur an einer Stelle im Buch, wo Simler auf die Bündnisse mit fremden Mächten zu reden

Simler, Regiment, 1577, S. 4; ders., Republica, 1576, S. 3*v: Simler, Regiment, 1577, S. 9; Republica, 1576, S. 1. Simler, Regiment, 1577, S. 20v. Simler, Regiment, 1577, S. 26. Simler, Regiment, 1577, S. 40; vgl. auch S. 14 und 17r/v sowie Reibstein, Respublica, 1949, S. 37 f. zum Reichsvogt. 78 Simler, Regiment, 1577, S. 63; vgl. Reibstein, Respublica, 1949, S. 29–35. 73 74 75 76 77

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kommt. Doch die Warnung vor freiheitsfeindlichen Königen und Tyrannen stammt nicht von ihm, sondern aus dem paraphrasierten Demosthenes. Simler selbst erklärt dagegen, dass die Eidgenossen viele Bündnisse mit nahen Fürsten geschlossen hätten, »Pündt umb freündtschafft unnd fridens willen«.79 Dass er ansonsten König und Tyrannen sehr wohl differenziert, zeigt sich am Anfang des zweiten Buches, in dem der Zürcher »Form und Gestalt des Eydgnösischen Regiments« beschreibt. Harmonie zwischen Einzelherrscher und Bevölkerung im Sinne der gemäßigten Monarchie wird dort postuliert, wo Simler die aristotelischen Verfassungsformen vorstellt.80 Was die Eidgenossenschaft anbetrifft, so herrsche, wie in Rom, Karthago und Venedig, eine Mischverfassung, allerdings bloß »von zweyen zusamen gesetzt, der rädten und Oberen gwalt und auch der Gmeinden« – Aristokratie in den Städten, Demokratie in den Landkantonen.81 Simler bringt hier die – wie er wohl weiß – unzulässig um die monarchische Komponente beschnittene Mischverfassung ein, um die Eidgenossenschaft im Rahmen der klassischen Staatstheorie definieren zu können und sie so zu legitimieren.82 Was er verwirft, ist die Tyrannis, die sittlich verheerende Regierungspraxis, die er in der Schweiz unvermeidlich am Beispiel des Adels und der habsburgischen Vögte thematisieren muss – also im Bezug auf Mediatgewalten im Reichsgefüge. Simler will nicht die Demokratie der Aristokratie gegenüberstellen oder die republikanische Verfassung der monarchischen. Seine Scheidelinie verläuft, ganz gemäß der vorherrschenden aristotelischen Tradition, zwischen den drei sittlich guten und den drei sittlich verwerflichen »Regimenten«. Nicht die Ein- oder Mehrzahl der Regierenden macht die Qualität eines Staates aus, sondern die Art, wie sie die Macht handhaben. Im Besonderen geht es Simler darum, zu zeigen, dass das aristokratische Element in der Schweiz nicht fehlt und sie zu Unrecht als bäuerische Anarchie verunglimpft wird. Das bedeutet keine Kritik an der ständischen Ordnung, keine Ablehnung der Nobilität als solcher und schon gar nicht der Monarchie. Doch für die Eidgenossen wird verlangt, dass sie die Freiräume, die sie dank wohlerworbenen Privilegien

79 80 81 82

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Simler, Regiment, 1577, S. 140v/141; vgl. Demosthenes, Phil. 2, 25. Simler, Regiment, 1577, S. 158. Simler, Regiment, 1577, S. 158v. Entsprechend zählt Arnisaeus, De republica, Frankfurt 1615, 2, 6, sect. 1, 1, Simler unter die Vertreter der Mischverfassungstheorie; die entsprechende, lange Liste bei Dr eitzel, Protestantischer Aristotelismus, 1970, S. 285.

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in dieser ständischen Welt beanspruchen, weiter bewahren dürfen – nicht, um eine Alternative zu dieser Ordnung darzustellen, sondern gerade deshalb, weil sie ihr entsprechen. Es ist also zentral, nicht nur für Simler, sondern für die ganze eidgenössische Legitimation der Frühzeit, dass sich der Freiheitskampf nicht gegen Kaiser und Reich, sondern gegen Österreich richtet, das die wohlerworbenen Rechte der Schweizer missachtet. Dass die Habsburger gewohnheitsrechtlich den Kaiser stellen, ist in dieser Deutung ein zu vernachlässigender Zufall. Das Reich ist die Rechtsordnung, dank der die Eidgenossenschaft erst möglich geworden ist; Schweizer Staatlichkeit, auf kantonaler wie auf Bundesebene, ruht in kaiserlichen Privilegien und verstößt in keiner Weise gegen die Regeln des Reichs. Der analytische zweite Teil des Buchs führt dies nach dem historischen ersten vor, indem die Verfassung der Eidgenossenschaft und dann der einzelnen Orte präsentiert wird. Das Rechtsideal, das Simler vertritt, ist das herkömmliche, lokale Gewohnheitsrecht. Bodin hat das römische Recht abgelehnt, weil es die Gesetzgebungskompetenz des Souveräns limitiert. Aufgrund ganz anderer Überlegungen führt der Zürcher sorgfältig aus, man »arguiert nit auß dem Römischen Rechten noch auß den bücheren der Juristen, sonder was recht unnd billich ist, unnd was die satzungen, alten breüch und gewonheiten eines yeden volcks vermögen«. Simler will das von weisen Männern verfasste »Römisch Keyserlich Recht«, wie es »heüttiges tags bey vilen gebraucht wirt«, nicht gering schätzen. Allerdings verführe es die Juristen, nicht nach Recht und Billigkeit vorzugehen, sondern die Buchstaben des Gesetzes nach Gutdünken auszulegen, die Unkundigen mit verwirrenden Auslegungen zu übertölpeln und langwierige, kostspielige Prozesse zu führen. Der Zürcher hält den heimischen Usus für besser und annehmlicher, wo es zwar Irrtümer gebe, aber dank rascher Urteile die Kosten geringer seien, die Parteien weniger beansprucht würden und entsprechend weniger Hader entstehe.83 Mit seiner Absage an das römische Recht und dem Lob des Gewohnheitsrechts distanziert sich Simler von dem Argumentationssystem, in dessen Rahmen seit 1495 sowohl die »Verfassungsverdichtung« im Reich als auch die Herrschaftsintensivierung des Kaisers beziehungsweise, in den Territorien, der Fürsten und Reichsstädte erfolgt ist: Übernahme des Corpus Iuris Civilis, damit Stärkung der obrigkeitlichen Ansprüche, Wechselspiel von Supplik und Reskript zur Formulierung

83 Simler, Regiment, 1577, S. 179v/180.

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und Systematisierung von Reichsnormen. Das Reformanliegen ist dabei allgemein höhere Rechtssicherheit; der Weg dazu sind Schriftlichkeit und mehr Kompetenzen für eine recht homogene Gruppe von Juristen, die das römische Recht beherrschen. Diesen gegenüber wird der Handlungsspielraum für juristische Laien zunehmend enger, und deshalb versagen sich die Schweizer – die außer in Basel keine Juristenausbildung betreiben – diesem wichtigen Teil des Staatsbildungsprozesses. Nicht nur die gewöhnlichen Bürger und Untertanen fürchten die Professionalisierung und Entfremdung des Rechts, sondern auch die kantonalen Obrigkeiten, die sich 1495 den Wormser Reformen und damit dem regelmäßigen Kontakt mit dem Reichskammergericht und dem Reichshofrat entzogen haben.84 Aus der Sicht der Eidgenossen verhält es sich gerade umgekehrt: Sie sind der alten Reichsverfassung treu geblieben, wie sie angeblich vor Maximilians Zeiten Gültigkeit beanspruchen konnte, während die »verdichtete Verfassung« neue, illegitime Wege geht. Diesem Argumentationsmuster folgt auch Simler, für den die Legitimität durch Reichsrecht zentral ist – allerdings in seiner ursprünglichen, »mittelalterlichen« Form, noch vor der Rezeption des römischen Rechts. Der Zürcher versteht die Schweizer Freiheiten aber auch nicht als Souveränität, die Bodin ja erst zeitgleich konzipiert; und ebenso fehlt die monarchomachische Argumentation mit dem Widerstandsrecht im Regiment. Ganz im mittelalterlichen Sinn sieht Simler die Staatsgewalt als Rechtsprecherin, und das Imperium ist und bleibt Ausdruck der allgemeinen Rechtsordnung: In dessen Rahmen und in dessen Auftrag sorgen die Dreizehn Orte für das Gemeinwohl. Simlers Eidgenossen sind getreue Diener des Kaisers, ja, sie verkörpern die wahre, universale und nicht auf die »deutsche Nation« reduzierte Reichsidee selbst dann noch, wenn dieser – getrieben von den partikularen Interessen seiner (Habsburger) Dynastie – die imperialen Pflichten vernachlässigt und sie gleichsam an seiner Stelle einspringen. Sie verwirklichen dabei nichts anderes als das, wonach der Universalherrscher seinem göttlichen Auftrag gemäß auch streben müsste: Billigkeit und Gerechtigkeit charakterisieren das eidgenössische Regiment, wo ein jeder »rüwig und sicher bey seinen rechten bleyben und sy all einanderen vor unbillichem gewalt schirmen mögen«.85

84 Vgl. Isenmann, Reichsrecht, 1986, S. 548–550, 563–566, 577 f., 596 f.; zum fehlenden Juristenstand in der Schweiz Schott, Bartele, 1983, S. 42 f. 85 Simler, Regiment, 1577, S. 166v; Reibstein, Respublica, 1949, S. 31, 50–56.

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Weshalb kommt ein zwinglianischer Theologe dazu, im Zeitalter der auch in der Schweiz erfolgreich Fuß fassenden Gegenreformation an die historischen und politischen Gemeinsamkeiten aller Eidgenossen zu erinnern? Simlers Werk entsteht in einer Zeit, da die Situation noch relativ offen ist: Erst mit dem Goldenen oder Borromeischen Bund von 1586 und mit den Allianzen derselben katholischen Kantone mit Savoyen und Spanien stehen sich diese und die reformierten Orte, die sich an Frankreich halten, kompromisslos gegenüber. In den frühen 1570er Jahren gibt es dagegen noch intensive Bemühungen nicht nur von Bern, sondern auch der katholischen Städte Fribourg und Solothurn, Genf an die Eidgenossenschaft zu binden.86 Nach der traumatischen Integration des linksrheinischen Konstanz in das habsburgische Territorium soll nicht auch die andere Einfallspforte im Südwesten des Landes an eine seit der Eroberung der Waadt auf Revanche sinnende Dynastie – Savoyen – fallen. Bei der Suche nach einem gemeinsamen außenpolitischen Nenner spielt die Historiographie eine gewichtige Rolle, die während Jahrzehnten als späthumanistische Gemeinschaftsarbeit konfessionsübergreifend betrieben wird. Dank der Hilfe von Bullinger und des St. Galler Reformators Vadian, aber auch des Glarner Katholiken Aegidius Tschudi kann namentlich Johannes Stumpf 1547 in Zürich Gemeiner loblicher Eydtgnoschaft Stetten, Landen und Voelckeren Chronick veröffentlichen, ein mächtiges Denkmal der Einigkeit, die nicht aus Aufruhr entstanden sei. Vielmehr haben »vil Keyser, König und Fürsten söliche pündnuss und frey wesen der Eydgnossen … für rechtmäßig, billich und redlich erkennt und mit iren Keyserlichen und Königklichen Privilegien … zum höchsten und besten bestätiget, begnadet und befreyet«.87 In diesem Bemühen um historische, reichsrechtliche Legitimation der Eidgenossenschaft und im Kampf gegen die »Afterredner«, die »Aemuli Helvetiorum« treffen sich diese Historiker, was sich unter anderem im Briefwechsel Simlers mit Tschudi niederschlägt.88 Die konfessionelle Frage bleibt bei diesen freundeidgenössischen Bemühungen im Zuständigkeitsbereich der einzelnen Orte und damit möglichst ausgeklammert. Weil (und solange) eine sakrale Basis der Eidgenossenschaft nicht mehr besteht, muss eine säkulare Grundlage gefunden werden. Entscheidend ist daher für die Historiker der

86 Zur Bündnispolitik dieser Jahre Stadler, Genf, 1952; Müller, Goldener Bund, 1965. 87 Stumpf, Eydgnoschaft, 1548, Vorrede. 88 Tschudi, Briefe, 1830, S. 486 (28. November 1565); vgl. Maissen, Helvetier, 2002.

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Jahrhundertmitte die Konzentration auf die Gemeinsamkeiten: die glorreiche Vergangenheit der Vorväter, ihr Kampf für die Reichsordnung und gegen die Tyrannis der Habsburger Vögte und die immanente oder ausdrückliche Klage über den Zerfall der früheren Einheit wegen der Reformation und der moralischen Dekadenz. Nicht die Monarchie ist in dieser traditionellen Sichtweise der Gegenspieler; vielmehr agieren die Eidgenossen vereint mit dem Kaiser gegen den Adel, und auch nur insofern dieser pflichtvergessen ist.89 Die Nähe zum Kaiser ergibt sich auch daraus, dass Maximilian II., der 1564 die Macht übernimmt und im Erscheinungsjahr des Regiments stirbt, ein kryptolutheranischer oder zumindest erasmischer Garant des religiösen Friedens und Ausgleichs im Reich ist. Er ist zugleich der letzte Kaiser, der den Eidgenossen, gleich allen dreizehn Orten zusammen, 1566 auf dem Reichstag zu Augsburg ihre »Freihaitten« und Privilegien bestätigt.90 In der Schweiz vertreten irenische Realpolitiker ihr Anliegen auch nach Simlers Tod noch ein paar Jahre, nicht ausschließlich, aber vor allem im reformierten Lager, das sich in der Defensive befindet. Davon zeugen einige Druck- und Bildwerke, so Jacob Stampfers undatierter »Bundestaler«91 und die Vermanung an ein lobliche Eydgnoschafft zur Einigkeit, die Christoph Murer 1580 radiert (Abb. 3). Von außen gesellt sich Niklaus von Flüe zum Bund der 13 eidleistenden Männer und ermahnt sie zur Einheit, indem er auf die Parabeln von Skiluros und von Sertorius verweist, die neben und hinter der Hauptszene zu sehen sind. Beide besagen dasselbe: Ein Einzelner ist schwach, doch vereint widersteht man der Gewalt.92 Murers Männerkreis modifiziert eine ältere, in Variationen oft übernommene Vorlage: Bruder Klaus dient auch den Reformierten als Mahner zur Einheit.93 Als »Warnungstopos« dient dagegen das Schicksal der griechischen Poleis, die – untereinander zerstritten – eine leichte Beute des Makedonierkönigs Philipp wurden. Darauf hat, mit dem erwähnten Rekurs auf Demosthenes, bereits Simler zurückgegriffen. Das Exemplum fin89 Marchal, Antwort, 1987, S. 765 f.; zur Legitimation der Rebellion auch Mommsen, Eidgenossen, 1958, S. 39–63. 90 StAZ C I, cbNr. 367; auch EA 4, 2, S. 1525 f. 91 Dazu unten, S. 263 f. 92 Zu Skiluros auch unten, S. 265. 93 Vgl. Boltz, Wellt spiegel, 1550; dazu Gut, Schauspiel, 1996, S. 61–68, vor allem zu Bruder Klaus. Zum Nachleben des Eremiten Hilber/Schmid, Niklaus von Flüe, 1943. Vgl. auch Humbert Mareschets Murer-Kopie in Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 364 f. (Abb. 211).

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Abb. 3: Christoph Murer, Vermanung an ein lobliche Eydgnoschafft zur Einigkeit, 1580. Radierung, 33,5 g × 44,2 cm.

det sich auch bei seinem Schwiegervater Gwalther, beim venezianischen Gesandten Giovanni Battista Padavino oder beim Berner Historiker Michael Stettler in seiner Schweitzer Chronic von 1626.94 Es taucht ebenfalls in der Getreuwen Warnung und Vermanung auf, einer anonymen Flugschrift von 1586, die umgehend ins Französische übersetzt und in Genf 1607 und 1639 bezeichnenderweise zusammen mit Simlers Werk neu aufgelegt wird. Die Eidgenossen sollen die Warnungen des Demosthenes beherzigen und nicht warten, »biß daß etwan ein außländischer frömbder Herr und Potentat, oder Monarch uns mit un-

94 Simler, Regiment, 1577, S. 140v/141, vgl. Stadler, Staatsbewusstsein, 1990, S. 59 f. Für Gwalthers Rede EA 4, 2, S. 896; dazu Gr eyerz, Nation, 1953, S. 54–56, 60; Marchal, Alte Eidgenossen, 1990, S. 330 f.; Padavino, Relazione, 1874, S. 85; Stettler, Chronic, 2, 1626, S. iii r (Vorrede), und Feller/Bonjour, Geschichtsschreibung, 1, 1962, 206, wonach bereits der Berner Chronist Anshelm zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Makedonierwarnung einbringt.

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serem schaden eins macht und vereinige«.95 Nicht mit benachbarten Fürsten möge man also Bündnisse eingehen, sondern – wie Bruder Klaus geraten habe – ein »gleiches Gemein Regiment auß vielen Oberkeiten zusammen« errichten, wie es die Eidgenossenschaft ist, wo die dreizehn Orte ungeachtet ihrer Unterschiede gleichrangig nebeneinander bestehen.96 Auch wenn sich die Getreuwe Warnung stellenweise wie eine systematische Gegenüberstellung von Gleichheit in Freiheit und monarchischer Repression liest,97 verrät sie sich zusehends als konkretes Pamphlet gegen Spanien – und zugleich für Frankreich, dessen Monarchen seit jeher treu zum Schweizer Bündnis gehalten haben. Nicht Abwehr der Könige, sondern Einheit statt Zwietracht lautet auch hier die Botschaft.98 Hier wie bei Simler und in den anderen erwähnten Texten ist der makedonische Warnungstopos also »föderalistisch« und nicht »republikanisch« gedacht, als Aufforderung zur Einheit und zur gemeinsamen Verteidigung der vaterländischen Freiheit – aber nicht zum Kampf für eine bestimmte Verfassungsform.

3. Fazit: Die Wörter »Souveraineté« und »Respublica« Ein Schweizer, der die Eidgenossenschaft im Reich verankert sieht, und ein Franzose, der sie für souverän erklärt, obwohl er in seiner Argumentation verrät, dass er um die helvetische Anhänglichkeit an imperiale Privilegien weiß – in Simler und Bodin ist die Grundproblematik der vorliegenden Untersuchung exemplarisch vorgeführt worden: Wann, wie und weshalb übernehmen die Schweizer das neue Konzept der Souveränität? Für Simler ist sie noch kein Thema. Überhaupt kann er – wie alle seine Vorgänger und Nachfolger – die vormoderne Eidgenossenschaft viel besser und ausführlicher in ihrem historischen Entstehungsgang beschreiben als sie staatsrechtlich systematisieren. Denn selbst wenn ihm das Konzept der Souveränität schon vertraut wäre, würde es ihn vor unbequeme Entscheidungen stellen, da er sowohl das

95 Getreuwe Warnung, 1586, S. 9; vgl. auch Schmid, Bundbücher, 2000, S. 245 f., 254 f. 96 Getreuwe Warnung, 1586, S. 2, 11–15. 97 Vgl. etwa Getreuwe Warnung, 1586, S. 19. 98 Vgl. dazu auch das Titelbild mit dem Stierenkopf und dazu Getreuwe Warnung, 1586, S. 36; vgl. zu den verschiedenen Flugschriften und Illustrationen Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 270–274.

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3. Fazit: Die Wörter »Souveraineté« und »Respublica«

Verhältnis zum Reich klären müsste als auch die Frage, wo die Souveränität zu verorten ist: bei der Eidgenossenschaft oder bei den Kantonen? Diese zweite Problematik so dezidiert zu lösen, wie es Bodin tut, ist bis heute nicht möglich geworden. Das zeigt, wie viel Gewalt das französische Souveränitätskonzept den zahlreichen Verfassungen antut, die anders, »mittelalterlicher« aufgebaut sind als die zentralisierte Kapetingermonarchie. Bodin ist sich dessen jedoch nicht bewusst oder gesteht es nicht ein, wenn er universal gültige Kriterien für die Verfassungsanalyse verkündet. Das Wort »souverain«, das er dafür heranzieht, ist nicht neu, doch Bodin gibt ihm eine eindeutige Definition, die über das bisherige Wortverständnis hinausgeht. »Souverain« ist eine Übersetzung des im Hochmittelalter aus der Präposition »super« hergeleiteten Adjektivs »superanus« und ist erstmals im Jahr 1120 belegt. Die Bedeutung ist ursprünglich rein örtlich, »höher gelegen« im ursprünglichen komparativen Sinn, aber bald überwiegend superlativisch als »höchstliegend« (wie »summus«). Bald wird das Adjektiv auf Göttliches angewendet und seit dem 13. Jahrhundert auch auf Herrschaftspositionen: auf Könige, aber auch auf Ordensvorsteher oder allgemein Dienstherren. Mit den Coutumes de Beauvaisis (1280/83) folgt die Einengung auf einige wenige hohe Adlige, neben dem König Herzöge, Grafen und Barone, die alle – in ihrem Zuständigkeitsbereich – »zuhöchst« sind. Konkret ist die judikative Kompetenz gemeint: Der »souverain seigneur« ist als Teil der Lehenspyramide Richter in letzter Instanz. Entsprechend erhalten auch königliche Amtsträger, die inappellabel Recht sprechen, das Beiwort »souverain«, so die Baillis oder die Provinzparlamente (»cour souveraine«). Damit ist die »souveraineté« nur eine von vielen königlichen Kompetenzen, wohl eine zentrale, aber nicht die allumfassende einer »höchsten Gewalt«; für königliche Herrschaft in einem weiteren Sinn wird vielmehr »seigneurie« oder »summum imperium« verwendet.99 Während das mittelalterliche »souverain« die letztinstanzliche Zuständigkeit in judikativen Teilbereichen gemeint hat, wird das Wort bei Bodin an die Gesetzgebung gebunden und, auch in ihrer dezidierten sprachlichen Verbindung mit »absolut«, als allumfassend deklariert. Haben die mittelalterlichen Kaiser und Könige noch den Vorbehalt zugunsten der geistlichen Macht mit der Wendung »qui in temporalibus

99 Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 13–35; danach auch Klippel, Souveränität, 1990, S. 99–110.

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superiorem non recognoscit« ausgedrückt,100 ist Bodin kategorisch: »celuy est absolument souverain, qui ne recognoist rien plus grand que soy apres Dieu« – auf Erden gibt es keine Gewalt, die einem Souverän dreinreden kann.101 Das bedeutet nicht, dass er sich kirchliche Aufgaben anmaßen würde; doch er allein definiert, welche Bereiche als kirchliche Aufgaben angesehen werden können. Durch die uneingeschränkte und letztlich exklusive Gesetzgebungskompetenz hat die Regierung nun ohne feudale Mediatgewalten einen direkten Zugriff auf die Ebene der – in Familien konzipierten – einzelnen Bürger eines Territoriums. Diese durch die »puissance souveraine« hergestellte Verbindung von »droit gouvernement« und »plusieurs mesnages« macht in Bodins programmatischer Definition zu Beginn seines epochalen Buches die »république« aus.102 Die lateinische Variante macht noch deutlicher, dass »respublica« eine Menge (»multitudo«) von patriarchalisch strukturierten Familienverbänden ist, die dank einer auf Souveränität (hier »summa potestas«) beruhenden Macht staatliche Form erlangt hat.103 Schon die Definition in der Methodus hat hervorgehoben, dass »respublica« ein und dieselbe Befehlsgewalt (»imperium«) über Familien meint. Es ist damit der angebrachte Titel für Genf und Ragusa, deren Territorium an der Stadtmauer haltmacht, aber ebenso für das enorme Imperium der Tataren. Der Gegenbegriff ist »anarchia«, und von der »civitas« unterscheidet sich die »respublica«, insofern in letzterer nicht alle den gleichen Gesetzen unterworfen zu sein brauchen.104 Sie ist also eine Herrschaftsgemeinschaft, während »cité« die Rechtsgemeinschaft meint; tendenziell umfasst eine »république« mehrere »cités« unter einem einzigen Souverän. Während zwischen »cives« und »subditi« für Bodin kein Unterschied mehr besteht, fallen bei ihm »respublica« (»politeía«) und »civitas« (»pólis«) auseinander, die in der Antike komplementär verstanden worden sind und eine Einbindung der Bürger in die politische Ordnung impliziert haben. »Civitas« ist nicht länger eine handlungsfähige Gemeinschaft politisch Berechtigter, sondern eine unverfasste Menge von Haushaltsvorständen mit ihren Familien, die erst durch

100 Vgl. das kaiserliche, gegen den Papst gerichtete Licet iuris von 1338, das den höchsten Grad säkularer Emanzipation darstellt, der im Mittelalter denkbar ist, bei Weinrich, Quellen, 1983, S. 290. 101 Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 36. 102 Bodin, République, 1986, S. 27. 103 Bodin, Respublica, 1586, S. 1. 104 Bodin, Methodus, 1566, S. 181 f., 183, 194.

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die – obrigkeitliche – »respublica« politische Form und Ordnung erhält.105 Mit aller Entschiedenheit muss hier noch einmal festgehalten werden, dass »Respublica« nicht nur bei Bodin, sondern in der ganzen aristotelischen Tradition der Frühen Neuzeit die herrschaftliche Verfassungsordnung meint – also sowohl im westlichen Staatsrecht als auch bei den deutschen Reichspublizisten des 17. Jahrhunderts, und damit bei allen Autoren, die einen gewissen Einfluss auf die (juristische) Bildung der Schweizer besitzen. Irreleitend, da vorerst nicht zeitgemäß, ist ein Vorverständnis von »Republik«, wie es in der heutigen Forschung dominiert und das Wort entweder im Hinblick auf die moderne demokratische Republik mit Volkssouveränität, Repräsentationsprinzip und Gewaltenteilung versteht oder als Formel für ein aus Machiavelli destilliertes »vivere civile e politico«. Bodins Wortgebrauch abstrahiert von der Verfassungsform: Von Beginn seines Buches weg setzt er »ce Royaume« und »nostre Republique« gleich, wenn er von Frankreich spricht. Wohl finden sich auch vereinzelte Belege dafür, dass er damit im engeren Sinn den nichtmonarchischen Freistaat meinen kann, wie er im italienischen Gegensatz »republiche o principati« bei Machiavelli erscheint.106 Wesentlich für den Politique ist aber auch in den Freistaaten die absolute Souveränität und damit das obrigkeitliche Moment. Das steht im Widerspruch zum modernen Verständnis, das insbesondere in der Demokratie die gemäßigtere, freiheitlichere Verfassung sieht als in der Monarchie. Wie sich noch zeigen wird, kann die Demokratie im 17. Jahrhundert gerade deswegen verteidigt werden, weil sie – in konsequenter Auslegung Bodins – die absolutistischste Staatsform von allen ist.107 Dem modernen Verständnis kommt es damit im Deutschen am nächsten, wenn »république« bei Bodin schlicht als (souveräner) »Staat« übersetzt wird. Die deutsche Übertragung von Bodins Hauptwerk, die Johann Oswaldt 1592 im zu dieser Zeit württembergischen Mumpelgart (Montbéliard) herausgibt, trägt indessen den Titel RESPUBLICA , Das ist: … Bericht … wie nicht allein das Regiment wol zubestellen, sonder auch in allerley Zustandt … zu erhalten sei … Bei der zweiten Übertra-

105 Vgl. auch Mager, Republik, 1984, S. 563–571. 106 Bodin, République, 1986, 6, S. 185 (6, 4), spricht in Abgrenzung zu Monarchien von »mesme les seigneuries et Republiques«, was synonym für Aristokratien und Demokratien zu verstehen ist; entsprechend Respublica, 1586, S. 713 (6, 4): »populares quidem aut optimatum civitates«. 107 Vgl. dazu unten, S. 126, zu De la Court und Spinoza.

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gung, die 1611 in Frankfurt erscheint, ist auch im Titel selbst Von Gemeinem Regiment der Welt die Rede. Bei Oswaldt steht in der einleitenden Definition für »République« »gemeiner Nutze oder Herrschaft«; Ersteres ist auch sonst die übliche Wendung, aber gelegentlich findet sich auch »(gemeiner) Sta(h)t«, während aus »souveraineté« »hohe Oberkeit« wird.108 Analog gibt bei den Übersetzungen von Simler das lateinische »Respublica« in einem allgemeinen Sinn »Regiment« wieder, was in der französischen Version entsprechend denn auch »estat« heißt.109 Simler kennt als Spezialfall auch die »freyen Regimenten oder Communen, die keinem Fürsten oder Herren underworfen sind« – »liberas Respublicas«, »Republiques franches, gouvernees par certain nombre de Seigneurs«.110 Einen ähnlichen Befund liefert die Getreuwe Warnung von 1586 mit ihrer Übersetzung: »Regiment« ist – ob es sich auf Rom oder die einzelnen Kantone, ja »kleinern Stät und Fläcken« bezieht – »République« oder »Estat«, das seinerseits auch für »Land« oder »Ständen und Politien« stehen kann. »Respublique« wird wiederum herangezogen, um – nahe beim lateinischen Wortsinn – den »Gemeinen nutzen« wiederzugeben, und so erscheint die »Freyheit des Gemeinen nutzes« als »liberté des Republiques«, während »Freystette« als »cités libres« daherkommen.111 Ebenso wie bei Bodin entspricht auch im schweizerischen Umfeld das französische »Republique« noch völlig dem lateinischen »respublica« mit seinen vielen und weiten Bedeutungen. Wenn »Freistaat« gemeint ist, muss das präzisiert werden, indem »libre« oder »liberté« zur »Republique« hinzugenommen oder aber eine andere Wendung gewählt wird. Im zeitgenössischen Deutschen entspricht der »Respublica« das »Regiment«, die Herrschaft, die aber – noch nahe beim lateinischen Wortsinn und mit normativem Anspruch – die Ausrichtung auf den gemeinen Nutzen impliziert. Auch sonst heißt »Regiment« um 1600 sowohl das Gemeinwesen, das zu seinem eigenen Wohl politisch verfasst ist, als auch die dafür notwendigen Ordnungselemente: abstrakt die Ausübung hoheitlicher Gewalt und konkret die entsprechen108 Vgl. zum Übersetzungsproblem auch Wimmer in Bodin, Staat, 1981, 1, S. 60–71; S. 61 zur Übersetzung von 1592; auch Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 66–70. 109 Simler, République, 1577, S. 5*v. 110 Simler, Regiment, 1577, S. 9; Republica, 1576, S. 1; République, 1577, S. 1. Leu wird in seiner Ausgabe von Simler, Regiment, 1722, S. 1, zu »freyen Regimenten oder Staaten« modernisieren; auch sonst wird »Commun« dort meistens mit »Staat« übersetzt. 111 Getreuwe Warnung, 1586, S. 2 ff.; Exhortation aux Suisses, 1586, S. 6 ff.

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3. Fazit: Die Wörter »Souveraineté« und »Respublica«

den Beamten, die »Obrigkeit«.112 Das herrschaftliche Moment ist gerade für Simler zentral, da es ihm darum geht, die Kritiker zu widerlegen, welche die Eidgenossenschaft als Anarchie ansehen. Der Sprachgebrauch von Bodin und Simler legt Vorsicht nahe, wenn in den folgenden Kapiteln immer wieder die Wortgeschichte mit berücksichtigt wird. Die Wortwahl ist ein Indikator für ein politisches Selbstverständnis, das sich wandelt, wobei allerdings zwischen dem Lateinischen und den Volkssprachen differenziert werden muss. »Respublica« ist ein ebenso klassisches wie verbreitetes und vieldeutiges Wort:113 In der Reichspublizistik, überhaupt der deutschen politischen Theorie, bleibt es im herrschaftlichen, allgemeinen Sinn während des ganzen 17. Jahrhunderts präsent und wirkt so auch im naturrechtlichen Verständnis nach. Dort meint aber »respublica« nicht mehr umfassend die obrigkeitlichen Gestaltungskompetenzen und -organe, sondern wird auf die abstrakte Verfassungs- und Rechtsordnung reduziert, welcher der Rohverband »Staat« (»societas civilis« oder »civitas«) zeitlich-konzeptionell vorangeht und aus der heraus sich die Herrschaftsordnung als Unterwerfungsvertrag erst in einem weiteren Schritt ergibt.114 Im französischen Sprachraum weicht dagegen nicht nur das Latein als Sprache der Wissenschaft, sondern »république« im umfassenden Sinn Bodins wird noch im späten 16. und dann im 17. Jahrhundert durch das Synonym »état« verdrängt.115 In der Volkssprache116 wird »république« nun zusehends, ähnlich wie bereits früher im Italienischen, in der eingeengten Bedeutung des Freistaats verstanden – was auf Lateinisch aufwendiger als »respublica libera« oder »respublica popularis« umschrieben werden muss. Erst auf diesem Umweg über die romanischen Sprachen und deshalb erst im 17. Jahrhundert taucht im Deutschen in verschiedenen Schreibweisen »Respublic(a)«, »Republic(k)«, »Republique« und zuletzt »Republik« auf, doch sieht es der Basler Johann Jacob Spreng noch 1756 als »Bastartwort« für »Freystand« an.117 Gerade sein Urteil belegt, dass das Wort nicht deshalb 112 Sellin, Regierung, 1984, S. 362–368. 113 Vgl. dazu außer Mager, Republik, 1984, auch die Definitionsversuche in der Einleitung zu Maissen, Republik, 2001. 114 Mager, Republik, 1984, S. 571–580. 115 Wimmer in Bodin, Staat, 1981, 1, S. 60–67; Lazzeri in Rohan, Intérêt, 1995, S. 120–125. 116 Mit »Volkssprachen« ist im Folgenden nicht die volkstümliche Redeweise gemeint, sondern die nationalen Sprachen im Unterschied zum Lateinischen. 117 Schulz/Basler, Fremdwörterbuch, 3, 1977, S. 341.

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I. Das Jahr 1576: Jean Bodin und Josias Simler

übernommen wird, um das lateinische »Respublica« im weiten Sinn wiederzugeben, wofür verschiedene eingebürgerte Termini wie namentlich »Regiment« zur Verfügung stehen. Vielmehr ist dabei analog zum nunmehr eingeengten französischen Sprachgebrauch von Anfang an der Freistaat gemeint, zuerst der antike, dann die zeitgenössischen.118 Das lateinische »respublica« ohne weitere Attribute sprachlicher (»libera«) oder symbolischer Art (etwa ein Freiheitshut) schließt also weder eine freistaatliche Verfassung noch völkerrechtliche Souveränität zwingend mit ein. Die volkssprachlichen Wörter »république« oder »republic« tun dies im 17. Jahrhundert dagegen sehr wohl. Damit unterscheiden sie sich aber inhaltlich wesentlich von der weiten Verwendung der Vokabel, die Bodin vorgeführt hat, während sein Zeitgenosse Simler ein entsprechendes Fremdwort im Deutschen noch gar nicht vorfindet.

118 Vgl. die ersten Belege zu Rom oder Sparta in Schulz/Basler, Fremdwörterbuch, 3, 1977, S. 340 f.

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II. Republiken unter Monarchien: Europa im 17. Jahrhundert

In seinem kurz nach 1570 verfassten und 1579 erstmals gedruckten Dialog Della perfezzione della vita politica lässt Paolo Paruta Kardinal Gasparo Contarini auftreten, den berühmten Verfasser von De magistratibus et republica Venetorum. Seine Autorität entscheidet die Frage nach der besten Verfassung, die er, wenig überraschend, in Venedig verwirklicht sieht. Allerdings meint der Kardinal, die anderen Regierungen der Christenheit unterschieden sich gegenwärtig nicht sehr von der Serenissima; auch in Frankreich, Spanien und erst recht in England, Polen und im Reich herrschten Mischverfassungen, obwohl diese Länder »regni« und nicht »repubbliche« genannt würden, da das monarchische Element in ihnen ein wenig (»alquanto«) überwiege. Deswegen seien sie aber noch lange nicht »semplici e veri governi regii, peroché non si può dire che il tutto dipenda dalla libera volontà d’un solo, essendo ciascuna di queste provincie ordinata con certe leggi, di cui giurano i re loro l’osservanza quando ne prendono il governo«.1 Paruta sieht also keinen wesentlichen Unterschied zwischen der Republik Venedig mit ihrem Dogen und den nordalpinen Monarchien, die alle durch Fundamentalgesetze gemäßigt seien: Hier wie dort herrschen Mischverfassungen und damit das Gesetz. Dies ist die von Augustin überlieferte Auffassung Ciceros über die »res publica« als »res populi, cum bene ac iuste geritur sive ab uno rege sive a paucis optimatibus sive ab universo populo« – der Gegensatz zur »res publica« ist hier also nicht die Einzelherrschaft, sondern die ungerechte Tyrannis, wie sie ebenfalls einer, wenige oder viele praktizieren können, wenn sie die »res publica« zugunsten der »res privata« der Herrscher aufheben.2 Auf die traditionelle Tyrannis spielt Paruta mit dem »semplice e vero governo regio« an. In einer solchen, »reinen« Monarchie entscheidet die durch keine irdische Gewalt eingeschränkte Willkür eines einzelnen. Parutas Mitbürger Francesco Patrizi hat sie 1560 »absolut« ge-

1 Paruta, Perfezzione, 1982, S. 635. 2 Cicero, Rep. 1, 39; 2, 69 f.; 5, 1 f.; vgl. Augustin, Civ. Dei, 4, 4.

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II. Republiken unter Monarchien: Europa im 17. Jahrhundert

nannt.3 Zur selben Zeit, da Bodin seine République schreibt, formuliert der Venezianer Paruta noch einmal das herkömmliche Ideal der ständisch kontrollierten Herrschaft, das der französische Politique zu verwerfen angetreten ist.

1. Monarchie und Republik im politischen Denken bis zum 16. Jahrhundert Paruta formuliert den Dualismus von Gesetzes- und Willkürherrschaft nicht als Ergebnis einer Analyse der westeuropäischen Königreiche, sondern vor einem italienischen Hintergrund: die Erfahrung der signoria mit ihren illegitimen, uneingeschränkten und expansiven Herrschern. Dazu zählen die Mailänder Visconti, und ihnen gilt der Kampfruf wider die Tyrannen, den Kommunen wie Florenz seit Coluccio Salutati und Leonardo Bruni wirkungsmächtig haben erschallen lassen. Was sie für sich beanspruchen, »Libertas«, zielt darauf, einerseits die Autonomie und Privilegien gegen außen und andererseits die herkömmliche politische Ordnung in der Kommune zu erhalten: eine Vielzahl von Ämtern und Gremien, wie sie für den beschränkten Rahmen lokaler Selbstverwaltung und des Interessenausgleichs unter Faktionen und sozialen Gruppen angemessen scheint und gegen die Willkür der Reichen Rechtssicherheit auch für die schwächeren Bürger verspricht.4 Das ist keine Verfassung, die bewusst republikanisch konzipiert worden ist. Vielmehr hat sie sich im Lauf der Kommunebildung ergeben, als Zünfte Bischöfe und Adlige domestiziert und einen kleinen contado unterworfen haben. Nord- und Oberitalien haben sich gefüllt mit zahlreichen Gebilden dieser Art, die Privilegien gegen den Kaiser beanspruchen und nach dem Ende der Hohenstaufer entstandene Freiräume füllen. Doch bei allen eifersüchtigen Kompetenzstreitigkeiten sind sie stets im Rahmen eines feudalen, universalen Verbands mit monarchischer Spitze verblieben, weil – um mit dem Legisten Paolo di Castro zu sprechen – »omnis congregatio est illicita nisi sit approbata per superiorem«, womit er den Kaiser und je nachdem den Papst meint.5 Nicht gegen diese monarchischen Universalmächte, nicht ge3 Bouwsma, Venice, 1968, S. 62. 4 Dazu noch schärfer Meier, Freiheit, 1994, S. 67. 5 Paolo di Castro, In Primam Digesti Veteris partem Commentaria, Venedig 1575, fo. 7A, Nr. 25 f., zitiert bei Quaglioni, »Civitas«, 1993, S. 72.

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gen die feudale Ordnung mit ihren vielen Freiräumen für (kommunale) Autonomie und Privilegien entwickelt man republikanische Vorstellungen. Die Abwehr gilt der neuartigen signoria: Ein effizienter Einzelherrscher unterwirft sich eine Stadt, schafft eine gefügige und professionelle Beamtenschaft, erpresst sich systematisch Steuerleistungen, stellt ein (Söldner-)Heer auf, erobert weitere Kommunen und expandiert zusehends sein Territorium, schafft neue Gesetze und mit all dem – in Jacob Burckhardts Worten – den Staat als Kunstwerk. Der Gegensatz von Kommune und Signorie bildet den Hintergrund, vor dem in Italien die moderne politische Theorie entsteht. Wenn Thomas von Aquin »regimen politicum« und »regimen regale« gegenüberstellt, dann konfrontiert er die durch Gesetze gebundene Herrschaft (»potestatem coarctatam secundum aliquas leges civitatis«) und das despotische, willkürliche Regiment (»plenariam potestatem«).6 Es geht ihm nicht um den Gegensatz von Republik und Monarchie, sondern von verfasster, gerechter Herrschaft und illegitimer, gewalttätiger Tyrannis.7 Schon allein die beschränkten realen Herrschaftsmittel eines mittelalterlichen Fürsten legen das Ideal einer »Mischverfassung« nahe, mit monarchisch-kaiserlichem Haupt und einem »corpus reipublicae mysticum« aus abgestuften Herrschaftsträgern: So lassen sich Einheit, Tugend und Freiheit maßvoll verknüpfen.8 In der thomistischen Tradition kann, allerdings eher als Ausnahme, ein Autor wie Ptolomaeus von Lucca um 1300 die »politia« mit einer Mehrzahl von Regenten als Resultat von geographischen Bedingungen ansehen: Sie entspricht den selbstbewussten und mannhaften Völkern Italiens in ihren kleinen, städtisch geprägten Gebieten, während das »regnum« als despotische Herrschaft den großen, barbarischen und ultramontanen Ländern frommt.9 Es ist anzunehmen, dass die italienischen Humanisten »regnum« beziehungsweise »regius« und »rex«, die in der lateinischen Überlieferung etwa des Livius10 nahe bei der Tyrannis liegen, nicht mit dem ursprünglich griechischen »monarchia« identifizieren, wie dies heute nahezuliegen scheint. Salutati meint in De tyranno, »monarchiam om-

6 Thomas, Sententia, S. 238 (1, 1, 5). 7 Thomas, Sententia, S. 238 (1, 1, 7). 8 Mor el, Régime mixte, 1996, S. 103, nach Thomas, Summa Theologiae, Ia, Iiae, Qu. CV, art. 1. 9 Ptolomaeus, Regimen, 1980, S. 564 (4, 8); vgl. Mager, Republik, 1984, S. 582 f. 10 Livius, 2, 1–6; 27, 19, 4; vgl. Cicero, Rep., 1, 62; 2, 52.

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nibus rerum publicarum condicionibus preferendam«, während er daran erinnert, dass Marcus Manlius vom Tarqueischen Felsen gestürzt worden ist, weil er das »regnum« für sich gesucht habe. Der »principatus regius« hat nämlich das »voluntatis arbitrium« mit der Tyrannis gemeinsam – die durch Gesetze nicht eingeschränkte Willkür.11 Wo diese nicht herrscht, findet sich ein »regnum liberum« mit »libertas regia«; wie später Patrizi nennt auch Salutati als Beispiel dafür Frankreich.12 Selbst der Florentiner Kanzler, der unter Berufung auf das antike Rom eine massive republikanische Freiheitsrhetorik gegen die Tyrannis der Visconti pflegt, unterscheidet von solchen illegitimen Usurpatoren also die rechtmäßige, Recht und Freiheit ermöglichende Herrschaft des französischen Königs. Die Unterscheidung zwischen dem guten, gemäßigten und dem transzendentalen Einheitsideal verpflichteten König (etwa in Frankreich) und dem Tyrannen bleibt während der ganzen Renaissance grundlegend für das politische Denken. Der einzige Autor, bei dem die Verteidigung der kommunalen Autonomie zu einem Generalverdacht gegen alle Monarchien führt, ist Leonardo Bruni.13 Diese Haltung ist, bezüglich Frankreich, auch biographisch begründet und bleibt in Italien letztlich ebenso singulär wie Brunis kompromissloses Postulat, dass die republikanische Verfassung (von Florenz) der Einzelherrschaft überlegen sei. Auch Machiavelli, der in problematischer Reduktion auf die Discorsi zum Begründer einer frühneuzeitlichen republikanischen »Ideologie« stilisiert worden ist, kann durchaus aus der thomistischen Tradition heraus verstanden werden. Bekannt ist die programmatische Aussage, die in ähnlicher Weise am Anfang sowohl des Principe als auch der Discorsi steht und alle unabhängigen Staaten auf zwei Verfassungstypen reduziert: »Tutti gli stati, tutti e’ dominii che hanno avuto e hanno imperio sopra gli uomini, sono stati e sono o republiche o principati.«14 Machiavellis Fürst wird mit der Herrschaft identifiziert, die bei anderen Autoren »tirannide« heißt und auf der »potestà assoluta« beruht. Ihr gegenüber gestellt werden die Verfassungen, die ein »vivere politico« 11 Salutati, De tyranno, 1913, S. vii (cap. 1), xii (cap. 2), xxxv (cap. 4). 12 Salutati, Staatsbriefe, 1981, S. 143. 13 Vgl. etwa Bruni, Historiae, 1914, S. 162, 210; dazu Maissen, Legende, 1994, S. 45–48, und Gilli, Miroir, 1997, S. 60–64, 259–264. 14 Machiavelli, Principe, 1997, S. 119 (cap. 1); vgl. ders., Discorsi, 1997, S. 202: »… quelle [cittadi] che hanno avuto il principio lontano da ogni servitù esterna, ma si sono subito governate per loro arbitrio, o come republiche o come principato«. Vgl. Thomas, Sententia, S. 248 (1, 1, 6): »regimen politicum aut regale«; Ptolomaeus, Regimen, S. 564 (4, 8).

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ermöglichen, »o per via di republica o di regno«.15 Machiavelli verwirft die absolute Herrschaft eines einzelnen, des »principe«, nicht grundsätzlich, denn sie ist in Krisensituationen – wie im zeitgenössischen Italien – notwendig. Aber er trennt davon eindeutig die »regni«, die gemäßigt und stabil sind und den Bürgern Sicherheit und ein »vivere politico« ermöglichen. In dieser Hinsicht ist die Werthierarchie so klar, wie sie der Titel eines zentralen Kapitels in den Discorsi verrät: »Quanto sono laudabili i fondatori d’una republica o d’uno regno, tanto quelli d’una tirannide sono vituperabili.«16 Auch beim Florentiner gilt also: Tyrannis ist stets Einzelherrschaft, aber die Monarchie läuft nicht per se Gefahr, zur absoluten Willkürherrschaft zu degenerieren. Das »regno« ist, so gesehen, eine Form von »republica«, in der ein einzelner kraft seiner Tugend an die Spitze gelangt ist, doch als guter Fürst wie Titus oder Trajan »sotto le leggi« lebt.17 Das Modell eines »principe« ist bekanntlich Cesare Borgia. Der von Machiavelli ersehnte Fürst ist also der signore, der herausragende, aber in einem dynastischen Sinn illegitime Herrscher, der durch neue Gesetze, aber auch durch Mittel, welche die Not gebietet, die Fundamente zu einem mächtigen Staat legt. Etwas ganz anderes ist der König in den etablierten und durch Gesetze wohl geregelten Monarchien im Norden und Westen Europas, in denen ein Fürst, der sich vom Principe inspirieren ließe, ein dem politischen Entwicklungsstand zuwiderlaufendes Verbrechen darstellen und zum Untergang des Staates führen würde.18 Hier leben die Bürger in Freiheit, was nämlich für den größten Teil von ihnen nichts anderes ist als Sicherheit: In esempio ci è il regno di Francia, il quale non vive sicuro per altro che per essersi quelli re obligati a infinite leggi, nelle quali si comprende la sicurtà di tutti i suoi popoli. E chi ordinò quello stato volle che quelli re, dell’armi e del danaio facessero a loro modo, ma che d’ogni altra cosa non ne potessono altrimenti disporre che le leggi si ordinassero.19

Sowohl die Tugend des Königs als auch – und vor allem – die guten Gesetze, die für Machiavelli so wichtigen »ordini«, sorgen dafür, dass Frankreich von der Korruption (noch) verschont geblieben ist, die Ita15 Vgl. Machiavelli, Discorsi, 1997, S. 257 (1, 26), über die Notwendigkeit, bei einer sanften Veränderung der Verfassung die alten Formen möglichst zu bewahren; und S. 424 (3, 5) zu Tarquinius Superbus. 16 Machiavelli, Discorsi, 1997, S. 225 (1, 10). 17 Machiavelli, Discorsi, 1997, S. 226 (1, 10). 18 Machiavelli, Discorsi, 1997, S. 425 (3, 5). 19 Machiavelli, Discorsi, 1997, S. 242 (1, 16).

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lien zerstört hat. Im Principe finden sich konkret aufgezählt die für den sozial-ständischen Ausgleich sorgenden französischen »constituzioni buone donde depende la libertà e la sicurtà del re: delle quali la prima è il parlamento e la sua autorità«.20 Das Parlament, das Obergericht, bewahrt die althergebrachten »leggi ed ordini« und damit das Fundament, dem sich der Staat, will er Bestand haben, nicht entziehen darf. Dank solchen Institutionen zählt Frankreich mit Ägypten und Sparta zu den ganz wenigen Monarchien, in denen der Fürst die Bande der Gesetze nicht habe brechen können: »il quale regno è moderato piú dalle leggi che alcuno altro regno di che ne’ nostri tempi si abbia notizia«.21 Machiavelli steht nicht alleine, wenn er die Herrschaft der Gesetze zur Voraussetzung des »vivere politico« und »vivere civile« macht, in dem das Eigentum, die individuellen und korporativen Rechte und Freiheiten sowie – im Norden – die ständische Partizipation garantiert werden.22 Für seinen jüngeren Mitbürger Donato Giannotti besteht die Freiheit im »non ubidire se non alle leggi et a’ magistrati temperati da quelle«.23 Dieses Postulat illustriert wie das eingangs zitierte Urteil Parutas, weshalb die illegitime, voluntaristische, absolute signoria auch dort, wo sie – wie bei Machiavelli – nicht kategorisch abgelehnt wird, in der Tradition des thomistischen »regimen regale« und damit nahe der Tyrannis verortet wird, während die durch ständische Mitwirkung gemäßigten Nationalmonarchien (»dominium politicum et regale« in Fortescues eingängiger Verbindung)24 ihrem Wesen nach viel eher den – zahlenmäßig stets abnehmenden – italienischen Republiken entsprechen und städtischen Autonomierechten Geborgenheit im Rahmen einer höheren politischen Ordnung gewähren.25 Dieses Bild ändert sich erst, als die westlichen Monarchien gegen 1600 erklärtermaßen absolutistische Wege einschlagen, was die Italiener zuerst und in unmittelbarer Nähe am spanischen Beispiel erleben. Nun wird es plausibel, auch die großen ausländischen Monarchen wie zuvor die italienischen signori als Vertreter eines »regimen regale« zu 20 Machiavelli, Principe, 1997, S. 169 (cap. 19); vgl. ders., Discorsi, 1997, S. 310 (1, 55) und S. 419 (3, 1). 21 Machiavelli, Discorsi, 1997, S. 316 (1, 58); fast identisch S. 419 (3, 1). 22 Vgl. Koenigsberger, Republicanism, 1997, S. 64. 23 Giannotti, Republica, 1990, 106; vgl. zum Rechtsstaat als Hauptanliegen Machiavellis Viroli, Machiavelli, 1990, sowie allgemein Skinner, Liberty, 1998. 24 Fortescue, De Laudibus, 1942, S. 32, 40 (Kap. 13, 18), formuliert seine bekannte Verfassungsdefinition für England und in Abgrenzung zu Frankreich (»dominium tantum regale«). 25 Scheuner, Staatsformen, 1986, S. 743–748.

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verstehen, zumal gerade Spanien als fremde Hegemonialmacht den Vorwurf der Tyrannis auf sich zieht. Verstärkt wahrgenommen wird diese realpolitische Entwicklung durch die behandelten Kategorien Jean Bodins, dessen Respublica bereits 1588 auf Italienisch erscheint und rasch kontrovers diskutiert wird:26 Das Souveränitätskonzept eliminiert die bisher bevorzugte, bequeme Mischverfassungstheorie und trennt klar, was bei Paruta noch vereint gewesen ist: (französische) Monarchie und (venezianische) Aristokratie. Die von Aristoteles her gesehen nicht zwingende, aber allgemein übliche Erörterung von Tyrannis und »regimen regale« als Einzelherrschaft und ebenso die klare Präferenz Bodins für die Monarchie legen es nahe, ihr gegenüber die griechischen Verfassungstypen Demokratie und Aristokratie in einer einzigen, römischen Kategorie zusammenzufassen: der Republik. Diese bei Machiavelli angelegte Dichotomie entnimmt man auch dem Werk desjenigen Autoren, der nach der ersten Gesamtausgabe der Annales (1563) zum Leitstern der politischen Theorie in Italien und im übrigen Europa wird: Tacitus. Bei allem Einsatz für die mit Gemeinwohl assoziierte »res publica« und gegen das tyrannische »regnum« eines Caeser, hatte für Cicero und seine Zeitgenossen »respublica« doch nicht als epochale Bezeichnung gedient für das, was heute selbstverständlich »römische Republik« genannt wird.27 Erst Tacitus hat rückblickend den konstitutionellen Einschnitt durch Augustus und seine Nachfolger festgehalten: Unter ihnen sei das Imperium entstanden; mit Pompeius und Brutus dagegen hätte die »respublica« weiter existieren können. Entscheidend ist das negative Bild von Augustus am Anfang der Annales, wo der Historiker fragte, wer die Zeiten der Freiheit noch erlebt habe: »quotus quisque reliquus, qui rem publicam vidisset?«28 Der Tacitismus bringt den Europäern die resignierte Einsicht bei, dass das »regnum«, die Einzelherrschaft nach den Zeiten der Wirren und Bürgerkriege die beste Lösung ist, weil sie Sicherheit und Frieden ermöglicht.29 Doch gleichzeitig nennt sie mit dem römischen Fatalisten auch den Preis, der dafür bezahlt wird, die »libertas«, und gibt ihr einen Namen: die »respublica«. Damit ist die römische Gegenüberstellung von Einzelherrschaft und Republik im frühneuzeitlichen Kontext etabliert.30

26 Zur Übersetzung und Rezeption Maissen, Legende, 1994, S. 276–289. 27 Suerbaum, Staatsbegriff, 1961, S. 1–49. 28 Tacitus, Ann. 1,3, 7; vgl. Hist., 1, 50, 3, und Suerbaum, Staatsbegriff, 1961, S. 80–87. 29 Vgl. Fröschl, Republik, 1981, S. 44–47. 30 Dazu auch Dr eitzel, Monarchiebegriffe, 1, 1991, S. 59.

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Dagegen sind die sechs aristotelischen Verfassungstypen im Europa des 17. Jahrhundert zwar noch willkommene Kategorien der Theorie, doch die politische Realität bietet drei andere dar, die sich nur bedingt mit den Wörtern des Stagiriten erfassen lassen: die neuartige absolute Monarchie, die herkömmliche gemäßigte Königsherrschaft und die Republik als defizitäres Überbleibsel der einstigen Kommunenbewegung. Das erfolgreiche Modell ist zusehends die »reine«, absolute Monarchie im Sinne Bodins, wozu der deutsche Aristoteliker Henning Arnisaeus 1615 Frankreich, England und Spanien zählt. Das Reich, Ungarn, Polen, Dänemark und Schweden gehören für ihn – wie Sparta und Rom – noch in die Kategorie der gemischten Verfassungen.31 Diese Einteilung wird zusehends als Disqualifikation nicht nur hinsichtlich der realen Macht, sondern auch des Status verstanden. Altmodisch und hinderlich, ja irrational erscheinen unter diesen Umständen die ständischen Institutionen, in welchen die italienischen Theoretiker der Renaissance Garanten der Gesetzesherrschaft und Bollwerke gegen die Willkür der signori gesehen haben. Nur noch mit Bedauern kann der Venezianer Gesandte Giorgio Zorzi 1629 in seiner Relation über Frankreich von den Parlamenten schreiben, es seien »reliquie di una certa forma di Republica, ed ombre della libertà dei popoli«.32 Ein halbes Jahrhundert zuvor, vor der Herrschaft von Henri IV, hat sein Landsmann Paruta in Frankreich noch eine Mischverfassung erkannt, die von Venedig kaum verschieden ist; nun gibt es nur noch spärliche Überreste dessen, was den französischen Freistaat ausgemacht hat.

2. Frankreich Wieweit es dem französischen Absolutismus tatsächlich gelingt, die Königsherrschaft von ihren ständischen Fesseln zu befreien,33 ist hier nicht von Interesse. Entscheidend ist die Tatsache, dass mit dem Venezianer Zorzi die Zeitgenossen diesen Vorgang so wahrnehmen und benennen. Das Postulat der Souveränität kraft droit divin lässt die kon-

31 Dr eitzel, Protestantischer Aristotelismus, 1970, S. 289. 32 Zitiert bei Albertini, Monarchie, 1951, S. 318. 33 Dies behauptet etwa Lousse, Absolutisme, 1958, S. 91; ihm folgt auch Rowen, Rhyme, 1992 (urspr. 1970), S. 181, während schon Dumont, Kingship, 1976 (urspr. 1963), S. 55 f. widerspricht. Zur jüngeren Debatte über den »mythe of absolutism« oben, S. 39.

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traktualistischen Vorstellungen des 16. Jahrhunderts bald verschwinden. Als einer seiner letzten Vertreter versteht es Guy Coquille in seinen von 1585 bis 1595 verfassten Werken als Ausdruck der »ancienne liberté du peuple François«, wenn die Provinzialstände an der Gesetzgebung mitwirken.34 Der Calvinist Louis de Mayerne Turquet veröffentlicht 1611 eine letzte Schilderung Frankreichs als Monarchie aristodémocratique, ou le gouvernement composé et meslé des trois formes de legitimes Republiques, in der die Generalstände als Vertreter des Volkes die »vive racine de la Souveraineté« darstellen und der König unter dem Gesetz steht.35 Andere Hugenotten wie der Duc de Sully, der mächtige Freund und Finanzminister von Henri IV, sehen es als Lehre der (jüngeren) Geschichte an, dass nur ein handlungsfähiger Monarch die partikularistischen Tendenzen zum Wohl der Allgemeinheit bändigen kann. Zwar sei die Tyrannis bei einem absoluten König nicht völlig ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich – und gewiss das kleinere Übel als Bürgerkriege.36 Henri IV ist in Sullys Augen weit davon entfernt, sich willkürlich über das Gesetz zu stellen, ja er nimmt für seinen König die Parömie Digna vox in Anspruch: »La première loi du souverain est de les observer toutes«37 – aber es ist dies ein selbstauferlegtes Gesetz, bei dessen Übertretung keine Strafinstanz denkbar ist. Entsprechend skeptisch urteilt Sully im Vorfeld des Bündnisses von 1608 über die Niederländer, wenn er die raschen Entscheidungen eines Fürsten im »Estat Royal« den langen Verhandlungen in einem »estat populaire« gegenüberstellt.38 Dass aber ein Bündnis geschlossen wird, bezeugt die Nähe, die Henri IV zu den zumeist reformierten Kleinstaaten pflegt, die kein gekröntes Haupt haben. Unter ihm wird die Staatsform überhaupt erstmals im nordalpinen Raum zu einem Kriterium, das bei außenpolitischen Entscheidungen eine Rolle spielt. Sully rät dem Herrscher in seinen Maximes generales, er müsse »considerer de quelle forme de gouvernement sont lesdits Estats, dautant qu’il faut diversement proceder avec ceux qui sont ou monarchique, ou aristocratique, ou democrati-

34 Albertini, Das politische Denken, 1951, S. 45, 81 f.; zu Coquille Church, Constitutional Thought, 1941, S. 272–302. 35 Albertini, Das politische Denken, 1951, S. 93 f. 36 Hinrichs, Fürstenlehre 1969, S. 144–146. 37 Zitiert bei Leca, Lex digna, 1996, S. 154, vgl. auch 155–157 für weitere Belege. 38 Sully, Mémoires, 1662, Bd. 3, S. 153; ähnliche Voten aus Frankreich und Spanien bei Durand, Républiques, 1973, S. 181 f.

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que, ou pesle-mesle d’iceux«.39 Im Kampf gegen die spanische Hegemonie oder »Tyrannis« erscheinen die Freistaaten als naheliegende Verbündete: Die Allianz von 1602 zwischen Henri IV und der Eidgenossenschaft, Graubünden und dem Wallis ist eine Frucht dieser Politik, ebenso der Rückhalt für Venedig in der Interdikt-Krise. Noch näher liegen dem Navarresen aber die Niederländer: Auf den Dreibund mit den Generalstaaten und England von 1596 folgt das Bündnis von 1608 und das gemeinsame Engagement im Jülich-Klevischen Erbfolgestreit, dann das Bündnis von 1624 und 1635 eine Offensivallianz. Auch Richelieu und Louis XIII verklären ihre Balancepolitik nun dahingehend, sie seien »libérateurs de l’Europe« und beschützten vor allem die Kleinstaaten im Reich sowie die Eidgenossen und Niederländer gegen die Habsburger Tyrannis. Im katalonischen Aufstand von 1640/41 ist es Richelieu, der die Katalanen dazu drängt, sich als souveräne Republik zu konstituieren, damit sie sich – ohne Verstoß gegen die dynastisches Legitimität – unter französische Protektion begeben können.40 Richelieu beansprucht denn auch, sich gegen die Pläne des Kaisers gewehrt zu haben, »de se rendre maître de l’Allemagne et la réduire en une monarchie absolue, anéantissant les lois anciennes de la république germanique«.41 So versteht Richelieu mit Bodin das Reich als Föderation souveräner Fürsten, der er ein anderes Schicksal wünscht, als er selbst seinem Land bereitet. Inzwischen ist nämlich die Lektion der Six livres de la République zusehends dogmatisiert und immer exklusiver auf die vorbildliche monarchie absolue ausgerichtet worden. So definiert Cardin Le Bret 1632 die Souveränität als geometrischen Punkt, als »supréme puissance deferee à un seul, qui luy donne le droict de commander absolument«, was – anders als bei Bodin – auch die eigenmächtige Steuererhebung einschließt. Laut Silhon kommt dem Herrscher die Verfügungsgewalt »sur la vie & sur les biens de leurs Sujets« zu, gerade weil sie diese schützen müssen. Dies hätte Bodin bestritten, wie er sich auch noch Bürger vorstellen konnte, die »diversifiés en loix, en langue, en coustumes, en religion, en nations« sind. Für Le Bret ist dagegen die Vereinheitlichung des Rechts bereits selbstverständlich: »Que toutes personnes, comme étans également sujètes d’un même Roi, le soient aussi d’une même Loi«; die bekannte Formel »un roi, une loi, une foi« kündigt sich an. Und bereits 1610 meint Jérôme Bignon: »La perfec39 Zitiert bei Hinrichs, Fürstenlehre, 1969, S. 359, Nr. 8. 40 Gil, Republican Politics, 2002, S. 281 f. 41 Albertini, Das politische Denken, 1951, S. 144 f., 153.

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tion et le comble de l’estat Royal, c’est quand le Prince ordonne de toute sa volonté, fait ce qu’il veut, sans aucune restriction, et sans estre responsable en façon quelconque de ses actions.«42 Diese Perfektion wird allein Frankreich zuerkannt – nirgends geht es dem bien public besser. Es muss an dieser Stelle betont werden, dass der französische Absolutismus im Verständnis seiner Verkünder nicht willkürlich und despotisch, sondern edel, selbstlos und rational ist und damit viel gerechter als eine freiheitliche Verfassung, die den Exzessen der Freien und Mächtigen keine Schranken setzt. Will man »ceste felicité que les Politiques cherchent, et qui est la fin de la vie civile« verwirklichen, dann soll man, so Jean-Louis Guez de Balzac 1625, »la Liberté, la Religion, et le bien Public« in die Hände der legitimen Obrigkeit legen und ihr bedingungslos gehorchen.43 Gerade weil der absolute Monarch über die menschlichen Bedürfnisse erhaben und damit der Egoismen und Leidenschaften ledig ist, wird er wohltätig und freiheitlich wirken.44 Freiheit meint dabei natürlich nicht politische Partizipation, sondern die Erlösung von Parteienunwesen, Anarchie und Bürgerkrieg, »den Schutz der Privatexistenz, den Schutz vor Angriffen anderer, das Vorhandensein einer Justiz und eine starke, dem Gesetze gemäße, staatliche Gewalt«.45 Sie darf nicht eingeschränkt sein, wenn sie den Ehrgeiz, die Privatinteressen und die Verschlagenheit zähmen soll. Bossuet warnt ausdrücklich, man dürfe nicht »confondre gouvernement absolu et le gouvernement arbitraire. Il n’y a rien de plus distingué«.46 Wie schon Sully zitiert auch er gegen den Grundsatz »princeps legibus solutus« die Parömie Digna vox, um fortzufahren: »Les rois sont donc soumis comme les autres à l’équité des lois … mais ils ne sont pas soumis aux peines des lois.« Das Gesetz kann sie nicht zwingen, soll sie aber wohl lenken, und zwar hin zum Gedeihen eines sowohl geschützten als auch untertänigen Volkes.47 Und Louis XIV selbst verkündet

42 Silhon, Ministre, 1652, Bd. 3, S. 208 (3, 10); Le Bret, De la Souveraineté, S. 1, 396, 512; Loyseau, Les Traitez des Seigneuries, S. 8, und Bignon, De l’excellence des Roys, S. 309; alle zitiert bei Albertini, Das politische Denken, 1951, S. 38, 40, 47, 83, 91 f. und 129–131; vgl. auch Derathé, Bodin, 1973, S. 254–457, und Church, Constitunional thought, 1941, S. 318–324. 43 Brief vom 25. Dezember 1625, zitiert bei Albertini, Das politische Denken, 1951, S. 210. 44 Vgl. etwa das Zitat von Guez de Balzac in Rohan, Intérêt, 1995, S. 127. 45 Albertini, Staatsbewusstsein, 1955, S. 294. 46 Bossuet, Politique, 1967, S. 92 (4, 1). 47 Bossuet, Politique, 1967, S. 97 (4, 1, 4), vgl. auch Mor el, Absolutisme, 1996, S. 127, und Keohane, Philosophy, 1980, S. 251–258.

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noch 1667: »La parfaite félicité d’un royaume est qu’un prince soit obéi de ses sujets et que le prince obéisse à la loi«.48 In einem solchen Umfeld hat das Wort »république« einen schweren Stand. Es ist 1565, zu Beginn der Religionskriege, erstmals als klarer Gegenbegriff zur Monarchie aufgetaucht, als den Reformierten unterstellt wird, sie wollten König und Fürsten ermorden: »abattre la Monarchie de France, et la reduire en forme de Republique et estat populaire, tout ainsi qu’est le païs de Suisse«.49 Diese Gleichsetzung des Abfalls vom (katholischen) Gott und König und ihre Lokalisierung in der Schweiz finden sich wiederholt, wobei als ihr Charakteristikum eher der Föderalismus denn die republikanische Verfassung angesehen wird. Etwas später, ab 1575, ist »républicain« belegt als Feindbezeichnung zuerst für Gegner der Guise und dann für die »malcontens« verschiedener Provenienz, weil sie die Prärogative des Königs bei der Steuererhebung und damit die Basis seiner Herrschaft in Frage stellten. Daneben kommt das – vorerst noch seltene – Wort 1586 auch im neutralen Sinn vor als Bezeichnung der Bürger eines Freistaats.50 Entscheidend für die spätere Polemik dürften vor allem die hugenottischen Monarchomachen sein. Als in Frankreich die Repression der Hugenotten zunimmt, werden die spartanischen Ephoren zuerst durch Calvin dem antiquarischen Staub entrissen und mit – beschränkten – Widerstandsrechten versehen.51 Der Reformator teilt den Generalständen diese Funktion zu, was Théodore de Bèze dann präzisiert als Widerstandsrecht der niederen Magistraten, insofern sie das Volk repräsentieren.52 François Hotman präsentiert das fränkische Reich unter Berufung auf Cicero als Mischverfassung, die vor allem aus dem König und den Generalständen zusammengesetzt ist.53 Solche gemäßigten Wahlmonarchien, die man laut Hotman überall außer bei den willkürlichen türkischen Sultanen vorfindet, entsprächen der ursprünglichen, germanischen Form der fränkischen Verfassung, die durch die italienische, papistisch-machiavellistische Verschwörung zerstört zu werden drohe. Hotman stellt also das Königtum nicht grundsätzlich in

48 Zitiert bei Leca, Lex digna, 1996, S. 156. 49 Pierre de la Place, Commentaires, 1565, f. 56v; mit anderen Beispielen zitiert von Cear d, »République«, 1972, S. 99. 50 Céar d, »République«, 1972, S. 103 f.; Trésor de la langue française, 14, 1990, S. 924. 51 Zum Widerstandsrecht bei Calvin unten, S. 309 f. 52 Bèze, Droit, 1970. 53 Hotman, Francogallia, 1972, S. 292–304 (cap. 12).

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Frage, sondern sucht bloß, es in seinen (weitgehend herkömmlichen) Schranken zu behalten.54 In Hotmans Mischverfassung dominiert das monarchische Haupt in der Praxis und in der Regel unbestritten; die Ephoren greifen bloß gegen krasse Fehlentwicklungen ein, sie sind Kontrollorgan, aber nicht Mitherrscher. Entsprechend verwahrt sich ein calvinistischer Dichter wie Agrippa d’Aubigné dagegen, wenn seine Warnung vor einem Tyrannen auf einen König bezogen werde und dieses Missverständnis ihm den Ruf eines Wahnsinnigen und dazu noch »le nom de turbulent, de republicain« eintrage.55 Die Bezeichnung der Monarchomachen als Anhänger einer freistaatlichen »république« ist also nicht berechtigt, hat aber auch noch andere Wurzeln. Als »republikanisch« verstanden wird auch das Gemeindeprinzip mit Mehrheitsentscheidungen, nach dem die hugenottische Kirche aufgebaut ist: Konsistorien und Synoden, bei denen Laien beteiligt sind, dagegen eine Hierarchie mit Bischöfen oder gar einem Papst fehlt. In seiner 1605 gedruckten Kampfschrift gegen den reformierten Glauben widmet Florimond de Raymond ein eigenes Kapitel den »inimitié et menés prodigieuses des Républiques contre les Monarchies« und empfiehlt eine heilige katholische Liga der Könige »contre leurs subjects Protestants amateurs de République et de leur liberté … contre la malice de tels Démocraties et Républicains … contre ce monstre de rébellions que les Ministres adorent«.56 Der Vorwurf, die Calvinisten würden mit ihren Institutionen einen Staat im Staat bilden, findet so weitere Nahrung, auch wenn die Diskreditierung des Wortes »république« als Partikularismus ursprünglich keineswegs auf die Neugläubigen beschränkt ist, wie 1596 das Beispiel des ligistischen Marseille zeigt.57 Die Verknüpfung von Calvinismus und altständischem Partikularismus beziehungsweise – im Sinn des neuen Staatsrechts – Separatismus symbolisieren aber vor allem die im Edikt von Nantes den Hugenotten zugesicherten »places de sûreté«, Bereiche, die der königlichen Autorität und damit Souveränität nur bedingt unterstehen. Richelieu nennt sie denn auch »petites républiques«. Ähnlich lässt Sully, der selbst wohl Hugenotte, aber königstreuer Politique ist, rückblickend seinen Henri IV schon 1594 dem Duc de BouillonTurenne vorwerfen, er beabsichtige aus den (reformierten) Kirchen Frankreichs eine »espece d’Estat populaire et Republicque comme les 54 55 56 57

So auch Hinrichs, Fürstenlehre, 1969, S. 127. Agrippa d’aubigné, Œuvres, 1969, S. 3, 34 f. Zitiert bei Durand, Républiques, 1973, S. 69. Zitiert bei Kaiser, Marseille, 1991, S. 131; vgl. auch 337–340.

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Pays-Bas« zu errichten.58 Das Wort »république« ist demnach spätestens seit den Zeiten von Henri IV im innenpolitischen Zusammenhang negativ konnotiert, wobei die Aristokratie mit ihren ehrgeizigen Adligen und der »état populaire« mit seiner wankelmütigen, willkürlichen und willfährigen Meute weitgehend zusammenfallen. Zu den Segnungen der absolutistischen Monarchie liefert damit die republikanische Verfassungsform geradezu das Gegenmodell, das mit Aristoteles-Zitaten als Brutstätte plebejischer Unrast, schrankenloser Unvernunft, Verschwörungen von Minderheiten und parteiischer Sonderinteressen abgetan werden kann.59 Dieses Schreckbild prägt allmählich auch die Außenpolitik. Mazarin reduziert demonstrativ den Respekt, den Richelieu im diplomatischen Protokoll den Republiken bewiesen hat. Mazarin selbst gibt während den westfälischen Verhandlungen dem Botschafter D’Avaux Recht, nachdem dieser den venezianischen Gesandten als zweitrangig behandelt hat. Systematisch wird beim Zeremoniell fortan zwischen Monarchien und Republiken unterschieden, was der im Souveränitätskonzept begründeten fundamentalen Gleichheit in der Staatenwelt eigentlich zuwiderläuft.60 So wird im französischen Protokoll festgeschrieben, dass es nicht wie bei königlichen Botschaftern die Prinzen von Geblüt, sondern die Maréchaux de France sind, »qui conduisent les Ambassadeurs des Republiques à l’audience«.61 Für die Familie des Königs, die über ihn Teil der personalen Souveränität ist, wird ein höherer Status reklamiert als für Gesandte einer mehrköpfigen Regierung. Gregorio Leti kritisiert diese Überheblichkeit, wobei er den »giftsprühenden« Standpunkt der Franzosen treffend so paraphrasiert, »ch’era una gran vergogna di veder una Republica nata di fresco con l’altrui sossistenza, passare alla pretentione di voler andar del pari con le prime Corone dell’Universo. Che doveva riputarsi a gran bassezza d’animo ne’ Prencipi di soffrire che quattro marcanti malnati come erano gli Holandesi, si facessero lecito di contrastarli la precedenza.«62

58 Sully, Mémoires, 1, 1638, S. 264 (53). 59 Anschaulich im Gegensatz zu modernen Vorstellungen skizziert bei Herman, Republic, 1992, S. 251–260. 60 Zu D’Avaux Dickmann, Westfälischer Friede, 1977, S. 209, der zu Unrecht davon spricht, Frankreich habe den Unterschied zwischen Monarchien und Republiken »aufrechterhalten« wollen; vielmehr will es ihn postulieren und durchsetzen. 61 Wicquefort, L’ambassadeur, 1682, S. 341. 62 Leti, Monarchia universale, 2, 1689, S. 530.

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2. Frankreich

Die Abscheu, die Louis XIV gegen die Republiken empfindet, gründet in den Krisen der Jahrhundertmitte: die Hinrichtung von Charles I und das englische Commonwealth, vor allem aber die Fronde. Deren hochadlige Anführer bleiben zwar den herkömmlichen Hierarchien geistig verbunden und richten ihren Hass nicht auf den jungen König, sondern auf den »tyrannischen« Mazarin. Allerdings erinnert sich der Kardinal de Retz in seinen Mémoires, er habe im März 1649 beim Sturm auf das Pariser Parlament »sogar« vereinzelte Stimmen gehört, die »république« riefen – doch ohne weitere Folgen.63 Eher rechtfertigen einige lokale Aufstandsherde das königliche Schreckgespenst, Frankreich könne durch republikanische Separatismen aufgelöst werden. Bordeaux sucht 1653 den Kontakt zu Cromwell und beruft sich dabei auf den »vrai intérêt d’un peuple libre imitant les exemples des républiques les plus justes et les mieux gouvernées«.64 Das Trauma der Fronde führt unter dem Sonnenkönig zu einer Tabuisierung der Revolte. Als stellvertretender Popanz dafür dient die englische Revolution und der Königsmord: Wer »Fronde« meint, sagt »Cromwell«, und damit ist zur republikanischen Problematik in Frankreich das letzte Wort gesprochen. Entsprechend wird Willem III. von Oranien als neuer, ebenso brutaler wie illegitimer Cromwell und Republikaner verflucht, so 1688 in Antoine Arnauds Véritable portrait de Guillaume Henri de Nassau, nouvel Absalon, nouvel Hérode, nouveau Cromwell, nouveau Néron.65 Verstärkt wird der Hass dadurch, dass der Statthalter aus den Niederlanden stammt: Nach der englischen Restauration ist sie das Hauptziel der antirepublikanischen Polemik aus Frankreich. Diese Abwendung vom jahrzehntelangen Bündnispartner zeigt sich, als der niederländische Großpensionär Johan de Witt 1663 eine gemeinsame Aktion gegen die spanischen Niederlande vorschlägt. Ähnliche Pläne hat Richelieu noch klar befürwortet, doch nun analysiert Colbert den Vorschlag: Die Macht Spaniens sei nicht mehr, was sie war. Die Folge der weiteren Schwächung wäre wohl unvermeidlich auch die Abspaltung der Freigrafschaft, die sich ebenfalls als Republik konstituieren würde.

63 Retz, Mémoires, 2, 1872, S. 403; vgl. auch T r easur e, Mazarin, 1995, S. 220. 64 Kossmann, Fronde, 1954, S. 108–110, 245–258; Durand, Républiques, 1973, S. 191 f.; Malettk e, Opposition, 1976, S. 316–319; Keohane, Philosophy, 1980, S. 217–219. 65 Ehrar d, Esprit républicain, 1972, S. 55; Goulemot, Mythe de Cromwell, 1972, S. 109; ders., Républicanisme, 1993, S. 29; Herman, Republic, 1992, S. 266 f.

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Le voisinage de deux grandes républiques, la liberté et la commodité de leurs peuples, dangereux pour l’exemple dans les temps des minorités. Les républiques font des conquestes, non par les armes, mais par le mauvais exemple de leur liberté. Les Suisses, exemple; Les Hollandois, par les armes [?], les villes hanséatiques. Il n’y a pas plus de raison de s’opposer aux uns qu’aux autres.66

Colberts stichwortartige Notizen sind nicht ganz klar. Offenbar befürchtet er, dass mit den spanischen Niederlanden und der Freigrafschaft neue Republiken nach dem – schlechten – Vorbild der Schweizer, Holländer und Hansestädte entstehen könnten, welche in Zeiten einer geschwächten Monarchie, namentlich bei einem – wie während der Fronde – minderjährigen König, für Frankreich bedrohlich werden könnten – nicht militärisch, sondern durch die reine Rhetorik der »liberté«. Damit gibt es für Colbert keinen Grund mehr, sich eher Spanien als den Republiken entgegenzustellen: »Il faut changer de maximes en toutes occasions où il faudra raisonner les résolutions à prendre contre la maison d’Autriche.«67 Dieser epochale Wandel im Feindbild lässt rasch die Niederlande ins Visier geraten. Louis XIV erklärt dem Dauphin 1671, kurz vor dem von ihm entfesselten niederländischen Krieg, seine Verachtung für den ehr- und ruhmlosen Utilitarismus der Republiken. Die Niederländer dächten nur an den Kommerz und daran, den (»monarchischen«) Oranier zu erniedrigen.68 Was Colbert mit dem schlechten Beispiel gemeint hat, zeigt sich dann tatsächlich während des holländischen Kriegs: 1674 erhebt sich eine Adelsfaktion unter dem »Chevalier de Rohan« gegen die Steuerlast in der Normandie, die sie mit niederländischer Hilfe zu einer »république libre« machen will. Dasselbe erhoffen hugenottische Verschwörer 1674, die in Südfrankreich eine Erhebung gegen den Sonnenkönig planen. Der verfolgte Protestantismus müsse »se cantonner dans le Royaume, pour former un Corps de Republique comme la Hollande et la Suisse«. In Umkehrung der Situation von 1640/41 ist es jetzt Spanien, das mit den Revoltierenden ein Bündnis schließt und einen »Estat particulier ou Republique« in Aussicht stellt. Das Geständnis eines verhafteten Verschwörers, das Ziel der Revolte sei eine »republique libre« gewesen, verstärkt das alte Feindbild von

66 Colbert, Lettres, 6, 1869, S. 222 (Februar 1663); für Richelieu Durand, Républiques, 1973, S. 182, für Colbert S. 183 f. 67 Colbert, Lettres, 6, 1869, S. 222. 68 Zitiert bei Goubert, Louis XIV, 1996, S. 287; vgl. Durand, Républiques, 1973, S. 184.

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3. Rohan und das »Interesse« der Staaten

Louis XIV noch zusätzlich.69 Wer Bedenken vorbringt oder gar die bewährten, althergebrachten Prozeduren des Parlaments billigt, ist selbst als hierarchischer Adliger und prinzipieller Monarchist bereits ein »républicain«.70 Nicht mehr nur die Calvinisten sind Gegenstand dieser Obsession.71 Aber laut Saint-Simon glaubt Louis XIV auch, »que ce qu’on appelait jansénistes était un parti républiquain dans l’Église et dans l’État, ennemi de son autorité, qui était son idole«.72 Der Orden des Oratoire, der im Verdacht des Jansenismus steht, wird beschimpft als »une république fondée au milieu d’un Etat monarchique«: »Une telle communauté, nourrie dans l’indépendance, ne peut souffrir aucune domination; elle est ennemie par nature de tous ceux qui dominent réellement ou en apparence. … Liberté, liberté, voilà leur cri de guerre«.73 Geistiges und politisches Unabhängigkeitsstreben, Protestantismus und Fanatismus, Revolte, Separatismus, Partikularismus und Föderalismus – diese Zutaten werden in Versailles als Ingredienzen einer antimonarchischen Giftsuppe angesehen.

3. Rohan und das »Interesse« der Staaten Auch der Duc Henri de Rohan, der Schwiegersohn Sullys und Vetter sowie Vertrauter von Henri IV, zählt zu denjenigen Reformierten, denen 1611, nach der Ermordung des konvertierten Königs, unterstellt wird, er wolle »hasarder tout, et périr ou faire une république, comme le prince d’Orange«, weil er sich an die Spitze der beunruhigten Huge-

69 Malettk e, Opposition, 1976, S. 174–181, 208, 259–262, 369. 70 Vgl. die Anekdote bei Retz, Mémoires, 3, 1875, S. 443 (18. Juli 1651) und Anm. 5 zur Schreibweise im Manuskript, die zeigt, dass es sich um ein wenig geläufiges Wort handelt. Für ein anderes Beispiel bei Retz Keohane, Philosophy, 1980, S. 225. 71 Für Calvinisten vgl. die Aussage des französischen Residenten in Genf 1698 über einige hugenottische Refugianten, ihnen eigne nunmehr »un esprit républicain qui ne convient pas dans un estat monarchique«, Livet, Suisse, 1983, S. 539. Weitere Beispiele bei Durand, Républiques, 1973, S. 70 f.; Goulemot, Républicanisme, 1993, S. 34 f. Kurz vor dem Edikt von Fontainebleau 1682 wirft Louis Maimbourg in seiner Histoire du Calvinisme, Paris 1682, S. 2, den Calvinisten vor, sie wollten eine Art Republik in die Monarchie einführen. 72 Saint-Simon, Mémoires, 4, 1985, S. 641, 652. 73 Nicolet, Idée républicaine, 1994, S. 24, Anm. 4; vgl. Durand, Républiques, 1973, S. 10 f.

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II. Republiken unter Monarchien: Europa im 17. Jahrhundert

notten gestellt hat.74 Obwohl er das bestreitet, unterzeichnet der Herzog 1629 einen Allianzvertrag mit Spanien, der tatsächlich die Möglichkeit vorsieht, die Calvinisten könnten »cantonner et faire un Estat à part«.75 Im herrschenden Wortverständnis kann dies als »republikanischer« Separatismus angesehen werden, doch im verfassungsrechtlichen Sinn hat Rohan keinerlei Neigung zu einer Republik, ja, er verunglimpft seinerseits unnachgiebige Glaubensgenossen als aufrührerische Republikaner.76 Nachdem der brillante Heerführer die reformierte Sache auch nach dem Fall von La Rochelle verteidigt, in venezianischen Diensten gegen die Kaiserlichen gekämpft, die französischen Truppen in den Bündner Wirren geführt und, bei Rheinfelden schwer verletzt, im aargauischen Kloster Königsfelden 1636 das Zeitliche gesegnet hat, erscheint 1638 postum erstmals sein wohl gegen 1634 verfasstes und Richelieu zugeeignetes De l’intérêt des princes et des Etats de la chrétienté. Mit diesem Werk steht er im Rahmen eines umfassenderen Umbruchs in der politischen Theorie, der auch für die reale Außenpolitik seiner Zeit erhebliche Folgen zeitigt.77 In den Konfessionskriegen ist die Vorstellung eines objektivierbaren bonum commune hinfällig geworden, und die Skepsis hat begonnen, das westeuropäische Denken eines Montaigne oder Lipsius zu bestimmen. Parallel dazu löst sich das herkömmliche Bild einer umfassenden praktischen Philosophie auf, es entstehen selbständige Disziplinen, die ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen: Ethik, Politik, öffentliches und Naturrecht sowie – später – Nationalökonomie. Das utile der Politik kann damit als Frage angegangen werden, die vom honestum der Moralphilosophie oder dem iustum des Naturrechts losgelöst ist. Als Kriterium des Nützlichen dient nun nicht länger ein objektives Gemeinwohl oder die Umsetzung des Rechts, sondern das subjektive »Interesse« der politischen Akteure, womit jenseits von Skepsis oder christlichem Idealismus ein Gegenstand definiert ist, der sich rational und a-moralisch (aber nicht zwingend unmoralisch) analysieren lässt. Im Zuge dieser Veränderungen hat sich im 16. Jahrhundert, als Einzelherrschaften zusehends dominieren, die Staatsraisonliteratur zuerst

74 Fontenay-Mar euil, Mémoires, 1826, S. 148. 75 Meineck e, Staatsräson, 1957, S. 214, 221; dort auch S. 192–224 zu Rohan und seinem Werk. 76 Salmon, Rohan, 1975, S. 129 f. 77 Zum Folgenden die ausgezeichnete Einführung Christian Lazzeris in Rohan, Intérêt, 1995, v. a. S. 1–6, 69 f., 91.

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3. Rohan und das »Interesse« der Staaten

und vor allem in Italien von der Frage nach der bestmöglichen Einrichtung eines Staates im Hinblick auf das – umstrittene – Gemeinwohl abgewendet. Stattdessen wird jetzt der Erhalt des Staates, in welcher Form auch immer, zum Hauptgegenstand der politischen Theorie, welche die dafür notwendigen Herrschaftstechniken (»arti«) vermittelt.78 Da die Definitionsgewalt über das nicht mehr allgemeingültig definierbare Gemeinwohl nun vorwiegend beim Fürsten selbst liegt, treten im 17. Jahrhundert in einem weiteren gedanklichen Schritt das säkulare Staatsinteresse und die »utilitas publica« vollständig auseinander.79 Dieser Prozess gebärt zwei Neologismen der politischen Sprache: tendenziell eher im innenpolitischen Zusammenhang die ragione di stato und außenpolitisch das interesse, das im eigenen Wohlergehen die oberste Maxime sieht. Es sind beides Wörter, die wohl erstmals von Guicciardini in seinem Dialogo del reggimento di Firenze (zwischen 1521 und 1525) in die politische Debatte eingeführt werden, während für das französische »intérêt« Montaigne ausschlaggebend ist.80 Guicciardini ist bezeichnenderweise auch der Autor, der die Vorstellung der »bilancia« als erster einbringt: Wo das normative Gemeinwohl als erreichbares Ziel wegfällt, da tritt an seine Stelle das Gleichgewicht der Kräfte und Mächte, die eine interessengeleitete Staatsraison zu mobilisieren versteht. Rückblickend deutet Guicciardini dies als die goldene Zeit des inneritalienischen Ausgleichs unter Lorenzo il Magnifico, und langfristig wird daraus die Vorstellung eines Mächtegleichgewichts, welche die Strategien der internationalen Politik bis ins 20. Jahrhundert bestimmen wird; innenpolitisch analog ist aber durchaus auch das Verständnis der Mischverfassung, etwa in Venedig, als Ausgleich verschiedener gesellschaftlicher oder ständischer Interessen.81 Ebenfalls aus Venedig stammen die Gesandten, die mit ihren rasch berühmten, systematisch gesammelten und teilweise schon früh gedruckten Relationen Europa als Spielfeld analysieren, auf dem Staaten wie Individuen handeln und ähnlich wie diese analysiert werden müssen, nämlich aufgrund ihres subjektiven Eigeninteresses. Dieses stellt die einzige (einigermaßen) Konstante in diesem Spiel dar, was Rohan 78 Für den Übergang von der »art of the republic« zur »art of the state« (und parallel vom »language of politics« zur »reason of state«) Viroli, Politics, 1992, passim, etwa S. 216. 79 Lazzeri in Rohan, Intérêt, 1995, S. 83–88, 103 f., 112–115. 80 Guicciar dini, Dialogo, 1970, S. 465 (»non cristianamente, ma … secondo la ragione e uso degli stati«); vgl. T uck, Philosophy, 1993, S. 39; Lazzeri in Rohan, Intérêt, 1995, S. 78–83, 89–93, 104. 81 T uck, Philosophy, 1993, S. 95 f.

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II. Republiken unter Monarchien: Europa im 17. Jahrhundert

ausdrückt mit: »L’interest seul ne peut jamais manquer«. Es gibt keine allgemeinen Regeln des Verhaltens mehr, jeder Staat agiert auf Grund seiner Besonderheiten und Bedürfnisse, wobei er als abstraktes, unpersönliches Wesen gedacht werden muss, von den konkreten Herrschern insofern losgelöst, als sie nur einen Teil unter allen Elementen bilden, die sein Interesse determinieren. Um staatliche Aktionen gegen außen und ihre Folgen – einigermaßen – rational einschätzen, ja möglichst vorhersehen zu können, ist deshalb eine genaue, umfassende Kenntnis der jeweiligen inneren Staatsbeschaffenheit notwendig, die nicht nur die Regierung, sondern auch Land, Bevölkerung, Religion und Wirtschaft einschließt – und selbstverständlich die Verfassung.82 Der Duc de Rohan geht von den real handelnden internationalen Akteuren aus und etabliert gerade auf diesem Weg eine Liste der faktischen, da kriegsfähigen Völkerrechtssubjekte, die er im ersten Teil seines Buches in einzelnen Discours präsentiert: Spanien, Frankreich, die italienischen Fürsten (darunter Venedig), der Papst, Deutschland (Kaiser, Fürsten und Städte, aber auch kurz Polen, Ungarn, Dänemark und Schweden), England sowie, vereint in einem Kapitel, »l’intérêt des Suisses et des Provinces-Unies«. Es ist auffällig, dass die »deux républiques formidables« gemeinsam und – obwohl gleichsam »deux bras d’Allemagne« – vom übrigen Deutschland gesondert behandelt werden, aus dem heraus sie sich entwickelt haben (»se sont formées«). Deutlich vor 1648 behandelt Rohan die Eidgenossenschaft und die Niederlande parallel als unabhängige Staaten, wobei er im Falle der Niederlande den Waffenstillstand von 1609 als entscheidend ansieht: Seither sind sie »libres et souverains et leurs ambassadeurs reçus en cette qualité par les princes«. Von den Alpen beziehungsweise dem Meer sowohl geschützt als auch über diese herrschend, sind die zwei Völker der jeweiligen Landesnatur bestens angepasst. Dort bilde jede Provinz, hier jeder Kanton eine Republik für sich. Hollands Interesse sei der Krieg, aus dem es seinen Reichtum ziehe, die Schweiz den ihren dagegen aus dem langwährenden Frieden; allerdings bewahrten sie neben der Freiheit des Landes nicht – wie die Niederländer – auch diejenige des Körpers, den sie als Söldner anderen verkauften. Frankreich ist beider natürlicher Alliierter, die Zwietracht die einzige Gefahr für die zwei Länder.83

82 Lazzeri in Rohan, Intérêt, 1995, S. 115–117, 135–141; S. 147 (bzw. 160) zu »L’interest seul ne peut jamais manquer« und der wirkungsmächtigen, wenn auch nicht ganz korrekten Übersetzung Nedhams als »Interest will not lie« (1659). 83 Rohan, Intérêt, 1995, S. 181 f., 213.

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3. Rohan und das »Interesse« der Staaten

Der föderalistische Aufbau, die republikanische Verfassung und die Allianz mit Frankreich machen also die Gemeinsamkeiten dieser zwei Freistaaten in ihrer monarchischen Umwelt aus – und nicht ihre Bedeutung für den reformierten Glauben, die man von einem hugenottischen Vorkämpfer wie dem Duc de Rohan eigentlich hervorgehoben zu werden erwartet. Doch das würde seinem Ansatz widersprechen: De l’intérêt präsentiert eine rein säkulare Ordnung von Mächten, die in einem stets neu zu bestimmenden Gleichgewicht koexistieren. Nicht die Religion, das Interesse allein lehrt den Fürsten, was zu tun ist, wie der erste Satz programmatisch verkündet: »Les Princes commandent aux peuples, et l’intérêt commande aux princes«.84 Die Zeitgenossen verstehen Rohans Werk als einen Beitrag, den wichtigsten, zu einer rein diesseitigen »anatomie judicieuse des princes et des Etats« mit all ihren Verbindungen, Neigungen, Interessen, Kräften und Plänen.85 Dieses mechanistische Weltbild, das Rohan als Vorläufer von Hobbes vertritt, impliziert Bewegungen und damit den historischen Wandel, der verlangt, dass die Analyse von Interessen stets wieder aktualisiert wird. In seiner Widmung an Richelieu hält der Herzog aus diesem Grund fest, dass die »maximes fondamentales« der Politiker sich mit der ewigen »révolution des affaires de ce monde« änderten und es unsinnig sei, eine »règle immuable dans le gouvernement des Etats« aufzustellen.86 Konstant sind also nicht die Interessen, wohl aber die »estats de la chrestienté« als ihre Träger. Sie werden im Titel einer späteren Edition, die stark überarbeitet und um zwei Bücher vermehrt 1666 in Köln erscheint, zu Intérests et maximes des princes et des états souverains.87 Die Souveränität ist nun auch im Reich bekannt als Voraussetzung für diejenige politische Gemeinschaft, die überhaupt ein »Interesse« verspüren und vertreten kann. Eine solche ist für die Leser Rohans auch die Eidgenossenschaft, und mit Berufung auf ihn schreibt nun etwa Hermann Conring: »Ratio status Helvetiorum pax est.«88 Damit ist sie bei demjenigen deutschen Staatsdenker, der ausdrücklich und wirkungsmächtig der Vorstellung einer imperialen, heilsgeschichtlichen Kontinuität von den Römern zu den Deutschen absagt, nicht mehr Teil eines christlichen Weltreichs, sondern eines säkularen Gleichgewichts souveräner Mächte.

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Rohan, Intérêt, 1995, S. 160. Lazzeri in Rohan, Intérêt, 1995, S. 129, nach dem Mercure français von 1634. Rohan, Intérêt, 1995, S. 159–161, 187 f. Salmon, Rohan, 1975, S. 132, Anm. 45. Conring, Opera, Bd. 4, 1730, S. 555 (Ratio status, 1651).

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II. Republiken unter Monarchien: Europa im 17. Jahrhundert

4. Grotius und das Völkerrecht Neben dem nüchtern, im Vergleich zur älteren politischen (Moral-) Philosophie geradezu zynisch analysierten Gleichgewicht interessengeleiteter Mächte wird im 17. Jahrhundert auch versucht, eine ebenfalls säkulare, aber Normen stiftende Basis für das in Nationen zerfallene Abendland, ja für eine universale Staatenordnung zu konzipieren. Das von Hugo Grotius begründete Völkerrecht verzichtet auf eine metaphysische Einbettung, gesteht damit den Universalmächten Papst und Kaiser keine Sonderstellung mehr zu und sagt dabei nicht nur der Reichsidee, sondern auch dem als partikular erfassten römischen Recht ab. An seine Stelle treten Regeln, die nicht durch ihre geschichtliche Legitimität, sondern durch ihre logische Kohärenz Konsens finden und deswegen Allgemeingültigkeit beanspruchen.89 Das neue ius belli ac pacis unterscheidet sich vom römischen ius gentium insofern fundamental, als es nicht die zivilrechtlichen Normen behandelt, die universal gelten, sondern die minimale Rechtsbasis, auf der souveräne Staaten beziehungsweise ihre Herrscher untereinander verkehren – also diejenigen, die allein und von moralischen Vorgaben real kaum eingeschränkt das »ius ad bellum« besitzen und keinen gemeinsamen (irdischen) Richter haben. Dabei wird von ihrer inneren Verfassungsstruktur ausdrücklich abstrahiert, denn sofern sie niemandem untertan sind, gelten für einen König und ein freies Volk dieselben Regeln.90 Alle souveränen Staaten sind demnach vor dem Völkerrecht hinsichtlich ihrer Wahl zwischen Krieg und Frieden gleich, ob sie nun Ungläubige oder Christen, Katholiken oder Protestanten, Republiken oder Monarchien sind – »die Könige selbst oder die, welche als die Vornehmsten oder als freie Völker die gleichen Rechte wie die Könige besitzen«, wie der Niederländer im allerersten Paragraphen Aristokratie und Demokratie neben die Monarchie stellt.91 Damit befindet er sich in heimischer Tradition, haben doch die Generalstaaten schon 1599 die europäische Völkerrechtsordnung als »la disposition commune du droict impérial et

89 Zum römischen Recht Grotius, De jure belli, 1950, S. 302 (2, 16, 31); ibid., 1646, S. 285; vgl. ferner Haitsma Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 118. 90 Grotius, De jure belli, 1950, S. 107 (1, 3, 21); ibid., 1646, S. 66: »Est enim populi liberi & regis qui vere rex sit, eadem ratio.« 91 Grotius, De jure belli, 1950, S. 47 (1, 1, 1); ibid., 1646, S. 1; vgl. auch S. 207 (2, 9, 8): »Neque refert quomodo gubernetur, regione, an plurium, an multitudinis imperio«.

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4. Grotius und das Völkerrecht

l’usage irréfragiale de tous roys, princes et républicques d’Europe« verstanden.92 Schon in den Prolegomena zu De jure belli ac pacis macht Grotius klar, dass er Aristoteles nicht sklavisch folgen will. Tatsächlich geht er nicht von einem Zoon politikón aus, sondern vom Krieg. Dessen Ursache erkennt Grotius im fundamentalen und insofern gerechten Interesse des vereinzelten Individuums beziehungsweise des in der Völkerwelt analog konzipierten Staates. Ziel ist für beide »die Erhaltung des Lebens und der Glieder und die Verteidigung oder der Erwerb der zum Leben erforderlichen Güter«.93 Da es keine objektiven Kriterien gibt, um die Verhältnismäßigkeit solcher subjektiven Bedürfnisse zu beurteilen, wird die inhaltliche Legitimation eines bellum justum hinfällig.94 Faktisch ersetzt wird die Frage nach dem gerechten Krieg durch die formale Klärung, wer legitimerweise einen – wie Grotius ihn nennt – »öffentlichen Krieg« erklären und führen sowie Frieden schließen darf: nur die »höchste Staatsgewalt« (»summa potestas«), die aus einem oder mehreren Personen bestehen kann.95 Ein privater Krieg ist unzulässig, und damit auch ein Widerstandsrecht gegen den Souverän. Allerdings hat sich das von Natur aus freie Volk anfangs eine ihm beliebende Regierungsform wählen können. Da es kein objektives Urteil über die Qualität der auszuwählenden Verfassungen geben kann, begründet allein diese erste, freie Wahl die Legitimität des Souveräns, und insofern besteht die Polyarchie gleichrangig neben der Monarchie.96 So wie … durch einen gerechten Krieg Privateigentum erworben werden kann, so kann auch die Herrschaft über den Staat erworben werden, d. h. das Recht zu regieren, ohne dass man von einer anderen Stelle abhängig ist. Dies soll nicht nur für die Herrschaft eines einzelnen gelten; vielmehr bestehen dieselben Gründe und dasselbe Recht auch für die vornehmen Bürger, welche mit Ausschluss des niederen Volkes den Staat regieren. Gibt es doch selbst keine noch so freie Republik, in der nicht einige, wie die Armen oder Fremden, oder die Frauen und Minderjährigen von den Beratungen ausgeschlossen sind!97

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Zitat bei Reibstein, Völkerrecht, 1958, Bd. 1, S. 432 f. Grotius, De jure belli, 1950, S. 59 (1, 2, 1); ibid., 1646, S. 16. Grotius, De jure belli, 1950, S. 394 f. (2, 23, 13). Grotius, De jure belli, 1950, S. 87 (1, 3, 4); 439–446 (3, 3); 558 f. (3, 20, 2–4). Grotius, De jure belli, 1950, S. 91 (1, 3, 8); vgl. S. 97 (1, 3, 10); ibid., 1646, S. 53. Grotius, De jure belli, 1950, S. 92 (1, 3, 8). Ibid., 1646, S. 54. Vgl. auch S. 103 (1, 3, 17) über die Aufteilung der Souveränität auf mehrere Personen.

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II. Republiken unter Monarchien: Europa im 17. Jahrhundert

Diese Passage ist nicht nur deshalb zentral, weil sie die Republik zu einer völkerrechtlich legitimen Trägerin souveräner Herrschaft erklärt, wobei die Partizipation an der Herrschaft auf besitzende männliche Vollbürger beschränkt wird. Grotius macht außerdem deutlich, dass Herrschaft (samt Territorium) erwerbbar ist, unter anderem durch Krieg;98 sie entsteht also nicht (nur) durch Delegation von einer Universalmacht. Vielmehr formuliert der Niederländer an einer anderen Stelle eine Ausnahme, welche die im Reichsrecht unmögliche Verjährung von Herrschaftsrechten denkbar macht, insofern »zwischen Königen und freien Völkern nicht bloß durch freie Übereinkunft, sondern auch durch Aufgabe des Besitzers Rechte erworben werden können, wenn Besitzergreifung nachfolgt oder dadurch legitimiert wird. Denn die Regel, dass, was von Anfang an ungültig war, durch Späteres nicht gültig werden kann, gilt dann nicht, wenn ein an sich zur Begründung des Rechtes geeigneter Umstand später hinzutritt.«99 Ein Volk kann damit wie ein König durch »langwährendes Inbesitzhaben« Souveränität erlangen, und ebenso wird sie sich auch dort, wo sie ursprünglich mit Gewalt erworben worden ist, in ein Recht umwandeln.100 Im Besonderen gilt dies für das einstige römische Reich, über das der Kaiser nur herrscht, »soweit es nicht durch Verträge oder Entsagung und Besitzergreifung oder durch Eroberung unter die Herrschaft anderer Völker gekommen ist«.101 Der Imperator ist hinsichtlich dieser Herrschaftsrechte den anderen Souveränen gleichgestellt: »Aber alle diese Arten, aus denen ein Recht verloren oder geändert werden kann, gelten ebenso gegen die römischen Kaiser wie gegen jeden anderen.«102 Indem er ihren Verlust und Erwerb wie bei privatem Eigentum thematisiert, flexibilisiert Grotius die Vorstellung der Staatsgewalt, ja des Völkerrechts selbst, das nicht in jeder Hinsicht unabänderlich ist.103 Grotius erörtert in einem eigenen Kapitel auch die Neutralität, einen Status, der in der Theorie des bellum justum illegitim gewesen ist, da sie als unterlassene Hilfe für die gerechte Sache gedeutet wurde. Wo aber die Entscheidung über Krieg und Frieden beim einzelnen Souverän liegt, ist auch die Neutralität als Option zulässig. Grotius behandelt als 98 Vgl. auch Grotius, De jure belli, 1950, S. 467 (3, 6, 11); 485 (3, 8, 1). 99 Grotius, De jure belli, 1950, S. 171 (2, 4, 11); vgl. 165 (2, 3, 19). Ibid., 1646, S. 141 f. 100 Grotius, De jure belli, 1950, S. 172 (2, 4, 14), vgl. auch S. 111 (1, 3, 21). 101 Grotius, De jure belli, 1950, S. 229 (2, 9, 11); ibid., 1646, S. 209. 102 Grotius, De jure belli, 1950, S. 386 (2, 22, 13), wo die Universalherrschaft des Kaisers bestritten wird; ibid., 1646, S. 387. 103 Grotius, De jure belli, 1950, S. 223 (2, 8, 26).

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5. Diplomatisches Zeremoniell und Westfälischer Friede

erster Theoretiker die damit entstehenden Pflichten: Die Kriegführenden dürfen die Neutralen nicht schädigen oder müssen den Schaden zumindest vergelten; die Neutralen sollen beide Konfliktparteien gleich behandeln »in bezug auf den Durchmarsch, wie in Gewährung des Unterhalts für die Truppen und in Enthaltung jeder Unterstützung der Belagerten«.104 Dass es sich bei der Neutralität um ein neuartiges Konzept handelt, zeigt sich darin, dass bei Grotius ein lateinischer Begriff wie »neutralitas« oder »neutralis« noch nicht vorkommt; er gebraucht »qui in bello medio sunt« oder »qui a bello abstinent«.105 Während bei Bodin die einzelnen Schweizer Kantone im staatsrechtlichen Sinn, also hinsichtlich der obersten Gewalt im Inneren, als souverän dargestellt gewesen sind, so legen die von Grotius behandelten Themen im neu begründeten Völkerrecht nahe, dass die Eidgenossenschaft als Ganzes souverän ist: Kriegserklärung, -führung und Friedensschluss sind ebenso wie die Entsendung von Botschaftern weitgehend Kompetenzen der Tagsatzung und damit des gesamten Bundes, der die Souveränität gegen außen, innerhalb der Staatenwelt beansprucht. Auch die Neutralität lässt sich sinnvollerweise nur auf gesamteidgenössischer Ebene wahrnehmen. Allerdings geht der Niederländer nicht konkret auf die Eidgenossenschaft ein, und es ist nicht gesagt, dass er sie, vor 1648, bereits als souveränes Völkerrechtssubjekt wahrnimmt.

5. Diplomatisches Zeremoniell und Westfälischer Friede Der Westfälische Friede von 1648 bedeutet gleichermaßen die Umsetzung einer von Rohan skizzierten Gleichgewichtspolitik wie des von Grotius gelehrten Völkerrechts unter souveränen Staaten. Es ist der symbolische Abschluss eines Prozesses, dessen wesentliche Elemente bereits der Rücktritt Karls V. zum Ausdruck brachte: Irreversibilität der Glaubenstrennung, Ende des Universalismus. Wie gezeigt, birgt dieser Vorgang den Keim säkularer Weltbetrachtung in sich. Allein, die neu entstehende Völkerordnung präsentiert sich in einem Zeitalter konfessioneller Kriege vorerst in äußerst sakraler Form als Gesellschaft von Monarchen, die der Allmächtige unmittelbar eingesetzt hat. Wie Gott Christus als Pantokrator in die Welt entsandt hat, so will das droit divin 104 Grotius, De jure belli, 1950, S. 542–545 (3, 17); ibid., 1646, S. 561. 105 Onuf, Republican Legacy, 1998, S. 163 f.

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ein klares Haupt auf dem politischen Körper wissen – und da das »corpus rei publicae mysticum« unsterblich ist, soll es auch der Kopf sein, weshalb die Erbmonarchie mit einer endlosen Dynastie die vornehmste und gottgefälligste Verfassung darstellt.106 Der Staat bleibt gerade wegen der gängigen Fixierung auf den Monarchen noch vorwiegend personal gedacht: Der Herrscher ist als Steuermann des Staatsschiffes Gesetzgeber, oberster Richter und Heerführer. Das legitimiert die Einzelherrschaft zusätzlich, da nur in ihr die klaren Hierarchien und schnellen Entscheidungen möglich sind, die das Überleben des Staates in einem Jahrhundert endemischer Kriege zu erheischen scheint.107 Das Abendland erscheint damit als Gesellschaft von Monarchen, die wie Hausväter über ihre Völker herrschen und ja auch in ihren – einer späteren, nationalen Logik spottenden – Eheverbindungen das Bild einer exklusiven, vielfach verschwägerten Familie abgeben. Zu dieser Vorstellung passt die Ausbildung der Diplomatie und eines entsprechenden Protokolls, das die zwischenstaatlichen Kontakte als direkte Gespräche zwischen souveränen Herrschern auffasst. Seit der italienischen Pentarchie im Zeitalter Lorenzos hat das Gesandtschaftswesen seine Voraussetzung darin, dass von einem Gleichgewicht und gegebenenfalls wechselnden Allianzen ähnlich strukturierter Mächte ausgegangen wird. Der Vorstellung formeller Gleichheit widersprechen aber zugleich die anhaltenden Präzedenzkonflikte, die in der Frühen Neuzeit eine enorme Bedeutung haben. Lange Zeit wegweisend ist die protokollarische Rangfolge, die 1504 von Paris de Grassis im Auftrag von Julius II. festgelegt wird:108 Papst, Kaiser, die Könige von Deutschland, Frankreich, Spanien (Kastilien), Aragón, Portugal, England, Sizilien, Schottland, Ungarn, Navarra, Zypern, Böhmen, Polen und Dänemark; es folgen die Herzöge der Bretagne, von Burgund, Bayern (Pfalzgraf), Sachsen, Brandenburg, Österreich, Savoyen, Mailand, Venedig, Bayern, Lothringen, Verona, Orléans, Genua und Ferrara. Die Völkerwelt besteht also um 1500 aus den zwei Universalgewalten, etlichen Monarchien sowie Herzogtümern, die eigenständige Gesandtschaften entsenden können: Venedig und Genua sind nur kraft

106 Koenigsberger, Republicanism, 1997, S. 44, 64; zur Ablösung der im Volk begründeten Monarchie durch die Theorie des »droit divin« bei Le Bret Mor el, Lex regia, S. 171. 107 Vgl. etwa Prounincks Argumentation in Van Gelder en, Political thought, 1992, S. 200. 108 Besold, Synopse, 2000, S. 241; mit Varianten Heringa, Eer, 1961, S. 8; vgl. Dickmann, Westfälischer Friede, 1977, S. 546, zum offiziösen Charakter der Liste.

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ihres Dogen vertreten, da der Dux dem Herzog entspricht. Es fällt auf, dass mit Florenz ein Mitglied der italienischen Pentarchie fehlt; die Republik mit ihrem Gonfaloniere passt nicht in diese Ordnung, von den Eidgenossen oder freien Reichsstädten nicht zu reden. Offensichtlich ist ein adliges Oberhaupt Voraussetzung, um im vatikanischen Protokoll Aufnahme zu finden; umgekehrt ist aber selbst in Frankreich um 1500 die königliche Prärogative noch nicht so weit ausgebildet, dass Herzöge ins Glied verwiesen würden. Dies geschieht aber im Laufe des 16. Jahrhunderts, als etwa Kaiser Karl V. Lehensträgern das Recht abspricht, Botschafter zu entsenden. Dadurch stellt er und ähnlich das Tridentinum die Republik Venedig mit den gekrönten Häuptern gleich und den italienischen sowie Kurfürsten voran, die Lehensleute des Reichs sind.109 Andere Staaten beanspruchen für ihre Gesandten zwar den Titel Botschafter und bekommen ihn manchmal zugestanden, doch Zeremonienmeister wie derjenige von Spanien halten klar fest, dass es sich dabei eigentlich um »Agenten« handle; dies gilt für Genua, Lucca, Savoyen, die Toskana, Parma, Mantua, Urbino und Modena – also die Gruppe der Herzogtümer, die bei Julius II. noch im Protokoll angeführt ist. Ihre Gesandten ziehen vor dem König den Hut und haben keine festen Sitze in der Kapelle des Königs oder bei seinen öffentlichen Auftritten.110 Nördlich der Alpen verhindern die konfessionellen Spannungen vorerst eine Organisation der Völkerwelt auf der Basis staatlicher Diplomatie. Erst die Friedensschlüsse von 1598 bis 1609 führen dazu, dass diplomatische Beziehungen auf breiter Front aufgenommen werden, »so dass seit diesem Zeitpunkt in West- und Mitteleuropa ein ausgebautes System diplomatischer Vertreter« existiert.111 Auch hier wird die Entsendung von Botschaftern immer klarer zur Prärogative des Souveräns, obwohl Alberico Gentili 1598 noch von Legaten sprechen kann, die von Untertanen zu einem Herrscher entsandt werden; ebenso schickt in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Ostindische Kompanie noch eigene Diplomaten zu den europäischen Höfen, was bald unmöglich wird.112 Entscheidende Figur in der allmählich geklärten internen Hierarchie und Differenzierung wird der Botschafter (ambasciatore, ambassadeur, legatus), der mit »Exzellenz« anzureden ist. Der niederländische Diplomat Abraham de Wicquefort hält am Ende 109 110 111 112

Dickmann, Westfälischer Friede, 1977, S. 208 f. Carter, Ambassador, 1966, S. 274. Reinhar d, Staatsgewalt, 1999, S. 372. Anderson, Rise, 1993, S. 5, 42.

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des 17. Jahrhunderts fest »qu’il n’y a point de plus illustre marque de la Souveraineté que le Droit d’envoyer & de recevoir des Ambassadeurs«.113 Der Botschafter bringt das Bündnis-, Friedens- und Kriegsrecht zum Ausdruck, seine Entsendung oder vielmehr sein Empfang durch anerkannte Souveräne ist zugleich Voraussetzung und Ausweis der Staatlichkeit. Er repräsentiert den Souverän persönlich und mit diesem den Staat – und nicht etwa sein Heimatland; die Ehren, die ihm erwiesen werden, sind diejenigen, die seinem König zustehen, die Gespräche, die er führt, sind gleichsam Dialoge zwischen gekrönten Häuptern, wobei das abwesende durch ein Portrait an der Wand vergegenwärtigt werden kann.114 Schon diese Vorstellung eines direkten Abbilds des Herrschers macht deutlich, dass eine Republik im diplomatischen Zeremoniell einen schweren Stand hat: Streng genommen kann nur ein Monarch Botschafter entsenden.115 Dazu kommt, dass auch der persönliche Status des Botschafters der Würde seines Souveräns angemessen sein muss; so haben sich auch Freistaaten in dieser Hinsicht an den Vorgaben des hohen Adels zu orientieren und die würdevollsten Gesandten zu entsenden, die sie nur finden können. Einen bürgerlichen Botschafter zu entsenden, ist für Louis XIV undenkbar, und die hohen Repräsentationskosten sind selbst für viele Adlige nicht aufzubringen. In Westfalen stellt Frankreich zwar noch die einzige Delegation, die nur aus Adligen besteht, doch sie gibt den Tarif an.116 Frankreich pflegt das diplomatische Zeremoniell auch sonst systematisch als Kampffeld, auf dem parallel zum militärischen Krieg der internationale Status des Landes bewiesen, ja erhöht werden kann. Regelmäßig liegen sich im 17. Jahrhundert Spanien und Frankreich wegen Präzedenzfragen in den Haaren, für die es bezeichnenderweise keine klaren Regeln gibt. Rekurriert wird auf das Alter der jeweiligen Monarchie, ihrer Souveränität oder Dynastie oder auf den Zeitpunkt der Christianisierung und die für Papst und Kirche geleisteten Dienste, ebenso auf realpolitische Faktoren wie (absolute) Macht, Ausdehnung oder Zahl und Würde der Vasallen.117 Schließlich droht Louis XIV 1661 einen Krieg zu entfa-

113 Wicquefort, L’ambassadeur, Bd. 1, 1682, S. 12. 114 Dickmann, Westfälischer Friede, 1977, S. 208; T ischer, Diplomatie, 1999, S. 65; Heringa, Eer, 1961, S. 158. 115 So wenigstens Duchhar dt, Balance, 1997, S. 24; etwas weniger kategorisch Anderson, Rise, 1993, S. 12. 116 T ischer, Diplomatie, 1999, S. 73 f. 117 Für eine Systematik dieser Kategorien Stieve, Hoff-Ceremoniel, 1715, S. 9–72.

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chen, nachdem der Streit zwischen Diplomaten beider Länder beim Empfang des schwedischen Botschafters in London mit fünfzig Toten und Verletzten zu Ende gegangen ist.118 Dass Spanien in dieser Situation nachgibt, symbolisiert mehr als ein militärischer Sieg die nunmehr erreichte französische Hegemonie. Auf gesamteuropäischer Ebene symbolisch vorgeführt wird die Rechtsordnung souveräner Staaten mit ihren Kompetenzen und Ansprüchen erstmals bei den westfälischen Friedensverhandlungen, auch wenn die faktische Herausbildung dieses »Systems« einen längeren Prozess darstellt und die Souveränität keine formale Voraussetzung für die Teilnahme etwa der Reichsstände darstellen kann.119 Gleichwohl lassen sich die Negotiationen in Münster und Osnabrück, an denen abgesehen von Russland, der Pforte und dem im Bürgerkrieg gespaltenen England alle Mächte des Kontinents vertreten sind, als Einübung des Völkerrechts verstehen, wie sie die Franzosen als ihre zivilisatorische Aufgabe gegenüber den unbedarften Deutschen verstehen und während des ganzen Kongresses im Streit um Formalia vorführen.120 Es ist kein Zufall, dass die Verhaltensregeln bei Rangstreitigkeiten gleich zu Beginn der französischen Hauptinstruktionen niedergeschrieben sind.121 So eindeutig inzwischen das Prinzip ist, dass nur Souveräne Botschafter entsenden können, so umstritten bleibt jedoch, welche Kriterien den Souverän ausmachen. In Westfalen erstreiten die italienischen und die Kurfürsten schließlich mit Habsburger Unterstützung die Anerkennung ihrer Gesandten als Botschafter, während die übrigen Reichsstände zweitrangig bleiben. Dass solche Differenzen große Bedeutung haben, wird allmählich auch den Deutschen bewusst. So verspricht Ferdinand III. in seiner Wahlkapitulation 1636, die Präzedenz der Kurfürsten vor »außländischen Fürsten« zu wahren; die gleiche Zusage macht 1653 Ferdinand IV., jetzt aber in Bezug auf »ausländische Potentaten, Fürsten und Republiquen«. Die Freistaaten ihrerseits, so der Staatsrechtler Johannes Limnaeus 1660, beanspruchen denselben Rang wie die Kurfürsten, »cum superiorem in terris nullum recognoverant, sed summa potestate, non minus ac Reges, suis in Regnis, fruantur« – »unter dem

118 Anderson, Rise, 1993, S. 63 f.; Roosen, Age, 1976, S. 180–182; Heringa, Eer, 1961, S. 9–13. 119 Duchhar dt, »Westphalian System«, 1999, S. 308 f. 120 Vgl. die aufschlussreiche Äußerung von D’Avaux bei T ischer, Diplomatie, 1999, S. 69. 121 Dickmann, Instruktionen, Bd. 1, 1962, S. 38 f., 64–67.

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Vorwand, als weren sie für gekrönte Häupter«.122 Tatsächlich ist die Königskrone letztlich die entscheidende Hürde, die einige Schwellenmächte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts systematisch zu überwinden suchen, um als souveräne Staaten und damit als vollwertige Völkerrechtssubjekte anerkannt zu werden. Das Beispiel von Savoyen und Preußen zeigt, dass dieser Anspruch erfolgversprechend nur von einem Monarchen außerhalb der Reichsgrenzen verfolgt werden kann. Über ihre Ansprüche auf Zypern haben die Savoyer die Ambition auf eine Königskrone schon 1632 angemeldet, und an einigen Höfen sind sie schon am Ende des 17. Jahrhunderts als de facto Monarchen behandelt worden, bevor Vittorio Amedeo II 1713 in Utrecht endlich den Königstitel von Sizilien erhält und 1720 im Tausch dafür den sardischen.123 Brandenburg erlangt im Ersten Nordischen Krieg die polnische Anerkennung, dass es in Preußen souverän ist. Bereits 1656, im Vertrag von Labiau mit Schweden, hat Friedrich Wilhelm offensichtlich bewusst, da oft wiederholt die Wendung »Princeps summus & Suverenus« als »Fachterminus für Freiheit und Unabhängigkeit eines Fürsten oder Landes« eingesetzt, wobei er möglicherweise durch den niederländischen Sprachgebrauch inspiriert worden ist.124 1700 wird in einer Gründlichen Remonstration der vindizierte Königstitel damit gerechtfertigt, dass es sich bei Preußen um ein »Souveraines von niemand als Gott … dependirendes Hertzogthum« handle, es also niemals – wie ein anderes Gutachten betont – »dem Teutschem Reich weder unterthänig noch mit Lehns-Pflicht verwand gewesen«.125 Die Königskrönung von 1701 muss in Königsberg erfolgen, außerhalb des Reiches, denn der Kurfürst ist nur in Preußen wirklich souverän. Danach wird dieser Status jedoch allmählich für alle »Prowincen und Lender« beansprucht, so im Testament Friedrichs I. 1722.126 Während die weltlichen Kurfürsten, nach Preußen auch Sachsen, durch Umwege außerhalb des Reichs einen Platz unter den Souveränen ergattern können, verschließt sich den größeren Reichsfürsten

122 Limnaeus, Ius publicum, Bd. 4, 1650, S. 125 (ad lib. 1, 12); Bd. 5, 1660, S. 243 (ad lib. 1, 12), vgl. S. 209 f.; dazu auch Scheuner, Staatsformen, 1986, S. 738, mit falschem Zitat. 123 Vgl. zu diesen Bemühungen Or esko, House of Savoy, 1997, zur diplomatischen Aufwertung Roosen, Ceremonial, 1980, S. 463 f. und danach Anderson, Rise, 1993, S. 59 f. 124 Zitiert nach Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 93. 125 Zitiert bei Willoweit, Territorialgewalt, 1975, S. 168, Anm. 186. 126 Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 85–88, 93.

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diese Möglichkeit zusehends. Symbolisch ist in dieser Hinsicht der Friedenskongress von Nimwegen, an dem sich Frankreich 1677 weigert, die Vertreter deutscher Landesherren als Gesandte anzuerkennen. Darauf beauftragt der Herzog von Braunschweig-Lüneburg Leibniz, das Gutachten De Jure Suprematus ac Legationis Principum Germaniae zu verfassen und darin Gleichstellung mit den italienischen Fürsten und den Kurfürsten zu verlangen. Leibniz argumentiert, dass bei den größeren Reichsständen zur inneren, landeshoheitlichen »superioritas territorialis« auch ein außenpolitischer, völkerrechtlicher »Supremat« hinzukomme, namentlich das volle Gesandtschafts- und Bündnisrecht sowie die Fähigkeit, eigenständig Krieg zu führen. Leibniz versucht damit, anstelle eines zufälligen Freiheitsstatus wie etwa bei San Marino eine objektive Machtbasis als Voraussetzung der »Souveraineté« zu etablieren.127 Sein Vorschlag scheitert jedoch am Widerspruch nicht nur von Kaiser und Kurfürsten, sondern auch Frankreichs. Damit wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Souveränität sich nicht aus autonomer Handlungsfähigkeit und Prätention ergibt, sondern aus völkerrechtlicher Konvention. Leibniz definiert »suprematus« in direkter Konfrontation mit dem französischen Wort »souverain«, das er als erster in die deutsche – auf Lateinisch verfasste – Staatsrechtsliteratur einführt, und verwendet es in der populäreren, französisch geschriebenen Präsentation seines Anliegens entsprechend.128 Damit wird das Fremdwort Souveränität anstelle des herkömmlichen, auf das Imperium bezogenen majestas in Deutschland allmählich vertraut, was bald auch die oben zitierten preußischen Formulierungen belegen. Die Souveränität nach Bodinscher Vorgabe wird damit gegen Ende des 17. Jahrhunderts in ganz Europa anerkannt als Nadelöhr der Staatlichkeit, das die welfischen Auftraggeber von Leibniz 1692 schließlich doch durchschlüpfen, indem sie – gegen massiven Widerstand und bezeichnenderweise mit dem reichsrechtlichen Argument des »Herkommens« – als letzter Stand die Kurwürde erlangen. Das ist die unabdingbare Voraussetzung, um schon eine Generation später in Großbritannien sogar eine Königskrone zu ergattern. Die Klärung der Begrifflichkeit führt aber auch dazu, dass im 18. Jahrhundert weder Diplomaten noch Juristen von

127 Leibniz, Jus suprematus, 1963, S. 53–64 (Kap. 10–12); vgl. Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 69, 77–79. 128 Leibniz, Jus suprematus, 1963, S. 56 (Kap. 10), auch ders., Entretien, S. 306, sowie 404 (Raisons des pretensions).

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»Souveränität« sprechen, wenn sie die landesfürstlichen Obrigkeiten im Reich meinen.129 Das Souveränitätskonzept bringt also einerseits eine klare Scheidung in unabhängige und abhängige Staaten mit sich, eine Alternative, der sich im Reich nur die (weltlichen) Kurfürsten entziehen können und wollen. Der Erfolg der Souveränitätslehre lässt auch die Rangstreitigkeiten an Bedeutung verlieren, die grundlegende Gleichheit der Staaten setzt sich durch. So hält der erwähnte Niederländer Abraham de Wicquefort fest, dass allen Staaten unbesehen ihrer äußeren Macht und ihrer inneren Verfassung dieselbe Würde zukomme, »par la seule Souveraineté, qui n’admet point de comparatif«.130 Die in der Souveränität angelegte formale Gleichheit hat sich lange mit der Arroganz von Königen messen müssen, die ihrerseits in gottgewollter, absoluter Souveränität gründet. In diesem Spannungsverhältnis müssen sich in Staatstheorie und diplomatischer Praxis die Republiken behaupten, die in den folgenden Kapiteln untersucht werden.

6. Venedig und die kleinen italienischen Republiken Der »mito di Venezia«, die Stilisierung Venedigs als Idealstaat mit Mischverfassung, hat seine Anfänge im Mittelalter und wird anfangs vor allem in der Historiographie entwickelt.131 Die Anhänger des »mito« verstehen den Dogen als monarchisches Element, den Senat als aristokratisches und den Consiglio maggiore als demokratisches, auch wenn alle Gremien den »gentiluomini« vorbehalten sind. Insbesondere Donato Giannotti schildert zudem die Mechanik von (Los-)Wahlprozeduren als Vorgang, der zugunsten des Gemeinwohls die Parteiinteressen eliminiert; auch die kurzen Amtszeiten und regelmäßige Ämterrotation gelten als Beweise der perfekten Verfassung.132 Den Höhepunkt dieser Deutungen bildet Gasparo Contarini, der in den 1520er Jahren Venedigs Verfassung in konservativer Absicht als zeitlose, perfekte, anonyme Institutionalisierung gesetzlicher Rationalität und bür-

129 Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 79. 130 Wicquefort, L’ambassadeur, 1682, S. 507. 131 Zum »mito« Silvano, Republica, 1993; Crouzet-Pavan, Immagini, 1996; auch Bouwsma, Venice, 1968, S. 63 f. 132 Giannotti, Repubblica, 2, 1850; dazu Pocock, Machiavellian Moment, 1975, S. 272–286, v. a. 284.

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gerlicher Freiheit darstellt.133 Nicht zuletzt dank zahlreichen Übersetzungen Contarinis bleibt die Serenissima im 17. Jahrhundert ein republikanischer Ausnahmefall, auf dessen Exemplarität namentlich die Niederlande und Cromwells England zurückgreifen können, wenn sie ihren freistaatlichen Status erklären und legitimieren wollen, der ihnen eher in den Schoss gefallen ist, als dass sie ihn gesucht hätten.134 Auch in der Interdiktkrise von 1606/07, der Auseinandersetzung mit dem Papst, werden die Schriften des Venezianer Servitenmönchs Paolo Sarpi europaweit rezipiert als exemplarische, neuartige Verteidigung der räumlich begrenzten, aber uneingeschränkten und für den Staatszweck – Freiheit und Sicherheit – unabdingbaren Souveränität eines Gemeinwesens gegen den universalistischen, in Gottes Ordnung begründeten Anspruch der katholischen Kirche.135 Der erste Rechtsstreit, der unter dem Titel der Souveränität ausgetragen wird, ist aber zugleich ein Kampf zwischen monarchischem und freistaatlichem Prinzip. Rückblickend sieht jedenfalls der Duc de Rohan die päpstlichen Prätentionen als Teil einer Strategie, die wie zuvor schon in Genua und Lucca auf Expansion zulasten von Republiken abziele – in der Meinung, diese hätten weniger Macht als Monarchen, weil eine Regierung von »personnes privées« weniger glanzvoll sei.136 Die Venezianer selbst akzeptieren eine solche Degradierung nicht, sondern erinnern daran, dass die Serenissima im diplomatischen Protokoll unmittelbar auf die Könige folgt.137 Darauf weist etwa Antonio Quirino hin, als er erklärt, dass der Staat alle Bürger demselben Gesetz unterwirft und auf ihr Privateigentum zugreifen kann, wenn er ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen garantieren will: »Appare chiarissimo, che la Repub. come Prencipe libero & independente, ha, per natura del suo Principato, auttorità sopra tutti i suoi sudditi indifferentemente.«138 Quirinos Standpunkt ist der eines republikanischen Absolutisten, wie sie das 17. Jahrhundert noch in größerer Zahl hervorbringen wird.

133 Contarini, Magistratus, 1551; vgl. Boccalini, Ragguagli, 1, 1910, S. 81 (1, 25); vgl. auch ibid., 3, S. 138 f. (3, 44) zur nach menschlichem Ermessen ewigen Dauer der »Libertà di Venezia« und S. 147–151 (3, 49) für die Gründe ihrer Präzedenz. 134 Dazu unten, S. 117–120 und 131–134. 135 Sarpi, Interdetto, 1940, S. 115; zum Folgenden Bouwsma, Political Education, 1990, S. 269 f., 274 f.; ders., Venice, 1968, S. 55 f., 80–88, 417–482. 136 Rohan, Intérêt, 1995, S. 200 f.; vgl. 203 zur Beurteilung des Interdikts als Souveränitätskonflikt. 137 Bouwsma, Venice, 1968, S. 431–435. 138 Quirino, Aviso, 1606, S. D3v.

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Ganz ähnlich spricht Sarpi die gleiche Verfügungs- und Konfiskationsgewalt auch über geistliche Güter der Republik zu, wie sie auch einem Fürsten zusteht, kraft der »potestà del principe, che dicono ›maiestá‹ o ›sopranitá‹«. Der (republikanische wie monarchische) Souverän könne die Gesetze nach dem Prinzip »salus populi suprema lex esto« in freier Entscheidung zugunsten des Gemeinwohls interpretieren und gegebenenfalls ändern oder aber über Privilegien widerrufbare Ausnahmen gewähren.139 Entsprechend bestreitet Sarpi auch, dass das fremde römische Recht je in Venedig gültig gewesen sei; vielmehr sei dort stets nach eigenem Gewohnheitsrecht geurteilt worden.140 Ebenso habe die Serenissima die Herrschaft über die Adria selbst erlangt (»dominio … nato con la libertà della Republica … da Dio e da se stessa«) und mit Waffen und Kosten bewahrt, verdanke sie also weder der Verjährung fremder Rechte (»prescrizzione«) noch (päpstlichen oder kaiserlichen) Privilegien. Denn »il fondarsi sopra privilegi sia come fabricar un edificio in suolo alieno«: Wer sich auf Privilegien berufe, sei nie »supremo e assoluto patrone« und habe seinen Besitz nur auf Widerruf.141 Nicht nur in Sarpis Theorien, sondern auch im Zeremoniell bedient sich die Lagunenstadt ähnlicher Mittel wie die absolutistischen Staaten, um ihren sakralen Charakter als Schöpfung Gottes vorzuführen. Dazu gehört, dass die zehnköpfige Signoria als Repräsentantin des politischen Körpers Ewigkeit beansprucht: Beim Tod des Dogen wird sein Palast verschlossen, doch die anderen Mitglieder der Signoria verlassen diesen nicht, und 28 Patrizier halten Tag und Nacht Totenwache beim Verstorbenen. Damit wird ausgedrückt, dass die Signoria weiterlebt, auch wenn der Doge tot ist.142 Die »Dogalisierung« der venezianischen Repräsentation und die damit verbundene Sakralisierung des Dux Venetorum ist ein Prozess, der schon im Verlauf des 16. Jahrhunderts dem Dogen den Schein eines absoluten Herrschers und, wie es später heißen wird, die »forma regis« verliehen hat.143 Die Rücksichtnahme auf die heimischen Eifersüchte und das innere Gleichheitsideal (im Rahmen des Patriziats) zwingt die Venezianer zu einem heiklen Balance-

139 Sarpi, Scritti vari, 1940, S. 53; vgl. S. 126–128. 140 Sarpi, Lettere, 1961, S. 18 (8. Juli 1608, an Jacques Leschassier); Bouwsma, Defense, 1968, S. 56 f., 450–452. 141 Sarpi, Opere, 1969, S. 623–625; vgl. Haitsma Mulier, Myth, 1980, S. 81. 142 Fröschl, Republik, 1981, S. 261–263; ders., Virtues, 1998, S. 257; Finlay, Politics, 1980, S. 121. 143 Cozzi, Venedig, 1986, S. 48–53; zur Dogalisierung Burkart, Stadt, 2000, S. 271–281.

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akt, wenn sie sich gegen außen an dem zusehends versteiften, monarchisierten internationalen Protokoll und an dem höfischen Modell orientieren. So nimmt etwa der Doge beim Empfang von Botschaftern die Mütze ebenso wenig ab wie anderswo ein König.144 Tatsächlich räumt auch Papst Pius IV. der Serenissima »l’honneur de la sale Royale« ein, womit sie gleichrangig neben die gekrönten Häupter gestellt ist.145 Diese Position bleibt allerdings umstritten: 1619 wird Venedig in England hinter die Königreiche gestellt, 1634 in Spanien wieder mit den gleichen Ehren behandelt wie königliche Diplomaten.146 Den Status »tra le corone d’Europa, nella prima sfera de’ principi« beansprucht die Republik unter Berufung auf die Kronen der unterworfenen griechischen Reiche Zypern, Candia (Kreta), Negroponte (Euböa) und zuletzt Morea (Peloponnes), und mit solchen monarchischen Titeln wird auch die Präzedenz vor den bald einflussreicheren Niederlanden beansprucht.147 Noch empfindlicher verteidigt die Serenissima ihre Vorrechte im protokollarischen Umgang mit Monarchien und vor allem mit den aufstrebenden savoyischen Herzögen. In der ersten Fassung der französischen Instruktionen für den Westfälischen Friedenskongress werden 1637 schwierige Präzedenzkonflikte zwischen Savoyen und der Serenissima vorhergesehen: Savoyen habe früher oft den Vorrang erhalten, doch »maintenant que Venize est recogneue teste couronnée, elle prétend avoir la préséance sans difficulté«.148 In Münster ist es dann der französische Bevollmächtigte Claude de Mesmes d’Avaux, der den Venezianer Alvise Contarini trotz dessen Protesten protokollarisch wie einen zweitrangigen Gesandten behandelt und ihn als Abgeordneten einer Republik nicht ebenso weit geleitetet wie den Botschafter einer Monarchie. Dieser Affront ist besonders auffällig, weil Contarini mit dem päpstlichen Legaten zusammen als offizieller Vermittler an den Friedensgesprächen teilnimmt.149 Damit nicht genug, muss er sich auch gegen italienische und deutsche Fürsten behaupten, so gegen den Bischof von Osnabrück als Botschafter des Kurfürstenkollegiums, der eine Kettenreaktion befürchtet,

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Lünig, Theatrum, 1719, 1, S. 364; Fröschl, Republik, 1981, S. 288 f. Vgl. Leibniz, Entretien, 1963, S. 315. Roosen, Ceremonial, 1980, S. 457; Anderson, Rise, 1993, S. 58 f. Cozzi, Venedig, 1986, S. 53–55; Koenigsberger, Republicanism, 1997, S. 57. Dickmann, Instruktionen, Bd. 1, 1962, S. 38, 65; zu Savoyen Cozzi, Venedig, 1986, S. 55. 149 Dickmann, Westfälischer Friede, 1977, S. 208, 211; Koenigsberger, Republicanism, 1997, S. 57; Stiglic, Zeremoniell, 1998, S. 394 f.

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wenn die Serenissima den Vorrang erhält: »Es möchten vielleicht auf dieses Exempel die Genueser, welche das Königreich Corsica im Besitz hätten, eben dergleichen praetendiren, zumahl, da sie nur vor wenig Jahren eine güldene Crone verfertigen, und zu denen Insignien der Republic legen lassen. Die Holländer würden auch nicht unterlassen, dergleichen zu fordern.«150 Solchen Einwänden gegenüber rechtfertigt Contarini den Rang unmittelbar hinter den Kronen mit Venedigs Alter, Macht und Ausdehnung, aber auch mit seiner Freiheit, »ne reconnoissant point de superieur, sinon Dieu seul« – wohingegen die Kurfürsten vom Kaiser abhängig seien.151 Auf die Dauer ist dieser Anspruch jedoch schwer zu halten: 1685 wird der venezianische Botschafter in England vom Brandenburger in einem Präzedenzstreit ausgestochen.152 In derselben Zeit wird der republikanische mito di Venezia das Ziel gehässiger französischer Propaganda-Attacken. Amelot de la Houssaye, unter anderem mit einer ab 1675 oft aufgelegten Histoire du gouvernement de Venise, schildert verachtungsvoll eine verschlafene und korrupte Händleraristokratie, welche die Untertanen tyrannisiert, aber zu echten militärischen Leistungen nicht mehr fähig ist, da der allgegenwärtige merkantile Eigennutz keine Opfer für die Gemeinschaft zulässt. Ebenso schmerzhaft wie bezeichnend und folgenreich ist der Vorwurf, persönliche Freiheit sei gar nicht möglich, wo die Inquisition und ein allmächtiger Consiglio dei Dieci willkürlich herrschten. Was als Freiheit ausgegeben werde, so Alexandre Toussaint Limojon de Saint-Didier 1680 in La Ville et la République de Venise, sei nichts als das maßlose, unanständige und ausschweifende Leben einer schmalen Patrizierschicht.153 Das Negativbild findet sich auch bei Montesquieu: Angesichts der Tyrannis von Institutionen und Konventionen können nicht einmal mehr Venedigs Senatoren ein freibestimmtes Leben führen. In einer für ihn charakteristischen Gegenüberstellung hält er fest, sie seien wohl »politiquement« frei, nicht aber »civilement«. Folgerichtig sieht Montesquieu den Consiglio grande als Versammlung von »tyrans civils« an. Die Serenissima steht für die »républiques d’Italie«, welche mangels Gewaltenteilung despotisch geworden sind: »où ces trois pouvoirs sont réunis, la liberté

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Lünig, Theatrum, 1, 1719, S. 806. Wicquefort, L’ambassadeur, 1682, S. 506, 511 f. Fröschl, Republik, 1981, S. 243. Wootton, Ulysses Bound, 1994; Haitsma Mulier, Myth, 1980, S. 82 f., 209 f. sowie 77–119 zum Squitinio von 1612; vgl. auch die allerdings ungenauen Angaben bei Goulemot, Républicanisme, 1993, S. 42 f.

6. Venedig und die kleinen italienischen Republiken

se trouve moins que dans nos monarchies«. In dieser Einschätzung folgen ihm Thomas Jefferson und die Federalist Papers.154 Zum Inbegriff der despotischen Republik wird im 18. Jahrhundert aber weniger Venedig als Genua, wegen seiner Herrschaft über Korsika. Die Ähnlichkeiten zu Venedig, die auch die Titulatur betreffen,155 sind groß, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Genua in protokollarischen Fragen seit jeher einen viel schwereren Stand hat, weil es sich nicht auf eine ununterbrochene, jahrhundertelange Tradition der Unabhängigkeit berufen kann. Genua ist betroffen, als Papst Urban VIII. 1630 verfügt, dass alle Gesandten – von denjenigen der gekrönten Häupter abgesehen – die Kardinäle fortan als »Exzellenz« ansprechen müssen.156 Ebenso bleiben fremde Gesandte vor dem Dogen sitzen, womit sie zweierlei ausdrücken: Einerseits ist er innenpolitisch nicht der Souverän, und andererseits ist Genua außenpolitisch nicht gleichrangig mit den Kronen.157 Die seit 1637 vertretene Prätention, als »Königin von Korsika« den Kronen gleichgestellt zu sein, erweist sich letztlich ebenso als Chimäre wie der trotzige Überlegenheitsanspruch des Lokalhistorikers Marana: »Essere la repubblica eterna, mortali i principi«.158 Zwei Jahre nach der Veröffentlichung seines Buches bombardiert die französische Flotte 1684 die Hafenstadt und zerstört sie zu einem großen Teil. Nicht genug damit, der Genueser Doge muss sich auch noch vor dem König in Versailles für die angebliche Respektlosigkeit der Republik entschuldigen und wird zusätzlich gedemütigt, indem er – da selbst nicht souverän, sondern befristeter Amtsträger – als Botschafter der Republik und nicht als deren Haupt empfangen wird.159 Nach solchen Erfahrungen beklagt ein Genueser Patrizier

154 Montesquieu, Mes pensées, 1949, S. 1432, 1435; ders., Esprit, 1951, S. 397–399 (11, 6); Jef ferson, State of Virgina, 1972, S. 120 (Query 13); Federalist, 1961, S. 335 (Nr. 48); Rousseau, Contrat Social, S. 453 (4, 4); zum Ausklingen des Mythos in England Venturi, Utopia, 1970, S. 86 f. Vgl. für die zugrundeliegende Differenzierung von negativer und positiver Freiheit am Beispiel von Lucca Hobbes, Leviathan, 1991, S. 149 (2, 21); vgl. ders., Bürger, 1994, S. 181 (10, 8). 155 Vgl. die Anrede in Briefen, etwa im StadtASG 571, S. 157, 189; 572, S. 149, 183, wo »Serenissimo Principi ac … Senatoribus Inclytae ac Potentissimae Reipublicae Genuensis« steht. 156 Bottaro Palumbo, Crisi, 1989, S. 474, Anm. 8. 157 Roosen, Ceremonial, 1980, S. 475; vgl. Wicquefort, L’ambassadeur, 1682, S. 341. 158 So Giovanni Paolo Marana, La congiura di Raffaelo della Torre, Lyon 1682, S. 71, zitiert bei Venturi, Utopia, 1970, S. 41; Heringa, Eer, 1961, S. 14; Fröschl, Republik, 1981, S. 93; vgl. jetzt auch Schnettger, Republik, 2001. 159 Zum Konflikt mit Frankreich Bottaro Palumbo, Crisi, 1989, S. 467–469.

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»come buono Italiano, buon Republichista, et idolatra della Patria«, dass die einstige »neutralità« zwischen dem französischen Hammer und dem spanischen Amboss verloren gegangen sei.160 Weniger brutal, aber ebenso bezeichnend wie später unter Louis XIV ist die Haltung Mazarins gegenüber einer anderen, ephemeren Republik. Zu einer solchen, allerdings mit der kühnen Titulatur einer »Serenissima monarchia repubblicana«, erklärt sich Neapel 1647 nach dem Aufstand Masaniellos gegen die Fremdherrschaft der Spanier, und die Buchstaben SPQN sowie die Inschrift »Libertas« schmücken die Standarte. Frankreich führt zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Krieg gegen Spanien, und Richelieu hat noch 1641 aus Katalonien eine Republik machen wollen, um die habsburgische Macht zu untergraben. Gleichwohl verweigert sein Nachfolger Mazarin Neapel den ersehnten Botschafterstatus, da es sich um eine »republique non encore establie« handle.161 Es hilft auch nichts, wenn die Aufständischen einen französischen Fürsten, nämlich den Guisen Henri de Lorraine, zu Hilfe rufen als »Difensore della sua libertà … conforme il Principe d’Oranges in Olanda«.162 Die Berufung auf den Statthalter zeigt indessen, dass in der Mitte des 17. Jahrhunderts die niederländischen Generalstaaten Venedig als Musterrepublik abgelöst haben, als »modello politico« einer föderativen Republik, die sich von Spanien freigekämpft hat und zu Reichtum gelangt ist.163

7. Die Niederlande Die niederländische Revolte entspringt der Verteidigung der Verfassung im Sinne (ständischer) Freiheits-, Mitsprache- und Widerstandsrechte und wird lange entsprechend legitimiert.164 Als die Stände 1581 160 Zitiert bei Bottaro Palumbo, Crisi, 1989, S. 470 f. 161 Heringa, Eer, 1961, S. 21; für Titulatur und Fahne De Mattei, Idea democratica, 1948, S. 54. 162 Mastellone, Holland, 1983; ders., Repubblicani, 1985, S. 150 f.; Conti, Modello, 1987, S. 145, auch der Anonymus auf S. 162 f.; ders., Modelli, 1998, S. 64 f. 163 Vgl. außer den in der vorangehenden Anmerkung erwähnten Autoren auch Haitsma Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 35. 164 Van Gelder en, Political thought, 1992, S. 161, nennt die »key elements of liberty, privileges, States and eventually popular sovereignty«, später, so S. 286, die grundlegenden Ordnungsvorstellungen: »liberty, constitutional charters, representative institutions and popular sovereignty«. ders., Dutch revolt, 1993, S. xxiii f., 136–139, und ders., Political thought, 1992, S. 144 f., interpretiert die

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im Plakaat van Verlatinge Felipe II abschwören, stellt dies keine Unabhängigkeitserklärung einer Republik dar. Vielmehr wird dies als Auflösung eines Herrschaftsvertrags verstanden, nachdem der König zum Rechtsbrecher degeneriert sei, der sich dem »commander librement et absolument (qui n’est autre chose que tyranniser à son plaisir)« hingebe. Eine echte Republik wird überwiegend als instabil und vergänglich abgelehnt, und auch beim Schweizer Modell, das in den Anfangsjahren der Revolte verschiedentlich diskutiert wird, kommt man zum Schluss, es lasse sich auf die Niederlande nicht anwenden. Im anonymen Dialog Emanuel-Erneste von 1580 wird dies damit begründet, dass die freiheitsliebenden Schweizer noch die »ancienne discipline militaire« pflegten, während die verweichlichten Niederländer den höfischen »délices« anhängen und auch ihr Partikularismus eine »république semblable à celle des Suisses« nicht erlaube.165 Nur ein Discours über die beste forme ende maniere van regieringhe von 1583 empfiehlt, wohl in Anlehnung an Simler, das schweizerische, aus Aristokratie und Demokratie zusammengesetzte »imperium mixtum« für die Niederlande.166 Für die niederländischen Prioritäten dieser Zeit repräsentativer ist allerdings ein anderer Traktat, der ebenfalls 1583 erklärt, dass die Verteidigung von »Religie, Liberteyt ende Privilegien« nicht einen Verfassungswandel voraussetze, sondern im Gegenteil die Bewahrung der herkömmlichen politischen Ordnung, ob sie nun monarchisch, aristokratisch oder demokratisch sei.167 So ist es auch erklärlich, dass die Niederländer weiterhin einen König als Vater und Hüter des Volkes wünschen, wie es die Absetzungsakte ebenfalls formuliert. Konsequenterweise bieten sie ihre Krone – letztlich überall erfolglos – dem Erzherzog Matthias von Habsburg, François d’Anjou, dessen Bruder Henri III, Elizabeth I und dem Earl of »Volkssouveränität« extensiv, wogegen Kossmann, Popular sovereignty, 2000 (urspr. 1981) sie zurückhaltender auslegt und das »system of rights and privileges« (S. 143 f.) als entscheidend ansieht. 165 Generell zum Schweizer Vorbild Van Schelven, Staatsvorm, 1947, besonders S. 750 f. zu Emanuel-Erneste; Van Gelder en, Political thought, 1992, S. 171 f., vgl. auch S. 175 (Waerschowinghe von 1583); Mout, Ideales Muster, 1988, S. 175. Wenn im Vertog ende openinghe (1576) von »Republic or civil policy« gesprochen wird, ist offensichtlich eine Mischverfassung gemeint, vgl. Van Gelder en, Political thought, 1992, S. 134. 166 Van Schelven, Staatsvorm, 1947, S. 747–751, 754; Mout, Ideales Muster, 1988, S. 178 f.; Van Gelder en, Political thought, 1992, S. 187–191; Mörk e, Erfolgsrezept, 1999, S. 51 f. 167 Vgl. den Vriendelick Vertooch, paraphrasiert bei Van Gelder en, Political thought, 1992, S. 178.

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Leicester an. Bezeichnend für die kontraktualistische Grundhaltung gewähren sie François d’Anjou den Titel eines »Verteidigers der Freiheit«, verweigern ihm aber das Adjektiv »souverän« im Titel, wie es der von Bodin persönlich beratene Fürst 1580 verlangt. Im Sinne von »supreme seigneur« oder »opperste heere« könne man ihn gewähren, doch das Wort sei doppeldeutig, und ein Land, das im Einklang mit Gesetzen, Gewohnheiten und Privilegien regiert werde, lasse die zweite Interpretation, nämlich als »puissance absolue«, nicht zu. Gesucht ist also ein militärisch starker, aber innenpolitisch durch eine Mischverfassung gebändigter Führer: »il faut un chef«.168 Diese Konfrontation um den Sitz der Souveränität wiederholt sich unter Leicester und wird dann endgültig entschieden: François Vranck beansprucht 1587 in Corte vertoninghe, dass die Stände als Repräsentanten der Landessouveränität die Regentschaft für einen verhinderten Landesfürsten übernehmen.169 So treten die patrizischen Räte der Stadtgemeinden (vroedschappen) de facto an die Stelle des Königs, und Vranck formuliert auch als erster die Konsequenz: Die Räte herrschen absolut in den Städten, also ohne dass eine andere Gewalt, namentlich der Statthalter, sie dabei beeinträchtigt. Damit ist die – bei Bodin vor allem theoretisch formulierte – Möglichkeit eines nichtmonarchischen Absolutismus erstmals in der politischen Praxis formuliert.170 Unbeabsichtigt wird das von Vranck beschriebene Provisorium zu einem Dauerzustand, das bis zum Ende des Ancien Régime anhält und sich verfassungsrechtlich sehr schwer fassen lässt. Der Titel eines »Souverain et Capitaine Général«, den Willem von Oranien 1580 erhält, bezieht sich eigentlich nur auf die Machtvollkommenheit in militärischen Belangen und in gewisser Hinsicht auf die außenpolitische Repräsentation, während er innenpolitisch auf Bundesebene die Generalstände als Rat und Kontrollorgan neben sich weiß.171 Als souverän sehen manche Zeitgenossen die tatsächlich weitgehend autonomen Städte beziehungsweise die dortigen Oligarchen an, die meisten jedoch die einzelnen Provinzen, die auch offiziell als souverän gelten. Gegen außen vertreten hingegen die Generalstände das Land. Sie empfangen die Botschafter, wobei allerdings Holland und Amsterdam die Wahr-

168 Secr etan, Privilèges, 1990, S. 77–82, 91–98, hier 91; Grif fiths, Humanists, 1970, S. 73–77; Kossmann, Popular sovereignty, 2000, S. 144–146. 169 Van Gelder en, Political thought, 1992, S. 199–207; ders., Dutch revolt, 1993, S. 231. 170 Secr etan, Privilèges, 1990, S. 106–111. 171 Secr etan, Privilèges, 1990, S. 85.

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nehmung im Ausland bis hin zur volkstümlichen Benennung des jungen Staats dominieren.172 Innenpolitisch dauert während des ganzen 17. Jahrhunderts der Streit darüber an, wieweit die Generalstaaten und der Statthalter Souveränitätsrechte beanspruchen können, ob also die Niederlande ein Bundesstaat oder doch nur ein Staatenbund seien. Ein so kompliziertes Staatsgebilde lässt sich historisch leichter erklären als staatsrechtlich. Dies zeigt auch Jean François Le Petit, dessen Nederlantsche Republycke … geconfereert ende vergeleken met die van de Swytersche cantoenen 1615 in Arnheim erscheint. Anders als der Titel verspricht, kann der Autor keinen Verfassungsvergleich vorlegen, sondern beschränkt sich auf eine – für die Niederlande deutlich längere – historische Darstellung. Beide Länder seien dadurch »vrÿe Republÿcke« geworden, dass sie ihre Privilegien verteidigten und das tyrannische Joch der Habsburger abwarfen. In diesem Geist will Le Petits Buch allen »Monachen, Princen ende Potentaten« das Schicksal Herzog Leopolds III. und von Felipe II warnend vor Augen halten. Die Quelle ist Simler, dessen Werk 1613 auf Niederländisch erschienen ist. Auf die Staatsform und das Wesen der »Democratische regeringe« geht Le Petit kaum ein, sein Werk gehört noch durchaus zu den Bemühungen, den Aufstand als Wahrung der »vryheydt« zu rechtfertigen – in diesem Fall durch den Verweis auf den Schweizer Parallelfall.173 Während das Interesse für die Schweiz vergleichsweise früh und vorübergehend ist, zudem auf den praktischen föderalistischen Aspekt beschränkt bleibt, erfolgt im 17. Jahrhundert eine intensive und auch theoretisch fundierte Reflexion über Venedig, das die Anhänger sowohl der Oranier als auch der Provinzsouveränität inspiriert und sich auch in der Außenpolitik niederschlägt. Grotius preist 1599 in einer Widmung an den Dogen »mirabilemque utriusque, vestratis nostratisque videlicet Reipublicae similitudinem et quandam quasi SUMPAJEIAN «, die auf Gleichheit (»aequabilitas«) und gegen Tyrannen verteidigte Freiheit beruhe.174 In der Interdiktkrise sagen die Niederlande Venedig denn auch unaufgefordert Hilfe zu, worauf der erste nieder-

172 Vgl. Haitsma Mulier, Controversial republican, 1990, S. 253; Reinhar d, Staatsgewalt, 1999, S. 255; Durand, Républiques, 1973, S. 120 f. 173 Le P etit, Nederlantsche Republycke, 1615, Widmung, S. 387, 422 f., 446–448, 465; dazu kurz auch Van Schelven, Staatsvorm, 1947, S. 753 f. 174 Haitsma Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 55, auch zum Folgenden; vgl. auch T uck, Philosophy, 1993, S. 159, der zu Unrecht meint, die Widmung von Grotius sei in der Forschung nicht zur Kenntnis genommen worden.

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ländische Botschafter an die Adria entsandt wird. Der niederländische Diplomat Cornelis van der Mijle hält in diesem Zusammenhang fest, dass Allianzen unter Republiken fest und dauerhaft seien. So finden die Allianzenpläne von Henri IV nach dessen Tod vor allem in Venedig einige Fortsetzer, die sich nunmehr ohne französischen Rückhalt mit einer philoprotestantischen, »catena« aus »stati liberi« von der Adria an die Nordsee beschäftigen.175 Kurz nach dem 1615 geschlossenen Soldbündnis der Serenissima mit Bern und Zürich treten 1617 erstmals auch niederländische Truppen in deren Dienst, und drei Jahre später schließen Venedig und die Generalstaaten ein offizielles Bündnis, das von freiheitlicher Rhetorik begleitet wird. Der Venezianer Senator Domenico Molino regt Dirck Graswinckels Libertas Veneta von 1634 an, eine Apologie der Serenissima gegen den prospanischen Traktat Squitinio, der ihre uralte Souveränität und Mischverfassung bestritten hat. Die Libertas Veneta verknüpft methodisch wie inhaltlich Sarpis historische Legitimation mit dem erneuerten Naturrecht: Die Venezianer haben sich im Jahr 421 als erste auf den unbesiedelten Inseln im freien Meer niedergelassen und damit Eigentumsrechte erworben.176 Schon 1618 nennt der Statthalter die Serenissima »amata e riverita come il sole della libertà«, und der Botschafter Van Aerssen wird beauftragt, die »forme van hare regieringhe« zu analysieren, um daraus Lehren für die Generalstaaten zu ziehen.177 Bezeichnenderweise verwenden diese nur im Umgang mit anderen Freistaaten und namentlich mit Venedig »Republik« als Selbstbezeichnung, wofür ansonsten »Geunieerde Provincien«, »Vrije Vereenigde Nederlanden« oder schlicht »Staaten« steht.178 Seinerseits sieht der Botschafter Girolamo Trevisan 1620 im Statthalter einen »buon Republichista«, der kraft seiner Autorität wie ein absoluter Fürst herrsche, aber aus Einsicht darauf verzichte, diese Position auch formal zu beanspruchen.179 Auch während des Dreißigjährigen Kriegs verstehen sich die beiden Freistaaten ungeachtet der konfessionellen Differenzen gleichermaßen als »liber-

175 Gmür, Bündnis, 1945, S. 148–151, nach Rott, Henri IV, 1882, S. 63–65. 176 Haitsma Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 77–119. 177 Haitsma Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 57–60, 75 f.; De Jonge, Nederland, 1852, S. 52–236, 406–411, 415–419; das Zitat des Statthalters bei Conti, Consociatio civitatum, 1997, S. 209; vgl. auch Conti, Modello, 1987, S. 156–162 für weitere diplomatische Quellen. 178 Kossmann, Freedom, 1991, S. 288; ders., Political thought, 2000, S. 20 f. 179 Relazioni Veneziane, 1909, S. 137, zitiert bei Conti, Modello, 1987, S. 160.

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tatis amica et propugnatrix«.180 An ihrem Beispiel oder, etwa beim Reichspublizisten Christoph Besold, ganz allgemein wird dargelegt, dass Könige und Magnaten der »populi libertas« und den »liberae civitates«, besonders wenn sie reich sind, immer feindlich gesinnt blieben.181 Die Staatsform wird damit auch bei den aristotelischen Theoretikern der Reichsverfassung zusehends ein Kriterium, das für außenpolitische Allianzen wichtig, ja zentral ist. Dass man sich die Ähnlichkeit der Verfassungen bewusst macht, findet seinen Ausdruck auch darin, dass die Niederländer ihren Platz im diplomatischen Zeremoniell nach dem Vorbild von Venedig und unmittelbar hinter ihm zu erkämpfen suchen, da auch sie erkannt haben, dass das höfische Protokoll gleichsam die völkerrechtliche Anerkennung der Souveränität impliziert. Bis 1609 können die Generalstaaten nur zweitrangige Gesandte abordnen; einer wird von James I 1604 zurückgewiesen, als er den Rang eines Botschafters beansprucht. Nach dem Waffenstillstand mit Spanien gewähren Henri IV, die Serenissima und England den Titel »ambassadeur« als Ausdruck der Souveränität, wogegen sich Spanien heftig verwahrt. Venedig dagegen behandelt die Niederlande als gleichrangig und gibt der neuen Republik die Präzedenz vor den Kurfürsten und Herzögen. Frankreich hält es ebenso, und Besold konstatiert 1625, der Vorrang vor den Kurfürsten werde damit begründet, dass der Freie dem Untertanen vorangehe (»praetextu omnimodae suae libertatis«).182 Umstritten bleibt der königliche Rang, den die Niederländer ähnlich wie Venedig als »republiek koninkrijken bezittende« beanspruchen, wobei sie die Überseebesitzungen als Königreiche ausgeben.183 Gleichwohl werden die Generalstaaten 1619 am Geburtstag von James I als Republik ebenso wie Venedig mit dem kaiserlichen Lehensstaat Savoyen gleichgestellt, worauf die Niederländer der Zeremonie fernbleiben.184 Im Ceremoniale von 1639 legen die Vereinten Provinzen ihren Anspruch auf Souveränität, die entsprechenden Ehren und einen Rang unmittelbar hinter Venedig fest, zumal Frankreich mit dem Titel »Al180 So im August 1636 der niederländische Gesandte in Venedig, zitiert bei De Jonge, Nederland, 1852, S. 448. 181 Besold, Dissertatio, 1622, S. 44 (Foederum ius, 4, 15). Bereits Machiavelli, Discorsi, 1997, S. 320–322 (1, 59), sieht Allianzen mit Republiken als sicherer an denn solche mit Fürsten; unter Berufung auf ihn übernimmt auch Milton, Commonplace, 1953, S. 504, diese Ansicht. 182 Besold, Spicilegia, 1625, S. 127–145, Zitat 138 (Praecedentia). 183 Heringa, Eer, 1961, S. 263 f. 184 Anderson, Rise, 1993, S. 58 f.

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tesse« den Statthalter zuungunsten der Stände zur Herzogswürde emporzuheben sucht und damit die niederländische Verfassung als Einzelherrschaft zu interpretieren droht. Auch außenpolitisch macht Frankreich seine monarchischen Präferenzen deutlich, so in Mazarins Hauptinstruktion von 1643 über den niederländischen Präzedenzstreit mit Savoyen: »Maintenant les Estatz Généraux qui voudroient bien imiter les Vénitiens, quoy qu’ils n’ayent pas raison, ne veulent pas céder.«185 Tatsächlich berufen sich die Generalstaaten für den Rang unmittelbar hinter Venedig auf den Präzedenzfall von Henri IV, der ihre Botschafter als »een Souveraine ende maghtige Staet representerende« (»representants un Estat puissant & Souverain«) empfangen habe. Das sei in der Zwischenzeit außer Brauch gekommen, soll aber in Münster wieder so gehalten werden.186 Tatsächlich akzeptieren die Franzosen im Januar 1645 die Gleichstellung der Generalstaaten mit Venedig, »pleinement sans aucune reserve«, und gewähren den Titel »Exzellenz«, die erste Visite und die rechte Hand.187 Auch Spanien, der ehemalige Todfeind, anerkennt die Niederländer im Friedensvertrag vom 30. Januar 1648 im ersten Artikel als »liberos & supremos Ordines, provincias ac terras« (»freye und niemand unterworffene Staten, Provintzien und Länder«), was auf Französisch als »libres et souverains Etats, provinces et pays« wiedergegeben wird.188 Diese Formulierung unter westeuropäischen Vertragspartnern, die Bodins Lehre vollständig rezipiert haben, unterscheidet sich auch vom Exemtionsartikel der Eidgenossenschaft, der dem Reichsrecht verhaftet bleibt.189 Der Vertrag mit Spanien wird gemeinhin als völkerrechtliche Unabhängigkeit gedeutet. Selbst gekrönte Souveräne wissen nun, woran sie sind: Als Zeichen der Gleichrangigkeit entblößt Charles II 1660 sein Haupt beim Empfang durch die Generalstaaten.190

185 Dickmann, Instruktionen, Bd. 1, 1962, S. 65. 186 Wicquefort, Histoire … preuves authentiques, 1, 1719, S. 189 f.; für die niederländische Position auch Stieve, Hoff-Ceremoniel, 1715, S. 372–378. 187 Wicquefort, Histoire … preuves authentiques, 1, 1719, S. 190–195; Heringa, Eer, 1961, S. 327; Anderson, Rise, 1993, S. 60, 65. 188 Der zweisprachige Vertragstext in Dethlefs, Frieden, 1998, S. 76; dazu auch den dortigen Beitrag von Johannes Arndt. Für die französische Formel Jorio, Nexus, 1999, S. 135; vgl. auch Dickmann, Westfälischer Friede, 1977, S. 208 f., 302–304. 189 Zur Exemtion der Schweiz unten, S. 177–179, 188–199. 190 Fröschl, Republik, 1981, S. 284; für Frankreich auch Anderson, Rise, 1993, S. 60; Roosen, Ceremonial, 1980, S. 457.

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Grundsätzliche Vorbehalte gegen diese Stellung finden sich dagegen noch vereinzelt im Reich, obwohl sich die Generalstaaten bereits 1605 in Briefen an den Kaiser als »freien Staat« bezeichnet haben. Anders als Spanien unterlässt es dieser aber 1648, das Verhältnis der Niederlande zum Reich im Friedensvertrag zu klären.191 Auch während der existenziellen Bedrohung im Holländischen Krieg gegen Frankreich wird die Anerkennung als »vryer staet« im Zeremoniell versagt, und kaiserliche Minister argumentieren reichsrechtlich dagegen. Leibniz will noch 1679 die Niederländer in die »teutsche Kriegsverfassung« gegen die Türken einbeziehen. Zwei Jahre zuvor, gegen Ende des Holländischen Krieges, meint er, die niederländischen Städte hielten weiter an den Reichsinsignien auf ihren Münzen fest, weil sie dadurch den Kaiser als Stifter ihrer Privilegien verehrten, aber auch hofften, ein »regressus ad Imperii corpus« bleibe möglich, der ihrer Sicherheit und ihrem Handel nur nützen könne.192 Allerdings ist der Reichsadler auf den niederländischen Münzen nie zu sehen. Vermutlich verwechselt Leibniz ihn mit dem Doppeladler im Wappen von Nimwegen, wie er unmittelbar zuvor, bei Abschluss des Friedens von 1678, tatsächlich auf dem Revers einer Gedenkmedaille zu sehen gewesen ist.193 Die niederländischen Freiheiten werden nicht vom Reich hergeleitet, sondern – so von Grotius in seinem 1610 veröffentlichten De antiquitate Reipublicae Batavicae – vom batavischen Unabhängigkeitskampf gegen die Römer. Damit ist die Erhebung gegen Spanien nicht eine illegitime Rebellion, sondern die Rückkehr zur ursprünglichen Freiheit. Unter der »aurea libertas« verstehen die Niederländer die Befreiung von der landesfremden Tyrannis und insbesondere von der Versklavung in Glaubensdingen, ohne dass – bis weit ins 17. Jahrhundert – eine republikanische Verfassung als zwingende Konsequenz daraus betrachtet würde. Bezeichnend ist Graswinckels Definition der »Libertas«, die nichts ist als der in einer Republik gebräuchliche Name für das, was in der Monarchie »Majestas« heißt: die durch keine höhere Gewalt eingeschränkte, kollektive Freiheit, eigene Gesetze zu erlassen – also die Souveränität, die unabhängig von der Verfassungsform besteht.194 Selten finden sich republikanische Prinzipien wie in den Bedenkinge (1618) des Amsterdamer Bürgermeisters Cornelis Pieterszoon

191 Gabel, Niederlande, 1999, S. 34 f. 192 Leibniz, Gedancken, 1963, S. 579; ders., Jus suprematus, 1963, S. 136 (Kap. 32); Gabel, Niederlande, 1999, S. 27, 34 f. 193 Explication historique, 1736, S. 98 f., Nr. 172. 194 Haitsma Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 102.

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Hooft: Eine Oligarchie der Reichsten und Besten habe der Monarchie voraus, dass sie ungeachtet der geforderten Ämterrotation unsterblich ist, das Volk im Sinne der Identitätsrepräsentation vertritt und dank der Vielzahl der Herrschenden verhindert, dass das Privatinteresse eines Einzelnen oder dessen Korruptibilität obsiegt.195 Solche Äußerungen bleiben »opinie meer dan doctrine, these meer dan redenering«, keine kohärente Theorie, sondern pragmatisches Stückwerk, das konventionell mit Tradition und Herkommen und insgesamt (gemäßigt) monarchisch argumentiert.196 Zudem scheint sich nach der Hinrichtung Oldenbarnevelts 1618 eine klar fürstliche Lösung unter den Oraniern abzuzeichnen, wie sie auch die calvinistische Orthodoxie der siegreichen Gomoraner anstrebt. Eine eigentliche politische Theorie, der es um die Begründung und Rechtfertigung einer republikanischen Verfassung zu tun ist und diese als einzige wahre Garantin der verschiedenen herkömmlichen Freiheiten ansieht, entwikkelt sich erst mit dem vorübergehend erfolgreichen, innenpolitischen Kampf der Regentenrepublikaner um De Witt gegen die oranischen Statthalter und namentlich gegen das dynastische Prinzip. Diese Theorien erfüllen damit eine konkrete Aufgabe in der Tagespolitik, beanspruchen aber Allgemeingültigkeit, auch außerhalb der Generalstaaten. Entscheidende Anregungen verdanken sie der Rezeption von Hobbes, die zuerst 1651 bei Lambert van Velthuysen erfolgt. Die Anhänger Johan de Witts greifen das neue Paradigma von Selbsterhalt, Naturzustand und Gesellschaftsvertrag begierig auf, um damit die angemaßte Zuständigkeit der reformierten Kirche in innenpolitischen Fragen ebenso zu bekämpfen wie diejenige der Statthalterpartei in außenpolitischen.197 Soeben hat mit dem Tode Willems II. die statthalterlose Zeit begonnen, die Ware Vrijheid unter den städtischen »Regenten195 Secr etan, Privilèges, 1990, S. 137; Haitsma Mulier, Language, 1987, S. 182. 196 Kossmann, Politieke theorie, 1960, S. 10, 30–37; ders., Dutch republicanism, 1985, S. 486; ähnlich Haitsma Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 62–64; ders., Controversial republican, 1990, S. 253, 263; ihnen folgt zuletzt Visentin, Assolutismo, 1998, S. 71. Mout, Ideales Muster, 1988, S. 170 f. relativiert Kossmann ein wenig, insofern sie von einer uneinheitlichen, wenig originellen und vor allem pragmatischen, aber doch von einer politischen Theorie während des Aufstands spricht. Von einer expliziten »Dutch republican ideology« bereits im 16. Jahrhundert spricht dagegen Van Gelder en, Political thought, 1992, S. 144–163, 209–212, 278–281, sowie oben, Anm. 164. Van Gelderen setzt sich dabei mit Kossmann, Popular sovereignty, 2000, auseinander, der in Political thought, 2000, S. 20, dagegen festhält, dass das Aufkommen republikanischer Ideen während der Revolte »was short-lived and had no lasting effect«. 197 Secr etan, Hobbes, 1987; dies., Privilèges, 1990, S. 160.

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republikanern«.198 Der holländische Großpensionär Jacob Cats ruft dazu auf, die Republik auch als offizielle Staatsform zu wählen, wie dies die weisesten Völker getan hätten: Juden, Römer, Athener, Spartaner einst und nun Venezianer, Schweizer sowie Genuesen.199 1650 verkündet ein Faithful Advertisement to all Good Patriots of Holland, dass Gott nach dem Zeugnis der Schrift die Republiken der Monarchie vorziehe und »that the true, and perfect sovereignty is in the Republic, which never dies«.200 Auch der Nachfolger von Cats als Großpensionär, Johan de Witt, geht davon aus, dass die Staatsform Gemeinsamkeiten erzeugt, womit er die bereits vertraute Kategorie des »Interesses« mit dem Naturzustand kombiniert, in dem sich laut Hobbes die verschiedenen Leviathane untereinander befinden. Der verfassungsrechtlichen Nähe bewusst ist man sich, so De Witt, ganz besonders in den konsistenten und ihre Bedürfnisse rational abwägenden Republiken, wo die Gefahr kleiner sei als bei den launischen und uneingeschränkten Monarchen, dass ein einzelnes Privatinteresse (des Herrschenden) das wahre Interesse des Staates überwiege.201 Diese Rationalität zeigt sich auch in De Witts Reaktion auf einen Vorschlag, den Willem Boreel, der niederländische Gesandte in Paris, am 21. Dezember 1663 ins Spiel bringt: »une Ligue défensive entre les trois plus puissantes Républiques de la Chrêtienté« – ein republikanisches Bündnis der Vereinigten Provinzen mit der Serenissima und der Eidgenossenschaft. Gemeinsam könnten die Republiken – so Boreel – sich jeder expansionistischen Macht entgegenstellen und das Gleichgewicht in Europa aufrechterhalten. De Witt hält dagegen, dass die Entfernung und »la diférence de leurs intérêts« eine gemeinsame Politik unwahrscheinlich mache.202 De Witts Argumentieren mit dem staatlichen »Interesse« zeigt, wie der Duc de Rohan in den Republiken Schule gemacht hat. Wicquefort wird 1682 von der traditionellen Nähe Venedigs zu den Generalstaaten sprechen, die begründet liege im »interest commun qu’ils ont l’un & l’autre de s’opposer à celle de ces deux grandes puissances, qui pourroit opprimer l’autre, & establir une Monarchie Universelle en la Chre198 Zum Denken der »Regentenrepublikaner« auch Schilling, Republikanismus, 1984. 199 Die von Aitzema überlieferte Rede zitiert Haitsma Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 121. 200 Zitiert bei Pincus, Protestantism, 1996, S. 16, 23. 201 Boogman, Johan de Witt, 1975, S. 488–492. 202 Witt, Lettres, 1725, S. 581–584, 601–606; vgl. dazu auch Boogman, Johan de Witt, 1975, S. 490 f.

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tienté«.203 Aufgenommen hat die Lehre vom »Interesse« zuerst der Tacitist M. Z. Boxhorn, ein Professor in Leiden, doch am ausgeprägtesten findet sie sich in den verschiedenen Büchern der Gebrüder De la Court.204 1660 legt Pieter de la Court auf der Basis von Vorarbeiten seines verstorbenen Bruders Johan Consideratien en exempelen van Staat vor, deren Erkenntnisziel sich im Untertitel verrät: de Fundamenten van allerley Regeringe. Erstmals in den Niederlanden betreiben die De la Court – ausgehend von Tacitus, Machiavelli, den Neostoizisten, Boccalini, Descartes und Hobbes – politische Analyse als Wissenschaft, welche die beste Regierungsform und ihre Voraussetzungen erkunden und damit den Missbrauch von Macht verhindern soll. Methodischer Ausgangspunkt ist eine – im Gefolge von Descartes – auf Leidenschaften zurückgeführte, negative Anthropologie, welche Gleichheit der Menschen in ihrer Unzulänglichkeit impliziert. Dagegen haben die herkömmlichen, calvinistisch und humanistisch geprägten Apologeten der niederländischen Republik, etwa Grotius, diese mit der Tugend gerechtfertigt, über die eine aristokratische Elite exklusiv verfüge.205 Obwohl die De la Court den Hobbes’schen Naturzustand übernehmen, muss der Bürger für sie nicht von einem monarchischen Leviathan erlöst werden – denn weshalb sollten Könige weniger schlecht sein, als es alle anderen Menschen sind? Im Gegenteil, das Wesen des Hofes verführt sie zu noch viel größeren Lastern, Fürsten sind durchgängig bösartiger als die übrigen Leute. Daher entspricht der unvollkommenen Natur des Menschen eine Republik mit ungeteilter Souveränität, in der er und Seinesgleichen der von ihnen gemeinsam verfügten, rationalen Ordnung und dem Gesetz unterworfen sind: Sie zügeln die individuellen Leidenschaften und erlauben so wahre Freiheit.206 Freiheit ist damit nicht mehr im ständischen Sinn der Revolte von 1572 als Wahrung von Privilegien, von kollektiven Freiheiten im Plural verstanden, sondern als die individuelle Gewissens- und Bekenntnisfreiheit und die Rechtssicherheit im Frieden, die insbesondere das Eigentum gewährleistet. Und Recht und Unrecht, Gut und Böse entsprechen nicht mehr ewigen, transzendent begründeten (und konfessionell umstrittenen) Normen, sondern sie sind das Resultat volun-

203 Wicquefort, L’ambassadeur, 1, 1682, S. 19 f. 204 Zu ihnen Kossmann, Politieke theorie, 1960, S. 34–59; Haitsma Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 120–169. 205 Kossmann, Development, 1960, S. 100 f. 206 De la Court, Consideratien, 1661, S. 256, 263–267; vgl. dies., Discoursen, 1662, S. 105–110 (5, 4), 145–150 (5, 9).

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taristischer Gesetzgebung eines mehrköpfigen Souveräns, konkret der Generalstände. Er allein entscheidet, ob oder vielmehr: dass diese Gottes Vorgaben entspricht; und er hat die »Souveraine Oppermagt« im Hobbes’schen Sinn auch über die Kirche(n) und die Geistlichen, damit sie keinen konfessionellen Bürgerkrieg säen.207 Die zur Demokratie hin offene Aristokratie wird als beste Verfassung präsentiert, und die Vorteile dieser absoluten Republik finden sich 1661 im Titelbild der Consideratien ausgedrückt: Das friedliche Ius Civile der Räte mit dem Schriftzug »Libertas et Iusticia« wiegt in der von Gottes Hand gehaltenen Waage viel schwerer als das Ius Belli des Königs, das »Servitus« und »Bellum« verheißt.208 Die Hauptaussagen der De la Court spiegeln sich auf einem weiteren Titelbild, nämlich der Aanwysinge von 1669, die zwei Jahre später in Rotterdam mit dem gleichen Frontispiz auch auf Deutsch erscheint als Anweisungen der heilsamen politischen Grunde und Maximen der Republicqen Holland und West-Friesland. »Solae Respub[licae] veram Pacem et Felicitatem experiuntur« steht zuoberst auf dem Stich, und zuunterst sieht man eine Ratsversammlung, die verkündet: »Mortalem Dominum non novimus«. Damit ist – wie schon im erwähnten Advertisement von 1650 – ein entscheidender Vorteil ausgedrückt, den Republiken gegenüber Monarchien haben: Ihre Ratsgremien sind unsterblich, hier ist die Souveränität tatsächlich ewig, ohne dass man deswegen zu einem doppelten Körper Zuflucht nehmen müsste.209 In den Aanwysinge und dem 1662 gedruckten Interest van Holland untersucht Pieter de la Court die Staatsraison der friedliebenden und auf Fischerei, Seefahrt, Manufaktur und Handel bedachten Holländer. De la Court distanziert sich vom oranischen Bellizismus und empfiehlt stattdessen ein defensives Milizheer.210 Der durch wirtschaftliche Tätigkeit erworbene materielle Reichtum ist nicht – wie an einem Hof – Quelle der Korruption, sondern ein Ziel der Vergesellschaftung und zugleich, da breit verteilt, ein Mittel des Ausgleichs. Während freistaatliche Regenten sowohl im eigenen als auch im Volksinteresse Sicherheit und Prosperität durch Frieden anstreben, begreifen die schlecht beratenen Mon-

207 De la Court, Discoursen, 1662, S. 23 (4, 3); Secr etan, Privilèges, 1990, S. 154 f. 208 De la Court, Consideratien, 1661, S. 566 f., vgl. S. 280–292. 209 Israel, Dutch Republic, 1995, Bild 18; vgl. auch De la Court, Consideratien, 1661, S. 266. 210 Haitsma Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 120–169; zum Vergleich mit Machiavelli auch ders., Controversial republican, 1990; ferner Visentin, Assolutismo, 1998, S. 77–82.

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archen ganz generell aus Mangel an Verstand und Wissen ihr »eygen Interesse« kaum, zumal sie »von Natur alle Republicquen hassen« – so suchen sie durch ewige Kriege ihre Macht zu erweitern.211 Deshalb soll eine Republik auch nicht »Alliantzen« mit den großen Monarchien eingehen. Wenn sich ein (Defensiv-)Bündnis nicht vermeiden lasse, dann sei es dienlicher, »eine Alliantz mit einer Republick als mit einem Herrn oder König zu schließen« – dafür spricht »ein gemeines Interesse« der Republiken und ihre Unsterblichkeit, die überstürzte Bündniswechsel eines neuen Herrschers ausschließt. Allerdings ergibt De la Courts Suche nach zu seiner Zeit möglichen Verbündeten wenig Ertrag: Die »Republicquen, die auff Frieden und Kauffmanschafft gegründet sind«, namentlich die Hansestädte, betrachtet er als wirtschaftliche Konkurrenten; die »Teutschen Republicquen« sind schwächer als die Niederlande und von geringem Nutzen; die »Italiänische Republicquen« sind auf dem Land zu weit entfernt und zur See nur am Mittelmeer interessiert.212 Spinoza systematisiert und radikalisiert manche Einsichten der De la Court. Der freien menschlichen Natur entspricht am besten die Demokratie als Verfassungsform, mit Meritokratie, Toleranz, defensivem Milizsystem, gleichem Landbesitz für alle beziehungsweise, in seiner Gegenwart, ausgeglichenem Reichtum dank Handel. Das Resultat ist bei Spinoza wie bei den Brüdern De la Court die Republik mit ungeteilter Souveränität, in der das demokratische Element das oligarchische überwiegt und die Kirche der – toleranten – Regierung unterworfen sein soll. Nicht nur der monarchische, auch der aristokratische Absolutismus wird durch einen demokratischen an Effizienz übertroffen und – gerade beziehungsweise nur – deshalb garantiert die Volksherrschaft auch am ehesten die Freiheit: »Denn eine uneingeschränkte Regierungsgewalt [imperium absolutum], wenn es so etwas überhaupt gibt, besteht tatsächlich dann, wenn die gesamte Menge sie besitzt.«213 Die verschiedenen Traditionen im niederländischen politischen Denken des 17. Jahrhunderts führt Ulric Huber zu einem logischen Ende: als Synthese aus dem humanistischen Aristotelismus, den calvinisti211 De la Court, Anweisungen, 1671, S. 247; vgl. ders., Holländisches Interesse, 1665, S. 206. 212 De la Court, Anweisungen, 1671, S. 224–226; ders., Holländisches Interesse, 1665, S. 179–181. Vgl. auch Haitsma Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 120–169, und Venturi, Utopia, 1970, S. 35–37. 213 Spinoza, Tractatus politicus, 1994, S. 138 (8, 3). Vgl. auch ders., Tractatus theologico-politicus, 1994, S. 248–284 (Cap. 17 f.); Haitsma Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 170–208.

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schen Monarchomachen, aus Descartes und Hobbes, doch zugleich in kritischer Abgrenzung zu all diesen Bewegungen.214 1672 veröffentlicht der in Franeker lehrende Professor, der mit einer Enkelin des Althusius verheiratet und selbst Enkel eines Schweizer Reisläufers ist, De Jure Civitatis libri tres.215 Die Demokratie, worin der »populus universus« herrsche, sei die früheste Staatsform, »qui minime a Naturali [statu] recedat«, weil die Menschen unter dieser Verfassung am nächsten bei der naturgemäßen Freiheit und Gleichheit seien. In dieser ursprünglichen Verstaatlichung unterwirft sich der Einzelne den Mehrheitsentscheiden, behält sich aber Leben und Güter vor – darauf kann weder die Mehrheit noch, in einer anderen Verfassungsform, der Herrschende zugreifen. Dafür bürgen die von Land zu Land verschiedenen »leges fundamentales« als Grundlage eines jeden Herrschaftsvertrags, die aber nichts daran ändern, dass die »summa potestas« stets, auch gegenüber der Kirche, absolut ist und keine »civilis sanctio« kennt, ganz unbesehen der jeweils gültigen »forma regiminis« – in Demokratien ebenso wie in Monarchien.216 Den Mittelweg zwischen willkürlicher Einzelherrschaft und monarchomachischem Bürgerkrieg weise am ehesten eine »aristocratia amplior« von Rittern und Regenten wie in den Niederlanden, »in qua nemo sit ex populo, qui non in tempore & in loco secundum ordinem Legis, Imperantium numero aggregari possit«; dort sei auch die Gefahr am kleinsten, dass die absolute Macht missbraucht wird.217 Während De la Court, Spinoza und Huber die Mischverfassung zugunsten ihrer absoluten Republik verwerfen, hat sie, in der Tradition von Althusius, bei anderen Gegnern der oranischen Statthalter durchaus noch ihre Anhänger.218 Besonders beliebt ist sie jedoch bei den Oraniern selbst, die sich als monarchisches Element in einer aus den drei Verfassungen zusammengesetzten Republik verstehen.219 Nach dem französischen Einfall in die Niederlande und dem blutigen Sturz

214 Kossmann, Development, 1960, S. 110. 215 Zu Leben und Werk Kossmann, Politieke theorie, 1960, S. 83–102; Ve en, Recht, 1976. 216 Huber, Jus civitatis, 1708, S. 33–44 (1, 2, 3–5), 49–53 (1, 2, 7) zur lex regia und Samuel 1, 8; 61–65 (1, 3, 2), 70–83 (1, 3, 4f.), 97 (1, 3, 9) zur praescriptio jurium Majestatis; 246 f. (1, 8, 6) zur Mischverfassung; 301–307 (1, 10, 5f.) 217 Huber, Jus civitatis, 1708, S. 198–200 (1, 8, 1); vgl. 229–239 (1, 8, 1–3) und 209 (1, 10, 7). 218 Vgl. etwa unten, S. 375, zu Raebolt Heerman Schele. 219 Kossmann, Freedom, 1991, S. 291 f.; Rowen, Dutch Republic, 1994, S. 321; Israel, Dutch Republic, 1998, S. 816 f.

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der militärisch erfolglosen Regentenrepublikaner wird Willem III. doch noch Statthalter, was auch als Resultat einer demokratischen Bewegung gegen die oligarchischen Regentenrepublikaner interpretiert werden kann – und nicht als Rückkehr zur monarchischen Variante, wie sie sich 1650 abgezeichnet hat.220 Für die Renaissance des Mischverfassungsgedankens steht insbesondere Petrus Valkeniers Verwerd Europa von 1675, der konsequenterweise Venedig und Genua als Vorbilder ansieht und in den Statthaltern auch eine Ordnungsmacht gegen den Pöbel findet, dessen Gewaltausbruch von 1672 den Oraniern zwar genützt, sie und die übrigen Eliten aber auch erschreckt hat.221 Für das letzte Viertel des Jahrhunderts kann man demnach zwei gegensätzliche Tendenzen im niederländischen Republikanismus festhalten: einerseits das traditionelle, bundesstaatliche und militärischkampfbereite Mischverfassungsideal der Oranier, die sich auf die feudalen Gewalten der partikularistischen Provinzen, die breiten Unter- und Mittelschichten und die einheitliche, intolerante reformierte Landeskirche stützen und eine kontinentale Politik betreiben, andererseits die vor allem in der Provinz Holland gepflegte Vorstellung eines absolutistischen Räteregiments in staatenbündischem Rahmen, das die frühkapitalistischen, auf Übersee gerichteten Handelsinteressen der friedliebenden und wohlhabenden Städtebürger sowie deren tendenziell laizistischen Toleranzvorstellungen vertritt.222 Während sich die innenpolitischen Optionen für den besseren Garanten der bürgerlichen Freiheiten unterscheiden, proklamiert der oranisch-calvinistische Republikanismus eines Valkenier die radikale Freiheitsrhetorik gegen die (französische) Monarchie kaum zurückhaltender als die De la Court und ihre Epigonen. So finden sich die verschiedenen Faktionen und Denkschulen in der Außenpolitik zusehends geeint hinter Willem III., der die treibende Kraft in den europäischen Koalitionen gegen Louis XIV wird und ab der Mitte der 1680er Jahre eine dezidierte Toleranzpolitik betreibt.223 Der wirtschaftliche Reichtum, der militärische Behauptungswille und die kulturelle Blüte haben im Gouden Eeuw dazu geführt, dass die 220 Dazu Geyl, Tendenties, 1971. 221 Zu Valkenier unten, S. 356–365. 222 Saint-Simon unterscheidet 1713 zwischen den kriegsbereiten Anhängern der Oranier und den friedlichen »républicains«, vgl. Saint-Simon, Journal, 14, 1858, S. 352 (26. Februar 1713). 223 Israel, Dutch Republic, 1998, S. 857, 861; zur Polemik gegen die von Louis XIV angestrebte »Universalmonarchie« Bosbach, Monarchia universalis, 1988, v. a. S. 117–121.

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Niederlande gleichsam als Erben Venedigs all jene republikanischen Vorzüge personifizieren, für welche Rom und die Serenissima früher gerühmt worden sind. Der Mailänder Konvertit Gregorio Leti, der die letzten Lebensjahre in Amsterdam verbringt, ist einer ihrer wichtigsten Herolde. Er definiert Republik als Verfassung, wo »ciascuno de’ Cittadini può haver parte nel Governo«; idealerweise liege sie zwischen den aristokratischen und demokratischen Extremen. Venedig dagegen ist, in Letis republikanischer Variante des Antimythos, eine »Signoria assoluta fino all’eccesso«, wo das Volk in derselben Sklaverei lebe wie anderswo unter einem Monarchen. Auch die Schweizer Oligarchen mit ihrer unzufriedenen »plebe« kommen schlecht weg.224 Über das Lob des friedlichen Handels (»non vergogna, ma gloria«) und die Kritik am Adelsdünkel gelangt Leti stattdessen zu Urteilsfähigkeit, Geschick und Hingabe der fleißigen, Wort haltenden Holländer und ihrer »virtù più heroica«: Wenn sie nichts Gutes tun können, enthalten sie sich der schlechten Taten. »Amore verso la Patria, Governo libero, Religione, Leggi dolci, Fedeltà verso il Soprano« lauten die anderen Prädikate der Niederländer und vor allem der Amsterdamer, was das Fazit erlaubt: »Diciamo la verità che non vi è stata mai Republica nel Mondo, che habbia meglio dell’Holanda, saputo regolare un Governo … proprio à sodisfare generalmente à tutti, & ad accendere ad ogni qualunque Cittadino anche della feccia del Popolo l’amore verso la patria.«225

8. England Wie die niederländische Republik, so entsteht das kurzlebige englische Commonwealth nicht als Ergebnis zielgerichteter Aktionen und schon gar nicht aufgrund einer wegweisenden republikanischen »Ideologie«. Die spätere Bezeichnung »Interregnum« zeigt, dass es sich eigentlich bloß um eine königlose Episode in einer Monarchie handelt, die durch Spannungen zwischen dem Parlament und der Krone in den Bürgerkrieg geglitten ist. In den 1640er Jahren bieten sich als radikale Alternativen die absolute Monarchie und ein durch parlamentarische Sou-

224 Leti, Raguagli, 1699, 2, S. 119–145, 407 f. 225 Leti, Raguagli, 1699, 2, S. 121; ferner 1, S. 6–15, 105–108 und 2, S. 200, 218–224; 225–378, v. a. 262–265 sowie 380–395 und 411–413 zum Vergleich Holland-Venedig. Zu Letis Hollandbild auch De Mattei, Idea democratica, 1948, S. 42–46.

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veränität zum Amt degradiertes Königtum an, etwas Drittes ist noch nicht vorstellbar. Vor allem in der traditionellen Sprache von »custom, precedent, ancient constitution« werden die Schranken des in der reformiert-puritanischen Tradition als Bund (»covenant«) verstandenen Herrschaftsvertrags gesucht. Im Grunde wird über die Ausgestaltung der »mixed monarchy« gestritten, als welche fatalerweise Charles I selbst erstmals die englische Verfassung mit König, Oberhaus und Commons bezeichnet hat. Selbst Henry Parker, ein Wortführer der parlamentarischen Opposition, bekennt sich 1642 ausdrücklich zur Monarchie, auch wenn ihre Wurzeln (»fountaine and efficient cause«) gemäß der »whole art of Soveraignty« im Volk lägen. Dieses werde vom Parlament als »whole body of the nation« verkörpert, und damit gilt, »that power is but secondary and derivative in Princes«.226 In der widerstandsrechtlichen Logik des Tyrannenmords, wie ihn dann John Milton im Tenure of Kings and Magistrates rechtfertigt, erfolgt im Januar 1649 die Hinrichtung von Charles I, die ihm als ganz konkretem Herrscher gilt, nicht aber der Monarchie als Institution; vielmehr ist der Stuart gar kein Monarch mehr, sondern gemäß der Anklage ein Tyrann, Verräter, Mörder und »offenbarer Feind des gemeinen Besten«.227 Im Vakuum, das sich auftut, weil keine dynastische Alternative zum emigrierten Sohn des Hingerichteten besteht, wird Mitte März 1649 die Monarchie abgeschafft, als »unnecessary, burdensome, and dangerous to the liberty, safety, and public interest of the people«. Ein Republikanismus als Suche nach und Begründung einer Herrschaftsform ohne König kann sich somit erst in den fünfziger Jahren und zuerst nur zaghaft entwickeln, da eine legitime, das heißt dynastische monarchische Nachfolgeregelung nicht möglich ist und der Status des Lord protector geklärt werden muss. Ist er im ursprünglich niederländischen Sinn ein Statthalter in einer Mischverfassung, soll er – wie 1657 vorgeschlagen – auch die monarchische Würde erhalten oder schließlich, analog zum antiken Diktator, nur vorübergehend als Amtsträger eines souveränen Parlaments wirken? Das Parlament selbst ruft am 19. Mai 1649 das »Commonwealth and Free State« aus; zwei Wochen später erfolgt eine neue Ordnung für die Münzen, welche die Umschrift »La Republique d’Angleterre« tragen sollen; und kurz darauf wird ein neues Siegel entworfen und die Wappen des Königs durch 226 Henry Parker, Observations upon some of his Majesties late Answers and Expresses, in: William Haller (Hg.), Tracts on Liberty in the Puritan Revolution 1638–1647, New York 1934, S. 208–211; zitiert bei Skinner, Liberty, 1998, S. 1 f. 227 Fröschl, Republik, 1981, S. 190 f.

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ein rotes Kreuz im weißen Feld ersetzt. Unter dem neuen Titel »Commonwealth of England«, den schließlich auch die Münzen tragen, wird der Freistaat Ende 1650 von Spanien und wenig später von Portugal anerkannt.228 Der barocke Titelschwulst der Monarchie wird abgeschafft, entsprechend adressierte Briefe gar nicht geöffnet, und stattdessen das nüchterne »Au parlament d’Angleterre« erbeten, auf Lateinisch »parlamentum reipublicae anglicanae«.229 Um die »Einrichtung einer freien Republik« zu ermöglichen, orientieren sich die Parlamentarier unvermeidlich am Vorbild ähnlicher Staaten. Der Rump begründet 1649 die Abschaffung der Monarchie damit, dass die Generalstaaten »since their change of Government have wonderfully increased in Wealth, Freedom, Trade and Strength«.230 Auch die Blüte Roms habe nach der Vertreibung der Könige begonnen und diejenige Venedigs halte seit 13 Jahrhunderten an; die Schweiz übertreffe ebenfalls die anders verfassten Länder an »Reichthumb, Freyheit, Friede und Glückseligkeit«.231 So liegt es nahe, dass 1651 ein Bündnis mit den Generalstaaten angepeilt wird, eine republikanische Allianz, die – wie der englische Unterhändler Oliver St. John meint – stabil und rational sei, weil sie nicht abhänge »upon the uncertainties of the life, allegieance, change of affections, and private interest of one person«. Im Vorfeld der Verhandlungen wird sogar die Hoffnung ausgedrückt, die beiden Länder könnten »as one commonwealth« existieren, mit denselben Interessen: »the safety and preservation of the true reformed religion, and of the due rights and liberty of the people«.232 Die verbindende Freiheitsrhetorik fruchtet wenig, ja über den offensichtlich gegen die Niederlande gerichteten Navigation Act bricht 1652 gar der erste englisch-niederländische Krieg aus. Als die holländischen Regentenrepublikaner um De Witt die oranische Kriegspartei zähmen und 1654 in Westminster Friede geschlossen wird, wird die gemeinsame Staatsform wieder betont: Auf einer Medaille aus diesem Anlass

228 Fröschl, Republik, 1981, S. 191 f.; für die lateinischen Titulaturen vgl. Lünig, Literae procerum, 1, 1712, S. 474 (Dez. 1652); S. 757 (Oktober 1657). 229 Ein eidgenössisches Beispiel bei Ischer, Gesandtschaft, 1916, S. 12 f., auch S. 28. 230 A declaration of the Parliament of England, 1649, S. 16, zitiert bei Dunthorne, Netherlands, 1997, S. 127; 143 für weitere ähnliche Belege. 231 Theatrum Europaeum, Bd. 5, Frankfurt 1651, S. 866, zitiert bei Fröschl, Republik, 1981, S. 191. 232 Zur Gesandtschaft Pincus, Protestantism, 1996, S. 11–39, vgl. auch 58–64, 87–94, 138–141; Zitate S. 18, 26 f. Vgl. auch Harangue faite au parlement d’Angleterre, 1652, S. 222, und für den ebenfalls auf einen Staatenbund zielenden niederländischen Vermuyden-Plan Venning, Foreign Policy, 1995, S. 153–161.

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halten Allegorien der beiden Republiken gemeinsam denselben Freiheitshut.233 Auch nach dem Rücktritt Richard Cromwells werden die Niederlande und Venedig zu Vorbildern für die kurzlebige reine Republik von 1659/60 deklariert.234 Entscheidend für die Bewunderung wie auch für die Rivalität und Abneigung gegenüber den Generalstaaten ist nicht die Verfassung, sondern der wirtschaftliche Erfolg, der aber durchaus als Konsequenz der Staatsform betrachtet wird. Gemeinhin bewundern die »commonwealthmen«, die Anhänger der Republik, die Niederlande, aber auch das antike Athen gerade deshalb, weil dort politische Macht und wirtschaftlicher Reichtum, Einsatz für das Gemeinwohl und Verteidigung der »commercial society« zusammenfallen.235 In diesem Sinn erklärt das Parlament am 23. Januar 1660, das englische Volk fördere Seefahrt und Handel, »which in all Monarchies is stinted and restrained«. Im selben Jahr, also kurz vor der Restauration der Stuarts, konstatiert John Milton in seinem Readie & easie way to establish a free commonwealth: »Trade flourishes no where more, then in the free Commonwealths of Italie, Germanie and the Low Countreys«. Ein republikanisches England könne die Generalstaaten aber noch weit übertreffen »by having, not as they (to the retarding and distracting oft times of thir [sic] counsels on urgentest occasions) many Sovranties united in one Commonwealth, but many Commonwealths under one united and entrusted Sovrantie«.236 Entgegen Miltons Hoffnung wird sich der einheitliche, große Territorialstaat bis zur Amerikanischen und Französischen Doppelrevolution aber nur unter monarchischer Führung realisieren lassen. Miltons Freund und Mitstreiter Marchamont Nedham legt 1656 The Excellency of a Free State vor, nach Quentin Skinner die erste »fullscale republican theory of freedom and government«.237 Der Mensch ist von Natur aus und nach Gottes Willen frei und der Herrscher dazu verpflichtet, »security of life and estate, liberty and property« zu gewährleisten. Zentral ist für Nedham, Milton und Harrington und andere das »free government« oder »the Liberties of Nations«, womit gemeint ist, 233 Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 332 f., Nr. 165; Explication historique, 1736, S. 86 f., Nr. 150; in einer anderen Variante halten die beiden Allegorien je eine Lanze mit Freiheitshut. 234 Fröschl, Republik, 1981, S. 194. 235 So gegen Pocock Pincus, Machiavellian Moment, 1998, S. 708, 719 f. 236 Milton, Easie way, 1980, S. 423, 461 f.; für die Prosperität seit dem Aufstand auch ders., Tenure, 1962, S. 227. 237 Skinner, Liberty, 1998, S. 15; vgl. Wor den, Milton and Nedham, 1995, S. 167 f.

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dass der souveräne »body politic« durch Repräsentanten unabhängig (von einem inneren Herrscher ebenso wie von einer äußeren Macht) entscheiden kann.238 Wenn die Monarchisten ein Königreich als sicherer und dauerhafter ansehen, so hält der Dichter dagegen: »a Commonwealth is held immortal; and therin firmest, safest and most above fortune: for the death of a king, causeth ofttimes many dangerous alterations; but the death now and then of a Senator is not felt; the main bodie of them still continuing permanent in greatest and noblest Commonwealths, and as it were eternal«.239 Zu den vornehmsten Republiken gehört nicht nur Holland, sondern weiterhin Venedig, dessen größter Bewunderer James Harrington ist. Zwar nennt er 1659 drei Republiken, die vom Übel seiner Zeit, »the difference of judgment both concerning religion and government«, verschont sind: »Venice, Holland, Switz, are not molested with civil war, strife or sedition, like Germany, France, Spain and England«.240 Doch im Hinblick auf den militärischen Expansionsmus und die »propagation of civil liberty«, wie sie Harrington unter Cromwell wieder zum Leben erwecken will, liefert ihm Venedig das Modell.241 Gegen die Niederlande spricht auch, dass für Harrington die Basis einer Republik nicht der Handel sein darf, sondern die Landwirtschaft – »Agriculture is the bread of the nation.«242 Dies ist eine Prämisse in der Cromwell zugeeigneten Oceana, mit der Harrington 1656 den einzigen konsequent durchgeführten Verfassungsentwurf für eine republikanische Neuordnung des Commenwealth vorlegt. Ausgangspunkt ist die Unterscheidung zwischen der »ancient prudence« der »commonwealthmen« und der »modern prudence« der »royalists«: Erstere erörtert mit Aristoteles und Machiavelli (»the sole retriever of this ancient prudence«)243 die Regierung de jure, auf das Gemeinwohl ausgerichtet und dem »empire of laws and not of men« beruhend; Letzere die von Hobbes begründete Regierung de facto, in der das Privatinteresse eines einzelnen oder von wenigen den Ausschlag geben – »the empire of men and not of laws«. Was Harrington mit »modern prudence« ins Visier fasst, ist im Grunde genommen die Staatsraison und die Lehre von der 238 Milton, Eikonoklastes, 1962, S. 458; vgl. Dzelzainis, Milton’s classical republicanism, 1995, S. 16 f. 239 Milton, Easie way, 1980, S. 436 f., vgl. die erste Fassung S. 370 f.; dazu Bodin, République, 3, 1986, S. 43 (3, 1); vgl. auch unten, S. 325 f. 240 Harrington, Pour Enclouer, 1977, S. 728. 241 Harrington, Oceana, 1992, S. 231. 242 Harrington, Oceana, 1992, S. 197. 243 Harrington, Oceana, 1992, S. 30.

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Souveränität. Diese kann für ihn, anders als bei seinen »modernen« Antagonisten, mehrere Träger haben, und so entwirft Harrington als »popular government … attaining unto perfect equality« eine gewaltenteilige Verfassung mit Magistraten als monarchischem Element und zwei Kammern, einem adligen Senat und einem vom Volk gewählten Repräsentantenhaus (»prerogative tribe«), die beide zusammen den Souverän ausmachen.244 Harrington vergleicht die Souveränität mit Pulver, das zugleich Schutz und Lebensgefahr ist, »being subject to take fire against you as for you«. Wie das Pulver, so müsse man die Souveränität einerseits sammeln, wenn ihre Kraft wirken soll, und gleichzeitig teilen, um nicht in die Luft gejagt zu werden (»blown up«). Mit der gleichen Metaphorik beschreibt Harrington an anderer Stelle die Konflikte, die sich in ganz Europa zwischen Königen einerseits und Ständen beziehungsweise Volk andererseits abspielen: Was geschah im Reich, in Frankreich und Spanien mit den Ständen? – blown up! Und mit den Fürsten in Holland und der Schweiz? – blown up! Wer aber hat das Pulver geliefert? »Your Gothic politicians seem unto me rather to have invented some new ammuniton or gunpowder in their king and parliament (duo fulmina belli), than government.« Die – unhistorisch als »gotisch« bezeichnete, aber korrekt als »modern« erfasste – Souveränitätstheorie ist also die Quelle von »perpetual peevishness and jealousy«, und so hat auch in Oceana – England – das Volk den König in die Luft gejagt, um nicht selbst von ihm in die Luft gejagt zu werden. Gegen diese der Souveränität inhärente Explosivität richtet sich Harringtons Verfassungsentwurf, den er mit einer zweiten Metapher illustriert: Wie Venedigs Senat sind seine legislativen Institutionen trotz personeller Rotation stetig (»perpetual«, »being always changing, is forever the same«) und nicht hin- und hergerissen (»alternate«) wie das gotische Regierungsschiff. Dieses ist nämlich nicht nur Schiff, sondern zugleich auch der von Aeolus losgelassene Sturm demagogischer Lehren (»wind of doctrine«) und kann so weder sicher im Hafen liegen noch forsch zur See fahren. Das Schiff des Commonwealth ist hingegen nichts anderes als die »orders«, die dreißig grundlegenden Verfassungsartikel in Oceana: »They are like a ship; if you be once aboard, you do not carry them but they you.«245 So wird die Sprengkraft der Angst und Neid erzeugenden Souveränität aufgehoben in einer gewaltenteiligen Verfas-

244 Harrington, Oceana, 1992, S. 29, 32 f., 118. 245 Harrington, Oceana, 1992, S. 99 f., 144 f.; vgl. auch Eph. 4, 14.

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sung, die dank Wahlen und Ämterrotation dem destruktiven Eigeninteresse keine Entfaltungsräume mehr lässt. Anders als sich Harrington dies wünscht, erfolgt die Erlösung Englands 1660 aus den Souveränitätsstreitigkeiten und Bürgerkriegen durch die bedingungslose Restauration von Charles II. Unter den beiden letzten Stuarts stehen damit die Nachbarn auf dem Kontinent als Repräsentanten der Verfassungsalternativen da: die absolutistische Monarchie von Louis XIV und die niederländische Republik unter dem Statthalter und Schwiegersohn des späteren James II. Das Urteil über die Generalstaaten wird gleichsam zum innenpolitischen Distinktionsmerkmal zwischen den frankophilen Tories und den Whigs als »lovers of liberty«.246 1671 legt William Temple seine Observations upon the United Provinces of the Netherlands vor, in denen er den Zusammenhang zwischen einer freiheitlichen Politik ohne Willkür und einer kommerziellen Gesellschaft vorführt.247 Charles II stillt dagegen einen persönlichen Hass gegen die im Seehandel florierenden Holländer Regenten in zwei Kriegen 1665–1667 und 1672–1674. De Witt wird als neuer Cromwell gebrandmarkt, seinen Mitbürgern pauschal Illoyalität und »mortal hatred against all kings« vorgeworfen: »The Dutch-man was ever a traitor against their sovereign.«248 Bei diesem antirepublikanischen Kampf ist Louis XIV der natürliche Alliierte und Zahler von Subsidien, wie sie Charles II 1678 erbettelt: »Il faut que Votre Majesté détermine si il lui convient que l’Angleterre soit gouvernée par une république ou par un roi; que les affaires sont réduites à une telle extrémité que si Votre majesté ne prend pas le parti de soutenir la royauté, toute l’autorité passera en d’autres mains et rien ne pourra empêcher que le Parlement ne dispose absolument de la paix, de la guerre et des alliances.«249 Bezeichnenderweise in diesen Jahren tauchen die Neubildungen »republican« und »republicanism« auf, womit vor allem die Tories Antimonarchisten wie Algernon Sidney, aber auch atheistische Freidenker diskreditieren.250 »Republic(k)« und »republical« kommen dage246 Speck, Britain, 1995, S. 176. 247 Vgl. Ottow, Markt, 1996, S. 105–109; zur Meinung, dass die Einwohner von Republiken eher bereit seien, Steuern zu bezahlen, auch Durand, Républiques, 1973, S. 187 f. 248 Pincus, Protestantism, 1996, S. 199–213, 305–309, Zitate auf S. 307 f. 249 Recueil des Instuctions données aux ambassadeurs et ministres de France, 25: Angleterre, Bd. 2, Paris 1929, S. 271; vgl. auch die Anwort des Sonnenkönigs, S. 267; beides zitiert bei Bottaro Palumbo, Crisi, 1989, S. 453 f. 250 Mager, Republikanismus, 1998, S. 245; vgl. auch den Beleg von 1693 für »republicarian« bei Venturi, Utopia, 1970, S. 67, auch 70.

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gen schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts vor, werden aber meistens auf Venedig oder Genf bezogen und nur gelegentlich auf das englische Interregnum. Milton braucht gelegentlich »Republic« synonym für »free Commonwealth«; seine Staatsbriefe erscheinen als Republican-Letters … by command of the late Commonwealth of England aber erst 1682 und in den Niederlanden. Wie auch dieser Titel zeigt, bleibt die gebräuchlichste Bezeichnung in England, gerade während der Cromwell-Ära, das mehrdeutige »Commonwealth«.251 Wer unter Charles II das Stigma »republican« erhält, muss allerdings noch keineswegs ein prinzipienfester Republikaner wie Harrington sein. Das zeigt sich selbst im Werk des 1683 hingerichteten Algernon Sidney, der im 18. Jahrhundert als Märtyrer der Freiheit verehrt werden wird. »Monarchy« heißt für ihn Absolutismus und damit Versklavung, wogegen die Republik mit der naturgegebenen Freiheit des Menschen und seinem Besitz Allgemeinwohl und Gerechtigkeit bewahrt. Doch seine Court Maxims von 1665 stellen dem eigennützigen absoluten »monarch« der Gegenwart den legitimen, um das Gemeinwohl bekümmerten »king« von einst gegenüber.252 Unter Letzterem gab es »ancient virtue and piety«, so insbesondere beim Adel in den »old fashioned monarchies«, der sich aber jetzt »suppressed, effeminated, and corrupted« dem höfischen Leben hingibt.253 Entscheidend ist die Herrschaft des Gesetzes: Erst die Tudors haben sich darüber gestellt, und nun hängt alles vom Zufall ab, nämlich von der Tugend eines dynastischen Erbfolgers. In den Discourses (1681–3, gedruckt 1698), die zu seiner Hinrichtung führen, empfiehlt Sidney stattdessen ein »regular mixed Government«, wo das Parlament die Exekutive kontrolliert und gegen die Kräfte der Korruption eine Herrschaft der Gesetze und der Vernunft garantiert.254 Eine solche Mischverfassung, die einen »king« im alten Sinn einschließen kann und insofern keine Republik zu sein braucht, ist also für Sidney der Gegensatz zur »absolute monarchy«.255 Lockes von 1679 bis 1681 verfasste und später überarbeitete Two Treatises of Government sind – für England – eine gleichsam abschlie251 Vgl. Milton, Easie way, 1980, S. 461; dazu Corns, Milton, 1995, S. 27, Anm. 4. 252 Sidney, Court Maxims, 1996, S. 15, 130: »turning a legitimate monarchy into tyranny«; vgl. S. 193–204 zur Unterscheidung von »lawful«, »regal« und »unlawful«, »despotical« »monarchies«. 253 Sidney, Court Maxims, 1996, S. 66 f. 254 Sidney, Discourses, 1751, S. 153 (2, 20). 255 Vgl. auch das Kapitel mit dem Titel »The best governments of the world have been composed of monarchy, aristocracy, and democracy«, Sidney, Discourses, 1751, S. 130–133 (2, 16).

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ßende Analyse der »great Question« der Menschheitsgeschichte: Wem kommt die politische Macht zu, die stark genug sein muss, um den Bürgerkrieg zu verhindern, und gleichzeitig so sehr unter Kontrolle, dass sie die bürgerlichen Freiheiten duldet, ja ermöglicht?256 Für Locke ist klar, »that Absolute Monarchy … is indeed inconsistent with Civil Society«.257 Gegen dieses Willkürregime leitet Locke die politische Macht der Regierung vom Volk her und teilt sie nicht mehr ständisch, sondern funktional auf: in eine (übergeordnete) legislative, exekutive und föderative. Mit dieser für spätere Leser eher ungewohnten Terminologie sind die drei für Locke wichtigsten Kompetenzen des Souveräns angesprochen: gelegentliche Gesetzgebung, ständiger Gesetzesvollzug im Inneren sowie Wahrung der Gesetzesordnung gegen das Ausland durch Krieg, Frieden und Bündnisse – daher Föderative von »foedus«.258 Lockes von George Lawson inspirierte Trennung von exekutiver und föderativer Gewalt entspricht dem Unterschied zwischen Souveränität gegen innen (»Execution of the Municipal Laws of the Society within its self«) und gegen außen (»security and interest of the publick without [the society]«).259 Mit der Glorious Revolution, dem Triennial Act (der regelmäßigen Einberufung des Parlaments), der Einführung allgemeiner Wahlen um 1700 und des Amts eines Premierministers wenig später etabliert sich in England tatsächlich eine – für die Zeit – gewaltenteilige Verfassung, deren innenpolitische Garantie von Frieden und Freiheitsrechten zusammen mit den außenpolitischen Erfolgen die Nostalgiker des Absolutismus rasch aussterben lässt. Umgekehrt lässt aber diese Entwicklung auch einer genuin republikanischen Theorie keinen Raum mehr, zumal die Erinnerung an die kriegerische Diktatur Cromwells und eines intoleranten Parlaments gegenwärtig bleibt. Der Diplomat George Stepney kann 1700 rückblickend und im Vergleich mit dem (despotischen) Venedig und den (egalitären) Niederlanden sagen, dass ein Freistaat für England ein imaginäres Projekt sei: »le génie des Anglois …

256 Lock e, Treatises, 1997, S. 218 (1, 11, 106). 257 Lock e, Treatises, 1997, S. 326–328 (2, 7, 90–96). 258 Vgl. auch bei Lockes Lehrer P ufendorf, De jure naturae, 1998, S. 667–669 (7, 4, 1–7): »potestas belli & pacis, idemque foederum feriendorum«. 259 Lock e, Treatises, 1997, S. 355 (2, 10, 133). Zu Lawson vgl. die Tabelle bei Pasquino, Sieyès, 1994, S. 112 f. Lawson geht von »Majestas realis« und »Majestas personalis« aus und teilt Letztere danach, ob sie »cum exteris« Außenpolitik betreibt oder »cum suis« die Kirchenordnung regelt oder Gesetze erlässt und ausführt.

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n’est nullement porté aux principes républicains«.260 Eine Idealverfassung wird die englische im 18. Jahrhundert gerade deshalb, weil sie freistaatliche Anliegen auf monarchischem Weg umsetzt. Anthony Keck meint nach der Glorious Revolution, die beste Regierung sei »a republic, or what was the same thing, a king always in check«. Thomas Gordon und John Trenchard bewundern in Cato’s Letters (1720) die Niederlande zwar weiterhin als tugendhaften »Champion of publick Liberty«, doch das Ideal ist nunmehr ihr Heimatland: »Our constitution ist the best republic in the world, with a prince at the head of it.«261

9. Das Reich Die Lösung der politischen Philosophie aus ihrer metaphysischen Verortung und damit ihre eigentliche Begründung als säkulare Wissenschaft lässt dort am längsten auf sich warten, wo die mittelalterliche Vorstellung des Universalreichs die Staatsvorstellung bestimmt: in Deutschland. Verbreitet ist dort auch zu Beginn des 17. Jahrhunderts die auf Daniel 2, 31–45 fußende und von Luther, Melanchthon und Carion mit antikurialer Stoßrichtung bestärkte Vorstellung, das Heilige römische Reich deutscher Nation sei die letzte der vier Universalmonarchien.262 Das zeigt sich in der Quellensammlung des reformierten Thurgauers Melchior Goldast ebenso wie im Tractatus de Regimine Seculari et Ecclesiastico (1618) des hessischen Lutheraners Dietrich Reinking. Dieser sieht den Kaiser als von Gott eingesetzten »universalis Mundi Dominus« und folglich auch als im Reich allein souveränen »fons omnis dignitatis & jurisdictionis«: »inde fit, ut, quaecunque jurisdictio in orbe Romano, qui est summi Principis territorium, existit, ea vel Principis Romani esse, vel ab eo manasse presumatur«.263 In den Friedensverhandlungen von Osnabrück halten die katholischen Deputierten unter bayrischer Führung 1648 ausdrücklich fest, dass »Ihrer Kayserlichen Majestaet an habender Hoheit und Souverainetaet das geringste

260 Zitiert nach dem Briefwechsel von Leibniz mit Sophie von Braunschweig-Lüneburg bei Venturi, Utopia, 1970, S. 65. 261 Zitate bei Speck, Britain, 1995, S. 181; zudem Rowen, Dutch Republic, 1994, S. 338. 262 Dazu Hammerstein, Imperium, 1987. 263 Reinking, Tractatus, 1622, S. 254 (I, 5, 2, § 1 f.).

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nicht praejudiziret noch benommen seyn sollte«.264 Auch nach dem Westfälischen Frieden behält Reinkings Wendung ihre Anhänger; unter anderem auf ihn beruft sich Benedikt Carpzov noch 1657 und unverändert 1667 in seinem prozessrechtlichen Grundlagenwerk, worin er für den sächsischen Kurfürsten bloß den »titulus judicis immediati« beansprucht. Die oberste Jurisdiktion im Territorium beeinträchtige die (personale) Souveränität des Kaisers nicht, qui sine controversia omnium in Imperio superior, & fons est totius jurisdictionis, a quo sine scaturiginis obstructione, aliae omnes derivantur jurisdictiones … ut inde merito solus Imperator immediate Deo acceptam referat potestatem ac jurisdictionem suam … a quo rursus potestas & jurisdictio, sive superioritas pullulat, profluit & promanat … quo intuitu etiam Serenissimus Saxon. Elector jurisdictionem ac potestatem suam Caesareae Majestati acceptam refert, eamque hujus beneficio & sic mediate exercet. Immediatus vocatur nihilo minus judex in provinciis suis respectu Statuum suorum provincialium inferiorumque judicum, per quos tanquam judices ac magistratus mediatos justitiam administrat.265

Auch für einen mächtigen protestantischen Kurfürsten bleibt also der Kaiser die zu Gott unmittelbare Quelle jeder Rechtsprechung, selbst wenn sie der Landesherr de facto eigenmächtig ausüben kann. Die faktisch längst erfolgte Auflösung der Reichseinheit wird gegen Autoren wie Reinking seit Beginn des 17. Jahrhunderts mühsam theoretisch nachvollzogen, wenn etwa Henning Arnisaeus die »wissenschaftliche Vernichtung der Translationslehre« und von Daniels Weltmonarchien durchführt. Hermann Conring ist dann der wohl einflussreichste Autor, der seit der Vorrede zu seiner Tacitus-Ausgabe von 1635 das Reich der Römer und dasjenige der Deutschen als historisch klar getrennte Phänomene darstellt.266 Die Abwendung von der Weltreichelehre ist ein Element bei der Ausbildung des öffentlichen Rechts. Erst ab 1600 wird die umfassende, handlungsorientierte, neuaristotelische Politikwissenschaft herausgelöst aus ihrer Verbindung mit der Jurisprudenz als dem Kern der konkreten, in Gesetzen manifesten obrigkeitlichen Tätigkeit. Gleichzeitig wird im bürgerlichen Recht allmählich das ius publicum neben dem ius privatum als eigenständige, neue Disziplin begriffen; sie sammelt in der 264 Zitiert bei Quint, Souveränitätsbegriff, 1971, S. 60. 265 Carpzov, Processus Iuris, 1667, S. 48 (2, 2, 28–32). 266 Conring, Opera, Bd. 5, 1730, S. 253–317; vgl. Willoweit, Kaiser, 1983; Hammerstein, Imperium, 1987, S. 198; Stolleis, Öffentliches Recht, 1988, S. 232, und Dr eitzel, Protestantischer Aristotelismus, 1970, S. 307–328.

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Form der »Reichspublizistik« viel historisches Material zur Reichsverfassung. Jetzt erst und nur allmählich werden die säkulare Begründung und Verteilung politischer Macht systematisch erörtert, wie sie in Süd- und Westeuropa bereits im 16. Jahrhundert zur Debatte gestanden sind: Souveränität und Staatsraison, Religionsverfassung und Rechtshoheit, Regalien und damit der Fiskus, Bündnis- und Kriegsrecht.267 Das national-germanische ius publicum impliziert eine Hinwendung zum positiven Recht und damit eine Absage an das römische Recht, was die Schwächung des römischrechtlich argumentierenden Kaiserhofs zugunsten der historisch belegten iura superioritatis der Territorialfürsten impliziert. Der entscheidende Impuls ist dabei Bodins Souveränitätslehre, die in der lateinischen Fassung von 1586 rasch rezipiert und diskutiert wird; 1591 folgt ein Nachdruck in Frankfurt und 1592 die deutsche Übersetzung aus Mumpelgart.268 Darin entspricht wie in Bodins lateinischem Text »majestas« (und gelegentlich »imperium«) dem vor 1648 weder verwendeten noch germanisierten Wort »souveraineté«, während »superioritas« für die Landesherrschaft gebraucht wird.269 Für die juristisch Gebildeten, kaum jedoch für weitere Kreise, wird der Franzose zu einer »theoretischen Herausforderung ersten Rangs«.270 Es stellt sich dabei vor allem die Frage, wer souverän ist: der Kaiser oder – wie Bodin meint – die Stände; ist das Reich eine Monarchie oder eine Aristokratie? Reinking tritt wie erwähnt für die uneingeschränkte kaiserliche Souveränität ein, während Philipp Bogislaw von Chemnitz in den 1640er Jahren eine Ständearistokratie (»aristocratia monarchice ex parte administrata«) postuliert. In der Regel versuchen die deutschen Autoren jedoch der Frage die Schärfe zu nehmen, indem sie 267 Zur Aufspaltung des ius civile, wie es im Unterschied zum Mittelalter das römische Recht (Ulpian) durchaus kennt, und zum neuen Fach Stolleis, Öffentliches Recht, 1988, S. 63–76, 133 f., 141–146, 154–211. 268 Vgl. oben, S. 73; Stolleis, Öffentliches Recht, 1988, S. 146–150, 204; Malettk e, Frankreich, 1994, S. 116–124; Schubert, Reichstage, 1966, S. 469; Hok e, Bodins Einfluss, 1973, S. 332; zu Arnisaeus Dr eitzel, Protestantischer Aristotelismus, 1970, etwa S. 428, wo er Bodin neben Aristoteles zum »Klassiker« des Neuaristotelismus erklärt. 269 Willoweit, Territorialgewalt, 1975, S. 138; vgl. S. 155 mit dem Hinweis auf Leibniz, der in De jure suprematus (1678) unter Hinweis auf den Sprachgebrauch im Westfälischen Frieden die bedeutenderen Territorialherrschaften als »souverainités« erfasst. 270 Stolleis, Öffentliches Recht, 1988, S. 185; ähnlich Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 70–76, und, aus französischer Perspektive, Malettk e, Perception, 2001, S. 71–79.

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mit einer Mischverfassung argumentieren (»status mixtus«).271 Entscheidendes Element dieser Deutung wird die Trennung von majestas realis (oder regni, also des unvergänglichen, verfassungsgebenden Staates) und ihr untergeordneter majestas personalis (oder regnantis, des sterblichen Herrschers) beziehungsweise von Besitz und Ausübung der Souveränität272 – was ungefähr der scholastischen, allerdings auf die Rechtsprechung beschränkten Unterscheidung von »habitus jurisdictionis« und »actus/usus jurisdictionis« entspricht.273 Manche deutschen Staatsdenker verstehen ihr Konstrukt als Übernahme von Bodin, indem sie einerseits dessen Vorbehalt der Grundgesetze, welche das Handeln des Herrschers limitieren, in der majestas realis ausgedrückt sehen und sich andererseits auf seine Unterscheidung von Staatsform und Regierungsform beziehen. Letzteres widerspricht allerdings gerade Bodins Anliegen, da er der vom souveränen Herrscher eingesetzten Regierung keine majestas zuspricht und zwei Träger der Souveränität für ihn ebenso unvorstellbar sind wie deren Aufspaltung.274 In diesem Kontext der sich an Bodin reibenden Reichspublizistik ist auch Johannes Althusius zu verstehen, der die Souveränität stets vom »corpus universale« beziehungsweise von der »respublica« ausgehen lässt und deshalb in der älteren Forschung als Vorläufer der modernen Volkssouveränität missverstanden worden ist.275 Es handelt sich jedoch auch hier um eine Theorie, die in Rücksicht auf die Reichsstruktur und 271 Vgl. die ausführliche Erörterung des Problems bei Limnaeus, Ius publicum, Bd. 4, 1666, S. 95–109 (ad 1, 10, 11), außerdem Arumaeus, Discursus, 1616, S. 1–16 (1, Status imperii); 998–1000 (33, 5, Jurisprudentiae publicae Germanicae typus), der für seine Meinung auch auf Paurmeister, Clapmarius und Besold verweist; Besold, Majestas in genere, 1642, S. 177–188 (Status mixtus, 4); Carpzow, Disputatio, 1656, S. 126–129 (Discussio voti septemviralis, 4, 7); zu Limnaeus Riklin, Verfassung, 1994; zur dualistischen Mischverfassung bei Arnisaeus Dr eitzel, Protestantischer Aristotelismus, 1970, S. 285–297, allgemein ders., Absolutismus, 1992, S. 46 f.; zu den Basler juristischen Disputationen Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 251. 272 Stolleis, Öffentliches Recht, 1988, S. 174–186, 204–207, Zitat S. 185; Malettk e, Frankreich, 1994, S. 120; Schubert, Reichstage, 1966, S. 477–513; Hok e, Reichspublizistik, 1999, S. 126–132; zu Carpzov ders., Souveränitätslehre, 1997, S. 324–334. 273 Dazu Mor el, Lex regia, 1996, S. 169, 173. 274 Dazu Hok e, Althusius, 1986, S. 237–244. 275 Gegen die »Parallele zur modernen Volkssouveränität« jetzt Stolleis, Öffentliches Recht, 1988, S. 107, und noch grundsätzlicher Kossmann, Popular sovereignty, 2000, S. 148–152; vgl. auch den erhellenden Vergleich mit Locke auf S. 160–163; außerdem Friedeburg, Wegscheide, 2000, S. 590 f. zu Althusius als Theoretiker der Herrschaftsordnung.

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den Kaiser den scharfen Scheidungen Bodins auszuweichen versucht, obwohl sie mit seinen Begriffen operiert.276 Wo Althusius in den Politica (zuerst 1603, überarbeitete dritte Auflage 1614) die staatliche »majestas« für den »populus universus« beansprucht, da denkt er ausdrücklich nicht an eine Aggregation von Individuen (»non singulos homines«), sondern an eine Föderation von »civitates, provinciae & regiones«, die zusammen ein »corpus unum regni seu rei publicae« ergeben und von denen im Sinn der majestas realis die Hoheitsrechte letztlich ausgehen, aber einem monarchischen oder »polyarchischen« »summus magistratus« gleichsam als majestas personalis zur Verwaltung überlassen werden.277 Die Verfassungsfrage ist für Althusius sekundär, er behandelt die verschiedenen »species« erst am Schluss seines Werks. Es scheint ihm nicht angebracht, wenn andere Autoren zwischen dem »regnum« der Monarchen und der »respublica« der »optimates polyarchae« unterscheiden: Die beiden lateinischen Wörter seien bedeutungsgleich.278 Konsequenterweise schreibt der Emdener Syndikus häufig »consociatio (maior) seu respublica seu regnum«. Wo andere »respublica« im engeren Sinn brauchen, setzt er – damit die Polysemie des Lateinischen vermeidend – »polyarchia«, die er wiederum in Demokratie und Aristokratie aufteilt.279 In der historischen Realität und als Norm sei aber die Mischverfassung die Regel, »mixtio optima«, wobei Althusius nicht nur an Sparta und Venedig denkt, sondern klarstellt, dass Frankreich und das Reich ebenfalls in diese Kategorie fallen, weil die königliche Macht »jure, legibus & recta ratione« und konkret durch Parlament und Räte eingeschränkt sei.280 Althusius bedient sich offensichtlich der Bodinschen Trennung von Souverän und Regierung, will sich aber im Unterschied zum Franzosen keinen Einzelnen als Souverän vorstellen, da eine Person weder ewig noch absolut, sondern stets dem Gesetz unterworfen sei.281 Die ursprüngliche Begründung der Souveränität im ständisch geordneten »Volk« hat die konkrete Folge, dass in der calvinistischen Tradition und 276 Vgl. Hok e, Althusius, 1986, S. 246–251, und Althusius, Politica, 1614, S. 914 f. (38, 73), wo er Bodins Unterscheidung zwischen dem Reich und Frankreich bestreitet. 277 Althusius, Politica, 1614, S. 168 f. (9, 5); 943 (39, 1). 278 Althusius, Politica, 1614, S. 167 (9, 3 f.); vgl. dagegen die krasse Überbewertung der Unterscheidung bei Mastellone, Città, 1993, S. 12 f. 279 Althusius, Politica, 1614, S. 943 (39, 1), 956 (39, 45). 280 Althusius, Politica, 1614, S. 946 (39, 8 f.), 949 (39, 16), vgl. die Liste der Fundamentalgesetze in den Monarchien S. 343–348 (19, 38–46). 281 Althusius, Politica, 1614, S. 176–180 (9, 19–27), 288 (18, 38 f.).

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unter Berufung auf Gottes Gebot (Apg. 5, 29) Widerstand legitim ist, allerdings nur durch die vornehmen Ephoren. Entsprechend dezidiert wehrt der Syndikus sich gegen die Emdener Bürgerschaft, weil sie aus dem »aristocratico imperio … ein vollkommen popularem et democraticum statum machen« wolle, während ihm für Ostfriesland eine »monarchia cum democratia temperata« vorschwebt – also ständische Mitbestimmung.282 Althusius’ Absage an den Absolutismus impliziert demnach keine grundsätzliche Kritik der monarchischen Herrschaft, die – gerade in der gemäßigten Form des Reiches mit den Kurfürsten als »Ephori generales« – ein durchaus legitimes Produkt seines Herrschaftsvertrags ist.283 Ähnlich sieht dies der Tübinger Professor Christoph Besold, der die stabile »mixta Respublica« preist, wo die (persönliche) Freiheit durch die »integritas Legum Justitiaeque« gesichert ist.284 In diese Kategorie gehört das Reich mit den Kurfürsten als Ephoren und den Fundamentalgesetzen, die auch anderswo den mit »regnum legitimum« identifizierten »status mixtus« charakterisieren, so in den Niederlanden, in Schweden, Polen, Ungarn, Böhmen und im Tirol.285 Bei Besold und anderen Reichspublizisten spielen die nichtmonarchischen Verfassungsformen vor allem bei der Analyse der Reichsstädte eine Rolle, denen sie im Allgemeinen die »superioritas territorialis« zusprechen – was Landeshoheit, aber weder »omnimoda libertas« noch Exemtion von kaiserlicher Jurisdiktion bedeute.286 So hält Adam Contzen 1620 fest, er übergehe die Reichsstädte, »quia non sunt absolutae Respublicae, sed partes Romani imperii, et Imperatori parent«.287 In seinem Traktat über die Reichsstädte unterscheidet Philipp Knipschild 1657 die »respublica« im eigentlichen Sinn (»proprie«), »quae

282 Zitate bei Antholz, Althusius, 1988, S. 76, 81–86. 283 Vgl. Scheuner, Staatsformen, 1986, S. 765. 284 Besold, Discursus politici, 1641, S. 191 (Rerumpublicarum comparatio); vgl. ders., Synopse, 2000, S. 119–125 (1, 9). 285 Besold, Majestas in genere, 1642, S. 192 (Status mixtus, 4). 286 Arumaeus, Discursus, 1616, S. 147 (9, 48, De comitiis); Reinking, Tractatus, 1622, S. 230 (I, 4, 20, § 10); 283, 285 (I, 5, 5 § 5 bzw. 20–22), unter Berufung auf Scipione Gentili, De jurisdictione, 3, 22; Limnaeus, Ius publicum, Bd. 3, 1657, 7, 1, 49 f.; vgl. auch Willoweit, Territorialgewalt, 1975, S. 134 f. Paurmeister sieht hingegen keine Territorialherrschaft der Reichsstädte, vgl. Schubert, Reichstage, 1966, S. 523 f. 287 Adam Contzen, Politicorum libri duo, Mainz 1620 (1, 17, § 3); zitiert bei Scheuner, Staatsformen, 1986, S. 746. Ähnlich noch 1793 Julius Friedrich Malblank, vgl. Hafner, Republik, 2001, S. 237 f.

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superiorem non recognoscit«, vom Titel, der »improprie, et largo modo« auf jede »civitas, urbs, municipium« angewendet werden könne, so auf Straßburg, Nürnberg, Augsburg, Ulm, Esslingen, Reutlingen und so weiter. Angesichts der schon zu seinen Zeiten bereits acht Bedeutungen von »respublica«, die Knipschild anführt, scheint ihm die »una & summa postestas«, also die Souveränität, die entscheidende Voraussetzung, um von ihr zu sprechen – unbesehen davon, ob man damit nun konkret eine Monarchie, eine Aristokratie oder eine Demokratie meine, wozu eine »civitas« durch die »jurisdictio, majestas & leges« der »Respublica« beliebig geformt werden könne.288 Solche Zitate zeigen, dass »Respublica« während des ganzen 17. Jahrhunderts vorwiegend in einem allgemeinen Sinn von (souveräner) Staatlichkeit gebraucht wird, wenn etwa mit »totius republicae Germanicae forma« die Reichsverfassung gemeint wird.289 Arnisaeus und in seiner Nachfolge Besold trennen aristotelisch die (Verfassungs-)Form »respublica« scharf von ihrer Materie »civitas« (als Gruppe von Familien) und setzen erstere mit dem aus dem Italienischen stammenden »status« gleich, also mit einer von oben oktroyierten Herrschaftsordnung (»ordo imperandi et parendi«), die eigenes Recht hat (»sui juris«) und keine andere Befehlsgewalt anerkennt; selten brauchen sie daneben auch »respublica in specie sive politia« für den Freistaat.290 In den Reichsstädten findet sich »Respublica« gelegentlich, doch eher selten und unsystematisch auf Inschriften, Medaillen oder Münzen, ohne dass dabei der Gedanke an völkerrechtliche Souveränität aufkommt: so auf Prägungen in Halle (1542), Ulm (1546), Erfurt (1548), Regensburg (1548), Frankfurt (1610), Memmingen (1712) oder Köln (1726), wo sogar LIB [erae] REIPUB [licae] steht. Dass aber damit – wohl mit einer Spitze gegen den Erzbischof und Kurfürsten – nichts anderes gemeint ist als »Civitas libera«, freie (Reichs-)Stadt, be-

288 Knipschild, Tractatus, 1657, S. 8 f.; vgl. Hafner, Republik, 2001, S. 223, und Mager, Genossenschaft, 2004, S. 107 f. 289 So 1611 bei Sebastian Faber, zitiert nach Stolleis, Öffentliches Recht, 1988, S. 149. 290 Arnisaeus, De republica, Frankfurt 1615, 2, 1, 1, 4 und 14; Zitate bei Dr eitzel, Protestantischer Aristotelismus, 1970, S. 187, 264, 266, 344–348, sowie Schr einer, Teilhabe, 1996, S. 57; Besold, Synopse, 2000, S. 36 (Vorerkenntnisse, 48), 86 (1, 4, 7) und 114 (1, 8, 1) über Republik »im eigentlichen Wortsinne« für Demokratie; vgl. auch Roeck, Reichssystem, 1984, S. 22 f., vor allem zu Limnaeus, sowie die Dissertationen in Conring, Opera, Bd. 3, 1730, S. 763–778, vor allem 775, auch Bd. 4, S. 575 (Ratio status, 1651); ferner Stolleis, Öffentliches Recht, 1988, S. 207.

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weist das Kaiserportrait auf der Rückseite.291 Dieses oder ein Reichsadler gehören obligatorisch auch zu den anderen erwähnten Münzen, welche auf diese Weise die römische Tradition der Civitas mit derjenigen des Imperiums zu verbinden wissen.292 Die Verfassung und den Rechtsstatus drückt generell »civitas libera« aus, während »Respublica« eher die Staatlichkeit beziehungsweise Obrigkeit meint.293 Wenn James II vom »Senatus Urbis et Reipublicae Coloniensis« spricht, ist das so ungewöhnlich, dass Johann Jacob Moser dies noch ein halbes Jahrhundert danach vermerkt.294 Wenn eine solche Terminologie eine politische Botschaft impliziert, dann distanziert sich die Stadt nicht von Kaiser und Reich, sondern von Landesfürsten oder vom Erzbischof. Deshalb befiehlt der ostfriesische Graf 1595 den Emdenern, sich »deß Titels Reipublicae hinfuro zuendhalten«,295 und deshalb erscheint 1646 eine Assertio libertatis reip. in Bremen, als es zusammen mit Hamburg die Reichsstadturkunde erhält.296 Während also das lateinische »respublica« die Vorrechte des Kaisers keineswegs beeinträchtigt, ist die deutsche Entsprechung viel heikler, 291 New Müntzbuech (1597), S. 52v, 56v, 57v; Von Roten/Cahn, Münzen, 1992, S. 153, 159, 213; vgl. auch S. 150 für Halle; auch Hafner, Republik, 2001, S. 192. 292 Der humanistische Einfluss und die Parallelisierung mit den römischen »Bürgermeistern« zeigt sich besonders bei Medaillen wie derjenigen von 1525 für den Kölner Erasmianer Johann von Reidt: CONSULIS REIPUBLICE COLONIENSIS FACIEI FORMA ; vgl. Weiler, Kölnische Medaillen, 1, 1970, S. 21. 293 So beginnt eine Apologia senatus imperialis et liberae civitatis Coloniae Agrippinae, Köln 1611, mit dem Satz: »Nos Consules & Senatus Imperialis & liberae Civitatis Coloniensis notum facimus omnibus« und endet mit »quae Reipublicae nostrae sunt inimica, & apud posteritatem propemodum ignominiosa«. Ähnlich zu verstehen ist wohl auch die deutsche Formulierung »Verderb dieser Republic« in: Antwortschreiben Bürgermeisteren und Rhat Kölns an Kaiser, 12. April 1685, Anhang E, ebenso in einem Edikt von 1720 »wohlgeordnete Republick« (HAStK , Edikte, Bd. 4, fo. 102, vom 12. Februar 1720). 294 Johann Jacob Moser, Teutsches Staats-Recht, Buch 3, Kap. 195, § 4 = Teil 43, 1751 (ND 1969), S. 120, erwähnt bei Mager, Respublica, 1988, S. 73; der Brief des englischen Königs vom 30. Oktober 1688 in HAStK , Briefbücher, Eingänge, Bd. 3, fol. 161v. 295 Schilling, Republikanismus, 1988, S. 131. 296 Assertio libertatis reip. Bremensis, Das ist der Kayserl. und deß Heil. Röm. Reichs Freyen Stadt Bremen Ehren-Freyheit- und Standts Rettung wieder eine im Jahr 1642 unterm Titul Fürstl. Ertzbischofl. Bremischen Nachtrabs angemaßte Confutation …, Bremen 1646. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Hamburger Medaille von 1627 auf Hieronimus Voegler REIPUB HAMBURG . PROCONS . SENIOR ; Johann von Werdenhagen, De rebus publicis Hanseaticis, 1641; und die Inschrift von 1665 am Hamburger Spinnhaus (Gefängnis): »Reipublicae hamburgensis«;

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da sie freistaatliche Souveränität implizieren kann.297 Daher gebietet der Reichshofrat 1717, es sei »das ungewohnliche Wort: Republique von denen Reichs-Stätten allenthalben zu unterlassen«.298 Konkret nützt diese Vorschrift wohl vor allem den Bürgern, die sich nicht als Untertanen eines – republikanischen – Magistrats, sondern des Kaisers verstehen wollen; ein ferner Monarch ist ihnen lieber als die nahe Willkür eines absoluten Rates.299 Empört erinnert deshalb der Kaiser 1726 die reichsstädtischen Obrigkeiten daran, dass sie ihre »potestatem commissam« ihm verdanken, nachdem »arrogante Magistratus reichskundigermaßen sich mit denen souverainen Republiquen in die Parallele zu stellen keine Scheu« getragen haben.300 Entsprechend verweigert auch Christian August Beck, ein Lehrer Josephs II., den Reichsstädten den Titel »freie Republik«, weil sie dem Kaiser huldigen.301 So sind volkssprachliche Belege für den offiziellen Titel oder auch nur das Wort »Republik« selten; wo es vor 1750 überhaupt auftaucht, scheint es von der innerstädtischen Opposition gegen den Rat vorgebracht zu werden.302 Im Umgangssprachlichen dürfte zwar der Frankfurter Goethe nicht der einzige sein, der sich als »Republikaner« oder »Bürger einer Republik« bezeichnet, die sich selbst regiere, darin Venedig ähnlich und weit davon entfernt sei, »dem Kaiser anzugehören«.303 Doch der letzte Schultheiß der Mainstadt, von Günderode, hätte ihm bei Gelegenheit

297 Es gibt auch im Deutschen die Verwendung wie im Lateinischen im Sinne von »Staat, Verfassung«, vgl. die Hamburger Kurtze Erzehlung, 1708, S. 62 f.: »… drei regulaire Republiquen und Regimentsformen, nemlich eine Monarchie …, eine Aristocratie …; und eine Democratie«. Vgl. dort S. 14 im engeren Sinn: »In libera republica libera debet esse lingua, In einer freyen Republic muß man freymühtig reden dürffen.« 298 Johann Jacob Moser, Teutsches Staats-Recht, Buch 3, Kap. 118, Sectio 1, 3 4 = Teil 39, Leipzig/Ebersdorff 1749 (ND 1968), S. 282, zitiert nach Mager, Respublica, 1988, S. 74. 299 Vgl. dazu Ar etin, Altes Reich, Bd. 1, 1993, S. 110. 300 Zitiert bei Borst, Verfassung, 1984, S. 531, Anm. 66. 301 Bader, Reichsstadt, 1984, S. 502. 302 Vgl. die Belege aus den oberschwäbischen Reichsstädten bei Hafner, Republik, 2001, S. 168–170, 192 f. Dipper in Conze, Art. Freiheit, 1975, S. 512, spricht zwar von einer »herkömmlichen Erfassung der Freien Reichsstädte« unter der Rubrik »Republik«, doch sein Beleg stammt erst aus der Revolutionszeit. Eher literarisch ist die »Schutzgöttin der Republik Hamburg« von 1712, die Reinck e, Schutzpatrone, 1935, S. 15, erwähnt. Ein frühes Beispiel, wohl als direkte Übersetzung aus dem Lateinischen, ist die Umschrift des ersten Kölner Dukaten von 1634: »REPUBLIK KÖLN «. Hier dürfte die Abgrenzung zum Erzbischof impliziert sein. 303 Goethe, Italienische Reise, 1950, S. 36 (14. September 1786); dazu Fröschl, Republik, 1981, S. 3 und ders., Virtues, 1998, S. 260.

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und juristisch korrekt widersprochen, denn nie sei Frankfurt »eine Republik gewesen …, es war eine kaiserliche Stadt und die Senatoren waren Minister des Kaisers und des Reichshofrates. Die Bürger konnten bloß klagen und hatten nichts zu sagen«.304 Dass es die völkerrechtlichen Implikationen und nicht die öffentlich- oder verfassungsrechtlichen Kategorien sind, welche die terminologischen Schranken setzen, macht Johann Jacob Moser 1749 deutlich: Einige Reichsstädte besitzen zwar ziemlich schöne Gebiete, also daß eine solche Staet in sensu Juris publici Europaei so gut und besser eine Republic als Lucca und S. Marino abgeben könnte; in sensu Juris publici universalis hat es auch den geringsten Anstand nicht, daß alle Reichs-Stätte Republiquen seyen und so genannt werden können; weil aber das Wort: Republique gemeiniglich heut zu Tag von einem Souverainen, nächst auf die gecrönte Häupter kommenden, Staat genommen zu werden pflegt; so ist es prudentiae, daß sich die Reichs-stätte dises Praedicats in Stylo curiali enthalten, wenn sie nicht damit anstoßen wollen.305

Mosers Differenzierung von verschiedenen Rechtssprachen ist ein Indiz dafür, dass die aristotelische oder Bodinsche Verfassungslehre vor der Realität des Reichs letztlich kapituliert. So spricht Pufendorf von einer »civitas composita« als »systema aliquod plurium civitatum«, das er in seiner berühmten Wendung ein »irregulare aliquod corpus et monstro simile« nennt, weil die Souveränität zerrissen ist.306 Gleichwohl ist für Pufendorf das Reich faktisch ein – wenn auch »irregulärer« – Staat oder eben ein »System«, ein politischer Organismus mit innerer Dynamik und Stabilität gegen außen. An die Stelle der Diskussion um den Ort der majestas im 17. tritt damit im 18. Jahrhundert die deskriptive Schilderung, die dem Kaiser ungeachtet seiner faktischen Schwäche einen Ehrenrang in der Christenheit zuerkennt und das Reich den Territorialstaaten überordnet. Nicht gesetztes Recht ist die Basis dieses »defensiven Rechtsverbands«, sondern das »Reichsherkommen«, das zugleich als Beweis für das vornehme Alter und die Staatlichkeit des Reiches angesehen wird. Die politisch-legitimatorischen Dienste des Reichsherkommens analysiert und ironisiert erstmals Johann Jacob Moser, während er es gleichzeitig als Kompilator 304 Zitiert nach Bähme, Freie Reichsstadt, 1993, S. 39. 305 Johann Jacob Moser, Teutsches Staats-Recht, Bd. 39, Leipzig/Ebersdorff 1749, S. 281; zitiert bei Fröschl, Republik, 1981, S. 1; vgl. das Echo in Büschings Erdbeschreibung, zitiert bei Hafner, Republik, 2001, S. 16. 306 P ufendorf, Verfassung, 1994, 6, § 9; dazu und zum Folgenden Roeck, Reichssystem, 1984, S. 26–49, 75–81.

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des Reichsrechts in fast hundert Bänden Teutsches Staatsrecht systematisiert und als Fundament des Imperiums präsentiert. Das hierarchische, auf den Kaiser ausgerichtete Korpus wird von Moser definitiv aus den Kategorien der westeuropäischen Verfassungsdiskussionen herausgelöst: »Teutschland wird auf teutsch regiert und zwar so, dass sich kein Schulwort oder wenige Worte oder die Regierungsart anderer Staaten dazu schicken, unsere Regierungsart begreiflich zu machen.«307 Das Wort »Souverainität« im völkerrechtlichen Sinn beanspruchen können deutsche Fürsten damit nur auf dem Umweg über die preußische, polnische oder englische Krone. Mit Johann Stephan Pütter differenzieren die meisten Autoren des 18. Jahrhunderts klar zwischen der Landeshoheit (»superioritas territorialis«) und der Souveränität (»superioritas«) ausländischer Staaten: »Der wesentliche Unterschied zwischen der höchsten Gewalt einer unabhängigen Macht und der Landeshoheit eines Teutschen Reichsstandes bestehet unstreitig darin, daß sie noch einer höheren Gewalt, wie sie theils vom Kaiser alleine, theils von Kaiser und Reich ausgeübt wird, untergeordnet ist, jene hingegen gar keine menschliche Gewalt über sich erkennet.«308

10. Fazit Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kann Althusius noch – wie der am Anfang dieses Kapitels zitierte Paruta – Frankreich mit Parlament und Krönungseid als Mischverfassung ansehen, ja in offensichtlicher Abgrenzung von Bodin erklären, dass diese in allen Staaten herrsche. Constat enim ex praecedentibus & tota doctrina politica, me nullam speciem magistratus ab illa mixtione immunem statuere. Simplicem & purum statum in politica hac consociatione non agnosco, neque ob naturae humanae imbecillitatem esse potest diuturnus, aut bonus & sociali vitae accomodatus.309

Mit Althusius kann man festhalten, dass um 1600 die Mischverfassung als »respublica« im umfassenden Sinn die Regel ist. Sie wird in akade307 Johann Jacob Moser, Neues Teutsches Staats-Recht, Bd. 1, 1766, S. 550, zitiert in Ar etin, Altes Reich, Bd. 1, 1993, S. 349. 308 Johann Stephan Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürsten-Rechte, Bd. 1, Göttingen 1777, S. 223, zitiert bei Schmidt, Altes Reich, 1999, S. 181 f.; vgl. Willoweit, Territorialgewalt, 1975, S. 168, und die Zitate aus Moser bei Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 80 f. 309 Althusius, Politica, 1614, S. 951 f. (39, 23).

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10. Fazit

mischen Erörterungen anhand der aristotelischen Kategorien analysiert, ohne dass diese – insofern sie alle auf das gute und gerechte Leben in der Gemeinschaft ausgerichtet sind – grundsätzlich miteinander konkurrieren müssten. Je nachdem überwiegt die Monarchie oder Aristokratie, in wenigen Fällen auch die Demokratie, doch überall ist die Obrigkeit durch ständische Mitspracherechte, überlieferte Grundgesetze und kollektive Privilegien in ihrer Herrschaftsausübung eingeschränkt. Wer sich daran nicht hält und eigenmächtig herrscht, also die Gerechtigkeit als Telos der Gemeinschaftsbildung hintanstellt, wird zum Tyrannen und verliert seine Legitimität. Diesen Typus geben die signori der Renaissance ab, aber nicht die ehrwürdigen nordalpinen Monarchen, die im Sinne Machiavellis ein »vivere politico« ermöglichen: Mitwirkung am Regiment durch Rat und Tat. Am Ende des 17. Jahrhunderts sieht die Situation anders aus. Zwar gibt es die Mischverfassung in ihrer herkömmlichen, feudal verzettelten Form weiter dort, wo die Souveränitätsfrage nicht geklärt werden kann, namentlich im Reich und in Polen. Und es gibt sie in einer erneuerten Form dort, wo um die Souveränität gerungen worden ist, in England, wo aber die vertikale Aufteilung der Herrschaftsfunktionen an die Stelle einer horizontal gegliederten Beteiligung der Stände getreten ist. Wie dem Reich die Vergangenheit, so gehört dem englischen Modell die Zukunft: Jenes versteht seine »Mäßigung« noch ständisch als Mitsprache und Ratschlag; dieses hingegen in der rechtsstaatlichen Sicherung von Freiheit, Leben und Eigentum der Bürger. Doch der Gegenwart imponiert am meisten der monarchische Absolutismus französischer Prägung, der eine zuvor unvorstellbare Intensivierung der Staatlichkeit erlaubt, sowohl mit ihren positiven, rechtsstaatlichen wie mit ihren negativen, bellizistischen Aspekten. Erst im Kontrast zur absoluten Einzelherrschaft wird die Republik als Freistaat eine verfassungsrechtliche Kategorie, die Sinn macht, auch wenn ihre Apologeten die Wurzeln in den römischen Dichotomien etwa von Cicero oder Tacitus finden: eine reine oder gemischte Verfassung, die sich durch die freiheitliche Abgrenzung von der Einzelherrschaft definiert. Die sechs aristotelischen Verfassungen werden in dieser Logik bei Machiavelli, der von der sittlichen Qualität der Obrigkeit abstrahiert, auf den rein numerischen Gegensatz von »repubblica« und »principato« reduziert. In dieser Tradition unterscheidet der Jansenist Jean Domat 1697 in seinem Droit public nur noch die Monarchie, »où la souveraineté réside en un seul«, und die Republik »où la souveraineté réside en plusieurs personnes«. Davon bildeten Aristokratie, Demokratie und Oligarchie Untergruppen, die alle das Prinzip der 149

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Wahl gemeinsam hätten.310 Diese an sich neutralen Kategorien lassen sich nun wieder normativ aufladen: In den Augen des rationalen, absoluten und gerechten Einzelherrschers wird die Republik zur Willkürherrschaft eifersüchtiger und eigennütziger Hedonisten; und in den Augen der tugendhaften, freiheitsdurstigen Republikaner wird die Monarchie zur schrankenlosen Tyrannis eines durch dynastische Zufälle zur Macht gelangten Fürsten, der unkontrolliert seinen eigenen Interessen nachgehen kann. Trotz manchen Gemeinsamkeiten schließen sich die grundlegenden Prinzipien und Werte gegenseitig aus: hier Einheit, Schutz, Entscheidungskraft, Rechtssicherheit und -gleichheit in einem einheitlichen Untertanenverband; dort dank politischer Teilhabe Freiheit, Gleichheit, Friede und wirtschaftliche Entfaltung. Diese Alternativen werden in Europa erstmals im 17. Jahrhundert einigermaßen klar formuliert, in einer neuen, beiden Parteien gemeinsamen Sprache von Interessen, Leidenschaften und Tugenden. Sie können auch erst im 17. Jahrhundert formuliert werden, denn sie setzen voraus, dass das Konzept der Souveränität formuliert und weithin akzeptiert worden ist – selbst dort, wo es sich, wie im Reich, nicht anwenden lässt. Vor Bodin darf man der Obrigkeit durch Herrschaftsverträge, durch Wahlkapitulationen, Fundamentalgesetze oder das Widerstandsrecht legitime Schranken auferlegen, und insofern ist es im traditionellen politischen Denken sekundär, ob ein einzelner, mehrere oder viele herrschen – entscheidend ist, ob sie diese Schranken beachten oder tyrannisch übertreten. Was herkömmlich eine moralphilosophische Erörterung über die Tugend des oder der Herrscher gewesen ist, wird nun im 17. Jahrhundert eine politiktheoretische über die staatliche Effizienz. Wenn, mit Bodin, akzeptiert wird, dass die Obrigkeit ihre Aufgabe zum Wohl der Allgemeinheit nur befriedigend erfüllen kann, wenn sie durch keine irdische Gewalt eingeschränkt wird, dann stellt sich die Frage dringend, welche dieser nunmehr absoluten Verfassungsformen mehr Vorteile oder weniger Nachteile mit sich bringt: Monarchie oder Republik. Die frühneuzeitliche Antwort ist eindeutig: Die absolute Monarchie ist das Ideal der Theoretiker und das Ziel der Machthaber. Sie setzt die gottgewollte Ordnung um, und ihr gegenüber nimmt sich jede andere Staatsform fast so aus, wie Pufendorf die Anarchie des Naturzustands dem vergesellschafteten Dasein gegenüberstellt: Dort herrschen Leidenschaften, Streit, Furcht, Armut, Hässlichkeit, Einsamkeit, Rohheit,

310 Zitiert bei Durand, Républiques, 1973, S. 9.

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10. Fazit

Unwissen und Zügellosigkeit; hier ist das Reich der Vernunft, Frieden, Sicherheit, Wohlstand, Schönheit, Geselligkeit, Geschmack, Bildung und Wohlwollen.311 Allein für kleine Territorien und namentlich Stadtstaaten ist die Republik denkbar, da sie aktive Partizipation der Herrschenden voraussetzt. Das englische Commonwealth bestätigt diese Regel, weil es im Flächenstaat nicht gelingt, die dynastische Legitimität durch eine Form von Repräsentation zu ersetzen: Statt wenigstens indirekt das Volk oder eine Elite herrscht bloß noch ein Klüngel aus Armee oder Parlament.312 Insofern Ratsgremien weder schnell entscheiden noch einheitlich führen können, wird die Republik nicht nur wegen ihrer beschränkten personellen und materiellen Ressourcen allmählich, aber fast zwangsläufig auf den Status des friedlichen, Handel treibenden, neutralen und von einer mächtigen Monarchie protegierten Kleinstaats beschränkt – ein Zustand, zu dem allein die Föderation zu einem Staatenbund eine gewisse Alternative darstellt. Nur wo auf diesem Weg völkerrechtliche Souveränität erhalten werden kann, überleben Republiken das Ancien Régime: die Eidgenossenschaft und – in zuletzt allerdings monarchischer Form – die Niederlande. Vom peripheren Kuriosum San Marino abgesehen, kann keine der anderen (Stadt-)Republiken ihre durch Kommunebildung und Privilegierung erlangten Autonomierechte über das napoleonische Zeitalter hinaus retten. Unabdingbare, aber nicht hinreichende Voraussetzung dafür ist, dass sie im 17. Jahrhundert ein Völkerrechtssubjekt geworden sind. Dieser Schritt gelingt nur einigen wenigen staatlichen Gebilden am Rande des Reichs: in Italien sowie an den Quellen und der Mündung des Rheins. Bezeichnenderweise erweist sich der Westfälische Friede als die Schwelle oder vielmehr Hürde zur modernen Staatlichkeit, wo denn auch die Niederlande und – bedingt – die Eidgenossenschaft in der Staatenwelt Aufnahme finden. Wer – wie die Katalanen, deutsche Städte und Reichsritterkorporationen – in Münster und Osnabrück zwar noch mitverhandelt, aber nicht als Souverän auftreten kann, dem gehört keine staatliche Zukunft. Dies gilt auch für die Böhmen, die, ähnlich wie noch wenig zuvor die Niederländer, ihre alten Privilegien und Freiheiten verteidigt haben, denen aber der Übergang zum modernen Konzept der Souveränität manu militari verweigert wird. Zu hoch 311 P ufendorf, Pflicht, 1994, S. 144 f. (2, 1, 9). 312 Milton, Easie Way, 1980, S. 449; vgl. 437; auch Aristoteles, Pol., 1327b/1328a (7, 7); Bodin, Répbulique, 1986, S. 7–57 (5, 1); Montesquieu, Esprit, 474–555 (3, 14–18).

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ist die Hürde der Souveränität auch für die langfristigen, landständischen Zusammenschlüsse: die Hanse, aber auch die konfessionellen Bünde Union und Liga. Mit ihnen zusammen sind zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Niederländer und Schweizer in manchen Traktaten als »foedera« behandelt worden. Doch die Zukunft gehört der kurzfristigen, im außenpolitischen Interesse motivierten Allianz, nicht mehr dem unbefristeten, ja ewigen Zusammenschluss zur gemeinsamen Verteidigung partikularer Privilegien: Ist das Charakteristikum der Generalstaaten und der Eidgenossenschaft in der herkömmlichen, reichsrechtlichen Betrachtung das »foedus« innerhalb des universellen Imperiums gewesen, so muss es nun die »souveraineté« in der Staatenwelt sein, was die Niederländer schon seit dem 16. Jahrhundert erkannt und zäh für sich beansprucht haben. Das neue Völkerrecht, die Souveränität als Zugangsberechtigung dazu und das entsprechende Zeremoniell präsentieren sich als Diktat der Monarchien. Der königliche Absolutismus ist die sowohl reale als auch intellektuelle Herausforderung, das dynamischste Element in der Staatenwelt, und seine Sprache ist diejenige Bodins.313 Der König als »imperator in regno suo« liefert das unbestrittene Vorbild der vormodernen Staatlichkeit, und kein Volk gibt sich während des Ancien Régime aus republikanischer Überzeugung eine freistaatliche Verfassung – wie dies ab dem 19. Jahrhundert möglich wird. Republiken sind bis 1776 und 1789 defizitäre Ausnahmeerscheinungen, die sich nur dort bilden und seltener auch halten können, wo der monarchische Normalfall vorübergehend diejenigen Funktionen ungenügend wahrnimmt, für die er prädestiniert scheint: unparteiische Rechtsprechung und Schutz gegen Gewalt. Erst in den Vereinigten Staaten machen radikale Autoren wie Thomas Paine bewusst, dass die Unabhängigkeit beziehungsweise die Gründung eines neuen Staates die unvermeidliche Absage an die Monarchie impliziert.314 Kein Tell, kein Willem von Oranien, kein Cromwell, kein Robespierre denkt dagegen an die Errichtung einer Republik, als er sich anschickt, die »guten, alten Rechte« zu verteidigen.315 Erst als der vormalige Herrscher durch die Dynamik des Aufstands wegfällt, stellt sich früher oder später angesichts der Machtlücke die Frage nach der Verfassung. Nicht eilig haben es diesbezüglich die Schweizer, aber auch die Niederländer, die beide noch lange polyarchische Autonomie mit der prinzipiellen Einbettung 313 Vgl. Koenigsberger, Crisis, 1986, S. 165. 314 Paine, Common Sense, 1995, etwa S. 34. 315 Vgl. auch Nippel, Mischverfassung, 1980, S. 211 f.

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in eine monarchische Ordnung verbinden. Erst das 17. Jahrhundert verlangt von ihnen das Bekenntnis zu souveräner und damit republikanischer Eigenstaatlichkeit, wenn sie der Völkerrechtsordnung angehören wollen, welche den imperialen Universalismus ablöst. Diese Staatenwelt besteht – wie in Rohans Titel – aus »princes et estats« (später präzisiert als »estats souverains«) beziehungsweise in Lockes Worten aus »States and Kingdoms«.316 Die Republik ist in dieser Gegenüberstellung in erster Linie ein nichtmonarchischer Staat als Herrschaftsordnung, und darauf gründet ihr Status als Völkerrechtssubjekt. Während die »respublica« in der älteren Tradition als Mischverfassung verstanden werden kann, ist die »republic«, wie sie sich im 17. Jahrhundert in den verschiedenen Volkssprachen festsetzt und verstanden wird, der absolutistische Freistaat. Sarpi und Quirino deklarieren die Serenissima zum »principe«, der das Gemeinwohl ohne Einschränkung durch die Kirche verfolgen muss. Ebenfalls gegen die – hier allerdings calvinistische – Geistlichkeit bekennen sich auch die niederländischen Republikaner zum Absolutismus. Doch in ihrem Fall kommt ein Problem hinzu, weil im Unterschied zu Venedig nicht klar ist, wo die Souveränität zu verorten ist, selbst wenn man vom monarchischen Element des Statthalters absieht: auf der Ebene der Generalstaaten oder bei den Provinzen oder gar in den Städten? Damit stellt sich die Frage, auf welcher Ebene das moderne, da dezisionistische Mehrheitsprinzip zum Zuge kommt, und wo der »mittelalterliche« Zwang zum Konsens herrscht, der für Entscheidungen Einstimmigkeit verlangt oder die Möglichkeit gewährt, sich von unliebsamen Beschlüssen zu dispensieren – also gleichsam das Privileg und den Partikularismus wieder einführt und damit die absolutistische Effizienz und Einheit wieder unterminiert. Während so in der Praxis die Republik entweder wegen ihrer Kleinheit oder wegen ihrer föderativen Struktur die dynamische Entfaltung der Staatlichkeit behindert, weisen vor allem die Niederländer darauf hin, dass die Aristokratie und erst recht die Demokratie eigentlich dem Ideal des Absolutismus näher kommen als die Monarchie: Was wäre über die sozialen und geistigen Bindungen von Herkommen und Konfession mehr erhaben als eine dauernd tagende Volksversammlung, die sich selbst zu jedem Zeitpunkt neue Gesetze auferlegen kann? Die Republik des 17. Jahrhunderts hat also absolut zu sein, was weniger die Lösung der Herrschenden vom Gesetz meint als ihre Befähi-

316 Vgl. Lock e, Treatises, 1997, S. 299 (2, 5, 45); 418 (2, 19, 230).

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gung, es jederzeit uneingeschränkt und nach Gutdünken abzuändern. Sie erhebt auch keinen Anspruch auf echte »Demokratie« und hegt größte Bedenken, ja Abscheu gegen den besitzlosen, auf Umsturz sinnenden Pöbel – wie dies Aristoteles oder Machiavelli nicht anders getan haben. Die »laboring and servant class«, von Armengenössigen oder Frauen nicht zu reden, sind bei Sidney ebenso selbstverständlich von der Herrschaft ausgeschlossen wie bei Harrington oder Spinoza, und Pieter de la Court macht deutlich, wo die Grenzen der Volksherrschaft liegen: »inter populum et multitudinem differentia permagna est«.317 Im Sinne der Identitätsrepräsentation meint Sidney, in Venedig und Genua gebe es den Dogen, den Senat und den Consiglio grande, »which is the whole city, the rest of the inhabitants being only ›incolae‹, not ›cives‹; and those of other cities or countries are their subjects, and do not participate of the government.«318 Obrigkeit, »civitas« und »Republic« sind also weitgehend synonym und bezeichnen ausschließlich die am Regiment beteiligten Bürger. Die frühneuzeitliche Republik sollte also nicht als herrschaftsfreie oder -arme, »genossenschaftliche« Alternative zur herrschaftlichen Monarchie verstanden werden, aber auch nicht als altständische Gegenposition zum Absolutismus. Letzteres findet sich vielmehr in denjenigen Ländern, die sich als dualistischer Ständestaat, als Mischverfassung, als Wahlmonarchie oder als Staatenbund bezeichnen lassen – also namentlich das Reich und Polen; die Eidgenossenschaft und die Niederlande dagegen nur hinsichtlich der Föderation als Ganzem, nicht aber im Hinblick auf die einzelnen Provinzen oder Kantone. Diese Länder sind – mit Pufendorfs Worten – verfassungsrechtliche »monstra«: faktisch Staaten, doch theoretisch nicht zu fassen. Entsprechend gering ist ihre Attraktion, und so verfolgen alle Fürsten von Portugal über Schweden bis hin zum deutschen Duodezherrscher das französische Modell. In diesem ungleichen Mächtedreieck zwischen absolutistischer Monarchie, absolutistischer Republik und herkömmlicher Mischverfassung verlaufen die innenpolitischen Souveränitätskonflikte des 17. Jahrhunderts mit ihren häufigen außenpolitischen Implikationen und divergierenden Freiheitsvorstellungen: In der abso-

317 Sidney, Discourses, 1751, S. 149 f. (2, 19), 215–223 (2, 28); De la Court, Consideratien, 1661, S. 471–473; Spinoza, Tractatus politicus, 1994, 224 (11, 3); vgl. Robbins, Comments, 1970, S. 153; Haitsma Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 140–142, 146 f., 163 f. 318 Sidney, Discourses, 1751, S. 131 (2, 16); vgl. auch Fröschl, Virtues, 1998, S. 264.

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luten Monarchie ist Freiheit die bürgerliche Entfaltungsmöglichkeit dank äußerer Sicherheit, in der Republik die Partizipation an der Herrschaft, in der herkömmlichen Mischverfassung die Wahrung alter Privilegien und Immunitäten und schließlich, in ihrer erneuerten englischen, gewaltenteiligen Ausformung, der Schutz des Bürgers und seiner Grundrechte nicht nur vor Feinden, sondern auch gegen die eigene Staatsgewalt. Insofern der monarchische Absolutismus nicht nur das dynamische, sondern auch das aggressive Element darstellt und am meisten Ressourcen zu mobilisieren versteht, ergibt sich dabei die Nähe von Republik und – herkömmlicher wie moderner – Mischverfassung, die ja auch die föderalistische Struktur gemeinsam haben können. So entwickelt sich zuerst in Auseinandersetzung mit Spanien, dann aber vor allem mit Frankreich das Feindbild eines aggressiven »militärischen Despotismus« der Kronen, die rücksichtslos ständische oder regionale Freiheiten zerstören und unersättlich auf die Universalherrschaft schielen, ein Feindbild, wie es Anhänger sowohl der Republik als auch der Mischverfassung vertreten.319 Der absolute Monarch ist der gemeinsame Gegner, der sich allein über alle konkurrierenden Gewalten erhoben hat – wobei sich der Republikaner am »allein« stößt, der Theoretiker der Mischverfassung am »über alle konkurrierenden Gewalten«. Beide halten ein Korrektiv gegen die willkürliche Allmacht eines einzelnen Menschen für unabdingbar: der erste durch gleichrangige Mitregenten und die Herrschaft des Gesetzes, der zweite durch ständische Institutionen und alte Rechte. Wer die Mischverfassung verteidigt, träumt konservativ von einstiger – angeblicher – Harmonie in zeitloser Rechtsordnung; wer der Republik anhängt, sieht dagegen im Bodinschen Sinn die Gesetzgebung als Kernkompetenz der Obrigkeit und will, dass diese Gesetze weder von der Willkür eines einzelnen abhängen noch durch Privilegien und Immunitäten entwertet werden. Das ist mit Harringtons »empire of laws and not of men« gemeint, und ähnlich wie er formuliert es fast gleichzeitig De la Court unter Berufung auf Machiavelli: »Le leggi non trovano ma fanno gli uomini buoni«.320 Die Furcht vor einem allzu effizienten Gesetzgeber ist ein Produkt des 17. Jahrhunderts. Für Bodin und seine Landsleute um 1600 ist das 319 So für deutsche »politici« als Anhänger einer Bundesverfassung Dr eitzel, Absolutismus, 1992, S. 58–79. 320 De la Court, Consideratien, 1661, S. 137 und 212; vgl. Machiavelli, Discorsi, 1997, S. 208 (1, 3); Harrington, Oceana, 1992, S. 8, 64.

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Wort »absolu« noch stark eingeschränkt gewesen: Einerseits ist für sie die irdische Geltungskraft göttlicher und fundamentaler Gesetze noch selbstverständlicher gewesen, und andererseits hat der französische König ihrer Zeit eher zuwenig als zuviel Kompetenzen besessen, um seinen Staat zu führen. Das ändert sich rasch, und manches Recht, das Louis XIV als absoluter Herrscher etwa bei der Steuererhebung beansprucht, wäre für die Untertanen von Henri IV noch als ein Beweis reiner Tyrannis betrachtet worden. Genau auf diesem Standpunkt stehen die ausländischen Beobachter des Sonnenkönigs, die eine ähnliche Entwicklung in ihrer Heimat verhindern möchten. Algernon Sidney, dem ein »mixed government« vorschwebt, fasst sein Urteil über die (englische) Monarchie folgendermaßen zusammen: »The inconveniences therefore proceed not from the institution, but from the innovation« – nicht die Monarchie an sich ist das Problem, sondern die modernen Veränderungen, welche die alte Tugend und Gesetzesherrschaft beseitigt haben.321 Auch wenn sie sich in ihren historischen Periodisierungen deutlich unterscheiden, findet sich Harrington mit Sidney bei der Feststellung, dass die verwerfliche »moderne prudence« die »ambition to be absolute princes« gelehrt habe. Während Sidney die ursprüngliche, gemäßigte Monarchie bis zu den Tudors walten sieht, konstruiert Harrington wie erwähnt die Dominanz eines repressiven Feudalismus während eines Jahrtausends, das in ganz Europa in einen »wrestling match« ausläuft.322 In Frankreich und Spanien gewinnt der König diesen Kampf gegen das Volk; in Holland ist es umgekehrt, und ebenso in »Oceana«, nachdem die Tudors das Land zum Nachteil des Hochadels unter die Bevölkerung verteilt haben: Schon die ökonomischen Determinanten verhindern damit »the erection of an absolute monarchy in Oceana«.323 Dagegen argumentieren auch Sidney und De la Court, für die klar ist, dass ein absoluter Einzelherrscher durch die reine Machtvollkommenheit früher oder später zum Tyrannen wird, da niemand unter seinen wehrlosen Untertanen der Willkür Schranken setzen kann; und etwas Schlimmeres als einen Tyrannen gibt es nicht, weil er unaufhörlich gegen innen und gegen außen Krieg führen wird. Umgedreht ist die Hierarchie der schlimmsten Übel in Frankreich, wo François de Cauvigny 1631 erklärt: »La plus forte tyrannie n’a 321 Sidney, Discourses, 1751, S. 130–133 (2, 16); S. 418–420 (3, 37); vgl. auch ders., Court Maxims, 1996, S. 66–70. 322 Harrington, Oceana, 1992, S. 52 f., 144. 323 Harrington, Oceana, 1992, S. 59.

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point tant de mains pour destruire que la moindre guerre civille«.324 Mit dieser Grundüberzeugung ist der katholische, monarchische Absolutismus stetig ausgebaut worden, wogegen in der Außenpolitik ein deutlicher Bruch zu verzeichnen ist. Gegenüber der spanischen »Universalmonarchie« ist zu Anfang des Jahrhunderts das Frankreich des gebürtigen Hugenotten Henri IV die Schutzburg von Protestanten und Republiken gewesen. Am Ende des Jahrhunderts hat England unter dem gebürtigen Niederländer William III diese Rolle übernommen, und diesmal ist die französische »Universalmonarchie« der Gegner.325 Entscheidend für diesen Wandel sind die Umwälzungen der Jahrhundertmitte und die Person von Louis XIV. Zwar hat, wie gezeigt, bereits Mazarin die protokollarische Abgrenzung der Monarchie gegenüber den Republiken intensiviert, aber zu einer (nicht der einzigen) Maxime der Außenpolitik wird die Verachtung für Freistaaten und die Angst vor ihnen erst, nachdem die langen Verhandlungen in Westfalen nicht zuletzt dazu beendet worden sind, um republikanische Aufstände der erschöpften Völker zu unterbinden. In diesem Sinn hat der Duc de Longueville als französischer Chefunterhändler bereits 1645 dem Hof geschrieben, der Krieg unter Fürsten führe in England und anderswo zu calvinistisch-republikanischen Umstürzen.326 Direkt betroffen vom republikanischen Aufschwung ist Frankreich in Westfalen durch den »verräterischen« Ausstieg der Generalstaaten aus dem antispanischen Bündnis, der vor allem von den friedensdurstigen, merkantilen Regentenrepublikanern gegen den kriegerischen Oranier durchgesetzt wird. Nach dessen Tod triumphiert die Ware Vrijheid, auch der Schein einer Monarchie geht in den Niederlanden verloren. Gleichzeitig erschüttert die Fronde Frankreich: Ihr Partikularismus wird zumindest im Südwesten nicht grundlos als republikanische Bewegung verstanden und hinterlässt ein bleibendes Trauma bei Louis XIV, der als Kind vor den Aufständischen fliehen muss. Die personellen Verbindungen zu Cromwell sind zumindest in Bordeaux real, und die Angst, dasselbe Schicksal wie Charles I zu erleben, ist vor diesem Erfahrungshintergrund plausibel. Wie offen die Situation er-

324 François de Cauvigny, Sieur de Colomby, De l’autorité des Roys, Paris 1631, S. 29, zitiert bei Albertini, Das politische Denken, 1951, S. 89; vgl. ähnlich zu Sully Hinrichs, Fürstenlehre 1969, S. 144, sowie Crucé, Cynée, 1909, S. 173/175. 325 Für die politische Instrumentalisierung der Universalmonarchie Bosbach, Monarchia universalis, 1988, in Bezug auf Louis XIV S. 107–121. 326 Zitiert bei Durand, Républiques, 1973, S. 188.

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scheint, belegt 1640 der erwähnte englische Parlamentsführer Henry Parker: Es gebe zwar einige absolute Monarchen, »but for the most part now adaies the world is given over to republists [sic], or to condionate and restrained forms of government«.327 Die folgenden Jahre scheinen diesen Prozess zu bestätigen: Gegen Spanien erheben sich noch 1640 die Portugiesen und Katalanen, letztere vorübergehend als unabhängige Republik unter französischem Protektorat; 1647 folgt die Revolte in Neapel und Sizilien. Für die Zeitgenossen ist es durchaus denkbar, dass die beiden großen westlichen Monarchien Spanien und Frankreich ähnliche republikanische Abspaltungen erleiden, wie sie in Westfalen das Reich in Bezug auf die Schweiz und die Niederlande absegnen muss, wenn sich nicht sogar die englische Variante durchsetzt. Diese für die Monarchien bedrohliche Situation drücken die Worte von Cromwells Admiral Robert Blake zum spanischen König Felipe IV treffend aus, auch wenn sie nicht zweifelsfrei überliefert sind: »All kingdoms will annihilate tyranny and become republics, England has done so already; France was following in her wake; and as the natural gravity of the Spaniards rendered them somewhat slower in their operations, he gave them ten years for the revolution in their country.«328 Auch die Möglichkeit, dass Freistaaten außenpolitische Koalitionen eingehen, wie das etwa die Niederlande und Venedig schon zu Beginn des Jahrhunderts vorexerziert haben, ist nicht von der Hand zu weisen, wenn englische Propagandisten wie Milton und Nedham unter ausdrücklicher Berufung auf den Antimonarchismus ihre Sympathien mit den südwestfranzösischen Rebellen oder für die holländischen Regentenrepubulikaner verkünden, ja wie gezeigt Unionspläne zwischen den beiden protestantischen Seemächten entworfen werden.329 Das »Interesse« als neues Paradigma, um außenpolitisches Verhalten zu analysieren und vorherzusagen, verstärkt den Eindruck, dass in einer zusehends säkularisierten Staatenwelt konstitutionelle Gemeinsamkeiten ein Argument für außenpolitische Zusammenarbeit abgeben. Diese Befürchtung hegen nicht nur absolute Monarchen gegenüber den Republiken, sondern auch umgekehrt Theoretiker des Freistaats wie der Niederländer Huber gegenüber einer monarchischen Allianz: »hoc saeculo … Principes in id quasi conspirasse videntur, ut & liberos populos subigant, & sibi subjectos omni jure, quod adversus summum Impe327 Zitiert bei T uck, Philosophy, 1993, S. 232. 328 Zitiert bei Wor den, Rump Parliament, 1974, S. 252. 329 Milton, Easie way, 1980, S. 355 f.; vgl. Wor den, Milton and Nedham, 1995, S. 172 f.; auch oben, Anm. 181.

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10. Fazit

rium acquisiverunt, excutere, & ad ultimum servitutis patientiam adigere possint.«330 Für die Generalstaaten, die ihre Unabhängigkeit in einem achtzigjährigen Krieg gegen den spanischen König errungen haben und durch die Koalition von Louis XIV und Charles II diese beinahe wieder verloren hätten, erscheint die nationale Geschichte tatsächlich als andauernder Kampf gegen absolutistische Könige. Scharf beobachten sie auch die parallele, systematische Geringschätzung des Sonnenkönigs für andere Freistaaten, die er im Zeremoniell gegenüber Venedig ebenso ausdrückt wie gegenüber den verbündeten Schweizern. Schlimmer geht es dem durch französische Bomben zerstörten Genua, den reunierten Elsässer Reichsstädten, dem ständig eingeschüchterten Mülhausen, dem unter dem Damoklesschwert des Anschlusses lebenden Genf – sie alle scheinen Opfer eines antirepublikanischen Kreuzzugs zu werden.331 Allerdings wäre es unzutreffend, die anderen Elemente zu vernachlässigen, die neben der Staatsform und stärker als sie das außenpolitische »Interesse« formen; das 17. Jahrhundert ist nicht im Sinne des 20. ein »ideologisches« Jahrhundert. Und wenn schon, so dürfte bei aller Säkularisierung der Appell an konfessionelle Gemeinsamkeiten noch am ehesten Massen mobilisieren. Auf die Unionspläne zwischen dem englischen Commonwealth und den Niederlanden folgt unmittelbar der Seekrieg gegeneinander; De Witt lässt sich 1663/64 unter anderem deshalb nicht auf eine Allianz republikanischer Kleinstaaten ein, weil die Venezianer früheren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind; und 1680 haben die niederländischen und englischen Republikaner keine Hemmungen, aus innenpolitischer Opportunität gemeinsame Sache mit Louis XIV zu machen. Umgekehrt stützt dieser nun diejenige Partei gegen den Oranier, deren Sturz er mit seinem Einfall 1672 erst provoziert hat.332 Die vorangehende Skizze hat wenig Wert gelegt auf die Sprache der republikanischen Tugend, wie sie im Gefolge Pococks die Untersuchungen des Republikanismus prägt. Sie ist in den untersuchten Texten nicht abwesend, aber auch nicht zentral. Der erwähnte niederländische Dialog Emanuel-Erneste 1580 lehnt eine republikanische Verfassung für die Niederländer ab, weil diese »effeminez, corrompuz, addonnez à leur

330 Huber, Jus civitatis, 1708, S. 54 (1, 2, 8, 2). 331 Vgl. den bei Venturi, Utopia, 1970, S. 43, zitierten Dialog des Genuesen Marana von 1685. 332 Vgl. Roosen, Age, 1976, S. 69 f.; ders., Ceremonial, 1980, S. 471 f.; Haitsma Mulier, Language, 1987, S. 183.

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aise« seien und nicht bereit, ihren Reichtum und ihr Leben für das Vaterland zu opfern. Dies unterscheide sie von den Schweizern, einem arbeitsamen, unbestechlichen, freiheitsliebenden und geeinten Volk, das die antike militärische Zucht pflege, Reichtum und Luxus verachte und sich keinem Fürsten, sondern nur den selbst verfassten Gesetzen unterwerfe.333 Siebzig Jahre später erklärt Marchamont Nedham das Scheitern der süditalienischen Erhebung damit, dass die Neapolitaner verweichlicht und korrupt seien, die Niederländer dagegen freiheitsdurstig und geeint; und bereits 1614 hat auch Sir Walter Raleigh den Grund für den holländischen Aufstieg zu Macht und Reichtum darin gesehen, dass sie die eigenen Interessen dem Gemeinwohl hintanstellen.334 Solche Erklärungsmuster finden sich regelmäßig, doch müsste noch untersucht werden, wie weit diese eindeutig einer republikanischen oder nicht ebenso einer monarchischen Sphäre zugeordnet werden. Offensichtlich ist hingegen, dass der virtuose Militarismus eines Machiavelli in den real existierenden Republiken des 17. Jahrhunderts kaum geteilt wird. Er findet sich bloß bei einzelnen »cromwellianischen« Autoren der englischen Krisenzeit, vor allem bei Harrington, aber auch bei Sidney.335 Der Expansionismus, den die Niederländer predigen und praktizieren, ist dagegen ökonomisch motiviert, und auch Milton und Nedham gelangen gegen Ende des Interregnums zum »reject of conquest in favour of commerce«.336 Die Feindschaft der englischen Neo-Harringtonianer und »Republikaner« des frühen 18. Jahrhunderts gegen die mit höfischer Korruption verbundene Spekulation vor allem im kapitalintensiven Fernhandel darf nicht pauschal auf das 17. Jahrhundert übertragen werden. Die republikanische Sprache der englischen »country«-Opposition steht in Diensten des »landed interest«; die republikanische Realität des 17. Jahrhundert sind jedoch grundsätzlich friedliche, Handel treibende, aristokratische Kleinstaaten, die als solche ihren Status als vollwertige Völkerrechtssubjekte erlangen und gegen expansive fremde Monarchen ebenso bewahren wollen wie gegen einheimische Usurpatoren. Wichtig ist, dass es keine Kontinuität des Machiavellian Moment gibt – dass also wie in Pococks Werk ein Sprung zwischen dem Italien der

333 Van Gelder en, Political thought, 1992, S. 169 f.; Mout, Ideales Muster, 1988, S. 178. 334 Mastellone, Repubblicani, 1985, S. 148; Dunthorne, Resisting monarchy, 1997, S. 147 f. 335 Sidney, Court Maxims, 1996, S. 18 f. 336 Armitage, Milton, 1995, S. 224.

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10. Fazit

Spätrenaissance und der Mitte des 17. Jahrhunderts getan und erklärt werden muss. Bis dahin ist Machiavelli nur als Verfasser des Principe präsent (und in ganz Europa verfemt). Die Discorsi werden in England und den Niederlanden erst neu entdeckt, als es aus innen- und außenpolitischem Legitimationsbedarf heraus gilt, eine konsistente republikanische Theorie zu begründen. Selbstverständlich greifen schon zuvor Autoren von Erasmus bis Bacon Elemente des civic humanism auf, sprechen vom Adel des Geistes, von ursprünglichen Freiheiten und von Ratgebern, auf die der Herrscher hören soll. Doch dies sind alles Elemente, die in eine gemäßigte, gemischte Verfassung hineinpassen, ja sie ausmachen, ebenso wie der monarchomachische Ansatz, über institutionelle Sicherungen die Obrigkeit in die Schranken zu weisen. Bezeichnenderweise entstehen freistaatliche Theorien erst dann und dort, wo nicht nur antike und biblische exempla republikanischer Tugend und gerechter Herrschaft in legitimatorischer Absicht gepriesen werden, sondern wo politisches Handeln aus einer neuen Anthropologie der Schwäche heraus begründet wird. Diesem mehr hilfebedürftigen denn tugendhaften Menschen erscheint der souveräne Staat als Garant der Sicherheit – der republikanische ebenso wie der monarchische. In dieser Situation wird Machiavelli in den Ländern, die sich ohne jede republikanische Zielstrebigkeit eines »Tyrannen« entledigt haben, neu gelesen, um den Apologeten der absoluten Monarchie eine gleichwertige Legitimation der Republik gegenüberzustellen. Der Republikanismus ist damit ein Ergebnis bei der Säkularisierung der gesamten politischen Theorie, wie sie von Machiavelli bis Hobbes vollzogen wird und einerseits staatliches Handeln von religiösen und konkret klerikalen Vorgaben, andererseits aber auch das individuelle Bekenntnis vom staatlichen Diktat befreit. Man beginnt, zuerst in Italien, das Auseinanderfallen von privater und obrigkeitlicher Moral zu analysieren; die konfessionelle Spaltung macht offenbar, dass es keinen Konsens mehr gibt über die metaphysische Ausrichtung eines christlichen Gemeinwesens; und die verschiedenen Konfessionskriege offenbaren das Chaos, das widersprüchliche, sich ausschließende und gleichwohl bedingungslos vertretene Heilslehren in der staatlichen Gemeinschaft anrichten. Die Skepsis eines Montaigne lehrt den Zweifel an allen Dogmen und Heilsgewissheiten, der Neostoizismus eines Lipsius vermittelt die politische Klugheit, die jenseits des religiösen Fanatismus einen pragmatischen Weg durch die säkulare Ungewissheit weist, die Staatsraison eines Botero sucht die Grenzen, welche dem nun zentralen Postulat des Staatserhalts durch die christliche Religion überhaupt noch gesetzt sind, das moderne Naturrecht eines Grotius 161

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entdeckt eine Basis, auf der Außenpolitik auch dann funktionieren könnte, wenn es diese christliche(n) Religion(en) gar nicht mehr gäbe, die Interessenlehre eines Duc de Rohan analysiert die rein irdischen Gesetzmäßigkeiten, nach denen Staaten in einem normenfreien Raum funktionieren, und Hobbes überträgt die Entscheidung über recht oder falsch, christlich oder unchristlich, der staatlichen Entscheidung als letzter Instanz, gegen die es keinen klerikalen Appell an das göttliche Recht geben kann. In diesem Säkularisierungsprozess macht der Westfälische Friede aus dem Reich einen Verband von Staaten, die untereinander vorwiegend nach völkerrechtlichen Regeln verkehren, aber zugleich rechtlich und auch politisch »einer übergeordneten Gewalt unterworfen, an eine gemeinsame Rechtsordnung gebunden und in ihren Streitfragen untereinander zu friedlichem Austrag verpflichtet« bleiben.337 Damit hat das Imperium bis 1806 weiter an zwei Ordnungssystemen Anteil, wobei das altehrwürdige, reichsrechtliche noch wesentliche Funktionen wahrnimmt, die das neue, staats- und völkerrechtliche zwingend sprengen müsste. Die Eidgenossenschaft geht dagegen im Laufe des 17. Jahrhunderts von der alten zur neuen Ordnung über, wobei die Exemtion von 1648 nur eine – allerdings wichtige – Etappe darstellt. Bei aller Entfremdung, die sich im 16. Jahrhundert etwa bei Zwingli in radikalen Voten geäußert hat, bleibt der Reichsgedanke beim Übergang zur Souveränität eine rechtliche und mentale Hürde, die erst allmählich genommen wird, zumal der preußische Weg naturgemäß verwehrt bleibt, die Souveränität über eine extraimperiale Krone zu erlangen und so Reichszugehörigkeit und volle völkerrechtliche Anerkennung zu kombinieren. Der Reichsverband ist de facto, aber auch in seiner Theorie abgestufter und delegierter Herrschafts- und Freiheitsrechte ein guter Schutz für Autonomien, die ohne den materiellen Rückhalt eines größeren Territoriums mit dem Rekurs auf Privilegien behauptet werden müssen. Das Land der Freiheit(en) ist vor dem Dreißigjährigen Krieg denn auch Deutschland, wie es der Venezianer Traiano Boccalini mit der ihm eigenen Ironie, aber nicht ohne Bewunderung 1610 schildert. Indem die Deutschen die Privilegien ausnutzten, die man ihnen unvorsichtigerweise gewährt habe, seien Gleichheit und Freiheit, von der die antiken Gesetzgeber und Philosophen träumten, nach vielen erfolglosen Versuchen bei ihnen verwirklicht worden. Der Ehrgeiz, so verhängnis-

337 Dickmann, Westfälischer Friede, 1977, S. 32.

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10. Fazit

voll für Rom, sei gebändigt, weil alle Bürger vereint seien im Willen, nach den eigenen Gesetzen und ohne fremde Herrschaft zu leben. Deshalb verzichteten sie auch darauf, benachbarte Völker durch Waffengewalt zu unterwerfen – was es umso wahrscheinlicher mache, dass von Monarchen unterworfene Völker ihre Freiheit mit der Hilfe der »republiche di Alemagna« zurück zu erlangen suchten. Daher droht, so Boccalini, eine Allianz der verängstigten europäischen Monarchen, die vereint die »patrie libere« unterwerfen wollten, die in Deutschland und nun auch in den Niederlanden entstanden. Ausgangspunkt dieser »Libertadi alemanne« seien allerdings eine »gente povera e agricoltori di una sterilissima terra« gewesen, nämlich die Eidgenossen: »Chi mai avrebbe creduto che la scintilla della picciola Libertà, che nacque tra gli svizzeri, avesse potuto accendere un fuoco che tanto poi si fosse dilatato nella Germania, quanto oggi vede il mondo e ammira?«338

338 Boccalini, Ragguagli, 2, 1912, S. 19 (2, 6).

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

Am 20. Juni 1608, nach Abschluss seiner Mission in der Eidgenossenschaft, legt der venezianische Unterhändler Giovanni Battista Padavino eine Relazione del governo e stato dei signori svizzeri vor. Darin berichtet er über seine Verhandlungen, die zur Allianz mit Zürich und Bern von 1615 führen werden. Padavino gebraucht die neuen, nüchternen Kategorien des staatlichen Interesses, wie sie im Ausland üblich geworden sind und ein Bündnis der Serenissima mit evangelischen Mächten unproblematisch machen. Wie kommt es, so fragt er, dass derart unterschiedliche Bundesglieder sich der Unterdrückung der Habsburger, des Reichsgehorsams und der Tyrannis anderer Nachbarn haben entziehen können? Si costruì una Repubblica, subdivisa in molte, tra se differenti, nessuna delle quali riceve correzione dall’altre, e tutte hanno magistrati, consegli, giurisditioni, sigillo, moneta, armi e borsa propria. … E se pur non si deve propriamente chiamar vera Repubblica una pluralità de’ governi, fra quali non è supremo grado di potenza, che non retta proporzione e giusta consonanza unisca le parti di quella: almeno per accostarsi più che sia possibile alla real definizione sua, si può concludere, che sotto varie forme, ella sia un stato composto di Signoria popolare, in parte popolarmente governato, e parte anco di reggimento aristocratico, sicuro dalle invasioni di fuori e ben munito dalli disordini di dentro, con leggi militari e politiche, con le quali, per il corso di trecento anni, si sono mantenuti fortunati padroni di se medesimi, lontani sempre e per tanti secoli nemici di servitù, in grande estimazione.1

Padavino nennt also die Eidgenossenschaft »Repubblica«,2 um dies umgehend zu relativieren: Voraussetzung dafür wäre eine einheitliche Regierungsgewalt, und so lässt sich die Verfassung zutreffender als Gemisch aus verschiedenen demokratischen und aristokratischen Herrschaften bezeichnen. Generell erscheinen ihm die Schweizer Bündnissen mit Freistaaten eher geneigt als solchen mit Monarchen, »sempre stimando, non essere alle terre libere molto sicura la troppa famigliarità con Principi grandi, vicini e confinanti, anzi poca confidenza doversi 1 Padavino, Relazione, 1874, S. 1 f. 2 Gelegentlich spricht er auch von »lo Stato (H)Elvetico«, vgl. Padavino, Relazione, 1874, S. 16, 20.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

avere in chi, governando con assoluta potestà con il solo voler e conseglio proprio, suole per natura odiar lo stato di quelli che si sottopongono alle leggi«.3 Fürstlicher Absolutismus gegen freistaatliche Gesetzesherrschaft wird hier aus der theoretisch fundierten italienischen Perspektive, aber wohl erstmals in Bezug auf die Eidgenossenschaft formuliert als die Alternativen, die sich im 17. Jahrhundert gegenüberstehen. Zur Illustration wählt Padavino dagegen ein Beispiel, das er wohl einem Schweizer Vertrauensmann oder Simler verdankt, das erwähnte Schicksal der Griechen, die der Makedonierkönig Philipp unterworfen habe, »non con aperta guerra, ma sotto finta e simulata colleganza la quale a poco a poco si cambio in prottezione, e la prottezione in soggezione di quegl’incauti et innaveduti popoli«. Ähnlich ergangen sei es manchen deutschen Territorien im Umgang mit Habsburg – auch für die Eidgenossen, und zumal für die reformierten, bleibt das die Hauptbedrohung.4 Ein Jahrhundert nach Padavino bereist der savoyische Gesandte Mellarede die Eidgenossenschaft in der Absicht, Bern und auch Zürich auf der Seite der Alliierten in den Spanischen Erbfolgekrieg gegen Louis XIV hineinzuziehen. Insofern widerspiegelt Mellaredes Betonung der eidgenössischen Differenzen auch seine diplomatischen Ambitionen. La Suisse est un corps composé de plusieurs membres, c’est a dire de plusieurs Republiques connües sous le nom de Cantons, qui estant de differentes Religions & ayant des differentes maximes de gouvernement & des interests non seulement differents mais opposés; l’on peut dire, que c’est un Corps monstrueux; où comme disoit un Ministre de France, que c’est une confusion conservée par la bonté de Dieu: Confusio divinitus conservata. En effet il est surprenant qu’un Corps composé de tant de membres si differents, & chés lesquels il y a des partis si opposés puisse se conserver dans la tranquilité ou il est: plus surprenant encor que l’Union Helvetique soit le boulevard qu’ils opposent, & a l’ombre de laquelle ils se conservent dans l’estat ou ils sont; puis qu’il n’y rien de moins que de l’Union dans le Corps Helvetique.5

Mellaredes »corps monstrueux« nimmt, ob bewusst oder nicht, Pufendorfs »corpus monstro simile« auf, und tatsächlich ist die Verfassung der Eidgenossenschaft am ehesten mit dem Reich zu vergleichen, allerdings – ohne feste gemeinsame Institutionen wie Kaiser, Reichskammergericht oder ständiger Reichstag – noch erheblich archaischer. Da3 Padavino, Relazione, 1874, S. 85. 4 Padavino, Relazione, 1874, S. 85. 5 Mellar ede, Reflexions, 1706.

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her meint denn auch Pufendorf, die an sich wackere Schweizer Nation werde unter den europäischen Völkern gering geschätzt, »quod Capite careant, qui ignavam molem vegetiore spiritu animare queat«.6 Diese »Lega delli elementi discordi«, wie sie der kaiserliche Diplomat Ascanio Marso 1558 genannt hat, ist zu aktiver Politik unfähig, und von der Auflösung halte sie nichts ab als die Angst »di retornare sotto più grave servitù«.7 Die einzige feste Institution im Bundesgefüge ist die Tagsatzung, ein Kongress von Gesandten, von denen jeder Kanton oder – in der Schweizer Terminologie – Stand deren zwei abordnet. Diese Delegierten treffen sich jährlich im Juli zur ordentlichen Tagsatzung sowie unregelmäßig, nach Bedarf für außerordentliche Tagsatzungen; dazu kommen Sondertagsatzungen der beiden Konfessionsgruppen. Die Gesandten stimmen nach Instruktionen ihres Kantons ab oder legen – wo diese fehlen – eine Entscheidung nach ihrer Rückkehr »ad referendum« den jeweiligen Ratsgremien vor. Entscheidungen gelten nur für die Orte, die ihnen zugestimmt haben. Selbst einstimmig gefasste Beschlüsse werden gelegentlich nachträglich von einzelnen Kantonen aufgehoben oder einfach ignoriert. Gegenstand der gemeinsamen Beratungen sind vor allem die Verwaltung der Gemeinen Herrschaften und die Außenpolitik, also (Sold-)Bündnisse, diplomatische Kontakte und Verteidigungsmaßnahmen, ferner die Vermittlung bei Konflikten und einzelne wirtschaftliche Fragen (Münzen, Zölle, Armenwesen, Handel mit dem Ausland, außerdem das Seuchenwesen).8

1. Das politische Selbstverständnis der Eidgenossen vor 1648 Die Schweizer Städte und analog die Länder verdanken ihre Freiheiten dem Kaiser. Friedrich II. als erster und Sigismund im Jahre 1415 am großzügigsten beglücken sie mit der Reichsstandschaft.9 Unabhängig davon erwerben die eidgenössischen Orte – durch Kauf, durch Ver6 P ufendorf, Res gestae, 1695, S. 810; vgl. auch Schweitzerisches Kriegs-Recht, 1704, S. 227. 7 Marso, Discorso, 1956, S. 42. 8 P eyer, Verfassungsgeschichte, 1978, S. 39, 104 f. 9 Liste bei Im Hof, Mythos, 1991, S. 46; für die Privilegierung der Länder nach Art der Städte Wyrsch-Ineichen, Befreiungstradition, 1999, S. 131–133; einen vergleichenden Überblick und den aktuellen Forschungsstand über die Ausbildung von Reichsstädten und ihren Territorien in der Eidgenossenschaft gibt Sterck en, Reichsstadt, 2000.

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dienste – einzelne, konkrete Privilegien, etwa den Blutbann, den die meisten um 1400 verliehen bekommen. Problematisch ist das Verhältnis zum Reich vor diesem Hintergrund nur dann, wenn ein Habsburger herrscht. Aber selbst im Schwabenkrieg legen die Schweizer großen Wert darauf, dass sie Maximilian nicht als König bekämpfen und schon gar nicht gegen das Reich antreten, auch wenn der Herrscher – ohne dafür große Unterstützung zu finden – den Reichskrieg gegen sie ausruft.10 Entsprechend vernimmt man 1499 von der Unterzeichnung des Basler Friedens in Fribourg, »das wir uns mit der Römischen kgl. Mt. als erzherzogen zu Oesterrych und von des Swäbischen Punds und nit des richs wegen« versöhnt haben. Zwischen Maximilians Funktionen wird also klar differenziert, und so ist er im Frieden nur »von wegen sine Maiestät Graffschafft Tirol« präsent, als Landesherr und nicht als König im Reich. Der Friede von Basel bestätigt den Eidgenossen 1499 im letzten Paragraphen, dass alle anstehenden Prozesse kassiert werden, und wird fortan als Befreiung vom Reichskammergericht interpretiert. Dies ist allerdings keine Absage an das Reich selbst, sondern bloß an die »nüwerungen«, die intensivierte Staatlichkeit oder »gestaltete Verdichtung«:11 Im ursprünglichen Vertragsentwurf haben die Eidgenossen sogar gefordert, dass man ihnen die alten Freiheiten belasse, sie nicht durch fremde Gerichte beschwere »und üns gnediclich wider zum rich lässen wel«.12 Später lassen die Schweizer diesen Passus allerdings weg, weil er einen Angriff auf das Reich impliziert, der durch königliche Gnade verziehen werden müsste. Für die Schweizer Orte bleibt das Imperium auch im 16. Jahrhundert selbstverständlich diejenige Instanz, die ihre Existenz als des »heilgen Römschen richs besunders gefryete staend« legitimiert. Geradezu zum locus classicus der späteren Reichspublizistik wird der Sendbrief an den Erzkanzler, den Erzbischof von Mainz, bei der Kaiserwahl von 1519. Darin wird von der Eidgenossenschaft »alls ainem dapffern Glid deß Reychs« dezidiert ein Kandidat »von der Teutschen und nicht der Wellschen Nation« unterstützt und dabei bekräftigt, »daß wir uns von den 10 Zum Schwabenkrieg weiterhin grundlegend Sigrist, Reichsreform, 1947; ders., Interpretation, 1949; jetzt Niederhäuser/Fischer, Freiheitskrieg, 2000; für das Folgende auch Maissen, Schwabenkrieg, 1999, außerdem die Beiträge von Horst Carl und Paul-Joachim Heinig in Rück, Eidgenossen, 1991, S. 215–265, 267–293. 11 So die eingängige Formulierung im Titel von Moraw, Verfassung, 1985; auch sonst passim; zum Verhältnis zum Reichskammergericht im 16. Jh. Braun, Eidgenossen, 1997, S. 185–203. 12 Sigrist, Interpretation, 1949, S. 154.

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Abb. 4: Petermann Etterlin, Kronica von der loblichen Eydtgnoschaft, Basel 1507, Frontispiz.

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zwayen Haubtstetten, von dem heiligen Stul zu Rome, und dem heyligen Röm. R. nie haben gesundert«. In allen Bündnissen werde das Reich vorbehalten, was nicht unbillig sei, »dieweilen wir von den unsern [scil. von ihm unsere], die höchst und pesste Freyhaiten haben, den Adler und das Reych ob unsern Schillten füehrende, berüembt und gebrauchen, sindt auch Glider, und deß gentzlichen Ehr und Lobe haben wöllen, wie andere Ständ und Glider«.13 Das Reich wird also nicht im modernen Sinn als Staat verstanden, und schon gar nicht als Territorialstaat, von dem eine Sezession angebracht wäre; vielmehr ist es, als Universalmacht neben dem Papst, Quelle aller Staatlichkeit. Ihm widmet Petermann Etterlin 1507 das erste gedruckte Geschichtswerk der gesamten Schweiz, die Kronica von der loblichen Eydtgnoschaft, deren Titelblatt ein prächtiger, gekrönter Doppeladler im eidgenössischen Wappenkranz schmückt (Abb. 4). Die Einbindung in den Reichsrahmen ist kein Hindernis für die Ausbildung einer landsmannschaftlichen Identität in der humanistisch inspirierten Historiographie. Die zentralen Werke für die Schweiz sind in dieser Hinsicht Johannes Stumpfs Gemeiner loblicher Eydtgnoschaft Stetten, Landen und Voelckeren Chronick, 1547 in Zürich gedruckt, und Aegidius Tschudis Chronicon Helveticum, das erst im 18. Jahrhundert gedruckt werden wird.14 Bei ihnen werden die Eidgenossen als Nachfahren der ursprünglich freien, gallischen Helvetier und als »Alpenvolck« zum natürlichen Bewohner einer ewigen, freiheitlichen »Helvetia«, die klare geographische Grenzen hat, welche alle Binnendifferenzierungen zweitrangig werden lässt. Stumpf und Tschudi verwenden als erste (gepunktete) Grenzlinien, um das eidgenössische Territorium praktisch in den heutigen Dimensionen abzutrennen, also das Wallis und Graubünden eingeschlossen; eine Schlaufe holt zudem noch Rottweil ein, Mülhausen hingegen nicht. So deutlich sich hier im nachreformatorischen Zürich ein klar umrissenes geographisches Konzept der Schweiz manifestiert, so klar ist auch, auf welcher »staatlichen« Ebene es zu situieren ist: Auf Stumpfs umfassenderen Europakarte steht

13 Goldast, Reichshandlungen, 1609, S. 101; ähnlich bereits bei Bullinger, Reformationsgeschichte, 1, 1838, S. 25 (»houptständen« für »Haubtstetten«); nach Goldast auszugsweise zitiert bei Carpzov, Lex regia, 1669, S. 185 (7, 9, 23–25); Limnaeus, Ius publicum, Bd. 1, 1657, 1, 9, 35; Knipschild, Tractatus, 1657, S. 1035 und Conring, Opera, Bd. 1, 1730, S. 414, sowie noch 1702 in der Dissertation von Nikolaus Wilkens, vgl. Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 242. 14 Vgl. Maissen, Alpenvolck, 1994, S. 79–83 (Stumpf); Maissen, Helvetier, 2002, S. 233–246 (Tschudi).

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»Helvetia« als lateinisches Wort in Antiqua geschrieben, ebenso wie etwa »Avernia« oder »Apulia«; ihnen entsprechen in Fraktur die deutschen Bezeichnungen »Beiern«, »Schwaben«, »Burgund«, »Westphalen«, »Saffoyen«, oder »Kernten«. Dagegen stellen die lateinisch beschrifteten Länder »Italia«, »Germania«, »Gallia« sowie »Francia« eine andere Dimension dar, auch im großen Schriftbild. Als »Germania«, die er durch den gekrönten einköpfigen Reichsadler symbolisiert, erfasst Stumpf ausdrücklich mehr als in der »beschribung der Alten«, die Donau und Rhein als deren Grenzen angesehen haben: Sie ist ihm aufgrund »unserer zeyt sitten, art unnd sprach« die »Teütsche Nation« bis zu den Alpenspitzen und zur Schelde.15 Für Stumpf befindet sich also die Schweiz als »Helvetia« gleichsam auf der Ebene eines germanischen Völkerwanderungsstamms beziehungsweise der Landesherrschaft, die sich daraus entwickelt hat: Neben Franken und Burgundern gibt es nun auch Helvetier. Zugleich sind sie alle – soweit deutscher Zunge – Teil der deutschen Nation, der »Germania«, die in politischer Hinsicht wiederum einen – beträchtlichen – Teil des Imperiums ausmacht. Zwinglis Reformation, der Kappeler Krieg und die von stetem Misstrauen begleiteten Allianzen der konfessionellen Parteien untereinander und mit dem Ausland lassen das Gefühl für eidgenössische Gemeinsamkeiten erkalten. Geteilt wird nunmehr vor allem das Gefühl des Niedergangs, als dessen Ursache in der zwinglischen Tradition die servile Abhängigkeit götzendienerischer Söldner von papistischen Herrschern gesehen wird, in der katholischen Sicht hingegen der Abfall vom Glauben der Vorväter, die den Bund einst geschlossen und tapfer verteidigt haben. Die Gegenüberstellung des tugendhaften, einfachen und frommen alten Eidgenossen und des käuflichen, dem Luxus verfallenen jungen Reisläufers ist verbreitet, so um 1530 auf Hans Funks Glasgemälde mit Niklaus Manuels Text.16 Die Dekadenzerfahrung ändert aber nichts an der Reichsbindung, weder bei Katholiken noch bei Reformierten. So können die Luzerner 1530 Karl V. als ihren »chef souverain« anreden und sich selbst als »pauvres (sujets) et membres du saint empire et de la vieille église chrétienne« bezeichnen.17 Allerdings bleibt die Reussstadt in den folgenden Jahrzehnten profranzösisch, während sich das reformierte Zürich dem französischen Bündnis 15 Stumpf, Landtaflen, 1975; Lindgr en, Grenzen, 1997, S. 34. 16 Abgebildet bei Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 173–174 (Abb. 46). 17 EA 4, 1b, S. 720, 722.

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versagt und dem Reich auch politisch weiter verbunden bleibt. Zwinglis Nachfolger, Antistes Heinrich Bullinger, schreibt 1532 einen Radtschlag wie man moege vor kriegen sin und der v orten tyranny abkummenn, und klagt darin, dass die fünf katholischen Orte Zürich verbieten wollten, nach seinem Willen Bündnisse einzugehen – obwohl die Limmatstadt dieses Privileg von Königen und Kaisern erlangt habe.18 Der Reformator appelliert also wider die Pressionen der Miteidgenossen an die reichsrechtliche Legitimität. Seine Denkweise ist charakteristisch und hat nichts mit dem konkret herrschenden Kaiser zu tun. Erst im Umfeld des Schmalkaldischen Krieges versuchen die reformierten Kantone die antihabsburgischen Gefühle der katholischen Orte zu wecken.19 »Concordia« gegen »Tyrannis« wird so zu einem grundlegenden Gegensatzpaar eidgenössisch-reformierter Selbstwahrnehmung, wo es um die »Libertas« geht. Der Tyrann ist dabei allerdings keineswegs der Einzelherrscher per se, sondern der unrechtmäßige und lasterhafte Herrscher, der den rechten Glauben unterdrückt. »Romana tyrannis« ist zugleich die Verbindung und der Gipfel weltlicher, geistlicher und moralischer Anmaßung.20 Reichsrechtlich ist die reichsferne Stellung der zehn alten Orte seit dem Frieden von Basel klar, der aber die danach dem Bund beigetretenen oder nur zugewandten Reichsstädte ebenso wenig einschließt wie die Reichsbischöfe und -äbte, die in die Reichsmatrikel aufgenommen sind und grundsätzlich steuerpflichtig wären, vor allem für den Türkenkrieg. Diese Stände werden gelegentlich auch vor das Reichskammergericht zitiert, so namentlich 1541/42. Doch die entsprechenden Prozesse werden – allerdings unter Vorbehalt der kaiserlichen und Reichsrechte – kassiert, nachdem die Tagsatzung mit Auflösung der Erbeinung gedroht hat, also die dynastischen Interessen des Kaiserhauses in Frage gestellt sind. 1548 erwähnt dessen Kanzlei das Heilige Reich und dessen »fürderung guoter nachperschaft und alles fridlichen wesens mit andern anrainenden fürstentumben und landen, und furnemblich mit gemainer Aidgnosschaft«21 – eine Formulierung, welche die Schweizer unter die Nachbarn und damit nicht mehr zum Reich zu zählen scheint. Ausdrücklich verbietet die Tagsatzung denn auch 1549

18 Bächtold, Krise, 1975, S. 284–286. 19 Maissen, Helvetier, 2002; Maissen, Interim, 2006. 20 Etwa Simler, Oratio Vermilii, 1563, S. 13. Dabei wird »tyrannus« nicht nur im engeren politischen Sinn verwendet, sondern beispielsweise auch für Sittenlose und Herrschsüchtige in einem Mönchsorden, vgl. ibid., S. 7. 21 Zitiert bei Hauswirth, Realität, 1970, S. 158.

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Städten und Prälaten, das Kammergericht oder Kreis- und Reichstage zu besuchen; der einzige Zugewandte, der sich dieser Praxis nicht unterziehen will und weiter Reichssteuern bezahlt, ist Rottweil.22 Dies ist jedoch keine juristische Lösung, sondern – da der Kaiser und die Reichsinstanzen die Verweigerung akzeptieren – eine politische. Die Ansprüche an die jüngeren drei Orte und die Zugewandten bleiben bestehen, werden aber für ein Jahrhundert nicht mehr angemeldet.23 Nichtsdestoweniger erscheint 1559 eine eidgenössische Gesandtschaft am Augsburger Reichstag, wo »unser aller gnedigister Herr«, der neue Kaiser Ferdinand I., den Dreizehn Orten ebenso die »Freihaitten« und Privilegien bestätigt wie 1566 Maximilian II.; indem sie dies alle gemeinsam »diemutigelich« beantragen und nicht mehr einzelörtisch, geben die Kantone zu verstehen, dass sie als Einheit anzusehen sind.24 1563 wird – beim letzten Kaiserbesuch im Ancien Régime – Ferdinand, wenn auch mit gemischten Gefühlen, in Basel empfangen.25 Drei Jahre zuvor ist in Innsbruck die Rede gewesen von »Gütern, so aus dem Reich und Eurer königlichen Majestät Landen in gmaine Aydtnosschaft geen«.26 Das Wort »Reich« hat östlich und nördlich des Rheins offenbar einen konkreteren – sowohl politischen als auch territorialen – Inhalt als in der Schweiz, wo es wenig mehr beinhaltet als das Bekenntnis zur universalen christlichen Religion und zur gemeinsamen deutsche Sprache. Zürich und Schaffhausen erwägen 1576 auf der evangelischen Tagsatzung noch einen Besuch des Regensburger Reichstags, doch verzichtet man dann, bei der Thronbesteigung Rudolfs II., auf die traditionelle Privilegienbestätigung.27 Mit Rudolf II., einem Exponenten der katholischen Reform, müssen die reformierten Kantone ihre Gesten gegenüber dem Reich sorgfältig abwägen, denn eine Bitte um die kaiserliche Garantie bisheriger Rechte kann als Zeichen der Unterwerfung ausgelegt und ausgenützt werden. An letztlich eher unverbindlichen Forderungen des Reichs mangelt es auch in Zukunft nicht: Einhaltung »des heil. Reichs Münzverordnung« (1576,

22 EA 4, 1e, S. 36 (Februar 1549); vgl. auch EA 4, 1d, S. 828 (Juni 1547), 885 (22. November 1547), 927 (März 1548), 948 (Mai 1548). Noch 1640 beruft sich die Tagsatzung gegenüber dem Reich auf ihre 1547 gegenüber Karl V. abgegebene Erklärung, vgl. EA 5, 2, S. 1174 (Juli 1640). 23 Braun, Eidgenossen, 1997, S. 539. 24 EA 4, 2, S. 1459 (23. April 1559), 1525 (4. Mai 1566) = StAZ C I, Nr. 367. 25 Vgl. den Bericht bei Platter, Tagebuch, 1976, S. 392–399. 26 Zitiert bei Hauswirth, Realität, 1970, S. 160. 27 EA 4, 2, S. 594 (29. März 1576).

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1603)28 oder Türkensteuer, allerdings im Namen der Christenheit (1576, 1582 und 1594).29 Nachdem jeder Ort 1597 tatsächlich sein Quantum Pulver zum Türkenkrieg beigesteuert hat, erörtert die Tagsatzung ihrerseits 1597 erneut, ob man nun die Privilegien durch Rudolf II. bestätigen lassen soll. Der Vorschlag wird 1601 von Basel »in Hinblik auf die Lage der Dinge« und 1607 von Zürich im Hinblick auf den bevorstehenden Reichstag von 1608 wiederholt.30 Zürichs beharrliches Drängen dürfte in der deutschen Entwicklung begründet sein: 1607 wird über die mehrheitlich protestantische Reichsstadt Donauwörth die Reichsacht verhängt und durch den bayrischen Herzog vollzogen. Wohl angesichts dieser faktischen Mediatisierung sorgen sich die Zürcher um ihre Freiheiten und Regalien. Dagegen hält das nach Westen orientierte Bern an der Tagsatzung von 1608 eine Privilegienbestätigung nicht länger für nötig, da man die »Herrlichkeit« von selbst habe und keineswegs vom römischen Reich abhange.31 Andere Orte sind der Ansicht, man schweige besser weiter, da man dies schon so lange getan habe; eine so späte Anfrage würde möglicherweise als »Despect« angesehen und abgeschlagen. Der Antrag wird gleichwohl in den Abschied genommen, um deutlich zu machen, dass die unterlassene Anmeldung der Regalien nicht etwa deren Verwirkung bedeute. Zu diesem Zeitpunkt manifestiert sich also erstmals ein klarer Unterschied in der Herrschaftsbegründung, die offenbar viele Orte gar nicht thematisieren wollen, um keine unnötigen Debatten auszulösen: Sie sehen ihre obrigkeitlichen Rechte weiter als Regalien an, die sie vom Kaiser empfangen haben, die aber Gültigkeit behalten, auch wenn sie nicht jedes Mal vom neuen Herrscher bestätigt werden. Dagegen sieht Zürich offensichtlich in bester Simlerscher Tradition seine Staatlichkeit in kaiserlichen Privilegien begründet, während Bern ins Lager Bodins geschwenkt ist und die »Herrlichkeit« aus ihrem faktischen Erwerb und ihrer Verteidigung rechtfertigt. Die Fragen bleiben weiter umstritten, und als Kaiser Matthias 1612 die Herrschaft antritt, schlagen die Zürcher erneut die Erneuerung der

28 Jan, Staatsrechtliches Verhältnis, 1, 1801, S. 178 f., 182–184. 29 Jan, Staatsrechtliches Verhältnis, 1, 1801, S. 181; vgl. den Kommentar von Faesch, Foedera, 1620, cap. 8: »quae formulae non subditos, sed extraneos innuunt«; dazu auch Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 211 f. 30 EA 5, 1, S. 444 (Mai 1597), 568 (Juli 1601), 816 (April 1607), 832 (Juli 1607); Jan, Staatsrechtliches Verhältnis, 1, 1801, S. 185. 31 EA 5, 1, S. 881 (Juni 1608) = StAZ , Abschiede 135, S. 345.

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Regalien vor, worin – vom Solothurner Gesandten abgesehen – die Tagsatzung »aus vielen erheblichen Gründen« vorerst einwilligt, »da man in des Reiches Namen über das Blut richtet und über den Ehrenwappen des Reiches Krone und Adler führt«.32 Auch als die Privilegienbestätigung in der Krise vor dem Dreißigjährigen Krieg unterbleibt, rufen die zugewandten St. Galler 1614 und 1616 den Vorsatz in Erinnerung, »indem ihre Handelsleute viel im Reich verkehren und bei Unterlassung dieser Bestätigung es vielleicht entgelten müßten«. Abgesehen von den divergierenden Legitimitätsvorstellungen sind die östlichen Handelsstädte sehr an den wirtschaftlichen Kontakten zum Reich interessiert, während die inneren und westlichen, agrarischen Kantone den Eindruck haben, dass »die Einholung der Bestätigung mehr Nachtheil als Nuzen bringen möchte«, zumal weder der Kaiser noch sonst jemand die Freiheiten wirklich gefährde. Schließlich einigt sich die Tagsatzung 1616 auf den Standpunkt, dass die Erneuerung unnötig ist, da die früheren Bestätigungen ewig gelten; einzelne Orte, die gleichwohl Wert darauf legen, können aber diese für sich und mit dem Rückhalt der Eidgenossenschaft beantragen.33 So lässt sich St. Gallen denn auch 1631, 1637 und 1642 seine Freiheiten vom Kaiser bestätigen, offenbar ebenso Schaffhausen 1629.34 Erst recht bleibt der Kaiser Bezugspunkt für die geistlichen Fürsten: Der Bischof von Sion sucht 1628 dessen Hilfe, der Churer besucht 1640 sogar wieder einen Reichstag, und der St. Galler Fürstabt lässt sich vom neuen Kaiser stets seine Reichslehen und Regalien bestätigen. Aber auch die übrigen Eidgenossen leisten in der Form von Pulverlieferungen selbst nach 1648 noch einen Beitrag zum Türkenkrieg.35 Wenn nicht als Staat mit Befehlsgewalt, so wenigstens als höhere, vom Anspruch her universale und in der Realität abendländische Idee ist das Reich in der Eidgenossenschaft weiter präsent – bezeichnenderweise im Abwehrkampf gegen die Türken, der Katholiken und Protestanten eint und auch keine Rücksichtnahme auf andere Verbündete der ganzen Eidgenossenschaft oder einzelner Orte erheischt.

32 33 34 35

EA 5, 1, S. 1090 (Juli 1612), 1106 (Oktober 1612). EA 5, 1, 1172 (Juni 1614), 1241 (April 1616), 1249 (Juni 1616).

Jan, Staatsrechtliches Verhältnis, 1, 1801, S. 185 f. Sieber, Eidgenossenschaft, 1999, S. 29, mit Belegen aus den EA .

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

2. Die Eidgenossenschaft in der Reichspublizistik Als Althusius zu Beginn des 17. Jahrhunderts das Phänomen der »confoederatio« erörtert, gibt er die Bereiche an, welche die Verbündeten jeweils an gemeinsamen Sitzungen behandeln: Krieg und Frieden, diplomatische Beziehungen mit fremden Mächten, gemeine Herrschaften und deren Beschwerden, Streit zwischen Bundesgenossen, allgemeine Ruhe und Wohlergehen. Als Beispiele zählt er dann auf: die Bündnisse zwischen Dänemark und Holstein, zwischen Florenz, Venedig und dem Papst, zwischen Engländern und Franzosen, zwischen dem Papst, Spanien und Savoyen, die Hanse, die Eidgenossen, die Niederlande und auch deren vor kurzem mit Frankreich, England und Dänemark geschlossenes Bündnis.36 Es handelt sich also um zum Teil recht lockere außenpolitische Bündnisse, von denen am Ende des Jahrhunderts nur zwei, in anderer Qualität, übrig sein werden: die Eidgenossenschaft und die Generalstaaten. Althusius sieht beide, die er durch sein Studium in Basel und vor allem die Grenzlage Frieslands sehr gut kennt, noch nicht in einer Form von Staatlichkeit, die über eine herkömmliche Allianz hinausgeht. In diese Kategorie stoßen die beiden Gebilde erst im Laufe des Jahrhunderts vor. Während Althusius die Eidgenossenschaft als außenpolitisches Bündnis erfasst, präsentiert sie Melchior Goldast gleichzeitig als Teil des Imperiums – ohne dass diese unterschiedlichen Aspekte einen Gegensatz implizieren, hat doch Althusius auch die Hanse parallel zur Schweiz behandelt. Für den Bischofszeller Goldast macht sie, die »Helvetia«, einen großen Teil der »Alemannia nostra« aus, des Schwabenlands, das zu fränkischer Zeit von der Sklaverei geprägt gewesen sei, sich aber dann davon befreit habe. Dies habe den Eidgenossen in juristischen Lehrbüchern den Vorwurf eingetragen, sie seien »meineidige, abtrünnige und vom heiligen Reich abgefallene Stände«. Dem widersprechen die Schweizer allerdings »auf das höchst« und mit ihnen Goldast, dessen eigene Wirksamkeit zeigt, wie selbstverständlich für ihn die Zugehörigkeit zum Imperium noch ist: Seine Quelleneditionen werden grundlegend für die Reichspublizistik. Das Vorwort zu einer Sammlung von Reichssatzungen benutzt er 1609 für die Ehrenrettung der Eidgenossen gegen die erwähnten Vorwürfe, denn sie »erkennent den Keyser für ihrn einigen ordentlichen natürlichen Herren, beken-

36 Althusius, Politica, 1614, S. 364 f. (17, 40–43).

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2. Die Eidgenossenschaft in der Reichspublizistik

nent sich zum h. Reich Teutscher Nation, gebent sich für desselbigen freye Stände auß, wöllent auch deß Lob, Ehr, Ruhm und Namen haben.«37 Goldast rechtfertigt den Widerstand gegen die österreichische Unterdrückung, wobei die Eidgenossen von »Keysern und Königen in deß Feindts Rachen stecken und verlassen worden und von dem Reich kein Schutz, Schirm noch Hilff wieder solche Wüterich unnd Tyrannen erlangen noch erhalten mögen«. So genieße die Eidgenossenschaft Freiheit vor allen fremden Gerichten, was ihr auch von den Kaisern bestätigt worden sei, doch erfolgten diese Privilegien »dem h. Reich und seinen Gerechtigkeiten ohne Schaden«. Das wortreiche Plädoyer des St. Gallers in seiner grundlegenden und oft zitierten Quellensammlung zur Reichsverfassung ist zusammen mit Simlers Buch eine günstige Voraussetzung, damit in Deutschland der Sonderstatus der Eidgenossen grundsätzlich akzeptiert ist – allerdings eine Sonderstellung im Rahmen des Reichs.38 Ähnlich sieht es denn auch Arumaeus, in dem die Zeitgenossen den Begründer des Jus publicum sehen und der bezeichnenderweise in einem Discursus de Legationibus konstatiert, die »Freyen Schweitzer« seien »adhuc Imperio subditos« – und damit nicht berechtigt, auf höchster Ebene Gesandtschaften zu entsenden.39 Auf sie zu sprechen kommt Reinking bei der Behandlung der »exemptio«, die er als ein Grund für die Verkleinerung des Reiches analysiert. Exemtion bedeutet im kanonischen Recht, dass natürliche oder juristische Personen nicht länger der territorialen Gerichtsbarkeit unterstellt sind, sondern einer höheren – also beispielsweise ein Kloster nicht dem Diözesanbischof, sondern direkt dem Papst.40 Im weltlichen, reichsrechtlichen Zusammenhang wird die Exemtion dagegen so gedeutet, dass ein Gebiet seine unmittelbare Unterstellung unter das Reich, also seine Reichsstandschaft verliert. Exemtion an sich impliziert also nicht automatisch eine Absage an das Reich, insbesondere dann nicht, wenn sie auf eine Mediatisierung zurückgeht (exemtio intra imperium). Reinking unterscheidet entsprechend verschiedene Typen der Exemtion, nämlich zu37 Goldast, Reichshandlung, 1609, Epistola dedicatoria; vgl. auch auf S. 101 der oben zitierte Brief von 1519 an den Mainzer Kurfürsten. 38 Vgl. das Lob für den Widmungsbrief Goldasts bei Conring, Opera, Bd. 1, 1730, S. 413 (De finibus imperii Germanici, 1654). 39 Arumaeus, Discursus, 1616, S. 330 (14, 6, De legationibus & legatis); die Eidgenossen als Teile des Reichs behandelt auch Caspar Klock, De contributionibus, erstmals 1655 (4, 245). 40 Zum Wort Mommsen, Souveränitätslehre, 1968, S. 441–444; Leschhorn, Moser, 1965, S. 76 f.

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erst die illegale, da zwingend einseitige Abspaltung vom Reich, wie sie die westlichen Monarchien und italienischen Staaten vollzogen hätten; dann die Verweigerung von Abgaben »Imperii tamen Majestate non spreta«; und schließlich die Mediatisierung zuvor reichsfreier Städte durch Reichsfürsten. Die Eidgenossenschaft falle mit Genua, Savoyen, den Niederlanden und Burgund in die zweite Kategorie; denn sie verehre die Kaiser, was sich in den Privilegienbestätigungen zeige: »quae privilegiorum confirmatio, sicut datio, est species quaedam superioritatis & subjectionis.«41 Ungeachtet der verschiedenen Arten von Exemtion gibt es in dieser Logik nur eine weltliche Macht, die – als Quelle allen Rechts – »souverän« oder, da dieses Adjektiv einer anderen Logik gehorcht, Trägerin der »majestas« ist: der Kaiser. Ein im Schweizer Zusammenhang wichtiger reichsrechtlicher Titel ist neben der Exemtion auch die Verjährung (praescriptio). Zu Beginn des Jahrhunderts bestreiten deutsche Juristen auch an der Universität Basel generell die Möglichkeit, dass sich Territorien, namentlich italienische, de iure vom Reich lösen können: Eine zivilrechtliche Kategorie wie die praescriptio lasse sich nicht auf Majestätsrechte anwenden. Außerdem gelte Verjährung, falls überhaupt, nur dann, wenn sie »neque vi, neque clam, neque precario« erfolgt ist – was die Schweizer Befreiungstradition kaum zum Ausdruck bringt. Eine grundlegende und weniger kategorische, später oft zitierte Arbeit de causis exemptionum legt 1615 Zacharias Vietor in Basel vor, der den faktischen Abfall vieler Gebiete vom Reich durchaus eingesteht, aber den Kaiser gleichwohl weiter als rechtmäßigen Herrn der Welt sieht. Nach den großen Monarchien, den italienischen Kommunen und baltischen sowie französischen Gebieten erwähnt Vietor als gerupfte Feder des Reichsadlers auch die Eidgenossenschaft, die ihre Freiheit gegen die unverschämten Vögte erlangt und seither verteidigt habe. Vietor lobt die Reichsfreiheit als wahre, mit edlen Diensten verbundene Freiheit und kontrastiert sie mit der Exemtion, die er als Verlust der Reichsunmittelbarkeit definiert (»vindicatio status ab immediata imperii subjectione«) – und nicht bloß als Befreiung von Abgaben oder Gerichten, wie sie auch in Deutschland zahlreich seien. Aber auch die Exemtion im weiten Sinn bedeute nicht die Bindungslosigkeit an ein Reich, das von Gott eingerichtet sei und in dem weder »omnimoda libertas« noch »suprema iurisdictio« durch praescriptio ersessen werden könnten. Diese blieben beim Kaiser, und selbst wo sich Untertanen gegen einen tyrannischen

41 Reinking, Tractatus, 1622, S. 94 (I, 2, 9, § 52–56).

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Herren erhöben, bleibe die dadurch erlangte Freiheit beziehungsweise Exemtion vorübergehend, da nach der Beseitigung des Tyrannen der alte Rechtszustand im Reichsrahmen wieder eintrete.42 Vietors Werk, das die Eidgenossen bei allen Freiheiten noch als Teil des Imperiums ansieht, passt zu den Basler Dissertationen des 17. Jahrhunderts, die eine sehr konservative Quellengattung darstellt: Verzögerte Beschäftigung mit Bodin, anhaltender Widerstand gegen ihn, Festhalten an Universalreichvorstellungen und der Translationstheorie, selbstverständliches Bekenntnis zur (gemäßigten) Monarchie als bester Verfassungsform, gute Kenntnisse der Monarchomachen, aber späte und seltene Beschäftigung mit Grotius und erst recht den englischen Staatsrechtlern – der Staat wird fast ausschließlich am deutschen Beispiel und in römischrechtlichen Kategorien behandelt und im imperialen Sinn organisch verstanden, nicht als abstrakte Institution.43 Ein Plädoyer für die Republik als Verfassungsform sucht man bei den Schweizer und deutschen Autoren dieser Quellengattung vergebens.44 Damit zählen die in Basel ausgebildeten Juristen und ihre Lehrer ebenso wie Goldast, Arumaeus oder Reinking zu den Autoren, die von einer allem übergeordneten Reichsidee ausgehen, Staatlichkeit in Privilegien gründen und die Eidgenossen noch klar im Reich verorten. Dagegen kommt der erwähnte Christoph Besold zu einem anderen Resultat als Arumaeus, wo er das Bündnisrecht behandelt und »regulariter« nur denen zugesteht, die das »jus Majestatis« haben. Denn dem Kaiser und den Königen gleichgestellt sind diesbezüglich »Respublicae si quae sunt liberae absolutae«, worauf Besold als Beispiel solcher »populi liberi« die Schweizer und Niederländer anführt. Dabei sieht er unter Berufung auf Bodin und Simler den einzelnen Kanton als Träger der höchsten Macht, weshalb dieser eine »respublica« (im Sinne von Staat) sei – und nicht die Eidgenossenschaft als Ganzes.45 Bereits in sei42 Vietor, Causae, 1615, Conclusiones II, IX; vgl. Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 230–235. 1644 anerkennt der Dortmunder Dietrich Degingh das Argument der praescriptio für die Unabhängigkeit. 43 Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 16–38, 98–130, 102 f. (Brunner), 114–118 (Cluten), 125–127 (Bruningh), 130f. (Graf), 189 f. (Translationstheorie, die sich noch »bis weit in das 18. Jahrhundert hinein« hält), dazu auch 235f. über Fels und 259 f. 44 Die einzige Ausnahme ist der Pole Andreas Lesno im Jahr 1628, vgl. Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 252; vgl. außerdem auch S. 187 f., 251–258. 45 Besold, Synopse, 2000, S. 37 f. (Vorerkenntnisse, 52 f.); ders., Dissertatio, 1622, S. 16 f., 24 (Foederum ius, 3, 2); in einem weiteren Schritt gesteht allerdings Besold das Bündnisrecht dann auch allen Reichsfürsten zu, weil sie immediat sind und die »plenitudo potestatis« ausüben. Ähnlich wie Besold hält Johann Jacob

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nem frühen Discursus Juridico-Politicus de Appellationibus von 1606 ist Besold auf die Eidgenossen zu reden gekommen, als er die höchste, königliche Gewalt dort ortet, wo es keine höhere Berufungsinstanz mehr gibt. Da die Eidgenossen das Kammergericht in Speyer nicht anerkennten und damit niemand ihre Beschlüsse korrigieren könne, seien sie – erneut unter Berufung auf Bodin – »absolute liberi« und keine Reichsstände.46 Eine von Besold aufgegriffene Anekdote wird selbständig ein Gegenstand, der fortan dazu dient, die schweizerische Rechtsstellung zu diskutieren. Krzysztof Warszweicki hat um 1590 erstmals einen angeblichen Auftritt einer eidgenössischen Gesandtschaft geschildert, die sich vor dem Reichskammergericht weitere Belästigungen mit einem derben Wort verbeten habe. In einem gelehrten Tübinger Kollegium dient diese Geschichte um 1610 Johann Wilhelm von Redwitz zur Illustration seiner Besoldschen Position, dass die Eidgenossen die Oberhoheit des Reichs nicht mehr anerkennen. Sein Gesprächspartner Nikolaus Buwinckhausen widerspricht jedoch und tut die Anekdote als polnische Fabel ab: Ferdinand I. habe bei der Privilegienbestätigung daran erinnert, dass er als oberster Rechtssetzer die höchste Staatsgewalt behalte; trotz ihren außerordentlichen Freiheiten müssten also die Eidgenossen die Landfriedensordnung halten und gegen Reichsfeinde Hilfe leisten.47 Auch Philipp Oldenburger wird die Anekdote 1668 unter Berufung auf einen schweizerischen Gewährsmann in das Reich der Fabeln verweisen, da sie sich weder in den Archiven noch in den Akten nachweisen lasse.48 Der wie gesehen äußerst imperiale Sachse Benedikt Carpzov greift die angebliche Gesandtschaft nach Speyer da-

Vinther fest, dass Bündnisse keine Staatsgründung bewirken und die Schweiz deshalb nicht als Staat betrachtet werden könne, Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 208 f. 46 Christoph Besold, Discursus, Tübingen 1678, S. 39 f., zitiert bei Schott, Eidgenossen, 1991, S. 82 f. 47 Friedrich Achilles von Würtemberg (wohl Thomas Lanz), Consultatio de principatu inter provincias Europae habita Tubingae in illustri collegio, Tübingen 1613, S. 1120–1123; dazu Schott, Eidgenossen, 1991, S. 81 f., 89. 48 Oldenburger, Notitiae, 1669, S. 240 (2, 21): »Caeterum mihi, cum in Helvetia subsisterem, narrabatur a Viro, rerum Helveticarum pergnaro, fabulosa haec esse, nec Legatos verbis tam insulsis ac pudendis usos: Quin & ante tricennale bellum Processus eiusmodi Camerales apud Helvetios fuisse incognitos.« Vgl. die Ergänzung bei Ir enicus, Collegium, 2, 1670, S. 52: »Que de missa Spiram legatione … memorat, citra dubium fabulosa sunt, Nec enim ex Archivis, nec ut puto, ex ipsius Camerae actis, de ulla Legatone Spiram missa constat, neque credibile est, Legatos verbis tam insulsis & plane pudendis fuisse usuros …«.

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gegen in seinem 1640 verfassten, aber 1669 unverändert neu aufgelegten Kommentar zur lex regia auf, um den Übermut der Schweizer zu charakterisieren, welche für sich selbst »superioritas« beanspruchten. Dabei komme »plenissima libertas« weder ihnen noch den Niederländern oder den italienischen Städten zu, selbst Venedig nicht: Nirgends sei die »superioritas imperii« durch den Kauf von Rechtstiteln oder durch die – ohnehin auf das Privatrecht beschränkte – Verjährung (praescriptio) so eingeschränkt, dass man von einer Exemtion sprechen könne, welche nur die früheren Reichsglieder Frankreich, Spanien, England, Polen, Ungarn, Dänemark und Preußen geltend machen könnten.49 Im Unterschied zum Sachsen Carpzov interpretiert der Basler Remigius Faesch in seiner Dissertatio de foederibus ex iure publico 1620 den Auftritt vor dem Kammergericht positiv als selbstbewusste Freimütigkeit (»strenua parresia«). Vom Kaiser als »mundi dominus« leitet Faesch das Bündnisrecht her und spricht es den Königen zu, ebenso den reichsunmittelbaren und italienischen Fürsten, den reichsfreien Adligen und Geistlichen, den Reichsstädten und freien, mit Regalien versehenen »populi aut Resp. liberae«: Neben Venedig, Genua, Lucca, Genf und den Niederlanden, die nach seiner Ansicht als vom Reich gelöste Staaten gelten können, zählen dazu auch die Bündner und Eidgenossen. Letztere hätten die volle Freiheit (»plenaria libertas«) erlangt, indem sie sich entschieden gegen die häufigen Zitationen vor das Kammergericht gewehrt hätten, was der Kaiser durch Stillschweigen billige. Faesch interpretiert die Formulierung »Eydsgenossen und andere Christlichen Potentaten« in verschiedenen Reichstagsabschieden als Anerkennung der Unabhängigkeit: »quae formulae non subditos, sed extraneos innuunt«. Allerdings verehrten die Schweizer die Majestät des Reichs noch gewissenhaft (»comiter sancte«), ebenso dessen Insignien als Ausdruck kaiserlicher Privilegien; auch werde das Imperium in Bündnissen stets vorbehalten.50 Obwohl also Faeschs Arbeit unter den juristischen Dissertationen an seiner Heimatuniversität auffällt, weil sie davon ausgeht, dass die Eidgenossenschaft vom Reich gelöst ist, belegt auch der Basler eine gewisse Anhänglichkeit an die Reichsidee.51

49 Carpzov, Lex regia, 1669, S. 184 f. (7, 9, 9–26). 50 Faesch, Foedera, 1620, Cap. 3e; 8; Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 194 f., 210–213; Schott, Eidgenossen, 1991, S. 87 f. 51 Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 199 f., 214.

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Faesch und ähnlich sein Landsmann Sebastian Bitt gehen also von einer völkerrechtlichen Fragestellung aus und schließen im Wesentlichen aus der Bündnisfreiheit der Kantone auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft – ohne das staatsrechtliche Verhältnis zum Reich wirklich zu thematisieren. Die weiterhin unscharfe Zuordnung der Eidgenossenschaft zeigt sich auch beim Jenenser Systematiker Johannes Limnaeus in seinem ab 1629 verfassten, gewaltigen Ius publicum: Wie andere Autoren auch behandelt er die »Helvetii« im Kapitel über die »provinciae ab Imperio avulsae«. Limnaeus wiederholt die Anekdote der Delegation nach Speyer und meint, nach der »fere communis opinio« anerkennten die Schweizer das Reich nicht mehr. Nach seiner Ansicht seien sie gleichwohl nicht »in totum exempti ab Imperio«, und dies ebenso wenig wie Frankreich, England oder Venedig. Im zweiten Ergänzungsband findet sich in der zweiten Auflage von 1670 dann aber unter Verweis auf den Westfälischen Frieden das nüchterne Fazit: »Hodie Helvetii non amplius Imperii dicasteriis & judicibus subjecti sunt.«52

3. Die Beurteilung der Eidgenossenschaft in Frankreich Als die Eidgenossen 1544 die Erbeinung mit Österreich erneuern, nennt sie der Text selbstverständlich »Imperii sacri fideles«. Doch im Friedensvertrag von Crépy, den François Ier im selben Jahr mit Karl V. eingeht, werden sie wohl eingeschlossen, aber von den übrigen Reichsständen getrennt aufgeführt: »Aussi sont expressément compris en cette Paix … les Electeurs, Princes, tant Ecclesiastiques que Seculiers, Citez et Villes Imperiales et tous autres Etats du Saint Empire … Item … les Treize Cantons des Ligues«.53 Der Unterschied zwischen dem Kaiser und dem Allerchristlichsten König ist bezeichnend und bleibt es: Während im Reich noch lange zumindest die Frage gestellt wird, ob die Eidgenossen dazuzuzählen sind, behandeln die Franzosen das protegierte Söldnerreservoir schon früh als eigenständiges Gebilde, das Kaiser und Reich für seine Kapitulationen keine Rechenschaft schuldet, obwohl sie nur zu oft deren Interessen zuwiderlaufen. So werden 1585 Schweizer Gesandte bei der Bündnisbeschwörung in Paris mit dem Titel »Ambassadeurs« empfangen, nämlich »des puissans & libres Poten52 Vgl. Limnaeus, Ius publicum, Bd. 5, 1660, S. 163, bzw. Bd. 5, 1670, S. 151 (ad 1, 9). 53 EA , 4, 1d, S. 1086 f.; vgl. Hauswirth, Realität, 1970, S. 159.

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tats, Suisses, Grisons, & leurs Coalliez«. Durchaus überwindbar ist noch die Distanz zwischen ihnen und dem gekrönten Haupt, das seine Verbündeten nach der Zeremonie sogar noch umarmt.54 Eine ähnliche Herzlichkeit hat auch François Ier gepflegt, und für Henri II ist es keine Erniedrigung gewesen, die Eidgenossen und Zugewandten kollektiv als Taufpaten seiner Tochter Claude zu erwählen.55 Besonders warm sind die Beziehungen unter Henri IV, so dass die Bundeserneuerung von 1602 mit – vorerst noch ohne Zürich – zwölf Orten und allen Zugewandten ebenso erfolgreich abgeschlossen wie in Paris feierlich begangen wird.56 Michael Stettlers äußerst zufriedener Bericht in seiner Chronic von 1626 wird von Lünig noch ein Jahrhundert später aufgenommen: »Solches Tractament, so also denen Schweitzerischen Ablegatis und Deputatis damahls wiederfahren, war herrlich und fast Königlich.«57 Unter diesem Herrscher scheinen die konstitutionellen Differenzen zwischen den zwei Ländern völlig unbedeutend, da sich beide – zumindest im Urteil von André Duchesne – den Vorteilen in der Verfassung des anderen annähern, »n’y ayant Monarchie au monde, dont le joug soit plus doux, ny où il y ait moins de servitude qu’en France, ny Republique où la liberté soit mieux limitée de la Justice et de la raison, que celle des treize villes confederees«.58 Wenig erbaut über die den Schweizern zugesagte Bezahlung der Schulden, die Henri IV im Unterschied zu den meisten seiner Vorgänger und Nachfolger auch tatsächlich begleicht, ist sein hugenottischer Finanzminister, der erwähnte Duc de Sully. Gleichwohl zeigt sein berühmter »grand dessein«, die eine auf dem Gleichgewichtsprinzip beruhende »république chrétienne« hervorbringen soll, wie die Eidgenossenschaft um 1600 in Frankreich eingeschätzt wird. Sully gibt in seinen Mémoires vor, Henri IV habe diesen Plan selbst verfolgt; tatsächlich hat ihn der Minister nach seinem Sturz selbst und mit einiger Phantasie entworfen, doch entsprechen die Grundzüge durchaus der von Sully entscheidend mitgeprägten Außenpolitik des Navarresen. Die skizzierte Föderation, ein Ersatz für das mittelalterliche Imperium, soll aus einer beschränkten Zahl von Mächten (»puissances«) in drei Gruppen zusammengesetzt sein:

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Tatt, Discours, 1585, S. 32. Zur Medaille, die aus diesem Anlass geprägt wird, unten, S. 264. Dazu Rott, Henri IV, 1882, S. 154–200. Lünig, Theatrum, 1, 1719, S. 987; vgl. Stettler, Chronic, 2, 1626, S. 407 f. Duchesnes Urteil von 1609 zitiert bei Albertini, Das politische Denken, 1951, S. 124.

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1. die Wahlmonarchien (mit Souveränitätstitel, aber »eslection & nomination Aristocratique«), nämlich das Reich, der Kirchenstaat (mit Süditalien), Venedig, Polen, Ungarn und Böhmen; 2. die Erbmonarchien (»qui se pretendent absolument Souverains par voye d’heredité«), also Frankreich, Spanien, England, Dänemark, Schweden und die Lombardei (als Neugründung unter savoyischer Herrschaft); 3. drei Republiken (»aians l’apparence en general d’une subsistance populaire … qui ont leur particulieres Souverainetez, Dominations, Loix, Privileges, usances & coustumes distinctes«), das heißt die »Republique des Helvetiens«, Ober- und Mittelitalien als föderalistische »république ducale« sowie die (nördlichen und südlichen) Niederlande als »Republique Provinciale«. Alle diese Staaten wären in einem »conseil général de l’Europe« vertreten, einem Senat von auf drei Jahre ernannten Bevollmächtigten, mit je vier Abgeordneten der großen und je zwei der kleinen Mächte. Diese »autorité réunie de tous les souverains« würde im Inneren den Frieden sichern und außen den türkischen Feind bekämpfen.59 Sullys an verschiedenen Orten und in manchen Einzelheiten widersprüchlich präsentierter Plan ist in mehrfacher Hinsicht den Republiken wohlgesinnt, und ganz besonders der Eidgenossenschaft, welche staatliche Unabhängigkeit noch gar nicht reklamiert, als der 1642 verstorbene Sully sein Projekt vermutlich in den 1620er Jahren verfasst.60 Er spricht allen Republiken erheblichen territorialen Zuwachs zu und nimmt sie fast gleichrangig im europäischen Mächtechor auf, wo ihnen zusammen mit dem Papst die Schiedsrichterfunktion unter den eifersüchtigen Monarchien zukommt. Außerdem ist die »desirable République universelle tres-Chretienne« selbst als föderative Republik konstituiert, in dem ein Senat nach dem Mehrheitsprinzip Entscheidungen fällt. Sully sieht als Kern dieser Friedensordnung die Zuneigung von Henri IV zu den »trois Amis alliés & confederés«, nämlich den Niederlanden, Venedig und der Schweiz samt Zugewandten. Mit ihren territorialen Erweiterungen würden sie einen breiten republikanischen cor59 Der »dessein« mit den »quinze dominations« ist wiederholt thematisiert, vgl. Sully, Mémoires, 1638, Bd. 2, S. 3, ausführlich dann 1662, Bd. 3, S. 408–426, vgl. auch 41–49, 161–171, 172–179, 379–393, 458–464; Bd. 4, S. 65–69, 77–91. Vgl. Albertini, Das politische Denken, 1951, S. 166–170; Raumer, Ewiger Friede, 1953, S. 67–78; Reibstein, Völkerrecht, 1958, Bd. 1, S. 464–467; Malettk e, Frankreich, 1994, S. 264–275. 60 Zur Entstehungsgeschichte Pfister, Economies royales, 1894, besonders Heft 56, S. 317–328, 336 f.

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don sanitaire zwischen Bourbon und Habsburg bilden. So erhielte die Schweiz zulasten der Habsburger Zuzug durch das Elsass, die Freigrafschaft, Trient und das Tirol, »lesquelles aspiroient à ioüïr d’une mesme franchise & liberté populaire avec eux«.61 Dem Reich (aber nicht dem Kaiser) verbunden bliebe diese »Republique absoluement Souveraine en elle-mesme« allerdings noch durch eine feudale Bindung mit Hilfeverpflichtung, »un simple hommage«, das alle 25 Jahre erneuert würde. Ähnlich eingebunden wären die Niederlande, und analog auch die »République d’Italie« gegenüber dem Papst. Damit sind diese föderativen Republiken also noch nicht ganz aus der Lehenshierarchie emanzipiert, dies im Unterschied zu Venedig, das wohl gerade deshalb in der anderen Kategorie der Erbmonarchien behandelt wird.62 Gleichwohl stellt Sully den Schweizern und Niederländern wie auch den Böhmen erstmals einen völkerrechtlich höheren Rang in Aussicht als den übrigen Reichsständen, aber auch als den italienischen Fürsten und Republiken wie Genua und Lucca, die nur als Teile einer Föderation im »grand dessein« berücksichtigt sind. Sullys Aufwertung der Eidgenossenschaft steht im Frankreich seiner Zeit nicht allein da. Wie bereits oben gezeigt, behandelt Rohan in den 1630er Jahren die Eidgenossenschaft als den Fürsten gleichwertiges, autonomes Glied der Staatenwelt.63 Schon 1623 verfasst Emeric Crucé seine Friedensutopie, die er ausdrücklich weder an das Volk noch an Gewaltmenschen richtet, sondern an die »Monarques & Princes Souverains«. Ihre Versammlung, die – revolutionärerweise – auch nichtchristliche Fürsten einschließt, soll im neutralen Venedig tagen und dort auch die Vertreter der »grandes Republiques« um ihren Rat fragen, aber nicht »ces petites Seigneuries, qui ne se peuvent maintenir d’elles mesme, & dependent de la protection d’autruy«. Als Beispiele der großen »Republiques Souveraines« nennt Crucé außer der Serenissima nur noch die Eidgenossenschaft; bei Stimmengleichheit unter den Monarchen würden ihre Voten den Ausschlag geben.64 Damit legt der überzeugte Monarchist Crucé die zwei einzigen Republiken, die er in seiner utopischen Staatenwelt neben den Fürsten überhaupt akzeptiert, auf die Rolle der ambitionslosen, neutralen Vermittler fest, wie

61 Sully, Mémoires, 1662, Bd. 4, S. 86. 62 So bei Sully, Mémoires, 1662, Bd. 3, S. 413; in Bd. 4, S. 79, gehört Venedig als »Republique Seigneuriale« zu den »autre Republiques Souveraines«. 63 Vgl. oben, S. 96. 64 Crucé, Cynée, 1909, S. 103, 115/117, 121, 171/173; vgl. Raumer, Ewiger Friede, 1953, S. 306–309.

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sie ähnlich auch Sully mit seinen Schiedsrichtern vorschwebt. Die Souveränität der Eidgenossenschaft beziehungsweise der einzelnen Orte wird also von den französischen Staatsdenkern gleichsam vorweggenommen, aber auch von Diplomaten wie dem Residenten Robert Miron, der 1627 von den »Cantons Souverains« spricht.65 Trotz dieser vorzeitigen völkerrechtlichen Beförderung können sich die Eidgenossen der wachsenden staatsrechtlichen Skepsis, ja Verachtung für Republiken und Kleinstaaten nicht entziehen, wie sie die unter und von den Bourbonen betriebene, rasch zunehmende Verklärung der absoluten Monarchie mit sich bringt. Gerade die zersplitterte Verfassung bereitet den an Bodin geschulten Autoren einige Mühe, wenn etwa Silhon die fehlende Zentralgewalt als Sonderfall festhält, der sich nur mit den alten Griechen vergleichen lasse.66 Absichtlich exemplifiziert der Verehrer Richelieus den »mal-heur de la condition des petits Princes« am Beispiel von Venedig, das als größte Macht Italiens gilt, aber auf sich selbst gestellt Zypern nicht halten könnte. Welchen Zwängen unterwerfen sich nicht all diese kleinen Staaten, »pour conserver cette vaine image de liberté dont ils sont épris, & cette douce illusion d’authorité Souveraine dont ils sont charmez«. Dabei bleiben sie doch auf die Protektion eines großen Fürsten angewiesen, ohne die bequeme Sicherheit und Vorteile von dessen direkter Herrschaft genießen zu können.67 Weder die freistaatliche Verfassung noch die Stellung einer absteigenden Mittelmacht hat in französischen Augen etwas Beneidenswertes an sich, wohl aber die Stabilität der Eidgenossenschaft eine strategische Bedeutung: als Reservoir für Söldner und als Flankenschutz gegen Habsburg. Im eigenen Interesse appelliert deshalb 1634 der französische Botschafter an die Schweizer, die konfessionellen Gegensätze hintanzustellen und die eigene Freiheit zu verteidigen. Dabei warnt er vor dem »voisin puissant ancien ennemy de vostre liberté qui se disant avoir sur vos estats des pretentions legitimes, voudroit bien vous assuietir, et taschera tousiours par les promesses captieuses de perdre tout le corps de vos republiques«.68 Die Schwächung der Habsburger durch die Stärkung der Eidgenossenschaft – das ist auch in Westfalen die französische Politik.

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Miron, Relation, 1844, S. 270. Albertini, Das politische Denken, 1951, S. 121–127. Silhon, Ministre, 2, 1664, S. 197–201. Brief des französischen Botschafters Michel Vialard aus Solothurn an die 13 Orte, StAZG Ausland, Theke 3 (Savoyen, Sardinien), 26. Juni 1634.

4. Wettsteins Mission und der Westfälische Friede

4. Wettsteins Mission und der Westfälische Friede Es geschieht vor dem Hintergrund gewachsener kaiserlicher Macht und eines verstärkten Reichsbewusstseins sowie in der Nachbarschaft durchziehender Truppen, wenn im Dreißigjährigen Krieg das Verhältnis der Eidgenossen zum Heiligen Römischen Reich neu thematisiert wird. 1629 überreicht der zum Katholizismus konvertierte Württemberger Isaak Volmar seinem Landesherren, Erzherzog Leopold V. in Innsbruck, eine Denkschrift über die »selbstmächtig angemaßte Souveränität« der Schweizer. Der Jurist führt aus, dass die Schweizer sich nicht »vollkommener, unnachzüglicher Freiheit« rühmen können, sondern vom Kaiser angesprochen werden als »Unsere und des Reichs Liebe und Getreue« – ein deutlicher Beweis von »subjectio«. Auch die Reichsadler an den öffentlichen Gebäuden im ganzen Land zeigten deutlich, wessen »Schutz und Hoheit« diese »dem röm. Reich ungezweifelte, doch von andern gemeinen Reichsschuldigkeiten ausgezogene und befreite Bürger und Angehörige« unterstehen.69 Fast identisch argumentiert dann 1641 Österreich am Reichstag, die Eidgenossenschaft habe sich schon vor vielen Jahren dem heiligen Reich »entzogen«, verdanke aber diesem seine Privilegien, »also sie selbst nicht in Abrede seyn könnten, daß sie mit dem Reich verwandt seyen«.70 Ihrerseits sind die Schweizer bereits sensibilisiert, seitdem sich die Tagsatzung 1635 dagegen verwahrt hat, dass Ferdinand II. die Anhörung einer Gesandtschaft »befehle und begehre«: Solche Ausdrücke seien einem »freien Stande« gegenüber nicht gebräuchlich. Ähnlich reagiert man zwei Jahre später auf »etliche imperativische und dem freien eidgenössischen Stande ungewohnte Ausdrücke« in kaiserlichen Briefen; er möge die »Herren und Obern« wie von alters her üblich und nicht »als Unterthanen tractieren«.71 Das Interesse an der Frage, »was die Schweizer als Reichsgenossen … bei dem jetzigen Zustand des Reichs, da es von auswärtigen Völkern überall angefallen, Kaiser und Reich zu leisten schuldig« seien,72 ist vor allem deshalb erwacht, weil die Franzosen dank Bernhard von Weimar

69 Gallati, Kaiserhof, 1932, S. 366 f., vgl. auch 14 f., 363–373 (Beilage I). 70 Zitiert bei Jan, Staatsrechtliches Verhältnis, 1, 1801, S. 191, der auf das Reichstagsprotokoll vom 19.–24. Juli 1641 verweist, bei S. Londorp, Act. publ. Th. 5, S. 484 f., 528 f. 71 EA 5, 2, S. 958 (Oktober 1635), 1030 (Mai 1637). 72 Gallati, Kaiserhof, 1932, S. 95; Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 175.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

1638 Breisach erobert und sich rechts des Rheines festgesetzt haben: Erst recht droht das Elsass verloren zu gehen. In dieser neuralgischen Zone kommt nun einiges auf die Eidgenossen an, vor allem hinsichtlich Nahrungslieferungen, Durchmarschrechten oder Neutralitätspolitik. Besonders wichtig ist die Brückenstadt Basel, aber das Augenmerk richtet sich zudem auch auf die reichsnahen Städte Mülhausen, Schaffhausen und St. Gallen: Sie alle werden im Sommer 1640 zum Regensburger Reichstag eingeladen, weil ihre Reichsbande rechtlich enger sind als die der zehn älteren Orte.73 Ebenso wie Rottweil haben sie alle 1495 die Wormser Reformbestimmungen anerkannt, ihre Namen finden sich in der Kammergerichtsordnung von 1555 und in der Reichsmatrikel von 1521. Nachdem dies längere Zeit nicht mehr geschehen ist, werden denn auch Mülhausen 1624 und vier Jahre später Basel wieder vor das Kammergericht zitiert – bezeichnenderweise nachdem ein Genueser Rechtsprofessor der Basler Universität gegen eine Entscheidung des Stadtgerichts appelliert hat. 1643 lässt das Kammergericht Basler Waren im Reich arrestieren, nachdem in einem weiteren Fall ein Schlettstädter Weinhändler gegen das Basler Gericht appelliert hat, obwohl der Rat dies schon 1517 und seither wiederholt verboten hat. In dieser Situation schlägt Basels Bürgermeister Johann Rudolf Wettstein 1645 den Miteidgenossen vor, die Exemtion aller Eidgenossen von solchen Maßnahmen im westfälischen Friedensvertrag garantieren zu lassen.74 Über den Ambassador in Solothurn bitten die evangelischen Orte darauf Henri II d’Orléans-Longueville, den französischen Bevollmächtigten und zugleich Fürsten von Neuchâtel, die Eidgenossenschaft in den Frieden einschließen zu lassen. »In specie« wollen sie »bÿ ruhigem herkommen verblÿben« und von »söllicher beschwerlichen nüwerung« verschont werden. Aus dem Zusammenhang ergibt sich eindeutig, dass darunter Appellationen an das Reichskammergericht zu verstehen sind, doch als Marginalie wird in den Abschieden die »nüwerung« noch präzisierend ergänzt als »Irem hergebrachten frÿen Stand und Souverainitet zuwider lauffende«. Vermutlich ist es der an-

73 EA 5, 2, S. 1174 (Juli 1640). 74 Für den Erwerb und die Interpretation der Exemtion außer den grundlegenden Werken von Gallati, Kaiserhof, 1932, S. 141–302, und Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 163–254, Müller, Exemtion, 1946, Mommsen, Souveränitätslehre, 1968, und zuletzt die Beiträge in Jorio, 1648, 1999 sowie in den Ausstellungskatalogen Wettstein, 1998, und Bussmann/Schilling, 1648. Krieg und Frieden. Textband I, 1998.

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4. Wettsteins Mission und der Westfälische Friede

wesende und in dieser Sache angesprochene französische Botschafter, der dieses neue Wort als Nachtrag auf der Tagsatzung einbringt und für einen Sachverhalt vorschlägt, mit dem noch im herkömmlichen Sinn die Gerichtshoheit gemeint ist.75 Wettsteins Sondierungen beantwortet der wohlwollende Henri II mit dem Hinweis, dass eine eigenständige Delegation opportun wäre.76 Übermittelt wird diese Botschaft durch einen Berner General in französischen Diensten, Hans Ludwig von Erlach, der dabei wohl unbewusst gerade den heiklen Punkt anspricht: »Da die Schweizer Orte souverain seien, dürfte sie niemand hindern, einen eigenen Abgeordneten zu senden.«77 Die katholischen Orte zeigen allerdings wenig Neigung zu einer »unnötigen« Delegation, die ihre eigenen Interessen kaum zu betreffen scheint, und so kann Wettstein am 14. Dezember 1646 nur mit einer Vollmacht der evangelischen Kantone einschließlich Biels und St. Gallens nach Westfalen abreisen. Den stärksten Rückhalt hat der grundsätzlich Österreich gewogene Basler demnach nicht bei seinen (von Schaffhausen und Zürich abgesehen) indifferenten bis abweisenden Miteidgenossen, sondern – trotz vorübergehenden Bedenken – bei den Franzosen selbst, deren Vorstoß ins Elsass er perhorresziert. Sie sehen die Möglichkeit, die von ihren Strategen schon lange vorausgesetzte Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft durch einen völkerrechtlichen Vertrag zu formalisieren. So schreibt Mazarins Staatssekretär Loménie de Brienne 1645 den Verhandlungsführern in Westfalen, dem Comte d’Avaux und Abel Servien: »vous sçavez l’alliance des cantons avec la France et combien il importe de maintenir leur souveraineté«78 – ein Status und ein Wort, mit denen zu diesem Zeitpunkt die wenigsten Eidgenossen etwas anfangen könnten. Von französischer Seite wird Bodins Konzept dagegen seit Beginn der Friedensverhandlungen systematisch mit der Forderung instrumentalisiert, »que tous les Princes et Estats en general et en particulier seront maintenus dans tous les autres droits de Souveraineté«, auf Lateinisch »in omnibus aliis suis souverenitatis juribus vel supremitatis«.79 Die möglichst großzügige Verteilung von Souveräni-

75 StAZ B viii 128, fol. 568v; vgl. EA 5, 2, S. 1361 (Baden, Juli 1645). 76 Für den Duc de Longueville Scheur er, Henri II, 1999; vgl. auch EA 5, 2, S. 2261. 77 Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 276. 78 Bosbach, Französische Korrespondenzen, 2, APW II B 2, 1986, S. 490 (Nr. 154, 1. Juli 1645). 79 Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 82.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

tät(srechten) an die Reichsstände soll die Macht des Kaisers zersplittern und die Gefahr eines habsburgischen Absolutismus bannen. Daher werden in den französischen Übersetzungen der Friedensverträge die landesherrschaftlichen »ius territoriale« und »ius superioritatis« sehr bewusst mit »droit de souveraineté« statt mit dem korrekten »droit territorial« wiedergegeben, was angesichts der Bindung an das Reichsrecht und der reichsgerichtlichen, ja kaiserlichen Eingriffs- und Reservatrechte nicht angemessen ist.80 Die kaiserlichen Unterhändler hingegen haben die realpolitische Sprengkraft des ungewohnten Worts allmählich durchschaut, das bisher in der lateinischen, traditionelleren Form der majestas bloß zum Reservat der gelehrten reichspublizistischen Sprache gehört hat. Deshalb verweigern die Vertreter von Kaiser und Reich den Gebrauch des Wortes »Souveränität« grundsätzlich. In den lateinischen und deutschen Fassungen des Friedens kommt es nicht vor – auch nicht in Bezug auf die Eidgenossen, denen, wie gleich zu zeigen ist, der reichsrechtliche Status der Exemtion zugesprochen wird, während die Niederländer die Formulierung in ihrem Vertrag mit Spanien durchaus als völkerrechtliche Souveränität interpretieren können.81 Der zurückhaltende Sprachgebrauch der Kaiserlichen hat also nichts mit dem besonderen Fall der Eidgenossenschaft zu tun, sondern gehorcht prinzipiellen Bedenken. Dies beweist ausgerechnet Isaak Volmar, der 1629 habsburgischen Prätentionen das Wort geredet hat und inzwischen als rechte Hand des kaiserlichen Delegationsleiters Maximilian von Trautmannsdorf in Münster wirkt. Als entschiedener Gegner Frankreichs sieht er es für unabdingbar an, die Eidgenossen für Ferdinands III. Sache zu gewinnen – durch Kooperation und nicht durch Konfrontation: »Das hauss Österreich hette von anno 1310 biss uff anno 1474 stetigen krieg mit denn Schweitzern gefüert und durch keinen anstandt mit inen zu ruhe kommen mögen, biss endtlich in disem 1474. jar ein ewige erbeinung mit inen auffgericht und sie für eine freye republica declarirt worden seyen. Von dieser erbeinung hette man gleichwol dise guetthat, dass derentwegen die Schweitzer bei disen ietzigen schweren anfechtungen dess hauss Österreich sich niemaln zu offentlichem bruch hetten vermögen lassen wöllen.«82

80 Steiger, Westfälischer Friede, 1998, S. 68; Malettk e, Frankreich, 1994, S. 284 f.; ders., Perception, 2001, S. 82–85, in Auseinandersetzung mit Braun, Traductions, 1996, S. 142 f. 81 Vgl. oben, S. 120. 82 Volmar, Diarium, 1, 1984, S. 580 (30. März 1446).

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Als die Franzosen die Sachlage prüfen lassen, muss ihr Resident in Speyer, François Cazet de Vautorte, feststellen, »que la Ville de Bâle est encore un Membre de l’Empire«. Nicht nur die Einträge in der Reichsmatrikel und der Kammergerichtsordnung zeigen dies, sondern auch der Doppeladler auf den Münzen der Rheinstadt, die auch weiter Gesandte an die Elsässer Münztage abordnet. Angesichts der klaren Rechtslage und weil auch er die praescriptio bei Herrschaftsrechten nicht gelten lassen will, hat aber derselbe Vautorte das typisch französische Gegenargument zur Hand: Man soll nicht auf das überlebte Reichsrecht der »Docteurs« achten, sondern auf die »liberté reelle«, die sich – wie in anderen Fällen auch – eben aus der »force du tems & leurs armes« ergebe.83 Dies ist eine Argumentationslinie, die Wettstein beim Antritt seiner Reise noch kaum vertraut ist. Die traditionelle und an sich bewährte Politik der Eidgenossen ist es gewesen, konkrete Ansprüche oder Zitationen des Reichs mit dem Verweis auf Freiheiten und Herkommen zurückzuweisen, aber sich nie auf grundsätzliche Fragen über den eigenen Status einzulassen.84 Diese Strategie fließt auch noch in Wettsteins Instruktionen ein, worin ihm nahegelegt wird, »daß Ihr Üch mit niemandem in einich Gezänck oder Disputat diser Sachen wegen ynlassind und das wenigste unserer Freyheit dardurch in Compromiß oder Gefahr setzind«.85 Zu diesem Zeitpunkt stehen zwei Argumentationslinien im Vordergrund, die aber beide ihre Schwachpunkte haben. Eine davon ist die Verjährung, praescriptio, obwohl sie im Reichsrecht wie erwähnt für Herrschaftsrechte nicht vorgesehen ist. Zum anderen sind es die (Basler) Privilegien, wobei vor allem an das Privilegium de non evocando von 1433 gedacht wird, auch wenn dort naturgemäß das Kammergericht nirgends erwähnt ist. Gleichwohl führt Wettsteins Instruktion zwei Rechtstitel an, Basels »sonderbahre Keyserliche und Königliche Privilegien« sowie die mit den Eidgenossen »gemein habende Exemtions-Freyheit«. Diese wird im Grunde genommen für zwei verschiedene Bereiche beansprucht, einerseits als Befreiung »a camera«, von höheren Gerichten und konkret dem Kammergericht, andererseits »ab imperio«, von Verpflichtungen im Reich. Beansprucht wird die doppelte Exemtion mit den zwei skizzierten Begründungen, sowohl durch eigens neu abgeschriebene alte Privilegien

83 Négociations secrètes, 3, 1726, S. 500–503; vgl. das Kopieschreiben in StAZ A 1763, 166 (10. Oktober 1646); Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 185. 84 Mommsen, Souveränitätslehre, 1968, S. 437. 85 EA 5, 2, S. 1402 (19. November 1646); Fechter, Exemtion, 1873, 102.

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als auch durch eine »Verjährung, welche Menschengedenken übersteigt«.86 Wettstein gedenkt also ursprünglich, sich im herkömmlichen Sinn die Exemtion im Rahmen von Reich und Reichsrecht durch Ferdinand III. gewähren – oder vielmehr bestätigen zu lassen, damit die Eidgenossenschaft im Sinne der Instruktion »bey Ihren Loblichen hargebrachten Freyheiten rühwig, ohnangefochten und ohnbekümert« verbleiben könne.87 Dagegen rät ihm schon im Vorfeld der Gesandtschaft Caumartin, der französische Gesandte in Solothurn, sich nicht auf den »schlechtesten Titel« reichsrechtlicher Freiheiten einzulassen, sondern sich auf die Freiheit zu berufen, »so sie durch das Recht der Waffen erlangt, durch deren sie sich auch schirmen sollen auf gleiche Weise, nach dem Exempel der Herren Staaten in Holland, welche sich einiger Freiheit oder Exemption nicht bedienen, so sie von den Königen in Spanien haben, sondern der Gewalt ihrer Waffen«.88 Vergleichbar ist die Rechtsposition der Niederländer, deren diplomatische Erfolge Wettstein bewundert, nachdem er Ende 1646 in Westfalen angekommen ist.89 Allmählich passt der Basler seine Argumentation dem niederländischen Vorbild und seinen französischen Lehrern an: Um den Jahreswechsel 1646/47 herum hält er gegenüber einem kaiserlichen Diplomaten fest, dass das »Fundament« seiner Argumentation nicht die mitgebrachten Privilegien, sondern die allgemeine Exemtion und Befreiung aller Eidgenossen sei.90 Am 9. Januar 1647 legt er Ferdinand ein Memorandum vor, in dem er, zumindest für Basel, die Privilegien noch erwähnt. Doch sie ergänzen bloß, gleichsam als »doppelte Befreiung«, das Argument, das vom Nachhilfeunterricht zeugt, den ihm die Franzosen erteilen: »Es ist reichs- und weltkündig, daß die Eydtgnoßschaft ein freyer Stand, so nechst Gott einzig von sich selbsten dependiert, seye«, der also selbständig Kriege führe, Bündnisse schließe, den Reichstag nicht besuche und niemandem Abgaben

86 Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 188; Mommsen, Souveränitätslehre, 1968, S. 438. 87 EA 5, 2, S. 1402 (19. November 1646); Fechter, Exemtion, 1873, 102. 88 EA , 5, 2, S. 1383. 89 Zitiert bei Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 527; vgl. S. 280 und StABS , Politisches Q 16, Nr. 48. 90 Wettstein, Diarium, 1962, S. 15; noch deutlicher S. 65, am 20. Februar bei D’Avaux: »ich mein fundament nicht uff die Kayserliche Privilegia gesezt … Daß Fundament unnserer Sachen seye die gemeine Eydtgnössische Freyhheit, in deren wür unnß so lang conserviert haben und es noch fürbas zethuen gantz entschlossen seyen.« Vgl. auch den Rechenschaftsbericht EA 5, 2, S. 2262.

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schulde. Es sei demnach »notorie und offenbar, das die Eidgnoßschafft ein freyer, für sich selbsten bestehender Stand ist, so keinen andern Richter als sich selbsten erkhennet, welcher auch solcher und anderer Souverainetet in unfürdenkhlichem ruehigem Posseß gebliben und noch ist, und der sich fürbaß (durch die Gnad Gottes) bey derselbigen ohnzertrennt zu conserviren gentzlich resolvirt ist«.91 Die Wendung »solcher und anderer Souverainetet« zeigt, dass auch Wettstein die hoheitlichen Rechte noch einzeln denkt: Mit »solcher« meint er die Gerichtshoheit, mit »anderen« die ebenfalls erwähnten außenpolitischen Souveränitätsmerkmale wie Bündnis- und Kriegsrecht. Mit dieser Argumentation dringt der Basler aber im Kurfürstenkollegium nicht durch, das sich als Wahrer der Reichsrechte versteht: Es verspricht ihm einzig die Bestätigung der bestehenden Freiheiten und die Befreiung vom Kammergericht. Nachdem sich die Verhandlungen während einiger Wochen erfolglos hingezogen haben, rät Anfang Februar 1647 Théodore Godefroy in einem eigens verfassten und für Wettsteins Argumentation entscheidenden Discours, der Basler möge »sich allein der Pohsehsion behelffen«. Für Wettstein sind die alten »Freyheiten« noch der Beweis, dass »unnser Pohsehsion der Exemption einen rechtmesigen Anfang gehabt habe«. Godefroy will dagegen die ganze reichsrechtliche Vergangenheit und Argumentation »mitt Stillschweygen übergehen«, wie dies Frankreich selbst in »Provincien« tue, die einst zum Reich gehört hätten.92 Der Jurist Godefroy, der aus einer renommierten hugenottischen Gelehrtenfamilie stammt, hat 1632 eine handschriftlich erhaltene Description sommaire de l’Empire d’Alemagne verfasst. Darin hat er festgehalten, dass die Niederlande und die Schweiz sich zwar weitgehend vom Reich gelöst haben, aber dennoch den Kaiser weiter anerkennen: »Encore que les dictes provinces aussi bien que la Suisse s’en soyent affranchies … l’empereur est recongneu pour seigneur souverain et féodal.«93 Der entscheidende Ratschlag für Wettstein stammt also von einem hervorragenden Kenner der rechtlichen und politischen Verhältnisse im Reich, der auch verstanden hat, auf welchem Weg allein ein Ausbruch aus der feudalen Ordnung des Imperiums möglich ist. Die durch Godefroy veranlasste neue Begründung des Anliegens verspricht jedoch so lange wenig, als Wettstein nur als Vertreter Basels 91 Als Beilage zum Rechenschaftsbericht, EA 5, 2, S. 2268 f.; vgl. S. 2262; Wettstein, Acta, 1651, S. 17; vgl. Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 193 f. 92 Wettstein, Diarium, 1962, S. 40; vgl. Egger, Leistung, 1999. 93 Zitiert bei Malettk e, Perzeption, 1995, S. 169.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

in einer konkreten Streitfrage wahrgenommen wird. Am 20. Februar 1647 ändert sich dies entscheidend, als er das langersehnte »Favorschreiben« erhält, die Legitimation durch alle 13 Orte, die allerdings noch ganz herkömmlich von Herkommen und alten Freiheiten handelt. Vier Tage später kann dagegen Wettstein, nun endlich »in eidgenössischem Namen«, in der sogenannten Recharge an Ferdinand III. klarstellen, dass er »weder Bestätigung noch Extension sonderbarer Privilegien« begehre, sondern bitte, »eine Lobliche Eidgenossenschaft bey ihrem freyen, souverainen Stand und Herkommen fürbaß ruhig und ohnturbirt zu lassen«. Besonders gut greifbar ist die neue Sprache dort, wo Wettstein zuerst festhält, das Kammergericht handle der eidgenössischen »Freyheit, Herkommen und Exemption schnur-stracks zuwieder«, um dann noch im selben Satz zu drohen, man sei notfalls genötigt, »Gewalt mit Gewalt abzutreiben«, um sich »bey erlangter Freyheit, Souverainetet und Herkommen durch Gottes gnad zu schirmen« – Exemtion und Souveränität werden so gleichgesetzt, wobei Wettstein mit beiden Wörtern in erster Linie die inappellable Rechtsprechung meinen dürfte.94 Doch mit dem Terminus »Souverainitet«, der hier seinen ersten großen Auftritt überhaupt im deutschen Sprachraum hat, ist aus einer reichsinternen Frage eine solche des Völkerrechts geworden. Praktisch gleichzeitig mit Wettsteins Recharge erklärt das Reichskammergericht kategorisch, kein Teil eines Staates könne sich einem andern anschließen oder sich eine republikanische Staatsform geben, es sei denn mit Bewilligung des Oberhauptes oder wenn es seinen Pflichten gegenüber den Untertanen nicht nachgekommen sei. Basel aber habe sich aus eigenem Antrieb vom Reich gesondert und den Eidgenossen angeschlossen, und weder der Kaiser noch die Stände hätten dies jemals gutgeheißen. Solange die Stadt nicht auf legitime Weise vom Reichskörper loskomme, müsse sie immer für ein Glied desselben gehalten werden.95 An Ferdinand III. ist es nun, zwischen dieser Argumentation und derjenigen Wettsteins zu entscheiden. Aus Gründen der Staatsraison spricht er sich für die Eidgenossen aus, die er nicht in die Arme Frankreichs treiben will. Der imperiale Dualismus wird damit offensichtlich: Mit dem Kammergericht versuchen die Stände, die Integrität des Reichs und damit auch den Bereich ihrer Zuständigkeiten eifersüchtig zu wahren, während für den Habsburger der europaweite 94 Wettstein, Acta, 1651, S. 28; vgl. EA 5, 2, S. 2270. 95 So paraphrasiert bei Gallati, Eidgenossenschaft, 1932, S. 184 f., ebenso ead., Exemtion, 1948, S. 466.

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4. Wettsteins Mission und der Westfälische Friede

Konflikt mit den Bourbonen im Vordergrund steht. Um deren Vorreiterrolle beim Schweizerartikel zu kaschieren, ist das kaiserliche Exemtionsdekret vom 19. Oktober 1647, das Wettstein am 6. November in den Händen hält, auf den 16. Mai zurückdatiert. Auch inhaltlich hat die Hofkanzlei eingegriffen und die Zugewandten von der Exemtion ausgeschlossen, obwohl Wettstein sie und namentlich St. Gallen mit dem Passus »und deren Anverwandte« ursprünglich mitberücksichtigt hat. Der Widerstand der Stände gegen diesen Einschluss gründet vor allem in der Sorge um Rottweil, doch auch die Reichsterritorien südlich des Rheins empfehlen keine allzu umfassende Formulierung; seinerseits hat Frankreich kein Interesse daran, dass Mülhausen von der Exemtion profitiert.96 So gilt die Exemtion laut Friedensinstrument bloß für die »Helvetiorum unitos cantones eorumque cives et subditos«, was Wettstein wiederum übersetzt als »Ort der Eydgnosschafft, dero Burgere und Underthanen«.97 Allerdings kann »cives«, großzügig interpretiert, auf die verburgrechteten Zugewandten angewendet werden, und tatsächlich ist zumindest Ferdinand III. einem im territorialen Sinn umfassenden Verständnis der Exemtion offenbar nicht abgeneigt, erklärt er doch 1651 dem Mainzer Kurfürsten gegenüber »die ganze Eydgnosschaft alss ein Corpus zusammen für exempt«. Ähnlich sieht es 1656 der Bischof von Basel, als er sich bei einem Streit um La Neuveville am Bielersee einer Appellation an das Reichskammergericht widersetzt und dafür die Exemtion des Städtchens geltend macht, da es in der Eidgenossenschaft liege. Der Reichshofrat deckt diesen Standpunkt und interpretiert damit den westfälischen Friedensartikel im territorialen Sinn, dass die »gesammte Aidgenossschafft von aller des Reichs Jurisdiction allerdings eximirt« ist. Damit wird die Exemtion sogar auf einen zugewandten (Reichs-)Fürsten angewandt, der – soweit es sein schweizerisches Gebiet betrifft – unter die »Ausländer« gehört, »welche dem Reich nicht unterworfen, auch in desselben Grenzen nicht gesessen,« und demnach vom Reichskammergericht nicht belangt werden sollen.98 Insbesondere der Fürstbischof und der St. Galler Fürstabt werden in 96 Das Exemtionsdekret in EA 5, 2, S. 2275, Beilage 17; vgl. Gallati, Eidgenossenschaft, 1932, S. 242 f.; Viehl, Politik, 1967, S. 244; Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 284 zur französischen Weigerung, Mulhouse in den Frieden einzuschließen. 97 EA 5, 2, S. 2275 f., auch 2218; Wettstein, Acta, 1651, S. 38; vgl. Oechsli, Orte, 1888, S. 197–199. 98 EA 6, 1, S. 486, 532; Gallati, Eidgenossenschaft, 1932, S. 342–354, auf S. 346, Anm. 48, leicht korrigierend zu Oechsli, Orte, 1888, S. 199 f.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

den folgenden Jahrzehnten von ihrer Zwischenposition profitieren und bei der Eidgenossenschaft und im Reich jeweils das für sie Vorteilhafte herauspicken. Der weiteren Interpretation bedarf auch die zentrale und signifikante Passage im Exemtionsdekret, das in den 61. Paragraphen des Münsteraner und im 6. Artikel des Osnabrücker Friedensvertrags einfließt. Im Unterschied zu Wettsteins Recharge, die im Dekret wörtlich zusammengefasst wird, ist hier nicht mehr von Souveränität die Rede, sondern von »possessio vel quasi plenae libertatis et exemptionis« beziehungsweise »possessio vel quasi eines freyen und außgezognen Stands«.99 Bereits der französische Friedensentwurf vom Sommer 1647 ist sprachlich weniger klar gewesen als Wettsteins Recharge, auch wenn er mehr impliziert hat als die kaiserliche Version: Für die Franzosen genießt das »Corpus Helveticum« »libertas et omnimoda superioritas« – womit nicht die Bodinsche »majestas«, sondern ein Terminus gewählt wird, der auch im reichsrechtlichen Sinn bloß relativ verstanden werden kann und für alle reichsunmittelbaren Territorien üblich wird: In Westfalen erhalten die Reichsstände das »ius Territorii et Superioritatis« garantiert.100 Der 6. Artikel steht auch inmitten von Bestimmungen, welche die Freiheiten der deutschen Reichsglieder regeln und passt ebenso sprachlich zu ihnen – anders als diejenigen Paragraphen, in denen deutsche Gebiete an Schweden oder Frankreich abgetreten, also ganz offensichtlich vom Reich abgetrennt werden.101 Keine Einschränkung bedeutet hingegen das »vel quasi« in der Formel »possessio vel quasi«; vielmehr ist es die römischrechtlich korrekte Bezeichnung für den Besitz von Rechtsansprüchen – im Unterschied zur reinen »possessio« von Sachen.102 Doch markiert die von der Hofkanzlei gewählte Wendung, überhaupt die Form der »Exemtion« eine Lösung im Rahmen des Reichsrechts: Es handelt sich um ein Zugeständnis des Kaisers, der aber gerade damit als diejenige Instanz anerkannt bleibt, die solche Zugeständnisse machen kann. Die »Exemtionsfreiheit«, wie sie Lothringen und Burgund in den 1540er Jahren erhalten haben, schließt wohl alle Pflichten gegenüber dem Kaiser aus, beinhaltet aber für die »Anverwandten« doch noch eine theoretische Einbindung in das Reich. In diesem Sinn wird Wettstein auch 1650 korrigiert,

99 EA 5, 2, S. 2275. 100 EA 5, 2, S. 2274; vgl. Sellin, Regierung, 1984, S. 395–405. 101 Jan, Staatsrechtliches Verhältnis, 2, 1801, S. 129–131; Leschhorn, Moser, 1965, S. 101. 102 Müller, Exemtion, 1946, S. 219 f.

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4. Wettsteins Mission und der Westfälische Friede

als er gemeinsam mit dem befreundeten Urner Staatsmann und kaiserlichen Offizier Peregrin Zwyer von Evibach nach Wien reist, um gegen das weiterhin renitente Kammergericht zu protestieren. In Wettsteins Mandatsentwurf ist vom »Freyen Souverainen Stand« die Rede, wogegen die Hofkanzlei stattdessen die bewährte Formel der »Exemtion vom Reich« wählt.103 Als das Reichskammergericht 1652 endlich die 1643 arrestierten Waren ausliefert, so geschieht auch dies mit dem Vorbehalt »salvo jure imperii, ejusdemque Statuum, Camerae Imperialis, & cujuscunque interesse habentis«.104 Als aber Wettstein selbst der Tagsatzung im Februar 1648 von seiner Mission Rechenschaft ablegt, vermeldet er, der Kaiser habe »durch ein keyserlich Diploma die Eÿdgnossen für einen souverainischen oder unmittelbaren Stand erkläret, und den punctum exemptionis omnimodae gutgeheißen«.105 Der Basler erläutert das kaum vertraute Wort »souverainisch« durch das bekannte »unmittelbar«, das aber ohne weitere Präzisierung nicht mehr auf das Reich zu beziehen ist, sondern auf Gott. Auch die übrige Wortwahl ist bewusst: Der Kaiser hat ein »Diploma« unterschrieben, also eine Bestätigung und nicht ein Privileg; und er hat die von Wettstein vorgebrachte Exemtion nicht gewährt, sondern »gutgeheißen« und damit als bestehend anerkannt. Während der Basler Bürgermeister das Erreichte im westeuropäischen Sinn als eine völkerrechtliche Klärung ansieht, gehen Ferdinand III. und erst recht die Reichsstände noch von einer reichsrechtlichen aus – und darin werden ihnen noch längere Zeit viele Kantone folgen, ja selbst die Basler Kaufleute, die Wettstein als Dank für seine Mission den berühmten Nautilusbecher schenken: mit dem Reichsadler und dem Schriftzug »Privilegia«.106 Angesichts der ja auch an der Basler Universität dominierenden Reichsidee und Wettsteins eigener, politischer Nähe zum Kaiser überrascht es nicht, wenn die westfälische Lösung gemeinhin so interpretiert wird, dass sie in den reichsrechtlichen Rahmen passt.107 Im direkten Umfeld Wettsteins erkennt man aber im Exemtionsartikel durchaus eine historische Wegscheide, die Anerkennung, dass die Herrschaftsrechte des Kaisers in der Eidgenossenschaft

103 Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 224; analog an die Reichsstände Wettstein, Acta, 1651, S. 48 (10. Juli 1649, an die Reichsstände), 87 (24. April 1651, an den Mainzer Kurfürsten); vgl. Dickmann, Westfälischer Friede, 1977, S. 438. 104 Zitiert bei Schweder, Theatrum, 1, 1727, S. 79. 105 StAZ B VIII 129, fol. 410 (20./21. Februar 1648), vgl. EA , 5, 2, S. 1457 f. 106 Dazu unten, S. 82. 107 Vgl. auch Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 262 f.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

verjährt sind. In einer umfangreichen Darlegung unterscheidet Wettsteins gleichnamiger Sohn, der Theologe Johann Rudolf, 1651 ausdrücklich zwischen einem Privileg, das der Kaiser als Geschenk an seine Untertanen erlässt, und der absoluten Freiheit, die nicht vergeben, sondern bloß anerkannt werden kann – genau das, was im Westfälischen Frieden geschehen sei.108 Dies ist auch die nicht uneigennützige französische Sichtweise, wenn etwa der nunmehr alleinige Delegationsleiter Servien die Basler 1648 daran erinnert, dass sie nicht im reichsrechtlichen Sinn eine neue Exemtion erhalten hätten; vielmehr anerkenne der Kaiser nunmehr »vostre Republique & les Cantons des Ligues de Suisse en general pour un Estat libre & separé«. Wettstein übernimmt diesen Brief in seinem im Auftrag der Eidgenossenschaft verfassten und gedruckten Rechenschaftsbericht, die Acta und Handlungen betreffend gemeiner Eydgnosschafft Exemption von 1651, welche gegen »widrige, dem buchstäblichen Inhalt des Friedens angedichtete Glossen« seine Leistung in ihrer ganzen Bedeutung darlegen sollen. Beim Übersetzen unterscheidet aber selbst er nicht sauber zwischen »Estat« und »Republique« einerseits und andererseits »Statt« (Basel), »Stand« (Eidgenossenschaft) und – im deutschen Text – »Republique«, was er auch für »Estat« braucht.109 In einer anderen Passage gibt er »liberté, souveraineté & exemption« mit »Exemption, Frey- und Oberherrlichkeit« wieder.110 Solche Beispiele zeigen, dass die neue Begrifflichkeit des westeuropäischen Staatsrechts selbst für den Basler Bürgermeister noch ungewohnt ist, obwohl er in Münster gelernt hat, sich ihrer zu bedienen.

5. Die Sprache des Völkerrechtssubjekts: Souveränität, Interesse, Republik, Neutralität Am 10. Juli 1649 weist die Tagsatzung die Reichsstände, die mit dem Exemtionsartikel immer noch ihre Mühe haben, darauf hin, dass sie in Westfalen nicht die »seit Menschengedenken genossene« Exemtion

108 Vgl. den Brief von J. R. Wettstein jun. an den Zürcher J. R. Stucki (25. August 1651), bei Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 226, nach UB Basel, MS Fr. Gr. II, 21, Nr. 77. 109 Wettstein, Acta, 1651, S. 43 (28. Oktober 1648); für die Acta auch Gauss/ Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 226 f. 110 Wettstein, Acta, 1651, S. 31 (20. September 1647).

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5. Die Sprache des Völkerrechtssubjekts

begehrt habe. Vielmehr habe sie unter Berufung auf diese Exemtion gegen das Kammergericht geklagt, das »Unserem Freyen Souverainen Stand und habenden Exemtion entgegen« vorgegangen sei. Für die Schweizer gelte, dass »Wir sampt und sonderlichen, so lang Wir Uns im Eydtnossischen Pundt erhalten, außert Gott keinen anderen Richter als Uns selbsten erkannt haben, noch bis dato erkennen«.111 Damit nimmt die Tagsatzung – sehr wahrscheinlich dank dem anwesenden Basler Bürgermeister persönlich – Wettsteins Formulierung im Memorandum vom 9. Januar 1647 wieder auf, um den Kerngedanken der äußeren Souveränität auszudrücken und den Kaiser als Quelle des Rechts gleichsam abzusetzen, soweit es die Eidgenossenschaft betrifft. Dies geschieht interessanterweise unter Berufung auf den Bund und nicht auf die Hoheitsrechte der Kantone: Der Bundesschluss selbst ist der Ausgangspunkt der Souveränität. Damit erhält die Eidgenossenschaft eine neue Würde, die der St. Galler Josua Wetter 1653 in einem Lobgedicht auf St. Gallen beinahe blasphemisch bekennt: Dann dieses bleibet vest: Es ist das Vatterland Gleich als ein andrer Gott, zu dessen wolfahrts stand soll jedes recht gemüt mit wahrer trew betrachten.112

Unmittelbar unter oder – zumindest im Schauspiel – neben Gott tritt nun die Eidgenossenschaft auf, als Land und schon gleichsam als »Staat«. Dessen dezidierte Abstraktion von seinen personalen Repräsentanten ist in ihrer vollen Konsequenz zwar erst das Werk eines Zeitgenossen, nämlich von Thomas Hobbes.113 Aber indem der Kaiser als Inkarnation der Staatlichkeit für die Schweizer allmählich wegfällt, erhält die Eidgenossenschaft zumindest in ihrem Auftreten und in ihrer Wirksamkeit gegen außen einen anderen Charakter als ein bloßes Geflecht von »ewigen«, also unbefristeten Bünden: Wenn nicht mehr der Kaiser im universalen, heilsgeschichtlich verorteten Reich die zu Gott immediate Quelle der Staatlichkeit ist, so muss sie als Völkerrechtssub-

111 Wettstein, Acta, 1651, S. 48; Jan, Staatsrechtliches Verhältnis, 1, 1801, S. 321; vgl. EA 5, 2, S. 10 (Juli 1649). 112 Wetter, Sanct-Gallen, 1642, S. C4r/v. 113 Die traditionellen Wörter in einem unpersönlichen Begriff zusammengefasst bei Hobbes, Leviathan, 1991, S. 9 (Introduction): »For by Art is created that great Leviathan called a Common-wealth or State (in latine Civitas) which is but an Artificiall Man«. Vgl. zur Entwicklung des Wortes in den verschiedenen Sprachräumen Weinacht, Staat, 1968; T enenti, Stato, 1987; Skinner, State, 1989.

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jekt es sein. In diesem Kontext drückt der Titel »corpus Helveticum« eine dauerhafte politische Einheit aus. 1577 ist in der französischen Simler-Übersetzung »corps de Republique des Suisses« gestanden; in der diplomatischen Korrespondenz erscheint dagegen »corps helvétique« im 16. Jahrhundert nur einmal, während es mit ähnlichen Wendungen zusammen ab 1623 häufig geschieht.114 Das Wort »Staat« wird im Deutschen ab der Jahrhundertmitte widerwillig eingeführt, nachdem das lateinische »ratio status« erstmals 1602 bei Jacob Bornitz aufgenommen worden ist und Clapmarius noch hat feststellen können, dass das Deutsche im Unterschied zum Italienischen und Französischen keine Entsprechung dafür kenne, »nisi forte per Reichsstand/vel per Reichssachen«.115 Dies liegt für Reinking daran, dass das Wort, das mit der (machiavellistischen) Staatsraison assoziiert bleibt, den »rechtlichen Teutschen« nicht entspreche, und so verspürt auch noch Veit von Seckendorff Ekel gegenüber dem »nicht gar reinen oder hochteutschen wort Stat«.116 Unter diesen Umständen ist es signifikant, aber nicht selbstverständlich, wenn Wettstein nicht nur nüchtern eine konfessionell indifferente »raison d’estat« als Motor der französischen Politik benennt, sondern auf sie hinweist, um die Reichsstände zu Nachgiebigkeit zu bewegen. Auch bedauert er, dass seine Miteidgenossen die Erfordernisse der Staatsraison nicht einsehen und sich in außenpolitischer Passivität üben.117 Noch bedarf es der französischen Sprache, um eine neue Haltung auszudrücken, die wenig interessiert ist an protestantischen Allianzen und stattdessen aus realpolitischen Erwägungen ein europäisches Gleichgewicht anstrebt, das dem nach Osten vorstoßenden Frankreich einen Riegel schieben könnte. In der Schweiz teilt Wettstein diese Sorgen mit dem Urner Sebastian Zwyer, und ihre Freundschaft ist charakteristisch für eine Politik, welche der konfessionellen Gegensätze allmählich müde ist.118

114 Oechsli, Benennungen, 2, 1917, S. 168–170. 115 Stolleis, Öffentliches Recht, 1988, S. 199, 203. 116 Conze, Staat, 1990, S. 11–17; vgl. die Definition bei S. v. Butschky, Pathmos, 1677, S. 40, zitiert in Götze/Mitzka, Wörterbuch, 1955, S. 508: »Haben aus dem lat. Worte status die Welschen das Wort stato, die Frantzosen das Wort estat, die Niederländer den Nahmen staat gemachet; welche letztere Nahmen so viel seyn, als ein Regiment, oder das gemeine Wesen, welches man auch auf deutsch hat angefangen, den Stat zu nennen.« 117 Zitiert bei Gallati, Eidgenossenschaft, 1932, S. 185, bzw. Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 255, 525; vgl. auch den Brief Heiders an Wettstein auf S. 290, wo die »ragion di stato« als niederländische Eigenschaft gepriesen wird. 118 Dazu Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 381–383.

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Diesem säkularen Politikverständnis entspricht die Analyse der außenpolitischen Optionen anhand des »Interesses«, wie es am Beispiel des Duc de Rohan vorgeführt worden ist.119 Auch diese Kategorie ist Wettstein vertraut, wenn er etwa im Rechenschaftsbericht das Interesse des Kaisers erwähnt oder den Duc de Longueville zitiert, den sein eigenes »Interesse« als Eidgenosse der Schweizer Gesandtschaft geneigt stimme. Für sich selbst beansprucht der Basler, »vermittelst großer Mühe und großer Unkosten das eidgenössische Interesse« erfolgreich vertreten zu haben.120 Im Kontakt mit fremden Mächten wird das »Interesse«, das für konfessionell oder moralisch argumentierende Autoren ebenfalls »machiavellistisch« anrüchig klingt, nun allmählich zu einer vertrauteren Betrachtungsweise.121 So fordert der französische Botschafter Robert de Gravel 1676, die Tagsatzung möge erkennen, »ce qui convient mieux à l’equité et aux veritables Interest de vostre Republique«.122 In der deutschen Übersetzung steht dafür »interesse eüwer lobl. Republiq«, und damit kommt ein weiteres staatsrechtliches Wort zum Zuge, das erst um die Jahrhundertmitte aus dem Französischen importiert worden ist. Gravel verbindet »vostre liberté et vostre Republique« beziehungsweise »eüwer frÿheit und eüre Republiq« als Produkt der Einheit und der Bindung an Frankreich. Die »respublica Helvetiorum« ist in der humanistischen Tradition eines Vadian, Glarean oder Simler die lateinische Entsprechung für die Eidgenossenschaft oder ihr »Regiment« gewesen.123 Doch im 17. Jahrhundert wird das Wort in verschiedenen Schreibweisen auch im Deutschen allmählich heimisch, zuerst noch nahe beim Lateinischen, wie bereits Volmars Tagebuchauszug gezeigt hat: Die Schweiz sei durch die Erbeinung zur »freyen republica« geworden. Was Volmar noch durch ein Adjektiv präzisiert, das die umfassendere Wortbedeutung des Lateinischen ein-

119 Vgl. oben, S. 93–97. 120 EA 5, 2, S. 1457 (20./21. Februar 1648), 2261, 2263; vgl. ebenfalls das »Eydtgnossisch interesse« bei Wettsteins Relation vor der Tagsatzung, StAZ B VIII 129, fol. 410 (20./21. Februar 1648). 121 Vgl. den niederländischen Hinweis auf die »interests communs« in der Einladung an die Eidgenossen, den Aachener Frieden zu garantieren, STAZ A 2171, 133 (19. September 1668). 122 StAZ A 25517, 144 (Rede vor der Tagsatzung, 9. Juli 1676); auch gedruckt als Proposition frantzösischen Herren Ambassadoren (Baden, 9. Juli 1676). 123 So Glar ean, Helvetiae Descriptio, 1948, S. 14: »quod rempublicam nostram iuste augeamus«; Vadian an Zwingli über Glarean »qui Helvetiorum rempublicam et gesta conscribet«, Vadian, Briefsammlung, 7, S. 4 (Nr. 1, 7. Mai 1513); für Simler oben, S. 74.

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schränkt, wird in den Volkssprachen zusehends obsolet: »Republic«, wie es sich langsam im Deutschen ausbreitet, heißt nicht »Staat«, sondern »Freistaat« oder in der Sprache der Zeit »freyer Stand«. Dieses eingeschränkte Verständnis wird aus dem Westen importiert: Bereits in den 1630er Jahren sprechen französische Diplomaten von der »République Helvétique«, auch wenn das ältere »Ligues« bis 1798 der offizielle Titel bleibt und unter Louis XIV im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts die in Frankreich unpopuläre Bezeichnung »république« dem unverfänglichen »Corps Helvétique« weichen wird, das im 18. Jahrhundert dominiert.124 Auf Deutsch, in der Eidgenossenschaft und auf diese bezogen, taucht »Republic old Frye Standt« – also noch der Erläuterung bedürftig – 1655 möglicherweise erstmals auf, in einem Turgäuwische Kunckelstuben genannten Traktat.125 Ein Jahr später warnt ein Wider-lebender Wilhelmb Tell davor, dass »ein Zerstöhrer Ewerer Republic sich herfür thut, mit Newen Machiavellischen Fünden die alten Satzungen … zu verbessern«. Nicht nur »Republic« verrät hier ein neues Denken, sondern ebenso die negativ, als »Ratzen-Statt« verballhornte »Ratio status«, die mit Machiavelli assoziiert wird.126 1663 übersetzen die Eidgenossen, die zur Allianzerneuerung nach Paris reisen, das von ihren Gastgebern im Unterschied zu »Monarque« verwendete »Republiques« noch als »Freyer Regiments Ständen«.127 Doch der Solothurner Johann Georg Wagner nennt in seinem gedruckten Bericht über diese Parisische Reyß im Titel die »großmächtigen Republic der 13. und 5. zugewandten Orthen hochlobl. Eydtgnoßschafft«.128 Die Einbürgerung des Fremdworts verrät sich nicht zuletzt in den Übersetzungen: Hat Wettstein »Respublica Helvetica« in einem Brief des schwedischen Kanzlers Oxenstierna noch schlicht mit »Eydgnosschafft« wiedergegeben, so überträgt man 1678 die Anschrift des polnischen Königs János III. Sobieski an die

124 Oechsli, Benennungen, 2, 1917, S. 169–173, mit vielen Beispielen auf S. 170, Anm. 2; für »freyer Stand« ibid, 1, 1916, S. 186–188. 125 Turgäuwische Kunckelstuben, 1655, S. A4b; ein Renovirter Wecker, o. O. 1639, S. 9, spricht von den »Republicen, so zu nicht worden«, meint damit aber allgemein »Staaten«. Ich danke Daniel Guggisberg für die Fundstellen, die er im Rahmen seiner Dissertation zusammengestellt hat; die zitierte ist auch die früheste im Schweizerischen Idiotikon, 6, 1909, Sp. 1190. 126 Der Alte Eydtgnoß, 1656, S. 3. 127 Johann Heinrich Waser, Was uff den Ynzug zuo Parys bis uff die Actiion des Pundtschwurs erfolget, ZBZ MS A 115, fol. 166, 168; ich danke Angela Gastl Hartmann für diesen Hinweis. 128 Wagner, Parisische Reyß, 1664.

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»Dnis Foederatis Reipub.ae Helvetiorum Cantonibus« mit »den HH . der verpündten Ohrten der schweitzerischen Republic«.129 Wie die Zitate am Anfang dieses Kapitels zeigen, stellt sich allerdings bereits, ja gerade den Zeitgenossen die Frage, wieweit diese Eidgenossenschaft tatsächlich auch ein »corpus«, eine »Republic« darstellt – wo doch, zumindest im Inneren, die gesamteidgenössischen Institutionen kaum als Träger der Souveränität gelten können. Angesichts der äußeren Gefahren während des Dreißigjährigen Krieges gelingt es wenigstens, mit dem (kurzlebigen) Wiler Defensionale eine gesamtschweizerische Institution zu errichten, dessen Bestimmungen allerdings rein militärischen und nicht politischen Charakter haben. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit verrät sich auch bei der Diskussion, wer die Kosten für die Hilfskontingente im Bauernkrieg tragen soll. An einer Konferenz der acht alten Orte wird die Frage erwogen, ob auch die geistlichen Gerichtsherren und Klöster in den Gemeinen Herrschaften zur Bezahlung der Kriegskosten herangezogen werden sollen. Manche Gesandte wollen in dieser Sache den päpstlichen Legaten befragen, doch die Mehrheit – was also, neben Glarus, mindestens zwei katholische Stände einschließt – widerspricht »alß ohngwohnte, dem herkommen und unserer Superioritet zu abbruch reichende sach«.130 Angesichts einer gemeinsamen »Superioritet«, welche diese katholischen Orte auch gegenüber dem Papst behaupten wollen, scheinen die Aussichten günstig für ein Reformwerk, das alle Bundesbriefe in einem umfassenden »Pundtsinstrument« zusammenfassen und vereinheitlichen würde – eine schriftliche Verfassung der »Regierungsform«, wie sie um 1650 recht auffällig auch in einigen anderen Ländern erfolgt.131 Federführend ist bei diesem Vorhaben der Zürcher Bürgermeister Johann Heinrich Waser, ein Enkel Josias Simlers, der im Frühling 1655 ein Konzept für die Revision vorlegt. Zu den Bündnisartikeln, die im Laufe der Zeit überflüssig geworden seien, gehören die »vorbehaltnuße der Römischen Königen und deß Römischen Rÿchs, alß von deme wir eximiert und befreÿet«.132 Die Vorschläge werden 129 Wettstein, Acta, 1651, S. 33 (30. September 1647); StAZG Ausland, Theke Nr. 6 (Verschiedene). 130 StAZ B VIII 132, S. 212 (20. Oktober 1653); vgl. EA 6, 1, S. 202, wo aber von »Souveränität« gesprochen wird und die Mehrheitsverhältnisse verdreht sind. 131 Oestr eich, Herrschaftsvertrag, 1980, S. 234 f., nennt neben dem Reich (1648) England (1653), Schweden (1634), Pommern (1634) und Preußen (1661). 132 Waser und Erlach, Verzeigung, 2. April 1655, StAZ B VIII 133, fol. 38. Zu den Königsfelder Vorschlägen und ihrer Überarbeitung Utzinger, Bürgermeister, 1902, S. 57–70, 124–138 (Beilage II).

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zuerst den evangelischen und dann, an der Juli-Tagsatzung, auch den katholischen Orten vorgelegt, von denen aber nur Luzern und Solothurn darauf eintreten wollen. Gleichwohl wird Wasers Entwurf in den Abschied aufgenommen und den kantonalen Obrigkeiten zur Stellungnahme übermittelt.133 Im ersten Artikel wird die gemeinsame Verteidigung nicht nur von Ehre, Leib und Gut, weltlichen und geistlichen Freiheiten, Gerichten, Gesetzen und Rechten sowie altem Herkommen bekräftigt, sondern auch der »Regierungen undt regimentsformen«.134 Diese Formulierung entsteht gewiss unter dem Schock des Bauernkriegs, zeigt aber doch in der Wortwahl eine neue, verfassungsrechtliche Sensibilität: Es geht nicht nur um die Obrigkeit als solche, sondern auch um ihre Form. Da das katholische Misstrauen bestehen bleibt, wird die Bundesreform mit ihrer ansatzweisen Rechtsvereinheitlichung Makulatur, als die Altgläubigen am 3. Oktober 1655 den Goldenen Bund neu beschwören. Das trägt zur weiteren Verhärtung der konfessionellen Gegensätze bei, die vor allem wegen des Konflikts um die »Nikodemiten« im schwyzerischen Arth zu rasch wachsenden Spannungen zwischen Zürich und Schwyz führen. Der Urkanton beruft sich nun bei der Rechtfertigung seines Vorgehens auf die Souveränität, während Zürich bei den Glaubensgenossen in England und den Niederlanden Rückhalt sucht.135 Nachdem Waser als Gesandter in Schwyz den freien Zug für die Arther begehrt und den Innerschweizer Landort vor ein paritätisches eidgenössische Schiedsgericht gefordert hat, reagiert dieser mit einem empörten Schreiben. Wylen man ohnerwartet so wyt urgiert worden, Ist die erklerung ervolget, daß ein Orth Schwytz von sovillen Keißern und Königen mit sollichen Freyheiten und befugsammen versähen und wie ohnleugbar vermittlest Göttlicher gnaden der FundamentalSatzug deß so herlichen Helvetischen Pundts bestanden, Solliches allso sowohl als andere Lobl. Orth der Eydtnnoschafft ein befreyter und souverain Stand ist, dessen Actionen und Administration Ihres Regiments und Judicatur einich Sindicat nit gedulden mag noch kan; als werde und köhne man zu solcher anmuetung sich nit bequemen sonder … dasjenige thun und wircken, was man Gott, der Conscienz und gesagtem Rächten schuldig ist.136 133 Utzinger, Bürgermeister, 1902; für die katholischen Reaktionen Diebolder, Waser, 1908, v. a. S. 11–15; in ausdrücklicher Frontstellung gegen die ältere Literatur, aber nicht ganz überzeugend Domeisen, Waser, 1975, S. 111–128. 134 EA 6, 1, S. 1762 (Project, 4. Juli 1655). 135 Domeisen, Waser, 1975, S. 131–147, 153–156. 136 EA 6, 1, S. 277 (3. November 1655); vgl. auch Utzinger, Bürgermeister, 1902, S. 85.

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Schwyz beruft sich also gleichzeitig auf kaiserliche Privilegien und den – kraft der eidgenössischen Fundamentalsatzungen erlangten – Status eines »befreyten und souverain Stands«, um den geforderten Güternachzug der exilierten Arther zu verweigern, den Zürich unter Berufung auf das eidgenössische Recht der Bünde erzwingen möchte. Die Frage ist letztlich, ob es ein Bundesrecht gibt, das über dem der einzelnen Orte steht (und insofern souverän wäre): Schwyz anerkennt ein solches nur für die Gemeinen Herrschaften, aber nicht für seine inneren Angelegenheiten. Deshalb fordert der Innerschweizer Stand von der Tagsatzung, dass »seine Souveränität und Judicatur anerkannt und in Schuz genommen werde«, worauf die acht katholischen Orte bestätigen, dass sie »den Stand Schwyz bei der wahren Religion, Souveränität, Freiheit, Judicatur und Gerechtigkeit schüzen helfen werden«. »Souveränität« wird hier offenbar synonym verwendet für »Hoheit«, also über den Bereich der Rechtsprechung hinausgehend, aber nicht als Kernkompetenz alle Herrschaftsrechte umfassend. Mit dem neuen Wort wird etwa dasselbe erfasst, was bisher »bei seinen Freiheiten und Regalien verbleiben zu lassen« genannt worden ist und doch vor allem die Gerichtshoheit gemeint hat.137 Die letzte Tagsatzung vor dem Bürgerkrieg, in den ersten Januartagen 1655, wird geprägt von den Unterschieden im Bundesverständnis und den Souveränitätsvorstellungen. Zürich klagt, dass Schwyz »wider Rechtsbot« gehandelt und also den Bund »überfahren« habe – der damit als übergeordnete Rechtsgemeinschaft gedeutet wird, die Verfügungen anordnen kann. Schwyz begehrt seinerseits nicht, »Zürich an der Religion oder Souveränität Eintrag zu thun, wolle also von Zürich sich eines Gleichen versehen«. Zürich entgegnet, es begehre »Niemanden an der Religion und Souveränität zu schmälern«, doch Schwyz solle einem eidgenössischen Schiedsgericht das überlassen, was diesem gemäß den Bünden zukomme. Auch Bern meint, die unbestrittene Souveränität eines jeden Stands sei eben doch an die Schranken der Bünde und Landfrieden gebunden. Dagegen hält Schwyz, dass Religion, Souveränität und Judicatur in den Bünden, Landfrieden und Verträgen den Ständen zugesichert seien und man dafür Zürich keine Rechenschaft schulde. Recht (und damit ein Schiedsgericht) gelte nur für die Bereiche, die der Eidgenossenschaft vorbehalten und verhandelbar seien; aber bei Religion und Freiheiten können die Innerschweizer »in keinen compromiß sezen, protestirend gegen das Unheil, 137 Vgl. etwa im Anschluss an den Gachnanger Handel EA 5, 1, S. 1017 (23. August 1610).

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das erfolgen möchte, wenn man es hierin anzufechten unterfangen wollte«.138 Dagegen ist die Zürcher Zusicherung machtlos, man habe keine konfessionellen Hintergedanken und wolle bloß durch ein unparteiisches Urteil erfahren, ob die Schwyzer »in ihren Proceduren den Eydgnössischen Bündten gemäß« gehandelt hätten.139 Denn Schwyz verweigert kategorisch und durchaus im Sinne absoluter kantonaler Souveränität gerade die Anmaßung, dass eine andere, eidgenössische Instanz auch nur prüfe, ob es rechtmäßig gehandelt habe: Zwischen der kantonalen Obrigkeit und ihren Bürgern und Untertanen kann es keine andere Instanz geben als sie selbst und Gott. Der Dritte Landfriede vom 7. März 1656, erlassen nach der Berner Niederlage gegen die Fünf Orte bei Villmergen, regelt die umstrittene staatsrechtliche Frage im Schwyzer Sinn.140 Nachdem es um das eidgenössische Recht »nicht wenig Irrung und Mißverstand« gegeben habe, erklärt der 4. Artikel des Landfriedens, dass jeder Ort »in seinen eigenen Landen und Gebietten bey seiner Religion und Souveraineté oder hoher Landts-, Ober- und Herrlichkeit und Judicatur ohnangefochten rüehig und unturbirt verbleiben« soll.141 Hier wird also im innereidgenössischen Zusammenhang erstmals die Souveränität als staatsrechtlicher Begriff verwendet, der die traditionellen Herrschaftsrechte und die Rechtsprechung uneingeschränkt umfasst und konzeptionell weiter reicht als die reichsrechtliche Vorstellung der »Landesherrschaft«. Die Schiedsgerichtsbarkeit des Bundes als höherer Instanz gilt allein für Konflikte zwischen den Orten und für Streitigkeiten in den Gemeinen Herrschaften, während die Regelung des »freien Zugs« (das ius emigrandi), der den Krieg entbrennen ließ, ausdrücklich dem Herkommen der jeweiligen Orte überantwortet wird. Im Inneren bedeuten also die Jahre 1655/56 – das Scheitern der Bundesreform und die protestantische Niederlage im Villmerger Krieg – den Sieg einer bis ins 18. Jahrhundert nicht mehr hinterfragten, uneingeschränkten kantonalen Souveränität in innenpolitischen und na138 EA 6, 1, S. 296–298 (2./3. Januar 1656); auch Utzinger, Bürgermeister, 1902, S. 91 f.; Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 404, vgl. auch 417. 139 Manifest … der wichtigen Ursachen, 1655. 140 Jan, Staatsrechtliches Verhältnis, 1, 1801, S. 298, zitiert in diesem Zusammenhang nach Füessli, Staats- und Erdbeschreibung, 3, 1771, S. 104, eine nicht belegte Warnung der beiden reformierten Orte vor allzu harten Friedensbedingungen: »Wir können wieder Reichsstände werden, wenn uns die catholischen Orte zu hart halten.« 141 EA 6, 1, S. 1635 (7. März 1656); für den fünförtigen Rekurs auf die »Souveränität« Rapperswils im Anschluss an den Bürgerkrieg vgl. unten, S. 539 f.

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mentlich in Rechtsfragen. Bedeutungsvoll bleibt die umstrittene Souveränität des Bundes für die Tagsatzung aber gleichwohl, und zwar in ihrer äußeren Bedeutung als völkerrechtliches Argument. Wie bei der inneren Souveränität, so dient dieses Mittel vorerst dazu, Positionen zu untermauern, die bisher mit anderen Formulierungen markiert worden sind. So hat die Tagsatzung 1632 dem österreichischen Erzherzog zu verstehen gegeben, dass »man sich auch keineswegs binden lassen wolle, neue Bündnisse mit Vorbehalt der ältern einzugehen«.142 Als nun umgekehrt 1667 die Erneuerung der Erbeinung zur Debatte steht, wird auf französische Einwände geantwortet, »die eidgenössischen Stände werden sich die Hände nicht binden noch sich in ihrem souveränen Rechte, mit Fürsten und Ständen zu ihrer Sicherheit Bündnisse zu schließen, hindern lassen«.143 Die in diesen Jahren oft und gelegentlich auch gegenüber anderen Mächten144 wiederholte Botschaft ist dieselbe wie früher. Doch die Terminologie hat sich gewandelt, was den Vorteil hat, dass eine von Frankreich anerkannte, ja propagierte und allgemeinverständliche Argumentationsweise gewählt wird. Ein Jahr später, als Louis XIV die Freigrafschaft zum ersten Mal erobert, gibt sein Botschafter François Mouslier ein Memorial ab, das die Tagsatzung als Einschränkung ihres Rechts auf Defensivallianzen ansieht und ihm deshalb mit der Erklärung zurückschickt, es sei »der Souveränität der Eidgenossenschaft entgegen«.145 Der französische Gesandte behauptet dagegen, die Eidgenossenschaft dürfe ohne »Consens des Königs von Frankreich« keine anderen Defensivtraktate eingehen, was ihm auch sechs Kantone bestätigt hätten. Die betreffenden Orte behaupten jedoch alle, in ihren »Declarationen der eidgenössischen Souveränität nicht das geringste derogirt zu haben«, worauf die Tagsatzung eine »allgemeine Declaration« verfasst, die den »Particulardeclarationen« ausdrücklich übergeordnet wird und damit gegebenenfalls zuwiderlaufende kantonale Bestimmungen aufhebt. Gegen Mousliers Interpretation, die »der »souverainetaet und Freyheit abbrüchig wäre«, erfolgt eine grundsätzliche Erklärung der außenpolitischen Prinzipien, die als solche auch an späteren Tagsatzungen wieder angeführt werden wird und »zue Erhaltung unsers Lobl. Eydtgn.

142 EA 5, 2, S. 685 (Mai 1632). 143 EA 6, 1, S. 700 (Februar 1667); ganz ähnlich S. 755 (Juli 1668). 144 So die Erläuterungen zur Erbeinung (bezüglich Vorderösterreich), die »in Ansechen der Freyheit unsers souveränischen Stands« abgegeben werden, EA 6, 1, S. 1815 (18. März 1668). 145 EA 6, 1, S. 736 (Februar 1668).

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Standß souverainetet, Freyheit, Ehr und ansechen in krefftigester formb zue bevesten hoch nothwendig« sei: … darbei aber finden unsere allerseitß Herren und Obern hoch von Nöthen, zu retung Ihrer Ehren, daß sye auch ferner von der welt für einen Freyen suuverainischen Standt erkhent und gehalten werden, mit höchstem respect Ihr Mt. hiemit ußtruckhenlich bedeüten zu laßen, daß sye mit deroselben die habende Defensivtractaten Niemalen dahin verstanden und noch nit dahin verstehen Thüegent, daß sye von derowegen nit mechtig und befügt sein sollen auch mit anderen Fürsten und Herren dergleichen tractaten zu verhandlen, zu schließen und uffzurichten, und waß sye denselben versprochen zuehalten, wollent hiemit ein solch anerehrbte Freyheit Inen auch bestermaßen vorbehalten haben.146

Dieser Text, der die außenpolitische Souveränität der Tagsatzung ausdrücklich im Hinblick auf ihre Ehre und den davon abhängigen völkerrechtlichen Status reklamiert, wird gegen die Usanzen direkt Louis XIV zugesandt und erregt in Paris erhebliches Aufsehen. Durch das Druckmittel der Pensionen gelingt es zwar, Schwyz, Zug, Fribourg und Solothurn zu Sonderdeklarationen zu bewegen, doch die übrigen neun Orte halten an der gemeinsamen Deklaration fest.147 1674 verbietet eine katholische Tagsatzung schließlich die Partikulardeklarationen, die bereits vorliegenden werden zurückgenommen.148 Aus ähnlichen Überlegungen wird während des Holländischen Krieges die von Frankreich geforderte Wegweisung des niederländischen Gesandten abgelehnt, da ein »freier Stand keine fremden Befehle annehmen« könne. Ebenso gehöre zur »Wahrung der Souveränitätsrechte« die angedrohte Abberufung Schweizer Truppen aus französischen Diensten, wenn sie gegen die Vertragsbestimmungen offensiv eingesetzt werden.149 Welche souveränen Freiheiten belässt das französische Bündnis den Eidgenossen überhaupt? Bei dieser Kontroverse ist ein weiteres Wort der neuen Staatslehre zentral: die Neutralität. Um ihren Inhalt wird ebenso gerungen wie um ihren geographischen Geltungsbereich, was namentlich ihre Ausdehnung auf die Freigrafschaft, die Waldstädte am Oberrhein, Genf oder die Juragebiete betrifft. 1678 drückt der französische Botschafter Gravel das königliche Befremden darüber aus, dass 146 EA 6, 1, S. 1817 f. (10. Juli 1669); vgl. auch Aemisegger, Tagsatzung, 1948, S. 20 f., für Belege, wann wieder auf diese Stellungnahme zurückgegriffen wird, ebenso unten, S. 380, im Collegium Insulanum. 147 EA 6, 1, S. 694–6 (Juli 1670). 148 EA 6, 1, S. 992 (Januar 1676); Aemisegger, Tagsatzung, 1948, S. 21 f. 149 EA 6, 1, S. 876 (April 1673).

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die Schweizer so am Wort »seureté« hängen, wogegen Louis XIV wünscht, »conforme à la raison et à l’usage, qui’est pratiqué de tous temps, que l’on employast le mot de neutralité«.150 Die französische Kritik ist ebenso raffiniert wie im Grunde unberechtigt: »Neutralität« ist zu diesem Zeitpunkt in der Eidgenossenschaft ein durchaus übliches Wort, doch was sie konkret für Pflichten und Rechte mit sich bringt, ist noch unklar und wird über die Jahrzehnte hinweg präzisiert. Indem aber der Sonnenkönig wünscht, dass die Schweizer dort, wo sie »Sicherheit« meinen, »Neutralität« sagen, impliziert er eine passive Haltung: »seureté« ist der Schutz, den die Eidgenossen auch ausländischen grenznahen Gebieten, notfalls durch Truppenauszüge, gewähren und wozu sie mit anderen Mächten Abkommen treffen. Dagegen würde »neutralité« im französischen Verständnis gerade dies ausschließen und Inaktivität bedeuten – die Sicherheit also letztlich vertrauensvoll dem französischen Schutz überantworten. Wie »Staat« und »Republik«, »Souveränität« und »Interesse« wird auch »Neutralität« erst dann zu einem sinnvollen Konzept, wenn im staats- und völkerrechtlichen Sinn eine säkulare europäische Gemeinschaft souveräner Staaten etabliert ist. In der mittelalterlichen, thomistischen Theorie des bellum iustum, die im konfessionellen Zeitalter wieder Urstände feiert, ist die Neutralität ein Unding, nämlich eine Mittelstellung zwischen Gut und Böse, also letztlich eine Begünstigung des Bösen – im Sinne von Christi Wort: Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich.151 Aus dieser moralischen Betrachtungsweise macht die Staatsraison-Literatur eine Frage der Opportunität, wobei sie aber im Grunde genommen noch sehr ähnlich argumentiert: Gut und Böse wird durch Freund und Feind ersetzt, womit der Neutrale sich die Freunde entfremdet, ohne dafür die Feinde für seine Sache zu gewinnen. Einer anderen Betrachtungsweise weist erst die Souveränitätstheorie und das Völkerrecht den Weg. Erstere beschränkt das jus ad bellum auf die Souveräne und ihr Ermessen: Jeder von einem Souverän geführte Krieg ist gerecht, Privatkriege dagegen sind Rebellion und per se ungerecht. Angesichts dieses rein formalen Kriteriums ist die inhaltliche Begründung eines Krieges irrelevant. Wenn aber ein Souverän beliebig – beziehungsweise für die von ihm erkannte salus populi – Krieg führen darf, dann ist auch der Verzicht auf das Kriegführen eine legitime Option des Souveräns, da dadurch keine höhere Gerechtigkeit 150 Schweizer, Neutralität, 1895, S. 7, aus einem Brief Gravels vom 8. Oktober 1678. 151 Matth. 12, 30 = Luk. 11, 23.

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geschädigt wird, sondern für das Wohlergehen des eigenen Volkes gesorgt wird.152 Das Wort »Neutralitas« taucht erstmals 1408 als scholastische Neubildung auf und bezeichnet die unentschiedene Stellung im Schisma; um die Jahrhundertmitte findet sich das Wort in diesem Sinn auch in den Volkssprachen.153 Die Freigrafschaft gibt 1522 erstmals Anlass zu einem Neutralitätsvertrag; auch Bodin spricht hiervon als »alliance de neutralité«.154 Eine einschlägige deutsche Betrachtung findet sich erstmals 1620 dank Johann Wilhelm Newmayrs Von der Neutralitet und Assistentz oder Unpartheyligkeit und Partheyligkeit in Kriegs Zeiten. Zwei Jahre später handelt auch Besold in einem eigenen Kapitel einer Dissertatio politico-juridica »de neutralitate«; und 1625 folgt die bereits oben geschilderte Erörterung von Grotius in De iure belli ac pacis.155 Besold beherzigt die Vorbehalte der Staatsraisonliteratur und sieht die Neutralität als gangbaren Weg nur für Mächtige, die niemanden zu fürchten brauchen.156 In der Staatenwelt geschieht nun aber gerade das Gegenteil: Die Neutralität wird ein Refugium der – republikanischen – Mittelmächte, die keine expansive Politik betreiben können oder wollen, aber daran interessiert sind, dass die Handelsrouten zu Wasser und zu Lande auch in Kriegszeiten für ihre Kaufleute offen bleiben. Damit einher geht zumindest anfangs auch eine Schiedsrichterrolle im Sinne von Sully und Crucé, was der einst als eigennützig verpönten Neutralität auch die Weihe verleiht, dass sie sich vermittelnd um das Heil der Christenheit kümmert: Diese Rolle spielen Venedig 1648 in Westfalen und die Niederlande 1655 zwischen Frankreich und England.157 Während Louis XIV den Holländern diese Rolle verunmöglicht, zieht sich die Serenissima rasch auf die Position einer dauernden Neutralität zurück: Im 18. Jahrhundert wird sie systematisch eingenommen, auch gegenüber der Pforte. Notfalls bringt Frankreich den Republiken das Konzept der Neutralität auch mit Blei bei: Louvois will das hispanophile Genua im Krieg von 1683/84 zu einer »esattissima neutralità« zwingen.158 152 Steiger, Neutralität, 1978, S. 348–350. 153 Reibstein, Völkerrecht, 1958, Bd. 1, S. 429. 154 Bodin, République, 1986, 1, S. 159 (1, 7); vgl. Schweizer, Neutralität, 1895, S. 27, 144 f. 155 Schweitzer, Neutralität, 1978, S. 320–325; zu Grotius oben, S. 100 f. 156 Besold, Dissertatio, 1622, S. 91 (Foederum ius, 8), mit der typischen Einschätzung »Media via neque amicos parat, neque inimicos tollit.« Ähnlich urteilt Philippe de Bethune 1633, vgl. Albertini, Das politische Denken, 1951, S. 144. 157 Anderson, Rise, 1993, S. 206; T ischer, Diplomatie, 1999, S. 79–84. 158 Bottaro Palumbo, Crisi, 1989, S. 455.

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5. Die Sprache des Völkerrechtssubjekts

Noch 1715 wird Gottfried Stieve bedauern, dass die Eidgenossen das »Officium Mediatoris«, für das sie geschaffen wären, nicht wahrnehmen, weil sie die Kosten scheuen, sich nicht in fremde Händel einmischen wollen, einen Frieden mangels Geld – und damit eigenen Truppen – nicht garantieren können und wegen ihres »so Democratisch und Popularisch« Regiments auch von den Mächten ungern mit der Ehrenstellung des Vermittlers versehen würden.159 Tatsächlich könnten die Schweizer sich auf eine lange Tradition berufen: In ihren Bündnissen hat das »still sitzen« eine ähnliche Bedeutung wie die Neutralität. Es findet sich bereits im 14. Jahrhundert in Verträgen von Zürich und Bern mit den österreichischen Herzogen und – als Gebot bei innereidgenössischen Konflikten – 1501 im Basler und Schaffhauser Bundesvertrag. Das Wort »Neutralität« erscheint dagegen nur singulär in einer Zürcher Instruktion von 1536 (»unpartyschung und neutralitet« zwischen François Ier und dem Kaiser), auffälligerweise gleichzeitig wie die französische Übersetzung »se tenir neutres« für »still sitzen«.160 Danach dauert es beinahe ein Jahrhundert, ehe die eigentliche Karriere des Worts beginnt: Im Dreißigjährigen Krieg werden befristete »Neutralitätsverträge« manchenorts üblich. Die reformierte Tagsatzung lehnt 1610 ein Bündnisangebot der evangelischen Union ab und gedenkt – in einer Kombination der eigenen und der fremden politischen Sprache – »still ze sitzen und sich neutral zu halten«.161 Kurz vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges attackiert der venezianische Resident Agostino Dolce »diesen falschen Namm der Neutralität«, mit dem die Spanier argumentierten, als »einen neuen Fund, der Freyheit diser Völcker die Gurgel abzuschneiden«.162 Bald sind es dann die Schweizer selbst, welche das neue Wort regelmäßig benutzen, um ihre Freiheit trotz der Uneinigkeit zu bewahren: In der bedrohlichsten Phase des Krieges wird es aufgegriffen, als die Schweden heranrücken und den Reformierten 1632 eine Allianz anbieten. So finden sich Bekenntnisse zu einer »Neutral unpartheyschen Landtschafft«,163 und auch im Briefverkehr mit Gustav Adolf wird die

159 Stieve, Hoff-Ceremoniel, 1715, S. 330 f. 160 Schweizer, Neutralität, 1895, S. 200 f.; Braun, Eidgenossen, 1997, S. 541. 161 EA 5, 1, S. 1020; laut Schweizer, Neutralität, 1895, S. 211, ist dies, nach dem singulären Fall von 1536, das zweite Mal, dass die Eidgenossen das Wort verwenden. 162 Usteri, Urteil, 1957, S. 48 f. 163 StAZ B III 214, 1433, zitiert bei Walter, Einflüsse, 1979, S. 65, der hinter dem Werk den Offizier Hans Georg von Peblis vermutet.

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»Neutralitet« zugesagt.164 Gleichzeitig aber verurteilen konfessionell argumentierende Kreise diesen Standpunkt als »Verrätherei«, und vor allem das Zürcher Umfeld von Antistes Johann Jacob Breitinger stößt sich an der »laulichen« Haltung der »Neutralisten«, die ihre Glaubensbrüder im Reich im Stich lassen.165 Die »Neutralisten« obsiegen allerdings, so dass sich die Tagsatzung 1640 darauf berufen kann, dass sich die Eidgenossenschaft nicht in den Krieg eingemischt habe, sondern »in der Neutralität neben Observierung der Erbeinigung und Bündnisse sich gehalten«.166 Die frühneuzeitliche Neutralität, wie sie nicht nur von der Eidgenossenschaft praktiziert wird, hat stets etwas Pragmatisches und Situatives an sich. Sie wird jeweils »für die Dauer dieses Krieges«167 erklärt und muss von den Kriegführenden anerkannt werden.168 Ihr fehlt also sowohl die allgemeine Anerkennung in einem völkerrechtlichen Vertrag wie der »immerwährende« Charakter, was beides in Bezug auf die Schweiz erst 1815 verfügt wird. Doch auch ohne eindeutigen Rechtsstatus wird die Neutralität – in ihrem frühneuzeitlichen Sinn – in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zusehends als wenn nicht exklusiv, so doch spezifisch schweizerische Tradition verstanden.169 Wenn der Basler Antistes Lucas Gernler 1659 in seiner Trauerrede auf Johann Rudolf Faesch von der »wohlhergebrachten Alten Eydgenossischen neutralität und unparteylichkeit« spricht, meint er eher die Neutralität des gesamten Bundes, aber möglicherweise auch Basels 1501 vereinbartes »still sitzen« bei Konflikten zwischen den anderen Kantonen.170 1674 gibt dann die Tagsatzung eine entscheidende, ja epochale Erklärung ab: Angesichts »gegenwertiger gefahrlicher Coniuncturen« im

164 StABS Politisches Q 16, I, Nr. 100; vgl. Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 171. 165 Schweizer, Neutralität, 1895, 211–232. 166 EA 5, 2, S. 1163 (März 1640); vgl. auch die undatierten »Bedenken« aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges in StAZ A 1782, 98 und 101 (»frag, ob die Evang. Eidtgnossen neutral sein können«). 167 EA , 6, 2, 396 (1696). 168 Unpartheyische Reflexion … betreffend die Neutralitet, 1675; S. 6: »Wir begehren die Neutralitet von dem Kayser: … Dise Neutralitet thut uns der Allerchristl. König zusagen«. 169 Dies und auch das Folgende sowie unten, S. 223 (Büeler) und S. 251 (Waldkirch) gegen Suter, Neutralität, 1998; vgl. zu den gegensätzlichen Positionen auch unsere beiden Beiträge in der NZZ vom 13. Februar 1999: Suter, Entdeckung, 1999; Maissen, Neutralität, 1999. 170 Gernler, Leichpredigt, 1659, S. 31; vgl. Bonjour/Bruckner, Basel, 1951, S. 138.

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5. Die Sprache des Völkerrechtssubjekts

Krieg Frankreichs gegen Holland verkündet die Tagsatzung, »dass wir uns als ein Neutral Standt halten und wohl versorgen wollen«, damit das Land nicht in den Krieg verwickelt wird. Damit wird die Neutralität zum Charakteristikum des eidgenössischen Standes beziehungsweise Staates erklärt, und entsprechend werden die im Defensionale von Baden vereinten Offiziere und Kriegsräte auf diesen Zweck vereidigt.171 Das zeitgenössische Neutralitätsverständnis impliziert vor allem, dass ein Staat an Kriegshandlungen nicht teilnimmt, was aber im Schweizer Fall bekanntlich nicht ausschließt, dass seine Bürger als Privatpersonen und Söldner mitkämpfen. In der Eidgenossenschaft selbst stellen sich die Befürworter und Profiteure der französischen Dienste auf den Standpunkt, es sei »ein Underscheid zwischen demjenigen, was der Stand thut, und was die Particularen thun« – für die Handlungen der einzelnen Söldner trage die Eidgenossenschaft keine Verantwortung.172 Dies entspricht auch dem französischen Neutralitätsverständnis, das außerdem fordert, dass der Neutrale keine neuen Verpflichtungen eingeht, die den bisherigen zuwiderlaufen könnten – also insbesondere nicht einen Feind Frankreichs unterstützt, was auch der Allianzvertrag von 1663 mit der Schweiz verbietet. Außerdem soll sie die Grenzen und Pässe bewachen und weder Durchmärsche noch anderweitige Werbungen zulassen. Im Grunde genommen besteht die schweizerische Neutralität für Frankreich darin, am Status Quo nichts zu ändern, und mit diesem Hintergedanken geht der Sonnenkönig jeweils bereitwillig auf die Schweizer Bitten ein, ihre Neutralität anzuerkennen.173 Da der Nutzen beim Feind liegt, urteilen Frankreichs Gegner so wie der englische Gesandte Thomas Coxe 1690: »Die schweizerische Neutralität ist die denkbar größte Partialität«.174 Nach ihrem Neutralitätsverständnis müssen die Schweizer entweder ihre Söldner aktiv von Offensivaktionen gegen Reichsterritorien (»Transgressionen«) abhalten oder aber beide Kriegsparteien gleichmäßig begünstigen. Insofern plädieren die Gegenspieler von Louis XIV mit – wie gezeigt – der Mehrheit der Tagsatzung dafür, dass die souveränen

171 Eher überdeutlich betont den Einschnitt schon Schweizer, Neutralität, 1895, S. 284: »… so dass auch vom rein formellen Standpunkt aus die prinzipielle Neutralität als Staatsmaxime für die Schweiz von 1674 an datiert werden darf«; vgl. auch S. 293 sowie EA 6, 1, S. 1688. 172 Büeler, Traktat, 1692, S. 113. 173 Vgl. etwa Unpartheyische Reflexion … betreffend die Neutralitet, 1675; vg. auch Kilchenmann, Coxe, 1914, S. 83. 174 Zitiert bei Kilchenmann, Coxe, 1914, S. 11.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

Schweizer Orte auch als Neutrale neue Bündnisse und vor allem Kapitulationen eingehen dürfen, solange diese defensiv angelegt sind. Die Eidgenossen müssen sich nicht nur mit solchen konkurrierenden Auslegungen der Neutralität auseinandersetzen, sondern auch mit Aufforderungen, sich an den Kriegen gegen die »universalmonarchischen« Pläne des Sonnenkönigs zu beteiligen. Ein Echo finden diese Appelle in Flugblättern wie dem Eidtgnößischen Wach auff von 1673: »Wir seind Neutral biß unsre Feind mit unsern Nachbarn fertig seind.«175 In solchen Streitschriften kristallisieren sich die divergierenden schweizerischen Positionen heraus, wie sie 1689 ein Colloquium Helveticum zwischen »vier ungleich-gesinnten Schweitzern« dokumentiert, nämlich dem »Keyserischen«, dem »Französischen«, dem »Soldatischen« – der ohne politische Präferenzen dem Solddienst anhängt – sowie dem »Vatterländischen«, der, wie der anonyme Autor, dafür ist, dass die Eidgenossen die Neutralität mit Worten und Taten vertreten. Als ihn aber einer der Gesprächsteilnehmer fragt, auf welche Seite er sich schlagen würde, wenn er wählen müsste, bekennt sich der Vaterländische »eben zu der, welche die Gerechtigkeit auff ihrer Seiten hat, namlich zu der Keiserischen«.176 Die Neutralität ist also – in schweizerischer Sicht – nicht ein Gebot konfessioneller, nationaler oder konstitutioneller Sympathien, sondern der Staatsraison: Ausdruck des schweizerischen Interesses.

6. Die öffentlichrechtliche Literatur nach 1648 Die Westfälische Exemtion schlägt sich in den Basler juristischen Disputationen scheinbar schnell nieder: Im März 1651 hält ein Doktorand, der Nürnberger Johann Jacob Keget, erstmals fest, dass Bodin die Souveränität richtig als Macht eigenen Rechts definiert habe, die nicht von der Größe des Territoriums abhänge – weshalb er diese nicht nur Spaniern, Türken und Chinesen, sondern auch der Eidgenossenschaft zuspricht. Ab 1660 bemerken verschiedene Autoren, darunter der später im »Einundneunziger Wesen« prominente Basler Jacob Henric-Petri, ausdrücklich, dass Republiken ebenso wie Fürsten souverän sein können. Damit einher geht, erstmals 1667 bei Otto Christoph Marquart aus Lübeck, die klare Unterscheidung, dass die Reichsstädte mit ihrer 175 Eidtgnößisches Wach auff, 1673, Titelblatt. 176 Colloquium Helveticum, 1689, S. 22.

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6. Die öffentlichrechtliche Literatur nach 1648

Landeshoheit eine andere Kategorie bilden als Venedig, Genua und die eidgenössischen Republiken, die den Kaiser nicht anerkennen, wobei Marquart auf den Westfälischen Frieden verweist.177 Der Lindauer Student Johann Heinrich Fels verteidigt 1683 eine eher oberflächliche Basler Untersuchung De exemptionibus imperii. Sein grundsätzliches Anliegen ist die Stärkung des Reiches, das weitere Entfremdungen verhindern, ja bestehende rückgängig machen soll. Die »exemtio extra imperium« sei allerdings durch »transactio« möglich, also durch Übertragung in einem Friedensvertrag: In diesem Sinn müsse man die Exemtion der Eidgenossenschaft und der Niederlande verstehen. Dagegen argumentiert noch 1702 der Hamburger Nikolaus Wilkens in seiner Basler Dissertation, dass zwischen der Exemtion der westlichen Monarchien, die keine Superiorität des Reichs mehr anerkennen, und derjenigen der Schweizer zu unterscheiden sei: Letztere achteten seine Majestät weiter, auch wenn sie von aller Steuerlast und Untertänigkeit vollständig befreit seien. Da Wilkens sich auf den locus classicus bei Goldast beruft, scheint er die Schweizer Freiheit vor allem in Privilegien begründet zu sehen, obwohl er auch den Westfälischen Frieden erwähnt.178 Die Universität Basel stellt auch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts offensichtlich keine Stätte der Reflexion oder gar der Apologie der eidgenössischen Souveränität dar, während es solche im Reich selbst durchaus gibt. Der Esslinger Stadtsyndikus Philipp Knipschild veröffentlicht 1657 das »Standardwerk zum reichsstädtischen Staatsrecht im 17. und 18. Jahrhundert überhaupt«.179 Wo er einführend die freien und Reichsstädte systematisiert, erklärt Knipschild, dass früher im Präfix »Reichs-« die Unterwerfung unter den Kaiser gesehen wurde, jetzt aber die Ehre der Reichsständigkeit. »Frei« bedeute seinerseits im Politischen »superioris expers«, wovon es vier Gruppen gebe: 1. »qui nullius superioris jurisdictionem vel imperium agnoscunt«, also die Souveräne, nämlich der Kaiser, die Könige von Frankreich, England, Spanien, Polen, Schweden »&c.« sowie die »Respublicae liberae« Venedig, Genua, Ragusa, die Eidgenossenschaft »&c.«; 2. einige italienische Städte und Fürsten, die dem Reich noch in gewis-

177 Keget, Crimen, 1651, Thesis V; Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 135–139 (Keget, Bake, Berns, Henric-Petri, Marquart); vgl. S. 208: 1609 setzt Johann Nodermann die Eidgenossen und die Reichsstädte noch gleich. 178 Fels, Exemptiones, 1683, S. 41 f.; Wilk ens, Finis, 1702, cap. 4, 19; Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 235–242. 179 Willoweit, Argumentation, 1995, S. 191.

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sen Bereichen angehören; 3. Städte, die mit »immunitatibus & praerogativis« privilegiert sind; 4. die freien deutschen »Electores, Principes, Comites, Barones, Nobiles, & Civitates«, die reichsunmittelbar und damit nicht vollständig frei sind. In diesem letzten Sinn habe man früher auch von den »freyen Schweitzern« gesprochen, »non quod plane a ditione Imperij Romani essent exempti, ut nunc prae se ferunt«.180 Denn jetzt zählen die »Helvetii« mit der aus Limnaeus bekannten Metapher zu den vielen anderen »regna, principatus et provinciae«, die den Reichsadler gerupft haben. Unter den 87 Reichsstädten, die durch Mediatisierung, Eroberung oder Abfall dem Imperium verloren gegangen sind, erwähnt Knipschild auch Basel, Bern, Chur, St. Gallen, Genf, Luzern, Mülhausen, Schaffhausen, Solothurn und Zürich. Die Schweizer Freiheit liege im Kampf gegen tyrannische Vögte begründet und sei seither mit Waffen verteidigt, gleichzeitig aber die Reichszugehörigkeit noch lange gewahrt worden. Mit Besold sieht Knipschild die Worte der eidgenössischen Gesandten in Speyer als wichtigen Bruch an und zitiert abschließend den 6. Paragraphen des Osnabrücker Friedens – wodurch die »libertas« allerdings bloß »confirmata« sei.181 Für Knipschild sind also die Schweizer schon vor dem Westfälischen Frieden in eine andere Kategorie gelangt als diejenige, der sie einst als »freie Reichsstände« zugehörten. Der Esslinger Syndikus erfasst das südliche Nachbarland im Rahmen einer größeren, ganz Europa umfassenden Verlustgeschichte, als welche die Anhänger der Reichsidee die Staatsbildungen verarbeiten. Etwas vorsichtiger schreibt Hermann Conring über die Bedeutung des Münsteraner Friedens für die Schweizer: »videntur denique in plenam libertatem asserti«. Dabei fragt er sich, allerdings ohne der Sache auf den Grund zu gehen, ob das kaiserliche Zugeständnis, dass die Schweizer volle Freiheit besitzen, letztlich nichts anderes sei als die Überlassung von Rechten (»remissio jurium«). Später sieht er als Resultat des Friedens hingegen eine »respublica libera«: Die Untaten der Habsburger sind schuld daran, dass die linksrheinischen Gebiete des Reiches verloren gegangen sind.182 In Conrings Examen rerumpublicarum potiorum totius orbis von 1660, einer erst 1730 gedruckten Untersu-

180 Knipschild, Tractatus, 1657, S. 16 f. 181 Knipschild, Tractatus, 1657, S. 1034 f., 1038 (analog für die Drei Bünde). 182 Conring, Opera, Bd. 1, 1730, S. 415 (De finibus Imperii Germanici, 1654); Bd. 2, S. 369 (De republica romano-germanica, 1655); Bd. 4, S. 354 (Examen rerumpublicarum, 1660); vgl. Arnisaeus, Doctrina, 1651, S. 281 (1, 11), der ebenfalls die unrechtmäßige Belastung der Eidgenossen als Grund für ihren Abfall angibt.

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6. Die öffentlichrechtliche Literatur nach 1648

chung des deutschen »Interesses«, erhält die Eidgenossenschaft gleichsam die staatstheoretische Bestätigung aus dem Reich, indem sie als »unum corpus, sed non una civitas« wie die europäischen und asiatischen Monarchien in einem eigenen Kapitel behandelt wird. Ebenso klassiert er außerdem die Niederlande und Venedig als »populos liberos, sibique ipsis jus dicentes«, nicht aber die Fürsten in Italien und im Reich, die als Kollektiv behandelt werden. Conring stützt sich vor allem auf Simler und gibt ein sehr wohlwollendes Urteil über die Eidgenossen ab; auch ihr von Simler geschilderter Verzicht auf das römische Recht erfreut den Verfasser von De origine iuris germanici sehr.183 Für den erwähnten Conring-Schüler Philipp Andreas Oldenburger bilden die Dreizehn Orte selbständige Staaten, weshalb er Simlers »Helvetiorum Respublica« auch in »Helvetiorum Respublicae confaederatae« korrigiert und diese Gesamtheit in ihrer Stofflichkeit nicht als »civitas«, sondern als »societas« ansieht. Die Exemtion interpretiert Oldenburger »sine controversia« als vollständige Befreiung vom Reich und seiner Gerichtsbarkeit; bis 1648 habe die »subiectio Imperii« allerdings noch gegolten, und auch jetzt noch werde – mit Faeschs Worten – Kaiser und Reich die Ehre »comiter (ut Politici loquuntur)« erwiesen.184 Von weniger wohlwollenden Autoren als Oldenburger werden hingegen Conrings Bedenken aufgenommen, wie der westfälische Exemtionsartikel zu verstehen sei. Johann Theodor Sprenger spricht den Eidgenossen diesbezüglich wohl die Freiheit »quoad possessorium« zu, die aber nicht »quoad Petitorium« garantiert sei – also ein Besitz, aber nicht ein Eigentum, da das Reich seine Rechte wieder einklagen könne.185 Unter dem Pseudonym Caesarin Fürstener bringt Leibniz das wohl berechtigte Argument in die Diskussion ein, die Eidgenossenschaft habe 1646 nur die Exemtion vom Reichskammergericht angestrebt: »satis miror plus illis Westphalica pace sine ulla necessitate datum, quam forte exigebant, cum illis a Camerae jurisdictione eximi satis esset, salva Imperii Majestate. Quanquam adhuc dubitari possit quantum ab illis postulatum, aut illis datum sit.«186 Im Gefolge des Uni-

183 Conring, Opera, Bd. 4, 1730, S. 349–357. 184 Oldenburger, Notitiae, 1669, S. 236–241 (2, 21). 185 Johann Theodor Sprenger, In Elichniis ad Lucern. stat., S. 1910, zitiert bei Schweder, Theatrum, 1, 1727, S. 79; auch Moser, Souverainete, 1731, S. 41 f., dort zitiert auch Bilderbeck, Nota zu dem Teutschen R. Staat, S. 900 (10, 1, 5). Leschhorn, Moser, 1965, S. 75, interpretiert »in possessorio« als »de facto« und »in petitorio« als »de jure«. 186 Leibniz, Jus suprematus, 1963, S. 136 (Kap. 32).

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versalgelehrten bringen auch Heinrich von Henniges, Christoph Lorenz Bilderbeck, Georg Adam Struve und Johann Ehrenfried Zschackwiz den Vorbehalt an,187 den Johann Wilhelm Göbel, der 1730 Conrings gesammelte Werke herausgibt, als Kommentar kurz zusammenfasst: »Imperium plus dedisse, quam petitum est«. Mit der im Friedensvertrag genannten »possessio vel quasi plenae libertatis« sei möglicherweise nur in einem engen Sinn die Exemtion allein vom Kammergericht gemeint.188 Einer eingeschränkten Interpretation der Exemtion reden im 18. Jahrhundert noch einige Autoren das Wort, so Johann Peter von Ludewig, der den »Helvetiorum nexus fiduciarius erga Germanicum Imperium« auch nach 1648 für unversehrt ansieht. Artikel 6 des IPO hätte klarer formuliert werden sollen und bereite den Interpreten seither einige Schwierigkeiten, weil die Unterhändler der Mächte ihre Uneinigkeit durch die »ambiguitas verborum« verborgen und es so jeder Partei erlaubt hätten, den Text in ihrem Sinn auszulegen.189 In Analogie zur späteren schweizerischen Sprachregelung könnte man den Standpunkt solcher Juristen so zusammenfassen, dass sie die faktische Lösung vom Reich auf den Westfälischen Frieden datieren, eine (reichs-)rechtliche Klärung des Status für sie aber noch aussteht und eigentlich dem Reich zukommt. Trotz anhaltenden formalen Bedenken gewinnt aber ein nüchterner Realismus die Oberhand, der mit Christian Gastellius der Streitfrage keine Aktualität mehr abgewinnt: »Varie disputarunt olim contra Helvetiae libertatem Limn[aeus] … Rümelin … Carpz[ov] … Arumaeus … Klock … Conring …, sed hodie frustra essent per expressum textum in Instrum. Pac. Caesareo-Svecic. art 6.«190 Seit dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts setzt sich bei den Reichspublizisten die Ansicht durch, dass der Westfälische Friede der Eidgenossenschaft, so Dietrich Kemmerich, die »plena libertas & exemtio« gebracht hat, was bedeute, dass sie eine »freye Republic« geworden sei, »über welche Teutschland

187 Heinrich von Henniges, Meditat. ad Instr. Pac. Specim., S. 800–803; Christoph Lorenz Bilderbeck, Nota zu dem Teutschen R. Staat, S. 900 (10, 1, 5); Georg Adam Struve, Jur. publ. prudent, S. 89 (4, 5); Johann Ehrenfried Zschackwiz, Einleitung zum Teutsch. Jur. publ., S. 33 (1, 3, 10), alle zitiert bei Moser, Souverainete, 1731, S. 26, Anm. 8 bzw. S. 36 f., Anm. 17; vgl. auch Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 247. 188 Conring, Opera, Bd. 1, 1730, S. 415, Anm. b). 189 Johann Peter von Ludewig, Singularis Juris publici, Halle 1730, S. 607; vgl. auch Georg Adam Struve, Syntagma Juris publici, Cap. 4, 6, 7; Zitate bei Moser, Souverainete, 1731, S. 20, 26, 36 f. 190 Gastellius, Status, 1675, S. 803.

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nichts mehr zu sagen« hat, da sie nunmehr einen »Souvarainen Staat« darstelle.191 Diese Einschätzung zeigt sich auch dort, wo sie gar nicht ausdrücklich reflektiert wird, sondern eher beiläufig einfließt. So behandelt Severin de Monzambano in De statu imperii Germanici 1667 die Stärken und Schwächen des Reichs, das er in der Tradition der »Interessen«-Lehre mit den anderen europäischen Ländern vergleicht. Das Pseudonym wird erst in der 1706 in Berlin veröffentlichten Editio postuma gelüftet: Beim Autor handelt es sich um den berühmten Samuel Pufendorf, der in dieser letzten Ausgabe auch noch einige Ergänzungen anbringt. Zu diesen zählt ein Kommentar über die Schweizer als angenehmste Nachbarn des Reichs, deren Interesse darin bestehe, »ihr Eigentum zu schützen, nichts Fremdes zu erstreben und lieber zu nützen als zu schaden«.192 Anders als etwa die Niederlande ist also die Eidgenossenschaft für Pufendorf erst in der Zeit zwischen 1667 und seinem 1694 erfolgten Tod zu einem selbständigen Staat und Nachbarn geworden, der eigens behandelt werden muss – ein auffälliger Kontrast zum Franzosen Rohan, für den das schon um 1635 der Fall gewesen ist. Gegen 1700 zeigen sich auch in der Schweiz, neben der Historiographie und aus ihr heraus, Ansätze zu einer staatsrechtlichen Betrachtung der Heimat, die aber noch auffällig lange versuchen, die Reichsbande zu bewahren. Der konvertierte Zürcher Johann Caspar Steiner erzählt in der ersten Auflage seines Alt-teutschen Spartier Lands, das er 1680 den katholischen Orten widmet, die Befreiungssage nach Guillimann und Stettler. Als er sein Buch stark erweitert 1684 erneut auflegt, fügt er einige apologetische Bemerkungen hinzu. Die Innerschweizer hätten sich nur der österreichischen Tyrannis widersetzt, um aber gleichzeitig »dem Reich und dessen Haupt, dem Römischen Käyser, treu und gehorsam zu verbleiben, wie dann noch auf den heutigen

191 Dietrich Hermann Kemmerich, Introductio ad Jus publicum, 1721 S. 241 (1, 16, 26), Christoph Lorenz Bilderbeck (?), Teutscher Reichs-Staat; Jacob Karl Spener, Teutsches Jus Publicum, Frankfurt 1723, S. 213 (3, 7, 3); Theodor Reinking, De regimine seculari et ecclesiastico [offenbar in einer späteren Auflage als die ursprüngliche von 1619], S. 175 (1, 2, 9, 97); Gottlieb Gerhard Titius, Specimen Juris Publici, Leipzig 1698, S. 157 (1, 8, 45); Gabriel Schweder, Introductio in Jus publicum, Tübingen 1681 [danach oft], Part. Gener., S. 128 (4, 38); Hombergk, Jus Publicum Imperii R. G., Marburg 1719, S. 12 (3, 12); Johann Friedrich Pfeffinger, Vitriarius illustratus, 1691 (danach 1698/1699 und 1712/1718), S. 998, alle zitiert bei Moser, Souverainete, 1731, S. 38, Anm. 24 bzw. S. 50 f., Anm. 46–52. 192 P ufendorf, Verfassung, 1994, S. 212: »Helvetio vicino nihil commodius, cui sua duntaxat tueri, alieni nihil affectare et prodesse potius quam nocere lex est.«

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

Tag alle 13 Eydgenössische Orth ihre Ehren- Statt- und Lands-Wappen dem Römischen Adler auß schuldigistem Respect underwerffen: Obwolen sich dannoch jetzund die ganze Schweitz für eine absonderliche independierte Respublica erkennet, auch eine solche zuverbleiben mit Göttlichem Beistand verhoffet; welche auch erst in dem Westphalischen Friden … von ihr Käyserlichen Majestät gnädig ist gut-geheißen und bestättiget worden.«193 Auffällig ist, dass der Zürcher den westfälischen Frieden erst 1684 erwähnt, wohl nachdem ihn Leser auf das Thema aufmerksam gemacht haben, das dem Verfasser selbst auf den gegen 300 Seiten der Ausgabe von 1680 noch nicht erwähnenswert schien – wohl weil er nicht um dessen mögliche Bedeutung wusste. Auch 1684 bemüht er sich noch, die »independierte Respublica« in Übereinstimmung zu bringen mit der Reichstreue und dem Doppeladler, den er weiter als Symbol aller Kantone wähnt, die aber gleichzeitig »souverain und keinem unterworffen« seien.194 Vermutlich sieht es Steiner ähnlich wie ein anonymer, offenbar aus Basel stammender »praciticirter Secretarius«, der in dem 1704 in Frankfurt gedruckten, offiziösen Schweitzerischen Kriegs-Rechts erklärt: Die Eydgnossischen Städte aber führen den Adler über ihrem Schild, nicht daß sie dem Reich underworffen, sondern zum Zeichen der Lands-Obrigkeit, Juris Superioritatis, Souverainté genannt, inmassen auch under dem Reich der Adler schon allbereit ein Zeichen desselben gewesen; Zwar erstlich zu bedeuten, daß sie Glieder und Stände des Reichs waren, demnach auch, daß sie Freye Stände desselbigen, welcher Freye Stand dann die Ober-Herrlichkeit mit sich bringet, massen gesagt wird: Liberas Imperii civitates tantum possunt in suo, quantum Imperator in Imperio; so ist auch nicht allen Städten im Reich recht erlaubt den Adler zu führen, sondern allein denen, so Stände des Reichs oder Lands-hohe Ober-Herrlichkeit und Recht haben. Es wird auch kein Zeichen der Souverainté nicht gefunden als die Kron und der Adler.195

Die Krone des westlichen Staatsdenkens und der Adler des Reiches, Souveränität und Landesherrschaft werden von diesem kaiserlich ge193 Steiner, Spartier-Land, 1684, S. 74 f. 194 So für Luzern Steiner, Spartier-Land, 1684, S. 134. 195 Schweitzerisches Kriegs-Recht, 1704, S. 230; die Syntax des lateinischen Zitats geht nicht auf, vermutlich wurde ein a.c.i. unvollständig umgewandelt (»possunt« aus »posse«); im Anhang, S. 236–253, gehen die Angaben über Basel (Bürgermeister, Universität) ungleich stärker in die Einzelheiten als über die anderen Orte; dazu folgt auf S. 254–292 ohne logischen Zusammenhang mit dem übrigen Buch eine aus der Fortsetzung von Merians Theatrum übernommene Beschreibung des Einundneunziger Wesens in der Rheinstadt. Den Hinweis auf das Kriegs-Recht verdanke ich Clausdieter Schott.

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sinnten Basler noch als vereinbar, ja als identisch angesehen.196 Daher ist die Eidgenossenschaft zwar eximiert, aber »doch dem Reich umb vieler empfangenen Gutthaten noch verbunden und verpflichtet, nicht als Reichs-Underthanen, sondern als Verbündeten, dahero die Ort der Eydgnoßschafft noch des Reichs Liebe Getreue genennet werden, sind derhalben auch under des Reichs Schutz und Schirm, und mögen Confoederati Imperii, des Reichs-Bunds-Genossen qualificirt werden.«197 Schärfer argumentiert der Schwyzer Kanzlei- und Tagsatzungsschreiber Franz Michael Büeler, der später auch Unterschreiber der Grafschaft Baden wird. Er kann als Begründer eines modernen schweizerischen Staatsrechts gelten, welches den Reichsgedanken, die Privilegien und letztlich auch den legitimierenden Rekurs auf die Geschichte verabschiedet hat. 1689 verfasst er einen Tractatus von der Freyheit, Souverainitet und Independenz der Loblichen Dreyzehen Orthen der Eydgnossschafft, den er seinen Amtskollegen in den übrigen Ständen widmet, denen »von Gott dise Großmächtige Republic zu regieren anvertrawet ist«. Büeler will klären, »ob die Lobl. 13. Orth der Eydgnoßschafft ins gesambt und ein jedes derselben besonder ein freyer, Souverainer, independierender Stand seye«. Ausgehend von Bodin definiert er den »Stand«, also Staat, als denjenigen, der die höchste Gewalt ausübt oder – was gleichbedeutend sei – die Regalien handhabt. Als Regalien nennt Büeler, erneut unter Berufung auf Bodin, das Recht auf Krieg und die Befähigung, »Universal-Gesetz« zu erlassen. Letztere beansprucht er mit dem römischrechtlichen »Conditor quam interpres legum solus Imperator juste existimabitur« für alle, die außer Gott niemanden über sich erkennen. Die Gesetzgebung sei zwar für Bodin »das erste und fürnembste Stuck der Majestät«, doch in dieser Hinsicht flickt Büeler dem Meister am Zeug: Wichtiger sei die »vollkommne ledige Gwalt«, also die Absolutheit. Angesichts des zwangsläufigen legislatorischen Defizits der Eidgenossenschaft deutet also der Schwyzer die Souveränitätstheorie dahingehend um, dass die Unabhängigkeit gegen äußere Mächte und damit die Gleichrangigkeit vor Gott ihr entscheidendes Element ist: Was bei Bodin der Charakter der Souveränität war, die Erhebung über das Gesetz, wird bei Büeler zu

196 Schweitzerisches Kriegs-Recht, 1704, S. 227, hält auch gegen die oben, S. 167, zitierte Pufendorf-Stelle fest, »daß die Schweitzer selbst Herren und Meister sind und von keinem Oberen dependiren und ein jeder Canton tantum valet in suo, quantum Imperator in Imperio, ein jedes Ort so viel Regierung, Macht und Ober-Herrlichkeit hat als der Kaiser über das gantze Römische Reich.« 197 Schweitzerisches Kriegs-Recht, 1704, S. 231.

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einer ihrer drei Hauptkompetenzen, neben dem Kriegsrecht und der Gesetzgebung.198 Als mindere Regalien erwähnt der Kanzleischreiber darauf das Friedens- und Bündnisrecht, die Appellationshoheit, das Begnadigungs-, Markt- und Münzrecht und etliche weitere. Diese Regalien besäßen die 13 Orte »so wohl ins gesambt als ein jedes besonder« durch praescriptio und »unverdenklich Possession«, da Österreich seine Ansprüche in der Erbeinung von 1474 aufgegeben habe und die Schweizer seit 150 Jahren dem Kaiser nicht mehr huldigten und eigene Gesetze erließen, was durch Artikel 6 des Osnabrückischen Friedensinstruments bloß bestätigt worden sei. Da dieses aber ein völkerrechtlicher Vertrag unter Gleichgestellten sei, könne er auch nicht mehr widerrufen werden. Als Beleg zitiert Büeler Wettsteins Recharge, um dann die – später – im Kriegs-Recht angeführten Zeugnisse der Reichsbande anders zu deuten: Der Reichsadler werde »theils auß einer Gewohnheit, theils aber wegen einer Zierd« auf die Wappen gesetzt, doch der eine oder andere Ort habe ihn bereits »amoviert und weggethan«; der Vorbehalt geschehe zu Ehren des Kaisers, aber nicht aus Schuldigkeit ihm gegenüber.199 Im Übrigen besteht aber volle Bündnisfreiheit, und dies ist – zusammen mit dem Kriegsrecht – auch der Kern von Büelers Souveränitätsverständnis, das also außenpolitisch beziehungsweise völkerrechtlich argumentiert. Indem sowohl für die einzelnen Orte als auch für die Eidgenossenschaft gleichzeitig die Souveränität postuliert wird, vermeidet der Schwyzer die heikelste Frage, wo sie zu verorten sei. Zwei Jahre später verschreibt Büeler eine Politische Arzney für Erhaltung eines jeden Fryen Stands insonderheit der loblichen Eydtgnoßschafft, worin die Obrigkeit auf Gottes Einsetzung zurückgeführt wird – ein herrschaftlicher Gott, aber kein konfessioneller, und ihn zu verehren sind alle Eidgenossen gleichermaßen verpflichtet. Als Haupt der »Republic« muss die Obrigkeit – und nur sie allein, also nicht das Volk – dort, wo Gottes Gesetze nicht ausreichen, neue erlassen, um seinen Körper in Ordnung zu halten, da andernfalls nicht die Vernunft, sondern die Gewalt des Stärksten herrschen würde. Allerdings sollen die Herrscher »alte Gesatz« wenn möglich nicht umstoßen, sondern nur behutsam modifizieren; eine Irrlehre sei es, »daß ein freyer Stand thun oder Gesatz machen möge, wie er wolle, oder nach seinem eignen gefallen«.200 Gleichwohl führt Büeler, wenn auch vorsichtig, mit den ob198 Büeler, Tractatus, 1689, S. 17–19. 199 Büeler, Tractatus, 1689, S. 55, vgl. auch S. 65 f. 200 Büeler, Arzney, 1689, S. 14 f., 21.

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ligaten Vorbehalten und auch unter Berufung auf der »Theologen Lehr«, die Gesetzgebung als obrigkeitliche Kernkompetenz in die schweizerische Staatslehre ein. Erst in den folgenden Kapiteln geht er auf das Richteramt und die Pflege der Gerechtigkeit ein, die traditionellerweise zentralen Staatsfunktionen. Als neuartige Anliegen kommen auch die Steuererhebung und ihre Verteidigung gegen die angebliche Verjährung obrigkeitlicher Rechte hinzu, außerdem die Bündnisse, die auch hier gleichsam als äußerer Ausdruck der Staatlichkeit verstanden sind. Konkret denkt der Schwyzer Landammann dabei an die Allianz mit Frankreich, die er 1692 in seinem Politisch-Theologischen Tractat als Konsequenz der staatserhaltenden Neutralität preist: »Hat nit eine lobliche Eydtgnoßschafft durch die Neutralitet von 176 Jahren hero, da die außere Potentzen in Krieg gewesen, sich in Fried und Ruhstand mit Gottes Gnaden Hilff erhalten?«201 Mit anderen Autoren seiner Zeit teilt Büeler die neuartige Überzeugung, dass eine seit Marignano konsequent befolgte Neutralitätspolitik die Eidgenossenschaft unversehrt bewahrt habe und es angesichts der Gefahren gelte, den »Fußstapffen ihrer Vorfahren« zu folgen.202 Den entscheidenden Schritt zu einem »Jus Publicum Helvetiae«, das er auch eingangs eigens definiert, tut Büeler mit seinem im Oktober 1696 abgeschlossenen Compendium des gemeinen eidgenössischen Rechts, das wie seine anderen Texte Bodin und die Reichspublizisten passend anführt. Der Kanzlist untersucht die allen Orten »gemeinen Satz- und Ordnungen …, krafft deren sie in der Einigkheit undt ein jedes in seinem Stand aufrecht erhalten werde«: Sie findet Büeler »in denen Eydgnsch. Pündten, dem Sempacher Brieff, dem Landtsfriden, dem 1656er Friden undt anderen authentischen Verträgen, auch alten gueten Gewohnheiten etc.«203 Klar formuliert ist jetzt auch seine Entscheidung für die kantonale Souveränität, die nur durch diejenigen Gesetze eingeschränkt ist, in die ein Stand auch eingewilligt hat. Die Orte üben die Rechtsprechung selbst aus und anerkennen keine höhere Instanz – anders als die Reichsstände, die im Kaiser ihren Oberherren haben. 201 Büeler, Traktat, 1692, S. 115, 118. 202 Vgl. den Hinweis bei Büeler, Traktat, 1692, S. 114 f., auf Bodin und die Länder wie Burgund und Lothringen, die diesem Prinzip nicht nachgelebt hätten; außerdem auch die Reflexion … mit einer remonstration, s. a. (1690), S. E1v: »Also wann eine lobliche Eydgnoßschafft denen Fußstapffen ihrer Vorfahren nachtretten, sich in dem Neutral Stand halten, denen Verbündeten die Bundtspflichten erstatten und kein Parthey nemmen wird, so wird dieselbige in ihrem bißharigen Ruhestand fehrners erhalten werden …«. 203 Büeler, Compendium, 1869, S. 8 [= 50].

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

Es ist aber zu wüssen, daß der absolute Gwalt oder die Mayestät nit in dem bestehet, daß der Soverain keinen Gesatzen underwoffen seie, sonder in demme, daß Er, so vil sein Person betrifft, nit an die Solenniteten des Rechtens gebunden, weilen des Fürsten Gegenwart alle Solenniteten erfüllet … undt das Er krafft seines Ambts in der Regierung des Standts, in Befürderung desselben Nutzen, in Verwaltung der Gerechtigkheit und dergleichen, die Verordnung der Gesatzen zu Zeiten usser Acht lassen und versaumen kan, welches jedoch allein in gwüssen Fählen stath hat.204

Wenn es die »nambhaffte Billichkheit« oder der »gemeine Nutz« verlangen, dann darf, ja soll der Fürst das Jus strictum missachten. Hinsichtlich des öffentlichen Rechts der Schweiz ist der Fürst ein Verband souveräner Orte, für die nur die gemeinsamen Entscheidungen gelten, denen sie sich unterworfen haben – wie ja auch Bodin die Gültigkeit von Verträgen unter Souveränen von der in der Innenpolitik absoluten Verfügungsgewalt eines einzelnen Souveräns ausnimmt. Als Gegenstand gemeinsamer Vorschriften sieht Büeler das Kriegs- und Bündnisrecht, Commercium, Zölle, Münzrecht und die konfessionellen Bestimmungen für die Gemeinen Herrschaften. Dass Büelers Werk auf konfessionelle Empfindlichkeiten wenig eingeht, kann mit ein Grund dafür sein, dass die Luzerner, denen das Werk gewidmet ist, ihn zwar mit 50 Gulden belohnen, es aber nicht drucken lassen. Zwar sehen sie es als guten »Discursus« an, aber nicht für »infallibel«: »sunt discursus, non dogmata« – es stehe jedermann frei, über »die Pünth zu glossieren«, doch darüber zu »decidieren«, sei Sache des jeweiligen Oberhaupts und Richters. Abgesehen von den nicht präzisierten inhaltlichen Einwänden geht es also formal darum, dass nur die Obrigkeit, und nicht ein gelehrter Jurist, befähigt ist, Interpretationen zu geben, auf die man die Eidgenossenschaft oder die – katholischen – Orte behaften könnte.205 Das Hauptanliegen der Magistraten ist es, nicht nur nach eigenem Ermessen handeln zu können, sondern dabei auch nicht auf verfasste Regeln Rücksicht nehmen zu müssen. Nachdem der neue völkerrechtliche Status der Eidgenossenschaft im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts beinahe unmerklich von den

204 Büeler, Compendium, 1869, S. 11 [= 53]. 205 Vgl. das Vorwort zu Büeler, Compendium, 1869, S. 4 [= 46], auch Büelers eigene Vorsicht auf S. 7 [= 49]: »… so protestiere ich jedoch hiemit, daß ich mit disem Werkh Niemanden vorzuschreiben, oder an meine Auslegung zu binden sueche, dan mir wohl bekant, daß die Auslegung solcher hochen Rechten eigentlich undt de Jure niemand als denen Hochlobl. Ständen der Eydgnoßschafft gebührt«.

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6. Die öffentlichrechtliche Literatur nach 1648

Reichspublizisten anerkannt und erstmals auch von Schweizern theoretisch reflektiert worden ist, erscheint 1720 und 1731 in Basler Dissertationen Kritik an »Sophisten«, die zweideutige Formulierungen ausnutzten, um die Exemtion von 1648 in Frage zu stellen.206 Im Anschluss an den Toggenburger Konflikt ist die Frage aufgeworfen worden, ob die Exemtion auch für Zugewandte – und namentlich den St. Galler Fürstabt – gelte. Gleichzeitig beruft sich der Bischof von Konstanz auf seine Jurisdiktion in seiner Diözese, wobei er das erwähnte Argument vorbringt, dass die Schweizer Exemtion nur »in possessorio« gelte, also vorbehältlich kaiserlicher Rückforderungen. In diesem Zusammenhang und gegen die »von sovielen Skribenten seit wenigen Jahren beschehene Anzäpfung der lobl. Eidgenossenschafts Souveraineté«207 verfasst der berühmte Staatsrechtler Johann Jacob Moser 1731 Die gerettete völlige Souverainité der löblichen Schweizerischen Eydgenossenschafft.208 Den Anhang machen auf 84 Seiten Dokumente aus, die alle bis auf zwei aus Wettsteins Acta und Handlungen stammen.209 Eigene Forschungsleistung fließt demnach wenig ein in den Moserschen Text, dessen Bedeutung nicht in der Originalität der Beweisführung liegt, sondern in der Person des Autoren und in der Tatsache, dass dem Gegenstand erstmals eine eigene Abhandlung für ein – deutschsprachiges – internationales Publikum gewidmet wird. Für Moser ist klar, dass der Schweizer Bund sich schon vor dem Westfälischen Frieden (selbst) »in souverainen Stand gesetzet habe«, dies also nicht »einer Gnade des Teutschen Reiches« verdanke.210 Basel und mit ihm die Eidgenossenschaft wollten 1646 nichts anderes, als bei ihrer alten »Frey- und Hoheit zu verbleiben« – was Moser aber mit der Souveränität gleichsetzt, wobei er sich auf Wettsteins Recharge beruft und das entscheidende Wort entsprechend hervorhebt: »bey ihrem freyen, NB . souverainen Stand und Herkommen«.211 Die Eidgenossen hätten – wider Leibniz – nicht mehr erlangt, als sie eigentlich gefordert hätten, und nicht erst während der Verhandlungen »sich Souverainitäts-Gedancken in den Kopf« steigen lassen, sondern nur in einem Teilgebiet 206 Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 243 f. 207 Leschhorn, Moser, 1965, S. 108. 208 Ein anderer Druck trägt den Titel Commentarius ad Art. 6 Instr. Pacis Westph., Frankfurt 1731. 209 Nicht aus den Wettstein, Acta, 1651, stammen die Beilagen I (S. 17, Kaiserliches Rescript vom 19. Oktober 1647) und Kk. (S. 84, Schreiben der Reichsdeputation an den Basler Bischof, 21. März 1656). 210 Moser, Souverainete, 1731, S. 6, 49. 211 Moser, Souverainete, 1731, S. 10, Anhang S. 9–11; zur Recharge oben, S. 194.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

bestätigt erhalten, was ihnen aufgrund einer älteren und übergeordneten Souveränität ohnehin zustand.212 Moser ignoriert die Interpretationsprobleme der Reichspublizisten letztlich insofern, als die Eidgenossen nach ihm eben schon vor 1648 souverän gewesen sind und eine Einschränkung der Souveränität (etwa im Sinne einer Freiheit »quoad petitorium«) deren Wesen zuwiderlaufen müsse.213 Indem er sich auf die Interpretation des Exemtionsartikels beschränkt und diesen als bloße Bestätigung der Souveränität ansieht, umgeht Moser die Fragen seiner Berufskollegen: Wann und wie soll diese Souveränität zustande gekommen sein, und was war 1647 unter Exemtion zu verstehen? Für Mosers Argumentation ganz entscheidend ist die Tatsache, dass Wettstein selbst in der Recharge von einem »souverainen Stand« gesprochen hat – diese Selbsteinschätzung sei also den Kaiserlichen von Anfang an bekannt gewesen, und nichts anderes hätten sie demnach auch im Frieden bestätigt.214 Während aber der Basler das neue Wort noch in einem engeren Sinn für die Inappellabilität braucht, ist für den Stuttgarter klar die völkerrechtliche Souveränität gemeint: Wettstein braucht »Souverainitet« als Synonym für die ihm vertraute, reichsrechtliche »Exemtion«, während Moser umgekehrt überall dort, wo er »Exemtion« liest, postuliert, dass die vollumfängliche Souveränität gemeint sein muss. Damit bringt er die reichsrechtliche und die westlich-staatsrechtliche Terminologie zur Deckung und erlangt so das Kriterium, um – wie oben erwähnt – klar zwischen Republiken und Reichsstädten unterscheiden zu können: Nicht auf die bloße polyarchische Verfassung kommt es an, sondern auf den Status eines souveränen Völkerrechtssubjekts. Die Glaubwürdigkeit von Mosers Apologie der schweizerischen Souveränität liegt nicht zuletzt darin, dass er zugleich klar Stellung bezieht gegen analoge zeitgenössische Bestrebungen im Reich selbst: Weder die Reichsstände noch der Kaiser mit seinen wenigen Reservatrechten (Begnadigung, Blutbann und einigen Privilegien) sind beim schwäbischen Gelehrten souverän. Vielmehr zwingt sie die Wahlkapitulation, alle für den »status publicus« wesentlichen Entscheidungen gemeinsam zu fällen.215 Mit Mosers Schrift ist für die Reichspublizistik die Frage im Sinn der Eidgenossenschaft geklärt, wenn man vom thüringischen Freiherren Ludwig Friedrich von Jan absieht, der 1801 eher anachronistisch zu 212 213 214 215

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Moser, Souverainete, 1731, S. 22 f., 26–28, 45. Moser, Souverainete, 1731, S. 41–44. Moser, Souverainete, 1731, S. 38 f. Willoweit, Territorialgewalt, 1975, S. 169; Leschhorn, Moser, 1965, S. 48 f.

6. Die öffentlichrechtliche Literatur nach 1648

beweisen sucht, dass die Schweiz weiter ein »integrirender Theil« des Imperiums sei.216 Unterdessen haben selbst die Schweizer das von Büeler begründete Staatsrecht institutionalisiert. Der Inhaber des entsprechenden Basler Lehrstuhls, Johann Rudolf von Waldkirch, ist ein wichtiger Propagator des Naturrechts in der Schweiz und legt 1721 eine Gründliche Einleitung zu der Eydgnossischen Bunds- und Staats-Historie vor. Dies ist der Anfang einer Vielzahl von Werken, die nun – zwischen Kanton und Völkerwelt, als Produkt sowohl von Geschichte als auch des Rechts – die gesamte Eidgenossenschaft zu erfassen versuchen, wie das seit Simler nicht mehr passiert ist. Waldkirch beansprucht für sein Heimatland »unser eigenes Jus Publicum, welches in Curia Helvetiae alleinig giltet und wornach man sich in Negotiis publicis zurichten hat«. Als guter Kenner und Kommentator Pufendorfs, aber wohl auch auf Schweizer Vorgängern fußend,217 erfasst er die Schweiz als »ein Systema Civitatum und souveraines Corpus, oder Republic, welches die Lobliche Eydgnoßschafft im Stylo Curiae betittlet wird«.218 Auf die Frage nach der Staatlichkeit geht Waldkirch allerdings nicht näher ein, und hinsichtlich der Verfassung beschränkt er sich darauf, im Anhang des zweiten Teils diejenigen der – souveränen – einzelnen Orte zu präsentieren. Gleichzeitig entdecken die Doktorarbeiten der Basler Juristen, die – abgesehen von Remigius Faesch – im 17. Jahrhundert die Eidgenossenschaft kaum erwähnt haben, diese allmählich als akademisches Thema.219 Der Basler Bürgermeistersohn Emanuel Falkner handelt 1737 unter dem Vorsitz des Professors für öffentliches Recht, Johann Rudolf Iselin, De iure legationum liberae Reipublicae Helveticae und staunt darüber, dass viele die Schweizer Geschichte behandelt hätten, aber

216 Jan, Staatsrechtliches Verhältnis, 1801; vgl. dazu auch Leschhorn, Moser, 1965, S. 98–102; auch Ghika, Indépendance, 1948, S. 432, Anm. 170. 217 Vgl. Schweitzerisches Kriegs-Recht, 1704, S. 233: »… alwo Dreyzehen von verschiedener Land-Rechten wesende, nicht in einer Religion allein stehende Republiquen zu einer vollständigen und allwegen auff denen Diaeten einig-werdenden eintzigen Republique und Corpus, oder Systema Rerumpublicarum, gestiegen …«; der Verfasser kennt Pufendorf, vgl. S. 227. Später sehen Lauf fer, Dissertatio, 1735, S. 168 (§ 7), die Eidgenossenschaft als ein »systema« aus Demokratie und Aristokratie, und Iselin, Tentamen, 1751, S. 9 (2, § 1), als »systema compositum ex multis civitatibus«. 218 Waldkirch, Bunds- und Staatshistorie, 1721, S. 14; so dann auch derselbe in Iselin, Lexicon, 6, Basel 1744, S. 336. 219 Vgl. T rolliet, Theses, 1700, Thesis II; Pillichody, Jus naturale, 1734, S. 24; vgl. Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 217–219.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

nur wenige wie Simler und Waldkirch das »Jus Helvetiorum publicum«. Falkner betrachtet die weit zurückreichenden historischen Belege für die Abordnung von Diplomaten als Beweis für das Gesandtschaftsrecht und damit für die 400 Jahre alte Souveränität seiner Heimat, die darin anderen »Principes atque Respublicae« nicht nachstehe. Falkner erkennt Wettsteins Leistung darin, dass er sich nicht um eine Privilegienbestätigung bemüht, sondern die Lösung vom Reich erlangt habe, was sich schon 1651 in der zeremoniellen Gleichbehandlung mit Venedig als einem »Status plane separatus ac omni ex parte liber« niedergeschlagen habe. So wird Falkners Arbeit die erste Basler Dissertation, die sich ausschließlich mit dem Staatsrecht der Eidgenossenschaft beschäftigt – bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts hat es gedauert, ehe diese nicht mehr nur in den Kategorien Imperium oder Föderation erfasst werden kann.220 Johann Rudolf Iselin selbst gibt 1734 das berühmte, aber bis dahin noch nie gedruckte Chronicon Helveticum von Aegidius Tschudi erstmals heraus. Der Geschichtsprofessor Jacob Christoph Beck lässt 1746 das erste schweizergeschichtliche Lehrbuch folgen.221 1746 schreibt Daniel Mitz De libertate Helvetica und argumentiert naturrechtlich von der ursprünglichen Freiheit der Menschen her, die aber in der bürgerlichen Gemeinschaft einem Herrscher überantwortet werde. Während die Reichsstädte die kaiserliche Obrigkeit anerkennten, sei den Schweizern ihre Freiheit vollständig verliehen worden: De iure durch Privilegien, de facto durch die legitime Befreiung von den Vögten, und 1648 habe die Bestätigung dessen gebracht, was bereits durch »Verjährung seit unvordenklicher Zeit« erlangt gewesen sei. Als souveräner Staat könnte die Eidgenossenschaft sogar Bündnisse gegen das Reich abschließen, was sie aber aus Ehrfurcht gegen einen hochehrwürdigen Körper nicht tue, dem sie einst angehört habe; dies sei aber kein Beweis einer Ehrenbürgerschaft im Reich.222 Schließlich erscheint 1751 das erste systematische Tentamen iuris publici Helvetici – sein Verfasser ist Isaak Iselin, ein Neffe Johann Rudolf Iselins, und die Anregung dazu hat er nicht in Basel, sondern bei Johann Jacob Schmauss in Göttingen erhalten, aber auch Pufendorfs

220 Falkner, Jus legationum, 1737, S. 5–9, 15; Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 219–224, 245 f. 221 Jacob Christoph Beck, Introductio in Historiam patriam Helvetiorum, Zürich 1744; vgl. Feller/Bonjour, Geschichtsschreibung, 2, 1962, S. 557. 222 Mitz, Libertas, 1746; dazu auch Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 246– 250.

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6. Die öffentlichrechtliche Literatur nach 1648

Monzambano zu verdanken.223 Dagegen kennt Iselin Büelers ungedrucktes Compendium nicht, doch der befreundete Luzerner Ratherr Felix Balthasar schickt ihm 1759 eine Abschrift davon aus dem eigenen Besitz, so dass der Basler seinen Schwyzer »Vorgänger« dankbar entgegen nehmen kann.224 Iselin unterscheidet das spezielle öffentliche Recht, wie es sich durch die Bündnisse für das gesamte Corpus Helveticum entwickelt habe, und das »specialissimum ius« der einzelnen Orte. Iselins Werk verbindet unvermeidlich juristische Systematik und Geschichtsforschung, wie sie jetzt vorliegen: Leus Neuausgabe von Simler, die Tschudi-Edition seines Onkels, Waldkirchs Staatsrecht und Jacob Lauffers Schweizergeschichte. Als Quellen eines gesamteidgenössischen öffentlichen Rechts zählt der Aufklärer neben dem ungeschriebenen Recht die verfassten Dokumente auf: Urkunden von Bündnissen, Verträge, Friedensschlüsse, Schiedsgerichtsurteile und eidgenössische Abschiede. Damit ist der historische Stoff gegeben, der erlaubt, einen Staat auch auf der Ebene wissenschaftlich zu analysieren, auf der er laut Bodin eigentlich gar nicht existiert, wie auch Iselin eingesteht. Das allgemeine Staatsrecht, das die »reipublicae unitas« voraussetzen würde, lässt sich auf die Eidgenossenschaft als Ganzes eigentlich nicht anwenden, da die einzelnen Orte souverän sind.225 Daher kann auch der Basler die Staatlichkeit des Corpus Helveticum nur im Völkerrecht begründen, in der Gleichbehandlung mit anderen Mächten;226 »deficientibus vero legibus positivis, vel scriptis, vel non scriptis, ad Ius Gentium erit confugiendum«.227 Die geplante Fortsetzung des Erstlings wird Iselin jedoch nie schreiben, obwohl er verspricht, darin die Art und das Funktionieren der Schweizer Regierung darzustellen; auch die dem Gegenstand angemessenere Abhandlung über die »Systemata civitatum« oder »Vereinigten Staaten« der Schweiz bleibt ein Projekt.

223 Im Hof, Iselin, 1947, S. 307–313, 443–451; Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 224–228. 224 Iselin, Briefwechsel, 1925, S. 6 f. (8. November 1758), cf. auch S. 10, 30, 32–34. 225 Iselin, Tentamen, 1751, S. 23 (4, § 10). 226 Iselin, Tentamen, 1751, S. 20 (4, § 3): »Apparet hinc quoad exteros Helvetiorum quamvis civitatem, uti integrum C. H. tanquam omnino independentem considerandam esse, & eodem iure ac quosvis Europaeos imperantes censendam, hinc non uti Imperii Status mutuato, sed proprio maiestatis lumine splendere.« 227 Iselin, Tentamen, 1751, S. 8 (1, § 5), auch S. 21 (4, § 3).

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

7. Protokollarische Konflikte mit Frankreich: die Gesandtschaft von 1663 Von Büeler bis Iselin ist eine Konstante des schweizerischen Jus publicum die Begründung des eidgenössischen Staatscharakters in seinem außenpolitischen Verhältnis zur Völkerwelt, wobei neben dem eher hypothetischen Kriegs- und Friedensrecht vor allem das sehr konkrete und umstrittene Bündnisrecht im Mittelpunkt steht. Die Theorie folgt in dieser Hinsicht der Praxis, denn erst über die Selbsterfahrung in den Zwängen des Völkerrechts und im entsprechenden Zeremoniell erlernen die Eidgenossen, was eine souveräne Republik wirklich ist und welche Regeln sie befolgen muss, aber auch beanspruchen kann. Dieser Lernprozess beginnt bereits bei Wettstein, der im Tagebuch, das er während seiner westfälischen Gesandtschaft führt, verschiedentlich beschreibt, wie er das Zeremoniell erlebt und erklärt bekommt. So setzt ihm der Augsburger Jeremias Stenglin auseinander, dass die französischen Ambassadoren nur für diejenigen Botschafter einen Sessel mit Armlehnen vorsehen, die wie sie selbst »von einer Cron gesannt« sind; auch lassen sie diesen den Vortritt und beim Hinausgeleiten den Platz zu ihrer Rechten. Die fürstlichen Gesandten dagegen haben eine Rükken-, aber keine Armlehne, die städtischen gar keine, und für »Particulare« reicht es noch für ein Sitzlein, das »Peroque oder Papagey« heißt. Wettstein empört sich, dass wegen solcher Zeremonien und den dazugehörigen Streitigkeiten Jahre ins Land ziehen, während der Krieg weiter tobt und Tausende von Opfern fordert.228 Wettsteins Kommentar ist charakteristisch für die Schweizer, die mit dem höfischen, pompösen Zeremoniell weder mithalten können noch wollen. Doch gleichzeitig beschwert er sich, dass die Eidgenossen ihm kein »4ten theil deß prachts« ermöglicht hätten, mit dem die Niederländer aufgewartet hätten; so sei »sehr großer respect« verspielt worden.229 In der Schweiz zurück, wird er seine Bundesgenossen belehren, dass eine angemessene Ausrüstung der Gesandtschaften mit Kutschen, Gesinde, Livrée und eigener kostbarer Kleidung notwendig sei, um bei »auswärtigen Regierungen« die Achtung zu erlangen, »auf die man Ansprüche habe«. Besonders wichtig sei auch die Titulatur, wobei die Eidgenossen

228 Wettstein, Diarium, 1962, S. 129 f. 229 Brief an Rippel, 5. April 1647, zit. bei Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 525, vgl. 190.

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nach altem Herkommen bloß als »Ehrsame« angeredet würden – wie jeder Bauer.230 Solche Ratschläge, deren Umsetzung Kosten mit sich bringen würde, stoßen aber weiterhin auf Skepsis, wie wenig später der Schaffhauser Johann Jacob Stockar feststellen muss, der 1653 im Auftrag der reformierten Orte zwischen Cromwell und den Niederlanden vermittelt. Gegenüber der knauserigen evangelischen Tagsatzung rechtfertigt er seine Aufwendungen in England mit der »Erhaltung unserer Eydgenössischen Reputation«, weshalb Stockar »nach dieses landes gewohnheit und dem Exempel anderer ministrorum publicorum ehrlich und ansehnlich leben« müsse.231 Stolz weiß er denn auch zu berichten, dass ihn Cromwell empfängt, »mit den nemlichen Ceremonien, wie die königlichen Gesandten«, was dem Venezianer Gesandten nicht gegönnt werde; auch die Verabschiedung erfolge wie für einen »öffentlichen Ambassador«.232 So sehen sich auch die Schweizer gezwungen, die Verhaltensregeln zu erlernen, die den zwischenstaatlichen Verkehr regeln – wenn sie denn tatsächlich ihren eigenen souveränen Staat behaupten wollen. Da der Text des westfälischen Friedensinstruments den Status der Eidgenossenschaft nicht eindeutig geklärt hat, gilt es, diesen auf dem protokollarischen Schlachtfeld zu erkämpfen. Wie gezeigt, wird das Gesandtschaftsrecht im 17. Jahrhundert zum völkerrechtlich entscheidenden Ausweis der Souveränität in Friedenszeiten: Im diplomatischen Zeremoniell drückt sich die Anerkennung unter formal – wenn auch nicht würdemäßig – Gleichgestellten aus. Ungebührlich für solche ist etwa die Anrede »Unsere und des Reichs Liebe und Getreue«, die der Kaiser herkömmlich an die Eidgenossen richtet und die bereits Volmar als Zeichen der »subiectio« gedeutet hat. Frankreich und Venedig sind es, welche die Schweizer nach der Exemtion auf diesen Missstand hinweisen. Bereits 1623 haben die Niederländer, auf Formen viel mehr bedacht als die Schweizer, einen kaiserlichen Gesandten in Den Haag zurückgewiesen, als sie sich in seinem Akkreditierungsbrief als »imperii fideles« angesprochen sahen – und damit, nach ihrem Verständnis, als Vasallen.233 Ein erster Protest der Schweizer wird 1650 nicht erhört, doch im April 1651 können Zwyer und Wettstein über ihre erwähnte Wiener Mission berichten, dass das »getreu« weggelassen werde. 1654 erreicht Zwyer »eine dem freien 230 231 232 233

EA , 6, 1, S. 100 (2./3. Februar 1652). Ischer, Gesandtschaft, 1916, S. 48 f. Stockar, Gesandtschaft, 1823, S. 572; Ischer, Gesandtschaft, 1916, S. 32, 51. Heringa, Eer, 1961, S. 328 f., vgl. auch S. 232.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

Stand« entsprechende Titulatur als »Gestrengen, vesten und ehrsamben unnseren besonders Lieben N. gemeiner Eidgnoschafft aller 13 Orthen in Schweitz«. Anders adressierte Briefe werden nun zurückgesandt. Doch ob der vom Kaiser verwendeten Anrede »allergehorsamste«, die man für die Zukunft »remedirt« wünscht, bricht 1666 ein ähnlicher Streit wieder los.234 Weniger Probleme als dem Kaiser sollte die protokollarische Aufwertung der Eidgenossenschaft eigentlich dem Allerchristlichsten König bereiten: Frankreich hat Wettstein Lektionen in der Souveränitätslehre erteilt, seine Forderungen in Münster unterstützt und auch die Proteste gegen die ungebührlichen kaiserlichen Titulaturen angeregt. Zudem residiert schon seit 1540 sein Botschafter in Solothurn, was die Bedeutung der Schweiz unterstreicht, allerdings für sich noch keine Anerkennung eines Völkerrechtssubjekts bedeutet – ein Monarch darf Botschafter entsenden, wohin er will. Immerhin ist die Eidgenossenschaft, von Paris aus gesehen, in dieser Hinsicht dem Kirchenstaat, Venedig, Savoyen, den Niederlanden, England, Spanien, Portugal, Dänemark, Schweden, Polen und Konstantinopel gleichgestellt. Dagegen vertreten 1661 nur zweitrangige »residents« Louis XIV in der Toskana, in Genua und Ragusa, beim Reichstag, in Bayern, Sachsen, HessenKassel, Hamburg und Straßburg, ja selbst in Wien, wo der Vorrang eines Botschafters vor dem Spanier nicht gewährt würde.235 Gerade die protokollarischen Fragen zeigen allerdings, wie sehr Frankreich sein Staatsrecht zu instrumentalisieren weiß. 1651 protestiert Botschafter Jean de la Barde gegen kaiserliche Versuche, sich in die schweizerisch-französischen Bündnisverhandlungen einzumischen, und spricht dabei von »la France et les Cantons, l’une et l’autre des parties estant souveraine«.236 Doch kurz davor ist eine schweizerische Gesandtschaft aus Paris zurückgekehrt und hat berichtet, wie man sie von Seiten der Minister »à la grandeur« behandelt und ihnen den Titel »ambassadeurs« streitig gemacht habe. Gleichzeitig erhält die Tagsatzung einen an den König gerichteten Brief zurückgesandt, weil er gemäß dem 234 EA 6, 1, S. 51 f. (April 1651), 221 (Juni 1654), 668 (Januar 1666); vgl. Jan, Staatsrechtliches Verhältnis, 1, 1801, S. 284–286; Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 224, 227, 283, 304 f.; Gallati, Eidgenossenschaft, 1932, S. 348–350. Die veränderte Titulatur gehorcht weiter dem Sprachgebrauch des Reichs: Die Anrede als »Ehrsame« ist im Spätmittelalter für die Freien Städte reserviert gewesen, im Unterschied zu den Reichsstädten, die der Kaiser als »Liebe getreue« ansprach; vgl. Moraw, Verfassungsposition, 1988, S. 28. 235 Bély, Relations, 1992, S. 340. 236 Zitiert bei Gauss, Mission, 1948, S. 187, Anm. 32.

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7. Protokollarische Konflikte mit Frankreich: die Gesandtschaft von 1663

Herkommen mit »dienstwilligste« unterzeichnet worden ist und nicht, wie Frankreich jetzt verlangt, mit »demütigste«.237 Ausgefochten werden solche Geplänkel vor dem Hintergrund der Verhandlungen über eine Erneuerung der Allianz, die 1651 ausgelaufen ist. Die Vorbehalte sind manchenorts groß, bei kaiserlich Gesinnten wie Wettstein aus außenpolitischen Erwägungen, vor allem aber aus wirtschaftlichen und soldpolitischen: Beschwerden der Soldaten wegen ihrer Behandlung, ausstehende Sold- und Pensionengelder sowie Schuldzinsen, Klagen der Kaufleute über die Registrierung von Patenten, Zwangsanleihen und Zölle, die Sorge um die Handelsprivilegien im Elsass.238 Die Verhandlungen verlaufen zuerst erfolglos, da das vom Krieg mit Spanien und der Fronde gebeutelte Frankreich kein Geld hat, um die ausstehenden Zahlungen zu begleichen. Nach dem Bauernkrieg von 1653 ändert sich die Situation, insofern Solothurn zur Bewältigung der Kriegskosten auf fremdes Geld angewiesen ist und sich als konziliant erweist; 1655 folgen die übrigen katholischen Orte. Mazarin übt wachsenden wirtschaftlichen Druck auf die reformierten aus, unter denen vor allem Zürich und dort einige entlassene Offiziere um Thomas Werdmüller und Dietgen Holzhalb darauf bestehen, dass die Schulden vorgängig beglichen werden. Nachdem die Zollbefreiung der Schweizer Kaufleute in Lyon aufgehoben und deren Waren beschlagnahmt worden sind, geben die Zürcher unter dem Druck ihrer eigenen Kaufmannschaft als letzte nach und willigen 1658 in die Erneuerung des Bündnisses zu den Bedingungen von 1602 ein. In weiteren Verhandlungen werden die beiden französischen Soldallianzen mit den Schweizer Katholiken und den Protestanten zu einem umfassenden Vertrag zusammengefasst, den der Sonnenkönig in Paris beschwören lassen will. In der Hoffnung, die ausstehenden Forderungen würden nun wie versprochen befriedigt, reisen im November 1663 zwei große Gesandtschaften mit viel Gefolge, insgesamt über hundert Männer, in die französische Hauptstadt.239 237 EA 6, 1, S. 41 (9. November 1650), 52 (April 1651); im Januar 1673 wählt man für die Korrespondenz mit dem Gesandten die Unterschrift »Dienstwillige«, ibid. 6, 1, S. 868. 238 Für die Verhandlungen Gallati, Zürich, 1922; Domeisen, Waser, 1975, S. 152–168; zuletzt auch Frigerio, Vorgehen, 1996. 239 Dazu der offizielle Bericht von Wagner, Parisische Reyß, 1664, außerdem sein offizieller Abschied EA 6, 1, S. 599–602, und Hochr eutiner, Gesandtschaftsbericht, 1906; sowie Bor el, Ambassade, 1910, insbes. S. 184–195; Domeisen, Waser, 1975, S. 169–173; für die Berichte von Zürichs Bürgermeister Waser Hartmann, Selbstdarstellung, 1999.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

Bereits diese große Delegation widerspricht den höfischen Usanzen. In Westeuropa ist im 16. Jahrhundert der Einzelbotschafter üblich geworden, dessen Gefolge hierarchisch klar untergeordnet ist, und ab 1600 sind Kollektivgesandtschaften unüblich – beziehungsweise eine Besonderheit von Republiken, namentlich der Niederlande.240 Selbst an so wichtigen Verhandlungen wie den westfälischen besteht die französische Delegation bloß aus einer Zweierspitze, und weil D’Avaux und Servien dauernd Meinungsunterschiede austragen, wird ihnen im Duc de Longueville schließlich eine einzelne Figur vorangesetzt. Eine Delegation, in der alle Stände und Zugewandte mit zwei Gesandten vertreten sind, wird insofern nur aus Schweizer Warte als pompös und glanzvoll angesehen, um so mehr, als die Bürgermeister, Landammänner, Schultheißen und Räte den Souverän ja nicht nur repräsentieren, sondern ein Teil davon sind. Gerade diese Vielzahl ist dagegen für die Franzosen das Abbild einer chaotischen Staatsverfassung, in der niemand das Sagen hat. Geradezu prophetisch und nur scheinbar unpräzis sind die Worte von Louis XIV, als ihm bei der ersten Begrüßung die Wünsche für die Beschwörungszeremonie vorgebracht werden: »Messieurs, vous verrés par ma conduite l’estime que je fais de vostre nation«.241 Die Eidgenossen sind sich grundsätzlich bewusst, dass protokollarische Fragen nicht zu vernachlässigen sind. Im Vertrag, wie er bereits vorgängig, am 24. September 1663, in Solothurn unterzeichnet worden ist, spricht der französische Text von »nos Ambassadeurs ordonnez de part et d’autres«, im Deutschen sind es »unsere von Beydentheilen … abgeordnete Ambassadoren und gesandten«.242 Verwendung findet also der Titel, der Vertretern von Souveränen vorbehalten ist. Nachdem die Standesvertreter sich in Charenton versammelt haben, wird am 5. November 1663 im Quartier der Zürcher erwogen, »unter welchen Formalitäten man vor dem König erscheinen wolle. Die Ansichten waren verschieden. Man schlug vor, die Anrede im Namen des gesamten eidgenössischen und souveränischen Standes unter den Titeln zu halten, wie sie der königlichen Majestät gebührten. Die Ehrengesandten sollten mit bedecktem Haupte vor dem König stehen, da sich Seine Durchlaucht der Erzherzog von Venedig und der König von Eng-

240 Anderson, Rise, 1993, S. 31 f., 46 f. 241 Wagner, Parisische Reyß, 1664, S. 24; Hochr eutiner, Gesandtschaftsbericht, 1906, S. 48. 242 EA 6, 1, S. 1643. Für die Fragen des Zeremoniells im Folgenden Hartmann, Selbstdarstellung, 1999, S. 76–100, vgl. auch Rousset, Ceremonial, 1, 1739, S. 70–78.

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land vor dem französischen König diese Freiheit auch erlaubt hätten und die Herren der Eidgenossenschaft ebensowohl einen gefreiten und souveränischen Stand besäßen als jene. Oder man solle das Haupt mit der Rechten entblössen und den Hut in die linke Hand nehmen. Weil man nun im Zweifel war, ob der König solche Freiheit ohne weiteres annehmen möchte, kam man überein, per modum discursus mit Herrn Ambassadeur de la Barde sich hierüber zu verständigen.«243 Während einige Schweizer von sich aus bereit sind, den Hut zu ziehen, ist anderen offenbar bewusst, dass die Souveränität Gleichbehandlung mit sich bringt. Dafür werden nicht nur Venedig und England angeführt, sondern auch behauptet, die Eidgenossenschaft sei als »von Gott gesegneter Freyer Stand … nit weniger alß die Staaden von Holand, wo nit mehrers zuachten, die gleichwolen mit bedektem Haupt, Ihr Pottschafft verpflegten«.244 Dass man sich trotz diesen Vorbildern, ja möglicherweise sogar nach Ratschlägen der niederländischen Gesandten selbst in dieser Frage der nationalen Repräsentation ausgerechnet den französischen Botschafter gleichsam als Schiedsrichter einbezieht, sagt einiges über das Verhältnis zwischen den beiden Staaten und ebenso über die Schweizer Unsicherheit auf dem diplomatischen Parkett. Mit De la Barde kommt keine Einigung zustande, so dass der Sekretär der Gesandtschaft, der Solothurner Stadtschreiber Johann Georg Wagner, die Zeremonienmeister in Paris um drei Ehren angeht: Er begehrt wie 1602 die »praecedenz oder rechte hand« beim Einritt in die Stadt, dazu den Titel »excellenz«, und als dritten Punkt fragt er an, ob die Schweizer den Bundesschwur »mit bedeckten häuptern, als ein souverain, ohndependierender freyer stand, gleich ihr majestät« leisten. Die Antwort des Königs erfolgt nach zwei Tagen und verweist prinzipiell auf den Präzedenzfall des Bundesschwurs mit Henri IV im Jahre 1602, weshalb denn auch die »praecedenz« beim Einritt gewährt wird. Im Übrigen beweist aber der Sonnenkönig eine ganz andere Haltung als sein Großvater, dessen Umgänglichkeit die Gäste seinerzeit entzückt hat.245 Der König lässt mitteilen, der Titel »Exzellenz« entspreche bei »einem Regiment von so vilen Glideren« nicht dem Herkommen;246 und 1602 sei allein der König bedeckt gewesen, »niemand

243 Sutter, Ritt, 1963, S. 51. 244 Waser, Beschrybung, ZBZ MS A 153, S. 88 f., zitiert bei Hartmann, Selbstdarstellung, 1999, S. 88. 245 Siehe oben, S. 85 f. 246 So bei Waser, Beschrybung, ZBZ MS A 153, S. 133 f., zitiert von Hartmann, Selbstdarstellung, 1999, S. 84.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

von den umständeren«. Wagner hält dagegen, dass mit den »umständeren« kaum der »contrahierende haupt- und gegentheil«, die eidgenössischen Gesandten, gemeint sein könnten. Bezeichnenderweise haben die Eidgenossen aber keine eigenen Quellen und müssen das unter Henri IV praktizierte Zeremoniell aufgrund französischer Beschreibungen interpretieren. Das für die Zeremonialwissenschaft entscheidende Argument des Präzedenzfalls ist den Schweizern bisher noch nicht bewusst gewesen. Dafür sei die Eidgenossenschaft ein »ohnmittelbarer, von gott gesegneter freyer stand, nicht weniger als etlich andere fürsten, herren und ständ, – die gleichwohl mit bedecktem haupt ihr botschaft verpflegten … Über diß so wäre eine lobl. eydtgnoßschaft seit dem Münsterischen frieden-schluß von dem reich und deßen respect alliglichen eximiert und abgelediget, seit geraumer zeit von dem römischen keyser und den reichsständen mit mehrerem titul und ehrerbietigkeit, als etwann hervor, tractiert und angesehen«.247 In Wagners Augen ist die Schweizer Position dank der Exemtion deutlich besser als noch 1602. Doch in der französischen Logik ist es gerade die 1648 bestätigte polyarchische Staatsform, welche den schweizerischen Ansprüchen zuwider läuft. Daher sind die Gesandten gehalten, auch vor dem Duc d’Orléans, dem Bruder des Königs, das Haupt unbedeckt zu halten. Dagegen erheben sich allerdings Einwände, die den Besuch bei Monsieur ganz absagen wollen, während andere meinen, dieser sei »kein Souveran, sonders Ihr May.t immediat underthan, daher nit billich, daß ein Ambassada oder groß Pottschafft einer freyen ohnmitelbaren Republic vor ihme das Haupt entblößen«.248 Tatsächlich setzen bei diesem Empfang die Gesandten von Uri, Schwyz, Basel, Fribourg, des Fürstabts und des Wallis den Hut zusammen mit dem Herzog wieder auf, was bei De la Barde und am Hof Empörung auslöst. Umgekehrt melden die venezianischen und savoyischen Botschafter Vorbehalte an und sagen ihre Teilnahme beim Bundesschwur nur zu, falls Monsieur seine Kopfbedeckung auch zieht, wie es denn auch geschieht. Weil der spanische Resident sein Haupt nicht entblößen will,

247 Wagner, Parisische Reyß, 1664, S. 11 f.; ähnlich Waser bei Hartmann, Selbstdarstellung, 1999, S. 85; vgl. auch Rousset, Ceremonial, 1, 1739, S. 72: »Qu’il falloit considerer qu’ils etoient Souverains & indépendans, aussi considerables au Roi que les Hollandois, & mille fois plus que les Ducs de Mantouë, de Parme, & de Modène, dont les Ambasssadeurs avoient l’honneur de se courvrir devant le Roi.« 248 Waser, Beschrybung, ZBZ MS A 153, S. 188, bei Hartmann, Selbstdarstellung, 1999, S. 94.

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Abb. 5: Charles le Brun, Allianzteppich (Pariser Bundesschwur 1663), nach 1703. 387 × 585 cm.

bleibt er hingegen dem Anlass fern.249 Die Bundesbeschwörung in Notre-Dame demonstriert tatsächlich die französischen Vorstellungen von Hierarchie. Den Einzug der Schweizer kündigen nicht, wie beim König, voranziehende Trompeter an. Das Hofgesinde setzt sich auf Sessel und kunstvolle Stühle, während die Eidgenossen auf niederen, mit blauen Teppichen belegten Bänken Platz nehmen. Der König begeht die Zeremonie auf einem großen Thron, den ein Baldachin überragt.250 Charles le Brun wird den eigentlichen Bundesschwur auf einem erhaltenen Gobelin verewigen (Abb. 5): In prächtigen Kleidern und mit einem ebensolchen Gefolge, mit einer Perücke und einem ausladenden roten Hut auf dem Haupt, ein Kissen vor den Füßen, legt der König die 249 Rousset, Ceremonial, 1, 1739, S. 76 f., Hartmann, Selbstdarstellung, 1999, S. 98. 250 Sutter, Ritt, 1963, S. 55.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

Hand auf die Bibel, während ihm gegenüber in bescheidenen braunen Gewändern die bärtigen, barhäuptigen oder gar glatzköpfigen Schweizer stehen, zuvorderst Bürgermeister Waser, den Hut in der Hand, wie alle mit demütigem Blick nach oben zum übergroß gezeichneten Sonnenkönig. Die ganze Zeremonie wird so inszeniert, dass die offiziöse, im Louvre gedruckte Zeitung Gazette de France sie als feudalrechtliche Huldigung darstellt; ein gleichzeitig gedruckter Almanach enthält Bilder der Gesandten, wie sie beim Schwur knien, was die französische »Verachtung der Nation« deutlich markiere. Die Schweizer protestieren dagegen, dass die Eidesleistung als »Juramentum fidelitatis« von untertänigen Vasallen interpretiert wird, und erreichen wenigstens, dass in der Gazette eine Berichtigung erscheint.251 Den für zeremonielle Fragen Sensibleren unter den eidgenössischen Gesandten entgeht also nicht, welches Spiel mit ihnen getrieben wird: Sie werden üppig bewirtet, wobei ihre Genusssucht den bäuerischen Eindruck noch verstärkt, und gleichzeitig protokollarisch degradiert. Vor lauter Empfängen und mit anderen Ausreden wird die Erörterung der substanziellen Anliegen immer weiter hinausgeschoben, bis nach der Eidesleistung kein Franzose mehr ein Interesse an ihnen bekundet und die Delegierten mit schönen Medaillen und anderen Geschenken, aber weitgehend unverrichteter Dinge wieder abziehen. Der St. Galler Jacob Hochreutiner schildert, wie man nach den Ereignissen anfing »stark zu reden von den Fehleren, so bey Herren Duc Dorleans mit Abdeckung des Haubtes, bey Herren de Lyone, indem ihme die rechte Hand gelassen worden, bey Herren Compte de Soissons, indeme selbiger sich oben an Tisch gesetzt, begangen worden«.252 Ein ebenso vernichtendes wie wohl zutreffendes Urteil über die Gesandtschaft fällt der zukünftige Zürcher Bürgermeister Heinrich Escher, der mit Hochreutiner zusammen und im Auftrag des Zürcher Kaufmännischen Direktoriums, aber getrennt von der offiziellen Mission nach Paris gereist ist. Das Direktorium ist eben erst, im Jahr 1662 gegründet worden, um die Handelsprivilegien der Kaufleute in Frankreich zu sichern: Zollfreiheit von Seide und Baumwolle, Gleichbehandlung mit dem französischen Gewerbe, Ungültigkeit des sogenannten droit d’aubaine, der Konfiskation des Eigentums, falls ein Kaufmann in Frankreich verstirbt. Escher beobachtet entsetzt die professionelle Verschlagenheit der Fran251 Wagner, Parisische Reyß, 1664, S. 12 f.; Hartmann, Selbstdarstellung, 1999, S. 99 f.; für den Almanach Rousset, Ceremonial, 1, 1739, S. 78. 252 Hochr eutiner, Gesandtschaftsbericht, 1906, S. 47.

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zosen und die Inkompetenz, Sauflust und Bestechlichkeit seiner Landsleute, von denen die meisten vor lauter »Eigennuz« den »gemeinen Nuzen und alle Ehr« vergessen hätten.253 Zum voraus rathschlagete man nicht, wie man sich wolle traktieren lassen. … ohne Vorschrifft traf man zu Charenton zusammen; augenblicklich fanden sich bey den Gesandten allerley Hofschranzen und Tellerschlecker ein, die alle, ihre Person meisterlich zu spielen wußten, wie la Barde, Berlize und Giraud die Ceremonienmeister … versprachen vieles, begehrten aber nichts zu halten. De la Barde fuhr fort zu versichern, daß alles gut gehen werde, man soll ihm doch trauen: die Ceremonienmeister sagten, seyen nun so lang bey ihren chargen, werde den Schweizern widerfahren, was andern Gesandten ihrer Qualität, man soll sich keklich auf sie verlassen; inmittelst gewannen sie einen nach dem andern – als man nun angefangen zu traktieren, und die Gesandten den Titel Excellenzen behaupten wolten (den ihnen der Hof anfangs zu geben gesonnen war) ist es ihnen auf Insinuation des Herrn de la Barde abgeschlagen und also der erste Streich versetzt worden. … Summa die Reputation ward gar schlimm beobachtet. Waser war ganz todt; der Eigennutz brach ihm den Mut. … Das schlechte Verhalten der Gesandten hat bei den Englisch und Holländischen Ministern solchen Unwillen erweckt, dass sie mit ihnen keine Gemeinschaft haben wollen, und sich vernehmen lassen, man sollte sie zu scharfer Verantwortung ziehen … Ist also dieses diejenige Ambassade, von der so viel geredet worden, die aber unserer Nation nur Schmach und Schande zurückgelassen hat: auch sagte der Hauptmann Stuppa öffentlich, man sollte den Gesandten die Köpfe vor die Füße legen. Bey einem bessern Benehmen würde die Excellenz und der Hut geblieben, und überall mehr Satisfaktion erfolget seyn. Daher sich ein jeder wol zu bedenken hat, und wenn er sich zu Haus nit instruiren lassen kan, sol er sich von verständigen und wolmeinenden Personen auswärts die nötige Anleitung geben lassen, wie man in dem gegenwärtigen Fall von den Venetianischen, Englisch und Holländischen Gesandten hätte haben können; denn den Hofbeamten zu trauen, verrath nit vil Verstand. Aber auch der Stand selbst hat sich zu gewahren, wen er abordnen wolle, wyl nit yeder dazu tauglich, sondern unpassionirte, nüchterne, resolvierte und freygebige Personen erfordert werden. … Eine Gesandtschafft ist allzit mit großen Kösten begleitet, man bedenke sich also, ehe man abschicke. Wenn aber die Abordnung geschehen, sol man etwas mehr oder weniger Geld nit achten: unsre Gesandten wußten nit einmal die Trinkgelder in Wihrtshäusern recht abzufertigen.254

253 Schmid, Waser, 1946, S. 85; Schweizer, Ludwig XIV., 1881, S. 25; zu den (angeblichen) Vorwürfen Heinrich Eschers gegen Waser auch Domeisen, Waser, 1975, S. 175–184; zum Direktorium Pfister, Fabriques, 1992, S. 70–72, 168–170. 254 Zitiert bei Schmid, Waser, 1946, S. 83–85.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

Escher steht mit seinen Eindrücken nicht allein. Das Haupt der Gesandtschaft, Bürgermeister Waser, verfasst eine Beschrybung des BundtSchwuors, in der er mit größter Sorgfalt und in allen Einzelheiten die zeremoniellen Aspekte der Reise behandelt. Waser legt diese Schrift zusammen mit einigen anderen Manuskripten an, die um dieselbe Problematik kreisen.255 Ganz offensichtlich will Waser, den nach Eschers Zeugnis das Verhalten seiner Reisegefährten »ganz todt« zurückgelassen hat, wenigstens die Lektion aus der missglückten Ambassade ziehen, damit man sich nicht beim nächsten Mal wieder von einem »großen König« übervorteilen lasse: »Also daß es den Nachkommenden zuo einem Exempel dienen solle in derglychen geschäfften anfänglich in der einmütigkeit zuoverfahren, dieselben zuo huß wol deliberieren, und vor und ehe man gen Paryß komt zuoschließen und uff die execution zuotringen.«256 In seinem Nachwort fasst der Zürcher Bürgermeister dann die »Fehler« zusammen, die »zuo künfftiger Nachricht in acht zuonemmen« seien, wobei die zeremoniellen Fragen großen Raum einnehmen: Gebührt hätte »den Eydtnoßen, alß einem Souverain Stand das Haupt bedeken«. Da es verweigert wurde, soll die nächste Bundeserneuerung »nit mit solchen Kosten, und verächtlich zuo Paryß, sonder durch beidersytige Commissarios pari passu uff den grentzen volle zogen werden«.257 Eine Lektion von 1663 besteht in der Reflexion über die Verfassungsform, welcher der französische Hof mit so ostentativer Verachtung begegnet ist. Das erleben auch Hochreutiner und Escher, als sie wegen ihrer Handelsprivilegien bei Colbert vorsprechen. Der Finanzminister erklärt ihnen, in Frankreich seien die Gerichte unparteiisch und nicht von königlichen Erlassen abhängig, weshalb er den Schweizern auch das erbetene Empfehlungsschreiben für den Gerichtshof in Lyon nicht ausstellen könne: »Les affaires dans une monarchie ne se font pas comme dans vos républiques; on observe mieux les ordres, et on ne se laisse point prescrire.«258 Colbert beansprucht damit rationale Gerechtigkeit für die absolute Monarchie und stellt dies den willkürlichen Majoritäten und Klüngeleien in Republiken gegenüber. Die ganze mon-

255 Zu diesem Corpus Hartmann, Selbstdarstellung, 1999, S. 29–32, 116–118, zur Beschrybung und ihrer Quellen S. 32–75. 256 Waser, Beschrybung, ZBZ MS A 153, S. 7 (Vorbericht), bei Hartmann, Selbstdarstellung, 1999, S. 29. 257 Waser, Beschrybung, ZBZ MS A 153, S. 305 f., transskribiert bei Hartmann, Selbstdarstellung, 1999, S. 127, vgl. auch S. 51–53. 258 Schweizer, Ludwig XIV., 1881, S. 33.

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archische Demonstration gilt denn auch nicht nur den Eidgenossen, sondern auch den anderen Republiken, namentlich Venedig und die Generalstaaten, die offensichtlich Referenzpunkte für die formbewussteren Schweizer Delegierten darstellen. Von deren Gesandten lassen sie sich beraten, und im Gefolge dieser Gespräche entwirft der Niederländer Boreel den erwähnten Plan einer republikanischen Allianz.259 Gleichzeitig zeigen sich auch diese republikanischen Diplomaten empört über das barbarische Ungeschick der Schweizer und vermerken in ihren Kanzleien, dass diese »veel minder werden getracteert«, als sie selbst es für sich beanspruchen würden.260 Besonders in der Zeremonialliteratur wird die Demütigung noch lange ihre Spuren hinterlassen: Gregorio Leti, der die Eidgenossen aus eigener Anschauung kennt, beschreibt die »ambasciata vergognosa« 1685 als exemplarisches Fehlverhalten: »Qual maggior vergogna di quella di non permettere il Rè di coprirsi agli Ambasciatori d’una Potenza, apresso della quale egli tiene un’Ambasciatore ordinario? mà che dico? di voler che il Cancelliere pigliasse la mano destra del principale degli Ambasciatori, e non solo il Cancelliere, mà ancora il Presidente del Parlamento, & il Cancelliere non gli diede la mano in sua Casa.«261 Der spöttische Italiener sieht die Erklärung für das unziemende Verhalten in der Schweizer Geldgier: »Il primo Presidente prese la mano destra del primo degli Ambasciatori, che fù trovato assai strano, mà finalmente tutti conchiudevano, Che li Svizzeri erano buona gente, e che stimavano una Catena d’oro di mezza Libra, molto più che un quarto d’oncia d’honore d’una mano destra.«262 So sei dieses Volk, das nie untertänig gewesen sei, im vergangenen halben Jahrhundert soweit herabgesunken, dass es kaum mehr zweitrangige Gesandte entsenden könne.263 Fast gleichzeitig erörtert ebenfalls in den Niederlanden der erwähnte Abraham de Wicquefort das Gesandtschaftswesen und vermutet, es gebe in der Schweiz wohl keine »Academie, où la jeunesse puisse aller estudier les regles de ces ceremonies«. So seien die Eidgenossen die letzten, die weiter am Brauch der Allianzbeschwörung festhielten, während sich alle anderen Staaten mit der Ratifikation zufrieden gäben. Auch unterhielten sie auswärts keine Residenten, wodurch sie Präzedenzstreitigkeiten vermieden, die kaum zu ihren Gunsten

259 260 261 262 263

Dazu oben, S. 123. Für die Niederlande Heringa, Eer, 1961, S. 344. Leti, Ceremoniale, 1685, S. 463 Leti, Ceremoniale, 1685, S. 400 f. Leti, Ceremoniale, 1685, S. 463–465.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

ausgehen würden.264 Eigentlich behandle man sie – von einigen Besonderheiten beim ersten Empfang abgesehen265 – wie zweitrangige »députés« und nicht so, wie es sich für Botschafter gehören würde.266 Les Ambassadeurs des Cantons Suisses, qui à leur entrée avoient receu des honneurs, que l’on ne rend pas à ceux des plus grands Monarques, ne purent jamais obtenir celuy que l’on ne refuse pas à ceux des derniers Princes d’Italie. … Ils avoient fait grande instance à ce qu’on leur permist de se couvrir pendant qu’ils parleroient au Roy: mais en [sic] rejetta cette demande, & le Roy voulut demerurer en la possession de l’avantage; que les Rois ses predecesseurs luy avoient acquis & laissé, & les Suisses, qui preferent l’argent à l’honneur, voulurent bien negliger l’un pour se conserver l’autre.267

In der formbewussten höfischen Welt des Barock haftet fortan den Eidgenossen der schlechte Ruf an, dass sie zu wenig auf ihre staatliche Würde bedacht sind, weil sie – so 1715 der Zeremonialwissenschafter Gottfried Stieve – »Unkosten ersparen und keinen Disput wegen des Ceremoniels anfangen wollen; massen man weiß, daß die Souverains in Europa mit den Schweitzern gar schlechte Ceremonien machen.«268 Die Souveränität ist im 17. Jahrhundert eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für gleichwertige Behandlung. Nur wer seinen Status hartnäckig erobert oder verteidigt, kann diesen langfristig behaupten.269

264 Wicquefort, L’ambassadeur, 1682, S. 98, 436. Tatsächlich sind die Schweizer in Europa die letzten, die ein Bündnis beschwören und ihm damit einen sakralen Charakter verleihen; auf diese Weise wird noch 1777 eine Gesandtschaft in Paris die erneuerte Allianz bestätigen, vgl. Anderson, Rise, 1993, S. 47 f. Vgl. auch Wicquefort, L’ambassadeur, 1682, S. 504, über den Melchior Lussy in Trient zuerkannten Rang gleich hinter Venedig und vor dem toskanischen Großherzog Cosimo: »Si les Cantons entroient aujourdhuy en dispute pour le rang avec le Granduc, ils n’y trouveroient pas la mesme facilité.« 265 Vgl. dazu auch Rousset, Ceremonial, 1, 1739, S. 70. 266 Wicquefort, L’ambassadeur, 1682, S. 298–300, 379. 267 Wicquefort, L’ambassadeur, 1682, S. 355, vgl. S. 341. 268 Stieve, Hoff-Ceremoniel, 1715, S. 252. 269 Dieses Bewusstsein unterscheidet die Schweizer und die Niederländer, vgl. auch Stieve, Hoff-Ceremoniel, 1715, S. 376.

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8. Friedensschlüsse und Völkerrecht im späten 17. und 18. Jahrhundert

8. Friedensschlüsse und Völkerrecht im späten 17. und 18. Jahrhundert Mit der protokollarischen Geringschätzung im Zeitalter von Louis XIV kontrastiert die Attraktivität der Eidgenossenschaft etwa für die Zugewandten Orte, welche durch ein »cantonnement« – vergeblich – eine engere Einbindung suchen. Die Zeitgenossen bestaunen neidisch oder anerkennend die Tatsache, dass die Schweizer fast allein von den endemischen Kriegen des Jahrhunderts verschont bleiben.270 Nicht nur herrscht Friede, die Schweizer leben auch ohne Steuern, wenigstens in den reichen reformierten Städten, die einen Staatsschatz aufgebaut und in ausländische Anlagen investiert haben.271 Diese Phänomene hängen insofern zusammen, als in der Schweiz keine »Staatsbildungskriege« stattfinden, in denen anderswo in einem expandierenden Zyklus die administrativen und militärischen Mittel ausgebaut werden, um im In- und Ausland neue finanzielle Mittel aufzutreiben, um damit wiederum eine stehende Armee und Verwaltung zu verstärken.272 Die Aufwendungen für den Bauernkrieg und den Villmergerkrieg sind im internationalen Vergleich bescheiden, stellen die betroffenen Orte aber bereits vor erhebliche Schwierigkeiten und lassen ahnen, welche Kosten bei längeren Kampfhandlungen zu tragen wären. Kein Krieg, kein Schuldendienst, kein Hof, keine Steuern – das sind die Voraussetzungen, die es erlauben, dass die Eidgenossen ihre mittelalterlichen staatlichen Strukturen nur behutsam den Zeiterfordernissen anzupassen brauchen. Um so eher stellt sich die Frage nach den Voraussetzungen dessen, was allmählich und verstärkt im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts als Sonderfall im gequälten Europa verstanden wird. Wie kommt es, dass ein so offensichtlich uneiniges Volk mit verschiedenen Konfessionen und kontrastierenden Wirtschaftsinteressen dennoch prosperiert, während die Ressourcen der innenpolitisch befriedeten, prächtig repräsentierenden monarchischen Einheitsstaaten scheinbar ertraglos 270 Vgl. Schyz, Politia, 1703, S. 10; Charitum tigurinarum, 1691, S. H3, C4v; Gentis ONHI , 1711, S. 72 f., 122. 271 Vgl. die Urteile von Leti, Raguagli, 1699, 2, S. 139; Stanyan, Account, 1714, S. 107; Livet, Suisse, 1983, S. cxxvii; ähnlich Voltaire in L’homme aux 40 écus: »Il y a dans notre Europe une nation célèbre par son équité et par sa valeur qui ne paye aucune taxe: c’est le peuple helvétien.« 272 Vgl. hierzu ausführlicher Maissen, Disputatio, 2001; außerdem Burkhar dt, Dreißigjähriger Krieg, 1992, S. 30–125; Burkhar dt, Staatsbildungskrieg, 1994.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

versickern? Da Gott seine schützende Hand offensichtlich undifferenziert sowohl über die Katholiken als auch über die Reformierten in der Schweiz hält, empfiehlt es sich, nach säkularen Erklärungen für dieses Phänomen zu suchen. So erkennt der Berner Johann Rudolf Gatschet die Ursachen der Blüte in der Verfassung und ihrer militärischen Sicherung: »hac potentissima defensione, illaque prudentissima regiminis forma«.273 Dank ihnen kann jedermann unter einer sanften Obrigkeit Freiheit, Friede und Ruhe genießen, wobei Freiheit von Abgaben und politische Freiheit eng verbunden und dem Untertanenstatus gegenübergestellt werden.274 Der Frieden wird nicht nur allmählich zum Proprium der Eidgenossenschaft, Friedensschlüsse klären auch ihre Position in der Völkerwelt. Frankreich schließt seit den Bündnissen von 1516/21 die »dreizehn Canton der Bünde« mitsamt der oft einzeln oder wenigstens als Kollektiv angeführten Zugewandten regelmäßig in seine Friedensverträge ein; im 16. Jahrhundert geschieht dies siebenmal.275 Die »Schweizer« werden auch im 17. Jahrhundert jeweils erwähnt, doch ist es zusehends fraglicher, wer neben den 13 Orten dazu gezählt wird. So ist die Formulierung im erwähnten Artikel 6 des Westfälischen Hauptinstruments (»Cantones eorumve cives et subditi«) wohl bloß auf die vollberechtigten Orte gemünzt; nur im Frieden mit Schweden spricht der Kaiser in Artikel 7 von den »verbündeten Ständen Helvetiens und Rätiens«. Der Pyrenäenfriede erstreckt sich pauschal auch auf »alliés« und »confédérez«. In Nimwegen schließen die Franzosen die »Zugewandten« ein, zu denen die Niederländer noch die »Verbündeten« hinzunehmen, während der Kaiser wieder von den »Ständen Helvetiens und Rätiens« spricht. Schon früh, seit 1694, bitten die Eidgenossen während des Pfälzischen Erbfolgekrieges die Mächte, nicht nur – wie in Nimwegen – sie, sondern auch die Zugewandten in den Frieden einzuschließen, wobei die reformierten Orte vor allem an die nur mit ihnen verbündeten Orte wie Mülhausen und Genf denken. Diesem Begehren wird von allen Friedensparteien stattgegeben außer von Spanien, das nur die Drei Bünde zu den 13 Orten hinzuimmt.276 Gleichwohl ist der Friede von Rijswijk von großer Bedeutung für die Schweizer Geschichte, insofern

273 Gatschet, Dissertatio, 1676, S. D4r/v. 274 Vgl. auch Lauf fer, Helvetische Geschichte, 12, 1737, S. 1–5, und die Charakteristika in Schweitzerisches Kriegs-Recht, 1704, S. 214–221. 275 Für das Folgende Oechsli, Orte, 1888, S. 234–237. 276 EA 6, 2, S. 508, 621, 691, 709; Oechsli, Orte, 1888, S. 237 f.

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8. Friedensschlüsse und Völkerrecht im späten 17. und 18. Jahrhundert

eine vollständige Aufzählung festlegt, was völkerrechtlich als Corpus Helveticum zu gelten hat: »les treize Cantons de Ligues Suisses et leurs Coalliez, savoir l’Abbé et la Ville de Saint Gall, la République de Valais, le Prince et Etat de Neuf-Châtel, la Ville de Genève et ses dépendances, les Villes de Mulhausen et Bienne et les trois Ligues des Grisons«.277 Unklar bleibt allein die Stellung des Fürstbistums Basel, das der Kaiser 1697 und 1738 im Wiener Frieden als Reichsstand einschließt, während es das in Neuchâtel brüskierte Frankreich 1712 im Utrechter Frieden unter den eidgenössischen Orten auflistet. 1748 ist die Eidgenossenschaft in Aachen trotz einer entsprechenden Anfrage nicht mehr Teil des Friedens, weil die Mächte dazu übergehen, nur noch die Staaten im Frieden zu erwähnen, die Krieg geführt haben. Konsequenzen hat das keine: Die europäische Staatenwelt ist nunmehr etabliert, und die Eidgenossenschaft gehört unzweifelhaft dazu. Das zeigt sich am deutlichsten in ausländischen Urteilen über das fremdartige politische Gebilde in den Alpen. Die dem Duc de Rohan nachempfundenen Interets et maximes des princes et des estats souverains von 1686 behaupten, die Eidgenossenschaft werde seit 300 Jahren – also wohl seit dem Sieg bei Sempach über den Habsburger Erzherzog – vom Kaiser als »des Souverains & des Republiques« behandelt.278 Für den 1683 hingerichteten Algernon Sidney ist die Schweiz das friedlichste Land Europas. We may safely conclude, that their state is as wel settled as any thing among men can be, and can hardly comprehend what is like to interrupt it. As much might be said of the cities of the Hanseatic society, if they had an intire sovereignty in themselves: but the cities of the United Provinces in the Low Countries, being every one of them sovereign within themselves … give us an example of such steadiness in practice and principle, as is hardly to be paralleled in the world.279

Die Souveränität ist also das entscheidende Kriterium, das die Eidgenossenschaft in dieselbe Kategorie treten lässt wie die Generalstaaten und sie von der Hanse trennt. Entsprechend behandelt der Theoretiker des Botschafterwesens, Abraham de Wicquefort, die Eidgenossenschaft und ebenso die Drei Bünde als »un Estat Souverain, qui se fait reconnoistre comme tel« und grundsätzlich das Gesandtschaftsrecht besäße,

277 Oechsli, Orte, 1888, S. 240, Anm. 2) II b), nach der Formulierung Frankreichs im Vertrag mit Großbritannien; vgl. auch S. 237–241 für den Rijswijker Frieden. 278 Stüssi, Militärwesen, 1982, S. 91 f., 235 f. 279 Sidney, Discourses, 1698, S. 163 (2, 22).

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

anders als die Kardinäle oder die Hanse, mit der zusammen die Eidgenossenschaft sich noch zu Beginn des Jahrhunderts – bei Althusius, Besold und Faesch – im selben Topf befand: als Konföderation, nicht als Souverän. Diese Gemeinsamkeit zählt für Wicquefort nicht mehr: »La Hanse Teutonique n’a jamais fait un Estat, ny une Republique.«280 Im Unterschied zu ihr ist die Eidgenossenschaft 1696 denn auch im Wappenbuch von Siebmacher und Fürst zu finden, wo nach den Königreichen die »weltlichen freyen Republiquen« folgen: Venedig, Genua, Lucca, Malta, die Niederlande und die 13 Orte.281 Gregorio Leti konstatiert gleichzeitig etwas spöttisch, dass die Schweizer Barbaren an den Höfen mit Titeln wie »Altissimi« und »Potentissimi Signori« geschmeichelt werden und in dieser Hinsicht den Niederländern nicht nachstehen – in der realen Macht hingegen sehr.282 Diese Position unmittelbar hinter den Niederlanden können die Schweizer zusehends sichern: Für Johann Christian Lünig in seinem stoffreichen Theatrum ceremoniale historico-politicum von 1719 folgt nach den Kronen, zu denen jetzt auch die Türkei, Russland und Preußen gestoßen sind, zuerst das Kurfürstenkollegium und dann Venedig, Holland, die Schweiz und Genua vor den vier Patriarchen, den Kardinälen, den kleinen italienischen Republiken, den Herzögen, den italienischen und deutschen Fürsten, den Reichsstädten und den außereuropäischen Mächten.283 Der Franzose Rousset behandelt 1739 in seinem Ceremonial zuerst seine Heimat und den Kaiser, dann den Papst, die Monarchien von Spanien bis Sardinien, die Niederlande, Venedig und zuletzt die »Republique des Suisses«.284 In Zedlers Universallexikon und Fabers Tables politiques wird dagegen der Eidgenossenschaft der Rang gleich hinter Venedig zugestanden, anderswo muss sie aber sogar Genua den Vortritt lassen.285 Ganz offensichtlich ist die Präzedenz nicht klar und widerspruchsfrei geregelt, zumal die Eidgenossen den entsprechenden eitlen Kämpfen 280 Wicquefort, L’ambassadeur, 1, 1682, S. 22–24, 31–33. Es ist unklar, worauf sich die Behauptung von Duchhar dt, Balance, 1997, S. 24, stützt: »Ein Diplomat der Eidgenossenschaft … konnte ebensowenig ›Botschafter‹ (Ambassadeur) werden wie ein Bürgerlicher.« 281 Siebmacher/Fürst, Wappenbuch, 1696. 282 Leti, Raguagli, 1699, 1, S. 16. 283 Lünig, Theatrum, 1719, 1, S. 10; vgl. S. 393: »Daß diese vor eine freye Republic zu halten, wird niemand leichtlich in Abrede seyn, der die Staats-affairen nur einiger massen inne hat.« 284 Rousset, Ceremonial, 1739. 285 So laut Durand, Républiques, 1973, S. 179 f.; für Zedler, Universal Lexikon, Bd. 36, 1743, Sp. 366, vgl. auch Mager, Republik, 1984, S. 587; Faber, Quarante tables, Basel 1746, S. 4.

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8. Friedensschlüsse und Völkerrecht im späten 17. und 18. Jahrhundert

aus dem Weg gehen, auch keine Residenten entsenden, die daran teilnehmen könnten. Entscheidend ist, dass die Schweiz in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts unumstritten zur Gruppe der europäischen Souveräne gezählt wird. So erhält sie auch ihren bescheidenen, aber festen Platz in den Friedensentwürfen, die in der Tradition von Sully und Crucé stehen, so in William Penns Projekt von 1693 für einen Reichstag der europäischen Mächte.286 Ausdrücklich auf Sully beruft sich Charles Irénée Castel de Saint-Pierre in seinem Projet de traité pour rendre la paix pérpetuelle entre les souverains chrétiens von 1713, im Gefolge des Utrechter Friedens, in dem der Abt die deutsche Reichsidee in Form eines europäischen Friedenssystems wiederbelebt und den Schweizern mit Venedig eine Schiedsrichterrolle in dieser Staatenrepublik zuerkennt. Saint-Pierres Wertschätzung gilt den Freistaaten auch deshalb, weil sie am Handel und damit am Frieden interessiert seien und ihre Untertanen gnädig behandeln.287 Der französische Abt übernimmt damit eine antihöfische Haltung, wie sie sich im Zeichen der Frühaufklärung auch in den Monarchien ausbreitet und einer neuen Wertschätzung der republikanischen Kleinstaaten den Weg bahnt. Epochale Bedeutung erhält diese später im Werk Rousseaus, der in seinem Auszug aus Saint-Pierre die Schweizer unter die inzwischen 19 Stimmberechtigten einer europäischen Bundesrepublik aufzählt, neben Kaiser und Zar, Frankreich, Spanien, England, den Niederlanden, Dänemark, Schweden, Polen, Portugal, Papst, Preußen, Bayern, Pfalz, den geistlichen Kurfürsten in corpore, Venedig, Neapel und Sardinien.288 Ein Vergleich mit der erwähnten Liste von Paris de Grassis zeigt, wie stark sich in 250 Jahren nicht nur die Staatenwelt, sondern auch das Staatsverständnis gewandelt hat.289 Die äußere Anerkennung stärkt auch das Bewusstsein der Schweizer Position in der Staatenwelt. Im Juli 1745 setzt die Tagsatzung nach mehreren Beschwerden über »schlechte Titulaturen« eine Kommission ein, die eine Liste der üblichen Titulaturen aufarbeiten und sich auch erkundigen soll, wie andere Republiken in dieser Hinsicht behandelt werden. Insbesondere sollen die deutschen Kurfürsten und

286 Raumer, Ewiger Friede, 1953, S. 330. 287 Castel de Saint-Pierr e, Projet, 1713, Bd. 1, S. 85 f., 261–272, 288 f., 359 f.; Bd. 2, S. 349–351; Bd. 3, S. 302–304, 420; vgl. dazu Bély, Espions, 1990, S. 696–728. 288 Raumer, Ewiger Friede, 1953, S. 356 f. 289 Zu Paris de Grassis oben, S. 102.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

Reichsstände nach dem preußischen Vorbild eine Titulatur geben, »wie sie souveränen Ständen gebührt, namentlich sollen sie sich des Prädicats ›Wohlgeboren‹ bedienen« und die minderen Reichsfürsten »Wohlmögende« gebrauchen. Bei passender Gelegenheit soll jeweils die Erhöhung der Titulatur verlangt, unzureichende Adressen auf Briefen gemahnt und im Wiederholungsfall zurückgeschickt werden. Der Vorschlag, auch unter den Orten selbst eine »bessere Titulatur« einzuführen, wird hingegen abgelehnt.290 Kanonisiert wird die geschichtliche Herleitung der schweizerischen Souveränität aus ihrer internationalen Anerkennung in einem Lexikonartikel. Jacob Christoph Iselin stützt sich für das 1726 in Basel gedruckte Historisch- und geographische allgemeine Lexicon auf das in Leipzig 1722 erschienene Allgemeine historische Lexicon, aus dem viele Artikel wörtlich übernommen sind. Doch das deutsche Lexikon muss nicht nur aktualisiert, sondern auch ergänzt werden, weil »der erste anlaß zu dieser neuen auflaag von denen vielen klägten über die gar zu sparsame nachrichten von Eyggnößsichen Geschichten und örtern … hergekommen seye«.291 Der erwähnte Basler Staatsrechtler Waldkirch ist es, der solche Artikel nachträgt, so einen über das »Schweitzerland«, dessen Genese in der nun gültigen Sichtweise geschildert wird. Von den Kaisern ursprünglich befreit, von den Habsburgern geplagt, sehen sich die Eidgenossen »endlich unumgänglich gezwungen«, sich der Autorität der Kaiser zu entziehen, die ihnen keine Hilfe mehr gewähren, um ihre »wohlhergebrachten freyheit und rechten« zu beschützen. Deshalb beginnen die Schweizer im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts, »sich nach art einer freyen republick aufzuführen«, und entsprechend fangen »hohe Potentaten, Könige und Stände« auch an, »die Eydgenoßschaft als eine freye Republick zu erkennen«: zuerst Maximilian I. im Basler Frieden, dann François Ier 1516 und 1521. Ein gleiches thate Papst Julius II. worauf sodann noch weiter erfolget, daß so wohl Kayser als Könige, Chur- und andere Fürsten ihre characterisirte Botschaffter bey allerhand vorfallenheiten öfters an sie abgesandt, auch hinwie-

290 Vgl. die Liste Titulaturen einiger hocher Europaischer Häübtern an Lobl. Eÿdgnoßschafft, StAZ B VIII 195, Beilage A (die westlichen Staaten fehlen, es handelt sich um Länder, die alle im weiten Sinn zum Reich gezählt werden können, so auch Schweden, Polen oder Ungarn); ferner EA 7, 2, S. 33 (Juli 1745), 42 f. (Juli 1746); vgl. mit vielen weiteren Beispielen aus den EA Gilomen, Titulatur, 1920; auch Jan, Staatsrechtliches Verhältnis, 1, 1801, S. 333–335, für die kaum zufälligen Nachlässigkeiten in der Schweizer Titulatur für das Reich um 1745. 291 Iselin, Lexicon, 1, Basel 1726, S. 2.

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8. Friedensschlüsse und Völkerrecht im späten 17. und 18. Jahrhundert

derum die Eydgenoßische Abgesandten mit aller gegen einem [sic] freyen und souverainen Staat üblichen ehr-bezeugung empfangen und gehalten. Endlich wurde auch diese der Eydgenossen wohlhergebrachte freyheit, exemption vom Reich und Souverainitäts-besitz sowol durch die an. 1647. publicierte Kayserl. declaration, als auch an. 1648. durch den Münsterischen friedens-schluß art. 6 zu allem überfluß erkennet und bestätiget, wie nicht weniger auf alle der Eydgenoßschafft zugewandte orte erstrecket.292

In dieser geklitterten Sichtweise ist es fürwahr »außer allem streite, daß nunmehro das Eydgenoßische Corpus als ein von dem Reiche und dem Ertz-Hause Oesterreich ganz independenter, für sich selbst freyer und souverainer Staat zu achten sey«. Als dessen ausschließlicher Indikator dient das Gesandtschaftsrecht und die vollwertige Behandlung im diplomatischen Zeremoniell. Die Exemtion ist eine an sich überflüssige Formalität, die aber von Waldkirch gleich auch noch auf die Zugewandten ausgedehnt wird. Wettstein, dem Waldkirch in Iselins Lexikon ebenfalls ein Kapitel widmet, hat in dieser Sichtweise in Westfalen nichts Neues errungen, sondern die althergebrachte »Schweitzerische souverainität, freyheit und exemption« verfochten und »durch seine dexterität, müh und sorgfalt zu des vaterlands höchstem nutz und frommen zu einem erwünschten ausgang gebracht«.293 Kurz nach Iselins Lexikon erscheinen Mosers Gerettete Souveraineté und die erwähnte Dissertation von Daniel Mitz, und im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts wird Wettstein auch durch Bild, Medaille und Büste verewigt – darunter ein Ölgemälde, auf dem er bezeichnenderweise mit den aufgeschlagenen Acta und Handlungen dargestellt ist. Erst in diesen Jahren beginnt also Wettsteins eigentlicher Nachruhm als erfolgreicher Unterhändler in Westfalen.294 Neben die historische Herleitung der Souveränität stellt Waldkirch auch eine moralische, die in der Aufklärung bereitwillig rezipiert wird und die Schweizer Verfassung zur Übereinstimmung bringt mit dem antihöfischen Ideal des Natürlichen und Ursprünglichen. Wenn das »Eydgnoßische Corpus als ein … ganz independenter für sich selbst freyer und souverainer Staat zu achten« ist, so erwächst »diese herrliche frucht« aus einem »gesegneten boden«: »die schlecht und rechte

292 Iselin, Lexicon, 6, Basel 1744, S. 354; bis auf Einzelheiten der Schreibweise identisch ders., Lexicon, 4, Basel 1727, S. 335 f. 293 Iselin, Lexicon, 4, Basel 1727, S. 872. 294 Iselin, Tentamen, 1751, S. 20 (2, § 1), spricht vom »immortalis Wetstenius«; vgl. zum Nachruhm auch Hess, Bürgermeister, 1998, S. 132–134 sowie das Ölgemälde auf S. 107. Hess nimmt an, dass Mitz dessen Auftraggeber ist.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

gemüths- und lebens-art der alten Eygenossen. Sie wohnten großen theils in geringen hütten und einem rauhen bergichten lande, arm, sparsam und mit wenigem vergnügt. Sie waren arbeitsam, hart gewöhnet, und musten recht in dem schweiß ihres angesichtes ihr brodt essen.« In solcher bescheidener Einfalt begnügten sie sich mit dem Ihren und empfanden keinen »hunger nach fremder ehre, gold und gelde«. Verbunden mit Treue, Wehrhaftigkeit und »einem überaus starcken und die grösten ungemach ausdaurenden leibes-temparamente« erlaubten diese Tugenden, sich fremder Angriffe zu erwehren und den Respekt der Mächte zu gewinnen, bis das »Schweitzer-gemüth« wegen der Verlockungen des Reislaufens und Pensionenwesens, zumindest »nach einiger urtheil, einen guten theil seiner alten einheimischen tugendskrafft gegen ausländische schwachheiten dahin« gab.295 Der Dekadenztopos des 16. und 17. Jahrhunderts, die Gegenüberstellung von altem und jungem Eidgenossen, ist nicht ganz aufgehoben, aber stark relativiert, da die »gute alt-Eydgenoßische art« mit ihren militärischen Tugenden rasch wieder geweckt werden kann: »Es hat auch da die alte freyheits-liebe bis auf den heutigen tag in den gemüthern noch viele gewalt.«296 Dazu ist jetzt aber eine »gute gezämte lebens-manier« gekommen, und sowohl Reformierte als auch Katholiken haben weithin anerkannte Leistungen in Künsten und Wissenschaften erbracht. David Herrliberger wiederholt 1754 in seiner Topographie der Eydgnoßschaft Waldkirchs Botschaft, indem er einen ursprünglich niederländischen Stich mit der Legende »Bellona quiescente, Helvetia literaria« versieht: Gelehrt ist Helvetien, während die Kriegsgöttin ruht.297 Zwar sind die ebenso tapferen wie ungebildeten alten Eidgenossen abgetreten, aber das ist nicht länger zu bedauern, zumal ihre Tugenden fortleben (Fides, Fortitudo, Prudentia als »Trias helvetica«). Nicht mehr gierige Söldner repräsentieren das Land, sondern berühmte Wissenschafter: die Werke Scheuchzers und Bernoullis, Bodmers Noah und Leus Staatsrecht. Vereint liegen sie zu Füßen der Historia, die einem jungen Schweizer die praktischen Lehren aus der vaterländischen Geschichte beibringt, damit er bei seinem lobenswerten Drang zur Wissenschaft nicht gallischer Verweichlichung anheimfalle, sondern sich mit dem Schwert an seiner Seite als »ächter Helvetier« erweise. Die Tugend der Alten und die Zi295 Iselin, Lexicon, 6, Basel 1744, S. 336. 296 Iselin, Lexicon, 6, Basel 1744, S. 337. 297 Herrliberger, Topographie, 1754, Erklärung des Titul-Blats; abgebildet bei Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 290, Abb. 28.

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8. Friedensschlüsse und Völkerrecht im späten 17. und 18. Jahrhundert

vilisation der Gegenwart gehen in der schweizerischen Selbstwahrnehmung der Jahrhundertmitte eine harmonische Kombination ein, die von beiden Seiten nur das Beste übernimmt, wenn sie die Lektionen der Geschichte beherzigt. Zu diesen zählt an erster Stelle nun nicht mehr das expansive Kämpfertum, sondern die Neutralität als von Waldkirch gepriesene Staatsmaxime. Unsere Eydgnoßschafft hat selbsten erfahren, wie fürtrefflich die Neutralitets-Maxime, die von ihren vorsichtig-klugen Staats-Leuthen beobachtet, gehalten und erhalten worden ist, so wohl dem gantzen Land als auch etlichen exponirten benachbahrten Ständen erschossen habe, und hingegen ist auß der History zu ersehen, wie schädlich es gewesen, daß man vor diesem sich so leichter Dingen in den Meyländischen Krieg mit einwickeln lassen.298

Auf eine allgemeingültige Ebene emporgehoben, schlägt sich die neue Schweizer Selbstdeutung in Emer de Vattels Droit des gens von 1758 nieder, womit auch erstmals die Neutralität einer ausführlichen, gelehrten (und wohlwollenden) juristischen Betrachtung unterworfen wird.299 Während Grotius das Völkerrecht zwischen Personenverbänden wirken ließ und den Staat nicht theoretisch erörterte,300 ist Vattel der erste Theoretiker, der die Souveränität als Basis der Staatenwelt und des Völkerrechts definiert: »Le Droit des Gens est la Loi des Souverains«.301 Das macht auch die einzige substanzielle Abweichung gegenüber seinem Lehrer Christian Wolff aus, dem der in sächsischen Diensten stehende Neuenburger sonst in den großen Zügen folgt: Während der Deutsche von der inneren Souveränität ausgeht, welche die Nationen im Rahmen einer umfassenderen »civitas maxima« ausüben, beginnt der Schweizer seine Ausführungen mit der Unabhängigkeit von Staaten, wie sie in der Außenpolitik manifest wird. Wolff denkt also noch an eine Gemeinschaft von Völkern, wie sie einst im Imperium zusammengefasst worden ist, »cum Gentes sint personae morales«.302 Vattel hat dagegen die seit dem 17. Jahrhundert ausgebildete Balance von Staaten als Völkerrechtssubjekten vor Augen, wenn er die »Nations, ou les États Souverains, étant des Personnes morales« behandelt.303 Der Referenzpunkt dieser Nationen ist keine Reichsidee, sondern ein 298 299 300 301 302 303

Waldkirch, Bunds- und Staatshistorie, 1721, Vorbericht, fol. ***7. Vattel, Droit des gens, 2, 1758, S. 34–44, ibid., 1959, S. 416–432 (3, 7). Onuf, Republican Legacy, 1998, S. 164 f. Vattel, Droit des gens, 1, 1758, S. 11; ibid., 1959, S. 34 (1, 1, § 12). Wolf f, Jus gentium, 1972, S. B2v (Praefatio). Vattel, Droit des gens, 1, 1758, S. *4v, 1; ibid., 1959, S. 7, 17 (Einleitung, § 2); dazu Onuf, Republican Legacy, 1998, S. 76–78, 101 f.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

Gleichgewicht in Europa, das für Vattel »une espèce de république« darstellt.304 Für Wolff ist die »natio« als Subjekt des Völkerrechts demnach eine »gens«, für Vattel dagegen der »Etat souverain«: »Toute nation qui se gouverne elle-même, sous quelque forme que ce soit, sans dépendance d’aucun étranger, est un Etat souverain. Ses Droits sont naturellement les mêmes que ceux de tout autre Etat.«305 Die fundamentale Gleichrangigkeit aller Souveräne verabschiedet endgültig die zahlreichen Kriterien, mit denen die Zeremonialwissenschaften Präzedenzen begründet haben, so namentlich auch die Differenzierung zwischen monarchischer und republikanischer Würde, die Vattel mit einer rhetorischen Frage abtut: »L’Etat auroit-il plus ou moins de Dignité selon qu’il sera gouverné par un seul, ou par plusieurs?«306 In der europäischen Praxis verliert das Zeremoniell jetzt endgültig seine Bedeutung als Distinktionsmodell. Nur das Reich und der Reichstag als dessen Repräsentation müssen bis 1806 anachronistisch daran festhalten, weil hier die Frage nicht durch die Souveränität gelöst werden kann, sondern eine des ständischen Reichsrechts bleibt.307 Vattels Doktrin der völkerrechtlichen Gleichrangigkeit entschädigt die Schweiz für manche Zumutung, die ihre staatsrechtliche Monstrosität ihr eingetragen hat. Vattel führt denn auch das »Corps Helvétique« schon am Anfang seines Buches an als Beispiel eines durchaus regulären Föderativstaats, der »République fédérative«.308 Damit nicht genug: Die Schweizer stehen auch exemplarisch – wie einst die Römer und jetzt auch die Engländer – für die Vaterlandsliebe, wie sie in Monarchien nie so ausgeprägt herrschen könne wie in den »Nations libres«: Winkelried neben Brutus, Curtius und Decius Mus.309 Und nicht zuletzt denkt Vattel an die Eidgenossen, wo er das »Droit de l’Ambassade« und die einem Gesandten gebührenden Ehren behandelt. So darf er als »Réprésentant d’un Souverain« den Hut aufbehalten; wird ihm dies verweigert, so beleidigt man einen Staat. Die Schweizer, einst eher Krieger als mit den höfischen Gebräuchen vertraut, »peu jaloux de ce qui n’est que Cérémonie«, haben dies 1663 vernachlässigt, weil man sie mit dem Präzedenzfall von Henri IV be304 Vattel, Droit des gens, 2, 1758, S. 17, ibid., 1959, S. 391 (3, 3, § 47). 305 Vattel, Droit des gens, 1, 1758, S. 9; ibid., 1959, S. 32 (1, 1, § 4); vgl. für die Definition der »Nation« auch das Vorwort ibid. 1758, S. *4, Anm. c), bzw. ibid., 1959, S. 7, Anm. 11. 306 Vattel, Droit des gens, 1, 1758, S. 122; ibid., 1959, S. 202 (2, 3, § 38). 307 Stollberg-Rilinger, Zeremoniell, S. 128–131. 308 Vattel, Droit des gens, 1, 1758, S. 10; ibid., 1959, S. 33 (1, 1, § 10). 309 Vattel, Droit des gens, 1, 1758, S. 48 f.; ibid., 1959, S. 90, 92 (1, 11, § 119, 124).

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schwichtigte. Darauf hätten sie Louis XIV entgegnen sollen, dass ihre Nation 1602 eben noch nicht feierlich als frei und unabhängig vom Reich anerkannt gewesen sei, wie dies dann im Westfälischen Frieden geschah; Formfehler von Vorgängern binden nämlich spätere Souveräne nicht. Aujourd’hui la Nation, plus éclairée & plus attentive à ces sortes de choses, sçaura mieux maintenir sa Dignité: Tous les honneurs extraordinaires, que l’on rend d’ailleurs à ses Ambassadeurs, ne pourront l’aveugler desormais jusqu’à lui faire négliger celui que l’usage a rendu essentiel. Lorsque Louis XV vint en Alsace, en 1744, elle ne voulut point lui envoyer des Ambassadeurs, pour le complimenter, suivant la coutume, sans sçavoir si on leur permettroit de se couvrir. Et une si juste demande aïant été refusée, le Corps Helvétique n’envoya personne.310

9. Die Schöpfung der »Helvetia« in Malerei und Dichtung 311 Die neue politische Sprache hat ihre Entsprechung in der künstlerischen Repräsentation. Eidgenössische Bild- und Denktraditionen werden dabei ebenso aufgenommen wie ausländische Modelle, so dass in den letzten drei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts »Helvetia« als republikanische Landespersonifikation entsteht. Damit finden die Schweizer Anschluss an einen Prozess, der anderswo schon deutlich früher eingesetzt hat. Stadtpersonifikationen gibt es seit der Antike, in welcher der genius einer politischen Gemeinschaft als Gottheit gedacht wird. Im städtischen Kontext entwickelt sich auch »Venetia«, die im 14. Jahrhundert erstmals auftaucht, »in forma di Justitia« an der Fassade des Dogenpalastes (wohl 1341) und anderswo in der Ikonographie der Pax, die erst durch die Inschrift zur »Venetia« erklärt und gleichsam umgewandelt werden. Ikonographisch wird sie thronend oder auf Wolken schwebend der Himmelsherrscherin Maria nachgebildet, so dass ein mit der spezifischen lokalen Bildtradition nicht vertrauter Besucher wie der Engländer Thomas Coryate die zentrale Venetia in der Sala del Maggior Consiglio mit der Madonna verwechseln kann.312

310 Vattel, Droit des gens, 1, 1758, S. 77; 2, S. 134; ibid., 1959, S. 561 f. (4, 6, § 79). 311 Zum Folgenden ausführlich auch Maissen, Eidgenossen, 1999; ders., Schöpfung, 2001. 312 T ipton, Res publica, 1996, S. 75, Anm. 12 (nach David Rosand); Wolters, Bilderschmuck, 1983, S. 236–246, 270 f.; Möbius, Frauenbilder, 1991, S. 61–66.

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Die Nähe zu Maria ist auch insofern gegeben, als Justitia auf spätmittelalterlichen Darstellungen, etwa in illuminierten Aristoteles-Ausgaben, wie eine Schutzmantelmadonna dargestellt ist, welche die übrigen Kardinaltugenden umgibt – und analog auch der König, der mit seinem Umhang die Untertanen beschützt.313 Oft ist die Staatspersonifikation Venetia in einer Paarbeziehung mit dem Dogen dargestellt und auch in seinem Palast besonders präsent, wobei ihr Vorrang gewahrt bleibt – auf Palma il Giovanes Votivbild von Francesco Venier um 1580 ebenso wie gleichzeitig auf Tintorettos Freiwilliger Unterwerfung der Provinzen unter Venetia im Dogenpalast, wo sie mit dem Herrscherstab im Himmel thront.314 So ergibt sich eine symbiotische Beziehung zwischen einer aktiven, krönenden, helfenden, triumphierenden, Huld empfangenden und Ämter verteilenden, ja mit dem Schwert kämpfenden Venetia und dem Dogen, der weniger als konkrete Person verstanden wird denn als Repräsentant der Regierung: Die Repubblica und die Signoria bedingen sich gegenseitig.315 Dazu passt auch, dass das Portrait des Dogen, das im 15. Jahrhundert verschiedentlich auf den Münzen der Serenissima begegnet, als unrepublikanisch kritisiert und durch ein typisiertes Bild des Dogen ersetzt wird.316 Venetia als Jungfrau Maria und zugleich als Partnerin des Dogen verweist auf die doppelten Wurzeln der republikanischen Personifikation, die es im Folgenden im Auge zu behalten gilt: Keuschheit und symbolische Ehe. Die Prägung der Staatsdarstellungen durch christliche Vorstellungen wird dabei offensichtlich, die auch lehren, die Einheit von Mehrgestaltigem, von Herrschaft und Beherrschtem zu denken und bildlich auszudrücken. Bossuet erläutert das Mysterium der Kirche, die mit Christus natürlich vereint sei als ein Körper und zugleich uneins, aber in symbolischer Ehe verbunden, indem er die folgenden Paradoxien aufzählt: »Il était de la sagesse de Dieu que l’Église nous parût tantôt comme distinguée de Jésus-Christ, lui rendant ses devoirs et ses hommages; tantôt comme n’étant qu’une avec Jésus-Christ, vivant de son esprit et de sa grâce. Le nom d’épouse distingue pour réunir; le 313 Sherman, Imaging Aristotle, 1995, S. 95–104, Abb. 24–26, 29. Ich danke Klaus Schreiner für diesen Hinweis. 314 Abgebildet bei Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 63, 65, Abb. 38 f.; vgl. außer Wolters und Möbius auch Koenigsberger, Republicanism, 1995; Fröschl, Virtues, 1998, S. 265 f.; ders., Republik, 1981, S. 333. 315 Wolters, Bilderschmuck, 1983, S. 104, Abb. 83; S. 111, Abb. 91, S. 210, Abb. 213, S. 262, Abb. 276; S. 278, Abb. 289; S. 281, Abb. 290. 316 Wolters, Bilderschmuck, 1983, S. 78 f.; Fröschl, Virtues, 1998, S. 266 f.

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nom de corps unit sans confondre et découvre au contraire la diversité des ministères: unité dans la pluralité, image de la Trinité, c’est l’Eglise.«317 Bei Harrington tritt an die Stelle der Kirche sein Freistaat »Oceana«, den er in millenaristischen Tönen als »holy spouse of Jesus« anspricht.318 Bossuets Bild lässt sich aber noch klarer säkularisieren und auf den politischen Bereich übertragen. An die Stelle von Kirche und Christus muss man Königreich und König setzen oder, im vorliegenden Zusammenhang: Republik und Souverän. Durch die Ehe wird aus ihnen beiden ein Körper, die Republik ist gleichzeitig Dienerin wie Teil des Souveräns. Die Identifikation von beiden wird noch ausgeprägter in einem Freistaat, wo die Respublica als Bürgerschaft nicht oder nur beschränkt ständisch geschieden ist von der aus ihr gewählten Obrigkeit. Das Bild vom Staat als Ehebeziehung geht zurück auf den wohl 1390 gestorbenen italienischen Juristen Luca da Penne, der damit die ältere Metaphorik säkularisiert, wonach der Bischof sich mit seiner Diözese verheiratet, wobei – laut Gratian – der Bischof in der Kirche ist und sie in ihm.319 Nam sicut inter virum et uxorem matrimonium casuale contrahitur, et oeconomicum, sic inter principem et rempublicam matrimonium morale contrahitur et politicum. Item, sicut inter ecclesiam et praelatum matrimonium spirituale contrahitur et divinum … ita inter principem et rempublicam matrimonium temporale contrahitur et terrenum. Et sicut Ecclesia est in praelato et praelatus in Ecclesia … ita Princeps in republica, et respublica in principe.320

Die Ehe verbindet zwei natürliche Personen in einer Gemeinschaft, und die Ehe von Fürst und »respublica« ist irdisch und politisch und beruht auf geteilten Normen. In der Ehe sind sie unter der Führung des Mannes eins: Der Fürst ist in der »respublica«, und sie ist in ihm, und ohne einander können sie nicht sein. Unter Berufung auf Luca de Penne wird dieses Bild in Frankreich wohl schon vor dem Erstdruck seiner Werke (1509) aufgenommen und der König zum »mari de l’Etat« erklärt: »C’est un mariage politique, comme le mariage spirituel qui se contracte entre l’Eglise et l’évêque.« Anstelle des »Etat« kann, so 317 Bossuet, Correspondance, 1, 1909, S. 70; vgl. Descimon, Métaphore, 1992, S. 1129. 318 Harrington, Oceana, 1992, S. 233. 319 Kantorowicz, Körper, 1990, S. 225 f. 320 Luca da Penne, Cod. XI, tit. LVIII, 8, 563, Lyon 1582, zitiert bei De Mattei, Idea democratica, 1948, S. 39; vgl. Kantorowicz, Körper, 1990, S. 225 und Descimon, Métaphore, 1992, S. 1135 f.

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bei Pierre Fortin de la Hoguette um die Mitte des 17. Jahrhunderts, auch der »peuple« die Gattin des Königs spielen. Sie bringt das Krongut als Mitgift ein – womit dieses, durchaus beabsichtigt, zur Nutzniessung, aber nicht zur Veräußerung überlassen wird. Im französischen Krönungszeremoniell, so erklärt es zumindest Nicolas Bergier 1610, verlobt sich der Thronfolger durch seine erste Amtshandlung, den lit de justice, mit dem Königtum oder -reich (»royauté«), das er dann durch die Salbung in Reims auch heirate.321 Bei seiner Krönung trägt Louis XIV einen Diamanten »pour épouser la France«, und der Reimser Erzbischof steckt ihm einen Verlobungsring an den Finger als Zeichen, dass er wie ein liebender Mann nur für seine Frau sorgen, nämlich die Untertanen lieben, hegen und beschützen wird.322 Venedig pflegt ähnliche Vorstellungen für die Republik. Als Luigi Mocenigo 1570 zum Dogen erkoren wird, verdankt dies Luigi Grotto rhetorisch: »Ci ha dato un Principe in cui tutti han trovato quel di che avean bisogno: Vinegia un capo, la Republica uno Sposo.«323 Der Ehemann der Republik ist zugleich das Haupt der Stadt, und die Untertanen können sich als ihre Kinder verstehen, womit sie Teil der umfassenden Familie sind.324 Der Kardinal Giovanni Battista De Luca fasst diese Vorstellungen 1680 in einer kontraktualistischen Interpretation zusammen, indem er Herrschaft (»principato«) als Ehevertrag zwischen »Repubblica« und Fürst ansieht. Die Gattin bringt als ursprüngliche Besitzerin (»padrona originaria«) »giurisdizione«, »regali« beziehungsweise »podestà« und »rendite et emolumenti publici« als Mitgift ein, die der Fürst als Nutzniesser (»padrone utile, overo subalterno«) übernimmt. Die Frau schuldet ihm Gehorsam, er aber muss als sorgfältiger Paterfamilias für das Ziel dieses »mistico e politico matrimonio« sorgen: »la vita felice e civile«.325 Handelt er diesem Auftrag zuwider, so kann sich De Luca eine Scheidung vorstellen. 321 Giesey, Cérémonial, 1987, S. 41; die Formel »le roy espousa solemnellement le royaume« findet sich erstmals 1547 bei der Krönung von Henri II, Kantorowicz, Körper, 1990, S. 232; vgl. dort S. 225–233. 322 De Mattei, Idea democratica, 1948, S. 39; vgl. Descimon, Métaphore, 1992, S. 1128–1133. 323 Luigi Grotto, Oratione, Venedig 1570, zitiert bei De Mattei, Idea democratica, 1948, S. 39, Anm. 3. 324 Vgl. Giulio Antonio Brancalasso, Philosophia Regia medulla politicorum, Neapel, 1609, S. 47, zitiert bei De Mattei, Idea democratica, 1948, S. 39, Anm. 4: »Sponsus si Princeps suae Reipublicae est, inde fit ut subditi a Republica procreati, filiorum sibi locum vindicent.«; ähnlich ibid., S. 40. 325 G. B. de Luca, Il Principe cristiano pratico, Rom 1680, S. 14 (cap. 1), 659 (cap. 48); zitiert bei De Mattei, Idea democratica, 1948, S. 40.

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Abb. 6: Niederländische Medaille, 1583.

Bezeichnenderweise eine niederländische Medaille setzt 1583 diese Idee bildlich um (Abb. 6): Auf der Vorderseite legt ein Spanier unter den Augen des Königs die holländische Magd in Ketten, und die Umschrift lautet: UBI REX IN POPULUM TYRANNUS , was die Rückseite fortsetzt mit POPULO JURE D [IVINO ] ET H [UMANO ] DIVORTIUM . Das Bild zeigt die Frau mit dem Löwen, wie sie dem König den Ehering zurückgibt, während die Fußfesseln zerbrochen auf dem Boden liegen.326 Auf einer weiteren Medaille präsentiert sich zwei Jahre später aber bereits ein neues Paar: Maurits von Oranien steht in Waffen der ebenfalls gerüsteten Hollandia gegenüber und verspricht ihr mit der Umschrift QUAERERE ET TUERI .327 Die Oranier offerieren sich von nun an für den männlichen Part in einer ähnlichen Paarbeziehung wie derjenigen von Doge und Venetia.328 Der Mann steht für die konkrete politische und militärische Praxis im Gemeinwesen, während die Frau das Gemeinwesen in seiner abstrakten, theoretischen Form verkörpert.329 Die Metaphorik der symbolischen Ehe ist offensichtlich nicht eindeutig: Der Mann heiratet ein Königreich oder nur die entsprechende

326 Explication historique, 1736, S. 48 f., Nr. 79. 327 Explication historique, 1736, S. 56 f., Nr. 94. 328 Vgl. als weitere Beispiele das Triumphblatt Crispijn van de Passes d. J. Orangiens zeegen kroon von 1644 bei Harms, Flugblätter, 4, 1987, S. 320–321 (Nr. 245) und Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 81 (Abb. 48 f.). 329 Hierzu die überzeugenden Ausführungen von Möbius, Frauenbilder, 1991, S. 55, 60–66.

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Würde, das Volk oder den Staat. Signifikant ist jedenfalls die Stellung der Frau: In den Niederlanden lässt sie sich scheiden, in Venedig ist sie dem Gatten übergeordnet. In den Monarchien des 17. Jahrhunderts ist dies anders: Der König herrscht, die Landespersonifikation ist unterwürfig, auf Bildern meist kniend, wie dies etwa Rubens in seinem Zyklus für Maria de’ Medici vorführt. Eine zeitgenössische Anweisung beschreibt die geplante Verkündigung ihrer Regentschaft folgendermaßen: »La France est à genoux devant la Royne, qui luy présente un globe semé de fleurs de lys qui signiffie le gouvernement. La France est environnée de peuples qui supplyent la Reyne d’accepter le gouvernement de l’Estat.«330 Das für Frankreich neue Symbol der liliengeschmückten Kugel steht für die Herrschaftsgewalten, die Francia der Königin unterwürfig darreicht, gleichsam als Mitgift ihrer Ehe. Für den Sohn der Regentin und dessen Nachfolger ist selbst eine solche Szene, die als bedingte Herrschaftsermächtigung gedeutet werden könnte, nicht mehr denkbar: Nunmehr betrachten sie Francia nur noch huldvoll und demütig, wie sie vor dem Herrscherthron kniet, so auf Simon Vouets Portrait von Louis XIII, oder – bei Nicolas Coustou – erleichtert zum genesenden Sonnenkönig emporschaut.331 Nicht anders gebärdet sich Germania, die zu Füßen des Kaisers sitzt:332 Der wahre Repräsentant einer Monarchie ist der König, Land und Volk sind ihm untertan; wo Germania auf einem Titelkupfer eine prominente, selbständige Stellung einnimmt, verrät sich ein Reichspublizist, der die Macht des Kaisers beschränken will.333 Mit Selbstverständlichkeit auf eine ausgewogene Paarbeziehung oder gar individuelle Auftritte hoffen kann die weibliche Personifikation aber nur in Republiken: Venetia ist es, die den Dogen krönt.334 Die christliche Vorstellung einer Ehe von Christus mit der Kirche oder Maria als ihrer Repräsentantin führt auch, bei der Auslegung der

330 Winner, Orb, 1998, S. 68–75. 331 Burk e, Ludwig XIV., 1995, S. 157, Abb. 48. 332 Harms, Flugblätter, 4, 1987, S. 358–359 (Nr. 267 von 1653/54), ebenso ibid., 2, 2, 1980, S. 578–579 (Nr. 331 von 1663/64). 333 Vgl. die Germania mit Zepter und Reichsapfel auf dem Kaiserthron, wie sie auf dem Titelblatt zu sehen ist bei Hermann Conring, De Germanici Imperii Republica, Yverdon 1655, vgl. Müller, Reich, 1997, S. 417, Abb. 1 (der sie aber auf S. 401 als Kaiser ansieht). Vgl. die verwandte Problematik auf einem Flugblatt von 1635 bei Burkhar dt, Bildkultur, 1998, S. 94–96, ebenso die »Germania princeps« bei Johann Peter Ludewig, einem prominenten Apologeten des Territorialfürstentums, bei Roeck, Titelkupfer, 1983, S. 339 sowie Abb. 6. 334 Eine krönende Venetia bei Wolters, Bilderschmuck, 1983, S. 104, Abb. 83.

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Liebesmetaphorik des Hohelieds, zum Motiv des hortus conclusus. In einem (Paradies-)Garten steht Maria sponsa dabei als keusche Braut ihrem Bräutigam Jesus gegenüber.335 Auch diese Bildtradition wird dort säkularisiert, wo sie bereits im christlichen Sinn sehr populär gewesen ist: in den Niederlanden. Legion sind die Darstellungen der Hollandia auf Münzen (seit 1573) und Stichen, wie sie in einem hortus conclusus vom oranischen Löwen bewacht wird, während spanische Söldner gegen den Hag drängen (Abb. 7).336 Während der umzäunte Garten die Jungfernschaft Mariä oder eben der niederländischen Magd symbolisiert, steht ihr jetzt nicht ein wohlwollender Gatte Jesus gegenüber, sondern ein rücksichtsloser Eroberer. Bereits im Alten Testament tritt Jerusalem als »Jungfrau, die Tochter Zion« auf, wo sie Gott gegen die heranziehenden Assyrer beschützt, während der Prophet zum zerstörten Sidon spricht: »Nie mehr sollst Du fröhlich sein, Tochter Sidon, du vergewaltigte Jungfrau.«337 Bei Hendrick Collaert vergehen sich um 1570 spanische Soldaten an Belgia, und bei Joachim Wtewael wird sie ein halbes Jahrhundert später von zwei Männern belästigt, den Personifikationen der katholischen Kirche und des spanischen Heeres.338 Die Jungfernmetaphorik kommt um 1600 auch in Monarchien vor – insbesondere in England im Zeitalter der ledigen Königin Elizabeth.339 Vielleicht ist es kein Zufall, dass ein englischer Reisender, der erwähnte Coryate, eine auch bei Boccalini belegte, wohl lokale Redeweise von der »immacolata pul-

335 Vgl. etwa den niederländischen Holzschnitt in Schr eiber, Manuel, 4, 1902, S. 151. 336 Vgl. Möbius, Frauenbilder, 1991, S. 56–57; Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 329, 332–334 (niederländische Medaillen von 1573 und 1702); Das Testament des Friedens oder Anstands von 1615, in: Bussmann/Schilling, 1648. Krieg und Frieden. Katalog, 1998, S. 21, und in Harms, Flugblätter, 2, 2, 1980, S. 182 f. (Nr. 104); Willem Buytewech, Merckt de Wysheyt vermaert vant Hollantsche huyshouwen, 1615; verschiedene, auch antiniederländische Varianten bei Kempers, Allegory, 1999, S. 104–108, Abb. 6–14. 337 Jesaja 23, 12, vgl. auch 47, 1; für Jerusalem 2. Könige 19, 21. Die Wendung »Jungfrau Israel« kommt wiederholt vor, inbesondere bei Jeremia, 14, 17; 18, 13; 31, 4; 31, 21. 338 Collaert in Israel, Dutch Republic, 1995, Abb. 4; Wtewael in Beilmann, Zurückhaltung, 1998, S. 293; ähnlich das Titelbild von Peter Bor, Oorspronck, begin ende aenvang der Nederlantscher oorlogen, Den Haag 1603. 339 Strong, Cult, 1977, S. 154 f., Abb. 74; Descimon, Métaphore, 1992, S. 1132 f.; vgl. auch das Frontispiz zu Michael Drayton Poly-Olbion von 1610, als Vorspann von Bradshaw/Roberts, Consciousness, 1998; zum corpus politicum auch unten, S. 322–326.

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Abb. 7: Das Testament des Friedens oder Anstands, 1615.

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zella«340 aufgreift und das nie von feindlichen Truppen eroberte Venedig 1608 »a pure Virgin and incontamined mayde« nennt: »This noble citie hath … kept her virginity untouched these thousand two hundred and twelve years (for so long it is since the foundation thereof) though Emperours, Kings, Princes and mighty Potentates, being all allured with her glorious beauty, have attempted to deflowre her, every one receiving the repulse.«341 Die Niederländer gebrauchen diese erotische Metaphorik sowohl in ihrer wohlwollenden Variante, wenn etwa fünf Oranierfürsten gezeichnet werden, die Hollandia mit ihrem Freiheitshut umgeben,342 als auch die aggressive im Kampf gegen Cromwell. Auf einer Münze ist 1655 der Lordprotektor dargestellt, der Britannia den Kopf in den Schoss legt und den Hintern entblößt hat; ein Franzose und ein Spanier streiten sich im Hintergrund darum, wessen König zuerst ehrerbietig diesen Arsch küssen darf.343 Seinerseits muss auch der englische Commonwealth rasch Formen der Selbstdarstellung finden, für die man sich anderswo mehr Zeit hat lassen können. Als John Seldens Hauptwerk 1652 unter dem Titel Of the Dominion, or Ownership of the Sea übersetzt wird, zeigt das Titelbild eine »Angliae Respub.«, der zwei Kronen (der Stuart) zu Füßen liegen. Mit dem englischen Schild, Speer und Helm bewehrt hält die personfizierte Repubik in der Linken eine Säule, auf der eine weibliche Figur ihr den Lorbeerkanz und Palmzweig reicht, die Zeichen von Sieg und Frieden. Damit folgt der Künstler, Pierre Lombart, wohl der Anweisung Cesare Ripas, wie der »Governo della Republica« gezeichnet werden soll. Ripas äußerst wirkungsmächtige und oft aufgelegte Iconologia, ein Katalog von Allegorien abstrakter Begriffe, erscheint erstmals 1593, und 1603 folgt die erste Ausgabe, die mit Holzschnitten illustriert ist. Für die republikanische Regierung wird eine »Donna simile a Minerva« empfohlen, mit friedlichem Olivenzweig in der Rechten und kriegsbereitem Schild samt Speer in der Linken, auf dem Kopf ein Helm als Zeichen der bewaffneten Abwehr äußerer Feinde. Die Minerva ähnliche Gestalt zeige, dass die Weisheit die Voraussetzung der guten Herrschaft sei; Krieg und Frieden sind in ihrer Hand und tragen, jeder auf seine Art, zur individuellen Reifung bei, der Friede allerdings mehr zur »publica

340 Boccalini, Ragguagli, 3, 1948, S. 147–151 (3, 49). 341 Coryate, Crudities, 1611, S. 278. 342 Vgl. die Titelblätter der Werke von Arnoldus Montanus und Philipp von Zesen in Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 81. 343 Morrill, History, 1996, S. 252.

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felicità«.344 Minerva ist aber ebenso wie Maria eine Jungfrau – auch das empfiehlt sie als Allegorie für einen Staat und ein Volk, die sich gegen äußere und innere Tyrannen zu behaupten wissen. Auch für die niederländische Städtemagd, wie sie etwa im berühmten, unmittelbar nach dem Friedensschluss von Münster begonnenen Amsterdamer Rathaus an verschiedenen Orten präsent ist, liefert neben Pax oder Justitia Minerva die Vorlage.345 Aus diesen Bildtraditionen, der römischrepublikanischen wie der mariologischen, wird die Allegorie der Republik selbst entwickelt, wie sie etwa bei Jacob Adrianszoon Backer 1644 dargestellt wird: als »vrijhijt«, die aber, in den Landesfarben gekleidet und durch das Schild mit dem Löwen und seinem Pfeilbündel, ausschließlich auf die Niederlande bezogen ist.346 Ripas Iconologia vermittelt beziehungsweise aktualisiert auch andere antike Symbole, die gerade für die Generalstaaten wichtig werden. Dazu zählt vor allem der Pileus, die (phrygische) Mütze der antiken Freigelassenen, der bereits in der Renaissance wieder aufgenommen worden ist.347 Ripa präsentiert nun die »Libertà« als Frau mit einem Zepter in der Rechten, einer freiheitsliebenden Katze zu Füßen und einem »cappello« in der Linken. Das Zepter ist Zeichen der Macht und des »Imperio, che tiene di se medesima, essen[do] la Libertà una possessione assoluta d’animo, e di corpo, & robba che per diversi mezzi si movono al bene« – womit auf beinahe Bodinsche Weise Freiheit als selbstbegründete Herrschaft und uneingeschränkter Besitz definiert wird, der auf Gottes Hilfe, der »virtù« und Klugheit beruhe.348 In diesem Sinn wird der Pileus – allerdings als Hut mit Krempe, nicht als Mütze – schon früh von den Niederländern aufgegriffen, nämlich 1573 auf einem Jeton mit der Umschrift LIBERTAS PATRIAE , wo die holländische Magd mit Schwert und Freiheitshut im umzäunten Blumengarten sitzt. 1576 steht der Löwe allein mit gezücktem Schwert im hortus conclusus, während auf der Rückseite ein Händeschlag unter einem Freiheitshut die Umschrift bildlich ausdrückt: LIBERTAS CONCORDIA

344 Ripa, Iconologia, 1603, S. 194. 345 Koenigsberger, Republicanism, 1997, S. 52, Abb. 5; Minerva ist wiederum einer himmelsfahrenden Maria nachgestaltet. 346 Oranje boom. Katalog, 1999, S. 434 f.; für die statthalterlose Zeit Explication historique, 1736, S. 86 f., Nr. 147; Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 330–332, Nr. 164. 347 Vgl. zum Folgenden auch Maissen, Freiheitshut, 2005. 348 Ripa, Iconologia, 1603, S. 292; an der Sache vorbei geht die Übersetzung von De Capitani in Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 316.

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VINDICATA .349 In den kommenden Jahrzehnten entdecken und ent-

wickeln die Künstler der Generalstaaten ein Arsenal an Symbolen von Freiheit, Einheit und schließlich Republik, das in vielen Varianten die sallustianische Devise »Concordia res parvae crescunt« (Bellum Jugurthinum, 10, 6), das Pfeilbündel und den Freiheitshut auf einer Stange oder Lanze kombiniert.350 Der niederländischen Bilderproduktion und -kultur haben die Eidgenossen wenig entgegenzusetzen. Ihre Selbstdarstellung bleibt lange Zeit feudalen Vorstellungen verhaftet, wie sie vor allem der weit verbreitete Wappenkranz ausdrückt.351 Mit dem Taler, den Bern als erster Schweizer Ort einführt und dessen frühestes datiertes Exemplar 1493 geprägt wird, übernimmt die Aarestadt vom Tiroler Erzherzog Sigismund auch den Ring von Vogteiwappen, die aber hier nicht einen reitenden Adligen, sondern den Bären umgeben. Dem Wappentier im Zentrum kommt, bald auch in anderen Kantonen, die übergeordnete Stellung des schützenden und schirmenden Herren zu. Auf der anderen Seite der Münze kann der Stadtheilige stehen oder die Wappenpyramide, wie dies beim Zürcher Schnabeltaler 1559 der Fall ist: Während der Wappenkranz das Verhältnis der Limmatstadt gegenüber den Untertanen ausdrückt, ihre Herrschaft über die Vogteien, symbolisiert die Wappenpyramide die Stellung der Limmatstadt gegenüber ihrem Schutz- und Schirmherren, nämlich ihre vom Reich garantierten Freiheiten. Der Zürcher Künstler Jacob Stampfer braucht den Wappenkranz allerdings nicht nur als Zeichen der Unterordnung auf dem Schnabeltaler, sondern gleichzeitig auch für den stilbildenden »Bundestaler«, auf dem die dreizehn Kantonswappen im äußeren Kreis die kleineren der Zugewandten im inneren Kreis und das Schweizerkreuz in der 349 Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 80, 329 f., Nr. 160; auch S. 332–334, Nr. 168; Explication historique, 1736, S. 30 f., Nr. 48; 38 f., Nr. 61; vgl. Oranje boom. Katalog, 1999, S. 56, 61 f. 350 Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 80 f., 263–264, 267–269, 277–278, 292–293, 329–330, 316–318; ferner die Darstellungen von Jan Tengnagel, Theodor van Thulden, Adriaen van Nieulandt und Jan de Bray in Bussmann/Schilling, 1648. Krieg und Frieden. Katalog, 1998, S. 30–31, 252–256; zu van Thulden und Rembrandt auch Kempers, Allegory, 1999. Zur »concordia« Van Gelder en, Political thought, 1992, S. 193–195; in Italien Skinner, Machiavelli’s Discorsi, 1990, S. 129; als Umschrift einer venezianischen Medaille bei Wolters, Bilderschmuck, 1983, S. 71, Abb. 46; für Danzig, Genf und Münzen aus Hamburg und Nürnberg T ipton, Res publica, 1996, S. 178–181, 314, 451; zu Genf auch Deonna, Fresques, 1952, S. 145. 351 Dazu P eyer, Wappenkranz, 1994.

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Mitte umgeben; in modifizierter Form dient die Münze auch für die französische Simler-Ausgabe von 1577 (oben, Abb. 2).352 Stampfer ist der erste Künstler, der das Schweizerkreuz als Symbol für die gesamte Eidgenossenschaft verwendet.353 Der traditionellen Vorstellung entspricht eigentlich eher, wie in Etterlins Kronika (oben, Abb. 4), der Reichsadler mit Kaiserkrone als Zentrum eines Wappenkranzes. Das Imperium ist gemeinsamer Bezugspunkt und Quelle der kantonalen Staatlichkeit, wie es auch noch 1690 auf einem Zinnteller mit der Innerrhoder Wappenpyramide in der Mitte der Fall ist.354 Im Vergleich dazu markiert Stampfers Schweizerkreuz deutliche Distanz zum Reich: Es ist keine Zentralgewalt wie in den kantonalen Wappenkränzen das Standeszeichen, sondern gleichsam die verbindende Idee der 13 Orte. Zeitlich vermutlich noch vor dem Bundestaler hat Stampfer das Kreuz bereits auf dem Revers der Patenmünze verwendet, die er 1548 als Taufgeschenk der Eidgenossenschaft für Claude, die Tochter von Henri II, geschaffen hat (Abb. 8). Während auf der Medaillenrückseite um das Kreuz herum die Wappen der Zugewandten zu sehen sind, hält auf der Vorderseite die Hand des Allmächtigen das Band der dreizehn Orte zusammen. Bezeichnenderweise wird also diese Symbolsprache im freundschaftlichen Kontakt mit einem Monarchen außerhalb des Reichs entwickelt, und Stampfer gelingt es, die Vielzahl der Stände mit ihren hierarchisch untergeordneten Verbündeten bildlich zu einer Einheit zu verbinden: ein Kreuz, eine Hand, ein Kranz, eine Medaille – ein Pate. Kaum zufällig wird dieses Stück ein Jahrhundert später als Vorlage für die Johann Rudolf Wettstein zugedachte Verdienstmedaille dienen.355 Der Wappenkranz nicht in seiner hierarchischen, sondern in der föderalistischen Variante von gleichgestellten Orten, die keiner Zentralmacht unterworfen sind, ist dem Geist der alten Bünde durchaus an-

352 Abgebildet ist der »Schnabeltaler« unter anderem in: Zürcher Kunst, 1981, S. 255 (Abb. 254); der »Bundestaler« in: Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 335 (Abb. 170), wo der Wappenkranz als Avers bezeichnet wird; doch es handelt sich um die Rückseite, vgl. auch Tavel, Bildthemen, 1991, S. 23, und Zürcher Kunst, 1981, S. 205. 353 Hahn, Stampfer, 1915, S. 68. Erst um die Jahrhundertmitte wird in der Eidgenossenschaft auch der Begriff »Schweizerkreuz« heimisch, vgl. die jüngste Übersicht zum Thema bei Marchal, Passion, 1991, S. 5–37. 354 Gallik er, Rundscheibe, 1977; Rittmeyer, Goldschmiedearbeiten, 1964, S. 57, 74, Tafel XVII, Nr. 52. 355 Vgl. zur Wettsteinmedaille Von Roten, Verdienstmedaille, 1998 und zu ihrem völkerrechtlichen Zusammenhang Maissen, Insignes, 1999, S. 488.

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Abb. 8: Jacob Stampfer, Patenpfenning für die französische Prinzessin Claude, 1548. Silber vergoldet, 76,6 mm.

gemessen und bleibt lange populär. Das gilt auch für Separatbündnisse, wie 1578 zwischen dem Wallis und den sieben katholischen Orten. Der Wappenkranz gehört in Kombination mit einem Krieger356 oder einem Stier357 zu einer Reihe von (bildlichen) Mitteln, mit denen versucht wird, die schweizerische Einheit in der Vielfalt auszudrücken. Ein Handschlag, Ketten oder Bänder halten auf manchen Darstellungen die Wappen zusammen, wobei auch Gottes Hand im Spiel sein kann. Zu diesen Bundesbildern gehört auch die Anekdote von Skiluros, der auf dem Sterbebett seinen – im schweizerischen Kontext dreizehn – Söhnen vorführt, dass sich eine einzelne Rute brechen lässt, ein ganzes Bündel dagegen nicht. Das sehr populäre Motiv findet sich unter anderem auf Christoph Murers erwähntem Bundesschwur von 1582 (Abb. 3) und drei Jahre später bei Humbert Mareschet, als er die Bürgerstube im Berner Rathaus ausmalt.358 Dieselbe Botschaft vermit356 Das häufige Motiv findet sich beispielsweise bei Ein hüpsch nüw Lied von den dryzehen örtern, o. J.; Manuel, Ein hüpsch nüw Lied, 1557; Wirry, Schöner Spruch, 1635, auch Zürich 1657 sowie o. O. 1668 und 1680. 357 Vgl. Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 270 f. 358 Eine ausführliche Liste der Schweizer Skiluros-Darstellungen bei Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 271–273. Als Ergänzung nachzutragen wäre das Wappenbuch der Basler Schlüsselzunft von 1690, dessen in Silber getriebenes Titelbild Skiluros neben Cicinnatus, Marcus Curtius und Horatius Cocles zeigt; vgl. Barth, Schätze, 1989, S. 96, Nr. a. 35, 5. Schriftliche Reminiszenzen liefern das Zürcher Neujahrsblatt von 1657 unter Berufung auf Plutarch: »Ut singula hastilia facile frangas, conjuncta non possis: ita dissidentes facile superantur, concordes haud facile«; Leonhar di, Auffwecker, 1689, S. 24 (über den Tartarenkönig »Changius Chamus« mit 12 Söhnen); Copia eines Briefs (Zürich und Bern

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telt auch hier das sallustianische »Concordia res parvae crescunt«, die bereits um 1500 auf den Fresken im Genfer Rathaus zu lesen ist und wenig später in der ersten Zürcher Disputation von Zwingli angeführt wird.359 Sie wird zum offiziellen Motto der Niederlande, wo auch sonst eine ähnliche Bundessymbolik Verwendung findet. 1576 stellen sich die – noch – fünfzehn niederländischen Provinzen in einem Wappenkranz dar, und in Le Petits Nederlantsche Republycke von 1616 hält Gottes Hand aus einer Wolke heraus eine Kette, welche die Wappen der Provinzen zusammenknotet.360 Gerade angesichts solcher Ähnlichkeiten ist es auffällig, dass die Eidgenossen lange Zeit keine Figur wie die niederländische Magd hervorbringen. Wie in der Realität ihre staatliche Einheit nur schwach ausgeprägt ist, so fehlt ihnen lange auch eine angemessene bildliche Umsetzung. Sehr deutlich wird diese Problematik auf einem Flugblatt, das der Basler Heinrich Glaser 1626 entwirft. Die mächtige Francia tritt als Frauenfigur dem Bund kleiner Stände gegenüber, den in der Tradition von Murer dreizehn Bannerträger repräsentieren.361 Ein solches Bild mag hingehen, solange der französische Territorialstaat die Ausnahme darstellt und das komplizierte eidgenössische Bundesgeflecht in einem ebenso komplizierten Abendland diplomatische Kontakte pflegt zu ähnlich uneinheitlichen Gebilden.362 Als sich aber die Zahl der vollwertigen, das heißt souveränen Staaten im 17. Jahrhundert auf eine Handvoll Monarchien und noch weniger Republiken reduziert, machen dreizehn Männer als Repräsentanten der Eidgenossenschaft nur noch wenig Sinn. Um stattdessen die an sich naheliegende Lösung einer Venetia oder Hollandia zu übernehmen, fehlt den Schweizern je-

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an Drei Bünde, 14. Februar 1706): »… wie nicht nur nach deß Scilluri zusammen gebundenen pfeilen Vorbild unsere allerseits Ruhmwürdige Vor-Elteren in einmühtiger zusammen Setz- und Verbindung die über alles hochschätzbare Freyheit erworben …«; nach Plutarch auch bei Iselin, Lexikon, 4, 1727, S. 350. Für eine nach Murers Stich gestaltete Tafel im Thorner Ratshaus T ipton, Res publica, 1996, S. 179, 451. Deonna, Fresques, 1952, S. 145; Zwingli, Handlung, 1905, S. 510; ähnlich ders., Vermahnung, Z 3, 1914, S. 110. Explication historique, 1736, S. 38, 58 f., Nr. 97. Gessler, Schweiz, 1933, S. 215 (aus dem Basler Kupferstichkabinett); abgebildet auch bei Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 280, Abb. 17. Für das ähnliche Konzept auf den Medaillen von 1630, 1637, 1639 und 1646 Baumgartner/ T elegdy-Neudorfer/Metzger, Zeugnisse, 1996, S. 56 f. Vgl. die entsprechend verwirrende Darstellung von Eidgenossen, Zugewandten und ausländischen Mächten aus dem frühen 17. Jahrhundert, herausgegeben von Bodmer, Prophet, 1966.

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doch die ergänzende Person eines männlichen Vertreters des Landes, wie es der Statthalter oder der Doge sind. Analoge Paarbeziehungen finden sich vorerst nur in wenig erbaulichen Ansätzen, etwa zwischen einem eidgenössischen Reisläufer und der Voluptas oder bei der selbstkritischen Zeichnung eines streitenden – schweizerischen – Ehepaars in einem hortus conclusus, den die auswärtigen Mächte bedrängen.363 Erfreulicher präsentiert sich die Landesallegorie, wie sie als Abundantia zusammen mit dem alten Eidgenossen auf Matthäus Merians Topographia Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae von 1642 entgegentritt (Abb. 9). Ihre Attribute der Fruchtbarkeit, insbesondere das Füllhorn, symbolisieren den Reichtum eines Landes, das von der Wehrkraft des Soldaten erfolgreich beschützt wird. Damit ist bei Merian die weibliche Landesmutter als allgemeine Personifikation des Territoriums zu verstehen, der Krieger dagegen als dessen männlicher Repräsentant und Beschützer – beide zusammen machen sie die Eidgenossenschaft aus. Damit ist eine ähnliche Konstellation dargestellt wie in Venedig und den Niederlanden. Entscheidend wird nun die »Emanzipation« der weiblichen, vor allem passiv-geographisch zu verstehenden Landesallegorie, die bisher als Objekt männlichen Schutzes und als Lieferantin der Mitgift oder von monetären beziehungsweise Naturalabgaben betrachtet worden ist. Diese Emanzipation erfolgt erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und zwar dadurch, dass die Landespersonifikation alleine, ohne männlichen Partner dargestellt und so zur Staatspersonifikation wird. Es handelt sich gleichsam um die säkularisierte Version der Maria als »Patrona Helvetiorum«, wie sie der Zürcher Reformierte Rudolf Meyer für die hagiographische Helvetia Sancta des Ittinger Paters Heinrich Murer entwirft (Abb. 10). Von den eingangs skizzierten, verwandten politischen Metaphern obsiegt damit die Keuschheit über die symbolische Ehe. Was bisher ein Defizit der schweizerischen politischen Ikonographie gewesen ist, die fehlende – männliche – »Exekutive«, erleichtert die neuartige Hervorhebung der weiblichen Figur, auf die Repräsentantinnen der Untertänigkeit noch lange warten müssen, so Germania oder Francia, die später als Marianne emanzipiert wird. Entgegen den körperschaftlichen Theorien handelt in der Eidgenossenschaft nun eine Frau ohne Mann, ein Körper ohne Haupt, was durchaus einen realen Bezug hat: Mangels einheitlicher, kräftiger, männlicher militärischer Führung ist eine aggressive Außenpolitik unmöglich, während die selbständige, 363 Ausführlicher zu den verschiedenen Darstellungen Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 275–278, Abb. 9–17.

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Abb. 9: Matthaeus Merian, Topographia Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae, Frankfurt a. M. 1642, Frontispiz.

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Abb. 10: Rudolf Meyer, Sancta Virgo Maria, Patrona Helvetiorum, in: Heinrich Murer, Helvetia Sancta, Luzern 1648.

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defensive, friedliebende Wahrung der weiblichen Integrität aussichtsreich betrieben werden kann. Es ist schwer zu sagen, wieweit die – im Übrigen engen – Verbindungen zwischen Schweizer und Niederländer Künstlern direkt dazu beitragen, dass sich auch das Alpenland, das ja von Gebildeten schon lange Helvetia genannt wird, durch eine selbständige weibliche Personifikation darzustellen beginnt. Solche sind während der Ware Vrijheid jedenfalls gebräuchlich: Eine behelmte Hollandia schließt auf einem Stich 1667 den Frieden mit der gekrönten Anglia.364 Bereits während der Münsteraner Friedensverhandlungen graviert Crispijn van de Passe die gekrönte Jungfrau Hollandia mit ihrem Löwen und einem einheimischen Bürger, der sie schützend hält, während ein spanischer und ein französischer Edelmann sie mit Geschenken umwerben.365 Dieselbe Bildaussage findet sich bei der »möglicherweise ältesten weiblichen Personifikation der Schweiz mit politischer Dimension«:366 ein anonymes Ölgemälde, das eine Frau inmitten von sechs Männern zeigt (Abb. 11). Die zentrale Figur ist der Himmelskönigin in der Marien-Ikonographie nachgestaltet und nimmt so, mit einer »Freiheitskron«, ihren Platz als gleichberechtigte Republik im Chor der Monarchen ein.367 Das belegt der Text auf ihrer Schürze: Als »wunder Schweizerland, werthster Freyheit höchste Zier«, ist sie in »alter KeüschheitsTracht« unter »Frömbde Stände« plaziert worden – wodurch ihre Macht »Königreichern gleich« gestellt ist! Die weibliche Personifikation des Schweizerlands tritt unter männliche Staaten, die an ihren Landesfarben erkannt werden können. Sie trägt eine »FreiheitsKron«, in der die Vielzahl von Orten und Zugewandten mit ihren Wappen gleichsam aufgehoben ist. Durch »alte Stärcke, Treu unnd Bund«, Zusammenhalt und Wehrbereitschaft habe sie gegen die Willkür der Vögte und mit Gottes Hilfe einen Platz errungen und bewahrt unter den Mächten, die um ihre »Hülffe, Frid Und Rath, Ruhe, Stärcke, Treü und That« werben.368 Diese Schweiz ist, anders als auf älteren, selbstkritischen Bildern, einig, unbefleckt und gleichrangig. Schon nur deswegen drängt sich die neue, 364 Israel, Dutch Republic, 1995, Bild 21. 365 Harms, Flugblätter, 4, 1987, S. 332–333 (Nr. 251); Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 282, Abb. 20. 366 Kr eis, Helvetia, 1991, S. 28; dort S. 6 die vollständige Transkription des Texts auf der Schürze. 367 Für die »Annäherung an die Marien-Ikonographie« Sterck en, Enthüllung, 1998, S. 19–22. 368 Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 275 f., Abb. 10 f.

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Abb. 11: Wunder Schweizerland, anonym. Öl auf Leinwand: 108 × 174,8 cm.

weibliche Personifikation auf, die gleichzeitig die Neutralität als außenpolitische Haltung verkörperlicht, aber dabei – anders als bei van der Passes ähnlicher Inszenierung – nicht mehr auf den Beistand eines Mannes angewiesen ist. Die Werberschar ermöglicht auch die Datierung des Bilds: Von rechts betrachtet stehen Venedig, Frankreich, das Reich, Savoyen sowie die Niederlande und Spanien an, also lauter souveräne Staaten (im Unterschied zu anderen möglichen Alliierten wie Straßburg, der Freigrafschaft und den pfälzischen oder brandenburgischen Kurfürsten). Diese Mächte sind in den Devolutionskrieg von 1667/68 verwickelt, womit das Gemälde wahrscheinlich aus den Jahren zwischen 1665 und der ersten Besetzung der Freigrafschaft (1668) stammt, als deren Garantiemacht die Schweiz auf dem Bild hofiert wird. In dieselbe Zeit – konkret der Streitigkeiten von 1678 um das Defensionale – zu datieren ist ein anderes, heute in Solothurn aufbewahrtes Gemälde, das eine weibliche Figur auf einer Säule zeigt, die wohl nicht nur eine Allegorie der Freiheit darstellt, sondern deren politische Inkarnation: Helvetia.369 Der Übergang von herkömmlichen Allegorien, 369 Vgl. zum Folgenden ausführlich Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 266–269, in Auseinandersetzung mit Boerlin-Brodbeck, Alpenlandschaft, 1998.

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insbesondere Justitia und Pax, zu Staatspersonifikationen ist bereits für Venedig und Amsterdam aufgezeigt worden, für die Schweiz ist ein analoger Vorgang mit Libertas durchaus passend. Dabei taucht Helvetia nicht nur auf bildlichen Quellen im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts auf, sondern auch in literarischen Texten, die manche Motive mit den erwähnten Bildern gemeinsam haben. Am 14. und 15. September 1672 wird in Zug ein monumentales barockes Schauspiel aufgeführt: Johann Caspar Weissenbachs Eydtgnossisch Contrafeth Auff- und Abnemmender Jungfrawen Helvetiae. Mit üppigen Allegorien wird das Aufblühen der alten Eidgenossenschaft und ihre Dekadenz nach der Reformation vorgeführt. Kurz nach dem ewigen Frieden mit François Ier beginnt im 4. Akt die »Abnemmende Helvetia«: In einem neuen Bund verschwören sich die drei falschen Tellen, nämlich »Atheysmus«, der Rationalismus und Materialismus predigt, »Interesse«, das den Eigennutz dem gemeinen Nutzen vorzieht, und »Politicus«, der machiavellistisch Verstellung übt. Helvetia erinnert sich, wie sie in der Jugend ihre Schanze auf Gott allein baute und viele mächtige Freier um die »freche Jungfraw« warben; seit sie aber dem Irdischen sich zugewandt, dem eitlen Geld, sei sie zu einer Magd degradiert und das Glück habe sich abgewendet. Christus schreitet zur grausamen Strafe für die undankbare Helvetia, doch die Muttergottes und Bruder Klaus, »ein Patron Schweitzerischen Nation«, verwenden sich für die reuige Sünderin, der unverdientermaßen verziehen wird.370 Wie das Titelblatt der 1702 gedruckten dritten Auflage von Weissenbachs Drama besagt, ist seine »Auffnemmende Helvetia« ein »kurtzer Entwurff, welcher gestalten ein hochlobliche Eydgnoßschafft an Freyheit, Macht und Herrlichkeit zugenommen, und durch sondere Hilff und Beystand Gottes in einen gantz sovrainen Stand und freye Republic erhebt worden«. Die weibliche Gestalt der Helvetia repräsentiert also den souveränen eidgenössischen Freistaat, wie er seit 1648 seinen Platz in der europäischen Staatenwelt beanspruchen darf. Aus dem Jahr 1676 stammt eine weitere bildliche und schriftliche Doppelbeschreibung der Helvetia, nämlich Jacob Wurmanns Bulschafft der sich representirenden Eidtgnössischen Dam, welche einer hochloblichen Eidgnoschaft ihre Herzensgedanken in treuen eröffnet, mit vermelden, dass sie Ihr verlobte tragende Jungfrauschaft gegen allen ihren aussländischen Bulen rein behalten, sich in Ehestand nit einlassen, sonder by ihrem bis dahin tra370 Weissenbach, Contrafeth, 1673, S. R4; zum Stück außer Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 282 f., vor allem Gut, Schauspiel, 1996, S. 115–124, auch Marchal, Alte Eidgenossen, 1990, S. 335 f.

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Abb. 12: Conrad Meyer, Frontispiz zu Jacob Wurmann, Eidtgnössische Dam, Wisendangen 1676.

genden Kranz ihr Leib, Ehr, Gut und Blut aufsezen, darbei leben und sterben wolle. Der Zürcher Wurmann wünscht sich eidgenössische Liebe, Eintracht und Frieden anstelle des konfessionellen Haders. Seine eidgenössische Dame trägt einen Kranz mit unversehrten Blumen, welche die 13 Orte und Zugewandte repräsentieren; zugleich ist er das Zeichen ihrer Jungfräulichkeit, die sie der Eidgenossenschaft verlobt hat und gegen die fremdländischen Buhlen verteidigt: »In der Ehe thet Ich gwüß kein Schick, Weil Ich besitz ein Republik, Ich erkenn keinen Her273

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ren«.371 Als Jungfrau will sie sterben, da sie schon vor langem mit eigenem Blut die »Freyheit«, ihr »Reich und Gut« erworben hat und jetzt »ein Land« besitzt. Die Buhlen versuchen es mit List und schönen Worten, locken mit »Gelt und Gold«, befördern verräterische »Conspiration« im Inneren. Doch ein Eheschluss mit einem von ihnen würde das ewige Joch der »Dienstbarkeit« bedeuten: »Ich käme um mein Reich und Land, Und auch um mein den freyen Stand«.372 Die Motive des reformierten Wurmann sind denjenigen ausgesprochen ähnlich, die der Katholik Weissenbach theatralisch umgesetzt hat: Einigkeit für Freiheit und gegen Knechtschaft, vergangener Ruhm und gegenwärtiger Spott, Festungs- und Jungfernmetaphorik sowie Bruder Klaus. Dem Kranz kommt dabei eine zentrale Rolle zu, wie auch auf dem Titelbild zu sehen ist, das der Zürcher Künstler Conrad Meyer – der jüngere Bruder des eben erwähnten Rudolf Meyer – sticht (Abb. 12): Ein Mann in Rüstung greift der »Dam« nach dem Kranz und der Brust, doch diese entzieht sich und streckt die Hand nach Waffen aus, vor denen ein Schild mit dem Wappenkranz steht. Der Kranz ist sowohl Zeichen der Jungfräulichkeit als auch seinerseits ein eidgenössischer Wappenkranz, wie er bereits dem gemalten »wunder Schweizerland« das Haupt geschmückt und sich bei Weissenbach sogar aus Blumen in Kantonsfarben zusammengesetzt hat. In der Konstellation, die an die marianische Allegorie des hortus conclusus erinnert, verbinden sich grundsätzliche Wehrbereitschaft und Gottesunmittelbarkeit mit keuscher politischer Unschuld, Friedfertigkeit und Fertilität, wie es der gewandelten Selbsteinschätzung der Schweizer entspricht. Nicht mehr der militärische Erfolg adelt den Bauernstaat, der sich einst in einer Welt ritterlicher, aggressiver Ehrvorstellungen seine Unabhängigkeit erkämpft und einen Platz im abendländischen Reich bewahrt hat. Vielmehr begründet die weiblich-defensive, aber wehrbereite Keuschheit jetzt die Ehre einer außenpolitisch handlungsunfähigen Gemeinschaft, der aber die Souveränitätsidee des Völkerrechts eine Sphäre der Integrität zusichert, die der ausländische Krieger legitimerweise nicht überschreiten darf. Offenbar werden die Kriege von Louis XIV und insbesondere die Eroberung der Freigrafschaft bildlich als Bedrohung und zeitweise Verletzung der – weiblichen – Integrität der Schweiz verstanden, die aber letztlich die Jungfräulichkeit der vom Krieg verschonten Landesmutter 371 Wurmann, Bulschafft, 1676, S. 6; »kein Schick tun« heißt »sich nicht einfügen können«, Schweizerisches Idiotikon, 8, 1920, Sp. 494. 372 Wurmann, Bulschafft, 1676, Zitate auf S. 10, 13, 18, 24, 33, 55.

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nicht beeinträchtigen. Sie erscheint nun häufig: Der Lindauer Johann Jacob Haug preist 1682 die von Kriegen verschonte »rediviva Helvetia« und singt von der »Republic, die in dem Flore stehet Und die im Regiment nach rechtem Rechte gehet Und schütz’t die Freyheit für gemeines Vatterland«.373 Im Luzerner Jesuitenschauspiel Irene Helvetiae. Das vom Friden beglückte Schweitzerland tritt Helvetia zwar 1698 in den Ehestand; doch indem sie sich mit Irene/Pax »gäntzlich und auff Ewig vermählet«, entkommt sie den Werbungen von Polemarcus (»Kriegs-Fürst«) und den Intrigen des Dichobolus (»Zwitracht«).374 Nach dem Landfrieden von 1712 erklingt ein Lied auf »der Eydgnössischen Damen EhrenKranz« und die Jungfrau, die »frömde Cavalier« zurückweist: »Die Dame hat ein Kranz Der ist schön außgeziehret Mit dreyzehen Blumen ganz Viel Nebent-Schößlein ghören drein Gott hat den Kranz gepflanzet fein Zu einer guten Schanz.«375 Schon etwas früher, im Anschluss an die Basler Wirren von 1691, erscheint Helvetia mit einer Lanze erstmals auf einer Gedenkmedaille als Beschützerin der öffentlichen Ruhe.376 Bei der neuen Identifikationsfigur einer Jungfrau Helvetia handelt es sich tatsächlich um eine »eigentümliche innovative Leistung des 17. Jahrhunderts«377 oder vielmehr der Jahre um 1670, in denen ihre verschiedenen »Contrafeth« gemalt, erdichtet und aufgeführt werden. Im Gewand der Helvetia können die Schweizer, sofern sie einig bleiben, als respektables Mitglied der Staatenwelt auftreten – die reale innere Gespaltenheit wird durch eine umfassende Figur übertüncht, welche die traditionellen kriegerischen Repräsentanten ersetzt, bezeichnenderweise bei reformierten ebenso wie bei katholischen Künstlern. Die weibliche Personifikation ist die schweizerische Antwort auf die »entgipfelte Pyramide«, wie sie als Resultat des Westfälischen Friedens dasteht: An die Stelle einer universalistisch-hierarchischen, letztlich feudalen Ordnung, die auf ein einziges Haupt zuläuft, wird 1648 ein System formal gleichwertiger Staaten institutionalisiert.378 Die Eidgenossenschaft ist bis dahin als unmittelbarer Bestandteil des Heiligen Römischen Reichs in die pyramidale Hierarchie eingefügt gewesen und damit vom Wandel gleich doppelt betroffen: Durch die Exemtion verlässt sie den Reichsverband, und gleichzeitig wird die Idee einer (kai-

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Haug, Rediviva Helvetia, 1682, Widmung, S. 2, 69. Eine Zusammenfassung der Handlung ist gedruckt als Irene Helvetiae, 1698. Ein schön neues Lied genant der Eydgnössischen Damen Ehren-Kranz, 1712. Geigy, Katalog, 1899, S. 133, Tafel 37, Nr. 755; Tafel 44, Nr. 752. Marchal, Alte Eidgenossen, 1990, S. 336. Burkhar dt, Pyramide, 1998; ders., Bildkultur, 1998.

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serlichen) »Monarchia universalis« hinfällig. So findet sich der zusehends archaische schweizerische Staatenbund eher widerwillig vor der Aufgabe, sich im Kreis der überlegenen Mächte gebührend zu positionieren. Die Erfindung der Helvetia reagiert auf die propagandistische Bildsprache im Ausland und muss den im Zeitalter der Souveränität regierenden Einheitsgedanken für eine Republik zum Ausdruck bringen und zwar besser, als dies mit dem herkömmlichen Wappenkranz, mit Geschichtsszenen oder einem Kreis schwörender Männer möglich gewesen ist. Geradezu exemplarisch zeigt sich Helvetia als ikonographische Interpretation der französischen Souveränitätslehre in ihrer niederländischen, republikanischen Variante auf einem Stich des Zürchers David Herrlibergers, den der Basler Johann Rudolf Iselin 1734 für seine erwähnte Erstausgabe von Aegidius Tschudis Chronicon Helveticum als Titelblatt auswählt (Abb. 13). Herrliberger hat das Bild bereits 1730 geschaffen, als Mitarbeiter Bernard Picarts in Amsterdam, wo er für ein Buch über die Schweiz Verwendung findet.379 Der emigrierte Pariser Picart ist ein Spezialist für Staatsallegorien und hat 1723 eine »Republique de Hollande« gezeichnet.380 Nach ähnlichen Mustern entwirft er für Herrliberger L’alliance et la concorde des Suisses, deren Legende keinen Zweifel lässt: »La République des Suisses est représentée par une Femme, accompagnée des Vertus qui ont concouru à la former«. Helvetia als Schweizer Republik thront, zu ihrer Rechten sitzt Concordia mit einem Liktorenbündel und dem Händeschlag als Gürtelschnalle, hinter ihr wacht Prudentia mit der Schlange, während Libertas mit dem Freiheitshut einen Triumph- und Friedenskranz reicht. Gleichzeitig hält Fortuna eine geschlossene Krone über Helvetiens Haupt – kein monarchischer Reflex des Franzosen, sondern das Symbol staatlicher Souveränität. Darüber vertreibt die gerüstete Minerva die hässlichen Harpyien; sie ist als Sapientia zu verstehen, aber gleichzeitig wohl auch als Fortitudo – und sie ist als Jungfrau eine gute Gesellschaft für Helvetia.381 Die ursprüngliche militärische 379 Tschudi, Chronicon, 1734, vor S. 1; kleiner bereits im Amsterdamer L’état et les délices de la Suisse, 1, 1730. 380 Jean Le Clerc, Histoire des Provinces-Unies des Pays Bas, Bd. 1, Amsterdam 1723; abgebildet bei Kintzinger, Chronos, 1995, S. 332 (Abb. 159, vgl. Abb. 160). Vgl. die Werkliste in Picart, Impostures, 1734, S. 5. 381 Die Legenden sind nicht eindeutig; die französische des ursprünglichen Stichs, im Anhang von Heinemann, Tell-Iconographie, 1902, abgedruckt, versteht Minerva als »Sagesse«, während der Begleittext zur Tschudi-Ausgabe nur von »Tapferkeit« spricht, was aber auch auf Herakles gemünzt sein wird.

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10. Der Souveränitätshut: Johann Jacob Leus Simler-Edition von 1722

Abb. 13: Bernard Picart, L’alliance et la concorde des Suisses, Amsterdam 1730.

Tapferkeit ist zwar präsent, bleibt aber im Hintergrund, und deshalb legt Herakles, nackt und wild in seinem Löwenfell, der Landesmutter die wehrhafte Keule zu Füßen. Ebenso fern wie die rauhen Gründerzeiten sind die Habsburger und andere böse Geister; die Waffen können niedergelegt werden, Helvetia herrscht in einem friedlichen, zivilisierten und aufgeklärten Land.

10. Der Souveränitätshut: Johann Jacob Leus Simler-Edition von 1722 Um einen souveränen König darzustellen, entwickeln die Künstler im 17. Jahrhundert ein breites Arsenal von Attributen, die einerseits im realen höfischen Zeremoniell gegenwärtig sind, andererseits, oft 277

III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

aber auch gleichzeitig, der Marienikonographie entnommen sind. Aus der religiösen Sphäre stammt der obligate Baldachin, ein Zeichen des Schutzes und der Unmittelbarkeit zum Himmel, wie er in der Kirche über dem Hauptaltar, auf Bildern über der Madonna und dort wie in der Wirklichkeit über dem königlichen Thron hängt. Auf Illustrationen kann der Baldachin direkt von Gottes Auge bestrahlt werden. Der Wolke, auf der die heilige Jungfrau schwebt, entspricht das Kissen, auf dem die Füße des thronenden Monarchen ruhen. Wie die Himmelsherrscherin hält er ein Zepter, Engel oder Genien tragen einen Lorbeerkranz oder die Krone über seinem Haupt.382 Die verschiedenen Elemente vereint ein Stich von 1648, auf dem Louis XIV, noch ein Kind, unter einem Baldachin thront, während Justitia die Krone über sein Haupt hält, die von Gottes leuchtendem Auge bestrahlt wird; zu Füßen des Königs knien Allegorien, zuvorderst »L’Allemagne«, die von ihm den Frieden empfängt.383 Von dieser französischen Interpretation des Westfälischen Friedens weichen deutsche Darstellungen naturgemäß ab, doch das Souveränitätskonzept und das Ende der Weltreichtheorie schlägt sich auch dort insofern nieder, als mehrere Herrscher nunmehr gleichrangig nebeneinander gezeigt werden. Einen gewissen Vorrang an Status gestehen die Graphiken dem Kaiser wohl noch zu, wenn er die anderen friedenschließenden Monarchen aus Schweden und Frankreich leicht überragt. Entscheidend ist aber, dass auf Huych Allardts Stich von 1648 über ihnen eine Sonne mit dem Tetragramm scheint, dem hebräischen Schriftzug Jahve, worunter auf gleicher Höhe die Wappen der drei Einzelherrscher hängen: Im irdischen Zeremoniell mag es noch eine formale Hierarchie geben, hinsichtlich der Unmittelbarkeit zu Gott sind sich aber alle gleich.384 Eine ähnliche Bildersprache findet sich auf einer niedrigeren Ebene im Reich, wo aber die Sonne als Symbol für die kaiserliche majestas dient und die Reichsverfassung als »Sonnensystem« erfasst wird.385 Erst allmählich beanspruchen die großen Territorialfürsten, die ihre Herrschaftsrechte herkömmlich als Belehnung durch die Übergabe von 382 Vgl. die Darstellungen von Louis XIV in Burk e, Ludwig XIV., 1995, S. 38, Abb. 5; S. 49, Abb. 8; S. 126, Abb. 33; S. 133, Abb. 35; S. 142, Abb. 43; S. 144, Abb. 44; zum Baldachin auch Schütte, Zeremoniell, 1995, S. 427–429 sowie 768 (Abb. 91). 383 Ahr ens, Staatsporträt, 1990, Ab. 41. 384 Bussmann/Schilling, 1648. Krieg und Frieden. Katalog, 1998, S. 223, Abb. 651; grundsätzlich, aber mit anderen Beispielen zum Phänomen Burkhar dt, Bildkultur, S. 97–100. 385 Roeck, Reichssystem, 1984, S. 32, am Beispiel von Jacob Bernhard Multz.

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Fahne, Schwert oder Stab erhalten haben, die grundsätzlich gleiche Legitimation wie der Kaiser, nämlich eine direkte Einsetzung durch Gott.386 Auf Druckgraphiken wie dem Frontispiz zu Veit von Seckendorfs Christen-Stat, der 1685 in Leipzig erscheint, hat dies zur Folge, dass die göttlichen Sonnenstrahlen, welche die einzelnen Kompetenzen oder Charakteristika der Souveränität symbolisieren, vom Himmel durch die Krone auf den Herrscher fallen, in diesem Fall auf den sächsischen Kurfürsten Johann Georg III.387 Schon früher haben die Niederländer dieselbe Metaphorik angewandt: Auf dem Titelblatt von Lieuwe van Aitzemas Herstelde Leeuw, das 1652 in Den Haag gedruckt wird, scheint Jahves Sonne direkt auf den Freiheitshut, den der Löwe auf einer Lanze hält und die Allegorien der sieben Provinzen umstehen. Damit ist die Gottesunmittelbarkeit und Souveränität der Generalstaaten bildlich ausgedrückt – nicht nur gegenüber fremden Mächten, sondern auch gegenüber den Provinzen und namentlich gegenüber Holland, das Aitzemas Buch auch umgehend verbietet.388 Während die Niederländer seit dem Beginn der Revolte den Pileus und vor allem den breitkrempigen Freiheitshut als Symbol gebrauchen, kommen sie in der Schweiz lange nicht vor.389 Singulär bleibt Simlers Kommentar, der den (Herzogs-)Hut, den Julius II. den Eidgenossen 1512 mit seinen Bannern zusammen geschenkt hat, ansieht als »einen Hut, das bey den alten ein zeichen der freyheit was«.390 Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts taucht der Pileus in der kantonalen Repräsentation von Bern, Basel und Zürich auf.391 Auch das »wunder Schweizerland« von etwa 1668 hat noch ausdrücklich eine »FreiheitsKron« getragen und Wurmanns »Dame« einen keuschen Blumenkranz. Einmal mehr kommen der Anstoß für ikonographische Neuerungen aus dem Ausland. Der Hamburger Professor Caspar Büssing gibt 1694 seine HeroldsKunst heraus, in der er die Wappen der vornehmsten Staaten vorführt, nämlich der »Käyser, Könige, Fürsten und Republiquen«. Im ersten Teil behandelt er die Wappen der Reichsstände, im zweiten diejenigen »außer Teutschland« – und hierhin gehört für ihn auch die Eidgenossenschaft. Die Reihenfolge, in der Büssing die Staaten präsentiert, sei geo386 Kocher, Zeichen, 1992, S. 69. 387 Vgl. dazu auch den Kupfertitel zu Jacob Bernhard Multz, Repraesantatio maiestatis imperatoriae, Oettingen 1690, beschrieben bei Roeck, Titelkupfer, 1983, S. 339 f. 388 Israel, Dutch Republic, 1995, Bild 19, auch S. xxi. 389 Zum Folgenden auch Maissen, Freiheitshut, 2005. 390 Simler, Regiment, 1577, S. 106. 391 Vgl. dazu unten, S. 464 und 485 f.

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graphisch, »weil die höchsten Printzen und Staaten in der gantzen Welt, so fern sie Souverain, alle gleich hoch sind«. In einem einzelnen Land, etwa in Italien, würden zuerst die Königreiche, dann die Herzogtümer und zuletzt die Republiken abgebildet, doch »ohne einige Beleidigung des Vor-Rechts«. Am Schluss des Bandes findet sich die Eidgenossenschaft, deren Lösung vom Reich auf das Jahr 1308 datiert wird und die völlige Freisprechung auf 1648. Während die Niederlande unmittelbar vorher als Wappenkranz der sieben Provinzen dargestellt worden sind, zeichnet Büssing hier die Kantonswappen in drei Reihen und darüber einen breitrandigen Hut, der alle schirmt (Abb. 14).392 Dieselbe Darstellung übernimmt Simon de Vries 1700 in Der Doorlughtige Weereld, um »De Republicq der Switsers« vorzuführen.393 In der Schweiz selbst hält eine gekrönte Helvetia erst auf dem Eydgenössischen Staats-Calender von 1718 eine Lanze mit der phrygischen Mütze (Abb. 15).394 Der Schaffhauser Kupferstecher Johann Georg Seiller schafft mit diesem Kalender, der datiert ist auf »seit Anfang Löbl. Eygnosschaft 404.« Jahr, auch rein formal eine Neuerung: Die Eidgenossenschaft wird als »Staat« präsentiert, wie es bis dahin nur auf kantonaler Ebene die Regimentskalender getan haben. Da es aber keine gesamteidgenössischen Institutionen gibt, zeigt der Stich auf einem Triumphbogen um den eigentlichen Kalender und eine Schweizerkarte die 26 Wappen der jeweils zwei Standeshäupter. Darüber sitzt Helvetia vor einem Aufbau, begleitet von Stauffacher, Fürst, Melchtal und Tell, den Protagonisten der Befreiungssage. Zuoberst auf dem Aufbau spielen zwei Putti auf die Skiluros-Parabel an; der linke hält ein zusammengebundenes Pfeilbündel, der rechte zerbricht die losgelösten, einzelnen Pfeile. Die beiden Putti und zahlreiche Elemente, die zum Teil bereits auf historiographischen Titelblättern des 17. Jahrhunderts begegnet sind, finden sich 1722 kombiniert zu einer neuen Bildaussage auf Johann Melchior Füsslis Titelblatt von Simlers Regiment, das der spätere Zürcher Bürgermeister Johann Jacob Leu neu herausgibt und mit reichen Kommentaren ergänzt. Die ersten deutschen und lateinischen Fassungen von Simlers Werk sind zumeist nicht von Bildern geschmückt gewesen, wohl aber 1577 die erwähnte französische Übersetzung La Republique des Suisses (Abb. 2). Bei deren Frontispiz handelt es sich um

392 Büssing, Herolds-Kunst, 1694, S. P2 (Vor-Rede des zweyten Theils), X2. 393 Jéquier/De Rham, Mode, 1984, S. 99. 394 Christ, Staatskalender, 1979, der die Frauengestalt aber nicht als Helvetia, sondern als Libertas ansieht (S. 7); abgebildet auch bei Kr eis, Helvetia, 1991, S. 84 f., Abb. 23 f.

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Abb. 14: Caspar Büssing, Einleitung zu der Herolds-Kunst, Hamburg 1694, S. P2.

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Abb. 15: Johann Georg Seiller, Eydgenössischer Staats-Calender, 1718.

eine modifizierte Version von Stampfers Bundestaler aus dem Jahr 1560, nämlich der Wappenkranz in zwei Reihen, außen die 13 Orte, innen die Zugewandten; anstelle des Kreuzes im Zentrum wird der Bundesgedanke durch einen Handschlag zwischen den Wappen noch verstärkt.395 Für die erste deutsche Simler-Ausgabe mit einem Titelbild, die 1645 in Zürich erscheint, kombiniert Christoph Murers Schwiegersohn Conrad Meyer traditionelle Elemente wie den Wappenkranz und den Bundesschwur mit der erörterten Titelbordüre, die sein Lehrer Merian für die Topographia geschaffen hat (Abb. 9).396 Als Johann Melchior Füssli 1722 die Titelbordüre für Leus neue Simler-Edition sticht 395 Josias Simler, La Republique des Suisses, Genf: Antoine Chupin et François le Preux, 1577; der Avers des Bundestalers ist am Ende des Textes abgedruckt. 396 Josias Simler, Vom Regiment der Eidgnoschafft, Zürich: Johann Jacob Bodmer 1645; vgl. Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 287, Abb. 24.

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(Abb. 16), hat er ganz offensichtlich die Vorlagen vor Augen, die Merian und Meyer geschaffen haben. Daher sind die Änderungen auf den ersten Blick gar nicht so auffällig, obwohl sie charakteristisch sind für den beschriebenen Prozess in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts: Die Eidgenossenschaft wird nun nicht mehr nur als lockere Föderation, sondern als politische Einheit, als Staat verstanden. Die Abundantia/ Helvetia mit der Mauerkrone, die im weitgehend von Merian übernommenen unteren Bildteil dem Krieger gegenübersitzt, ist bisher nur mit Symbolen der Fruchtbarkeit geschmückt gewesen und wird nun politisch aufgewertet: Zu ihren Füßen liegt das Pfeilbündel mit dem Schriftband »Vis Unita« – auch dies ein Echo der Skiluros-Parabel. Ebenfalls neu ist der majestätische Löwe, der ebenso gehorsam wie wachsam neben dem Krieger liegt. Herkömmlich ist dagegen der Bundesschwur inmitten des Wappenkranzes; der Wappen- ist zugleich ein Oliven- und damit ein Friedenskranz. Über ihm hat nun Füssli neue Symbole platziert, welche die staatliche Souveränität ausdrücken. Ein Dreieck am oberen Bildrand symbolisiert die göttliche Gewalt, und von dieser Dreieinigkeit fallen die Strahlen auf einen breiten Freiheitshut, der den Wappenkranz bedeckt. Der Hut nimmt damit in der Republik den Platz ein, der in den Monarchien der Krone zukommt: Über ihm gibt es keine irdische Gewalt, nur Gott allein. Gehalten wird der Freiheitshut von zwei Putti, von denen der linke zudem den Regentenstab trägt, der rechte einen Palmwedel. Zusammengenommen sind dies die Symbole gerechter Herrschaft: Die Autorität des Regenten bestraft den Fehlhaften, die Palme winkt dem Tugendhaften als Lohn.397 Neben den Putti, außen auf den seitlichen Pfeilern, stehen zwei Urnen mit einer Flamme. Auch hiermit wird die Souveränität zum Ausdruck gebracht: Wie das Feuer seinen Träger verzehrt, selbst aber nicht ausgeht, sondern weitergereicht wird, so besteht auch die Souveränität unbeeinträchtigt fort, wenn ihr vorübergehender Inhaber zu Asche geworden ist und in der Urne versinkt – die Souveränität verhält sich zum Regenten wie der Geist zur Materie.398 397 Ripa, Iconologia, 1603, S. 471. 398 Vgl. auch Henk el/Schöne, Emblemata, 1996, Sp. 1380, ursprünglich von Diego de Saavedra Fajar do, Idea de un principe politico christiano, München 1640 bzw. Amsterdam 1669, Nr. 19: »VICISSIM TRADITUR «. Eine brennende Fackel wird von einer Hand in die andere weitergereicht: »Que otra cosa es el Ceptro Real, sino una antorcha encendida, que passa de un Successor a otro. … Tenga entendido, que aun esa purpura no es suya, sino de la Republica, que se la presta, paraque represente ser cabeza della, …«.

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Abb. 16: Johann Melchior Füssli, Titelbordüre für Josias Simler, Von dem Regiment der Lobl. Eydgenoßschafft, hg. von Johann Jacob Leu, Zürich 1722.

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285 Abb. 17: Benedikt Carpzov, Processus juris in foro saxonico, Jena 1667.

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Noch eindeutiger – und heikler – zeigt das Titelkupfer für Leus Eydgenößisches Stadt- und Landrecht von 1727 die Idee einer gesamtschweizerischen Souveränität, die aus den kantonalen gleichsam zusammengesetzt ist, aber auch über sie wacht.399 Ein Triumphbogen überwölbt den Steinthron, auf dem eine einzige Justitia sitzt. Der mächtige Aufbau, der ihre Rückenlehne bildet, wird von den dreizehn Standeswappen geschmückt, und in der Mitte darüber halten zwei Putti einen gefiederten Freiheitshut – auch hier unmittelbar unter dem Symbol der Trinität. Der Durchblick rechts neben Justitia erlaubt die Sicht auf das Zürcher Rathaus, die umfassendste und gelungenste symbolische Umsetzung republikanischer, kantonaler Souveränität.400 Die Problematik, aber auch Leus bezeichnender Anspruch liegen nun gerade darin, dass diese einzelörtische Souveränität mit einer gesamtsstaatlichen verbunden wird: Es gibt ja gar kein Eydgenößisches Stadt- und Landrecht, das etwa von der Tagsatzung erlassen und für die Kantone verbindlich wäre. Leus Werk liefert denn auch nichts anderes als eine Sammlung dieser einzelnen Privatrechtsverordnungen. Doch bereits die – nicht unkomplizierte – Zusammenstellung all dieser Rechtstexte, der Titel von Leus Buch und erst recht das Frontispiz bringen zum Ausdruck, dass es sich dabei um Teile eines umfassenden, eidgenössischen Rechtsund Staatsgedankens handeln soll, der – von reichs- und römischrechtlichen Banden grundsätzlich frei – im Einklang mit dem ius divinum et naturale steht und die jeweilige kantonale Souveränität unter einer übergeordneten, nämlich der gesamtschweizerischen, Souveränität zusammenfasst. Die Aussage und die Besonderheit von Füsslis Frontispiz zur SimlerAusgabe wird erhellt durch einen Vergleich mit dem Titelblatt von Benedict Carpzovs Processus Iuris in foro imprimis Saxonico usitatus (Abb. 17), den der Leipziger Professor und Begründer der deutschen Strafrechtswissenschaft 1667 – mit kaiserlichem Privileg – dem sächsischen Kurfürsten vorlegt.401 Wie bereits erwähnt, ist für Carpzov der Kaiser immer noch die Quelle des Rechts.402 Dabei ist der Arumaeus-Schüler durchaus ein Autor, der gegen die römischrechtliche Tradition und die Translationstheorie argumentiert: Für Carpzov liegt die reale Majestät beim Staats-

399 Leu, Stadt- und Land-Recht, 1727; dazu Soliva, Beispiel, 1967; ders., Landrecht, 1969; Vogt, Leu, 1976, S. 183–201. 400 Dazu unten, S. 383–400. 401 Zu Carpzov Hok e, Souveränitätslehre, 1997. 402 Vgl. oben, S. 139.

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körper und nur die personale beim Kaiser, dessen Kompetenzen durch eine monarchisch geprägte Mischverfassung und konkret durch die Wahlkapitulation beschränkt werden.403 Der Staatskörper als eigentlicher Souverän ist damit das Reich, und auf dem Frontispiz wird dies symbolisiert durch den Doppeladler, der – wie es bei prokaiserlichen Allegorien üblich ist – zu Gottes Sonne im Himmel unmittelbar ist.404 Auf das Reich zu beziehen sind auch die flankierenden Symbole: rechts ein Bienenkorb mit dem Schriftzug »Inexpugnabilis«, links eine Lampe, unter der »Inextinguibilis« steht – womit sie ebenso wie Füsslis Urnen das Prinzip der Souveränität ausdrückt. Wie die flankierenden Allegorien Veritas und Justitia sowie die Kartusche mit Salomons Urteil zeigen, wird der (sächsische) Territorialfürst in erster Linie als Richter aufgefasst, der aber als »judex immediatus« amtet: Sein Portrait ist in der Brust des Reichsadlers eingefügt – erst in diesem und durch diesen erhält er die höchste Richtgewalt in seinem Land. Simler selbst hätte seinerzeit für die eidgenössischen Orte nichts anderes beansprucht als Carpzov für den Sachsen: durch kaiserliche Privilegierung legitimierte Herrschaft in der Form von Rechtsprechung. Ein anderes Staatsverständnis drückt jedoch Füssli aus, und auch Leus Kommentare widerspiegeln den Prozess, der in den anderthalb Jahrhunderten seit dem Erscheinen von Simlers Regiment abgelaufen ist. Das zeigt sich schon im Untertitel des 1722 bei David Gessner neu aufgelegten Buchs, in dem Leu von »der Beschaffenheit des Regiments wie der Eydgenössischen Republic insgemein« spricht – also im Deutschen das Wort »Republic« verwendet, das Simler noch nicht gekannt hat. Das bedeutet jedoch nicht, dass Leu selbst sich solcher Unterschiede bewusst ist: Im Vorwort hält er fest, dass Simler weiterhin die grundlegende Quelle zur »Constitution und Bewandnus diser Eydgenössischen Republic« sei. Der zukünftige Bürgermeister will bloß im ersten, historischen Teil das Fehlende nachtragen, nämlich die Zeit nach 1516 (S. 237–285) sowie die Geschichte vom Ursprung der Helvetier (S. 11–27) bis Rudolf I. Die »alten Helvetieren« seien frei gewesen wie die gegenwärtigen Schweizer, mit einem ähnlichen Regiment aus »vil freyen Republiquen« und damit der »Monarchischen Form« des Imperiums fern.405 Leu modernisiert den Text aus dem 16. Jahrhundert gelegentlich leicht, ohne aber inhaltlich einzugreifen. Umso auf403 Hok e, Souveränitätslehre, 1997, S. 323–327. 404 Weitere Beispiele bei Müller, Reich, 1997, S. 418 f., Abb. 5, 6, 7; vgl. aber auf Abb. 3 f. die kaiserkritischen Frontispizien von Pufendorf und Chemnitz. 405 Simler, Regiment, 1722, S. 14 f., 20–27.

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fälliger ist die Nuance beim Schwabenkrieg. Simler hat geschrieben, es seien »die vonn Basel still gesessen«; in Leus Ausgabe heißt es dagegen, es »haben sich die Basler neutral aufgeführt«.406 Die Sprache des neuen Staats- und Völkerrechts schlägt sich hier ebenso nieder wie die gewandelte Selbsteinschätzung. Noch viel mehr verraten sich diese in den umfangreichen Anmerkungen, Exkursen und Ergänzungen, die Leu, häufig auch mit Originaldokumenten, in Fußnoten selbst beiträgt, nachdem er den entsprechenden Stoff wegen der um Arcana besorgten Informationspolitik der verbündeten Stände zum Teil nur mühsam über Freunde erlangt hat.407 Bereits die Titel der neuen Unterkapitel über die »Stadt und Republic Genf« und die »Souverainität Neuburg« zeigen, dass die neue Terminologie eingedrungen ist.408 Ähnlich kommentiert Leu gleich zu Beginn »Lobliche Eidgenoßschaft« als traditionelle Bezeichnung, die in einem gewissen Spannungsverhältnis zur »Republic« steht: »Dises ist der eigentliche Titul und Name diser Republic, … dessen sich die Republic in ihren Ausschreiben, Edicten, Missiven etc. annoch gebraucht … und wormit auch deroselben Beschaffenheit und Zustand zugleich am deutlichsten außgetrucket wird, als solche Republic ein Corpus ausmachet, dessen jedes Glid des … geschwohrnen Eyds genoß und hierzu verbunden ist.«409 Nur noch eine bloße Schulfrage ist für Leu das Problem, das Simler geplagt hat, ob nämlich »die Eydgenoßschaft eine Republic, Staat, Civitas zunennen oder nicht«, inwiefern also ihre »Regierungs- und Verbindungs-Form« den »Politicorum Definitionen eines Staates concilirt werden könne«. Wenn man einen Staat dadurch definiere, dass »alles nur ein Regiment und RegierungsForm seye«, dann müsse man wie Simler zugestehen, dass nicht das »systema foederatorum« der Eidgenossenschaft, sondern jeder Ort für sich »ein solche Republic und Staat« darstelle – ähnlich wie in den Niederlanden. Für die »politischen Geschäfte« sei jedoch nicht die Verfassungsform entscheidend, sondern »ob der Eydgenößische Staat befreyet und souverain seye«. Und diesbezüglich ist Leu überzeugt: »Genug ist es inmittelst, daß die Lobliche Eydgenoßschaft unter die Republiquen und freye Staten gezehlet werden kan, welche keinem höheren Gewalt mit Respect und Unterthänigkeit verwandt, sonder in

406 Simler, Regiment, 1577, S. 101 f.; weitgehend identisch ders., Regiment, 1645, S. 203; ders., Regiment, 1722, S. 195; vgl. zur Neutralität auch S. 245, 265, 267. 407 Dazu Vogt, Leu, 1976, S. 175–182. 408 Simler, Regiment, 1722, S. 642–662. 409 Simler, Regiment, 1722, S. 1, Anm. a).

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völliger Freyheit stehen.«410 Damit belegt der Zürcher Jurist, dass in den vorangegangenen 150 Jahren die politische Praxis dahin geführt hat, dass – unbesehen der verfassungstheoretischen Diskussion – das Kriterium der völkerrechtlich, also von außen anerkannten Souveränität zum Nadelöhr der Staatlichkeit geworden ist. In Bodinscher Logik wird »das Alterthum ihrer Souverainität nicht auf den Westphalischen Friden, sondern auf einen von 2. und 3. Seculis haro continuirend gehabten Possess« zurückgeführt. Der letztlich ahistorische, reine »Possess« ist nun entscheidend, nicht mehr das Herkommen, die alten Freiheiten und deren legitime Verteidigung, die Simler in einer ausführlichen Geschichtslektion dargelegt hat. Weitere Elemente dieser Argumentation mit dem faktischen staats- und völkerrechtlichen Status sind das bereits im 1. Jahrhundert angenommene Christentum, der reiche Besitz an Macht und Ländern, die Freundschaft auswärtiger Staaten, die Freiheit im höchsten Grad und »der Gewalt gantz unumschränckt«, nämlich die Regierung über die Gemeinen Herrschaften, sowie der päpstliche Titel »Beschirmer der Kirchen-Freyheit«. Besonders wichtig ist, dass Schweizer Diplomaten »an denen außeren Höfen gleich anderen souverainen Gesandschaften tractiret« werden und »einer Republic angemessene Titul« erhalten. So werde man überall und namentlich am »Kayserlichen und höchsten Hof der Christenheit Ao. 1650 denen Venetianischen und Ao. 1700 anderen souverainen Ständen in Curialien gleich gehalten« und werde umgekehrt mit »Legatis primi Ordinis, Bottschafteren und Ambassadoren (welches nicht allen dißmahligen Republiquen widerfahret) beehrt«.411 Die Zufriedenheit mit dem Erreichten geht auch aus einer charakteristischen Fußnote hervor, die Leu dort einfügt, wo Simler ausführlich den Sittenverfall beklagt und das Vorbild der Alten angerufen hat.412 In den seither erlebten »fridlichen Zeitläuffen« hätten sich in manchen Schweizer Städten »Handelschaften, Fabriquen und Manufacturen« entwickelt und vielen, die zuvor Kriegsdienste leisten mussten, ein Auskommen im »Commercio« ermöglicht.413 Simler hat in seiner Moralkritik dem raschverdienten, verwerflichen Söldnergeld die ehrliche, mühsame Arbeit entgegengestellt. Sie hat es für Leu ermöglicht, dass die friedfertige Händlerrepublik nach einem bedroh-

410 411 412 413

Simler, Regiment, 1722, S. 5, Anm. g); vgl. auch S. 407, Anm. a). Simler, Regiment, 1722, S. 3, Anm. b); S. 436, Anm. s). Vgl. Simler, Regiment, 1577, S. 170 r/v, 182. Simler, Regiment, 1722, S. 428, Anm. k).

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lichen Jahrhundert mit Hungersnöten und Kriegen in der Nachbarschaft wieder herstellt, was die martialischen, frommen und enthaltsamen Altvorderen einst errichtet hatten.

11. Fazit Als 1777, zum ersten Mal seit 1663, wieder die gesamte Eidgenossenschaft ein Bündnis mit Frankreich beschwört, geschieht dies – wie einst von Waser empfohlen – nicht in Paris, sondern in Solothurn. Der Resident, der Marquis de Vergennes, ist nur »ministre plénipotentiaire« und muss deshalb noch kurz vor der Zeremonie zum Ambassadoren befördert werden, weil sich die eidgenössischen Delegierten auch als solche verstehen und beanspruchen, »de constituer et représenter le corps souverain de la nation«. Allerdings verweigert der französische Außenminister und Bruder des Botschafters, Charles Gravier, der Comte de Vergennes, den Eidgenossen dieselben Ehrenbezeugungen wie den niederländischen Ambassadoren, die den Generalstaaten unterstellt sind »qui constituent et représentent le souverain lui-même«. In der Schweiz gebe es dagegen keine »souveraineté collective, asservie à un régime commun«, es fehlt die Zentralgewalt: »Chaque canton exerce une souveraineté absolue et individuelle«.414 Das Beispiel zeigt, dass es die Eidgenossenschaft auch am Ende des Ancien Régime und trotz Vattels Zuversicht schwer hat, von Frankreich als vollwertiger Souverän behandelt zu werden. Zum einen beanspruchen die Kantone mit guten Gründen diese Rolle für sich, und doch können sie nicht allein auf dem diplomatischen Parkett auftreten; zum anderen kann die Tagsatzung eines Staatenbunds nicht die vielen Funktionen erfüllen, welche die in einem gottbegnadeten dynastischen Monarchen personifizierte Souveränität erst ausmachen, seien sie symbolisch wie die Salbung oder Skrofelheilung, seien sie real wie die Verteilung von Ämtern und Ehren oder die oberste Heeresführung. An einer solchen Zentralgewalt hat kein eidgenössischer Stand ein Interesse: »Frühmoderne Staatlichkeit« entfaltet sich in der Schweiz nicht auf Bundesebene. Am stärksten entwickelt ist (und bleibt) der föderalistische, staatenbündlerische Reflex offensichtlich unter den Waldstätten, und dort wiederum in Schwyz, das wohl kaum zufällig

414 Zitiert bei Gern, Aspects, 1970, S. 109; Livet, Suisse, 1983, S. cxxix.

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11. Fazit

den ersten Schweizer Theoretiker der – letztlich eben kantonalen – Souveränität stellt. Die Innerschweizer sind in doppelter Hinsicht von einem Schweizer Staat bedroht: als Landorte und als Katholiken. Die unmittelbare Urner Zurückweisung der Bundesreform, die Schwyzer Verwahrung gegen ein eidgenössisches Schiedsgericht im Streit um die Arther Nikodemiten, der Schwyzer Austritt aus dem Badener Defensionale, dem die übrigen katholischen Landorte folgen: Stets handelt es sich um konsequente Handlungen mit dem richtigen Gespür dafür, dass eine eidgenössischen Souveränität droht, die über Gesetzgebung, Rechtsprechung und militärisches Aufgebot die kantonale Selbständigkeit unterwandern könnte. Entsprechende Kompetenzen der Generalstaaten und des Statthalters erklären auch, weshalb sich in den Niederlanden Organe, die nicht direkt von den Provinzen abhängig sind, institutionalisieren und so doch einen Staat bilden, mit einer ihm verpflichteten Funktionselite (Diplomaten und Offizieren) und – wenigstens in den Augen Vergennes – mit einer »souveraineté collective«. Die Mühen, die Ausländer wie Schweizer lange bei der Anwendung solcher Wörter auf die Eidgenossenschaft bekunden, hat ihre Ursache darin, dass sich diese gleichsam als mittelalterliches Relikt nur in der Logik des feudalen Reichs erfassen lässt, als horizontaler Zusammenschluss von immediaten, autonomen Ständen. Das universale Imperium ist nicht nur die Quelle der kantonalen Rechtsprechung und damit Staatlichkeit, sondern auch der einzige Überbau, in dem sich das im Mittelalter verbreitete, aber danach – bis auf eine Ausnahme – verschwundene Phänomen Eidgenossenschaft sinnvoll verstehen lässt: als selbständige regionale Wahrerin des Landfriedens im Rahmen einer umfassend gedachten, letztlich gottgegebenen Rechtsordnung. Mit diesem Selbstverständnis können die Schweizer denn auch lange sehr gut leben, und es gibt für sie keinen Grund, davon abzuweichen, bis ihnen die auf der Souveränität beruhende moderne Völkerrechtsordnung praktisch aufgezwungen wird. In deren Logik ist Herrschaft nicht mehr abgestuft, relativ, je nach ihrer Stellung in einer feudalen Hierarchie; sondern sie ist entweder absolut, beim Souverän, oder delegiert, beim Amtsträger. Das bisherige »sowohl … als auch«, Reichszugehörigkeit und eigenständige Territorialherrschaft, ist um die Mitte des 17. Jahrhunderts nur um den Preis zu haben, dass man das Reichskammergericht und damit auch einen habsburgischen Kaiser als Obergewalt anerkennt, und wird deshalb für die Schweizer zu einem »entweder … oder«: Untertänigkeit oder Souveränität. Indem sie unter französischer Ägide den zweiten Weg wählen, laden sie sich die Hypothek auf, in einer monarchisch dominierten Staatenwelt als Republik 291

III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

zu bestehen, und erst in dieser Situation entwickelt sich allmählich ein republikanisches Selbstverständnis, das die eigene Verfassung reflektiert und Konsequenzen daraus zieht. Das zeigt sich beim erwähnten Bundesschwur von 1777, nachdem Botschafter Vergennes vor dem Gang in die Solothurner Kathedrale den eidgenössischen Notabeln eigenmächtig eine Goldkette um den Hals gelegt hat, die nur der Zürcher Heinrich Escher unter Berufung auf ein 1713 erlassenes Gesetz verweigert. Im Gefolge der Zeremonie überreichen jedoch die anderen Gesandten, die ihre Ketten selbst als Gängelband interpretiert haben, dem Residenten ein Memorial mit dem Titel Articles concernant l’étiquette et le cérémonial pour servir de baze aux changements désirés à l’égard de l’étiquette par les Cantons. Darin verwahren sie sich gegen alle Titel, die im Umgang der übrigen »Etats et Républiques souveraines en Europe« ungebräuchlich sind. Ausdrücklich wünscht man sich fortan anstelle der Anrede Kantone eine solche als »Républiques«, da es sich um »Etats souverains« handle – und wie es auch im Vertrag steht.415 Dieser Bewusstseinswandel in den Schweizer Orten, der in den folgenden Kapiteln genauer untersucht wird, zeigt sich am deutlichsten beim Vergleich mit den Tagsatzungen zu Beginn des 17. Jahrhunderts, als einige Orte um Zürich und St. Gallen auf eine kaiserliche Privilegienbestätigung gedrängt haben, während wohl die Mehrheit das Problem auf sich beruhen lassen wollte, Bern jedoch mit dem neuartigen Argument aufwartete, man habe die »Herrlichkeit« von selbst. So selbstverständlich diese Sichtweise aus heutiger Sicht erscheint, so schwierig ist diese Umstellung für die Eidgenossen, da sie den Verzicht auf teuer erworbene und lange als unabdingbar empfundene Freiheiten mit sich bringt. Selbst die Exemtion von 1648 kann noch als ein solches Privileg verstanden werden – und nun sollen Herrschaft und Freiheit statt mit diesen schützenden Rechtstiteln plötzlich auf einer so fragwürdigen Basis legitimiert werden, wie es der faktische Erwerb und die Behauptung der Unabhängigkeit gerade für Bauern sein muss, deren Bundesgründung lange genug als naturwidrige Rebellion gegen die ständische Ordnung geschmäht worden ist. Erst die Exemtion ist der Auslöser dafür, dass zumindest einige Schweizer wie Wettstein die moderne Lehre der Souveränität generell und auch für die gesamteidgenössische Ebene zu übernehmen beginnen. Allerdings impliziert die reichsrechtliche Form der Exemtion ge415 Livet, Suisse, 1983, S. cxxxviii; die Präambel des Vertrags bei Gern, Aspects, 1970, S. 140; zu den zeremoniellen Disputen mit Frankreich im Jahr 1777 auch Gilomen, Titulatur, 1920, S. 331–333.

292

11. Fazit

rade nicht die Souveränität, und aus eben diesem Grund wird sie von den Kaiserlichen herangezogen. Weil die Exemtion in der Staatenwelt entsprechend wenig Aussagekraft besitzt, wird sie von Schweizer Seite umgedeutet zu einer reichsrechtlichen Anerkennung der völkerrechtlich angeblich bereits bestehenden Souveränität. Diese Sichtweise ist bereits in Wettsteins Recharge angelegt, der im Februar 1647 erstmals mit aller Konsequenz die Idee einer Privilegienbestätigung zurückweist und verlangt, die Eidgenossenschaft »bey ihrem freyen, souverainen Stand und Herkommen fürbaß ruhig und ohnturbirt zu lassen«. Für die staatsrechtlichen Reflexionen seit Büelers Zeiten wird es geradezu zum Topos, die Interpretation zu wiederholen, die Wettstein schon 1649 von seiner Mission gegeben hat: Basel habe »nicht um etwas Neues sich beworben, sondern nur Bewahrung ihres alten Rechtes gesucht«.416 Die Exemtion, dieses schon lange besessene Recht, wird mit der Souveränität identifiziert, und die reichsrechtliche Gewährung der Exemtion damit zur völkerrechtlichen Anerkennung der Unabhängigkeit umgedeutet. Der Ursprung der Souveränität wird dann allerdings nicht mehr rechtlich begründet, sondern historisch in einer Trennung vom Reich während des 14. Jahrhunderts, in der Logik der Souveränität als einmaliger (Waffen-)Akt und nicht im Sinn einer praescriptio als allmählicher Prozess. Morgarten oder Sempach oder der Bundesschwur stehen damit am Anfang der Schweizer Staatlichkeit: »Seithero … ist diese Völckerschafft zu einer Republic worden.«417 Diesem neuen Selbstverständnis entsprechend, werden die Wörter des neuen, französischen Staats- und Staatenrechts übernommen, und zwar allem Anschein nach früher als im übrigen deutschen Sprachraum: Neutralität und (absolute) Souveränität, Staatsraison und Interesse, Republik und zuletzt das Wort Staat selbst. Erst jetzt wird auch eine Staatslehre oder das öffentliche Recht als Desiderat empfunden, nachdem bislang die Selbstdefinition nicht rechts- oder politiktheoretisch erfolgt ist, sondern moralisch-historiographisch, als Geschichte der durch alte Tugend bewahrten und durch neue Laster gefährdeten bündischen Freiheit. Da aber auf Bundesebene ein entsprechender Gegenstand letztlich weiterhin fehlt, kann sich ein »Jus publicum helveticum« nur sehr zögerlich ausbilden, und es bleibt unvollkommen, mehr Historie als Recht. Im Reich kann man lange Zeit wenigstens darüber streiten, bei wem die majestas liegt; diese Frage stellt sich in der Schweiz nicht. Auch eine Unterscheidung von majestas realis und perso416 EA 5, 2, S. 10 (Juli 1649). 417 Schweitzerisches Kriegs-Recht, 1704, S. 193.

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III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

nalis macht keinen Sinn, da kein noch so beschränkter personaler Träger von Schweizer Souveränitätsrechten auszumachen ist; aus demselben Grund, und insofern anders als in den Niederlanden, macht die Lehre vom status mixtus, überhaupt die ganze Mischverfassungstradition – trotz Simlers versuchtem, aber folgenlosen Rekurs darauf418 – kaum einen Sinn: Die Tagsatzung ist je nach Definition eine Aristokratie (der vornehmsten Standesvertreter) oder eine Demokratie (mit Mehrheitsbeschlüssen unter Gleichen), doch sie hat keine monarchische Institution neben sich. Allenfalls sinnvoll wäre eine Analyse, welche die zwei Aspekte der Souveränität trennt, wie sie frühe Reichspublizisten unterschieden haben: Kirchner mit dem »status internus« und »status externus« oder Arumaeus mit der »magnitudo interna« und »externa«, also die innenpolitische, staatsrechtliche Rechtsordnung und die außenpolitische, völkerrechtliche Machtstellung.419 Doch ein solcher Versuch würde auf das Problem stoßen, dass die Orte im ius foederis außenpolitische Souveränität nicht nur beanspruchen, sondern exzessiv praktizieren. Das ändert nichts daran, dass die langfristig wichtige Loslösung vom Reich ein völkerrechtlicher Vorgang ist, der den Ständen für sich allein kaum möglich wäre. Das Corpus Helveticum ist in Westfalen Gegenstand der Verhandlungen, es ist der Referenzpunkt im europäischen Zeremoniell, und es findet als Ganzes in den Friedensverträgen zwischen 1648 und 1712 allmählich Aufnahme in der europäischen Staatenwelt. Damit kommt für die Schweiz wie für das Abendland ein Prozess zum Abschluss, den Franzosen wie Sully schon um 1600 vorweggenommen haben: Das Reich als Ordnungskategorie wird von einem Europa der Völkerrechtssubjekte abgelöst.420 Auf dieser Bühne hat Helvetia ihre ersten Auftritte, in ihr macht eine keusche, defensive, neutrale Landes- und Staatspersonifikation überhaupt erst Sinn; dagegen spielt sie als Hüterin des Rechts und Stifterin der Gesetze neben Berna, Tigurina, Lucerna oder Basilea keine Rolle. Insofern trägt sie gegen außen dank einem völkerrechtlichen Korsett ein schönes Kleid zur Schau, das einen mageren Körper mit knapper staatsrechtlicher Unterwäsche umhüllt. Für diese äußere Hülle lässt sie sich direkt oder indirekt vor allem durch die Niederlande inspirieren, die ähnliche ikonographische Probleme schon früher gelöst haben, dank einem stärkeren Legitimationsdruck und einem viel größeren künstlerischen Potenzial. Es geht darum, ein neues Phänomen, die 418 Vgl. oben, S. 64. 419 Roeck, Reichssystem, 1984, S. 7. 420 Für diesen Übergang auch Steiger, Westfälischer Friede, 1998, S. 73–76.

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11. Fazit

Abb. 18: Mandat der 12 Orte für die Tessiner Gemeine Herrschaft, 1793.

souveräne Republik, in einer verständlichen Bildersprache zu vermitteln, womit der Rückgriff auf Bestehendes unvermeidlich wird. So entstehen die republikanischen Staatspersonifikationen in Venedig, in den Niederlanden, in der Eidgenossenschaft aus älteren Allegorien, aus Pax oder Justitia. Wo aber die Souveränität als Gottesunmittelbarkeit und Keuschheit wichtig wird, drängen sich Minerva oder Maria vor: Die Republik tritt so an die Stelle der Madonna, die gleichsam protestantisch säkularisiert wird, um den Staat zu sakralisieren. Weitere althergebrachte Attribute illustrieren ihren einheitlichen und föderativen Charakter, namentlich das Ruten-, Stab- oder Pfeilbündel und der Pileus oder Freiheitshut. Dessen breite Krempe schirmt nicht nur auf Füsslis Titelbild der Simler-Edition von 1722 den eidgenössischen Wappenkranz, sondern legt sich auch sonst behutsam über die Kantone. Auf Mandaten für die ennetbirgischen Vogteien im Tessin überragen den Text Standesschilde der – ohne Appenzell – zwölf herrschenden Orte in einer Reihe, von denen neun eine – nicht ganz einheitlich gestaltete – Krone mit Zacken über sich haben, die drei Urkantone dagegen einen reinen Reif. Von 1793 datiert dagegen ein Mandat, auf dem die zwölf einzelnen Wappen noch einmal zu einem großen Schild zusammengefasst sind, das von einer Krone überwölbt wird; aus ihr steigt ein Stab empor, auf dem der Freiheitshut ruht (Abb. 18). Es 295

III. Die Eidgenossenschaft als Völkerrechtssubjekt

ist dies vielleicht die treffendste Darstellung der eidgenössischen Souveränität, die sich aus der gekrönten der Kantone zusammensetzt, die wie Fürsten über die – gemeinsamen – Untertanen im Tessin herrschen, aber zugleich ihre Souveränität gegen außen durch das Zeichen – ein einziges Zeichen – der Freiheit symbolisieren.421

421 Lienhar d-Riva, Insignes, 1931.

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11. Fazit

IV. Zürich als Paradigma

Der Theatiner-Mönch Andrea Costa aus Piacenza kommt 1657 in die Eidgenossenschaft und nach Basel, wo er konvertiert. In Zürich wird er Prediger der italienischen Gemeinde und veröffentlicht ein paar Schriften, darunter 1658 eine Orazione politico-morale in lode della Religione e della Gratitudine, worin er gegen die Autoren der Staatsraison daran festhält, dass das Wohl des Staates von der Religion abhängt. Vorführen will dies Costa am Beispiel Roms, »l’Aquila delle Republiche«: »pietas« und »religio«, die »santissima, potentissima religione«, habe Rom zur Königin der Welt gemacht. Allein, der Aberglaube entweihte ihren Glauben, und Gott wandte sich von der »Romana Republica« ab. Viertausendfach »Beata Republica« ist hingegen Zürich, welche die wahre Religion beachtet, beschützt und ausbreitet. Sodann illustriert Costa sein Thema, die Verbindung von »religione e gratitudine«, am Beispiel Alexanders des Großen – ein herrlicher Held, »la vera Idea di Capitano invitto di Monarca impareggiabile«. Der Theatiner leitet also in allenfalls rhetorisch begründbarer Logik von der hochgepriesenen römischen Republik über den seligen Zürcher Hort des wahren Glaubens zum fabelhaften heidnischen Universalmonarchen über – und übergeht dabei völlig alle denkbaren, schmeichelhaften politischen Parallelen zwischen dem republikanischen Rom und seiner Asylstadt. Ganz im Gegenteil: Zürich ist für ihn »Augustissima Figlia di Rè, amato seggio de Monarchi più celebri, arricchita di segnalati privilegi, Privilegiata singolarmente dello Stendardo Imperiale« – also wohl die »corona imperiale«, von welcher der Venezianer Padavino ein halbes Jahrhundert zuvor fälschlicherweise behauptet, Zürich trage sie als einziger Kanton im Wappen.1 Der Piacentiner Costa, Sohn einer Stadt mit stolzer kommunaler Vergangenheit und vertraut mit dem Pathos der römischen Republik, sieht davon nichts in Zürich. Wenn er seinen Gastgebern schmeicheln will, dann erinnert er sie – im Jahre 1658, zehn Jahre nach dem westfälischen Frieden – an ihre kaiserlichen Privilegien und Insignien. 1 Costa, Orazione, 1658, S. 11 f.; Padavino, Relazione, 1874, S. 9; transkribiert ist »nel cimitero«, doch heißt es aller Wahrscheinlichkeit nach »nel cimiero« – im Helm- beziehungsweise Wappenschmuck.

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IV. Zürich als Paradigma

Reichsstadt geworden ist Zürich 1218. 1353 erlangt die Limmatstadt die Befreiung von fremden Gerichten, ab 1362 folgen einzelne Reichsrechte, 1400 wird sie von Zöllen und der Reichssteuer befreit. 1433 macht Sigismund die Stadt mit dem Blutbann zum obersten Lehensherr in ihrem Territorium.2 Zu Beginn der Reformationszeit bestätigt Karl V. 1521 Zürich den geschworenen Brief »unnd dartzu alle anndere Ire Recht, gnaden, privilegien, freyhaitn, gesatz, gericht, Ire phanndbrieve, hanndvessten, guot gewonnhaitn, unnd alt herkomen, so sÿ von unsern vorfaren aus heilge Römischen kaisern und kenigen oder annderen haben in gleicher weise.«3 Die Zürcher dürfen ihre Stadtbücher, mit den Satzungen, Ordnungen, Erkanntnissen und Urteilen nach Bedürfnis ändern, mindern oder mehren, das Blutgericht ausüben und den Reichsvogt wählen, Münzen prägen und gegen den Asylmissbrauch vorgehen, und ihre Prozesse dürfen nicht vor andere Gerichte gezogen werden. Im Inneren hat die von Rudolf Brun angeführte Zunftrevolte von 1336 mit dem ersten geschworenen Brief ein Zunftregiment errichtet: Die vormals herrschenden Notabeln und die Adligen werden der »Konstaffel« zugewiesen, während die Handwerker in zwölf Zünften Einsitz nehmen. Seit der fünften Erneuerung des geschworenen Briefes im Jahr 1498, der kaum verändert bis ins 18. Jahrhundert Bestand haben wird, haben die nicht handwerklichen Berufe freie Zunftwahl. Diese Möglichkeit benutzen vor allem im 17. und 18. Jahrhundert die führenden, wohlhabenden Kaufmannsfamilien, um über den Einsitz in verschiedenen Zünften die Gremien der Stadt unter ihre Kontrolle zu bringen. Bei diesen handelt es sich in erster Linie um den Großen Rat (die »Zweihundert«), der aus je zwölf Vertretern der Zünfte, 18 der Konstaffel und 50 Kleinräten zusammengesetzt ist, also insgesamt 212 Mitglieder zählt. Er versammelt sich etwa einmal in der Woche und verhandelt vor allem über Steuerbewilligungen, beim Kauf von Land und Leuten sowie bei Bürgerrechtserteilungen, wegen Bündnissen, Krieg und Frieden, in der Münzgesetzgebung und bei Wahlen von Kleinräten, Vögten und Gesandten. Der Kleine Rat trifft sich dagegen viermal in der Woche, führt die laufenden Geschäfte und wirkt als oberstes Gericht. Ihn bilden die zwei Bürgermeister, jeweils zwei, also insgesamt 24 Zunftmeister und vier Konstaffelherren sowie zwanzig

2 Zur spätmittelalterlichen Entwicklung zum »kommunalen Territorialstaat« Erwin Eugster und Christian Sieber in Geschichte Zürich, 1, 1995, S. 299–365 bzw. 471–498; auch P eyer, Verfassungsgeschichte, 1978, S. 14. 3 StAZ C I, Nr. 317 (16. Mai 1521); auch zitiert bei Kobelt, Bedeutung, 1970, S. 71; die übrigen Privilegien ebendort Nr. 315–320.

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1. Huldrych Zwinglis »Staatsverständnis«

vom Großen Rat gewählte Mitglieder (zwölf aus den Zünften, zwei aus der Konstaffel und sechs »von freier Wahl«). Aus dem Kleinen Rat bestimmt werden die vier Statthalter, die zwei Seckelmeister und der Obmann gemeiner Klöster, die zusammen mit den zwei Bürgermeistern die neun »Standeshäupter« beziehungsweise den Geheimen Rat als eigentliche Regierung bilden.4 Vor allem auf Betreiben der Handwerkerkreise wird das Bürgerrecht 1659 de jure geschlossen, wie dies seit 1565 wiederholt vorgekommen und seit 1640 de facto praktiziert worden ist; einzelne Neuaufnahmen »hochgelehrter und wohlbemittelter Personen« gibt es noch bis 1723. Ähnlich wie in vielen anderen Städten schließen sich die gleichzeitig zusehends aus dem Regiment ausgeschlossenen Bürgerfamilien gegen potenzielle Neubürger ab, welche ihre (wirtschaftlichen) Privilegien gefährden könnten. Die Einwohnerzahl Zürichs beträgt um 1637 etwa 8600 Menschen, die eigentliche Bürgerschaft etwa 7000. Berücksichtigt man nur die wahlberechtigten, männlichen, ortsansässigen und volljährigen Bürger, so kann festgehalten werden, dass im 17. und 18. Jahrhundert etwa jeder sechste bis achte Bürger im Regiment sitzt.5 Zu Beginn dieser Phase sind die Handwerker noch dominierend, doch geht ihr Einfluss wie derjenige der Konstaffel kontinuierlich zurück. Dank dem Verlagswesen ist eine neue Gruppe von – im Kaufmännischen Direktorium zusammengeschlossenen – unternehmerischen Rentnern und Kaufleuten zu großem Reichtum gelangt und dominiert nun, vielfach verschwägert, mit Offizieren und Staatsbeamten die Stadt und ihr Territorium, das 1671 112 000 Einwohner hat.6

1. Huldrych Zwinglis »Staatsverständnis« Der geschworene Brief von 1498 ist also der konstitutionelle Rahmen, in dem Ulrich Zwingli sein Reformationswerk umsetzt. Für die Forschung ist Zwingli gemeinhin ein »Republikaner«, der aufgrund seines 4 Zur Verfassung grundlegend Guyer, Verfassungszustände, 1943, S. 13–46; Gilomen in Geschichte Zürich, 1, 1995, S. 366–371, bzw. Weibel in Geschichte Zürich, 2, 1996, S. 16–29; Saxer, Verfassungsreform, 1938, S. 2–9; kurz Schott-Volm, Policey, 1996, S. 491–493; Braun, Ancien Régime, 1984, S. 212 f.; Zimmermann, Verfassung, 1983, S. 9–12; Huber, Staatsrecht, 1904. 5 Guyer, Verfassungszustände, S. 79 f. 6 Schnyder, Bevölkerungsentwicklung, 1929, S. 108; für den Aufstieg der Kaufleute P eyer, Handel, 1968, S. 55–122; Braun, Ancien Régime, 1984, S. 175–183.

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IV. Zürich als Paradigma

eidgenössischen Hintergrunds und seiner humanistischen Bildung die Monarchen »bemitleidet«, ja – mit Bucer – das »republikanische Ideal wie ein Dogma allen weiteren Überlegungen« voranstellt oder – neben Machiavelli – »der erste moderne literarische Verfechter des Republikanismus« heißen kann.7 Die Anteilnahme für das unterdrückte Volk und die Kritik an wirtschaftlicher Ausbeutung und Privilegien machen aus Zwingli angeblich gar einen »démocrate de tendance«.8 Tatsächlich sind seine Auseinandersetzung mit der Monarchie und sein Bekenntnis zur Aristokratie zumindest im Vorwort der Jesaja-Erklärung von 1529 von einer Radikalität, die nördlich der Alpen in seiner Zeit singulär dasteht. Die in diesem Gewand präsentierte reformierte Theologie macht einen großen Teil der Attraktion aus, die das »turning Swiss« bis zum Tod des Toggenburgers für die oberdeutschen Reichsstädte behält.9 Das liegt unter anderem daran, dass Zwingli, in expliziter und ausführlicher Abgrenzung von Luther, der die zwei Reiche streng scheidet, den guten Christen in der Kirche und den guten Bürger in der Stadt parallelisiert: »Christi Regnum etiam esse externum«.10 Gemeinsame Rechtsvorstellungen sind bei Zwingli Voraussetzung, ja konstitutiv für eine politische Gemeinschaft, und insofern sie mit Gottes Gebot zusammenfallen müssen, ist auch die Glaubenseinheit zwingend für die »Christiana civitas«.11 Damit ist für Zwingli die Obrigkeit in erster Linie ein Richter, ja Rächer, der sich am Gesetz der Natur ausrichten muss, wie es von Gott geschaffen ist. Die Obrigkeit ist kein »richter über gottes wort und gsatzt«: Sie soll ihre Richtschnur nicht selbst machen, sondern nur nach der gegebenen »schnuor Christi« zuschlagen.12 Würde sie aber ein »gsatzt fürschryben anders dann uß der heyligen, unbetruglichen gschrifft gottes«, so würde Zwingli »styff mit 7 Kr eutzer, Lehre, 1909, S. 41–47; Moeller, Reichsstadt, 1962, S. 49; für weitere Belege Kobelt, Bedeutung, 1970, S. 60, Anm. 2. 8 Pollet, Zwingli, 1988, S. 172. 9 Dazu Brady, Turning Swiss, 1985, v. a. S. 199–206. 10 Zwingli, Briefwechsel, 3, Z 9, 1925, S. 454, vgl. 460 f., 466 (4. Mai 1528, an Ambrosius Blarer); vgl. ders., Schlussreden, Z 2, 1908, S. 343; ders., Complanatio Jeremiae, Z 14, 1959, S. 424, dazu unten S. 313, Anm. 72; ders., Vera et falsa religio, Z 3, 1914, S. 868; dort auch S. 871 über die Rolle der Obrigkeit. Zum »Regnum externum« außerdem Lavater, Regnum, 1981. 11 Zwingli, Complanatio Isaiae, Z 14, 1959, S. 13. 12 Zwingli, Schlussreden, Z 2, 1908, S. 324–326, vgl. 330 f., 335, 342; ders., Briefwechsel, 3, Z 9, 1925, S. 463 (4. Mai 1528, an Ambrosius Blarer): »magistratus autem, qui iuri dicundo ex equo et bono incumbere debebat«; ders., Vera et falsa religio, Z 3, 1914, S. 885; ders., Fidei ratio, 1991, S. 814; vgl. auch Pollet, Zwingli, 1988, S. 164, 324.

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1. Huldrych Zwinglis »Staatsverständnis«

dem wort gottes wider sy predgen«.13 Die Gerechtigkeit im Staat und die sie garantierende Obrigkeit sind also die wichtigste Voraussetzung der Freiheit, die Gott den Ungerechten nicht lange schenken wird: »fryheit ist mit tugenden fry sin und mit aller erberkeit, nit da einer thuot was er will«.14 Auch die Freiheit von fremder Herrschaft ist ein Lohn Gottes, wie sie die alten Eidgenossen, die »vordren« gegen den willkürlichen, maßlosen und »uppigen adel« und die »muotwilligen fürsten« erkämpft haben.15 Christliche und politische Freiheit, »evangelica et publica libertas«, hängen somit eng zusammen, und in denjenigen Orten, die nicht – wie Zürich oder Bern – die Reformation übernommen haben, herrschen laut Zwingli denn auch in einem politischen Sinn Oligarchen (und nicht Aristokraten).16 Aus dieser Perspektive ergibt sich nicht nur der militärische Kampf um die Reformation der ganzen Eidgenossenschaft, sondern auch das Widerstandsrecht. Es entspringt nicht einem Herrschaftsvertrag zwischen Obrigkeit und Untertanen, sondern dem Bund zwischen dem erhabenen Schöpfer einerseits und der Schicksalsgemeinschaft Volk und Herrscher andererseits, die als ein einziger politischer Körper aufeinander angewiesen sind, um als Genossenschaft dem biblischen Gebot soweit wie möglich nachzuleben.17 Widerstand kann jeder Herrschaft geleistet werden, wenn sie gegen Gott gerichtet ist, also die Verkündigung und Lektüre seines Wortes verbietet. Tyrannis besteht im wesentlichen dort, wo die (christliche) Religion nicht als Richtschnur dient: »Tolle a magistratu religionem, tyrannis est, non magistratus«.18 In einem solchen Fall kann ihn das Volk oder ein Fürstengremium wieder absetzen, sofern »der künig oder herr von gemeiner hand erwelt« wird, wie es Zwingli begrüßt. Heikel ist die Absetzung des schlechten Herrschers dagegen in einer Erbmonarchie, wenn er der »schnuor Christi« nicht folgt, da man »nit mit todschlegen, kriegen und uffrü-

13 Zwingli, Akten zweite Disputation, Z 2, 1908, S. 775. 14 ZBZ MS Car I 185a, S. 271v, zitiert bei Kobelt, Bedeutung, 1970, S. 74. 15 Zwingli, Vermahnung Schwyzer, Z 1, 1905, S. 171; ders., Vermahnung Eidgenossen, Z 3, 1914, S. 104, 106; ders., Aufruhr, Z 3, 1914, S. 399; Aufzeichnung einer Predigt vom 5. März 1525: »darumb syend sy ouch unüberwunden bliben von allen Fürsten und Herren«, zitiert bei Kobelt, Bedeutung, 1970, S. 10; dort S. 65–79 grundlegend zu Zwinglis politischen Freiheitsvorstellungen. 16 Zwingli, Briefwechsel, 3, Z 9, 210 (an Konrad Sam, 1. September 1527). 17 Zwingli, Schlussreden, Z 2, 1908, S. 344 f.; vgl. Pollet, Zwingli, 1988, S. 174, 176; Kobelt, Bedeutung, 1970, S. 20–22, 27 f., 62–64; weniger ergiebig Rogge, Staatstheorie, 1985. 18 Zwingli, Briefwechsel, 3, Z 9, 1925, S. 458 (4. Mai 1528, an Ambrosius Blarer).

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IV. Zürich als Paradigma

ren« vorgehen soll. Ein Dynast ist deshalb als Tyrann zu erdulden, solange ihn nicht das Volk oder doch der größere Teil einhellig abruft.19 Damit wird Herrschaft illegitim, ja nichtig, wenn das Volk vom Fürsten abfällt, weil »eins yeden herren oder gwaltigen macht an sinem volck ligt«.20 Diese Bindung der Herrschaft an das Volk ist jedoch nicht institutionalisiert oder einklagbar, sondern grundsätzlich dem göttlichen Urteil unterworfen. In Von göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit betont Zwingli in Abgrenzung von den Täufern, dass »das evangelium Christi nit wider die obergkeit ist«.21 Es geht also nicht an, das Widerstandsrecht extensiv zu interpretieren und dabei das Volk mit seinen irdischen Leiden und Bedürfnissen als entscheidende Instanz zu betrachten. Im Grunde genommen bleibt das Widerstandsrecht also auf die Situation beschränkt, dass die Geistlichen (»propheten«) feststellen, dass ein Herrscher die freie Predigt und die Beschäftigung mit Gottes Wort verunmöglicht.22 In vielen Schriften Zwinglis verrät sich ein prinzipieller, empirisch begründeter Vorbehalt gegen den Adelsstand.23 Dazu kommt die erasmisch-pazifistische Kritik an der Kriegspolitik von Fürsten, Königen und Kaisern, die Unsummen in ihren (italienischen) Kriegen ausgegeben haben und dafür das arme Volk aufkommen lassen.24 Besonders streng urteilt der Toggenburger über die Erbmonarchie, da in ihr ein Kind oder ein Narr zur Herrschaft gelangen und nur schwer abgesetzt werden kann.25 Grundsätzlich ausgeführt werden diese partiellen Kritikpunkte in der Widmung der Jesaja-Exegese, die Zwingli 1529 den Städten des Christlichen Burgrechts zueignet, neben Zürich Bern, Konstanz, Basel, St. Gallen, Mülhausen und Biel. Darin erörtert Zwingli ausdrücklich die Verfassungsfrage, wobei er der »Monarchia imaginaria« den Vorrang zuerkennt – imaginär insofern, als sie nie verwirklicht

19 Zwingli, Schlussreden, Z 2, 1908, S. 343–346 (Art. 41); vgl. ders., Vera et falsa religio, Z 3, 1914, S. 873, 880, 886; auch ders., Fidei expositio, Z 6/5, 1991, S. 113 f.; ders., Briefwechsel, 3, Z 9, 1925, S. 466 (4. Mai 1528, an Ambrosius Blarer): »omnes intelligo evidenter maiorem et saniorem partem«. 20 Zwingli, Aufruhr, Z 3, 1914, S. 446. 21 Zwingli, Gerechtigkeit, Z 2, 1908, S. 473. 22 Zwingli, Vera et falsa religio, Z 3, 1914, S. 882; ders., Hirt, Z 3, 1914, S. 36. Zur Innovation und Rezeption von Zwinglis Widerstandsdenken auch Schulze, Zwingli, 1985, v. a. S. 201 f., im Vergleich mit Luther Hodler, Widerstandsrechte, 1983; ferner Pollet, Zwingli, 1988, S. 176. 23 Etwa Zwingli, Schlussreden, Z 2, 1908, S. 336. 24 Zwingli, Schlussreden, Z 2, 1908, S. 340 f.; ders., Aufruhr, Z 3, 1914, S. 423. 25 Zwingli, Schlussreden, Z 2, 1908, S. 345.

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1. Huldrych Zwinglis »Staatsverständnis«

worden sei oder höchstens ganz kurz. Daher müsse die Frage lauten, welche Verfassung am wenigsten unzulänglich, nämlich »religiosior, aequior ac diuturnior« als die anderen gewesen sei. Einzelherrscher oder spätestens ihre Nachfolger verlieren die Gottesfurcht rasch; der Gerechtigkeitssinn erliegt der Selbstsucht, und die Monarchie degeneriert schon nach einigen Fürsten zur Tyrannis. Caesar, Augustus und Tiberius regierten dagegen eigenmächtig nach üblen Prinzipien und verdienen den Namen Tyrann. Nicht bei ihnen findet man Weisheit und Klugheit, sondern in der Aristokratie als Herrschaft der Besten, die durch den Auftrag des Volks eingesetzt sind und von gewählten Amtsinhabern gelenkt werden.26 Zwingli skizziert rasch das Prinzip der Zunftverfassung in den verbündeten Städten, welche zweifellos das bestmögliche Regiment sei: eine handlungsfähige Obrigkeit, die durch die Macht und die Autorität der Optimaten in den Räten kontrolliert wird. In der Aristokratie blüht die Gerechtigkeit und die »privata res«, Eigentum und Wohlergehen, wenn es der »res publica« gut geht; dagegen wird der Monarch desto reicher, je mehr er sein Volk schröpft. Zwingli geht von einem modifizierten Verfassungskreislauf ohne Demokratie aus: Aristokratie – Oligarchie – Monarchie – Tyrannis. Ursprünglich und zu bevorzugen ist die Aristokratie, wie Zwingli gegen die Tradition betont: »demonstravimus monarchiam non praestare aristocratia, sed contra hanc potius antecellere«.27 Die antimonarchische Polemik in der Jeseja-Exegese widerspricht Zwinglis anderswo geäußerten Prinzipien nicht, sie ist aber in ihrer Radikalität singulär und wohl zu verstehen als Appell gegen Ferdinand I. Der König hat kurz davor mit den fünf inneren Orten eine Christlichen Vereinigung zum Schutz des alten Glaubens geschlossen, und Zwingli, der ihn in einem Brief »Austriacus tyrannus« nennt, will ihn darauf wohl als habsburgischen Erzfeind der Schweizer Freiheit demaskieren.28 Viel unverfänglicher klingt es dagegen im François Ier zugeeigneten De vera et falsa religione commentarius von 1525, wo Monarchie und Aristokratie, die auf dem »consensus populi« oder der »vocatio Dei« beruhen, zusammen der Tyrannis gegenübergestellt werden.29 Gerade weil er vom Verfassungskreislauf ausgeht, ist es für den Reformatoren klar, dass Gott nach freiem Ermessen und seiner Vorsehung Königrei-

26 Zwingli, Complanatio Isaiae, Z 14, 1959, S. 9. 27 Zwingli, Complanatio Isaiae, Z 14, 1959, S. 11. 28 Zwingli, Briefwechsel, 5, Z 11, 1935, S. 319 (an Haller und Megander, 23. Januar 1531). 29 Zwingli, Vera et falsa religio, Z 3, 1914, S. 870, vgl. auch 880 f.

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IV. Zürich als Paradigma

che ebenso wie andere Verfassungen einsetzen kann.30 Entscheidendes Kriterium für Zwinglis Urteil über die Verfassungsform, das macht er selbst in der Jesaja-Widmung klar, bleibt die Förderung der Reformation: Er lobt »principes, urbes ac populos apud quos dominus libere per servos suos prophetas loquitur«.31 Die entscheidende, christliche Freiheit ist auch unter einem König denkbar: »Es ist ein groß glücklich ding under einem fryen, fridsamen, frommen küng sitzen. … So man nun sich soellichs glücks, fryheit und fridens nit maeßentklich, sunder zuo muotwillen bruch, Gott nit erkent, … so wirt es alles zu gifft«.32 Daher betet der Reformator selbstverständlich für diejenigen »fürsten, die dinem wort glouben gebend, … das sy den antchristenlichen buoben widerstandind!«33 Zu ihnen zählt seit 1525 der französische König, den er als historischen Verbündeten der Eidgenossen gegenüber der »Romani imperii violentiae ac tyrannidi« (von Papst und Kaiser) ansieht.34 In der wieder François Ier gewidmeten Fidei expositio von 1531 verwahrt sich Zwingli denn auch gegen den Vorwurf, er würde die heilige Stellung und das Ansehen von Königen und Obrigkeit verachten: »Rex si imperat aut princeps, eum observandum esse colendumque docemus, ex Christi praecepto: Date Caesari sua, et sua deo! Per Caesarem enim intellegimus quemque magistratum, cui imperium est vel hereditario vel electionis iure consuetudineque vel permissum vel traditum.«35 Der Bündnisvertrag, den Zwingli 1531 konzipiert, der aber nicht realisiert wird, sieht vor, dass Franzosen und Eidgenossen gemeinsam die christliche Religion verteidigen und damit »unus populus, una civitas, et una respublica« bilden.36 »Respublica« taucht hier in einem weiten Sinn auf, womit letztlich sogar eine im selben Glauben fundierte staatliche Einheit zwischen Franzosen und Schweizern ins Auge gefasst wird.37 Bei anderen Allianzplänen kann Zwingli durchaus situativ gegen die Fürsten polemisieren, so in einem Antwortschreiben an die Berner von

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Vgl. etwa Zwingli, Providentia dei, 1983, Z 6/3, S. 217. Zwingli, Complanatio Isaiae, Z 14, 1959, S. 14. ZBZ MS Car I 185a, S. 270v, zitiert bei Kobelt, Bedeutung, 1970, S. 77 f. Zwingli, Schlussreden, Z 2, 1908, S. 342. Zwingli, Briefwechsel, 5, Z 11, 1935, S. 556 (An Lambert Maigret, Sommer 1531). Ähnlich ders., Briefwechsel, 5, Z 11, 1935, S. 319 (an Haller und Megander, 23. Januar 1531). 35 Zwingli, Fidei expositio, Z 6/5, 1991, S. 52, 112–114. 36 Zwingli, Briefwechsel, 5, Z 11, 1935, S. 558 f.; vgl. Kobelt, Bedeutung, 1970, S. 23–25. 37 Regelmäßig finden sich auch übliche Formeln wie »status nostrae reipublicae«, vgl. Zwingli, Gesta, Z 1, 1905, S. 30.

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1. Huldrych Zwinglis »Staatsverständnis«

1525: »Wir … wissent, daß weder geistlich nach weltlich fürsten unß Eidgnossen weder trüw nach hold sind, dann alein umb irß eignen nutzes willen.«38 Noch auffälliger ist dies in Zwinglis Empfehlungsschreiben für Rudolf Collin, als dieser im Dezember 1529 in das altgläubige Venedig reist, um ein antikaiserliches Bündnis zu sondieren. Zwingli führt im Namen Zürichs und – vorgeblich – auch der anderen Städte des Burgrechts aus, »quam invisa sit regibus ac tyrannis populorum ac urbium libertas. Cum autem istorum astutia et perfidia, quas liberi homines libenter et negligunt et damnant, saepenumero magnae clades datae sint incautis, e diverso autem vestra prudentia ac fide non nunquam factum sit, ut non modo vestra sed nostra quoque libertas melius ac tutius steterit, committere non debemus, ut tempore tam adflicto nihil consiliorum conferamus.«39 Es ist nicht sicher, ob Collin tatsächlich dieses Empfehlungsschreiben mitnimmt. Doch nach eigenem Zeugnis äußert der junge Humanist vor dem Dogen ähnliche Überlegungen darüber, weshalb der Kaiser eine gemeinsame Gefahr darstellt: »dann die zwey loblichen communen Venedig und Eidgnoschaft von altem har allzyt für andre lüt und lande von den keiseren vil hasses und anrenne[n]s erlitten hand; dann die keiser begerent monarchiam; so sind [aber] dise zwei commune byspil der ganzen welt, lobliche fryheit und gemein burgerliche recht zuo erhalten und beschirmen«.40 Zentral, aber zugleich unpräzis für Zwinglis Staats- und Freiheitsverständnis ist offensichtlich der Kaiser, der – als Habsburger – mit dem historischen und – als Katholik – mit dem neuen Hauptfeind zusammenfällt. Mit dem Reich identifiziert ihn der Reformator jedoch nicht, im Gegenteil.41 Zuhanden des Augsburger Reichstags von 1530 verwahrt sich Zwingli gegen den Vorwurf, Zürich sei durch den Bildersturm dem Andenken seines Gründers Karls des Großen untreu geworden. Er meint, »dz weder zuo diser noch voralten zyten gar kein statt gewesen, die so vil hundert jaren mit so vil trüw das Römisch rych gefürdret, dz ouch uss keiner einigen statt flyss und arbeit eim huss österrych und Römischem rych merere wolfart und zuonemen widerfaren«.42 Zwing38 Zwingli, Antwort an Bern, Z 4, 1927, S. 655 f.; vgl. Kobelt, Bedeutung, 1970, S. 44. 39 Zwingli, Empfehlungsschreiben, Z 6/2, 1968, S. 638 f.; zu den Verhandlungen Hauswirth, Landgraf, 1968, S. 166–171. 40 EA , 4/1b, S. 487. 41 Bender, Reformationsbündnisse, 1970, S. 160; zur Beurteilung des Reichs auch Köhler, Zwingli, 1940. 42 Zwingli, Convitia Eckii, Z 6/3, 1983, S. 288 f.; vgl. Köhler, Reichstag, 1953, S. 186; Mommsen, Eidgenossen, 1958, S. 288 f.

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IV. Zürich als Paradigma

lis Argumentation läuft auf den Vorwurf hinaus, dass Zürich wie keine andere Stadt das Reich befördert hat und dies weiter tut – dass aber die Habsburger, als untaugliche Sachwalter des Reichswohls, diese Leistung nicht würdigen. Der Grund für die reichswidrige Politik des Kaisers liegt in der Anhänglichkeit an die überlebte römische Kirche, und mit ihr zusammen erstrebe er zugleich die Unterdrückung der weltlichen Freiheit in den Städten. Dass sie dies nicht erkannt haben, wirft Zwingli den in Augsburg versammelten deutschen Protestanten vor: Dudum veritus fui, sub defensione ecclesiae quaeri urbium opressionem ac libertatis ademptionem. Sed surdo fabulam narro, non tibi, sed vestrati populo, qui Romanum, hoc est: peregrinum imperium adeo superstitiose colit, ut nesciam, an ulla unquam gens tam stulta fuerit, ut tyrannum capiti suo imposuerit, eumque longe petitum. Quid enim Germaniae cum Rhoma?43

Während Luther sich nur mit großer Mühe überzeugen lässt, dass wenigstens die Reichsfürsten zum Widerstand gegen den Kaiser legitimiert sind, hat der Toggenburger keine Mühe damit, die irdische Ordnung »Reich« von ihrem konkreten Repräsentanten zu unterscheiden, wie das die Eidgenossen seit langem praktizieren, wenn sie unter Berufung auf die Reichsidee gegen die Habsburger kämpfen. Zwingli geht noch darüber hinaus, wenn er wiederholt klar festhält, dass nicht »alle menschen muessind dem keyser underworffen sin, als die Summisten lerend«.44 Wo Christus verordnet, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, da meint er nicht den historischen, heidnischen Imperator: »In genere ergo Caesarem pro omni magistratu ponit: non enim hoc agit Christus ut omnes nationes Caesaris subiiciat iugo.«45 Die Konsequenz dieser Matthäus-Exegese bringt es mit sich, dass jede irdische Herrschaft, ob gewählt oder ererbt, den gleichen Status beanspruchen kann wie der Kaiser.46 Ausdrücklich mit »küng oder keiser« gleichgestellt werden in Bezug auf die »landschätz« (Vermögenswerte, hier wohl Regalien) auch die Schweizer Obrigkeiten: »Der Eydgnossen … fryheit und purer gwalt verglycht sich, ouch in eim yeden ort, dem puren, lutren gwalt der höchsten fürsten und herren«.47 43 Zwingli, Briefwechsel, 5, Z 11, S. 156 f. (an Konrad Sam, 26. September 1530); vgl. S. 70 (an Konrad Sam und Simpert Schenk, 18. August 1530); dazu Kobelt, Bedeutung, 1970, S. 39–41; weitere Äußerungen zur Politik Karls V. bei Bender, Reformationsbündnisse, 1970, S. 159. 44 Zwingli, Schlussreden, Z 2, 1908, S. 305. 45 Zwingli, Evangelium Matthaei, S 6, 1836, S. 365 f. 46 Vgl. dazu die oben, S. 304, Anm. 35, zitierte Passage. 47 Zwingli, Antwort an Eidgenossen, Z 5, 1934, S. 249.

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1. Huldrych Zwinglis »Staatsverständnis«

Zwinglis Schriften bringen die eidgenössische und namentlich die städtisch-zürcherische politische Erfahrung zusammen mit seinem reformatorischen Anliegen und dem humanistischen Bildungsgut, wozu auch der Kampf gegen Caesar und die Ideale eines Cato, Cicero und Brutus zählen. Damit liefert der Toggenburger wohl das entschiedenste nordalpine Plädoyer im 16. Jahrhundert, das die (aristokratische) Republik über die Monarchie stellt, ja diesen römischen Antagonismus erst schafft, indem Zwingli bei der Verfassungsdiskussion die dritte der griechischen Verfassungen, die Demokratie, eigentlich übergeht. Dennoch hat Eduard Kobelt gegen die ältere, liberale Zwinglideutung zu Recht betont, dass der Reformator nicht als Republikaner bezeichnet werden könne, weil er noch keine Vorstellung der Souveränität hat. Soweit bei Zwingli, der das Wort nicht kennt, von »Souveränität« gesprochen werden kann, liegt diese allein bei Gott, bei dem die herrschaftliche Pflichterfüllung – anders als in Bodins Konzept – auch insofern eingeklagt werden kann, als Widerstand mit seinem Gebot legitimiert wird. Ebenso wenig souverän wie der oder die Herrscher ist aber auch das Volk; nicht Mehrheiten sind entscheidend, sondern der geoffenbarte Wille des Schöpfers. Das göttliche Recht ist die ewige, gegebene Norm; wer es umsetzt – alle, wenige oder einer –, ist insofern irrelevant, als ohnehin der ganze politische Körper dem Weltenherrscher gegenüber verantwortlich ist. Die Heilsbotschaft und ihre irdische Realisierung als Gerechtigkeit sind Zwinglis Anliegen, nicht eine bestimmte Staatsform.48 Das reformatorische, auf das Jenseitige gerichtete Hauptanliegen relativiert denn auch die singuläre Rhetorik in der Jesaja-Vorrede, die ebenso als pragmatische captatio dient wie ähnliche, widersprüchliche Formulierungen zuhanden anderer Adressaten: Zwingli kann Zürich vor den Reichsständen als treueste Stütze des Reichs preisen und gegenüber Franzosen als Wahrer der Freiheit gegen dasselbe Reich, er kann im Umgang mit Venedig die verfassungsmäßigen Gemeinsamkeiten betonen und die katholischen Miteidgenossen als unfreie Oligarchen verunglimpfen – die an aristotelischen Kategorien und antiken wie biblischen Exempla geschulte Rhetorik ist dabei stets Mittel zum Zweck, und der Zweck ist nur so weit politisch, als es um Allianzen geht,

48 Vgl. die Summa von Zwinglis 43. Artikel: »Deß rych ist aller best unnd vestest, der allein mitt gott herschet, und deß aller bösest unnd unstätest, der uß sinem gmuot«; Zwingli, 67 Artikel, Z 1, 1905, S. 463; dazu Kobelt, Bedeutung, 1970, S. 60–64; vgl. auch Muralt, Problem, 1968, S. 388 f.; zur Souveränität Gottes Schmid, Lehre, 1959, S. 223–227; Hamm, Reformation, 1988, S. 34–44.

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IV. Zürich als Paradigma

dank denen die reformierte Lehre verbreitet und geschützt werden soll. Tatsächlich wird sich Bullinger 1537, bei der Basler Erstausgabe von Zwingli-Briefen, fragen, ob es opportun gewesen ist, die antikaiserliche Polemik in einem der hier erwähnten Briefe abzudrucken.49 Insofern aber Zwingli – auf einer für ihn nicht prioritären Ebene – findet, die Aristokratie verwirkliche empirisch und dank der für sie eigentümlichen Korrekturmöglichkeiten das Ideal der Gerechtigkeit am ehesten (oder am wenigsten schlecht), ist sie für ihn tatsächlich die beste Verfassungsform.50 In ihr ist nicht nur die »publica libertas« gegen den mutwilligen Adel gut aufgehoben, sondern auch die »evangelica libertas« vor den Willkürentscheidungen der Einzelherrscher am besten geschützt. Im Bündnisplan mit Venedig gehen Zwingli und Collin sogar soweit, die freistaatliche Verfassung zur Basis der Außenpolitik zu erklären, gerade weil diese jenseits der konfessionellen Divergenzen begründet werden muss. Die Serenissima lässt sich allerdings nicht darauf ein, und für ein gutes Jahrhundert verschwindet damit die republikanische Gemeinsamkeit als außenpolitisches Argument, kaum dass sie mit humanistischem Pathos erstmals verwendet worden ist. Denn bereits für Zwingli ist das entscheidende Kriterium in der Bündnispolitik nicht die Verfassung, auch nicht die Abwehr Habsburgs, die ihn die Nähe Frankreichs suchen lässt, sondern die Konfession; und unter seinen Nachfolgern wird dies angesichts der verhärteten Glaubensgrenzen erst recht der Fall sein. Auch für Zwingli liegen Konstanz, Straßburg oder Mülhausen näher als die katholischen Landorte, so sehr dem Toggenburger an der Reformation der gesamten Eidgenossenschaft liegt. Mit diesen Reichsstädten haben die Schweizer Angehörigen des Burgrechts gemeinsam, dass ihre Staatlichkeit noch selbstverständlich im Imperium begründet liegt, gerade auch im Falle Zürichs, das 1521 privilegiert worden ist. Dass Zwingli den Kaiser als entschiedenen und fremden, welschen Feind der Reformation einschätzt, führt nicht zur Ablehnung des Reichs als Legitimationsgrundlage; ein solcher Schritt ist noch undenkbar. In einzelnen Punkten bereitet Zwinglis Werk gleichwohl der späteren Übernahme der Souveränitätslehre den Weg. Die Obrigkeit ist gottgewollt und damit hinreichend legitimiert, wie auch immer sie bestellt wird. Sie wird tendenziell von der Person des Amtsinhabers geschieden: Ein Magistrat oder Richter muss nach Christi Gebot stets »ver49 Bullinger, Briefwechsel, 7, 1998, S. 279; die Bedenken gelten dem Brief an Sam und Schenk, vom 18. August 1530, Zwingli, Briefwechsel, 5, Z 11, S. 70. 50 So auch Kobelt, Bedeutung, 1970, S. 54 f.

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2. Das reformierte »Staatsdenken« nach Zwingli

zyen, so vil din person antrifft; so vil aber das regiment unnd gemeinen stand antrifft«, hat er das Schwert dagegen streng zu handhaben.51 Jede Obrigkeit ist grundsätzlich in ihren Herrschaftskompetenzen dem Kaiser gleichgestellt, und dieser ist vor allem nicht Universalherrscher: Zwar ist er noch der Stifter der spezifisch schweizerischen Privilegien, doch nicht »alle menschen muessind dem keyser underworffen sin«.

2. Das reformierte »Staatsdenken« nach Zwingli Von Zwinglis staatstheoretischen Überlegungen wirkt im 16. Jahrhundert nicht die Präferenz für die Aristokratie weiter, sondern – bis zu Milton – die Widerstandslehre, die seit dem Reichstag von Speyer 1529 die – nunmehr so genannten – Protestanten umtreibt.52 Das Recht auf Widerstand wird dabei zusehends bei der politischen Gemeinschaft verortet: nicht beim einzelnen Bürger und auch nicht bei einzelnen Magistraten, sondern beim Rechtsverband und – damit eng zusammenhängend – der Bekenntnisgemeinschaft: Sie darf sich dann widersetzen, wenn sie ihre gottgewollte Ordnung, also die bestehenden Rechte und Gesetze, die Verfassung und die Konfession, verteidigen muss. Widerstand wird damit zu einem Korrelat von Herrschaft: Nur wer legitimerweise gegen Untertanen Schutz und Schirm ausübt, kann sich im Sinne dieser Ordnungsfunktion höheren Obrigkeiten widersetzen, die ihn von der Ausübung seiner gottgewollten Aufgabe abhalten wollen, indem sie in Glaubensfragen am – inzwischen etablierten – reformatorischen Status Quo etwas ändern wollen. Im Reichsverband wird ein solches Widerstandsrecht im Allgemeinen den Reichsständen zuerkannt. Damit wird aus ständischem Widerstand im Rahmen der Reichsverfassung die im Naturrecht begründete Selbstverteidigung des einzelnen Territoriums, das die Ebene darstellt, auf der gegen oben, also gegen den Kaiser, vorgegangen werden kann, gegen die aber von unten nichts ausgerichtet werden darf.53 Calvin ist sehr zurückhaltend, was das Widerstandsrecht betrifft, und beschränkt es wie die meisten Theoretiker auf den Fall, wo die wahre

51 Zwingli, Schlussreden, Z 2, 1908, S. 334. 52 Zum Widerstandsrecht Skinner, Foundations, 2, 1978, S. 191–224; Schulze, Zwingli, 1985, S. 204 f. Für Miltons Rückgriff auf die Schlussreden vgl. Milton, Tenure, 1962, S. 245 f.; ders., Defence, 1966, S. 337 f., 396. 53 Dazu Friedeburg, Wegscheide, 2000.

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IV. Zürich als Paradigma

Religion und die »gloire de Dieu« auf dem Spiel stehen.54 Als Kontrollinstanz bringt auch er, wie Zwingli und Melanchthon, die Ephoren ins Spiel.55 Diese entsprechen seiner Vorstellung, dass die Aristokratie als Herrschaft der Besten als Staatsform der willkürlichen und expansiven (Universal-)Monarchie vorzuziehen ist.56 Wo er aber in der François Ier gewidmeten Institutio die Verfassungsproblematik kurz anspricht und seine persönliche Präferenz darlegt, schränkt er dies gleich ein, da er die Frage nach der besten Verfassung insofern als müßig ansieht, als sie die gewöhnlichen Bürger (»privati homines«) nichts angehe, ja eigentlich Gott vorbehalten ist: »Nam si illi visum est reges regnis praeficere, liberis civitatibus senatus aut decuriones, quoscunque locis praefecerit in quibus degimus, nostrum est, iis nos morigeros ac obedientes praestare.«57 Auch die Confessio gallicana erklärt 1559, jede Verfassungsform sei gottgewollt: »royaumes, Republiques et toutes autres sortes de principauté, soyent hereditaires ou autrement«. Also müsse man »le ioug de subiection« freimütig tragen, selbst unter einem ungläubigen Herrscher, »moyennant que l’empire souverain de Dieu reste en son entier«.58 Das entscheidende Kriterium, um jede beliebige Art der Herrschaft zu beurteilen, besteht also darin, ob sie die »puissance souveraine«, das »summum imperium« Gottes anerkennt, der »legibus solutus« ist – Formulierungen Calvins, der »souveraineté« selbst noch nicht verwendet, aber das Wort semantisch umkreist.59 Die Vorstellung von der absoluten Souveränität Gottes verdankt der Genfer Reformator seinem Straßburger Kollegen Martin Bucer, der sie in seinem 1554 postum in Genf gedruckten Richter-Kommentar entwickelt hat. Folgerichtig lehnt der Elsässer ausdrücklich ab, dass die irdische Obrigkeit über das – göttliche – Gesetz erhaben sein könne. ubi absoluta potestas Principi traditur, quae nulli potestati & correctioni sit subiecta: ibi derogatur gloriae & dominio Dei, & absoluta potestas, quae solius Dei est, & a populo Deo debet esse delata, homini peccatis obnoxio addicitur. Ergo vitium est dare absolutam potestatem Principi qui non cogatur reddere 54 Durand, Républiques, 1973, S. 44–47. 55 Skinner, Foundations, 2, 1978, S. 230–234. 56 Calvin, Deutoronome, 1884, Sp. 458–460; vgl. auch Bouwsma, Calvin, 1988, S. 208–210. 57 Calvin, Institutio, 1863, col. 1106 (20, 7); vgl. col. 1105; ders., Deutoronome, 1884, Sp. 458. Dazu Esser, Calvin und Althusius, 1988, S. 177, und ähnlich Bouwsma, Calvin, 1988, S. 207. 58 Müller, Bekenntnisschriften, 1903, S. 232 (Art. 39 f.). 59 Baron, Staatsanschauung, 1924, S. 41–47.

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2. Das reformierte »Staatsdenken« nach Zwingli

rationem administrati regni. … Optima ergo species Reipu. est, quando unus quidem praeest, vel pauci, sed ii Divinitus rogati, & constituto ordine legitimo Divinitus praescripto: & ei absoluta potestas non tradatur.60

Entscheidend ist angesichts der unabänderlichen menschlichen Sündhaftigkeit also nicht die Verfassungsform, sondern die christliche Unterordnung auch der Herrscher unter Gott und den rechten Glauben (»gloria et verbum Dei«). Tyrannis ist für Bucer deshalb die religiöse Repression, nicht die politische Willkürherrschaft, auch wenn die »libertas externa« und die »libertas pietatis« bei ihm wie bei Zwingli zusammenhängen.61 Bei dessen Nachfolger in Zürich, Antistes Heinrich Bullinger, finden sich durchaus skeptische Äußerungen über unzuverlässige Einzelherrscher, etwa unter Berufung auf Psalm 145 die Warnung: »Nolite confidere in principibus« oder das Sprichwort: »Facile in uno annulo omnium bonorum principum imagines exsculpsisse«.62 Allein, es handelt sich um Vorbehalte, die nicht über die humanistischerasmische Herrscherkritik und die zwinglianische Angst vor den Habsburgern hinausgehen. Auch im Drama Ein schoen spil von der geschicht der Edlen Römerin Lucretiae … und sunderlich von der standthafftigkeit Junij Bruti, das der junge Bullinger 1526 verfasst, geht es um die Frage, »wie man die erobert fryheit behalten mög wider alle Tyranny und Oligarchi«.63 Das Stück richtet sich nicht verfassungstheoretisch gegen die Monarchie, sondern moralphilosophisch gegen adlige Tyrannen mit ihrer eigennützigen Willkür und vom Ausland importierten Luxus. Je weiter das 16. Jahrhundert voranrückt, desto weniger wird die Zürcher Reformation von außen in Frage gestellt, während gleichzeitig in anderen, ähnlich verfassten Schweizer Kantonen auch die katholische Konfessionalisierung und Verhärtung einsetzt und im Ausland die Rettung der Reformation nicht von den im Schmalkaldischen Krieg 60 Bucer, Psalmorum libri, 1554, S. 498 (fälschlich paginiert als 488); vgl. Baron, Calvinist republicanism, 1939, S. 38. 61 Baron, Calvinist republicanism, 1939, S. 36. 62 Bullinger an Johannes Travers, 21. Januar 1541; auch Bullingers Korrespondenten loben die Freiheit, welche die Zürcher »ut vix alius totius terre populus« geniessen, so Gervasius Schuler aus Memmingen, 5. Januar 1540; ähnlich Pistorinus aus Frankfurt, 10. September 1544, vgl. auch Myconius, 15. Februar 1552 und Johannes Zwick, 9. September 1539, ferner StAZ E II 342, fol. 333v (Bullinger an Vermigli, 1. Mai 1556). Für den Hinweis auf diese Stellen im noch unveröffentlichten Teil des Bullinger-Briefwechsels danke ich dem Herausgeber Rainer Henrich herzlich. 63 Bullinger, Lucretia, 1890, S. 107; vgl. hierzu Maissen, Brutus, 1998.

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IV. Zürich als Paradigma

als Machtfaktor eliminierten Städten, sondern von Fürsten zu erhoffen ist. Die Verfassungsfrage verliert laufend an Bedeutung, während das Trauma der Täufer und der Untertanenrevolte nach der Kappeler Niederlage tief sitzen und von freiheitlichen Parolen abhalten. Dies macht der Römerbriefkommentar Rudolf Gwalthers deutlich, der Schwiegersohn Zwinglis ist, als Nachfolger Bullingers Antistes wird und 1566 vor den Aufrührern warnt, die »sub praetextu Christianae libertatis, non modo magistratus & respub. evertere, sed quodvis aliud iugum servitutis excutere conati sunt«.64 Nicht einmal über die Verfassungsformen diskutieren sollen die Untertanen, geschweige denn sie ändern. At quicquid huius sit, non est subditorum, vel reipub. formam mutare velle pro suo arbitrio, vel de sui principis iure & imperio seditiosius disputare, sed simpliciter praesentibus magistratibus obedire debent in omnibus, quae illaesa conscientia & salva pieteta fieri possunt …65

Unter diesen Umständen lautet die politische Losung Gehorsam, der – wie Bullinger oft wiederholt – jeder Obrigkeit geschuldet ist: »Proinde si quis vivat sub regno regi obediat, si sub republica consulibus tribunis & magistris tribuum senatoribusque pareat. Obediendum est enim magis ordinationi Dei, quam curiosius disputandum de speciebus magistratus quae nam ex his sit praestantior.«66 Die Confessio Helvetica posterior von 1566 enthält nur das Gehorsamsgebot und kein Wort zum Widerstandsrecht; im Gegenteil, wer sich dem Magistraten widersetze, dem gelte Gottes Zorn.67 Sogar gegenüber verfolgten Glaubensbrüdern zeigt sich Bullinger äußerst zurückhaltend, so 1554, als John Knox in der Admonition to England den Sturz Mary Tudors anregt.68 Ähnlich reagiert der Antistes nach der Bartholomäusnacht auf Hotmans Anfrage, ob sich La Rochelle vom König lossagen könne wie einst die Eidgenossen von Österreich: Den Vergleich lässt er nicht gelten, und ebenso wenig rechtfertigt er den Abfall von Charles IX.69 Das Zürcher Staatsdenken in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zielt also auf eine stabile, durch die Ausrichtung am Evangelium sowohl beschränkte als auch legitimierte Obrigkeit. Es gibt die eine, ewige Herrschaftsordnung unter der »lex Dei«, die »plenissima et absolutissima« 64 65 66 67

Gwalther, Epistola ad Romanos, 1566, S. 161. Gwalther, Epistola ad Romanos, 1566, S. 182. Bullinger, Decades, 1552, fol. 85 (2, 6); vgl. Ad Romanos epistola, 1537, S. 101. Müller, Bekenntnisschriften, 1903, S. 220 f. (Art. 30); vgl. Török, Obrigkeit, 1966, S. 403. 68 Ridley, Knox, 1968, S. 178–180. 69 Stadler, Genf, 1952, S. 92.

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3. Titulatur, Repräsentation und Geschichtsbild im 17. Jahrhundert

ist.70 Grundsätzlich gilt Römerbrief 13, außer in denjenigen Fällen, wo Apostelgeschichte 5, 29 zur Anwendung kommt: Geboten ist prinzipieller Gehorsam gegen jede Obrigkeit, da sie gottgewollt ist, es gehe denn darum, dass man Gott mehr gehorchen müsste als den Menschen.71 Ob aber dieser Fall eintritt, darüber entscheiden wiederum allein die weltlichen und geistlichen Obrigkeiten.

3. Titulatur, Repräsentation und Geschichtsbild im 17. Jahrhundert Zwingli hat die bürgerliche und die christliche Gemeinde in eins gesetzt: »Christianum hominem nihil aliud esse quam fidelem ac bonum civem, urbem Christianam nihil quam ecclesiam Christianam esse«.72 Damit ist, in der Theorie und erst recht in der reformatorischen Praxis, das mittelalterliche Ideal einer universalen Respublica Christiana aufgebrochen zugunsten partikularer politischer und geistlicher Gemeinschaften. So wird sie der Gelehrte Johann Heinrich Hottinger in der Mitte des 17. Jahrhunderts direkt auf den einzelnen Bürger seiner Vaterstadt beziehen: »Rempublicam non tam Platonicam, quam vere Christianam optimus quisque Civis suam esse cupit.«73 Bullinger ist es vor allem, der die »Respublica Christiana« – nicht exklusiv – auf Zürich bezieht als Einheit von sichtbarer Kirche und Staat, die durch einen Bund mit Christus verbunden und in diesem von den kooperierenden Geistlichen und Magistraten zum gottgefälligen Leben gelenkt werden.74 »Respublica« in diesem umfassendsten Sinn meint in einem normativen Sinn die Gemeinschaft, die unter demselben weltlichen und geistlichen Gesetz lebt, womit in der Tradition der augustinischen Auseinandersetzung mit Cicero nur eine christliche auch eine wirkliche »respublica« sein kann. Gerade die Bindung der eigenen Konfession an die lokale, Zürcher Tradition legt einen behutsamen Umgang mit traditionellen Symbolen 70 So die Confessio Helvetica Posterior, Müller, Bekenntnisschriften, 1903, S. 186 (Art. 12). 71 Der übliche Vorbehalt von Apg. 5, 29 etwa bei Bullinger, Ad Romanos epistola, 1537, S. 102; Gwalther, Epistola ad Romanos, 1566, S. 182. Bullinger beruft sich auch dem Zürcher Rat gegenüber auf die Bibelstelle, vgl. Bächtold, Bullinger, 1982, S. 43. 72 Zwingli, Complanatio Jeremiae, Z 14, 1959, S. 424. 73 Hottinger, Schola, 1664, Widmung an Antistes Ulrich. 74 Bak er, Covenant, 1970, S. 47–97.

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nahe, was das Beispiel der Lokalheiligen zeigt.75 So bleibt das prächtige Stadtsiegel von 1347 mit den Märtyrern Felix und Regula weiter in Gebrauch. Das Pfarrhaus des Großmünsters, ihrer angeblichen Begräbnisstätte, erhält 1601 eine Allianzscheibe, auf der die Stadtpatrone im Oberfeld zu sehen sind, während Karl der Große und Chlodwigs Hausmeier Ruperich als angebliche Kirchenstifter das Hauptbild schmükken. Das geht auf die universalgeschichtliche Einbettung der Lokalhistorie zurück, wie sie seit Heinrich Brennwalds um 1520 verfasster Chronik gebräuchlich ist: Zu Zeiten Abrahams, im Jahr der Welt 1980, also 324 Jahre nach der Sintflut und lange vor Rom, aber 16 Jahre nach Trier, sei Zürich erstmals von Thuricus gestiftet worden; darauf habe Suevus als zweiter Stifter »Duregum« gebaut, und als weitere Stifter der Stadt folgten Caesar, Diokletian, Chlodwig und Karl der Große. Der Karolinger erlebt auch ein Wunder der Stadtpatrone, was die verschiedenen legendären Überlieferungen untereinander verwebt und außerordentlich stark mit den berühmtesten Herrschern im Heiligen römischen Reich verbindet. Diese Ahnengalerie ist im 17. Jahrhundert noch obligat und eröffnet noch lange die ohnehin wenig originellen Stadtchroniken.76 Zu Beginn des Jahrhunderts schmücken Felix und Regula den Avers eines undatierten Golddukaten, während der Revers Karl den Großen zeigt, ebenso wie auf einer Schulprämie mit der Umschrift CAROLUS SANCTUS !77 Solche Scheiben und Münzen zeigen, dass die kaiserliche und katholisch-urchristliche Traditionen nicht ohne weiteres verworfen werden können, da die Ehre und Würde der alten, früh christianisierten Reichsstadt von ihnen abhängt und sie als Legitimitätsträger gegen die altgläubige Konkurrenz beansprucht und verteidigt werden. Das »studium historicum et chronologicum« am Carolinum, der städtischen Theologenschule, umfasst entsprechend der Translationslehre denn auch die »vierte Monarchie« Daniels, ja, es soll diese nach den Weisungen von 1601 sogar verstärkt in Erinnerung rufen.78 Der durch Zwingli nicht zerstörte, sondern viel75 Dazu ausführlicher Maissen, Stadtpatrone, 2006. 76 Für die Autoren des 16. Jahrhunderts Zehnder, Volkskundliches, 1976, S. 627– 629 (mit weiterer Literatur); danach Schweizer, Chronologia, 1607, S. 12; mit kleineren Varianten Frölich, Lobspruch, 1586, S. A3v; Merian, Topographia, 1642, S. 15; Escher, Beschreibung, 1692, S. 2–6; Fries, Enchiridium, 1701, S. 3–7; selbst noch Bluntschli, Memorabilia, 1742, S. 582, und Moos, Kalender, 3, 1777, S. 4. 77 Cf. Hürlimann, Münzgeschichte, 1966, S. 109; gleichzeitig begegnet das ähnliche Phänomen in Bern mit dem Hl. Vincentius. 78 Weiß, Erziehung, 1940, S. 94.

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3. Titulatur, Repräsentation und Geschichtsbild im 17. Jahrhundert

mehr verstärkte sakrale und heilsgeschichtliche Charakter der Stadt ist noch im 17. Jahrhundert ein Hindernis, um ihrer politischen Verfassung eine größere Bedeutung beizumessen. Die neue, reformatorische Vorstellung der »Respublica Christiana« als partikulare Einheit, die mit dem Machtbereich einer (christlichen) Obrigkeit zusammenfällt, wird verstärkt durch den von den Humanisten eingeführten Brauch, im Lateinischen von Stadtstaaten als »respublicae« zu sprechen, was ursprünglich Rom vorbehalten gewesen ist, aber auch auf (monarchische) Territorialstaaten angewendet wird.79 Damit entsteht eine sprachliche Alternative zu herkömmlichen Wörtern wie »civitas«, dem konkreten »Thuregum« oder zu personalen Wendungen wie »(cives) Turicenses«. Inoffiziell, etwa in Briefen oder Büchern, kommt »respublica tigurina« auch als eigentliche Titulatur zum Zuge.80 Auffällig und singulär ist eine Münzprägung, die etwa auf 1560 zu datierende Goldkrone, die vermutlich wie das ebenso außerordentliche St. Galler Siegel von Stampfer angefertigt wird und als Umschrift RESPUBLICA TIGURINA trägt.81 Als deutsche Entsprechung gelten kann, um es mit Zwinglis Übersetzung von »imperium et respublica« auszudrücken, »regiment und gemeiner stand«.82 Doch findet sich beim Reformator auch die Gegenüberstellung von »regnum« und »respublica« in einem engeren, freistaatlichen Sinn,83 und analog dazu von »rex/regnum« und »libera civitas«.84 Zwingli und mit weniger Bedenken auch Bullinger gebrauchen das Wort ferner im Rahmen der aristotelischen Trias für die Demokratie, »quam Latini rem publicam vertunt quidem, sed latiore vocabulo quam sit democratia«.85 Es ist bereits erwähnt worden, dass bei Simler »Regiment« der lateini-

79 Etwa Vadian, Briefsammlung, 4, 1902, S. 64 (Nr. 489), Leo Jud an Vadian, 22. Juli 1527. 80 So Hans Rudolf Beyel, Series atque ordo consulum Reipublicae Tigurinae a Rodolpho Brunone usque ad tempora nostra, Zürich 1577. 81 Die Münze bei Hürlimann, Münzgeschichte, 1966, S. 95, 175, 274, Nr. 257*; für das St. Galler Siegel unten, S. 496. 82 Zwingli, Schlussreden, Z 2, 1908, S. 334. 83 Zwingli, Complanatio Isaiae, Z 14, 1959, S. 8; vgl. auch ders., Complanatio Jeremiae, Z 14, 1959, S. 417; dazu auch Kobelt, Bedeutung, 1970, S. 56 f. 84 Vgl. den von Kobelt, Bedeutung, 1970, S. 73, Anm. 4, zitierten Predigttext, der auf die Gefangenschaft von François Ier anspielt (ZBZ MS Car I 185a, S. 169v): »Capto rege salus totius populi periclitat, quod hi expendere non possunt, qui in liberis civitatibus vivunt.« 85 Zwingli, Fidei expositio, 1531, Z 6/5, 1991, S. 112; Bullinger, Ad Romanos epistola, 1537, S. 101: »Democratia, quam populi regimen aut rempublicam possumus appellare, ubi scilicet imperium apud universum populum est.«

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schen, aber auch der französischen »république« entspricht; in einem gleichzeitigen anonymen Text wird dafür »Statt« als Übersetzung verwendet.86 In diesem Sinn lässt sich »respublica« ebensogut beispielsweise auf Frankreich anwenden wie auf Zürich.87 Die lateinische Version einer Zürcher Rechtfertigungsschrift von 1596, die Confutatio amplissimi ac prudentissimi Senatus Reipub. Tigurinae brevis et sincera, gebraucht wohl erstmals »respublica« als offiziellen Titel der Stadt, dem aber in einer anderen lateinischen Fassung weiter »civitas«, auf Italienisch »città« und auf Deutsch »Statt« entsprechen.88 Selbst als der lateinische Titel ebenso wie das antikisierende »Senatus populusque tigurinus«89 im frühen 17. Jahrhundert rasch gebräuchlich wird, bleibt der »Reipublicae Tigurinae Consul« im Deutschen weiterhin »Burgermeister der hochloblichen Statt Zürich«.90 Gleichzeitig gehört auf Zürichs Münzen, Wappenscheiben, Mandaten, Stadttoren, Veduten und ähnlichen obrigkeitlichen Bildträgern der Reichsadler mit oder ohne Wappenpyramide zum selbstverständlichen Inventar.91 Auch auf privaten Gegenständen, etwa einem Silberbecher der Schützengesellschaft von 1646, können Wappenpyramide, Krone und Reichsapfel den Boden schmücken, ebenso auf Conrad

86 Wacht frü auf, 1575, S. 33: »Diweil wir auch wüsten, das under den orten im Schweizerland etliche ansehenliche und mächtige Stätt sind«, als Übersetzung von Reveille-Matin, Edinburg, 1574, S. 20: »és Cantons de Suysse, il y a de grandes & puissantes Republiques«; auf Lateinisch: Dialogi in Gallorum et caetararum gentium gratiam compositi, Edinburg 1574, S. 15: »potentissimas et florentissimas esse respublicas«. Zu Simler oben, S. 74 f. 87 Stucki: Carolus Magnus redivivus, 1592, S. 8v, 79v, spricht von »Reipub. & Ecclesiae Gallicanae« und »Respub. et Ecclesia nostra Tigurina«. 88 Im Titel heißt es dort: »Herren Burgermeisters unnd eines Ehrsamen Rahts der Statt Zürych« beziehungsweise »responsio dn. cos. et ampliss. senatus civitatis tigurinae« und »risposta del s. consule e dell’honorato senato della città die Zurigo«. 89 So schon die Unterschrift zuhanden von Venedig bei Zwingli, Empfehlungsschreiben, Z 6/2, 1968, S. 639. 1591 und 1600 steht SPQT mit einem Lorbeerzweig auf einem Schulpfennig und seit 1612 über dem Portal der Predigerkirche: EX DECRETO SENATUS POPULIQ . TIGURNI ; vgl. Tobler-Meyer, MedaillenSammlung, 1, 1896, S. 255 f. bzw. Escher, Kunstdenkmäler Zürich, 1939, S. 222. 90 Vgl. die Widmung bei Ulrich, Catholischer Glauben, 1628; umgekehrt ist für Beumler, Contrafactur, 1610, S. 19, auch Cicero »der weyse Burgermeister zu Rom«; ähnlich auch noch Simler, Regiment, 1722, S. 17. 91 Für das Wappenrelief am Lindentor (1582) Barraud Wiener/Jezler, Kunstdenkmäler Zürich, 1, 1999, S. 129 f.; für Veduten Mathis, Gesamtansichten, 1973, S. 31–34, Anhang.

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Meyers Titelkupfer für das Wappenbuch der Bürgerschaft;92 selbst das Wasserzeichen von Zürcher Papier, das um 1680 Verwendung findet, zeigt einen der zwei Zürcher Löwen mit dem Reichsapfel.93 In dieser Hinsicht erweist sich Zürich konservativer als Bern: 1659 wird ein Mandat mit dem Titel Beyder Stätten Zürich und Bern Erklärung wider das dißmalig-hochschädlich und Uneidgnössische Libellieren gedruckt, auf dem das Berner Wappen keine Reichsinsignien mehr zeigt, das Zürcher dagegen noch die ganze Wappenpyramide mit Reichsapfel. Anders als für die Aarestadt ist der süddeutsche Raum für die Zwinglistadt von größter wirtschaftlicher Bedeutung, nicht nur für den Export, sondern besonders auch für den Import von Getreide und Salz.94 Wie erwähnt ist es auch Zürich, das noch 1607 und 1612 eine kaiserliche Privilegienbestätigung anregt, aber am Widerspruch Berns scheitert. In derselben Denktradition beansprucht die Limmatstadt noch 1655 im Konflikt mit Schwyz »den jhnen von Keyser Ottone dem grosen vor mehr als 800 Jahren vergaabeten Zürich-See«.95 Tatsächlich dauert es bis zum Jahrhundertende, ehe sich bei den Mandaten der ikonographische Wandel durchsetzt: 1703 wird letztmals eines mit einer Wappenpyramide auf dem Titelblatt gedruckt.96 Sie ist allerdings im vorangehenden Jahrzehnt sonst nicht mehr aufgetaucht, und bereits am 20. Juli 1692 haben zum ersten Mal zwei Löwen mit Schwert und Palmzweig, die ein reines Zürcher Wappen ohne Doppeladler stützen, ein Mandat geschmückt, und darunter liest man das Spruchband »Libertas«.97 Ab 1698 wird das Titelbild mit zwei Löwen, Schwert und Palmwedel sowie dem Standesschild und barocken Ornamenten die Regel, und in dieselbe Zeit fällt der Übergang beim Schreibkalender, während beim Regimentskalender der endgültige Verzicht auf die Reichsinsignien erst 1709 erfolgt.98 In anderen Bereichen erfolgt der Wandel früher, auf den Münzen sogar – kurz – vor der Exemtion in

92 93 94 95 96 97

StAZ Ek 357. ZBZ , MS B 57, S. 35.

Vgl. auch Bianchi, Relazione, 1708, S. 104 f. EA 6, 1, S. 303; für die Privilegienbestätigungen oben, S. 174. StAZ III AAb , 1, 7, Nr. 365 (13. März 1693). StAZ III AAb , 1, 6, Nr 281 (20. Juli 1692), über einen konvertierten Kapuziner

und eine ihm von katholischer Seite zugeschriebene Hostienschändung; vgl. StAZ III AAb , 8, Nr. 479, für denselben Mandatstyp 1716.

98 Der Regimentskalender von 1699 hat keine Insignien und wird 1709 wieder aufgenommen und fortan verwendet, doch von 1700 bis 1708 erscheinen (in derselben Druckerei) noch einmal Ratskalender mit der Wappenpyramide.

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Westfalen.99 Die herkömmlichen Taler haben nicht nur den Doppeladler und einen Löwen mit Reichsapfel gezeigt, sondern bis 1624 die Umschrift CIVITAT. IMPERIALIS (Abb. 19). Von 1625 bis 1639 werden keine Taler geprägt. Der nächste Taler, von 1640, fällt in zweierlei Hinsicht auf: Erstmals lautet die Umschrift jetzt MONETA NOVA REIPUBLICAE THURICENSIS ; und außerdem tragen die Löwen keinen Reichsapfel, sondern einen Kranz. Es ist dies eine Phase des behutsamen Übergangs, denn auf der Rückseite sieht man 1640 weiterhin den gekrönten Doppeladler; und von 1645 datiert sogar noch einmal eine durchaus traditionelle Prägung, in der bis 1624 üblichen Gestalt. Doch gibt es von dieser Münze von 1645 auch eine Variante, mit der Umschrift MONETA NOVA REIPUBLICAE THURICENSIS . Gleichzeitig – ebenfalls vor dem Westfälischen Frieden – wird RESPUBLICA auch auf anderen Münzen greifbar, etwa beim Dukaten. Auf dem 1646 geprägten Taler verschwindet der Doppeladler nun endgültig und für immer vom Revers, wo jetzt DOMINE CONSERVA NOS IN PACE steht, und ein Palmwedel ersetzt den Reichsapfel, außerdem TIGURINAE dass frühere THURICENSIS . Vorübergehend finden wir 1651 und 1652 noch einmal den Reichsapfel auf drei Talern, bevor auch er endgültig ausgedient hat – der Taler von 1661 zeigt die Umschrift MONETA NOVA REIPUBLICAE TIGURINAE mit einem hoheitlichen Löwen ohne jede imperiale Symbolik, und so ist es fortan üblich. Wie dieser Verzicht sind auch der Übergang von THURICENSIS zu TIGURINAE und eine vorerst singuläre Prägung von 1660 mit einem gekrönten Standesschild Ausdruck eines Suchprozesses, der im Umfeld der Exemtion gut zwanzig Jahre dauert, bevor die Stadt auf den Münzen in neuer Form auftritt. In dieselbe Zeit fällt eine sehr behutsame Revision des geschworenen Briefes von 1498, nachdem die Geistlichkeit sich 1646 zum Sprachrohr derer gemacht hat, die mehr »bürgerliche Teilsame« fordern.100 In einem Fürtrag machen die Pfarrer dabei deutlich, dass ihr Ideal durchaus eine Aristokratie ist – allerdings der Besten und nicht derer, die bestimmten Familien angehören: »So erforderet auch die billichkeit, daß die große Ehr den wegsten und besten widerfahre, damit alßo das loblich regiment bestande von optimatibus, daß ist von wegsten und besten und seye ein rechte Aristocratia, daß ist, ein regierung der weg99 Zu den Zürcher Münzen Hürlimann, Münzgeschichte, 1966, S. 201–203, 286 f.; zum Taler auch Divo, Taler, 1966; im Vergleich mit Genf Maissen, Zürich, 1999; außerdem ders., Insignes, 1999, Abb. 2–4. 100 Guyer, Verfassungszustände, 1943, S. 18.

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Abb. 19: Zürcher Taler von 1624 (links), 1640 (rechts) und 1646 (unten), Avers und Revers.

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sten und besten«.101 Änderungen an den Wahlprozeduren werden bei der Verfassungsrevision jedoch nicht vorgenommen, hingegen Anpassungen, die das Verhältnis zum Reich betreffen. Nachdem das Thema wohl schon seit den Änderungen im Münzbild und im Sommer 1651 durch die neue Schwurformel in Wettsteins Basel zu Diskussionen Anlass gegeben hat,102 wird am 17. November 1652 ein erster Bericht über die »Verbesserung« des geschworenen Briefs im Rat vorgelegt. In der Fassung von 1498 steht im zweiten Satz »Nachdem wir dann von den h. Rÿch Röm. keÿs. u. küngen loblich gefryt sind, unser stat ordnung und regimendt, wie uns daz ie zuo ziten nutz und notturftig sin bedunckt, machen zuo mögen«. Neben zwei analogen Passagen am Schluss wird der Anfang nun abgeändert werden zu: »Nachdem wir dann von Gottes gnaden, loblich gefreit sind«.103 Im Eid, den die Bürgermeister, Räte und Zunftmeister im Großmünster schwören, wird das ähnliche Problem durch zwei Rasuren im ursprünglichen Pergament gelöst: Aus »sollen schweeren des heÿligen Rychs Eere, der Statt nutz und Eere« wird zuerst »sollen schweren heÿlige Eere, der Statt nutz und Eere …«, was in einer späteren, undatierten Version ergänzt wird zu: »sollen schweeren Gottes heiligen Nammens Ehre, der Statt Nutz und Ehre …«.104 Damit hat Gott im Bürgereid das Reich als Begründer der Staatlichkeit abgelöst. Auch wenn direkte Kontakte nach Basel dazu führen, dass manche Zürcher früh über die Bedeutung der Exemtion informiert sind,105 sehen sich viele gleichwohl in ihrem Selbstverständnis noch lange (auch) als Reichsangehörige. 1656 erkennen Bürgermeister und Rat den Steinmetzen zu, ihren Beruf auszuüben »vermög ihrer von kayserlicher ma(yesta)t wolhar gebrachter und von unns bestëttigter freyheiten«. Mit dem Usus im »ganzen Römischen reich« verteidigen die 101 StAZ E II 97, S. 1117, Fürtrag über den geschworenen Brief, 1. Dezember 1649. 102 Vgl. zur Wirkung des Basler Beschlusses von 1651 Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 226, sowie das unten, S. 492 f., diskutierte Schaffhauser Gutachten vom Juni 1652, StASH Verträge A1, Nr. 27, S. 10: »Das obzwahr Zürich mit ihren müntz und gebäuden des adlers halben enderung sollen fürgenommen haben, so ist es doch mit dem eid, welcher, wie ich höre, sie annoch behalten, ein weit mehrer und unvergleichlicher unterscheid …«. 103 Die Texte mit den Varianten bei Schnyder, Quellen, 1, 1936, S. 132, 141; vgl. aber die Ergänzung von Hauswirth, Realität, 1970, S. 161, Anm. 36. Der Entwurf der Korrektur in StAZ A 435 (17. November 1652), die korrigierte Fassung in StAZ Urkunden C I, Nr. 545; vgl. auch Guyer, Verfassungszustände, 1943, S. 18 f. 104 StAZ C I, Nr. 548 f. 105 Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 226.

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Kupferschmiede noch 1701 ihr Monopol auf die Verfertigung von Eisengeschirr gegen die Schlosser.106 Leonhard Fries übergeht in seinem Enchiridium chronologicum tigurino-helveticum von 1701 die Exemtion, zählt aber selbstverständlich alle mittelalterlichen Privilegien auf. Noch im Jahr 1747, als es in einem freundeidgenössischen Briefwechsel um die Ehrbarkeit eines Scharfrichters geht, verschickt die Limmatstadt als Grundlage ein Gutachten von 1657, das ihnen diese »kraft derenn von Römischen Keÿseren und Königen loblich und wircklich hargebrachten freÿheiten und hochoberkeitliche Independenz Regal Rechtens« zuspricht.107 Wie anderswo ist auch in Zürich der Reichsbezug beim Blutgericht besonders wichtig, seitdem die Stadt dessen Vorsitzenden, den Reichsvogt, selbst aus dem Rat wählt.108 Im 16. Jahrhundert beruft man sich in Urteilen gelegentlich auf »kaiserliche rächte«, es werden also wohl Reichsgesetze auch materiell angewendet.109 Gemäß dem 1629 gedruckten Malefizbuch vereidigt der Gerichtsdiener die Richter im Auftrag des Reichsvogts nach der Formel: »In nammen und an statt unsers aller gnädigsten Herren deß Römischen Keysers und deß heiligen Rychs, auch auß krafft der Statt Zürych loblichen Freyheiten, darmit sy von Keyseren unnd Königen begabet ist, verbannet myn Herr Vogt das gericht.«110 1674 beschließt der Rat, dass der Vorsitzende im Gericht und bei der Hinrichtung »uss erheblichen Ursachen« nicht mehr Reichsvogt, sondern nur, seinem anderen Amt gemäß, »Herr Seckelmeister« zu nennen sei.111 Konsequenterweise richten sie nunmehr auch »im Namen der Stadt« oder, wie es ein Malefizbuch aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verkündet, »aus Kraft der Freyheiten, mit welchen diese lobliche Stadt Zürich begaabet ist, und aus Befehl und Gewalt meiner Gnädigen Herren Burgermeisters und des Raths«.112 Während Zürich im eidgenössischen Vergleich bewusst und relativ schnell, im halben Jahrhundert nach 1640, die Erinnerungen an das Reich verabschiedet, lässt sich die Limmatstadt im 17. Jahrhundert noch kaum auf die Terminologie und die Logik des westlichen Staats106 107 108 109 110 111

Schnyder, Quellen, 2, 1936, S. 604, 658, 707, 768; vgl. auch 791. StaLU A1 F6, 853. Simler, Regiment, 1577, S. 188. Wettstein, Todesstrafe, 1958, S. 104 f. Einer loblichen Statt Zürych Malefizgericht, 1629, S. A3r/v. Ruof f, Malefizrat, 1958, S. 585, nach dem Stadtschreibermanual II vom 23. September 1674; vgl. auch Simler, Regiment, 1722, S. 475, Anm. x. Zum ähnlichen Phänomen in Basel unten, S. 482. 112 Der Stadt Zürich Malefiz-Gericht, o. O., o. J. (1772?), StAZ III AAb 1, 14, Nr. 939.

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rechts ein. Selbst 1693 ist das Vokabular noch herkömmlich, als die Obervögte in einem Kompetenzkonflikt mit dem Zürcher Stadtgericht die vorangegangenen Entscheide des Großen Rates bemängeln. Dieser hat nur mit siebzehn Mitgliedern getagt, nachdem alle anderen in den Ausstand treten mussten. Auf die vögtische Anfrage, »obe sibenzehn Herren … der höchste Gewalt genennt und selbigem für gemeine Staat und Land Satzungen zuo machen überlassen werden« könnten, entgegnet der Rat mit »oberkeitlichem Missfallen«: »Obwohlen wir diser unserer Verhandlung halber niemandem als dem höchsten Gott Rechenschaft zuo gebin schuldig sind, so ist dennocht zuo unserer offenbahren Unschuld … gnuogsamb, daß wir mit diser unserer Urthel weder Statt noch Landts neuwe Satzungen fürgeschrieben, sondern einzig erlüthret, wembe die vor langsten gemachte Satzungen bei hierumb fürgefallenem Streith zuo handhaben zuostehen solle«.113 Nicht nur die Sprache der Souveränität fehlt, auch die Unmittelbarkeit zu Gott wird sogleich damit eingeschränkt, dass die Obrigkeit keine neuen Gesetze erlassen will, sondern für sich bloß die Interpretation der bestehenden beansprucht. Doch immerhin hat sie gegenüber den Klagenden deutlich gemacht, dass die höchste Gewalt nicht bei einer bestimmten Zahl Männer liegt, sondern bei einer Institution, die als solche, ohne ein Quorum handlungsfähig ist: Das Zürcher corpus politicum existiert unabhängig von denen, die es bilden.

4. Der Bürgermeister stirbt nie Die berühmte Studie von Ernst Kantorowicz hat deutlich gemacht, welche Rolle der Theorie von den zwei Körpern des Königs zumindest in England bei der Ausbildung des modernen Staatsbegriffs zukommt.114 Das Bild des corpus mysticum entstammt der christlichen Theologie und meint dort die Gemeinschaft der Gläubigen beziehungsweise die institutionalisierte Kirche (im Unterschied zum corpus verum Christi, der Hostie). Bei seiner Übertragung auf irdische Gemeinschaften, also als corpus politicum, verliert es die Unendlichkeit, welche der Kirche in ihrer Ausrichtung auf Gott eigen ist. Indem aber die kanonistische, ursprünglich auf die Papstkirche gemünzte Formel dignitas non 113 Bauhofer, Kompetenzkonflikt, 1939, S. 49 f. 114 Vgl. zum Folgenden außer Kantorowicz, Körper, 1990, S. 296–444, auch Giesey, Cérémonial, 1987, S. 9–19.

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4. Der Bürgermeister stirbt nie

moritur mit dem Satz universitas quae non moritur aus der Korporationslehre parallel gesetzt wird, erlangt auch das corpus politicum Unsterblichkeit, wenn ihm die dignitas zugeordnet wird. So wird das corpus politicum sive mysticum im römischrechtlichen Sinn als persona ficta zum zeitlich unbegrenzten Rechtssubjekt, auch wenn es realiter nur im sterblichen Körper des Königs präsent ist. »King is a name of continuance, which shall always endure as the head and the governor of the people … so that the Dignity always continues … he as King never dies, although his natural Body dies«.115 Über die Vorstellung der dignitas wird also politische Herrschaft seit dem Hochmittelalter als etwas wahrgenommen, was über die Lebenszeit des Machthabers hinaus Dauer hat. Im französischen Begräbniszeremoniell der Renaissance wird diese Vorstellung mit einer Puppe des verstorbenen Königs inszeniert. Mit dem bekannten Heroldsruf »Le roi est mort! Vive le roi« wird ausgedrückt, dass in der Herrschaft keine Unterbrechung entstanden ist. 1610 wird das Zeremoniell letztmals vollzogen, doch Louis XIII tritt schon vor dem Begräbnis sein Amt an und bringt damit die neue Vorstellung eines unmittelbaren, dynastischen Übergangs zum Ausdruck: Er ist als Sohn seines Vaters von Gott eingesetzt und von keiner irdischen Zeremonie abhängig. Auch der oben zitierte Ruf und das dahinter stehende Bild der zwei Körper wird 1611 in den Institutes Coutumières offiziell abgelöst, indem er mit »Le roi ne meurt jamais« identifiziert wird – ein Satz, der erstmals bei Louis le Roy und kurz darauf bei Bodin belegt ist.116 Die dignitas der Monarchie liegt nun nicht mehr in einem abstrakten, politischen Körper, sondern als majestas (Bodins Übersetzung von »souveraineté«) im absoluten, dynastischen Herrscher selbst, der König und Staat, Person und Symbol zugleich und insofern nur noch ein, aber ein vollkommener Körper ist. Beim Herrschaftsantritt von Louis XIV 1643 wird konsequenterweise das frühere Begräbniszeremoniell nicht mehr vollzogen. Stattdessen wird der neue Herrscher auf einem Münzentwurf als Phoenix dargestellt, der seinem Volk – vom Himmel gesandt und in reiner dynastischer Kontinuität – aus der Asche seines Vaters wieder ersteht.117

115 Aus Edmund Plowden, Commentaries or Reports, London 1816, S. 177; englisch zitiert in Kantorowicz, Two bodies, 1957, S. 408; auf Deutsch in Kantorowicz, Körper, 1990, S. 404. 116 Giesey, Cérémonial, 1987, S. 43. 117 Giesey, Ceremony, 1960, S. 177–183, 191 f.; ders., Cérémonial, 1987, S. 56–61.

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Besonders treffend ist dieselbe Symbolik, als der emigrierte Charles II seinen eigenen Namen und die Worte »ex cineribus« um den Feuervogel auf die Rückseite einer Münze setzen lässt, deren Avers den hingerichteten Charles I zeigt. Bereits 1603 hat Elizabeth I dieselbe Kombination von Herrscherporträt und Phönix prägen und die Umschrift klagen lassen, dass sie selbst im Unterschied zum arabischen Vogel keine ETERNOS DIES erleben werde.118 Die englische Königin bringt auf dieser Medaille nicht eine Stärke, sondern ein Problem der monarchischen Verfassung zum Ausdruck: ihre Inkarnation in einer natürlichen Person. Bodin ist sich dieser Tatsache durchaus bewusst, als er die »perpétuité« zu einem Kernelement seiner Definiton macht: »La souveraineté est la puissance absolue & perpétuelle d’une République.«119 Unter »perpétuelle« versteht er nicht »ewig«, sondern »dauernd«. Si on disoit perpetuelle, qui n’a jamais fin, il n’y auroit souveraineté qu’en l’estat Aristocratique et populaire, qui ne meurent point: ou bien qu’on entendist le mot perpetuel en un Monarche, pour luy et ses heritiers, il y auroit peu de Monarques souverains, attendu qu’il y en a fort peu qui soyent hereditaires … Il faut donc entendre ce mot perpetuel, pour la vie de celuy qui a la puissance.120

Bodin verzichtet im Unterschied zu vielen französischen Theoretikern darauf, die dynastische dignitas zu einer Grundlage der Souveränitätslehre zu machen. Gleichwohl zitiert er im zentralen Kapitel die – wie er sagt – gebräuchliche Wendung: »Car il est certain que le roi ne meurt jamais, comme lon dit.«121 Allerdings geht es ihm an dieser Stelle um das im Prinzip privatrechtliche Anliegen, dass ein König Verträge des Vorgängers zu halten habe. Bodin führt das »proverbe ancien« außerdem noch an, um zu illustrieren, dass der französische König weder gewählt noch vom Papst ernannt wird, sondern sein Zepter allein Gott verdankt.122 Wo der Politique Aussagen mit »le roi ne meurt jamais« illustriert, da geht es ihm also nicht um die zwei Körper des Königs, sondern um die Gottesunmittelbarkeit und Rechtskontinuität, die aber gerade wegen der Souveränitätslehre in einer Monarchie nicht selbstverständlich ist. Der Jurist sieht nämlich an einer anderen Stelle durch118 Kantorowicz, Körper, 1990, S. 383–398, 409–411, Abb. 22, 23. 119 Bodin, République, 1986, 1, S. 179 (1, 8); vgl. oben, S. 49. 120 Bodin, République, 1986, 1, S. 184 f. (1, 8); vgl. zu Bodin auch Giesey, Cérémonial, 1987, S. 61–64, 73; außerdem Lecoq, Symbolique, 1997. 121 Bodin, République, 1986, 1, S. 227 (1, 8). 122 So Bodin, République, 1986, S. 213 (6, 5).

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aus, dass eine solche Vertragstreue von Aristokratien oder Demokratien uneingeschränkt zu erwarten ist, wo nicht ein neuer Herrscher alles wieder in Frage stellt: »Le peuple ne meurt point« oder »populares quidem aut optimatum civitates quae sempiternae videntur«.123 Für Bodins Souveränitätskonzept ist die Kompetenzenkonzentration, der Absolutismus und die Gottunmittelbarkeit zentral, aber nicht die Kontinuität des corpus politicum. Dies entspricht der französischen Situation, wo – anders als in England – eine weit zurückreichende, ununterbrochene Dynastie dank den Kapetingern kein großes Problem darstellt, wohl aber die rechtliche und herrschaftliche Einheit des Territoriums.124 So gesteht Bodin die »incommoditez« beim Herrscherwechsel zwar ein, macht aber wenig Aufhebens davon. Anders sieht dies wie erwähnt in Venedig aus, wo ein verstorbener Doge im Dogenpalast aufgebahrt wird und die Signoria diesen bis zur Beerdigung nicht mehr verlässt, um zu zeigen, dass die Signoria weiterlebt, auch wenn der Doge tot ist.125 Die Unterscheidung zwischen einem sterblichen Haupt und einem unsterblichen Regierungsgremium ist in einer Aristokratie naheliegender als in einer Monarchie, erst recht weil – wie in Venedig – das Haupt nur primus inter pares und selbst ein Teil des Gremiums ist. Der Amsterdamer Bürgermeister Cornelis Pieterszoon Hooft sieht 1618 ebenso wie Spinoza 1677 die Oligarchie wegen ihrer Unsterblichkeit als der Monarchie überlegen an, und De la Court verkündet stolz für die niederländische Republik: »Mortalem Dominum non novimus« – dies ist wirkliche, nicht nur dauerhafte, sondern ewige Souveränität, die nicht auf die Fiktion eines doppelten Körpers zurückgreifen muss.126 Ähnlich wie Bodin erwartet De la Court von den »Regenten dieser Republicqen, welche noch darzu unsterblich sind unnd immer währen«, dass sie Allianzen eher einhalten werden als die »einhäuptigen Regenten«, die »sehr unbeständig unnd sterblich« sind.127 Auch Milton verkündet, dass die Monarchie zu Unrecht als sicherer und dauerhafter angesehen werde: »A Commonwealth is held immor123 124 125 126

Bodin, République, 1986, 6, S. 176 (6, 4); ders., Respublica, 1586, S. 713 (6, 4). Giesey, Cérémonial, 1987, S. 65 f. Finlay, Politics, 1980, S. 121, vgl. oben, S. 110. De la Court, Aanwysinge, 1669 (= Anweisungen, 1671), auch bei Israel, Dutch Republic, 1995, Bild 18; ders., Consideratien, 1661, S. 266; Spinoza, Tractatus politicus, 1994, S. 138: »Reges mortales sunt, concilia contra aeterna«; Secr etan, Privilèges, 1990, S. 137; Haitsma Mulier, Language, 1987, S. 182; vgl. oben, S. 125. 127 De la Court, Anweisungen, 1671, S. 247; vgl. ders., Holländisches Interesse, 1665, S. 206.

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tal; and therin firmest, safest and most above fortune: for the death of a king, causeth ofttimes many dangerous alterations; but the death now and then of a Senator is not felt; the main bodie of them still continuing permanent in greatest and noblest Commonwealths, and as it were eternal.«128 Im selben Sinn berichtet der venezianische Gesandte Padavino 1608, ein Zürcher habe ihm anvertraut, einer Allianz mit der Serenissima würde man weniger zurückhaltend begegnen als einer mit gekrönten Häuptern, da ein neuer Fürst stets Veränderungen mit sich bringe, während sich Republiken gleich blieben: Ohne außenpolitische Ambitionen und friedfertig wollen sie die Stabilität und die »libertà commune« wahren und Wort halten, »ne mutano stato per la morte di alcuno«.129 Da das körperschaftsrechtliche Universitas non moritur viel einfacher auf ein corpus politicum angewendet werden kann als auf einen Einzelherrscher, ist es eigentlich ein naheliegender Schritt, dieses corpus oder dessen Repräsentanten – die »respublica« im weiteren oder engeren Sinn – als Ausdruck ewiger »majestas« oder Souveränität anzusehen, während die einzelnen Regenten nur deren vorübergehende Träger wären. Dieser Prozess braucht aber in Zürich, wo die Obrigkeit lange rein personal verstanden wird, mehr Zeit als in Venedig oder in den Niederlanden und England. Relativ früh setzen gedruckte Sammlungen von Bürgermeisterportraits ein, die bis Rudolf Brun zurückreichen und entsprechend für viele der Dargestellten fiktiv sein müssen. Diese Tradition begründet Johann Rudolf Beyel 1577; fortgesetzt wird sie von Conrad Meyer und seinem Sohn Johannes im 17. sowie Sebastian Walch im 18. Jahrhundert. Damit wird, ähnlich wie mit den Sukzessionsbildern im Dogenpalast, die Kontinuität des Regiments durch die ununterbrochene Abfolge seiner Repräsentanten ausgedrückt.130 Während die Bürgermeisterportraits wohl bewusst recht stereotyp sind, auch hinsichtlich der dargestellten Attribute, erweist sich eine verwandte Gattung als sehr aufschlussreich für das sich entwickelnde Staatsverständnis. Seit dem frühen 17. Jahrhundert werden beim Tod eines Bürgermeisters Klagegedichte gedruckt, wie die Threnodia … in obitum luctuosiss. … Io. Rodolphi Rhonii inclytae reipub. tig. metropol. consulis consultiss. patris patriae von 1627. Analog wird dessen neugewählter

128 Milton, Easie way, 1980, S. 436. 129 Padavino, Relazione, 1874, S. 112; vgl. S. 85 und oben, S. 165 f. 130 Zu den venezianischen Sukzessionsbildern Wolters, Bilderschmuck, 1983, S. 83–85; für die ähnlich konzipierte Portraitgalerie in der Berner Bibliothek Tavel, Selbstdarstellung, 1995, S. 300–302.

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Nachfolger mit einer Gratulationsschrift begrüßt: Musa gratulatoria ad … Henricum Braemium, illustris reipublicae tigurinae consulem feliciter electum. Zumeist zahlreiche geistliche und weltliche Honoratioren verfassen dabei Gedichte in den drei alten Sprachen sowie auf Deutsch, Italienisch und Französisch, selten sogar auf Spanisch und Persisch und 1678 erstmals auch auf Englisch. Gesuchte Anagramme und gelehrte Metaphorik verbinden sich dabei mit der Exegese von Bibeltexten, weshalb diese Schriften ursprünglich noch sehr christlich gehalten sind. So spendet ein Akrostichon in der erwähnten Threnodia den Trost der Auferstehung: »Rhanius occubuit, mox redivivus erit.«131 Gott hat Johann Rudolf Rahn »durch den natürlichen todt … den Regimentsscepter beseits legen heißen« und seinen Nachfolger Bräm »durch ein richtige und ordentliche Wahl beruefft und selber auff den erledigten Regimentsstuol gesetzt«.132 Wie ein Arzt heilt der Allmächtige die Wunde, die er dem Vaterland geschlagen hat, und gibt ihm als »Cultor justitiae« einen neuen Bürgermeister.133 Wenn dieser seinen Thron besteigt, ersetzt er den alten, der nun »einen Thron im Himmel hat«.134 Der Übergang vom alten zum neuen Bürgermeister ist eine Zeit der Trauer, in welcher der Tod sein Banner errichtet hat; doch die Stadt ist wieder geheilt und beruhigt, wenn ein neuer Bürgermeister sein Amt antritt: »Zuric … reprend la Vie par la Promotion de deux de ses Heros!«135 So wird der Tod eines Bürgermeisters herkömmlich als Bruch, ja ebenso wie das Interregnum in den Monarchien als gefahrvolle Gelegenheit für Gott verstanden: Wenn er die Zürcher für ihre Sünden bestrafen möchte, könnte er darauf verzichten, ihr Gemeinwesen durch ein neues Oberhaupt wieder zu beleben.136 Die obligate Klage in den Gedichten wird gegen Ende des 17. Jahrhunderts auffällig rascher als früher durch plötzliche »jubila tanta« abgelöst, so 1678 in alliterierender Metaphorik: »Herren Spöndlins Leib … im grab nun wird zu Staub und Aeschen. Da kommet schon zu-

131 Threnodia, 1627, S. F2. 132 Musa gratulatoria, 1627, S. 4. 133 Musarum jubila, 1652, S. C4, H3; Bakofen, Hochverdiente Ehren-Säule, 1674: »Er [Gott] schlagt und heilet auch.« 134 Poetisches Gedechtnuß, 1669, S. 18; Glükwünschende Ehrengetichte, 1669, S. 33. 135 Musae helveticae, 1669, S. 85; in diesem Jahr sterben gleich beide Bürgermeister (Waser und Rahn). 136 Vgl. Bakofen, Hochverdiente Ehren-Säule, 1674; Vota syncharistica, 1678, S. S4: »Nos, Patriamque simul circumstant mille pericla; Hinc Tigurum plangit, moestitiaque gemit«; ähnlich S. D4, E2v, F3v; auch später noch, so Charitum tigurinarum, 1691, S. L, L2.

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vor auß guter Aeschen har Herr Escher hochgeehrt«.137 Und auf Italienisch begrüßt ein Giovanni Godofredo den neugewählten Heinrich Escher als »gran Fenice nel Reggio Trono«, dem Turicos Tochter, also die Stadt Zürich, das Haupt kränzt. Die Strahlen des »sol sovran« entflammen den wunderbar Tugendhaften, der (neu) zur Welt kommt, um zu herrschen (»nasci al Regno«). Di nome, e di Mistero sei Cine perfetta, Che cingi il cuor d’Vulcano, e pur non ardi: Mercè da soglio Altiero, nuova lieta, Vibri al tuo Impero, potenti i sguardi. Dall’aure, polve e fuochi, donque sapesti! Trofei d’Eternità, far nuova Fenice.138

Spöndlis Tod hat also gleichsam seinen Nachfolger im Amt geboren: Das Wortspiel Escher/Asche und den sporadisch schon früher belegten139 Mythos von Phönix lassen sich die gebildeten Zeitgenossen umso weniger entgehen, als im Laufe der folgenden Jahrzehnte etwelche Escher das Bürgermeisteramt antreten. Auch Johannes Kägi, Pfarrer in Maschwanden, greift den Mythos auf, um Eschers Nachfolger Andreas Meyer vorzuführen, dass aus der Asche des Phönix »ein neuer Leben gwünnen« kann: Nicht nur wird Escher selbst aus seiner irdischen Asche beim jüngsten Gericht wieder auferstehen, sondern »auch jetzt ist er nicht todt, sein Aeschen zeigt die Frucht, Die Zürich nunmehr sicht. Und bey Herr Meyer sucht. Was erst gefallen war, ist freudig auferstanden. … Die Aesche grünt und blüht, Da auß derselben nun ein Meyen herfür zieht.«140 Der politische Escher ist nicht tot, da aus seiner Asche mit Meyer ein maienhafter Frühling des Zürcher Staats entspringt. 137 Vota syncharistica, 1678, S. J3v. 138 Vota syncharistica, 1678, S. Q1; Übersetzung: »Dem Namen und dem Geheimnis nach bist du vollkommene Asche, der du Vulkans Herz umarmst und doch nicht brennst. Dank deinem hohen Thron, schwingst du, erneuert und froh, zu deinem Reich, mit mächtigem Blick. Aus Luft, Staub und Feuer verstandst du also einen neuen Phönix zu schaffen, ein Denkmal der Ewigkeit!« 139 1627 wird bei einem Gedicht auf Bürgermeister Bräm Phönix erwähnt; diesen Hinweis verdanke ich Regula Weber-Steiner. 140 Musarum applausus, 1696, S. 65; zu Phönix dort auch S. 101 sowie (o), nach S. 148; ebenso Glükwünschungs-Gedichte, 1710, S. 22; auch Musarum Euphemiae, 1710, S. 58, 67 f.:; Gentis ONHI , 1711, S. 1 f., 7 f., 17, 22 f., 38, 56–58, 75 f., 108; Historischer Mercurius, 1710, S. 223 (März). Bei Johann Jacob Escher bezieht sich der Phönix eher auf die familiäre Verbindung zu seinem Vater als auf das Bürgermeisteramt an sich. Vgl. auch Gratulatio, 1723, S. 37.

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Der Phönix ist nicht nur ein heidnisches Symbol der Unsterblichkeit, sondern in der christlichen Urkirche auch eines der Auferstehung und damit von Christus. Darauf spielt auch der Bischofszeller Pfarrer Johann Ulrich Bakofen in einem anderen Gedicht an: Nach seinem »Trauer-Streich«, nämlich Spöndlis Tod, »hat Gott am dritten Tag uns widrum lassen sehn Den, welchen Er erhöht, zur BurgermeisterStelle«.141 Sein Amtsbruder Johann Ulrich Holzhalb spricht dem ewigen Feuervogel als weitere Eigenschaft Christi die keusche Reinheit zu, da er sich nicht zu paaren braucht.142 Umgekehrt präsentiert der zukünftige Antistes Anton Klingler 1681 in seiner Antrittsrede an der Predigerkirche den Gesandten Gottes, also sich selbst, als »Ambassadoren« mit einem »himmelischen Creditif- und Beglaubigungs-Brief« des allmächtigen Monarchen – ebenso wie nur Könige und »Republicen, die in ihrem Reich den höchsten Gewalt und Majestät haben«, Gesandte ausschicken können. Funktion für Funktion vergleicht der Theologe das instruktionengemäße Wirken von – anstelle des Souveräns – irdischen Ambassadoren und – an der »Stell Christi« – geistlichen Lehrern und Predigern.143 In einer solchen Metaphorik wird der Staat zu Gott und Gott zum Staat, beide ewig und souverän. Entscheidend ist also ab dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts nicht mehr die den Zürchern geschlagene Wunde, das hilflose Staatsschiff ohne Steuermann, sondern der trostreiche »Regenten-Baum, den Gott von langem har Im Garten unsers Lands gepflanzet«. Wie Nebukadnezars Königsbaum in Daniel, 4, 7–9, ragt auch der »HerrschafftBaum der Obern unsers Lands« bis zum Himmel, von dem er herrührt, und ist so dick und mächtig, weil er »bey dreyhundert Jahren«, nämlich seit 1335, als »ein großen Gwalt mit Gsäzen und mit Schwert« das biedere Volk beschützt und die Feinde vertreibt. Zwar schneidet Gott bald diesen, bald jenen Ast ab und soeben am Gipfel denjenigen des Herrn Spöndli, doch der Baumstamm selbst bleibt bestehen »aufrecht und ohnversehrt«.144 Neben dem sterblichen Regenten gibt es den ewigen »großen Staatsbaum«, nicht mehr als bloßen Richter, sondern mit legislativer und exekutiver Gewalt, mit Gesetz und Schwert.145 Die 141 Vota syncharistica, 1678, S. O4; auch separat gedruckt als Hochverdienter Ehren-Thron. 142 Gentis ONHI , 1711, S. 23. 143 Klingler, Gesandte, 1681, S. 2, 4, 13; die Predigt geht aus von 2. Kor. 5, 20: »So sind wir nun Gesandten an Christi Statt.« 144 Vota syncharistica, 1678, S. H3-J; für den Baum als Esche Charitum tigurinarum, 1691, S. D1r/v, G4, M4-N. 145 Für den »Staatsbaum« Musarum applausus, 1696, S. 66; vgl. auch Musarum Euphemiae, 1710, S. 62.

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Freiheit, den Herrscher zu erwählen, ist Gottes eigenes Privileg, und von ihm – nicht aus einer irdischen Quelle – stammt die analoge »Freyheitsgaabe, wann durch gefreyte Wahl zukomt der Herrschungsstabe«. Während die Erbherrschaft schlechte Fürsten und Unterjochung mit sich bringt, kann Zürich dank Gottes Gnade das Interregnum selbst überwinden, indem es sich den Besten zum Haupt erwählt, wie es der Allmächtige ebenfalls will: Der Bürgermeister ist damit Zürich gleichzeitig »von Gott selbs zugestelt«.146 Nicht die Dynastie ist von Gott gegeben, denn eine vorgegebene, ewige Herrscherfolge würde Gottes Freiheit beschneiden, was für gute Protestanten nicht zulässig ist. Dagegen ist die von dem und für den Weltenherrscher vollzogene Wahl der Beweis, dass eine Obrigkeit unmittelbar von Gott herstammt, ja dass er die Bürgermeisterwürde von einem »Unter-Gott« als seinem Statthalter ausüben lässt!147 Als 1691 Johann Caspar Escher zum zweiten Bürgermeister gewählt wird, begrüßt ihn die personifizierte »Statt Zürich« als Zier und Krone auf ihrem Haupt. Doch andererseits ist es Gott, der die »Krone dieses Staats auf ein geheiligtes Haupt« setzt – der Bürgermeister gehört zum corpus politicum und ist gleichzeitig vom Weltenherrscher als sakraler Repräsentant darüber erhoben. Die neue Vorstellung schlägt sich auch in der Wortwahl nieder, insofern Escher »freudig des Staates Steur-Ruder« ergreift: Mit dem neuen Fremdwort »der Staat« und nicht länger mit »die Statt« wird nun benannt, was das Ewige und Einheitliche in der Zürcher Politik ist.148 Antistes Klingler hat bereits in einer Ende der 1670er Jahre in Hanau verfassten und 1690 gedruckten Disputation die reichspublizistische Unterscheidung von majestas realis und personalis auf die Demokratie angewandt. Die majestas realis ist demnach die Souveränität, die beim Volk im unverfassten Zustand liegt und sich im Staat zugunsten des allgemeinen Wohlergehens einer majestas personalis unterwirft. Sie falle aber an das Volk zurück, wenn der Fürst sich als Mörder und Gegner der Fundamentalgesetze entpuppe, wie dies die alten Eidgenossen und die Niederländer erlebt hätten.149 Die reichspublizistische Differenzie146 Musarum applausus, 1696, S. 7 f., von Johann Heinrich Zeller, Pfarrer im Fraumünster; vgl. auch Vota syncharistica, 1678, S. M4, von J. H. Fries. 147 So der Pfarrer Johann Ulrich Backofen in Musarum applausus, 1696, S. 64. 148 Charitum tigurinarum, 1691, S. E2, G2, L; vgl. Gentis ONHI , 1711,S. 35: »Da wird dann alles glücklich seyn Der Staat, die Statt und Land und alles Volck darinnen, Die Kirche …«. Auch das lateinische »status« wird im Sinne von Staat gebraucht, vgl. Musarum applausus, 1696, S. 24: »committuntque Status moderamen habenas«. 149 Klingler, De Majestate, in: ders., Dodekas, 1690, S. 251 f. (Traktat XXIII).

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rung ist eine hilfreiche Voraussetzung, um im sterblichen Träger der personalen Majestät einen Repräsentanten ewiger, realer Majestät zu sehen, und so greift denn Klingler in einem Totengedicht den Apollokult auf, der gleichzeitig dem Sonnenkönig, aber auch Kaiser Leopold so lieb ist.150 Ein Phoebus ist gestorben, 1696 Heinrich Escher, doch »alter obortus adest«: Andreas Meyer, und so bete man, »ut surgens Phoebus sit diu inocciduus«. Escher hat seinen Lauf beendet, doch dank Anagrammen tritt nun Meyer als neue Sonne seine Reise an. Die Sonne scheint ewig, obwohl sich die Erde vorübergehend verdunkelt, wenn – beim Tod eines Bürgermeisters – ein Lenker den Sonnenwagen dem nächsten übergibt. Du, Zürich, brauchst nicht zu weinen: »Occubuit Sol, nulla nocte secuta. Alter fulget adhuc Tibi Sol sub Sole supremo«. Du kannst beruhigt sein, »daß nimmer untergehe Die Sonne deines Staats bey dir«.151 Ein ähnliches Bild bietet die bereits erwähnte Anspielung auf den Namen des 1696 neugewählten Bürgermeisters: die Maienblume, die im Frühling wieder erblüht und »in unsers LandesGarten … in vollem Blust und Glantze Ein Edle Königs-Kron« abgibt.152 Die Parallele zum gekrönten Souverän macht dann der spätere Pfarrer Johann Kaspar Hardmeyer vollkommen, indem er sich auf Bodins Formulierung in Kapitel 1, 8 (»Francorum Rex immortalis«) bezieht und dichtet: Herr Meyer ist der Held, der deinen Staat wird ziehren Mit Weißheit, Trost und Raht, der deine Heerden führen Wird weisem Escher nach und großem Escher gleich Zu deinem Schuz’ und Nuz, O liebes Limatreich! Ey rüemt sich je ein Volk, sein König niemal sterbe; Der dennoch sterblich ist; so hat dir dises Erbe Dein Gott auch vest gegründt! Es steht dein Trohn aufrecht Und sizt dein Fürst darinn, ob gleich Gott hat geschwächt, Was in dir sterblich war!153 150 Vgl. die Darstellungen in Burk e, Louis XIV, 1995, S. 50, Abb. 9; S. 69, Abb. 15; S. 230, Abb. 74. 151 Musarum applausus, 1696, S. 3, 16, 56, 132; vgl. auch S. 36 und für die Sonnenmetaphorik S. 43–45, 53–57, 62, 131–134. Sie erscheint erstmals 1637 in einem Gedicht auf Bürgermeister Hirzel. Den entsprechenden Hinweis verdanke ich Regula Weber-Steiner. 152 Musarum applausus, 1696, S. 35; vgl. auch S. 37, 39, 117 f., 128–130, 142 f. und passim zu Anspielungen auf den Monat Mai. 153 Musarum applausus, 1696, S. 82; auch als Einzelblatt gedruckt unter dem Titel Zürichklage über den tödlichen Hintritt des … Hn. Joh. Kaspar Eschern … des … Herren Andreas Meyers … zu einem neuen Haubt und hochansehnlichen Hrn. Burgermeister Loblicher Stadt Zürich beforderter Trost, Zürich 1696.

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Was sterblich ist, wird stets vergehen, doch Gott erhält dessen ungeachtet den Thron, den Staat, das Reich aufrecht, indem er sofort wieder einen Herrscher, ja Fürsten bestellt. Mit Hardmeyers Gratulationsschrift ist die Anpassung an die monarchische westliche Staatslehre in Zürich an einem entscheidenden Punkt: Der Bürgermeister ist von Gott eingesetzter Fürst mit Thron und »Cron«, aber zugleich gewählt in und von einem freien Regiment, und nur der physische Repräsentant eines zeitlich unbeschränkten republikanischen Staats. Zürich offenbart sich als eine Dynastie von Bürgermeistern, deren Aufzählung man in den Gratulationsgedichten erstmals 1696 zuhanden von Andreas Meyer findet.154 Verstärkt wird der dynastische Aspekt dadurch, dass im Zeichen der »Oligarchisierung« vermehrt Vertreter von Familien zu höchsten Würden gelangen, die ihre Vorfahren auch schon besetzt haben: »Da dann nach Gottes Raht Herr Escher wurd gesetzet Auf seines Vatters Thron«.155 Indem Johann Ludwig Hirzel wie sein Vater und Großvater Bürgermeister wird, erhält auch er die Ahnen am Leben: »Herr Salomon hier lebt, Herr Kaspar kan nicht sterben, So lang dir solche Söhn, o Zürich! stehn bereit Zu gehen an das Steur.« Wahrer Adel zeigt sich in der Nachahmung dieser Vorfahren in Kunst, Wissenschaft, Regierung und Armee. Verdientermaßen ziehen die »Tugenderben« in den Stand der Eltern ein.156 Da eine solche aristokratische Kontinuität gesichert ist, verliert nun aber auch das Interregnum seinen Schrecken, selbst wenn Hirzel, am 22. April gewählt, bereits am 5. Mai 1710 wieder stirbt. Nicht mehr das verzweifelte Zürich, sondern der auf dem Höhepunkt des Lebens glücklich Abberufene prägt nun das Bild der Gedichte. Während er Trost findet im ewigen Leben, das ihm nun vergönnt ist, kann sich die Stadt auf Gott verlassen: »Wann eine Sonn vergeht, thut er dieselb ergänzen Mit einem andren Liecht, das leuchten soll’ auf Erd«.157 David Holzhalb folgt nun auf den Thron, und in ihm »dein Escher wird und Hirzel neu belebt«.158 Wie Sonne und Mond sich zwangsläufig abwechseln, so schlägt der Tod stets von neuem die »Imperia, Regna, Respublicae, Societatesque hominum«, indem er ihnen die »Soles Politicos,

154 Musarum applausus, 1696, S. 87 f., 96. 155 Gentis ONHI , 1711, S. 16; vgl. auch die Formulierungen bei Musarum Euphemiae, 1710, S. 18 f. 156 Har dmeyer, Zürichs Traur, 1710, S. 9. 157 Glükwünschungs-Gedichte, 1710, S. 69; vgl. 52–54, 71–73, 78 f.; für die Sonnenmetapher auch S. 83, 85 f. 158 Musarum Euphemiae, 1710, S. 39.

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Astraque Civilia« raubt; doch das nächste heroische Gestirn glänzt schon umgehend am Firmament: »Stella cadit subito, stella redit subito«. Auch für die Zukunft braucht man sich keine Sorge mehr zu machen, sondern kann bereits bei der Gratulation zur Wahl verkünden: »Und wann Herr Escher alt als Phoenix sich legt nider, So schenck auß seiner Esch, o Gott, ein Phoenix wider.«159 Die aus Tacitus, Annalen 3, 6, 3, entnommene Gewissheit »Principes mortales, Rempublicam vero aeternam esse« steht am Anfang der Gratulationsschrift, mit der David Holzhalb 1711 Johann Jacob Escher als neuen Bürgermeisterkollegen empfängt. Als Christ behält er die Ewigkeit zwar Gott vor, doch im »sensu castigato« hätten die Römer mit Tacitus durchaus richtig geurteilt. Damit vollzieht der Bürgermeister im doppelten Sinn von »Respublica« einen entscheidenden Schritt: Die Republik ist – im Unterschied zur Fürstenherrschaft – unsterblich, und ebenso unsterblich ist – im Unterschied zu seinen führenden Amtsträgern – der Staat. »Der Meyen wird zu Aesch, die Aeschen zu dem Meyen des Regiments« – das Regiment bleibt und erlebt in der Asche ihren Frühling, wenn die Amtsträger sich ablösen. »Tradidit ESCHERUS MEIERO lampada, tradit ESCHERO hic idem nunc obiturus, eam!« – hier findet sich das Bild des Feuers, das übertragen wird und bereits auf Füsslis Frontispiz zur Simler-Edition von 1722 begegnet ist (oben, Abb. 16).160 Die Dauer des Staates, Bodins »perpétuité«, wird zugleich auch in einen Zusammenhang mit seiner Freiheit gestellt und im Wahlprinzip begründet: »Freyer Wahlen edle Frucht, die niemahlen Fehl geschlagen«, kürt die Atlasse, welche sich beim Tragen der schweren »Landes-Last« ablösen. Heinrich Gessner illustriert 1710 die Überlegenheit des Wahlprinzips über die Erbherrschaft an antiken und modernen Tyrannen, wogegen die Wahl solche treffe, »die zwar nicht der Sünden frey, doch vom scharpfen Laster-Gift Nicht so greulich sind verderbt. Griechenlandes freye Stände, Rom, Venedig und Holland, welche bis zum Erden-Ende Ihre Herrschaft fortgerukt, und auch unsre Eidgnoßschaft Welche fort und fort besteht durch des Höchsten große Kraft, Zeigen dieses Sonnenklar.« Um 1700 dominiert auch nicht mehr die frühere, rein christliche Fürbitte für den Verstorbenen, seinen Nachfolger und das Gemeinwesen, sondern sie werden in einem historischen Zusammenhang ge159 Gentis ONHI , 1711, S. 76. 160 Gentis ONHI , 1711, S. 1, 56, 74; ebenso dann Musa gratulatoria, 1719, S. 26: »Nec nisi Jacobi [Huldrice] canos ubi videris annos, Hanc Successori lampada trade pari!« Zur Lampe vgl. oben, S. 183.

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sehen, als Wahrer der dreihundert Jahre alten Brunschen Verfassung, aber auch des »freyen Stands«, »den unser dapfre Alten mit Schweiß und Blut erlangt, von Zeit zu Zeit vermehrt, Mit Faust und Wehr beschützt, der Feinden Heer umkehrt«.161 Besonders hervorgehoben wird auch der Friede, der im Lande herrscht, während rundum Kriege toben.162 Der Blick gilt auch nicht mehr nur dem eigenen Kanton, sondern stark zunehmend »Helvetiae, cunctis hostibus usque stupor«.163 Aus einer republikanisch überhöhten Schweizergeschichte ziehen die herrschenden Familien ihren Ruhm, wenn sie wie die Escher schon 1499 ihren ersten Bürgermeister gestellt haben, »da der Keiser samt den Schwaben einen Krieg hat angefangen, Um die Schweizer außzurotten, einen Stähl’nen Bundt gemacht Und um Freiheit Gut und Leben zubringen hat getracht.«164 Neben diesem weiter gefassten Vaterland treten außerdem die antiken, republikanischen Heroen von Solon bis Cato, die im 17. Jahrhundert noch kaum erwähnt worden sind, um jetzt regelmäßig als Parallelfälle die Taten des Bürgermeisters zu illustrieren.165

5. Regentenspiegel und politische Ethik Verwandt mit den Trauer- und Gratulationsschriften, manchmal auch in ihnen enthalten, sind die Zürcher Regentenspiegel. Wohl die ersten verfasst der Griechisch- und später Theologieprofessor Marcus Beumler 1608 und 1610 für die vor kurzem gewählten Bürgermeister Johann Rudolf Rahn beziehungsweise Leonhard Holzhalb. Dynastische Sukzession, so Beumler, gelte zwar allgemein als besser, doch die freie Wahl »sonderlich in einem freyen Volck« sei bequemer und in »vil Weg erwünschter«, da sie ein Zeichen sei »der lieblichen Freyheit eines Volcks: dero alle menschen von Natur begirig sind«; auch sollte, wer 161 Musarum applausus, 1696, S. 32 f., 40 f. (zu Brun). 162 Vgl. dazu oben, S. 274–277. 163 Glükwünschungs-Gedichte, 1710, S. 16; Har dmeyer, Zürichs Traur, 1710, S. 6; Gentis ONHI , 1711, S. 5: »Consule Rei nostrae, Consule & Helvetiae!«; Musa gratulatoria, 1719, S. 31: »Ter fortunatam liceat Te Consule dici Urbem, non Romam, Tigurum sed nobile vestrum, Helvetiamque simul totam, discrimine nullo.« 164 Gentis ONHI , 1711, S. 92. 165 Vgl. etwa Har dmeyer, Zürichs Traur, 1710; Glükwünschungs-Gedichte, 1710, S. 72; Gentis ONHI , 1711, S. 55, 100.

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ein ganzes Volk regiert, vom ganzen Volk gewählt worden sein.166 Das Wahlprinzip macht also für Beumler das Wesen eines freien Regiments aus; im Übrigen gilt aber dort dieselbe, unbedingte Gehorsamspflicht wie in allen anderen Staatsformen. Wenig später, 1618, erscheint die erste Zürcher Schrift, in der die Souveränitätsidee aufgegriffen wird, eine Disputatio politica an princeps sit solutus legibus, die der reformierte Veltliner Bartolomeo Paravicini bei Johann Rudolf Lavater verteidigt – vermutlich mit italienischenVorkenntnissen, die sich auch in der Polemik gegen Machiavelli niederschlagen. Paravicini versteht unter »princeps … omnem Magistratum, qui nihil supra se, nisi Deum agnoscit, nec cuiquam rationem reddere tenetur nisi uni, & soli Deo, sive hic Magistratus penes unum sit, sive penes multos«. Ob katholische Fürsten dies für sich beanspruchen können, wenn sie den Papst in geistlichen Dingen über sich anerkennen, bezweifelt Paravicini; dafür spricht er diese Gottunmittelbarkeit dem englischen König, den evangelischen Fürsten, den Niederlanden und – »ex parte« – den Eidgenossen zu, nämlich den reformierten. Jeder Herrscher bleibe an das »jus naturae seu gentium« gebunden, ebenso an Verträge und die Fundamentalgesetze, die Felipe II gebrochen habe. Dagegen ist die Obrigkeit den »leges mere civiles« nicht unterworfen, die allein für die Untertanen erlassen werden und die er »ex plenaria potestate & authoritate tollere, mutare & augere potest«, auch wenn er sich ihnen am besten freiwillig unterwirft.167 Diese Disputation, welche die Souveränitätsidee für die konfessionelle Polemik aufgreift, bleibt in Zürich lange Zeit singulär. Der Appell an christliche Tugenden, mit der Frömmigkeit und Gerechtigkeit als Kern, bleibt bis ins 18. Jahrhundert obligat und wird gelegentlich durch Polemik gegen Machiavelli oder Flüche auf Hobbes und Spinoza unterstrichen.168 Bei der Gegenüberstellung von Obrigkeit, die sittlich sein soll, und Untertanen, die gehorsam sein müssen, weil sie Vorge-

166 Beumler, Contrafactur, 1610, S. 7–9 (mit Verweisen auf Plinius und Tacitus). Bürgermeister, die »weise, tapffer, Gotts-forchtig, und dem Geitz feind sind«, stellen offenbar einen Topos dar, der etwa wieder bei Walch, Portraits, 1756, S. 17, auftaucht. 167 Lavater/Paravicini, Disputatio, 1618, S. A2v, These 10; B3, These 42. 168 Vgl. die Tafeln 4 und 5 bei Meyer, Spiegel, 1652; unter besonderer Betonung der salomonischen Gerechtigkeit Regenten-Kleinodt, 1659; Johann Wilhelm Simler in Musarum jubila, 1652, S. K4; Plausus secundi, 1659, S. D4-G4; Grob, Gewalt, 1681; Musarum applausus, 1696, S. 37: »Nec Machiavelli plegmata dira fovens«; S. 80: »Verflucht Hobbesium!«; auch Musarum Euphemiae, 1710, S. 7; ferner Gentis ONHI , 1711, S. 51, 77–79; Musa gratulatoria, 1719, S. 10 f.

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setzte brauchen, sind Verfassungsunterschiede weitgehend irrelevant: »Also die Unterthanen eines Königreichs, Fürstenthums, Graffschafft, Herrschafft oder freyen Regiments sind zwaren der Glideren vil, machen aber nur ein Corpus, einen Leib, und so diser Leib kein Haupt hat, so ist es kein vollkommen, gantzes und beständes Regiment.«169 In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts beginnt allerdings diese in der Gehorsamspflicht begründete fundamentale Gleichheit aller staatlichen Ordnungen an Bedeutung zu verlieren und nicht zuletzt über die Besinnung auf die Geschichte der Eidgenossenschaft wird auch ihre Verfassung zusehends als außergewöhnlich und besonders schützenswert empfunden. Eine wichtige Rolle spielt dabei der hochbegabte Orientalist und Polyhistor Johann Heinrich Hottinger, der als Professor am Carolinum eine große Zahl von anhänglichen Schülern zurücklässt, als er noch relativ jung, 1667, bei einem Bootsunglück stirbt. Kurz davor hat er den Ruf an die Universität Leiden angenommen, und von den eigenen Studien und kirchlichen wie politischen Kontakten her hat er sich den Niederlanden stets sehr verbunden gezeigt. Das führt auch dazu, dass Hottinger indirekt den Zugang zu Descartes vermittelt, über den früheren Leidener Studienkollegen Anton Studler, den Spross einer emigrierten Zürcher Familie. Studler bringt Zürcher Studenten mit dem französischen Philosophen in Verbindung, nachdem sie Hottinger an niederländische Universitäten vermittelt hat, lässt über diesen aber auch die Werke von Descartes Bürgermeister Hirzel und anderen Freunden zukommen.170 Allerdings sind das Schriften, welche die reformierte Orthodoxie in der Schweiz immer vehementer ablehnt, umso mehr, als sie selbst ihre eigene Position im radikalen Prädestinationsglauben der Formula consensus von 1675 noch einmal versteift. In ihrem Kampf gegen den Cartesianismus, das kopernikanische Weltsystem und die empirische Naturforschung verteidigt die Orthodoxie ein festes, auf Aristoteles und Ptolemäus gegründetes Lehrgebäude und bekämpft die neuen Lehren auch mit Verboten. Sie seien sogar, so predigt ein empörter Zürcher Pfarrer, nach dem alttestamentlichen Prinzip »Auge um Auge, Zahn um Zahn« auszurotten.171 Solches Eifern ist Hottinger fremd. Er erweist sich als konsequenter, wenn auch behutsamer und wenig spektakulärer Kritiker von Überlie169 Hottinger, Anatomey, 1677, S. 3. 170 Zu Studler Stelling-Michaud, Freund, 1981. 171 Fueter, Geschichte, 1941, S. 22; vgl. dort auch S. 14–44, sowie HoiningenHuene, Schweiz und Holland, 1899, S. 37.

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ferungen und Denktraditionen. Seine Methodus legendi historias Helveticas von 1654 weist einer ganzen Generation, die unter dem Eindruck von Hottingers Ruhm und Persönlichkeit heranwächst, den Weg zum systematischen Studium der Schweizer Geschichte. Hottingers historische Interessen schlagen sich dementsprechend nicht nur in einer neunbändigen Historia Ecclesiastica nieder, sondern auch im säkularen Speculum Helvetico-tigurinum von 1665. Darin schildert der Universalgelehrte die lokale (und die eidgenössische) Geschichte als Rückkehr zur ursprünglichen Freiheit, wie sie die alten Tiguriner (und Helvetier) vor Christi Geburt bereits in der Form eines »regimen populare« besessen haben, die dann aber unter den Römern, Franken und Reichsvögten – unterschiedlich – eingeschränkt gewesen ist. Mit dem von Rudolf Brun 1336 errichteten »Fundamentum hujus Reipublicae«, vor allem aber mit dem Anschluss an die Eidgenossen im Jahr 1351 sei man zu den freien Anfängen zurückgekehrt: »Quo intervallo Rempublicam habemus liberam, primaevo statui redditam«. Als Ausweise dieser »Respublica libera« nennt Hottinger durchaus im Sinne Bodins, wenn auch in einer eigenwilligen Hierarchie, die »Libertas 1. rei monetalis, facultas nempe cudendi nummos majores 2. Creandi Senatum 3. Ferendi Leges Civiles 4. Mutandi Reipublicae formam 5. Pangendi foedera, tum perpetua, tum ad tempus duratura«.172 Auch die Exemtion von 1648 ist für Hottinger, gegen einzelne Reichspublizisten, eine Bestätigung der ursprünglichen Freiheit. Diese ist für Hottinger weit wichtiger als das Alter der Stadt, ihre Gründung durch Thurico oder die Legende von Felix und Regula; er referiert zwar beides, macht aber seine Vorbehalte deutlich.173 Die Skepsis gegenüber der Überlieferung verbindet sich bei Hottinger mit einer Aszendenztheorie im Geschichtsbild, das mit der Befreiung von den Vögten im 13. Jahrhundert losgeht und im frühen sechzehnten Jahrhundert darin gipfelt, »ut universa Helvetia, sic patria quoque nostra, ad apicem felicitatis pervenerat. Pacata erat, tranquilla, honorata, ab ijs etiam, qui in ejus antea interitum conspirarunt, amice & liberaliter tractata«.174 Voraussetzung dieser Erfolgsgeschichte ist der ewige Schweizerbund, wie Hottinger ihn 1650 in einem anoymen Wexelschryben dreyer politischer personen gegen diejenigen verteidigt, »so under dem schyn der Religion hin und har zwytracht anzustifften understehend«, aber es letztlich bloß auf das »edle Kleinot der lyblichen 172 Hottinger, Speculum, 1665, S. 102, 107. 173 Hottinger, Speculum, 1665, S. 152–156, 496, 550, 555. 174 Hottinger, Speculum, 1665, S. 575.

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Freyheit« abgesehen hätten. Darum »lasse man einen jeden by syner Religion unverlümdet passieren«, bis Gott selbst kommt und entscheidet. Die fiktiven, beiden Konfessionen angehörenden Briefschreiber fordern in Hottingers Flugschrift anstelle von polemischen Streitschriften eine »Theologia Practica«, die zu rechter Gottesfurcht und eidgenössischer Eintracht hinleite – und interpretieren en passant die Exemtion als »vollkommene und von aller außdingung gesicherte freyheit unnd Souverainitet«.175 Auch am Ende seines Irenicum helveticum von 1653 zitiert Hottinger ohne eigentlichen Zusammenhang den 6. Artikel des Osnabrücker Friedens. Völlig neuartig, zumal bei einem Theologen, ist die Trennung der eidgenössischen »leges fundamentales« von der Konfession: Hottinger führt aus, dass die Schweiz nie friedlicher, ruhiger und unabhängiger gewesen sei als in den Zeiten, seitdem sich zwei Bekenntnisse gegenüberstehen. Zuvor habe das Ausland dagegen die Eidgenossen beschimpft und verspottet.176 Hier bei Hottinger findet sich, nach Abschluss des Dreißigjährigen Krieges, die Wurzel für die neue, säkulare, historisch wie staatsrechtlich sensibilisierte Schweizer Selbstdeutung. Nicht die innerlich zerrissene Eidgenossenschaft, sondern das – gerade wegen des konfessionellen Patts – vom Krieg verschonte Völkerrechtssubjekt wird dabei Gegenstand der Reflexion: Die alte Klage über die moralische Degeneration weicht der Zuversicht in die bewahrende Gestaltungskraft einer säkularen Politik. Während nach dem Kriterium »Gehorsam« jede funktionierende staatliche Ordnung gleichrangig gewesen ist und nach dem Kriterium »Rechtgläubigkeit« jede der eigenen Konfession, bringt das Kriterium »Freiheit« neue Hierarchien mit sich. Der Pfarrer Conrad Burckhart fragt im Regenten- und Underthanen-Spiegel von 1669, »was edler, theurer gaab und gutthat Gottes es seye, wann ein Volck Regenten und Oberen hat auß ihm selbs, ja dieselbe selbs erwehlen und über sich setzen darff«. Es bedeute doch einen qualitativen Unterschied, dass »nicht etwan der Keyser, ein König oder Fürst, sonder … Constaffel und die XII. Zünfft, der Außschuß der Burgerschafft, hiemit wir selbs auß uns selbs« den Bürgermeister küren. »Dise freiheit haben heutigs tags gar wenig Völcker«, und auch Zürich hat sie nicht von jeher, sondern erst seit gut drei Jahrhunderten: »Wir haben unsere Regenten und Oberen auß uns selbs, und haben selbs gewalt, sie zusetzen, ja auch wider abzusetzen, da sie sich nicht recht verhalten wurden. Ist es

175 Hottinger, Wexelschryben, 1650, S. 2 f., 6, 11, 28. 176 Hottinger, Irenicum, 1653, S. C3r/v; C4v.

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dann nicht ein unaußsprechliche freiheit?«177 Die »aurea libertas«, die den meisten verwehrt ist, erfülle – so Johann Wilhelm Hofmeister – Zürich und die Schweiz wie der Krieg die übrige Welt.178 Diese friedliche Stabilität wird zusehends als Folge der eigenen, Gott besonders willkommenen Verfassung angesehen, die den Winterthurer Pfarrer Jacob Meier auch für die Zukunft zuversichtlich stimmt: »Du [Zürich] nimmst nicht Könige ohn deinen Gott im Himmel, noch setzest Fürsten dir, daß Er nicht darvon weißt: Du schreit’st zum Wahlen nicht mit rasendem Getümmel«.179 Meier grenzt sich doppelt ab: gegen die Einzelherrschaft ebenso wie gegen die Tumulte der (Landsgemeinde-)Demokratie. Die Freiheit steht jetzt da als höchstes Gut, das aber von Gott nur wenigen zugestanden wird.180 Vergessen sind die kaiserlichen Freiheiten, auf die sich die Zürcher im 16. Jahrhundert berufen haben: Die eine Freiheit genießen sie nun, als exklusives Privileg von Gott, das Bestand hat dank und in der eigenen Herrschaft. Auch die Mandate zum Bettag, der seit 1619 in Zürich und seit 1639 gemeinsam mit den anderen evangelischen Orten im September begangen wird, zeigen diesen Wandel.181 Die Bettagsmandate sind gleichsam »amtliche Proklamationen« und stark standardisiert; sie enthalten allgemeine Hinweise auf die Gefahren der Zeit, aber keine aktuellen Bezüge.182 Das ändert sich jedoch 1687, als die Verfolgung der Hugenotten in Frankreich und der Waldenser im Piemont die Zürcher aufschreckt. … der grundgütig und erbarmende Gott [hat] bey denen und wider um sich fressenden verderblichen Kriegsflammen auß großen unverdienten gnaden nicht allein unser allgemeines Vatterland, und uns alle in demselbigen bis dahin so Vätterlich erhalten, daß wir alß ein Wunderspiegel seiner Langmüthigkeit vor vilen andern Völkern auß, annoch immerhin eines sichern unbetrübten Ruh- und Wolstands, reinen gesunden Lufts, und des unschätzbaren Kleinots der zweifachen Seelen und Leibs-Freyheit so erfreulich geniessen können: hingegen aber zugleich Unsere gedancken gerichtet auf den traurigen und jammerhaften zustand der lieben Kirchen Gottes, welche in jüngstverflossenem Jahr hin und wider um der heiligen Bekanntnuß willen seines ewigen Worts auf die eusserste prob, sonderlich in denen Piemontesischen

177 178 179 180 181

Burckhart, Predig, 1669, S. 5–7. Charitum tigurinarum, 1691, S. H3. Vota syncharistica, 1678, S. G4. Musa gratulatoria, 1719, S. 16. Zum Bettag Schaufelberger, Bettag (1920), S. 28–30; auch Maissen, Herren Tag, 1997, S. 231. 182 Schaufelberger, Bettag (1920), S. 65–68, 84.

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Thäleren in einen erbärmlichen zustand gesezet worden, daß die gäntzliche außlöschung oder wenigst eine höchst nachdenkliche verruckung dises sehr alten Leuchters nunmehr würklich vor Unseren augen schwäbet«.183

Das »unschätzbare Kleinod der zweyfachen Seelen- und Leibfreyheit« ist im Mandat von 1686 noch nicht erwähnt worden, wird es nun aber in den folgenden Jahren.184 Die Vorgänge in den Nachbarländern der Eidgenossenschaft machen den Gegensatz zwischen dem eigenen Glück und dem Schicksal der anderen überdeutlich und werden zusehends generalisiert.185 Die Obrigkeit inkarniert zu Beginn des 18. Jahrhunderts aber nicht nur »die Freyheit unsrer Leuhten« und die obligate Gerechtigkeit, sondern sie ist nun »aller Völkern Ruh, … Ein Schuz des Vatterlands, die Vormaur aller Hab, die Vorsorg aller Müh, ein Außgang aller Streiten, Der Menschen Lust und Freud, der armen Trost und Stab, Ein Uffer wilden Meers, die Milterung der Lüften, der Erden Fruchtbarkeit, der schwachen Hülf und Raht, Und Kindern Erbtheil«.186 Der Herrscher wird damit weniger als Richter denn als Förderer und Schützer der Bürger und ihres Eigentums betrachtet. Noch deutlicher drückt dies Bürgermeister David Holzhalb aus, als er beim Amtsantritt seines Kollegen Johann Jacob Escher die Hoffnung ausspricht, »ut sub tuo … regimine non sua solum Reipublicae nostrae tranquillitas, suus patriae splendor, suus commerciis & artificiis vigor, suum literis & studiis decus, sua civibus incolumitas conservetur, augeatur; verum etiam Religio floreat, Pietas germinet; Veritas se diffundat, montes populo pacem proferant, & colles justitiam!«187 Neuartig sind nicht die sittlichen Werte Glaube, Wahrheit, Friede und Gerechtigkeit, sondern das, was Holzhalb an den Anfang und gleichsam voraussetzt: ruhige Sicherheit des Staates, Unversehrtheit der Bürger und wachsender äußerer Glanz des Vaterlands, nämlich durch die Wissenschaften und durch Handel und Handwerk. Die Obrigkeit ist nicht länger das bloße Werkzeug Gottes, das in einer sündigen Gesellschaft belohnend und strafend für Ausgleich sorgt, sondern wird zum dynamischen Element, das die Voraussetzungen schafft, damit Wirtschaft und Wissen-

183 Bettagsmandat, StAZ III AAb , 254 (3. Februar 1687). 184 Vgl. die Bettagsmandate in StAZ III AAb , 253 (7. Juni 1686); 258 (20. Oktober 1688); 278 (11. März 1692). 185 Mandat und Ordnungen … zu befürderung … eines Christenlichen, bußfertigen Lebens …, 29. Wintermonat 1691, 3 (StAZ III AAb , 273); ähnlich StAZ III AAb , 251, Außzug und Erleutherung des grossen Mandats, 1685, 3. 186 Har dmeyer, Zürichs Traur, 1710, S. 10. 187 Gentis ONHI , 1711, S. (0).

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schaft sich entwickeln können. Die Bürgermeister, die noch 1696 als »vindices fidi Legis Deo-datae« geamtet haben, beschränken sich nicht mehr darauf, das gegebene göttliche Gesetz anzuwenden; sie nehmen es aktiv in die Hand, um die Gesellschaft zu lenken, wie von Johann Jacob Escher 1711 gesagt wird: »Vulgus moderatur legibus anceps«. Die entsprechenden Bürgertugenden werden den jungen Zürchern seit 1645 mit dem Neujahrsblatt der Bürgerbibliothek vorgeführt, das wohl europaweit das frühste Jugendperiodikum dieser Art darstellt. Begründet wird es vom erwähnten Künstler Conrad Meyer und vom Dichter Johann Wilhelm Simler, einem Enkel des Josias.188 Das Neujahrsblatt zeigt jeweils ein Grundthema auf einem großen Blatt, das mit dichterischen Erläuterungen und oft auch noch mit kleineren Stichen kombiniert wird. Den Anfang macht 1645 die Tischzucht, später folgt neben den häufigen christlichen Tugenden unter anderem 1657 – nach dem Villmerger Krieg – Concordia mit der obligaten Anspielung auf die Skiluros-Parabel und die sallustianische Maxime.189 1673 sticht Conrad Meyer, inspiriert von Merians Topographia, einen Wappenkranz, den Pax und Concordia flankieren. Die Devise »Dulce et decorum est pro Libertate et Patria Mori« im Inneren des Wappenkranzes ist der Römerode Horaz, Carmen 3, 2, 13 entnommen, aber um ein »pro Libertate« erweitert, was der von Bürgerkriegen ermattete römische Dichter im autoritären Friedensreich des Augustus nie geschrieben hätte, aber kurz nach Ausbruch des Holländischen Kriegs Sinn macht. Dieses Bild fügt sich in eine Reihe von Stichen ein, auf denen Conrad Meyer und dann sein Sohn Johannes von Merian ausgehend die Motive Wappenkranz und Bundesschwur kombinieren – später als Frontispiz zu Johann Heinrich Rahns Eidtgenossischer Geschicht Beschreibung von 1690 und als zentrale Ofenkachel für das Zürcher Rathaus von 1698.190 In den folgenden Jahren, da der Krieg um Holland und in der Freigrafschaft tobt, wird die horazianische Devise bis zum Neujahrsblatt von 1679 durch Darstellungen eidgenössischer Siege über den

188 Dazu jetzt Boerlin-Brodbeck, Neujahrsblätter, 1996; zu Meyers Leben und Werken jetzt Ströle, Totentanz, 1999, für die Neujahrsblätter S. 21–24. 189 Neujahrsblatt 1657 (Gesang von lieb- und lobwürdiger Einigkeit): »Plutar. Moral.: Ut singula hastilia facile frangas, conjuncta non possis: ita dissidentes facile superantur, concordes haud facile.«, bzw. »Die Einigkeit macht gross geringe werke: Uneinigkeit verderbet kraft und sterke.« 190 Vgl. neben Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 288, Abb. 25, und Maissen, Insignes, 1999, S. 504 f., Abb. 11, 12, auch unten, S. 374 bzw. 397 f.; für Merian oben, S. 267.

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eingebildeten Adel illustriert. Auf den Nimweger Frieden folgt 1680 eine Allegorie mit der Botschaft: »Pax optima rerum«, und zwei Jahre darauf wieder ein vertrautes Schweizer Motiv, das von Gott gehaltene »Kräntzlein der Freÿheit«, ein Wappenkranz, der die Murersche Skiluros-Szene umgibt: »O Bunds-genossenschafft in Eintracht weiter alte; Der Freÿheit Edlen Kranz laut theüren Eÿds vesthalte!« 1683 erfasst Conrad Meyer mit einem seiner letzten Neujahrsblätter das neue Schweizer Bewusstsein, aus den Gefahren der Zeit ungeschoren davonzukommen, mit der Allegorie »Wolstand der Eidgnoßschafft«, eine Helvetia auf dem »Fridens-Wagen« mit Tugendallegorien und Fruchtbarkeitssymbolen sowie ihrem »Freÿheit-Kranz« – die vertraute Schweizer Staatspersonifikation aus derselben Zeit wie die Dichtungen von Wurmann und Weissenbach mit den dazugehörigen Titelkupfern.191 Ähnlich ist der Gehalt, als im Spanischen Erbfolgekrieg Conrads Sohn Johannes 1711 die erwähnte Schiffs-Metaphorik aufgreift. Die Wolken dräuen und das Meer tost, Schiffe sinken oder zerschellen an Skylla und Charybdis, doch majestätisch hält sich auf den Wogen das Schiff mit der Zürcher Fahne, den Kiel auf ein Licht gerichtet, das aus der finsteren Himmelswand den sicheren Heimweg zur Stadt auf dem Berg weist (Abb. 20). Zwar ist im verflossenen Jahr 1710 »manch theüres Haubt« verstorben, nämlich im selben Jahr gleich die drei Bürgermeister Heinrich Escher, Andreas Meyer und Johann Ludwig Hirzel, doch leitet Gott trotzdem »das Schifflein unsers Stands gantz wundersam«, wie seit langen Zeiten so auch jetzt. Die bildliche Selbstdeutung eines Staates, der eine kriegerische Vergangenheit hat und diese jederzeit wieder mobilisieren kann, aber gleichzeitig unversehrt den Gefahren der Zeit trotzt, lässt sich nicht nur auf den Neujahrsblättern der Stadtbibliothek nachvollziehen, sondern auch auf demjenigen der Feuerwerker, der Artilleristen, das von der Konstaffel erstmals 1689 herausgegegeben wird. Die zumeist militärtechnischen Motive werden anfangs ebenfalls von Johannes Meyer gestochen. Das Feuerwerker-Neujahrsblatt von 1704 kann nach der unten erwähnten Kachelofenscheibe des Rathauses (1698) wohl als die frühste und gleich mehrfache bildliche Umsetzung der Neutralität als Staatsmaxime gelten, die unter dem Titel steht: »Außer Streit und Kriege schweben, heißt beglückt und selig leben.« Die Sonne bricht sich ein Loch in den ansonsten wolkenfinsteren Himmel und beleuchtet eine idyllische Landschaft, während die benachbarten Gebiete im

191 Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 284, Abb. 21; vgl. auch oben, S. 272–274.

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5. Regentenspiegel und politische Ethik

Abb. 20: Johannes Meyer, Neujahrsblatt der Bürgerbibliothek, Zürich 1711.

Schatten von Explosionen und Bränden erschüttert werden (Abb. 21). »In Europa alles [ge]wittert Alles nun in Flammen steht, Mars so stark bewaffnet geht, daß das Meer und Erd erzittert«. Doch die Schweiz »Ist beschirmt vor Kriegsgetümmel, Weil das hoch befreÿte Lande Sich auf keine Seÿte legt, Sonder bleibet unbewegt, In neutralem wahrem Stande«. Ebenso aussagekräftig sind die umrahmenden Metaphern: erneut ein Schiff auf dem Meer, weder zu nahe an den Felsen noch zu fern von der Küste (»Tutior in Medio«); zwei Kronen, und dazwischen ein Freiheitshut (»Integer inter utramque«); Schlange und Vogel, die einem Kampf zwischen Raubkatzen zusehen (»Prudentia simplex); und schließlich eine feste Felseninsel im tosenden Meer, der Freiheitshut auf der Spitze und von zwei Palmwedeln friedlich eingerahmt (»Non frangitur undis«). Die Eidgenossenschaft als friedliebende und im Frieden prosperierende Republik, als ein vollwertiges Völkerrechts343

Abb. 21: Johannes Meyer, Neujahrsblatt der Feuerwerker, Zürich 1704.

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6. Von der konfessionellen zur säkularen Außenpolitik

subjekt, das sich freiwillig die Neutralität als legitime Option aussucht – dies ist das außenpolitische Selbstverständnis der Zürcher, wie es sich im 17. Jahrhundert ausgebildet hat.

6. Von der konfessionellen zur säkularen Außenpolitik 192 Am 25. April 1618 wird die Allianz von 1615 zwischen Venedig, Bern und Zürich in der Limmatstadt beschworen. Ein Lobgedicht besingt den Zusammenschluss von Löwen und Bären, den Vertrag zwischen der »Respublica Veneta« und den »duae primariae Civitates Helveticae«.193 Bereits während der Verhandlungen hat der bereits mehrmals erwähnte Venezianer Gesandte Padavino dem Zürcher Rat einen silbernen Markuslöwen geschenkt, dessen Widmungsinschrift lautet: SERENISSIMAE REIPUBLICAE VENETAE NOMINE MUNUS AMPLISSIMO SENATUI POPULOQUE TIGURINO – Venedig ist eine Republik,

ein Staat, während Zürich antikisierend als Personenverband, als Senat und Volk adressiert wird.194 Entsprechend leisten die Schweizer Honoratioren 1618 den Eid für die »loblichen Städte« Zürich und Bern, und die Venezianer Gesandten geloben analog: »Giuriamo et promettiamo à nome dell’Eccellentissima Republica, Nostro Signore, di osservar indubitamente e fedelmente il trattato dell’alleanza tra essa Ecc.ma Republica et le due inclite Città Zuric et Berna.«195 1706 wird dieses Bündnis erneuert, wobei die einzelnen Abmachungen weitgehend und die Eide fast vollständig denjenigen von 1618 entsprechen. So spricht der Venezianer Vendramino Bianchi: »Giuro et prometto à nome della Serenissima Republica mio Sig.re di osservar indubitamente e fedelmente il trattato letto del Alleanza tra essa Rev.[erendissi]ma Rep.[ubli]ca et le due Ill.[ustrissi]me Rep.[ubli]ce Zurigo et Berna.«196 In den neunzig Jahren, welche die beiden Bündnisse trennen, hat sich also in der im Übrigen identischen Eidesformel die entscheidende Nuance eingeschlichen, dass die zwei Schweizer

192 Ausführlich hierzu Maissen, Valkeniers republikanische Sendung, 1998; ders., »Par un pur motief«, 2004. 193 Waser, Foedus socialis, 1615. 194 Häufig abgebildet, so in Geschichte Zürich, 2, 1996, S. 336; zu Padavinos Mission Gmür, Bündnis, 1945, S. 66–79. 195 Ceremoniale Tigurinum, S. 313 f. 196 Ceremoniale Tigurinum, S. 328–330.

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IV. Zürich als Paradigma

Orte nicht mehr »città« heißen, sondern – wie Venedig bereits 1618 – »repubbliche« sind. Dieser Bewusstseinswandel hat seine innenpolitischen Motive, die bereits am Berner Beispiel gezeigt worden sind; er ist aber auch die Folge einer veränderten Denk- und Sprechweise in der Außenpolitik.197 Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Zürcher Abkehr von der zwinglianischen Ablehnung der Solddienste, die 1612 im Vertrag zwischen den zwei führenden reformierten Kantonen und dem glaubensverwandten Markgrafen von Baden-Durlach einsetzt. Dessen Gesandter stellt fest, dass Bern mit seinem »aristocratico regiment« schnelle Beschlüsse fasse, während in Zürich alles wegen des »democratico regiments« viel länger daure.198 Trotz solchen Widerständen kehren die Zürcher 1614 tatsächlich auch in das Bündnis der übrigen Orte mit dem katholischen Frankreich zurück. Die Politiker um Bürgermeister Johann Rudolf Rahn, die ein Gegengewicht zu Habsburg suchen, behalten die Oberhand über die opponierenden Geistlichen.199 In diesem pragmatischen Geist der Staatsraison folgt auch das Bündnis mit der andersgläubigen Republik des Heiligen Markus. Für den allmählichen Wandel im staatlichen Selbstverständnis erweisen sich dann allerdings die Niederlande als wichtiger denn Venedig. Bereits aus demselben Jahr, in dem das Bündnis mit der Serenissima beschworen wird, stammt ein niederländischer Traktat, der vor einer katholischen Verschwörung gegen »de voorneme Republijcken Zurich ende Bern« warnt.200 Damit beginnt die volksprachliche, und insofern eindeutig freistaatliche Bezeichnung der Zwinglistadt als Republik, die sich gegen die Jahrhundertmitte auch auf Deutsch feststellen lässt.201 Gerade die Warnung vor den Glaubensfeinden zeigt aber, dass im Umfeld der Dordrechter Synode und zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges die Konfession weiter »das härteste vinculum stabi-

197 198 199 200

Zur Zürcher Außenpolitik Sigg in Geschichte Zürich, 2, 1996, S. 333–343. Lessing, Bündnis, 1912, S. 190. Domeisen, Waser, 1975, S. 163. Schuckelicke ende grouwelijcke verraderije, 1618, S. A2v; A3; für das Italienische vgl. Orazione politico-morale in lode della religione, e della gratitudine recitata all’Illustrißima Città di Zurigo da Andrea Costa Italiano, … quando fù ricevuto sotto la Protettione di quell’Illustrissima, e Potentissima Republica, 1653. 201 So folgt Hans Conrad Lavater in der Einleitung zu seinem Kriegsbüchlein von 1644 manchmal fast wörtlich der Kriegskunst zu Fuß, die der Berner Valentin Friderich 1619 vorgelegt hat, doch wird dabei aus »einem wollangestellten Regiement« im früheren Text »bey einer wolbestellten Republic«, vgl. die aufschlussreiche Gegenüberstellung der Passagen bei Walter, Einflüsse, 1979, S. 51.

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liendi foederis« bleibt.202 Besonders ausgeprägt wird dieser Standpunkt in der ersten Jahrhunderthälfte in Zürich durch die Geistlichkeit um Antistes Breitinger vertreten. Diese Kreise suchen im Umfeld des Dreißigjährigen Krieges die Unterstützung von England, Schweden und der Generalstaaten. Und als Breitingers Nachfolger, Antistes Johann Jacob Ulrich, ab 1648 für eine Dreierallianz der reformierten Orte mit Cromwells England und den Niederlanden plädiert, ist es für ihn irrelevant, dass dies eine republikanische Koalition wäre. Auch die übrigen Eidgenossen machen ihre Haltung nicht davon abhängig, vor allem als die beiden möglichen Partner selbst sich gegenseitig zu bekriegen beginnen. Realpolitiker wie Wettstein verabscheuen ohnehin »Oliver mit seinen Metzgern«, die sie als »Rebellen, Königsmörder und Anarchisten« erschrecken.203 Sie sympathisieren daher mit den Generalstaaten, während die konfessionellen Eiferer in Zürich dem Lordprotektor geneigt sind. Cromwells Emissäre John Pell und John Durie erörtern mit Antistes Ulrich den englischen Plan einer »Religions-Korrespondenz aller protestierenden Stände in Europa … nicht allein zu Beförderung der Wahrheit des Evangeliums, sondern auch zu unserer zeitlichen Ruhe, Sicherheit und Frieden, auch Erhaltung und Versicherung unser geistlichen und leiblichen Freiheiten zu Gutem unser selbst, unseren Brüdern und unserer Nachkommen«.204 Cromwell und seine Anhänger führen »religio« und »libertas« gemeinsam im Mund und erstreben eine Allianz mit den vier reformierten »Republiques« mit der Begründung, »que le cement est la Religion Orthodoxe et la liberté de la patrie«.205 In einem von Milton zumindest ins Lateinische übersetzten Staatsbrief spricht das »Parlamentum Republ. Angliae« die »Cantones Helvetiae Evangelici« samt Zugewandten an als diejenigen, die weniger durch den Schutz der Berge als durch die Kraft, Frömmigkeit und gute Regierung (»prudentissima aequissima-

202 So 1577 der oranische Landgraf Wilhelm IV., vgl. G. Groen van Prinsterer (Hg.), Archives au Correspondance inédite de la Maison d’Orange-Nassau, Ser. 1, 6, Leiden 1835 ff., S. 427, zitiert bei Gräf, Außenpolitik, 1998, S. 481. 203 Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 342, 361–365. 204 Aus einem ins Deutsche übertragenen Projekt, zitiert bei Stern, Cromwell, 1926, S. 71; zu den Allianz- und Unionsplänen auch Ischer, Gesandtschaft, 1916, S. 38–41; vgl. auch Cromwells Empfehlungsschreiben für Pell (19. Mai 1655) in Lünig, Litterae Procerum, 1, 1712, S. 560. 205 StAZ A 2221, Nr. 104 (Oliver Fleming an Bürgermeister Salomon Hirzel, 28. März 1653); vgl. Stern, Cromwell, 1926, S. 68; auch Ischer, Gesandtschaft, 1916, S. 107, Cromwells Schreiben an die evangelischen Eidgenossen, 10. Januar 1654: »in causa religionis et libertatits asserenda«.

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que rerum civilium administratione«) ihre Freiheit erlangt und verteidigt haben: »qui per omnem Europam primi fere mortalium, Deo Vestram virtutem prosperante, libertatem Vobis peperistis, partam, haud minore prudentia ac moderatione, tot per annos, illibatam conservastis«. Dankbar seien die Engländer, dass nun gerade diese Schweizer »de nobis nostraque libertate nuper vindicata tam praeclare« empfinden würden.206 Solche Rhetorik bleibt den Schweizern fremd. Nicht nur Bern und Basel, sondern auch Zürich lehnt das kühne Bündnis ab und zwar »wegen unglychheit der Ständen und wyter abgelegenheit der Länder«.207 Diese »unglychheit« meint wohl die Landesgröße und den Staatsaufbau, aber auch die Verfassung: Die Engländer mögen ebenfalls einen Freistaat errichtet haben, doch die Schweizer beanspruchen eine andere, historische Legitimation für ihre Verfassung als das rebellische Parlament.208 Als trotz Bedenken Wettsteins der Schaffhauser Johann Jacob Stockar zu einer direkten Vermittlung bei den beiden »Respublicae« beziehungsweise »Republiquen« abgeordnet wird, wird in seiner Instruktion der »christliche yfer« historisch mit der Freundschaft seit der Reformationszeit begründet und, was England betrifft, die Könige Edward und Elizabeth ausdrücklich erwähnt. Die aktuellen Gefahren betreffen denn auch die »Evangelische Christenheit der Englischen Republic« – und nicht ihre Staatsform.209 Dagegen ist es Cromwell, der viel über die »Verfassung unserer helvetischen Republik« und das dort praktizierte Zeremoniell erfahren will, worauf ihm Stockar Simlers Respublica übergibt, in welcher der Lordprotektor offenbar viel liest.210 Allerdings erkennt Stockar selbst nach der Auflösung des Parlaments, dass »ein gantz ander Regiment entstanden, welches einer absoluten Monarchie nicht ungleich sieht«, insofern Cromwell zwar den Namen Protektor trage, aber »nicht mit viel geringern alß königl. Ceremonien offentlich« auftritt.211 Die Gemeinsamkeiten liegen nun noch offensichtlicher nicht im konstitutionellen Bereich, sondern im religiösen, und so verrät sich stets, auch in Cromwells Sprache, die Dominanz des 206 StAZ A 2221, Nr. 105a (28. November 1653); zitiert bei Ischer, Gesandtschaft, 1916, S. 105 f., auch in Lünig, Literae procerum, 1, 1712, S. 511. 207 Instruktionenbuch vom 30. Juli 1653, Ischer, Gesandtschaft, 1916, S. 46. 208 Zweites Antwortschreiben der Generalstaaten, 6. März 1653, abgedruckt bei Ischer, Gesandtschaft, 1916, S. 102. 209 Stockars Instruction, zitiert bei Ischer, Gesandtschaft, 1916, S. 100. 210 Stockar, Gesandtschaft, 1823, S. 572; Stern, Cromwell, 1926, S. 58, 63; Ischer, Gesandtschaft, 1916, S. 32, 51. 211 StAZ A 2222, Nr. 128 (19. Dezember 1653).

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Konfessionellen: Schweizer, Niederländer und Engländer sprechen von »ecclesia et respublica nostra« beziehungsweise »vestra«, wo sie die evangelischen Orte als Kollektiv meinen – nicht aber die ganze Eidgenossenschaft oder den einzelnen Kanton.212 Das schweizerische corpus evangelicum bildet gleichsam eine »respublica evangelica« im kleinen, während es von derselben im umfassenden, globalen Sinn wiederum ein Teil ist. Nicht nur die Vorstellung, auch die Formulierung republikanischer Solidarität ist erschwert, solange »respublica« – auch – mit der Glaubensgemeinschaft konnotiert wird und nicht selbstverständlich auf (Frei-)Staaten bezogen wird. Diese Haltung dominiert bei den Schweizern auch 1665, als sie erneut und mit denselben Motiven wie 1653/54 im (zweiten) englischniederländischen Krieg zu vermitteln versuchen – diesmal allerdings zwischen den Generalstaaten und einem König, dem restaurierten Charles II. Im Brief an die niederländischen »fratres« werden fast ausschließlich die religiösen Gemeinsamkeiten betont, wozu nur noch die auffällige Berufung auf Deutschland als gemeinsames Vaterland kommt: »Placuit Deo, ut ejusdem corporis mystici essemus membra, & communis Patriae, Germaniae, duo veluti brachia, quae non possunt non in mutua fortunae societate trahi.«213 Die Vorstellung eines einheitlichen – reformierten – »corpus mysticum« ist typisch für die Schweizer Sichtweise, kontrastiert aber zusehends nicht nur mit der Praxis, sondern auch mit der Begründung der niederländischen Außenpolitik, welche in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts paradigmatisch das Interesse an die Stelle der Konfession setzt.214 Appelliert wird dabei weniger emotional und ethisch – wie im früheren konfessionellen und späteren ideologischen Zeitalter – an Werte und Ideale, sondern nüchtern und rational an äußere Gemeinsamkeiten: Man betreibt nicht missionarischen Republikanismus, will aber die außenpolitischen Konsequenzen aufweisen, die sich ergeben, da man nun einmal in einer Republik lebt – und sofern man Wert darauf legt, diese Verfassung bei sich selbst zu erhalten. So entsteht in Zürich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gerade im Umgang mit den Generalstaaten ein neues außenpolitisches Vokabular, das umso auffälliger ist, als zwischen den beiden reformier-

212 So Ischer, Gesandtschaft, 1916, S. 95, 97, 107; für die Niederlande auch STAZ A 2171, 53 (6. März 1653). 213 ZBZ MS B 304, fol. 206v (identisch ib., fol. 183); vgl. auch ib., fol. 208v. 214 So auch Gräf, Außenpolitik, 1998, S. 482–485; vgl. zum Interesse oben, S. 123–126.

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ten Staaten an sich die herkömmliche konfessionelle Argumentation ausreichen würde – der Rekurs auf republikanische Gemeinsamkeiten ist, anders als etwa im Umgang mit Venedig oder katholischen Schweizer Kantonen, keineswegs nötig oder gar zwingend. Glaubensnähe, wissenschaftlicher Austausch und militärische Interessen prägen seit dem 16. Jahrhundert die Kontakte zwischen Zürich und den Generalstaaten, was sich auch in der ebenfalls früh einsetzenden diplomatischen Korrespondenz niederschlägt. Die verwendeten Formeln sind vorerst konventionell. So richtet sich der älteste erhaltene Brief der Generalstaaten 1584 an die »Ernuesten [= Ehrenfesten], erbarn, fürsichtigen unnd weisen, Unsernn lieben Besondern unnd Nachbar Freunden, Burgermeisern [sic], und Rhat der Statt Zürich«.215 Als sie 1655 Rudolf van Ommeren zu den evangelischen Orten schicken, empfehlen sie ihren Gesandten in zweifacher Hinsicht: »utriusque Reipublicae et praecipue Reformatae Religionis Incremento« oder, wie die Zürcher Kanzlei übersetzt: »zuo unser beidersits Republiqen, sonderlich aber der Reformierten Religion Befürderung«.216 Bald taucht das Wort, das in diesem beschränkten, auf Zürich allein angewandten Sinn noch ungebräuchlich ist, auch auf französisch auf: Van Ommeren selbst richtet 1658 einen Brief an Johann Caspar Hirzel, »cy devant Secretaire de la ville et Republique de Zurich« – damit wird das von den Schweizern herkömmlich verwendete »Stadt« aufgelöst in seinen geographischen und seinen politischen Aspekt: »ville et Republique«.217 Die Zürcher beginnen sich an die neue Sprache zu gewöhnen: Die Kanzlei übersetzt das auf sie bezogene lateinische »respublica« in einem Brief durch »Republic«, welche mit den Niederländern die »liebe und beschirmung der altforderen freÿheit« teilt.218 Es dauert allerdings noch bis zum 21. Januar 1667, ehe Zürich in einem Brief an die Generalstaaten von Holland und Westfriesland erstmals auch auf Deutsch von sich selbst als »unßere Statt und Republic« spricht.219 Mit diesen kaum merklichen semantischen Verschiebungen einher geht eine immer stärker nicht nur konfessionelle, sondern politische Argumentation auf niederländischer Seite. Van Ommeren erweitert seine Argumente für die Verbundenheit schon bald um eine zweite Ur-

215 StAZ A 2171, 3 (4. Oktober 1584). 216 StAZ A 2171, 54/54a (13. Juli 1655). 217 StAZ A 2171, 69 (21./31. Oktober 1658); auch auf niederländisch als Briefadresse: »Stadt ende Republique van Zurich« (ibid., 117 vom 22. Dezember 1666). 218 StAZ B VIII, 133, fol. 237 (11. Oktober 1655). 219 StAZ A 2171, 121 (21. Januar 1667).

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sache: »tam in religioso erga Deum immortalem cultu, quam in constanti Libertatis avitae amore ac tuitione«. Diese Nähe sei naturgemäß und unbefleckt, ganz im Unterschied zu den meisten anderen Freundschaften, die nur auf den eigenen Nutzen und Gewinn abzielten.220 Als der erwähnte Johann Heinrich Hottinger als Gesandter nach Holland aufbricht, spricht ihm Van Ommeren dafür die besten Wünsche aus, »afin que par une sainte union des deux puissances l’eglise de Dieu et la liberté de la patrie puisse jouir d’une tant plus forte protection«.221 Am 17. Oktober 1664 versichern die Generalstaaten die »Lobl. Stadt und Republiq von Zürich« ihrer Hilfsbereitschaft, denn sie wollen »in mehr und mehr die offenliche bekandtnuß seines heiligen worts und der reinen Wahrheit beÿ ihnen bewestern« und »mehr und mehr bestetigen und bewestern ihre alte und theur erkaufte freiheit«.222 Seinerseits erbittet van Ommeren am 24. Februar 1666 Soldtruppen gegen den Münsteraner Bischof, mit »Rücksicht auf Eure Religion, auf dieselbe Staatsform und auf Euren großen Mut, neben einer außergewöhnlichen Treue«.223 So erhält die Freundschaftsrhetorik ein zweites Standbein: Die freiheitliche Staatsordnung tritt neben den reformierten Glauben, man ficht »pro communi qui inter nos est religionis et libertatis zelo«.224 Die beiden Aspekte sind tendenziell komplementär: Das reine, richtige Bekenntnis hat eine gute Politik zur Folge, während die katholische eine »Politique purement mondaine« ist, »qui agit tout par authorite ou par force«.225 In einem gewissen Gegensatz dazu steht allerdings ein weiterer Vorteil der Freiheitsrhetorik, die sich nämlich auf die ganze Eidgenossenschaft anwenden lässt – also auch auf die katholischen Orte. Als die Generalstaaten 1668 die Schweizer einladen, als Garantiemacht des Aachener Friedens mitzuwirken, erinnern sie an die »interests communs«: »Ceux qui y tiennent le premier lieu, sont, sans doute, la conservation du repos public en toute la Chrestienté, et celle de la liberté parmy les deux Nations« – neben einer christlichen Friedensordnung also »la conservation du tresor inestimable de la chere liberté, 220 StAZ B VIII, 133, fol. 235 (11. Oktober 1655). 221 StAZ A 2171, 79 (11./21. Oktober 1664). Zu Hottingers Mission vgl. HoiningenHuene, Schweiz und Holland, 1899, S. 61 f. 222 StAZ A 2171, 80 (17. Oktober 1664). 223 Hoiningen-Huene, Schweiz und Holland, 1899, S. 83. 224 StaBE A V 133, S. 115 f. (14. Juli 1668, Generalstaaten an die reformierten Orte). 225 StAZ A 2171, 104 (4. Januar 1666: Memoire touchant le secours demande des Cantons Reformes, par les Provinces Unies).

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que nous possedons les uns et les autres«.226 Freiheit ist das, was die Niederlande mit allen eidgenössischen Ständen verbindet; verhandeln sie mit den evangelischen allein, wird die Argumentation sofort wieder um die Religion erweitert.227 Hinter der Freundschaftsrhetorik werden allmählich politische Konzepte und Absichten deutlicher: Bereits erwähnt worden ist die »Ligue défensive entre les trois plus puissantes Républiques de la Chrêtienté«, die der niederländische Diplomat Boreel 1663 mit Venedig und den Eidgenossen erwägt.228 Wie können, so klagen die Niederländer 1672 zu Beginn des Holländischen Kriegs, Söldner aus den evangelischen Orten Louis XIV dabei helfen, die Religion und die Freiheit zu unterdrücken: »vos sujets, qui ont un mesme interest de Religion et de liberté avec nous, aident a opprimer l’une et l’autre«.229 Stattdessen wünschen die Generalstaaten eine enge Verbindung, die dem »interest commun« entsprechen würde: »Il [l’engagement] a pour principes la Religion, et la liberté, dont la conservation nous estant également chere et importante.«230 Ähnlich meint ein 1674 gedrucktes Unpartheyisches Urtheil aus dem Parnasso über den neuen Friedens-Currier, dass die Schweiz aus zwei Gründen am Holländischen Krieg »interessiret sey, eines Theils wegen dergleichen Qualität an der Regierung, und dan auch theils an der Religion«, denn die Eidgenossen, »die gut Städtisch oder Bürgerlich gesinnet sind, … schicken sich hinwieder zu ihres Gleichen, sind Liebhaber der Freyheit und Feinde der Tyranney«.231 Ein weiterer anonymer Traktat von 1675, L’affermissement des republiques de Hollande & de Suisse, beginnt mit einem Plädoyer für ein Bündnis der Republiken im Allgemeinen und zwischen den Niederlanden und der Schweiz im Besonderen: »Elles n’auroyent qu’à unir leurs communs interests en une Alliance absolument defensive, (les offensives sont plus propres aux Monarques, qu’aux Republicains, qui se doivent 226 StAZ A 2171, 132 (17. September 1668). 227 Diesbezüglich aufschlußreich sind drei Briefe vom 8. Februar 1672, die alle in gleicher Sache (Bewilligung von Söldnerwerbungen) an die Stadt Zürich, die Eidgenossenschaft als Ganzes und die evangelischen Orte allein geschrieben werden, vgl. StAZ A 2171, 150–152. 228 Dazu oben, S. 123, 241. 229 StAZ A 2171, 154 (23. März 1672); vgl. ib., 180 (Malapert an die evangelischen Orte, 19./29. Dezember 1672); StAZ A 2172, 3 (2. Februar 1673) und 7 (21. April 1673). 230 STAZ A 2171, 152 (8. Februar 1672); fast identisch AEG PH 3555 (7. November 1672, Fagel für Malapert, an die evangelischen Orte): »pour la conservation de la religion et de la liberté, qui font l’interest commun de l’un et de l’autre Estat«. 231 Unpartheyisches Urtheil, 1674, S. 62 f.

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contenter de leurs libertés acquises, sans offenser celles de ceux qui les leur peuvent disputer naturellement, & avec plus d’apparence de droit) & à chercher mutuellement, d’une affection sincere, l’affermissement de l’un & de l’autre Estat.«232 Schon seit langem verbinde ein gemeinsames Schicksal die beiden Länder: der Kampf gegen Habsburg, das eine »domination absolüe« habe errichten wollen. Zwischen der Mehrheit in beiden Ländern würden sogar Religionsbande wirken; doch diese spielten heutzutage ohnehin keine Rolle mehr, um Freundschaften zu begründen – eine explizite Abwendung von der traditionellen Argumentation. Wenn man auf das Interesse und den Nutzen schaue (»si on a l’interest & l’utile en veüe«), dann sei die Stärkung dieser beiden Republiken viel wichtiger – daher auch der Titel des Traktats. Der Absolutismus in seiner monarchischen Variante wird ausdrücklich als prinzipieller Gegenspieler der – wie sie mit einem für Schweizer Ohren noch völlig unvertrauten Wort heißen – »républicains« genannt: »Toute sorte de Couronnes absoluës & Ministres souveraines doivent estre suspectes aux Republicains«. Deshalb sollen sich die Schweiz und die Niederlande in einer »amitié & politiquement & fraternellement interessée« zusammentun. Das Büchlein präsentiert sich als Nacherzählung eines Traums, und am Schluss verrät der anonyme Verfasser, dass ihm darin die Verkünder dieser Botschaft begegnet sind, nämlich Niklaus von Flüe, Wilhelm von Oranien, »le premier Liberateur de la Hollande«, und Wilhelm Tell, »le fondateur de la liberté des Suisses«.233 L’affermissement des republiques ist bestimmt das konsequenteste Beispiel einer antimonarchisch-republikanischen Argumentation, die sich während des Holländischen Kriegs von den Niederlanden ausgehend in der diplomatischen Sprache und in Traktaten auszubreiten beginnt und für die Beziehungen zwischen den beiden Republiken zusehends wichtiger wird – während gleichzeitig in Frankreich »république« wie geschildert zum Inbegriff aller Abweichung und Rebellion wird.234 Für Frankreich wie für Holland geht es in ihrem langanhaltenden Konflikt nicht so sehr um ein konkretes Bündnis mit der politisch bis zur Handlungsunfähigkeit uneinigen Eidgenossenschaft, sondern um die Möglichkeit, in der Schweiz Truppen auszuheben – oder wenigstens den Gegner von dieser Ressource abzuschneiden. Letztlich bemühen sich die Holländer insbesondere 1665, 1668/69 und 1672 vergeblich 232 L’affermissement, 1675, S. 11 f. 233 L’affermissement, 1675, S. 20 f., 35, 45. 234 Dazu oben, S. 90–93.

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darum, wenigstens in den evangelischen Ständen werben zu dürfen. Auch dort ist die frankreichfreundliche Partei einflussreich – und, dank französischen Offizierstellen und Bestechungszahlungen, finanziell potent. Die Situation beginnt sich erst mit der Aufhebung des Edikts von Nantes zu ändern, die sich in eine Reihe von unangenehmen Entwicklungen fügt:235 1679 Errichtung der Festung Hüningen, 1681 Eroberung von Straßburg, ständige Schikanen gegen Genf, Vertreibung der savoyischen Waldenser, gleichzeitig militärische und diplomatische Aktionen gegen Republiken von Holland über Genua bis Venedig, schließlich 1689 der pfälzische Erbfolgekrieg und die Verwüstung des glaubensverwandten Kurfürstentums. Im selben Jahr verändert sich dank der Glorious Revolution die außenpolitische Situation zugunsten der Gegner Frankreichs: Das Zusammengehen der beiden Seemächte England und Niederlande bedeutet eine neue Option im europäischen Bündnisgeflecht. Um eine Defensivallianz zu schließen und Schweizer Söldner anzuwerben, werden im Sommer 1689 zwei Engländer auf den Kontinent geschickt, welche der französische Gesandte Michel Amelot in Solothurn schon vor ihrem Eintreffen als – da Verschwörer gegen James II – feurige Republikaner ansieht.236 Die Zürcher Räte nehmen die Verhandlungen auf, nicht zuletzt um der Welt zu beweisen, »daß wir souveran sind und Defensivtraktate schließen können, so und wann wir wollen und somit keine Sklaven des Königs von Frankreich, wie wir von vielen Ständen dafür angesehen werden«.237 So sehr die Reaktion auf die Hugenottenverfolgung und die Abwendung von Frankreich konfessionellen Loyalitäten gehorcht, so stark drückt sich darin auch eine säkularisierte Betrachtung der Außenpolitik aus – nicht zuletzt auch in der Annäherung an den habsburgischen Kaiser, eine führende Kraft in den Koalitionen gegen Louis XIV. Das Ziel von Bern und Zürich für die Eidgenossenschaft, aber auch das Bestreben der zugewandten Bündner wird jetzt eine neutrale Gleichgewichtspolitik zwischen den beiden Großmächten und mit dem fernen Rückhalt der Seemächte und dem näheren von Venedig. Der Bündner Envoyé Peter von Salis erklärt die Prinzipien dieser neuen Politik mit einem historischen Rückblick: Bis 1648 habe das durch innere Unruhen geschwächte Frankreich es systematisch betrieben, »alle Welt in der Meinung zu erhalten, Österreich sei der Beschützer Roms und der 235 Zu dieser Entwicklung in Bern Feller, Geschichte, 3, 1974, S. 39–105; auch Von Steiger, Probleme, 1954, S. 14–27. 236 Kilchenmann, Coxe, 1914, S. 61 f. 237 Zitiert bei Kilchenmann, Coxe, 1914, S. 97.

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Papisten, es wolle das Deutsche Reich unterdrücken und alle Nachbarn unterwerfen, weshalb Frankreich sich zum Beschützer der gefährdeten Freiheit der kleinen Staaten aufwarf und in den Osnabrückischen Frieden die auf die Religions- und politische Freiheit der kleineren Reichsfürsten und der Schweiz bezüglichen Artikel aufnehmen ließ. Seither ist es Frankreich gelungen, obenan zu stehen und Österreichs Macht zu schwächen. Jetzt aber ist es selbst päpstlich, gebärdet sich als Hort der römischen Kirche, um den päpstlichen Hof in seiner Gewalt zu haben und ihn zu zwingen, für die Interessen Frankreichs zu arbeiten.«238 Diese Beurteilung stammt von einem Spross der mächtigsten und vorwiegend reformierten Bündner Familie, die während des ganzen 17. Jahrhunderts treu zu Frankreich gehalten hat. Die doppelte Bedrohung für Glauben und Freiheit führt beim Envoyé von Salis zu einer Einsicht, die er anhand der Bündnisse der Bündner mit Bern und Zürich formuliert, die aber ebenso von Staatsmännern dieser beiden Städte ausgesprochen werden könnte, »qu’il n’y a point de solide amitié entre estats et estats que celle qui est entre des républiques« – unter ihnen herrscht Gleichrangigkeit, während »les grands princes« es als Gnade betrachteten, den kleinen Staaten das Geschuldete zu geben.239 Der Inbegriff dieser Arroganz ist Louis XIV, und später werden selbst französische Diplomaten festhalten, dass dessen Religions- und Außenpolitik »dans l’esprit de ces Republicains« in der reformierten Schweiz Anlass gegeben habe für »le faux prejugé que le feu Roy aspiroit à la Monarchie universelle«.240 Tatsächlich beobachtet der savoyardische Gesandte Mellarede 1706 mit Befriedigung, dass die gebildeten Berner Frankreich als gierige Macht betrachteten, »ennemie des Republiques, & de leur liberté«.241 Diese Ängste werden bald erwidert, als das erstarkte Bern nach den Siegen bei Villmergen und im Bündnis mit Zürich die unbestrittene Schweizer Vormacht darstellt und der französische Gesandte Du Luc ihm sogar eine offensive Außenpolitik gegen den Sonnenkönig zutraut: »Au moindre mouvement qui arrivera dans le royaume, on le verra inondé de plus de quarante mille Bernois que n’auront pour but que le bouleversement de la mon-

238 Zitiert bei Spr echer, Geschichte, 1873, S. 97; gekürzt auch bei Bundi, Kriegsdienste, 1972, S. 76 f. 239 Zitiert bei Mohr, Geschichte, 1857, S. 82 f.; zu den Gesandtschaften außerdem ergänzend Roth, Peter von Salis, 1970, S. 42–45, sowie Bundi, Kriegsdienste, 1972, S. 75–82. 240 Livet, Suisse, 1983, S. 316. 241 Mellar ede, Reflexions, 1706.

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archie.«242 Dass dieses Spannungsverhältnis nicht zuletzt als Gegensatz der Verfassungen verstanden wird, zeigt nach dem Tode von Louis XIV auch der französische Resident in Genf, Pierre Cadiot de La Closure. Er hält eine Annäherung an Bern für unabdingbar, das in den vergangenen Jahrzehnten Frankreich entfremdet worden sei, aber wegen seiner Machtstellung den wichtigsten Zugang zur ganzen Eidgenossenschaft darstelle. Mit Geduld, Ehrentiteln für die Eitlen und militärischen Rängen für andere lasse sich das frühere Verhältnis wohl wieder herstellen, »quoiqu’il s’y trouve bien des difficultés prises dans le caractère des Bernois et dans la nature et la constitution de leur gouvernement.«243

7. Das niederländische Moment: Petrus Valkenier 244 Der Kurswechsel ab spätestens 1685 ist in Zürich weniger abrupt als in Bern, was nicht zuletzt an Bürgermeister Heinrich Escher liegt. Als Vertreter der Kaufmannschaft bleibt er aus nüchternen, kommerziellen Gründen von der Notwendigkeit einer behutsamen Friedens- und Neutralitätspolitik im Schatten des übermächtigen Sonnenkönigs überzeugt.245 Wie innerhalb der Eidgenossenschaft, so will er vom »Vorwand der Religion« auch in der Außenpolitik nichts wissen, empfiehlt daher die Neutralität und widersetzt sich gefährlichen neuen Allianzen, wie sie sich in Bern ab den 1680er Jahren abzuzeichnen beginnen – mit fernen Mächten oder dem traditionellen österreichischen Gegner. Escher vertritt eine illusionslose Haltung gegenüber der Politik der Monarchen, denen er ganz allgemein nicht traut. Doch der pfälzische Erbfolgekrieg setzt neue Akzente. 1690 wird der Zürcher Gardehauptmann Johann Heinrich Lochmann von Louis XIV entlassen, nachdem er sich geweigert hat, gegen das Reich und die Niederlande zu dienen. Die gegen die französischen Dienste gerichtete Kornsperre des Kaisers und mehrere schlechte Ernten seit einem schweren Hagelschlag im Sommer 1688 führen dazu, dass sich in Zürich die Preise fast vervierfachen und 1692 eine wahre Hungersnot eintritt. Die Bevölke-

242 Gern, Aspects, 1970, S. 16 (Du Luc an Louis XIV, 30. August 1713). 243 Zitiert bei Livet, Suisse, 1983, S. cxxix. 244 Ausführlich hierzu Maissen, Valkeniers republikanische Sendung, 1998; ders., »Par un pur motief«, 2004. 245 Huber, Bürgermeister Escher, 1936, passim, so S. 25, 72; ähnlich Kilchenmann, Coxe, 1914, S. 149 f.

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rungszahl im Kanton, die seit dem Spätmittelalter stetig und von 1634 bis 1689 steil auf 130 000 Einwohner gestiegen ist, fällt im folgenden Jahrzehnt wieder auf gut 110 000 zurück. Eine gewisse Erleichterung in dieser Zwangslage bringt in mehrfacher Hinsicht das Jahr 1693: Nach anfangs geheimen Werbungen nimmt der Rat die Sache in die Hand und schließt erstmals ein Soldbündnis mit den Niederlanden, das manchem hungernden Landmann ein neues Auskommen als Soldat eröffnet und auch den städtischen Eliten eine Alternative zum umstrittenen Dienst in Frankreich offeriert: Diese Alternative ergreift beispielsweise der erwähnte, 1690 von Frankreich entlassene Hauptmann Lochmann. Nicht zuletzt wird die deutsche Nahrungsmittelblockade aufgehoben, und mit dieser Abhängigkeit rechtfertigt Zürich auch gegenüber den empörten Franzosen die niederländische Kapitulation: Man könne »nicht ohne das deutsche Reich leben« und habe »das Messer gleichsam an der Gurgel«.246 Der Verbindungsmann zwischen der Limmatstadt, den Niederlanden und dem Reich, der Getreide gegen Söldner vermitteln kann, ist Petrus Valkenier.247 Seit 1676 residiert er als Gesandter der Generalstaaten in Frankfurt und später beim Reichstag in Regensburg, bis er sich im August 1690 als Envoyé extraordinaire in Zürich niederlässt, wo er bis zu seinem Abschied am 21. Mai 1704 wohnen wird. Dem Rang nach steht der Envoyé extraordinaire höher als der herkömmliche Resident, jedoch tiefer als der temporäre Ambassador, mit dem er das Recht auf Audienz beim Souverän gemeinsam hat.248 Valkenier ist sich seines Status sehr bewusst und führt den Schweizern vor, wie genau die niederländische Republik gewohnt ist, auf die ihr gebührenden Ehrenbezeugungen zu pochen. So will er 1692 feierlich zur Audienz abgeholt werden wie ein königlicher Gesandter »massen seine H. Principalen die H. H. General Staaden, unter den Königlichen und denen Envoye’s Extraordinaires von Republiquen in den Curialen auch keinen Unterscheid machend«.249 Valkenier ist auch der erste Redner und Publizist, der den Schweizern eine systema246 StAZ A 2172, 85, zitiert von Sigg in Geschichte Zürich, 2, 1996, S. 349, vgl. auch 288 f. sowie Irniger, ibid., S. 87, für die Bevölkerungszahl; ferner Sigg, Entwicklung, 1971, S. 156, für die Getreidekäufe im Ausland; auch Huber, Bürgermeister Escher, 1936, S. 77. 247 Zu Valkeniers Biographie und seinem Wirken in der Schweiz außer Maissen, Valkeniers republikanische Sendung, 1998; ders., »Par un pur motief«, 2004, jetzt auch der Sammelband von Lange, Valkenier, 2004, sowie HoiningenHuene, Schweiz und Holland, 1899, S. 125–264 und Bokhorst, Betrekingen, 1930. 248 Anderson, Rise, 1993, S. 83 f. 249 Hoiningen-Huene, Schweiz und Holland, 1899, S. 214; vgl. ibid., S. 167, Anm. 1.

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tisch republikanische und prononciert antimonarchische Rhetorik vorführt. Grundlegende Überlegungen dazu finden sich schon in Het Verwerd Europa, das 1675 in Amsterdam erschienen ist; dort wird 1677 auch die deutsche Übersetzung des imposanten Folianten mit dem Titel Das verwirrte Europa gedruckt.250 Innenpolitisch handelt es sich um eine Parteinahme für eine Mischverfassung mit oranischem Statthalter und gegen die oligarchischen Republikaner um die Brüder De Witt, außenpolitisch um ein historiographisches Pamphlet gegen Europas »Verwirrer«, Louis XIV. Valkenier erörtert in Het Verwerd Europa auch die »dreyzehen vereinigte Schweitzerische Cantonen« und ihre Zugewandten. Ganz im Sinn der bereits erwähnten Traktatliteratur der siebziger Jahre hält er fest, dass die verfassungsmäßigen Gemeinsamkeiten eine Allianz mit den Niederländern nahelegen. Die Schweitzerische Cantonen und die Vereinigte Niederländer, weil sie beyderseits eine Republick Regirung haben, welche von allen Potentaten gehasset und gedräuet wird, müsten sich genau an einander verbinden und eine die ander in ihrer Freyheit, welche sie lieber haben solten als ihr Leben, beschützen. Hiezu sind die Schweitzer desto mehr verpflichtet, weil sie den Anfang ihres freyen Staats einem holländischen Graven zu dancken haben, nemlich Ludwig von Bäyern, der zugleich Keyser war und die Schweitzerische Freyheit in ihrem ersten Anfang wieder den Gewalt des Hauses Oestreich mit offendlichen Urkunden hat befestiget. Diese beyde Republiken sind gleichsam die beyde Arme des Teutschen Reichs, welche sehr starck und erschrecklich sind, so woll wegen der Tapfferkeit der Inwohner als auch wegen ihrer Wollgelegenheit. Die erste ist gnugsahm gestärcket durch ihre hohe Berge und enge Wege; die andere mit Wasser und Morasten. Jene herschet über die Berge; diese über das Meer. Die Natur dieser beyden Völcker kömt mit der Beschaffenheit ihrer beyder Länder so woll über ein, dass die Schweitzer umb der Berge willen und die Berge umb der Schweitzer willen; das Meer umb der Niederländer und die Niederländer umb des Meers willen scheinen gebohren und entstanden zu seyn.251

250 Meineck e, Valkeniers Lehre, 1928; vgl. auch Mulier, Myth of Venice, 1980, S. 59–61, 211 f. Wiederholt findet sich auch der anonyme Traktat Das entlarvte Schweitzerlandt, 1679 (zweite Auflage 1680, auch auf Französisch und Italienisch übersetzt) Valkenier zugeschrieben, so bei Barth, Bibliographie, 1, 1914/15, S. 145. Das ist jedoch kaum möglich, da die gegenüber der Eidgenossenschaft sehr aggressive Argumentation die republikanische Verfassung völlig übergeht und die Niederlande nur am Rande berührt. Es handelt sich offensichtlich um das Werk eines austrophilen Katholiken; vgl. Von Haller, Bibliothek, 5, 1787, S. 411 (Nr. 1333). 251 Valk enier, Europa, 1677, S. 56.

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Der Verfasser dieser Zeilen kommt 15 Jahre nach deren Erscheinen, im Jahr 1690, in die Schweiz. Vom kaiserlichen Gesandten abgesehen, sprechen inzwischen die anderen Staaten die Eidgenossenschaft als ganze und ebenso einzelne Stände als »Republik« an, allerdings unsystematisch und ohne Emphase: Wendungen wie »magnifiques seigneurs«, »louables cantons« oder »löbl. Eydgenossenschafft« bleiben noch lange gültig und viel häufiger.252 Ganz anders klingt es hinsichtlich der Intensität und der Implikationen bei Valkenier, dessen Akkreditionsschreiben für die evangelischen Orte in bezeichnender Reihenfolge das »band gleicher freyheit und religion« hervorhebt.253 Bei seinem ersten Auftritt vor der Tagsatzung der 13 Orte, am 10. November 1690, übergeht der Holländer die Konfession klugerweise vollständig, um allein die »consideration der beyderseitigen Libertät, Interesse, Conservation, Republiquaire Regierungs-Form« nahezulegen. Valkenier spricht mit auch später ähnlich wiederholten Wendungen zur Eidgenossenschaft als einer »Absoluten, Independenten, Souverainen und zugleich auch Neutralen Republic«.254 Damit will er den Tagsatzungsteilnehmern Konzepte einbläuen, die diesen noch kaum vertraut sind. »Freyheit und Souverainer Wille dieser independenten Republic«, also der Eidgenossenschaft, seien durch Louis XIV bedroht, der sie mit seiner Eroberungspolitik schon weitgehend eingekreist habe – mit den gleichen niederen Absichten, deretwegen er »Unserer Vereinigten Niederländischen Republic« stets kriegerisch nachstelle. Geschickt beanstandet der Niederländer die Arroganz des französischen Gesandten Amelot, der »zwüschen seinem König und denen Souverai [sic] Republiquen einen solchen Unterscheid stellen wil, als ob er jenen zu einem Dictatoren und Gesetzgeber über dieselbige aufwerffen, und dise nur in eine Dependenz ziehen wolle«.255 Wenn Valkenier die neuen, dem Französischen entnommenen staatsrechtlichen Begriffe so massiert einsetzt, so will er damit zweierlei ausdrücken: Einerseits ist die Eidgenossenschaft qua Republik ein vollberechtigtes Mitglied der Staatenwelt, also souverän, und andererseits qua Souveränität frei in ihrer Bündniswahl. Das sind gleich zwei Spitzen gegen Frankreich. Zum einen macht Valkenier deutlich, dass sich Repu-

252 Maissen, Valkeniers republikanische Sendung, 1998, S. 167. 253 StAZ B i 329, fol. ii; ein erstes Creditiv, gezeichnet von L. Fager, ib., fol. i. Beides urspr. StAZ A 2172, 29/30. 254 Valk enier, Ansprach, 1690, S. 4. 255 Amelot, Antwort, 1690; Valkeniers Antwort daselbst und in Liebenau, Memorial, 1888, S. 165–170.

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bliken vereint gegen die Arroganz der Höfe wehren müssen. Er weist dabei darauf hin, dass Louis XIV seine Verachtung für die Alpenrepublik im Umgang mit eidgenössischen Honoratioren bewiesen habe oder dadurch, dass er die schweizerischen Söldner entgegen den vertraglichen Abmachungen nicht nur defensiv einsetze, sondern auch außerhalb seines Territoriums.256 Bei seinen Warnungen vor einer französischen Universalmonarchie führt Valkenier regelmäßig eine antike Parallele an, den erwähnten schweizerischen »Warnungstopos« aus Simlers Zeiten: Hätten die »Griechische Republicquen« sich zusammengeschlossen, »sie wären ihrem allgemeinen Feind dem König Philippo von Macedonien nicht zur Beute geworden«.257 Doch hat sich nun die Stoßrichtung verändert: Was im 16. Jahrhundert eine Warnung vor der (griechischen) Uneinigkeit gewesen ist, wird jetzt zur Drohung mit der (makedonischen) Monarchie, die durch Subversion und Verschlagenheit eine universale Willkürherrschaft zu errichten trachte. Zur gemeinsamen Abwehr dieser Bedrohung verpflichten die geographischen und historischen Parallelen zwischen Holland und der Schweiz, aber auch diejenigen, die sich aus »einerley Regierungsformb« ergeben: die defensive, nicht expansionistische Außenpolitik, Gerechtigkeitsliebe, die »Ehrlichen, auch Land- und Leuthen hochst nöthigen und nützlichen Commerzen und Fabriquen« – was alles eine »gleichsam himmlisch-begnädigte Harmonie und Sympathie« begründe.258 Damit richtet sich der Envoyé extraordinaire nicht nur gegen den konkreten Feind Louis XIV, sondern postuliert die »lang erwünschte Zusammentrettung und Sicherheits Tractat beyderseits Republiquen« ganz allgemein, »in betrachtung alle Monarchischen Regierungen die Republiquen überzwerch [missgünstig] ansehn und sie bald über ein haufen würden werfen, wan diese durch kluge Staats-Maximen und einer vertraulichen Zusammenhaltung sich dagegen nicht zu schützen wissen würden«.259

256 Amelot, Antwort, 1690. 257 Zum Warnungstopos oben, S. 68 f.; die Warnung vor einer Universalmonarchie in Valk enier, Klage, 1691; ders., Memoriale … Canton Bern, ders., Interesse, 1697; ders., Proposition, 1700, ders., Memoriale … löblichen Eydgnoßschafft, 1702. 258 StAZ B i 329, S. 145–149, hier S. 146 f.: Copia des Schreibens an Bürgermeister, Klein- und Grossräth [von Zürich], 19./29. April 1693 (auch A 2172, 71). Die Übereinstimmung von geographischen Gegebenheiten, kaufmännischem Fleiß, außenpolitischer Zurückhaltung und republikanischer Staatsform ist ein Topos in niederländischen Flugschriften und politischen Traktaten, vgl. Schilling, Republikanismus, 1984, S. 524 f. 259 StAZ B i 329, S. 147: Valk enier, Copia, 1693; auch StAZ A 2172, S. 71; fast identisch Valk enier, Memoriale … Canton Bern.

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Andererseits verunmöglichen in Valkeniers Interpretation weder der französische Soldvertrag von 1663 noch der Neutralitätsstatus ein neues Defensivbündnis der Schweiz (mit den Niederlanden). Gestützt auf Grotius, argumentiert der niederländische Gesandte vielmehr, dass die Neutralität die Gleichbehandlung von Kriegsparteien impliziere – wenn also Truppen für Frankreich angeworben werden, dann müsse dies auch für die Niederlande möglich sein. Damit erlebt die Neutralität als Idee und als Wort in der eidgenössischen Außenpolitik ihre erste Konjunktur, und in Zürich ist es namentlich Bürgermeister Heinrich Escher, der sich diese Denkweise zu eigen macht.260 Brennend aktuell wird die Frage 1693, als Valkenier offiziell beantragt, Truppen für die Generalstaaten werben zu dürfen. Ein erstes obrigkeitliches Gutachten im April 1693 ist noch zurückhaltend und erklärt, in der gegenwärtigen Situation müsse man den Ewigen Frieden von 1516 mit Frankreich, den Pensionenbrief und »die auf allen Tagsatzungen aufrichtig und threüwlich versprochene Neutralitet« berücksichtigen. Daher habe man erwogen, »waß für Maximes und Regul« die Vorfahren in den gewaltigen Kriegen, welche die Eidgenossenschaft dank Gottes Güte friedlich überstanden habe, angewendet hätten, »und sich erinnert, daß man sich jederzeith einer Neutralität beflißen« habe. Praktisch gleichzeitig mit dem frankophilen Schwyzer Büeler erklären die von Frankreich enttäuschten Zürcher damit die Neutralität zur seit jeher befolgten Maxime.261 Wie aber ist sie zu interpretieren? Mit der zäh erhandelten Kapitulation vom 15. Mai 1693, in der Zürich den Generalstaaten ein Defensivbataillon bewilligt, setzt sich Valkeniers Leseweise durch. Das weitgehende Monopol Frankreichs auf reformierte Schweizer Söldner ist gebrochen, und schon bald beschreiten auch Berner, Bündner und später Schaffhauser, Appenzeller und Glarner Truppen den Weg nach Norden. Valkenier bleibt allerdings weiter in Zürich und fordert 1697 in Das Interesse einer gesamten löblichen Eydgenoßschafft bei itzigen Conjuncturen unverhohlen »een Linie van communicatie«, eine eindeutige Allianz zwischen den beiden Republiken.262 Darauf entgegnet ein anonymes, aber offiziöses und vermutlich vom unten zu behandelnden

260 Bundi, Kriegsdienste, 1972, S. 30; Schweizer, Neutralität, 1895, S. 376 f. 261 STAZ B i 329, S. 72 (Zusammen getragene Reflectiones der Herren Verordneten über ehr. Envoyé Valkeniers proposition, 3. April 1693); zu Büeler oben, S. 223. 262 Valk enier, Interesse, 1687; zum Traktat Bokhorst, Betrekingen, 1930, S. 139–143, das Zitat auf S. 139; ferner mit falscher Datierung Schweizer, Neutralität, 1895, S. 324 f.

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Seckelmeister Johann Heinrich Rahn verfasstes Politisches Gespräch zwischen Franco, Arminio und Teutobacho: über das wahre Interesse der Eydgnoßschafft.263 Der Verfasser hält wenig von »gegenwärtiger Despotischen Regierung der Cron Franckreich«, deren Unberechenbarkeit und Arroganz er verkündet: »dann große Potentaten wollen nicht kleinen Republiquen niemahls del pare geben und sich Sachen in Schrift abzwingen lassen«. Des Schweizers »Teutobachus« Ideale gründen dagegen in seinem »hoch-befreyten Staats-Wesen«, wo Freiheitsliebe vorherrscht, »da fast jedes Dorff ein kleine Republic ist, in dem es seinen Dorffs-Vorgesetzten aigen Gericht, Kriegs-Officier, und an etlichen Orthen das hoche Malefiz ohne weitere Apellation habe, in denen so genandten kleinen Orthen aber ist ein jeder Landmann, er seye so gering als er wolle, selbs Herr, und hat in allen wichtigen Standsund Lands-Sachen seine Stimm zugeben.« Gleichwohl hält »Teutobachus« am Prinzip einer wachsamen und bewaffneten, mit dem Nationalheiligen Niklaus von Flüe begründeten Neutralitätspolitik fest: Es wäre »wider alle Staats-Reglen ihrer Forderen, welche den Friden und Neutralität als 2 Grund-Säulen ihres freyen Stands in allen Europeischen Kriegs-Händlen zum Haupt-Zweck ihrer Rathschlägen gehabt.«264 Es handelt sich um eine der frühesten gedruckten Schweizer Belege für das Wort »Staat«,265 und umso bezeichnender ist die Verbindung mit der Neutralität als einer althergebrachten »Staats-Regel«. Wenn also Rahn die außenpolitischen Implikationen einer republikanischen Offensivallianz gegen das despotische Frankreich ablehnt, so betont er doch gleichzeitig und in dieser Form auffällig früh die innenpolitischen Eigenheiten der souveränen, föderierten Schweizer Republiken, wo die rechtlichen und militärischen Kompetenzen oft auf Gemeindeebene verwaltet werden und mindestens in den demokrati-

263 [Rahn,] Politisches Gespräch, 1697; zur Verfasserschaft Von Haller, Bibliothek, 5, 1787, S. 444 (Nr. 1471) sowie Schweizer, Neutralität, 1895, S. 325–327; in ZBZ G 2424 vermutet ein beigelegtes Blatt, der dort enthaltene Text könnte von Zunftmeister (Beat?) Holzhalb stammen, doch in ZBZ G 401b, S. 228 (Protokoll vom 22. März 1698) wird das Politische Gespräch auch S.[eckelmeister] R.[ahn] zugeschrieben. 264 [Rahn,] Politisches Gespräch, 1697, S. A4v; vgl. auch Rahns früheres Eintreten für eine unbedingte Neutralität, die den Niederlanden genützt hätte, indem keine Söldner an Frankreich gegangen wären, [Rahn,] Gründtlicher Bericht, 1674, S. 46: »Die Schweitz soll ausser den Bundespflichten gegen die Cronen neutral verbleiben und den Keyser oder Franckreich nicht choquiren.« 265 Daniel Guggisberg hat in seinen Fundstellen aus Schweizer Flugschriften keine ältere; ich danke ihm für diesen Hinweis.

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schen Landkantonen die einzelnen Bürger gleichberechtigt mitentscheiden. Die niederländischen Defensivallianzen mit Bern (1712) und mit den Drei Bünden (1713), die gegenseitige Hilfe zusagen, zeigen, dass Valkeniers Diplomatie mittelfristig durchaus weitere Früchte trägt. Bereits 1697 gelingt es ihm und den Generalstaaten auch, die Eidgenossen und Genf in den Frieden von Rijswijk einzuschließen. Valkenier bringt diesen Erfolg durch einen großen Obelisken auf dem Zürcher Weinplatz zum Ausdruck, auf dem ein niederländischer Löwe einem geharnischten Schweizer den Friedenskranz überreicht. »Darob giengen zwo Händ auß den Wolken, jedere haltend ein brennendes Herz mit der Uberschrift: Pro libertate. Für die Freyheit. Darunter stuhnde: Sic coëant animis Fontes ac Ostia Rhenji. Also werde der ursprung des Rheins mit dessen außgang vereiniget«.266 Das Bewusstsein, dass konstitutionelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Außenpolitik grundlegend sind, ist nunmehr – nicht nur auf Frankreich bezogen – Allgemeingut: Als der Zürcher Statthalter Johann Ludwig Hirzel 1706 mit dem Berner Abraham Tscharner die Toggenburger Krise erörtert und nach Wegen sucht, eine Einmischung des Kaisers zu vermeiden, spricht er sich gegen die Berner Idee aus, den kaiserlichen Gesandten Graf Trautmannsdorf zu involvieren, weil »die österreichischen Gesandten nach ihren monarchischen Principien eher der Unterdrükung der Freiheiten, als der Förderung der unterdrükten Freiheiten zuneigen.«267 Immerhin hat inzwischen selbst der kaiserliche Gesandte damit begonnen, die bis dahin »löbl. Eydgenossenschafft«, die 1648 aus dem Reich ausgeschieden ist, als »preyßwürdige Republic« anzusprechen.268 Das gestärkte Selbstvertrauen verrät sich auch in der Antwort von Bürgermeister Heinrich Escher auf eine Rede des französischen Gesandten Puysieulx in Solothurn, in welcher dieser 1704 von der Gnade des Sonnenkönigs gegenüber den Schweizern gesprochen hat. Gnade gebe es für Verbrecher, für übermäßig beschenkte oder schwache Souveräne, wenn ein mächtiger sie nicht mit Krieg überziehe. Auf die Eidgenossenschaft könnte allenfalls die dritte Variante zutreffen; in einem solchen Fall stoße der Aggressor aber auf »wahrhaffte compatrioten und ehrliebende Leute …, welche, ehe sie zulassen solten, daß man ihre freyheit benachtheiligte, ehender den letzten tropffen bluths auffopfern und vergiessen würden.« Mit diesem Votum, das den Fran266 Kurze Erklärung, 1697, S. 4. 267 EA 6, 2, S. 1486 (9. November 1708). 268 T rautmannsdorf f, Memoralien, 1701.

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zosen zurückkrebsen macht, zieht Escher in Lünigs Redensammlung berühmter Männer ein.269 Wenig später hat Escher Gelegenheit, den Kern der außenpolitischen Souveränität zu betonen: »Da wir durch die Gnade Gottes eine freie, unabhängige Republik sind, besitzen wir das Recht, Defensivbündnisse abzuschließen …«.270 Diese Bekräftigung richtet sich an Frankreich, das in Zürich Vorbehalte gegen das Soldbündnis von 1706 anmeldet, das – wie erwähnt – nicht nur Venedig, sondern auch Zürich und Bern als »Republica« benennt.271 Der Vollmachtenbrief der »Statt und Republic Bern« für ihre Unterhändler hat gleichsam die herkömmliche, germanische mit der modernen, romanischen Staatssprache verbunden und ein Bündnis in die Wege geleitet »zwischen einer durchleuchte Republic und Herrschafft Venedig an ein, und beide hochlobliche Republiquen der Eidtgnößischen Städten und Ständen Zürich und Bern, an dem anderen Theil«.272 Dem Botschafter der Serenissima, Vendramino Bianchi, sagt Escher, der stets als nüchterner Anhänger Frankreichs gegolten hat, es sei nützlich, wenn sich die Republiken, die von den Monarchen mit scheelen Augen angesehen würden, untereinander verbänden, umso mehr, wenn eine der beiden kontinentalen Vormächte zu dominieren drohe: »Conoscere sempre buone le Aleanze tra Republiche e Republiche, e massime questa con l’Eccellentissimo Senato, tanto più quanto più mal veduta dai Monarchi necessaria.«273 Je missbilligender die Monarchien es aufnehmen, desto eher ist eine Allianz zwischen zwei Republiken (unterschiedlicher Konfession) einzugehen! Im selben Geist gehalten sind die Reden, die Escher und Bianchi beim Bundesschwur halten. Der greise Zürcher Bürgermeister verbindet den biblischen Sündenfall mit einem terenzianisch-hobbesianischen »homo homini lupus«, wobei – getrieben von Ehrgeiz und Missgunst – ein jeder den anderen zu beherrschen und unterdrücken versucht, »bis Nimrod … den Grund der ersten monarchie gelegt und eine solche regierung angerichtet, die ihrem eigenen nahmen nach keinen gespahnen, viel weniger die jenigen leiden mögen, die nach eigenen fürgeschriebenen ordnungen in der freyheit leben wollen.«

269 Lünig, Grosser Herren Reden, 6, 1709, S. 336. 270 StABE V. B., B, 747, zitiert nach Jegerlehner, Beziehungen, 1896, S. 112; vgl. auch S. 116. 271 Vgl. auch das »Respublica« auf der Zürcher Gedenkmünze, abgebildet bei Lösel, Goldschmiedekunst, 1983, S. 469. 272 ZBZ MS B 184a, fol. 849 = StABE A V 179, S. 1015 (30. Dezember 1705). 273 Zitiert bei Huber, Bürgermeister Escher, 1936, S. 5, Anm. 6.

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Solcher hefftige geist des ehrgeitzes und verbunst (mißgunst) ist hernach unempfindlich in allen altern der welt in aller deren hertzen eingedrungen, die sich des monarchischen tituls rühmten. Dieser warheit geben zeugniß aller zeiten historien, und sehen wirs heut bey tag an vielen gewaltigen freyen Reichs- und anderen Ständen und städten, die theils allbereit wircklich unter der monarchischen sclaverey seuffzen, theils auch derer harten last empfunden, daran aber durch einen harten streich vom himmel auf eine gantz gnädige weiß wiederum endlediget worden, theils auch noch in augenblicklicher gefahr, eines gleichen jammers zu erwarten, stehen. Dieses, Hochgeachte und Hochgeehrte Herren, hat von dem ersten alter der welt biß auff unsere zeiten alle, die in freyheit leben, zu nicht ohnzeitigen sorgen angetrieben, für das köstliche kleinod ihrer genießenden freyheit auf der hut zu stehen und nachzudencken, ob nicht dem eingangs angedeuteten sprüchlein, quod homo homini lupus, das andere: homo homini deus entgegen zu setzen, und vermittelst aller welt erlaubter reciprocirlichen defensions-tractaten, die gemeine sicherheit zu suchen?274

Auf die naturrechtliche Herleitung der Monarchie folgt mit beinahe derselben Konsequenz deren zwingende Konfrontation mit den Freistaaten – und deren Bündnisse untereinander. Diese »Staats-maxime«, so Escher, hätten bereits die Vorfahren in der Allianz von 1615 befolgt, und erneuert werde sie unter den »jetzigen misslichen conjuncturen«, die »alle annoch im friede lebende, insonderheit die freyen Stände zur wachtbarkeit anfrischen«. Nachdem der Bürgermeister vor dem Zürcher Großen Rat ein Bekenntnis gegen das monarchische Prinzip an sich abgelegt hat, beginnt der Venezianische Gesandte mit einem Lob der gottgewollten Einheit »in un Governo, il più retto, il più soave, il più durabile, ed (in una parola) il più perfetto, come è quello d’una Republica.« Diese Einheit könne ein einzelner, einzigartiger, souveräner Staat wie Venedig als Herrscherin über ein großes Reich verwirklichen, aber auch kleinere Länder in einem einträchtigen, sicheren Bündnis, wodurch aus »molti stati una sola figura di Governo« entstehe – wie bei Bern und Zürich. Beide Typen der Republik, die einheitliche wie die konföderierte, orientieren sich aber am selben Ziel: »Concordia e Pace«.

274 Lünig, Grosser Herren Reden, 5, 1709, S. 683 f.

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8. Die frühaufklärerischen Sozietäten 275 Die Sensibilisierung für die politischen Gemeinsamkeiten mit den Niederlanden und mit Venedig und die Distanzierung von der französischen Monarchie lassen sich in Zürichs frühaufklärerischen Sozietäten nachverfolgen. Deren Rahmen ist die 1629 gegründete, öffentliche Bürgerbibliothek, für die der Rat das oberste und bald auch das mittlere Stockwerk der Zürcher Wasserkirche zur Verfügung stellt. In einer Stadt ohne Universität und mit einem auf den Pfarrernachwuchs ausgerichteten Schulwesen ist diese Institution für die Kinder der regimentsfähigen Familien besonders wichtig. Als informelle Bildungsstätten nehmen hier drei Sozietäten ihren Sitz ein: das Collegium Insulanum (1679–1681), das Collegium der Vertraulichen (1686–1696) und das Collegium der Wohlgesinnten (1693–1709). Die Anregung geht ursprünglich auf das Wirken des erwähnten Universalgelehrten Johann Heinrich Hottinger und des Theologieprofessors Johann Heinrich Heidegger zurück. Beide verdanken den Niederlanden prägende Bildungserlebnisse und bleiben auch nachher im wissenschaftlichen Kontakt mit Gelehrten aus den Generalstaaten, aber auch in politischem mit deren Diplomaten.276 Vor allem Heidegger, der selbst verdächtigt wird, als Cartesianer und Cocceianer von der reformierten Orthodoxie abzuweichen, erkennt auch die Lücken im Zürcher Bildungsangebot, das exklusiv auf die Ausbildung von Pfarrern ausgerichtet ist. Aus Hottingers und Heideggers Schülerkreis stammt deshalb auch der Kern der zwölf Männer, die am 12. April 1679 das Collegium Insulanum gründen, dessen Name sich auf die Lage der Wasserkirche auf einer Limmatinsel bezieht. Alle zwölf Mitglieder und ebenso ihre Nachfolger in den jüngeren Sozietäten stammen aus führenden Zürcher Familien und vertreten recht breit die Funktionseliten in Verwaltung, Justiz und Sanität, Armee, Kirche und Wirtschaft. Wie das bei ähnlichen Gesellschaften im Ausland ebenfalls der Fall ist, werden Statuten verfasst, eine feste Mitgliederzahl fixiert, eine Beitrittszahlung

275 Hierzu inzwischen Kempe/Maissen, Collegia, 2002, mit detaillierten Angaben zur Sozialbiographie der Sozietätsmitglieder und zu ihrer Vortragstätigkeit; es werden im Folgenden nur noch wesentliche Aspekte zusammengefasst. 276 Vgl. die Briefsammlungen in der ZBZ , MS B 28; B 260 (fol. 156–198); D 179 (fol. 31, 33, 36, 54, 56, 108, 142, 176); ferner im StAZ , A 1703/4 (an Rahn). Zur Korrespondenz Hoiningen-Huene, Schweiz und Holland, 1899, S. 130–32; Bokhorst, Betrekingen, 1930, S. 5 f.

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8. Die frühaufklärerischen Sozietäten

verfügt und Ämter zugeteilt. Protokolle fassen die Vorträge zusammen, bei deren thematischer Wahl die Referenten ebenso frei sind wie bei der Sprache: Deutsch, Französisch, Italienisch oder Latein. Die Vorträge, an die durchaus kontroverse Diskussionen anschließen, betreffen die gesamte Breite der Wissenschaften: Im Bereich der theologischen Moralphilosophie wird etwa gefragt, »ob Samson unter die Selbstmörder könne gerechnet werden«; aber auch verdächtige Autoren wie Spinoza werden gemeinsam erörtert. Naturwissenschaftliche Referate widmet man den Kometen oder der Erschaffung der Welt, den Erdbeben, der »Veränderung des Kalenders« oder auch ganz konkreten anatomischen Vorführungen, ebenso der Alchemie und der Frage, ob es den Phönix wirklich gibt. Die Methode der Eklektik erweist sich als Mittel, um umstrittene moderne Theorien, so von Descartes oder Kopernikus, zur Diskussion zu stellen. Für die zahlreichen historischen, verfassungsgeschichtlichen und politischen Vorträge greifen manche Collegiaten direkt auf an sich geheime Archivalien zurück, da sie davon ausgehen können, dass ihre Informationen statutengemäß vertraulich behandelt werden.277 Darin zeigt sich, wie die Selbstbildung in den Sozietäten und die berufliche Karriere für die Collegiaten verzahnt sind. Im Unterschied zu den im Ausland vorherrschenden Gelehrtenzirkeln sind die »Insulaner«, »Vertraulichen« und »Wohlgesinnten« im staatlichen Leben engagiert, aber gleichsam noch auf Wartepositionen, da Väter oder ältere Brüder bereits wichtige Regimentsposten innehaben. Für etliche junge Zürcher stellt die Laufbahn über Schreiberstellen und Archiv in einer Zeit zunehmender Verschriftlichung die Vorbereitung auf das Regiment dar. Viele spätere Bürgermeister haben zuvor die Stellung des Stadtschreibers inne.278 In manchen Fällen ergänzen sich wohl die Vortragstätigkeit und die Kanzleiarbeit, etwa bei der regelmäßigen Verwendung der älteren Eidgenössischen Abschiede, welche die jungen Schreiber kopieren, aber auch wenn sie jüngeres, diplomatisches und entsprechend sensibleres Material erörtern.279 Die Collegia sind also eine praxisrelevante und karrierefördernde Zusatzausbildung für »wohlerfahrne junge Herren«, die es in »Ihres Standts beruffs« zu etwas bringen wollen.280 Es sind denn auch zum Teil ältere, zum Teil jüngere Auf-

277 ZBZ P 6224, S. 81 (1. Juni 1679); S. 139 (5. August 1679); S. 246 (14. Oktober 1679); vgl. auch ZBZ B 57, S. 265 (1. Juni 1680). 278 Guyer, Führungsschichten, 1968, S. 409. 279 Vgl. ZBZ Z III 624, S. 58–71 (27. Februar 1703). 280 ZBZ MS B 58, fol. 2; vgl. auch Thommen, Entstehung, 1980, S. 170 f.

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steigerfamilien, die in diesen Sozietäten am stärksten vertreten sind und deren Collegiaten untereinander auch vielfach verschwägert sind: die Escher vom Glas, Hirzel, Werdmüller, Ott oder Hess. Nicht nur stellen diese Familien im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert deutlich am meisten Vertreter im Regiment, sie sind als Großfabriquanten und -kaufleute auch die reichsten Bürger der Stadt.281 Alle fünf Bürgermeister, die zwischen 1711 und 1740 gewählt werden, haben ein Collegium besucht. Im Sinn des »Oben bleibens« lässt sich also sagen, dass sich die zeitlichen Investitionen in eine breite, zeitgemäße Bildung für die Familien lohnen, die gleichsam beim »Take-off« der Zürcher Staatsbildung und bei der Professionalisierung der Staatsdiener die Voraussetzungen erwerben, um in einer Staatenwelt bestehen zu können, welche die lokalen zürcherischen und eidgenössischen Dimensionen allmählich sprengt.282 Die Ordnung, welche die Collegiaten mit neuen Fragestellungen und Methoden in ihre Umwelt bringen, ist zugleich ein Herrschaftsinstrument, die Voraussetzung einer rationalen Verwaltung.283 Dass die Insulaner nach nur drei Jahren ihre Vortragstätigkeit einstellen, deuten die Wohlgesinnten rückblickend entsprechend damit, dass ihre Vorgänger bald »durch anderweitige höchere vocationes abberüefft worden« seien und nun dem »lieben Vatterlandt große und heilsame dienst« leisteten. Dabei sei es vom größten Nutzen, dass die Insulaner »sonderbahr von nützlichen eidtgenößischen sachen und geschichten gehandlet« haben.284 Ihr Fachmann in dieser Hinsicht ist Johann Rudolf Hess, der später mit einem Legat den erstmals 1713 besetzten Lehrstuhl für vaterländische Geschichte am Carolinum schaffen wird. 1680 referiert er auf Französisch, »ob des Wilhelm Tellen Histori für erdicht oder wahrhafft zuhalten?« Wer das bezweifle, wird dank Tellkapelle, Tellplatte und hohler Gasse als »opiniastre et bastard de la Liberté Helvetique« entlarvt.285 Hess klärt auch über die anderen – wie er selbst bemerkt – umstrittenen schweizergeschichtlichen Fragen 281 Zusammen mit den Gossweiler (mit ebenfalls zwei Vertretern in den Collegia), den Ziegler (ein Collegiat) und den Orelli berappen allein die Escher und Hirzel 38 Prozent aller Abgaben für den Pfundzoll, der neben den säkularisierten Gütern den größten Teil der Zürcher Staatseinnahmen ausmacht; vgl. Geschichte Zürich, 1996, S. 131. 282 Zum Problem des »Obenbleibens«, allerdings vorwiegend im Hinblick auf Heiratsstrategien, Braun, Obenbleiben, 2000. 283 Vgl. auch Barraud Wiener/Jezler, Kunstkammer, 1994, S. 781–784. 284 ZBZ MS B 58, fol. 2. 285 ZBZ MS T 41812, S. 615–621.

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auf, etwa »num Helvetii tanquam rebelles a Domo Austriaca defecerint«.286 Nicht die Schweizer, die Österreicher seien es, die das »crimen laesae majestatis«, nämlich Felonie begangen haben und die Eidgenossenschaft dem Reich entfremden wollten.287 Wie kommt es dann aber, dass die Schweizer »vorm Reich befreit und ledig worden, und also Souverain« sind, befördert »in hanc absolutam libertatem et Independentiam, quae hodie apud omnes Reges, principes et Status considerantur et salutantur«? Hier ist die Antwort ähnlich: Die Kaiser haben die Eidgenossen im Schwabenkrieg im Stich gelassen, diese sich dann selbst geholfen. Der Zürcher braucht dafür ein Bild, das die behandelte Metaphorik der politischen Ehe aufnimmt, insofern »ex jure matrimoniali desertionem malitiosam divortii justam et sufficientem causam« darstellt: Helvetia ist die vom Kaiser böswillig verlassene Braut!288 Sie hat – konfrontiert mit »infidelitas et perduellio« – rechtmäßig die Scheidung vollzogen, da die »defensio enim sui juris gentium« sei, man also zum Selbsterhalt zu den Waffen greifen und den damit gewaltsam erreichten Status legitimerweise behalten darf: »Nostis, Auditores, apophtegma politicum: Viribus parari, jure retineri.« In Westfalen sei dann die vollständige Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft anerkannt worden, wobei Hess auf die Acta und Handlungen verweist, die ihm Wettstein persönlich geschenkt habe. Der Collegiat interpretiert die Exemtion auch mit Berufung auf die Abschiede als »status Independens ab Imperio et absolutus non modo a Regibus et principibus externis, sed ab Imperatore Imperioque toto«.289 Für den – wie er jetzt heißt – »helvetiorum status«, den Schweizer Staat, charakteristisch seien dieselben Merkmale wie für andere »absolute souveraine Ständ«, namentlich das Bündnis- und Gesandtschaftsrecht: »Exinde Helvetii tanquam Status absolutus et libera Respublica suscipiundus, ut Libere Resp. Legationes tanquam absolutorum ad absolutos exceperunt et dimiserunt.«290 Mit der Tugend der Vorfahren und Gottes Hilfe werde man nicht das Herrschaftsgebiet weiter ausdehnen, sondern demütig und friedlich die Früchte der Freiheit genießen.291 Hess zitiert dabei Horazens »Dulce et decorum est pro patria mori« – eine Devise, die,

286 ZBZ MS P 6224, S. 79 f. (21. Juni 1679). 287 Vgl. auch ZBZ MS T 41812, S. 616. 288 ZBZ MS P 6224, S. 122, 146 (5. August 1679); zur politischen Ehe oben, S. 256 f., sowie B 58, fol. 707v–709 (20. November 1694), über Louis XIV. 289 ZBZ MS P 6224, S. 142, 144. 290 ZBZ MS P 6224, S. 136; vgl. S. 138. 291 ZBZ P 6224, S. 149 (5. August 1679).

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wie gezeigt, kurz zuvor auch auf einem Zürcher Neujahrsblatt und sinngemäß wenig später auch an der Rathausfassade begegnen wird.292 So entwirft der Insulaner eine mehrfach verschränkte Rechtfertigung für eine Schweizer Unabhängigkeit seit dem späten 15. Jahrhundert: naturrechtlicher Selbsterhalt und faktische Herrschaftsausübung im völkerrechtlichen Sinn, reichs- und lehensrechtlicher Herrschaftsvertrag, Exemtion, eherechtliche Analogie und schließlich das moralische Argument maßvoller und unschuldiger Tugend in spartanischer Tradition. Die Reichsinsignien in den Schweizer Standeswappen deutet Hess als ursprüngliche Zeichen des geschuldeten reichsständischen Gehorsams, danach als freiwillige Ehrbezeugung und Dank für die Privilegien. Nach dem Westfälischen Frieden habe man aber die Insignien »abgethan und an deren stat, mit lorbeer oder palmenzweigen ein cräntzli gleich einer cron zusammen gebogen, geziert, auch die leüwen so den schilt halten, mit dem hohen oberlichen zustehenden gewaltsschwert bewehret«.293 Da dies noch nicht für alle Symbolträger gilt, fragen sich die Wohlgesinnten gleich zweimal, »warumb wir auff unseren münzen als schillingen, batzen etc. noch den reichs-adler behalten, da wir doch nicht mehr zum Reich gehören«. Das geschehe aus »gebrauch und gewohnheit«, obwohl den Bürgern einer – im Unterschied zu den Reichsstädten – souveränen, »mit den höchsten rechten begabten statt … die zeichen einer andren oberherrschafft uns verdrießlich und verdächtig« vorkommen sollten.294 1694 greift der Wohlgesinnte Johann Rudolf Ott die Thematik des Insulaners Hess wieder auf und gibt ihr eine neue Wendung: Die »absünderung« sei nicht von den angehenden Nationalmonarchien und »einig andere freÿe ständt« vollzogen worden, sondern von »Reichsseithen … welches die anderen ausgeschrancket«: »alßo muß ordentlich das alte u. weithe rom.e Reich u. das heuttige engere … underscheiden werden.«295 Die Eidgenossenschaft befindet sich also für Ott wie die übrigen europäischen Länder noch gleichsam im ursprünglichen, karolingischen Universalreich, ohne Reichskammergericht und ohne Reichskreiseinteilung. Dagegen bilde Deutschland – durchaus im Sinne der Morawschen »Verdichtung« – seit 1495 ein neues, engeres und nationales Reich. Die mo-

292 Dazu oben, S. 341, und unten, S. 389. 293 ZBZ P 6224, S. 561, 568 (22. Juni 1680); vgl. ZBZ B 57, S. 371. 294 ZBZ B 58, fol. 567v–569 (23. Januar 1694); ZBZ Z III 619, S. 229 (13. Dezember 1698). 295 ZBZ MS B 58, fol. 167v; zum Brief von 1519 oben, S. 168 f.

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derne Ordnung souveräner Staaten entspricht in dieser Betrachtung also dem alten Imperium, das »freÿe völcker, ständt u. stätten« umfasste. Nicht nur die Anfänge der Eidgenossenschaft, auch diejenigen des Zürcher Regiments müssen aufgearbeitet werden, wobei ein weiterer Insulaner, Christoph Werdmüller, daran erinnert, »dass solche wüssenschafft weder aus den büchern noch historien, sonder experitiori notitia Reip. cujusq. qualis nunc est, geschlossen werden kann, weil der Verlauff den Regimentsgattungen villerleÿ enderungen und mixtur beÿbringt.« Die Bücherweisheit der Schulen ist also für das Collegium und die angehenden Staatsmänner nicht ausreichend. Die Verfassungen ändern sich, und entsprechend versteht der kluge Politiker, »wie die Regimenter nach d. Zeiten beschaffenheit einzurichten« sind.296 Werdmüller stellt 1680 diesen Politiker als Träger der obersten Gewalt vor und gibt ihm zugleich das neue Wort »Staatsman«.297 Bereits 1667 hat er mit Quaestiones politicae de imperio et subjectione die erste staatstheoretische Disputation an der Hohen Schule vorgelegt, bei Johann Heinrich Heidegger; gewidmet ist sie unter anderem dem verstorbenen Hottinger. Es handelt sich um den wohl ersten Beleg für eine intensivere Zürcher Rezeption des Naturrechts, denn der Spross der reichen Verlegerfamilie legt über weite Strecken nichts anderes vor als eine Kopie von Grotius’ De jure Belli ac Pacis und vor allem des Kapitels über – unter anderem – die Staatsgewalt (1, 3). Werdmüller betont die uneingeschränkte Gesetzgebungskompetenz, »condendo leges, easque tollendo, circa sacra (quatenus eorum cura ad civitatem pertinet) quam circa profana«.298 Im Collegium Insulanum präsentiert er Rudolf Brun als neuen Brutus, als Schöpfer einer »Respublica«, die »Aristocraticis et Democraticis artibus temperata fuit, ita ut et Optimatium magna ratio habita, et plebi satisfactum fuerit«.299 Das Collegium Insulanum findet sich in der Überzeugung, dass eine starke und wenn notwendig harte Obrigkeit unabdingbar ist, um die stets aufmüpfigen Untertanen botmäßig zu behalten. Die Grundlage dafür ist die Souveränität, und so handelt 1686 ein Vertraulicher »de majestate«, seit Bodin das lateinische Wort dafür. Haab hält fest, dass die völkerrechtliche Souveränität nicht von der Quantität der Besit-

296 ZBZ MS P 6224, S. 93 (Von der ersten Ritter Ratsperiode, 16. Juli 1679). 297 ZBZ MS P 6224, S. 375 f. (20. April 1680), nach Silhon, Ministre d’Estat, S. 308. 298 Wer dmüller, Quaestiones, 1667, S. C1; Grotius, De jure belli, 1646, S. 52 (1, 3, 6). 299 ZBZ MS P 6224, S. 257 (30. Oktober 1679).

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zungen abhängt, sondern von der Qualität der Herrschaft – die eidgenössischen Orte sind ebenso souverän wie der König von Spanien mit seinen Überseegebieten. Der Souverän ist nämlich derjenige, der – fast wörtlich nach Bodin – die höchste, von den positiven Gesetzen gelöste und zeitlich unbegrenzte Macht innehat: »summam legibus solutam atque perpetuam potestatem«.300 Allerdings präzisiert Salomon Ott, »die regel quod majestas sit legibus libera ac soluta potestas, soll nicht dahin gezogen werden, als ob er das gesaz nicht halten, sonder dass die unterthanen den regenten kein gesaz fürschreiben sollen«.301 Dies ist eine für das schweizerische Verständnis der Souveränitätstheorie sehr charakteristische Aussage, die durchaus auch ihrem ursprünglichen, Bodinschen Sinn entspricht: Nicht die Erhebung des Souveräns über das Gesetz, seine Immunität, ist das Ziel, sondern seine Erhebung über konkurrierende Institutionen – Kirchen, Universitäten, Munizipalstädte, schlicht jedermann, der sich auf entsprechende Privilegien berufen möchte. Folgerichtig verurteilen Collegiaten wie der erwähnte Christoph Werdmüller auch das Widerstandsrecht, mit einer stillschweigenden Ausnahme: die »summa necessitas« der Todesgefahr, wie in einer ebenso an Hobbes wie an Grotius gemahnenden Argumentation vorgeführt wird: »Neque enim credibile est, populum imperanti hac conditione detulisse summum Imperium, ut in summo discrimine malit mortem eligere, quam non resistere apertis injuriis, nisi forte resisti non possit, nisi cum publicae salutis periculo.«302 Doch selbst in einem solchen Fall von Notwehr sei die Person des Herrschers zu verschonen, also der Tyrannenmord ausgeschlossen. Mit einer Grotius entnommenen Sentenz, die auch jedem französischen Apologeten des Absolutismus als Motto dienen könnte, hält Werdmüller nämlich fest: »pejus esse bellum civile dominatu illegitimo«.303 Die Frage wird 1686 wieder hochbrisant in einer Stadt, die manche im Vorjahr vertriebene hugenottische Flüchtlinge beherbergt. Darf man einem absoluten Herrscher bewaffneten Widerstand leisten, namentlich in Sachen des Glaubens? Mit seinen Thesen über die unverletzliche Macht der absoluten Herrscher, die der »serviteur de la liberté« Johann Rudolf Escher auch ein

300 ZBZ S 398, S. 101–103 (17. Mai 1686); vgl. Bodin, Respublica, 1586, S. 78. 301 ZBZ S 493, fol. 241 (5. Januar 1695). 302 Wer dmüller, Quaestiones, 1667, S. C2v; vgl. Grotius, De jure belli, 1646, S. 86 (1, 4, 7). 303 Wer dmüller, Quaestiones, 1667, S. C4v; Grotius, De jure belli, 1646, S. 92 (1, 4, 19), nach Plutarch, Brutus, 12, 2.

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bisschen als Advocatus diaboli vorbringt, stößt der zukünftige Landvogt nun allerdings auf Widerspruch der Vertraulichen. Die alttestamentlichen Beispiele von Tyrannenmord weist er mit der neutestamentlichen Aufforderung zu Duldsamkeit zurück; und der naturrechtliche Einwand, alle Menschen seien gleich, gelte seit dem Sündenfall nicht mehr, da dieser Herrschaft notwendig mache.304 Sei es, dass er seine Meinung angesichts der Diskussionen um die Hugenottenverfolgung ändert, sei es, dass er von Anfang an Freude daran hat, das Thema kontradiktorisch zu behandeln: Zwei Monate später nimmt derselbe Johann Rudolf Escher den gegensätzlichen Standpunkt ein und erlaubt den Untertanen – wenn andere Maßnahmen nichts gefruchtet haben – den Widerstand gegen einen Tyrannen.305 Weniger gewunden ist die Auseinandersetzung in den zahlreichen Vorträgen zu diplomatischen Fragen, wenn etwa Johann Heinrich Rahn über Fragen des Gesandtschaftswesens und die Präzedenz doziert und auch auf die »die Ceremonien von dem hut-abziehen beÿ den propositionen der gesandten« zu reden kommt.306 Ihrerseits erinnern die Wohlgesinnten aus Sorge um »des helvetischen standes reputation« wehmütig an die Zeiten, als man den Hut vor den Eidgenossen in den Händen hielt, während Louis XIV sie nun mit bedecktem Haupt empfange.307 Tatsächlich prägt der Sonnenkönig von Anfang an die Debatten. Das Collegium Insulanum wird am 12. April 1679 gegründet; zwei Monate zuvor, am 5. Februar 1679, hat der Kaiser als letzter Kriegsgegner den Nimweger Friedensvertrag mit Frankreich unterzeichnet. Louis XIV steht auf dem Gipfel seiner Macht, Spanien hat Südflandern und die Freigrafschaft abgetreten, der Kaiser verzichtet auf Freiburg im Breisgau. Die schweizerische Unfähigkeit, schon nur ein Defensionale zustande zu bringen, geschweige denn die Unabhängigkeit einer neutralisierten Freigrafschaft zu garantieren, drängt die Analyse der Schweizer Teilinteressen, des eidgenössischen Gesamtinteresses und der Interessen der verschiedenen europäischen Mächte geradezu auf. Solche Überlegungen erfolgen in der Tradition des Duc de Rohan, aber in der »republikanischen« Variante von Marchamont Nedhams Interest will not lie (1659) und Het Interest van Holland (1662) der Brüder De la Court.

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ZBZ ZBZ ZBZ ZBZ

S 398, S. 117 f. (16. August 1686); S. 133–136 (11. Oktober 1686). S 398, S. 177–179 (13. Dezember 1686). MS P 6224, S. 478 (13. April 1680). Z III 625, S. 38 (26. Februar 1704).

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In Zürich heißt der Vordenker in dieser Sache Johann Heinrich Rahn, der Urenkel des erwähnten Johann Rudolf Rahn. Dieser und zwei seiner Söhne haben zwischen 1607 und 1669 fünfundvierzig Jahre lang einen Bürgermeister gestellt und verdanken diese vorherrschende Stellung in der ersten Jahrhunderthälfte ihrer Nähe zu Frankreich und den in Klientelbeziehungen eingesetzten Pensionengeldern. Eine ähnliche Karriere ist dem 1646 geborenen Johann Heinrich Rahn in die Wiege gelegt, dessen Vater als Seckelmeister ebenfalls Standeshaupt ist und ihn bereits mit vierzehn Jahren zu Hottinger nach Heidelberg schickt. 1663 widmet Rahn Hottinger seine Theses politicae ex Hugonis Grotij de iure belli et pacis, 1667 seinem anderen Lehrer Johann Heinrich Heidegger eine Dissertatio historico-politica de asylis.308 Als Unterschreiber und ab 1687 als Stadtschreiber verfertigt Rahn Register zu den Ratsmanualen und eine Gesetzessammlung, außerdem auch ein Ceremoniale Helvetico-Tigurinum, in dem er ähnlich wie die gedruckten ausländischen Zeremonialbücher Präzedenzfälle von Titulaturen oder Gesandtenempfängen sammelt.309 Auch das behandelte TeutobachusGespräch dürfte von ihm stammen.310 Gleichsam als Lebenswerk, an dem er ab Mitte der sechziger Jahren bis zu seinem Tod 1707 fortschreibt, hinterlässt Rahn Eidgnößische Geschichten, die handschriftlich in mindestens sieben, bis maximal 1701 führenden Abschriften erhalten sind und 1690 nach längeren Schwierigkeiten mit der Zensur in einer gekürzten Fassung auch gedruckt werden. In Hottingers Tradition, aber nunmehr als Grundlage für staatstheoretische Erörterungen verfasst Rahn auch eine Methodus Studii Historico-Politici Helvetici, gleichsam ein Programm für Systematisierung des öffentlichen Rechts, wobei besonders die Dokumente zur Lektüre empfohlen werden, die den Schweizern »Ihrer Souverainitet, Independenz von dem Reich, Bluthbahns, Commercien und anderen Regalien halb ertheilt« worden seien.311 Während des Holländischen Kriegs engagiert sich Rahn 1674 mit einem Gründtlichen Bericht der Hollander Religion für die Republik im Norden. Er analysiert aufgrund eigens aus den Niederlanden bestellter Unterlagen das »Interesse« der am Krieg beteiligten Staaten und der

308 Rahn, Jus supplicum, 1667; zum Leben Schnyder-Spross, Rahn, 1951, S. 294–306. 309 ZBZ J 214, ebenso L 530. 310 Vgl. oben, S. 362. 311 ZBZ L 8014, S. 1, 5, 7 für die Zitate aus Rahn, Methodus Studii Historico-Politici Helvetici.

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Eidgenossen, das sie mit den anderen Republiken teilen: »Alle freye Ständ sind bey den Gekrönten nicht wohl angeschriben, heut gilt es einen, morgen den anderen: diser wird zum Vortisch genommen, jener zum desert gespart; dem es am besten geht, genießt der polyphemischen Genad und wird der letste auffgeschluckt.«312 Folgerichtig spricht sich der Zürcher dafür aus, dass man im wohlverstandenen Eigeninteresse den Niederländern die Anwerbung von Regimentern gewährt.313 Gegen Ende des Holländischen Krieges, im Jahr 1678, legt Rahn – auch diesmal anonym und ohne Ortsangabe – die Übersetzung von Raebolt Heerman Scheles Libertas Publica unter dem Titel Lob der Freyheit vor.314 Der 1662 verstorbene Schele ist ein klassischer Republikaner und führender Gegner der Oranier gewesen. Libertas publica wird zwar erst 1666 postum gedruckt, ist aber schon 1649 als Entgegnung auf die von Salmasius gegen die englischen Königsmörder gerichtete Anklage verfasst worden.315 Rahn vermittelt also mit seiner Übersetzung die epochalen Debatten der Jahrhundertmitte den Miteidgenossen.316 In der Libertas publica präsentiert Schele seine Heimat als ein »Kind der Freiheit«, und dies nicht nur außenpolitisch, in den Abwehrkriegen gegen Spanien und Frankreich, sondern auch innenpolitisch. Das Ziel des Buches ist es, mit insgesamt 16 Gründen darzulegen, »daß die höchste Macht nicht bey einem, sondern bey vielen bestehe«.317 Die freie Regierung ist die ursprüngliche und älteste, bereits im Alten Testament und im frühen Rom exemplifiziert und – als aristodemokratische Mischverfassung – auch den Niederlanden eigentümlich. »Wann man eine vollkommene Regimentsart ertichten wollte, were eine freye Regierung die beste.«318 Am 1. Juni 1679, in einem der ersten Collegiums-Vorträge überhaupt, widmet sich der Übersetzer der Libertas publica in der Wasserkirche dem (spanischen) Herzogtum Mailand, »so viel mein schwache

312 [Rahn,] Gründtlicher Bericht, 1674, S. 42; zur Verfasserschaft HoiningenHuene, Schweiz und Holland, 1899, S. 117 f.; dieselbe Interpretation des Wortspiels »regio«-»religio« bereits in Hottinger, Wexelschryben, 1650, S. 2. 313 [Rahn,] Gründtlicher Bericht, 1674, S. 44 f. 314 Schele, Freyheit, 1678; zur Verfasserschaft Leu, Lexikon, 15, 1769, S. 19; auch der Katalog der Stadtbibliothek Scriptores tigurini, 1703, gibt den zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Rahn als Verfasser an. 315 Zu Schele und seinem Werk Kossmann, Politieke theorie, 1960, S. 32–34; auch Haitsma Mulier, Language, 1987, S. 193 f. 316 Vgl. auch Haitsma Mulier, Language, 1987, S. 193 f. 317 Schele, Freyheit, 1678, S. 8. 318 Schele, Freyheit, 1678, S. 18 f., 30.

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wüssenschaft reichet, mit erwartender correctur und verbesserung von den HH . Collegis auszuführen; zwahren keins wegs der meinung mich darnach in die gheimm-kammern frembder fürsten und Ständen verständig einzudringen, und aus bloßen muthmaasungen solch StaatsReguln zu formieren, welche einer großen ungewissheit, und durch den verlauf der Zeiten und abänderung der umbständen einem immerwehrenden wechsel unterwerfen; sonder will mehr auf denen vergangnen geschichten und geführter Verfahrens-art unsrer Altvordern, nach der kurtzen elle meiner unerfahrenheit, den sachen ein solches mäs vorzuschniden, wie es die jedenweilige Eventus rerum werden beglauben können«.319 Keine fixen »StaatsReguln« erhofft sich also Rahn, da im Politischen vieles Arcanum bleibt und die Welt sich rasch wandelt, aber fundierte Wahrscheinlichkeiten scheinen ihm mit (schwacher) Wissenschaft auch in einer kontingenten Umwelt ableitbar. Die gewandelten Umstände sind denn auch das Thema von Rahns Überlegungen, wer im schweizerischen Interesse in der Lombardei herrschen soll. Angesichts des französischen Bündnisses und der spanischen, im Veltlin sattsam bewiesenen »libido dominandi« habe man bisher die »Cron Frankreich« vorgezogen; allein, die Zeiten haben sich geändert. So ist jedoch aller welt offenbar, dass aber die Consilia Monarchiae universalis, so in hievorigen Jahren an den Oesterreichschen Höfen geschmiedet worden, jetziger Zeith das einige absehen sind, darnach die König von Frankreich und derenselben ministri alle ihre Rathschleg einrichten, und daß deswegen der jetzmahlige König seiner allzubegierigen Regiersucht halb mehr zuförchten als die Cron Spanien; umb sovill mehr weil bekannt, dass derselbe den freÿen Republiquen nicht am besten gewogen; wie dasjenige so ein Zeith her mit den Heren Staden und dem Prinzen von Oranien begangen, solches zu erkennen gibt.320

Rahn setzt hier – deutlich vor dem Edikt von Fontainebleau, das die Klerikalen gegen den Sonnenkönig mobilisieren wird – die politischen Lektionen seines Jahrhunderts um: Die Monarchien sind den Republiken generell feind, doch im Augenblick geht die Gefahr der »intendierten Universal Mojnarcheÿ« am stärksten vom übermächtigen Louis XIV aus. Dieses Urteil stammt nicht von einem alten Feind Frankreichs, im Gegenteil: Die Familie Rahn ist bisher der Inbegriff der Frankreichtreue gewesen. Wie erwähnt ist es 1614 Bürgermeister Johann Rudolf Rahn gewesen, der die Zwinglistadt ins französische Bündnis zurückgeführt

319 ZBZ MS P 6224, S. 22 (1. Juni 1679). 320 ZBZ MS P 6224, S. 33 f.

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hat: Er und seine zwei Söhne stellen dank französischen Pensionszahlungen in fünfundvierzig Jahren zwischen 1607 und 1669 einen der zwei Bürgermeister.321 Wenn nun aber Johann Rudolfs Urenkel, der Ratssubstitut Johann Heinrich Rahn 1679 vom Interest des Suisses avec la France, et de ses Alliances handelt, dann verlangt er von den französischen Botschaftern eine Sprache »en les termes qui ne choquassent pas la Souveraineté de nostre Republique«. Entschieden widersetzt er sich der Verwendung von Schweizer Truppen bei französischen Offensivaktionen; das Wissen um die Schweizer Geschichte wird dem Zürcher zum Argument für eine Außenpolitik, die einerseits prinzipiell defensiv und andererseits freiheitlich orientiert sein soll.322 Diese Neuorientierung wird einschneidende Folgen auch im engsten biographischen Bereich haben: Nachdem die Familie Rahn jahrzehntelang Offiziere für Frankreich gestellt hat, tritt Johann Heinrichs jüngerer Bruder Johann Jacob Rahn 1693 in niederländische Dienste und verliert dort sein Leben beim Kampf für Prinzipien, die sein Bruder Johann Heinrich 1679 bei der erwähnten Analyse Mailands entwirft: »Endlich ist ohne widersprechen aller freÿen Republiquen, und sonderlich des Eidtgnossischen corporis principal Interesse, dass beide Cronen Frankreich und Hispanien in dem aequilibrio verbleiben, und keine über die ander vill vortheils gewinne.«323 Bei solchen und ähnlichen Überlegungen zeigt sich, dass die Collegiaten den modernen Gleichgewichtsgedanken übernommen haben. De facto sollen Schweizer Söldner auf beiden Seiten dazu beitragen, dass Louis XIV geschwächt werde, ohne dass »Ostereich das weit größer gewicht über Frankreich habe, sonder dass beyde gleich einstehen und gleich friedlich seyen«.324 Kurz nach Rahns Rede, am 30. März 1680, präsentiert der spätere Bürgermeister Johann Jacob Escher den Insulanern eine »Comparatione della Republica Veneta, a l’Helvetica in genere ed a la Zurigana in spetie«. Außenpolitisch, so meint auch er, sei beiden Staaten die wichtigste »ragione di stato«, die »bilanzia politica« aufrecht zu erhalten, das Eigene zu bewahren, jedoch nicht zu expandieren. Bei Bedrohungen durch Frankreich sei eine Defensivallianz mit Venedig angebracht, wobei man sich heimlich auch mit Soldaten aushelfen dürfe, »perche l’oppressione d’un stato a lor uguale come l’Hollanda, Genova ed altro lasciarebbe indietro cattive consequenze per Esse« – der soeben been321 322 323 324

Largiadèr, Geschichte, 1, 1945, S. 400 f. ZBZ MS P 6224, S. 114 (29. Juli 1679). ZBZ MS P 6224, S. 36. ZBZ B 58, fol. 716–718 (17. Dezember 1694).

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dete Holländische Krieg habe die generelle Bedrohung der Republiken genügend bewiesen.325 Was die innere Verfassung betrifft, so gelte an der Limmat wie an der Adria die »Ugualità de Republicani«. Anders als in Monarchien entschieden Verdienste um das Vaterland über die Ämterzuteilungen, die in freien Wahlen erfolgen, was der spätere Bürgermeister mit einer allgemeinen Definition der Republik als einem Zusammenschluss von souveränen Bürger verbindet, die ungeachtet ihrer unterschiedlichen Amtsgewalt dasselbe Stimmrecht haben: Una Città representante o regnante una Republ.a non è altro ch’una Compagnia civile apresso la quale stà la Potestà soprema e benche però è grande differenza d’Autorità fra tali Compagni nondimeno se si tratta gli affari più considerabili il voto o mano dello Capo non si conta piu di quella dell minimo membro dei Collegi, o Consigli Principali della Repbl.a.326

Als republikanischer Orientierungspunkt noch wichtiger denn die Serenissima sind die Niederlande. Rahn geht am 24. Februar 1680 in lateinischer Rede den »freundschaftlich Comercia« zu allen Zeiten nach, vor allem aber den historischen Parallelen in zwei Föderationen, »eodem nobiscum fato, iisdem initiis, incremento et fine«. Es sei das höchste Interesse aller Republiken, dass eine jede von ihnen unversehrt und frei fortbestehe und nicht zur Beute der herrschsüchtigen Könige werde. Denn wenn einmal eine geschwächt und umgestürzt sei, dann würden die nimmersatten Monarchien nicht ruhen, bis den anderen dasselbe widerfahre. Deshalb müssten die Republiken sich beistehen, besonders wenn die Konfession auch noch gemeinsam sei, und zwar verstohlen, wenn es offen nicht möglich sei – »si non ope et auxilio palam, occultis tamen artibus«.327 Rahns Ausführungen sprechen die Sprache der antifranzösischen Traktate, die im Holländischen Krieg zirkuliert sind und die verfassungsmäßigen Gemeinsamkeiten der beiden Republiken so betont haben wie er selbst im Gründtlichen Bericht der Hollander Religion. Dass der Schreiber im Collegium Insulanum mit seinen Überzeugungen nicht allein dasteht, zeigt David Hess in einem Vortrag »betreffende den jetzigen Zustand aller Europaeischen Potentaten und Ständen«.328 Nach den Monarchien und italienischen Mittelmächten behandelt er zuletzt die Niederländer und Eidgenossen: »Nun sind noch

325 ZBZ MS FA Wyss II 110 (= MS B 57, S. 493–497); vgl. auch das deutsche Protokoll in MS P 6224, S. 459–461. 326 ZBZ MS FA Wyss II 110 (Continuatione de Comparationi). 327 ZBZ MS L 488, Nr. 24, S. 1232. 328 ZBZ MS B 57, nachgebunden, S. 49–71.

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zweÿ nambhafte Republiquen oder freÿe Stände übrig, welche wegen ihrer gelegenheit wider das toßende waldwaßer [sic] französischer Hersch-Sucht an statt zweÿer vesten dämmen dienen solten«.329 Auch die nächste Generation übernimmt, im Collegium der Wohlgesinnten, die Prämissen der Insulaner. Johann Rudolf Ott handelt am 4. Juli 1693 in historischen Ausführungen von »etlichen Repub.es« und grenzt eingangs die Reichsstädte und das unter dem französischen Joch schmachtende Straßburg von den »Governi e Republiche affatto independenti« ab. Die Serenissima, die gegen außen wie ein »sovrano principe« auftrete, sei mit ihrer Mischverfassung das »Esemplare d’una Rep.a perfett.ma«; Genua und Lucca genössen ebenfalls den »thesoro di libertà«. Die Eidgenossen seien demokratischer und die Generalstaaten »la più moderna, pur la più liberrima anche e Repub.ca excellente, di tutti gli altri, nella sua possanza e ricchezze«: Wenn sie ihre Grundprinzipien weiter so verfolgten, dann könne diese Republik als mächtigste und prächtigste »quasi in eterno consistere«.330 Die Niederlande sind allerdings wieder durch den Krieg führenden Louis XIV bedroht, und dabei zeigt sich, wie immens und konkret politisch das Collegium agiert. Es ist die Zeit, da Valkenier mit vollem Einsatz Truppenwerbungen erreichen will, der Rat aber noch um die Entscheidung ringt. Zu Valkeniers Hauptstützen in diesem Geschäft zählen neben der Geistlichkeit im Kleinen Rat drei Werdmüller, Statthalter David Hess und sein enger Vertrauter Rahn – also der Kern des Collegium Insulanum.331 Auch die Escher, Holzhalb und Scheuchzer zählen zu seinen Freunden. Der berühmte Naturwissenschafter Johann Jacob Scheuchzer, der Aktuar der Wohlgesinnten, wird 1708 auf Valkeniers tatkräftige Hilfe zählen können, als er sich – zuletzt erfolglos – für den Botanik-Lehrstuhl an der Universität Leiden bewirbt.332 Derselbe Valkenier stellt am 1. April 1693 das offizielle Gesuch für eine Allianz der »Freyen Völckeren«, am 11. April beantragt er eine öffentliche Kapitulation, und am 15. Mai wird der Vertrag unterzeichnet.333 Unter den Offizieren finden sich vier Escher und als Kommandant Major Johann Felix Werdmüller, ein Cousin Christoph Werdmüllers. Ein Mitbegründer der Wohlgesinnten, Johannes Vogel, zieht 1693 als Feldprediger nach Holland, wo sein Bruder Hartmann 1706

329 330 331 332 333

ZBZ MS B 57, nachgebunden S. 66 f. ZBZ MS B 58, fol. 153v, 156v, 159v (4. Juli 1693).

Hoiningen-Huene, Schweiz und Holland, 1899, S. 210, 214, 221, 233 Anm. 2. Ultee, Appointment, 1990, S. 180. Hoiningen-Huene, Schweiz und Holland, 1899, S. 214.

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IV. Zürich als Paradigma

als Kapitänleutnant stirbt, im selben Jahr wie der Vertrauliche und Oberstleutnant Johann Conrad Werdmüller, als er eben im Begriff ist, den Dienst für die Vereinigten Provinzen aufzunehmen. Doch damit nicht genug: Am 11. April erörtert das in der Vorwoche gegründete Collegium der Wohlgesinnten in seiner ersten Sitzung die Frage, ob man Valkeniers Bündnisbegehren »ohne Violierung« des französischen Bündnisses willfahren könne, was von etlichen »Herren Colegarum« »mit krefftigen Gründen bejaet worden«, vor allem vom vortragenden Johann Conrad Escher selbst, dem Schwiegersohn von David Hess und Vetter von Johann Jacob Escher. Das niederländische Begehren um Soldtruppen weckt also den konkreten Handlungs- und Orientierungsbedarf, aus dem heraus das Collegium der Wohlgesinnten überhaupt gegründet wird. Am 2. Mai 1693, auf dem Höhepunkt der innerstädtischen Debatte, bringt der spätere Bürgermeister Johannes Hofmeister im Kollegium »ein wort geredt zu seiner zÿth« vor und kommt zum Schluss, dass die »neutralitet die von uns für Holland unternommene volks-werbung weder hemmen noch hinderen, und daß solche mit gutem gewüssen u. ohne violierung oder underbrechung jetz benennter mit Frankreich habender Tractaten ihren fortgang haben können«.334 Wie schon Johann Conrad Escher am 11. April, so verweist auch Hofmeister auf die Erklärung der Tagsatzung von 1669 zuhanden Frankreichs, dass die souveräne Eidgenossenschaft nach eigenem Ermessen Defensivbündnisse abschließen könne.335 Dasselbe Recht hätten die Zürcher, »es seÿe dann sach, daß wir uns selber der ehr u. prerogativ eines freÿen u. von Gott allein dependierenden standt berauben u. hingegen zu Sclaven einer frömden herrschafft machen wollen«. Der Bund mit Frankreich entspreche zwar weiter »unserem Staats-interesse« und sei zu bewahren, doch gegen die Abmachungen verstoßen habe bisher der eigenmächtige Sonnenkönig mit Transgressionen, Soldkürzungen, ausstehenden Pensionen und der »grausamen verfolgung der Reformierten«. Wenn Louis XIV die Schweiz nicht angreife, so geschehe auch das nicht aufgrund seiner Verpflichtungen, sondern »aus ratione status« und nur solange, bis er beschließe, mit einem »Tel est nostre plaisir« die geschlossenen Verträge zu brechen. »Zu demm wann wir ab allen jenen dräuwungen erschrecken woltend,

334 ZBZ MS B 58, fol. 60r/v; vgl. ZBZ MS J 548, E (16v–20). 335 ZBZ J 548, E (fol. 18v, 2. Mai 1693); B 58, fol. 478r/v (11. April 1693); vgl. oben, S. 208, und EA 6, 1, S. 1817 f. (10. Juli 1669); auch Aemisegger, Tagsatzung, 1948, S. 20 f., für andere Belege, wann auf diese Stellungnahme zurückgegriffen wird.

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so were es halt umb unsere ohne hin auf schwachen füesen stehende souverainitet geschehen«.336 Die Wohlgesinnten nehmen Hofmeisters »proposition mit einhelligem applausu« auf, und wenige Tage später, am 15. Mai 1693, wird die offizielle, die erste Kapitulation mit den Generalstaaten unterzeichnet. Die Neutralität soll eigenständig interpretiert, aber keinesfalls preisgegeben werden, und so antworten die Wohlgesinnten mit Nein auf die Quaestio, »ob freye stände obligirt seyen, andere, so gleicher religion sind und deßwegen mit krieg angefochten werden, zu secouriren«.337 Erneut Johann Conrad Escher will im Mai 1693 wissen, »ob ein lobliche Eidgnoßschafft wol gethan habe, daß selbige in gegenwertigem krieg sich neutral gehalten«. Zwar hätte der souveräne Staat nach »geist- als weltlichen rechten« Partei ergreifen dürfen, es sei aber durchaus legitim und im »vilfaltigen interesse« der Eidgenossenschaft, wenn man mit allen Mitteln versuche, »sein landt von der grausamkeit des kriegs zubewahren«.338 Gegen Kriegsende kann auch Leutnant Johann Jacob Heidegger, der Sohn des Theologieprofessors, die im Dreißigjährigen Krieg und im Zeitalter des Sonnenkönigs befolgte Neutralitätspolitik mit elf Gründen als richtig erweisen, aber auch als rechtmäßig, wofür Heidegger die »lehr Bodini lib. 5. de rep. cap. 6 n. 589« anführt. Die Neutralität habe den Schweizern »die erhaltung ihrer edlen freyheit« ermöglicht: »Ihr vornemst interesse ist einzig, sich unter ein ander auf recht zuerhalten, und nicht durch krieg ihre grenzen zu erweiteren«, zumal »daß kriegen umb eines uns nichts angehendes interesse willen der Eidtgnoßschaft gar nichts genützt hette«.339 Deshalb spricht man sich auch mehrheitlich gegen die Kanzelpredigten zugunsten des »holändischen werbungsgeschäffts« aus. »Mit gar vernünfftigen gründen«, so der Protokollführer Johann Conrad Escher, habe man dargelegt, es sei »wider der herren geistlichen beruff, sich in weltliche und staatshändel einzumischen«, denn »solches seye capabel die oberkeit bey den anderen in schlechten credit zubringen, daraus großer jammer und gar ein ruin unseres lands entspringen möchte«.340

336 337 338 339

MS B 58, fol. 61, 63 (2. Mai 1693). G 401b, S. 221 (15. März 1698). B 58, fol. 60, 483 (2. Mai 1693). Z III 619, S. 13–15 (1. Februar 1698); für die Neutralität als Grund, an den Friedensverhandlungen in Rijswijk nicht teilzunehmen, vgl. auch ZBZ G 401b, S. 186 (undatiert 1697). 340 ZBZ B 58, fol. 485 (6. Juni 1693). ZBZ ZBZ ZBZ ZBZ

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Allen drei Collegia ist von Anfang an eigen, dass sie die Politik von kirchlichem Einfluss freihalten und dazu die Grenzen der beiden Sphären möglichst klar bestimmen wollen. Die Insulaner greifen dafür auf Grotius und David Blondel zurück, deren erastianischen Werke De imperio summarum potestatum circa sacra beziehungsweise De jure plebis in regimine ecclesiastico 1661 in Den Haag zusammen gedruckt worden sind. Die Kirche stelle keine Konkurrenzgewalt zum Staat dar, »quum Imperium summum tantum unum sit, non potest dare alia summa potestas«.341 1695 legt Johann Ludwig Hirzel im selben Geist seine Theses politicae de magistratus iure circa sacra am Zürcher Carolinum vor. Da die Disputation »dem magistratui politico die censura und disciplina ecclesiastica« zuspricht, löst sie »vil redens und censirens« aus und bleibt schließlich ungedruckt. Die Wohlgesinnten hingegen diskutieren nicht nur Hirzels Thesen, sondern nehmen den zukünftigen Landvogt Anfang 1698 im Collegium auf.342 Bereits 1694 hat Johann Conrad Escher ausgeführt, »daß die geistlichen dem foro politico oder weltlichen gerichts-stul unterworfen seyen«.343 Auf jeden Fall dürfe die Obrigkeit die äußerlichen Zeremonien des Kultus »determinieren und abänderen, so daß die unterthanen obligiert sind, solches anzunemmen, wiewol nit in conscientia«. Über das Gewissen kann der Herrscher also nicht verfügen, wohl aber über das äußere Erscheinungsbild seiner Kirche.344 Noch weiter geht 1694 im Collegium der Vertraulichen der zukünftige Bürgermeister Johann Jacob Ulrich, der – ganz im Gegensatz zum alteidgenössischen Topos der Concordia, aber in der geschilderten Tradition Johann Heinrich Hottingers – von dem »axiomate paradoxo« spricht, »daß die einikeit in der Eidtgnoßschafft offtmahlen schädlich, hingegen die zweyung derselben offtmahlen nüzlich und zu dero erhaltung vortheilhafftig gewesen«.345 Fast gleichzeitig werfen auch die Wohlgesinnten die Quaestio auf, »ob es gut were für daß Schweizerland, wann in selbigem nur ein religion were zu gegenwertigen zeitläuf«. In seiner Weisheit habe Gott selbst die Glaubensspaltung eingeführt, um beide Konfessionsparteien zu erhalten. Denn in der Eidgenossenschaft herrschten weder die »unruhige geistlichkeit« noch der

341 342 343 344

ZBZ MS P 6224, S. 174 f. (9. Oktober 1679). Hirzel, Theses, 1695; ZBZ G 401b, S. 48 (19. März 1695). ZBZ B 58, fol. 659 (1. Mai 1694); vgl. auch ZBZ B 58, fol. 639 (20. März 1694). ZBZ G 401b, S. 237–239 (19. April 1698); ähnlich ZBZ G 401b, S. 156 f. (1. September 1696). 345 ZBZ S 493, fol. 214 (29. Januar 1694); für Hottinger oben, S. 338.

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Waffenlärm, sondern die »staatsklugheit«, die den Frieden wahre, indem sie sich keiner Partei ganz anschließe.346 Es ist ein entscheidender Schritt hin zu einem säkularisierten Verständnis der Politik, den die Collegiaten mit ihrer Neubewertung der konfessionellen Spaltung vollziehen: Sie ist nicht länger die Ursache tragischer Dekadenz des einst blühenden Gemeinwesens, sondern sie ist Garant eines prosperierenden Staates, der sich, gerade ihretwegen von fatalen Loyalitäten frei, in einer friedlosen Umwelt in neutraler Zurückhaltung üben kann.

9. Das neue Rathaus von 1698 Freiheitsliebe, Neutralität und historische Gemeinsamkeiten unter Eidgenossen prägen, jenseits der konfessionellen Differenzen, auch das Programm des Zürcher Rathauses, dessen Neubau 1694 begonnen wird und noch heute das Zürcher Parlament beherbergt. Zu stehen kommt es an die Stelle des alten, zweiten Rathauses von 1400/01, das im Zentrum der Stadt am rechten Flussufer steht, neben der »unteren«, Gemüse- beziehungsweise heute Rathausbrücke. Der mittelalterliche Doppelbau hat unter anderem dem Brotverkauf gedient, ist also sehr funktional, aber wenig repräsentativ: An äußerem Schmuck zeigt er gegen die Brücke hin nur die Wappenfolge der – entsprechend dem Baudatum erst – acht alten Orte um den zentralen Reichsadler. Bis zum Dreißigjährigen Krieg haben viele deutsche Städte durch solche Neubauten ihre ökonomische Prosperität und politische Autonomie ausgedrückt, sowohl gegen außen – Diplomaten, Nachbarn und Durchreisende – als auch gegen innen, gegenüber Bürgerschaft und Untertanen, denen in zunehmend exklusiv der Herrschaft und der Verwaltung dienenden Bauten eine andere, fernere Obrigkeit entgegentritt als in den polyfunktionalen, bescheideneren Häusern, die im Mittelalter den Räten dienten. Auch im Gebäudeinneren wird zunehmend auf die Wirkung und Prachtentfaltung geachtet, etwa mit der herrschaftlichen Kunstsammlung oder dem Ratssilber.347 Die Bildprogramme in den Rathäusern sind in mancher Hinsicht überall ähnlich, wo Städte über eine gewisse Autonomie verfügen. Es handelt sich um die Voraussetzungen und Formen der »Res publica bene ordinata«, wozu die Lehren und Tugendkataloge der Regentenspiegel visualisiert 346 ZBZ S 384, fol. 119–122v (5. Dezember 1693). 347 Roeck, Rathäuser, 1997, S. 284 f.; T ipton, Res publica, 1996, S. 74–82.

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werden.348 Der Humanismus trägt antike Exempla (Valerius Maximus) und Historien (Livius) bei, die Reformation betont die Stellung der – aristokratischen – Obrigkeit gegen innen (Kirchenregiment) und außen (Privilegien). Im Unterschied zum Heroismus fürstlicher Repräsentationsformen fehlen zeitgenössische, lokale Einzelfiguren, stattdessen stellt die Stadt ihr »gutes Regiment« als Leistung des Kollektivs dar und illustriert die kommunalen Werte: Eintracht und Friede, Weisheit, Frömmigkeit, Tapferkeit, Mäßigung und vor allem Gerechtigkeit. Bekannte Gerichtsszenen wie Salomons Urteil oder die Blendung des Zaleukos ermahnen ebenso wie Darstellungen des Jüngsten Gerichts zu diesem herkömmlichen Haupterfordernis guter Herrschaft.349 Was die Reichsstädte betrifft, lassen sich diese Bildprogramme in drei Kategorien einteilen: die Weltgerichts- und Gerechtigkeitsdarstellungen; Exempla von »Rat und Tat«; und schließlich die »Reichsmetaphorik«, welche die Stadt symbolisch in die Heilsgeschichte oder das Imperium Romanum einfügt.350 Zentral und obligatorisch ist dieser letzte Aspekt für die zahlreichen Reichsstädte im Südwesten Deutschlands, und der Doppeladler fehlt auch nicht bei den wenigen Neugestaltungen, die im 18. Jahrhundert zu vermerken sind, so in Wangen, Memmingen oder Esslingen, wo Kaiser Karl VI. auf dem zentralen Deckenbild wie eine Madonna Stadt und Regiment unter seinen Schutzmantel nimmt und Medaillons aller Kaiser den Fries dazu bilden.351 Im Frankfurter Römer wird die Wahl desselben Kaisers allegorisch im Kürfürstenzimmer festgehalten.352 Kaiser und Kürfürsten schmücken die Fassade der Rathäuser in Bremen, Köln, Hamburg und vielen weiteren Städten.353 In Nürnberg hat Dürer den Triumphzug Kaiser Maximilians in den großen Saal gemalt; seit dem Neubau von 1619–21 krönt Gottes Hand auf der Decke des »Schönen Saals« den Kaiser unter einem Bal-

348 Grundlegend, auch fur das Folgende, T ipton, Res publica, 1996; außerdem konkret für Augsburg Baer/Kruft/Roeck, Holl, 1985; Roeck, Rathäuser, 1997, S. 228 f.; danach North, Kunst, 1998, S. 51. 349 Vgl. etwa Holbeins Basler Großratssaal in Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 151–167; T ipton, Res publica, 1996, S. 219–226; dort auch für Nürnberg S. 164. 350 Meier, Republikanische Ikonographie, 1998, S. 84. 351 T ipton, Res publica, 1996, S. 293–301, 618, Abb. 99 (Esslingen); Meier, Republikanische Ikonographie, 1998, S. 90; Friess, Reichsstädtischer Republikanismus, 1998, S. 124; Duchhar dt, Reichsstadt, 1999, S. 41. 352 T ipton, Res publica, 1996, S. 302–310, 622 f., Abb. 104 f. 353 Albr echt, Rathaus, 1993; T ipton, Res publica, 1996, S. 322–341; Reinck e, Hamburgs Rathäuser, 1954.

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dachin.354 In Augsburg prangt der Doppeladler massiv und vergoldet im Giebelfeld, während in den »Fürstenzimmern« Szenen der Reichsgeschichte und Johann Königs Bild der Monarchie mit der imperialen Inschrift REX UNICUS ESTO zu sehen sind. Im »Goldenen Saal« sind die Devisen der Habsburger Kaiser zu lesen und Fresken von je acht heidnischen und christlichen Kaisern. Nur in diesem imperialen Raum haben die Portale Kompositkapitelle, die der kaiserlichen Sphäre vorbehalten sind und Augsburgs Zugehörigkeit zum Imperium ausdrükken.355 Charakteristisch ist also gerade in den mächtigsten Reichs- und Hansestädten die vielfältige und massive Bezugnahme auf die Insignien des Reichs und sehr häufig auf den Kaiser selbst – um den monarchischen Begründer und Beschützer kommunaler Freiheit kommt man nicht herum, während die lokale Geschichte anders als in italienischen oder niederländischen Rathäusern kaum eine Rolle spielt. Architektur und Bildprogramm orientieren sich am Vorbild der Reichsfürsten, eine »spezifisch bürgerlich-reichsstädtische Ikonographie« lässt sich kaum identifizieren, und insofern kann man wohl Bernd Roecks Urteil über Augsburg verallgemeinern: »Schon gar nicht wird sich so etwas wie ein republikanisches Selbstbewusstsein bemerken lassen, wie sich das etwa am Amsterdamer Rathaus manifestiert.«356 In der Schweiz gehört die lokale (und eidgenössische) Geschichte als fester Bestandteil zu den Rathäusern: Außer dem erwähnten Bundesschwur in Mülhausen und Bern wäre die ebenfalls von Mareschet in der dortigen Burgerstube gemalte Gründungsgeschichte der Aarestadt zu erwähnen, aber auch die Statue des angeblichen Stadtgründers Munatius Plancus im Basel (1580) oder die Stadtpatrone Ursus und Viktor auf der Solothurner Fassade (1578).357 Hierin drückt sich das politische Selbstverständnis aus, das seine Besonderheit lange nur historisch darstellen kann, wenn es nicht auf eine immer fragwürdigere Reichsikonographie zurückgreifen will: Insofern sind Bilder von Bund, Einheit und Schlachtensiegen lange Zeit die einzige Alternative zu Kaisern, Reichsadlern und nach Quaternionen angeordneten Reichsständen. Die Reichsinsignien sind in Schweizer Rathäusern wiederholt begegnet, in Bern, Schaffhausen und Sion in der Mitte des 17. Jahrhunderts, noch später in St. Gallen und erst recht in Stans und Sarnen in den

354 T ipton, Res publica, 1996, S. 370–384, 657, Abb. 137. 355 Roeck, Augsburg, 1989, S. 205–207, 219–222; Roeck, Rathäuser, 1997, S. 280–282; T ipton, Res publica, 1996, S. 96–101, 201–218, 548, Abb. 22. 356 Roeck, Rathäuser, 1997, S. 278; ders., Rathaus, 1995, S. 110. 357 Nägeli, Rathausfassaden, 1984, S. 52.

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Jahren 1714 und 1731. Auch auf dem Turm des Luzerner Baus von 1606 sieht man den Reichsadler, und besonders auffällig über dem Genfer Eingangsportal, das aus derselben Zeit stammt und durch Monarchenporträts – von Aurelian bis Louis XV – auf den Schlusssteinen der Gewölbe und in der »Chambre de la Reine« ergänzt wird.358 In der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg, da die deutschen Städte relativ stark an Bedeutung verloren haben, steht der Zürcher Rathausneubau von 1698 einzigartig da, sowohl in seiner unaufdringlichen Monumentalität als auch hinsichtlich der Kosten von 215315 Pfund. Die Stadt kann sich das leisten: Vor allem die protoindustrielle Produktion von Woll-, Baumwoll- und Seidenstoffen hat seit dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts einen starken Aufschwung erlebt, von dem namentlich die im Kaufmännischen Direktorium organisierten Verleger profitieren, aber auch der rasch anwachsende Staatsschatz. Mit der merkantilistischen Förderung dieser Entwicklungen wird über eine wachsende Zahl von ständigen Kommissionen und Ämtern eine ebenfalls rasch zunehmende Zahl von Fachleuten und von prestigehungrigen Rentern in den Staatsdienst integriert. Umfang und Komplexität der behördlichen Aufgaben nehmen zu, ebenso die Reformen und Differenzierung der Verwaltung.359 Vor diesem Hintergrund bricht die Hungerkrise der 1690er Jahre los, die eine große Zahl bedürftiger, billiger Arbeitskräfte hervorbringt. Am 30. November des Teuerungsjahrs 1693, auf dem Höhepunkt der Nahrungsmittelkrise, fällt die endgültige Entscheidung »umb gemeiner stadt Ehr willen«.360 Es ist also sehr wahrscheinlich, dass das Zürcher Rathaus Teil eines sozialen Bauprogramms einer reichen Stadt für eine Hunger leidende Bevölkerung ist, wobei das lokale, bürgerliche Gewerbe die handwerklichen Arbeiten ausführt.361 Dem Bauführer Johann Heinrich Holzhalb sind wohl der Gesamtentwurf, die Raumdisposition und die Grundzüge des Fassaden-Dekors zu verdanken. Die Orientierung an italienischen Renaissance-Bauten haben die Zürcher mit den wichtigsten nordalpinen Parallelbauten gemeinsam, den Rathäusern von Augsburg, Nürnberg und Amsterdam. Für die Längsfassade stützt sich Holzhalb auf Fra Giocondos illustrierte

358 Vgl. Maissen, Zürich und Genf, 1999. 359 Vgl. Weibel, Irniger und Lendenmann in Geschichte Zürich, 2, 1996, S. 59–63, 86 f., 128 f., 143–149, 154–156; Schynder, Staatsaltertümer, 1975, S. 8–10. 360 StAZ , B III 117b, fol. 195r/v. 361 Barraud Wiener/Jezler, Kunstdenkmäler Zürich, 1, 1999, S. 291; vgl. Roeck, Rathaus, 1995, S. 96 f., für Rathausbauten in Krisenzeiten.

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Abb. 22: Zürcher Rathaus, Neubau 1698.

Vitruvausgabe von 1511, ergänzt durch Joseph Furttenbachs RathausEntwurf von 1640. Dessen monumentale, vielachsige Fassade für einen vierflügligen Palastbau und – analog dazu – für ein Rathaus inspirieren vor allem das Fensterdekor und die Säulenordnungen. Hierbei folgen die Zürcher aber bezeichnenderweise nicht dem Modell für ein Rathaus, sondern demjenigen für einen »fürstlichen Pallast«. Dort hat das Erdgeschoss dorische, der erste Stock ionische und der zweite korinthische Kapitelle, also die vollständige klassische Ordnung.362 Damit wird ein Distinktionsmerkmal aufgenommen, wie es in Frankreich die Bauten des Adels von denen des Königs unterscheidet, dem allein die klassische Ordnung zukommt.363 Dieser Unterscheidung ist man sich auch im Reich vollauf bewusst, wie der Architekturtheoretiker Leonhard Christoph Sturm in seinen Anweisungen von 1718 festhält: Für das Bürger362 Vgl. die Abbildungen bei Barraud Wiener/Jezler, Kunstdenkmäler Zürich, 1, 1999, S. 296 f., auch S. 306. 363 Zur Bedeutung der Säulenordnungen grundlegend Forssman, Säulenordnungen, 1961, zu Blois S. 35 und Abb. 4.

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tum sieht er die dorische oder toskanische, für Rathäuser die ionische Ordnung als angemessen an. Die korinthische behält er dagegen den Höfen vor, mit der einzigen Ausnahme von »solchen Rathhäusern wo der Rath die Ober-Herrschaft hat, als in freyen Republiquen«.364 Genau diesen Anspruch drückt der Zürcher Neubau von 1698 aus (Abb. 22). Seit Vitruv werden den Ordnungen unterschiedliche Charaktere zugesprochen: der Dorica das Männliche, der Ionica das Weibliche und der Corinthica das Jungfräuliche, Majestätische und Ewige.365 So gehört sich die korinthische Ordnung laut Sebastiano Serlio in Kirchen, die der Madonna geweiht sind,366 während Hans Blums Säulentheorie die dorische Ordnung dem »starcken Helden« zuschreibt.367 So wachen denn in Zürich in den Sprenggiebeln des dorischen Erdgeschosses die Büsten von 23 antiken und eidgenössischen Heroen, während es im ersten Geschoss Früchte, Fische und Füllhörner sind, die Gaben der weiblichen Natur. Akanthusblätter finden sich dagegen unter den Fenstern im zweiten Stockwerk, und die Untersicht auf das vorstehende Dach darüber zeigt den »Dachhimmel«, die Konstellationen des Tierkreises. Direkt unter den göttlichen Himmel kommen also die korinthischen Kapitelle zu stehen, als Zeichen ewiger, jungfräulicher und majestätischer Souveränität.368 So spielen der männliche Schutz durch die Regenten, die weibliche Fruchtbarkeit der politischen und wirtschaftlichen Gemeinschaft und die unmittelbare Unterstellung unter Gottes Ordnung und Fürsorge harmonisch zusammen. Verantwortlich für das Bildprogramm im Rathaus ist vor allem der Kleinrat Beat Holzhalb, dessen Sohn Salomon 1693 gemeinsam mit Valkenier die Kapitulation für ein Regiment unterzeichnet hat und als Hauptmann in niederländischen Diensten 1702 bei Lüttich fallen wird. 1689 verfasst Beat Holzhalb ein William III als dem »Constantinus Magnus redivivus« gewidmetes Preisgedicht auf die Glorious Revolution.369

364 Sturm, Anweisung, 1718, S. 10; zitiert von Roeck, Rathaus, 1995, S. 102, auch ders., Rathäuser, 1997, S. 280; auch bei Forssman, Säulenordnungen, 1961, S. 85–88, vgl. die deutschen und niederländischen Rathäuser auf Abb. 44–50. 365 Das Folgende nach Barraud Wiener/Jezler, Kunstdenkmäler Zürich, 1, 1999, S. 306 f. 366 Dazu Forssman, Säulenordnungen, 1961, S. 90 f., vgl. dort auch Scamozzis Zuteilung der Composita, die gleich behandelt wird wie die Corinthica, zum »Palazzo del Prencipe, ò della Rebublica«. 367 Zitat bei Barraud Wiener/Jezler, Kunstdenkmäler Zürich, 1, 1999, S. 306, vgl. auch 57–74. 368 Vgl. auch Forssman, Säulenordnungen, 1961, S. 98 f. 369 StAZ × 15c, Nr. 55.

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Beat Holzhalb gehört also offensichtlich, wie Rahn, sein Nachfolger als Unterschreiber, zu den hollandfreundlichen Gegnern Frankreichs. Mit aller Wahrscheinlichkeit ist er der Verfasser der Devisen und Inschriften über dem Portal und auf der Fassade, wo die republikanischen Vorbilder präsentiert werden: die Griechen Miltiades, Themistokles und Epaminondas, die Römer Lucius Iunius Brutus, Horatius Cocles, Mutius Scaevola, Marcus Curtius, Manius Curius, Attilius Regulus, Scipio Africanus, Scipio Nasica und Camillus sowie die Eidgenossen Rudolf Brun, Rudolf Stüssi, Adrian von Bubenberg, Petermann von Gundoldingen, Walter Fürst, Tell, Stauffacher, Arnold von Melchtal, Arnold von Winkelried, Amann Schwarzmurer und Hans Wall. Wer von der Limmatbrücke her das Rathaus betrachtet, hat mit Tell, Stauffacher und Melchtal Vertreter der drei ersten Orte des Schweizer Bundes vor sich. Auf der entgegengesetzten Seite schauen die drei Griechen gegen Süden, an die auf der West- und Ostflanke insgesamt neun Römer anschließen. Nicht weit von Marcus Curtius und diagonal gegenüber von Lucius Brutus prangt Winkelried – eine Kombination, die später Emer de Vattel aufgreifen wird.370 Winkelried und Curtius sind auch dadurch verbunden, dass sie fast die identische Devise bei sich haben: PRO SOCIIS PULCHERRIMA MORS EST beziehungsweise PRO MULTIS PULCHRE PERIT UNUS – es sind beides Varianten des Horazischen »Dulce et decorum pro patria mori«, das bereits in den 1670er Jahren auf einem Neujahrsblatt und im Collegium begegnet ist.371 Das Portal der Hauptfront wird von zwei Zürchern flankiert, Stüssi und Brun. Auffälligerweise sind nur die acht alten Orte vertreten. Das ist auch beim Vorgängerbau von 1400 so gewesen, doch in den 1690er Jahren dürften kompositorische Gründe den Ausschlag gegeben haben, die Schwierigkeit, in allen dreizehn Orten einen Vertreter der Hauptaussage zu finden, die allen abgebildeten Republikanern gemeinsam ist: die Verteidigung der Freiheit als staatliche Unabhängigkeit. Bisher nicht beachtet worden ist, dass dieser spezifische Aspekt, republikanische Vaterlandsliebe, völlig dominiert und nicht andere, bekannte Tugenden des nordalpinen Rathausbaus, wie Concordia, Justitia oder Constantia. Der republikanischen Modelle gäbe es noch viele: Solon und Perikles, Cato und Cicero, Heinrich von Bubenberg oder Bruder Klaus. Doch was hier gefordert wird, sind Opferbereitschaft und Selbstentsagung, der Sieg der militärischen virtus über die affectus, der Sieg aber auch der republikanischen patria über Perser, Etrusker, 370 Vgl. oben, S. 252. 371 Dazu oben, S. 341 und 370.

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Karthager, Österreicher, Burgunder und Schwaben – und die damit gewahrte libertas.372 Lucius Brutus ist nicht der Begründer der Republik, auch nicht, wie in der Amsterdamer Vierschaar, der gerechte Richter, sondern derjenige, der die Freiheit des Staates höher bewertet als das eigene Blut, nämlich das seiner Söhne. Der republikanische Gehalt des Neubaus verrät sich nicht nur im Appell an die selbstlose Aufopferung, um die gemeinsame Freiheit zu verteidigen, sondern auch bei der systematischen Abkehr von der Reichsikonographie. Noch als der Luganeser Künstler Giovanni Maria Ceruto und seine Mitarbeiter im Frühjahr 1695 engagiert werden, um die Marmorarbeiten am Portal zu verfertigen, ist geplant, das »zürichreich«, also die Wappenpyramide, über dem Haupteingang anzubringen. Doch daraus wird nichts, eine nüchterne Inschrift im schwarzem Richterswiler »Marmor« (Findlings-Malmkalk) verkündet DEO ET PATRIAE SAC . HAEC CURIA JUSSU ET AUSPICIIS S.P.Q.T. E FUNDAM . EXTR . ET COND . EST ANNO CHR . M .DCXCIV. ET SEQQ . Nicht nur der von Anfang an als Baustoff auserkorene Marmor tritt hier erstmals in Zürich auf, sondern auch die zwei freistehenden korinthischen Säulen, welche die Eingangstreppe flankieren. Auf ihnen stehen zwei feuervergoldete und emaillierte Löwen, die in dieser Größe nur unter erheblichen technischen Schwierigkeiten hergestellt werden können. Den Auftrag dazu erhält 1699, also erst nach der Einweihung des Gebäudes, der Schaffhauser Goldschmied Johann Jacob Läublin. Er schlägt für einen der zwei Löwen beim Eingangsportal ein Zepter vor, was der Rat aber als monarchisches Attribut ablehnt. Stattdessen erhält der König der Tiere einen friedlichen Palmzweig in die Pfote, sein Kollege das obligate Schwert.373 Der Verzicht auf die Reichsinsignien steht in den Jahren um 1698 nicht allein da: Wie erwähnt begegnet dasselbe Phänomen auch auf den Mandaten und im Regimentskalender. Besonders gut nachweisen

372 Vgl. Balog, Amoenitates, 1756, S. 7, sowie die Beschreibung von Johann Rudolf Füessli, Beschreibung deß klein und großen Raths … welche geregiert und gelebt, als das neuwe Rathaus allhier eingeweyhet worden, 1698 (ZBZ , MS E 88), fol. 9: »Es sind auch ob den fenstern des understen bodens ringsherum denckwürdige brustbilder etlicher Vaterländischer Helden aus den Griechen, Römern und Eidgnoßen, welche die freyheit des vaterlandts durch tapfere Thaten gestifft oder erhalten haben.« 373 Abgebildet bei Maissen, Insignes, 1999, S. 508, Abb. 17; vgl. Rittmeyer, Läublins Arbeiten, 1956; auch Escher, Kunstdenkmäler Zürich, 1, 1939, S. 333; nach Nabholz, Baugeschichte, 1914, S. 229 f., auch S. 216 für das Projekt des ornamentierten Wappens.

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lässt es sich im Inneren des Rathauses, wohin nur einige wenige Zierstücke, die als besonders repräsentativ gelten, aus dem Saal des Kleinen Rats im abgerissenen Rathaus transferiert worden sind, namentlich Hans Aspers Standestafel von 1567, Ulrich Oeris Wappentafel von 1603 und Johann Heinrich Schwyzers Regimentsspiegel von 1657. Dieser Hoch Lobliche Statt Zürich Immerwährende Regiments Spiegel 1657 mit den eindrücklichen Dimensionen von zweieinhalb Metern Höhe und über vier Metern Breite ist – wie die unten behandelte von Grimm für Bern – ein allerdings deutlich früheres Beispiel für die Vorstellung eines »immerwährenden Regiments«, das sich ja auch aus den stets identischen regimentsfähigen Familien zusammensetzt. Bezeichnenderweise ist das Hauptstück, das zentrale Organigramm der Regierungsämter, in einen gestirnten Himmel gestellt, in dem ursprünglich 160 Scheiben wie Planeten in einem Sonnensystem hierarchisch angeordnet sind: Der Zürcher Staat ist ein Abbild des zeitlosen Kosmos. Die Scheiben tragen die Namen, Wappen und Amtsdaten aller Amtsinhaber seit 1490, die man kontinuierlich bis 1798 weiter ergänzen wird, von den Standeshäuptern und Kleinräten in der Mitte – analog zur Sonne in einem heliozentrischen System – bis zu den Landvögten und im äußersten Kreis den Verwaltern, Amtleuten und Schreibern.374 Was bei Schwyzer bereits fehlt, das Reich als Hauptkategorie der universalen Ordnung, ist auf Ulrich Oeris Wappentafel von 1603 gewiss zu sehen gewesen, die vermutlich über den Stühlen der Bürgermeister hing. Sie zeigt heute zwei Löwen mit Schwert und Palmzweig, die den mit einem Lorbeerkranz bekrönten Zürichschild halten; die frühere Wappenpyramide ist wohl ebenso übermalt wie die Kaiserkrone und der Reichsapfel. Möglicherweise geschieht dies gleichzeitig mit der Neuvergoldung von 1652.375 Wahrscheinlicher ist diese Veränderung aber später erfolgt, in der Zeit des Neubaus, da bis dahin ja auch niemand an den zahlreichen Wappenpyramiden auf Mandaten und anderen offiziellen Bildträgern Anstoß nimmt. In diesem Zusammenhang wird wohl auch Hans Aspers 1567 gemalte dreiteilige Standestafel abgeändert. Sie zeigt ursprünglich auf den beiden Seitentafeln Stillleben

374 Barraud Wiener/Jezler, Kunstdenkmäler Zürich, 1, 1999, S. 343 f., Abb. 343; der Regimentsspiegel ist ebenfalls abgebildet in Kantonsgeschichte Zürich, 2, 1996, S. 16 f.; Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 139 f., Abb. 18; Schnyder, Staatsaltertümer, S. 14. 375 Barraud Wiener/Jezler, Kunstdenkmäler Zürich, 1, 1999, S. 343; Maissen, Insignes, 1999, S. 509, Abb. 18; vgl. auch Schnyder, Staatsaltertümer, S. 13 sowie Tafel 1.

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und auf der Mitteltafel in der ursprünglichen Fassung unter einer Girlande die Reichspyramide, deren massive Kaiserkrone von zwei Löwen mit Reichsapfel und Schwert gehalten wird (Abb. 23). Die Insignien werden sehr wahrscheinlich um 1698 übermalt.376 Nun steht ein Freiheitsaltar hinter den beiden Zürcher Schilden, dessen Frontseite ein Relief mit den drei Eidgenossen beim Bundesschwur schmückt (Abb. 24). Auf dem Altar liegen Freiheitshut, Merkurstab, Lorbeerkranz und Ährenbündel, und der linke Löwe erhält anstelle des Reichsapfels einen Palmzweig – wie am Rathausportal. Die friedliebende, merkantile und fertile Republik von Bürgermeister Heinrich Escher findet in dieser Übermalung ihren treffenden Ausdruck, bis sie 1939 rückgängig gemacht, aber dabei glücklicherweise dokumentiert wird. Der republikanische Staat begegnet im Rathaus auch in der Personifikation durch Tigurina. Der Schaffhauser Johann Jacob Schärer ist für die Malereien und Stuckaturen in der Ratslaube und in verschiedenen Stuben verantwortlich, so auch für die prächtige Ausstattung des repräsentativen »unteren Saals« im Erdgeschoss.377 Vier Leinwandge-

376 So auch die ältere Literatur, vgl. Vögelin, Altes Zürich, 1878, S. 178; Escher, Kunstdenkmäler Zürich, 1, 1939, S. 324; Reimann, Standestafel, 1946; Zürcher Kunst, 1981, S. 70. Hingegen vertreten Barraud Wiener/Jezler, Kunstdenkmäler Zürich, 1, 1999, S. 342, und im Gefolge Jezlers auch Zwischen Entsetzen und Frohlocken, 1998, S. 110, die Ansicht, die Übermalung sei während der Helvetik erfolgt. Jezler begründet diese Ansicht vor allem mit zwei Bildbeschreibungen von 1769 und 1779. Die beiden Autoren äußern sich aber weder zu den Reichsinsignien noch zum Freiheitsaltar, sondern bestätigen nur die von Jezler auch für die übrigen frühneuzeitlichen Kommentare gemachte Beobachtung, die seit Sandrart ihre Bewunderung (und Aufmerksamkeit) dem naturalistischen Stillleben schenken. Da die Autoren in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts überall in ihrer Umwelt republikanischen Symbolen begegnen, würden sie – wenn schon – diese weniger auffällig finden als die veralteten, aus dem städtischen Bild entfernten Reichsinsignien. Außerdem richtet sich der Bildersturm der Helvetik nicht gegen die Reichssymbolik, wo diese überhaupt noch vorhanden ist, sondern im Namen des Einheitsstaats gegen die Zeichen einzelörtischer, »aristokratischer« Souveränität. Der entsprechende Beschluss der Helvetischen Republik verlangt, dass »Zürcherschilte, Löwen und andere Insignien der ehemaligen Regierung, sowie überhaupt alle Wappen u. d. gl. ausgelöscht oder hinweggenommen werden«, vgl. Strickler, Actensammlung, 1, 1886, S. 956 (Nr. 98, 5. Mai 1798) und unten S. 569 f. 377 Die – im Übrigen seltene – Tigurina wird mit Justitia und Gratitudo weitgehend identisch für die Saaldecke im neuen Seidenhof übernommen, den die Familie Werdmüller erbauen lässt und die Söhne Heinrich Eschers 1710 übernehmen, vgl. Hof fmann/Kläuli, Kunstdenkmäler Zürich, 2, 1949, S. 365 f., Abb. 282.

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Abb. 23: Hans Asper, Standestafel, 1567. Öl auf Holz, 173 × 266 cm.

Abb. 24: Hans Asper, Standestafel mit Übermalungen von ca. 1698. Kopie von Jean Kern, 40 × 61 cm.

mälde bilden Tondi mit Temperantia, Fortitudo, Prudentia und Vigilantia, die das ovale Hauptgemälde im Zentrum umgeben (Abb. 25). Dort thront Tigurina als Himmelsherrscherin auf einer Wolke, das strafende und zugleich einträchtig-aristokratische Rutenbündel mit Liktorenbeil in der Rechten, während sie mit der Linken den Granatapfel zum Himmel hält – für Ripa ebenfalls ein Symbol der Einheit, 393

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394 Abb. 25: Johann Jacob Schärer, Deckengemälde im Zürcher Rathaus, 1698.

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aber auch, davon abgeleitet, der Demokratie.378 Damit sind im Rathaus die beiden Räte gemeint: die richtende und ausführende Macht des Kleinen Rates und die einträchtigen Beratungen samt Mehrheitsentscheiden des Großen Rats – ein Abbild des »regimen aristo-democraticum«, wofür mit dem Collegiumsmitglied Christoph Werdmüller auch viele andere Zeitgenossen Zürich ansehen.379 Eine Eule umfliegt den Granatapfel, dazu ein Putto mit Caduceus über dem Liktorenbündel, womit die auf Minerva und Merkur bezogenen Symbole von vorsichtiger, tugendhafter Weisheit und schnellem Verstand sich ergänzen. Sie dürften als reflektierendes consilium auf den Großen Rat und als routinierte sapientia auf den Kleinen Rat zu beziehen sein.380 Der klaren Teilung des Deckengemäldes in eine linke und eine rechte Hälfte entsprechen auch Justitia mit der Waage und Gratitudo mit dem Füllhorn an den Seiten der Tigurina. Die Gerechtigkeit wäre insofern als Teil der exekutiven Obrigkeit anzusehen, spendierfreudige Dankbarkeit dagegen die Empfindung von Land und Volk, dessen Identitätsrepräsentation der Große Rat übernimmt. So betrachtet, ist Tigurina sowohl mit den anderen Allegorien zusammen ein Teil des Staates als auch, sie alle zusammenfassend, dessen reine Personifikation. Zu ihren Füßen entfliehen gegen unten die magere, gierige Invidia und der grausame und ungerechte Diomedes, die chiastisch den entsprechenden Tugenden Justitia und Gratitudo gegenübergestellt sind.381 378 Ripa, Iconologia, 1603, S. 81, für den Granatapfel als Symbol der Einheit; für die Demokratie die Ausgabe von 1645, S. 143; die Aristocratia mit Rutenbündel in der deutschen, neu illustrierten Ausgabe, die vermutlich zwischen 1752 und 1765 erscheint: Ripa, Sinnbilder, 1970, Nr. 63. 379 Zu Werdmüller oben, S. 371; außerdem Bianchi, Relazione, 1708, S. 55; vgl. Guyer, Verfassungszustände, S. 141; Gasser, Zürich, 1973, S. 76–79. 380 Auf dem Kachelofen im Saal des Kleinen Rats, der alle Elemente der Saaldecke wieder aufnimmt, zeigt die zentrale – also auf den Kleinen Rat selbst zu beziehende Kachel – einen Caduceus unter dem Schriftzug RERUM SAPIENTIA CUSTOS ; auf einer anderen Kachel ist Minerva mit der Eule zu sehen, und darüber steht IN NOCTE CONSILIUM . Auf einem Stich Johannes Meyers wird das Rathaus von Fortitudo und Prudentia flankiert; Letztere trägt einen breitkrempigen Freiheitshut, den Caduceus und ein Buch, die Eule sitzt zu ihren Füßen, und »deß Himmels Weißheit-Glantz« beleuchtet ihr Gesicht: So stellt sie »Tugend, Künst und schönes Wüssen« als die eine Stütze des »freÿen Stands« dar. Für Minerva und Merkur mit ihren Symbolen auch Henk el/Schöne, Emblemata, 1996, Sp. 1775f.; vgl. auch unten S. 485 f. die Basilea als Minervagestalt zusammen mit Merkur. 381 Mit einer anderen Deutung und zum Teil inkonsistent (Invidia/Avaritia) Barraud Wiener/Jezler, Kunstdenkmäler Zürich, 1, 1999, S. 323–327; vgl. Früh, Kachelöfen, 1981, S. 121, für Gratitudo (und nicht Abundantia) mit dem Füllhorn.

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Ursprünglich sind lokale Hafner dafür vorgesehen, die Öfen für das Rathaus zu verfertigen, doch am 9. September 1696 beschließt der Rat von Winterthur, der Hauptstadt deren drei zu schenken, zwei für die große und einen für die kleine Ratsstube.382 Seit einem Jahrhundert sind die Winterthurer im Ofenbau führend, und manche ihrer Werke schmücken bereits Schweizer Rathäuser. Ursprünglich haben ihre Kacheln vor allem Allegorien oder alttestamentliche Szenen gezeigt, später sind Embleme hinzugekommen. Schweizergeschichtliche Szenen finden sich nur auf dem Ofen, den sich der Zürcher Bürgermeister Johann Heinrich Holzhalb 1617 anfertigen lässt, dann als Schlachtenbilder in Schwyz (1678) und wohl auch 1684 für Luzern.383 Angesichts dieser Erfahrungen ist es naheliegend, dass der Winterthurer Hafner David Pfau im Dezember 1696 einen Ofenriss übersendet, den er selbst entworfen hat: Neben Tugendallegorien ist darauf die Wappenpyramide mit zwei Löwen zu sehen, von denen einer ein Schwert und der andere den Reichsapfel trägt.384 Dieser Vorschlag wird jedoch verworfen, und am 26. Mai des folgenden Jahres erhält Beat Holzhalb den Auftrag für ein Programm »mit schönen und ungemeinen sinnenbilderen, dencksprüchen und bequemen historien«, für das er nach eigenem Ermessen »gelehrte leüth von hiesiger burgerschafft zuoziehen« darf. Sehr wahrscheinlich zieht Holzhalb Johann Heinrich Rahn bei, auf dessen kurz davor erschienener Geschicht-Beschreibung die historischen Szenen fußen, die der Zunftmeister vorschlägt. Drei Monate später liegt Holzhalbs Konzept vor, das mit »etwas corection« von der Baukommission einhellig gebilligt wird. Es stellt ein einzigartiges Programm dar, das an den drei Öfen je ein Thema auf allen Bild- und Spruchkacheln durchspielt, aber in den Grundaussagen viele Querbezüge – auch zur übrigen Rathausikonographie – enthält.385 Auf den beiden Öfen im Großratssaal (jetzt im Landesmuseum) sind historische Szenen zu sehen: zürcherische auf dem einen, eidgenössische beim anderen. Der dritte Ofen steht bis heute im Saal des Kleinen Rats und vermittelt emblematisch die Lektionen des guten Regiments. Die zentrale Kachel auf dem Ofen mit der Stadtgeschichte verkündet: »LIBERTAS numine, iustitia, pace fideque nitet«. Das nimmt die Botschaft der republikanischen Büsten an der Außenfassade wieder auf,

382 Zum Folgenden Früh, Kachelöfen, 1981, hier S. 128. 383 Bellwald, Kachelöfen, 1980, S. 134–183; Früh, Kachelöfen, 1981 S. 16. 384 StAZ A 494 (10. Dezember 1696), ediert bei Früh, Kachelöfen, 1981, S. 128, dazu Abb. S. 98. 385 Früh, Kachelöfen, 1981, S. 105.

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welche die Voraussetzungen der Freiheit exemplifiziert haben. Neben die herkömmliche reformierte Devise DOMINE CONSERVA NOS IN PACE ist vielleicht erstmals 1679, auf der Zürcher Standesscheibe im Kirchenchor von Stein am Rhein, diese neue, auf die souveräne Freiheit ausgerichtete Formel getreten.386 Sie wird sich auch auf der Siegelkapsel des geschworenen Briefs finden, der nach den Unruhen von 1713 erlassen wird und ebenso 1737 auf der möglicherweise letzten erhaltenen Zürcher Standesscheibe, wo ein Baldachin den Freiheitshut über Devise und Zürcher Wappen schirmt.387 Auf dem Rathausofen dagegen laufen zwei Lorbeerzweige in eine Krone aus, über welcher »Jahve« geschrieben steht. Das »freye Regiment«, die Oberherrlichkeit, Münzrecht, Stadt- und Blutgericht werden als Gabe der Kaiser verdankt, deren Werk der »Teütsche Fridesschluß« vollendet habe – also die Exemtion im Westfälischen Frieden. Die Bündnisse, ohne welche »kein Stand bevestnet sich befindt«, werden vom Bundesbeitritt über Habsburg, Frankreich, Straßburg, Genf und Venedig aufgeführt, bis zuletzt die »Krieg-Schuol mit freyem Niderland 1692« folgt. Während die käuflich oder durch Burgrecht erworbenen Vogteien und Territorien stolz aufgezählt sind, verwirft ein Emblem die – adlige – militärische Expansion (CAPTANS ALIENA PERDIT PROPRIA ). Auch der zweimal ähnlich wiederholte Satz VIRTUS (VERE ) NOBILITAT verkündet die bürgerliche Überzeugung: »Tugend, Ehr und Heldenmuot, Nicht uralter Ahnen Bluot Macht den Adel wahr und guot.«388 Auch auf dem zweiten, der Eidgenossenschaft gewidmeten Ofen vertreibt Virtus die »Halß-herren«. Das Motto VIRTUS VIM PELLIT ET ARCET wird exemplifiziert durch die zwei Mordtaten an Wolfenschiessen und Gessler, wobei auf Deutsch die Umschrift der Tell-Büste auf der Rathausfassade übernommen wird (TENSUS RUMPITUR ARCUS ).389 Die zentrale Kachel des zweiten Ofens kombiniert den Wappenkranz, Concordia, Pax und den Kranich von Merians behandeltem Frontispiz der Topographia Helvetiae mit der Bundesschwurszene, wie sie Conrad Meyer für das Neujahrsblatt von 1673 gezeichnet 386 Stiefel, Glasgemälde, o. J., S. 38, Tafel 56. 387 Die Kapsel abgebildet bei Weiß, Verfassung, 1938, S. 113; die Wappenscheibe in Schneider, Glasgemälde, 2, 1971, S. 471, Abb. 762. 388 Die Texte und Bildbeschreibungen aller sowie Abbildungen der meisten Kacheln finden sich bei Früh, Kachelöfen, 1981, S. 107–112. 389 Früh, Kachelöfen, 1981, S. 113: »Da die Landvögt den Bogen überspann[et,] Mit Raub und Wuot das freye Land verletzt War die Gedult zuoletst beyseyts gesetzt, [S]ie wurden theils erwürgt und theils verban[net.]«; vgl. dort aber auch S. 115 die Kachel mit dem Text EXTENSUS RUMPITUR ARCUS .

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und dessen Sohn Johann sie später für Rahns Eidtgenossischer Geschicht Beschreibung von 1690 gebraucht hat.390 Die Losung PAULATIM MAXIMA CRESCUNT bezieht sich auf das allmähliche Wachsen des eidgenössischen Bundes, der illustriert wird durch Bannerträger und Devisen der 13 Orte und von sieben Zugewandten. Zur Einheit gemahnt wird unter anderem durch einen Hinweis auf die Musterrepublik an der Adria: »Venedig ein Zierde befreyeter Ständen Inwendig vest bleibet mit streitenden Händen, Eidgnössischer Stande diß Wunder erfahrt, Doch Eingkeit besser das Lande bewahrt.«391 Die großen Kacheln sind den historischen Schweizer Schlachtensiegen gewidmet, doch die letzte dieser Serie zeigt unter der Überschrift INTER SCYLLAM ATQUE CHARYBDIN eine andere Gegenwart: Ein Fuchs beobachtet aus dem Hintergrund zwei Löwen, die sich streiten, während das Schriftband »Eidgnössische Neutralitaet« verkündet (Abb. 26) – ein Motiv, wie es ja 1704 ähnlich auf dem Neujahrsblatt der Feuerwerker erscheint.392 Wann zwey Löwen sich betrengen, Und den Fuchs in Fride lassen, Wirdt er sich nicht einvermengen, Noch sein eigne Ruhe hassen: Wann zwey Potentaten kriegen Wirdt ein Weiser Freyer Stand Wann er kan in Friden liegen, Nicht einflechten seine Hand. Jedem halten seine Pflichten, Der die selben wurd auch halten, Und sich in die Zeiten richten, Alles aber der gestalten, Das er Mittel-straaß bewahre Und sich schlag auff keine seit: Mittel wendet die Gefahre, Bringet eigne Sicherheit.393

Die Embleme auf dem dritten Ofen ergeben einen Regentenspiegel, den unter anderem kleine Kacheln mit Büsten von Feldherren der römischen Republik schmücken; nur ein einziges perückiertes Haupt ist zu erkennen, sehr wahrscheinlich William III. Rechenschaft schulden

390 391 392 393

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Für diese Vorlagen oben, S. 267, 341 und 374. Früh, Kachelöfen, 1981, S. 115. Vgl. oben, S. 342 f., zum Neujahrsblatt von 1704. Früh, Kachelöfen, 1981, S. 114.

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Abb. 26: David Pfau, Kachel für Ofen im Zürcher Rathaus, 1698.

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die Regenten in erster Linie Gott: Ihre Gewalt ist nicht irdisch und stammt nicht von »Volckes Gunsten-luffte«, sondern kommt – wie auf dem Bild der Zepter zum König – vom Himmel herab, »als deß Höchsten Hande-lehen«. DEUS INTER DEOS IUDICAT, Gott wird strafen und lohnen, wo – unter Souveränen – kein irdisches Gericht dies tut. DII ESTIS ist nach Psalm 82 also eher Verpflichtung denn Erhöhung für diejenigen, die an »deß Höchsten stat« herrschen, aber dafür auch göttlich leben müssen: »Wen Gemütes-stürme zwingen, Der sein selbs nicht meister ist, Sitzt auf thummer thieren mist, Kan ins Götter-Chor nicht tringen. Letstlich macht die Todten-Leich Beide karst und Scepter gleich.«394 Das dazugehörige Bild relativiert die irdische Stellung selbst der tugendhaften Herrscher, denn es zeigt ein zerfallendes Grabmal und davor die Hacke des Bauern und den Zepter des Herrschers sowie den Totenschädel, zu dem sie beide werden. Aber im Himmel über dem Grab schwebt die Krone im Sinne von »Dignitas non moritur«. Soll der Stand Bestand haben, so gilt es die Gesetze im Inneren und die Waffen gegen außen zu pflegen, denn sie bilden die zwei Säulen des »freyen Wesens« und die Voraussetzungen der Glückseligkeit: LEX REGIT, ARMA TUENTUR .395

10. Das Naturrecht in der Bürgerbewegung von 1713 Die drei Zürcher Collegia widmen sich nicht nur den oben geschilderten außenpolitischen Problemen, sondern erörtern zusehends auch die Innenpolitik. Soll man die Zürcher Fundamentalsatzungen drucken, das Bürgermeisteramt zeitlich befristen? Ist es menschlich, Kriegsmaschinen und Bomben zu gebrauchen, darf man Diebstahl mit dem Tod bestrafen, wenn Gott dies nicht tut, und ist die Folter systematisch anzuwenden – auch in einem Hexenprozess, der 1701 die Zürcher bewegt? Ausdrücklich werden Arcana wie der lokale Festungsbau thematisiert, ebenso die »Hand-Hab der Sazungen« oder der Eid, den man im Vorfeld von Wahlen leiste und dann doch oft breche.396 Unüberhörbar werden gegen 1700 die kritischen Zwischenbemerkungen, die nicht lange nach Missständen suchen müssen: Mangelhaft ist die Schulaus394 Früh, Kachelöfen, 1981, S. 118. 395 Früh, Kachelöfen, 1981, S. 116–121. 396 ZBZ MS B 58, fol. 675v–677 (31. Juli 1694); S 493, fol. 241 (5. Januar 1695); fol. 251v–252 (30. März 1695); S 384, fol. 106–107v (21. November 1693).

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bildung, bestechlich sind die Richter, käuflich die Ämter, wogegen etwa geheime Zunftmeisterwahlen etwas bewirken könnten.397 Verbesserungen suchen die Collegiaten im Rahmen des bestehenden Systems, in dem sie ja ebenfalls aufzusteigen gedenken. Wenn sie alle wichtigen Kriterien abwägen, etwa Effizienz, Klugheit und Gerechtigkeit, dann erscheint ihnen als beste Verfassung ein aristokratisches Gremium, vor der Monarchie und erst recht vor der Herrschaft einer »verwirrenden menge«: »Da were es beßer auf einen klugen kopff sein heil setzen, als nach viler ungestimmte pfeiffen in den abgrund tantzen müssen«.398 Nicht in konstitutionellen Reformen oder gar in bürgerlicher Emanzipation suchen die jungen Zürcher Abhilfe für die erkannten Missstände, sondern in der Erziehung ihrer selbst und der Standesgenossen zu Pflichtbewusstsein und Herrschertugenden. Nicht nur das römische Recht müsse man kennen, um ins Regiment gewählt zu werden, sondern auch das Natur- und Völkerrecht, um einerseits die Gerechtigkeit zu befördern, andererseits aber auch »dem staat ein ansehen« zu machen. Denn man habe immer wieder mit ausländischen Fürsten und Staatsdienern zu tun, »welche auß der quell der natürlichen rechten ihre weißheit geschöpfft haben, und die selbe auch in allen ihren schrifften außstoßen«, so dass man ihnen mit gleicher Rede und Weisheit entgegnen muss, »ihre streich absehen, abweichen, und ihrer schulfüchsischen spizfündigkeit desto behutsammer entgegen gehen«.399 Obligatorisch ist in diesem Zusammenhang Grotius, dessen Verwertung im Umkreis der Collegia wiederholt begegnet ist, so bei Rahn und Werdmüller. Allerdings bleibt der Niederländer in Zürich umstritten. Der Professor Johann Heinrich Schweizer, ein Freund Valkeniers, veröffentlicht 1689 ein »in Frag und Antwort eingerichtetes« Kompendium von De jure belli et pacis als Lehrbuch, das 1694 in zweiter Auflage und 1718 auf Deutsch erscheint. Doch der Kirchenrat betrachtet dies, ebenso wie Schweizers Compendium der Physik, als »abscheuliche Lehre« und »holländische Novationen«.400 Am Carolinum wird das Naturrecht erst 1724 eingeführt werden, allerdings nicht auf der

397 ZBZ MS S 493, fol. 66–67v (21. März 1687); ZBZ MS S 493, fol. 261v (Juni 1695); MS Z III 620, S. 108–111 (18. April 1699). 398 ZBZ B 58, fol. 666–667v (29. Mai 1694). 399 ZBZ S 384, fol. 107v–108 (21. November 1693). 400 Grotius, Jus Belli et Pacis in Compendio, 1689; ders., Jus Naturae et Gentium, ex Hugonis Grotii Opere, 1694; ders., Kriegs- und Fridens-Recht, 1718; dazu Soliva, Grotius, 1977, Zitat S. 242.

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Basis von Schweizers Grotius-Bearbeitungen, sondern unter Verwendung von Pufendorfs Welterfolg De officiis hominis et civis von 1673. Die Pflicht hält den zur Autonomie befähigten Menschen dazu an, dass er das, was er vernunftmäßig als richtig erkannt hat, auch dann ausführt, wenn Leidenschaften und Eigeninteresse dagegen votieren. Es ist dies eine Pflicht mit zwei Facetten: die eine als Pflicht des Menschen gegen sich selbst, die andere, daraus erwachsend, gegenüber der Gemeinschaft. Als Exeget des Naturrechts tut sich vor allem der Wohlgesinnte Johann Caspar Escher hervor, ein Enkel des erwähnten gleichnamigen Bürgermeisters (1625–1696) und der Sohn des ebenfalls behandelten Insulaners Johann Jacob Escher, der seinerseits von 1711 bis 1734 das Amt des Bürgermeisters innehaben wird. Auch bei den anderen erwähnten Escher handelt es sich um nähere oder fernere Verwandte aus der – mit den Hirzel – einflussreichsten, im Textilhandel reich gewordenen Familie des Zürcher Ancien Régime.401 Der 1678 geborene jüngere Johann Caspar Escher hat unter anderem Johann Heinrich Schweizer zum Lehrer, den erwähnten Vulgarisator von Grotius. Auf der obligaten Bildungsreise durch Europa studiert Escher im Winter 1696/97 Naturrecht bei Gerard de Vries in Utrecht, einem methodisch konservativen, eklektischen »eifrigen Republicaner«, wie ihn Escher nennt.402 De Vries steht in der moralphilosophischen Tradition der calvinistischen Monarchomachen und widersetzt sich, als Gegner des Cartesianismus und erst recht des Hobbesianismus, der in den Niederlanden von Ulric Huber vollzogenen Trennung zwischen allgemeinem Staatsrecht und Politica. Escher wird später des Privatissimums gedenken, als De Vries »mihr die beschaffenheit der Republic der Vereinigten Niderlanden, ihre politic und Staatsreglen, sehr deütlich vormahlte, dargegen mußt ich ihme über die Eidgn. Republic und deren verfaßung auch erzellen.«403 1697 druckt der aufgeweckte Zürcher in Utrecht seine aus 24 Thesen bestehende Dissertation Exercitatio politica de libertate populi, ein Thema, von dem De Vries meint, es gebe »meinem Republicanischen Genie kein angemeßners«.404 Schon in der Einleitung verwirft Escher den Absolutismus, der die ursprünglichen Freiheiten des Volkes ausmerzt. Wi-

401 Vgl. auch Guyer, Verfassungszustände, 1943, S. 105–112. 402 Escher, Lebensbeschreibung, ZBZ FA Wyss III 116, 3. Teil, S. 29; zu De Vries Kossmann, Politieke Theorie, 1960, S. 67 f. und Ve en, Recht, 1976, S. 233 f. 403 Escher, Lebensbeschreibung, ZBZ FA Wyss III 116, 3. Teil, S. 31 f. 404 Escher, Lebensbeschreibung, ZBZ FA Wyss III 116, 3. Teil, S. 33.

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dersetze es sich, dann werde dies dem Tyrannen von schmeichlerischen Räten als illegitim dargestellt. Dem widerspricht der Zürcher dezidiert: »Quod ego, natus in inclita Republica, quae tali occasione Libertatem suam repetivit, certe non nisi cum dolore animadvertere potui, & idciro publica hac Dissertatione disquirere institui.«405 Escher geht von voller Freiheit und Gleichheit im Naturzustand aus, worauf durch den Sündenfall zwar eine irdische »potestas aliquae Politica« unumgänglich werde, die aber naturgemäß demokratisch ausfallen müsse. Erst wenn die »voluntas universi populi« unter Vorbehalt von »religio, vita, opes, ac Magistratuum inferiorum creatio« einem oder mehreren Herrschern delegiert wird, entstehen die anderen Verfassungsformen, in denen der Wille des oder der Herrschenden – des Staates – als Wille des Volkes verstanden werde: »sic qualiscunque Respublica una persona dici potest, non physica quidem, sed moralis.«406 Eschers Dissertation ist ein interessantes Gemisch: Einerseits greift er die moderne, naturrechtliche Theorie von Naturzustand und Gesellschaftsvertrag auf, vermutlich vor allem aus dem Werk Ulric Hubers, der zur ursprünglichen Demokratie und zu den Fundamentalgesetzen als Individualrechten ähnliche Positionen vertritt.407 Andererseits übernimmt Escher das ältere calvinistische Widerstandsrecht mit den niederen Magistraten, das im Zusammenhang mit der »Glorious Revolution« hochaktuell ist. Im Gefolge seiner öffentlichen Doktordisputation verstärkt er diesen Aspekt noch, nachdem er ursprünglich als guter Zürcher der Obrigkeit zugestanden hat, religiöse Abweichler zu bestrafen: nicht wegen ihrer Überzeugung, sondern als Quelle politischer Unruhe. Als exilierte Hugenotten im Publikum darin eine Rechtfertigung des Edikts von Fontainebleau erkennen, kapituliert der peinlich berührte Escher nach längerem Streitgespräch: »Ich habe darauf dieser Thesi und den mir gemachten gründlichen Oppositionen aufmerksam nachgesinnt und ist eine christliche Toleranz mir desto lieber worden«.408 Nach der Rückkehr in die Limmatstadt wird Johann Caspar Escher von den Wohlgesinnten kooptiert, denen er in mehreren Referaten die »regierungsform der Vereinigten Niderlanden« erklärt und dabei grundsätzlich auf die Verfassungen zu reden kommt. Der Absolutismus habe viele mit Aristokratie »temperierte« Monarchien zerstört, wie in

405 Escher, Exercitatio, 1697, S. 5 f., auch 28. 406 Escher, Exercitatio, 1697, S. 12 f. 407 Huber, Jus civitatis, 1708, S. 35 (1, 2, 3, 25); S. 79 (1, 3, 5, 21); S. 306 (1, 9, 6, 30). 408 Keller-Escher, Geschichte 1, 1885.

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Frankreich durchaus zum Nachteil der jeweiligen Länder. Die freiste, aber zur Expansion ungeeignete Regierungsform sei, wie in der Eidgenossenschaft, aus Aristokratie und Demokratie zusammengesetzt. Die Vortrefflichkeit der aus allen drei Grundformen bestehenden Mischverfassung illustrierten einst Sparta und Rom und jetzt drei Republiken, »die Englische, in welcher die Monarchie, die Venetianische, in deren die Aristocratie, und die Niederländische, in deren kein sonderbahr, wohl aber bald die bald einander praeponderiret.«409 Als Leutnant in holländischen Diensten wird Johann Caspars Sohn Johann Jacob Escher 1729 bei Tournai fallen. Ebenfalls grundsätzlicher Natur ist Eschers »Discours von den principiis juris naturae« im November 1699. Für den späteren Bürgermeister liefert das Naturrecht »die regul und richtschnur einer gesunden und wahren politic«, steht als Synonym für »regierungskunst« oder »doctrina civilis« und ergibt eine so »himmlische scienz, daß sie vor anderen excolirt« werden soll. Die Ethik ist insofern ein Teilbereich davon, als sie den Menschen die Pflichten lehrt, also »was er zu observiren habe gegen sich selbsten, gegen seinen nebenmenschen und endtlich auch, wie er sich verhalten solle in der bürgerlichen gesellschaft, wan er eines ehrlichen burgers und getrüwen underthanen pflicht erstatten wolle«. Escher verwirft die »absurditet und invaliditet der Hobbesianischen lehr«, namentlich den anthropologischen Pessimismus, da für ihn der normensetzende Gott verhindere, dass die Menschen ihrer Natur nach bloß lasterhaft, furchtsam, irrational und damit den unbeseelten Tieren gleich sind.410 Mit dem Frühutilitaristen Richard Cumberland sieht der Wohlgesinnte den Naturzustand nicht als »status belli«, sondern als »status pacis«, in dem die Menschen anders als die Tiere vernunftgeleitet ihren Selbsterhalt betrieben und neben der Sorge um den Leib auch diejenige um die Seele nicht vernachlässigten. Nur dann könne man ein »ruhiges und fridsahmes bürgerliches leben« führen, indem man sich der eigenen Grenzen bewusst sei und sich nicht in fremde Händel mische. Wo aber liegen die Grenzen der Duldsamkeit, wann ist es geboten, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, um sich und das Eigene zu defendieren? Dieses Recht ist in der herrschaftsfreien Gleichheit des Naturzustands uneingeschränkt, doch davon gilt es den »bürgerlichen stand« zu unterscheiden, wo die Obrigkeit – solange sie ihre Schutzfunktion erfüllt – das gesamte Recht auf Gewalt 409 Escher, Zweiter Discours, S. 8–12. 410 ZBZ FA Wyss, III 122, Discours von den principiis juris naturae, S. 1, 4, 9, 16 (21. November 1699).

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und Widerstand von den Privaten übernimmt, da sie angesichts der irdischen Laster nur so die Ordnung aufrecht erhalten kann, ohne die »kein menschliche gesellschaft niemahlen bestehen« würde.411 Diese Spannung zwischen naturrechtlicher Freiheit und notwendiger politischer Ordnung wird 1713 äußerst brisant, wobei nicht nur die Überzeugungen, sondern auch die Exponenten der Collegia aufeinanderstoßen, aber durch vermittelnde Politik auch einiges zum glimpflichen Ausgang der Konfrontation beitragen. Den Anlass für die Bürgerbewegung von 1713 geben die altbekannten Mängel in einem Regiment, das rasch zunehmende staatliche Funktionen wahrnehmen muss, von der Struktur her aber weiter als zünftisches Milizsystem besteht, in dem nur die reichen Kaufleute und Rentner die Muße und das Vermögen haben, um die Macht zu verwalten – und auszuüben. Oligarchisierung, Wahlabsprachen (»Praktizieren«), Bestechlichkeit sind notorisch und geben seit langem Anlass zu gelegentlicher Kritik, ebenso konkrete Mängel in der Verwaltung (Schulwesen, Almosen, Spital, Militärwesen, Rechtsprechung). Im Frühjahr 1713 eskaliert jedoch die Verstimmung über solche Einzelphänomene zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung über die Frage, welche Rolle den am Regiment nicht beteiligten Stadtbürgern zukommt. Darf man sie, so fragen die Vertraulichen schon 1686, als Untertanen bezeichnen, wie es ein mit Chiffren umschriebener Stadthauptmann im Großmünster getan hat?412 Haben die Bürger also Anteil an der Souveränität, oder sind sie ihr – wie die Bewohner der Landschaft – unterworfen? Mit allen widerstandsrechtlichen Konsequenzen hat Johann Jacob Scheuchzer, der berühmte Naturforscher und vielseitige Vordenker der Wohlgesinnten, in diesem Fragenkomplex bereits 1703 einen radikalen, naturrechtlichen Kontraktualismus präsentiert. Emphatisch äußert er, der wie Johann Caspar Escher in Utrecht promoviert hat, einen generellen Vorbehalt gegen Staatsdenker, die schrieben, um »ihren souverainen oberherren, königen und fürsten zu gefallen, hiemit nit so frey, als sie villeicht geschrieben hetten in einer freyen republic. Wann wir die oberherrschafft herholen von dem volck selbs, welches aus freyem willen den gewalt über sie zu herrschen den superioribus übergeben, aber mit disen tacitis oder expressis conditionibus, dass sie, die underen, nit sollen gehalten werden, wie sclaven oder gar unvernünf411 ZBZ FA Wyss, III 122, Discours von der pflicht des menschen gegen sich selbs, S. 4, 6, 8–10, 12, 28, 35–39, 44–46 (15. Februar 1702); vgl. auch ibid., Von den eidgnößischen rechten (26. Januar 1706). 412 ZBZ S 398, S. 30 (undatiert).

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tige thiere, sondern als vernünftige menschen, welche das recht hetten, ihre vorige freyheit widerum hervorzusuchen, wo der übergebene gewalt solte mißbraucht werden. … Wann, sage ich, wir auf diese principia bauen, so werden wir finden, das zwischen oberen und underen ist ein gewisses pactum, an welchen so wol jene gebunden, als diße; das wann jene die leges conventionis nit halten, auch diese von dem vinculo der gehorsame befreyet seyen.«413 Scheuchzer wird zehn Jahre später zum Führer der unzufriedenen Bürger, die sich durch ein Schuldbekenntnis des korrupten Bürgermeisters Holzhalb ebenso wenig besänftigen lassen wie durch die Annahme der – bereits bei den Wohlgesinnten formulierten – Forderung, die Zunftmeister fortan in heimlicher Wahl zu küren, was das »Praktizieren« erschweren soll.414 Am 8. September 1713 versammeln sich gegen 600 Bürger auf dem Zürcher Lindenhof, wobei sie sich auf ihre »burgerlichen freyheiten« und die »fundamental-gesätz« (den Geschworenen Brief, den Pensionenbrief von 1508 und die Wahlordnungen) berufen.415 Die Versammelten wählen eine Delegation unter Scheuchzers Leitung, die mit ihren Anliegen zu Bürgermeister Johann Jacob Escher geschickt wird. Damit stehen sich zwei ehemalige Collegiaten gegenüber, der Insulaner Escher und der Wohlgesinnte Scheuchzer. Entsprechend freundlich verläuft das Gespräch. Escher klagt ebenfalls über die Korruption und sagt zu, die Begehren der Deputierten am nächsten Tag vor die Räte zu bringen. Diese zeigen sich gesprächsbereit, wo es sich um die äußeren Formen der Verfassung handelt, aber unnachgiebig, wo ihr Zugang zu Ämtern und damit zu materiellen Privilegien in Frage gestellt werden könnte. Am 23. November entscheiden die Zünfte über die Kompromissvorschläge einer gemischten Kommission, bilden aber in allen wichtigen Fragen keine einheitliche Front, sondern hinterlassen einen sehr heterogenen Eindruck. Darauf ergreifen Regierung und Großer Rat die Initiative und verabschieden am 4. Dezember eine »systematische Erklärung« mit wenigen Konzessionen. Die meisten Zünfte verweigern vorerst die Zustimmung und kündigen auch an, den am 17. Dezember bevorstehenden Huldigungseid nicht leisten zu wollen. Als nun der Große Rat zu

413 ZBZ Z III 624, S. 142 f. (1. Mai 1703). 414 Saxer, Verfassungsreform, 1938, S. 12–21; vgl. zur Reformbewegung außerdem Kempe/Maissen, Collegia, 2002, S. 258–278; Guyer, Verfassungszustände, S. 13–23; Zimmermann, Verfassung, 1983, S. 14–21; Braun, Ancien Régime, 1984, S. 261–264; Würgler, Unruhen, 1995, S. 78–85. 415 Saxer, Verfassungsreform, 1938, S. 27.

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verstehen gibt, dass er auch gewaltsame Maßnahmen erwägt, geben die Zünfte nach und akzeptieren den obrigkeitlichen Vorschlag. Nicht nur Scheuchzer und Bürgermeister Escher illustrieren 1713 die langfristige Bedeutung der Zürcher Sozietäten. In den Räten sitzen zu diesem Zeitpunkt 20 frühere Collegiaten, was zeigt, dass die Sitzungen in der Wasserkirche für praktisch alle weltlichen Sozietätsmitglieder den Weg ins Regiment geöffnet haben. Die restlichen drei engagieren sich mit Scheuchzer auf der Seite der Bürgeropposition und gehören zu den 26 bürgerlichen Deputierten. Die zahlreichen Gravamina der Zünfte verraten denn auch die im Collegium ausgebildete Handschrift Scheuchzers und geistesverwandter Bürger. Charakteristisch für ihr solides staatsrechtliches Wissen ist der sechste Artikel der von der Deputation eingebrachten »Fundamentalia«: Es »stehet undisputierlich der höchste Gewalt beÿ dem Burger-Meister, denen Klein und Großen Rähten, und gantzer Gemeindt der Stadt Zürich, welchem gantzen Leib dann zustehet das Recht, Krieg, Frid, Pündnußen, undt Gesetze zumachen, wie auch die Regiments Form, je nach beschaffenheit der Zeiten abzuenderen«.416 Diese Forderung verrät die Erfahrung historischer Dynamik, die Anpassung auch im Grundgesetz verlange. Solche fundamentalen Veränderungen bringen aber das Volk ins Spiel, dessen politische Rechte nicht nur im Herkommen gründen, sondern auch im allgemeinen Natur- und Völkerrecht, das die oberste Gewalt im Naturzustand der Allgemeinheit zuschreibe: »Natura omnes sumus aequales.«417 Deshalb beansprucht die »gantze Gemeind« das grundlegende »Jus ferendi leges et mutandi regiminis formam«. Mit expliziter Berufung auf Grotius machen die Delegierten der Zünfte einen Unterschied »zwüschen denen, welche Sumum Imperium habend summo modo und modo non summo«: Der »Doge kenne keinen über sich als Gott, und doch ist er unter den Gesätzen«, und gleich stehe es mit der Zürcher Obrigkeit, welche die höchste Gewalt »in Administration der Regierung« innehabe, doch gleichzeitig an die Schranken der Gesetze gebunden bleibe. »Ein solcher Souverän ist Singulis Major, aber auch Universis Minor.«418

416 Johann Caspar Abegg, Beschreibung der bürgerlichen Unruhen, StAZ B III 14f, S. 130 (Dritter revidierter project der puncten); fast identisch Scheuchzer in ZBZ V 120, fol. 77v; vgl. auch V 120a, fol. 1, und Saxer, Verfassungsreform, 1938, S. 38. 417 ZBZ MS H 290, S. 29 = MS H 224, S. 28, zitiert nach Kempe, Republikanismus, 2000, S. 203. 418 StAZ B III 14f, S. 322 f., vgl. auch S. 298.

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Diese Ideen zeigen ein beträchtliches politisches Bewusstsein der Bürger und erhebliche juristische Belesenheit zumindest bei einigen von ihnen. Sie haben die Lehren aus den Diskussionen des 17. Jahrhunderts gezogen, aus ihrer Lektüre und aus Präzedenzfällen im (republikanischen) Ausland: Die Souveränität der Obrigkeit ist unabdingbar, kann aber ohne Gefahr für ihre Schutzfunktion, ja durchaus in deren Sinn den Gesetzen unterstellt bleiben, welche vom Volk ausgehen und um seinetwillen verfügt werden. Diese oppositionelle Sichtweise widerspricht der vorherrschenden obrigkeitlichen Definition der »Republic« und hat zur Konsequenz, dass Widerstand gegen einen Herrscher legitim wird, wenn dieser seine auf die Verwaltung beschränkten Kompetenzen überschreitet. Die Deputierten deuten ihr Vorgehen denn auch nicht als Rebellion, sondern als ihre Verpflichtung gegenüber Gott, Gerechtigkeit, Fundamentalgesetz und Vaterland: Die Bürger dürften »als ein glied des ganzen burgerlichen leibs« gegen eine willkürliche, »ungerechte, tyrannische Oberkeit« vorgehen, ja diese absetzen, wenn diese die »fundamentalgesätz« und damit den Herrschaftsvertrag breche.419 Dem widersprechen einzelne Räte mit dem Argument, die Bürgerschaft habe ihnen und den Bürgermeistern alle Gewalt für immer abgetreten. Doch die gemeinsame Kommission von Räten und Zünften folgt im Prinzip tatsächlich Scheuchzers Standpunkt, dass auch im vergesellschafteten Zustand die Regierung nur mit den Bürgern zusammen das Recht hat, die Verfassung zu ändern.420 Damit ist in Zürich die Bürgerschaft als Trägerin ursprünglicher Freiheits- und damit Partizipationsrechte anerkannt, die dann allerdings in der »systematischen Erklärung« eng definiert werden: Nur bei Bündnissen und Änderungen der Fundamentalsatzungen, wo die Zeit nicht drängt, sind Zünfte und Konstaffel stets zu konsultieren, während es bei den eilenden Entscheidungen über Krieg und Frieden ausreichen kann, den Beschluss anzuzeigen. Die Gesetzgebung bleibt ein Reservat der Obrigkeit, und erst recht nichts wird aus dem Anspruch einzelner Zünfter, als Souverän dürften sie über Zölle, Steuern, Schatzungen und die Bürgerrechtserteilung mitreden oder die Bürgermeister selbst wählen. Immerhin werden, wohl im Gefolge der entsprechenden Forderung der Zünfte, 1715 das Stadtrecht und 1716 das Erbrecht gedruckt. Eine weitere Folge der Zunftbewegung sind Scheuchzers rückblikkende Analysen, einerseits seine Historische, politische Beschreibung des 419 Saxer, Verfassungsreform, 1938, S. 54, Anm. 76; nach ZBZ MS V 119, S. 62–64. 420 Saxer, Verfassungsreform, 1938, S. 58, nach StAZ B III 14, S. 281; ZBZ MS V 120, S. 116.

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Ao. 1713 unternommenen Reformationsgeschäfts,421 zum anderen das Collegium, das er als Dienst für die »republic« und »der politischen jugend zu gefallen … über unsere leges fundamentales, insonderheit den geschworenen brief« hält. Dabei will der Gelehrte die »schönheit unserer regierung … in ein parallelismus bringen mit anderen eidgenössischen und andern insonderheit alten römischen und griechischen republiques«, damit die Jugend nicht wie bisher »in ignoranz« aufwachse und um die Bedingungen eines freien Regiments wisse: »Wo die Oberkeit aus dem Volk erwählet wird, da hat man nit leicht zu fürchten, daß der Freiheit Gewalt angetan werde. Eine solche Oberkeit macht nicht nur für sich und die gegenwärtige Zeit Satzungen, sondern vornehmlich für ihre Nachkommen, derenthalben sie nit sicher ist, ob sie immer am Brett sitzen wird.«422 In der Konsequenz von Scheuchzers naturrechtlichen Prinzipien liegt die Würdigung der Landsgemeindekantone, auch wenn er sich bewusst ist, dass sie von der Meinung der meisten Zeitgenossen, etwa Pufendorfs, und auch der einstigen Mitcollegiaten abweicht. Zu Ury, Schweitz, Underwalden, Zug, Glarus und Appenzell, Pündten, allwo die democratia regiret, hat das volk, bey deme orginaliter der höchste gewalt stehet, denselben beybehalten, und darvon am wenigsten übergeben. Da sizet die freyheit annoch auff dem thron: eine jede gemeind ist frey, ganze länder und pündt, so aus jenen freyen gemeinden zusammengesezet werden, sind frey; ja ein jeder landsmann ist frey. … Ein jeder landmann kan nit nur stimmen, sondern zu jedem ampt erwehlet werden.423

Unter diesen Voraussetzungen interessierten sich in den Landsgemeindekantonen alle für die »stattssachen«, »und findet sich offt auff denen höchsten und wildesten alpen ein armer senn, der beßer weiß zu discurriren, als mancher rathsherr in stätten«. So fällt Scheuchzer denn auch das positive Fazit über die Unruhen leicht, die er als Teil eines kollektiven Lernprogramms präsentiert, das dem gemeinen Mann seine Freiheitsrechte und Emanzipationsmöglichkeiten vorführt. Ein großer nuzen, der aus dergleichen begegnißen gleichsam unvermerkt wachset, ist der, dass ein durch den verlauf viler seculorum in der unwißenheit unterhaltenes volk die augen öffnet, seine freyheiten aus allen winklen hervorsuchet, vil darüber discutirt, im reden freymüthig wird, seine eigenen

421 Die erste Fassung ZBZ MS V 119, V119a, V119b, V 120, V 120a; die zweite MS V 120b. 422 Zitiert nach Scheuchzer bei Weiß, Erziehung, 1940, S. 132. 423 ZBZ H 292, S. 1319.

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fehler beßeret, den blinden gehorsam fahren laßet, ex umbra libertatis in plenam lucem hervortrittet, und überall in das könftige auf der regenten thun beßer achtung gibet, dardurch dan auch bey denen regenten, so voll eigenliebe, ehrgeiz, herrschsucht, rachgier und anderen dergleichen passionen, erfolgen muß eine beßerung, si non ex amore virtutis, saltem ex formidine potest.424

11. Die »Virgo Tigurina« und ihre Bürgermeister Der bis heute bekannteste Zunftvertreter neben Scheuchzer ist 1713 der Künstler Johann Melchior Füssli, der wie erwähnt das Titelblatt zur Simler-Neuausgabe von 1722 gestochen hat, aber auch die wissenschaftlichen Illustrationen zu Scheuchzers Helvetiae historia naturalis (1716–1718) und Physica sacra (1731–1735) liefert.425 1724 entwirft Füssli einen großformatigen Almanach, den David Herrliberger sticht (Abb. 27).426 Im Unterschied zu konzeptionell ähnlichen Kalendern aus Solothurn (unten, Abb. 34), Luzern und Zug, wo ebenfalls eine Stadtvedute zum unteren Teil des Bilds gehört, fehlen hier die Heiligen im Himmel. An deren Stelle wird die zentrale Tigurina mit Liktorenbeil und Granatapfel vom göttlichen Licht bestrahlt, wie sie auf einer mächtigen Wolke über dem städtischen Hauptplatz wacht, während ein Engel Zepter und Lorbeerkranz über sie hält: »So schickt der Himmel selbst der Obrigkeit die Crohn«, wie unter dem Blatt steht. Neben ihr sitzt Justitia auf der Wolke – Füssli hat hier die beiden linken Allegorien aus Schärers Deckenbild im Rathaus genau abgezeichnet. Gerechtigkeit, Glaube und Tugend sind damit als die drei Stützen des Staats um dessen Personifikation vereint und repräsentieren damit die drei Zürcher »Stände«: Regierung, Geistlichkeit und Bürgerschaft.427 Gegenüber dem Deckengemälde im Rathaus hat Johann Melchior Füssli eine entscheidende Änderung vorgenommen: Dort ist Gratitudo als untertäniges Volk zu verstehen gewesen, jetzt betet an ihrer Stelle die in den Schatten gerückte Geistlichkeit als demütige Fides. In den Sonnenstrahlen steht dagegen das tugendhafte Volk und stützt in der neuen 424 425 426 427

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ZBZ MS V 119, fol. 5v. Dazu oben, S. 283. Der Entwurf ZBZ Zürich II H 385; der Almanach Zürich IV, 1 Rathaus. Henk el/Schöne, Emblemata, 1996, Sp. 1550 f., für Virtus mit der Säule; Saxer, Verfassungsreform, 1938, S. 33, für die Zürcher Stände.

Abb. 27: Johann Melchior Füssli/David Herrliberger, Zürcher Staatskalender, 1724.

11. Die »Virgo Tigurina« und ihre Bürgermeister

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Personifikation als Virtus die Säule der Herrschaft, mit – selbstverständlich – korinthischem Kapitell. Füssli, der Zunftdelegierte von 1713, präsentiert seinen Stand »als ein glied des ganzen burgerlichen leibs«, wie es die revoltierenden Bürger damals formuliert haben.428 An der Limmat hat also auch die Bürgerschaft Teil an der Souveränität, sie »ist« – im Sinne der Identitätsrepräsentation – mit Kirche und Regiment zusammen der Staat Zürich. Auch sonst spielt der Maler stark mit Licht und Schatten. Rechts dominiert die erhellte Ostfassade des Rathauses, links trägt ein Obelisk die Wappen der zwei Bürgermeister, deren Ruhm ein Engel mit Lorbeerkranz und Palmwedel herausposaunt. Der Obelisk ist ein Symbol der Ewigkeit und tugendhafter Reinheit, da er – direkt von oben beleuchtet – keinen Schatten wirft und ebenmäßig beleuchtet ist.429 Auf Allegorien wird häufig das Reich als Obelisk dargestellt, mit dem Doppeladler auf der Spitze, unter Gottes Sonne oder einer von ihm gehaltenen Kaiserkrone.430 Der Obelisk wird auch mit der Pyramide identifiziert, und diese symbolisiert wiederum die beste Verfassung, mit einer breiten Basis, so dass sie kaum umgestürzt werden kann.431 1775 wird Justus Möser im Rahmen seiner Patriotischen Phantasien dem Vergleich von Pyramide und »Staat« eine eigene Betrachtung widmen.432 Bei Johann Melchior Füssli fällt nun das Licht, das im übrigen, schattig gehaltenen Bild besonders hervorsticht, auf die Obeliskenspitze mit den Wappen. Es ist allerdings kein Licht direkt von oben, sondern so schräg, dass nur ein Teil des Obelisken beleuchtet und aus dem Schatten hervorgehoben wird, den ein Baldachin wirft, der als Attribut der Souveränität über dem Obelisken hängt. Der Obelisk – der Staat – ist

428 Saxer, Verfassungsreform, 1938, S. 54, Anm. 76. 429 Roeck, Titelkupfer, 1983, S. 343, 347 f.; ders., Rathaus, 1995, S. 102; vgl. Henk el/Schöne, Emblemata, 1996, Sp. 1222–1225, besonders 1222: »Pyramides Pharium monumenta perennia Regum«. 430 Müller, Reich, 1997, 408 f., S. 425, Abb. 18 f.; Roeck, Titelkupfer, 1983, S. 348 f.; Burkhar dt, Bildkultur, 1998, S. 106–111; auch ders., Pyramide, 1998. 431 Vgl. Stanyan, Account, 1714, S. 104 f.: »So the Politicians say, that a Government, which takes into its frame the whole Mass of the People, and upon that Basis raises its Structure, must needs be more strong and durable, than any other, where the Foundation is narrowed … On the other Hand an Aristocratical Government is compared to a Pyramid inverted, or set on the little end, which must soon be crush’d by its own Weight, or else overturn’d by a small Force from without …«. Zur Gleichsetzung von Pyramide und Obelisk Roeck, Rathaus, 1995, S. 102. 432 Roeck, Titelkupfer, 1983, S. 343, Anm. 42.

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11. Die »Virgo Tigurina« und ihre Bürgermeister

ewig, aber das göttliche Licht fällt in diesem Augenblick nur auf die zwei Wappen der gegenwärtig regierenden Bürgermeister.433 Das Licht setzt sie als vorübergehende, sterbliche Träger der Souveränität ein, deren dauernde Inkarnation am anderen Bildrand zu sehen ist: das Rathaus. Im Zentrum des Bildes schreibt Chronos die Historie, während der Handelsgott Merkur und Sapientia (mit dem Spiegel) an den Seiten der Pax sitzen, die mit der Rechten einen Palmzweig hält und mit der Linken auf die Quelle des Lichts (und des Friedens) weist. Rüstungsteile drückt sie mit ihren Füßen zu Boden, während zwei Putti neben ihr mit den im Handel erworbenen Schätzen spielen und ein Kranich über einen Bienenkorb und weitere Güter wacht. Ein Mann stellt Packen hin, die wohl Stoffe enthalten, und auf einem davon sitzt eine nährende Mutter mit ihrem Säugling, wohl die freundliche Ceres, die den Bauern hold ist – Landwirtschaft und verlegerisches Textilgewerbe als die beiden Grundlagen des Zürcher Wohlstands. Über der Mutter hält Fortuna, mit dem Fuß auf einer Kugel, ein vom günstigen Wind gewölbtes Segel. Johann Rudolf Zieglers Verse unter dem Almanach verschwenden keine unnötigen Worte auf den fernen, göttlichen Ursprung dieser guten Ordnung, sondern nennen die irdische Quelle des materiellen Glücks, »was unserm Land von Überfluß gewährt, Daß sich darvon das Volck der Unterthanen nährt«. Die Staatspersonifikation, wie sie Füssli von Schärers Deckengemälde übernimmt, ist auch in Zürich ein eher junges Phänomen. So prägt der Münzmeister Johann Jacob Gessner als Erinnerung an das Bündnis von 1707 eine vom französischen Klassizismus beeinflusste Medaille, auf der sich die Respublica Tigurina und die Respublica trium foederum Rhaetorum über einem Altar die Hand reichen.434 Es gibt allerdings eine für Schweizer Verhältnisse sehr frühe Vorgängerin auf dem Gedenkblatt Contrafactur ZYRICH , das Dietrich Meyer – der Vater des wiederholt erwähnten Malers Conrad Meyer – 1607 anlässlich der

433 Ähnlich vergleicht das Schweitzerisches Kriegs-Recht, 1704, die Basler Regierung mit einer Pyramide, deren Spitze »mit zwo guldenen Sonnen gezieret … als von welchen das gantze Corpus, gleich dem menschlichen Leib, so von dem Haupt sonderlich animirt ist, weißlich und klug regieret wird«. 434 Baumgartner/T elegdy-Neudorfer/Metzger, Zeugnisse, 1996, S. 90–92; vermutlich ebenfalls Tigurina ist die gekrönte Frau mit Standesschild und einem Buch, die unter einer David Redinger zugeschriebenen Stadtansicht zu sehen ist, die 1691 aus Anlass von Johann Caspar Eschers Wahl zum Bürgermeister gestochen wird (ZBZ , Stadtansichten Zürich, 1.a. 405/I, 23).

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Wahl des erwähnten Johann Rudolf Rahn zum 41. Bürgermeister sticht (Abb. 28).435 Es zeigt die RESPUBLICA TIGURINA VIRGO – die wohl erste und für lange Zeit einzige Allegorie der Limmatstadt, die auch deutlich früher auftritt als Helvetia und die unten erwähnten Schwestern in Luzern, Bern und Basel. Sie steht auf einem Podest, das die Wappenpyramide mit Reichsadler schmückt, einen Fuß an den Globus gelehnt, aus dessen universaler Ordnung sie hervorgeht. Gloria und Victoria, zwei Engel mit Posaune und einem Palmzweig, fliegen an ihren Seiten und über einer detailgetreu gezeichneten Ansicht auf Zürich. Dabei verkünden sie EER SEYE GOTT IN DER HOEHE beziehungsweise DEM VATERLAND HEIL UND FRID . In der Linken streckt die jungfräuliche »Respublica Tigurina« das Zepter empor, mit dem rechten Arm umfasst sie eine Palme und zeigt in der Hand ein aufgeschlagenes Buch mit dem Schriftzug RELIGIO VICTORIA MEA – die Bibel als Grundlage eines gerechten, da christlichen Regiments. Die Palme symbolisiert allgemein die Tugend, hier aber besonders die Gerechtigkeit, wie der Text auf dem Podest verkündet: IUSTUS UT PALMA FLOREBIT (Psalm 92, 13).436 Das IUSTUS ist wohl konkret auf den Mann zu beziehen, der Bürgermeister geworden ist. Ihn nennt die Inschrift, die das ovale Bild oben umkreist: RO :[DOLPHUS ] MIHI PRINCIPIUM 1335. 1607 RHO [NIUS ]; RO [DOLPHUS ]Q :[UE ] PRAESIDIUM – Rudolf (Brun) war mein Gründer, und (Johann) Rudolf (Rahn) ist nun mein Beschützer. Über den Vornamen werden die Anfänge der Stadt mit ihrer Gegenwart verbunden, ähnlich wie eine adlige Dynastie aus ihrem ersten, frühen Vorfahren ihre Würde bezieht. Der Text unter dem Flugblatt verdankt dem »ersten Consul« Brun, dass er »Respublica die Junckfraw zart, s’Allgmein frey Regiment« begründet habe, welche mit Gottes Kraft alle Tyrannei dämpfe. Sein Nachfolger Rudolf Rahn wird nun, einem Adler gleich, bestellt »der Junckfrawn rein zur Kron und Hut«, die mit seiner Hilfe – weder von Gewalt noch von Geld beeinflusst – ihren Ehrenkranz in Reinheit trägt. Meyer beglückwünscht die »uralte, zierliche, weitberümbte Statt« zu ihrem »wolgegründeten freyen Regiments herkommen und jetzigem wolstand«. Die Gründung der Stadt ist ein Werk Gottes, wie das Schriftband um die untere Hälfte des Ovals

435 Paas, Broadsheet, 1, 1985, S. 206 (P-97). 436 Laut Valeriano, Hieroglyphica, 1595, S. 488, steht die Palma für: aequalitas, iustitia, sol, victoria, iactura, nuptiae, innocentia, piorum vita und die crux Christi. Für ihre Verwendung auf Titelkupfern als Symbol der Tugend vgl. Roeck, Titelkupfer, 1983, S. 330–332.

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11. Die »Virgo Tigurina« und ihre Bürgermeister

Abb. 28: Dietrich Meyer, Virgo Tigurina, 1607.

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lehrt: ECCO DA DIO SON STAT AMATA , DEL’ABONDANTIA SUA CORONATA , HORA STO FERMO E ’ BEN FONDATA .437 Dass diese irdische Festigkeit und Gunst vergänglich und letztlich irrelevant ist, zeigt der Satz aus der Offenbarung (2, 10), den zwei Genien über die Respublica halten: SOIS FIDELE JUSQUES À LA MORT, ET JE TE DONNERAY LA COURONNE DE VIE . Ikonographisch ist diese Partie äußerst ähnlich den oben besprochenen, späteren Darstellungen souveräner Herrschaft: Die Genien halten nämlich eine Krone über die Jungfrau, und von oben scheint Jahves Sonne durch sie hinab. Allein, es handelt sich hier nicht um die ewige Krone der Souveränität, sondern um die Verheißung des wahren Lebens, »dKron sLebens, Amen« – nach dem diesseitigen, in treuem Glauben zugebrachten Leben. Die friedliche Respublica ist eine Gnade Gottes, und gestützt auf RELIGIO kann sie Bestand haben; doch sie ist nur eine vorübergehende Station auf dem Weg zum ewigen Heil. Als Sebastian Walch 1756 seinen Portraits aller Herren Burger-Meistern der vortrefflichen Republique, Stadt und Vor-Orths Zürich die Zürcher Staatspersonifikation voranstellt, fehlen die transzendenten Bezüge weitgehend: Nicht mehr Gott allein, auch der Staat ist ewig. Das Titelkupfer zeigt Tigurina im Mittelpunkt, die gekrönt und mit einem Schwert in der Hand auf einem Thron sitzt (Abb. 29). Concordia, Prudentia und Sapientia befinden sich an ihren Seiten, Herkules als »Macht und Stärcke« bewacht sie mit der Keule, und zwei Löwen beschützen die »Unverletzte«, so dass Mars nur mit Verdruss der Szene zusehen kann. Die »edle Freyheit« mit dem Freiheitshut steht der Tigurina gegenüber und spricht zu ihr: »Trotz dem, der dich will berücken, du bleibest unversehrt in einer stolzen Ruh«. Es fällt auf, auch im Vergleich zu Meyers »Iustus ut palma florebit«, dass Justitia abwesend ist, ebenso die Waage als Symbol: Zürich ist nicht Richterin, sondern Schützerin. Fama zieht einen Vorhang wie einen Baldachin halb über sie und singt mit der Posaune das Loblied auf die Bürgermeister, deren Portraits als Medaillons den Saum des Vorhangs bilden. Einen erkennt man gut, zwei andere schemenhaft, doch das Band hat man sich ewig vorzustellen, wie es auf dem unbegrenzten Vorhang der Souveränität festgemacht ist, ein unendlicher Streifen, der mit vergänglichen Einzelbildern abläuft. 437 »Von Gott bin ich geliebt worden, von seinem Überfluss gekrönt, jetzt steh’ ich fest und gut gegründet.« Man würde STO FERMA E BEN FONDATA erwarten, doch ist FERMO wohl trotzdem auf die sprechende Respublica zu beziehen und nicht etwa auf Rahn.

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11. Die »Virgo Tigurina« und ihre Bürgermeister

417 Abb. 29: Sebastian Walch, Portraits aller Herren Burger-Meistern, Kempten 1756.

IV. Zürich als Paradigma

Wohlan ergötze dich, O Zürich! an denen Bildern von denen, welche dich bisher mit Ruhm regiert, rühm ihre Tugenden, die ich dir nicht kan schildern bis dieser Zeitlauff sich ins Ewige verliehrt. Grün, wachs und blühe stets, bey deinen Burger-Meistern, Der Höchste lasse dich noch deren tausend seh’n, ja Er umgebe dich mit seinen starcken Geistern daß deine Herrlichkeit, mag immerfort besteh’n So wird die Fama noch der spathen Nachwelt sagen wie hoch dich Gott beglückt! wie er dich selbst getragen.438

Walch ist nach sechzehn Jahren an der Limmat in sein heimatliches Kempten zurückgekehrt und beruft sich auf das Vorbild von Athen und Rom, seinerzeit »Inbegriff derer glückseeligsten Republiquen«, die mit Medaillen seinen hochverdienten Männern ein Denkmal errichtet hätten. Die gleiche Funktion sollen seine Stiche erfüllen, damit alle künftigen Zürcher ihre Bürgermeister verehren könnten, die eine große Ähnlichkeit zu den römischen hätten, wie Walch mit einer auch sonst inzwischen üblichen Identifikation der beiden Mischverfassungen behauptet.439 Das »burgermeisterliche Regiment« sei von den Römern, »einem zur Freyheit gebohrnen Volck«, nach der Vertreibung der tyrannischen Könige eingeführt worden. »Fast eine gleiche Ursache«, so Walch, hat in Zürich zu einem »neuen Stadt-Regiment« unter Rudolf Brun geführt, das dann analog gegen die inneren und äußeren Feinde verteidigt worden sei, hier Österreicher und Adlige, dort Porsenna und Tarquinier. An Klugheit und Tapferkeit habe sich Brun damit dem »ersten roemischen Burger-Meister Brutus vollkommen aehnlich gemacht, wo Er Ihn nicht gar in vielen Stuecken uebertroffen hat.«440 Als Walch sein Werk vorlegt, ist einer der beiden Bürgermeister Johann Caspar Escher, der in Utrecht ausgebildete Spezialist für Naturrecht und die Niederlande im Collegium der Wohlgesinnten. Escher, der am Anfang seiner erfolgreichen Karriere von seinem »republicanischen Humor« gesprochen hat, stirbt 1762.441 Sein Freund Johann Caspar Ulrich, Pfarrer am Fraumünster, hält die Grabrede und bestätigt dem verstorbenen Bürgermeister, dass er seinen Vorstellungen nachgelebt habe.

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Walch, Portraits, 1756, Erklärung des Kupffer-Blats. Vgl. etwa Von Moos, Calender, 1775, S. 169. Walch, Portraits, 1756, Vorwort. Escher, Lebensbeschreibung, ZBZ FA Wyss III 116, 4. Teil, S. 75, 91.

11. Die »Virgo Tigurina« und ihre Bürgermeister

Die bürgerliche Freyheit, die Seele des Staates, die in der durchgängigen Gleichheit der Bürger zu dem Genusse der Glückseligkeit, in Behauptung der Ordnung, die das allgemeine Beste erfordert, und in heiliger Beobachtung der dahin abzweckenden Gesätze, bestehet; diese bürgerliche Freyheit, hielt Er für das erhabenste Vorrecht, das Er als ein Bürger genossen, und für ein Ihm anvertrautes Heiligthum, das Er als seinen Aug-Apfel verwahret hatte. Ihn schreckete nicht die Ungebundenheit des nach der Anarchie strebenden, und die Ausgelassenheit für Freyheit ansehenden Pöbels, noch der herrschsüchtige Stolz der nach der Oligarchie schnappenden Mächtigen; beyden widerstuhnde Er als für das Vatterlande gleich forchtbaren Feinden mit einem wahren Helden-Muthe.442

Nicht nur zwischen den innenpolitischen Extremen, zwischen maßlosem Pöbel und herrschsüchtigen Patriziern, habe Escher die richtige Interpretation der Freiheit vertreten; auch außenpolitisch habe er Sorge dazu getragen, dass die Bürger nicht wie anderswo »dem strengen Willen eines Monarchen« ihre liebsten Güter aufzuopfern hatten, sondern die »durch den Schweiß unserer tapferen Vorelteren erworbenen Freyheit« bewahren konnten. Wie sich während Johann Caspar Eschers Leben das Selbstverständnis der Zürcher Ratseliten verändert hat, zeigt der aufschlussreiche Vergleich mit dem Nachruf auf seinen gleichnamigen Großvater, den erwähnten Bürgermeister von 1691 bis 1696. In jenem Text fehlen die Worte Freiheit und Gleichheit, während die Parallelen im paternalistischen Regenten- und Hirtenbild offensichtlich sind: Gerechtigkeit, Hilfsbereitschaft, Strenge, Fürsorge, Tapferkeit und »Fromseyn«. Dieses Ideal ist noch völlig eingebettet in die Zusammenarbeit mit den Geistlichen, »die uns des Herren Wort Vom theuren Zwinglin an bis jez mit Sorg’ verkündet«. Mit »Verflucht Hobbesium!« wird der ältere Escher in seiner Ablehnung nicht nur der Vernunftreligion zitiert, sondern auch des potenziellen Egalitarismus, auf dem Hobbes und Spinoza ihre moderne, naturrechtliche Vertragslehre aufbauen.443 Für den jüngeren Johann Caspar Escher ist die naturrechtliche Fundierung von Staat und Gesellschaft dagegen schon früh eine Selbstverständlichkeit, ebenso die Absage an den exklusiven Deutungsanspruch einer kirchlichen Orthodoxie, deren Formula consensus er »in der That« für unnötig ansieht.444 Frömmigkeit ist unabdingbar für wahre, an Got-

442 Ulrich, Trauer-Rede, 1762, S. 11. 443 Har dmeyer, Zürichklage, 1696. 444 Aus einem Brief vom 18. März 1723, zitiert bei Zehnder-Stadlin, Pestalozzi, 1875, S. 179.

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tes Gerechtigkeit orientierte Herrschaft, aber sie ist kein Resultat klerikaler Diktate, sondern wie alles menschliche Wissen und Glauben das Ergebnis von anstrengender, gewissenhafter Lektüre und kommunikativer Selbstvergewisserung über Inhalte und Deutungsangebote. Dieser Prozess der Wissensaneignung ist ein unabdingbares Korrektiv in einer Welt, die zwar von Gott rational geordnet ist, in der aber die Erkenntnisfähigkeit des Menschen solange limitiert ist, als er seiner leidenschaftlichen und eigeninteressierten Subjektivität unterworfen bleibt. Daher muss er durch Ordnung und Pflichtgefühl seine Freiheit lenken, die Freiheit von äußeren und von inneren Zwängen, eine Freiheit, die sich ausbreiten kann und es schließlich erlaubt, dass alle Menschen, einmal aufgeklärt, das rationale Weltgesetz erkennen und ihm nachfolgen. Die Verfassung aber, die Ordnung und Freiheit optimal kombiniert, ist die Republic: Herrschaft von Freien über Freie und – noch – Unfreie. Und diese Republic repräsentiert Tigurina (Abb. 30). Die Republic, unter dem Bilde eines Frauenzimmers, welche eine Stadt auf dem Haupt trägt und den Zürich-Schildt haltet, wäinet über den Tod des großen Eschers. Neben ihr verkündigt die posaunende Fama Seine große Thaten. Dem Hochseligen ist eine Ehren- und Gedenk-Pyramiden aufgerichtet, an welcher das Wapen desselben zu sehen. Die unter demselben sich befindende Vorstellung ist theils ein Regenten-Stab, theils die von den alten Römeren so genannte Fasces, bestehende in einem Büschel Ruthen, so man der Obrigkeit zu Rom vortrug, welche aus langen und dünnen Stäblein bestuhnd, in deren Mitte ein scharfes Biel eingebunden ware. Diese Fasces wurden mit EhrenZeichen denen Königen und Burgermeistern von 12. Lictoribus oder StadtBedienten vor- und nachgetragen. Unten her stehet eine Urne oder AschenKrug, wobey die Traurigkeit Thränen wäinet. Neben her, zur Linken ist der Eydgnösische Freyheits-Hut. Letstlich, auf der Rechten, bemühet sich die Zeit, in Gestalt eines alten Mannes, der Nach-Welt das Ruhm-volle Leben des unsterblichen Patrioten und Vaters des Vatterlandes aufzuzeichnen.445

12. Fazit Im Unterschied zur katholischen vermittelt die reformierte Theologie das Konzept – und in Calvins Französisch auch die Worte – der ewigen, absoluten Souveränität. Allerdings wird sie im Unterschied zu Bodins Sprachgebrauch einem eifersüchtigen Gott vorbehalten: Die »lex Dei«

445 Ulrich, Trauer-Rede, 1762, S. 3.

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12. Fazit

Abb. 30: Lob und Trauer-Rede auf den Tode Herren, Herren Johann Caspar Eschers, 1762.

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IV. Zürich als Paradigma

ist, wie die Confessio Helvetica Posterior weiß, »plenissima et absolutissima«.446 Während Bodin den Staat von – theoretisch auch geistlichen – Nebengewalten befreien will, geht es den Reformatoren im Sinne der Rechtfertigungslehre darum, die von werk- und damit selbstgerechtem Menschenhandeln unbeeinflusste Entscheidungsfreiheit Gottes zu verdeutlichen. Die Gemeinsamkeit beider Souveränitätsvorstellungen besteht somit darin, dass als ihr Kern die nur im Souverän selbst begründete Befähigung gesehen wird, das von ihm erlassene Gesetz zu ändern oder aufzuheben, ohne dabei Menschen oder deren Instanzen und Regeln verpflichtet zu sein. Allerdings geschieht dies durchaus zu deren Nutzen, denn die Selbstbindung des Souveräns an die Gerechtigkeit und damit die Ausrichtung auf das Gemeinwohl gehört zu seinem Wesen.447 Doch entscheidend bleibt vorerst, dass für Calvin und seine Weggefährten die irdische Obrigkeit gerade nicht souverän und absolut ist, weil sie Gott untergeordnet bleibt.448 Damit sie in ihrer politischen Zuständigkeit von dieser Ausrichtung befreit wird, muss noch ein entscheidender Säkularisierungsschritt geleistet werden. Erst dann kann sich die Idee der Souveränität wirklich durchsetzen, aus der christlichen »respublica« eine weltliche »Republic« werden, die Verfassungsfrage wichtiger werden als das richtige Glaubensbekenntnis. Diese Schwelle ist beträchtlich und verlangt unter anderem, dass Bodins »perpetuité« auf das politische Regiment und seine Gewalt angewandt wird, wo doch Marcus Beumler das Jenseits meint, wenn er 1590 »von dem ewigen und himmelischen Vaterland und der Gewißheit desselben« predigt.449 Noch 1711 zitiert Bürgermeister David Holzhalb zwar wie erwähnt den Tacitus-Satz »Principes mortales, Rempublicam vero aeternam esse«,450 doch mit dem Vorbehalt, dass er als Christ die Ewigkeit im strengen Sinn nur Gott zugestehe. Dabei hat der erste Schweizer Staatsrechtler, der Schwyzer Katholik Büeler, schon zwanzig Jahre früher verkündet, dass »wer Soverain sein will, dessen Gwalt mueß ewig sein« – unter Berufung auf Bodins Definition in Kapitel 1, 8, dessen »perpetuel« also auf Deutsch »ewig« heißt.451 Phönix, ein trotz abgeschnittenen Ästen weiterwachsender Baumstamm, 446 Müller, Bekenntnisschriften, 1903, S. 186 (Art. 12). 447 Bohatec, Entbundenheit, 1934, S. 171 f. 448 Vgl. die entschiedene Ablehnung der Parömie »princeps legibus solutus« im Samuelkommentar, dazu Baron, Staatsanschauung, 1924, S. 70; aber auch die relativierenden Bemerkungen von Bohatec, Entbundenheit, 1934. 449 Beumler, Predigt, 1590. 450 Gentis ONHI , 1711, S. 1; vgl. oben, S. 333. 451 Büeler, Compendium, 1869, S. 96.

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12. Fazit

die regelmäßige Rückkehr der Jahreszeiten, der Auf- und Niedergang der Sonne, die portraitgeschmückte Pyramide oder Klinglers Analogie von irdischen Ambassadoren und Gesandten Gottes – alle diese Metaphern erweisen aber auch in Zürich die Unvergänglichkeit des Staates als ein vertrauenerweckender Topos der besprochenen Trauerreden und -bilder. Oft handelt es sich um Säkularisierungen von reformierten Gottes- und Zeitvorstellungen, aber zugleich auch umgekehrt um die Sakralisierung kommunaler Herrschaft: Gott setzt »Götter« ein, durch die er Gerechtigkeit verwirklicht.452 Indem nun die göttlichen Bestimmungen dadurch umgesetzt werden, dass inspirierte Bürger ihre Oberhäupter in freier Wahl erküren, behält der Allmächtige – durchaus im reformierten Sinn – seine uneingeschränkte Freiheit, ohne dass er den Zwängen einer unausweislichen, da dynastischen Erbfolge ausgesetzt wäre. Die Verschmelzung sakraler Souveränität und säkularer Herrschaft geht einher mit der Säkularisierung des Zürcher Staatsideals. 1619 spricht der einflussreiche Pfarrer und Professor Johann Jacob Ulrich an der ersten Zentenarfeier der Reformation von seiner Vaterstadt als dem neuen Zion, das er neutestamentlich verklärt als »patria nostra dilecta, veluti civitas supra montem posita«.453 Im Aufklärungszeitalter wird aus Zürich ein neues Rom, welches das alte (und das mittelalterliche) nicht etwa dank seiner reformierten Christlichkeit übertrifft, sondern in seiner republikanischen Gleichheit, die keinen Raum mehr lässt für die verhängnisvollen Laster Ehrbegierde und Herrschsucht.454 Das Pflichtbewusstsein der Regenten und ihre Bereitschaft, sich dem Gesetz zu unterwerfen, das sie selbst (und nicht länger Gott) schaffen, sind die Voraussetzungen, um den gefährlichen Leidenschaften beizukommen, den eigenen ebenso wie denen der Untergebenen und Unterworfenen. Der Bezugspunkt für die historische, säkulare Begründung des Regiments ist Bruns Zunftrevolte, die seit dem 17. Jahrhundert die übrigen legitimierenden Faktoren der Stadtgeschichte zusehends in den Hintergrund drängt: die frühe Gründung mit Trier und Solothurn, die frühe Christianisierung und die Patrone Felix und Regula, die Begünstigungen durch Karl den Großen und Ludwig den Frommen sowie die späteren Reichsprivilegien. Die ununterbrochene

452 Har dmeyer, Zürichs Traur, 1710, S. 10; Meyer, Spiegel, 1652, 4. Bild. 453 Ulrich, Oratio secularis, 1619, S. D3v (Abschlussgebet, Dank zu Gott), nach Matthäus, 5, 14. 454 Von Moos, Calender, 1775, S. 169; vgl. auch oben, S. 418, zu Walch.

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IV. Zürich als Paradigma

Reihe der nach denselben Verfassungsprinzipien gewählten Bürgermeister macht seit Brun das Regiment aus. Dieses Staatsverständnis erwächst aus der Diskussion über die eigenen historischen Wurzeln, was sich gerade in den Collegia gezeigt hat, deren Mitglieder durch politische Selbstbildung dem Gemeinwohl dienen wollen. Ihre Mitglieder legitimieren ihre elitäre, »akademische« Stellung aus der Fähigkeit zu vorurteilsloser, unpassionierter Beobachtung und zu sachlicher Kritik, sowohl der historischen Überlieferung wie auch der Gegenwart. Die Ausrichtung auf eine disziplinenübergreifende Allgemeinbildung und ein moralphilosophisch-politisches Verständnis der eigenen Aufgabe passen gut zur Tatsache, dass nicht nur die Sozietäten, sondern auch das Zürcher Regiment aus Männern besteht, die sich verschiedenen Berufen widmen, wobei – wie generell in der Schweiz – die professionellen Juristen eine marginale Rolle spielen. Die Politiker sprechen Recht, nicht die Gelehrten. Ein paar Semester im Ausland reichen vollauf, um die allgemeinen Grundlinien der Rechtswissenschaft zu erfassen, ein formeller Abschluss ist dabei nicht notwendig. Noch 1700 begnügt sich Johannes Fries, der von 1743 bis 1759 neben dem jüngeren Johann Caspar Escher Bürgermeister sein wird, in Basel mit dem Lizentiat, »weil ein mit dem Axiomate eines Doctoris iuris Charakterisierter ein ganz seltsames neues creatum in seiner Vaterstadt wäre«.455 Ausgangspunkt für den Prozess der Selbstaufklärung ist gleichwohl die selbst erlebte und anderswo beobachtete Staatsbildung, die in Zürich in mancher Hinsicht ähnlich wie in den großen Monarchien abläuft: verstärkte Institutionalisierung von immer mehr Kommissionen; Rückbindung von Patronage und Klientelismus durch verschärfte Wahlvorschriften oder Losverfahren; starke Zunahme gesetzgeberischer Regelungen und Mandate; Heeresreform und -ordnung; obrigkeitliche Kontrolle über das lange Zeit von Privaten betriebene Soldwesen, etwa mit der Kapitulation von 1693, die geheime Werbungen ersetzt; Verstaatlichung des Salzmonopols anstelle der früheren Verpachtung.456 Mit der Zunahme obrigkeitlicher Kompetenzen und Ordnungsbedürfnisse einher geht die Differenzierung behördlicher Aufgaben und die arbeitsteilige Spezialisierung. Mehr Fachwissen wird benötigt, ebenso Techniken im Umgang mit Wissen und der durch die Verschriftlichung rasch wachsenden Datenmenge: Sammeln, Katalogisierung, Archivierung, Indizierung, Exzerpte und Kopien, aber auch Lektüre, Memorierung und Kommunikation – alles Bereiche, in denen 455 Guyer, Führungsschichten, 1968, S. 408. 456 Pfister, Klientelismus, 1992, S. 58–60.

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12. Fazit

sich die Collegiaten hervortun.457 Es ist bezeichnend, dass zur gleichen Zeit auch anderswo der Ruf nach einer zielbewussten Ausbildung des Regentenstands erklingt. So wird in Bern 1680, etwa zeitgleich mit der Gründung des Collegium Insulanum, der »Äußere Stand« ins Leben gerufen, der den regimentsfähigen, aber noch nicht etablierten Nachwuchs durch »ein politisches Exercitium und eine Schul« darauf vorbereiten soll, dereinst die Amtsgeschäfte zu übernehmen.458 Wenn Politik nach eigenen Gesetzmäßigkeiten erlernbar und gestaltbar wird, so hat das religiöse und vor allem das konfessionell fixierte Weltbild sein universales Erklärungsmonopol verloren. In den Collegia, aber auch in der Reformbewegung von 1713, und zwar auf beiden Seiten, ist das Bedürfnis überdeutlich, die zeitlosen kirchlichen Interpretationsmuster im weltlichen Bereich zu hinterfragen und ihnen – zumindest gleichwertig – alternative, säkulare Erklärungen zur Seite zu stellen. Die Fatalität einer langen Krisenzeit seit dem späten 16. Jahrhundert nimmt ein Ende, in der Pestzüge, Hungersnöte und der stets nahe Krieg apokalyptische Visionen selbstverständlich gemacht haben. Die Zürcher Neujahrsblätter illustrieren, wie das Gefühl der Bedrohung nicht völlig verschwindet, aber ergänzt wird durch die stets wiederholte Erfahrung eidgenössischer Diversität: Die Gefahren ziehen vorüber, so brutal sie auch die Nachbarn treffen mögen. Das schafft Erklärungsbedarf, und so wird etwa die Neutralität zu einer Konstante auch der Zürcher Weltdeutung. Hottinger und Johann Jacob Ulrich deuten sogar die lange beklagte konfessionelle Spaltung positiv um: Ihretwegen bleibt die Eidgenossenschaft von den europäischen Kriegen verschont. Zum Frieden gesellt sich in Zürich das materielle Glück, der vor allem im Großhandel mit Textilien erworbene Reichtum, der ebenfalls sowohl gesichert als auch erklärt werden muss. Ebenso interpretationsbedürftig ist die neue außenpolitische Herausforderung durch Frankreich, die dazu zwingt, das Wesen der Republik und das republikanische Interesse zu definieren. Dies wiederum führt hin zur inneren Verfassung des Zürcher Freistaats: Auch sie ist von der historischen Dynamik betroffen und muss sachkundig angepasst werden, wie dies Scheuchzer im September 1713 seinen zünftischen Mitstreitern darlegt. Keine Regierung sei so gut eingerichtet, dass sie ewig bleiben könne, kein Grundgesetz so fest, dass man es nie revidieren müsste. »Wann alte wol begründete, und des landes art angemessene 457 Braun, Ancien Régime, 1984, S. 229. 458 Von Steiger, Probleme, 1954, S. 32; vgl. allgemein Von Fischer, Äusserer Stand, 1982.

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satzungen nichts mehr geachtet werden, so ist änderung nöthig zur restitution; wo die alten sazungen unzulänglich, da braucht es neue; allzugelinde müßen geschärfft, allzu scharffe gemilteret werden.«459 Der Staat ist ewig, wie Gott; aber, anders als Gott, nicht unveränderlich. Wer unter welchen Bedingungen die Fundamentalsatzungen verändern darf – das erweist sich als das Grundproblem der politischen Theorie und Praxis, und darin zeigen sich auch die feinen Differenzen nicht nur in den Collegia. Auch für Scheuchzers Freund und Altersgenossen Johann Caspar Escher sind sie das Reservat, das sich ein Volk ausbedingt, wenn es sich zum eigenen Wohl einen Staat schafft und der Herrschaft unterwirft; insofern sind sie für die Obrigkeit unverletzlich. Aber die Grundgesetze sind zugleich – in ihrer historischen, verfassten Form etwa als Geschworene Briefe – auch für das Volk sakrosankt und können nur in einem neuen Gesellschaftsvertrag geändert werden. Möglich ist dies, wenn entweder die Obrigkeit selbst die Fundamentalrechte verletzt oder aber allgemeiner Konsens darüber besteht, dass eine Änderung notwendig ist. Dieser Konsens wäre jedoch nicht das Produkt einer demokratischen Mehrheit von gleichberechtigten Individuen (wie es der Situation im Naturzustand entspricht), sondern (in der Vergesellschaftung) die Übereinstimmung verschiedener Stände, also von Obrigkeit, Kirche und Bürgerschaft. Wo diese sich nicht gemeinsam zu einer Veränderung durchringen, bleibt das alte Fundamentalgesetz erhalten, zumal es per se, da alt, durchaus respektabel ist. Die Volkssouveränität ist in dieser Überlegung also angelegt, aber gleichsam für den Ausnahmefall vorbehalten, in dem das Volk die Macht wieder in die Hand nehmen muss. Eine dauernde oder regelmäßige Ausübung seiner Souveränitätsrechte kann sich Escher gerade auch deshalb noch nicht vorstellen, weil er – etwa als Mediator in Graubünden – erlebt hat, wie unbeherrscht, irrational und gefährlich ein Volk in der Demokratie seine Entscheidungen fällt. Erst im Gefolge Rousseaus wird man ernsthaft nach Lösungen suchen, wie sich die im Naturrecht angelegte theoretische Volkssouveränität und die historisch diskreditierte praktische Herrschaft des Volks in einer modernen bürgerlichen Gesellschaft kombinieren lassen. Das amerikanische Prinzip der Repräsentation und das französische Konzept der Nation werden die Antwort darauf sein. In Zürich geht es vorerst nicht um politische Partizipation im Alltag, sondern um das Widerstandsrecht in Ausnahmesituationen, wenn die Obrigkeit die Tugend und die Aufgabe vernachlässigt, für die sie von

459 ZBZ V 119, fol. 37.

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12. Fazit

der Gesellschaft eingesetzt worden ist. Dieses Recht, wie es etwa derselbe Escher postuliert, ist im Vergleich zum monarchomachischen 16. Jahrhundert völlig säkularisiert: Nicht Apostelgeschichte 5, 29, sondern der obrigkeitliche Schutzauftrag stellt die Latte dar, an der rechtmäßiger Ungehorsam zu messen ist. Allerdings ist ein emanzipatorisches Angebot im Verständnis von Herrschaft angelegt, die in einer Gesellschaft von naturrechtlich Freien letztlich allein in der überlegenen politischen Tugend der Herrschenden begründet werden kann, in ihrer Bereitschaft, sich dem höheren Gesetz zu unterwerfen. Trotz bewussten Analogien sind die Zürcher Magistraten weder durch Gottesgnadentum noch dynastisches Erbrecht legitimiert, sondern bloß aufgrund ihrer ökonomischen Möglichkeiten und ihres Machtwillens abkömmlich für die immer intensivere Tätigkeit des Staatsmanns und für die immer höheren Kosten, die für die entsprechende Ausbildung und den Unterhalt von Klientelnetzen anfallen. Wenn eine korrupte Realität die beanspruchte politische Tugend Lügen straft, dann verliert die »Republic« ihr Fundament. So existiert der Zürcher Freistaat im 18. Jahrhundert in einem unvermeidlichen Spannungsverhältnis zwischen der gemeinschaftlichen »res publica«, die potenziell alle Bürger umfasst, und der herrschaftlichen »Republic« als polyarchischem Staat. Die entsprechende deutsche Eigenbezeichnung erscheint relativ spät, wenn man das durch das Zunftregiment »demokratisch« geprägte Zürich mit den früh formulierten absolutistischen Ansprüchen der anders strukturierten westlichen Patrizierstädte vom Schlage Berns vergleicht.460 Erst nach den einsetzenden Streitigkeiten um die aufklärerische Gesellschaftskritik, nach Grebelhandel und Bauerngespräch, und angesichts von zunehmenden Schweizer Umkreisungsängsten zwischen den nunmehr befreundeten Habsburgern und Bourbonen wird der Titel mit seinen herrschaftlichen Konnotationen offiziell, etwa auf Broschüren wie der Militär-Ordonnanz für die Land-Militz der Republik Zürich (1770) oder dem nun erstmals so genannten Regimentbuch, oder Klein und Große Räthe der Republic Zürich (1771). Dieses obrigkeitliche Staatsverständnis setzt ein gewisser Johann Philipp Kuzel auch auf den Titelblättern um, die er von 1782 bis 1789 für die Sammlungen von Statuten und Privilegien der ennetbirgischen Vogteien im Tessin malt.461 Beim Künstler 460 Vgl. unten, S. 467 f.; für einen Vergleich der sozialen, ökonomischen und mentalen Basis der jeweiligen Führungsgruppen Braun, Ancien Régime, 1984, S. 184–194. 461 StAZ B VIII 345–350.

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IV. Zürich als Paradigma

Abb. 31: Johann Philipp Kuzel, Statuten der Ennetbirgischen Vogteien, ca. 1789.

dürfte es sich kaum um einen Zürcher handeln, denn heraldisch vertauscht er jeweils die zwei Standesfarben, und in der Symbolik folgt er ausländischen, monarchischen Vorbildern.462 Stets schmückt eine – manchmal von Fabeltieren getragene – fünfzackige Krone das Wappen, die einmal in eine Art Schärpe aus Hermelin ausläuft, hinter welcher der Freiheitshut und ein Pfeil mit Apfel und Bogen emporragen – auch 462 Vgl. die Konfrontation mit einem württembergischen Beispiel bei Maissen, Bedrohte Souveränität, 2003, S. 205–208, Abb. 8 f.

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12. Fazit

ohne Armbrust eine Reverenz an Tell.463 Am aussagekräftigsten ist das Bild, auf dem ein Bannerträger in Zürcher Farben mit der Rechten einen Speer mit dem gefiederten Freiheitshut trägt, während er die Linke auf das Wappen in einer Kartusche stützt (Abb. 31). Über der obligaten Krone wölbt sich ein Vorhang zum Baldachin, der das Wappen schützend überragt und umgibt – die Republic Zürich, in ihrer Souveränität den Königen gleich.

463 Abgebildet bei Maissen, Souveränität, 2003, S. 207, Abb. 9; auch Maissen, Freiheitshut, 2006 S. 551, Abb. 7.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

Der Mailänder Emigrant Gregorio Leti, der auf seinen Reisen von Venedig über Frankreich und England nach Holland lange in Genf haltmacht und die Eidgenossenschaft aus eigener Anschauung kennt, schreibt rückblickend 1699, dass sich in den vergangenen 50 Jahren einiges zum Schlechteren verändert habe in der Schweiz, durch französische Pensionen, Luxus und Unsitten. »Desiderarei per il bene comune di quel Paese, che quei Popoli potessero dire che quella Republica è veramente Res publica«.1 Gleichwohl sollten sich die Leute immer noch glücklich schätzen, weil sie keine Abgaben entrichten müssen. Insofern beklagten sie sich in Unkenntnis der Verhältnisse in anderen Ländern zu Unrecht, »che sia lo stesso di vivere sotto ad un Governo arbitrario, che in un libero, e che sia una medesima cosa d’esser signoreggiato da un Prencipe con un sic volo, sic jubeo, che maltrattato da un Balivo, che pur troppo se ne scontrano tal volta più avidi, e più rigidi di Tiranni«.2 Leti beschreibt so den Unterschied zwischen einem absolutistischen Fürsten, der nach eigenem Ermessen willkürlich entscheidet, und der freieren feudalen Verwaltungsstruktur, in der sich allerdings gelegentlich auch ein tyrannischer Landvogt etablieren könne. In der Eidgenossenschaft und namentlich in Bern habe die Obrigkeit – ähnlich wie Venedig – »pian piano« die in den einstigen Freistaaten gleichrangigen Mitbürger als Untertanen versklavt. So sei aus einer »Republica« eine (absolutistische) »signoria dispotica« geworden, in der die Obrigkeit als »nostro legitimo, e soprano Signore« angeredet werden müsse.3 Die bekannte Oligarchisierung im 17. und 18. Jahrhundert, als institutionalisiertes Patriziat ebenso wie als informelle Familienherrschaft, ist ein gemeinsamer Zug in fast allen eidgenössischen und zugewandten Ständen. Die folgenden Einzeluntersuchungen zu den eidgenössischen Orten und ihren Zugewandten skizzieren, wie sich dieser Prozess 1 Leti, Raguagli, 1699, 2, S. 141; vgl. auch 1, S. 16. 2 Leti, Raguagli, 1699, 2, S. 139 f. 3 Leti, Raguagli, 1699, 76 f.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

im Staats- und politischen Selbstverständnis niederschlägt. Als Indikatoren für den Wandel gelten das Wort »Respublica« mit seinen – hinsichtlich der Aussagekraft wie gezeigt repräsentativeren – volkssprachlichen Entsprechungen, dann die Rezeption von Bodins Souveränitätskonzept, die Repräsentation des Standes unter einem Reichsadler oder einer Krone und die Bezugnahme auf kaiserliches Recht. Bereits vorweg ist festzuhalten, dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt, der nicht nach einem eindeutigen Muster und in allen Orten ähnlich abläuft. Letztlich handelt es sich jedoch um den Übergang von einer universalistischen Konzeption, welche die Stände als Geschöpfe und Glieder des Imperiums versteht, zu einer natur- und völkerrechtlichen Vorstellung, wonach Völker Staatlichkeit aus sich selbst heraus begründen. In der Reihenfolge, wie dieser Prozess – soweit er sich überhaupt genauer datieren lässt – stattfindet, werden im Folgenden die Orte und Zugewandten behandelt, also nicht in der für Schweizer gewohnten protokollarischen Rangfolge. Im Mittelalter wird Herrschaft entweder durch ältere Dokumente oder gewohnheitsrechtlich dadurch legitimiert, dass jemand Schutz und Schirm gewährt. Beiden Vorstellungen gemeinsam ist die Idee, dass das schützende und strafende Schwert einmal von einer höheren Instanz verliehen worden ist, die es im Lehensverhältnis wiederum einem Oberen zu verdanken hat. Die notwendige, aber – da keineswegs einzigartig – nicht hinreichende Voraussetzung des langen schweizerischen Staatsbildungsprozess ist die direkte Privilegierung der Kantone durch die Spitze dieser Pyramide: den Kaiser. Im auf die Rechtsprechung ausgerichteten politischen Denken des Mittelalters ist dabei die Gerichtshoheit zentral, namentlich der Blutbann und der Ausschluss fremder oder höherer Berufungsinstanzen (Privilegium de non appellando/evocando), ferner die verschiedenen konkreten Regalien wie das Münzrecht.4 Der Ausweis dieser Privilegien beziehungsweise der sie umfassenden Reichsstandschaft ist der Reichsadler in öffentlichen Symbolträgern, namentlich im oder über dem Wappen.5 Im Reich wird der anfangs einköpfige Adler als Zeichen der Translatio imperii übernommen und schmückt bis 1230 die Wappen der Reichsfürsten, die aber diesen Beweis der Vasalität seit Friedrichs II. Statutum in favorem principum allmählich ausscheiden; allein Brandenburg, Mähren und das Tirol halten – im Wappen selbst – daran fest. Doppelköpfig wird der Adler erst um 1400 und endgültig bei der Kaiserkrönung 4 Eine Liste mit Daten zur Reichsstandschaft bei Im Hof, Mythos, 1991, S. 46. 5 Bour eau, Aigle, 1985, v. a. S. 101–112; Berns, Aquila, 2000.

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Sigismunds 1433. Insofern der Doppeladler Kaiser und Reich zusammen repräsentiert und nimbiert ist, unterscheidet er sich vom einköpfigen Adler des deutschen Königs. In der Eidgenossenschaft wird schon früh, aber vereinzelt der einköpfige Reichsadler gebraucht, auch für Siegel von Gebieten, die später ihre Reichsunmittelbarkeit verlieren, aber den Adler im Wappen behalten, so für das Haslital (1296) oder die Landschaft Frutigen (1380).6 Bereits auffallend früh taucht auch der doppelköpfige Adler auf, möglicherweise schon im Solothurner Siegel von 1394 und gewiss auf den Kapitellen im Berner Rathaus (1412/14).7 Die Reichsmünzordnungen von 1551 und 1559 schreiben den zweiköpfigen Adler mit dem Reichsapfel in der Brust für die Prägung vor.8 In der Schweiz, aber auch sonst in Städten und Landschaften (wie dem Tirol) des oberdeutschen Raums verbreitet sich vor allem im 16. Jahrhundert die zuerst in Nürnberg entwickelte Wappenpyramide: Der von der Reichskrone überwölbte Schild mit dem Doppeladler steht auf einem oder meist zwei Standesschilden; sind es zwei, so neigen sie sich oben gegenseitig zu. Zwei Schildhalter, in der Regel die Standestiere oder Kriegerfiguren, stützen die Pyramide und halten weitere Standeszeichen (etwa eine Fahne mit Lokalheiligen) oder Reichsinsignien (Zepter, Reichsapfel) in den Händen. Der Doppeladler symbolisiert so das Reich als Quelle der Freiheiten, aber auch als höhere Schutzmacht (»argumentum sui libertatis et nostri mundiburdii«).9 Gelegentlich können sich auch zwei verbündete Orte gemeinsam mit ihren Wappen unter der Kaiserkrone repräsentieren.10 Zudem gibt es analoge Wappenpyramiden auf unteren Stufen, wobei das Standeszeichen eines Kantons zwei Wappen von Gemeinden oder Landschaften überragt oder auch ein Stadtschild die Wappen der Bürgerschaft.11 Solche Kombinationen sind aber nicht beliebig, sondern repräsentieren einen Rechtsstatus: Das obere Wappen der Pyramide nimmt Schutz und Schirm wahr über die unteren, die aber ebenfalls privilegiert sind. Ja, der Schutz der übergeordneten Instanz gilt gerade solchen Freiheiten, sie haben – um mit Zwingli zu sprechen – »iren grund in der krafft

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Mattern, Doppeladler, 1988, S. 405. Hattenhauer, Nationalsymbole, 1998, S. 82–85; Hye, Schweiz, 1996, S. 41 f. Hess, Reichsikonographie, 1997, S. 172–175. Zitat bei Mattern, Wappenpyramide, 1983, S. 57; »mundiburdium« ist die Schutzherrschaft. 10 Vgl. Gallik er, Arbedo-Denkmal, 1975. 11 Mattern, Wappenpyramide, 1984, S. 78 f., 81 f.

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des schirmenden. Also: Schirmpt einer nit, so fryt er ouch nit.«12 Dies trifft nicht nur auf das Verhältnis von Reich und reichsfreien Ständen zu, sondern ebenso auf die Pyramiden der unteren Stufe: Der Zürcher Schild prangt über den Munizipalstädten Winterthur oder Stein, nicht aber über gewöhnlichen Vogteien wie Grüningen oder Greifensee. Auch im Falle von Bern sind Wappenpyramiden über Städten wie Aarau, Burgdorf oder Thun denkbar, ebenso über den erwähnten freien Landschaften Hasli, Frutigen oder dem Simmental.13 Hingegen entspricht der Doppeladler nicht dem reichsfürstlichen Selbstverständnis, das sich aus der Belehnung (und nicht Befreiung) durch den König ergibt und keine direkte Herrschaft des Reichsoberhaupts im Territorium impliziert. Im Unterschied dazu anerkennt eine Reichsstadt im Kaiser durchaus den Stadtherren. Umso erstaunlicher muss es anmuten, dass sich der doppelköpfige Reichsadler auf vielen eidgenössischen Bildträgern erst im 16. Jahrhundert richtig ausbreitet – also nach der vermeintlichen »faktischen Loslösung« vom Reich im Jahr 1499, dem Referenzpunkt der nationalgeschichtlichen Historiographie. Die Fixierung auf dieses Datum erklärt, weshalb die Präsenz des Reichsadlers in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft, manchenorts bis ins 18. Jahrhundert, bisher nur gewunden erklärt worden ist.14 Die folgenden Ausführungen verorten dieses Phänomen dagegen in einem umfassenden Prozess, in dem der Doppeladler nur eines der Indizien für einen grundlegenden Wandel des Staats- und Rechtsverständnisses darstellt.

1. Genf 15 Mit der Reformation und den Edikten von 1543 beginnen in Genf der Kleine Rat mit seinen 25 Mitgliedern und vier Bürgermeistern (»syndic«) und der 1526 gegründete Rat der Zweihundert rasch, sich durch Kooptation von der Bürgerschaft abzuschließen. Die Zweihundert 12 Zwingli, Schlussreden, Z 2, 1908, S. 319; vgl. dort auch die lateinische Formulierung: »Privilegium firmatur in virtute defensoris; qui non defendit, eximere non potest.« 13 Illustrativ für diese Hierarchie ist die Chronik von Ryf f, Circkel, 1597, die mit den verschiedenen Typen der Wappenpyramide illuminiert ist. 14 Vgl. etwa Hye, Doppeladler, 1973, S. 96, und nach ihm Mattern, Doppeladler, 1988, S. 400. 15 Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die materialreicheren Aufsätze Maissen, Zürich und Genf, 1999, sowie ders., Genf und Zürich, 2000.

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wählen auf Vorschlag der abtretenden die neuen Kleinräte, während der Kleine Rat umgekehrt die Zweihundert ernennt. Der Conseil général der Bürgerschaft bewahrt formell sein Wahlrecht nur, was die Syndics anbetrifft, erhält aber auch dabei die Kandidaten vom Großen Rat vorgeschlagen. So werden diese Versammlungen zu einem inhaltsleeren Ritual von zweitrangigen Bürgern, welche die Regimentsherren am Ende des 16. Jahrhunderts mit »Votre Excellence« oder gar »Mon Prince« anzureden haben, nachdem um 1570 auch eine formelle Einengung der Regimentsfähigkeit beschlossen worden ist.16 Die äußere Situation ist geprägt von der anhaltenden Bedrohung der Rhonestadt durch die – katholischen – Savoyer, deren Ansprüche als Territorialherren ebenso notorisch und historisch legitimierbar sind wie diejenigen der Dynastie, die regelmäßig den Bischof und Stadtherren gestellt hat, bis dieser 1526 im Gefolge des Burgrechts mit Bern und Fribourg die Stadt verlassen hat. Einen gewissen Schutz bietet den Genfern der etwas dubiose, erst 1540 in einem Brief Karls V. erwähnte Status einer »ville libre«, was als freie Reichsstadt interpretiert wird.17 Umgehend, aber offenbar nicht anhaltend folgt die entsprechende Repräsentation auf Wappenscheiben von 1540 und 1547, welche die Pyramide mit dem Doppeladler über zwei Genfer Schilden zeigt.18 Ebenso behält sich die Calvinstadt in den Bündnissen mit Bern und Zürich von 1558 und 1584 die Prärogativen des »Römisch Rychs« vor.19 Und als am 24. Juli 1570 ein »Mode de vivre« mit Savoyen unterzeichnet wird, verzichten die Räte nur aus Zeitgründen darauf, bei dieser Gelegenheit ein neues Siegel anfertigen zu lassen, da beim alten im Oberwappen (»cimier«) die Kaiserkrone fehlt.20 Da ein halber Reichsadler mit dem Bischofsschlüssel zusammen bis heute das Genfer Wappen bildet, ist die Rhonestadt allerdings nicht unbedingt darauf angewiesen, das kaiserliche Insigne mehrmals anzu-

16 Guichonnet, Histoire, 1974, S. 156–158; Encyclopédie de Genève, 4, 1985, S. 78–87, 200–202; zu Calvins Einfluss auf die Verfassung Kingdon, Contribution, 1987, S. 184–198. 17 So Encyclopédie de Genève, 4, 1985, S. 85 f.; Or esko, Question, 1988, S. 86 f., 94. Zu französischen Vorbehalten gegen den Habsburg begünstigenden Status einer »ville impériale« Stadler, Genf, 1952, S. 166. 18 Hans Funks Scheibe von 1540 jetzt im Berner Historischen Museum, diejenige von 1547 im Musée d’Art et d’Histoire zu Genf, vgl. Guichonnet, Histoire, 1974, S. 177, sowie Mattern, Wappenpyramide, 1984, S. 82. 19 Rivoir e, Sources du droit Genève, 3, 1933, S. 64, 408. 20 Blavignac, Armorial, 1849, S. 163–382, hier 191 f.; die Umschrift des neuen Siegels hätte SIGILLUM MAGNUM CIVITATIS GENEVAE gelautet.

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bringen.21 Tatsächlich wird Genf im Westfälischen Frieden ebenso wenig aus dem Reichsverband entlassen wie andere zugewandte Orte.22 Erst die Friedensschlüsse von Rijswijk (1697) und Utrecht (1713) erwähnen Genf ausdrücklich. Dies kann als indirekte, da widerspruchslose Anerkennung politischer Selbständigkeit gedeutet werden,23 ändert aber nichts daran, dass der völkerrechtliche Status von Genf umstritten bleibt und bis weit ins 18. Jahrhundert hinein hoheitliche und konfessionelle Vorbehalte gleichrangige zwischenstaatliche Kontakte Genfs namentlich mit Savoyen und der Kurie verhindern.24 Auch einige Reichspublizisten verkünden – nicht zuletzt mit dem Hinweis auf den Adler im Wappen – noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts, bei Genf handle es sich um eine Reichsstadt.25 Seitdem Genf 1535 begonnen hat, das zuvor bischöfliche Münzrecht selbst auszuüben, wird der Reichsadler verschiedentlich, konzeptionell ähnlich wie bei der Wappenpyramide, unmittelbar über dem Stadtwappen angebracht, so noch auf den 3 Sols von 1689.26 Im Übrigen schmückt er jeweils gekrönt die Rückseite der Taler, nicht nur bis zum Ende der Prägeserie 1659, sondern auch bei deren Wiederaufnahme 1721; allerdings ist jetzt aus der früheren Umschrift GENEVA CIVITAS auf der Vorderseite RESPUBLICA GENEVENSIS geworden. Dasselbe liest man ab 1644 auf dem Dukaten, doch dauert es bis ins 18. Jahrhundert, ehe RESPUBLICA die einzige übliche Bezeichnung der Stadt auch auf ihren bescheideneren Münzen wird.27 Im 18. Jahrhundert erscheint der gekrönte Doppeladler dann nie mehr direkt über dem Genfer Wappen, aber noch lange, wenn auch nicht regelmäßig auf dem Revers, so noch bei der goldenen Pistole von 1772 und den 3 Quarts von 1785.28 Bestand hat auch der mächtige hölzerne Reichsadler, der seit dem frühen 17. Jahrhundert bis heute als Garant der städtischen Freiheit über dem Eingang des Hôtel de Ville wacht.29 Der Übergang von der »Civitas« zur »Respublica« auf den Münzen kann zwei Aspekte implizieren, entweder die freistaatliche Abgren21 22 23 24 25 26 27 28 29

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Wappen, Siegel und Verfassung, 1948, S. 1243–1254; Santschi, Armoiries, 1987. Vgl. Encyclopédie de Genève, 4, 1985, S. 85 f. Joos, Stellung, 1906, S. 156–160. Vgl. dazu Zurbuchen, L’établissement, 1989. Leschhorn, Moser, 1965, S. 94 f.; Schweder, Theatrum, 1, 1727, S. 78; anders schon Knipschild, Tractatus, 1657, S. 1017. Mattern, Doppeladler, 1988, S. 414. Divo/Tobler, Münzen 17. Jahrhundert, 1987, S. 482–493. Divo/Tobler, Münzen 18. Jahrhundert, 1974, S. 416–425. Maissen, Empire, 2004, S. 18, Abb. 1.

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zung gegen außen oder die patrizische Abschottung der staatlichen Obrigkeit gegen unten, gegen die Bürgerschaft oder eben »Civitas«. Wenn Calvin (meistens angesichts widriger Zeitumstände) von »respublica nostra« spricht, so denkt er nicht an eine bestimmte Verfassungsform.30 Vielmehr steht ihm dabei die Staatlichkeit Genfs im Vordergrund, als Autonomie einer Stadt, welche die ganze Gerichtsbarkeit für sich beansprucht, einen Bürgereid verlangt und Regalrechte ausübt. Erst allmählich findet sich in der Volkssprache ein eindeutig freistaatliches Verständnis des Wortes, in – unpolemischer – Abgrenzung etwa in der Widmung der französischen Ausgabe von Théodore de Bèzes Icones von 1581: Ein Jahr zuvor hat er sich in der lateinischen Fassung den »regibus, principibus et civitatum magistratibus« zugewandt, nun schreibt er »pour les rois, princes, magistrats et Gouverneurs de Republiques«.31 In die offizielle Titulatur gelangt das Wort zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Am 30. April 1602 richten die Genfer einen Hilferuf an Zürich, da Savoyen droht, die Republik umzustürzen (»subvertir ceste republique«). »Republik« heißt in diesem Zusammenhang offensichtlich »Freistaat«, denn die Abwehr der benachbarten Herzöge wird gedeutet als eine Etappe im Kampf, der mit der Befreiung von der Papstkirche und der Tyrannis begonnen hat. Die Übersetzung des zitierten Texts durch die Zürcher Staatskanzlei zeigt, dass ihr die neue Begrifflichkeit noch wenig vertraut ist: Aus »subvertir ceste republique« wird entsprechend »unserenn Stand und Regimen umbzuokherren«.32 Doch bereits am 19. Mai, als die vier evangelischen Orte sich in dieser Sache an Henri IV wenden, haben sie – vielleicht unter Berner Regie – die fremde Terminologie adoptiert. Die für französische Ohren eher pleonastische Formulierung »Republic der Statt Genf« verrät aber die anhaltende Verunsicherung der Deutschsprachigen: »Republic« meint den weltlichen Teil der Stadt, den gemeinen Besitz und letztlich das Gemeinwohl der Bürger – aber nicht die politische Gemeinschaft als solche, geschweige denn eine besondere Verfassungsform.33 Dagegen spricht Henri IV am 3. Juli in seiner Antwort an die Eidgenossen in französischer Prägnanz von »Nos treschers et bons amys les Sindics et conseil de la Republique de Geneve« – der erste Beleg für

30 Calvin, Opera, 14, S. 27, 455, 474; Registres du Conseil, 12, 1936, S. 272 (13. März 1533); 431 (20. März 1534); 500 (10. März 1534: »rem publicam Gebenn.«); vgl. Or esko, Question, 1988, S. 96 f. 31 Bèze, Correspondance, 21, 1999, S. 45, 48. 32 StAZ A 2465, Nr. 16 (30. April 1602). 33 StAZ A 2465, Nr. 16 (3. Juli 1602).

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diesen Titel in einem diplomatischen Dokument.34 Dieser Übergang zeigt sich auch darin, dass Henri IV im selben Jahr 1602, am 27. Mai, Lettres patentes zugunsten der »Seigneurie de Genève« erlässt; am 27. Juni 1606 werden diese ausdrücklich bestätigt, doch gelten sie jetzt den »sieurs de la Ville et Republicque de Geneve«.35 Man kann also festhalten, dass im Jahr 1602, also noch vor der Escalade und dem Vertrag von St.-Julien mit Savoyen, der im Juli 1603 in gewisser Hinsicht die Anerkennung der Autonomie bedeutet,36 »république« zum offiziellen Titel von Genf wird: Die vertraute Bedeutung des Begriffs als »Gemeinwesen/Staat« wird eingeengt auf »Freistaat«, ein Freistaat, der Souveränität beanspruchen darf, auch wenn er nicht monarchisch – von einem Bischof oder Herzog – regiert wird. Die Titulatur »Ville et Republique de Geneve« wird rasch für Mandate und ähnliche Texte selbstverständlich.37 Aufschlussreich für die Konnotationen und damit verbundenen Prätentionen des Begriffs ist eine Broschüre von 1636, in der Genf seine Position in einem Rechtsstreit mit einem Adligen darlegt. Sie wird auch auf Deutsch übersetzt und gedruckt, wobei aus »Ville et Republique de Genève« »gemeine Stadt Genff« wird.38 Dass die Genfer mehr darunter verstehen, zeigen sie in derselben Broschüre, wo sie den gegnerischen Drohungen mit der Autorität des habsburgischen Erzherzogs Leopold ein stolzes Selbstbewusstsein entgegenstellen: »une ville & Republique de Geneve, qui est libre & Souveraine« (»freye und für sich eigne Statt«) und damit keine fremde Jurisdiktion anerkennt.39 »République« und »souveraine« sind zwei Wörter, die zusammengehören. Gerade dieser Implikation ist sich Henri IV sehr bewusst gewesen. Seine Adresse von 1602 ist gleichsam die linguistische Beförderung von Genf in die Unabhängigkeit, womit der französische König einerseits die Savoyer als Verbündete Spaniens treffen will und andererseits die Cal-

34 AEG PH 2293. 35 Rivoir e, Sources du droit Genève, 3, 1933, S. 476, 510 f. 36 Im Vertragstext findet sich als Titel der Stadt stets nur »les seigneurs de la Ville de Geneve« beziehungsweise auf Deutsch »Statt Gennff«; vgl. AEG PH 2315; der französische Text auch in Rivoir e, Sources du droit Genève, 3, S. 482–488. 37 Vgl. die Ordonnances von 1603/09 bei Rivoir e, Sources du droit Genève, 3, S. 478; in der im Übrigen identischen ersten Fassung von 1589 fehlt die neue Titulatur noch. 38 StAZ A 2466, Nr. 59 a und b: Sommaire des justes deffenses de ceux de Geneve contre les induës pretensions de Noble Sebastian Truchses agissant par Represailles contre laditte ville & Republique, & les particuliers d’icelle … 39 StAZ A 2466, Nr. 59 a und b, S. 6, 9.

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vinstadt in die behandelte reformiert-republikanische, antihabsburgischen Achse zwischen Nordsee und Adria einordnet. Ungeachtet des raschen Anfangserfolgs am französischen Hof wird die Selbstbezeichnung »République de Genève« im diplomatischen Verkehr noch lange Jahrzehnte brauchen, ehe sie anerkannt und übernommen wird. Allein die Niederländer schicken ab den 1640er Jahren Briefe an die »Cité et republique de Geneve«.40 Gegen Ende des Jahrhunderts beginnen dann auch Zürcher und Berner Gesandte, im informellen Umgang – allerdings ohne Emphase – von einer »Republique« zu sprechen.41 Anders als zu den Zeiten von Henri IV ist es nun das Frankreich von Louis XIV, das Genf den Titel abspricht, der ihm eine gewisse völkerrechtliche Sicherung verspricht. So wehrt sich der Sonnenkönig – erfolglos – gegen den Einbezug der Calvinstadt in den Frieden von Rijswijk, was sich zuletzt noch darin ausdrückt, dass in den entsprechenden französischen Urkunden nur von der »ville de Geneve« die Rede ist, nicht von der »Respublica et Civitas Genevarum«, wie es etwa dem Sprachgebrauch der kaiserlichen Gesandten entspricht, oder von »Republic«, wie es auch den Zürchern aus der Feder fließt.42 Dies wird nun im 18. Jahrhundert zum allgemein üblichen Titel der Stadt, den die meisten Staaten in ihrer diplomatischen Korrespondenz verwenden.43 Während das Wort »République« hinsichtlich der äußeren Souveränität nicht mehr kontrovers ist, wird es im 18. Jahrhundert im Inneren zu einem der umstrittenen Konzepte, anhand derer die immer wieder neu entflammenden Debatten über die Träger der Souveränität ausgefochten werden, seitdem sich die Zweihundert ab 1700 »Souverain Conseil« nennen.44 Die Genfer Troubles sind nicht zuletzt ein Streit um die gültige (Um-)Definition politischer Begriffe; und zu diesen gehört auch »République«.45 Welche Vorstellung kann sich dabei durchsetzen – Republik als souveräne Obrigkeit; oder als zwischen Magistrat und Citoyens geteilte Souveränität; oder ein souveräner Conseil Général, 40 AEG PH 3101 (23. Januar 1642); vgl. PH 3470, vom 11. Januar 1667 und die holländische Formulierung vom 3. Juli 1688 (PH 3821). 41 AEG PH 3790 (18. Februar 1686); AEG PH 3819A (21. Mai 1688). 42 AEG PH 3972 (20. Dezember 1697). 43 So auch der preußische König Friedrich I., vgl. den Brief vom 18. Juni 1707 (AEG PH 4124) an die »Republicque Geneve«. 44 Rivoir e, Sources du droit Genève, 4, 1935, S. 664, 671. 45 Für weitere »sources et thèmes du discours politique du patriciat« Barbey, État, 1990; zur Debatte um Souveränität und zum »anti-government opposition’s republican idiom« Mason, Background, 1994, S. 549, 562–566.

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wie ihn die Citoyens und Bourgeois fordern und im Lauf des Jahrhunderts einer nach dem anderen auch die anderen Bevölkerungskreise: die Natifs, die Habitants, die Sujets vom Lande? Für die Genfer Patrizier, über ihre Bankgeschäfte eng mit Versailles verbunden, ist es jedenfalls klar, dass sie tausendmal lieber Untertanen des französischen Königs wären als der Représentants, der gewöhnlichen Bürger, die aus dem freistaatlichen Charakter Genfs ihr Recht ableiten, an der Macht beteiligt zu sein.46 Der gedruckte Bericht der Genfer Obrigkeit über die Unruhen von 1707 gesteht die Oberherrschaft denn auch – wenigstens theoretisch – der Bürgerschaft zu: »Geneve est peut être l’Etat le plus proprement nommé République qu’il y ait au Monde: Tous ses Citoiens peuvent pretendre aux Charges Publiques, &, quand ils sont légitimement convoques & assemblez en Corps, leur Assemblée s’appelle Souveraine, & elle a la Sanction des Loix, & la Creation des Principaux Magistrats … Cependant ce Corps Souverain a laissé, depuis près de deux Siecles, le soin des Affaires publiques à deux Conseils, dont l’un est … le Petit Conseil, & l’autre … le Grand Conseil«.47 Die Argumentation unterscheidet zwischen – einerseits – der formalen Gleichheit aller Citoyens »quand ils ont le merite & les qualitez requises« in Bezug auf den Ämtererwerb, Wahlrecht und Gesetzgebung und – andererseits – der gewöhnlichen Amtsführung durch die Räte. Wie eine geplante Gedenkmedaille zeigt, welche die Versöhnung von Rat und Bürgern symbolisieren soll, gehen Patrizier davon aus, dass sich die beiden staatstragenden Komponenten faktisch in die Souveränität teilen. Zwei verschränkte Ringe stehen für S. P. Q. G., »Senatus Populusque Genevensis«, und diese vier Buchstaben, »sont empruntées des Romains, qui se designoient ainsi pendant qu’ils se gouvernerent en Republique; L’Union de ces deux Anneaux met devant les yeux celle qu’il y a entre ces deux Parties qui composent la Souveraineté de Geneve«. Bezeichnenderweise wird auf einem anderen Medaillenentwurf, der 1706 noch zu Ehren der Zweihundert geschaffen worden ist, das DUCENTOS nach den Unruhen von 1707 in UNIVERSOS abgeändert, womit alle Bourgeois und Citoyens gemeint sind, die zusammen als einer von zwei Stützpfeilern eines Bogens mit Gottes schützender Sonne im Scheitelpunkt verstanden werden: »Cette Arcade represente la Republique de Geneve qui est soutenue par le Senat & par le Peu-

46 Das entsprechende Zitat des Bankiers Marc Cramer bei Lüthy, Diplomatie, 1965, S. 223. 47 AEG Res 5349: Lettre sur le Sujet de ces Figures.

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ple«.48 In dieser – zuungunsten der zuvor allein souveränen Zweihundert – revidierten Fassung bilden also die Räte als Senat und die vollberechtigten Bürger als Volk, da zusammen souverän, die Republik, die direkt unter Gott steht. In der zweiten Genfer Unruhenperiode (1734–1738) antworten die »Commissaires« um den Naturrechtler Jean-Jacques Burlamaqui im Namen der Räte auf eine Eingabe der »Représentants« der Bürgerschaft, das gesamte Finanzwesen liege bei den Zweihundert »depuis l’établissement de la Rep.« vor rund 200 Jahren – womit die gegen die Mitsprache des Conseil Général gerichteten Edikte von 1543 zum Gründungsdatum der Republik erklärt werden. Gerade durch die Steuerhoheit sei es der Regierung gelungen, sich und der »République« eine festere Gestalt (»une plus ferme consistance«) zu geben und so aus einer »ville qui auparavant se ressentoit encore de la confusion & du peu de dignité d’une simple Communauté« einen »Etat« zu formen. Staat, verfasste Republik und eine konsolidierte Regierung mit weitreichenden Kompetenzen sind damit gleichsam synonym und klar geschieden von der formlosen »Republik« in der einfachen, ursprünglichen städtischen Genossenschaft. Die Verfassung der Republik besteht aber im Wesentlichen in der Ordnung des politischen Körpers: Der Conseil Général »forme le corps entier de la Rep. dont les Sindics P.[etit] & G.[rand] C.[onseil] sont la tête, & dont tous les autres Citoyens et Bourgeois sont les membres«.49 Dieses Staatsverständnis unterliegt jedoch in der Mediation von Frankreich, Zürich und Bern: Sie spricht dem Conseil Général die Gesetzgebung, Behördenwahl, Vertrags- und Steuerhoheit zu und bestimmt damit ihn – ohne das Wort zu verwenden – als Souverän.50 Als auch dieser Kompromiss im Konflikt um Rousseau hinfällig wird, greifen dieselben Schutzmächte 1766 erneut ein, um »droits & privileges« aller Stände und vor allem der Behörden zu gewährleisten.51 So wird die ständische Ordnung zur unabdingbaren Voraussetzung der republikanischen Freiheit erklärt – und damit das demokratische Prinzip zu ihrer eigentlichen Bedrohung. Diese Interpretation findet ihre Kri-

48 AEG Res 5349; auch bei Cahorn, Quatre projets, 1894, S. 45–49, dort ebenfalls die Medaillen, Tafel 2 und 3. 49 AEG 5342, Nr. 13, S. 27–30, 45–47, zitiert nach Brühlmeier, République, S. 9–13, 17 f. 50 Verfassungstext bei Nabholz/Kläui, Quellenbuch, 1947, S. 152. 51 Recueil des pieces concernant la demande, 1767, S. 368 f., 442–443 (Declaration des Seigneurs plénipotentiaires de Zurich, 7. Januar 1767).

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tik in der interessanten Analyse des oppositionellen Bigarus d’un citoyen de Genève et ses conseils républicains dédiés aux Americains von 1776. Das anonyme Werk beschreibt, wie die einheimischen despotischen Magistraten die Nachbarn zu Hilfe rufen: »C’étoient à la verité des Republicains comme nous; mais des Republicains aristocratiques, auxquels notre Democratie porte ombrage, & qui auroient souhaités que nos Magnifiques Seigneurs eûssent pû introduire parmi nous cette fortunée Aristocratie, qui soutient avec tant d’opulence la brillante fortune des Senateurs de Berne & de Zurich. Il y a longtems que ces Cantons, & quelqu’autres du Corps helvetique, paroissent n’avoir consideré notre Democratie que comme un modèle de mauvais exemple pour leurs sujets. Autant que ceux-ci souhaitent joüir des avantages, que nous procure notre constitution, autant leurs sages Souverains apprehendent de ne pas être toûjours primus inter pares«.52 Das eigennützige »projet aristocraticien« hier, die freiheitszerstörerische Demokratie dort: Beide Seiten verstehen sich selbst in den turbulenten Jahren ab 1780 als Republikaner und verunglimpfen die gegnerische Interpretation des Begriffs. Für die Konservativen soll die »republicanische Verfaßung« diejenigen aufhalten, die – wie es die Zürcher formulieren – gegen »toutes les barrieres de votre Constitution & toute difference des Etats« anstürmen.53 Die Neuerer erklären im Umgang mit den reaktionären Schutzmächten in der Eidgenossenschaft, sie könnten als »républicains« die abweisende Haltung der Verbündeten nicht verstehen, die doch die »droits que donnent à notre République sa qualité d’Etat libre & Souverain« achten müssten.54 Tatsächlich erlangt eine revolutionäre Regierung im Dezember 1792 die Macht und unterstellt, der innenpolitische Wandel bei einem »peuple libre« interessiere die Zürcher gewiss nicht. Daher wolle man auch die Kontakte weiter pflegen »qui lient dès les tems anciens notre République à la Votre«.55 Indem die Genfer Revolutionäre den Zürcher Oligarchen Gleichgültigkeit unterstellen, was die inneren Angelegenheiten ihrer souveränen Republik und die neuen Verfassungsprinzipien anbetrifft, können sie die außenpolitischen Bande unter Republiken hervorstreichen. So geschieht es ironischerweise erst jetzt, dass die Genfer

52 Bigarus, 1776, 1, S. 5, 20. 53 AEG PH 5308 (27. Januar 1791). 54 StAZ A 24623 (9. Mai 1782); zu den Revolutionen ab 1782 vgl. Révolutions genevoises, 1990. 55 StAZ A 24623 (1. Januar 1793); vgl. zur Revolution von 1792 Binz, Regards, 1992.

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2. Wallis

in der diplomatischen Korrespondenz mit Zürich nicht die althergebrachte Titulatur verwenden, sondern selbst als »Les Sindics & Conseil de la République de Genève« zeichnen und auch die »louable République de Zurich« als solche ansprechen.56 Das ändert nichts daran, dass die Verfassungsprinzipien in den beiden nominellen Freistaaten konträr sind, seitdem die Phrygiermütze die Krone auf dem Adlerkopf im Genfer Wappen ersetzt hat.57

2. Wallis Die frühneuzeitliche Verfassung des Wallis lässt sich schwer kategorisieren. Obwohl es als ein zugewandter Ort der Eidgenossenschaft gilt, handelt es sich im Grunde genommen um eine Eidgenossenschaft für sich; die sieben Zenden entsprechen in ihren Kompetenzen weitgehend den schweizerischen Kantonen und unterzeichnen beispielsweise Verträge einzeln. Die Zendenvertreter versammeln sich zweimal jährlich oder öfter im Landrat, ähnlich wie die Tagsatzung, aber mit mehr gesetzgeberischer Wirkung. Im Unterschied zur Eidgenossenschaft kennt das Wallis außerdem im Landeshauptmann eine zentrale Exekutivgewalt als Repräsentanten der Zenden. Dazu kommt mit den weltlichen und geistlichen Kompetenzen des Reichsgrafen (»praefectus«) der ursprüngliche Landesherr, der Bischof in Sion. Man kann die Staatsform als »demokratischen Föderalismus« bezeichnen, insofern die höchste Gewalt nicht bei den Zenden, sondern bei der Gesamtheit der autonomen Gemeinden liegt. Sie üben diese im 16. Jahrhundert durch das Referendum auch aus, während später weitgehend die rund 30 dominierenden Geschlechter in den Zendenräten die Politik bestimmen.58 Voran geht dem die Verdrängung der Konkurrenten im Ständestaat, der sich seit dem 13. Jahrhundert ausgebildet hat: zuerst der Adel, dann das Sittener Domkapitel und zuletzt der reichsunmittelbare Fürstbischof. Bereits im 15. Jahrhundert setzen die Zenden de facto die Trennung von weltlicher und geistlicher Gerichtsbarkeit durch, ebenso den Landrat als oberste Appellationsinstanz und Wahl-

56 StAZ A 24623, Briefe vom 7. Februar 1793, 17. April 1794 und 30. Januar 1795. 57 Santschi, Histoire, 1987, S. 11, Nr. 31 f., 33 f. 58 Liebeskind, Referendum, 1928, S. 17–22, 94 f.; zur Frage des Souveräns im Wallis auch Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 186–189; zum Wallis in der Reformationszeit jetzt auch Schnyder, Reformation, 2002.

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kapitulationen für den neuen Bischof. Unter Rückgriff auf das römische und kanonische Recht widersetzt sich die Geistlichkeit diesen Machtbeschränkungen, doch es obsiegen die »Patrioten«, die dem Gewohnheitsrecht anhängen und das französischsprachige Unterwalliser Untertanengebiet dominieren, das 1476 von Savoyen erobert worden ist. Aus dem Streit darüber, wem der Landvogt in Saint-Maurice unterstellt ist, erwächst die endgültige Auseinandersetzung in den ersten drei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts: Die Zenden vertreten die Ansicht, sie hätten kraft eigener Gewalt das Territorium erworben, während der Bischof dafür hält, sie hätten dies als Untertanen in seinem Auftrag getan.59 Das Ringen zwischen Alt- und Neugläubigen bildet den Hintergrund des Konflikts, doch im Kampf gegen die weltliche Macht des Bischofs finden sich die »Patrioten« beider Konfessionen. Gegen sie bemüht Bischof Adrian II. von Riedmatten (1604–1613) die sogenannte Carolina, eine Fälschung, wonach Karl der Große die Grafschaft Wallis dem Bischof Theodul geschenkt habe. Damit führt Adrian II. seine weltliche Macht exklusiv auf Privilegien des Kaisers zurück, von dem er als »Fürst des Heiligen römischen Rychs« sich auch reale Hilfe erhofft. Da aber die Walliser wissen, dass Theodul kein Zeitgenosse des Karolingers gewesen ist, wird diese Herrschaftslegitimation von den Zenden umgehend als Versuch abgelehnt, sie »dem Bapst und Keyser will« zu unterwerfen.60 Sie reagieren 1613 mit einem Memorial, in dem sie festhalten, dass der Bischof Stab und Schwert nicht Papst und Kaiser, sondern dem Land verdanke, welches durch Waffengewalt die Freiheit und damit das Recht erlangt habe, den Bischof zu wählen und ihm die Präfektur (als Stellvertreter des Kaisers) und die Grafschaft (als Stellvertreter des Königs) zu verleihen.61 So soll dieser auch »nit souverain oder absolutus Dominus … genemset werden«; vielmehr sei er gleichsam ein Amtsträger der Zenden beziehungsweise der Landschaft, sobald ihm der Landeshauptmann das Schwert verliehen hat.62 Das Kapitel wird nach dem Ableben Adrians II. gezwungen, der Carolina abzuschwören und die hohe Gewalt (»altum dominium«) den Patrioten zu überlassen.63

59 Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 73, von 1516: »quod vi armorum acquisivimus, jure gentium retinebimus nobis.« 60 Ghika, Indépendance, 1948, S. 403. 61 Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 113; 115. 62 Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 115; Gr enat, Histoire du Valais, 1904, S. 181. 63 Ghika, Luttes politiques, 1947, S. 78 f.

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Mit dem Memorial von 1613 und der Kapitulation, die im selben Jahr dem neuen Bischof Hildebrand Jost (1613–1638) auferlegt wird, hat die Souveränitätslehre in einem an sich schon alten Konflikt ihren ersten großen Auftritt im Gebiet der Eidgenossenschaft. Hier finden sich auch die frühesten – wahrscheinlich direkter Bodin-Lektüre zu verdankenden – Walliser Belege für die Adjektive »absolut« und »souverain«, zumal in der Kombination »souverain Etat«.64 Die Zenden erklären sich beziehungsweise die Gesamtheit der Gemeinden zum Souverän, indem der Landeshauptmann in ihrem Auftrag dem neuen Bischof unter Ausschluss des Kapitels die Insignien und Regalien verleiht. Es geht also nicht darum, diese Kompetenzen zu beschneiden, sondern ihren Ursprung in der neuen Sprache der Souveränitätstheorie eindeutig festzulegen: Quelle der staatlichen Gewalt ist nicht länger der Kaiser, der in der Carolina etwas vergibt, was er gar nicht hat, sondern die Zenden, die den Bischof 1618 bloß noch »unsere creatur« nennen.65 »Alle Abscheidt vom Bischoff, Landtshauptmann und rhat gemacht sindt krafftloss, biss sÿe von den Landtsgmeinden der siben zehnden authorisiert werden, seindt also ein freÿ Democratisch volck, welches beÿ undt auff welchem das regal einzig ist undt gebürth.«66 Die Zenden verkünden, dass sie sich wie die Schweizer Kantone während des Interregnums befreit hätten, indem sie ohne kaiserlichen oder sonstigen fremden Beistand viele Schlachten schlugen: »Dass die Landlütt von Wallis, namblich die 7 Zenden, ein fry Volck ist, ein fry democratische regiment, die sich mit eigenen waaffen durch die gnadt Gottes und dappferkeidt irer lieben säligen Vorfaren in den fryen Standt gesetzt habend.«67 Blut und Schweiß der Vorfahren haben das Land und damit auch den Bischof »von den Herren und usländischem Gwalt errettet«, die Freiheit der »Landlüt« erkämpft und damit auch die Verfügungsgewalt über die Regalien sowie als besonders wichtiges Souveränitätsrecht die Kompetenz, Bündnisse einzugehen.68 Entsprechend werden zusehends weltliche Kompetenzen nicht mehr dem Bischof, sondern dem Landeshauptmann übertragen, der in dieser Theorie als

64 Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 79 f., 105, 132, 185, 252–258. Zu den Adjektiven ibid., S. 117, Anm. 2, auch 255 f., sowie Gr enat, Histoire du Valais, 1904, S. 178. 65 Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 231, Anm. 795. 66 StaVS ABS 204/15, S. 358 (1627); vgl. auch EA 5, 2, S. 498 (März 1627). 67 Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 128; vgl. 180–185. 68 Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 109, 164, 182, 231, Anm. 795; ders., Luttes politiques, 1947, S. 90–96; vgl. den Text des Memorials bei Gr enat, Histoire du Valais, 1904, S. 180.

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Repräsentant des Souveräns (»representierender der hoche Herrlichkeütt und hochen gwalt«) und als weltlicher neben dem geistlichen Amtsträger, dem Bischof, steht – und wie dieser unter dem Landrat als souveräner Versammlung.69 In weltlichen Dingen ist der Bischof jetzt Teil einer Republik – auch dieses Wort wird in dieser Zeit im freistaatlichen Sinn Allgemeingut: »Die Herren Landlüt … vermeinendt, ein frÿ Volck zuo sein, als in einer frÿen Respublic, undt Democratischen regiment darfür sÿ bishar gehalten worden.«70 Obwohl wiederholt von einem »democratischen regiment« die Rede ist, dient die Souveränitätstheorie auch der Legitimation des »Obrigkeitsstaats« der Patrizier: Dem Föderalismus der Gemeinden wird eine relativ starke Zentralgewalt der »natürlichen von Gott angesetzen Oberkeit« gegenübergestellt.71 Dieses einheitliche und einende, aristokratische Element auf der Ebene des Gesamtstaates ist im Wallis mit »Respublica« gemeint,72 »also ein Landschaft, ein Corpus, ein Republik oder Standt«, während das »fry democratisch Regiment« auf die Mitsprache und Struktur der Gemeinden zielt, also auf die staatsrechtlich untere Ebene.73 Indem sich Bischof Jost dagegen auf die Carolina beruft, verrät er nicht monarchischen Absolutismus,74 sondern mittelalterliche Tradition: Seine Herrschaft will er Privilegien des Kaisers verdanken, Einschränkungen durch diesen oder den Papst akzeptiert er ebenso wie ständische Mitsprache.75 Er verteidigt gegen die Usurpatoren die – relative – »Oberherrlichkeit«/»haute seigneurie« der Kirche auch im weltlichen Bereich, was jedoch etwas anderes ist als die – absolute – »souveraineté« der Zenden. Folgerichtig beanspruchen die »Patrioten« nicht nur ihre durch eigene Waffen errungene Freiheit, sondern sie verwerfen ab 1627 die Reichsbindung, an der sie zu Beginn des Konflikts noch festgehalten haben: Nie, so heißt es fortan, habe das Wallis vom Reich abgehangen.76 Insofern sind die »Patrioten« auch nicht vom

69 Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 129; vgl. 135. 70 StaVS ABS 204, 13, S. 649 f. (13.–15 Januar 1619); vgl. auch Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 182. 71 Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 212, Anm. 724; vgl. 145, Anm. 478; außerdem auch ders., Luttes politiques, 1947, S. 73 und Liebeskind, Referendum, 1928, S. 32 f. 72 Vgl. auch Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 251, Anm. 870. 73 Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 186 f., 191, Anm. 651. 74 Anders Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 117, 148 f., 168. 75 Vgl. etwa Josts Argumentation bei den katholischen Orten im März 1627 (EA 5, 2, S. 497); auch StaVS ABS 92, 123, für Kaiser Ferdinand II. Zusicherung. 76 Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 106, 110, 183, 249 f.

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monarchomachischen, ständestaatlichen Widerstandsrecht inspiriert.77 Sie begründen Staatlichkeit neu nicht durch die Privilegierung von einer universalen weltlichen Macht, sondern in der Freiheit, die ein »fryer loblicher Standt … von Gott undt dem Schwert herhat« und die sich ausdrückt in der realen Sicherung des Landes gegen Feinde, in der Expansion mit Waffen, in der Ablehnung auswärtiger Appellationsinstanzen und in der Bündnisfähigkeit mit anderen anerkannten Souveränen.78 1628 zieht der Landeshauptmann in das bischöfliche Schloss ein, worauf das Wallis »als souverainischer status« vorübergehend eigene, völlig neu entworfene Münzen mit seinem Standesschild und der Umschrift MON REIP VALLESIAE schlägt, während die Rückseite wie bisher dem Hl. Theodul gewidmet bleibt. Auf dem Avers ist bisher die Mitra über dem Wappen des jeweiligen Bischofs abgebildet gewesen, das Zeichen der geistlichen Reichsstandschaft; denn wie die weltlichen Reichsfürsten verzichten die geistlichen, so auch die Fürstbischöfe von Basel, Chur und Sion, auf den Reichsadler. Dagegen stellen die »Patrioten« auf Münzen nun den Reichsadler über dem Walliser Schild, womit die innenpolitische Souveränität der Zenden gegenüber dem Bischof trotz der neuen staatsrechtlichen Argumentation (auch) durch die Reichsfreiheit legitimiert wird.79 Zugleich wird aber Bischof Jost gezwungen, auf kaiserlichen und päpstlichen Schutz zu verzichten.80 Er und das Kapitel müssen 1630 den Verzicht auf die Carolina erklären und diese Kapitulation 1633 bestätigen. Gleichzeitig, im Jahr 1634, widerruft Kaiser Ferdinand II. die von ihm selbst noch 1627 bestätigte Schenkung Karls des Großen. Ab 1640 muss der Henker die Farben des Landes tragen, da er das Blutgericht in dessen Auftrag vollzieht. Im sel-

77 So Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 206–210. 78 Dies ebenfalls gegen Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 185: »Les dizains fondaient leur souveraineté sur la force et non sur le droit, si ce n’est sur le jus gentium, sur le droit de la guerre …«. Zur Bündnisfähigkeit ibid., S. 179; 228, im Februar 1627 zum Landrat der Zenden, »welche auch einzige als Souverainische Herren mit andren Souverainischen ohne die Bischöff tractirt undt püntnussen eingangen sein« (StaVS ABS 204, 15, S. 361); S. 237–246 und EA 5, 1, S. 1265 (Oktober 1616) S. 1268 (November 1616), zu abgelehnten auswärtigen Vermittlungsinstanzen (Papst, katholische Eidgenossen). 79 Zu den Münzen Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 199; Elsig, Monnaie, 1993, S. 42, 101 f.; der Dicken von 1628 auch abgebildet bei Maissen, Empire, 2004, S. 29, Abb. 9. 80 Vgl. Josts eigene Schilderung seines Martyriums bei Gr enat, Histoire du Valais, 1904, S. 268–270.

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ben Jahr verbietet der Landrat dem Bischof, den Titel »Sacri Romani Imperii Princeps« weiter zu verwenden – allerdings erfolglos, da er bis 1848 in Gebrauch bleiben wird!81 Die Gegenseite bedient sich fortan – wie 1655 ausdrücklich festgehalten wird – stets der Titulatur »République de Valais«, so im Allianzvertrag von 1663 mit Louis XIV und 1698 im Frieden von Rijswijk.82 Sogar im Verkehr mit den eidgenössischen Orten, unter denen sonst die herkömmlichen Anreden bis 1798 beibehalten werden, unterschreiben »Landtshauptmann undt Rath der Repub. Wallis«.83 Auf den Tagsatzungen der katholischen Orte, die zum Bischof halten, ist allerdings die »Titulatur als Republik« ein ständiges Thema.84 In den Jahren 1660 und 1661 wird sie vorübergehend zugestanden, doch unter Vorbehalt der bischöflichen Rechte, und schon ein Jahr später wieder in Frage gestellt.85 Die Walliser bestehen aber auf der »Anerkennung der freien Demokratie ihren 7 Zehnden und ihres Standes als Respublica« – womit auch hier Demokratie auf die Zenden und Republik auf den Gesamtstaat zu beziehen ist.86 Erst bei der Bundeserneuerung von 1681 kommt ein Vergleich zustande: dem Wallis soll »der Titul Reipublicae in allen schrift- und mündlichen actis gegeben werden ohne Vorbehalt«.87 Mit Adrian III. von Riedmatten (1640–46) einigen sich die Zenden darauf, dass das Bischofswappen die Vorderseite der Münzen und das Walliser Wappen mit Reichsadler die Rückseite ziert. Vollends verdeutlicht die Umschrift PRAEF. ET COM. REIP. VALLE. , dass der Bischof als formales Landeshaupt im Weltlichen ein gewähltes Organ der

81 Walliser Wappenbuch, 1947, S. 273; Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 249; ders., Indépendance, 1948, S. 422f; vgl. HBLS 6, S. 387. 82 StaVS , ABS 205/70, S. 451 (März 1655): »le tiltre de Republique ou de Canton ne leur est point desnié par le Roÿ«; vgl. z.B. S. 385 (17. September 1662, von De la Barde), S. 391 (25. März 1659); auch StaVS L 48, fol. 170v, 180, 181 (Bündnis mit Frankreich, 1665). Das Bündnis von 1663 in EA 6, 1, S. 1643 (»Republique et Pays de Valais«/»Republic und Landt Wallis«); für Rijswijck Ghika, Indépendance, 1948, S. 443 f. 83 Vgl. zu Bern StaVS L 28, passim. 84 EA 6, 1, S. 279 (5./6. November 1655); 357 (5 katholische Orte, Luzern, 4. Januar 1657); 365 (9 katholische Orte, 21.–23. März 1657); vgl. auch StaLU A1 F1, 258 (1655–1657), 259 (1679–1681). 85 EA 6, 1, S. 501 (5 kathol. Orte, Luzern, 5. April 1660), 507 (Baden, 4. Juli 1660), 540 (Konferenz der 7 Orte mit Wallis in Hospental, 11.–13. August 1661), 545 (Bremgarten, 16. November 1661), 564 (katholische Orte, Baden, 2.–22. Juli 1662). 86 Ghika, Indépendance, 1948, S. 440. 87 EA 6, 2, S. 21 (7. November 1681).

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souveränen Republik ist.88 Noch im späten 18. Jahrhundert stößt sich der Bischof am Titel »Respublica« auf den Münzen, weil er die Obergewalt der Zenden zum Ausdruck bringt, die ihrerseits an ihren – angeblich in direkter Nachfolge vom Kaiser übernommenen – »souverainischen Rechten« festhalten. Diese habe der Bischof nie besessen, so Landeshauptmann Burgener in einem Gutachten von 1760, sondern nur die Rechtsprechung.89 Die Anhänger des Bischofs und des Kapitels argumentieren noch im 18. Jahrhundert mit einer formellen Oberhoheit des Kaisers.90 Tatsächlich ist das Verhältnis zum Reich ungeklärt, da das Wallis nicht in der Exemtion von 1648 inbegriffen ist. Der Reichsadler findet sich noch bis 1777 über dem Wappen der Republik.91 Auch auf dem im 18. Jahrhundert gefertigten neuen Siegel findet sich der Doppeladler neben der Umschrift RESPUBLICA PATRIAE VALLESY.92 Das Reichsinsigne schmückt auch lange die Zendenwappen, Landkarten, die Mauer der Abtei Saint-Maurice, das 1665 beendete Rathaus von Sion oder, bis 1774, dessen Regimentskalender.93 1778 schmückt erstmals das Sittener Wappen mit offener Krone und ohne Reichsinsignien dessen Titelblatt. Bereits früher im 18. Jahrhundert hat auch das Walliser Wappen gelegentlich eine Krone als Zeichen der Souveränität erhalten; so namentlich auf dem Portal der Eglise du Collège in Sion, ebenso auf Gebrauchsgegenständen wie einer Trommel.94 Offensichtlich behält der Bischof auch als eingesetzter Beamter seine Funktion als Repräsentant des gesamten Wallis. Auf dieser höheren, gesamtstaatlichen Ebene findet bis 1634 auch die Souveränitätsdebatte, die Entmachtung des Bischofs statt. Die »Patrioten« benutzen dabei die neue Sprache der Souveränität: Das Recht des Souveräns tritt an die Stelle der »uralten Stifts Privilegia und Documenta« des Kaisers.95 88 89 90 91 92 93

Ghika, Contestations, 1950, S. 205; Elsig, Monnaie, 1993, S. 104 f. Ghika, Indépendance, 1948, S. 441 f.; zur Titulatur Elsig, Monnaie, 1993, S. 43. Ghika, Indépendance, 1948, S. 445 f. Elsig, Monnaie, 1993, S. 42 f., 108–112. Walliser Wappenbuch, 1947, S. 273, Tafel. Mattern, Doppeladler, 1988, S. 412, Abb. 5; vgl. auch S. 413; Walliser Wappenbuch, 1947, S. 273; Curiger, L’hôtel de ville, 1971 S. 12 f.; Ghika, Contestations, 1950, S. 214 f., 227. 94 Sion, Musée cantonal d’histoire et d’ethnographie, Inv. Nr. MV 1556; vgl. auch den Gebäckmodel (Inv. Nr. MV 1556) und – ohne Krone – das Weinfässchen und das Brandeisen (Inv. Nr. MV 1438). Diese Exponate stammen alle aus dem 18. Jahrhundert. 95 So der kaiserliche Gesandte von Mohr 1629, zitiert bei Ghika, Indépendance, 1948, S. 420.

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Aber als Symbol der kommunalen Freiheit dient trotzdem der Reichsadler, wohl gerade deshalb, weil ein Fürstbischof seine reichsrechtliche Legitimation gerade nicht auf diese Weise auszudrücken pflegt. Niederschlag findet die neue Verfassung in der Selbstbezeichnung als »frÿe Respublic, undt Democratisches regiment«. Dass diese Wörter nicht komplementär zu verstehen sind, halten die katholischen Orte im Titelstreit ausdrücklich fest, als sie 1657 den »Titel Republik, doch ohne weitere Ausdehnung« zuzugestehen bereit sind, das heißt ohne Erwähnung der Demokratie: »weil die Democratie der Republik schnurstraks entgegen läuft«.96 Gerade die Innerschweizer Orte mit ihrer Landsgemeindedemokratie verstehen »Republik« als einen dazu konträren Begriff. Die Walliser halten gleichwohl 1661 daran fest, »dass sie vor allem aus Anerkennung der freien Democratie ihrer VII Zehnden und ihres Standes als respublica und ihrer Befugniss, für sich allein und ohne den Bischof und das Capitel Bündnisse zu schließen, fordern müssen«.97 Es ist also die Demokratie, insbesondere in Form des Referendums, ein Phänomen, das auf der Ebene der Zenden (und Gemeinden) herrscht, die Republik dagegen ein Titel des Standes, also des gesamten souveränen und bündnisfähigen Staates Wallis, dessen Verfassungsrealität eher einer Aristokratie der Patrioten entspricht, was schon die kritische zeitgenössische Geistlichkeit diesen »domini absoluti« vorwirft.98 Dass »Republik« in einem solchermaßen eingeschränkten Sinn auf die Obrigkeit anzuwenden ist, die allerdings als politisches Haupt den ganzen Körper repräsentiert, zeigt 1679 die Walliser Formulierung in einem territorialen Disput mit Bern: Es handle sich um »eine Sach, welche nit allein die gantze Republic, sondern auch die Underthanen, denen Sie in dergleichen begebenheiten hilff und assistenz zuothun schuldig, zimlich hart trucke«.99 Die Untertanen sind nicht Teil der – souveränen – Republik.

96 EA 6, 1, S. 365 (9 kathol Orte, 21.–23. März 1657). 97 EA 6, 1, S. 540 (Konferenz der 7 Orte mit Wallis in Hospental, 11.–13. August 1661). 98 Ghika, Indépendance, 1948, S. 425; vgl. das von Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 154, angeführte Manifest. 99 StABE A V 506, S. 392 (Konferenz in St. Maurice und Bex, 15. Oktober 1679).

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3. Neuchâtel Die Wirkung von Bodins Lehre lässt sich besonders gut in der Grafschaft Neuchâtel nachzeichnen, wo seit 1504 die Fürsten von OrléansLongueville herrschen, also eine Seitenlinie der französischen Königsdynastie. Besonders wichtig ist Neuchâtel für sie, weil es außerhalb Frankreichs liegt und sie damit dort nicht Vasallen des Königs, sondern Fürsten des Reichs sind, womit sie dank ihrer Randlage de facto Souveränität beanspruchen können. Das Wort selbst ist schon früh belegt: 1402 spricht man bereits über »la souveraineté, seigneurie et puissance de mondit seigneur de Neufschastel«.100 In diesem herkömmlichen Sinn meint Souveränität jedoch erst die Rechtsprechung in einem Bereich oder Territorium, über der es keine weitere Appellationsinstanz mehr gibt – ein Privileg, das »selon des drois du saint empyre« zugestanden wird, also eine Regalie. Die letztinstanzliche Gerichtsbarkeit ist auch noch gemeint, als Neuchâtel »comme souveraine« 1535 gegenüber Bern obrigkeitliche Rechte im Großen Moos (Chablais) reklamiert. Eine Berner Randbemerkung im französischen Beschwerdebrief hält dagegen fest: »Nüwenburg hat weder jurisdiction noch souverainitet uff dem Chablaix und ubrigen moß«.101 Diese undatierte, aber möglicherweise früheste deutschsprachige Verwendung von »Souveränität« bezeichnet ebenfalls die inappellable Rechtsprechung, und diese ist auch in der Neuenburger Klage gemeint. Noch 1613 trennt die bourbonische Regentin Marie de Bourbon konzeptionell »gouvernement et souveraineté sur ce peuple«. Indem aber der Titel zu »comte souverain de Neuchâtel (en Suisse)« umgewandelt wird (1565/1571) und seit 1617 »par la grâce de Dieu prince et seigneur souverain des comtés de Neuchâtel et Valangin« lautet, wird allmählich und offensichtlich bewusst von Frankreich her das umfassende Konzept einer Obergewalt in die Schweiz importiert, die allein Gott verantwortlich ist. Gleichzeitig markiert der vom Kaiser verliehene, aber in Frankreich unübliche Status eines »prince« die merkwürdige Doppelstellung an der Grenze zweier unterschiedlicher Staatsvorstellungen.102 Ent-

100 Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 4, 1, 1955, S. 265; vgl. auch S. 272 sowie T ribolet, Comte, 1994, S. 236 f. und 242 (für das folgende Zitat). 101 Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 4, 1, 1955, S. 1045 f.; vgl. T ribolet, Comte, 1994, für häufige Wendungen wie »souverain seigneur« im 15. Jh. 102 Vgl. für die Belege und das Folgende Scheur er, Évolution politique, 1991, S. 42–51, sowie Favarger, Sources, 1982, S. 303.

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scheidendes Kriterium bleibt die oberste Appellationsinstanz des Tribunal souverain des Trois-Etats, den die Longueville systematisch gegen Eingriffe des Parlaments von Paris verteidigen; bezeichnenderweise beansprucht der Tribunal zusehends auch legislative Kompetenzen. Anerkannt wird die Souveränität von Neuchâtel implizit 1598 in Vervins, als der Fürst erstmals als Zugewandter der Eidgenossenschaft in einen Friedensvertrag eingeschlossen wird, und ausdrücklich 1647, als Louis XIV Henri II d’Orléans-Longueville in einem Vertrag »prince souverain« nennt, nachdem er ihn mit diesem Titel bereits 1642 als französischen Unterhändler zu den westfälischen Friedensverhandlungen delegiert hat. Damit hält sich in und – für Henri II – dank Neuchâtel ein sprachlicher Archaismus, denn in Frankreich selbst ist es schon länger nicht mehr üblich, die hohen Adligen mit Bezug auf ihre judikativen Kompetenzen »seigneurs souverains« zu nennen.103 Es ist aber selbst im 18. Jahrhundert, unter preußischer Herrschaft, noch offensichtlich, dass das im Neuenburger Zusammenhang immer wieder auftauchende Wort »souverain« auf die letztinstanzliche Gerichtsbarkeit (des Tribunal, des Kriminalgerichts und der Konsistorien) und über diese auf den Landesfürsten bezogen wird.104 Die Fürsten herrschen im calvinistischen Neuchâtel bei konkreten Problemen durch einen bevollmächtigten Gesandten und im Normalfall durch einen patrizischen, katholischen Gouverneur aus Solothurn oder Fribourg, dem ein durch einheimische Bürgerliche oder Dienstadlige besetzter »Conseil d’Etat« zur Seite steht. In einem dauernden Spannungsverhältnis zu diesen fürstlichen Institutionen stehen Rat und Bürgerschaft der Stadt Neuchâtel, die durch Burgrechtsverträge in die Eidgenossenschaft eingebunden ist und deren Orte als Modell der erstrebten Autonomie oder eines cantonnement ansieht. Dies gelingt allerdings nicht, ebenso wenig wie die im 15. Jahrhundert versuchte Aufwertung zur Reichsstadt: Das Wappenbild mit dem Neuenburger Adler wird nicht von der Kaiserkrone, sondern von der fürstlichen Krone überwölbt.105 Nicht mehr reichsrechtliche Privilegierung, sondern Jean Bodin steht hinter einem neuen Emanzipationsversuch, als die Stadt 1610 den Bannerträger auf die »république« anstatt auf den »bien commun« vereidigen will. Der Fürst verweigert ihr dies aber ent-

103 Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 26–28; 1667 lässt Louis XIV das Attribut »souverain« beim Pariser Parlament endgültig eliminieren. 104 Vgl. dazu Leus Ausführungen und aufschlussreiche Terminologie in Simler, Regiment, 1722, S. 654–659. 105 Vgl. Courvoisier, Monuments, Bd. 1, 1955, S. 10.

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schieden, da die Stadt nicht wie Bern souverän sei und damit »ledict mot de republicque« nicht usurpieren dürfe.106 Gleichzeitig lässt Henri II im sogenannten »Coutumier Hory« das Gewohnheitsrecht kompilieren, was der Gouverneur bereits 1606 gefordert hat, indem er »devoir et pouvoir du souverain« neuartig und im Sinne Bodins nicht mehr (nur) als Rechtsprechung definiert hat, sondern als »donner et prescripre loix et coustumes à ses subjectz«.107 Doch die Stadt kann unter Berufung auf ihre Privilegien (»franchises et usances«) verhindern, dass das geschriebene Recht in der Gerichtspraxis angewendet wird – und damit zu einem verfassten Werk würde, in das ein souveräner Fürst beziehungsweise der von ihm eingesetzte Tribunal gesetzgebend eingreifen kann. Entsprechend hält 1633 ein Text fest, der »Tribunal souverain« trete nicht zusammen »pour faire décretz ny lois, ains [= mais] pour rendre justice«. Für sich selbst beanspruchen die Neuenburger dagegen die »potestas statuendi«, was wiederum der Fürst nicht akzeptieren kann, da die Gesetzgebung die »premiere et plus haulte preheminance des Prince souverains« ausmache.108 Am besten greifbar ist die neuartige fürstliche Argumentation in einer Mahnrede, die dessen Gesandter Guillaume Beloteau am 23. April 1627 vor dem Tribunal des Trois-Etats als der lokalen Repräsentantin der souveränen Rechtsprechung hält.109 Die Monarchie sei »entre les puissances souveraines«, nämlich im Vergleich zu Aristokratie und Demokratie, die angenehmste für die Untertanen, denen sie durch die von Gott aufgetragene und im Zepter symbolisierte Rechtsprechung ermögliche, dass »ung chascung puisse jouir en liberté de ce que luy appartient«. Der fürstliche Gesandte rechnet den Neuenburgern vor, dass es ihnen nicht nur besser gehe als den Untertanen in anderen Monarchien, was Bekenntnisfreiheit, Abgaben und Heerfolge betreffe, sondern auch als ihren Schweizer Nachbarn: »vous n’estes poinct subjectz a la rigueur des ordonnances des seigneurs supperieurs comme sont vos voysins«. Der Strenge der aristokratischen und demokratischen Republiken ist also, für Beloteau, das milde und für alle Untertanen gleichermaßen gerechte fürstliche Regiment weit überlegen. Die »Li106 AEN , Manuel du Conseil d’Etat, Chancellerie, CP 33/5, fol 475v (27. Oktober 1610); zitiert bei T ribolet, Modèle, 2000; vgl. ders., Liberté chrétienne, 1999, S. 293. 107 AEN , Audiences générales, 6, fol. 227v–228; zitiert bei T ribolet, Bibliographie, 2000. 108 T ribolet, Modèle, 2000; Poudr et, Coutumes, 1998, S. 198 f.; der Text von 1633 zitiert bei T ribolet, Conception, 1987, S. 191. 109 Für das Folgende T ribolet, Conception, 1987.

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berté« der reformierten Neuenburger, die auf dem Spiel stehe, sieht Beloteau als Resultat der monarchischen Ordnung seines katholischen Herren, der verhindert, dass die Konfession zu politischen, möglicherweise monarchomachischen Zwecken instrumentalisiert wird – womit der Kern von Bodins Anliegen angesprochen ist. Gleichzeitig grenzt der Gesandte diese »Liberté« ab von der Freiheit im und durch das Reich, wo das römische Recht gelte und damit von den Juristen geförderte Konfusion, und ebenso von der eidgenössischen Freiheit, die nichts anderes sei als die Willkür einer mehrköpfigen Obrigkeit. Damit will Beloteau dem ständischen Gericht wohl klarmachen, dass die Alternative nicht einheimisches Gewohnheitsrecht oder römisches Recht lautet, sondern fürstlich verfasstes Gewohnheitsrecht oder willkürlich gesprochenes Gewohnheitsrecht. Als Henri II im Jahr 1663 stirbt, hält der Kanzler de Montmollin in einem Gutachten diese verschiedenen juristischen Abgrenzungen fest, die er als Beweis der staatlichen Unabhängigkeit versteht: »Le comté de Neuchâtel, jadis fief d’empire et fief de Châlons, était entièrement quitte et de l’une et de l’autre vassalité, et formait un état souverain; que l’on n’y suivait ni le droit écrit ni celui des fiefs de l’empire, ni l’ancien usage des terres d’empire, ni les coutumes des Suisses, mais une coutume particulière, pratiquée depuis un temps immémorial, très propre à terminer promptement les procès, et qu’il faudrait seulement rédiger par écrit, comme on en avait eu le dessein depuis cent trente ans.«110 Die Tochter von Henri II, Marie de Nemours, ist ebenfalls in Konflikte um konkurrierende Rechts- und Staatsvorstellungen involviert, als die Bürger von Neuchâtel sich 1696 gegen die Vorschrift wehren, dass sie mit entblößtem Haupt niederknien müssen, wenn der Tribunal Recht spricht.111 Eine solche Geste gebühre nur Gott als dem »souverain des souverains« und könne allenfalls bei einer Begnadigung, nicht aber von einem »Peuple qui est franc et libre« verlangt werden. Die Rechtsprechung sei eine Pflicht der Herrschaft, nicht ihre Gunst, und insofern verstehen sich die Bürger auf gleicher Stufe wie die Fürstin, die sie als Mandatsträgerin ansehen. Die Vorschrift verstoße gegen die »liberté chrétienne«, zumal die Bürger darauf hoffen könnten, selbst einmal dem Tribunal anzugehören – diesen verstehen sie also personal als Regiment, an dem sie grundsätzlich teilhaben können, und nicht als 110 Cannata, Droit écrit, 1987, S. 37 f., nach F. de Chambier, Histoire de Neuchâtel et Valangin, 1840, S. 448. Unter dem »droit écrit« ist das römische Recht zu verstehen. 111 Für diesen Konflikt T ribolet, Liberté chrétienne, 1999.

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Institution, in dem sie bloß obrigkeitlicher Funktionsträger wären. Marie de Nemours weist diese Argumentation jedoch zurück, die auf die Frage hinauslaufe, »pourqouy Elle est souveraine et pourqouy Elle en exerce l’autorité et les droits«: Wolle man unter Berufung auf die »liberté chrétienne« dem Souverän nicht länger solche Huldigung leisten, so führe das zu allgemeiner Gleichheit und Konfusion. Ganz entschieden widerspricht sie der Neuenburger Deutung von »Peuple franc et libre«, der einen Herrschaftsvertrag (»convention«) mit ihr impliziere; insofern ein solcher tatsächlich ursprünglich »un état de liberté« voraussetze, sei er das direkte Gegenteil von Privilegien (»franchise«), die auf einer »condition precedente qui n’étoit pas libre« beruhten – und darum gehe es in diesem Fall. Die bürgerliche »liberté personelle et particuliere« im Unterschied zum Sklavenstatus sei den Neuenburgern unbenommen; aber auf die Stadt oder das Volk ausdehnen dürfe man das Wort »libre« nicht, denn dies meine »indépendance« im Unterschied zu »sujétion«, also einen »Etat qui ne reconnoît point de Superieur«, wie die freien Reichsstädte, die in ihrem Territorium »entière superiorité« beanspruchen können und am Reichsregiment (»souverain pouvoir«) teilhaben. Diesen Status politischer Unabhängigkeit verweigert Marie de Nemours der Bürgerschaft. Ihrer Ansicht nach gründet die zivilrechtliche Freiheit der einzelnen Bürger gerade in ihrer Unterwerfung unter einen das Recht sichernden Souverän; anders sieht es nur bei den vom Fürsten belehnten Adligen aus, die keine Huldigung leisten müssen. Damit macht Marie de Nemours deutlich, dass politische »liberté« eines Bürgerlichen nur dann möglich ist, wenn er in einer souveränen »ville libre« lebt. In Neuchâtel zeigt sich klar, dass die de facto ziemlich unabhängige Stadt aufgrund sowohl kaiserlicher Privilegien als auch des im Titel »Republik« impliziten Souveränitätskonzepts – erfolglos – de iure Autonomie gegenüber dem Fürsten beansprucht. Die Neuenburger erstreben – in einem »mittelalterlichen« Sinn – politische Freiheit, souveräne (Mit-)Bestimmung und durch keine Kodifizierung eingeschränkte Herrschaft über das Hinterland, den Valangin. Dort wiederum begehrt man bürgerliche Freiheiten, namentlich die Rechtsgleichheit aller Untertanen, wofür die Niederschrift des Rechts eine Voraussetzung ist. Diese »moderne« Forderung könnte ein Fürst eigentlich bewerkstelligen, der unter »Souveränität« nicht mehr nur oberste Berufungsinstanz versteht, sondern die Quelle der Staatlichkeit und insbesondere der Gesetzgebung. Doch in Neuchâtel respektiert der Fürst die »lois et coutumes du pays«, also auch die städtischen Privilegien, so lange, als ihm nicht eine Revolte einen legitimen Grund liefert, 455

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diese zu kassieren. Das herkömmliche Denken in Privilegien existiert also neben dem neuzeitlichen, prinzipiell uneingeschränkten Souveränitätsrecht weiter fort, zumal wenn es sich um ein Territorium handelt, das – zwischen Imperium und Frankreich – völkerrechtlich tatsächlich nicht souverän ist.

4. Bern Bern mit seinen welschen Untertanenlanden und Allianzen im Westen ist das Einfalltor der französischen staatsrechtlichen Sprache in die Eidgenossenschaft, obwohl die Regierung die Kanzlisten 1700 vor Fremdwörtern warnt: »Weltscher wörteren soll man sich gegen den Teütschen amtsleüten gar nicht, gegen den Weltschen aber nur denzumalen gebrauchen, wann ein sach, drunter es zu thun, mit den Weltschen, dort gebraüchlichen worten deütlicher exprimiert werden kan, als im Teütschen.«112 Doch die Verwendung französischer Termini ist schon viel früher, spätestens seit der Eroberung der Waadt, unumgänglich. In einem nach 1530 erstellten Verzeichnis von Urkunden der Herrschaft Brandis bei Burgdorf wird festgehalten, in einem Kaufvertrag von 1455 habe der Adlige die Rechte Berns vorbehalten, »quil specifie estre le hault tout ou droict de souverainete quils appellent le droict sur le sang«.113 Zu diesem Zeitpunkt ist also die Blutgerichtsbarkeit noch das eine, exklusive Souveränitätsrecht. Die Bedeutung der französischen Sprache wird in einem Vertrag von 1560 greifbar, als die Aarestadt und Fribourg sich auf eine Aufteilung der bislang gemeinsam verwalteten Flecken Monteinant und Brit einigen. Dies geschieht, nachdem sich »der hochen oberkeyt halb (souveränite in des orths sprach genant) etwas spans« ergeben habe, wobei das Wort als Gegenbegriff zu den »mitlen und nidern gerichten« gebraucht wird – also weiter die letztinstanzliche Rechtsprechung meint.114 Ähnliche Konflikte bleiben in den Gemeinen Herrschaften der beiden Orte häufig: 1654 beansprucht Fribourg gegen eine eigenmächtige Berner Entscheidung drei Achtel der »Jurisdiction und Souveränität« sowie »noch ein Haus« im Dorf Marnens. Bern gesteht ihm das eine Haus zu, im Übrigen aber nur die Jurisdiktion; die Souveränität sei dagegen vom 112 Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 5, 1959, S. 737. 113 Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 4, 1, 1955, S. 329. 114 Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 4, 2, 1956, S. 859 (8. Mai 1560).

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Bistum Lausanne auf Bern übergegangen.115 Das ist die moderne Sichtweise: Souveränität ist unteilbar und umfasst alle anderen Herrschaftsrechte, die der Landesherr – also im eigenen Verständnis Bern – von anderen ausüben lassen kann, hier also von Fribourg. Ebenfalls auf die Rechtsprechung, allerdings diesmal in Konkurrenz mit einer inneren, feudalen Mediatgewalt, bezieht sich 1592 eine Entscheidung des Berner Rats, der den sogenannten Twingherren, adligen Gerichtsherren, das Begehren abschlägt, einen Anteil an Mandatsbußen zu erhalten. Die Rechte der Twingherren seien in älteren Verträgen geregelt, was dort fehle, bleibe der Obrigkeit vorbehalten. Das gelte auch für die Bußen, die kraft gesetzten Rechts erlassen würden; sie zählten, auch dank kaiserlichem Regal, zu den »anderen articklen der grechtigkeitten, so dem oberhern oder souverain in sinen landen und gebyeten allein gebürend und zuostand«.116 Die Obrigkeit wird damit erstmals substantivisch als »der Souverän« abstrahiert, aber weiter über ihre Judikatur definiert. Gleichwohl zeigen solche Beispiele, dass die Souveränität zusehends mit der Territorialhoheit verbunden gedacht wird und die Kompetenzen anderer Institutionen verstanden werden, als seien sie ausgehend von der umfassenden obrigkeitlichen Gewalt delegiert worden. Der Übergang zum neuen Staatsverständnis zeigt sich anschaulich in zwei Dokumenten, welche die vormals katholische Talschaft Saanen betreffen, die 1555 aus dem Greyerzer Erbe an Bern gelangt ist. Die freien Saaner beanspruchen für ihre Landsgemeinde weiterhin Satzungsrecht und »urteyl ane apallatz«. Die neue Berner Obrigkeit bestätigt 1565 die Saaner Freiheiten, sofern sie »uns an unseren altharbrachten keyserlichen und künigklichen fryheiten und privilegien, der souverainitét und dem uns von gott gegebenen gwalt der oberkeit unnachteilig und unabbrüchig sin«.117 Kaiserliche Privilegien sind also, zusammen mit der Einsetzung der Obrigkeit durch Gott, noch die entscheidende Legitimation; die Souveränität hingegen bleibt die letztrichterliche Instanz, die allerdings mit der Landesherrschaft (also namentlich Mannschaftsrecht und Kirchenregiment) eng verbunden 115 EA 6, 1, S. 231(August 1654). 116 Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 4, 2, 1956, S. 903 (25. August 1592); vgl. Holenstein, »Freiheiten«, 1998, S. 82 f. 117 Rennefahrt, Statutarrecht Saanen, 1942, S. 204; Bierbrauer, Freiheit, 1991, S. 310. Im Berner Stadtrecht von 1539 wird die Obrigkeit noch ausschließlich durch göttliche Einsetzung und kaiserliche Privilegien legitimiert, vgl. Mommsen, Eidgenossen, 1958, S. 55–57, und Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 1, 1971, S. 585–588.

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erscheint.118 Die Souveränität bricht das Herkommen nicht, verweist aber bereits auf eine umfassendere gerichtliche Zuständigkeit, die in den Freiheitsbriefen nicht abgedeckt ist.119 Eine ganz andere Funktion erfüllt das Wort Souveränität 1644, als eine Berner Kommission den Saanern die Satzungsgewalt abspricht, welche diese seit dem 15. Jahrhundert unangefochten ausgeübt haben. Die »erkaufften fryheiten« – die nicht grundsätzlich geleugnet werden – beträfen die Rechtsprechung, wozu aber das Statutarrecht nicht gehöre, »weyl gsaz machen (ussert in geringen dorff sachen) nit den underthanen, sonder der hochen Landtsherrschafft eignet und gebürt«. Die Berner Obrigkeit beansprucht, ebenfalls gegen das Herkommen, Berufungsinstanz zu sein, weil andernfalls »die underthanen von Sanen absolut« wären. Zusammengefasst heißt dies, »daß Euer Gnaden inn dero ganzem Landt allein und einzig Souverain, und die macht hat, Gesaz und Statuta zemachen, und daß denen von Sanen keines wegs gebürt, ordnungen darwider zu statuiren«.120 Kurz zuvor hat der Rat gegenüber Nidau sein Regiment für absolut erklärt, weil »die Obrigkeit Gottes Statthalterin auf Erden genamset wird, also dass hieraus heiterklar erfolgt, dass welcher seiner natürlichen, von Gott ihm gegebenen Obrigkeit sich widersetzt, der Ordnung und dem Gesetz Gottes widerstrebt und dadurch des Lebens sich selbst beraubt.«121 Ähnlich wie wenig früher Beloteau im nahen Neuchâtel für einen Fürsten, wird hier für eine Aristokratie die Unantastbarkeit der Herrschaft behauptet und jeglichem Widerstandsgedanken abgesagt. Auch die Aarauer erhalten die neue Staatslegitimation vorgeführt. Ihr Treueeid hat seit 1415 städtische Autonomierechte für die »gerecht fry und unbetwungenen richsstatt« beansprucht. Nicht diese Rechte, die toleriert werden, wohl aber die Begründung im Reich ist 118 Vgl. im selben Zusammenhang der 16 Artikel Rennefahrt, Statutarrecht Saanen, 1942, S. 195: »unser herrlichkeit und gerächtigkeit der obersten landsherrschung und souverainitet, daran die reformation hanget«; hinsichtlich der Blutgerichtsbarkeit S. 196: »hoch und nider herrschafft (darin das malefiz vergriffen), gricht, twing und ban und alle herlichkeit der souverainitet und oberlandtsherschung anhangende«. 119 So auch Feller, Geschichte, 2, 1974, S. 300 f., vgl. ferner Holenstein, »Freiheiten«, 1998, S. 77 f. Bierbrauer, Freiheit, 1991, S. 289–313, behandelt den Saaner Kampf um die erworbenen Freiheiten ausführlich, versteht aber irrtümlicherweise auf S. 293 »Souveränität« bereits 1571 im Bodinschen Sinn und spricht deshalb, S. 312, von einer »immer extensiveren Interpretation dessen, was als staatlicher Souveränitätsbereich zu gelten habe«. 120 Bierbrauer, Freiheit, 1991, S. 309 f. 121 Feller, Geschichte, 2, 1974, S. 544

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für Bern wegen der Exemtion von 1648 nicht mehr akzeptabel. Denn es hat »seithero gar die souverainitet und derselben anhangende iura maiestatis und regalia an sich gebracht«, und die Aarauer seien Untertanen geworden. Daher müsse, »wegen sich zugetragenen reulotionen und veränderungen«, nun auch die Eidesformel der »abgeenderten relation beider stätten« angepasst werden.122 Die Verbindung herkömmlicher und moderner Staatsvorstellungen verrät Samuel Gaudard, der um 1665 eine »Specification des droicts Regaliens« zusammenstellt. Er begnügt sich nicht mit den üblichen, den obrigkeitlichen Einnahmen dienenden Herrschaftsrechten, sondern nennt an erster Stelle die »puissance d’establir et abolir les Loix et Status« (»Jus condendi et abrogandi leges«).123 Das Argument der Souveränität wird nicht nur gegen Innen, sondern auch gegen außen eingesetzt. Im eidgenössischen Zusammenhang hält Bern wie erwähnt an der Tagsatzung von 1608 dafür, dass die kaiserliche Bestätigung der Regalien unnötig sei, da man die »Herrlichkeit« aus sich selbst habe.124 Gegenüber Henri II d’Orléans-Longueville, immerhin ein Fürst von Geblüt und Pair de France, verteidigt Bern um 1665 den protokollarischen Vorrang: Der Graf von Neuenburg sei bis 1530 Vasall des Reichs gewesen, wogegen die Berner »Princes Souverains« seien, seit sie 1218 die legitime Nachfolge der Zähringer und später der Savoyer und Lausanner Bischöfe, ja sogar der burgundischen Könige angetreten hätten. Bern hänge allein von Gott ab, während der Fürst weiterhin dem französischen König untertan sei.125 Nachdem der Anspruch auf Souveränität sowohl gegenüber den Nachbarn als auch im Umgang mit den ländlichen Untertanen durchgesetzt worden ist, wird sie schließlich zu einem Zankapfel innerhalb des Regiments selbst. Bern hat seit der »Nüwen Ordnung« von 1643 auch de iure eine erbaristokratische Verfassung mit – im Jahr 1694 – 420 regimentsfähigen und 98 tatsächlich im Großen Rat vertretenen Familien; im 18. Jahrhundert verringert sich diese Zahl weiter. Angesichts der täglichen Sitzungen des Kleinen Rats ist der Große Rat weitgehend darauf beschränkt, in wichtigen Fragen letztinstanzlich zu ent-

122 Merz, Rechtsquellen Aarau, 1898, S. 466 f. (19. Juni 1679), 469 (10. Juni 1679), vgl. auch 66; dazu Holenstein, Huldigung, 1989, S. 375–377, 488. 123 StABE A V 574, Nr. 37, im Rahmen von Samuel Gaudards Zusammenstellung der Schriften über Bern und Neuenburg, welche die Berner Rechte auf den Neuenburgersee betreffen. 124 EA 5, 1, S. 881 (Juni 1608) = StAZ , Abschiede 135, S. 345. 125 StABE A V 574, Nr. 39.

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scheiden. Dazu müssen die »Zweihundert« allerdings vom Kleinen Rat einberufen werden, was dieser im 17. Jahrhundert zusehends widerwilliger tut. Dagegen wehrt sich der Große Rat und erklärt 1649, dass die höchste Gewalt bei ihm liege, »dem eintzig und allein politische, civilische und grichtliche gesatz und ordnungen zuo machen oder auffzuoheben gebürt«. Die (Klein-)»rät und XVI« seien ein Glied im politischen Leib der Zweihundert und dürften sich nicht für »absolut« ansehen.126 Innerhalb der Elite bleibt die mit einem Generationenkonflikt verknüpfte Streitfrage ungelöst, ob die Burger, in denen um 1680 eine frankreichkritische Gruppe Einfluss gewinnt, »ad deliberandum« zusammenkämen oder nur »pro forma ad confirmandum«; ob also der frankophile Schultheiß und der Kleine Rat – in der Sprache der Kritiker – »absolut« seien. In diese Auseinandersetzung gehört Johann Rudolf Gatschets Dissertatio politica de inclyta republica Bernensi von 1676, die erste staatsrechtliche Beschreibung der Berner Aristokratie. Wie für Demokratien, so sei auch für Aristokratien eigentümlich, dass kein Einzelner absolut, sondern alle Amtsträger in gewisser Hinsicht – nämlich den Gesetzen – untertan seien, was ihnen das Volk bereitwillig nachtue. Nur als Ganzes habe die Obrigkeit (»Magistratus«) »summa & absoluta potestas, nullam agnoscens praeter Deum superiorem«.127 Im Ausland werde die von den Vorfahren errungene Freiheit als Anarchie und Ausschweifung verkannt, weshalb Gatschet klären will, was in Bern darunter zu verstehen ist: Ein »liber populus« kennzeichne gegen außen, dass es von keinem anderen Volk beherrscht werde. Im Inneren eigne ihm zudem die »libertas a coactione«, die Freiheit vor Zwang, so dass ein Volk nur »suo consensu« die Herrschaft akzeptiert und sich – nach ständischen Kriterien unterschiedlich zugeteilte – »Jura ac privilegia« vorbehält, die das Gewissen, die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum betreffen.128 Nicht unähnlich wie Beloteau in Neuchâtel postuliert Gatschet hier ein tendenziell liberales Freiheitskonzept, in dem – allerdings kollektive und abgestufte – Fundamentalrechte die Privatsphäre der Untertanen schützen. Damit verbindet er eine Liste der Kompetenzen, die dem »Summus magistratus«, nämlich dem Großen Rat, zukommen. Sie liest sich wie eine Kurzfassung von Bodins Kapitel 1, 10: Gesetzgebung, Beamtenwahl, Gesandtschafts-, Kriegs- und Friedens126 Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 5, 1959, S. 662 f.; Von Steiger, Probleme, 1954, S. 42–45. 127 Gatschet, Dissertatio, 1676, S. B-B2; C3v. 128 Gatschet, Dissertatio, 1676, S. C3v/4.

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recht, oberstes (Blut-)Gericht, Appellation und Begnadigung, Kirchenhoheit, Steuer- und Marktrecht.129 Gatschet stammt aus einer regimentsfähigen Familie, die aber nicht zu den führenden Berns gehört. Damit zählt er zu der Oppositionsgruppe unter den Burgern, welche der weiteren Oligarchisierung durch die Kleinräte Einhalt gebieten, aber zugleich alle Ansprüche jüngerer, nichtburgerlicher Familien entschieden abwehren wollen. Aus Gatschets Kreisen kommen Vorstöße, die dazu führen, dass eine Standeskommission zur Klärung der Zuständigkeiten eingesetzt wird und 1682 den Räten und Burgern ein Gutachten vorlegt.130 Nach erfolgter Diskussion wird für den ersten und vornemmsten fundamental satz statuirt und geordnet, daß der höchste gewalt und landtsherrliche souverainitét, auch die oberste heerschafft, macht und pottmeßigkeit über dieses loblichens standes Bern Deütsch und Weltsche landt und leüth, geist und weltliche, burger, underthanen und einwohnere in stätten, fläken, dörffern und höfen etc., zustehen und gebühren thue unß, den anfangs gedachten schuldtheißen, klein und groß räthen, genannt die zweyhundert der statt Bern, also und der gestalten, daß ußert gott dem allmechtigen wir über unß niemand erkennen, auch umb unsere handlungen wir niemandt rechenschafft zu geben schuldig sind. Hingegen sollen per consequens und unlaugbar uns zugehören alle regalia, jura maiestatis, rechte und gerechtigkeiten, auch einkunfften und ertragenheiten, was natur, namen und eigenschafften die seyen …; das ist solche rechte und gerechtigkeiten, die durchgehends in allen wohlpolicirten ständen einem souverainen fürsten und obersten landesherrn als dem höchsten oberhaupt und gewalt competiren und zugehören thund.131

Vom ähnlich formulierten Gutachten der Standeskommission weicht dieser Beschluss nur in einer wichtigen Hinsicht ab, insofern nicht allein der Große Rat, sondern mit ihm Schultheiß und Kleiner Rat als Träger der Souveränität genannt sind – und damit nicht auf Amtsträger reduziert werden. Dafür wird klargemacht, dass subalterne Beamte ihre Kompetenzen nur als Mandat erhalten und der höchsten Gewalt über ihre Handlungen Rechenschaft schulden. Der »Durchbruch zum staatlichen Denken im eigentlichen Sinn«132 zeigt sich im Gutachten von 1682 auch sonst in der umfassenden und uneingeschränkten Definition der mit höchster Gewalt gleichgesetzten Souveränität, die

129 Gatschet, Dissertatio, 1676, S. B3. 130 Zum Folgenden Von Steiger, Probleme, 1954, S. 42–60; vgl. auch Isenmann, Gemeinde, 1991, S. 225–229; Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 89–91. 131 Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 5, 1959, S. 380 (3. Mai 1682). 132 Von Steiger, Probleme, 1954, S. 56.

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keine Einwohner des Landes ausnimmt, niemandem außer Gott Rechenschaft schuldet und alle herkömmlichen Rechte für sich beansprucht, genau gleich, wie dies anderswo der Landesfürst auch tut. Gegenüber diesem Patrizierkollektiv werden alle Berner zu Untertanen; auch die einst am Regiment beteiligte Stadt(gemeinde) wird 1682 keines Wortes gewürdigt. Im revidierten »Roten Buch«, der Sammlung der Grundgesetze, wird 1703 dann auch klar festgeschrieben, das »alle unsere fundamental-gesatz und ordnungen so lang völlige krafft und bestand habend sollend«, bis sie auf Vorschlag des Kleinen Rats und der Sechzehner durch eine Zweidrittelmehrheit des Großen Rats »als den höchsten gewalt abgeenderet oder verbeßeret« werden.133 Damit ist der souveräne Rat auch formal völlig frei, alles tradierte Recht aufzuheben und neues zu setzen. Mit den Überlegungen von Gatschet und dem Souveränitätskonflikt innerhalb des Patriziats haben die Berner Bodins Lehre konsequent auf eine Aristokratie umgesetzt, was Samuel Henzi später beklagen wird.134 Denn seitdem die Souveränität und das Ämtermonopol den Großen Rat umfasst, schließt sich das darin vertretene »Patriziat« zusehends gegenüber den an sich regimentsfähigen, aber »kleineren« Burgerfamilien ab, indem es sie bei den »Burgerbesatzungen«, den Ergänzungen des Großen Rats, zugunsten von eigenen Familienangehörigen übergeht. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet 1682 die Süd- und Eingangsseite der Burgerstube im Rathaus neu gestaltet wird. Humbert Mareschet hat 1585 mit Skiluros, Salomon und dem zentralen Bundesschwur das herkömmliche Bild des gerechten, also rechtsprechenden Herrschers verewigt und die Berner Staatlichkeit als Teil des eidgenössischen Bundes dargestellt. Im Unterschied dazu bildet 1682 die eine, souveräne Republik das Programm des Berners Joseph Werner, der in Frankfurt (bei Matthäus Merian) und in Rom gelernt und sich unter anderem in Versailles als Maler für und von Louis XIV bewährt hat.135 Auf der rechten Tafel (Abb. 32) stellt ein alter Mann mit Buch und Eule den weisen Ratgeber dar, während eine weibliche Figur mit Palme, Lorbeerkranz und Beil in den Händen nach links geht; es sind dies die Symbole für Belohnung und Strafe, zu denen auch das Stabbündel mit Regentenstab und die Ketten am Boden gehören. Die Allegorie ist also nicht eine herkömmliche, rechtsprechende Justitia, son133 Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 5, 1959, S. 415; vgl. Von Steiger, Probleme, 1954, S. 112–114. 134 Vgl. unten, S. 470 f. 135 Burk e, Ludwig XIV., 1995, S. 50, Abb. 9; S. 198, Abb. 64.

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Abb. 32: Joseph Werner, Kleiner und Großer Rat, 1682.

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dern eine handelnde, exekutive Gewalt, in Bern der Kleine Rat, der vom Großen Rat, dem weisen Mann zu seiner Rechten, sekundiert und beraten wird.136 Die Parallelen zum 16 Jahre älteren Gemälde Schärers für das Zürcher Rathaus sind schlagend: Auch dort gehören zur Allegorie des Kleinen Rats Beil und Rutenbündel, während eine Eule den Granatapfel des weisen Großen Rats umfliegt.137 Ausgerichtet sind beide Institutionen auf die zentrale Figur der linken Bildtafel (Abb. 33), wo – ebenfalls ähnlich wie auf den behandelten Zürcher Bildern von Schärer und Füssli (Abb. 25 und 27) – die ständische Gesellschaft erfasst ist. Berna dominiert das Bild mit dem Wappenschild und dem gestreckten Schwert in der Rechten, als herrschender und schützender (Frei-)Staat. Ebenso gewappnet ist der kräftige Bär rechts hinter ihr, der Wehrstand, während die Frau links mit dem Kelch als Fides die Kirche repräsentiert: die Geistlichkeit als Lehrstand. Vorne links, zu Füßen der Berna, sitzt die Personifikation von Bernerland und -volk, als Gratitudo mit dem Füllhorn agrarischen Reichtums und dem Steuerruder als Symbol der Aare. Sie hält Berna die phrygische Mütze als Symbol der Freiheit hin, das dem Schutz der Obrigkeit anvertraut wird.138 Ikonographische Parallelen lassen an Maria als Himmelskönigin denken, mit dem Zepter und neben ihr knienden Betern, an die Gottesmutter oder die Schutzmantelmadonna, die ihre Arme schützend ausbreitet.139 Noch prägender für Werners Berna ist aber das iko136 Auch auf dem Stich Wappen aller regimentsfähigen Geschlechtern der Stadt Bern (in einer Version datiert auf 1745) wird das gekrönte und von Gottes Auge überwachte Bernerwappen links von einer Justitia und rechts von einer Allegorie mit Beil und Rutenbündel bewacht, also die – im modernen Sinn – judikative Gewalt von der exekutiven unterschieden; dies übersehen die Interpreten, welche auf Werners Gemälde eine »Gerechtigkeit« erkennen. 137 Vgl. oben S. 392–395, Abb. 25. 138 Fröschl in Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 368–370, bzw. ders., Virtues, 1998, S. 271 f., deutet die sitzende Figur mit dem Freiheitshut als »Felicitas publica«; vgl. auch Fluri, Burgerstube, 1924, S. 84, der von einer »Abundantia« ausgeht. Das Paar »Senatus populusque« findet sich jedoch 1691 auch in Basel, wobei das Volk die Freiheitsmütze der Obrigkeit hinhält; die Paarbeziehung entspricht auch der anderswo üblichen zwischen Fürst und Landespersonifikation. In Bern sieht man auf der Vorstellung der Wapen des hohen Stands … hochloblicher Statt und Republic Bern (1746, BubB) eine Ehrenpyramide mit den Kleinratswappen und im Sockel ein großes, gekröntes Wappen; flankierend sitzen links eine gewappnete Berna mit Freiheitshut und rechts eine weibliche Allegorie mit Füllhorn und Zweig, womit ebenfalls das harmonische Paar Magistrat und Volk ausgedrückt wird. 139 Vgl. die Typen etwa in Thöne, Lindtmayer, 1975, S. 335 (Nr. 95, 98), S. 429 (Nr. 350–353).

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Abb. 33: Joseph Werner, Berna und die Stände, 1682.

nographische Vorbild der Minerva als gewappneter Jungfrau, was wiederum an Helvetia erinnert, die in derselben Zeit geschaffen wird. Werner drückt, wenn auch viel aufwendiger, eine ähnliche Idee aus wie der Genfer Medaillenentwurf von 1707 oder dann 1691 in Basel (unten, Abb. 35): Dort bilden Senat und Volk die versöhnte Basis der Republik, an der Rhone als Pfeiler, am Rhein als Personifikationen. An der Aare umfasst die dominierende Berna als Personifikation der Republik mit ihren ausladenden Armen noch differenzierter alle diejenigen, aus denen sie als unpersönlicher, ewiger, politischer Körper 465

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ihrerseits wieder konkret zusammengesetzt ist: Groß- und Kleinrat, Wehrstand, Kirche und Volk. Strafende und belohnende Gerechtigkeit, Friede, Wohlstand und Freiheit in Eintracht sind gleichermaßen ihr Auftrag wie ihre Leistung. In ähnlicher Vielfalt repräsentieren etwas später Lucerna und Tigurina ihre Kantone.140 In den Jahren um 1680 erfolgt auch bei den Staatssymbolen der Umschwung. Noch 1666 wird ein Steinmetz entlohnt, der im Verbindungsbau zwischen dem Rathaus und der Kanzlei das »Bern Rych« – die Wappenpyramide – verfertigt hat.141 Der Doppeladler findet sich auch noch in der 1656 neu einsetzenden Phase von Münzprägungen, zuletzt auf dem Zehnkreuzer von 1669, ehe der Reichsadler gleich zu Beginn der nächsten Prägeperiode 1679 verschwindet. Nun prangt auf dem Dukaten eine kleine Krone über dem Berner Wappen, und auf dem 3 Dukaten-Stück des folgenden Jahres liegt eine größere Krone über zwei sich zugewendeten Bernerwappen, also in ähnlicher Stellung wie früher der Reichsadler bei der Wappenpyramide. Auf den gläsernen Wappenscheiben erfolgt dieselbe Entwicklung: Von 1671 datiert die wohl letzte erhaltene mit einem Doppeladler, 1675 prangt stattdessen eine Krone über dem Berner Bären.142 Die Krone, die schon früher aufgetaucht ist, tritt nun häufiger auf und wird um 1700 allgemein gebräuchlich, als sie mit der Feur-Ordnung erstmals ein Mandat schmückt.143 Anfangs wird dabei ein einfacher Blattkronenreif gewählt, welcher der Herzogskrone in den romanischen Ländern oder der deutschen Adelskrone ähnlich sieht. Später wird in der Regel wie auch in anderen Stadtkantonen ein Perlenreif mit Blätterkrone durch eine (manchmal doppelt) gewölbte Purpurmütze überhöht, die ursprüngliche Herzogsmütze. Diese Form wird denn auch von den Zeitgenossen – vielleicht mit Bezug auf die Zähringer – als Herzogskrone gedeutet.144 Heraldisch gesehen ist sie weder eine Fürsten- noch eine Erlauchtkrone in der Reichstradition; am ehesten entspricht sie – ab-

140 Vgl. oben, S. 392–395 (Abb. 25) und unten, S. 519 f. (Abb 37). 141 Biber/Hofer, Regesten, 1947, S. 205; zum Käfigturm Hofer, Kunstdenkmäler Bern, 1, 1952, S. 137, wo es ungeachtet der vorangehenden Passage »als wohl letztes Reichswappen an einem bernischen Staatsbau« bezeichnet wird. 142 Maissen, Empire, 2004, S. 24, Abb. 6, 7; Schneider, Glasgemälde, 2, 1971, S. 436 (Nr. 647, SLM 103/72) bzw. Bern Historisches Museum, Inv. Nr. 1009; vgl. Meles, Entschwinden, 1999, S. 149, Abb. 1; die Interlakener Wappentafel bei Herzog, Kauw, 1999, S. 274 f. 143 Noch 1711 gibt es ein Mandat in drei Fassungen, von denen nur eine die Krone zeigt. 144 Fischer, Wappe, 1945, S. 13; vgl. Pr ess, Schweiz, 1992, S. 290.

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gesehen von der fehlenden Quaste – der englisch-niederländischen Herzogs- oder der italienischen Fürstenkrone. Insofern sie sich der fürstlichen Hierarchie entzieht, ist die Schweizer Rangkrone ein unmonarchisches Zeichen der reinen Souveränität.145 Eine ähnliche Botschaft findet sich unter anderem auf dem Giebelfeld der Hauptfront des neuen Kornhauses, das 1716 nach einem Entwurf des Baslers Johann Rudolf Huber geschaffen wird. Darauf wacht das Auge Gottes oben über dem gekrönten Wappen, das zwei Bären halten, der eine mit dem Richterschwert, der andere mit dem Regentenstab.146 Dass die Rechtsprechung unmittelbar vom Weltenrichter übertragen worden ist, zeigt sich 1730 auch bei der Wahl einer neuen Formel für »Criminal Urthlen« der deutschen Untertanengebiete: Man urteilt nicht mehr »nach Inhalt keÿserl. Rechtens«, sondern »nach der Stadt Bern Rechten«. Für die welschen Lande heißt die entsprechende Formel »Selon les Loix et Status de LL . EEx .ces de Berne Nos Souverains Seigneurs«, und zudem wird verordnet, dass das Malefizgericht nicht mehr unter dem Namen »Cour Imperiale« tagen soll, sondern als »Cour Criminelle«.147 Wie die Staatspersonifikation, so ist in diesen Kantonen auch die Titulatur wichtig für das neue Staatsverständnis. Das lateinische »Respublica Bernensis« ist bereits im 15. Jahrhundert belegt, damals aber noch mit »unser gemeind« übersetzt worden.148 Auf Französisch ist der Titel vergleichsweise früh belegt, aber unsystematisch, so 1617 in einem Vertrag mit Savoyen: »Republique et Canton de Berne«.149 Auffällig rasch, gerade im Vergleich zu den übrigen Deutschschweizer Kantonen, erfolgt die Übernahme in die Volkssprache. Schultheiß und Räte geben 1615 eine Anleitung zur Einführung der oranischen Militärreform nicht nur auf Französisch für die »Republique de Berne« heraus, sondern auch – wohl daraus übersetzt – auf Deutsch »zum

145 Zu den Rangkronen Oswald, Lexikon, 1985, S. 320 f.; Hildebrandt, Wappenfibel, 1970, S. 90 f. 146 Hofer, Kunstdenkmäler Bern, 3, 1947, S. 372–375; die Herrschaftsinsignien wurden 1798 entfernt. 147 StABE A I 494, S. 69–71 (17. März 1730). 148 Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 4, 1, 1955, S. 604. 149 Rivoir e, Sources du droit Genève, 3, 1933, S. 585, nach AEG PH 2598; in einer anderen Fassung, die im Übrigen identisch ist (AEG PH 2598) heißt es allerdings »Ville et Canton de Berne«, doch auch dort steht im Text: »Nous ladite Republique«. Vgl. auch die Anrede durch einen niederländischen Gesandten: »Aux Magnifiques et Puissants Seigneurs Messieurs L’Advoyer et du Conseil de la Tres illustre Republique de Berne«, StABE A V 133, S. 77–80 (8. Dezember 1623).

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Nutz und Gebrauch der Loeblichen Republic zu Bern«.150 1634 müssen die einberufenen Truppen schwören, »einer loblichen respublic der statt Bern, als unseren gnädigen herren … zu dienen«.151 Wendungen wie »Statt undt Republic Bern« werden bis 1680 nicht konsequent, aber regelmäßig gebraucht,152 doch danach ist wieder zurückhaltender von der »Statt Bern« die Rede, und selbst auf Französisch schreibt man »ville de Berne«.153 Erst am 24. August 1742 erfolgt die amtliche Weisung an die Staatsschreiber, in allen Briefen, »so außert loblicher Eydgnoßschaft versent werden … der unterschreibung ›schultheiß, klein und großräht der stadt und respublic Bern‹ sich zu bedienen«.154 Vorangegangen ist ein protokollarischer Disput mit der vorderösterreichischen Regierung; dies zeigt, ebenso wie die Beschränkung der neuen Formel auf nichtschweizerische Staaten, dass der Titel »Republik« sich gleichsam von außen aufdrängt, wenn der angemessene völkerrechtliche Status gewahrt werden soll, während die Eidgenossen untereinander bis 1798 bei den herkömmlichen Wendungen verbleiben werden.155 Wie formbewusst die Berner Regierung im Kontakt mit äußeren Mächten in der Jahrhundertmitte ist, beweist ihr Protest, als der niederländische Gesandte De Calmette ein Schreiben mit »Magnifiques & Puissans Seigneurs de Vos Excellences le tres affectioné« unterzeichnet. Die Berner vergleichen dies mit den Wendungen, wie sie

150 Kurtzer Begriff, 1615, Vorred; Brief recueil, 1615, Preface; zum Inhalt Walter, Einflüsse, 1979, S. 24–38. 151 Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 11, 1975, S. 99; Kurtzer Begriff und Anleitung des Kriegs Exercitij und Ubung, Also kurtzlich zum Nutz und Gebrauch der Loeblichen Republic zu Bern …, Bern 1615. 152 Vgl. die Abschriften in StABE A V 506, S. 233 und StaVS L 48, S. 13; StABE A V 506, S. 325, 336 (9. November. 1656). Auch eine Walliser Antwort zur Klärung der Bündnispunkte richtet sich an die »reipubliq und statt Bern«, vgl. StABE A V 506, S. 298 (20. Dezember 1644); S. 381 (22. Dezember 1666, deutsch); 501 (1671, französisch). 153 Auffällig im Vertrag von 1681 zwischen dem »Estat de Berne« und den »Balif et Conseil de la Republicque de Valley«, StABE A V 506, S. 465 f.; vgl. auch S. 314 (10. Februar 1648) mit reinem »Statt Bern«; S. 501; 569 (15. Oktober 1760). Vgl. Lünig, Theatrum, 2, 1720, Anhang, S. 382 f.; auch Nouveau Reglement sur le chatiment de la Paillardise & de l’Adultere von 1712, worin das Gesetz erstmals auf Französisch erlassen wird von: »Nous l’Avoyer, Petit & Grand Conseil de la Ville & Republique de Berne«, und das gleichzeitige Straff-Gesatz die Hurey und den Ehebruch betreffend mit seinen traditionellen Formeln. 154 Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 5, 1959, S. 736. 155 Vgl. die Formel bei Gr eyerz, Nation (1953), S. 14, 16: »Fromm, Fürsichtig, Ehrsam, Weis, sonders guet Fründ, getreue liebe Eidgenossen«, bei Fribourg und Solothurn kommt noch »Mitbürger und Brüder« hinzu.

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niederländische Gesandte früher gebraucht haben, und bekunden, die Formulierung sei ihr »gar zu gering und einem Souverainen Stand nicht wohl convenirend zu seÿn vorgekommen«: De Calmette muss »le tres humble et tres affectioné Serviteur« schreiben.156 Ebenfalls von außen kommt der Anstoß zu einer symptomatischen Debatte in den Jahren 1714/15, die in ihren Vorläufern noch weiter zurückreicht und das Berner Siegel betrifft. Herkömmlich zeigt dieses einen Bären und darüber – seit 1315 – den Reichsadler. Seit 1467 sind ein großes und ein gleich gestaltetes kleines Siegel im Gebrauch; das große trägt die Umschrift SIGILLUM MAIUS CIVIUM BERNENSIUM , das kleine SIGILLUM MINUS COMMUNITATIS VILLE BERNENSIS . 1678 liefern dann ein Stempelschneider namens G. Poumarede und am 8. Juli 1681 der aus Rouen stammende Graveur Gabriel Le Clerc dem Rat den Entwurf für ein neues Siegel. Auf beiden Siegeln fehlt der Reichsadler über dem Bär, und die Umschrift lautet SIGILLUM MINUS REIPUBLICAE BERNENSIS – doch aus unbekannten Gründen werden die Siegel nie in Gebrauch genommen.157 Am 14. September 1714 werden Seckelmeister und Venner jedoch vom Rat beauftragt zu erwägen, »daß by dißmahliger gestaltsamme hiesiger souveraine republic nit mehr gezimmend seye, auf dem ehrenwappen deß standts den Reichsadler zuführen; deßwegen Meghh. [meinen gnädigen Herren] zu Sinn legende, ob nit sowohl auf dem standtsinsigel alß sonsten by eräügenden begebenheiten an denen gebäuen, da deß stands wappen stehet, zu rescindieren.« Die Vennerkammer schlägt darauf in ihrem Gutachten vor, »daß ja dieser Reisadler [sic] bey gegenwertigen Zeiten, da schon seit viel und langer Zeit Bern kein Reichsstatt mehr, sondern allerdings independente und souveraine Statt ist, an allen Enden und Orten Er. Gnaden Bottmäßigkeit, da etwas repariert und neuw gebauwet, geschnitzt oder gemacht wirt, nach und nach abgeschaffet und außgelaßen«; außerdem solle vom kommenden Jahr an Le Clercs Siegel das alte ersetzen, das »bißhero auß sonderer Modestie« gebraucht und abgenutzt worden sei. Die Zweihundert folgen dem Gutachten jedoch nicht, sondern beschließen am 19. September, in dieser Sache »auß gewalteten politischen Considerationen« vorerst nichts zu unternehmen.158

156 StaBE A V 140, S. 31–57. 157 Maissen, Insignes, 1999, S. 484, 501, Abb. 6; Fluri, Siegel, 1924, S. 263–268. 158 Das Gutachten bei Fluri, Siegel, 1924, S. 268, die übrigen Zitate auch bei Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 5, 1959, S. 481, bzw. StABE A II 648 (= RM 62), S. 177, 184, 212.

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Doch wenig später beantwortet der französische Regent das Berner Kondolenzschreiben zum Tode von Louis XIV mit der Adresse »Messieurs de la Ville de Berne«. Der Rat führt diese »ohngewohnte Titulatur« auf die Umschrift des Siegels zurück und beschließt, zumal auch der Reichsadler auf dem Siegel »zum öffteren einen Anstoß erweckt« habe, am 18. Dezember 1715, vom kommenden Jahr an ein anderes Siegel zu verwenden: entweder ein neues oder eines der beiden von 1678/81, die in der Schatzkammer liegen. Der Rat wählt am 9. Juli 1716 für das – kleine – »Ordinari Siegel« ein »model mit einem Bären ohne Support mit einer herzoglichen Cron versehen«, während am 31. August für das große Siegel beschlossen wird, dass es »mit supports von zweyen bären« gestochen werden solle.159 Auf dem großen Siegel tragen die beiden Bären Regentenstab und Schwert und stützen das Wappen, hinter welchem eine Säule mit einem Baldachin die Herzogskrone trägt – ähnlich wie das gleichzeitige Giebelfeld des Kornhauses. Die Umschrift lautet SIGILLUM MAIUS REIPUBLICAE BERNENSIS .160 Welche »politischen Considerationen« halten die Großräte anfangs von einer Änderung des Siegels ab? Vermutlich sind es bereits ähnliche Gründe, welche 1678 und 1681 die Verwendung der neuen Siegel verhindert haben. Es dürfte sich um innenpolitische Rücksichtnahme handeln, da auf den alten Siegeln die »Communitas« beziehungsweise die »Cives« erwähnt sind, also die Stadtgemeinde und die Bürgerschaft. Wie sensibel diese auf die Herausbildung einer souveränen Aristokratie reagieren, zeigt 1749 die Henzi-Verschwörung. Samuel Henzi geht in seiner Denkschrift von der ursprünglichen Reichsfreiheit der Zähringerstadt aus und von der durch Friedrichs II. Handveste (1218) garantierten »Gleichheit, folglich auch Freiheit« der Stadtbürger, die ihren Magistrat selbst wählen dürfen.161 Die alte Siegelumschrift »Civitas et Communitas Bernensis« beweise, dass die höchste Gewalt früher bei der Gemeinde, also der regimentsfähigen Bürgerschaft, gelegen habe und die Räte die Souveränitätsrechte nur mandatshalber ausübten und dafür Rechenschaft schuldeten. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts, nach dem Sieg in der Waadt und wegen des einsetzenden Mü159 StABE A II 653 (= RM 67), S. 12 (18. Dezember 1715), 659 (= RM 69), S. 112, 157, 373; bzw. Fluri, Siegel, 1924, S. 269 f.; Rennefahrt, Stadtrecht von Bern, 5, 1959, S. 481 f. 160 Maissen, Empire, 2004, S. 35, Abb. 13. 161 Zur Verschwörung Hafner, Suche, 2000, der die Verschwörer eher gezwungen in die Tradition des Tugendrepublikanismus stellt, wofür seine Zitate kaum eine Grundlage liefern; ferner Würgler, Unruhen, 1995, S. 99–106; Feller, Geschichte, 3, 1974, S. 447–463.

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ßiggangs, hätten die Kleinräte aber die Großratswahlen manipuliert und so die hoheitlichen Rechte usurpiert. Ohne Vorwissen der Gemeinde hätten sich die Zweihundert 1703 in einem »frechen Staatseingriff« zum Landesherren erklärt und als »Conseil souverain« geriert.162 Der entscheidende Einschnitt ist also für Henzi und seine Mitverschwörer die Entscheidung von 1703, dass die beiden Räte als oberste Gewalt (Fundamental-)Gesetze ändern können, sowie die daran anschließende Revision des Roten Buches, das die Insurgenten zum Garanten der ursprünglichen Verfassung stilisieren. Seither müsse »man endlich dem Stand, anstatt der Stadt Bern« huldigen, wodurch die »alten Merkmale« der »Souverainität der Gemeinde Bern« in Vergessenheit gerieten. Stattdessen nennten sich Rat und Zweihundert »den hohen Stand, die höchste Gewalt, die durchlauchtigste Republik« – und schrieben entsprechend das Siegel auf »Respublica Bernensis« um.163 Auf diese Art habe die Regierung, in den Worten des Mitverschwörers Emanuel Fueter, »auß der Statt und Gemeind eine Respublic gemacht, welches eine klare usurpation des Völker-rechts ist«.164 Selbst in Monarchien seien Völkerwahlen üblich, doch die Magistraten machten sich zu »absoluten herren« und »verachten die Constitutionen der Statt«, anstatt bei den »Gesatzen der Democratia zu verbleiben«, die mit der Vorsicht der »alten Römeren« und einem skeptischen Menschenbild verfasst worden seien. »Sie geben sich selbst untereinander eine unumbschränkte Gewalt … als daß eine Respublica oder popularische Regierung nur den nahmen hat«.165 Das Wort »Republic«, wie es die Obrigkeit gebraucht, wird offensichtlich als etwas Neues, der idealisierten früheren Stadtgemeinde Entgegengesetztes empfunden. Ausgerechnet das Mandat, das die »entdeckte Conspiration« von 1749 bloßstellt, ist dann auch das erste überhaupt, das mit der Wendung anhebt: »Wir Schuldtheiß, Klein und Große Räthe der Statt und RESPUBLIC Bern«. Auch in den Deutschen Spruchbüchern, der Sammlung spezifischer Regierungserlasse, steht im selben Jahr 1749 erstmals »Stadt und Respublic Bern«. Erst in den 1760er Jahren wird das die konsequente und ausnahmslose Titulatur auf deutschsprachigen gedruckten Mandaten oder im Regimentsbüchlein über des loblichen

162 163 164 165

Henzi, Denkschrift, 1823, S. 403, 411–414. Henzi, Denkschrift, 1823, S. 415, 421–425. Fueter-Memorial, BuBB , Mss h h XI 16 (10), S. 10. Fueter-Memorial, BuBB , Mss h h XI 16 (10), S. 1 f.; vgl. auch Hafner, Suche, 2000.

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Standes und Republik Bern weltliche und geistliche Verfassung.166 Eine Herzogskrone, oder – mit ihrer doppelten Wölbung – schon eher eine Mütze, schmückt dann, zusammen mit Zepter, Richtschwert und Liktorenbündel, den Schultheißenthron von 1784 in der Ratsstube.167 Darauf kann man auch die Inschrift »Freiheit – Gleichheit« lesen, welche die Prinzipien des Patriziats zusammenfasst: Freiheit gegen außen, Abschottung gegen unten, Gleichheit untereinander.168 Charakteristisch ist die Umsetzung dieser Grundsätze, als die Berner Aristokraten über Nobilitierungen im Ausland nach Rangerhöhungen suchen, die sie für angemessen ansehen, zumal sie sich schon seit dem 16. Jahrhundert zum Reichsadel gezählt haben. Besonders stoßend sei der Statusunterschied zu den Hofleuten der europäischen Monarchien, die sich mit reichen Ehren schmücken: »Wan nun diese, die da allzumahl Unterthanen und nicht freye Leüth sind, warumb nicht die, so von einem souverainen Standt, und von niemanden dependieren, als von Gott, dem Herrn aller Herren?«169 Die Berner Obrigkeit will nicht nur verhindern, dass fremde Mächte in dieser Frage Einfluss ausüben: Die »burgerliche Gleichheit« als »fundament und grundtseül aller respubliquen« gebietet nach einem Gutachten von 1737 dass, wenn überhaupt, dann allen Regimentsfähigen »ex plenitudine potestatis« denselben Titel verliehen bekommen, wie dies auch »in der klugen Venetianischen respublic« gehalten werde.170 Diesem Prinzip entsprechend gestattet der souveräne und insofern kompetente Große Rat 1783 – wie ein Jahr zuvor die Fribourger Regierung – allen regimentsfähigen Familien, dem Nachnamen das »von« voranzustellen.171 Die Nobilitierungen folgen also dem kulturellen Modell der Monarchien, beachten aber gleichzeitig sehr bewusst die Unterschiede, die gewahrt werden müssen, wenn die eigene Polyarchie souverän bleiben soll.

166 Es gibt verschiedene Varianten des Staatskalenders; eine davon heißt bereits seit 1753 Neues Regiment-Büchlein, über die weltlich- und geistliche Verfassung des Hohen Standes und Respublic Bern. Die Krone auf dem Regimentsbüchlein findet sich erstmals 1757, aber noch recht unscheinbar. 167 Hofer, Kunstdenkmäler Bern, 3, 1947, S. 161–164; die Identifikation der Figur auf einem undeutlichen Stich von 1830 ist schwierig; verschiedentlich wird sie auch als personifizierte Republik gesehen (mit Regentenstab?), doch scheinen eher Schwert und Waage abgebildet zu sein. 168 Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 373 f. 169 Gutachten vom 13. Juni 1715, abgedruckt bei Fluri, Siegel, 1924, S. 299. 170 Zitate bei Rennefahrt, Ehren, 1954, S. 386–391. 171 Brunner, Patriziat, 1964; Rennefahrt, Ehren, 1954, S. 392.

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Man kann also festhalten, dass die Berner dank den engen Kontakten zu französischsprachigen Nachbarn und Untertanen bereits um 1600 mit wesentlichen Elementen der Souveränitätslehre vertraut sind und auch früh, aber unsystematisch die Titulatur »Republic« verwenden: 1615 auf deutsch und 1617 lateinisch auf Münzen. Dazu beginnt spätestens mit dem Mandat von 1643 der Reichsadler zu entfallen, auf den Münzen ist es endgültig 1679 soweit. Zur selben Zeit wird die Souveränitätsfrage zwischen den Räten erörtert und ausdrücklich abgeklärt, während die Titulatur »Republic« interessanterweise in den Hintergrund tritt und erst 1715 wieder, mit dem neuen Siegel, manifest wird – also zur völkerrechtlichen Positionierung gegenüber dem Ausland. Im Inneren dauert es noch über mehrere Stufen der Intensivierung, etwa 1730, 1742, 1749 und 1762, bis die »souveräne Republic« sich als exklusiver Titel durchsetzt und auch die gesamte Repräsentation darauf ausgerichtet wird.

5. Fribourg Bei der Ablösung Fribourgs von Savoyen 1477 werden die Savoyerkreuze von den Stadttoren entfernt und durch den Freiburgerschild unter dem Reichswappen ersetzt. Das Stadtsiegel von 1469 zeigt einen einköpfigen Adler in einem Schild über den Freiburger Stadtmauern, während 1483 ein ähnlicher Adler ohne Schild über den Zinnen schwebt – trotz ungewohnter Form wohl die übliche Referenz an das Reich.172 Mit weiteren Insignien (Kaiserkrone, Reichsapfel, Zepter) findet der Adler sich nach 1600 und um 1700 auf zwei weiteren Siegeln. Auf diesem letzteren Sekretsiegel erscheint zudem erstmals die Umschrift S. SECRETUM REIPUBLICAE FRIBURGENSIS . Auf den drei restlichen Siegeln des Ancien Régime steht fortan analog »Respublica« neben der offenen Herzogskrone über dem Kantonswappen. Auf den 172 Für Mattern, Wappenpyramide, 1984, S. 84 bzw. Doppeladler, 1988, S. 409, zeigen die Siegel den Übergang vom Zähringer- zum Reichsadler. Hye, Schweiz, 1996, S. 43, hält einen einköpfigen Reichsadler zu einem so späten Zeitpunkt für unwahrscheinlich und denkt an einen modifizierten Zähringeradler. Br etscher, Standesscheibe, 1977, S. 13, der als einziger das Problem grundsätzlich erörtert, kommt zum Schluss, dass alle Siegel aus der kiburgischen – und nicht mehr der zähringischen – Zeit (ab 1218) der Stadt stammen und damit kein Grund bestanden haben kann, heraldisch des ehemaligen Stadtherren zu gedenken.

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(wenigen) Münzen findet sich der doppelköpfige Reichsadler noch auf dem Schilling von 1717, allerdings bereits in Kombination mit der Umschrift MONETA NOVA REIP FRIBURGENSIS . Die Herzogskrone über dem Wappen taucht erst 1786 auf dem Achtelgulden auf. Ganz allein steht der vor 1536 erstmals und danach ein paar Mal nachgeprägte Guldener mit der Umschrift CUDEBAT RESPUB FRIBURGI HELVECIORUM .173 Im Vergleich zu anderen Orten dürfte die Freiburger Rechtsprechung relativ stark und kontinuierlich durch die Peinliche Halsgerichtsordnung Karls V. geprägt worden sein und der übliche Verweis auf »des hailigen Reichs Recht und Ordnung« könnte sich – auch – darauf beziehen; am 28. Juni 1803 wird das Gesetzbuch der Helvetik ausdrücklich zugunsten der Carolina wieder abgeschafft.174 Auf dem frühesten erhaltenen und offenbar zu diesem Zeitpunkt neu konzipierten Staatskalender von 1711 (und ähnlich auf einer Wappenscheibe von 1720)175 wird das Wappen mit Burg und Adler von zwei Löwen gestützt, die zudem Schwert, Reichsapfel und Kaiserkrone halten; die Amtsträger werden jedoch bereits als »Les Hauts, Puissans, & Souverains Seigneurs … de la Republique & Canton de Fribourg« vorgestellt. Unter den »souveranen diser lobl. statt Fryburg mit aller landsfürstlichen verwaltung« verstanden werden Klein- und Großrat.176 Bis 1747 schmückt dann die Wappenpyramide mit Adler und Insignien das Titelblatt des Regimentskalenders,177 bevor 1748 eine offene Herzogskrone das Wappen beschirmt. Es findet sich aber auch die mit Spangen geschlossene, ranghöhere Krone, so auf offiziellem Druckpapier 1744.178 Doch die offene überwiegt im 18. Jahrhundert, gegen dessen Ende (1790) auf einem Militärreglement anstelle der Krone sogar der Freiheitshut auf-

173 Strub, Kunstdenkmäler Freiburg, 1, 1964, S. 16–23, 70 f.; zu den Münzen Morar d, Freiburger Münzen, 1969, S. 174–177, 200–216, und Maissen, Empire, 2004, S. 21 f., Abb. 4. 174 Meier, Peinliche Gerichtsordnung, 1911, S. 218, betrachtet die Hinweise auf die Carolina, die seiner Grundthese widersprechen, auch in Fribourg als wenig relevant; anders Schaller, Développement, 1887, S. 11 f., 20. 175 Mattern, Wappenpyramide, 1983, S. 65, Abb. 8. 176 Vgl. die Rechtsamme jeder oberkeitl. standts-cammer vom 28. Februar 1716, abgedruckt bei Zollet, Entwicklung, 1926, S. 62; vgl. auch 37 f. 177 Auch auf einer Vedute von spätestens 1724, die allerdings aus der Augsburger Offizin Jeremias Wolffs stammt, krönt der Reichsadler noch die Wappenpyramide, ebenso auf zwei Wappenscheiben von 1670 und 1701, vgl. Strub, Kunstdenkmäler Freiburg, 1, 1964, S. 13, 17, 70 f. 178 Br etscher, Standesscheibe, 1977, S. 12, Abb. 2.

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taucht.179 In den Mandaten ist 1700 von »Souverains Seigneurs & Superieurs« die Rede, auf Deutsch allerdings gleichzeitig noch von »Gnädigen Herren und Oberen«. 1731 sind erstmals, dafür gleich in beiden Sprachen, »Ville & Republique« beziehungsweise »Statt und Respublic« genannt – allerdings schmücken noch die traditionelle Wappenpyramide mit den Reichsinsignien das Titelblatt, und die verschiedenen Formeln konkurrieren noch bis 1746, als sich ein absolutes »Respublic Freyburg« durchsetzt, also ohne ergänzende »Statt«.180 Auf den Mandaten prangt jetzt stets die Herzogskrone, die 1739 erstmals aufgetaucht ist.181 Die Kriegsordnung von 1746 erscheint auf Deutsch »gedruckt auf Befehl deren hohen souverainen Herren und Oberen des Klein- und Großen Raths der Respublic Freyburg zum Gebrauch dero Unterthanen«, auf Französisch »d’ordre de leurs souveraines excellences du Petit & Grand Conseil de la Republique de Fribourg, à l’usage de leurs sujets«.182 Entsprechend richten Untertanen als »Serviteurs et Sujets« ihre Briefe in dieser Zeit an die »Souverains Seigneurs et Princes«, nachdem sie diese schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts als »Nos Souverains Superieurs« haben ansprechen können.183 Von den ausländischen Mächten schreibt Genua im 17. Jahrhundert als »Serenissima Reppublica« auf Lateinisch und bald analog auf Italienisch dem »Consul et Senatus Reip.cae Friburgensis«. Damit stellt Genua Fribourg verfassungsrechtlich auf dieselbe Stufe wie sich selbst, während die Freiburger den ungewohnten Titel noch lange mit »Herrschaft« übersetzen.184 Erst viel später, ab 1736, folgen andere Mächte in Deutschland und Italien,185 nicht aber Frankreich, das nur vom »Canton de Fribourg« spricht, während auf Freiburger Seite nun von der

179 Dubois, Armoiries, 1918. 180 StaFR , Imprimés Nr. 4 (29. Januar 1700); Nr. 6 (20. Februar 1731, Neue Ordnung betreffend das Jagen, Fischen und Krebsen); im zeitlich unmittelbar anschließenden Mandat Nr. 13 (22. Februar 1731) bleibt »République« im Französischen, auf Deutsch heißt es jedoch bloß »Stadt«. In Nr. 10 vom 27. März 1732 steht dann wieder »Ville & Canton« bzw. »Stadt«; Nr. 16 (13. Juni 1746) schließlich »République« bzw. »Republick«. 181 StaFR , Imprimés Nr. 11 (16. April 1739). 182 StaFR , Imprimés Nr. 969. 183 StaFR , Papiers de France 1638–1665, (Brief vom 26. Februar 1658); Papiers de France 1769–1771, passim. 184 StaFR Gênes 1573–1620, 1621–1779, passim ab 28. November 1608. 185 StaFR , Allemagne, 16. Februar 1736; Rome-Venise etc., 4. Januar 1742; Espagne-Milan-Portugal, 18. März 1749.

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»Republique de Frybourg« die Rede ist.186 Ab 1782 dürfen die regimentsfähigen Familien, die wie die Zürcher die Phönix-Metaphorik pflegen,187 ihren Nachnamen durch ein »von/de« verschönern, was wenig später auch in Bern eingeführt wird.188 Die 1734–37 errichtete Staatskanzlei erhält über dem Portal als Skulptur zwei Löwen, die das Kantonswappen mit der Herzogskrone halten. 1776 schmückt Gottfried Locher die Decke des Großratssaals im Rathaus mit einer allegorischen Darstellung der Freiburger Republik in ihrem Wagen, die von einem Genius gekrönt wird und das Zepter hält; Gottes Auge wacht direkt über ihr.189 Die an Fassaden angebrachten Symbole der Freiburger Souveränität werden 1798 wie in Bern und anderen Orten zerstört, aber auf Regierungsbeschluss 1817 an den wichtigsten Gebäuden wieder hergestellt.

6. Solothurn In Solothurn stammt die erste nachweisbare Wappenpyramide mit Reichsadler aus dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts und schmückt das Berntor; bis heute sieht man den Adler auch auf dem Brückentor (1450), Bieltor (1542), Käfigturm (1542) und Zeitglockenturm (1545). Beim Berntor hält der Löwe als Schildhalter ursprünglich den Reichsapfel; dieser wird allerdings im 17. Jahrhundert durch Schwert und Zepter ersetzt. Auf Standes- und Gemeindescheiben findet sich die Wappenpyramide mindestens bis 1669, auf einer Bündnisscheibe mit dem Walliser Goms auch noch 1681.190 Beim Neubau der aareseitigen Fassade des Waisen- und heutigen Bürgerhauses wird 1733 ein Reichsadler vielleicht sogar neu angebracht, auf jeden Fall

186 StaFR Papiers de France 1747–1755, Februar 1752-August 1753; »République« erst ibid. 1785–1789 (16. August 1789). 187 1707 verfasst Johann Jacob Quentz ein Pindarisches Ehren-Gedicht uber den … Herren Frantz Peter Emanuel Fegeli, in dem er die Namen der 57 Schultheißen von 1240 bis 1707 aufzählt und abschließend ausruft: »Vivat der alt letzt letzt [sic] neue Phoenix von Freiburg Herr Franz Peter Emanuel Fegeli theurstes Oberhaupt.« Die faktische Erblichkeit des Schultheißenamts lässt 1740 Henrich Ignati Nicomedes Hautt ein ähnliches Gedicht verfassen: Phoenix reviviscens praetoris ex cineribus patris insignis Nicolaus Antonius a Montenach … eternis vivat annis. 188 Zollet, Entwicklung, 1926, S. 40, 45 f. 189 Strub, Kunstdenkmäler Freiburg, 1, 1964, S. 286 f. 190 Mattern, Wappenpyramide, 1983, S. 59.

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aber dort belassen.191 Auf der anderen Seite der Aare wird dagegen schon 1723 das Wappen am Landhaus mit der Herzogskrone verziert. Schon über hundert Jahre früher taucht auf Lateinisch die Fremdbezeichnung »Respublica« auf, spätestens 1600 in einem Schreiben aus Lugano für »Praesidi et Senatoribus inclytae Soloturnensis Reibub.ae«192 In einer in der Stadt erstellten Übersetzung eines venezianischen Missivs ist 1652 von der »Venedischen republic« die Rede.193 Das Titularbuch von 1666 führt die lateinische Wendung »Catholica Respublica« und sogar »Libera Respublica«, aber auf Französisch oder Deutsch bloß »Ville et Canton« oder »Statt« beziehungsweise »Schultheiß und Rath«.194 Im selben Jahr widmet allerdings Geheimrat und Stadtschreiber Franz Haffner seine halboffizielle Chronik »Hn. Schultheissen, Räth und Burgern der freyen Republic, weitberühmten uralten Statt Solothurn«.195 Doch Haffner datiert sein Werk über die Stadt auf das 745. Jahr, »da sie zum erstenmal an das Reich teutscher Nation kommen«. Dies bleibt also ein entscheidender Referenzpunkt, während der »teutsche Fridenschluß zu Münster« im Text wohl zweimal erwähnt wird, aber die Exemtion nur 1653 im Vorübergehen wegen eines Geschenks der Solothurner an Wettstein!196 Ein erster bewusster Bruch wird am 6. Juni 1681 vollzogen, als der Kleine Rat beschließt, dass im Bürgereid nicht länger des Hl. Römischen Reiches zu gedenken sei, da Solothurn »aller Reichspflichten, Lähen etc. gänzlichen alliberirt, Frey und leedig gesprochen worden, Beynebent Ein unmittelbahrer Souveran-Stand ist, auch aller Orthen dafür gehalten undt Erkandt wird«. Am Reichsadler im Wappen soll jedoch festgehalten werden »als Ein Ehrengedächtnus alten herkommens«.197 Wohl in derselben Zeit fällt auch der Bezug auf »kaiserliches Recht« in der Prozessordnung weg; stattdessen braucht man nun Formeln wie »Nach unserer Gnädigen herren und Obern Urtheil«.198 Die

191 Abgebildet bei Meles, Entschwinden, 1999, S. 158. 192 StASO AH 2,3 (31. März 1600); vgl. ibid. das päpstliche Schreiben vom 7. April 1645. 193 StASO AH 2,3 (13. August 1652, 26. März. 1655). 194 Wagner, Cantzley-Ordnung, 1666, S. 18–23, 47 f., 90 f. 195 Haf fner, Schaw-Platz, 1666, Dedicatio, 1, S. 576; 2, S. 302. Der Vorläufer Anton Haffner widmet seine Chronik von 1577 noch »Venner und Seckelmeister der löblichen wyttberümpten uralten Catolischen statt Solothurn«. 196 Haf fner, Schaw-Platz, 1666, 2, S. 206. 197 Meyer, Verfassungszustände, 1921, S. 237 f.; Schwinges, Solothurn, 1996, S. 451 f. 198 Meier, Peinliche Gerichtsordnung, 1911, S. 197.

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Herzogskrone über dem Stadtwappen, hinter dem sich Schwert und Zepter kreuzen, findet sich erstmals 1708 in einem Abkommen, das mit Luzern und Fribourg geschlossen wird; ihre Wappen sind dort ebenso geschmückt.199 Wenig später findet sich die Krone erstmals auf einem innenpolitischen Dokument, einem Mandat vom 20. Dezember 1709. Ungefähr zur selben Zeit, 1712, wird der schon 1623 begonnene, aber erst seit 1704 vorangetriebene Ausbau der Rathaus-Ostfassade abgeschlossen: Der spätgotische Turm von 1476 erhält auf beiden Flanken je einen Pavillon. Die Pavillons werden mit der klassischen Säulenordnung geschmückt, die nur Souveränen vorbehalten ist, was 1818 noch durch ein Relief mit gekröntem Standeswappen unterstrichen werden wird.200 Der erstmals 1653 angefertigte, großformatige Ratswappenkalender zeigt in der erhaltenen Version von 1693 im Kopfteil eine Stadtvedute: Über ihr thront Maria mit Kind und Zepter inmitten himmlischer Heerscharen, darunter die beiden Stadtpatrone Urs und Victor; unter der Vedute halten zwei Löwen Schwert, Zepter und die Wappenpyramide. Die spätere, offenbar auf 1757 zu datierende hochbarocke Fassung (Abb. 34) zeigt den gekrönten Solothurner Schild, direkt unter der Jungfrau und umgeben von den Stadtpatronen und weiteren Heiligen.201 Darunter öffnet sich ein Bühnenblick auf die Stadt, in deren Vordergrund Attribute der Republik zu erkennen sind: Freiheitshut, Rutenbündel, Rüstung, volles Füllhorn, Lorbeerkranz, Merkurstab, Waage der Gerechtigkeit, abgelegte Ketten, zuvorderst der Schriftzug SANGUINE PARTA FUIT FLORET CANDORE LIBERTAS . Auf dem 1729 erstmals erhaltenen Staatskalender stützen bis 1734 zwei Löwen mit Schwert und Zepter die Wappenpyramide, ab 1735 dagegen mit Schwert und Palmwedel den Standesschild mit der Herzogskrone darüber. Der Titel lautet bis 1761 Regiment-Büchlein … des hohen Stands Solothurn, ab 1762 und bis 1797 jedoch Regiments-Büchlein uber [sic] des Lobl. Standes und Republic Solothurn weltliche und geistliche Verfassung.202 Das große Siegel, erstmals 1447 verwendet, trägt den gekrönten 199 Noser, Solothurn, 1994, S. 27. 200 Zur Säulenordnung oben, S. 387 f.; Schmid, Rathaus, 1959, S. 27; das gekrönte Wappen abgebildet in Schubiger, Kunstdenkmäler Solothurn, 1, 1994, S. 29; Maur er, Niemandsland, 1980, S. 304 f. 201 Vgl. unten, S. 511 und 518 f., die Parallelen in Zug und Luzern; dazu auch Maissen, République, 1999, S. 23. 202 Noser, Solothurner Staatskalender, 1981, S. 164 f.; Schubiger, Kunstdenkmäler Solothurn, 1, 1994, S. 27–29, Abb. 63; ebenso bei Sigrist, Solothurnische Geschichte, 3, 1981, S. 7.

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Abb. 34: Solothurner Wappenkalender, 1757.

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Reichsadler ebenso wie das Sekretsiegel von 1473; beide sind bis zum Ende des 17. Jahrhunderts in Gebrauch. Von 1693 bis 1757 dient ein großes, von Gabriel Le Clerc gestochenes Hauptsiegel mit dem Solothurner Rundschild und darüber dem Doppeladler mit Maximilianskrone; die Löwen halten in der Pranke Zepter und Schwert, und die Umschrift lautet S. SECRETUM REIPUBLICAE SOLODORENSIS . Mit derselben Umschrift wird wohl zwischen 1720 und 1730 ein großes rundes Siegel angefertigt, auf dem der Solothurner Schild von einer Herzogskrone bedeckt wird. Dieses Siegel wird jedoch erst von 1760 bis in die 1820er Jahre verwendet.203 Ebenfalls 1760 werden erstmals seit 1642, als der Reichsadler noch obligat gewesen ist, Münzen geschlagen, mit einem gekrönten Wappen und einer Umschrift wie RESPUBLICA SOLODORENSIS .204 Dank dem Regimentskalender, den Münzen und einer recht intensiven Siegelproduktion kann also festgehalten werden, dass die Verweise auf das Kaiserreich erst um 1760 endgültig wegfallen und dann auch bewusst der Titel »Republic« aufgenommen wird. Dem entspricht auch die Titulatur der Mandate: Noch am 6. Juli 1757 findet sich dort eine Wappenpyramide. Während am 18. August 1756 ein Basler Mandat wieder abgedruckt und eingeleitet wird von der Formel »Wir Schuldtheiß, Raeth und Burger der Stadt Solothurn«, steht in einem analogen Fall am 30. November 1768 »Wir Schultheiß, Klein und Große Räth der Stadt und Republic Solothurn«.

7. Basel 205 Als Basel 1501 der Eidgenossenschaft beitritt, bedeutet das entgegen der Polemik einiger deutscher Humanisten keine Absage an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation – vielmehr wird dieses im Vertrag von beiden Seiten vorbehalten mit der Wendung: »als von des richs wegen«.206 Bei der Neuwahl des Rats werden jeweils der »Statt Frei203 Maissen, Empire, 2004, S. 23–25, Abb. 5, 8; Sigrist, Wappen, 1979, S. 204 f.; Schubiger, Kunstdenkmäler Solothurn, 1, 1994, S. 18 f.; Wappen, Siegel und Verfassung, 1948, S. 722 f. 204 Simmen, Solothurn, 1972, S. 91–101. 205 Die folgende Skizze ist eine Kurzfassung von Maissen, Selbstverständnis, 2000. 206 Vgl. Bonjour/Bruckner, Basel, 1951, S. 142 zum Reichsvorbehalt; vgl. Walther, Reichsbewusstsein, 1987, und zur humanistischen Deutung einer »defectio ab imperio« Kaiser, Vicini, 1995, S. 602.

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heitten« laut verlesen, die sie von den Römischen Kaisern und Königen erhalten hat, und auch das Blutgericht erfolgt »vermög der Keiserlichen geschribnen Rechten«.207 Anders als in der Eidgenossenschaft erhält auch die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V. am Rheinknie Gültigkeit, und ganz generell erweist sich der akademische Unterricht an der Universität als Einfallstor des römisch-kaiserlichen Rechts.208 Im Reich ist Basels Stellung seit dem frühen 15. Jahrhundert dadurch charakterisiert, dass es sich als »Freie Stadt« versteht. Anders als in den zahlreichen Reichsstädten ist für die Freien Städte die Ablösung vom Bischof konstitutiv, die mit der »Ratserkanntnis« von 1521 abgeschlossen ist. Da der König nicht als Stadtherr an die Stelle des Bischofs tritt, schuldet ihm die Freie Stadt keine Jahressteuern, und Huldigung und Heerfolge nur, insofern er Reichsoberhaupt ist. Ikonographischen Ausdruck findet diese Stellung darin, dass Basel als einziger der 13 Orte auf die Wappenpyramide verzichtet: In der Regel zwei Basilisken, Engel oder Bannerträger stützen das bloße Wappen mit dem Basler (Bischofs-)Stab, also ohne Reichsinsignien.209 Auf Münzen wird ab 1542 der Baselstab mit der Umschrift MONETA NOVA URBIS BASILIENSIS auf der Vorderseite mit einem Reichsadler kombiniert. Dies ist vertraglich im Rahmen des oberrheinischen Münzbunds abgemacht, doch im Unterschied zu den anderen Mitgliedern weigert sich die Freie Stadt, ihr Wappen unter den Adler zu stellen. Eliminiert wird der Reichsadler gleich nach der Exemtion: Auf einem Golddukaten ersetzt ihn 1653 die in einem verzierten Quadrat platzierte reine Inschrift DUCATUS NOVUS REIPUBLICAE BASILIENSIS .210 Schon am 21. Juni 1651 hat Basel auch auf den erwähnten Brauch verzichtet, die Kaiserprivilegien bei den Magistratswahlen verlesen zu lassen.211 Angesichts dieser gewiss von Wettstein betriebenen 207 Ryf f, Regiment, 1893, S. 18, 23. 208 Schnell, Rechtsquellen, 1, 1856, S. 364; Nagler, Carolina, 1910; vgl. Hartmann/Jenny, Amerbachkorrespondenz, 6, 1967, S. 598 (17. März 1546). Noch im 18. Jahrhundert wirken in Basel »kaiserliche Notare«, wo auch die »Reichsnotariatsordnung« Gültigkeit behält, vgl. Christ, Stadtgerichtsordnung, 1969, S. 95. 209 Vgl. Staehelin/Barth, Baselstab, 1991. Nur 1505, als vermutlich ein auswärtiger Künstler, der Luzerner Oswald Göschel, zuständig ist, findet sich eine Basler Standesscheibe mit Wappenpyramide (Landesmuseum, Dep. Nr. 29); dazu auch Mattern, Wappenpyramide, 1983, S. 58 f. Für weitere Basler Wappenscheiben Giesick e, Glasmalereien Schützenhaus, 1991, S. 50 f., 65, 79); dies., Glasmalereien Rathaus, 1994. 210 Winterstein, Taler, 1983, S. 58–60, 82 f.; Geigy, Basler Münzen, 1899, S. 11, 29 f., Tafel IV, Nr. 84; Tafel XIV; Cahn, Schweiger, 1899, S. 274–294. 211 Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 225 f.

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Änderungen ist es um so auffälliger, dass der Reichsadler beim Bürgermeister selbst in völlig ungewohnter Form wieder auftaucht: Auf einer blauen Glasflasche von 1664 findet sich auf einer Seite Wettsteins Wappen, auf der anderen die ja sonst kaum belegte Wappenpyramide über zwei Baslerstäben – möglicherweise ein Bezug zum Adelstitel, den der Kaiser dem außenpolitisch durchaus reichsfreundlichen Basler 1653 verliehen hat. Ein Reichsadler prangt auch auf dem schönen Pokal, den Wettstein als Dank für seine westfälische Mission von fünf Basler Kaufleuten erhält: In seiner Kralle hält der Adler nicht nur einen Palmwedel, sondern eine Urkunde, deren Schriftzug sie als PRIVILEGIA von FERDINAND III. ausweist.212 Die beiden Beispiele zeigen, dass selbst im Umfeld des Hauptverantwortlichen für die Exemtion diese nicht umgehend mit völkerrechtlicher Souveränität gleichgesetzt wird, sondern als das, was sie in den Augen des Kaisers eigentlich ist: eine Angelegenheit, die im Rahmen von Reichsrecht und Reichsidee verbleibt.213 Als aber 1666 der Bürger Theodor Falkeisen in einem langwierigen Rechtsstreit den Wiener Reichshofrat involviert, verwahrt sich Basel dagegen, »bei unserer weltbekannten exemption, freiheiten und souveränen judicatur ohnperturbirt«. »Zu rettung unserer obrigkeitlichen autorität« wird der streitbare Falkeisen 1671 gar hingerichtet, weil er versucht habe, »unseren freien stand dem röm. kayser und dem reich underwirfig zu machen«.214 Ein Jahr später, nach dem Tod des Stadtgerichtsvogts, wird dessen Amt abgeschafft und die Funktion dem Schultheißen übertragen, »nach reifer und sonderbahrer Erwegung, wo dieses Ambt herrüren thüge und daß es bei vielen Ohnwüssenden noch etwelche alte Vestigia und Schatten einer Subjection und Dependenz vom Reich nach sich ziehen möchte, von welchem wir doch als ein bekanter souverainer Stand allerdingen exempt und befreyet, ganz und gar nicht befinden können, solches wiederumb zu bestellen.«215 Antistes Lucas Gernler erklärt 1660, ursprünglich habe das ganze Volk als »Corpus Politicum« das Recht gehabt, die Herrscher selbst zu wählen. Ist das »Regiment formirt und auffgerichtet«, kooptiert jedoch die Obrigkeit selbst die Regenten, insofern sie »die Person deß gantzen

212 Maissen, Insignes, 1999, S. 483, 501, Abb. 5; Barth, Wettstein-Pokal, 1998, S. 260–268; die Glasflasche ibid., S. 95; Mommsen, Bodins Souveränitätslehre, 1968. 213 Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 262 f. 214 Kölner, Falkeisensche Handel, 1955, S. 71–74, 82–89. 215 Schnell, Rechtsquellen, 1, S. 596.

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gemeinen Wesens, deß gantzen Volcks und Vatterlands vertrette« – Gernler argumentiert hier mit der römischrechtlichen »Identitätsrepräsentation«.216 Die Vorteile des »freyen Regiments« blieben aber dabei bestehen: Vielzahl der Herrschenden und Ämterrotation, die Amtsmissbrauch und Unterdrückung verhinderten, zumal »einem jeden ehrlichen und verständigen Mann die Thür der Ehren offen« stehe, wenn Wahlen die Regenten aus der Bürgerschaft bestellen.217 Gernler grenzt also die erst gerade aus dem Kaiserreich entlassene Heimatstadt systematisch von der Monarchie ab und spricht andererseits der oligarchischen Regierung das Recht zu, sich durch Kooptation selbst zu konstituieren – sofern sie den ethischen Erfordernissen einer gerechten Herrschaft genügt. Wenig später dreht sich das »Einundneunziger Wesen« um die Frage, wie dieses »freye Regiment« legitimiert wird und wer effektiv daran beteiligt ist, also zum Souverän gehört: nur der Kleine Rat, auch der Große Rat, oder gar die Bürger in den Zünften? Der Konflikt beginnt, als der Große Rat postuliert, dass er zusammen mit dem Kleinen Rat die Obrigkeit bilde.218 Dagegen erklärt der Kleine Rat, dass die »Gattung und Beschaffenheit unserer Republic« ein »democraticum und popularem statum« sei, in dem die »Majestät oder der höchste Gewalt fundamentaliter penes universum Populum, oder bei der gesamten Burgerschaft stehet«. Am Volk machten allerdings die Kleinräte den »großeren« und »auserlesenen Theil« aus, und damit seien sie es, die – wie »in den wohlbestelten Republiken von allen Zeiten her üblich« – als »Magistrat oder Oberkeit« und »anstatt des gantzen Volcks« die Kompetenz der hohen Gewalt »exerzieren«, allerdings unter Einbindung in gewisse (Fundamental-)Gesetze und »Restrictionen«. Die »Sachen von höchster Importanz« könne der Magistrat nicht ohne »der gesamten Burgerschaft Will und Meinung« entscheiden: Bündnisse, Krieg und Frieden, neue Steuern und Änderungen in Religionssachen.219 Nach dem Verständnis der Kleinräte ist es aber der Große Rat, der in diesem eingeschränkten Sinn die »populi voluntas« repräsentiert, und damit schlagen sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Einer216 Dazu Mager, Genossenschaft, 2001. 217 Gernler, Predigt, 1660, S. 5–11. 218 Müller, Ratsverfassung, 1954, S. 43; zum Einundneunziger Wesen auch Würgler, Unruhen, 1995, S. 46–52 und passim; Isenmann, Gemeinde, 1991, S. 220–224; zuletzt Burghartz in Kr eis/von Wartburg, Basel, 2000, S. 133–136. 219 StABS , Politisches, W1, Gutachten von Ratschreiber Dr. J. J. Faesch, Juni 1691; vgl. Burckhar dt, Begehren, 1866, S. 88.

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seits hat der Große Rat im Normalfall keinen Anteil an der »obrigkeitlichen Authoritet und Gewalt«,220 und andererseits ist selbst in »Sachen von höchster Importanz« nicht die in den Zünften organisierte Bürgerschaft, sondern der Große Rat Hüterin der Fundamentalgesetze. In dieser Deutung findet die »Identitätsrepräsentation« des Volks allein im Großen Rat statt und nicht, wie noch 1660 bei Gernler, in der ganzen Obrigkeit. Das Regiment, und zwar auf die richtende und ausführende Gewalt des Kleinen Rats reduziert, steht nicht mehr für das Volk, sondern über ihm und ihm gegenüber – wie ein souveräner Herrscher. Gegen die widersprüchlichen Prätentionen sowohl der Klein- wie auch der Großräte richten die Bürger beziehungsweise die Zunftausschüsse als dritte Partei unter anderem das Postulat, der geheime Dreizehnerrat als wichtigstes Regierungsorgan müsse »gäntzlichen abgethan« werden, da er »nach der Souverainetet schmeckht«. »Souveränität« ist hier gleichsam als Gegenbegriff zu Fundamentalgesetzen und »Restrictionen« zu verstehen: Durch sie wird eine absolute Herrschaft der Räte möglich. Entsprechend kategorisch ist das Gutachten des Großen Rats zu dieser Forderung der Ausschüsse: Die Dreizehner seien nicht nur »Kriegs-, sondern auch geheimer Stand-Rhat, und dessen man in keiner Republiq entbähren kan«, da er allein rasch, »ohn langes auffhalten«, entscheiden könne.221 Zuletzt geht der Große Rat aus der doppelten Konfrontation mit Kleinräten und Bürgerschaft gestärkt hervor. Er erklärt, dass »die oberkeit in unsr vorige wohlhergebrachte von gott und rechts wegen unß zustendige hochheit, autorität und einsehen gesetzet, befestiget und darbei erhalten« worden ist – womit er gemeinsam mit dem Kleinen Rat die Souveränität beansprucht.222 Die Position der unterlegenen Bürger wird vom emigrierten Jacob Henric-Petri in seinem Traktat Ba220 Vgl. im Gutachten: »3. Weilen die Herren Sechser oder Grosse Räth die Gemeind oder bürgerschafft repraesentiren, muß nothwendig folgen, daß sie eÿgentlich kein theil der Obrigkeit machen, angesehen in allen Popular Ständen die Obrigkeit von der Gemeind oder den bürgern unterschieden ist; wann nun sie die bürgerschafft repraesentiren sollen, ist nicht abzusehen, wie sie zugleich obrigkeitliche Persohnen seÿen und ein theil des obrigkeitlichen Standts machen sollen; und hindert nichts daß sie in gewißen fählen und Vorfallenheiten zu dem gemeinen Rathschlägen müßen berufen werden, dann daraus nichts anderes zu schließen, alß daß der Obrigkeitliche gewalt deß Raths nicht absolut, sondern durch gewisse recht und freÿheiten, so die burgerschafft und die derselben stell vertretten, sich referirt haben, limitiert seÿe.« 221 StABS , Politisches, W1, Puncten, Nr. 22 (12. September 1691). 222 Huber, Urkundenbuch, 11, S. 168 (7. September 1691); Müller, Ratsverfassung, 1954, S. 45–47.

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sel-Babel vertreten, worin er »Republic« als »freyen burgerlichen Stand« definiert und sich auf Gernler beruft, wenn er für einen jeden »freyen Burger« ungehinderten Zugang zu Ehren und Ämterrotation fordert.223 Bezeichnenderweise stellt die Basler Obrigkeit dem »treulosen Bürger« Henric-Petri nach, weil er ihre »Souveränität, Regierung, Ehr, Reputation und Ansehen« angegriffen habe – und ebenso bezeichnend ist, dass Henric-Petri sich als »offenbahrer Reichs-Burger« in kaiserliche Obhut flüchtet und, ganz ähnlich – und ebenfalls erfolglos – wie früher schon Falkeisen, beim schwäbischen Landgericht gegen Basel klagt.224 Verschiedene Medaillen feiern 1691, was obrigkeitlich als Versöhnung von »Senatus Populusque« dargestellt wird, und damit beginnt die offizielle Laufbahn der »Basilea« als Standespersonifikation, nachdem sie der aus Linz eingewanderte Neubürger Johann Christian Frisch 1675 auf einem Ratstisch erstmals künstlerisch dargestellt hat, mit Mauerkrone, Stadtschlüssel und Regentenstab.225 Auf einer der 91er Medaillen repräsentiert eine als Minerva gewappnete Frauenfigur den »Senatus«, auch hier – wie in Zürich und Bern – mit der Eule des weisen Rats (Abb. 35). Von rechts reicht ihr eine Basilea mit Freiheitsmütze als Verkörperung des »Populus« die Hand, ein Zeichen der Versöhung, das von der Grundidee her ähnlich auf dem Genfer Medaillenentwurf von 1707 begegnet ist.226 Nicht klar ist, ob mit diesem »Populus« die Bürgerschaft gemeint ist oder bloß – im Sinne der Identitätsrepräsentation – der Große Rat. Vermutlich ebenfalls auf das Einundneunziger Wesen bezieht sich eine Prägung, auf deren Avers das weibliche Brustbild mit Mauerkrone durch die Umschrift eindeutig als INCLYTA BASILEA (»berühmte Basilea«) identifiziert ist, während sich die fürsorgliche Weitsicht des Rates (PROVIDENTIA SENATUS ) auf dem Revers durch zwei Männer in Toga (Klein- und Groß223 Henric-P etri, Basel-Babel, 1693, S. 3, 43–45, 60 f. 224 Copia … in causa famosa, o. O. 1695, S. 4 f. 225 Jetzt im Historischen Museum; vgl. Baer, Kunstdenkmäler Basel-Stadt, 1, 1971, S. 474 f., Abb. 369. Wohl ebenfalls Frisch zuzuschreiben ist ein Fassriegel von etwa 1680, wo Basilea zwei Füllhörner hält. Vgl. zu Basilea die Beiträge in Hess/ Lochmann, Basilea, 2001, v. a. S. 46–57, sowie Maissen, Selbstverständnis, 2000, S. 27, Abb. 1. Für etliche Hinweise bin ich Stefan Hess sehr dankbar. 226 Hess/Lochman, Basilea, 2001, S. 130, Abb. 103 (HMBS , Inv. 1905.1030); eine Variante bei Geigy, Basler Münzen, 1899, S. 133, Tafel 37, Nr. 755 (HMBS Inv. 1943.3364. Beidesmal wird die linke Frauenfigur wohl wegen der Rüstung als Athene gedeutet; die »Donna simile a Minerva« ist jedoch die Vorlage für die Allegorie des »Governo della Republica«, vgl. Ripa, Iconologia, 1603, S. 194. Dazu auch oben, S. 261 f.; zu Genf oben, S. 440 f.

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Abb. 35: Verdienstmedaille, Basel 1691.

rat?) ausgedrückt findet, die eine weibliche Statue mit Ölzweig und Freiheitsmütze halten – auch sie wohl Basilea.227 Auf Medaillen ist sie dann im 18. Jahrhundert allgegenwärtig, behelmt oder mit Mauerkrone, mit Baselschild, Füllhorn, Lanze oder Freiheitshut, oft auch der keuschen Minerva nachgebildet.228 In einem der frühesten erhaltenen Staatsbriefe aus den Niederlanden wendet sich 1616 der oranische Statthalter an die »republicque de Basle«, und auch Franzosen gebrauchen bald diese Anrede.229 Als offi-

227 Geigy, Basler Münzen, 1899, S. 133, Tafel 34, Nr. 754. 228 Vgl. etwa StABS , Handel und Gewerbe B 15: Andreas Holzmüllers Titelblatt zum Wappenbuch der »loblichen Directorÿ der Kaufmannschaft«, 1716. 229 Huber, Urkundenbuch, 11, S. 31, vgl. auch S. 34 und StABS , Fremde Staaten: Niederlande, A 1 (24. Mai 1649): »Stadt en Republicque van Basel«; der Duc de Rohan in StABS Politisches P 1, 19. Februar 1635: »Vostre Republique«.

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zielle Selbstbezeichnung erscheint »Stadt und Respublic Basel« dagegen spät und nur selten: Noch in den 1790er Jahren ist der schlanke Titel »Stadt Basel« für sich allein die Regel – wobei in französischen Dokumenten früher und öfter »ville et republique de Basle« steht.230 Bezeichnenderweise taucht »Republik« dann häufiger auf, wenn – insbesondere bei den Bettagsmandaten – Basel ein Mandat zusammen mit anderen Kantonen wie Bern unterzeichnet, wo der Titel üblich ist. Vielleicht ist es die dort klar patrizisch-aristokratische Konnotation des Worts, die den Rat der Zunftstadt so zurückhaltend reagieren lässt, als der einheimische Johann Ulrich Samson 1778 und 1780 aus reiner »Vaterlandsliebe« je ein neues kleines und großes Siegel verfertigt, die beide die Umschrift SIGILLUM REIPUBLICAE BASILIENSIS tragen. Das »sehr schön verfertiget großes Insigel« wird gelobt und vergütet, aber nicht in Gebrauch genommen.231

8. Mülhausen 1515 wird das elsässische Mülhausen mit demselben Status wie St. Gallen zugewandter Ort der Eidgenossenschaft, ab 1586 allerdings nur noch der reformierten Orte.232 Wettstein versucht 1647, die Nachbarstadt Basels in die Exemtion einzuschließen, was aber wie bei den anderen Zugewandten nicht gelingt. Wenigstens kann er durchsetzen, dass Mülhausen nicht mit den anderen Mitgliedern der elsässischen Dekapolis als Reichsstadt im Friedensvertrag erwähnt ist. Zwar werden ihnen allen dabei die reichsstädtischen Privilegien bestätigt, doch dieser Status, auch in Mülhausen traditionell und mindestens bis 1644 durch Reichsadler und Wappenpyramide ausgedrückt, birgt nunmehr große Gefahren. Weil der Kaiser alle seine Rechte im Elsass und damit die Schutzbefugnis über die dortigen Reichsstädte dem französischen König überträgt, droht ihnen der Anschluss an die westliche Groß230 Vgl. in StABS , Bf 1, die Mandate vom 26. April 1762 (Verordnung über die Annahme neuer Bürger) oder vom 24. Februar 1794, außerdem die Bettagsmandate, etwa 24. August 1774, 7. September 1775 oder 19. März. 1796; zum Französischen Huber, Urkundenbuch, 11, S. 310 (3. Januar 1783); dort deutsch erstmals auf S. 311 (9. August 1785: »burgermeister und rath der stadt und republic Basel«). 231 StABS , Räte und Beamte G2 (Wappen und Siegel, 20. Mai 1778); vgl. Staehelin/Barth, Baselstab, 1991, S. 99 f. 232 Eichenberger, Mülhausen, 1977, S. 177–182.

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macht, der im Zeitalter der Reunionen 1673 auch Wirklichkeit wird.233 Dieser Gefahr kann allein Mülhausen trotzen, und zwar indem es nicht – wie Colmar, Schlettstadt und die anderen Schicksalsgenossen – die Reichsbande, sondern die Allianz mit den Eidgenossen betont. Damit erlangt es einen vorerst unsicheren Zwischenstatus zwischen drei Mächten und unterschiedlichen Staatsvorstellungen. Der Kaiser lädt die Stadt 1662 denn auch zum Reichstag nach Regensburg ein und bittet sie 1663, die Türkensteuer zu bezahlen, worauf Mülhausen aber nicht reagiert. Dagegen erzwingt der französische Präfekt, dass ihm als Schutzherren der Dekapolis fortan die Reichssteuer entrichtet wird. 1656 wird das widerwillig zugestanden, unter dem Vorbehalt, dass Frankreich damit nicht »Superioritatem, Dominium, Jurisdictionem, Jus Advocatiae, Collectandi etc.« erlange. Die letzte Quittung zugunsten Mülhausens »pour son droit de Reichssteuer« stammt vom 1. Februar 1791!234 Wie bedrohlich Frankreich ist, zeigt die Einnahme von Straßburg 1681 nur zu deutlich. Die eidgenössischen Gesandten, die glauben, dem Sonnenkönig zu diesem Ereignis gratulieren zu müssen, dürfen dies nur tun, wenn sie in ihren Reden in Ensisheim weder Genf noch Mülhausen erwähnen.235 In dieser Situation wird 1682 der Mülhausener Ratsaal neu ausgemalt und dabei das Bündnis mit den Schweizern in den Mittelpunkt gestellt – auch zu den katholischen: Neben einem Wandgemälde des Rütlischwurs werden die Wappen der dreizehn Orte samt Zugewandten angebracht.236 Eine gewisse Entspannung bringt erst der Friede von Rijswijk, in den auch die Elsässer namentlich eingeschlossen werden. Im selben Jahr schreibt Louis XIV seinem Botschafter Puysieulx, er lasse ihn entgegen der früheren Praxis einen direkten Brief an die Stadt übermitteln, nachdem er sie bisher nicht wie die anderen Zugewandten als »un Etat indépendant«

233 Dazu allgemein Repgen, Satisfaktionsartikel, 1998, für das Zitat S. 207; eine Mülhauser Wappenpyramide bei Ryf f, Circkel, 1597, fol. 630; für weitere Reichsadler Windler, Souverainität, 2001, S. 335, Anm.16; vgl. die Doppeladler in der einzigen Prägeserie von 1622/23, Schoen, Catalogue, 1922; außerdem die Merianvedute von 1644 in der Topographia Alsatiae. 234 AMVM , Nr. 8558; XIII M 5 für die Auseinandersetzungen über die Bezahlung der Reichssteuer, 16. November 1656 für den zitierten Vorbehalt, 26. November für die entsprechende Bestätigung; vgl. Livet/Oberlé, Histoire, 1977, S. 105– 117; für die Türkensteuer Oechsli, Orte, 1888, S. 200. 235 Dazu Livet/Oberle, Histoire, 1977, S. 114 f.; Rousset, Ceremonial, 1739, S. 71. 236 Engel, République, 1996, S. 159 f.; vgl. auch die Abbildung bei Livet/Oberlé, Histoire, 1977, S. 158.

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8. Mülhausen

betrachtet habe, da sie früher zur »souveraineté d’Alsace« gehört habe.237 Dass Mülhausen in diesen Jahrzehnten weniger auf die Eigenstaatlichkeit setzt als auf die Schutzmacht Schweiz, verrät sich auch aus der Titulatur. Häufig findet sich während des 18. Jahrhunderts »Mülhausen in der Schweiz«, ja sogar »Canton Mülhausen« als Briefadresse, was nur politisch und nicht geographisch einen Sinn macht.238 Unterzeichnet werden die Briefe von »Burgermeister und Rath der Stadt Müllhausen«, und auch die Mandate erlässt bis 1798 die »Stadt Mülhausen«.239 Die Anrede als »Maîtres Bourgeois et Conseil de la Ville et République de Mulhouse« findet sich nur ausnahmsweise, so 1714 seitens von Neuchâtel, und wird von Mülhauser Seite nicht gebraucht.240 Von dieser Titulatur Schutz zu erwarten, wäre ohnehin illusorisch: Mit »Republique de Strasbourg« hat die nördliche Nachbarstadt ihre Briefe an den französischen König unterschrieben und 1675 freundliche Worte vom französischen Hof zur Antwort erhalten: »Je puis vous assurer, MM . les Préteurs, Consuls et Sénat de la République de Strasbourg, de la bonne, franche et sincère amitié que S. M. a pour ses bons amis, alliés et voisins qui composent cette République.«241 Sechs Jahre später werden aus den benachbarten Freunden Untertanen des Sonnenkönigs. Auch als nach dessen Tod solche Gefahren nicht mehr im Vordergrund stehen, wird die ängstlich gepflegte gute Nachbarschaft mit Frankreich um 1740 als Folge des Bündnisses mit der Schweiz und der »independenz« verstanden; ohne sie würde das »gemeine Wessen« Mülhausen bald unterjocht werden und müsste dann – wie seine elsässischen Nachbarn – drückende Steuern und Fronleistungen ebenso tragen wie die Kriegsgefahren, vor denen es bisher die eidgenössische Neutralität bewahrt hat.242 Der Stadtschreiber Reber äußert in seiner 237 238 239 240

Zitiert bei Oberlé, Fin, 1977, S. 96. Eichenberger, Mülhausen, 1977, S. 208. AMVM , I B 12. AMVM , XIII G 3; vgl. Windler, Souverainität, 2001, S. 337; in Anm. 27 weitere Beispiele französischen Ursprungs ab 1735. 241 Georges Livet, L’Intendance d’Alsace sous Louis XIV, 1648–1715, Strasbourg/Paris 1956, S. 407, zitiert bei Windler, Souverainität, 2001, S. 338, Anm. 24; ferner die Abschriften in StAZ A 1703 (9. Januar und 10. Februar 1673). Auch auf Deutsch wird von »Statt und Republiq Straßburg« gesprochen, vgl. Erleuterungen über die fürnemsten Artickel Hrn. Graffen Cazati Schreibens an löbl. Orth der Eydgnoßschafft underm dato Chur den 7. Tag Meyen 1675, s. a., s.l., S. 9. 242 Eichenberger, Mülhausen, 1977, S. 205 f., 236; vgl. auch für das Folgende S. 120–122.

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Schwörtagrede von 1738 ähnliche Gedanken. Aufgabe der Obrigkeit sei es, Stadt und Bürger »beÿ ihren alten erworbenen rechten und privilegien zu erhalten, weil diese so zu reden, das leben und die seele einer republic sind, durch welche sie allein in ihrem bestand und flohr erhalten werden kan«. Gerade »wegen der bestreitung und herzhafter vertheidigung ihrer privilegien« habe die exemplarische Eidgenossenschaft ihren »freÿen Independenten Stand« erreicht.243 Reber ist noch ausgesprochen traditionell, sowohl was die Begründung von Herrschaft betrifft als auch hinsichtlich ihrer Kompetenzen; die Gesetzgebung fehlt, vom Kriegsrecht nicht zu reden.244 Nach der schmerzvollen und demütigenden, aber zuletzt bestandenen Prüfung im Dollfushandel von 1738 interpretieren die Mülhauser die »wohlhergebrachte Freyheit und Intependenz« extensiver im Sinn völkerrechtlicher Souveränität und beweisen schon bald Eigenständigkeit auch in der Außenpolitik. Als Louis XV 1744 Freiburg belagert, entsenden sie im Unterschied zu den anderen Schweizer Orten eine Gesandtschaft, nachdem der König zugesagt hat, »dass Sie mit allen Solennitaeten, und wie Deputierte eines Souverainen Standes werden empfangen werden«.245 Das geschärfte Bewusstsein zeigt sich auch in den Schwörtagreden, die Rebers Nachfolger hält, der Stadtschreiber und Kleinrat Josua Hofer, der auch Mitglied der Helvetischen Gesellschaft wird. Von 1748 bis 1797 kommt er immer wieder auf die Ursprünge der Freiheit seiner Stadt zu sprechen, die durch die »Altvorderen vom Römischen Reich hergebracht« worden sei. Mit dem früheren Status einer Reichsstadt kontrastiert Hofer die gegenwärtige »Souveränität, die uns der Schweizerbund gibt«.246 In den Reden erklingt regelmäßig das Bekenntnis zur »freien und souveränen Republik«, welche die Fundamentalgesetze (persönliche Freiheit, Rechtsgleichheit, Gesetzesherrschaft, Ämterwahlen, freie Meinungsäußerung) beachte, während in der Monarchie stets die Gefahr von Tyrannis und Despotie lauere.247 Hofers Betonung der republikanischen Freiheit gegen die Gefahren einer despotischen 243 244 245 246

AMVM VIII R 14, S. 805 f. AMVM VIII R 14, S. 818.

Zitiert bei Eichenberger, Mülhausen, 1977, S. 232. Schwörtagsreden 1755, 1756 und 1765, vgl. 1757, 1765, 1767, 1777, 1781, 1786, 1789. Die handschriftlichen Fassungen der Schwörtagsreden Josua Hofers finden sich in AMVM , II B 37a; einzelne Reden sind gedruckt worden.Vgl. dazu Windler, Schwörtag, 1996; ähnlich ders. Souveränität, 2001, S. 343–358. 247 Windler, Souveränität, 2001, S. 347: Schwörtagsrede 1755 und 1786, vgl. Schwörtagsreden 1748, 1761, 1765, 1769, 1772, 1773, 1785 und 1786.

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9. Schaffhausen

Monarchie dient als Identifikationsangebot an die nicht regimentsfähige, aber zusehends wohlhabendere Bürgerschaft, welche der städtischen Obrigkeit im Dollfushandel Konzessionen abgerungen hat und auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine »patriotische«, von Aufklärungsidealen inspirierte Opposition nährt. Dabei werden das Wort »Republik« und seine Ableitungen zu einem von beiden Seiten reklamierten und unterschiedlich interpretierten Leitbegriff. Schon 1738 hat die Bürgerschaft die Erweiterung des Großen Rats und die Drucklegung der Gesetze »in unserer kleinen Republiq« gefordert.248 1764 machen die Bürgersöhne in einer Eingabe an den Rat ihr Recht geltend, bei Tanzveranstaltungen zuschauen zu dürfen. Das sei an fürstlichen Höfen erlaubt und müsse es daher erst recht in einer freien Republik sein zu der die Mülhausener »Gott seye dank, als freÿe schweizerische Republicaner« seit über 200 Jahren gezählt werden können.249 Bei aller Ehrfurcht in den Formulierungen versteht diese Eingabe die »Republik« nicht nur als herrschaftliche Institution, sondern als freiheitliche – und zwar nicht in einem politisch-partizipativen Sinn, sondern zuhanden einer Gesellschaft, die durch Vorschriften nicht unnötig in ihren Vergnügungen limitiert werden soll.

9. Schaffhausen Das rechtsrheinische Schaffhausen mit seinen zahlreichen wirtschaftlichen, politischen und privatrechtlichen Banden mit der schwäbischen Nachbarschaft hält lange an Reichssymbolen fest. Auf Scheibenrissen findet sich der Reichsadler mindestens bis 1669,250 im selben Jahr schmückt er eine Supraporte im Inneren des Staatsarchivs.251 Die letzte, nicht ausgeführte Schaffhauser Serie von Probemünzen zeigt im Jahr 1698 den Doppeladler auf dem Revers.252 Das Äußere von Reichsmünzen dürfte auch bewahrt werden, um im benachbarten oberdeutschen Raum möglichst problemlose Wirtschaftskontakte pflegen zu können.253 Auch die Kantonskarten von 1684 und 1715 präsentieren

248 249 250 251 252 253

Eichenberger, Mülhausen, 1977, S. 247. AMVM , II A 2 (5. Dezember 1764). Stiefel, Glasgemälde, 1967, S. 33, Tafel 49. Frauenfelder, Kunstdenkmäler Schaffhausen, 1, S. 223 (Abb. 304), 225 Wielandt, Schaffhauser Münzgeschichte, 1959, S. 182 (Nr. 373), 204 (Nr. 746). Schöttle, Bilder, 1918, S. 7.

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die Wappenpyramide, und noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts lässt der Rat zu, dass an den Beschlägen seines Sitzungssaals der Schaffhauser Bock durch den Adler überhöht wird.254 Bis heute hält der Mohr auf dem zentralen Fronwaagplatz weit sichtbar das Reichsschild über dem Brunnen. Entsprechend bedankt sich die Stadt auch noch 1624 »allerunderthanigst« bei Ferdinand II. für »gnedigiste confirmation unserer von Röm. Kaÿsern und Königen erworbener und wolhergebrachten kai. und kön. privilegien gnad und freiheiten«.255 Nachdem die Stadt im Mai 1652 – nach der Exemtion und anders als Basel – noch einmal an den Regensburger Reichstag eingeladen worden ist,256 wird am 7. Juni 1652 im Schaffhauser Rat erörtert, ob der bislang übliche Schwur auf das Reich »durchzustreichen« sei oder – wie schließlich beschlossen wird – »verbleiben« soll. Äußerst aufschlussreich ist ein Gutachten, das in diesem Zusammenhang verfasst wird und »alle so beschaffene Newerung gefahrlich und schädlich« ansieht.257 Der anonyme Verfasser hält fest, dass der Schwur von »Trew und Wahrheit« keinen Huldigungseid von Untertanen darstelle, sondern eine freiwillige Verpflichtung, die nicht »unseren Eidtgnoßisch freÿen stand und Oberherrlichkeit präejudzierlich und nachtheilig sei«.258 Wohl sei Schaffhausen wie die Eidgenossenschaft »ein gantz volkommen gefreyter und eximierter Stand, welcher nit allein von dem keÿserlichen hoff- und kammer- und allen anderen ußlendischen Grichten, sondern auch von allen beschwärden und ansagen des Reiches und übrigen underthänigen Dienstbarkeiten gantz befreyt, exemt und gelediget ist«; doch das bedeute nicht, dass sich die eidgenössischen Orte vom Reich »abgeworffen und durchaus abgesondert habind; sondern sie bekennen sich zu demselbigen, geben sich für dessen freye ständ aus, wollen auch dessen lob, ehre, ruhm, nutz und frommen haben.«259 Die beschworene Treue zum Reich sei nicht nur »unserer völigen frÿheit« nicht zuwider, sondern entspreche den alten eidgenössischen Bünden, in denen das Reich stets vorbehalten sei. Der 254 Mommsen, Eidgenossen, 1958, S. 63. 255 StASH , Deutschland allgemein, Nr. 13; für die Kantonskarte Wyder, Karten, 2000, S. 24–26. Vgl. auch die Erklärung von 1577 bei Bächtold, Schwurformel, 1967, S. 77. 256 Gauss/Stoecklin, Wettstein, 1953, S. 179. 257 StASH Verträge A1, Nr. 27: Ursachen warumben in unser burger-offnung und amts eines Burgermeisters der klein und groß Rathen Eiden nichts zu veränderen (anonym, Juni 1652). 258 Ibid., S. 2. 259 Ibid., S. 2 f.

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9. Schaffhausen

Bestand des heimischen »Regiments« wird also nur im Rahmen des Reich als gesichert erachtet: »Bey alten gewohnheiten und sitten mag ein Regiment steiff, recht und ufrecht bestehen«.260 Das Gutachten führt historische Präzedenzen an, in denen die »Altvorderen« mit dem Kaiser gemeinsam gekämpft oder bei ihm »schuz und schirm« gesucht und erhalten hätten.261 Wettstein habe in Westfalen »uf die alte befreÿung von frembden gerichten getrungen«; es sei weder seine Intention noch sein Auftrag gewesen zu fordern, »das wir kein gefreytes glid des h. Romischen Reichs mehr sein wollind (deßen man doch biß anhero ruhm und ehr, auch den namen haben wolle)«.262 Wenn aber tatsächlich mehr erreicht worden wäre, als man begehrt hatte, dann wäre dies doch mit mehr Feierlichkeiten und »Solemniteten« begangen worden. Zumindest komme der »gantz ehrlibenden burgerschafft« dabei ein Mitspracherecht zu: Die Burgeroffnung sei »in diesem passu gleichsam ein mutuum pactum und vertrag«. Es handle sich um einen »fundamentel punct«, und darin gelte nach CIC , Codex 5.59.5.2.: »Quod omnes tangit ab omnibus approbari debet«. Überschreite man hierin die von den Vätern gesetzten Grenzen, gefährde man auch die von ihnen teuer erworbene und im Eid bewahrte »vollige freÿheit und exemtion«: »Die trew und wahrheit, so wir dem H. Römisch Reich und unser gemeinen Stat schweren, sind unverschiden zusammen gebunden. … Es ist ein Cirkhel, so meines erachtens ohne gantzliche zerbrechung nit mag aufgelöset werden.«263 Die allen Änderungen abholde Argumentation im Gutachten von 1652 geht nicht überall auf, etwa bei der empfohlenen Ausrichtung auf Zürich, wo die Eidesformel ja tatsächlich abgeändert wird, oder bei der Türkensteuer, zu der eine Marginalie einiges richtig stellt. Entscheidend ist jedoch, dass die Exemtion auf die Gerichtsbarkeit beschränkt wird, während der Reichsverband als verfassungsrechtlicher Rahmen beibehalten werden soll: Die Schweizer Freiheiten beruhen auf dem alten Herkommen, dieses wird nur im Rahmen des Reichs gewährleistet und geschützt, und wenn man sich in diese Rechtsordnung einfügen will, muss dies durch die Schwurformel markiert werden. Entsprechend beruft sich das Malefizgericht dann bis 1798 auf das Reichsrecht, und sein Vorsitzender heißt ebenso lange Reichs-

260 261 262 263

Ibid. S. 9, als Übersetzung von »Moribus antiquis stat res romana virisque«. Ibid., S. 6 f., 10. Ibid. S. 9 f. Ibid. S. 8.

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vogt.264 1714 vermerkt allerdings das Ratsprotokoll zu dieser »zimlich wichtigen« Materie, die »termini, da nemlich dem H. Römischen Reich Treu und Wahrheit geschworen wird«, würden fortan weggelassen, da sie überflüssig seien und sich für »allh. Souvrain und independenten eximiert und befreyten standt« nicht schickten.265 Dieses Selbstverständnis löst beinahe umgehend Reflexe im Inneren aus, insofern das Dorf Wilchingen ab 1718 während zwölf Jahren gegen einen Eingriff in die Gemeindeautonomie rebelliert. Sogar der Huldigungseid wird verweigert, da dieser impliziert, dass sich die Wilchinger an kein fremdes Gericht wenden dürfen, was sie sich aber gerade offenhalten wollen. Dem Schaffhauser Argument, die »Beherrschere« dürften Privilegien ihrer Untertanen »nach ihrem Wohlgefallen« erteilen und aufheben, erwidern die Wilchinger, die Stadt sei kein »dominus absolutus« im Klettgau, sondern habe dieses als Afterlehen vom Kaiser erhalten und sei diesbezüglich ihm und den Reichssatzungen unterworfen. Die hohe Gerichtsbarkeit als oberstes Herrschaftsrecht sei den Schaffhausern zudem erst 1656 verkauft worden, womit die Schaffhauser Berufung auf die Unabhängigkeit im Westfälischen Frieden dahinfalle. Der Kaiser habe sich nämlich 1656 vorbehalten, der Verkauf durch die Grafen von Sulz müsse »Uns und dem Heilgen Reich an Unserer Herrlichkeit und Lehenschaft, auch sonst in allweg unschädlich sein«.266 Trotz solchen Argumenten endet der dörfliche Widerstand gegen die auf souveräne Satzungsrechte pochende Stadt erfolglos. Schaffhausen bleibt aber gleichzeitig in der Repräsentation zurückhaltend. So findet das Siegel, das Gabriel Le Clerc 1687 entwirft, keine Verwendung, obwohl der Bürgermeister Neukomm 1693 das bisherige Stadtsiegel verliert.267 Vielleicht ist es ähnlich wie bei Le Clercs Berner Siegel die obrigkeitliche Umschrift SIGILLUM REIPUBLICAE SCHAFFHUSIENSIS , die Widerstände der auf den alten Siegeln genannten »civitas« weckt – zumal in der Epoche von Bürgermeister Tobias Holländer, der ohnehin im Verdacht steht, ein absolutes Regiment errichten zu

264 Leu, Schaffhausen, 1931, S. 57, 225; auch Simler, Regiment, 1722, S. 477, Anm. b). 265 Bächtold, Schwurformel, S. 80 f. 266 Wildberger, Wilchinger Handel, 1897, S. 4, 13, 21; vgl. Felder, Typologie, 1976, S. 358, 372 f. 267 Bruckner-Herbstr eit, Hoheitszeichen, 1951, S. 39–42; vgl. Frauenfelder, Kunstdenkmäler Schaffhausen, 1, S. 8; Frauenfelder, Staatssiegel, in: 16 (1948), S. 7; vgl. auch S. 9 zu einem nur als Abguss überlieferten Siegel von 1609, wo REIPUB . zusammen mit dem Reichsadler erscheint.

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10. St. Gallen

wollen.268 So begegnet die Krone über den Stadtwappen erst 1747, beim Portal des zentral gelegenen Fronwaagturms. Ohne Reichsinsignien präsentiert sich das Wappen auf den seit 1755 erhaltenen Regimentskalendern, die im Übrigen aber traditionelle Begrifflichkeit bewahren. Das gleiche gilt für die Mandate bis 1798; erst am 9. Februar dieses Jahres wird eine »Proklamation von Burgermeister, Klein und Großen Räthen der Stadt und Republik Schaffhausen« gedruckt.269

10. St. Gallen Die Stadt St. Gallen ist seit 1454 zugewandter Ort und erkauft sich wenig später, 1457, die politische Unabhängigkeit vom in der Stadt gelegenen Kloster; regelmäßiger Teilnehmer der Tagsatzung wird sie allerdings erst 1667. Länger als die Eidgenossen und ähnlich wie der Abt von St. Gallen wird die Stadt zu Reichstagen eingeladen, letztmals 1640; zwar entzieht sie sich dieser und anderen Verpflichtungen nach 1542, doch scheint ihr eine gewisse Mittelstellung zwischen Reich und Eidgenossenschaft zu behagen, wegen der Handelskontakte in Deutschland ebenso wie aus Schutzbedürfnissen.270 Nachdem St. Gallen vor dem Dreißigjährigen Krieg wiederholt die Tagsatzung angehalten hat, die Privilegienbestätigung zu beantragen, lässt es diese noch am 5. Oktober 1642 durch Kaiser Ferdinand III. vollziehen. 1660 wird im Auftrag des Rates ein Gutachten angestellt, ob dies auch weiterhin geschehen soll.271 Offenbar entscheidet man sich zögerlich, die Exemtion von 1648 auch für St. Gallen zu beanspruchen, doch der Abt protestiert dagegen; tatsächlich ist die Stadt entgegen dem ursprünglichen Projekt im Westfälischen Frieden weder namentlich noch pauschal als Zugewandter erwähnt und weigert sich deshalb auch, einen Beitrag an Wettsteins Kosten zu entrichten.272 Der Blutbann ist der Stadt von Kö268 Leu, Schaffhausen, 1931, S. 212–215. 269 StASH , Bettagsmandat vom 23. August 1799. 270 Zu Reichstagseinladungen StadtASG Index Archivi = Verz. 1,1, S. 205 (Mels, 26. Mai 1640), zu Mandaten um Reichshilfe ibid., 236 (31. Juli 1644); vgl. Braun/Dobras, Stadtrepublik, 1996; Moser-Nef, Reichsstadt, 2 (1931), S. 700 f.; Ziegler, Sitte, 1991, S. 61. 271 Vgl. auch oben, S. 175. 272 Ghika, Indépendance, 1948, S. 435; Moser-Nef, Reichsstadt, 1 (1931), S. 60 f., 94, 114, Anm. 107; der Gutachter Michael Zollikofer wird später kaiserlicher Rat in Wien, sein Gutachten ist leider nicht erhalten. Moser-Nef, Reichsstadt, 2,

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nig Sigismund 1415 zugesprochen worden; gehandhabt wird er vom »Reichsvogt«, wie der Titel offiziell bis 1798 und volkstümlich auch im 19. Jh. lautet, obwohl das Amt längst beim stillstehenden dritten Bürgermeister liegt. Entsprechend wird das Malefizgericht in St. Gallen »nach reichs recht« ausgeübt, womit nicht auf die Carolina angespielt wird, sondern auf den Kaiser als die Quelle der Blutgerichtsbarkeit.273 In der 1701 erfolgten Revision der Malefizgerichtsprozess-Ordnung von 1600 werden zwar viele Verweise auf das Reichsrecht gestrichen; aber auf den Satzungen des Statt-Gerichts von 1726 schmückt die Wappenpyramide weiter das Titelblatt.274 1560 wird die Zürcher Goldschmiedeordnung übernommen. In diese Zeit gehören in beiden Städten einige Münzprägungen, die zum Teil Jacob Stampfer zugeschrieben werden und in unserem Zusammenhang auffallen: die erwähnte Zürcher Goldkrone von etwa 1560 mit der Umschrift »Respublica Tigurina« und eine St. Galler Gedenkmünze von 1566, mit Wappenpyramide einschließlich Doppeladler sowie der Umschrift »Reipublicae sangallensis insignia«.275 Ebenfalls von 1566 und Stampfer zu verdanken ist das siebte Hauptsiegel der Stadt St. Gallen, das bis zum Ende ihrer Unabhängigkeit in Gebrauch bleibt: Um das Stadtwappen zieht sich hier der Schriftzug SIGILLUM SECRETUM MAIUS REIPUBLICAE SANGALLENSIS – auf lange Zeit hinaus das einzige Schweizer Siegel mit dem Titel »Respublica«.276 Dessen singuläres Auftreten hängt wahrscheinlich mit den gleichzeitigen Verträgen von Rorschach und Wil zusammen, in deren Gefolge Abt Otmar II. das Kloster durch eine Ringmauer von der Stadt abschließen darf. Damit werden auch die Gerichtskreise getrennt und die Güter geschieden, die Stadt kann Selbständigkeit be-

273

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1931, S. 704, betrachtet wie Naef, Chronik, 1867, S. 379, ohne Quellenbasis den Westfälischen Frieden als Geburtsstunde der »freien, unabhängigen Republik«. Ehr enzeller, Geschichte, 1988, S. 59, spricht von einer Privilegienbestätigung noch im Jahr 1657, doch die von ihm angeführten Urkunden im Stadtarchiv führen zuletzt dasjenige vom 5. Oktober 1642 an (»frÿheiten vor frömbdem Gericht«), vgl. StadtASG Index Archivi = Verz. 1,1, S. 26 f. Moser-Nef, Reichsstadt, 1 (1931), S. 358–368, auch 248 f.; ibid., 2 (1931), S. 701 f.; Ziegler, Rechtsquellen St. Gallen, 2, 2, 1995, S. 175 f., 243; auch S. 29, 172 (»reichscammer« für die Folterkammer, in der nach Reichsrecht verfahren wird), 175, 181, 183, 188, 133. Moser-Nef, Reichsstadt, 1 (1931), S. 257; 2, 1931, S. 703, 708, Anm. 19. Vgl. Hahn, Jakob Stampfer (1915), S. 71 f. Hahn, Jakob Stampfer (1915), S. 19 f., 73; Poeschel, Kunstdenkmäler St. Gallen, 2 (1957), S. 29.

10. St. Gallen

anspruchen.277 Die vorübergehende – lateinische – Selbstbezeichnung als »Respublica« versteht sich demnach, möglicherweise auch unter humanistischem Einfluss,278 als Abgrenzung der reformierten Stadt vom katholischen Abt.279 Doch auch in St. Gallen tragen selbst Stampfers gleichzeitige Taler und die übrigen Münzen bis 1633 bloß den Titel »Civitas Sangallenis«, während auf der Rückseite der Reichsadler prangt. Danach wird erst im 18. Jahrhundert wieder geprägt, stets ohne Reichsadler, aber auch ohne »Respublica«.280 Die Wappenpyramide ist lange auf den spätestens im 16. Jahrhundert errichteten Stadttoren und auf dem 1702 restaurierten alten Rathaus zu sehen, wo seit 1679 ein Reichsadler die Eingangstüre zur kunstvoll getäferten Ratsstube bewacht und auch die Ornamentik der Intarsien prägt.281 Die Pyramide findet sich 1666 auf einer Wappenscheibe, 1673 auf der Gesetzessammlung namens »Statt-Buch«, 1714 auf einer Stadtansicht und noch 1736 auf den gedruckten Mandaten.282 Bis zum Ende des Ancien Régime ist Republik auf Deutsch nie offizieller und auch inoffiziell ein seltener Titel der Gallusstadt mit ihrer dem Souveränitätsgedanken eher abholden Zunftverfassung.283 Singulär verwendet wird das Wort im 1718 veröffentlichten Bericht … die löbliche Republic und Stadt St. Gallen betreffend – bezeichnenderweise eine Übersetzung des italienischen Traktats Sopra la lodabile republica e città di Sangallo.284 Die Kombination »Reichsstadt und Republik«, die im Ancien Régime ein Widerspruch in sich und mo-

277 Vgl. die leicht anachronistische Terminologie bei Naef, Chronik, 1867, S. 238 f., 376 f., 728. 278 So wird auch Vadian angesprochen als »consul laudatae rei publicae«, vgl. den Brief von Martin Bucer, 8. Februar 1528, in: Vadian, Briefsammlung, 4, S. 89 (Nr. 506). 279 Vgl. auch Ziegler, Münzgeschichte, 1986, S. 83 f. 280 Vgl. Iklé/Hahn, Münzen St. Gallen, 1911. 281 Poeschel, Kunstdenkmäler St. Gallen, 2 (1957), S. 77–88, 238, 242; vgl. auch die Schrifttafel, S. 247–251. 282 StadtASG 548; 548a; Poeschel, Kunstdenkmäler St. Gallen, 2 (1957), S. 11, 40; Ziegler, Sitte, 1991, S. 61, 74, 112, 122 f. Das Stadtbuch ist ediert von Ziegler, Rechtsquellen St. Gallen, 2, 2, 1995. 283 Vgl. StadtASG , Missive: Auch auf Französisch heißt es »souverains seigneurs de la Ville et Canton de St. Gall« (24. Juni 1710, aus Bern). Am 18. März 1770 erhält allerdings Kanzler Wegelin einen Brief als »Seigneur Chancelier de la ville et Republique de St. Gall«, und am 5. Januar 1780 trifft ein Bittbrief ein für Magistrat und Kaufmannschafts-Directorium »der weltberühmten freÿen Stadt und Republic St. Gallen«. 284 Schiess, Geschichte, 1917, S. 141; Ziegler, Sitte, 1991, S. 177–179.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

dernen Ursprungs ist verdankt ihren Erfolg wohl dem Titel von Carl Moser-Nefs monumentaler Rechtsgeschichte und der Nostalgie für ein nach 1798 in einem neuen Kanton aufgegangenes Staatswesen.285

11. Graubünden286 Der moderne Kanton Graubünden setzt sich im Ancien Régime aus drei separaten Bünden zusammen, dem Gotteshausbund (um Chur, einschließlich der Südtäler ohne das Misox), dem Oberen oder Grauen Bund (um Ilanz, mit Misox) und dem Zehngerichtebund (um Davos); dazu gehört, als gemeine Herrschaft, das Veltlin.287 Der gemeinsame Bund von 1524 ist enger als der eidgenössische: Insbesondere die Außenpolitik wird zur gemeinsamen Angelegenheit, wobei es die 49 Gerichtsgemeinden (und nicht die drei Bünde) sind, die an Bundstagen und über Referenden Mehrheitsentscheidungen fällen. Eine (Gerichts-)Gemeinde umfasst mehrere Dörfer oder Dorfgruppen (»Nachbarschaften«) und entspricht oft den natürlichen Dimensionen einer Talschaft. Die Gerichtsgemeinden haben bei Abstimmungen, je nach Gewicht, ein bis zwei Stimmen, Chur deren drei.288 Als Chur gegen Ende des 15. Jahrhunderts unter Berufung auf die ihm verliehene Blutgerichtsbarkeit den Status einer Reichsstadt anstrebt, will es »den adler in unser stat pannier« einfügen. Maximilian I. entscheidet 1496 jedoch zugunsten des Bischofs, und die Churer dürfen fortan den Adler nur in Kombination mit dem Stiftswappen malen.289 In dieser Form findet er sich auf den städtischen Groschen bis 1733. Der von der reformierten Stadt durch eine Mauer abgetrennte Bischof bezeichnet sich seit dem 17. Jahrhundert als Reichsfürst, und

285 Der vollständige Titel lautet Carl Moser-Nef, Die Freie Reichsstadt und Republik Sankt Gallen. Geschichte ihrer Verfassung und staatsrechtlichen Entwicklung, Zürich 1931 ff.; zur Nachwirkung vgl. die Titel von Ziegler, Münzgeschichte, 1986 oder Sitte, 1991; ebenso das Kapitel »Stadtrepublik« bei Ehr enzeller, Geschichte, 1988, S. 125–296. 286 Eine ausführliche Präsentation des hier erörterten Materials findet sich in Maissen, Gemeinden, 2001. 287 Vgl. zur Verfassungsgeschichte Liver, Entwicklung, 1970; Handbuch, 2000, 2, S. 94–110. 288 Vgl. das »Verzeichnuss« von 1633 bei Jecklin, Urkunden, 1885, S. 137 f. (Nr. 53). 289 Berger, Churs Stellung, 1967, S. 220–224; Mattern, Doppeladler, 1988, S. 411.

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11. Graubünden

ab 1654 lässt er sich auf dem Reichstag vertreten; gleichzeitig bleibt er aber auch ein Mitglied des Gotteshausbunds und darüber der Drei Bünde. Für die Zeitgenossen ist, ähnlich wie für Bodin, die Bündner Verfassung der Inbegriff der Demokratie, die auf Mehrheitsentscheidungen beruht, aber auch der Willkür und Gewalttätigkeit der Pöbelherrschaft ausgeliefert ist.290 Erste Spuren, dass die Souveränitätstheorie auf diese politischen Strukturen angewendet wird, finden sich in den Grawpündnerischen Handlungen von 1618, worin die Gemeinden als die »höchsten gaaben der Freyheit unsers Vatterlands« genau Bodins erste drei Merkmale der Souveränität einfordern.291 Dessen Jus maiestatis begegnet auch 1642, als die Gemeinden des Zehngerichtebunds Davos den Vorsitz und andere Ämter streitig machen, welche der größte Ort im Bund von jeher automatisch innehat.292 Die neun Gerichte klagen, die Davoser Vorrechte passten nicht zu einem »freyen Volck«, das außenpolitische Bündnisse eingehe und hinsichtlich des Jus maiestatis allein Gott Rechenschaft schulde. »Der hoche Gewalt« in Bundesangelegenheiten liege beim Bund als Gesetzgeber und »hocher Oberkeit«, der allein – gemäß dem Jus creandi magistratus – die Ämter bestellen könne. Gegen die »natürliche Obrigkeit«, nämlich die Mehrheit des Bundes, dürfe sich eine einzelne Gemeinde (Davos) nicht durch »usurpatio« der Ämter auflehnen.293 Der Verfassungskampf der Zehn Gerichte wird um 1700 als Präzedenzfall wieder aktuell, wobei sich – auffällig gerade angesichts mancher Parallelen in den Streitpunkten – nun aber zeigt, dass Wörter Verwendung finden, die 1644 noch nicht gebräuchlich gewesen sind. Vor dem Hintergrund des spanisch-französischen Gegensatzes und stets latenter konfessioneller Spannungen entbrennt ein heftiger, jahrelanger Konflikt zwischen der Stadt Chur und der mächtigsten Familie im Gotteshausbund, den auch im übrigen Bündnerland einflussreichen Salis.294 Nachdem

290 Bodin, République, 1986, 2, S. 118 (2, 7); vgl. Campell, De Officio, S. 27. 291 Grawpündtnerische Handlungen, 1618, S. A2v. Zu diesem Traktat und allgemein zur »radikalen« Literatur vor 1620 Head, Democracy, 1995, S. 226–242; entsprechend Head, Social Order, 1992, S. 491–516. Vgl. Bodin, République, 1986, 1, S. 306–318 (1, 10); auf Lateinisch ders., Respublica, 1586, S. 153–160. 292 Vgl. zu diesem Konflikt Mohr, Geschichte, 1857, S. 336–389 sowie Gillar don, Geschichte, 1936, S. 187–194. 293 Widerlegung des Grichts Davos, 1643, S. 1, 11. 294 Für das Folgende Berger, Churs Stellung, 1967, v. a. S. 238–266; zur Rolle der Salis auch Färber, Herrenstand, 1983, S. 116–119, 357 f.

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Hercules von Salis-Soglio in einem Erbschaftsstreit vor einem Churer Gericht unterlegen ist, appelliert er an den Gotteshausbund. Im Lauf des eskalierenden Konflikts schließen die Landgemeinden die Stadt bis zur Bezahlung einer Geldbuße aus dem Gotteshausbund aus. 1694 wählen sie eigene Beamte, bereiten ein neues Bundessiegel vor, verlegen den Bundestag von Chur nach Zizers und beschwören 1697 einen neuen Bundesbrief. Damit stellt nicht länger Chur den Präsidenten, den Schreiber und den Weibel im Bund, ein Privileg, das es wie Davos im Zehngerichtebund von Alters her innegehabt hat. Gegen all diese Maßnahmen appellieren nun die Churer an die anderen beiden Bünde, die den städtischen Standpunkt 1696 stützen und damit ihrerseits schwere Spannungen mit dem Gotteshausbund provozieren. Als dessen gewählter »Director« amtet unterdessen, nach der Absetzung des Churer Bürgermeisters, ein Bruder des Hercules von Salis, Friedrich Anton, der als vormaliger französischer Hauptmann von Louis XIV mit beträchtlichen Summen gegen das hispanophile Chur gestützt wird. Die vielschichtigen Auseinandersetzungen betreffen im herkömmlichen Sinn die Frage, wer für die schiedsrichterliche Schlichtung dieser Streithändel zuständig ist, wenn die Bundesbriefe keine klare Prozedur vorschreiben. In einem modernen und grundsätzlicheren Sinn geht es hingegen darum, wer souverän und damit letzte Appellationsinstanz ist – die einzelne (Stadt-)Gemeinde (so Churs ursprüngliche Position); die Gesamtheit oder Mehrheit der Gemeinden, die im Gotteshausbund vereint ist und diesen Standpunkt vertritt; oder die drei Bünde zusammen, die gemeinsam gegen außen einen Staat bilden, von dem sich Chur im Laufe des Streits eine oberinstanzliche Lösung erhofft, da die Stadt den Gotteshausbund als Partei ansieht? Wenn aber, im Sinne Churs, der Appell der Salis an den Bund und gegen die souveräne Stadt unzulässig ist, dann ist – so die Gegner der Stadt – in einem Bund gleichermaßen souveräner Gemeinden nicht einsichtig, weshalb diese nicht selbst die Behörden wählen, sondern die Churer Beamten ex officio auch für den Gotteshausbund zuständig sein sollen. Diese Problemkreise werden letztlich nicht durch eine – allenfalls mit Gewalt mögliche – Klärung der Souveränitätsfrage gelöst, sondern durch das gleichsam »altmodische« Mittel der Mediation durch Bern und Zürich. Ihre Abgesandten beenden am 28. November 1700 mit dem »Malanser Spruch« den jahrelangen Streit. Chur stellt weiterhin Präsidenten, Schreiber und Weibel des Bundes, verwaltet diese Ämter aber nur im Auftrag des Bundes (»ministeriali nomine«). Der Präsident wird vom Gotteshausbund aus dem Churer Kleinen Rat gewählt, 500

11. Graubünden

alle Amtsträger werden auf den Bund vereidigt und schulden ihm Rechenschaft.295 Die Spannungen im Gotteshausbund werden über eine große Zahl von meist gedruckten Traktaten ausgetragen, wobei sich Johannes Leonhardi (oder Jan Linard, 1651–1725) aus Filisur, Pfarrer im hinterrheinischen Nufenen, als fruchtbarster und auf Ausgewogenheit bedachter Autor erweist. Leonhardi betreibt gemeinsam mit seinem »großen Patrono«, dem niederländischen Gesandten Petrus Valkenier, die Soldallianz von 1693 mit den Generalstaaten und später das politische Bündnis mit den protestantischen Seemächten.296 Über Valkenier, seinen Lehrer, den erwähnten Theologieprofessor Johann Heinrich Heidegger, die beiden Collegiaten Johann Jacob Scheuchzer und Johann Heinrich Rahn, einen Mediator von 1700, hat Leonhardi direkten Zugang zu den Zürcher Entscheidungsträgern, und seine Überlegungen bilden schließlich die Basis des Malanser Schiedsspruchs.297 Ohne ihre Fehlentwicklungen zu verkennen, ist Leonhardi ein erklärter Anhänger der Bündner Demokratie, die größtmögliche »leibliche und geistliche Freiheit« gewährleiste. Jeder Bund, jedes Gericht und noch jedes Halbhochgericht könne seine Regenten selber wählen und absetzen und selbst der Geringste an den Wahlen teilnehmen, da alle gleich frei seien. Dies mache – wie Leonhardi nicht müde wird zu wiederholen – die »Democratische Regierung« aus, »allwo der Gewalt und die Hochheit bey den Gmeinden und bey dem Volk stehet«.298 Diese Freiheit, »die unseren frommen Vor-Elteren so vil Müh und Sorg, so vil Schweiß und Blut gekostet hat«, werde jedoch oft frech missbraucht, so dass das Gemeinwohl hinter der Macht- und Geldgier zurückstehen müsse.299 Solche Grundpositionen finden sich in vielen von Leonhardis Traktaten fast gleichlautend wieder, und doch verraten sie in der Zeit des Malanser Spruchs von 1700 einen aufschlussreichen sprachlichen Wandel. In einem Gespräch von Eidgenossen mit »friedliebenden Pündtneren« hält der Pfarrer aus Nufenen 1703 fast identisch wie 1698 in Dreyer Reisenden … Discoursen fest, dass jedes (Halb-)Hochgericht uneingeschränkte »Authoritet und Freyheit in Civil- und Criminalsachen« habe, doch diesmal schließt er daraus, dass jede Gemeinde für sich, un-

295 Jecklin, Urkunden, 1885, S. 157–162. 296 Leonhar di, Descriptio, 1704, S. 6; Bundi, Kriegsdienste, 1972, S. 52 f. 297 Leonhardis Projekt in StAZ A 24817, Nr. 298 (6. Oktober 1697, Leonhardi an Meyer); vgl. ZBZ H 327, S. 89 (28. November 1700, Leonhardi an Scheuchzer). 298 Leonhar di, Drey Reisende, 1698, S. 9 f., vgl. auch S. 34. 299 Leonhar di, Drey Reisende, 1698, S. 23.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

besehen der Größe und des Reichtums, als »absoluter und Souverainer Stand« anzusehen sei.300 Auch sein Plädoyer gegen die »Immunitet der Geistlichen« wird ähnlich intensiviert, da man durch landesfremde Kleriker, »die gar nichts von uns, absolutissime aber vom Römischen Hof dependiren, suche, die allen Souverainen Ständen halßbrechende Immunitet und Hierarchia des Pabsts und der Röm. Kirchen einzuführen und beliebt zu machen«.301 Die konzeptionelle und sprachliche Klärung, die Leonhardi um 1700 vorführt, lässt ihn also die absolute Souveränität als Argument entdecken, und dies mit dreifacher Zielrichtung: a) gegen äußere Mächte, wobei er als Träger der Souveränität vor allem an den Gesamtstaat der drei Bünde denkt; b) im Inneren hinsichtlich der Basis dieses Staates, die in den Gemeinden liege; c) im Inneren gegenüber der konkurrierenden, auf Sonderrechten bestehenden geistlichen Gewalt. Das neue terminologische Schwergewicht schlägt sich auch im Titel einer kurzen lateinischen Schrift nieder, die Leonhardi 1704 in London drucken lässt: Brevis descriptio Democratici, Liberae, & a solo Deo dependentis Rhaetiae Reipublicae. Die rätischen drei Bünde als Ganzes sind ein demokratischer, allein von Gott abhängiger (also souveräner) Freistaat (»libera Respublica«). Aber auch jeder Bund und jede Gemeinde sind in ihren Zuständigkeitsbereichen von fremden Einflüssen frei: »quaevis Communitas, certo respectu, pro absoluta Republica haberi possit«. Dem entspricht Leonhardis erwähnte, diesmal in der lateinischen Gelehrtensprache formulierte Maxime: »summa Potestas est apud Communitates & Populum«.302 Der weitgereiste Pfarrer erläutert seiner internationalen Leserschaft, was das genau bedeutet: »Rhaeti sunt omnes Domini, quoad libertatem & independentiam, etsi non sint tales quoad Divitias & pecunias, ut Angli & Belgici«.303 Leonhardi unterscheidet also den sozialen vom politischen Herrenstand: hier die äußere Macht und die auf die Bürger abfärbende Pracht anderer Republiken, unter denen er auch Venedig erwähnt,304 dort die Herrschaftlichkeit, die auf Freiheit und Teilhabe an der Souveränität beruht und selbst dem ärmsten Bündner zukommt. Wenn Graubünden bei Leonhardi als »freye Republiq« auftritt, in der die Gemeinden »absolute« Herrschaft beanspruchen und kraft ih-

300 Leonhar di, Anhang, 1703, S. 12 f.; vgl. ders., Drey Reisende, 1698, S. 9. 301 Leonhar di, Einiger friedliebenden Gespräche, 1703, S. 21; vgl. Leonhar di, Drey Reisende, 1698, S. 36. 302 Leonhar di, Descriptio, 1704, S. 2. 303 Leonhar di, Descriptio, 1704, S. 4. 304 Leonhar di, Descriptio, 1704, S. 5; vgl. ders., Account, 1711, S. 15 f.

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rer »Souveränität« Gesetze nach Belieben erlassen oder verändern können,305 so steht er nicht allein mit diesem veränderten Staatsverständnis. Der erwähnte, revidierte Bundesbrief der Gotteshausgemeinden von 1697 hat argumentativ noch die »Frei-, Hoch- und gerechtigkeit gmeiner Landen« aufgezählt.306 Erst der Malanser Spruch, der drei Jahre später erfolgt, erweitert diese herkömmliche Formel: Laut den Mediatoren wurden der Stadt Chur zwar gewohnheitsmäßig der Vorrang und die Bundesämter überlassen, doch ohne dass dies den Gotteshausbund »an seiner Souverainität, Frey- und Hochheit nicht präjudicieren möge« – wobei Freiheit die äußere und Hochheit die innere Souveränität meint.307 Die Souveränität wird also dem Gotteshausbund als Ganzem zugesprochen und nicht den einzelnen Gemeinden, und so prägt die westeuropäische neue Rechtssprache erstmals einen Bündner Verfassungstext.308 Allerdings ist sie schon im vorangehenden Pamphletkrieg vor allem von Seiten der Salis-Partei aufgegriffen worden. So findet sie sich auffälligerweise in den handschriftlichen Marginalien, mit denen einer ihrer Anhänger eine Churer Rechtfertigungsschrift versehen hat, den Wahr- und Grundhafften Bericht von 1699, welcher selbst der neuen Begrifflichkeit noch entbehrt.309 Wo der Bericht sich auf Churs dokumentarisch belegte »Rechtsammenen, Frey- und zuständigen Gerechtigkeit« beruft, bestreitet dies der Kritiker mit dem Hinweis, die Landgemeinden verteidigten bloß die »hochheit und Soverenitet des Pundts«, »uber welchen niemandt richter ist«.310 Die Stadt usurpiere die Jura maiestatis: »Dann wenn eine Gmeindt allein die Pundthäubter dem ganzen Pundt wider sein wünschen und willen auffbürden könte, so were der Pundt kein freyer democratischer souvrain Standt.« Vielmehr dürfe der Bund, als »natürlicher Fürst« der Stadt, die Churer Vorrechte, die kein »jus acquisitum« darstellten, sondern bloß gewährt 305 Diese Gedanken finden sich auch auf Englisch bei Leonhardi, Account, 1711, S. 6 f. 306 Jecklin, Urkunden, 1885, S. 154. 307 Jecklin, Urkunden, 1885, S. 159; vgl. auch S. 160 f. 308 Leonhardis Briefe an Scheuchzer finden sich auf der ZBZ , H 327; dessen Lob bei Leonhar di, Descriptio, 1704, S. 6, und Account, 1711, S. 21. 309 Wahr- und grundhaffter Bericht, 1699. Die Randbemerkungen finden sich im Exemplar der Kantonsbibliothek Graubünden Be 282/9; ein unkommentiertes Exemplar befindet sich in StAZ B VIII 161, ad S. 339. 310 Wahr- und grundhaffter Bericht, 1699, S. 1 f., 11 f., 20; vgl. den Siegelbrief bei Jecklin, Urkunden, 1885, 2. Heft, S. 99: »doch das derselbige [Burgermaister] nit sigle, es sie was Gemaine dri Pündte oder das Gotshus ains werde zuo besiglen«.

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(»mere facultatis«) worden seien, »nach seinem belieben« abändern.311 In der im Unterschied zu diesen Marginalien gedruckten, offiziellen Widerlegung des Wahr- und grundhafften Berichts setzt der Gotteshausbund seinen noch traditionell legitimierten Kampf in Parallele zur »Stiftung der Schweitzerischen Republic« und vergleicht die Bündner Verfassung mit der »Welt berüehmbten billichen Republic Holland«, die ebenfalls »kein Haupt haben« wolle und die Gleichheit der Gemeinden ungeachtet der finanziellen Übermacht von Amsterdam streng beobachte.312 In einer eigenen Replik auf den Wahr- und grundhafften Bericht befürchtet der »Pundtsdirector« Friedrich Anton von Salis, sobald sich eine Gemeinde oder ein Bund über die anderen erhebe, »wird einer Herr und der andere Underthan, und ist das die Zerstörung der Freyheit und der Weg zur Monarchia.«313 Auf die Salis’sche Schrift reagiert wiederum eine Churer Antwort von 1699, die nun erstmals die neue Sprache verrät. Salis hat vom »freyen independenten Pundt« gesprochen, »der niemanden als Gott umb seiner Punds Ordnungen und Satzungen rechenschafft zu geben hat«; daraus wird in der Churer Entgegnung das Argument »der Freyheit deß Stands und Hochheit deß Punds, welcher absolute Souverain unnd umb sein actiones, thun unnd lassen niemand als Gott rechenschafft zu geben habe« – also willkürlich handeln könne. Dieser Ansicht wird entgegengehalten, dass der Bundesbrief jede Gemeinde »bey seinem alten harkommen« belasse, was also auch für das seit 170 Jahren ausgeübte Churer Prärogativ des Siegelns gelte, das nicht »under dem schein dero Soverainitet durch die mehren der Stimmen sollen können priviert und entsetzt werden«.314 Die staatsrechtlich fundierteste Schrift, die während des Churer Konflikts erscheint, sind die Acht Fragen, den lobl. Gotthauß-Pundt betreffend, erörtert durch einen Frey- und Wahrheit liebenden Pundts-genossen von 1700. Der anonyme Verfasser zitiert neben dem obligaten Aristoteles Bodin und Naturrechtler wie Grotius und Pufendorf, aber auch Vertreter der Staatsraison-Literatur und Reichspublizisten. »In ihren Gemeind-sachen«, so der belesene Autor, sind die Gerichtsgemeinden völlig unabhängig von einander. »Weilen sie aber gar kleine Stände sind, haben sie sich mit einander verbunden, und eine kleine Souv-

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Wahr- und grundhaffter Bericht, 1699, S. 5–7, 9, 18, 23. Widerlegung deß wahr- und grundhaffter Bericht, 1700, S. 6, 23. F. A. v. Salis, Hochgeachte … Herrn, 1699, S. 6. F. A. v. Salis, Hochgeachte … Herrn, 1699, S. 3; Antwort auff ein wider die Statt Chur abgelassnes Schreiben, 1699, S. 7.

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raine Democratische Republic formirt, welche heisset der GottshaußPundt.«315 Um die Freyheit zu erhalten, sind dann auch mit den zwei anderen ähnlich verfassten Bünden »Pacta und Beding« festgelegt worden. In allen Fragen, die im Bundesbrief nicht geregelt sind, »ist ein jedwederer Pundt Souverain und independent und hat mit dem andern nichts zuschaffen«.316 Mit lateinischen Zitaten seiner Autoritäten belegt der Rechtsgelehrte seine Überzeugung, dass die Wahl der »Vorgesetzten« auf Bundes- wie auf Gemeindeebene beim »freyen Volck« liege, wobei »in einer Democratischen Rep.« jeder Bürger beim aktiven und passiven Wahlrecht gleichberechtigt sei.317 Die Natur der Demokratie verlange indessen auch Mehrheitsentscheidungen. »Wann aber der mindere Theil oder eine Gemeind oder eine Person dieses verhinderen können, so ists nicht mehr ein souverainer Democratischer Standt«.318 Demnach muss also für den Verfasser der Acht Fragen »der höchste Gewalt unzertheilt bey dem Volck« verbleiben; wenn er aber – und erst noch ungleichmäßig zugunsten Churs – »zertheilt wäre under den Ehrs. Gemeinden, also daß die einte den Gewalt oder die Rechtsamme hätte die Pundts-Aembtere zu erwehlen, eine andre aber das Müntzwesen oder ein ander Jus Majestatis einzurichten, so köndte der Pundt kein Democratischer Stand oder Rep. seyn«.319 Die Churer Argumentation hätte gemäß den Acht Fragen zwei mögliche Konsequenzen: Entweder es wären alle Gemeinden für sich »Souveraine Ständt und Republiquen und habend mit einanderen als ein Leib und ein Pundt nichts zu schaffen«;320 oder aber es wäre, da das Jus creandi magistratus der höchsten Gewalt zukommt (»dem Fürsten, und folglich in unserem Standt dem Volck«), der Gotteshausbund keine Demokratie, sondern Untertanengebiet – »Der Pundt wäre nicht mehr der Leib, sonder die Statt Chur (welche doch nichts mehr ist als dessen ein Glied) wäre es und wurde also eine Aristocratische Oberherrschafft über die andere Gemeinde ihre Mitglieder einführen.«321 Auch die Acht Fragen provozieren eine – nur handschriftlich überlieferte – Einfaltige auch gründliche Beantwortung, welche die Churer Kompetenzen allein auf den protokollarischen Vorrang zurückführt, wo-

315 316 317 318 319 320 321

Acht Fragen, Acht Fragen, Acht Fragen, Acht Fragen, Acht Fragen, Acht Fragen, Acht Fragen,

1700, 1700, 1700, 1700, 1700, 1700, 1700,

S. 3. S. 4. S. 4 f. S. 5. S. 6. S. 24 f. S. 32.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

durch die Majestät der anderen Gemeinden nicht tangiert werde. Aufschlussreich ist die Schrift, weil der Verfasser sich gegen die Methode der Acht Fragen ausspricht, ihre Argumentation »mit vilfaltigen allegationen auß berühmten Politischen autoribus zu colorieren«, die »in der Eÿdgnoschafft und absonderlich in Pündten … etwas neues und ohngewohnliches sind«. Von solchen sprachlichen Neuerungen unangetastet verbleiben sollen nach dem Dafürhalten des Churers die »gesamten lobl. Pundts Frey-, Hoch- und Gerechtigkeiten (wie unsere liebe in Gott ruhende Altvorderen geredt), die heütigs tags, durch beÿ uns aufrichtigen Eÿdt- und Pundtsgnossen ohngewohnte Redensarten Majestas, Jus Majestatis, Jura Majestatica, Manus Regia und was ihrgleichen heißen müssen«.322 Mögen diese »Politici und Rechtsgelehrten« ausführlich erörtern, »ob Souveraineteten und Jura Majestatis sich praescribieren und durch langwierigen Possess behaupten lassen« und ob nicht die freien Stände ihre Souveränität allmählich durch Verjährung erlangt haben. Darum gehe es hier gar nicht, und was nützen Grotius, Carpzov, Bodin und die anderen »politischen Scribenten«, um die spezifischen Bündner Verhältnisse zu verstehen?323 Die Abwehr gegen die mit diesen fremden Autoren begründete »so genannte Souverainitet« des Gotteshausbunds ist omnipräsent: »Wann derowegen ein Pundt unter dem titul und vorwandt der Souverainitet und Majestat befügt ist, eine Ehrs. Gmeindt od. Hochgericht, wie die lobl. Stadt Chur ist, ganz empfindtlich in ihrem Possess anzugreifen und durch erpracticierte Pluralitet der stimmen solche gmeindt zu übermehren und mit derselbigen zuschalten und zuwalten, nach belieben, und alßdann eine solche gemeindt, in solchem strengen nothfahl, zu den übrigen zwey unpartheyischen Pündten keinen recours und zuflucht nemmen könte, sondern es dem Pundt und der Pluralitet ab der handt nehmen müsste, wohin käme endtlich ewere theür und wol erworbene freÿheit?«324 Der Apologet Churs erkennt hier ausgesprochen scharf die Gefahr der (Bundes- oder Volks-)Souveränität für den kommunalen Föderalismus, der »alte Jura, Recht und gebräuche, Statuten und freyheiten behalten und behaupten« will. »Sicherlich, wann mann Jus Majestatis, die Souverainitet, und den bogen so starckh spannet, so möchte mithin, alle der ehrbaren Gemeinden freÿheit zu boden gestoßen werden und alles unser gnädigen fraw, der Souverai-

322 Handschriftlich in StAZ B VIII 161, fol. 348–361, hier 349r/v, 360r/v. 323 StAZ B VIII 161, fol. 358; vgl. auch 360 und 353v. 324 StAZ B VIII 161, fol. 354v/355; vgl. auch 351.

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nitet und Oberherrschaft des Pundts, daß ist, etlichen vil im Pundt vermögenden Herrn heimfallen. Sicherlich diser, so hart gespannte Souverainitetes und Majestäts bogen, ist nicht derjenige, welchen die theure freyheit zu erwerben einest gebraucht hat der tapfere Wilhelm Thell.«325 Die ständische Freiheit Tells und der unabhängigen Bündner Gemeinde ist hier geradezu paradigmatisch der modernen Souveränitätslehre und ihren Nutznießern, hier den Salis, gegenübergestellt. Dabei spielt die auffällige Gleichsetzung von Souveränität und »gnädiger Frau« möglicherweise auf das Siegel des Gotteshausbunds an, auf dem die gekrönte Gottesmutter als Stiftspatronin das Wappen hält, aber sehr wahrscheinlich auch grundsätzlich auf die Jungfräulichkeit (Mariä), wie sie ja bildlich ebenso der souveräne, von fremden Buhlen in seiner Integrität nicht beeinträchtigte Staat beanspruchen kann. Dagegen verwendet der anonyme Churer das Bild vom überspannten Bogen, der Tells Widerstand legitimiert hat (»tensus rumpitur arcus«),326 um die Vertreter der Souveränitätslehre in dieselbe Tyrannenkategorie zu verbannen wie die Landvögte. Abschließend entlarvt die Churer Beantwortung die »gewissen regier- und herrschafftssüchtigen Herrn«, die sich der neuen Sprache für ihre eigenen Zwecke bedienen. Wohl begründeten sie alles mit »lauter feürigem eÿfer für die edle freÿheit, Democratia und Paritet oder gleichheit«, doch diene dies den Salis nur als Vorwand, um die Macht zu erlangen und überall, wie in ihren eigenen Gemeinden, »despotice regieren« zu können.327 Die traditionellere Haltung der Churer wird erneut deutlich, als sie in Malans den Mediatoren ihre Beschwerden erläutern. Die Landgemeinden hätten »wider alles alte harkommen« die Churer Vorrechte im Bund aufgehoben, »und das alles krafft einer Souvrainitet, darumb sie niemand Rechenschafft zugeben schuldig sejen; nun gestehe man ihnen zwahren die Souvrainitet, habe auch selbige niemahlen disputierlich machen wollen; es seyen aber derselben gewüße limites und marchen gesezet«. Nicht nur das Herkommen, auch »Kayßerliche privilegia« werden angeführt, die Churs »jurisdiction und Souvrainitet auf das beste bekrefftigten«. Darauf entgegnen die Gotteshausgemeinden, sie hätten »nichts gethan, als was in anderen Pündten üblich auch ihre souvraine gemeinden zuthun befügt«, nämlich das Jus creandi magistratus ausgeübt, das bekanntlich mit »den juribus condendi leges und 325 StAZ B VIII 161, fol. 354v/355. 326 Die Wendung ist sprichwörtlich und findet sich unter anderem auf dem Zürcher Rathaus, vgl. oben, S. 397. 327 StAZ B VIII 161, fol. 358v–360.

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bella gerendi … ohnmitelbahr verknüpfet seje«.328 Wie schon in ihren früheren Traktaten legt also die Salis-Partei auch hier Bodins drei wichtigste Merkmale der Souveränität ihrer Argumentation zugrunde, während die Churer wohl mit etwas Unbehagen das Wort »Souvrainitet« erlernt haben, aber darin das »harkommen« als »limites und marchen« integrieren wollen – kaum im Sinne des Erfinders. Zur selben Zeit, da der Konflikt mit Chur die Souveränität als Konzept in die Innenpolitik einführt, wird sie auch für die Außenpolitik geltend gemacht, wobei wie anderswo kräftige Impulse von ausländischen Autoren stammen. So meint 1708 der Venezianer Diplomat Vendramino Bianchi, dass weder die Gemeinden noch ein Bund allein außenpolitische Bündnisse eingehen können, sondern diese Kompetenz gerade die Staatlichkeit der Drei Bünde ausmache und sie von der Eidgenossenschaft unterscheide: »ciò è forse quel solo, che rende questa una sola Repubblica, à differenza dell’Elvezia, la quale hà tante Repubbliche, quanti sono i Cantoni«.329 Aber auch für den Einheimischen Leonhardi ist das Jus Legationis der erhabenste Beweis staatlicher Freiheit, »ein Zeichen eines Souverainen, Absoluten, und von niemandem anderst als von Gott dependierenden Stands«.330 »Republik« ist in dieser Zeit allerdings nicht mehr nur ein verfassungstheoretischer Begriff, sondern wird von außen als Titel angetragen. Valkenier spricht in seiner Korrespondenz bereits 1690 von der »Grisonsche Republijck«, als er vorschlägt, ein »Regiment der dappere en vryheydt lievende Natie der Bundten« aufzubieten, um die allgemeine Freiheit gegen die Tyrannis und den Hochmut »van een heerssuchtigen Konigh« zu verteidigen.331 »Republik« ist also bei Valkenier nicht nur die neutrale Bezeichnung einer Verfassung mit mehreren Häuptern, sondern ein positiv konnotierter Gegenbegriff zur Monarchie – besonders der französischen, aber allgemein der absoluten. Am 20. August 1699 sprechen die Drei Bünde von der »Erhaltung unsers Stands und Repu-

328 Abscheidt der Stätten Zürich und Bern bey verpflogner Mediations Handlung zu Mallantz, StAZ B VIII 161, fol. 326v/327; die Terminologie stammt von Bodin, vgl. etwa Respublica, 1586, S. 232. 329 Bianchi, Relazione, 1708, S. 163; vgl. dazu auch die ähnliche Einschätzung eines Italieners im frühen 17. Jahrhundert, zitiert bei Wendland, Republik, 1990, S. 201, 204. 330 Leonhar di, Drey Reisende, 1698, S. 15; vgl. Leonhar di, Account, 1711, S. 31, wonach die Bündnisse mit fremden Mächten »make it appear, that the Rhaetian Republick is such, as the Title-page of the Description represents it« – und dort heißt es: »Free and Independent Common-Wealth«. 331 Brief vom 28. März 1690, abgedruckt in Waerachtige oorsake, 1706.

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blic«.332 Und schon wenig später werden Wendungen wie »lobl. HochRhaetischen Republic«, »Löbl. GrauPündtnerischen Republic« oder »Republic gemeiner 3. Pündten (in hochen Rhaetia)« zu offiziellen, auch in der Anrede durch Monarchen verwendeten Titeln.333 In diesem Sinn beansprucht der Bundstag Gleichbehandlung mit »der lobl. Eÿdtgn. Republic«, wie er sie 1707 in einem Titulaturstreit gegenüber Österreich einfordert.334 Tatsächlich wird die vom Kaiser gebrauchte Anrede 1709 zweimal im Referendum von den Gemeinden erörtert, die damit als »unsere Herren und Oberen« entscheiden. Mit dem entsprechenden Selbstbewusstsein antwortet das Halbhochgericht Castels-Luzein mit seinen vielleicht tausend Einwohnern dem Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, diese Gemeinde wolle fortan »kein schreiben under anderer Titulatur, alß wie sichs einem gefreÿten Standt und Republic gebührt nicht annemmen«. Das benachbarte Klosters verweigert sich ebenfalls der »verächtlichen« Titulatur und verlangt von Fürsten und »Potenzen« für die Drei Bünde eine Form, »wie es einem Souverainen und gefreÿten Standt sich gebührt, und auch Lobl. Eÿdtgnoßschafft gegeben wirdt«.335 Symbolisch wird die freistaatliche Einheit dadurch unterstrichen, dass – in Ermangelung des erst 1896, ja 1932 verfügten offiziellen Kantonswappens – die drei Bundeswappen nicht mehr nur in der Reihenfolge des Siegelns nebeneinander, sondern nun oft auch, zum Zeichen der einheitlichen Souveränität, von einer Krone überwölbt erscheinen, so auf dem Titelblatt der Memorie istoriche della Valtelina da Lavizari (Chur 1716) oder dem Oberen Tor in Ilanz (1717).336 Da sich die Wappen als eifersüchtig bewahrtes Hoheitszeichen der Bünde noch nicht zu einem einheitlichen Symbol vereinigen lassen, bietet sich dank der neuen Staatsvorstellung aber auch eine Alternative an, die sich auf einem Stich Alessandro della Vias wohl zum ersten Mal findet: Über der Darstellung des Bundesschwurs vom 16. August 1706 mit Venedig geben sich zwei Allegorien die Hand. Eine eindeutige Rhaetia taucht wenig später auf, als ausdrücklich im Anschluss an die venezianische 332 Dem nach bey anlaß …, 1699, erlassen von Präsident und Ratsboten der drei Bünde. 333 Vgl. Wennser von und zu Fr eyenthurn, Proposition, 1706; Gr euth, Copia Schreibens, s. a. (1725). 334 Bundstag vom 9. Februar 1707, StaGR AB IV 1, 63, S. 15 f.; ebenso 76 f.; vgl. den Bundstag vom 29. Februar 1709, StaGR AB IV 1, 67, S. 11, 14. 335 StaGR AB IV 1, 67, S. 116 f. 336 Wappenbuch Graubünden, 1982, S. 19–25, 58–61, 102–106, mit Bildbeilagen, vgl. insbesondere die Kombinationsversuche auf Abb. 22, 32, 33.

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Allianz am 5. Mai 1707 ein Pakt mit Zürich geschlossen wird. Auf der Vorderseite einer Gedenkmedaille reichen sich Tigurina und Rhaetia die Hand über einem Altar. Die Inschrift auf der Rückseite lautet MONUMENTUM ILLUSTR. REIP. TIGURINAE CUM ILLUSTR. REP. TRIUM FOEDERUM RHAETORUM CONFOEDERATIONIS CELEBRATAE TIGURI D. V. MAII MDCCVII. 337 Damit haben die Bündner

einen ähnlichen Übergang vom männlichen Krieger zur weiblichen Landespersonifikation vollzogen wie etwas früher die Eidgenossen: Auf Fortunat Sprechers Karte von 1618 hat noch der gewappnete Rhaetus neben S. Lucius die »alpina seu foederata Rhaetia« repräsentiert.338 Nicht nur die Bildersprache bezeugt, dass sich Graubünden gleichsam in einem Netz republikanischer Allianzen birgt und neben den Pakten mit Zürich und Venedig 1713 mit den Generalstaaten eine Allianz eingeht. Auch der venezianische Gesandte Vendramino Bianchi lobt den Vertrag von 1706, »sintemahlen die Einigkeit allezeit, absonderlich zwischen freyen Ständen … sehr nutzlich und ersprißlich ist«.339 Gegen kaiserliche Wünsche, die Beschwörung der Allianz noch aufzuschieben, meint Bianchi vor den vereinten Bündner Notablen grundsätzlich, »dass mann zwey Freye von niemand dependirende, und gantz Souveraine Republiquen, nicht obligiren könne, die Vervollkomnung der zwischen Ihnen auffgerichteter Alianz zu differiren«.340 Bianchi preist gar die Salis, »che come Cittadini di Repubblica amano, non per interesse, ma per puro zelo l’altre Repubbliche«.341 Dieselbe Rhetorik pflegt der Gesandte Ulisses von Salis im April 1707 mit dem Vizedogen Antonio Mocenigo in Venedig: »les princes ne les ayant jamais aimées«, müssten Republiken freundschaftlich zusammenhalten.342

337 Baumgartner/T elegdy-Neudorfer/Metzger, Zeugnisse, 1996, S. 83 f. 338 Die Karte von Fortunat Sprecher und Philipp Clüver in Grosjean, Schweizerkarten, 1970, Nr. 9. 339 Allianz zwischen Venedig und den loblichen drey Pündten, 1728, S. 39; vgl. dazu F. Maissen, Bündnerisch-Venezianische Allianz, 1964, ferner Bianchi, Propositione, 1706 (22. Februar). 340 Bianchi, Proposition, 1706 (10. Juni); vgl. auch seine Proposition, 1706 (20. Juli) und Proposition, 1706 (17. Dezember); sowie die anonyme Copia eines Briefs, 1706: »daß Ihr eine zwischen Freyen Ständen jederweilen wohl erschossene Harmoney bevestnen helffen wollet«. 341 Bianchi, Relazione, 1708, S. 196. 342 F. Maissen, Gesandtschaft, 1965, S. 52.

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12. Zug Zug ist verfassungsmäßig insofern ein Sonderfall, als die Stadt das – von den nahen Landsgemeindeorten gestützte – Land nicht beherrscht, sondern gegenüber den drei Landgemeinden des »äußeren Amts« (Ägeri, Menzingen und Baar) nur leicht privilegiert ist, was sich im offiziellen Titel »Statt und Ambt Zug« niederschlägt.343 Damit bilden die vier Gemeinden eine Konföderation, die im Wesentlichen nur die Strafgerichtsbarkeit und – via qualifiziertes Gemeindereferendum – die Beziehungen gegen außen als gesamtstaatliche Aufgaben wahrnimmt. Dafür zuständig ist der »Stadt- und Amtrat«, in dem 13 Vertreter der Stadt und je neun der äußeren Gemeinden sitzen und ein – von den Gemeinden im Turnus gestellter – Ammann als Träger des Blutbanns den Vorsitz hat.344 Die Wappenpyramide ziert seit 1519 das Oberwilertor und um 1522 das Löberntor, und auf Münzen findet sich der Reichsadler noch in der Prägeperiode 1691 bis 1694 regelmäßig, aber auch auf dem Schilling von 1709 oder einem nach 1721 zu datierenden 1/6 Assis.345 Die Wappenpyramide schmückt den Schreibkalender (in Taschenformat) noch 1751 und den älteren, großformatigen Stadtkalender bis 1714, fehlt dann aber auf dem jüngeren, der ab 1724 erscheint und konzeptionell gleich gestaltet ist wie diejenigen von Luzern und Solothurn (oben, Abb. 34).346 Auf der Standesscheibe sieht man sie zuletzt 1681, auf der Gemeindescheibe der »loblichen Statt Zug« selbst allerdings noch 1693 und 1747.347 Die Erinnerung an die Reichsfreiheit dürfte vor allem dazu dienen, Prätentionen des äußeren Amts gegen die Stadt abzuwehren, so im Bereich der Münzprägung.348 Ähnlich wie Chur gegenüber dem Gotteshausbund geht die Stadt Zug hier also defensiv von tradierten Rechtsvorstellungen aus. Das zeigt sich auch im sogenannten Vogtstreit oder »Tschurrimurri«-Handel über die zuständige Gerichtsbarkeit, nachdem der Gastwirt 343 Vgl. die Mandate in StAZG , A 6, Theke 87. 344 HBLS 7, S. 752 f.; Steiner, Legitimität, 1960, v. a. S. 126–147. 345 Birchler, Kunstdenkmäler Zug, 2, 1935, S. 46, 402; Wielandt, Münz- und Geldgeschichte Zug, 1966, S. 109–142, Tafel 4–6. 346 Klausener, Stadtkalender, 1955, S. 5–22; Müller, Zuger Künstler, 1972, S. 261; Birchler, Kunstdenkmäler Zug, 1, 1934, S. 13. 347 Eine ausführliche Liste, auf der aber die letzten beiden Stadtscheiben fehlen, bei Steiner, Legitimität, 1960, S. 155–158; vgl. Wyss, Zuger Glasmalerei, Zug 1968, S. 184–186 (Abb. 85, 94, 110). 348 Steiner, Legitimität, 1960, S. 145 f.

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Heinrich Bütler aus der mit der Stadt Zug seit 1416 verburgrechteten Gemeinde Hünenberg 1700 das städtische Bürgerrecht erlangt hat, um der Anklage und Rechtsprechung des Hünenberger Obervogts zu entgehen.349 Bütler will sich nur dem Rat der Stadt verantworten, deren Bürger er nunmehr ist und deren »bürgerliche Reputation und Souveränität« es nicht zulasse, dass einer ihrer Bürger sich in einer untertänigen Vogtei verantworten müsse. Der städtische Rat erledigt den Fall – in Bütlers Sinn – selbst, indem sie ihn zu einer Buße verurteilt. Der Stadt- und Amtrat fordert darauf als übergeordnete Instanz die Annullierung des städtischen Urteils, aber auch den Verzicht des Obervogts auf den Fall. Dieser und die Hünenberger finden sich aber damit nicht ab, und nunmehr schützt sie die Stadtgemeinde unter Berufung auf das Burgrecht gegen den Stadt- und Amtrat. Damit sind die drei Landgemeinden involviert: Der Stadt- und Amtrat, in dem sie die Mehrheit haben, soll als rechtmäßige Obrigkeit in Sachen Bütler das letzte Wort haben, und nicht eine der zwei unteren Instanzen. Dass der Obervogt den Gastwirt nach Hünenberg zitiert hat, laufe »ihren Bräuchen und Rechten, der hohen Judikatur und Souveränität« ebenso zuwider wie das Urteil der Stadtgemeinde.350 Der Streit eskaliert weiter, als das Amt eine eigene Landsgemeinde einberuft, sich selbständig erklärt und Amtsleute wählt. Dagegen erbittet die Stadt eidgenössische Vermittlung, die ihren Standpunkt letztlich stützt; von den Landgemeinden wird dieser Eingriff in die Souveränität abgelehnt, doch müssen sie den Schiedsspruch schließlich akzeptieren, da ihre Delegation nicht als Standesvertretung zur Tagsatzung zugelassen wird. Beide Parteien müssen ihren Standpunkt darlegen, worauf der Schiedsspruch von 1702 etwas gewunden den Stadt- und Amtrat als »nathürliche oberkeit« des Obervogts darstellt, der ihr hätte gehorsam sein müssen, doch gleichzeitig die Stadt Zug und Hünenberg bei ihren »habenden freyheiten und gerechtigkeiten ohnbeschwert«, also dem Burgrecht von 1416, belässt, weshalb Bütler sich in Hünenberg vor dem Obervogt verantworten muss. Im Übrigen sollen sowohl Amt als auch Stadt ungeschmälert »bey ihren hergebrachten eignen rechtsammenen, freyheiten, judicatur, souveraineté und independenten oberherrlickheit« verbleiben.351 »Souveränität« wird hier offenbar, von Seiten des Amts wie der Eidgenossenschaft, im engen, traditionel349 Zum Vogteihandel Steiner, Legitimität, 1960, S. 140–145; Gruber, Geschichte Zug, 1968, S. 86–88. 350 Gruber, Rechtsquellen Zug, 2, 1972, S. 794 f. 351 Gruber, Rechtsquellen Zug, 2, 1972, S. 798–801.

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len Sinn der übergeordneten Gerichtsbarkeit verwendet. Im Übrigen aber ist der »Tschurrimurri«-Handel dem Bündner Konflikt sehr ähnlich, nicht nur zeitlich, sondern auch von den Ursachen und vom Ablauf her: Auch hier wird zwischen vier Instanzen (Obervogt, Stadt, Kanton, Eidgenossenschaft) um die Hierarchie in der Rechtsprechung gerungen. Ebenso sind es hier erneut die Landgemeinden, die gegen die stets mit altem Recht argumentierende Stadt die Souveränität anführen, um die politischen Verhältnisse zu ihren Gunsten zu verändern. Der Rechtsgelehrte, der 1702 das städtische Gutachten zuhanden der Eidgenossenschaft verfasst, ist Joseph Anton Schumacher, der sich ab 1728 im »Harten- und Lindenhandel« als austrophiler Anführer der vorwiegend ländlichen Opposition gegen den frankophilen Aristokraten und Ammann Fidel Zurlauben profiliert. Schumacher ist mit aller Wahrscheinlichkeit auch der Autor der 1729 gedruckten Denkschrift Series facti, in der er das nicht ganz regelkonforme Vorgehen gegen den entflohenen Zurlauben staatsrechtlich rechtfertigt: Status Democraticus, oder die Regiments-Form des Gemeinen Manns ist also beschaffen: daß ihme eygenthumlich zustehndig ist der höchst- u. größte Gewalt gleich einem Lands-Fürsten u. absolute gefreyten Herrn. Hat also der gemeine Mann die Freyheit und Gewalt, gleich wie ein jeder Landts-Herr, die Obrigkeit selbsten aus seinen eygnen Mitteln oder Glideren zu setzen, auch mit oder ohne Ursache dieselbe wiedrum zu entsetzen. Alle Staats-Geschäfft, Püntnussen, Kriegs- und Friedens-Schlüß müssen durch ihne errichtet u. zur Vollkommenheit gebracht werden. Was hierinnen ohne sein Vor-Wissen u. Genehm-Halten verhandlet, tractirt u. pactirt wird, ist alles null u. nichtig. Ihme (dem Gemeinen Mann) stehet zu ein treues Aufsehen u. Obsicht auff ihre Herren u. gesetzte Obrigkeiten zu haben … Ja, wann Sie in Verrichtung ihres Ambtes ermanglen solten, das Unterbliebene alsdann zu Ausübung, oder das Ubel-Ausgeübte zur Auffhebung zu ziehen, vermög alter Freyheit und Ubung, auch gemeinen Rechtens.352

Im zweiten »Harten- und Lindenhandel« kommt es 1764 zum Sturz von Landammann Johann Kaspar Lutiger, dem ähnliche Verfehlungen im Salzhandel vorgeworfen werden wie 1728 Fidel Zurlauben. Die treibende Kraft hinter dem Tribunal, das Lutiger und seine Anhänger verurteilt, sind die Landgemeinden, die sich auf die »Souveränität der hohen Gewalt« berufen und von Karl Kaspar Kolin geführt werden,

352 Series facti, 1729, S. 4 f.; zitiert nach Blumer, Staats- und Rechtsgeschichte, 2, 1, 1858, S. 140; vgl. auch Koch, Harten- und Lindenhandel, 1940, S. 51–54.

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einem »Patrioten« und Mitbegründer der Helvetischen Gesellschaft.353 Während der französische Gesandte bei diesem Anlass von »des intrigues de ces petits Républicains« spricht,354 dürfte also »Respublica« für die Zuger eine starke Stellung des äußeren Amts und eine schwache der städtischen Bürgerschaft (»civitas«) implizieren und dann im Vordergrund stehen, wenn der »Gemeine Mann« als Souverän das Sagen hat. Sehr wahrscheinlich erklärt das anhaltende Spannungsverhältnis zwischen Stadt und Amt auch die schwankende Titulatur auf dem Siegel. Während auf dem siebten Siegel von 1580 das Wappen umgeben wird vom Schriftzug SIGILUM CIVITATIS ET COMMUNITATIS CANTONIS TUGINI , halten auf dem achten Siegel von 1650 zwei Löwen den Schild mit der Umschrift SIGILLUM REIPUBLICAE TUGIENSIS . Dass dieser Titel auch ein Jahrhundert später keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt sich an der Sitzung von Stadt- und Amtrat vom 14. August 1743, in der die Umschrift eines neuen Siegels festgelegt wird. Der Protokollant schreibt zuerst »Sigillum Cantonis Tugiensis«, streicht dann aber das »Cantonis« massiv durch und ersetzt es durch »Reipublicae«.355 Doch das neue Siegel trägt dann 1744 die Umschrift SIGILLUM CIVITATIS TUGIENSIS – also eine herkömmlichere Variante, welche die Stadt in den Mittelpunkt stellt.356 Bereits 1767 lässt der Ammann ein weiteres Siegel »mit einer nüwen Umbschrift« anfertigen; nun, auf dem zehnten Siegel, heißt es erneut SIGILLUM REIPUBLICAE TUGIENSIS .357 Nach dem Sturz Lutigers werden – im Jahr 1769 gedruckte – Gesatz und Ordnungen des freyen Standes der Stadt und Ambt Zug verabschiedet. Erst damit wird endgültig mit der traditionellen Vorstellung gebrochen, die in einem Zusatz zum Stadt- und Amtbuch von 1566 begegnet und bis ins 18. Jahrhundert gültig bleibt, wonach das Blutgericht erfolgen möge »nach römisch kaiserlichen und königlichen fryheiten, gerech-

353 Ess, Zweiter Harten- und Lindenhandel, 1970, S. 55–98; Bossar d, Zeitbilder, 1858, S. 153–158. 354 Zitiert bei Livet, Suisse, 1983, S. cxxxii. 355 StAZG , E 1 33 (Stadt- und Amtrat), S. 141. 356 Laut dem Wappenbuch Zug, 1942, S. 142, handelt es sich 1744 um ein reines Stadtsiegel; anders noch Birchler, Kunstdenkmäler Zug, 1934, S. 10. Da aber der Ammann 1767 ein Siegel mit einer »nüwen Umbschrift« beantragt und dann auf dem zehnten Siegel ebenso »Reipublicae« steht wie auf dem achten, muss das dazwischen angefertigte Siegel von 1744 für den Stand Zug gebraucht worden sein. 357 StAZG , E 1 39 (Stadt- und Amtrat), S. 371, 377, 503; Wappenbuch Zug, 1942, S. 141 f.

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tigkeit und altem harkommen«.358 Mit kaiserlichem Recht ist auch hier allgemein der Blutbann als kaiserliches Privileg gemeint und nicht die Peinliche Halsgerichtsordnung Karls V.359 Doch zählt Zug zu den Orten, wo für die Ordnung des peinlichen Gerichts Kayser Carl des Fünfften, ins gemein genannt Die Carolina durchaus eine – späte – Rezeption festzustellen ist: Unter diesem Titel wird sie 1743 in Zug als synoptische Ausgabe deutsch und französisch gedruckt, um als Militärstrafgesetzbuch für fremde Dienste zu dienen. In der Vorrede wird festgehalten, diese Gesetze seien nicht nur in Deutschland gebräuchlich, sondern hätten auch in der Schweiz als Quelle gedient, »da selbe vordeme ein Glied Teutschlands ware«.360 Zumindest subsidiär wird 1753 in einem Fall von Einbruchdiebstählen beschlossen, »weilen Wir in unserm orth keine Eigene recht haben, also das Carolinische recht zur richtschnur vorzuhalten«.361 Die Ablösung vom unspezifizierten »kaiserlichen Recht« als Legitimation von Blutgericht und Herrschaft läuft also unter anderem über die Auseinandersetzung mit dem kodifizierten Recht eines konkreten Kaisers.

13. Luzern Der katholische Vorort Luzern weist eine patrizische Verfassung mit einer vergleichsweise sehr schmalen Basis regimentsfähiger Familien auf: In der Mitte des 17. Jahrhunderts gibt es etwa 350 vollberechtigte Bürger.362 Innerhalb dieser Elite dominiert wiederum der Kleine Rat mit 36 kooptierten Mitgliedern, die sich im Halbjahresturnus im Regiment abwechseln, den Großen Rat (64 Mitglieder) und erst recht die Bürgerschaft. Die Mitwirkung des Großen Rats beschränkt sich auf die wichtigsten Staatsgeschäfte wie Außenpolitik oder hohe Gerichtsbarkeit. Standeshaupt ist der Schultheiß, während im Rat der Ratsrichter als Nachfolger des Reichsvogts den formellen Vorsitz innehat. Der Stadtpatron Leodegar schmückt die bis 1770 traditionellen Stadtsiegel

358 Gruber, Rechtsquellen Zug, 1, 1971, S. 337; vgl. auch S. 336, 338. 359 Steiner, Legitimität, 1960, S. 116; Stutz, Strafrecht, 1971, S. 240 f.; ähnlich auch Art. 10 in der Malefizordnung von 1615 bei Ott, Rechtsquellen, 1852, S. 65, sowie Fehr, Volksgeist, 1926, S. 80. 360 Zitiert bei Stutz, Strafrecht, 1971, S. 244 f. 361 Stutz, Strafrecht, 1971, S. 242; Meier, Peinliche Gerichtsordnung, 1911, S. 191. 362 Messmer/Hoppe, Patriziat, 1976, S. 220.

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und die Rückseite der Luzerner Münzen, auf deren Avers letztmals 1656 der Reichsadler über dem Standeswappen steht. Die wenigen Münzen der nächsten Prägphase (1675 bis 1702) haben bis 1695 die Umschrift MONETA NOVA LUCERNENSIS , wozu beim Taler von 1698 REIP. eingefügt wird, was fortan die Regel ist. Leodegar wird auf den gewichtigeren Münzen seit dem Dukaten von 1741 von zwei Wilden Männern mit Palmzweig und Schwert verdrängt, die das gekrönte Stadtwappen halten.363 Auf Standesscheiben findet sich der Reichsadler noch 1655, 1665, 1666, 1671 und 1676; 1688 ist er erstmals durch eine Krone ersetzt.364 Die Wappenpyramide mit Reichsadler schmückt die Stadttore, aber auch die Hauptfassade der von 1633 bis 1644 neu erbauten Hofkirche und je eine Tafel der Bildzyklen auf den drei Reussbrücken. Als die Tafeln der Kapellbrücke 1742 unter der Aufsicht Franz Urs Balthasars restauriert werden, nimmt der Rat Retuschen vor: Reichsapfel und Wappenpyramide entfallen, stattdessen sieht man nun das städtische Wappen in einer gekrönten Barockkartusche.365 Auch bei der Hofkirche, beim Spreuerbrückenmagazin und beim äußeren Weggistor werden die Reichsinsignien abgeschlagen, was in der Literatur erst der Helvetik zugeschrieben wird.366 Es ist allerdings denkbar, dass auch diese Attacken schon im Lauf des 18. Jahrhunderts und auf städtische Initiative hin erfolgt sind. Jedenfalls hat der in Luzern manifest vollzogene Bruch mit der Reichstradition offenbar volkstümliche wie obrigkeitliche Motive. Als der Rat 1704 beschließt, den Turm des Rathauses von 1606 zu erneuern und der vorgelegte Riss die bestehende Wappenpyramide als Schlussstein im Treppenhausgewölbe enthält, erhebt sich »ein allgemeines gassengeschrey, dass der adler an dem rathus thurn wider renoviert«. Daraufhin lässt man ihn weg.367 Bei der Erneuerung des Brunnens auf dem Jesuitenplatz will der Bauleiter, erneut der Aufklärer Franz Urs Balthasar, diesen 1737 mit einem gekrönten Reichsadler schmücken, den er in der Steinmetzenhütte gefunden hat. Die

363 Wielandt, Münz- und Geldgeschichte, 1969, S. 54, Tafeln 6–11. 364 Lehmann, Glasmalerei, 1942, Abb. 272, 289, 290, 292, 330; vgl. auch Wielandt, Münz- und Geldgeschichte, 1969, Frontispiz; Grüter, Geschichte, 1945, 2, S. 371; Bauern, 1986, S. 122. 365 Gallik er, Tafeln, 1980, S. 28–30 und Abb. 2–5. 366 Reinle, Kunstdenkmäler Luzern, Bd. 2, 1953, S. 57–69; vgl. auch S. 152, Anm. 2: Museggmagazin (1569/70), sowie Abb. 110 zur Hofkirche; Bd. 3, S. 58 und Abb. 43 zum Speuerbrückenmagazin. 367 Reinle, Kunstdenkmäler Luzern, 3, 1954, S. 7 f., vgl. Ratsprot. 87, S. 43v.

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Obrigkeit interveniert, denn sie habe, »nachdem man sich nun gäntzlich vom Römischen Reich geschellet, und einen absoluten, und Independenten Stand ausmachet, nicht mehr anständig gefunden sich dißeres alten gebrauchs zubedienen; sondern verordnet, das man in Neüen gebäuen sich des adlers und Kaÿserlichen Cron entpähren und müßigen thue.«368 Ob dieses Verbot, den Adler in Neubauten aufzunehmen, auch bedeutet, dass er von bestehenden Gebäuden entfernt wird, ist allerdings nicht klar. Dass die Luzerner Abkehr vom Reichsgedanken gleichwohl systematisch erfolgt und sich klar in die 1730er Jahren datieren lässt, zeigt sich auch an den Freiheitsbriefen der Kaiser, die traditionell beim Blutgericht verlesen werden. 1661 hat man zwar erwogen, diesen Brauch abzuschaffen, doch daran festgehalten, »obwohl U. G. H. von sich selbsten ein freyer souveräner Stand sind«.369 Dieses Souveränitätsverständnis überzeugt die Luzerner 70 Jahre später nicht mehr, nachdem die Berner im März auf eine ähnliche Formel verzichtet haben: Am 14. Oktober 1730 beschließen die Klein- und Großräte »einhellig«, dass »die freÿheiten, wie biß dahin geübet worden, nit fernerß mehr sollen abgeleßen, auch keine umfragen darüber gehalten werden, in ansehung M. G. HH. und Ob. daß Recht zum todt zu verurtheilen, als ein Souverainer standt von selbst besitzen und solches von König- und Keÿseren nit mehr zu bekennen haben«.370 Das Blutgericht wird nicht länger auf den Kaiser, sondern direkt auf den Allmächtigen zurückgeführt, wie auch das neue Richtschwert von 1733 mit seiner Inschrift belegt: HIER STEHE ICH, HOFFE NEBST GOTT ZU RICHTEN RECHT/ JESU CHIRSTE, DU BIST RICHTER UND ICH DER KNECHT. 371 Dass sich in diesen Jahren neue staatsrechtliche Vorstellungen verbreiten, wird auch daran deutlich, dass ab 1721 neben den herkömmlichen »Ratsprotokollen« »Staatsprotokolle« geführt werden; ebenso wird aus dem »Stadtschreiber« ein »Staatsschreiber«.372 Spätestens seit 1723 ist auf dem Regimentskalender des »Standts Lucern« auch das gekrönte Wappen zu sehen, ebenso ab 1741 auf den Münzen, ab 1751 auf den Mandaten, und wie in Zug und Solothurn (oben, Abb. 34) erscheinen

368 StALU cod 9875, S. 91. Den Hinweis verdanke ich alt Staatsarchivar Dr. Fritz Glauser. 369 Segesser, Rechtsgeschichte, 1850–1854, Bd. 3, S. 37; vgl. Bd. 4, S. 178. 370 Libell oder Ordnung eines jeweiligen RathsRichters, 27. August 1717 (mit Nachträgen), StALU cod 4295, S. 33 (bzw. cod 4290, S. 34). 371 Boesch, Richt- und Zeremonialschwerter, 1965, S. 68. 372 Glauser, Schreiber, 1961, S. 97.

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Abb. 36: Anonym, Lucerna und Christoph Pfyffer von Altishofen, der Sieger der Schlacht von Villmergen, 1658. Hinterglasgemälde.

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die Kronen im Heiligenhimmel des großformatigen Ratswappenkalenders.373 Schon deutlich früher begegnet Lucerna mit dem Luzerner Wappenschild und -kranz (samt Reichsadler), die auf einer Hinterglasmalerei von 1658 dem Sieger der Schlacht von Villmergen, Hans Christoph Pfyffer, den Lorbeerkranz zum Triumph reicht (Abb. 36).374 In der 1698 errichteten neuen Kanzlei des Rathauses wird Lucerna als Sapientia dargestellt (Abb. 37). Mit dem Zepter in der Aureole sieht sie aber auch der Muttergottes ähnlich, der »Regina coeli«, wie sie Rudolf Meyer als »Patrona Helvetiorum« gezeichnet hat (oben, Abb. 10). An ihrer Seite stehen auf dem Deckengemälde Fides und Justitia, also Kirche und Regiment.375 Wenig später wird über dem Portal des 1704 errichteten Münzgebäudes, also der Stätte eines wichtigen Regals, eine Bronzeplakette mit der von Merkur gekrönten Lucerna und der Umschrift RESPUBLICA LUCERNENSIS angebracht.376 Ebenfalls um Lucerna handelt es sich bei der von einem Löwen begleiteten Allegorie mit einer Art Mauerkrone, die auf dem Frontispiz von Municipale oder Statt Recht der loblichen Statt Luzern, Luzern 1700, erscheint, umgeben von Justitia (Kleiner Rat), Prudentia (Großer Rat), Fides (Kirche) und Gratitudo/Abundantia (Volk). Diese Gruppierung entspricht nicht nur der Konzeption bei Schärer beziehungsweise Füssli in Zürich (Abb. 25 und 27) und Werner in Bern (Abb. 33). Der Stich kann mit wenigen Retuschen (Standeswappen, Hostie) auch für das Basler Stadtrecht von 1719 verwendet werden, wo die Allegorie entsprechend als Basilea zu verstehen ist.377 Dass »Republik« für Luzerner zu dieser Zeit freistaatlich und antimonarchisch konnotiert wird, zeigt Johann Karl Balthasar, der Vater des erwähnten Franz Urs Balthasar und spätere Schultheiß, als er um 1690 die Decke seines Hauses am Kapellplatz 7 schmücken lässt (Abb. 38).

373 Maissen, République, 1999, S. 23, Abb. 1. 374 Zentralbibliothek Luzern, abgebildet bei Maissen, Eidgenossen, 1999, S. 281, Abb. 18. 375 Reinle, Kunstdenkmäler Luzern, 3, 1954, S. 38 f.; Carlen, Manierismus, 2002, S. 46 f., Abb. 36. Ganz ähnlich ist die Frauengestalt auf einer Luzerner Medaille von 1699 im Landesmuseum gestaltet, doch stellt sie dort Maria dar, mit dem Jesuskind und der Umschrift LUCERNA PEDIBUS MEIS ; tatsächlich sieht man unten die Vedute der Stadt. 376 Reinle, Kunstdenkmäler Luzern, Bd. 2, 1953, S. 267, Abb. 200; vgl. Bd. 3, 1954, S. 51 f., 66 f. 377 Der Entwurf stammt vom Basler Johann Rudolf Huber, vgl. die beiden Stiche Schaller, Basilea, 2001, S. 77, Abb. 66, 67.

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Abb. 37: Hans Georg Krauer oder J. R. Morrini, Sapientia/Lucerna, Deckengemälde, Neue Kanzlei Luzern, 1698.

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Abb. 38: Roma unterrichtet Hollandia, Venetia und Helvetia, Deckenbild, um 1690, Roncahaus, Kapellplatz 7, Luzern.

Die zwölf seitlichen Deckenspiegel zeigen Helden der römischen Republik wie Scipio, Coriolan, Mucius Scaevola, Cato Uticensis, Lucretia und Marcus Curtius. Die personifizierte Roma selbst ist auch auf dem außerordentlichen Hauptbild zu sehen, vor dem Kapitol und begleitet vom Wolf mit Romulus und Remus. Mit ihrer Rechten greift Roma zu einem Buch, wohl eine Gesetzessammlung, während die Linke eine Statue der Nike stützt, zu deren Füßen – umgeworfen und besiegt – eine Krone und eine Standarte mit Lorbeerkranz liegen, also monarchisch-imperiale Symbole. Das Spruchband verkündet PRAECLARAM ROM[A] REIP[UBLICAE] LIBERTATEM DOCET, und tatsächlich sitzen drei gelehrige Damen Roma gegenüber: Hinten Hollandia mit Löwe 521

V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

und sieben Pfeilen, rechts Venetia mit dem Markuslöwen und links vorne Helvetia mit dem Tellenknaben samt Apfel.378 Die nicht zuletzt dank Auslandreisen und ihrem Speditionsgeschäft hochgebildete Familie Balthasar bleibt auch in den folgenden Generationen die Hauptvertreterin eines republikanischen Selbstverständnisses im Sinn eines aufgeklärten aristokratischen Absolutismus. Staatschreiber Franz Urs Balthasar sucht nach der Niederlage im Zweiten Villmerger Krieg den Ausgleich mit den reformierten, aber ähnlich verfassten Stadtorten und will die Patrizierherrschaft intensivieren, insbesondere im Udligenschwiler Handel von 1725 gegenüber dem Nuntius und der Kirche. Der Anspruch auf Immunität von Klerikern wird zurückgewiesen, wobei der Luzerner Rat offenbar festhält: »Der Umfang unseres Gebiets ist nicht groß, aber unsere Souveränitätsrechte denen der Könige gleich.«379 Im selben Geist legitimiert Josef Anton Felix Balthasar, der Sohn von Franz Urs, 1768 im aufsehenerregenden De Helvetiorum iuribus circa sacra das Staatskirchentum als Ausdruck der Souveränität. In einer populären Schrift erteilt der jüngere Balthasar 1775 auch die Antwort auf die Frage: »Was ist das, Republick?« »Respublica … heißt ein freyes unabhängiges Volk, das einen Staat ausmacht, der niemand unterworffen, von niemand abhanget, und niemand als Gott, dem Herr der Herrschenden, von seinem Thun und Lassen Rechenschaft zu geben hat«. Der Aufklärer stellt die Republik grundsätzlich der Einzelherrschaft gegenüber und erkennt in Luzern eine gemischte Verfassung, wobei aber die der menschlichen Natur entsprechende Aristokratie mit ihren Vorzügen stark überwiege.380 Die »theure, geheiligte, unschätzbare« Freiheit besteht für Balthasar darin, dass »ein jeder Bürger und Einwohner, unter dem Schutz der Gesetzen, und einer sehr milden und gemäßigten Regierung frey und ungezwungen leben, und seines Eigenthums auf alle Weise gesichert seyn kan« – also eine deutliche Formulierung liberaler, negativer Freiheit. Dies bedeute nicht, dass ein »freyer Republicaner … nach seiner Lust und Gefallen leben darf«, denn ohne Tugend und Mäßigung gebe es keine wahre Freiheit.381 Diese Überzeugung spiegelt sich auch in der Reaktion Balthasars und seiner Standesgenossen im sogenannten

378 Reinle, Kunstdenkmäler Luzern, 3, 1954, S. 184 f.; Carlen, Manierismus, 2002, S. 46, Abb. 35. 379 So wenigstens zitiert bei Pfyf fer, Geschichte, 1850, S. 468, vgl. auch 471 sowie Wicki, Staat, 1990, S. 65–73, zum Udligenschwiler Handel. 380 Balthasar, Erklärungen, 1775, S. 19 f., 62–65. 381 Balthasar, Erklärungen, 1775, S. 21 f.

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14. Uri, Schwyz, Unterwalden und Gersau

Schumacher-Handel von 1764: Das »rebellische Vorhaben« wird »losen Burgern« zugeschrieben, nach deren Willen »alles über einen Hauffen geworffen, das Regiment gestürzt und eine Democratie hätte eingeführt werden sollen«.382 Ländlich-untertänige und städtisch-bürgerliche Partizipationswünsche, die von klerikalen Kreisen im Patriziat und den Landsgemeindekantonen gestützt werden, stehen also dem »josephinischen« Republikanismus der rationalistischen Aufklärer gegenüber, die ihre aristokratische Herrschaft mit ihrer »Tugend und Weißheit und Arbeitsamkeit« legitimieren.383

14. Uri, Schwyz, Unterwalden und Gersau Uri ist von den Landorten der einzige, der schon sehr früh das lateinische »Respublica« aufnimmt, nämlich in der Münzprägung ab dem Dukaten von 1612, wo auf der Vorderseite der Reichsadler von der Umschrift DUC AUR RE-IPUB URANI umgeben ist. Auch der Tellenschuss auf einer Schulmedaille lässt sich problemlos mit der imperialen Wappenpyramide kombinieren. Die Münzprägung bricht 1641 ab, und als sie 1701 wieder aufgenommen wird, ist der Text derselbe, der Adler hingegen weggefallen.384 Auch auf dem neunten Siegel von 1679 steht erstmals SIGILLUM REIPUBLICAE URANIENSIS , und auf dem dreizehnten Siegel von 1790 sieht man nicht nur diesen Text, sondern eine Krone, die über dem Wappen schwebt.385 Da die dokumentarische Überlieferung wegen des Altdorfer Dorfbrands von 1799 schlecht ist, lassen sich die Gründe für die frühe Übernahme des lateinischen Titels »Respublica« schlecht erforschen. Vermutlich betont er gegenüber den anderen Kantonen Uris Selbständigkeit; andere Symbole der Urner Staatlichkeit sind jedenfalls im Ancien Régime rar. Für Schwyz ist der widersprüchliche gleichzeitige Rekurs auf Souveränität und kaiserliche Befreiung bezeichnend, wie er bereits im Umfeld des Ersten Villmerger Krieges geschildert worden ist, ebenso die Begründung des schweizerischen Jus publicum durch den Schwyzer Büeler.386

382 Iselin, Briefwechsel, 1925, S. 169 (Balthasar an Iselin, 9. Mai 1764); zum Schumacher-Handel Wicki, Patriziat, 1992, S. 108–110. 383 Iselin, Briefwechsel, 1925, S. 175 (Balthasar an Iselin, 6. Juni 1764). 384 Püntener, Münzprägung Uri, 1983, Nr. 98, 166; Stunzi, Tell, 1973, S. 56. 385 Wappen, Siegel und Verfassung, 1948, S. 431–435. 386 Dazu oben S. 204 f. sowie 223 f.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

Schon vor dem Krieg verwahrt sich der Kanton gegen fremde Einmischung, da sein Volk niemanden außer Gott über sich erkenne.387 Im Zweiten Villmerger Krieg drückt sich dieses Selbstbewusstsein der Landsgemeinde am kräftigsten im verhängnisvollen Beschluss vom 10. Juli 1712 aus, den angefangenen Kampf fortzusetzen. Begründet wird dies damit, »daß die Meyen Landsgmeind … der größe gwald und LandtFürst sin solle, und setzen und Entsetzen möge ohne Condition; … der oberkheit, dem Malefizgericht und andern gerichten solle das recht, so ihnen gehört, auch gelasen sin – und solle man den Landlüthen auch lassen, was ihnen gehört«.388 Ganz deutlich unterschieden wird also zwischen den Kompetenzbereichen der Magistraten und den rechtsprechenden Organen einerseits und der souveränen Zuständigkeit der Landsgemeinde für Krieg, Frieden und Rechtsetzung andererseits. Wer ihr die höchste Gewalt und die Stellung eines Landesfürsten bestreite, wird für vogelfrei erklärt. Kein Widerspruch zu diesem uneingeschränkten demokratischen Landesfürsten sind die Schwurformeln, die noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts als Aus-Zug der keyserlichen Rechten Eydts in Schwyz gesammelt werden.389 Beim Blutgericht verpflichten sich Richter, Geschworene und Weibel mit ähnlichen Formulierungen darauf, sie hielten sich an »keÿserl. Rächt auch meiner Herren der Landt- undt Waldlüthen alt breüch, freÿheiten, gewonheiten, harkommen, rächte, undt Landtsbruch«. Das kaiserliche Recht ist in diesen Formeln also den eigenen Gesetzen und Bräuchen vorangestellt.390 Nicht nur die Rechtsprechung bleibt im imperialen Gedankengut eingebettet, auch die letzte erhaltene Schwyzer Wappenscheibe von 1684 zeigt noch die Reichspyramide.391 Ein Wandel ist um 1728 greifbar, als ein in Stockholm wirkender Mitbürger, der renommierte Medailleur Johann Carl Hedlinger, ein neues Siegel als »ein present der oberkheiten« zuschickt: Über dem Standespatron Martin steht SIGILLUM REIPU-

387 Ryf fel, Landsgemeinden, 1903, S. 142. 388 Zitiert nach Blumer, Staats- und Rechtsgeschichte, 2, 1, 1858, S. 139; vgl. Fehr, Absolutismus, 1952, S. 190 (Artikel 21 der 26 Landespunkte); im Gehalt ähnlich, aber allgemein über die Demokratie Büeler, Tractatus, 1689, S. 76 f. 389 StASZ , Archivbücher, cod. 1900 (stammt frühestens von 1739); ähnlich cod. 1890 (um 1700) und cod. 1895 (aus dem 18. Jahrhundert). 390 StaSZ , Archivbücher, cod. 2506: Gerichtes Form, so man über daß bluett richt, nach alten breüchen, undt freÿheiten, nach der waldtstatt brauch und rächten, S. 2, 15, 62 (vor 1715). 391 Meyer, Kunstdenkmäler Schwyz, 1, S. 32.

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14. Uri, Schwyz, Unterwalden und Gersau

BLICAE SUITENSIS .392 Fast gleichzeitig findet sich das Wort auf den Münzen: REIPUB SUITENSIS umgibt als Umschrift auf einem Zwanzig-

kreuzerstück von 1730 den Doppeladler, an dem weiter festgehalten wird. In der letzten der seltenen Schwyzer Prägungen während des Ancien Régime wird 1779 ein Dukaten herausgegeben, dessen Rückseite beschrieben ist mit DUCATUS REIPUBLICAE SUITENSIS , während auf der Vorderseite ein Löwe das Schwyzer Wappen und ein Schwert hält, auf dessen Spitze eine Freiheitsmütze steckt; dasselbe Bild findet sich seit 1764 auf dem Regimentskalender. 1797 schließlich bedeckt auch in Schwyz eine Krone das Wappen.393 Der entsprechende Wandel im Staatsverständnis schlägt sich in der Korrespondenz mit Frankreich in der Selbstbezeichnung als »République souveraine« nieder oder vereinzelt auch in Briefen, die adressiert sein können: »Aux Magnifiques et puissants Seigneurs Landame, Conseil de la Souveraine Republique Canton Schwitz«.394 Unterwalden besteht aus den zwei Halbkantonen Ob- und Nidwalden. In Obwalden schmückt die von Löwen gehaltene Wappenpyramide mit Reichsadler nicht nur das um 1540 gefertigte Amtsschwert des Landammanns, sondern auch noch – von der Kaiserkrone überwölbt – die Supraporta, die über dem Hauptportal des 1729/31 in Sarnen gebauten neuen Rathauses errichtet wird!395 Wenig später, im Jahr 1744, erscheint die letzte einer Serie von Münzen zu 20 Kreuzern, die den Reichsadler auf dem Revers mit der Umschrift MONETA REIP [UBLICAE] SUBSYLVANIAE SUPERIORIS kombinieren (Abb. 39). Im gleichen Jahr geht nach knapp zwanzig Jahren die einzige Obwaldner Prägphase zu Ende, in der man also ohne den Zwang älterer Vorlagen den Reichsadler als Hoheitssymbol ausgesucht hat. Dazu

392 Meyer, Kunstdenkmäler Schwyz, 1, S. 34–35; Zumbühl, Siegel, 1947, S. 28–29. 393 Wielandt, Münz- und Geldgeschichte, 1964, Nr. 76, 94, 96, 100, 102; vgl. Meyer, Kunstdenkmäler Schwyz, 1, S. 40 f. 394 Der Brief von 1765 bei Livet, Suisse, 1983, S. cxxxiii; StaSZ , Aktensammlung, Theke 311 (13. Juni 1779, Brief von Offizier Zweyer). 395 Durr er, Kunstdenkmäler Unterwalden, 1928, S. 577–586, datiert die Supraporta des Rathauseingangs auf den Neubau (1729–31), und ihm folgt offenbar Wirz, Rathaus Obwalden, 1979, S. 26–28; beide sehen das Portal als für den Bauleiter und Steinmetz Urban »typisch« an. Nach Auskunft des Obwaldner Staatsarchivs ist es dagegen ein Verschreiber, wenn derselbe Durr er, Wappen, 1959 [urspr. 1905], S. 26 und 35, das Jahr 1747 für die Errichtung der Supraporta angibt, die er wohl mit dem Einbau eines Gewölbes unter der Freitreppe im Jahr 1746 verwechselt; ihm folgen Mühlemann, Wappen, 1991, S. 58, und Von Moos, Entwicklung, 1991, S. 202 f.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

Abb. 39: 20 Kreuzer, Obwalden 1742.

passt, dass das Obwaldner Malefizgericht darin besteht, das »kaiserliche Recht auszuüben«.396 Auch die Nidwaldner Landrat und Landleute sollen beim Malefizgericht »nach Gewohnheit, keyserlichen Rechten und alltem Härkommen über das Bluot richten und urtheilen«.397 In ihrem Hauptort Stans halten zwei Greifen die Wappenpyramide, die ursprünglich mit dem Reichsschild das prunkvolle Hauptportal (1641) der Kirche überwölbt; wohl nach dem Nidwaldner Aufstand vom September 1798 werden die alten Embleme der Freiheit abgeschlagen.398 1711 wird auf Regierungsbeschluss hin ein neues kleines Siegel für den Verkehr mit dem Ausland (»fehrne Landt«) angefertigt, auf dem die Umschrift SIGILLUM COMMUNITATIS SUBSYLVANIAE die von zwei Löwen gehaltene, gekrönte Wappenpyramide umgibt.399 Auch auf dem Salzmagazin von 1700/01 und auf der Südfassade des 1714 errichteten neuen Rathauses überragt der Reichsadler die Kantonsschilde. Offenbar wegen des Reichsadlers wird das dortige große Stuckrelief zerstört, aber erst im nationalstaatlichen Kontext, nämlich 1881, im Vorfeld des vierhundertjährigen Jubiläums des Stanser Verkommnisses.400 Aufgemalt findet sich die Wappenpyramide mindestens bis 1741, erst auf dem 396 Meier, Peinliche Gerichtsordnung, 1911, S. 116; Wappen, Siegel und Verfassung, 1948, S. 515. 397 Steiner, Räte und Gerichte Nidwalden, 1986, S. 234; auch 291, Anm. 376. 398 Durr er, Kunstdenkmäler Unterwalden, 1928, S. 773–776. 399 Wappen, Siegel und Verfassung, 1948, S. 556–559; Durrer, Kunstdenkmäler Unterwalden, 1928, S. 885 f. 400 Durr er, Kunstdenkmäler Unterwalden, 1928, S. 862, 896; Steiner, Räte und Gerichte Nidwalden, 1986, S. 171, Abb. 11.

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15. Glarus und Appenzell

Weibelschild aus der Mitte des 18. Jahrhunderts prangt eine Krone über dem Kantonswappen, und ähnlich präsentiert sich 1775 das Kornhaus von Wil oberhalb von Stans.401 Die Hofleute des am Vierwaldstättersee gelegenen Dorfes Gersau kaufen sich 1390 von der habsburgischen Vogtei los und erhalten 1433 von Kaiser Sigismund die alten Rechte und Freiheiten bestätigt. Der kleine Landsgemeindeort nimmt, in einem Schutz- und Schirmverhältnis den Innerschweizer Orten verbunden, durch diese an den eidgenössischen Angelegenheiten teil und geht erst 1798 und endgültig 1817 als Bezirk im Kanton Schwyz auf.402 Im kleinen Landbuch von 1605 wird der zweigeteilte Gersauer Schild (blau und rot, letzteres möglicherweise als Zeichen der Reichsunmittelbarkeit) vom gekrönten Doppeladler überragt. Ähnliche Darstellungen finden sich auf den Titelblättern der Ratsbücher von 1711, 1742 und noch 1792, das gar bis 1833 weitergeführt wird – auch, ja gerade das auf einen Bezirk reduzierte Dorf gedenkt damit seiner vom Reich erlangten und gewährten Freiheiten.403 Auf dem 1745 errichteten Rathaus sieht man ein gekröntes Ortswappen, das aber vermutlich erst bei der Restaurierung von 1907 aufgemalt wird.404 1756 wird sogar in einem Schreiben verkündet, es werde »von unserer freÿen Republic die Justiz und gerechtigkeith nach mas der verbrechen [ge]urtheilt«.405 Im Übrigen dürfte, ähnlich wie in St. Gallen, der stolze und zugleich wehmütige Topos der »altfryen Republik« eher dem nostalgischen Sprachgebrauch des 19. und 20. Jahrhunderts entspringen als dem offiziellen in der Frühen Neuzeit, doch vereinzelt angelegt ist er offensichtlich.

15. Glarus und Appenzell Die beiden Landsgemeindekantone Glarus und Appenzell sind bikonfessionell, was in Glarus zu konfessionell getrennten Institutionen führt, in Appenzell zur Kantonsteilung von 1597. In Glarus fehlen die 401 Steiner, Räte und Gerichte Nidwalden, 1986, S. 41, Abb. 2; Durr er, Kunstdenkmäler Unterwalden, 1928, S. 891, 1020 f. 402 Müller-Schmid, Gersau, 1982, S. 10–30. 403 Benziger, Wappen, 1920, S. 100; vgl. auch Mattern, Geschichte, 1989, S. 61, Abb. 2. 404 Rathaus Gersau, 1987, S. 8; abgebildet auch bei Mattern, Geschichte, 1989, S. 59, Abb. 1. 405 StaLU A1 F1, 290, 18. August 1756 (Civil-, Criminal- & Polizeisachen).

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

untersuchten Symbolträger weitgehend; auf Standesscheiben findet sich der Reichsadler mindestens bis 1625.406 Im Mai 1736 beschließt der gemeine Rat »offenbar aus Repräsentationsgründen«, dass ein neues, das neunte Siegel mit der Umschrift SIGILLUM REIPUBLICAE GLARONENSIS HELVETIORUM angefertigt werden soll.407 Fast zur selben Zeit steht in den Protokollen der Landsgemeinde erstmals »Unser Souverainer Stand«, als die Rechte zur Walensee-Schifffahrt gegen Schwyz verteidigt werden.408 Mit einer konzeptionell verwandten Formulierung hat der »absolute und independente Stand« Glarus bereits im Werdenberger Landhandel von 1719–1722 einen Zürcher Vermittlungsversuch abgelehnt, da es für seine Handlungen allein »dem höchsten Richter« verantwortlich sei.409 Auch in Appenzell hat die Landsgemeinde die »großte gwalt«, und am Ende des Ancien Régime wird sie zumindest in Ausserrhoden auch als »die gesäzgebende Macht und Souverains« apostrophiert, obwohl nach dem Zeugnis Einheimischer diese Bezeichnung im Normalfall eher auf den Großen Rat zutrifft.410 Maximilian I. bestätigt 1507 erstmals den dem Landammann verliehenen Blutbann, der zuvor beim Kloster St. Gallen gelegen hat. Entsprechend wird nach »kaiserlichen Rechten« gerichtet, die Verhöre werden von der »Reichskammer« vorgenommen. Ein eigens durch den Rat gewählter »Reichsvogt« assistiert zu Pferd und mit seinem »Reichsschwert« bei Folterungen und Exekutionen, so noch 1834 bei einer der letzten Hinrichtungen in Appenzell-Ausserrhoden. In Innerrhoden wird das Amt des »Reichsvogts« gar erst mit der Verfassung von 1872 aufgehoben – als das Alte Reich selbst schon seit gut 65 Jahren zu existieren aufgehört hat.411

406 Tschudi-Schümperlin/Winteler, Wappenbuch, 1977, vor S. 5; außerdem im Haus Brunner »im Sand«, vgl. Davatz, Glarus, 1974, S. 25. 407 Stucki, Rechtsquellen Glarus, 3, 1984, S. 1109 (18./29. Mai 1736); Wappen, Siegel und Verfassung, 1948, S. 602. 408 LAGL Altes Archiv I, 84, Landsgemeinde vom 1./12. Mai 1737. 409 Oechsli, Benennungen, 1, 1916, S. 188; Felder, Typologie, 1976, S. 358. 410 Vgl. die Antwort Laurenz Zellwegers an Scheuchzer von 1727, zitiert bei Würgler, Verfassungstourismus, 1997, S. 225 f.; ferner StAAR Ab. 4–10, S. 448 (Großer Rat, Protokoll, Ratsbeschluss 22. April 1797); vgl. Landbuch von 1585, Art. 130, bei Griesshammer, Verfassungsbestimmungen, 1943, S. 25; ebenso im Appenzeller Landbuch von 1600, vgl. Schläpfer, Appenzell Ausserrhoden, 1972, S. 42. 411 Griesshammer, Verfassungsbestimmungen, 1943, S. 27 f., 58 f.; Grosser/Hangartner, Appenzell Innerrhoden, 1993, S. 60; Bischofsberger, Rechtsarchäologie, 1999, 1, S. 60, Anm. 63; Blumer, Staats- und Rechtsgeschichte, 2, 2, 1859, S. 58.

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15. Glarus und Appenzell

1583 wird im Ort Appenzell ein Rathaus fertiggestellt, auf dessen äußere östliche Giebelwand ein Reichsadler gemalt wird, den man erst um 1927 übertüncht. Den großen Ratssaal im Inneren schmückt der St. Galler Künstler Caspar Hagenbuch d. J. 1570 mit einem Band von Gemälden. Über den Sitz des Landammanns malt er die Wappenpyramide, die auch Hans Bildsteins Regimentstafel von 1653 ziert. Auch an anderen prominenten Orten begegnet der Reichsadler, so über dem Hauptaltar der Pfarrkirche St. Mauritius oder über dem Landsweibelschild.412 Eine vergleichsweise späte Wappenpyramide mit Reichsadler befindet sich auf einem Zinnteller von 1690, wo das Innerrhoder Standeszeichen vom Wappenkranz der eidgenössischen Orte umgeben ist.413 Obwohl der Kaiser Appenzell das Münzregal nie ausdrücklich gewährt hat, entschließen sich die Innerrhoder 1734 zu ihrer einzigen und kurzen Prägphase: Auf dem 20 Kreuzer-Stück prangen soll, ähnlich wie in Obwalden, der »Doppeladler mit dem Landeswappen als Herzschild«, auf der Vorderseite der Heilige Mauritius mit der Umschrift MONETA REIPUBLICAE APPENZ . Wie in Obwalden fällt auf, dass bei einer um die Mitte des 18. Jahrhunderts neu aufgenommenen Münzprägung das Reichsinsigne Verwendung findet, möglicherweise auch als Ausweis des prätendierten Regals. Gleichzeitig wird die Prägung selbst, als andere Orte an der Tagsatzung Einwände dagegen anbringen, als »ein von der Souveränität abhängendes Regale« gerechtfertigt.414 Ähnlich bezeichnet der Landammann bei anderer Gelegenheit Innerrhoden »als souveränen Stand und keinem anderen Richter, als Gott unterworfen«.415 In Appenzell Ausserrhoden findet sich die Wappenpyramide auf Glasscheiben bis 1639, und der Landweibel leitet die blutrichterliche Befugnis aus »kaiserlicher und königklicher Maÿstedt« her.416 Auf

412 Bischofsberger, Rechtsarchäologie, 1999, 1, S. 204–295, 782 f.; Fischer, Recht, 1977, S. 113–117; ders., Kunstdenkmäler Appenzell Innerrhoden, 1984, S. 292–305, Abb. 341, 344, 356; Ruosch, Hoheitszeichen, 1955, S. 19. 413 Rittmeyer, Goldschmiedearbeiten, 1964, S. 57, Tafel XVII, Nr. 52; auch die letzte erhaltene Wappenscheibe, von 1656 und für das Innerrhoder Rathaus, zeigt den Adler. 414 EA 7, 1, S. 556 (2. Juli-2. August 1733); vgl. zur Münzprägung Tobler, Appenzell, 1969, bes. S. 17, 27, 44 f., Tafel 1; danach Fischer, Kunstdenkmäler Appenzell Innerrhoden, 1984, S. 86–88. 415 EA 7, 1, S. 411 (7.–9. Juli 1732). 416 Im Historischen Museum Sankt Gallen, Inv. Nr. 23007, vgl. Speck er, Führer, 1989, S. 24; die spätere Scheibe im Ortsmuseum Herisau; StAAR Ms. 3, Malefizordnung, angefügt an Bruggmeister-Chronik.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

dem Weibelschild ersetzt allerdings zu einem unbekannten Zeitpunkt ein Freiheitshut den Reichsadler über dem Appenzeller Bären.417 Als traditioneller Schmuck, der ursprünglich auf die Reichsfreiheit angespielt haben dürfte, findet sich noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts je ein halber Doppeladler bei Bauernhäusern als Fensterleisten links und rechts der Fensterflucht, ebenso als Zierelement.418 Im Ausserrhoder »Landhandel« von 1732 argumentieren die oppositionellen »Harten« staatsrechtlich, wenn für sie »der großte Gewalt bei dem Landmann« liegt, und nicht bei der »linden« Obrigkeit. Auch das angerufene eidgenössische Schiedsgericht beeinträchtigt in ihren Augen die Hoheit des Standes, dessen oberster Richter ebenfalls die Landsgemeinde sei.419 Angesichts solcher Empfindlichkeiten versichern die Ehrengesandten aus den evangelischen Städten dem Ausserrhoder Landammann und Rat entschieden, dass ihre Vermittlungsbemühungen keinen Schaden »an ihrer Soverainitet, oder an ihren Freyheiten und Regiments-Ordnungen« bedeuten. Vielmehr würden so die Parteikämpfe vermieden, die in »einigen vormahls so berühmt gewesenen freyen Ständen in Italien« das Ende von Freiheit und Regiment brachten. Ebenfalls beschwichtigend wird eine Amnestie für die »Linden« nahegelegt, die »Souverainitet und Freyheit« nicht schwäche, sondern deren »rechtes Kennzeichen« sei; und befestigt würde sie auch, wenn die Landsgemeinde, die »mehr als 200. Jahr euer höchster Gewalt und euer oberste Gesätzgeber gewesen«, nach reiflicher Überlegung – also erst an einer ordentlichen Landsgemeinde – neue Gesetze für die »Freyheit des Lands und des freyen Landtmanns« erlasse.420 Doch konfrontiert mit einer bedrohlichen Menge von 4000 Landleuten geben die Vermittler den »Harten« nach, damit die »uncontestierliche Souveränität« dieser Demokratie erhalten bleibe, in welcher die Landsgemeinde »der Fürst und höchste Gewalt« sei. Tatsächlich werden im Nachgang des Handels etliche »Linde« wegen

417 Steinmann, Kunstdenkmäler Appenzell Ausserrhoden, Bd. 1, 1973, S. 14–15; ein älteres Weibelschild von ca. 1500 mit Doppeladler in Fischer, Kunstdenkmäler Appenzell Innerrhoden, 1984, S. 107; vgl. Bischofsberger, Rechtsarchäologie, 1999, 2, S. 749, 782; Rittmeyer, Goldschmiedearbeiten, 1964, S. 48–50, Tafel XII/XIII; dies., Hoheitszeichen, 1964, S. 5 f., Abb. 8. 418 Steinmann, Kunstdenkmäler Appenzell Ausserrhoden, Bd. 1, 1973, S. 317 f.; die Zierelemente im Museum Herisau gemäß Auskunft von Staatsarchivar Dr. Peter Witschi. 419 Zum Landhandel Schläpfer, Appenzell Ausserrhoden, 1972, S. 162–182. 420 Proposition, 1733, S. 4, 6 f.

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16. Fürstabtei St. Gallen, Fürstbistum Basel und Biel

»missliebiger Reden« über die demokratische Majestät gebüßt, die in Appenzell den willkürlichen Absolutismus in Form von Mehrheitsentscheidungen vorführt.421

16. Fürstabtei St. Gallen, Fürstbistum Basel und Biel Der Abt von St. Gallen ist zugleich Reichsfürst und ein zugewandter Ort der Eidgenossen, rangmäßig der erste. 1658 protestiert er dagegen, dass Zürich im Tagsatzungsprotokoll in seinem Titel »Souverän« gestrichen habe, worauf er als Reichsfürst Anspruch habe! Der Verdacht stellt sich als ungerechtfertigt heraus, verrät aber eine terminologische Sensibilisierung, da sich Reichsstandschaft und Souveränität prinzipiell ja gerade ausschließen.422 An der Tagsatzung nimmt der Fürstabt seit 1665 ständig teil, die Reichstage besucht er hingegen – letztmals 1663 eingeladen – nicht und entrichtet auch keine Reichssteuer. Doch ein neuer Abt lässt sich jeweils vom Kaiser Reichslehen und Regalien bestätigen.423 Entsprechend beruft sich der fürstäbtliche »Vogt des heiligen Römischen Reiches« beim Blutgericht auf die kaiserliche Belehnung und gelobt, »nach kaiserlichen und des heiligen römischen Reichs Rechten« vorzugehen.424 Diese Formel ist nicht nur formell zu verstehen, denn im Stift wird die Constitutio Carolina auch materiell voll rezipiert.425 Doch die Reichskontakte dienen auch den Untertanen zum Schutz, zumindest im Toggenburg, um das der Zweite Villmerger Krieg entbrennt. Der Reichsadler auf einer Wattwiler Truhe von 1738, ebenso schon auf Intarsien von Häusern, die 1667 (Ebnat) und 1672 (Furth) gebaut worden sind, und wohl auch auf Rückenlehnen von Stühlen des 18. Jahrhunderts sind dort als Symbole alter Freiheit im politischen und im konfessionellen Bereich zu interpretieren.426 Im selben Geist argumentiert der Fürstabt 1801, als die Aufhebung des Stifts sich abzeichnet, zur Wahrung seiner Hoheitsrechte, denn »er sei ein unabhängiger Reichsfürst und sein Land ein von dem Schweizerbund ganz unabhängiger Bund«.427

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Schläpfer, Appenzell Ausserrhoden, 1972, S. 175, 178. EA , 6, 1, S. 452, 459. Müller, Landsatzung, 1970, S. 158 f.; Oechsli, Orte, 1888, S. 200–202. Zitiert bei Marquar dt, Segmentäres Verfassungssystem, 1999, S. 144. Meier, Peinliche Gerichtsordnung, 1911, S. 135–138. Kirchgraber, Doppeladler, 1986. Zitiert bei Fehr, Absolutismus, 1952, S. 197.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

Das Fürstbistum Basel besteht aus zwei Teilen: Im nördlichen, etwa dem heutigen Kanton Jura entsprechenden Territorium herrscht der Bischof von Basel als Vasall des Kaisers mit Sitz am Reichstag über Reichsuntertanen; im südlicheren Gebiet, das ungefähr dem jetzigen Berner Jura entspricht, hat er dagegen als ausländischer Fürst die Landesherrschaft inne über Gebiete, die mit Bern, Fribourg und Solothurn verburgrechtet sind und zur Eidgenossenschaft gehören. Als die Ständeversammlung im Fürstbistum 1712 erstmals eine Steuerforderung verweigert, setzt er sich über deren Bewilligungsrecht hinweg und treibt die Abgaben fortan kraft eigener Gewalt ein. Gegen diese absolutistische Herrschaftsintensivierung erwächst heftiger Widerstand in den nördlichen Landvogteien Ajoie (Elsgau), Delémont (Delsberg) und Laufen. 1730 werden die »Troublen« durch den Fund eines alten Freiheitsrodels von 1517 ausgelöst, den die Untertanen der neuen, für die Bauern belastenden Gesetzgebung gegenüberstellen und zu halten geloben, »sofern seine Hoheit nicht noch ältere Briefe vorzeigen will.«428 Der Bischof tut diesen Fund bezeichnenderweise als »verrostete Freiheitsbriefe« ab, die von der Entwicklung und seiner »potestas legislatoria« überholt seien, doch die Bauern wenden sich an den kaiserlichen Oberlehensherr persönlich, der ihre Rechte wahren soll. Diesem läuft jedoch der französische König den Rang ab, der dem Bischof die militärische Durchsetzung der Souveränität empfiehlt und ermöglicht. Zur kompromisslosen Durchsetzung seiner Ansprüche sieht auch der Bischof nur eine mögliche Alternative, dass nämlich die »Untertanen zur fürstlichen Würde, hingegen der Landesfürst zur unterthänigen Dienstbarkeit gelangeten«. Als die Bauern erkennen, dass das alte Recht keine Diskussionsgrundlage mehr darstellt, ergeben wenigstens einige von ihnen sich ebenfalls der neuen Logik und fassen den Beschluss, »sich zu Republikanern zu erheben, einen Kanton zu gründen und … bei den Ständen Bern und Basel vorstellig zu werden, um mit ihnen eine Allianz zu gründen«.429 Auch im Süden versucht der Bischof, mit einer absolutistischen Déclaration souveraine für das Erguel (1742) oder 1750 für La Neuveville das Prinzip durchzusetzen, dass kommunale Vorschriften nur gültig sind, wenn sie vom Landesherren abgesegnet werden.430 Obwohl sich hier dank Berner Rückhalt die traditionellen Positionen besser halten 428 Suter, Troublen, 1985, S. 61, vgl. 44–46. 429 So wenigstens der bischöfliche Landvogt von Delémont, zitiert bei Suter, Troublen, 1985, S. 394; vgl. 69–72, 161, 166, 318–333, 388–396. 430 Braun, Rinck von Baldenstein, 1981, S. 133 f., 139 f.

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16. Fürstabtei St. Gallen, Fürstbistum Basel und Biel

können, drückt doch die 1758 schließlich erlangte Huldigung für den 1744 gewählten neuen Bischof Rinck von Baldenstein das souveräne Selbstverständnis eindrücklich aus: Er ist nicht mehr persönlich anwesend, die Untertanen leisten ihren Eid einem Portrait, das in einem goldenen Rahmen unter dem Baldachin steht, dem Symbol der Souveränität.431 Die zugewandte Stadt Biel wird trotz entsprechender Bemühungen nie zur Reichsstadt und bleibt – obwohl früh reformiert – dem Bischof von Basel untertan, was die Eidgenossen im »Badener Vertrag« von 1610 besiegeln.432 So huldigen die Bürger, die »in namen Gottes und nach keyserlichen Rechten« ihre Urteile fällen, jeweils dem neuen Bischof bei seiner Antrittsvisite Treue als ihrem »prince et souverain«.433 Im Vertrag von Büren wird 1731 der Amtsbrief neu redigiert, wobei die an sich korrekte, aber erst seit einigen Jahren vom Bischof beanspruchte Titulatur »des heiligen römischen Reiches Fürst« weggelassen wird. Sie passt nicht für die Stadt, die an der Tagsatzung teilnimmt und als zugewandter Ort in den Friedensvertrag von Rijswijk eingeschlossen worden ist.434 Tatsächlich gelingt es der Stadt im Bieler Vertrag von 1758 dank Berner Rückhalt, ihre herkömmliche Verfassung und Wahlverfahren gegen bischöfliche Interventionslust zu verteidigen. Entsprechend beschreibt auch der Zürcher Pfarrer Johann Rudolf Schinz in seiner Reisebeschreibung von 1773 die Bieler: »Sie wachen eifersüchtig über ihre Rechte und Freiheiten, wozu sie wegen ihrer heilen Doppelstellung als Untertanen eines Fürsten und als Freistaat allen Grund haben. Sie bezeigen dem Fürstbischof als ihrem eingeschränkten Landesherrn wenig Achtung, hören auch nicht gerne darüber reden. … Viel lieber reden sie von den Beziehungen, die sie als Freistaat mit den Eidgenossen pflegen. Sie sind ihnen heilig und unverbrüchlich.«435

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Holenstein, Huldigung, 1989, S. 482 f. Bloesch, Verfassungsgeschichte, 1977, S. 69–78. Utz, Geschichte, 1971, S. 10; Meier, Peinliche Gerichtsordnung, 1911, S. 116. Bloesch, Verfassungsgeschichte, 1977, S. 90; Bloesch, Geschichte Biel, 3, 1856, S. 23–28. 435 Schinz, Schweizerreise, 1952, S. 27.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

17. Baden, Bremgarten, Mellingen Infolge seines Konflikts mit dem österreichischen Herzog Friedrich fordert König Sigismund im April 1415 die habsburgischen Städte Baden, Mellingen, Bremgarten, Zofingen, Lenzburg, Brugg und Sursee auf, dem Reich zu huldigen, das ihre Freiheiten mehren und sie sich nie entfremden werde.436 Am 21. Juli desselben Jahres bestätigt er dann alle Rechte und Freiheiten der Stadt Baden und macht sie damit zur Reichsstadt – nur um sie einen Tag später zusammen mit Mellingen, Bremgarten und Sursee an Zürich und dann auch an die übrigen Eidgenossen verpfänden zu können. Im Übergabebrief von 1415, aber auch 1443 und 1450 wird Baden bestätigt, dass es weiterhin Reichsstadt heißen soll: Es besetzt seine Ämter selbständig, übt in der Landschaft das Mannschaftsrecht und den Blutbann aus. Die Eidgenossen treten in die Rechte der Habsburger ein, nicht in diejenigen des Kaisers. Der Doppeladler prangt regelmäßig auf Wappenscheiben, so im Badener Tagsatzungssaal (1500), im Kloster Wettingen (1623), im Landvogteischloss (1610), auf dessen Ostfassade (1492) und dem Hauptportal (1580), im Stadtratsaal (1638), noch 1668 in der Ennetbadener Kapelle St. Michael und schließlich auch auf einem Mandat von 1700.437 Im späten 17. Jahrhundert wird das Verhältnis vor allem zu den reformierten Herrschern zusehends gespannter, weil Baden beansprucht, dass es ähnlich wie ein zugewandter Ort in einem Schutz- und Schirmverhältnis zu den Schweizern steht, aber keine Untertanenstadt ist. Gegenstand der Auseinandersetzung sind unter anderem die Titulaturen: Die Badener sehen Worte wie »Obere« für die Eidgenossen und »gehorsamwillig« für sie selbst als Zeichen eines »absoluten Dominiums« an, wie es den Untertanen in der Vogtei, aber nicht der Stadt gemäß sei. 436 Zur reichsrechtlichen Begründung der Eroberungen von 1415 Schuler-Alder, Reichsprivilegien, 1985, v. a. S. 88–95. Auch wenn Bern 1415 den reichsstädtischen Status von Aarau, Zofingen, Lenzburg und Brugg ausdrücklich bestätigt und dies nicht vergessen geht (vgl. zu Aarau oben, S. 458 f.), spielt der Reichsadler in der lokalen Topographie anscheinend keine Rolle beziehungsweise nur in der Kombination »Bern-Rych«. Dasselbe gilt für Winterthur, Frauenfeld und Diessenhofen, die ebenfalls und selbst nach 1415 von Sigmund privilegiert werden. Vermutlich lässt sich die reichsstädtische Freiheit in einer gemeinen Herrschaft besser bewahren und symbolisieren als bei der Schirmherrschaft nur eines Kantons. 437 Mittler, Baden, 1962, Bd. 1, S. 70–72, 81, 84 f., 95; Siegenthaler, Kabinettscheiben, 1996; vgl. Mattern, Wappenpyramide, 1983, S. 62–64; ibid., 1984, S. 78; Boner, Siegel, 1979, S. 369.

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17. Baden, Bremgarten, Mellingen

Während die katholischen Orte 1696 die alten Rechte Badens schützen, zeigen sich Zürich und Bern über dessen angemaßte »Independenz und Souveränität« empört. Als die Stadt sich dann im Villmerger Krieg den Katholiken anschließt, erobert wird und fortan nur noch den beiden reformierten Orten untersteht, werden die Badener nicht als besiegte ebenbürtige Gegner, sondern als widerspenstige Untertanen behandelt: Sie müssen einen Huldigungseid leisten und behalten zwar die umfassende Gerichtsbarkeit, doch gegen zivilgerichtliche Urteile kann fortan an die fremde Obrigkeit appelliert werden.438 Damit wird 1712 zum bitteren Fanal für eine Stadt, deren Reichsfreiheiten man geduldet hat, der man aber nicht nachsieht und schon gar nicht ermöglicht, dass sich daraus souveräne Staatlichkeit entwickelt. In den Klöstern Muri und Wettingen findet sich auch die Wappenpyramide von Bremgarten, die über dem Eingang des Zeughauses und häufig im eigenen Rathaus begegnet: auf einer Supraporte von 1519, einer Ratsscheibe von 1677, einer Karte des Herrschaftsgebiets von 1748 und dem Stuckrelief in der ehemaligen Ratsstube, zudem auf dem Weibelschild von etwa 1500.439 Bremgarten, das wie Baden 1415 von Sigismund privilegiert und anschließend von den Eidgenossen erobert wird, besitzt das Blutgericht seit 1434. Die Reussstadt muss dieses Privileg stets gegen die eidgenössischen Herrscher verteidigen, die auch versuchen, die Reussstadt wie das benachbarte Mellingen zum Besuch der Landtage des Vogts von Baden zu zwingen. Dagegen berufen sich die Bremgartner auf ihre angestammten Rechte (Stadtrechtsurkunde von 1258, kaiserliche Briefe und anderes) und können dabei auf das Verständnis und die Unterstützung wenigstens einiger Stände rechnen – die wohl, wie Zug, zu den kleineren zählen und ebenfalls darauf angewiesen sind, dass das alte Recht streng respektiert wird.440 Die Ordnung von 1645 führt in einer ausführlichen Präambel die obrigkeitliche Strafgewalt auf Gott zurück; besonders gelte dies in »denjenigen ständen, stätten und rebuspublicis, so specialter privilegiert und mit der freyheit des bluotbans versehen«. Nachdem der Bremgartner Magistrat so allgemein die hohe Gerichtsbarkeit als besonderes Privileg der »respublica« verkündet hat, beansprucht er es als Keyserliches Malefitz Recht für sich: »Wann nun ihr min g. hn. in namen üwer statt Bremgarten als ein derglichen stand und respublic neben andern üwern wolhargebrachten keyserlichen königlichen fürstlichen und eidgnossischen 438 Mittler, Baden, 2, 1965, S. 43–47; 67–70, 106–113. 439 Felder, Kunstdenkmäler Bremgarten, 1967, S. 121–124, 133. 440 Steiner, Legitimität, 1960, S. 120 f.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

privilegien, freyheiten und bestetigungen auch insonderheit vom heiligen röm. reich dotiert begabt und versehen mit der freiheit, über das bluot zurichten.«441 Die auffällige Beanspruchung des Titels »respublic«, wenn auch in dieser dem Lateinischen noch sehr nahen Form,442 zeigt, dass die Bremgartner die staatliche Autonomie mit dem Blutgericht in Verbindung bringen und damit auch gegen die Eidgenossen verteidigen. In der Begründung durch kaiserliche und eidgenössische Privilegien bleiben sie zwangsläufig herkömmlich, da es ihnen verwehrt ist, sich kraft eigenen Rechts Kompetenzen anzueignen. Im Kloster Wettingen repräsentiert sich 1623 mit Baden und Bremgarten zusammen auch Mellingen durch die Wappenpyramide.443 Mit den beiden anderen aargauischen Städten teilt es die Eroberung von 1415, aber auch die eidgenössische Urkunde von 1450, welche weiter den Status einer Reichsstadt zugesteht. So wacht der Doppeladler über dem Kirchenportal, und am 1693 erneuerten Brückentor überragt er zuoberst die in einer Reihe gemalten Wappen der acht Orte, unter denen allein das Mellinger Wappen folgt. Mit dieser hierarchischen Anordnung werden der eidgenössischen Herrschaft gleichsam Grenzen gesetzt durch das Reich, das seinen Privilegienempfänger beschützt.444

18. Lausanne, Stein am Rhein, Rapperswil Die Wappenpyramide mit Reichsadler und Stadtwappen wird nicht nur, wie erwähnt, für Sion geschaffen, sondern auch für die andere welsche Bischofsstadt Lausanne, die sich – »estant ville impérialle« – mit Berufung auf ein Diplom Sigismunds von 1434 als Reichsstadt versteht. Eine entsprechende Wappenscheibe datiert von 1539, also nach der Eroberung durch Bern, eine andere schafft Hans Funk 1528 für das Rathaus. Über dessen Portal und über einem Türeingang im Inneren wacht sie erneut, ebenso auf einer Steinskulptur von 1675 und auf 441 Merz, Stadtrecht Bremgarten, 1909, S. 155 f. 442 Auf einer Silberschale von 1630 findet sich die Randschrift »D. D. REIBUB . BREMGARTENSI «, vgl. Felder, Kunstdenkmäler Bremgarten, 1967, S. 129. 443 Hoegger, Zisterzienserkloster Wettingen, 1998, S. 316; vgl. Mattern, Wappenpyramide, 1983, S. 62–64; ibid., 1984, S. 78. Im Paar mit Bremgarten dargestellt wird Mellingen auch 1547 durch Anton Schitterberg, vgl. Lehmann, Glasmalerei, 1942, Abb. 109 f. 444 Hoegger, Kunstdenkmäler Bezirk Baden, 1976, S. 393–396 (Abb. 370); Mattern, Doppeladler, 1988, S. 415.

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18. Lausanne, Stein am Rhein, Rapperswil

zwei Holztafeln im Ratssaal, die wohl aus dem späten 18. Jahrhundert stammen. Die Stadtpläne des 17. Jahrhunderts zeigen den Reichsadler, vor allem aber die zahlreichen Stadtsiegel seit dem zweiten von 1517 bis weit in das 18. Jahrhundert. Bern akzeptiert diese Form der Selbstdarstellung auch auf der Stadtmauer, aber unter der Bedingung, dass sein eigenes Wappen darüber gesetzt werde.445 Auch im Rathaus von Stein am Rhein hängen Stadtscheiben von 1543, 1607, 1641 und 1665 als Wappenpyramiden.446 Sie erinnern daran, dass die Stadt sich 1457 losgekauft hat und damit reichsfrei geworden ist. 1484 nimmt sie unter Wahrung der alten Rechte und Freiheiten (Münz- und Marktrecht, Blutgericht, Behördenwahl, Gesetzgebung) Zürich als Schutzherren an, doch die auch wirtschaftliche Nähe zu Vorderösterreich bleibt für die rechtsrheinische Stadt ein wichtiger Orientierungspunkt. Dieses Verhältnis schlägt sich in der eigentümlichen, vierteiligen Wappenpyramide nieder: Der Doppeladler überragt die zwei Zürcher Schilde, unter denen Steins St. Georg reitet. Dieses Bild begegnet auch noch 1760 auf dem Ofen im Rathaus und spät im 18. Jahrhundert auf Plänen der Stadt mit ihrem ländlichen Untertanengebiet – von einem Löwen gestützt 1773, und gar mit einem Freiheitshut über dem Doppeladler 1774.447 Die unklare Stellung der Stadt führt wenig später zum »Steinerkrieg« mit Zürich. Stein hat sich seine Freiheiten stets vom Kaiser bestätigen lassen und 1658 Leopold I. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Rheinstadt als ein freies, kleines Glied sich nie »außert Konnexion mit dem Reich gesetzt« habe, sondern dessen Lehen bleibe. Allerdings erfolgt diese Privilegienbestätigung ohne das Wissen von Zürich, und als die Steiner beim Herrschaftsantritt des neuen Kaisers Joseph I. 1705 ihre Rechtstitel erneuern lassen wollen, verbietet ihnen Zürich dies unter anderem wegen dieses heimlichen und deshalb widerrechtlichen Vorgehens. Dem schließt sich eine Lektion über den Unterschied von privat- und öffentlichrechtlichen Beziehungen an, wie sie im mittelalterlichen Lehensrecht noch ungetrennt vermischt sind: Stein 445 Valazza T ricarico, Lausanne, 2004, S. 233–235; Grandjean, Ville de Lausanne, 1, 1965, S. 8 f., 12–15, Abb. 15–18, S. 48–50, 399, Abb. 312/313, S. 414 f., Abb. 321, S. 418; vgl. Mattern, Doppeladler, 1988, S. 416, Abb. 6. 446 Boesch, Glasgemälde, 1950, S. 170, Abb. 18; Mattern, Doppeladler, 1988, S. 406; Frauenfelder, Kunstdenkmäler Stein, 1958, S. 192–196, Abb. 254, 197, 198. 447 Birchmeier, Region, 1997, S. 41, 47, 53, 60; vgl. Frauenfelder, Kunstdenkmäler Stein, 1958, S. 14, 92 (Abb. 116: Zürcher Wappenpyramide von 1656), S. 199–201 (Abb. 267).

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

möge seine lehensherrlichen Rechte im Dorf Hilzingen vom österreichischen Herzog bestätigen lassen, doch einer Privilegienbestätigung des Habsburger Kaisers (also derselben Person in anderer Funktion) bedürfe es nicht. Seit dem Westfälischen Frieden sei nämlich Zürich »Kaiser von Stein«. Die Formel »auf des Reichs Ehre« im Huldigungseid wollen die Zürcher dulden, weil er unschuldigem alten Herkommen entspreche. 1781 wird dieser Eid allerdings aktuell, weil ein Steiner Bürger unter Berufung darauf beim Kaiserhof gegen seinen Rat appelliert hat. Die Zürcher erfahren gleichzeitig, dass Stein sich im selben Jahr beim neuen Kaiser Joseph II. darum bemüht hat, dass ihm die Privilegien erneut bestätigt werden, wie es ebenfalls heimlich bereits 1748 unter Franz I. geschehen ist. Wenig später beansprucht Stein das im Schirmbrief von 1484 nicht geregelte Recht, militärische Werbungen auf seinem Territorium durchführen zu lassen. Während die Rheinstadt ihren Standpunkt, dass Zürich nicht Landes-, sondern bloß Schirmherr sei und der »nexus Imperii« fortbestehe, mit alten Urkunden herzuleiten versucht, fordert Zürich entsprechend dem neuen Staatsverständnis alle nicht ausdrücklich delegierten Hoheitsrechte konsequent für sich. Stein wird militärisch besetzt, und die Bürger müssen 1784 als Untertanen huldigen. Der Stadtvogt, der mit dem alten Recht argumentiert und die Wirkung des Westfälischen Friedens für Stein bestritten, ja angeblich den Kaiser als Lehnsherr um Hilfe angegangen hat, endet wegen Majestätsbeleidigung und Hochverrats im Gefängnis.448 Wie Stein unter Zürich, so kommt Rapperswil im Gefolge des Plappartkriegs 1464 unter die Schirmherrschaft der vier Orte Uri, Schwyz, Unterwalden und Glarus. Auf den von 1415 bis 1442 genossenen Status einer freien Reichsstadt beziehen sich Scheiben(risse) von 1578 und 1609 mit dem Stadtwappen und dem Reichsadler. Ihn sieht man unter anderem auf Matthäus Merians Prospekt und dem Titelblatt zu Johann Peter Dietrichs Belagerungschronik von 1656, ja noch am Ende des 18. Jahrhunderts auf einer Stadtansicht.449 Das Blutgericht erfolgt nach »Kayserlichen Rechten und der Statt Rapperschwil gebrauch«.450 Nachdem sich Rapperswil im Ersten Villmergerkrieg er-

448 Füssli, Unruhen, 1901; Rippmann, Geschichte Stein, 1957, S. 189–191, 205 f., 227 f., 233–235, 281–290; die Gehorsamspflicht gegenüber dem Kaiser am deutlichsten im Memorial der Steiner Deputierten vom 6. März 1784 bei Vetter, Zerwürfnisse, 1879, S. 35 f. 449 Ander es, Seebezirk, 1966, S. 177, 205, 233, 365; Boesch, Stadtscheiben, 1952, S. 22–26; Mattern, Doppeladler, 1988, S. 414. 450 Rick enmann, Staats- und Rechtsverhältnisse, 1878, S. 133.

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18. Lausanne, Stein am Rhein, Rapperswil

folgreich gegen die Zürcher Belagerer verteidigt hat, wird es von den katholischen Schutzorten gar als »eben so gut wie Zürich gefreit« und von Schwyz ausdrücklich als »freier Stand« angesehen.451 1666 erklären die Innerschweizer Orte die Rosenstadt sogar »als (außer dem Schirm) einen souveränen Stand, der bei seinen Herkommen, Recht und Gerechtigkeit unberührt verbleiben, geschützt und geschirmt werden solle«. Auch wenn eine eingeschränkte Souveränität strenggenommen keine ist, interpretieren die Rapperswiler ihr Verhältnis zu den Schirmorten nun erst recht so, als bestehe kein Unterschied zu demjenigen der freien eidgenössischen Orte untereinander.452 Wie ausgeprägt das Selbstbewusstsein der Bürgergemeinde in dieser Zeit ist, zeigt der Streit, nachdem 1703 ihr abgesetzter Schultheiß an die vier Schirmorte gegen seine Verurteilung appelliert. Die Stadt anerkennt die Zuständigkeit dieses fremden (Schieds-)Gerichts, welches das Urteil kassieren will, nicht an, sondern verkündet (zumindest mit den Worten eines ihrer Nidwaldner Gegner), »daß sye ein soveraner Standt oder Oberkeit selbst syen, zuegleich auch den Herren Gsanthen den gebührenden Respect verlohren, den Titel, alß Gnädig [Herren], nit geben wollen usw.« Die Rapperswiler wollen nicht die Schirmorte als Vermittler in einem inneren Konflikt, sondern andere Eidgenossen als Vermittler im äußeren, weil sie »eine Parth [und] die loblichen Schirmorth die andere Parthei seien«. Für ihre gleichrangige Position verweisen sie auf die »alten Freyheiten und Grächtigkeiten, Sigel und Brieffen und biß dahin gehabtem und geübtem Brauch und Harkommen etc.«.453 Doch die drei rein katholischen Orte erzwingen am 24. August 1704 die Huldigung der unbotmäßigen Rapperswiler und heben die 1544 von ihnen bestätigten Privilegia de non appellando und de non evocando auf. Auch wird die Adresse »Herren«, auf die sich die Rapperswiler in ihren Briefen an die Schirmorte aus ihrem »souveränen« Selbstverständnis heraus zusehends beschränkt haben, abgeändert in »gnädige Herren«.454 Als die Zürcher und Berner im Zweiten Villmergerkrieg erneut vor Rapperswil lagern, versprechen sie, bei einer Übergabe der Stadt die 451 EA 6, 1, S. 345 (1. September 1656); S. 351 (7. Oktober 1656); vgl. auch S. 337 (21. Mai 1656). 452 J. L. Göldin, Urkunden- und Stadtrechtbuch, zitiert bei Rick enmann, Geschichte, 1878, S. 256, 267. 453 Bünti, Chronik, 1973, S. 132–135. 454 Eppenberger, Politik Rapperswils, 1894, S. 75–78; Rick enmann, Geschichte, 1878, S. 271–273; Blumer, Staats- und Rechtsgeschichte, 2, 1, 1858, S. 240–242; zur Titulatur auch Gilomen, Titulatur, 1920, S. 322–324.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

unrechtmäßig entzogenen Privilegien gemäß dem Vertrag von 1464 wieder zurückzuerstatten. Unter dem Jubel der katholischen Bürger ziehen darauf die reformierten Soldaten in die Stadt ein. Nach dem 2. Villmergerkrieg lassen Zürich und Bern die Wappen der katholischen Schirmorte in Rapperswil übermalen und durch die ihrigen ersetzen.455 Doch 1742 benutzen Bern und Zürich einen innerstädtischen Konflikt dazu, um den Bürgern vermehrte Mitsprache zu gewähren und die städtischen Freiheiten in einem »Recess« wieder einzuschränken; sie greifen in die Strafgerichtsbarkeit ein und behalten sich das Appellationsrecht vor. Ferner werden den Hofleuten, den ländlichen Untertanen Rapperswils, Freiheiten gewährt, wie sie in den beiden reformierten Kantonen selbst nicht denkbar sind. Die Schirmorte erklären dabei ausdrücklich, sie seien befugt, das geschriebene Recht der Stadt zu verändern, und schaffen damit – zulasten der privilegierten Stadt und zugunsten der (allerdings weiterhin untertänigen) Landschaft – in Rapperswil ansatzweise einen einheitlichen Untertanenverband.456

19. Rottweil Die Reichsstadt Rottweil wird nach einem ersten Bündnis von 1463 mit den acht Orten und mehreren gemeinsamen Kriegszügen 1519 als zugewandter Ort »ewiges« Bundesglied der zwölf Orte (ohne Basel). Im Dreißigjährigen Krieg erhalten die altgläubigen Rottweiler trotz vor allem 1632 wiederholten Bitten bündniswidrig keine nennenswerte Unterstützung und sehen ihre Stadt 1643 sowohl von französischen als auch von kaiserlichen Truppen belagert und erobert. Nach dem Krieg drängt das reformierte Zürich die Schwaben – wegen vorgeblicher Verstöße gegen die Neutralität – aus dem Bund, analog zu katholischen Schikanen gegenüber dem zugewandten Mülhausen. 1689 antwortet die Tagsatzung auf ein Hilfegesuch, dass die Neckarstadt »sich selbst des Bundes verlustig gemacht habe«. Unter den Zugewandten, die im Rijswijker Frieden eingeschlossen werden, findet sich konsequenterweise die Reichsstadt nicht.457 455 Bünti, Chronik, 1973, S. 265. 456 Rick enmann, Geschichte, 1878, S. 296 f. 457 EA 6, 2, S. 252–254, 264 (Januar-April 1689); vgl. Hecht, Rottweil, 1969, S. 135–138.

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19. Rottweil

Ein entscheidender Grund für die Entfremdung ist das seit dem Hochmittelalter belegte kaiserliche Hofgericht, das einen großen Teil von Rottweils überregionaler Bedeutung ausmacht und die Stadt stark an den Kaiser bindet. So geht sie auf Wettsteins Vorschlag nicht ein, die Exemtion auch für sich zu beanspruchen. Dafür bestätigt der Westfälische Friede das Hofgericht, das »clainod« in den Augen der Rottweiler, die nur ganz selten die vollständige Wappenpyramide und sonst den eigenen, einköpfigen Reichsstadtadler verwenden. Noch 1793 bestätigt Franz II. das inzwischen allerdings kaum mehr aktive Hofgericht. 1781 ist wohl ein eindrücklicher Richterstuhl aus rotem Sandstein angefertigt worden, als dessen Rückenlehne der gekrönte Doppeladler dient – allerdings nur noch einmal, bei der letzten Gerichtssitzung von 1784.458 Bei einem neuen Herrscher wird während des ganzen 18. Jahrhunderts um die Belehnung nachgesucht, vor allem für die Hochgerichtsbarkeit, und auch der Huldigungseid wird regelmäßig geleistet. »Ihro kaiserliche Majestät als allerhöchstes Reichsoberhaupt« ist oberste Appellationsinstanz und, im Sinne eines »negativen Reichsbewusstseins«, letzte Gewähr für die Eigenständigkeit.459 So entsteht mit der Rathaus-Renovation von 1782 ein Ölgemälde Josephs II. zum Beweis der Reichstreue; den prächtigen Rahmen überragt ein gekrönter Doppeladler.460 Die seltenen lateinischen Formeln mit »Respublica Rottwilensis« werden nie volkssprachlich umgesetzt.461 Erst 1794 und im Diminutiv nennt der einheimische Staatsrechtler Johann Baptist Hofer Rottweil ein »unschuldiges von der Schweitz protegirtes Republickchen«. Wie selbstverständlich aber gleichzeitig selbst für ihn die Bindung an Kaiser und Reich ist, zeigt sein grundlegendes Verfassungswerk von 1796: »Wenn man also alles Vorhergesagte im Ganzen auf Rotweil anwendet, so ergiebt sich, daß diese Reichsstadt den jeweiligen römischen Kaiser … insbesondere als vollziehende Macht zu Erfüllung der Reichsgesetze, als Schutzherrn der Kirche, als obersten Lehensherrn, als höchsten Reichsrichter, als Quelle der Privilegien, Freyheiten und aller Würden, als Inhaber der Reichsdomainen und Einkünfte, endlich namentlich vermöge des Huldigungseides als ihren rechten Herrn und

458 Hecht, Rottweil, 1969, S. 133–135; zum Hofgericht Grube, Verfassung, 1969. 459 Laufs, Rottweil, 1963, S. 11–16; Hecht, Rottweil, 1999, S. 37 f., 105–109, 210–214; Stähle, Wappenscheiben, 1969, S. 69; Steinhauser, Stadtwappen, 1935. 460 Hecht, Wolf, 1976; Ebert/Hecht, Kulturdenkmale, 1986, S. 28. 461 Ebert/Hecht, Kulturdenkmale, 1986, S. 118.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

Beherrscher anzuerkennen, folglich den schuldigen reichsverfassungsmäßigen Gehorsam und Treue zu leisten hat.«462

20. Fazit Anhand zahlreicher Beispiele ist oben der Übergang geschildert worden von einer Reichsstadt oder -landschaft, die ihre Herrschaftsrechte im Rahmen eines umfassenden Vertragsdenkens und durch käufliche Ablösung erlangt, sich mit dem Doppeladler schmückt und nach kaiserlichem Recht Urteile fällt, zu einer absoluten, souveränen Republik, die ihr Standeszeichen gekrönt präsentiert, die uneingeschränkte Gesetzgebung – die auch herkömmliches Recht brechen darf – als obrigkeitliche Kernkompetenz versteht und die eigene Staatlichkeit in der faktischen Macht des Schwerts begründet. Wenn Ausgangs- und Endpunkt auf diese Weise leidlich zusammengefasst werden können, so verläuft der Übergang selbst in den einzelnen Kantonen und erst recht in der ganzen Eidgenossenschaft weder geradlinig noch nach einem übereinstimmenden Muster. Um dennoch die Hauptlinien aufzeigen zu können, war die vorgängige Skizzierung des Prozesses in rund dreißig Staatsgebilden unabdingbar. Völlig offensichtlich ist dabei, dass nicht ein staatstheoretisches Denken ein anderes von einem Tag auf den anderen – etwa im Jahr 1648 – abgelöst hat. Oft über Jahrzehnte hinweg haben sich beispielsweise der Reichsadler und eine Umschrift »Respublica« bestens vertragen, was zugleich ein weiterer Beleg dafür ist, dass erst die volkssprachliche Verwendung des Wortes klar freistaatlich konnotiert ist. Sie fällt dann allerdings auch mit einer gehäuften Verwendung der lateinischen Vokabel auf offiziellen Symbolträgern zusammen. »Respublica« kann im frühneuzeitlichen Sinn sowohl »Stand« als auch »Freÿstaat« heißen und betont zuerst einmal die Einheitlichkeit und Geschlossenheit einer politischen Gemeinschaft, wie die Bezeichnung der vereinten Walliser Zenden als »ein Landtschafft, ein Corpus, ein Republik oder Standt« zeigt.463 Die Polysemie ist zu berücksichtigen, wo das Wort bereits im 16. Jahrhundert vereinzelt auf Münzen auftaucht: 1536 in Fribourg 462 Hofer, Unterricht (1796), 1926, S. 23–40, hier S. 40 (§ 32); vgl. Laufs, Jus publicum, 1979, S. 413 f. 463 Ghika, Etat corporatif, 1947, S. 141, Anm. 471; vgl. auch ibid., S. 251, Anm. 870, die oben in Anm. 72 zitierte Ermahnung aus Frankreich.

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20. Fazit

oder auf der Zürcher Goldkrone, die aus derselben Zeit stammt wie das SIGILLUM SECRETUM MAIUS REIPUBLICAE SANGALLENSIS und eine St. Galler Medaille von 1566 mit ähnlicher Umschrift. Die letztgenannten drei Werke stammen vermutlich alle aus der Hand Jacob Stampfers und sind wohl Teil eines späthumanistischen Klassizismus, der aber mit dem Wort »Respublica« durchaus die staatliche Unabhängigkeit – in St. Gallen gegen den Fürstabt – betonen will. Ähnlich motivierte Inschriften auf reichsstädtischen Münzen sind früher bereits erwähnt worden.464 Insofern ist auch der singuläre Urner Dukaten von 1612 viel weniger aussagekräftig als der Berner Dicken von 1617, dessen »Respublica« mit französischen und deutschen Belegen der gleichen Zeit zusammenfällt. Dass das Wort nun aber auch im Lateinischen eine engere Konnotation erhält oder erhalten kann, demonstriert das Walliser Beispiel: Dort ist die Umschrift MON REIP VALLESIAE von 1628 ganz klar gegen die bischöfliche Monarchie gerichtet und wird auch so verstanden, was während eines halben Jahrhunderts den Titulaturstreit mit den Innerschweizern anhalten lässt. Ebenso wenig ist es ein Zufall, wenn in Wettsteins Basel 1653 der Reichsadler auf einem Dukaten der Umschrift REIPUBLICAE BASILIENSIS weichen muss. Zur selben Zeit wirkt in England das »Parlamentum Reipublicae Anglicanae«, während sich Cromwell auf Münzen als REIPUBLICAE ANGLIAE SCOTIAE HIBERNIAE &C PROTECTOR huldigen lässt.465 Während das Walliser (und das englische) Beispiel den innenpolitisch gegen einen Monarchen errungenen freistaatlichen Status betonen, geht es im Falle Basels eher um die außenpolitische Anerkennung der eigenen Staatlichkeit – die allerdings nicht monarchisch ist. Ebenso wie die völkerrechtliche Beförderung von 1648 französischen Ursprungs ist, so ist es die Infiltration der Volkssprache durch das neue Staatsdenken. Voran geht Genf, dessen Titulierung als »République« bei Henri IV klar gegen die savoyischen Herzöge gerichtet ist und die Calvinstadt gleichsam sprachlich in die Unabhängigkeit entlässt. Im Austausch mit Frankreich, Genf und Neuchâtel folgt Bern relativ rasch, doch dauert es ein gutes Jahrhundert, ehe das deutsche »Republik« zum offiziellen und konsequent verwendeten Titel wird. Noch viel mehr Zeit lassen sich die anderen zwölf Orte. Denn wenn das Wort »Republik« außenpolitisch erwünschtermaßen Unabhängigkeit impliziert, so ist es innenpolitisch herrschaftlich aufzufassen. Dies 464 Vgl. oben, S. 44 f. 465 Von Roten/Cahn, Münzen, 1992, S. 259; Lünig, Literae procerum, 1712, passim.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

muss in Abgrenzung zum modernen, die internationale Forschung prägenden Verständnis betont werden, weil in ihr das freiheitliche Element der frühneuzeitlichen Republik hervorgehoben wird – sei es als Fortsetzung der mittelalterlichen Genossenschaft, sei es als Vorwegnahme der modernen Demokratie. Doch ausgerechnet die Vertreter der Innerschweizer Landsgemeinde haben im Titelstreit mit dem Wallis erklärt, dass »die Democratie der Republik schnurstraks entgegen läuft«.466 Die Republik ist etwas, das sich traditionell durch Privilegien begründete politische Ordnungen im Namen der Souveränität unterordnet – sofern dieses »etwas« keine Monarchie ist. Die frühneuzeitliche Republik entspringt damit nicht der genossenschaftlichen oder kommunalen Tradition, im Gegenteil: Die Dorfgemeinde, aber wohl noch mehr die Stadtgemeinde mit ihren Sonderrechten sind ihr erklärtes Opfer – sie bilden nur insoweit einen Teil der Republik, als sie ihr subordiniert werden. Die »Commissaires« um Burlamaqui haben 1734 in Genf gegen die Bürgerschaft festgehalten, dass die form- und würdelose »simple Communauté« der Stadt von einst durch eine hierarchische Verfassung zu einem »Etat« und damit zur »République« geworden sei – mit Bürgermeister und Räten als deren Haupt.467 Die Republik ist der Kleine Rat, der den Großen Rat auf ein Akklamationsinstrument reduziert; die Republik sind Klein- und Großräte, welche die Bürgerschaft zu Untertanen degradieren; die Republik sind die Patrizier, die sich die konkurrierende Gerichtsbarkeit der Kirche, aber auch einer Universität oder der Twingherren gefügig machen; die Republik ist die Regierung, welche die althergebrachte Autonomie der Munizipalstädte nach unten nivelliert; die Republik ist der Stand, der sich Städte unterwirft, mit denen ihn seit dem Mittelalter ein Schirmverhältnis verbindet. Republik, Stand, Regierung, Patriziat, Klein- und vielleicht auch Großräte: Es handelt sich um die polyarchische Variante des nach Absolutheit strebenden frühneuzeitlichen Obrigkeitsstaats, der Herrschaft über zunehmende Verwaltungstätigkeit, Verschriftlichung und die »gute Policey« ungezählter Mandate intensiviert. Freiheitlich ist diese Republik nur insofern, als sie sich – wie Monarchien auch – ausländische Eingriffe verbittet, aber – anders als diese – am Regiment mehr als nur einen teilnehmen lässt. »Gleichheit« gilt als Prinzip nur unter diesen mehr oder wenigen Regenten, was die Zugangsmöglichkeiten zu Ämtern und Privilegien betrifft, wobei »Ballotieren« und Loswahlen als Ausdruck von »Demokratie« verstanden werden. 466 EA 6, 1, S. 365 (9 katholische Orte, 21.–23. März 1657). 467 Vgl. oben, S. 441.

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20. Fazit

»Absolutheit« schließlich meint – im Sinne des Schwyzer Landammans Büeler – weniger die Erhebung über positive Gesetze als das durch keine Untergewalten eingeschränkte Monopol bei deren Erlass sowie die Kompetenz, herkömmliches Recht zu bestätigen, aber auch abzuändern oder aufzuheben.468 Festzuhalten ist, dass diese Definition der Republik den zeitgenössischen Sprachgebrauch und nicht die Verfassungsrealität meint, die in der schweizerischen Forschung in der Regel resignativ als absolutistische Perversion ursprünglicher republikanischer Freiheit verstanden worden ist. Dagegen haben die obigen Beispiele gezeigt, dass das Wort »Republik« in der Frühen Neuzeit selbst innenpolitisch ausschließlich herrschaftlich verstanden wird, bis in der Aufklärungszeit und in den städtischen Unruhen konkurrierende Deutungen daneben treten. Als weiteres Kriterium kommt die außenpolitische Handlungsfähigkeit hinzu: »Republik« ist der Titel eines Völkerrechtssubjekts, worunter man je nach dem die Eidgenossenschaft oder einen Stand wie Bern verstehen kann, ebenso den Freistaat der Drei Bünde oder einen Einzelnen von ihnen, jedoch nicht die – an sich »souveräne« – Gerichtsgemeinde Davos und schon gar nicht eine Munizipalstadt wie Bremgarten oder Baden. Den Schlüssel zu diesem sowohl herrschaftlichen als auch völkerrechtlichen Verständnis der Republik liefert offensichtlich das Konzept der Souveränität, in dessen Gefolge das volkssprachliche »Republic« in der Schweiz erst heimisch wird. Die Sprache Jean Bodins breitet sich im doppelten Sinn in den Texten des 17. Jahrhunderts aus: einerseits mit einer staatsrechtlichen Begrifflichkeit, die dem Deutschen und dem mittelalterlichen ebenso wie dem römischrechtlich erneuerten Reichsgedanken fremd gegenübersteht; und andererseits mit französischen Termini, die das Lateinische ablösen und durch oft sehr mühsame Übersetzungsübungen ein Vokabular entstehen lassen, das den frühneuzeitlichen Staat angemessener zu erfassen erlaubt als die antikisierende Gelehrtensprache Latein. Die Schweiz im Allgemeinen und Bern im Besonderen sind in dieser Hinsicht wie später – noch ausgeprägter und international wirkungsmächtiger – die Niederlande ein linguistischer Schmelztiegel unterschiedlicher Rechtstraditionen.469 Die Sprache der Souveränität dient allerdings nicht allein dazu, eine gegenüber dem Mittelalter gewandelte »Realität« zu erfassen und verbal zu vermitteln; vielmehr ist die Schweiz nicht das einzige, aber ein 468 Zu Büeler oben, S. 224; vgl. auch Mohnhaupt, Gesetzgebung, 1998, S. 88. 469 Zu den Niederlanden Mastellone, Nascita, 1992, S. 9 f.

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V. Souveränitätskonzept, Repräsentation und Titulatur der Kantone

gutes Beispiel dafür, dass sich das logisch überzeugende Konzept der Souveränität auf die historisch gewachsenen Verfassungsstrukturen nicht widerspruchsfrei anwenden lässt. Vielleicht noch wichtiger als die abbildende Kraft der Sprache ist in diesem Fall ihre legitimierende, schaffende: Gerade weil die herkömmlichen Herrschafts- und Rechtsverhältnisse sich Bodins Konzept nicht fügen, erlaubt der Rekurs auf die Souveränität, sie umzugestalten. Es gibt eine Logik der Souveränität, der klaren hierarchischen Ordnung, wie es eine Logik des Lehensrechts mit seiner mutua obligatio gibt. Indem sich zuerst das Wort und dann das Konzept der Souveränität – nicht ohne Widerstände – ausbreitet, obsiegt auch in der Eidgenossenschaft die Logik des modernen Staates über den Reichsgedanken. Die französische Doktrin kann – wie im Falle der Longueville-Orléans – unmittelbar vom französischen Hof herkommen und ist denn auch in Neuchâtel am frühesten und vorerst stärksten greifbar. Allerdings ist vor etwa 1600 die »souveraineté« noch in einem eingeschränkten Sinn gedacht: als übergeordnetes (»superior«) und damit inappellables Gericht. Wie diese obrigkeitliche Teilkompetenz im Verhältnis zur Landesherrschaft steht, ist ein Problem, das die Berner in Übersetzungen zu klären versuchen, aber vor allem in Streitigkeiten über die Jurisdiktion und die Grenze anderer Hoheitsrechte in welschen Landen, die sie mit Neuchâtel und Fribourg ausfechten. Konzeptionell bleibt das Paar »souveräne judicatur« – etwa in Basel 1671 – noch lange eng verbunden, wie ja auch die Exemtion als Befreiung vom Kammergericht angestrebt und erlangt wird. Doch die Berner verwenden das Wort zur gleichen Zeit nicht länger für die Rechtsprechung, sondern um im modernen Sinn ein exklusives Gesetzgebungsrecht im eigenen Territorium zu bezeichnen. Im Umfeld von Exemtion, Bundesreform und Villmerger Krieg breitet sich, wie im Kapitel über die Eidgenossenschaft gezeigt, auch ein Wortgebrauch an der Tagsatzung aus, der unter Souveränität kaum anderes versteht als die Abwehr freundeidgenössischer Einmischung – was früher »bei seinen Freiheiten und Regalien verbleiben zu lassen« genannt worden ist.470 »Souveränität« wird damit früher als im übrigen deutschsprachigen Raum zu einem Modewort, unter dem aber unterschiedliche herkömmliche Herrschaftsrechte gefasst werden. Welche Folgerungen das Konzept impliziert, wird erst in einer zweiten Phase bewusst, in der die Souveränität immer häufiger als politisches Argument eingesetzt wird.

470 EA 5, 1, S. 1017 (23. August 1610).

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20. Fazit

Die Konflikte, in denen sie beigezogen wird, ergeben sich oft – so in Zug oder Chur – aufgrund strittiger Jurisdiktion und Appellation oder in Zusammenhang mit dem Mannschafts- und Werberecht (Stein, Biel). Sie können aber auch durchaus konventionell sein: Die Befreiung der Walliser von ihrem Landesherrn ist der Ablösung des Gotteshausbunds vom Churer Bischof während der Reformation oder der Emanzipation von Bischofsstädten wie Basel vergleichbar. Auch der Abwehrkampf der Genfer gegen die Savoyer, vormals sowohl bischöfliche Stadtherren als auch Landesherren, kann in dieser Tradition betrachtet werden. Früher ging der Streit aber um die gegensätzliche Interpretation von alten, wohlerworbenen und oft bestätigten Rechten, während die Walliser nun ihre Position mit einer selbst – mit Waffengewalt – erworbenen Freiheit legitimieren: Diese Souveränität bricht das alte Recht des Bischofs, zumal wenn sich dieses auf gefälschte Privilegien stützt. In den folgenden fast zwei Jahrhunderten wird der Sittener Bischof viele Schicksalsgenossen haben: Die aggressiven, dynamischeren Kräfte argumentieren mit der Souveränität, die Veränderungen legitimiert, während der defensive oder schwächere Part sich – noch am Vorabend der Revolution, im Stäfner Handel von 1795 – auf das alte Recht und die Gewohnheiten stützt.471 Indem die Schweizer Kantone in ihren internen Auseinandersetzungen und auf Bundesebene in den beiden Villmerger Kriegen den europäischen Staatsbildungskämpfen und -revolten hinterherhinken und diese vergleichsweise friedlich, weil unvollständig nachvollziehen, üben sie gleichzeitig in dem Jahrhundert ab 1660, das im übrigen Kontinentaleuropa durch innenpolitische Ruhe charakterisiert wird, gleichsam im voraus die nationalen Revolutionen ein, die zur Volkssouveränität führen werden.472 Dieselbe Souveränität, mit der die Privilegien der mit dem Staat konkurrierenden Gewalten gebrochen werden, wird in Verbindung mit den neuen, naturrechtlichen Vorstellungen von Freiheit und Gleichheit letztlich unvermeidlich auch die ständischen Privilegien der Herrschenden zerstören. Das heißt nicht, dass die Souveränität einen allumfassenden Regelungsanspruch und eine generelle Absage an ältere Rechtsbestände impliziert; wohl aber ein Monopol beim – nunmehr legitimen – Erlass

471 Vgl. für Zug Steiner, Legitimität, 1950, S. 134. 472 Bezeichnenderweise behandelt Perez Zagorin die Zeit von 1500 bis 1660 unter dem Titel Rebels and rulers, und Koenigsberger, Crisis, 1986, S. 165, sieht das darauf folgende Jahrhundert bis 1760 dank dem etablierten Gewaltmonopol des Staates als »one of the few long periods of calm and equilibrium«.

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neuer Gesetze und die letztinstanzliche Entscheidung über die Gültigkeit der bestehenden.473 Das feudale Erbe besteht in der faktischen Gewaltenteilung in Form einer Unzahl von Gerichtsbarkeiten und Immunitäten: Zuständigkeiten können ebenso wenig geklärt wie Prozeduren rationalisiert werden, solange die Rechtsordnung darauf beruht, dass alle zugrundeliegenden judikativen und anderen Privilegien gewährleistet werden müssen. Möglich wird dies erst dank der Unterscheidung von Eigentum, das privatrechtlichem Schutz anheimfällt, und staatlichen Funktionen, die im Rahmen des öffentlichen Rechts (nötigenfalls neu) geregelt werden. Dieser Trennung vorangehen muss jedoch die Klärung, ob die Staatsgewalt ungeteilt ist und wer sie innehat. Um diese Entscheidung geht es in den Verfassungskonflikten des 17. und 18. Jahrhunderts: Es sind dies im eigentlichen Sinne von Quaritsch Kämpfe um die Souveränität als »Kompetenz-Kompetenz«.474 Bei beschränkten Ressourcen, gestiegenen Kosten und anspruchsvolleren Voraussetzungen für die Beteiligung am Regiment, aber auch höheren daraus erwarteten Erträgen braucht es eine uneingeschränkte Entscheidungsinstanz, die anhand ihrer selbstauferlegten Kriterien verfügt, wer staatliche Kompetenzen – neu, weiter oder nicht mehr – ausüben darf, was stets auch den Zugang oder Ausschluss ganzer Kollektive (Familien, Korporationen, Gemeinden) von materiellen Gütern impliziert.475 In diesen Auseinandersetzungen hat der Kleine Rat als regelmäßig tagendes Gremium mit beträchtlichen exekutiven und judikativen Kompetenzen die besten Voraussetzungen, als Träger der Souveränität hervorzugehen, beziehungsweise in seiner faktischen Stellung bestätigt zu werden. Doch zumindest formal sind auch andere Lösungen denkbar: In Basel und Bern wird der Große Rat ausdrücklich Teil des Souveräns und damit abgehoben vom »Volk«, den übrigen Bürgern, obwohl die Kleinräte ihn ursprünglich diesen haben zugesellen wollen. Oft ist auch die Landgemeinde »Fürst und höchste Gewalt«: In Zug und im Gotteshausbund beharren die Landgemeinden erfolgreich auf ihrer Teilhabe an der Obrigkeit, und im Wallis verdrängen die Zenden gar den Bischof als weltliches Oberhaupt. Die Souveränität bietet sich also durchaus auch als Instrument für eine (Gemeinde-)Demokratie an: Die Argumentation der Bündner Salis-Partei und der Zuger Landgemeinden läuft auf die Unterwerfung der städtischen, auf Privi473 Vgl. auch Bierbrauer, Freiheit, 1991, S. 346. 474 Quaritsch, Souveränität, 1986, S. 36; vgl. oben, S. 51 f. 475 Dies betont Braun, Ancien Régime, 1984, S. 257.

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20. Fazit

legien gestützten Autonomie unter das Mehrheitsprinzip hinaus, was Adolf Steiner zutreffend »Etatismus der Demokratie« genannt hat.476 Noch zeitgemäßer wäre die Bezeichnung »demokratischer Absolutismus«, die wegen der heutigen Konnotationen der beiden Wörter eine Kategorie darstellt, welche die moderne Forschung bisher als contradictio in adiecto betrachtet und daher nicht erfasst hat. Angelegt ist sie aber bei Bodin und ausgeführt bei Niederländern wie den De la Court und Spinoza, für welche diejenige Verfassung am »absolutesten« und damit am besten ist, in der Souverän und Untertanen in derselben Person (oder Körperschaft) zusammenfallen.477 Genau dieser Anspruch verbirgt sich hinter der Erklärung des Gotteshausbunds, er habe sich als eine »kleine Souvraine Democratische Republic« formiert.478 »Republik« meint den vollen völkerrechtlichen Status und die etablierte, hierarchische, aber freistaatlich-demokratische Verfassung. Da sie souverän ist, darf die oberste Gewalt nicht geteilt sein, und da sie demokratisch ist, müssen alle Glieder denselben Anteil daran haben: »Wann aber der mindere Theil oder eine Gemeind oder eine Person dieses verhinderen können, so ists nicht mehr ein souverainer Democratischer Standt«.479 So ist es zu verstehen, dass die – auf den Wahlen in den Gemeinden und den Abstimmungen unter diesen beruhenden – »Gleichheit die Seele der Republiquen« und das Fundament der demokratischen Freiheit ist, die ihre Regierung »nach belieben« bestimmt.480 Man kann im Bündner Fall nicht behaupten, dass sich verfassungsgeschichtlich aus kommunalen Strukturen eine freiheitliche Republik gebildet habe. Vielmehr werden die unveränderten Strukturen durch eine moderne, westliche Sprache und Logik neu erfasst, um Veränderungen zulasten einer traditionell privilegierten Stadt zu erzwingen. Die Bedrohten benennen dieses Vehikel so deutlich, wie es sonst nirgends im eidgenössischen Umfeld begegnet ist, als »beÿ uns aufrichtigen Eÿdt- und Pundtsgnossen ohngewohnte Redensarten«.481 Und

476 Steiner, Legitimität, 1960, S. 124. 477 Zu De la Court oben, S. 126. Während in der Methodus der König dem bestehenden Gesetz unterworfen ist und dieses nicht eigenmächtig verändern kann, ist dies anders, wo – wie im »Estat populaire« – Souverän und politische Gemeinschaft zusammenfallen; vgl. Bodin, Methodus, 1566, S. 238; diese Differenz ist noch präsent in Bodin, République, 1986, 1, S. 205 (1, 8), vgl. auch Spitz, Bodin, 1998, S. 33–36. 478 Acht Fragen, 1700, S. 3. 479 Acht Fragen, 1700, S. 5. 480 Acht Fragen, 1700, S. 33. 481 StAZ B VIII 161, fol. 349v.

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ebenso deutlich spüren sie, dass »diser, so hart gespannte Souverainitetes und Majestäts bogen« nicht derselbe ist, den »die theure freyheit zu erwerben einest gebraucht hat der tapfere Wilhelm Thell«.482 Die neue Sprache der freistaatliche Unabhängigkeit ermöglichenden Souveränität und die alte der in Privilegien gegründeten Freiheit widersprechen sich: »Unter dem titul und vorwandt der Souverainitet und Majestat«, die niemandem außer Gott Rechenschaft schulde, kann man durch die Mehrheit der Stimmen die wohlerworbenen Rechte und Freiheiten einer einzelnen Gemeinde kassieren und mit ihr »nach belieben« schalten und walten. Der »demokratische Absolutismus« in seiner extremen Bündner oder in der weniger klar formulierten Zuger Variante ist ein Argument unter formal weitgehend gleichgestellten Gemeinden und kein Werkzeug der Emanzipation von Untertanengebieten: Nur wer schon Merkmale der Souveränität in der Hand hat, kann unter Berufung auf diese noch weitere hinzufordern. Bodin wirkt, wohl ganz in seinem Sinn, in der Schweiz insgesamt stabilisierend und nicht revolutionär: Gerade bäuerliche Widerstandsbewegungen sind am alten Recht orientiert und argumentieren kaum mit dem modernen Staatsrecht. Dazu passt, dass – vom Sittener Bischof abgesehen – auch den monarchischen Häuptern im eidgenössischen Umfeld, dem Neuenburger Fürsten, dem Basler Fürstbischof und dem St. Galler Fürstabt gelingt, mit dem Argument der Souveränität selbst dort zu bestehen, wo – wie in der Ajoie oder im Toggenburg – Unabhängigkeitsgelüste bestehen mögen. Die Sprache der Souveränität ist eine der Eliten, die über juristischen Sachverstand verfügen oder diesen einkaufen können. Sie richtet sich dementsprechend auch weniger gegen revoltierende Untertanen als gegen andere, aber schwächere Privilegierte. Die Verlierer der Souveränitätsdebatten sind nicht Bauern oder Hintersassen, sondern Bürger, freie Landschaften oder Reichsstädte in einem Schutz- und Schirmverhältnis. Aus ihnen werden Untertanen, obwohl sie bisher formal gleichrangig gewesen sind, die einen mit ihren regimentsfähigen Nachbarn, die anderen mit ihren ähnlich privilegierten Schirmorten. Diese Abwertung verläuft schleichend, jedoch dann als abrupter Bruch, wenn eine massive Konfrontation der Obrigkeit erlaubt, alte Freiheiten wegen Ungehorsams zu kassieren und neues Recht kraft Souveränität zu setzen: Rapperswil, Stein, Bremgarten oder Baden sind Beispiele dafür. Ihr Schicksal ist, wenn es auch behutsamer erfolgt, mit demjenigen der

482 StAZ B VIII 161, fol. 354v/355.

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Autonomiestädte im Reich zu vergleichen, die nach 1648, von Magdeburg über Münster bis Braunschweig, vom Landesherren bezwungen werden. Aus heutiger Perspektive scheint es eine zwangsläufige Entwicklung seit dem Spätmittelalter zu sein, dass die genannten Städte mediatisiert werden und es auch bleiben. Im 17. Jahrhundert hingegen haben sie, wie der »freie Stand« Rapperswil beweist, durchaus und nicht unverständlicherweise noch die Hoffnung, auf der Basis ihrer Reichsfreiheit eine gleichwertige Position wie Biel, St. Gallen oder auch Schaffhausen zu erlangen. Für diese Ambition erweist sich die Souveränitätsidee als entscheidende und zu hohe Hürde: Eine reichsfreie Stadt mit ihren Doppeladlern ist noch weitgehend ähnlich strukturiert wie ihr Schutz- und Schirmort, dem sie allein die außen- und verteidigungspolitische Kompetenz abtritt. Die Unterschiede sind relativ und beziehen sich auf eine hohe Pyramide, an deren Spitze der Kaiser als Quelle von Freiheit und Recht steht und in der man unter sich eine große Zahl von Unfreien weiß – nicht zuletzt die eigenen ländlichen Untertanen. Aus einem solchen Verbündeten zweiten Ranges im komplizierten eidgenössischen Bundesgeflecht, zu denen auch Landschaften wie Saanen und Greyerz gehören,483 werden um 1700 Untertanen. Denn die nunmehr einzige Alternative dazu, die Obrigkeit, erweist sich als unerreichbar: Die universale Ordnung des Reichs entfällt, die relative Differenzierung weicht einem absoluten »entweder-oder«: Herrscher oder Untertan. Das Vorgehen der zwei reformierten Schirmorte gegen Baden und dasjenige der drei katholischen gegen Rapperswil richtet sich bezeichnenderweise gerade im formalen Bereich der Titulatur gegen Bestrebungen, die von den Herrschern als »souveränes« Benehmen und damit als intolerable Anmaßung empfunden werden – in einem zusammenhängenden politischen Verband kann nur einer souverän sein. Dieses »entweder-oder«, das in allen Kantonen die Trennung zwischen Obrigkeit und Untertan einfordert, ergibt sich aus der Bodinschen Logik und lässt die vertikal orientierten Kompromisse nicht mehr zu, welche die alte Eidgenossenschaft charakterisiert haben – es sei denn, dass sich herkömmliche Freiheiten zwischen eifersüchtigen Nachbarn wahren lassen: Biel und das Toggenburg sind in diesem Sinn altmodische Überbleibsel in einem innereidgenössischen Rationalisierungsprozess. Ganz außergewöhnlich ist ihre Position allerdings nicht, denn während sich vor allem die Stadtorte in ihrem Territorium von der Souve483 Wie das Toggenburg werden sie im ewigen Frieden von 1516 noch namentlich als Pensionenempfänger genannt, vgl. Oechsli, Orte, 1888, S. 208.

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ränitätsidee leiten lassen, orientieren sie sich bei innereidgenössischen Konflikten und bei Mediationen stabilitätsorientiert an althergebrachten Rechten.484 Das Wesen der schiedsrichterlichen Vermittlung selbst widerspricht – wie verschiedentlich auch beanstandet wird – einer strengen Auffassung von Souveränität, die keinen Richter außer Gott anerkennt. In dieser Logik würde das Wirken von Mediatoren auf eine Unterwerfung des Kantons unter bundesstaatliche Instanzen oder unter die Gewalt der »stille stehenden« Orte hinauslaufen. Um das historisch bewährte und institutionalisierte Vermittlungsverfahren nicht zu diskreditieren, müssen die Gesandten etwa in Appenzell Außerrhoden Rat und Landsgemeinde geradezu beschwören, dass es sich dabei um keinen Eingriff in die Souveränität handle. Mit dieser Vorgabe ist ein anderes Vorgehen als die konservative Bestimmung des alten Rechts kaum möglich. Der Gedanke der Legitimität steht also in einem Spannungsverhältnis zu demjenigen der Souveränität. Schon 1613 sprechen die Walliser von einem »souverain oder absolutus Dominus«, und die Warnung, dass der Souverän sich über das Gesetz stelle, taucht bei Kritikern der Entwicklung regelmäßig auf. Wenn der geheime Dreizehnerrat in Basel »nach der Souverainetet schmeckht«, so richtet sich die mit dieser Einschätzung verbundene Forderung nach dessen Auflösung gegen seine unkontrollierte Allgewalt, die sich um bestehende Rechte nicht zu kümmern braucht – was genau der Wilchinger Furcht vor dem Schaffhauser »dominus abolutus« entspricht. Wie später die ebenfalls rechtsrheinischen Steiner müssen die Wilchinger um 1720 erfahren, dass weder die räumliche Nähe zum Reich noch der Einbezug in Lehensbeziehungen sie vor dem Zugriff der heimischen Staatsgewalt schützt. Lehensverhältnisse behalten ihre Gültigkeit, sofern sie Eigentum und Abgaben privatrechtlich regeln, haben aber für den staats- beziehungsweise völkerrechtlichen Status keine Relevanz mehr.485 Dies wird nicht nur in Wilchingen offensichtlich, sondern etwas später im Winterthurer Steiner-Handel486 und etwas früher im Toggenburger Konflikt und im Zweiten Villmergerkrieg – entgegen den Hoffnungen der katholischen Seite hat sich der Kaiser als potenzieller interner Machtfaktor aus der Schweiz verabschiedet. Doch noch 1784, im Gefolge des Chenaux-Handels, melden die Leipziger Zeitungen, das Volk von Fribourg drohe öffentlich, »bey seinem ehemaligen Schutzherrn, 484 Steiner, Legitimität, 1960, S. 138, 146. 485 Vgl. am Beispiel von Stein Füssli, Unruhen, 1901, S. 59 f. 486 Conrad Ulrich in Geschichte Zürich, 2, 1996, S. 395.

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dem Kaiser und Reich, gegen die Gewalttätigkeiten des Magistrats Hülfe zu suchen«.487 Was die Souveränitätsdiskussion und das sich dabei entwickelnde republikanische Selbstverständnis betrifft, kann demnach die Zeit zwischen den zwei Villmerger Kriegen als entscheidende Phase in einem Prozess gedeutet werden, der sich über das ganze 17. und 18. Jahrhundert erstreckt und grob als Verdrängung reichsrechtlicher Vorstellungen durch das westliche Staatsrecht gedeutet werden kann. Wie gezeigt läuft dieser Prozess von West nach Ost ab, vom französischen zum deutschen Sprachraum hin; er findet in großen Kantonen früher statt als in kleinen, in städtischen schneller als in ländlichen, unter Patriziern rascher als in einer Zunftverfassung und zuletzt in Landsgemeindekantonen, in reichsfernen Territorien eher als in (geographisch und ökonomisch) reichsnahen, im Milieu der Söldner schneller als unter Kaufleuten, zuerst in reformierten Ständen und erst später in katholischen. Es ist auch ein Vorgang, der im völkerrechtlichen Kontext zuerst bewusst wahrgenommen wird, also in Kantonen, die – wie namentlich Zürich, Bern und Luzern, auch Schwyz – dank einer realen Machtbasis eine eigenständige Außenpolitik betreiben, und auf der Ebene der gesamten Eidgenossenschaft, beziehungsweise analog auf der gesamtstaatlichen Ebene des Wallis und der Drei Bünde, während die einzelne Gerichts- oder gar Dorfgemeinde lange ohne Souveränitätsdebatten auskommen kann. Insofern der sprachliche Wandel den bekannten Oligarchisierungsprozess begleitet und mit ermöglicht, spielt er sich wie gezeigt zuerst dort ab, wo dynamische Gruppen das Regiment monopolisieren oder aber Anteil daran erlangen wollen: Daher entdecken Eliten, die über exekutive Vollmachten verfügen (Kleinräte) oder an der Einschränkung der Regimentsfähigkeit interessiert sind (Großräte), die Souveränität früher als Bürger, die auf ihre Privilegien vertrauen; und ähnlich Majoritäten auf der Ebene, wo Mehrheitsentscheidungen gefällt werden (in Räten oder über das Gemeindereferendum), eher als Minoritäten, denen ein demokratischer Souverän ihren Schutz durch Sonderrechte rauben kann. Die Souveränität dient dem, der etwas erringen will, das Privileg schützt denjenigen, der etwas zu verlieren hat. Die darob entstehenden Konflikte heizen die Reflexion über die Souveränität und andere politische Begriffe an, am deutlichsten im Genf des 18. Jahrhunderts, während man sich in innenpolitisch ruhigen

487 Zitiert bei Würgler, Unruhen, 1995, S. 278.

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Kantonen angesichts von stabilen Traditionen den Kopf nicht über staatsrechtliche Fragen zu zerbrechen braucht. Noch einmal betont sei allerdings, dass das Gegensatzpaar »Legitimitätsdenken-Souveränitätsvorstellung« wohl der auch nicht unumstrittenen Antithese »traditionell-modern« entspricht, aber nicht simpel übertragen werden kann auf die Dialektik von Obrigkeit und Untertanen oder Regiment gegen Opposition. Der Souveränitätsgedanke kann herrschaftserhaltend wirken. Er kann diese, soweit sie auf nicht länger plausiblen Privilegien beruht, aber auch stürzen – und wird dies auch 1798 sehr radikal tun, im Namen der Volkssouveränität. Die skizzierten Rezeptionsfaktoren ergeben gleichsam ein Gefälle vom mächtigen, westlichen, städtisch-aristokratischen und reformierten Bern mit seinen welschen Untertanengebieten hinunter zur schwachen, östlichen, auf das Reich und den St. Galler Fürstabt ausgerichteten Landsgemeinde im katholischen Appenzell Innerrhoden, das nie den Titel »Republik« annehmen wird. Wenn sich die Extreme relativ leicht definieren lassen, so sind die Ränge im Mittelfeld umstritten: Wie steht es mit kleinen reichsnahen und reformierten Städten wie Schaffhausen oder großen, konfessionell gemischten reichsnahen Landschaften wie Graubünden? Ein Klassement aufzustellen hat hier wenig Sinn, da es die verschiedenen behandelten Kriterien gewichten und dabei abwägen müsste, was überhaupt vergleichbar ist. Stattdessen soll im Folgenden skizziert werden, aus welchen Gründen man an der traditionellen Orientierung am Reich und der entsprechenden Symbolik überhaupt festhält. Dieses Phänomen verschließt sich bisher dem modernen Schweizer Beobachter weitgehend. Es ist überflüssig, hier die ungezählten Belege anzuführen, in denen mit Erstaunen und ohne Erklärungsansatz Reichsadler notiert werden, die eigentlich – spätestens – seit 1648 gar nicht mehr da sein dürften.488 Und doch verschwinden sie in keinem Kanton auf einen Schlag, sondern in einem langen Prozess, der sich von den 1640er Jahren bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinzieht, als die letzten Münzen mit Reichsadler geprägt werden und die Solothurner auf ihrem Siegel vom »Ehrengedächtnus alten herkommens« absehen. Es gibt materielle, wirtschaftliche Gründe für diesen Konservativismus, wie sie das Schaffhauser Gutachten von 1652 vorbringt: Der Erwerb eines Dorfes im Reichsgebiet wäre einem landesfremden Käufer verunmöglicht. Handel und Vertragsabschlüsse im rechtsrheinischen

488 Vgl. die vorläufig letzte Auflistung bei Meles, Entschwinden, 1999.

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Gebiet leiden, sobald keine einheitliche Rechtsbasis mehr vorhanden ist. Dasselbe gilt für die Währung: Seit 1377 ist Basel im Bund der Rappenmünze mit den oberrheinischen Städten und dem vorderösterreichischen Land verbunden, in dem die Gleichheit von Maßen und Aussehen der Münzen festgelegt ist. 1542 befolgt auch Basel wenigstens bedingt eine Vorschrift König Ferdinands, dass seine Prägungen im Reich nur Gültigkeit haben, wenn der Reichsadler oder ein Kaiserportrait darauf zu sehen sind.489 Auch wenn Basel in den 1570er Jahren auf kaiserlichen Druck hin aus dem oberrheinischen Münzenbund aussteigt, so bleibt der Doppeladler auf den Schweizer Münzen weiter ein Symbol, das den wirtschaftlichen Austausch mit dem Reichsgebiet erleichtert. Auch auf neu gefertigten Siegeln dürfte er so beibehalten werden, dass er älteren Modellen ähnlich bleibt, um die Rechtskontinuität – vor allem hinsichtlich der Ansprüche – deutlich zu signalisieren. Ein ähnliches Phänomen stellen die Stadtpatrone dar, die auf Siegeln, Münzen oder Wappenscheiben auch in reformierten Städten wie Basel und Bern mindestens bis 1600 ihren Platz behalten können. Den konservativen Formalismus illustrieren schließlich auch die Anredeformeln in Briefen und zeremoniellen Anlässen, wo man sich – nicht nur in der Schweiz – während des ganzen Ancien Régime an das Bestehende und gerade dadurch Legitimierte hält. Auf der immateriellen Ebene zu betrachten ist der Doppeladler, der an unerwarteter Stelle begegnet ist, auf Wettsteins verzierter blauer Glasflasche von 1664. Der Kaiser hat dem Basler Bürgermeister 1653 einen Adelstitel verliehen, wie das streng genommen nur er, der Papst und Könige tun können – nicht aber Republiken.490 So lassen sich Solothurner Familien am Ende des 17. Jahrhunderts in den Reichsfreiherrenstand erheben,491 und die titelhungrigen Freiburger, Luzerner, Berner oder Zürcher stehen ihnen nicht nach. Die Probleme, die – zwangsläufig – ausländische Nobilitierungen für das Gleichheitspostulat innerhalb des Regiments mit sich bringen, werden zumindest in Bern zwar besorgt erkannt, doch erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts besinnt sich das dortige und das Freiburger Patriziat darauf, dass es sich ein »de« kraft seiner Souveränität auch selbst zusprechen kann. Wirtschaftskontakte und Nobilitierungen betreffen die Ebene der privaten Beziehungen zum Reich. Für das Staatsverständnis selbst wichtiger sind die lange und weit verbreiteten Wappenpyramiden, die 489 Cahn, Schweiger, 1899. 490 Koenigsberger, Republicanism, 1997, S. 57. 491 Schwinges, Solothurn, 1996, S. 454.

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in der heutigen Schweiz als Symbol der Abhängigkeit vom oder Zugehörigkeit zum Reich verstanden und in einem nationalstaatlichen Sinn als Beleg der staatlichen Einheit mit Deutschland oder Österreich gedeutet werden – eine Perspektive, die seit dem 19. Jahrhundert und vor allem seit 1933 perhorresziert worden ist. Im Gegensatz zu dieser Fehlinterpretation geht aus den obigen Ausführungen klar hervor, dass der Reichsadler in der Frühen Neuzeit ein »Zeichen der Freiheit« ist und dies – gegen einen vereinheitlichenden, in sich selbst gegründeten Staat, der alte Privilegien aufzuheben droht – bis ins 18. Jahrhundert bleiben kann. Selbst norditalienische Duodezfürsten präsentieren in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts den Reichsadler neben ihrem Grafen auf den Münzen, womit sie über das Münzrecht ihre Autonomie zum Ausdruck bringen.492 Erst in derselben Zeit breitet sich in der Eidgenossenschaft die Überzeugung aus, dass die Freiheit republikanisch gegen den König erworben und verteidigt werden muss; davor ist Freiheit in der mittelalterlichen Tradition ganz im Gegenteil durch den König begründet gewesen. Auf den symbolischen Schutz ihrer Adler vertrauen die freien Reichsstädte wie Rapperswil und Stein noch am Ende des 18. Jahrhunderts, und er ist auch für die Aargauer Reichsstädte nach dem Villmerger Krieg eine der wenigen übriggebliebenen Bastionen gegen die dominierenden reformierten Schirmorte. In einem ganz anderen Umfeld, isoliert und stets von der Annexion durch die mächtigen Nachbarn Savoyen oder Frankreich bedroht, haben die Genfer wenig zu verlieren, wenn sie noch 1785 den Doppeladler auf einer Münze anbringen oder ihn über dem Portal des Rathauses belassen. Die reale außenpolitische Schwäche hält die – im eidgenössischen Umfeld – ersten Adepten der Souveränitätslehre davon ab, ein bewährtes Symbol zu opfern, um einen stets bedrohten völkerrechtlichen Status vorzudemonstrieren. Noch exponierter der machtstaatlichen Expansion Frankreichs ausgesetzt ist Mülhausen, das im Unterschied zu Genf bewusst auf die reichsstädtische Tradition verzichtet, da die westliche Vormacht gerade die einstmals kaiserliche Landvogtei benutzen könnte, um Mülhausens Selbständigkeit zu unterminieren. Weder Reichsfreiheit noch eigene völkerrechtliche Souveränität lautet hier ab 1648 die Lösung, sondern Einbindung in die Eidgenossenschaft und ihre Exemtion. Die Schutzfunktion des Reichs hat als kaiserliche Rechtsprechung und Lehenshoheit nicht bloß symbolische, sondern durchaus noch 492 Vgl. Von Roten/Cahn, Münzen, 1992, S. 35, 37, zu den Grafschaften Tassarolo und Ronco.

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reale Aspekte: Aus Basel vertrieben, wendet sich Falkeisen 1666 ebenso an ein kaiserliches Gericht wie Henric-Petri nach dem Einundneunziger Wesen. Während ihre Appellation letztlich ebenso erfolglos bleibt wie die Bemühungen der Wilchinger und Steiner im 18. Jahrhundert, ist um 1700 das Vertrauen des St. Galler Fürstabts in der Toggenburger Krise weniger illusorisch, sein Lehnsherr werde seine Schirmpflicht wahrnehmen. Zur selben Zeit führt Leopold I. die mittelalterlichen Reichsrechte an, als er 1700 die Lombardei als heimgefallenes Reichslehen einzuziehen versucht, was Joseph I. 1708 im Falle von Mantua (wegen Felonie des letzten Gonzaga), Mirandola, Piombino und Comacchio dann sogar mit Erfolg unternimmt. Mit derselben Begründung sind 1707 offiziell Ansprüche auf Genua, Lucca, Modena, Parma und Piacenza erhoben worden, und die Frage, ob die Toskana noch als Reichslehen gelten könne, wird nicht nur von Leibniz eindringlich erörtert: 1712 wird für die permanente kaiserliche Wahlkapitulation die Bestimmung erwogen, der Kaiser müsse sich verpflichten, die Reintegration entfremdeter Reichsherrschaften und -lehen »sonderlich in Italien und in der Schweiz« zu betreiben.493 So ist der Hinweis von Leibniz, dass die Grafschaft Toggenburg ein Reichslehen sei, in Verbindung mit der Allianz von 1702 für die Freunde des Fürstabts durchaus ein Grund für Zuversicht.494 Allerdings obsiegt letztlich die kaiserliche Sorge, durch eine Intervention Zürich, Bern und die Bündner ins französisch-spanische Lager zu treiben, wo die Innerschweizer während des Spanischen Erbfolgekriegs bereits stehen. Aus dem realen und subjektiv noch übersteigerten Bedrohungsgefühl im Umfeld des Zweiten Villmerger Kriegs sind denn auch die prominenten letzten Wappenpyramiden auf dem neuen Siegel und dem Rathaus von Nidwalden (1711 und 1714) zu erklären, ebenso das Rathausportal von 1731 in Obwalden und der Reichsadler auf den Münzen desselben Kantons sowie in Schwyz und Innerrhoden. Die beiden Unterwaldner Halbkantone und Schwyz sind – im Unterschied zu Luzern und Uri – diejenigen Orte, welche, vom Nuntius aufgestachelt, den Kampf für die bedrohte katholische Konfession nach Abschluss der Aarauer Friedensverhandlungen wieder aufnehmen und damit die Katastrophe von Villmergen veranlassen. Die sehr prominente Platzierung des Reichsadlers ist für sie der Rückhalt bei der Universalgewalt, die in allen Wahlkapitulationen als »advocatus eccle493 Oechsli, Orte, 1888, S. 204. 494 EA VI, 2, S. 1515 (23. Mai bis 21. Juni 1709), vgl. S. 1350 (14. November 1706) und öfter.

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siae« verspricht, Rom, den Papst und die christliche, also katholische Kirche zu schützen.495 Auch jenseits der konkreten politischen und religiösen Gefahr müssen Kaiser und Reich als Ordnungsmächte verstanden werden, die selbst das reformierte Verständnis der Politik anhaltend prägen. So verzichtet Basel zwar gleich nach der Exemtion von 1648 darauf, die kaiserlichen Privilegien bei den Magistratswahlen zu verlesen. Doch Solothurn empfindet erst 1681, dass die Erwähnung des Reichs im Bürgereid eines »Souveran-Stands« nichts zu suchen habe. Gar erst 1714 wird dieser Bezug in Schaffhausen eliminiert, nachdem das Gutachten von 1652 deklariert hat, »die trew und wahrheit, so wir dem H. Römisch Reich und unser gemeinen Stat schweren, sind unverschiden zusammen gebunden«.496 Dass die konkrete Rechtsprechung eines schweizerischen Stands nicht an ein höheres, kaiserliches Gericht weitergezogen werden kann, ist ein Ding; etwas ganz anderes ist es, wenn die Eidgenossen allmählich aufhören, ihre Freiheit und ihre Herrschaftsrechte in einer universalen Ordnung einzubetten. Die metaphysische Verortung der Staatlichkeit hat sich regelmäßig beim Blutgericht gezeigt, das als höchstes und folgenreichstes Regal gilt, ja in einem auf die Rechtsprechung ausgerichteten, traditionellen Staatsverständnis als die zentrale Kompetenz der Obrigkeit. Während das Hochgericht für Bodin selbstverständlich ein Teil der Souveränität ist, wird es im Reich nicht mit der Landesherrschaft und den entsprechenden Kompetenzen (Steuern, Mannschaft, Gesetzgebung) vereint betrachtet, sondern als Ausdruck universaler majestas der darüber stehenden kaiserlichen Ordnungsgewalt vorbehalten.497 Entsprechend stellen auch die – wie oben behandelt – stark dem Reichsgedanken verhafteten und auf römischrechtliche Quellen aufbauenden Basler Doktordisputationen im ganzen 17. Jahrhundert die Jurisdiktion als zentrale Funktion der Obrigkeit dar und führen sie auf die kaiserliche Quelle zurück – Carpzovs »fons totius jurisdictionis«.498 Dazu passt, dass sich die Theorie der Translatio imperii bei den Basler Juristen noch bis weit in das 18. Jahrhundert hinein hält.499 Während sich Monarchen durch das Gottesgnadentum legitimieren können, bleibt die Ein-

495 496 497 498 499

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Dazu Ar etin, Altes Reich, Bd. 1, 1993, S. 70. StASH Verträge A1, Nr. 27, S. 8.

Laufs, Rottweil, 1963, S. 9–14; vgl. Simler, Regiment, 1722, S. 33, Anm. g. Carpzov, Processus Juris, 1657, S. 48 (2, 2, 28–32); vgl. oben, S. 139. Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 65–88, v. a. 84–86, sowie 189 f., 235 f., 259–261.

20. Fazit

bettung der partikularen Rechtsordnung in der universalen für die Schweizer Republiken wichtig – solange sie diese nicht aus sich selbst heraus zu begründen wissen. Die Spuren dieses Staats- und Rechtsverständnisses sind uns in der frühneuzeitlichen Schweiz regelmäßig begegnet. Reichsvogt heißt der städtische Beamte in Glarus, St. Gallen oder Schaffhausen bis ins 18. Jahrhundert, der als – gewählter500 – Vertreter der Obrigkeit dem Blutgericht vorsteht und dessen Vollstreckung überwacht; in den beiden Appenzell tut er dies noch lange im 19. Jahrhundert, und dort werden Malefizsachen auch von der »Reichskammer« behandelt.501 Während in den Städten der Reichsvogt seit Anbeginn ein eigenständiges Amt ist, das vom Kaiser besetzt worden ist und neben dem von der Gemeinde gewählten Bürgermeister besteht, ist der Landammann in den Landkantonen bis ins 19. Jahrhundert (1850 im Falle von Uri) zugleich auch Inhaber des Blutbanns, der ihm von Gott und Kaiser und durch die Wahl der Landsgemeinde verliehen ist. Er amtiert als direkter Repräsentant beziehungsweise Nachfolger des kaiserlichen Hochrichters, und sein Schwert, das an der Landsgemeinde einen prominenten Platz einnimmt, ist gleichsam dasjenige des Kaisers.502 Auf diese Legitimation der Obrigkeit durch den Blutbann bezieht sich auch die oben wiederholt zitierte Formel, das Malefizgericht erfolge »nach kaiserlichem Recht«. Damit sind nicht, jedenfalls nicht zwingend, materiell die kaiserlichen Strafgesetze gemeint, also insbesondere die Constitutio Criminalis Carolina, sondern formell die Legitimationsquelle des Rechtsakts.503 Entsprechend spät, in Bern und Luzern 1730, wird diese Formel inhaltlich als Verbindlichkeit gegenüber dem Reich angesehen und aufgehoben. Ironischerweise zur selben Zeit rekurrieren aber die ersten Versuche, die Rechtsüberlieferung zu systematisieren, beinahe unvermeidlich auf Strukturen und Inhalte des rö-

500 Vgl. Simler, Regiment, 1722, S. 40; S. 477, Anm. b). 501 Vgl. außer den oben erwähnten Beispielen noch die ausführliche Dokumentation bei Mommsen, Eidgenossen, 1958, S. 60–63, v. a. Anm. 154. 502 Bösch, Kaiserliches Schwert, 1965, S. 9 f., 27; vgl. Griesshammer, Verfassungsbestimmungen, 1943, S. 28; Bischofsberger, Rechtsarchäologie, 1999, 2, S. 724–727. 503 Meier, Peinliche Gerichtsordnung, 1911, S. 107 (Hervorhebung im Text): »Man urteilte nicht nach kaiserlichem Recht, sondern man richtete nach kaiserlichem Recht.« Allerdings heißt es in der erwähnten Berner Korrektur der alten Gerichtsformel, StABE A I 494, S. 71 (17. März 1730), durchaus: »daß nach keÿserlichen Rechten über deß Maleficanten Verbrechen geurtheilet worden«.

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mischen und damit des kaiserlichen Rechts.504 Gleichwohl wird die schon von Simler und 1627 in Neuchâtel von Beloteau thematisierte Abneigung der Schweizer gegen dasjenige Recht nicht einfach aufgehoben, in dessen Zeichen ab 1495 die Verfriedung als »Reichsverdichtung« erfolgt ist (und das in eidgenössischer Sichtweise eine Prozessflut ausgelöst hat). Doch mit dem Westfälischen Frieden ist dieser Prozess zu einem Ende gekommen, und Conrings De origine iuris germanici von 1642 symbolisiert die Abkehr vom römischen Recht und die Hinwendung zum historisch gewachsenen deutschen Recht. In dessen Gefolge erfüllt das Gewohnheitsrecht, soweit es als »Herkommen« positiv aufgewertet worden ist, im 18. Jahrhundert auf der Ebene des Reichs eine konservative Funktion, während es in seiner konkreteren Fassung in den Territorien durch die Gesetzgebung aufgeklärt-absolutistischer Fürsten abgewertet wird.505 Damit erhält das Reich, nach einer römischrechtlichen »Eskapade« von 1495 bis 1648, auch aus Schweizer Warte wieder die legitimatorische Würde der alten, ewig bestehenden und dem »Volksgeist« gemäßen »Urform«; eine Vorstellung, die den Landorten eher entspricht als den Städten, die selbst zunehmend gesetzgeberisch wirken und darin den deutschen Territorien vergleichbar sind. Die Innerschweizer Orte sind zudem auch hinsichtlich der Konfessionspolitik und des innereidgenössischen Mächtegleichgewichts auf den Status Quo ausgerichtet, der im Kappeler und im ersten Villmerger Frieden gründet und die kleinen katholischen Orte überproportional begünstigt. Während ihr Rechtsverständnis also der konservativen und defensiven Orientierung des Reichstheoretiker am gewohnheitsrechtlichen Herkommen entspricht, lässt sich das legislative Wirken der größeren reformierten Kantone mit demjenigen der mächtigen protestantischen Reichsstände vergleichen, wo nach dem absolutistischen Vorbild Frankreichs das überlieferte Recht systematisiert, schriftlich gefasst und veröffentlicht wird. Die Parallele besteht auch darin, dass sowohl auf Reichsebene als auch in den Landkantonen Staatlichkeit vorwiegend in einer umfassenden rechtlichen Ordnung begründet liegt und in der ihr gemäßen obrigkeitlichen Kompetenz der Rechtsprechung – eine Beamtenschaft, einen institutionalisierten Staatsapparat benötigt weder das Reich 504 Vgl. Soliva, Stadt- und Landrecht, 1969, S. 1–19, relativierend gegen die herkömmliche Deutung etwa bei Meier, Peinliche Gerichtsordnung, 1911, und Elsener, Einflüsse, 1957, S. 142. 505 Roeck, Reichssystem, 1984, S. 121–126.

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noch die Landsgemeinde. Auch hier folgen die reformierten Orte eher der Entwicklung in den großen Territorien, wo die innere Maiestas zwar ohne volle völkerrechtliche Souveränität, aber auch ohne spürbare Einschränkung durch die kaiserliche Obergewalt ausgeübt wird. Im Vordergrund steht hier nicht länger die Jurisdiktion, sondern die alle Herrschaftsrechte umfassende obrigkeitliche Zwangsgewalt, die iura statuendi et jubendi und cogendi sive coercendi, vor denen alle Einwohner eines Territoriums zu Untertanen werden.506 Nicht nur die Innerschweizer und Ausserrhoder Länderdemokratien halten lange am Reichsadler fest, auch die urbanen Patrizier in den westlichen, von der französischen Sprache und Kultur stark geprägten Kantonen Fribourg und Solothurn setzen ihn noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts auf Mandate oder gar Siegel. Nicht anders sieht es im Wallis aus, das doch im eidgenössischen Umfeld die erste konsequente Umsetzung des Souveränitätsgedankens vorgeführt hat und sich seither stolz »Republik« nennt. Auch in Luzern, wo sich eine bewusste Abwendung von den Zeugnissen der Reichzugehörigkeit hat feststellen lassen, fällt diese erst in die 1730er Jahre – und mit der politischen Hinwendung zu den reformierten Stadtorten zusammen, aber auch mit der aufgeklärten staatskirchlichen Abwehr klerikaler Anmaßungen. Und schließlich bewahren, neben all diesen katholischen Gegenden, auch die Genfer den Adler nicht nur im Wappen, sondern auf einzelnen Münzen bis 1785, sehr wahrscheinlich als Ausweis einer im reichsstädtischen Status begründeten Unabhängigkeit, die ihnen – faktisch ausgeliefert dem rundherum dominierenden Frankreich, ohne Einschluss in die Exemtion oder die Eidgenossenschaft – ausgesprochen prekär erscheinen muss – und tatsächlich noch am Ende des 18. Jahrhunderts dem französischen Expansionismus zum Opfer fällt. Beim Verzicht auf die Reichsadler stellt demnach das allmählich wachsende Bewusstsein, nicht länger dem Reich anzugehören, nur ein Element dar, das die prominenten Insignien des 18. Jahrhunderts kaum erklären kann. Auch der symbolische, keine spürbaren Nachteile implizierende Schutz für die kleinen, seit Villmergen marginalisierten katholischen Landorte und das in jeder Hinsicht exponierte, schwache Genf erhellen das Phänomen nur zum Teil. Vielmehr geht der politische Ablösungsprozess einher mit einer Säkularisierung des Staatsund Rechtsverständnisses, welches das Reich zwar nicht als staatsrechtlich übergeordnete Instanz, wohl aber – jenseits der konkret gül506 Willoweit, Territorialgewalt, 1975, S. 123–125, 165–168; vgl. die Definition bei Reinking, Tractatus, 1622, S. 259 (I, 5, 3, § 3).

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tigen Gesetzeswerke – als »schwer wegzudenkende universale Rechtsordnung, die weltliche Organisation des orbis christianus« angesehen hat.507 Dieser Säkularisierungsprozess verläuft in den katholischen Gegenden der Eidgenossenschaft offensichtlich langsamer, wo das irdische Recht als Teil eines ewigen göttlichen Plans begriffen wird, nach dem der Kosmos gestaltet ist – und nicht als Bereich positiver Gesetzgebung und weltlicher Urteile. Die metaphysische Einbettung der Rechtsprechung als traditionell wichtigster obrigkeitlicher Tätigkeit in die Heilsgeschichte schlägt sich nieder im Schwyzer Aus-Zug der keyserlichen Rechten Eydts, der nach 1739 verfasst wird und als Strafen bei Meineid den Verlust des Seelenheils, die himmlische Verdammnis beim jüngsten Gericht, den Ausschluss aus der Gemeinschaft der Heiligen und Ähnliches verspricht.508 Bis heute sichtbar ist diese Vorstellung auch in Caspar Hagenbuchs 1570 fertiggestelltem Wandschmuck des Appenzeller Ratsaals: Über dem Sitz des Landammanns wacht die Innerrhoder Wappenpyramide mit dem von Bären gestützten Reichsadler, wobei sie umrahmt wird durch die Allegorien – von links her – Liebe, Glaube, Hoffnung und Gerechtigkeit. Politische Ordnung ist Rechtsordnung, und die Rechtsordnung ist Teil der göttlichen Heilsordnung.509 Auf der konkreten außenpolitischen Ebene entsprechen diesem Rechtsverständnis ein dezidiertes Bekenntnis zur Institution des Papsttums und die gewichtige Rolle, die der Nuntius als Vertreter einer Universalmacht in den katholischen Kantonen einnimmt. Auch wenn sich um 1700 die nicht zuletzt soldpolitische Anhänglichkeit an die katholische Vormacht, das ehemals habsburgische Spanien, nicht auf den Kaiser, sondern auf die Bourbonen überträgt, so bleibt – unabhängig vom konkreten Träger der Kaiserwürde – der Reichsgedanke doch ein fixer Bezugspunkt bei der Legitimation eidgenössischer Freiheit und Herrschaft. Damit erklärt sich, dass die »säkulare Selbstbegründung des Staates«, die Pocock als Hauptproblem der politischen Theorie im 17. Jahrhundert erkannt hat, in der katholischen Eidgenossenschaft erst spät einsetzt.510 Papst und Kaiser sind hier nicht einfach wichtige irdische Mächte, sondern Vermittler in weltlichen und geistlichen Dingen zwischen den zwei civitates, der niederen irdischen Realität und der göttlichen Allmacht. In ihrer menschlichen Körperlichkeit und Sünd507 508 509 510

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Reibstein, Respublica, 1949, S. 68. StASZ , Archivbücher, cod. 1900.

Fischer, Recht, 1977. Pocock, Bürgergesellschaft, 1993, S. 34.

20. Fazit

haftigkeit bilden sie gleichsam die Spitze einer diesseitigen Pyramide und fügen sich gleichzeitig damit in die Basis einer jenseitigen Pyramide ein, an deren Spitze Gott thront. Die Auffassung des Imperiums als universale Pyramide ist in Deutschland gebräuchlich und schlägt sich in bildlichen Darstellungen nieder.511 Auf solchen lassen sich auch in der Eidgenossenschaft die unterschiedlichen politischen Ordnungsvorstellungen nachvollziehen. Ausgangspunkt ist der bereits auf eidgenössischer Ebene ausführlich behandelte Wappenkranz, der wie erwähnt ursprünglich in den Kantonen Verwendung findet. Auf der Berner Ämterscheibe, wie sie 1576 für das Basler Schützenhaus gefertigt wird oder in derselben Zeit auf einem Abraham Bickhart zugeschriebenen Riss zu sehen ist, umgeben die Wappen der Landvogteien im Kreis die Berner Wappenpyramide, gleichsam in einem direkten, personalen Herrschaftsverhältnis im Rahmen der zur Kaiserkrone aufsteigenden feudalen Pyramide.512 Die Vogtei steht für herrschaftlichen Schutz und Schirm und verlangt dafür Rat und Hilfe in Form von Steuern oder Kriegsdienst.513 Dieses Selbstverständnis, das eine wechselseitige Bindung von Herrschaft und Schutzbefohlenen impliziert, prägt im 16. Jahrhundert die ganze Eidgenossenschaft und unterscheidet sich auch nicht wesentlich von der spätmittelalterlichen Adelsherrschaft. Anders sieht es auf der Immerwährenden Ehrenpforte aus, der Berner Regimentstafel, die Johann Grimm 1726 dem Rat schenkt (Abb. 40). Auf der Pforte in Form eines Triumphbogens sitzt in der Mitte die Respublica mit Freiheitshut, zerbrochenem Joch, Katze und Keule. Die Komponenten der Berner Respublica finden sich an den äußeren Enden des Bogens, links die männliche Verkörperung der Obrigkeit, mit Herzogskrone, Liktorenbeil, Trophäe und Schatzkiste, und rechts gegenüber das Volk, mit Lorbeerkranz, Kelch, Lyra, Rutenbündel und Füllhorn. Zwischen ihnen und der Respublica liegen zudem – rechts – die Aare als Flussgottheit und links die Stadt mit der Mauerkrone. Unter der Respublica folgt das gekrönte Bernerwappen, das von zwei Bären gehalten wird, und das Schriftband SUPREMUS MAGISTRATUS REIPUBLICAE BERNENSIS . Darunter folgen eine Innenansicht der Burgerstube, ein Bild des Münsters und die Wappen der Zünfte. Den Sockel bilden die Wappen der Landvogteien, während die Wappen der regimentsfähigen Geschlechter die Pfeiler der Ehrenpforte schmücken. Die spielenden 511 Burkhar dt, Pyramide, 1998; ders., Bildkultur, 1998. 512 Giesick e, Glasmalereien, 1991, S. 80–91. 513 Brunner, Land, 1965, S. 310–314.

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Abb. 40: Johann Grimm, Immerwährenden Ehrenpforte, 1726.

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Bären unten erinnern an ihre jungen Pendants auf Werners Tafel im Rathaus, die sich ebenfalls im Schutz der »Respublica Bernensis« tummeln durften.514 Die Ordnung, betont durch die Pilaster, ist ausgeprägt vertikal und in der Mittelachse hierarchisch klar geordnet: Die personifizierte Respublica wacht über den gekrönten Stand, dessen »immerwährende« (»perpetuum mobile« in der Bogeninschrift) Souveränität im aristokratischen Großen Rat ruht und über Kirche und Vogteien herrscht. Hier fehlt das Dreieck der Trinität als Zeichen der Unmittelbarkeit zu Gott, das man sich aber ergänzend vorstellen kann wie bei Leus behandelten Frontispizien zur Simler-Edition von 1722 und zum Stadt- und Landrecht von 1727 oder im Giebel des Berner Kornhauses. Während die Berner ihren Staat als senkrechte Gliederung der Befehlsgewalt von oben nach unten neu erfassen, finden sich in den katholischen Städten Solothurn, Luzern und Zug offenbar bereits ab 1724 (Zug) und auf jeden Fall in der zweiten Jahrhunderthälfte aussagekräftige Ratswappenkalender. Auch sie sind »ewig«, insofern auf den gut einen Meter großen Stichen ein Feld vorbehalten ist, in das man jeweils den aktuellen Jahreskalender einfügen kann, während es nicht nötig ist, die übrigen Elemente zu verändern, insbesondere nicht die Wappen der ratsfähigen Familien, bei denen eine Erweiterung nicht vorgesehen ist. Vom Aufbau her sehen sich die Kalender sehr ähnlich: Die Basis bildet die jeweilige Flussgottheit und Stadtallegorie, die eine Vedute der Stadt einrahmen, auf oder unter der Platz frei ist für den jeweiligen Kalender. Darüber laufen die Familienwappen nach oben, im Falle Luzerns sogar in der Form eines Baldachins. Sie werden auf der Wölbung eines Triumphbogens im gekrönten Standeswappen zusammengefasst – außer im Falle Zugs, wo die Krone ja nicht der Stadt allein, sondern nur mit dem Amt zusammen gebührt. Der Triumphbogen ist viel weniger markant und auch nicht so quadratisch konstruiert wie sein Berner Pendant, dazu kaschiert die pyramidal aufsteigende Wappenreihe seine Formen. Das gekrönte Wappen ist nun aber wiederum integriert in eine Gruppe von Figuren, die auf dem irdischen Triumphbogen oben eine zweite, himmlische Pyramide bilden. Hier finden sich unten Allegorien der theologischen Tugenden oder der Gerechtigkeit, darüber die Lokalheiligen Oswald in Zug, Leodegar in Luzern oder Urs und Viktor in Solothurn, daneben Niklaus von Flüe, Carlo Borromeo und weitere Lichtgestalten des helvetischen Katholizismus, die huldigend zur Muttergottes an der Pyramidenspitze hinführen. Sie ist die

514 Gamboni/Germann/De Capitani, Zeichen, 1991, S. 384–386.

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Himmelsherrscherin und Mittlerin zu Gott, und auch zwischen ihr und dem Standeswappen befindet sich eine Hierarchie von Fürsprechern. Die katholischen Orte bleiben, auch wenn sie sich mit der Souveränitätskrone schmücken, in einem sakralen Kosmos eingefügt. Während die Allegorien des Zürcher Reformierten Leu die Gerechtigkeit inmitten von Tapferkeit, Einheit und Wohlfahrt symbolisieren, findet sie sich bei den Katholiken – wie im Appenzeller Rathaus – neben Glaube (Kreuz), Liebe (Kelch) und Hoffnung (Anker). Der ältere Zuger Stadtkalender, der noch im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts gebraucht wird, zeigt nun, dass das Grundprinzip – allerdings ungleich bescheidener ausgestaltet – auch dann dasselbe ist, wenn das städtische Wappen vom Reichsschild überragt wird, über dem Maria thront. Ob Reichsfreiheit oder Souveränität die Staatlichkeit legitimiert, sie bleibt stets in eine metaphysische, pyramidale Hierarchie eingebettet, in eine Ordnung, die Glaube, Sitte und Recht dem politischen Gemeinwesen vorgibt. Wenn es mit diesem Weltbild schwer fällt, den Reichsadler zu verabschieden, dann deshalb, weil er nicht nur den Gipfel der irdischen Welt symbolisiert, sondern auch Teil der überirdischen ist. An dessen Stelle ein Standeswappen zu setzen mit einer Krone, die man sich selbst aufgesetzt hat, ist kein Schritt, der leichtfertig getan wird. Doch auch dann ist der Staat, von dem der Katholik sich ein Bild macht, weder streng vertikal aufgebaut noch unmittelbar zu Gott und schon gar nicht säkular. Anders sieht es dort aus, wo die protestantische Lehre den Gläubigen in ein direktes Verhältnis zu Gott und eine persönliche Verantwortlichkeit ihm gegenüber gestürzt hat, zugleich aber Luthers zwei Reiche so klar geschieden hat, dass keine irdische Institution denkbar ist, die in das Himmelreich hineinragen könnte – ganz gleich, ob die christliche Gestaltbarkeit der Politik im lutherischen Sinn skeptisch und letztlich indifferent beurteilt wird oder im zwinglianischen Geist eher zuversichtlich. Ebenso wie der einzelne Gläubige, ebenso wie die christliche Gemeinde kann auch die politische Gemeinschaft – ungeachtet der himmelsweiten Distanz – unmittelbar zu Gott sein, gleichsam an einem Faden von ihm abhängen, wie Théodore de Bèze die »urbs Christi« auf einem Emblem in seinen Icones darstellt.515 Der Allmächtige hat den

515 Henk el/Schöne, Emblemata, 1996, Sp. 1204. Das Epigramm lautet: »Pinge globum tenui quem libratum undique filo/ Sustineat summi numinis alta manus,/ Talis es urbs Christi de nomine dicta beato,/ Qua nil firmius est, mobiliusque nihil«. Auch wenn Bèze mit der »Urbs Christi« die Kirche meint, kann das Bild auch auf die weltliche Gemeinde bezogen werden.

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Staat geschaffen als Ausdruck eines Bundes mit seinem Volk, das seiner »summa potestas et summa auctoritas« darin unmittelbar unterstellt ist.516 Dem widerspricht nur scheinbar, dass Jean Bodin selbst ein Katholik ist. Denn einerseits lehnen die ultramontanen Anhänger der Ligue sein Konzept mit den unbedingt gallikanischen Implikationen ab und bemühen dagegen dasselbe kontraktualistische Widerstandsrecht wie die Hugenotten. Andererseits löst sich Bodin bewusst und konsequent vom Denkmuster der Universalreiche. Gerade diesen Schritt nachzuvollziehen fällt den Eidgenossen so schwer, da sie ihre schwach ausgeprägte Staatlichkeit nicht wie die französische Monarchie ohne weiteres aus sich selbst heraus und durch das Gottesgnadentum legitimieren können, sondern dies herkömmlich stets mit kaiserlichen und päpstlichen Privilegien getan haben. Wo dies nie der Fall gewesen ist, empfinden auch Katholiken keine großen Hemmungen, die Souveränitätstheorie zu übernehmen: So übernimmt Venetia – etwa auf Tintorettos Gemälde im Palazzo Ducale – den Platz der Himmelskönigin in der traditionellen mariologischen Ikonographie. Eine analoge Position im Himmel können protestantische Fürsten wie James I bei Rubens innehaben.517 Die Schweizer Republiken müssen diesen Himmel zuerst gleichsam von der Bildersprache zweier Universalmächte freiräumen, und dieser Schritt fällt den Reformierten leichter: Um die Souveränität zu rezipieren, ist »Solus Christus« die bessere Voraussetzung als ein martyrologisches Panoptikum. Während die Jungfrau für die Katholiken den Heiligenkosmos zusammenhält, kann sie bei den Reformierten zur Erde hinuntersteigen und hier, säkularisiert, die keusche »Respublica« darstellen.

516 Calvin, Inst., 4, 30, 3; vgl. Udo Bermbach in Fetscher/Münkler, Handbuch, 3, 1985, S. 107 f. 517 Koenigsberger, Republicanism, 1997, S. 45–48.

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Ein Definitionsversuch aus der Perspektive von 1798

Schluss: Frühneuzeitlicher »Republikanismus« in der Eidgenossenschaft Ein Definitionsversuch aus der Perspektive von 1798 Fraud lurks in generals. There is not a more unintelligible word in the English language than republicanism.1 John Adams, 8. August 1807 Ich liebe sehr die republikanischen Verfassungen. Aber unsere Zeiten sind für die Republiken gefährlich; nur die Schweiz wird sich noch lange erhalten.2 Friedrich II. zu J. G. Zimmermann, 1. Juli 1786

Am 5. März 1798 erobern französische Revolutionstruppen Bern. Dort und in den anderen Kantonen kollabiert das Schweizer Ancien Régime schlagartig, nachdem ihm schon seit Wochen lokale Aufstände und Separatismen zugesetzt haben. Am 12. April verkündet in Aarau das erste nationale Parlament der Schweiz die Gründung der »einen und unteilbaren Republik« mit ihrer Einheitsverfassung und einem fünfköpfigen Direktorium als Exekutive. Die Kantone sind nicht mehr souverän, sondern bloße Verwaltungseinheiten. Am 5. Mai 1798 berichtet das nationale »Vollziehungs-Direktorium«, dass der neue französische Kriegskommissär Jean-Jacques Rapinat sich beschwert habe, »daß in den schweizerischen Städten, wo seine Reise ihn durchführte noch allenthalben die Zeichen der ehemaligen Regierung, des Adel Standes und aufgehobener Auszeichnungen an Gebäuden und anderwärts angetroffen würden«. Den Statthaltern wird befohlen, »alle diese Uberbleibsel der vorigen Ordnung der Dinge mit Beförderung abthun und wegräumen zu lassen« – die »Wappen der ehemaligen Regierung« und »alle Zeichen von erblichen Vorrechten« oder »signes de l’ancien régime« und »emblèmes de l’oligarchie«, wie sie Rapinat genannt hat. Ein »Republikanischer Gruß« schließt die Anweisung ab, die im Na-

1 Adams, Correspondence, 4, 1878, S. 432 (an Mercy Otis Warren, 8. August 1807); zitiert bei Wootton, Introduction, 1994, S. 1, und ausführlich bei Mager, Genossenschaft, 2001, S. 60. 2 Zimmermann, Friedrich, 1788, S. 79; auf Französisch bei Zimmermann, Briefe, 1830, S. 348; vgl. zu Zimmermann auch Zurbuchen, Exil, 1996.

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men der Volkssouveränität und »der vollkommensten Freiheit und Gleichheit« erfolgt. Dies gilt selbstverständlich auch für die obsoleten kantonalen Siegel, an deren Stelle »das Symbol des helvetischen Stands Insigels die Figur des Willhelm Tells nebst dem seines Buben« tritt, »mit der Umschrift: helvetische Republick«.3 Der Befehl wird nicht überall gleich radikal umgesetzt, doch im stolzen Bern setzt man den Meißel an die erwähnten Giebel von Kornhaus und Stift an, ferner im Rat- und Zeughaus: Überall fallen Herzogskrone, Zepter und der Bär als Wappenhalter.4 Republikaner haben also beschlossen, die – wie sie kaum wissen – relativ jungen Symbole der alteidgenössischen Republiken zu zerstören und durch solche der einheitsstaatlichen Republik zu ersetzen. Damit setzen sie einen gewaltsamen Schlusspunkt hinter den Prozess, der in diesem Buch geschildert worden ist. Ausgangspunkt war das Jahr 1576, in dem Bodins République und Simlers Regiment erscheinen, gleichsam die zwei konträren Modelle schweizerischer Staatsdeutung und -begründung. Das eine ist im Reichsgedanken verortet und versteht die Rechte der »gefreiten Stände« als vom Kaiser verliehene Privilegien, das andere definiert den Souverän als faktischen Besitzer aller obrigkeitlichen Kompetenzen, nicht länger eingeschränkt durch innere Neben- oder äußere Obergewalten. Die äußere Souveränität wird im 17. Jahrhundert zur Grundlage des französisch und niederländisch geprägten Völkerrechts, das seit dem Westfälischen Frieden zusehends als Grundlage der europäischen Staatenordnung dient. In einem längeren Prozess wird darauf einerseits vor allem im Alten Reich geklärt, wer als Völkerrechtssubjekt zu gelten hat, andererseits der ständische Ballast des Zeremoniells aus dieser rationalen Rechtsordnung eliminiert. Im 17. Jahrhundert dienen Präzedenzfragen aber noch zur Fortsetzung des Kriegs mit diplomatischen Mitteln. In dieser Form wird auch eine nicht in der Souveränitätslehre, aber in ihrer französisch-absolutistischen Auslegung begründete Diskriminierung der Republiken praktiziert, wozu sich unter Louis XIV ein innen- wie außenpolitischer Kampf gegen alles gesellt, was als »republikanisch« verunglimpft wird.

3 StaBE Helvetik Bern Nr. 254, 5. Mai 1798; StABS Räte und Beamte G 2 (6. Juli 1798, 3. August 1798); vgl. Gamboni, Instrument, 1992, S. 213 f. sowie Strickler, Sammlung, 1, 1886, S. 956 (Nr. 98, 5. Mai 1798). 4 Gamboni, Instrument, 1992; Hofer, Kunstdenkmäler Bern, 3, 1947, S. 58, 114, 144, 217, 362, 372–375, 389; vgl. Strickler, Actensammlung, 1, 1886, S. 956 (Nr. 98, 5. Mai 1798). Um 1820 werden die Hoheitszeichen teilweise wieder angebracht.

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Ein Definitionsversuch aus der Perspektive von 1798

Nachdem die Jahrhundertmitte vorübergehend den Eindruck einer »Republikanisierung« Europas hat wecken können, erfolgt deshalb die Selbstdarstellung und theoretische Fundierung der mittelgroßen oder kleinen europäischen Freistaaten in einer defensiven Haltung, nicht nur gegenüber den mächtigen monarchischen Territorialstaaten, sondern oft – in den Niederlanden, erst recht in England – auch gegenüber fürstlichen Prätentionen im Inneren. Gerade die Notwendigkeit, eine durch Uneinigkeit stets gefährdete, außenpolitisch beschränkt handlungsfähige und in der vorherrschenden Meinung nur bedingt legitime Verfassungsordnung zu bewahren, führt dabei zu einer Adaption nicht nur des Souveränitätskonzepts, sondern auch des »Absolutismus« als postulierte Bindungsfreiheit sowohl gegenüber Konkurrenzgewalten als auch gegenüber Herkommen und alten Rechten. In Abgrenzung zum monarchischen Absolutismus wird jedoch betont, dass Republiken sich friedfertig dem Handel widmen und keine territoriale Expansion suchen. Solche Anpassungen an die westliche Staatslehre erlaubt die »monströse« Mischverfassung des Reichs nicht, und in diesem feudalen Rahmen ist das unübersichtliche schweizerische Bundesgeflecht lange Zeit gut aufgehoben: Das Reich ist Quelle und Garant des Rechts und damit der einzelörtlichen Selbstbestimmung, greift aber in die autonome Politik nie ein. So hält eine ständische Abneigung gegen »große Herren« die Eidgenossen zusammen, die sich aber gleichzeitig, demonstriert durch die omnipräsenten imperialen Insignien, als Teil eines Ordnungssystems verstehen, das auf einen Monarchen, nämlich den Kaiser zuläuft. Erst die »Verstaatlichung« des politischen Selbstverständnisses im 17. Jahrhundert macht aus einer antiaristokratischen Abwehrhaltung einen antimonarchischen »Republikanismus«. Voraussetzung dafür ist die formale, völkerrechtliche Staatlichkeit, die von Frankreich konzeptionell bereits früh vorweggenommen und in der Exemtion von 1648 entscheidend befördert wird, auch wenn der durch diesen reichsrechtlichen Titel erlangte Status noch länger unklar – aber kaum umstritten – bleibt. Die Bedingtheit der Souveränität erfahren die Eidgenossen am stärksten im protokollarischen Kontakt mit Frankreich, und erst die Friedensschlüsse um 1700 lassen das Corpus helveticum als klar definiertes Glied der Staatenwelt entstehen. Dort dauert die Randposition gleichwohl weiter an, was in der letztlich fehlenden inneren, gesetzgeberischen, aber auch äußeren, kriegsfähigen Souveränität des Schweizer Bundes begründet liegt. Diese verfassungsrechtliche Sonderstellung lässt sich am ehesten, aber auch nicht befriedigend als Teilung der Souveränitätsbereiche verstehen, wie sie Locke 571

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und nach ihm Montesquieu entwerfen: Danach verbliebe die Legislative und Exekutive in der Zuständigkeit der Kantone, Lockes außenpolitische »Föderative« wäre dagegen der Tagsatzung zugeordnet. Die staatsrechtlich starke Stellung der Kantone und die gleichzeitig völkerrechtliche Souveränität des Bundes verweigern sich aber nicht nur einer juristischen Systematisierung, sondern erschweren auch die gedankliche Rezeption des Souveränitätskonzepts in der Schweiz.5 Der allmähliche Übergang von der bequemen, die Freiheiten hinreichend schützenden reichsrechtlichen Staatsbegründung zur stolzen, aber anspruchsvollen Fundierung der Staatlichkeit aus ihr selbst, im nur durch eigene Waffen gewährleisteten faktischen Besitz aller Herrschaftsrechte, vollzieht sich demnach eher auf der Ebene der Kantone als auf der des Bundes. Es ist dies ein mehrschichtiger, nicht monokausaler Prozess, bei dem – außenpolitisch – in Abgrenzung zum monarchischen Absolutismus französischer Prägung das republikanische Selbstverständnis eines neutralen Kleinstaats formuliert und – innenpolitisch – in den Kantonen die Frage nach dem Souverän und seinen Grenzen aufgeworfen wird. Republikanische Souveränität kann dabei als Argument dienen, um – wie in Genf – gegen einen äußeren, früheren Stadtherren die eigenständige Herrschaft zu legitimieren oder – so im Wallis – einen inneren, fürstlichen Landesherren aus seiner Machtposition zu verdrängen; sie kann in Bern als absolute Gewalt der Patrizier in Groß- und Kleinrat verankert werden und die Bürgerschaft davon ausschließen oder aber in Zürich diese als Teil des souveränen politischen Körpers anerkennen; sie kann – erfolglos, wie in Baden oder Rapperswil – reklamiert werden, um Gleichstellung mit den Schirmorten zu erlangen, und – erfolgreich, so in Zürich – mobilisiert werden, um gegenüber Frankreich außenpolitische Handlungsfreiheit einzufordern; sie kann – in Graubünden, in Zug – von den Gemeinden instrumentalisiert werden, um städtische Privilegien anzufechten, und schließlich im 18. Jahrhundert – vor allem in Genf – aufgenommen werden, um die ständische Ordnung unter Berufung auf naturrechtliche Gleichheit in Frage zu stellen. In groben Zügen erfolgt diese Rezeption des westlichen Staatsdenkens und des Souveränitätsgedankens wie gezeigt von West nach Ost, vom französischen zum deutschen Sprachraum hin; zuerst in großen, städtischen und reformierten Kantonen, unter Patriziern rascher als in einer Zunftverfassung oder gar 5 Vgl. die teilweise zutreffenden, aber insgesamt etwas hilflosen Ausführungen bei Mommsen, Staatssouveränität, 1970, S. 259–271, der diesen Aspekt übersieht.

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einer Landsgemeinde, unter Söldnern im westlichen Ausland eher als bei Kaufleuten mit engen Beziehungen zum Reich. Die vom vielfältig wirksamen niederländischen Vorbild beeinflusste Rede von der (absoluten, neutralen) souveränen Republik dient einer breit gebildeten und juristisch informierten, wenn auch in der Regel nicht akademisch promovierten Gruppe von Staatsdienern, die für zusehends komplexere und aufwendigere staatliche Aufgaben abkömmlich sind und diese professioneller betreiben müssen als frühere Generationen. Die immer kontinuierlichere, ja faktisch vererbbare Tätigkeit dieser Magistraten lässt das »Regiment« zusehends als feste Institution mit einer wachsenden Anzahl berufsmäßiger Mitarbeiter erscheinen, als »Staat«, der unabhängig von seinen sterblichen obersten Repräsentanten existiert, ja ewig oder zeitlich unbeschränkt ist, insofern er zu Gott unmittelbar ist. Ikonographisch tritt die Staatspersonifikation, Helvetia ebenso wie Berna, Lucerna oder Tigurina, als keusche, defensive Jungfrau das Erbe der Jungfrau Maria an. Konzeptionell wird die ewige, »absolute Souveränität« Gottes, wie sie den Reformierten vertraut ist, auf das Gemeinwesen übertragen. In Lobreden werden die Regenten ihrerseits zu Göttern erhoben: Die Säkularisierung christlicher Denk- und Bildmotive und die Sakralisierung irdischer Herrschaft gehen miteinander einher. Das hervorragende Denkmal dieses Prozesses ist das Zürcher Rathaus mit seinen fast ausschließlich weltlichen Bildprogrammen, die ganz dezidiert auf monarchische und imperiale Bildtraditionen verzichten, ja diese, wo vorhanden, ersetzen. Stattdessen wird mit Rekurs auf die antike, römische wie griechische, Tradition und auf die eigene Geschichte das Ideal eines wehrhaften Freistaats vorgeführt, dessen Prosperität Beweis dafür ist, dass er gottgewollt ist. Die Unversehrtheit von Zürich und der Eidgenossenschaft in den bedrohlichen, die ganze Nachbarschaft und das übrige Europa mit Kriegen überziehenden Herrschaftsjahren von Louis XIV legen nahe, dass die Republik nicht nur – aller fremden Überheblichkeit zum Trotz – eine legitime Form der Herrschaft ist, sondern die beste. Was diesem republikanischen Selbstverständnis des 17. Jahrhunderts und dem entsprechenden Selbstbewusstsein im 18. Jahrhundert zugrundeliegt, soll hier versuchsweise als Antwort auf die zu Beginn dieser Studie umschriebene Fragestellung definiert werden. Die Eidgenossen der Frühen Neuzeit verstehen unter Republik die souveräne, tendenziell absolute Polyarchie. »Souverän« bedeutet, dass sie gegen innere Konkurrenzgewalten wie die Kirche, Stände, Zünfte, Gesellschaften oder Universitäten das Monopol auf Gesetzgebung, Rechtsprechung und alle anderen obrigkeitlichen Kompetenzen hat; das im573

Schluss: Frühneuzeitlicher »Republikanismus« in der Eidgenossenschaft

pliziert auch eine erastianische und später laizistische Grundhaltung und ein säkulares Politikverständnis. »Souverän« heißt ferner, dass die Republik keiner äußeren Gewalt unterworfen ist und einen Platz als Völkerrechtssubjekt in der Staatenordnung beanspruchen kann, auch wenn die herrschenden politischen Vorstellungen unbestreitbar die Monarchie als politisches Ideal anpreisen und das höfische Zeremoniell diese Hierarchie klar durchsetzt, also Republiken als zweitrangig behandelt. »Absolut« heißt nicht unbedingt, dass die Regierenden selbst dem Gesetz nicht unterworfen sind, meint aber, dass sie grundsätzlich niemand daran hindern kann, das Herkommen, also alte Rechte, zu ändern, zu bestätigen oder abzuschaffen. Es ist dies in der Realität, gerade in der eidgenössischen, eher ein Anspruch als wirklich Herrschaftspraxis; aber es ist dies ein Argument für ein neues Verständnis vom Staat, der nicht richtet und schlichtet, sondern lenkt und »renkt«. Republik wird im frühneuzeitlichen Sinn wohl als eine Verfassung verstanden, die auf Wahlen beruht und Freiheit ermöglicht, sowohl als Partizipation am Regiment als auch als Unabhängigkeit gegen außen. Aber es ist unverhohlen keine Freiheit unter Gleichen, sondern unter Ungleichen, da unterschiedlich Privilegierten. Frühneuzeitliche politische Freiheit definiert sich durch die Unfreiheit anderer, ja sie bedarf ihrer. Sie ist relativ; moderne politische Freiheit dagegen ist absolut und universal. Entsprechend gilt die vormoderne Gleichheit nur innerhalb seines Standes, und eine derartige Gleichheit ist innerhalb des Regiments unabdingbar: Wäre ein Regent »more equal« als andere, so wäre er souverän, die Verfassung monarchisch und nicht republikanisch. »Republic« meint insofern auch allein den »Staat«, im Sinn des corpus politicum, und diejenigen Bürger, die daran Teil haben, also an der Souveränität.6 Sie fasst das zusammen, was »publicum« ist: öffentlich im Sinn von herrschaftlich, nämlich das Gemeinwesen betreffend und umfassend.7 Die »Republic« sind demnach die Herrschenden: alle (Bürger) in der Demokratie, wenige in der Aristokratie, und in der Aristodemokratie alle für Fundamentalfragen und wenige für das alltägliche Regierungsgeschäft. Souverän sind sie als körperschaftsrechtliche »universitas«, und von ihr gilt: »universitas non moritur« – in ihrer

6 Dies ist auch mit der Definition von »République« in der Encyclopédie gemeint, zitiert nach Mager, Republik, 1984, S. 588: »Forme de gouvernement dans lequel le peuple en corps ou seulement une partie du peuple, a la souveraine puissance.« 7 Vgl. auch Habermas, Öffentlichkeit, 1993, S. 66.

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kollektiven Souveränität sind diese Bürger, ist die »Republic«, ist ihr Staat (unbesehen seiner konkreten Repräsentanten) ewig.8 Dagegen zählen die Untertanen und die nicht regimentsfähigen Bürger nicht zur »Republic«, beziehungsweise nur im Sinn der Identitätsrepräsentation, dass der Souverän als »Republic« zugleich auch die »Republic« als das ganze Volk einschließende Gemeinschaft darstellt oder vielmehr »ist«. Die Idee der Souveränität sprengt die herkömmliche Vorstellung einer alles und alle umfassenden »res publica«, behält die Sorge für die Allgemeinheit den Herrschern vor und reduziert die »Republic« auf sie. Den Untertanen bleibt das Private oder – wie es sich allmählich als Vorstellung entwickelt – der gesellschaftliche Bereich, der vom Staat geschützt wird. Das erstmals klar von Hobbes thematisierte und schließlich von Hegel systematisierte Auseinanderfallen von Staat und Gesellschaft kann als Spaltung der klassischen, personal verstandenen und politisch verfassten Einheit »res publica« verstanden werden, wobei die daraus resultierende »Republic« nur noch das herrschende Haupt des mystischen Körpers umfasst, aber das ganze corpus, also auch die »Gesellschaft«, »repräsentiert«.9 Infolge dieser Ausdifferenzierung ist die Republik ab dem 17. Jahrhundert die einzige kompetente und vernunftgemäße, da souveräne Form von Herrschaft neben der Monarchie. Sie ist dies ungeachtet ihrer unübersehbaren Defizite, etwa dem Fehlen von Hof und Dynastie, was so wichtige Erscheinungsformen des frühneuzeitlichen Staats wie die Nobilitierung oder die fürstliche Hochzeit verunmöglicht. Konstituiert wird die Republik durch die Wahl von mehreren und nicht durch die Erbschaft eines Einzelnen, doch in ihrer staatsrechtlichen Funktion ist sie analog zur Monarchie zu verstehen – als uneingeschränkte Obrigkeit, deren Devise lauten könnte: »L’Etat, c’est nous.« In der Praxis (nicht in den akademischen Debatten) unwichtig wird damit die aristotelische Trias Monarchie, Aristokratie und Demokratie mit ihren Verfallformen, vor allem aber das herkömmliche Ideal der aus diesen reinen Typen gemischten Verfassung. Stattdessen stehen sich Monarchie und Republik als grundsätzliche Alternativen rein souveräner Staaten gegenüber, bis das neue Konzept der Gewaltenteilung die als unabdingbar angesehene Souveränität mit einem Verfassungsaufbau versieht, der ihren Missbrauch erschwert. In diesem Sinn wird es nach Montesquieu auch möglich, eine gewaltenteilige Monarchie wie England oder Polen als »Republik« zu bezeichnen, da dort mehr als eine 8 Vgl. Mager, Genossenschaft, 2001, S. 101 f. 9 Vgl. Nonnenmacher, Ordnung, 1989, S. 51.

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Person an der Souveränität teilhat.10 Wer allerdings, wie Thomas Paine, strengere Maßstäbe anlegt, kann mit diesem Wort keinen Staat erfassen, dessen Regierung dynastische Elemente behält.11 Ebenso wenig kann man eine polyarchische Regierung »Republik« nennen, wenn sie nicht souverän ist. So erklärt 1786 der Reichspublizist Julius Friedrich Malblank, dass ein großer Unterschied bestehe zwischen »souverainen auswärtigen Republiken und den deutschen Reichsstädten«.12 Und Christian Ludwig von Griesheim nennt Hamburg 1760 ausdrücklich, trotz »republicanischen Formen«, nicht »respublica«, sondern gemäß dem öffentlichen Recht korrekt »civitas«: »Warum ich die Veränderung stat respublica civitas beliebet habe, wird jeder Publiciste selbst errathen, der distinct in seinen Bestimmungen verfahren will.«13 Wohl kennen auch Reichsstädte Souveränitätsdebatten zwischen Rat und Bürgerschaft, wenn es um Herrschaftsrechte in der Stadt geht, und sie enden in der Regel mit Kompromisslösungen.14 Doch der eigentliche Nutznießer der Souveränitätstheorie sind die großen Reichsstände: In den deutschen Städten wird die »städtebürgerliche Freiheitstheorie«, wie Schilling sie nennt, durch die im »Souveränitätsbegriff konzentrierte Staatstheorie der frühmodernen Fürstenstaaten gleichsam aus den Angeln gehoben«.15 Anders sieht es in der Eidgenossenschaft aus: Die älteren kommunalen Freiheiten erhalten zumindest bei den vollberechtigten Kantonen in der Souveränität eine neue Beschützerin, ja gehen allmählich in ihr auf – und können so bewahrt werden. So ähnlich sich Schaffhausen und Lindau um 1500 gewesen sein mögen, so unterschiedlich ist ihr Status 1803 und erst recht danach. Ebenso bewahren die 14 000 Ansässigen im souveränen Stand Appenzell Innerrhoden Hoheitsrechte, von denen die einst Freie 10 Vgl. Adams, Correspondence, 1878, S. 352; auch die zwei Kategorien des polnischen Königs Stanislas Leszcynski bei Venturi, Utopia, 1970, S. 114. 11 Paine, Rights, 1995, S. 566: »[T]he government of America, which is wholly on the system of representation, is the only real republic in character and in practice, that now exists. Its government has no other object than the public business of the nation, and therefore it is properly a republic; and the Americans have taken care that THIS , and no other, shall always be the object of their government, by their rejecting every thing hereditary, and establishing government on the system of representation only.« 12 Zu Malblank Hafner, Steuersystem, 1998, S. 139; vgl. auch oben, S. 146 f., zum Unterschied zwischen Goethes volkstümlichem Reden über Frankfurt und dem offiziellen Status der Stadt. 13 Von Griesheim, Hamburg, 1760, Anmerkungen und Zugaben, S. 242. 14 Brunner, Souveränitätsproblem, 1968, S. 320. 15 Schilling, Republikanismus, 1988, S. 128.

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Stadt Köln nur träumen kann, auch wenn sie bereits im Jahr 1500 doppelt so viele Einwohner zählte. Ein entscheidender Grund dafür ist, dass die Eidgenossenschaft zu einem Zeitpunkt gleichsam vom reichsrechtlichen ins westlich-staatsrechtliche Lager wechselt, wo (monarchische oder polyarchische) Herrschaften eine Staatenwelt konstituieren, deren Voraussetzung die faktische Ausübung der obersten Gewalt ist. Als aber Napoleon Bonaparte mit demselben Argument der Souveränität die Reichsverfassung sprengt, mit dem Mazarin 1648 die Eidgenossenschaft aus ihr herausgetrennt hat, bilden Nationen eine Völkerwelt, in der für Kuriosa wie ein souveränes Isny kein Raum, ja kein plausibler Grund besteht. Nicht wegen ihrer reichsrechtlichen Stellung, sondern wegen ihrer wirtschaftlichen Potenz werden Frankfurt und drei Hansestädte 1815 wieder als Freie Städte im Deutschen Bund konstituiert. Die kleinen Schweizer Städtchen und Talschaften können hingegen Bodins für kleine Staatsgebilde zumeist fatales »entweder souverän oder untertan« auffangen, indem sie sich als Republiken das neue Fremdwort aneignen, ihre innere Souveränität behaupten und in der Eidgenossenschaft eine potenzielle Trägerin der äußeren finden, die im Unterschied zum Reich nicht am nationalstaatlichen Gedanken zerbricht. Auch dieses erstaunliche Phänomen für einen lockeren Staatenbund, dessen deutschsprachige Mitglieder bis 1798 über weite Untertanengebiete italienischer und französischer Zunge herrschen, hat einen Grund darin, dass die souveräne Staatlichkeit in einem westeuropäischen Sinn seit anderthalb Jahrhunderten eingeübt worden ist und dies, trotz etwelchen Mühen, auch auf Bundesebene: Der Gedanke der Nation geht nicht dem Staat voran, sondern er kann allmählich in einem Staat entwickelt, konstruiert werden, der als längst bestehend begriffen wird. Da die »Republic« die polyarchische Form der Herrschaft und genau genommen nur der – im völkerrechtlichen Sinn – souveränen Herrschaft meint, hat sie wenig mit Widerstandsrecht, Monarchomachie und Mischverfassung zu tun. Es sind dies alles Phänomene, die man in den Erfolgsgeschichten der modernen okzidentalen Demokratie als »freiheitliche« Vorläufer anzuführen pflegt, weil sie die Einzelherrschaft mäßigen, in ihrer Souveränität beschneiden – aber durchaus selbst Teil einer monarchischen Verfassung sind. Die »Republic« ist dies nicht, sondern stellt eine andere, a-monarchische Variante der Souveränität dar. Sie gehört, wenn man so trennen will, zum staatsrechtlichen Diskurs, während Widerstand und regimen mixtum zum moralphilosophischen über Tyrannis und gerechte Herrschaft zählen. Ebenfalls aus dem modernen Vorverständnis der Republik als »frei577

Schluss: Frühneuzeitlicher »Republikanismus« in der Eidgenossenschaft

heitlicher« Verfassung ergibt sich ihre Deutung als Staatsprinzip, das aus kommunaler oder genossenschaftlicher Selbstverwaltung entspringt. Einige Beispiele haben gezeigt, dass diese Vorstellung in die Irre führt. Der Gotteshausbund ist wohl eine Allianz freier Gerichtsgemeinden zur Wahrung ihrer Autonomie, doch diese nutzen das Mehrheitsprinzip, das sie zur Grundlage ihrer »Repulic« machen, nicht um die alten Rechte einer Gemeinde (Chur) zu wahren, sondern um diese aufzuheben. Auch die Zuger Landgemeinden träumen nicht von einer »Republic« friedlicher Genossenschafter, sondern wollen über die Stadt herrschen, und dies mit demselben Argument einer Mehrheit unter gleichberechtigten Kollektiven, nämlich Gemeinde(gruppe)n. Die »Republic« muss verstanden werden als Herrschaft von Menschen mit mehr Freiheit über Menschen mit weniger Freiheit. Wenn dies hier wiederholt wird, so richtet sich diese Hartnäckigkeit gegen die auch in der heutigen Forschung vertraute Herleitung unserer Demokratie aus mittelalterlicher Stadtfreiheit, calvinistischer Ethik, Widerstandsrecht und/oder republikanischer Tradition. Nicht dass diese Elemente für eine Genealogie der Moderne unwichtig wären; doch ihre Fernwirkung entfaltet sich erst über die – im doppelten Wortsinn – Konstruktion des souveränen Staates. Als solcher, und nicht als Produkt kommunaler Selbstverwaltung, ist die »Republic« zu verstehen und wird sie wirkungsmächtig. Die »Republic« steht gerade für diejenigen, nur mäßig erfolgreichen Bemühungen, die Staatlichkeit zu intensivieren und den »Kommunalismus« zu reduzieren. Der Republicaner des 17. Jahrhunderts sieht die Stadt- und Landgemeinde als essenziellen Bestandteil einer feudalen, auf Privilegien beruhenden, aus Korporationen zusammengesetzten, ständisch gegliederten Ordnung, die er aufgrund gesetzgeberischer Kompetenzen nivellieren und rationalisieren oder »modernisieren« will.16 Allerdings geschieht dies nicht im Hinblick auf moderne Individualrechte, sondern – strukturell ähnlich wie in Monarchien – zugunsten einer handlungsfähigen Obrigkeit, die im Sinne des Hobbes’schen Gesellschaftsvertrags ihre nur Gott verantwortliche Schutzfunktion betont.

16 Vgl. dagegen Blickle, Kommunalismus, 1986, S. 555, über die Eidgenossenschaft: »So bestimmt nicht nur die Regierungsform, das ›regimen plurium‹, den republikanischen Charakter des Staates, sondern auch sein Zweck, der Friede und das Gemeinwohl. Beides duldet keine Privilegierung. Rechtsgleichheit und Pflichtengleichheit aller Bürger und Bauern sind gewißermaßen automatisches Beiprodukt einer kommunalen Entwicklung, deren Lebensprinzipien der ständisch-feudalen Herrschaft diametral entgegengesetzt sind.«

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Diesem Selbstverständnis eher gerecht wird Skinners »neo-roman theory«, für die das Bedürfnis des Bürgers nach (Rechts-)Sicherheit zentral ist, auch wenn entsprechende philosophische Texte, die für Skinners Theoriebildung unabdingbar sind, in der Schweiz fehlen. Die Partizipation am Regiment ist insofern auch durchaus instrumental, als in ihr nicht die Verwirklichung einer diesseitigen virtù – der Pocockschen vita activa als vivere politico – gesehen wird, sondern vielmehr die Möglichkeit, die eigene Teilhabe an kollektiven Privilegien zu sichern. Anders als Formulierungen wie »neo-roman theory« oder »Machiavellian moment« suggerieren können, finden sich – zumindest in der Eidgenossenschaft – keine durchgehenden republikanischen Traditionen. Es gibt keine Kontinuität von der humanistischen Antikenverehrung zum Kult, den die Aufklärer für die tugendhaften Republikaner in Rom und Griechenland pflegen; als Modell tauchen diese erst 1698 mit dem Zürcher Rathaus auf. Die vom Pietismus mitgeprägte, erst nach Montesquieu massiv auftretende Tugendrhetorik der Aufklärer fällt in der (reformierten) Eidgenossenschaft, in welcher Denkfiguren wie der alte und der junge Eidgenosse eine lange Tradition haben, auf einen fruchtbaren Boden. Aber sie ist keine Konstante im politischen Selbstverständnis der Schweizer, sondern ein Produkt des 18. Jahrhunderts. Der dann entstehende Schweizer Republikanismus hat also kurze Wurzeln, und sie erwachsen nicht aus dem moralphilosophischen Imperativ zur virtù, sondern aus der mühsamen Begründung von Schweizer (Frei-)Staatlichkeit im 17. Jahrhundert. Soll man aber dieses Selbstverständnis, das – ähnlich wie es Kossmann und Haitsma Mulier, auch Venturi skizzieren – souveräne, absolute Herrschaft mit Freiheit, Friedfertigkeit, Neutralität und Kommerz kombiniert, mit der Etikette »Republikanismus« erfassen, also aus dem Sprachgebrauch und dem dann auch offiziellen Titel »Republic« gleichsam eine Lehre ableiten? Magers kantianischer Rigorismus, der »Republikanismus« nur dort zulässt, wo eine gewaltenteilige Repräsentativverfassung die Rechtsordnung garantiert,17 scheint doch allzu eng und in deutschen Denktraditionen begründet. Mager stellt allein auf die institutionelle Verwirklichung von Recht ab und damit auf die Domestizierung des Souveräns, vernachlässigt hingegen den politischen Gestaltungswillen eines Souveräns von – vielen oder wenigen – Bürgern als wesentlichen Teil eines »Republikanismus«. Vertretbar scheint ein etwas großzügigerer Sprachgebrauch zumindest aus der

17 Mager, Republik, 1984, S. 651.

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Perspektive der Schweiz, wo die Kontinuität von der alteuropäischen zur modernen Republik greifbar und für die politische Entwicklung von erheblicher Bedeutung ist – und ebenso, bis heute, für das Selbstverständnis. Die Kategorie des »konsensgestützten Ratsregiments« wird der Tendenz der Schweizer »Republicqen« wenig gerecht, sich von diesem Konsens zu emanzipieren, der herkömmlich ja für Bündnisse, Krieg und Frieden oder Änderungen der Fundamentalgesetze vorgesehen ist. Das die verschiedenen kantonalen Ausprägungen verbindende Anliegen eines Schweizer »Republikanismus« wäre vielmehr die völkerrechtliche Anerkennung jenseits imperialer Oberherrschaft und protokollarischer Diskriminierung, die Kontrolle über interne Konkurrenzgewalten und die Klärung der Souveränitätsfrage – kurz die Legitimation eines polyarchischen Staats. Dieses Bedürfnis haben die Eidgenossen auch mit den zeitlich vorangehenden freistaatlichen Varianten in Venedig und den Niederlanden gemeinsam. Quellensprachlich begründbar wäre ein solcher, in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts zu datierender »Republikanismus« nicht nur mit dem Hinweis auf England, wo »republicanism« um 1690 auftaucht,18 sondern auch mit dem in derselben Zeit eingeführten deutschen Neologismus »Republicaner«, der dem französischen »républicain« nachgebildet ist. Dies weiß schon der Sachse Johann Hübner, der erstmals 1704 sein in über 30, jeweils überarbeiteten Ausgaben bis ins 19. Jahrhundert aufgelegtes Staats, Zeitungs- und Conversations-Lexicon herausgibt, darin 1709 den Artikel »Republicains, Republicaner« aufnimmt und sie definiert als »solche Leute, welche der Königlichen Gewalt zuwider seyn, oder eine unumschränkte Gewalt in der Republic einführen wollen.«19 Als Beispiel angeführt werden bezeichnenderweise Cromwell und seine Anhänger: Sie illustrieren sowohl den Antimonarchismus als auch den Absolutismus der »Republikaner«. Wolfgang Mager zitiert die Stelle, versteht sie aber nicht richtig und schlägt als Korrektur für den vermeintlichen Druckfehler »keine unumschränkte Gewalt« vor – und nicht »eine«: Mit Magers Vorverständnis der »Republik« als etwas Freiheitlichem verträgt sich die »unumschränkte Gewalt« nicht gut. Interessanterweise sind diese Konnotationen aber nicht erst ein Produkt der zwei nachrevolutionären Jahrhunderte, sondern der Aufklärungszeit. Die neue, überarbeitete Auflage des Conversations-Lexicons, die 1741 erscheint, setzt die Republicaner neu mit den 18 Mager, Republikanismus, 1998, S. 245. 19 Hübner, Staats, Zeitungs- und Conversations-Lexicon, 41709, S. 1298; ebenso die achte Auflage von 1717, vgl. Mager, Republik, 1984, S. 588.

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Monarchomachen gleich und muss sie deshalb – ganz in Magers Sinn – erklären als »solche Leute, welche der Königlichen Gewalt zuwider sind, oder keine unumschränckte Gewalt in der Republic einführen wollen« – eine Formulierung, die identisch in Zedlers bis heute benutztes Universal Lexikon übernommen wird.20 Die Überarbeiter, die 1741 einen scheinbaren Druckfehler korrigieren und dabei eine ebenso schwerfällige wie logisch nicht ganz korrekte21 Wendung schaffen, verstehen Hübners Formulierung von 1704 bereits nicht mehr richtig. Für sie ist »Republique« eine Herrschaft der Vornehmsten oder der Zünfte, aber offensichtlich im Unterschied zur »puren Monarchie« gemäßigt. »Républicain« gehört zu den personalen und insofern konkreten Wortbildungen auf »-anus«, »-ianus« und »-ista«, die im 17. Jahrhundert noch häufiger vorkommen als die abstrakten »-ismen«, die für das Aufklärungszeitalter so bezeichnend sind: als »abstrakte Tendenzbeschreibung« im Sinne von (pejorativ verstandenen) »Parteien« und »Elementen« in einem zusammenhängenden System.22 In dieser semantischen Entwicklung ist also der Anhänger eines Prinzips früher da als dessen Dogmatisierung und die Gruppenbildung von Bekennenden. Das Konzept der Schwellenzeit geht davon aus, dass der beschleunigte soziale Wandel von 1750 bis 1850 sich in »Begriffen« und besonders oft in Neubildungen auf -ismus widerspiegelt, vernachlässigt jedoch ob dieser an sich zutreffenden Prämisse, dass der fundamentale staatliche Wandel ein Jahrhundert vorher stattfindet und die entsprechenden politischen Wortbildungen dort zu situieren sind.23 Die – reale und sprachliche – »Geburt« des Staates ist in ein langes 17. Jahrhundert (und nicht in die Sattelzeit) zu datieren, mit den in diesem Buch behandelten Neologismen oder Verdeutschungen und zahlreichen weiteren symptomatischen Wörtern wie »monarchista« oder »statista«. Wenn Mager den »Republikanismus« für die Zeit der großen Revolutionen vindiziert, so bringt er damit auch das sozialgeschichtliche Deutungsmodell der Geschichtlichen Grundbegriffe zum Ausdruck. Man kann sich fragen, ob die Implikationen der »Schwellenzeit« nicht sogar den Blick für den Charakter politischer Wortbildungen verstellt. So hat Reinhart Koselleck ausgerechnet das Wort »Republika-

20 Zedler, Universal Lexikon, Bd. 31, 1742, Sp. 656. 21 Statt »keine unumschränkte Gewalt einführen« würde man eher sagen »eine beschränkte Gewalt einführen« oder aber »eine unumschränkte Gewalt abschaffen«. 22 Dazu Dr eitzel, Monarchiebegriffe, 1, 1991, S. 247–252. 23 So auch Dipper, Geschichtliche Grundbegriffe, 2000, S. 293; ähnlich Farr, Understanding, 1989, S. 31 f.

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nismus« als einen Beleg dafür angeführt, dass ein neuer »-ismus« als Ausdruck der Bewegung auf ein politisch-moralisches Ziel hin zu interpretieren sei, wie es der Erfahrung der Beschleunigung während der »Sattelzeit« entspreche.24 Zu Recht hat dem jüngst Jon Mathieu entgegengehalten, dass sich die Dynamisierung (und nicht Dynamismus!) eher in Wörtern auf -(ier)ung ausdrückt, während -ismus im Allgemeinen geteilte Überzeugungen meint, also die Einheitlichkeit und den Bekenntnischarakter politischer, ökonomischer, philosophischer und religiöser Theorien, Systeme oder Bewegungen.25 Dies entspricht dem aufklärerischen Bedürfnis nach Kategorisierung und Systembildung. In diesem »sektiererischen« Sinn taucht denn auch das englische »republicanism« gegen Ende des 17. Jahrhunderts auf, als Feindbezeichnung, ebenso wie das ältere, in Frankreich diskreditierend gebrauchte »républicain«. Es sind dies keine dynamischen Wörter, sondern vielmehr »statische« – auch in dem Sinn, dass sie auf den »status«, den Staat zu beziehen sind, der als feststehende, ewige, unveränderliche Institution erfahren wird. Dasselbe gilt von der positiven Umdeutung der stigmatischen Bezeichnung, die damit Bekenntnischarakter erhält, wenn etwa Valkenier sein Handeln »en qualité de républicain« begründet. Diese Haltung ist in Hinblick auf die Schweizer hauptsächlich als »republikanisches Selbstverständnis« (für das 17. Jahrhundert) und »republikanisches Selbstbewusstsein« (im 18. Jahrhundert) charakterisiert worden: zuerst die in neu erworbenen Kategorien formulierte, weitgehend wertfreie Erkenntnis, dass man als Schweizer Republikaner ist, was gewisse Implikationen mit sich bringt, und danach, als Teil der aufklärerischen Dekadenzkritik, das stolze Bekenntnis, dass man mit einem naturgemäßen und umgänglichen Charakter, wehrbereit und doch friedfertig, freiheitsliebend ohne Anarchie, eine gleichberechtigte, ja überlegene Alternative zur höfischen und bellizistischen Monarchie darstellt. Das republikanische Selbstbewusstsein gründet im doppelten Anspruch der Herrschenden, einerseits über die in einer »freien« Verfassungsform notwendige Tugend zu verfügen, christliches Pflichtgefühl und Selbstdisziplin, und andererseits diesbezüglich in der langen, von der Natur geforderten, aber von ihr auch begünstigten Tra-

24 Koselleck, Zukunft, S. 339–348, 372–374. 25 Vgl. Mathieu, Trendinflation, 2000, S. 526, der auch darauf hinweist, dass die in den den letzten zwei Jahrzehnten gebildeten historischen »Trendbegriffe« das dynamische, prozesshafte Element eher ausdrücken, indem sie von Verben abgeleitet werden und auf »-ung« enden (Modernisierung, Disziplinierung, Verdorfung, vgl. die Liste auf S. 552).

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dition eines freien Alpenvolks zu stehen. Diese historisch fundierte Gruppenidentität bildet sich im kollektiven Reflexionsprozess heraus, wie er am Beispiel der Zürcher Sozietäten vorgeführt worden ist, die in gelehrter Debatte ältere Texte modifizieren und in eine neue, säkulare, staatsrechtliche Terminologie übersetzen: Interesse, absolute Souveränität, Neutralität, Staat und Republic. Wie die Argumente eines Johann Caspar Escher und Johann Jacob Scheuchzer und deren Umsetzung in der Zürcher Zunftbewegung von 1713 vorführen, kann die Polysemie der »res publica« jedoch in denselben Kreisen allmählich auch ihre unbeabsichtigten Folgen zeitigen. Neben die herrschaftliche »Republic« des 17. Jahrhunderts tritt in der Aufklärungszeit die freiheitliche »Republic«, die mit Cicero als »res populi« verstanden werden kann und ein Emanzipationsangebot an alle – männlichen – bürgerlichen und dann auch untertänigen Gruppen darstellt, die über (Selbst-)Aufklärung gelernt haben, das Eigeninteresse dem Gemeinwohl unterzuordnen. Gleichzeitig wird die moralische Kategorie des tugendhaften Republikaners zum Kriterium, mit dem nicht nur die Monarchen, sondern auch die Freistaaten des Ancien Régime gemessen werden, worauf sie angesichts einer Realität voller Maßlosigkeit und Selbstsucht allmählich ihre Reputation als Horte der Freiheit verlieren: zuerst Venedig, dann die Niederlande, im Laufe des amerikanischen Unabhängigkeitskampfes auch England, zuletzt die Eidgenossenschaft. Die Spannung zwischen einer herkömmlichen, obrigkeitlichen Freiheitsrhetorik, die durch das republikanische Freiheitspathos der Aufklärer aufgenommen und überhöht wird, und einer zugleich – gemessen an der individualrechtlichen Freiheitsvorstellung derselben Aufklärer26 – willkürlichen Herrschaftspraxis unter faktischen Dynasten diskreditiert die alteuropäischen Republiken zusehends, in gewissem Sinn stärker als die ohnehin als »despotisch« angesehenen Königreiche.27 Denn gerade in ihrem Freiheitsverständnis

26 Im seinem Buch Vom Nationalstolz meint 1760 Johann Georg Zimmermann, zitiert von Klippel in Conze, Freiheit, 1975, S. 479, es geschehe im Einklang mit »dem ewigen Spruche der Natur, dass die Freiheit … unter den Vorzügen der Republikaner der erste sei. Der wahre Nutzen der republikanischen Freiheit ist also, dass man ungehindert gut sein kann, weil die Freiheit allen Tugenden ihren Lauf lässt.« 27 Vgl. das Urteil von Paine oben, Anm. 11, oder das vernichtende Urteil von Hamilton/Jay/Madison, Federalist, 1961, S. 50 (Nr. 9), über die klassischen, aber in ihrem Urteil korrupten und kriegerischen »petty Republics of Greece and Italy … in a state of perpetual vibration, between the extremes of tyranny and anarchy«.

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bleibt die frühneuzeitliche Republik letztlich noch viel stärker dem ständischen Alteuropa verhaftet als die absolute Monarchie, die zwar einen »einheitlichen Untertanenverband« auch nicht durchsetzt, aber ihn doch theoretisch ins Auge fasst. Die Freiheit des monarchischen Souveräns ist nicht relativ zu derjenigen seiner Untertanen, sondern absolut von Gott und dynastisch vorherbestimmt. Die privilegierten Bürger, die den republikanischen Souverän bilden, müssen sich dagegen, gleichsam als Ersatz für dynastische Legitimation, als kollektive Träger von Freiheiten, also ständisch verstehen. Entsprechend ist die soziale Mobilität in der Monarchie größer als in der Republik, und zahlreicher sind dort auch die Möglichkeiten für eine – wirtschaftlich, gesellschaftlich – freie Lebensgestaltung des »Volks«, da die Stellung des Königs nicht in – ökonomischen, sozialen – Privilegien begründet liegt, sondern in der reinen Macht.28 Die eidgenössischen Eliten stehen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zusehends in diesem Spannungsfeld, so dass sie mit dem Zürcher Johann Conrad Heidegger Rousseaus »principes politiques faux et séducteurs« verdammen und zugleich ihre Wahl zum Bürgermeister erfahren als »choix digne de l’ancienne Rome, je pourrais dire encore de l’ancienne Helvétie«.29 Der Freiheitshut hat sich im 18. Jahrhundert nicht nur als Symbol der eidgenössischen Republik und der einzelnen Kantone etabliert, selbst einzelne Patrizier nehmen ihn in das Familienwappen auf.30 Der Freiheitshut findet sich aber im 18. Jahrhundert auch in England und steht dort für individuelle Rechte, Versammlungs- oder Pressefreiheit – alles Dinge, mit denen sich die Schweizer Republiken schwer tun. Gegen England reklamieren wiederum die Nordamerikaner den Freiheitshut, ja, sie stehlen ihn der Kolonialmacht auch bildlich:31 Auf dem ersten, allerdings nicht ausgeführten Siegelentwurf der USA findet sich noch in der alteuropäischen Tradition ein Wappenkranz von 13 föderierten Staaten mit einer Libertas und Pileus, darüber Gottes waches Auge (Abb. 41).32 Schließlich wird 28 29 30 31

Durand, Républiques, 1973, S. 114 f. Brief vom 25. November 1768, zitiert nach Barbey, Heidegger, 1993/94, S. 60. Maissen, Freiheitshut, 2006. Vgl. Cr esswell, American Revolution, 1975, S. 239–405 passim, etwa die Britannia auf S. 254 (Nr. 638), der Diebstahl des Freiheitshuts durch einen Indianer auf S. 322 (Nr. 756), 32 Ein in Philadelphia wohnender Genfer, Eugène Pierre du Simitière, entwirft das Siegel 1776 im Auftrag einer Kommission, die von Benjamin Franklin, John Adams und Thomas Jefferson gebildet wird. Der staatenbündische Wappenkranz der 13 Neuenglandstaaten umgibt Symbole aus sechs europäischen Staa-

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Abb. 41: Pierre Eugène de Simitière, Entwurf des amerikanischen Siegels, 1776.

der »bonnet phrygien ou bonnet de la Liberté« zu Mariannes Mütze und symbolisiert die französische Variante der Republik. Die Bildsprache, welche die Schweizer im 17. Jahrhundert von den Niederlanden übernommen und zur Selbstdarstellung gewählt haben, entwickelt eine Eigen- oder zumindest fremde Dynamik, ohne dass die Schweizer »Republicqen« einen Einfluss darauf haben. Dasselbe passiert mit dem Wort »Republik« selbst, das seine herrschaftlichen Konnotationen völlig verliert und mit allgemeinen, universalen Freiheits- und Gleichheitsrechten assoziiert wird, mit einer Gesellschaftsordnung, welche das ständische Fundament der Eidgenossenschaft unterhöhlt. Nicht besser ergeht es der freistaatlichen

ten, denen die Einwanderer entstammen. Darüber wacht Gottes Auge, links eine Libertas mit dem Pileus auf der Stange, rechts ein nordamerikanischer Trapper mit Tomahawk, Pulverhorn und Gewehr; unterlegt ist die Devise E PLURIBUS UNUM . Vgl. Orosz, Eagle, S. 41–45, Abb. 9; Bour eau, Aigle, 1985, S. 141–144.

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Souveränität, die im 17. Jahrhundert als Qualität der vollwertigen Freien, der regimentsfähigen Familien verstanden worden ist, sich aber allmählich als Argument gegen diese selbst richtet, weil sich »Regimentsfähigkeit« nicht naturrechtlich vererben lässt. Wer, wenn nicht der Pflichtbewusste und Tugendhafte, ist zum Regiment befähigt? Und kann das nicht jeder sein, wenn doch alle gleich geboren sind? Immer weiter tut sich die Schere auf zwischen den Wörtern und den Bildern, in denen sich die Schweizer »Republicqen« zu verstehen gewohnt sind, und denselben Symbolen, die nun aber andere Inhalte erhalten. Schließlich zerstört die gleiche Logik der Souveränität, mit der Bern, Zürich oder Schwyz um 1700 die alten kommunalen Privilegien von Baden, Stein oder Rapperswil ausgehebelt haben, um 1800 die alten ständischen Privilegien der Ratsherren an Aare, Limmat und unter den Mythen. Was um 1700 im Sinne der Staatssouveränität geschah, passiert jetzt im Namen des souveränen Volkes. Das Prinzip ist dasselbe; aber legitim ist etwas Neues. Diese Geschichte ist aber damit noch nicht zu Ende, denn Friedrich II. behält mit seiner am Anfang des Kapitels zitierten Prophezeiung Recht: Die Schweiz wird sich lange erhalten, viel länger als Preußen, viel länger auch als Dynastien wie die einst verfeindeten Häuser Habsburg und Bourbon, die um 1780 der Eidgenossenschaft das polnische Schicksal zu bereiten scheinen; viel länger aber auch als die anderen alteuropäischen Republiken, die Sonderfälle im Zeitalter der Monarchien, die im Zeitalter der Französischen Republik liquidiert werden – durch eben diese Republik. Mit Empörung berichtet deshalb Madame de Staël, die in Frankreich heimische Genfer Bankierstochter und Dichterin, wie sie beim Einmarsch Brunes und Schauenburgs 1798 in der Schweiz einen »choc profond« empfindet, weil eine Republik eine andere erobert, »où des hommes simples conservoient l’antique trésor de leurs vertus et de leurs usages« und sich zu Recht als »les plus anciens amis de la liberté« ansehen durften.33 Gleichwohl hat die Eidgenossenschaft langfristig Bestand, während die benachbarten, ähnlich konstituierten Gemeinderepubliken Wallis und Graubünden ihre Eigenstaatlichkeit aufgeben; während Lucca, Genua und das stolze Venedig in territorialstaatlichen Schwesterrepubliken und dann, nach einem österreichischen Intermezzo, im italienischen Nationalstaat aufgehen, ebenso wie die bescheideneren und die stolzen Reichsstädte in deutschen Bundesstaaten und danach in einem nationalstaatlichen Reich; während die

33 De Staël, Considérations, 1820, S. 197–200.

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Niederlande ihre Staatlichkeit bewahren, aber 1814 erleben, wogegen die Regentenrepublikaner und Vordenker wie die De la Court und Spinoza stets eingestanden sind: Der Vertreter der Statthalterdynastie wird König, und dabei ist es seither geblieben. Den Eidgenossen gelingt dagegen gleichsam eine Synthese aus dem alten, ständisch-partizipativen und dem neuen, egalitär-rechtsstaatlichen Republikanismus – indem sie deren Differenzen ignorieren. Das tut 1798 auch der Wahlschweizer Heinrich Zschokke, ein herausragender Anhänger des Schweizer Einheitsstaats, in einem Appell an die »wiedergeborne helvetische Republik«, deren Alpen »die unvergänglichen Altäre der Freiheit Europa’s bleiben« werden: »Jene ungeheuern Felsenpyramiden, welche Gottes Hand im Mittelpunkt unsers Welttheils erbaute, werden die ewigen Denkmäler in der Geschichte Europa’s bleiben, dass hier schon damals Freiheit und Menschenrechte galten, als noch überall die Sklavenkette klirrte«.34 Der aufklärerische Alpenmythos, die schweizerische Befreiungstradition und das Gedankengut der französischen Revolutionäre gehen hier eine ménage à trois ein, die unter dem guten Stern der »Freiheit« auf den ersten Blick unproblematisch erscheint. Nicht anders denkt es sich Vinzenz Rüttimann, der Luzerner Statthalter und ehemalige Schüler des Aufklärers Johann Georg Zimmermann, wenn er im Mai 1798 dem französischen General Jordy versichert: »Il me tient à cœur de vous convaincre que vous avez à faire à un homme qui a toujours eu pour principe de sa conduite la franchise, la loyauté et le plus pur républicanisme.«35 Die Helvetik wird von ihren aufgeklärten Befürwortern zwar als Bruch mit den – wie Rüttimann sie nennt – »gouvernements gothiques« verstanden, aber gleichzeitig als Fortsetzung einer genuin schweizerischen, republikanischen Freiheitstradition. Diese Identifikation von alter und neuer Republik lässt sich auch am Zürcher Regimentskalender ablesen. Er enthält während des 18. Jahrhunderts jeweils eine aktualisierte Liste der europäischen Herrscher in den Monarchien und Republiken, wobei herkömmlich der französische König auf den Kaiser folgt. 1794 bleibt diese Zeile erstmals blank, doch erst 1797 rückt Spanien auf den zweiten Rang vor, und dafür findet sich Frankreich jetzt in derjenigen Rubrik, die bis zu diesem Jahr noch herkömmlich gestaltet gewesen ist: bei den »freyen Staaten«. Die »Republic Frankreich« ist zwar, wie das Geburtsdatum 1793 deutlich 34 Abgedruckt in Handbuch, 2000, Bd. 4, S. 124. 35 Strickler, Actensammlung, 1, 1886, S. 869 (Nr. 77, 39b) vom 19. Mai 1798); zur Biographie Dommann, Rüttimann, 1922.

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macht, noch jung, nimmt aber gleichwohl den ersten Rang ein, vor Venedig, den Niederlanden, Genua und der Eidgenossenschaft, aus denen dann in den Kalendern von 1798 und 1799 die Batavische, Cisalpinische, Ligurische, Römische und Helvetische Republik werden. Der Regimentskalender zeigt, dass die moderne französische Republik unvermeidlicherweise im alteuropäischen Gegensatzpaar Monarchie-Republik lokalisiert wird. Letztere scheint zu diesem Zeitpunkt zu triumphieren, doch ein weiterer Blick in den Zürcher Regimentskalender zeigt, dass die Eidgenossenschaft 1813 zusammen mit der ephemeren »Republik der Sieben Inseln« (im ionischen Meer) als einziger Freistaat in Europa übriggeblieben ist. Die Schweiz übersteht den napoleonischen Umbruch, wird vom Wiener Kongress als neutraler Kleinstaat wieder hergestellt und liefert mit Karl Ludwig von Haller auch den reaktionären Gelehrten, der dieser Epoche den Namen gibt. Die dem Legitimitätsprinzip verpflichtete Restauration konzediert diese eine Republik, die bis 1871 die einzige nicht bloß ephemere auf dem Kontinent bleiben wird. Ein – notwendiger, aber nicht hinreichender – Grund dafür ist, dass sie ihre souveräne, republikanische Staatlichkeit schon als Teil des Ancien Régime bewiesen hat, ihre Position im Schnittbereich der Großmächte durch völkerrechtliche Souveränität gedeckt ist. Dank Wettstein und der Entwicklung nach 1648 ist die Eidgenossenschaft nicht bloß ein heterogener Staatenbund geblieben, sondern auch ein Völkerrechtssubjekt geworden. Dieses Corpus helveticum hat zuwenig Staatlichkeit, um einer der Großmächte zu schaden, aber genug, um einen Platz neben ihnen beanspruchen zu dürfen, selbst wenn ihre Verfassungsform durch Terreur und Revolutionskriege diskreditiert ist. Fast ebenso wichtig wie gegen außen ist die Tradition republikanischer Souveränität im Inneren, während der turbulenten Umbruchsphase vom Staatenbund zum Bundesstaat, die von 1798 bis 1848 dauert. In diesem halben Jahrhundert schwanken die Eidgenossen zwischen den historisch gewachsenen ständischen Idealen und den rationalen Verheißungen der Revolutionszeit, zugleich ein Abwägen zwischen »liberté des anciens et des modernes«, wie sie ein weiterer ausgewanderter Schweizer Staatsdenker differenziert hat: Benjamin Constant, der als Ideal der Alten »participation active et constante au pouvoir collectif« erfasst, dagegen als Postulat seiner Zeit staatliche Rechtsgarantien zur »sécurité dans les jouissances privées«.36 Con-

36 Constant, Liberté, 1980, S. 496.

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stants Vorstellungen zielen auf eine liberale Gesellschaft unter einem konstitutionellen Monarchen ab, doch diesen Weg geht die Schweiz nicht: Sie versucht den alten, partizipativen, moralphilosophischen und den neuen, liberalen, naturrechtlichen Republikanismus zu verbinden, eine rechtsstaatliche Ordnung mit der Beteiligung der, ja allmählich aller Bürger zu kombinieren. So schwierig dieser Balanceakt auch ist und obwohl es im halben Jahrhundert nach 1798 an Verfassungskrisen, Putschen, Freischarenzügen und Bürgerkriegen wahrlich nicht fehlt, so entscheidend ist der Vorteil, dass die institutionelle Ausgestaltung des gesamteidgenössischen Staates erfolgen kann, ohne dass gleichzeitig über die Staatsform gestritten werden muss. Anders als in allen anderen europäischen Ländern geht der Kampf nie darum, ob Republikanismus gut oder schlecht sei, sondern bloß um die Definition, was eigentlich unter einer Republik zu verstehen sei. Die Schweizer des 19. Jahrhunderts können von einer historisch etablierten Staatlichkeit ausgehen, einer Verbindung mittelalterlicher Freiheiten und frühneuzeitlicher Souveränität, die von den Beteiligen als bis ins 13. Jahrhundert zurückreichende Kontinuität (miss-)verstanden wird. Konservative, liberale und radikale Politiker argumentieren denn auch in derselben Gedankenwelt, bekennen sich als Republikaner und berufen sich auf den »ächten republikanischen Sinn«, gebrauchen die gleichen Wörter und Symbole, obwohl sie diese inhaltlich anders füllen: Alle schreiten sie, unter Vereinnahmung der eidgenössischen Vergangenheit, rückwärtsblickend voran.37 Während der Sonderbundskrise beschwören liberale Festredner am Glarner Schützenfest von 1847 ein Vaterland, »das, eine Felsenburg für Freiheit und Ehre und ob auch von Apostasie und Jesuitismus bedroht, dennoch seine Würde als letzte europäische Republik bewahren wolle«.38 Gleichzeitig präsentiert ein Propagandablatt des Sonderbunds einen Löwen, der den Bundesvertrag von 1815 bewacht und ein durch liberales Verschulden zerbrochenes Rutenbündel mit dem Pileus im gewappneten Arm schirmt.39 Nach dem Sieg der Liberalen wird in der Schweiz – im Magerschen Verständnis von Republikanismus – eine gewaltenteilige Re37 Hierzu jetzt auch die Gegenüberstellung des konservativen Jeremias Gotthelf und des liberalen Gottfried Keller bei Brühlmeier, Republikanismus, 2000; dort S. 588 zu Gotthelfs Der ächte republikanische Sinn. Außerdem jetzt neu Weinmann, Bürgergesellschaft, 2002, zu Zürich sowie der Vergleich der republikanischen Argumentation in Zeitungen mit divergierenden politischen Ausrichtungen (1815 bis 1848) bei Meyerhofer, Vaterland, 2000. 38 Zitiert nach der NZZ im Juli 1847 bei Maissen, Sonderbund, 1998, S. 144. 39 Mattioli/Ries, Bildung, 2000, S. 67.

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Schluss: Frühneuzeitlicher »Republikanismus« in der Eidgenossenschaft

Abb. 42: Helvetia überreicht den Bürgern die neue Verfassung, 1848.

präsentativverfassung nach französischem und amerikanischem Modell eingeführt. Darin garantiert der Bund die Kantonsverfassungen, sofern »sie die Ausübung der politischen Rechte nach republikanischen – repräsentativen oder demokratischen – Formen sichern«.40 Die »altrepublikanische«, partizipative Praxis der direkten Demokratie an der Landgemeinde und die liberale, parlamentarische Demokratie sind zusammengefasst unter dem einen, ausschlaggebenden Kriterium der »republikanischen Form«. Mit diesem Amalgam werden die liberal dominierte Schweizer Historiographie und Festkultur, das nationale Schauspiel, die Armee und die Schulen in den folgenden Jahrzehnten erfolgreich die epochalen Bruchstellen von 1798 bis 1848 füllen und die Schweizer Geschichte als kontinuierliche Entwicklung von republikanischer Freiheit vorführen. Ein Gedenkblatt, das 1848 die Verabschiedung der neuen, der ersten Bundesverfassung allegorisiert, zeigt die thronende Helvetia mit einem Stabbündel, zu ihren Füßen ein Hund und ein Löwe, daneben ein gerüsteter alter Eidgenosse, der den Lorbeerkranz über ihr Haupt hält (Abb. 42). Mit der Rechten reicht sie der Nation – repräsentiert durch männliche Zivilisten und uniformierte Soldaten – die Bundesverfas-

40 Bundesverfassung, Art 6, Abs. 2, lit. b.

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Ein Definitionsversuch aus der Perspektive von 1798

Abb. 43: Jean-Michel Moreau, Frontispiz zu Beat Fidel Anton von Zurlauben,591 Tableaux de la Suisse, Paris 1780.

Schluss: Frühneuzeitlicher »Republikanismus« in der Eidgenossenschaft

sung. Diese Helvetia ist nichts anderes als die bloss aus drucktechnischen Gründen seitenverkehrte, im Übrigen identische Figur der Staatpersonifikation auf dem Titelkupfer, das Jean-Michel Moreau für Beat Fidel Anton von Zurlaubens 1780 erschienene Tableaux de la Suisse geschaffen hat (Abb. 43).41 Die Helvetia von 1848 schaut nach links und überreicht die freiheitliche Verfassung in der Rechten, diejenige von 1780 blickt nach rechts und hält mit der Linken den Pileus auf dem Stab: Dies sind die einzigen Differenzen bei einem Staat, den man dank seinem glücklichen, dauernden Bestand als ein im Fundamentalen unveränderliches Geschenk versteht: ein Geschenk, je nachdem, von Gott, der Geschichte, der Natur, der eigenen Tugend und Vortrefflichkeit. Gegen die keineswegs unhelvetische, allzu übermütige Betonung der autonomen eigenen Leistung in einem Prozess, der in diesem Buch als anspruchsvolle und entsprechend mühsame Anpassung an die entstehende Staatenwelt geschildert worden ist, mag abschliessend das mahnende, bescheidene und zugleich selbstbewusste Urteil des Nobelpreisträgers Carl Spitteler angeführt werden. Das gerade verleiht der schweizerischen Republik ihre zähe Lebenskraft, dass sie niemals den Anspruch erhoben hat, eine logische oder moralische Idealrepublik zu sein, dass sie die Menschen und Einrichtungen lassen mochte, wie sie sie gefunden, dass sie für jede Sorte von Zweibein Platz hat, für den Hirten wie den Bauern, für den Burger wie den Adeligen, Platz sogar für jedermanns Fehler, Schwächen und Eitelkeiten.42

41 Abgebildet etwa bei Kr eis, Helvetia, 1991, S. 13 (Abb. 2), 87 (Abb. 26). 42 Spitteler, Adel, 1950, S. 256 f.

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Bildnachweis

1. S. 43: Karte der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft. (Hektor Amman/Karl Schib, Historischer Atlas der Schweiz, Aarau 21958, S. 33). 2. S. 61: Josias Simler, La République des Suisses, Genf 1577, Frontispiz. (Zentralbibliothek Zürich = ZBZ ). 3. S. 69: Christoph Murer, Vermanung an ein lobliche Eydgnoschafft zur Einigkeit, 1580. Radierung, 33,5 g × 44,2 cm. (Graphik-Sammlung ETH Zürich). 4. S. 169: Petermann Etterlin, Kronica von der loblichen Eydtgnoschaft, Basel 1507, Frontispiz. (ZBZ ). 5. S. 237: Charles le Brun, Allianzteppich (Pariser Bundesschwur 1663), nach 1703. 387 × 585 cm. (SLM Inv. Dep. 65, Schweizerisches Landesmuseum Zürich COL -1992). 6. S. 257: Niederländische Medaille, 1583. (Explication historique des principales médailles frapées pour servir à l’histoire des Provinces-Unies des Pays-Bas, Amsterdam 21736, S. 48 f., Nr. 79). 7. S. 260: Das Testament des Friedens oder Anstands, 1615. (Wolfgang Harms, Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts, Bd. 2, 2, Tübingen 1980, S. 182 f., Nr. 104). 8. S. 265: Jacob Stampfer, Patenpfenning für die französische Prinzessin Claude, 1548. Silber vergoldet, 76,6 mm. (SLM LM -IM 23, DIA -15215/6). 9. S. 268: Matthaeus Merian, Topographia Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae, Frankfurt a. M. 1642, Frontispiz. (ZBZ ). 10. S. 269: Rudolf Meyer, Sancta Virgo Maria, Patrona Helvetiorum, in: Heinrich Murer, Helvetia Sancta, Luzern 1648. (ZBZ ). 11. S. 271: Wunder Schweizerland, anonym. Öl auf Leinwand, 108 × 174,8 cm. (SLM 65151). 12. S. 273: Conrad Meyer, Frontispiz zu Jacob Wurmann, Eidtgnössische Dam, Wisendangen 1676. (ZBZ ). 13. S. 277: Bernard Picart, L’alliance et la concorde des Suisses, Amsterdam 1730. (ZBZ ). 14. S. 281: Caspar Büssing, Einleitung zu der Herolds-Kunst, Hamburg 1694, S. P2. (ZBZ ). 15. S. 282: Johann Georg Seiller, Eydgenössischer Staats-Calender, 1718. (ZBZ ). 16. S. 284: Johann Melchior Füssli, Titelbordüre für Josias Simler, Von dem Regiment der Lobl. Eydgenoßschafft, hg. von Johann Jacob Leu, Zürich 1722. (ZBZ ). 17. S. 285: Benedikt Carpzov, Processus juris in foro saxonico, Jena 1667. (ZBZ ). 18. S. 295: Mandat der 12 Orte für die Tessiner Gemeine Herrschaft, 1793. (Foto Studio Job, Giubiasco). 19. S. 319: Zürcher Taler von 1624 (links), 1640 (rechts) und 1646 (unten), Avers und Revers. (SLM , BZ -440; LMGU -332; BZ -783, Photo Schweiz. Landesmuseum Neg 14733/4). 20. S. 343: Johannes Meyer, Neujahrsblatt der Bürgerbibliothek, Zürich 1711. (ZBZ ). 21. S. 344: Johannes Meyer, Neujahrsblatt der Feuerwerker, Zürich 1704. (ZBZ ).

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22. S. 387: Zürcher Rathaus, Neubau 1698. (Fotoarchiv Kantonale Denkmalpflege Zürich). 23. S. 393: Hans Asper, Standestafel, 1567. Öl auf Holz, 173 × 266 cm. (Fotoarchiv Kantonale Denkmalpflege Zürich). 24. S. 393: Hans Asper, Standestafel mit Übermalungen von ca. 1698. Kopie von Jean Kern, 40 × 61 cm. (Staatsarchiv Zürich, GS 511). 25. S. 394: Johann Jacob Schärer, Deckengemälde im Zürcher Rathaus, 1698. (Fotoarchiv Kantonale Denkmalpflege Zürich). 26. S. 399: David Pfau, Kachel für Ofen im Zürcher Rathaus, 1698. (SLM DEP 1573, COL -6809). 27. S. 411: Johann Melchior Füssli/David Herrliberger, Zürcher Staatskalender, 1724. (ZBZ ). 28. S. 415: Dietrich Meyer, Virgo Tigurina, 1607. (ZBZ ). 29. S. 417: Sebastian Walch, Portraits aller Herren Burger-Meistern, Kempten 1756. (ZBZ ). 30. S. 421: Lob und Trauer-Rede auf den Tode Herren, Herren Johann Caspar Eschers, 1762. (ZBZ ). 31. S. 428: Johann Philipp Kuzel, Statuten der Ennetbirgischen Vogteien, ca. 1789. (Staatsarchiv Zürich, B VIII 345–350). 32. S. 463: Joseph Werner, Kleiner und Großer Rat, 1682. (Historisches Museum Bern, Inv. Nr. 1951). 33. S. 465: Joseph Werner, Berna und die Stände, 1682. (Historisches Museum Bern, Inv. Nr. 1951). 34. S. 479: Solothurner Wappenkalender, 1757. (Staatsarchiv Solothurn). 35. S. 486: Verdienstmedaille, Basel 1691. (Historisches Museum Basel, Inv. 1905.1030, Foto HMB A. Seiler). 36. S. 518: Anonym, Lucerna und Christoph Pfyffer von Altishofen, der Sieger der Schlacht von Villmergen, 1658. Hinterglasgemälde. (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Bildarchiv). 37. S. 520: Hans Georg Krauer oder J. R. Morrini, Sapientia/Lucerna, Deckengemälde Neue Kanzlei Luzern, 1698. (Kantonale Denkmalpflege Luzern). 38. S. 521: Roma unterrichtet Hollandia, Venetia und Helvetia. Deckenbild, um 1690, Roncahaus, Kapellplatz 7, Luzern. (Kantonale Denkmalpflege Luzern). 39. S. 526: 20 Kreuzer, Obwalden 1742. (SLM , A 1435). 40. S. 564: Johann Grimm, Immerwährenden Ehrenpforte, 1726. (Burgerbibliothek Bern). 41. S. 585: Pierre Eugène de Simitière, Entwurf des amerikanischen Siegels, 1776. (Library of Congress Washington). 42. S. 590: Helvetia überreicht den Bürgern die neue Verfassung, 1848. (Zentralund Hochschulbibliothek Luzern, Bildarchiv). 43. S. 591: Jean-Michel Moreau, Frontispiz zu Beat Fidel Anton von Zurlauben, Tableaux de la Suisse, Paris 1780. (ZBZ ).

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Archivalische Quellen

Quellen- und Literaturverzeichnis

Zur Schreibweise: In den Anmerkungen werden die Schweizer Staatsarchive wie üblich abgekürzt als StA mit dem jeweiligen Kantonskürzel, also StABE für Staatsarchiv Bern. Diese und die anderen Abkürzungen, insbesondere ZBZ für die Zentralbibliothek Zürich, sind im Folgenden in Klammern angegeben. Im Übrigen werden kaum Abkürzungen verwendet, außer EA für die Eidgenössischen Abschiede, SLM für das Schweizerische Landesmuseum und Z mit der Bandnummer für Zwinglis Werke. In den Anmerkungen werden die Werke mit Verfasser, Kurztitel und Jahreszahl zitiert; handelt es sich um eine Monographie, ist der Kurztitel kursiv, andernfalls recte gesetzt.

Archivalische Quellen Staatsarchiv Basel (StABS) Bf 1 (Mandate) Fremde Staaten: Niederlande A 1–3 Handel und Gewerbe B 15 Politisches P 1; Q 16, I–XI (Thesaurus Wetstenianus); W 1 (Einundneunziger Wesen) Räte und Beamte G2 (Wappen und Siegel)

Staatsarchiv Bern (StABE) A I 428–432 (Teutsche Spruch-Bücher) A I 494 A II 648, 653 (= RM 62, 67) (Ratsmanuale) A V 133, 140 (Hollandbücher) A V 178–181 (Venedigbücher) A V 506 (Wallisbücher) A V 573–574 (Neuenburgbücher) B VII 803/804 (Welsche Standesrechnungen) Helvetik Bern Nr. 254

Staatsarchiv Fribourg (StAFR) Almanache/Staatskalender Mandatbuch 6–8 Imprimés Beziehungen mit dem Ausland: Papiers de France; Allemagne; Rome-Venise etc.; Espagne-Milan-Portugal; Gênes

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Archives d’Etat de Genève (AEG) PH Portefeuilles des pièces historiques

Res 534 (Imprimés)

Landesarchiv Glarus (LAGL) Altes Archiv I, 41, 56 (Altes gemeines Ratsprotokoll), 84 (Gemeines Landsgemeindeprotokoll)

Staatsarchiv Graubünden (StAGR) AB IV 6, 75 (Churer Stadtrecht) AB IV 1 (Bundstagsprotokolle) A II LA 1 (Landesakten)

Algemeen Rijksarchief Den Haag (ARH) 1. 01. 06 (Eidgenossenschaft)

Staatsarchiv Luzern (StALU) A1 F1 (Akten Diplomatie) A1 F6 (Akten Kriminaljustiz) cod 1256/3–12 (Mandate/Regierungsverordnungen) cod 4285, 4290, 4295 (Ratsrichterordnungen) cod 9875 (Franz Urs Balthasar, Beschreibung verschiedener Gebäuwen der Stadt Luzern, 1700–1740) Ratsprotokolle Regimentskalender

Archives Municipales de la Ville de Mulhouse (AMVM) Urkunde Nr. 8558 (Reichssteuer-Quittung) I B 12 (Mandata 1731–1798) II A 2 (Briefe und Eingaben an den Rat) II B 37a (Schwörtagreden) VIII R 14 (Consultation Dollfus-Handel)

Archives Nationales, Paris (ANP) AD XV 33 (Lettres patentes)

Stadtarchiv Rottweil (StadtAR) II, LX , fasc. 12 (Historische Notizen)

Stadtarchiv St. Gallen (StadtASG) Verz. 1,1 (Index Archivi) 548, 548a (Mandatbücher) 571–572 (Titularbücher) 640–649 (Protokoll oberkeitlicher Sendschreiben/Missiven-Protocolle) Missive (eingegangene)

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Archivalische Quellen

Staatsarchiv Schaffhausen (StASH) A 1–19 (Mandatenbücher) Deutschland allgemein, Nr. 13 Verträge A 1

Staatsarchiv Schwyz (StASZ) Aktensammlung Archiv 1, auswärtige Beziehungen: Frankreich (Theken 302–311) Archivbuch cod. 1900 (Aus-Zug der keyserlichen Rechten Eydts …) Archivbuch cod. 2506 (Gerichtes Form, 1715)

Staatsarchiv Solothurn (StASO) AH 1, 69 (Verträge) AH 2, 3 (Staatsbriefe)

Gedruckte Mandate

Staatsarchiv Wallis, Sion (StAVS) Almanachs/Staatskalender ABS (Archives des Bourgeois de Sion), 92 (Bistum), 204 (Abschiede), 205/68–71 (diplomat. Korrespondenz) L (Livres) 28 (Briefschaften von Bern), 48 (Bündnisse), 61 (Copie de lettres)

Staatsarchiv Zürich (StAZ) Kataloge 12, 13 (Wasers und Rahns Cantzley-Register) A 43 (Eide und Ordnungen) A 170 (Kriegsnachrichten) A 217 (Niederlande) A 222 (England) A 246 (Genf) A 248 (Graubünden) A 255 (Frankreich) A 259 (Zug) B I 329 (Kapitulation mit Generalstaaten 1693) B III 14, 14 e-k (1713er Wesen) B III 14a-d (J. C. Abegg, Historisch-politische Beschreibung von den bürgerlichen Unruhen 1713) B III 15 (Titularbuch) B III 117b (Bauamtsakten, Rathausneubau) B VIII 128–135 (Eidgenössische Abschiede) B VIII 161 (Mediation im Gotteshausbund, 1700) B VIII 195 (Titulaturen) B VIII 345–350 (Ennetbirgische Statuten) B VIII 358–360 (Basler Akten zur Exemtion) C I (Urkunden) E II 97–99 (Fürträge der Geistlichkeit) E II 342 (Bullingerbriefe) X 15b 1–3 (J. H. Rahn, Eidgenössische Geschichte, bis 1701) X 15c (Sammelband Beat Holzhalb) X 74 (Rathausbau) III AAb 1 (Mandate)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Staatsarchiv Zug (StAZG) A 1 (Akten Ausland), Theken 1–14 A 6 (Akten Inneres), Theke 87 (Mandate) BüA (Bürgerarchiv der Stadt Zug) E 1 (Protokolle des Stadt- und Amtrates)

Ungedruckte Quellen Verschiedene Bibliotheken Ulrich Campell, De Officio Magistratus erga subiectos, StAGR B 721. Concordia Aller 13 Orthen gemeiner loblichen Eydtgenosschaft, 1584, Universitätsbibliothek (UB ) Basel. Emanuel Fueter, Observationen (Memorial), Burgerbibliothek Bern (BUB ), Mss. Hh XI. 16 (10). Guotherzige und fründtliche Vermanung an die dreÿ loblichen Pündt, s. l. 1603, StAGR Landesakten 1603 (o. D.) Andreas Ryff, Circkel der Eidtgnoschaft (1597), Mulhouse, Musée historique.

Zentralbibliothek Zürich (ZBZ) Acta des Collegium Insulanum, 1679–1681, MS B 57. Acta des Collegium Insulanum, 1679–1685, MS P 6224. Acta der Collegia, 1679–1696, MS S 493. Acta des Collegium der Vertraulichen, 1686, MS S 398. Acta des Collegium der Wohlgesinnten, 1693, MS S 384. Acta des Collegii der Wolgesinnten, 1693–1700, MS B 58. Acta der Zürcherischen Gesellschaft der Wohlgesinnten, 1693, MS J 548. Scheuchzers Protokolle der Wohlgesinnten, 1695–1707, MS G 401b. Scheuchzers Protokollbände der Wohlgesinnten, 1694–1705/09, MS Z III 616–626. Statuten des Collegium Insulanum, MS T 4132, auch L 3, fol. 378–394. Aktenstücke betreffend die Beziehungen zu Venedig 1706, MS B 184a, S. 709–853. Johann Jacob Escher, Comparatione della Republica Veneta a l’Helvetica, MS FA Wyss II 1103/4. Johann Caspar Escher, Lebensgeschichte, FA Wyss III 116. Johann Caspar Escher, Specification aller Verträgen und Documenten, so ich auß Herren Sekelmeister Johann Heinrich Rahnen Tomis hab abschreiben lassen, FA Wyss III 1252. Johann Caspar Escher, Vorträge (Discourse) im Collegium der Wohlgesinnten, FA Wyss III 122. Johann Rudolf Füessli, Beschreibung deß klein und großen Raths … welche geregiert und gelebt, als das neuwe Rathaus allhier eingeweyhet worden, 1698, MS E 88. Johann Rudolf Hess, Ob des Wilhelm Tellen Histori für erdicht oder wahrhafft zu halten, 7. Dezember 1680, MS T 41812. Johann Heinrich Rahn, Ceremoniale Helvetico-Tigurinum, MS J 214 (= L 530, S. 1–429 und B 200, fol. 150–189, 234–295). Johann Heinrich Rahn, Eidtgnössische Geschichten, MS B 76a-d. Johann Heinrich Rahn, Methodus Studii Historico-Politici Helvetici, 1706 (?), MS L 8014 (auch T 41913, G 2425a, Z I 6251).

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Gedruckte Quellen (vor 1800 verfasst) Rathschlag der Herren Verordneten, 1707, MS L 459, S. 573–594. Johann Jacob Scheuchzer, Briefe von Johannes Leonhardi, MS H 327. Johann Heinrich Waser, Beschrybung deß Bundt-Schwurs, 1663, MS A 115.

Gedruckte Quellen (vor 1800 verfasst) Acht Fragen, den lobl. Gotthauß-Pundt betreffend, erörtert durch einen frey- und wahrheit liebenden Pundts-genossen, s. l. 1700. Allianz oder Bündnuß entzwischen der durchleuchtigen Republic Venedig und den loblichen drey Pündten der ersten alten Rhaetia (17. Dez. 1706), in: Pündtnerische Tractata, Chur 1728. Allianz-Tractat zwischen denen Herren General Staaten und der Hoch-rhätischen Republic, so Anno 1713 beschlossen und ratificirt worden, in: Pündtnerische Tractata, Chur 1728. Johannes Althusius, Politica methodice digesta atque exemplis sacris et profanis illustrata, Herborn 1614. Michel Amelot, Des Französischen Herren Ambassador … Antwort auf die von dem holländischen Herren Envoye Valkenier … gethane Ansprach; samt Wolgedachten Herren Envoye Replique (10./20. Nov. 1690), s. l. 1690. Antwort auf ein von Herren Hauptmann Friederich Antoni von Salis ab Soglio, an die Ehrsammen Gmeinden wider die Statt Chur abgelassnes Schreiben, s. l. 1699. Apologia für die undergedruckhte Unschuld oder Vertheidigung der so genanten vatterlendischen Discoursen, s. l. s. a. (ca. 1699). Henning Arnisaeus, Doctrina politica. Editio nova, Amsterdam 1651. Dominicus Arumaeus, Discursus Academici de Jure publico, Jena 1616. Assertio libertatis reip. Bremensis, Das ist der Kayserl. und deß Heil. Röm. Reichs Freyen Stadt Bremen Ehren-Freyheit- und Standts Rettung, Wieder eine im Jahr 1642 unterm Titul Fürstl. Ertzbischofl. Bremischen Nachtrabs, angemaßte Confutation …, Bremen 1646. Johann Ulrich Bakofen, Hochverdiente Ehren-Säule aufgerichtet dem … Hrn. Sigismund Spöndlin, s. l. (Zürich) 1674. Adam Balog, Amoenitates urbis tigurinae, urbi sacrae, Zürich 1756. Josef Anton Felix v. Balthasar, Historische und moralische Erklärungen der Bilder und Gemählde auf der Kapell-Brücke der Stadt Lucern, Zürich 1775. Beschreibung des A.o 1698 neu-erbauten Rathhauses zu Zürich, samt der darüber gehaltenen Rede, Zürich 1698. Christoph Besold, Dissertatio politico-juridica, de foederum jure, ubi in simul de patrocinio & clientela, ac item de neutralitate disputatur succincte, Straßburg 1622. – Spicilegia politico-juridica de legatis; de sessionis praecedentia; de pacis jure; de que arcanis rerumpublicarum, Straßburg 1624. – Discursus politici de monarchia, aristocratia, democratia generatim tractantes; De reipublicae statu subalterno; De reipublicae formarum inter sese comparatione; & quaenam earum praestantior existat?, Straßburg 1641. – De majestate in genere … Accedit: Tractatio singularis de reipublicae statu mixto, Straßburg 1642. – Synopse der Politik, hg. v. Laetitia Boehm/übers. v. Cajetan Cosmann (Bibliothek des deutschen Staatsdenkens, Bd. 9), Frankfurt a. M./Leipzig 2000.

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Quellen- und Literaturverzeichnis Marcus Beumler, Predigt von dem ewigen und himmelischen Vaterland und der Gewißheit desselben über II. Cor. V, Heidelberg 1590. – Guldin Kleynot der Oberkeit unnd der Underthanen. Auß dem spruch Psalm 82 … Zur Glückwünschung dem … Herren Rodolphen Rhonen …, Zürich 1608. – Wahre Contrafactur eines christlichen Regenten zur Glückwünschung Hn. Leonh. Holzhalben Burgermeister, Zürich 1610. Hans Rudolf Beyel, Series atque ordo consulum Reipublicae Tigurinae a Rodolpho Brunone usque ad tempora nostra, Zürich 1577. – Carmen de origine et primo foedere tredecim pagorum Helvetiae, s. l. (Zürich) 1584. Théodor e de Bèze, Du droit des magistrats, hg. v. Robert Kingdon (Les classiques de la pensée politique, Bd. 7), Genf 1970. – Correspondance, Bd. 21, hg. v. Alain Dufour/Hervé Genton/Béatrice Nicollier-de Weck (Travaux d’humanisme et Renaissance, Bd. 327), Genf 1999. Vendramino Bianchi, Propositione, s. l. 1706 (22. Februar). – Proposition, Chur 1706 (10. Juni). – Proposition, Chur 1706 (20. Juli). – Proposition, Chur 1706 (17. Dezember). – Relazione del paese de’ Svizzeri e loro alleati d’Arminio Dannebuchi, Venedig 1708. Hans Heinrich Bluntschli, Memorabilia Tigurina, Das ist: Kurze nach Alphabetischer Ordnung eingetheilte Erzellung der merkwürdigsten Sachen der Statt und Landschaft Zürich, Zürich 11704. T raiano Boccalini, Ragguagli di Parnasso e Pietra del paragone politico (Scrittori d’Italia, Bd. 6, 39, 199), Bari 1910, 1912, 1948. Jean Bodin, Methodus ad facilem historiarum cognitionem, Paris 1566. – De republica libri sex, Paris 1586. – La méthode de l’histoire, übers. v. Pierre Mesnard (Publications de la faculté des lettres d’Alger, IIe série, Bd. 14), Alger 1941. – Sechs Bücher über den Staat, Bd. 1–2, übers. v. Bernd Wimmer, München 1981/ 1986. – Les six livres de la République (Corpus des oeuvres de philosophie en langue française, Bd. 1–6), Paris 1986. Valentin Boltz, Der wellt spiegel, Basel 1550. Jacques-Bénigne Bossuet, Correspondance, Bd. 1, hg. v. E. Levesque/Ch. Urbain, Paris 1909. – Politique tirée des propres paroles de l’Ecriture sainte, hg. v. Jacques Le Brun (Les classiques de la pensée politique, Bd. 4), Genf 1967. Franz Bosbach (Hg.), Die französischen Korrespondenzen 1645 (Acta Pacis Westphalicae, Serie II, Abt. B, Bd. 2), Münster 1986. Brief recueil de l’exercice de milice introduict pour l’usage des Villes & Pays de la Republique de Berne, Bern 1615. Leonar do Bruni, Historiarum Florentini Populi Libri XII, hg. v. Emilio Santini, in: Rerum Italicarum Scriptores, ser. 2, Bd. 19/3, Città di Castello 1915, S. 3–288. Stephanus Iunius Brutus/Hubert Languet/Philippe du Plessis Mornay, Vindiciae contra tyrannos. Traduction française de 1581 (Les classiques de la pensée politique, Bd. 11), Genf 1979. Martin Bucer, Psalmorum libri quinque … Eiusdem commentarii in librum Iudicum, & in Sophoniam Prophetam, Genf 1554. Franz Michael Büeler, Compendium des gemeinen eidgenössischen Rechts, in: Zeitschrift für schweizerisches Recht 16 (1869).

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Gedruckte Quellen (vor 1800 verfasst) – Tractatus von der Freyheit, Souverainitet und Independenz der Loblichen Dreyzehen Orthen der Eydgnossschafft …, Baden 1689. – Politische Artzney, für Erhaltung eines jeden fryen Stands, insonderheit der Loblichen Eydtgnossenschafft …, Zug 1691. – Politisch-theologischer Tractat, Zug 1692. Heinrich Bullinger, In sanctissimam Pauli ad Romanos epistolam … Expositio, in: Heinrich Bullinger, In omnes apostolicas epistolas … Commentarii, Zürich 1537, S. 1–121. – Sermonum Decades quinque, de potissimis Christianae religionis capitibus, Zürich 1552. – Reformationsgeschichte, hg. v. J. J. Hottinger/H. H. Vögeli, Frauenfeld 1838–1840. – Ein schön Spil von der geschicht der Edlen Römerin Lucretiae, und wie der Tyrannisch küng Tarquinius Superbus von Rhom vertriben, und sunderlich von der standthafftigkeit Junij Bruti, des Ersten Consuls zuo Rhom, in: Jakob Bächtold (Hg.), Schweizerische Schauspiele des sechzehnten Jahrhunderts, Zürich 1893, S. 105–169. – Diarium (Annales vitae) der Jahre 1504–1574. Zum 400. Geburtstag Bullingers am 18. Juli 1904, hg. v. Emil Egli (Quellen zur schweizerischen Reformationsgeschichte, Bd. 2), Basel 1904. – Briefe des Jahres 1537, hg. v. Hans Ulrich Bächtold/Rainer Henrich (Werke. 2. Abt.: Briefwechsel, Bd. 7), Zürich 1998. Johann Laur entz Bünti, Chronik 1661–1736 (Beiträge zur Geschichte Nidwaldens, Bd. 34), Stans 1973. Conrad Burckhart, Eine Predig von der freyen wahl eines Herren Burger-Meisters der loblichen Statt Zürich … zu ehren … Junckern Johann Conrad Grebel … Neuw-erwelten Herren Burger-Meistern, Zürich 1669. – Regenten- und Underthanen-Spiegel, zu Ehren und Glückwünschung … Herren Johann Caspar Hirtzel, Zürich 1669. Caspar Büssing, Einleitung zu der Herolds-Kunst … In zwey Theilen die Wapen der vornehmsten Staaten als Käyser, Könige, Fürsten und Republiquen von gantz Europa … darstellend, Hamburg 1694. Pompeo Caimo, Parallelo Politico delle republiche antiche e moderne, 1627. Jean Calvin, Institutio religionis christianae (Opera quae supersunt omnia, Bd. 1 = Corpus reformatorum, Bd. 29), Braunschweig 1863. – Opera quae supersunt omnia, Bd. 14, hg. v. Wilhelm Baum et al. (Corpus Reformatorum, Bd. 42), Braunschweig 1875. – Sermons sur le deuteronome, troisième partie (Opera quae supersunt omnia, Bd. 5 = Corpus reformatorum, Bd. 27), Braunschweig 1884. Ulrich Campell, Historia Raetica, Bd. 1, hg. v. Plac. Plattner (Quellen zur Schweizer Geschichte, Bd. 8), Basel 1887. Benedikt Carpzov, Processus juris in foro saxonico, imprimis autem supremo appellationum judicio Electorali, Curiis Provincialibus, aliisque judiciis inferioribus & dicasteriis saxonicis usu ac observantia comprobatus, Jena 1667. – Commentarius in legem regiam germanorum, Hanau 1669. Charles Irénée Castel de Saint-Pierr e, Projet de traité pour rendre la paix pérpetuelle entre les souverains chrétiens, Bd. 1–3, Utrecht 1713–1717. Charitum tigurinarum acclamationes votivae sacrae … Dn. Joh. Caspari Aescheri …, Zürich 1691. Colloquium Helveticum, das ist: Schweitzerisch Gespräch, welches unlängst von vier ungleichgesinnten Schweitzern, als namlich: Sabastiano, der Keyserisch, Crinodoro, der Französisch, Patrobulo, der Vatterländisch und Cleandro, der Soldatisch gesinnet …, s. l. 1689.

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Quellen- und Literaturverzeichnis Hermann Conring, Opera, 5 Bde., hg. v. Johann Wilhelm Goebel, Braunschweig 1730. – Der Ursprung des deutschen Rechts (Bibliothek des deutschen Staatsdenkens), hg. v. Michael Stolleis, Frankfurt a. M. 1994. Benjamin Constant, De la liberté des anciens comparée à celle des modernes, in: Benjamin Constant, Écrits politiques, hg. v. M. Gauchet, Paris 1980, S. 491–515. Gasparo Contarini, De magistratibus et republica Venetorum libri quinque, Venedig 1551. Copia … der Proposition und Resolution … in causa famosa Hrn. Jacob Henric-Petri … contra die Statt Basel, s. l. 1695. Copia eines Briefs, s. l. 1706 (14. Febr.). Thomas Coryate, Crudities, London (= Holland) 1611. Andr ea Costa, Orazione politico-morale in lode della religione, e della gratitudine recitata all’Illustrißima Città di Zurigo, Zürich 1658. Emeric Crucé, Le nouveau Cynée. Réimpression du texte original de 1623 avec introduction et traduction anglaise, hg. v. Thomas Willing Balch, Philadelphia 1909. Das entlarvte Schweitzerlandt, s. l. 1679. Johan/Pieter De la Court, Consideratien van Staat, ofte Polityke Weeg-schaal, Amsterdam 1661. Pieter De la Court, Politike discoursen, Amsterdam 1662. – Holländisches Interesse oder Gründlicher Unterricht von Hollands Wohlfahrt. Durch V. D. H. angegeben, Frankfurt a. M. 1665. – Anweisungen der heilsamen politischen Gründe und Maximen der Republicqen Holland und Westfriesland, Frankfurt a. M. 1671. Dem nach bey anlaß von Meyland und Insprug erfolgter Kohren Paß Versperrung …, Lenz 1699 (20. August). Der Alte Eydtgnoß oder Wider-lebende Wilhelmb Thell: Wider den Grewel der Verwüstung hochlöblicher Eydtgnoßschafft oder Schweytzerlandts, s. l. 1656, 1667. Der Alten, Löblichen, Mannlichen Eydgenossen oder Helvetier bestendige Vereinigung und Pündnussen …, München 1588. Fritz Dickmann (Hg.), Instruktionen: Frankreich, Schweden, Kaiser (Acta Pacis Westphalicae, Serie I: Instruktionen, Bd. 1), Münster 1962. Die Bündnisse und Verträge der helvetischen Nation, welche theils die unterschiedene Städte und Republiquen mit einander, theils alle insgesamt mit auswärtigen Potentaten haben, Bern 1737. Discours über des gemeinen Wesens Wol-wesen oder eigentliche Undersuchung derjenigen Dingen, in welchen man einer Republique Wolstand entweder vergeblich sucht, anderseits aber allein findt und zu hoffen hat, Zürich 1714. EA = Amtliche Sammlung der Eidgenössischen Abschiede (EA ), Luzern 1858–1886. Eidgenössische Abschiede (EA ), Amtliche Sammlung, Luzern 1858–1886. Eidgenößisches Wach auff, und Eidtnößisches Klopff drauff. Das ist zwey wolmeinlich gestellte Gsang, darinn die gmeine hochlobliche Eidtgnoßschafft … auffgemunteret werden zu … hochnothwendigen Wachtbarkeit und erforderlichen Dapfferkeit, s. l. 1673. Ein hüpsch nüw Lied von den dryzehen örtern einer ehrlichen unnd loblichen Eydgnoschafft sampt den Bünten, s. l. s. a. Ein schön neues Lied genant der Eydgnössischen Damen Ehren-Kranz, gestelt als der Eydgnössische Lands-Friedengeschlossen worden zu Arau, den 11ten Augsmonat des 1712. Jahrs, s. l. 1712. Einer loblichen Statt Zürych Malefizgericht, Zürich 1629.

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Gedruckte Quellen (vor 1800 verfasst) Erste Empfindungen eines redlichen Herzens, bey dem seligen Hinscheid des besten Lan-desVaters, S. T. Herrn Joh. Caspar Eschers, Burgermeisters in Zürich. Von einer wahren Verehrerin ders Hochseligen auf dem Lande entworfen, s. l. (Zürich) 1762. Johann Caspar Escher, Exercitatio politica de libertate populi, G. de Vries praeside, Utrecht 1697. – Bemerkungen über die Regierung der Grafschaft Kyburg, in: Archiv für Schweizerische Geschichte 4 (1846), S. 249–298; 5 (1847), 378–398. Johann Caspar Escher/Beat Rudolf Fischer von Reichenbach, Gründliche Informatio von der Toggenburger Freyheiten und Gerechtigkeiten (16. März 1713), mit: GegenInformatio von der Reichs-lehenbaren Ober- und Land-Herrlichkeit in Toggenburg, s. l. 1713. Johann Caspar Escher/L. von Wattenwyl, Proposition der hoch- und wohlgeachteten … an die rhätische Republic abgeordneten Ehren-Gesandten der zweyen Ständen Zürich und Bern … 7. Sept. 1729, s. l. 1729. P etermann Etterlin, Kronica von der loblichen Eydtgnoschaft, jr harkommen und sust seltzam strittenn und geschichten, hg. v. Eugen Gruber (Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Abt. III, 3), Aarau 1965. Exhortation aux Suisses en general, pour leur conservation, contre les esmeutes & dangers du temps courant, s. l. (Genf) 1586. Explication historique des principales médailles frapées pour servir à l’histoire des ProvincesUnies des Pays-Bas, Amsterdam 21736. C. E. Faber, Quarante tables politiques de la Suisse, Basel 1746. Remigius Faesch, Dissertatio de foederibus ex iure publico deprompta, Basel 1620. Emanuel Falkner, De jure legationum liberae reipublicae Helveticae, Basel 1737. Johann Heinrich Falkner, De Helveticorum legatorum singulari specie qui vulgo repraesentantes vocantur, Basel 1747. Johann Conrad Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung der ganzen Helvetischen Eidgenossenschaft, Zürich 21766–1768. Dominique Favarger (Hg.), Les sources directes (Les sources du droit du canton de Neuchâtel = Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Bd. 1), Aarau 1982. Augustin Federspil/Thadaeus Schwaller, Dissertatio historico-juridico-theologica de status helvetici libertate et plena ab imperio exemptione publico certamini scholastico in monasterio Einsidlensi exposita sub praesidio Adm. R. P. Placidi Reding a Biberegg, Einsiedeln 1685. Johann Heinrich Fels, Disquisitio de exemptionibus imperii … Praeside Jac. Burckhardo, Basel 1683. Fr. du Val, marquis Fontenay-Mar euil, Mémoires (Collection complète des mémoires relatifs à l’histoire de France, Bd. 50), Paris 1826. John Fortescue, De laudibus legum Anglie, hg. v. S.B. Chrimes, Cambridge 1942. Frantzösische Gegen-Reflexion über ein Büchlein, dessen Titul: Unpartheyische Reflexion …, s. l. 1675. Leonhar d Fries, Enchiridium chronologicum tigurino-helveticum. Oder historisches Hand-Büchlein Zürich-Helvetischer Jahrzeit-Geschichten, Zürich 1701. Hulderich Frölich, Der uralten und in vieler herrlichen fürtrefflichen Scribenten wolbekanten Statt Zürych Lobspruch, Basel 1586. Johann Conrad Füessli, Staats- und Erdbeschreibung der schweizerischen Eidgenoßschaft, Bd. 1–4, Schaffhausen 1770–1772. Johann Georg Für der er, De regnorum rerumque publicarum incremento et decremento/Von Aufnahm und Abnehmen der Länder und Republiquen, Basel 1701.

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Quellen- und Literaturverzeichnis Paul Fürst/Johannes Siebmacher, Erneuertes und vermehrtes Wappenbuch, s. l. 1696. Christian Gastellius, De Statu publico Europae novissimo tractatus, Nürnberg 1675. Johann Rudolf Gatschet, Dissertatio politica de inclyta republica Bernensi … sub praesidio … Dn. Jeremiae Curriti, Bern 1676. Gentis Apollineae euphemos prosphonesis ad … D. Joh. Jacobum Aescherum, Zürich 1711. Lucas Gernler, Christliche Leichpredigt von christlicher Regenten Würde und Hochheit, zumal auch von dero Sterblichkeit, Basel 1659. – Christliche Predigt von rechter Bestellung deß Regiments: darinn auss dem Göttlichen Befehl, den Israeliten Deut. 17. vers. 14, 15 gegeben, sonderlich angezeigt wird, wie in solchem wichtigem Geschäfft … solle beobachtet … werden, Zürich 1660. Getreuwe Warnung und vermanung an die treizehen orth löblicher Eydgnosschafft …, s. l. 1586. Donato Giannotti, Della repubblica de’ Viniziani, in: Donato Giannotti (Hg.), Opere politiche e letterarie, Florenz 1850, S. 1–175. Heinrich Glar ean, Helvetiae Descriptio Panegyricum, hg. v. Werner Näf, St. Gallen 1948. Glückwünschungs- und Traurgedichte dem … Herren Johann Ludwig Hirzel …, Zürich 1710. Glükwünschende Ruhm- und Ehrengetichte, gestelt an den Herren Joh. Caspar Hirzel … erwehlten Herren Burgermeistern, Zürich 1669. Melchior Goldast, Reichshandlung und andere des H. Römischen Reichs Acta etc., Hanau 1609. Johann Wolfgang Goethe, Die italienische Reise/Die Annalen (Gedenkausgabe, Bd. 11), Zürich 1950. Gratulatio sermone metrico comprehensa ad … Joh. Henricum Hirzelium, Zürich 1723. Grawpündtnerische Handlungen deß MDC XVIII Jahrs, darinnen … Die rechtmessigen unnd notzwingenden ursachen der zusammenkunfft dess gemeinen Landvolcks und ordenlichen processuren …, s. l. 1618. Gerold Gr ebel/Hans Heinrich Wolf, Eine Gesandtschaftsreise junger Zürcher nach Venedig 1608, in: Zürcher Taschenbuch 1914, S. 33–90. Aegidius Fr eiherr v. Gr euth, Copia Schreibens an die Herren Häupter und Räthe der Löbl GrauPündtnerischen Republic …, s. l. s. a. (1725). Christian Ludwig von Griesheim, Die Stadt Hamburg in ihrem politischen, öconomischen und sittlichen Zustande, Hamburg 1760. Jost Grob, Göttlicher und verbindlicher Gewalt der Oberkeit, Zürich 1681. Hugo Grotius, De iure belli ac pacis libri tres. Editio nova, Amsterdam 1646, Reprint (The Classics of International Law), Washington 1913. – Jus Belli et Pacis in Compendio Institutioni Scholasticae aptatum, & subinde castigatum opera Joh. Henrici Suiceri, Zürich 1689. – Jus Naturae et Gentium, ex Hugonis Grotii Nobili, De Bello et Pace, Opere, Zürich 1694. – Vom Kriegs- und Fridens-Recht. Ehmals von Joh. Heinr. Schweizer zusamen gezogen, und in Frag und Antwort eingerichtet. Nunmehr ins Teutsche übers., Zürich 1718. – Drei Bücher vom Recht des Krieges und des Friedens, hg. v. Walter Schätzel (Die Klassiker des Völkerrechts in modernen deutschen Übersetzungen, Bd. 1), Tübingen 1950. Eugen Gruber (Hg.), Stadt Zug und Vogteien. Äusseres Amt = Die Rechtsquellen des Kantons Zug, Bd. 2 (Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Bd. 8, 2), Aarau 1972. Francesco Guicciar dini, Dialogo del reggimento di Firenze, in: ders. Opere, Bd. 1, hg. v. E. L. Scarano (Classici italiani, Bd. 18, 1), Turin 1970.

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Gedruckte Quellen (vor 1800 verfasst) Rudolf Gwalther, In D. Pauli Apostoli epistolam ad Romanos Homiliae, Zürich 1566. Franz Haf fner, Der klein Solothurner allgemeine Schaw-Platz historischer geist- auch weltlicher vornembsten Geschichten und Händlen, Solothurn 1666. Gottlieb Emanuel von Haller, Bibliothek der Schweizer-geschichte und aller Theile, so dahin Bezug haben, Bern 1785–1788. Alexander Hamilton/John Jay/James Madison, The Federalist, hg. v. Jakob E. Cooke, Middletown 1961. Harangue faite au parlement d’Angleterre, par les Ambassadeurs des Provinces-unies, pour l’alliance de leurs Republiques, Lyon 1652. Johann Caspar Har dmeyer, Zürichklage über den tödlichen Hintritt des … Hn. Joh. Kaspar Eschern … des … Herren Andreas Meyers … zu einem neuen Haubt und hochansehnlichen Hrn. Burgermeister Loblicher Stadt Zürich beforderter Trost, s. l. (Zürich) 1696. – Zürichs Traur und Schreyen über den … Hintritt des … Herren Heinrich Eschers …, Zürich 1710. James Harrington, The Commonwealth of Oceana, in: James Harrington, The Political Works, hg. v. J. G. A. Pocock, Cambridge 1977, S. 155–359. – Pour Enclouer le Canon, in: ibid., S. 728–733. – A System of Politics, in: ibid., S. 833–854. – The Commonwealth of Oceana and A System of Politics, hg. v. J. G. A. Pocock (Cambridge Texts in the History of Political Thought), Cambridge 1992. Alfr ed Hartmann/Beat Rudolf Jenny (Hg.), Die Amerbachkorrespondenz, Basel 1942–2000. Johann Jacob Haug, Das durch Gottes Gnad, Rath und That rühiglich und glücklich im Flor schwebende in vestem Freyheits-Bund und Einigkeits-Bund stehende, in allem Wohlergehen gehende, vom Himmel beglückte, erquickte, vergnügte und unbesigte rediviva Helvetia, oder von andern sogenannte edle Schweizerland, nach denen hochlöblichen dreyzehen Orten, Cantones genennt, o. O. 1682. Heinrich Ignati Nic. Hautt, Phoenix reviviscens praetoris ex cineribus patris insignis Nicolaus Antonius a Montenach … eternis vivat annis … Dem Mit Liebs-Flüglen aus der Aschen in die Höhe außfliegent und wider lebent gemachten Phoenix N. A. a Montenach, Fribourg 1740. Conrad Heidegger, Alt und Neues Regenten-Kräntzlein, hg. v. Jacob Lindinner, Zürich 1733. Helvetiorum Respublica, diversorum autorum quorum nonnulli nunc primum in lucem proderunt, Leiden 1627. Arthur Henk el/Albr echt Schöne (Hg.), Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Taschenausgabe, Stuttgart/Weimar 1996. Jacob Henric-P etri, Basel-Babel, s. l. 1693. Samuel Henzi, Denkschrift über den politischen Zustand der Stadt und Republik Bern im Jahr 1749, in: Josef Anton Balthasar (Hg.), Helvetia. Denkwürdigkeiten für die XXII Freistaaten der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 1823, S. 401–443. David Herrliberger, Wandkalender mit Ansicht der Stadt Zürich, Zürich 1724. – Neue und vollständige Topographie der Eydgnoßschaft, Zürich 1754. Ludwig Hirzel, Theses politicae de magistratus iure circa sacra … praeside Joh. Henrico Suicero, Zürich 1695. Historischer und politischer Mercurius, Zürich 1694–1718. Thomas Hobbes, Leviathan, hg. v. Richard Tuck (Cambridge Texts in the History of Political Thought), Cambridge 1991.

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Quellen- und Literaturverzeichnis – Vom Menschen. Vom Bürger (Elemente der Philosophie II/III), hg. v. Günther Gawlick (Philosophische Bibliothek, Bd. 158), Hamburg 31994. Jacob Hochr eutiner, Gesandtschaftsbericht. 1663 September 30–1664 März 27, hg. v. Hermann Wartmann, St. Gallen 1906. Johann Baptist von Hofer, Kurzer Unterricht über die äussere und innere Verfassung der Reichsstadt Rottweil, hg. v. Eugen Mack, Rottweil 1926. Johann Caspar Hofmeister/David Holzhalb/Johann Jacob Reutlinger, Seculare sacrum … ob ecclesiam ab erroribus in Doctrina, in Cultu à Superstitione et Republicam a servitute & Contemptu Clericali, ducentis abhinc annis, Ministerio M. Huldrici Zuingli feliciter liberatam, Zürich 1719. François Hotman, Francogallia, hg. v. Ralph E. Giesey/übers. v. J. H. M. Salmon (Cambridge Studies in the History and Theory of Politics), Cambridge 1972. Johann Heinrich Hottinger, Fründt-Eydtgnössisches Wexelschryben dreyer politischer Personen, s. l. 1650. – Irenicum helveticum, Zürich 1653; auch in: ders., Dissertationum miscellanearum pentas, Zürich 1654, S. 158–196. – Methodus legendi historias Helveticas, in: ibid., S. 197–631. – Schola tigurinorum carolina: id est Demonstratio historica, ostendens illust. & per-antiquae Reipub. Tigurinae Scholam, a Carolo Magno deducendam, Zürich 1664. – Speculum helvetico-tigurinum … quo … de Helvetiorum, Tigurinorum cumprimis, agitur statu, I. Politico. II. Ecclesiastico. III. Militari. IV. Eventuali. Accedit V. Compendium Chronologicum, de rebus Tigurinorum, Zürich 1665. – Huldigungspredigt, in welcher alss in einem Spiegel sich zuersehen Christliche Regenten und dero Underthanen: was da seye jeder Amt und Pflicht, Zürich 1671. – Geistliche Anatomey: Worbey zuersehen wahres Lob und Prob eines gesunden Regenten und dessen getreuen Unterthanen, Zürich 1677. August Huber (Hg.), Urkundenbuch der Stadt Basel, Bd. 11, Basel 1910. Ulric Huber, De jure civitatis libri tres, Franeker 41708. Johann Hübner, Reales Staats, Zeitungs- und Conversations-Lexicon … vierdte Auflage, Leipzig 41709. Irene Helvetiae. Das vom Friden beglückte Schweitzerland, Luzern 1698. Franciscus Ir enicus, Collegium iuris publici … in … Burgoldensis Discursus, s. l. 1670. Isaak Iselin, Briefwechsel des Basler Ratschreibers Isaak Iselin mit dem Luzerner Ratsherrn Felix Balthasar, hg. v. Ferdinand Schwarz, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 24 (1925), S. 1–311. – Tentamen iuris publici Helvetici, Basel 1751. Jacob Christof Iselin, Historisch- und geographisches allgemeines Lexicon, Bd. 1–6, Basel 1726–1727. – Historisch- und geographisches allgemeines Lexicon, dritte Auflage mit Supplement von Jacob Christof Beck und August Johann Buxtorf, Bd. 1, Basel 1747. Ludwig Friedrich von Jan, Staatsrechtliches Verhältnis der Schweiz zu dem deutschen Reiche, Bd. 1–3, Nürnberg/Altdorf 1801–1803. Constanz Jecklin (Hg.), Urkunden zur Verfassungsgeschichte Graubündens, 3. Heft: Bis zum Jahre 1814, in: Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden (1985). Thomas Jef ferson, Notes on the State of Virginia, New York 1972. Johann Jacob Keget, Disputatio juridico-politica de crimine laesae Majestatis, Basel 1651.

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Gedruckte Quellen (vor 1800 verfasst) Paul Kläui/Hans Nabholz (Hg.), Quellenbuch zur Verfassungsgeschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Kantone von den Anfängen bis zur Gegenwart, Aarau 31947. Anton Klingler, Der Gesandte Gottes, Zürich 1681. – Dodekas exercitationum academicarum theologico-politicarum, Zürich 1690. Philipp Knipschild, Tractatus politico-historico-juridicus de juribus et privilegiis civitatum imperialium, Ulm 1657. Kurtze und warhaffte Erzehlung einiger denckwürdigen Empöhrungen … in Hamburg … in einem Gespräch zwischen … Dr. Nicolaus Ruhlieb und Meister … Stöhrenfass, s. l. 1708. Kurtzer Begriff und Anleitung des Kriegs Exercitij und Ubung, also kurtzlich zum Nutz und Gebrauch der löblichen Republic zu Bern … Herrn Mauritii, Fürsten zu Oranien … Gleichfömig gemacht, Bern 1615. Kurze Erklärung der jenigen Sinnenbilderen, so bey der von Ihr Excell. Hr. Peter Valkenier Extraord. Abgesandten … zu bezeugenden Freud wegen des geschlossenen Friedens … in Zürich gehaltener schönen Illuminationen dargestellet worden, s. l. 1697. L’affermissement des republiques de Hollande & de Suisse, s. l. 1675. L’état et les délices de la Suisse, en forme de Relation critique, par plusierus Auteurs célébres, Amsterdam 1730. Jacob Lauf fer, Dissertatio literaria, an & quibus literis Juvenis Politicus, qui ad spem Reipublicae succrescit, sit imbuendus?, in: J. Georg Altmann (Hg.), Tempe helvetica, dissertationes atque observationes theologicas, philologicas, criticas, historicas exhibens, Zürich 11735, S. 161–178. – Beschreibung helvetischer Geschichte, Bd. 11, Zürich 1737. Hans Conrad Lavater, Kriegs-Büchlein, das ist grundtliche Anleitung zum Kriegswesen, hg. v. Jörg Zimmermann, Zürich 1644, ND 1973. Johann Rudolf Lavater/Bartolomeo Paravicini, Disputatio politica … an princeps sit solutus legibus, Zürich 1618. Jean François Le P etit, Nederlantsche Republycke, bestaende inde Staten so generale, als particuliere … geconfereert ende vergeleken met die van de Swytsersche Cantoenen …, Arnheim 1615. Gottfried Wilhelm Leibniz, De Jure Suprematus ac Legationis Principum Germaniae (1677), in: Politische Schriften 1677–1687 (Sämtliche Schriften und Briefe, Bd. 4, 2), Berlin 1963, S. 3–270. – Entretien de Philarete et d’Eugene, in: Politische Schriften 1677–1687 (Sämtliche Schriften und Briefe, Bd. 4, 2), Berlin 1963, S. 278–338. – Gedancken zum Entwurff der Teütschen KriegsVerfassung (1681), in: Politische Schriften 1677–1687 (Sämtliche Schriften und Briefe, Bd. 4, 2), Berlin 1963, S. 577–593. Johannes Leonhar di, Püntnerischer treu- und wohlgemeinter theologischer Auffwecker, s. l. 1689. – Regenten-Spiegel, oder kurtzer Underricht von der Regenten Hoheit, Bestellung und Schuldigkeit; vor und nach der Erwehlung dess … Hr. Hubert von Salis zum Land-Ammann, s. l. 1690. – Dreyer Reisenden, als eines Feinds, eines Verrächters und eines Liebhabers der Freyheit des Pundenerlands, über dessen Freyheit und Regierung ernstliche und wolmeinende Discoursen, s. l. 1698. – Anhang eines kurzen, aber bedenklichen Gesprächs zwüschen zweyen heroischen Eydgnossen und … Evangelischen und Römisch-Catholischen Pündneren, s. l. 1703.

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Quellen- und Literaturverzeichnis – Einiger Friedliebenden, recht vatterländisch gesinneten Evangelischen und Römisch-Catholischen Pündtneren pundsgnössische, unpartheyische und freundliche Gespräche, wie sie sammenhaft die Freyheit zu erhalten trachten sollen, s. l. 1703. – Brevis descriptio Democratici, Liberae, & a solo Deo dependentis Rhaetiae Reipublicae, seu, celsorum trium Rhatiae Foederum Regiminis, hactenus plurimis in Anglia & Hollandia minus noti, London 1704. – An Account of the Grisons, or a Description of the Free and Independent Common-Wealth of the Three Rhaetish Leagues, London 1711. Les Bigarus d’un citoyen de Genève et ses conseils républicains dédiés aux Americains. Avec quantités d’Anecdotes amusantes, interessantes & autres pour servir à terminer l’histoire des Jésuites, Philadelphia 1776. Gr egorio Leti, Il ceremoniale historico, e politico, Bd. 6, Amsterdam 1685. – La Monarchia universale del Re Luigi XIV. Nella quale si descrive in che consiste questa Monarchia, con quali mezi si è stabilita, la necessità di distruggerla, da chi, e con quali mezi deve esser distrutta …, Amsterdam 1689. – Raguagli historici, e politici delle Virtù, e Massime nicessarie alla conservatione degli Stati, con infiniti Esempi, & Osservationi, ò vero Compendio delle Virtù Heroiche sopra la Fedeltà de’ Suditi, & Amore verso la Patria de’ veri Cittadini, Amsterdam 1699. Johann Jacob Leu, Die vornehmste jetzt-lebende Häupter Teutschland … II. Theil. Zusambt einem Anhang von dem ietzigen Zustand der Republic der Eydgenoßschafft und Dependenzien, Zürich 1724. – Eydgenößisches Stadt- und Landrecht, Zürich 1727. – Die vornehmste jetztlebende Häupter loblicher Eydgenosschafft …, Zürich 1732. – Allgmeines helvetisches, eydgenössisches, oder schweizerisches Lexicon, Zürich 1747– 1797. Johannes Limnaeus, Tomus primus (-quintus) iuris publici Imperii Romanogermanici, Straßburg 1657–1670. Georges Livet (Hg.), Suisse (Recueil des instructions aux ambassadeurs et ministres de France, Bd. 30, 2), Paris 1983. Lob und Trauer-Rede auf den Tode Herren, Herren Johann Caspar Eschers, theuresten Vatter des Vatterlandes und Burgermeisters der Stadt Zürich, Zürich 1762. John Lock e, Two Treatises of Government, hg. v. Peter Laslett (Cambridge Texts in the History of Political Thought), Cambridge 1988. Lucerna lucens. Alethophili eines catholischen Priesters Schreiben an Aretophilum seinen lieben Freund und Mit-Capitularen, [Freystadt] 1726. Johann Christian Lünig, Grosser Herren, vornehmer Ministren, und anderer berühmten Männer gehaltene Reden, Bd. 1–10, Leipzig 1709–1717. – Literae Procerum Europae …, 1712. – Theatrum ceremoniale historico-politicum oder Historisch- und politischer Schau-Platz aller Ceremonien, Leipzig 1719. Niccolò Machiavelli, Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio, in: Niccolò Machiavelli, Opere, hg. v. Corrado Vivanti, Turin 1997, S. 193–525. – Il principe, in: Niccolò Machiavelli, Opere, hg. v. Corrado Vivanti, Turin 1997, S. 115–192. Manifest oder offenes Ausschreiben der wichtigen Ursachen, welche die Evangelischen Ort der Eydgnosschafft genöthiget, wider die von Schwyz und ihre Anhänger offentlich zu feld zuzeuhen, Zürich 1655. Hans Rudolf Manuel, Ein hüpsch nüw Lied unnd fründtliche warnung an ein Lobliche Eydgnoßschafft, Bern 1557.

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Gedruckte Quellen (vor 1800 verfasst) Ascanio Marso, Discorso de i Sguizzeri (1558), hg. v. Leonhard Haas (Quellen zur Schweizer Geschichte, N. F. III: Briefe und Denkwürdigkeiten, Bd. 6), Basel 1956. Pierr e de Mellar ede, Reflexions sur un memoire secret que le Sr. de Mellarede a dressé en Suisse …, s. l. s. a. (1706). Walther Merz (Hg.), Die Stadtrechte von Bremgarten und Lenzburg (Die Rechtsquellen des Kantons Aargau, I: Stadtrechte, Bd. 4) (Die Rechtsquellen der Schweiz), Aarau 1909. Gerold Meyer von Knonau (Hg.), Regiment und Empter Buch der loblichen Statt Zürich, Zürich 1613. Conrad Meyer, Spiegel der Christen, das ist bedenkliche Figuren und Erinerungen über die Beruffspflichten aller Ständen den Tugen- und Kunstliebenden zu gefallen an den Tag gegeben, Zürich 1652. – Emblematasammlung, 1673. – Fünff und zwenzig bedenkliche Figuren mit erbaulichen Erinnerungen, dem Tugend und Kunstliebenden zu gutter gedechtnus in Kupffer gebracht, Zürich 1674. – Kurzte Beschreibung der uralt welt-berühmten Statt Zürich samt den Waapen der wohlgebornen edlen und bürgerlichen Geschlechtern, Zürich 1674. – Waarhaffte Abbildungen der hochgeachten woledel gebornen auch woledlen, gestrengen, hoch- und wolweisen Herren Bürgermeisteren, wie auch der wol ehrwürdigen und hochgelehrten Herren Obristen Pfarrern …, Zürich 1674. John Milton, Commonplace Book, in: John Milton, Complete Prose Works, Bd. 1, New Haven/London 1953, S. 344–513. – The Tenure of Kings and Magistrates, in: ibid., Bd. 3, New Haven/London 1962, S. 190–258. – Eikonoklastes, in: ibid., S. 335–601. – A Defence of the People of England, in: ibid., Bd. 4, New Haven/London 1966, S. 285–537. – The readie & easie way to establish a free Commonwealth, 1st and 2nd ed., in: ibid., Bd. 8, New Haven/London 1980, S. 350–388; 405–463. Robert Miron, Relation de ce qui s’est passé en Suisse depuis la résidence de Monsieur Miron (1617–1627) in: Archiv für Schweizer Geschichte 2 (1844), S. 270–321. Daniel Mitz, De libertate Helvetica, von der Schweizer Freiheit (ad Art. VI IPO ), Basel 1746. Conradin von Mohr, Geschichte der bündnerischen Kriege und Unruhen, hg. v. Fortunat Sprecher von Bernegg, Chur 1857. Montesquieu, Mes pensées, in: Montesquieu, Oeuvres complètes, hg. v. Roger Caillois (Bibliothèque de la Pléiade), Bd. 1, Paris 1949, S. 973–1574. – De l’esprit des lois, in: ibid., Bd. 2, S. 225–995. David von Moos, Astronomisch-politisch-historisch u. kirchlicher Calender für Zürich, Zürich 1774–1777. Johann Jacob Moser, Die gerettete völlige Souverainete der löblichen Schweitzerischen Eydgenossenschafft, Tübingen 1731. Heinrich Mur er, Helvetia Sancta das ist Beschreibung aller Heiligen des Schweitzerlands, Luzern 1648. Musa gratulatoria ad … Henricum Braemium, illustris reipublicae tigurinae consulem feliciter electum, Zürich 1627. Musa gratulatoria collectitia ad … Dn. Johannem Jacobum Huldricum …, Zürich 1719. Musae helveticae, oder Wunsch- und Freudgetichte zu schuldigem Ehrenruhm … Herren H. Joh. Conrad Grebel, Zürich 1669.

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Quellen- und Literaturverzeichnis Musarum limagidum vicinarumque applausus votivi … D. Andreae Meieri, Zürich 1696. Musarum limmagidum vicinarumque jubila inter nubila ad … Joh. Henricum Waserum illustris reipublicae tigurinae consulem …, Zürich 1652. Musarum tigurinarum aliarumque euphemiae consulares ad … D. Davidem Holzhalbium, Zürich 1710. Négociations secrètes touchant la paix de Münster, Den Haag, 1725/26, Bd. 1–4, Den Haag 1725–1726. Neujahrsblätter der Stadtbibliothek Zürich, 1645–1758. New Müntzbuech, darinnen allerley gross unnd kleine, silberne und guldene Sorten umb wichtiger Ursach willen also fürgestellt werden, München 1597. Philipp Andr eas Oldenburger, Notitiae rerum Imperii Romano-Germanici sive discursuum iuridico-politicio-historicorum ad pacificationem Osnabrugo-Monasteriensem … Aucta per Warmundum von Frieberg, Bd. 2, Freistadt 21669. Friedrich Ott (Hg.), Die Rechtsquellen von Zug, in: Zeitschrift für schweizerisches Recht 1 (1852), S. 6–79. Johann Rudolph Ott, Instituta, destituta et restituta Helvetia, per dissertationem historicam in medium proposita, Zürich 1695. Giovanni Battista Padavino, Relazione del governo e stato dei signori svizzeri, hg. v. Vittorio Cérésole, Venedig 1874. Thomas Paine, Common Sense, in: Thomas Paine (Hg.), Collected Writings, hg. v. Eric Foner, New York 1995, S. 5–59. – Rights of Man, in: ibid., S. 431–661. Paolo Paruta, Della perfezzione della vita politica, in: Gino Benzoni/Tiziano Zanato (Hg.), Storici, politici e politici veneti del Cinquecento e Seicento (La letteratura italiana. Storia e testi, Bd. 35,2), Mailand/Neapel 1982, S. 492–642. Eusebius Philadelphus/Georg Zigli, Ein sehr nohtwendige und ernstliche Warnung unnd Vermanungsschrifft an die Dreyzehen Ort der Loblichen Eydgnoschafft, s. l. 1586. Bernar d Picart, Impostures innocentes, ou recueil d’estampes d’après divers peintres illustres tels que Rafael, Le Guide, Carlo Maratti, Le Poussin, Rembrandt &c., Amsterdam 1734. Johann Georg Pillichody, Dissertatio inauguralis de jure naturali, genitum et civili, Basel 1734. Felix Platter, Tagebuch 1536–1567, hg. v. Valentin Lötscher, Basel 1976. Plausus secundi ad … Joh. Henricum Rhonium … illustris Reipublicae Tigurinae consulem, Zürich 1659. Poetisches Gedechtnuß zum Nachruhme dem … Herren Salomon Hirzel, Zürich 1669. Proposition welche von den lobl. Evangelischen und zugewandten Orthen lobl. Eydtnoßschafft Herren Ehren-Gesandten, als Zürich, Bern, Glarus, Basel, Schaffhaußen und Biel, an Herren Landt-Amman und Rath lobl. Stands Appenzell Ausser-Roden … abgelegt, Herisau 1733 (19. Febr.). Samuel P ufendorf, De rebus gestis Friderici Wilhelmi Magni, electoris brandenburgici commentariorum libri novendecim, Berlin 1695. – Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur (Bibliothek des deutschen Staatsdenkens, Bd. 1), Frankfurt a. M./Leipzig 1994. – Die Verfassung des deutschen Reiches, hg. v. Horst Denzer (Bibliothek des deutschen Staatsdenkens, Bd. 4), Frankfurt a. M. 1994. – De jure naturae et gentium, hg. v. Frank Böhling (Gesammelte Werke, Bd. 4), Berlin 1998.

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Gedruckte Quellen (vor 1800 verfasst) Johann Jacob Quentz, Pindarisches Ehren-Gedicht uber den … Herren Frantz Peter Emanuel Fegeli, Fribourg 1707. Antonio Quirino, Aviso delle ragioni della Sereniss. Republica di Venetia intorno alle difficoltà, che le sono promosse dalla Santità di Papa Paulo V., Venedig 1606. Johann Heinrich Rahn, Jus supplicum sive Dissertatio historico-politica de asylis, Zürich 1667. – Gründtlicher Bericht der Hollander Religion und andere obschwebende Welt-Händel betreffend, s. l. 1674 (anonym, zugeschrieben). – Eidtgnößische Geschicht-Beschreibung, Zürich 1690. – Politisches Gespräch zwischen Franco, Arminio und Teutobacho: über das wahre Interesse der Eydgnoßschafft, s. l., s. a. [1697] (anonym, zugeschrieben). Recueil des pieces concernant la demande de la Garantie de sa Majesté Très-Chretienne, et des Louables cantons de Zurich et de Berne, faite par le petit Conseil de la Rep. de Genève contre les Cit. & Bourg. Représentants de la dite Ville, London 1767. Reflexion oder Gedanken über das jenige Schreiben, so das Reichs Collegium … under dem 9. Jul. 1690 … mit einer … remonstration, ob … Eydgnoßschafft nutzlicher seye in dem Neutral-Stand sich fehrners zu halten oder einige Parthey anzunemmen …, s. l. s. a. Regenten-Kleinodt … dem Herren J. H. Rahn (Neujahrsblatt der Burgerbibliothek), Zürich 1659. Registres du Conseil de Genève, Bd. 1–13, Genf 1900–1940. Theodor Reinking, Tractatus de regimine seculari et ecclesiastico, Basel 1622. Hermann Rennefahrt (Hg.), Das Statutarrecht der Landschaft Saanen (bis 1798) (Die Rechtsquellen des Kantons Bern: Rechte der Landschaft, Bd. 3) (Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen), Aarau 1942. – Das Stadtrecht von Bern, Bd. 4,1 (Die Rechtsquellen des Kantons Bern: Stadtrechte, Bd. 4, 1) (Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen), Aarau 1955. – Das Stadtrecht von Bern, Bd. 4,2 (Die Rechtsquellen des Kantons Bern: Stadtrechte, Bd. 4, 2) (Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen), Aarau 1956. – Das Stadtrecht von Bern: Verfassung und Verwaltung des Staates Bern (Die Rechtsquellen des Kantons Bern: Stadtrechte, Bd. 5) (Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen), Aarau 1959. – Das Stadtrecht von Bern I und II: Handfeste, Satzungsbücher, Staadtbuch, Stadtsatzung 1539 (Die Rechtsquellen des Kantons Bern: Stadtrechte, Bd. 1) (Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen), Aarau 1971. – Das Stadtrecht von Bern: Wehrwesen (Die Rechtsquellen des Kantons Bern: Stadtrechte, Bd. 11) (Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen), Aarau 1975. Renovirter Wecker an die … Burgermeister, Schultheiß, Landt-Ammann und Rähten ec. der Dreyzehen Orthen im Schweitzerlandt, s. l. 1639. Car dinal de Retz, Mémoires, hg. v. A. Feillet/J. Gourdault (Oeuvres du Cardinal de Retz, Bd. 1–5), Paris 1872–1880. Cesar e Ripa, Iconologia overo descrittione di diverse imagini cavate dall’antichità, & di propria intentione, Rom 1603. – Des berühmten italiänischen Ritters Caesaris Ripae allerley Künsten und Wissenschaften dienliche Sinnbilder und Gedancken, Augsburg s. a., ND München 1970. Emile Rivoir e (Hg.), Les sources du droit du canton de Genève (Les sources du droit du canton de Genève = Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen), Bd. 3–4, Aarau 1933– 1935. Henri de Rohan, De l’intérêt des princes et des Etats de la Chrétienté, mit einem Vorwort von Christian Lazzeri (Fondements de la politique), Paris 1995.

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Quellen- und Literaturverzeichnis Jean Rousset, Le cérémonial diplomatique des cours de l’Europe, Amsterdam/Den Haag 1739. Andr eas Ryf f, Der Stadt Basel Regiment und Ordnung 1597, hg. v. Rudolf Wakkernagel, in: Beiträge zur vaterländischen Geschichte, N. F. 3 [13] (1893), S. 6–30. Saint-Simon, Journal du Marquis de Dangeau, 19 Bde., Paris 1854–1860. – Mémoires (1711–1714). Additions au Journal de Dangeau, hg. v. Yves Coirault (Bibliothèque de la Pléiade), Paris 1985. Friedrich Anton von Salis, Hochgeachte … Herrn und getrewe liebe Pundtsgnossen, s. l. (1699, 4. Juni). Coluccio Salutati, De tyranno, in: Alfred von Martin (Hg.), Coluccio Salutati’s Traktat »Vom Tyrannen«. Eine kulturgeschichtliche Untersuchung nebst Textedition (Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte, Bd. 47), Berlin/Leipzig 1913, S. I–XXXIII. – Die Staatsbriefe Coluccio Salutatis. Untersuchungen zum Frühhumanismus in der Florentiner Staatskanzlei und Auswahledition, hg. v. Hermann Langkabel, Köln/Wien 1981. Paolo Sarpi, Istoria dell’interdetto (Istoria dell’interdetto e altri scritti editi e inediti = Opere 6, 1 = Scrittori d’Italia, Bd. 179), Bari 1940. – Scritti vari (Istoria dell’interdetto e altri scritti editi e inediti = Opere 6, 2 = Scrittori d’Italia, Bd. 180), Bari 1940. – Lettere ai Gallicani, hg. v. Boris Ulianich (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz. Abteilung für abendländische Religionsgeschichte, Bd. 26), Wiesbaden 1961. – Opere, hg. v. Gaetano Cozzi/Luisa Cozzi, Mailand 1969. Raebolt Heerman Schele, Libertas publica. Accedit Th. Hogersii oratio C. Julium Caesarem tyrannum fuisse, in qua adhortationes et monita ad cives de libertate tuenda, Amsterdam 1666. – De jure imperii, Amsterdam 1671. – Lob der Freyheit. Auß dem Lateinischen in das Teutsche übersetzt, s. l. 1678. Johann Rudolf Schinz, Die vergnügte Schweizerreise anno 1773, Zürich 1952. Johannes Schnell (Hg.), Rechtsquellen von Basel Stadt und Land, Bd. 1, Basel 1856. Werner Schnyder (Hg.), Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte, Bd. 1–2, Zürich 1936. Niklas Schradin, Schweizer Chronik, Sursee 1500 (ND 1927). Schuckelicke ende grouwelijcke verraderije ghepracktiseert by den Paus, den Coninck van Spaengien, Huys Oostenrijck … ende Papistische Zwitsers, om de Evangelische Zwitsers … van alle kanten te overvallen …, Amsterdam 1618. Christoph Hermann Schweder, Theatrum historicum praetensionum et controversiarum illustrium, Bd. 1–2, Leipzig 1727. Johann Heinrich Schweizer, Chronologia Helvetica, res gestas Helvetiorum ad nostra usque tempora indicans ordine, & brevissime complectens, Hanau 1607. Schweitzerisches Kriegs-Recht, wie selbiges von denen loblichen Cantonen in alle Fürsten-Dienste den Herren Officierern mitgegeben und allezeit practiciert wird, Frankfurt 1704. Pontian Schyz, Politia Helvetiae triumphalis, hoc est forma regiminis Helvetici, ex monarchia, aristocratia, democratia perfectissima oratorie deducta, s. l. 1703. Algernon Sidney, Discourses concerning government, London 31751. – Court maxims, hg. v. Hans W. Blom/Eco Haitsma Mulier/Ronald Janse, Cambridge 1996.

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Gedruckte Quellen (vor 1800 verfasst) Jean de Silhon, Le ministre d’estat, troisième partie, Amsterdam 1652. – Le ministre d’estat, seconde partie, Amsterdam 1664. Josias Simler, Oratio de vita et obitu clarissimi viri et praestantissimi Theologi D. Petri Martyris Vermilii divinarum litterarum professoris in schola Tigurina, Zürich 1563. – De republica Helvetiorum libri duo, Zürich 1576. – Regiment gemeiner loblicher Eydgnoschafft, Zürich 1577 (urspr. 1576). – La Republique des Suisses, Genf 1577. – De Republycke van Switserlandt … Overgeset door Martin Everaert, Delft 1613. – Vom Regiment der Eidgnoschafft, Zürich 1645. – Von dem Regiment der Lobl. Eÿdgenoschaft … Mit erforderlichen Anmerckungen erläuteret und bis auf disere Zeiten fortgesetzet von Hans Jacob Leu, Zürich 1722. – De republica Helvetiorum … Adjunctum est compendium historiae helveticae antique auctore J. Conrado Fueslino qui etiam historiam Helvetiorum ab auspiciis reformat. fidei ad haec usque tempora … collegit, Zürich 1734. Baruch de Spinoza, Politischer Traktat – Tractatus politicus, hg. v. Wolfgang Bartuschat (Philosophische Bibliothek, Bd. 95b), Hamburg 1994. – Tractatus theologico-politicus, hg. v. Günther Gawlick (Philosophische Bibliothek, Bd. 93), Hamburg 1994. Germaine de Staël, Considérations sur les principaux événements de la révolution française, Bd. 2 (Oeuvres complètes, Bd. 13), Paris 1820. Abraham Stanyan, An account of Switzerland, London 1714. Johann Caspar Steiner, Kurtz deutliche Grund-Zeichnung deß Alt-teutschen SpartierLands, das ist Schweitzerland, Rottweil 1680. – Germano-Helveto-Sparta oder Kurtz-deutliche Grund-Zeichnung …, Zug 21684. Michael Stettler, Schweitzer Chronic, Bern 1627. Gottfried Stieve, Europaeisches Hoff-Ceremoniel, Leipzig 1715. Jacob Stockar, Eidgenössische Gesandtschaft an Cromwell im Jahr 1653, in: Josef Anton Balthasar (Hg.), Helvetia. Denkwürdigkeiten für die XXII Freistaaten der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 1823, S. 561–582. Johannes Strickler (Hg.), Actensammlung aus der Zeit der Helvetischen Republik (1798–1803), Bd. 1, Bern 1886. Fritz Stucki (Hg), Die Rechtsquellen des Kantons Glarus, Bd. 3: Einzelbeschlüsse 1680–1798. Allgemeine Landesmandate, Aarau 1984. Johann Wilhelm Stucki, Carolus Magnus redivivus, hoc est, Caroli Magni Germanorum, Gallorum, Italorum et aliarum gentium monarchae potentissimi, cum Henrico M. Gallorum & Navarrorum Rege florentissimo comparatio …: quam Regum & Principum Speculum possis appellare, Zürich 1592. Johannes Stumpf, Gemeiner loblicher Eydgnoschaft Stetten, Landen und Völckeren chronickwirdiger thaaten beschreybung, Zürich 1548. – Landtaflen, hg. v. Arthur Dürst, Zürich 1975 (ND ). P eter Stuppa, La religion des Hollandais, Köln 1673. Leonhar d Christoph Sturm, Vollständige Anweisung Regierungs- Land- und RathHäuser, wie auch Kauff Häuser und Börsen starck, bequem und zierlich anzugeben, Augsburg 1718. Maximilien de Béthune, Duc de Sully, Mémoires des sages et royalles oeconomies d’estat domestiques, politiques et militaires de Henry le grand, Bd. 1–2, Amsterdam [Château de Sully?] 1638. – Mémoires des sages et royalles oeconomies d’estat domestiques, politiques et militaires de Henry le grand, Bd. 3–4, Paris 1662.

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Quellen- und Literaturverzeichnis Charles Tatt, Brief discours de la magnifique reception faicte par la Maiesté du Roy Henry troisiesme, Roy de France & de Pologne, aux Ambassadeurs des puissans & libres Potentats, Suisses, Grisons, & leurs Coalliez, deputez à iurer l’alliance …, Paris 1585. Thomas von Aquin, Sententia libri politicorum, in: Commentaria in Aristotelem et alios, hg. v. Roberto Busa (S. Thomae Aquinatis Opera omnia, Bd. 4), Stuttgart/Bad Cannstatt 1980, S. 248–273. Threnodia … In obitum luctuosiss. Viri ampliss. D. Io. Rodolphi Rhonii inclytae reipub. tig. metropol. consulis consultiss. patris patriae, s. l. (Zürich) 1627. Franz Ehr enr eich Graf zu T rautmannsdorf f, Zwey Memoralien … bey währender Tagsatzung in Baden übergeben, Baden, 11. Juli 1701. Samuel T rolliet, Theses miscellaneae iuridicae inaugurales, Basel 1700. Aegidius Tschudi, Chronicon Helveticum, hg. v. Johann Rudolf Iselin, Basel 1734. – Briefe an Josias Simler, in: Josef Anton Balthasar (Hg.), Helvetia. Denkwürdigkeiten für die XXII Freistaaten der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Aarau 1830, S. 484–498. Turgäuwische Kunckelstuben, Luzern 1655. Caspar Ulrich, Disputatio politica examinans questionem: An Foedus Helveticum sit legitime pactum? Sub praesidio … Dn. Joh. Henrici Heideggeri, Zürich 1673. Johann Caspar Ulrich, Der, auch nach seinem Tode, von seinen Kinderen hochverehrte und herzlich geliebte Landesvatter, Zürich 1762. – Lob und Trauer-Rede auf den Tode Herren, Herren Johann Caspar Eschers, theuresten Vatter des Vatterlandes und Burgermeisters der Stadt Zürich, Zürich 1762. Johann Jacob Ulrich, De religione antiqua et catholica S. Felicis et S. Regulae Protomartyrum Tigurinorum reliquorum item Legionis Thebaeae sociorum, Zürich 1627. – Von dem alten wahrhafft Catholischen Glauben S. Felix unnd S. Regulae, Zürich 1628. Unpartheyische Reflexion über Ihro Kayserl. Majest. Antwort-Schreiben an gesamte löbliche Eydgnoschafft betreffend die Neutralitet in dero Nachbarschaft, s. l. s. a. (1675). Unpartheyisches Urtheil aus dem Parnasso über den neuen Friedens-Currier, s. l. 1674. Vadian (Joachim von Watt), Chronik der Äbte des Klosters St. Gallen, hg. v. Ernst Götzinger (Vadians Deutsche Historische Schriften, Bd. 1–2), St. Gallen 1875. – Briefsammlung, Bd. 1–7 (Mitteilungen zur Vaterländischen Geschichte, Bd. 24–30a), St. Gallen 1888–1913. Giampietro Valeriano, Hieroglyphica, seu de sacris Aegyptiorum, aliarumque gentium literis commentarii, Leiden 1595. P etrus Valk enier, Das verwirrte Europa, oder politische und historische Beschreibung der in Europa, fürnehmlich in dem Vereinigten Niederlande und in dessen Nachbarschafft seither dem Jahre 1664 entstandenen … blutigen Kriege …, Amsterdam 1677. – Ansprach an die Dreyzehen wie auch Zugewandete Ort der Lobl. Eydgnoßschafft in Baden versamlet, gethan den 31. Oct./10. Nov. 1690, s. l. 1690. – Proposition an die Groß-Mächtige Regierung des loblichen Cantons Bern wegen der in grosser Gefahr stehender Statt Genf und höchst nöthiger Beschleunigung deroselben Errettung, s. l. 1690. – Klage über die vielfältige Frantzösische Contraventiones … (Baden, 8. März 1691), s. l. 1691. – Das Interesse einer gesamten löblichen Eydgenoßschafft bei itzigen Conjuncturen, s. l. 1697. – Mündtliche Proposition … der Versamblung einer löblichen Eydgenoßschafft vorgetragen (Baden 24. Okt. 1700), s. l. 1700. – Memoriale … an die gesambte Versamblung eine löblichen Eydgnoßschafft (Baden, 26. Juli 1702), s. l. 1702. – Memoriale … an das löbliche Canton Bern …, s. l. s. a.

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Aegidius Romanus 45 Aerssen, Franz van 118 Aitzema, Lieuwe van 279 Allardt, Huych 278 Althusius, Johannes 20, 127, 141–143, 148, 176, 246 Amelot, Michel 112, 354, 359 Aristoteles 45, 47, 83, 90, 99, 133, 154, 254, 336, 504 Arnaud, Antoine 91 Arnisaeus, Henning 84, 139, 144 Arumaeus, Dominicus 177, 179, 218, 286, 294 Asper, Hans 391 Aubigné, Agrippa d’ 89 Augustinus, Aurelius 77 Augustus 83, 303, 341 Aurelianus, Lucius Domitius 386 Backer, Jacob Adrianszoon 262 Bacon, Francis 161 Bakofen, Johann Ulrich 329 Baldenstein, Rinck von 533 Balthasar, Franz Urs 516, 519, 522 Balthasar, Josef Anton Felix 229, 522 Beck, Christian August 146 Beck, Jacob Christoph 228 Beloteau, Guillaume 453 f., 458, 460, 560 Bergier, Nicolas 256 Bernhard von Weimar 187 Bernoulli, Jacob 250 Besold, Christoph 119, 143 f., 179 f., 210, 216, 246 Beumler, Marcus 334 f., 422 Beyel, Johann Rudolf 326 Bèze, Théodore de 55, 88, 437, 566 Bianchi, Vendramino 345, 364, 508, 510 Bickhart, Abraham 563 Bignon, Jérôme 86 Bilderbeck, Christoph Lorenz 218

Bildstein, Hans 529 Bitt, Sebastian 182 Blake, Robert 158 Blondel, David 382 Blum, Hans 388 Boccalini, Traiano 124, 162, 163, 259 Bodin, Jean 20, 29, 39–41, 46–62, 65 f., 70–78, 83 f., 86, 101, 116, 120, 140–142, 148, 150, 152, 155, 174, 179 f., 186, 189, 196, 210, 214, 221, 223 f., 229, 262, 307, 323–325, 331, 333, 337, 371 f., 420, 422, 432, 445, 451–454, 460, 462, 499, 504, 506, 508, 545 f., 549 f., 558, 567, 570, 577 Bodmer, Johann Jacob 31, 250 Bonaparte, Napoleon 577 Boreel, Willem 123, 241, 352 Borgia, Cesare 81 Bornitz, Jacob 200 Borromeo, Carlo 565 Bossuet, Jacques Bénigne 87, 254, 255 Botero, Giovanni 161 Bourbon, Marie de 451 Boxhorn, Marcus Zuerius 124 Bräm, Heinrich 327 Breitinger, Johann Jacob 212, 347 Brennwald, Heinrich 314 Brienne, Loménie de 189 Brulart de Puysieulx, Roger 363, 488 Brun, Rudolf 298, 326, 337, 371, 389, 414, 418, 424 Bruni, Leonardo 78, 80 Brutus, Lucius Iunius 252, 371, 389 f., 418 Brutus, Marcus Iunius 83, 307 Bubenberg, Adrian von 389 Bubenberg, Heinrich von 389 Bucer, Martin 300, 310, 311 Büeler, Franz Michael 221–224, 227, 229 f., 293, 361, 422, 523, 545 Bullinger, Elisabeth 60

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Register Bullinger, Heinrich 60, 67, 172, 308, 311–315 Burckhardt, Jacob 79 Burckhart, Conrad 338 Burlamaqui, Jean-Jacques 441, 544 Büssing, Caspar 279, 280 Buwinckhausen, Nikolaus 180 Caesar, Caius Julius 303, 307, 314 Calmette, De (Botschafter) 468 f. Calvin, Jean 88 f., 309 f., 420, 422, 437 Camillus, Marcus Furius 389 Carion, Johannes 138 Carpzov, Benedikt 139, 180 f., 286 f., 506, 558 Castro, Paolo di 78 Cato, Marcus Porcius 138, 307, 334, 389, 521 Cats, Jacob 123 Caumartin, Jacques Le Fèvre de 192 Cauvigny, François de 156 Cazet de Vautorte, François 191 Ceruto, Giovanni Maria 390 Charles I Stuart 91, 130, 157 Charles II Stuart 120, 135 f., 159, 324, 349 Charles IX Valois 312 Chemnitz, Philipp Bogislaw von (pseud. Hippolithus a Lapide) 140 Chlodwig 314 Cicero, Marcus Tullius 37, 50, 77, 83, 88, 149, 307, 313, 389, 583 Claude de France (Tochter von Henri II) 183, 264 Colbert, Jean-Baptiste 91 f., 240 Collaert, Hendrick 259 Collin, Rudolf 305, 308 Conring, Hermann 97, 139, 216–218, 560 Constant, Benjamin 16, 588 Contarini, Alvise 111 f. Contarini, Gasparo 48, 52, 77, 108 f. Contzen, Adam 143 Coquille, Guy 85 Coriolanus, Gnaeus Marcius 521 Coryate, Thomas 253, 259 Costa, Andrea 297 Court, Johan de la 124, 373, 549, 587

666

Court, Pieter de la 124–128, 154–156, 325, 373, 549, 587 Coustou, Nicolas 258 Coxe, Thomas 213 Cromwell, Oliver 91, 109, 133, 135–137, 152, 157–160, 231, 261, 347 f., 543, 580 Cromwell, Richard 132 Crucé, Emeric 185, 210, 247 Cumberland, Richard 404 Curius Dentatus, Manius 389 Curtius, Marcus 252, 389, 521 De Luca, Giovanni Battista 256 Decius Mus, Publius 252 Della Via, Alessandro 509 Demosthenes 64, 68, 69 Descartes, René 124, 127, 336, 367 Dietrich, Johann Peter 538 Diocletianus, C. Aurelius Valerius 314 Dolce, Agostino 211 Domat, Jean 149 Dumoulin, Charles 46, 48 Duplessis-Mornay, Philippe 55 Dürer, Albrecht 384 Durie, John 347 Dudley, Robert 116 Edward VI Tudor 348 Elizabeth I Tudor 115, 259, 324, 348 Epaminondas 389 Erasmus von Rotterdam 161 Erlach, Hans Ludwig von 189 Escher, Heinrich (1626–1710) 238, 240, 328, 331–333, 342, 356, 361–365, 392 Escher, Heinrich (1713–1777) 292 Escher, Johann Caspar (1626–1696) 330, 402 Escher, Johann Caspar (1678–1762) 402–405, 418–420, 424, 426 f., 583 Escher, Johann Conrad 380–382 Escher, Johann Jacob (1656–1734) 333, 340 f., 377, 380, 402, 406 f. Escher, Johann Jacob (gest. 1729) 404 Escher, Johann Rudolf 372 f. Estampes de Valençay, Léonor d’, Erzbischof von Reims 256 Etterlin, Petermann 170, 264

Register Faber, Claude E. 246 Faesch, Johann Rudolf 212 Faesch, Remigius 181 f., 217, 227, 246 Falkeisen, Theodor 482, 485, 557 Falkner, Emanuel 227 f. Felipe II v. Spanien 115, 117, 335 Felipe IV v. Spanien 158 Felix und Regula (Hl.) 314, 337, 423 Fels, Johann Heinrich 215 Ferdinand I. (Kaiser) 173, 180, 303 Ferdinand II. (Kaiser) 187, 447, 492 Ferdinand III. (Kaiser)105, 190, 192, 194 f., 197, 495 Ferdinand IV. (König) 105 François d’Anjou 115 f. François Ier Valois 182 f., 211, 248, 272, 303 f., 310 Friedrich I. (Kaiser) 57, 106 Friedrich II. (Kaiser) 63, 167, 432, 470, 569, 586 Fries, Johannes 424 Fries, Leonhard 321 Frisch, Johann Christian 485 Fueter, Emanuel 471 Funk, Hans 171, 536 Fürst, Walter 389 Furttenbach, Joseph 387 Füssli, Johann Melchior 280, 282 f., 286 f., 295, 333, 410, 412 f., 464, 519 Gastellius, Christian 218 Gatschet, Johann Rudolf 244, 460–462 Gentili, Alberico 103 Gentillet, Innocent 61 Georg (Hl.) 537 Georg Friedrich, Markgraf von BadenDurlach 346 Gernler, Lucas 212, 482–485 Gessner, David 287 Gessner, Heinrich 333 Gessner, Johann Jacob 413 Giannotti, Donato 82, 108 Glarean, Heinrich 201 Göbel, Johann Wilhelm 218 Godefroy, Théodore 193 Godofredo, Giovanni 328 Goethe, Johann Wolfgang von 146 Goldast, Melchior 138, 176–179, 215 Gordon, Thomas 138

Grassis, Paris de 102, 247 Graswinckel, Dirck 118, 121 Gravel, Robert de 201, 208 Gravier, Charles, Comte de Vergennes 290 Gravier, Jean, Marquis de Vergennes 290 Griesheim, Christian Ludwig von 576 Grimm, Johann 391, 563 Grotius, Hugo 98–101, 117, 121, 124, 161, 179, 210, 251, 361, 371 f., 382, 401 f., 407, 504, 506 Grotto, Luigi 256 Guez de Balzac, Jean-Louis 87 Guicciardini, Francesco 16, 95 Guillimann, François 219 Günderode, Friedrich Maximilian von 146 Gundoldingen, Petermann von 389 Gustav II. Adolf von Schweden 211 Gwalther (später Simler), Margaretha 60 Gwalther, Rudolf 60, 312 Haab, Johann Caspar 371 Haffner, Franz 477 Hagenbuch, Caspar 529, 562 Haller, Albrecht von 31 Haller, Karl Ludwig von 588 Hardmeyer, Johann Kaspar 331 f. Harrington, James 13 f., 132–136, 154–156, 160, 255 Haug, Johann Jacob 275 Hedlinger, Johann Carl 524 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 575 Heidegger, Johann Conrad 584 Heidegger, Johann Heinrich 366, 371, 374, 381, 501 Heidegger, Johann Jacob 381 Henniges, Heinrich von 218 Henri II Valois 183, 264 Henri III Valois 115 Henri IV Bourbon 84–86, 89 f., 93, 118–120, 156 f., 183 f., 235 f., 252, 437–439, 543 Henric-Petri, Jacob 214, 484 f., 557 Henzi, Samuel 462, 470 f. Herrliberger, David 250, 276, 410 Hess, David 380 Hess, Johann Rudolf 368–370, 378 f.

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Register Hirzel, Johann Caspar 350 Hirzel, Johann Ludwig 332, 342, 363, 382 Hirzel, Salomon (1580–1652) 336 Hirzel, Salomon (1727–1818) 13 Hobbes, Thomas 97, 122–127, 133, 161 f., 199, 335, 372, 419, 575, 578 Hochreutiner, Jacob 238, 240 Hofer, Johann Baptist 541 Hofer, Josua 490 Hofmeister, Johann Wilhelm 339 Hofmeister, Johannes 380 f. Holländer, Tobias 494 Holzhalb, Beat 388 f., 396 Holzhalb, David 332 f., 340, 406, 422 Holzhalb, Dietgen 233 Holzhalb, Johann Heinrich 386, 396 Holzhalb, Johann Ulrich 329 Holzhalb, Leonhard 334 Horatius Cocles 389 Horatius Flaccus, Quintus 341, 369, 389 Hotman, François 55, 88 f., 312 Hottinger, Johann Heinrich 313, 336–338, 351, 366, 371, 374, 382, 425 Houssaye, Amelot de la 112 Huber, Johann Rudolf 467 Huber, Ulric 126 f., 158, 402 f. Hübner, Johann 580 f. Irénée Castel de Saint-Pierre, Charles 247 Iselin, Isaak 13 f., 31, 228–230 Iselin, Jacob Christoph 248 f. Iselin, Johann Rudolf 227 f., 276 James I Stuart 119, 567 James II Stuart 135, 145, 354 Jan III. Sobieski 202 Jefferson, Thomas 113 Johann Friedrich von BraunschweigLüneburg 107 Johann Georg III. von Sachsen 279 Joseph I. (Kaiser) 537, 557 Joseph II. (Kaiser) 146, 538, 541 Jost, Hildebrand (Bischof) 445–447 Julius II. (Papst) 102 f., 248, 279 Kägi, Johannes 328 Kant, Immanuel 21, 52

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Karl V. (Kaiser) 57, 101, 103, 171, 182, 298, 435, 474, 481, 515 Karl VI. (Kaiser) 384 Keck, Anthony 138 Keget, Johann Jacob 214 Kemmerich, Dietrich 218 Klingler, Anton 329–331, 423 Knipschild, Philipp 143 f., 215 f. Knox, John 312 Kolin, Karl Kaspar 513 König, Johann 385 Kuzel, Johann Philipp 427 La Barde, Jean de 232, 235 f., 239 La Closure, Pierre Cadiot de 356 La Tour d’Auvergne, Henri de, Duc de Bouillon-Turenne 89 Languet, Hubert 55 Läublin, Johann Jacob 390 Lauffer, Jacob 229 Lavater, Johann Rudolf 335 Lawson, George 137 Le Bret, Cardin 56, 86 Le Brun, Charles 237 Le Caron, Charondas 46 Le Clerc, Gabriel 469, 480, 494 Le Petit, Jean François 117, 266, 440, 475 Leibniz, Gottfried Wilhelm (pseud. Caeserin Fürstener) 107, 121, 217, 225, 557 Leodegar (Hl.) 515 f., 565 Leonhardi, Johannes (Jan Linard) 501 f., 508 Leopold I. (Kaiser) 331, 537, 557 Leopold III., Herzog von Österreich 117 Leopold V., Erzherzog von Österreich 187 Leti, Gregorio 90, 129, 241, 246, 431 Leu, Johann Jacob 60, 229, 250, 280, 282, 286–289, 565 f. Limnaeus, Johannes 105, 182, 216 Lipsius, Justus 29, 94, 161 Livius, Titus 79, 384 Lochmann, Johann Heinrich 356 f. Locke, John 15 f., 136 f., 153, 571 f. Lombart, Pierre 261 Louis XIII Bourbon 86, 258, 323

Register Louis XIV Bourbon 56, 87, 91–93, 104, 114, 128, 135, 156–159, 166, 202, 207–210, 213 f., 232–235, 238, 243, 253, 256, 258, 274, 278, 323, 331, 352, 354–360, 363, 373, 376–381, 439, 448, 452, 462, 470, 488 f., 500, 570, 573 Louis XV Bourbon 253, 386, 490 Loyseau, Charles 56 Lucretia 311, 521 Ludewig, Johann Peter von 218 Ludwig IV. der Bayer (Kaiser) 58, 63 Lünig, Johann Christian 183, 246, 364 Luther, Martin 138, 300, 306, 566 Lutiger, Johann Kaspar 513, 514 Machiavelli, Niccolò 16 f., 25, 33, 37, 48, 73, 80–83, 124, 133, 149, 154 f., 160 f., 202, 300, 335 Manlius Capitolinus, Marcus 80 Manuel, Niklaus 171 Marana, Giovanni Paolo 113 Mareschet, Humbert 265, 385, 462 Markus (Hl.) 346 Marquart, Otto Christoph 214 f. Marso, Ascanio 167 Mary I Tudor 312 Matthias von Habsburg, Erzherzog, später Kaiser 115, 174 Maurits von Oranien 257 Maximilian I. (Kaiser) 248, 384, 498, 528 Maximilian II. (Kaiser) 68, 173 Mayerne Turquet, Louis de 85 Mazarin, Jules 90 f., 114, 120, 157, 189, 233, 577 Medici, Lorenzo de’ (Lorenzo il Magnifico) 95, 102 Medici, Maria de’ 258 Meier, Jacob 339 Melanchthon, Philipp 138, 310 Melchtal, Arnold von 389 Merian d. Ä., Matthäus 267, 282 f., 341, 397, 462, 538 Mesmes d’Avaux, Claude de 90, 111, 189, 234 Meyer, Andreas 328, 331 f., 342 Meyer, Conrad 274, 282 f., 317, 326, 341 f., 397, 413

Meyer, Dietrich 413–416 Meyer, Johannes 326, 342, 398 Meyer, Rudolf 267, 274, 519 Mijle, Cornelis van der 118 Miltiades 389 Milton, John 17, 130, 132, 136, 158, 160, 309, 325, 347 Miron, Robert 186 Mitz, Daniel 228, 249 Mocenigo, Antonio 510 Mocenigo, Luigi 256 Molino, Domenico 118 Montaigne, Michel de 94 f., 161 Montesquieu, Charles de 31, 37, 112, 572, 575, 579 Montmollin, George de 454 Moos, David von 451 Moreau, Jean-Michel 592 Moser, Johann Jacob 22, 145, 147 f., 225 f., 249 Möser, Justus 412 Mouslier, François 207 Munatius Plancus, Lucius 385 Murer, Christoph 68, 265–267, 282 Nedham, Marchamont 132, 158, 160, 373 Nemours, Marie de 454 f. Neukomm, Johann Conrad 494 Niklaus von Flüe 68, 70, 272, 274, 353, 362, 389, 565 Oeri, Ulrich 391 Oldenbarnevelt, Johan van 122 Oldenburger, Philipp Andreas 180, 217 Ommeren, Rudolf van 350, 351 Orléans-Longueville, Henri II d’ 157, 188 f., 201, 234, 452–454, 459 Oswaldt, Johann 73 f. Ott, Johann Rudolf 370, 379 Ott, Salomon 372 Otto I. (Kaiser) 317 Padavino, Giovanni Battista 69, 165 f., 297, 326, 345 Paine, Thomas 21, 152, 576 Paravicini, Bartolomeo 335 Parker, Henry 130, 158

669

Register Paruta, Paolo 77 f., 82–84, 148 Passe, Crispijn van de 270 f. Patrizi, Francesco 77, 80 Pell, John 347 Penn, William 247 Penne, Luca da 255 Perikles 38, 389 Pestalozzi, Johann Heinrich 31 Pfau, David 396 Pfyffer, Hans Christoph 519 Philipp von Makedonien 68, 166, 360 Philippe de France, Duc d’Orléans 236 Picart, Bernard 276 Pieterszoon Hooft, Cornelis 121, 325 Pius IV. (Papst) 111 Pompeius Magnus, Gnaeus 83 Pufendorf, Samuel (pseud. Monzambano, Severin de) 147, 150, 154, 166 f., 219, 227–229, 402, 409, 504 Pütter, Johann Stephan 148 Puys, Jacques du 60 Quirino, Antonio 109, 153 Rahn, Johann Heinrich 341, 362, 373–379, 389, 396, 398, 401, 501 Rahn, Johann Jacob 377 Rahn, Johann Rudolf 327, 334, 346, 374, 376, 414 Raleigh, Sir Walter 160 Rapinat, Jean-Jacques 569 Raymond, Florimond de 89 Reber, Johann Heinrich 489 f. Redwitz, Johann Wilhelm von 180 Regulus, Attilius 389 Reinking, Dietrich 138–140, 177, 179, 200 Retz, Kardinal de (Jean-François Paul de Gondi) 91 Richelieu, Kardinal (Armand Jean du Plessis) 86, 89–91, 94, 97, 114, 186 Riedmatten, Adrian II. von (Bischof) 444 Riedmatten, Adrian III. von (Bischof) 448 Ripa, Cesare 261 f., 393 Robespierre, Maximilien de 152

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Rohan, Henri, Duc de 92–97, 101, 109, 123, 153, 162, 185, 201, 219, 245, 373 Rousseau, Jean-Jaques 14, 25, 31, 52, 247, 426, 441, 584 Rousset, Jean 246 Rubens, Peter Paul 258, 567 Rudolf I. (Kaiser) 63, 287 Rudolf II. (Kaiser) 173 f. Ruperich (Hausmeier) 314 Saint-Simon, Louis de Rouvroy, Duc de 93 Salis, Friedrich Anton von 504 Salis, Peter von 354 Salis, Ulisses von 510 Salis-Soglio, Hercules von 500 Salutati, Coluccio 78–80 Samson, Johann Ulrich 487 Sarpi, Paolo 109 f., 118, 153 Scaevola, Gaius Mutius 389, 521 Schärer, Johann Jacob 392, 410, 413, 464, 519 Schauenburg, Balthasar Alexis Henri Antoine von 586 Schele, Raebolt Heerman 375 Scheuchzer, Johann Jacob 250, 379, 405–410, 425 f., 501, 583 Schinz, Johann Rudolf 533 Schmauss, Johann Jacob 228 Schumacher, Joseph Anton 513, 523 Schweizer, Johann Heinrich 382, 401 f. Schwyzer, Johann Heinrich 391 Scipio Africanus, Publius Cornelius 38, 389, 521 Scipio Nasica, Publius Cornelius 389 Seckendorff, Veit von 200 Seiller, Johann Georg 280 Selden, John 261 Serlio, Sebastiano 388 Servien, Abel 189, 198, 234 Seyssel, Claude de 48 Sidney, Algernon 135 f., 154, 156, 160, 245 Sigismund (Kaiser) 527, 534 Sigismund der Münzreiche, Erzherzog von Österreich 263 Silhon, Jean 86, 186 Simler (oder Simmler), Josias 41, 60–70, 74–76, 115, 117, 166, 177, 179,

Register 200–203, 217, 227–229, 264, 279 f., 282, 286–289, 294 f., 315, 333, 341, 348, 360, 410, 560, 565, 570 Simler, Johann Wilhelm 341 Solon 334, 389 Spinoza, Baruch de 126 f., 154, 325, 335, 367, 419, 549, 587 Spitteler, Carl 592 Spöndli, Sigmund 328, 329 Sprecher, Fortunat 510 Spreng, Johann Jacob 75 Sprenger, Johann Theodor 217 St. John, Oliver 131 Staël, Germaine de 586 Stampfer, Jacob 68, 263 f., 282, 315, 496 f., 543 Stauffacher, Werner 280, 389 Steiner, Johann Caspar 219 f. Stenglin, Jeremias 230 Stepney, George 137 Stettler, Michael 69, 183, 219 Stieve, Gottfried 211, 242 Stockar, Johann Jacob 231, 348 Struve, Georg Adam 218 Studler, Anton 336 Stumpf, Johannes 67, 170, 171 Stuppa, Johann Peter 239 Sturm, Leonhard Christoph 387 Stüssi, Rudolf 389 Sully, Maximilien de Béthune, Duc de 85, 87, 89, 93, 183–186, 210, 247, 294 Tacitus, Publius Cornelius 83, 124, 139, 149, 333, 422 Tell, Wilhelm 24, 152, 202, 280, 353, 389, 397, 429, 507, 570 Temple, William 135 Themistokles 389 Theodul (Bischof) 444, 447 Thomas von Aquin 45, 79 Tiberius Claudius Nero 303 Tintoretto, Domenico 254, 567 Toussaint Limojon de Saint-Didier, Alexandre 112 Trautmannsdorf, Maximilian von (Graf) 190, 363 Trenchard, John 138 Trevisan, Girolamo 118

Tscharner, Abraham 363 Tschudi, Aegidius 67, 170, 228 f., 276 Ulrich, Johann Caspar 418 Ulrich, Johann Jacob (1569–1638) 423 Ulrich, Johann Jacob (1602–1668) 347 Ulrich, Johann Jacob (1665–1723) 382, 425 Urban VIII. (Papst) 113 Urs und Viktor (Hl.) 565 Vadian (Joachim von Watt) 67, 201 Valerius Maximus 384 Valkenier, Petrus 128, 357–363, 379 f., 388, 401, 501, 508, 582 Vattel, Emer de 251 f., 290, 389 Velthuysen, Lambert van 122 Venier, Francesco 254 Vermigli, Petrus Martyr 60 Vietor, Zacharias 178 f. Vintimille du Luc, Charles-François de 355 Vittorio Amedeo v. Savoyen 106 Vogel, Hartmann 379 Vogel, Johannes 379 Volmar, Isaak 187, 190, 201, 231 Vouet, Simon 258 Vranck, François 116 Vries, Gerard de 402 Vries, Simon de 280 Wagner, Johann Georg 202, 235 f. Walch, Sebastian 326, 416, 418 Waldkirch, Johann Rudolf von 227–229, 248–251 Wall, Hans 389 Wartenberg, Franz Wilhelm von, Bischof von Osnabrück 111 Waser, Johann Heinrich 203 f., 238–240, 290 Weissenbach, Johann Caspar 272, 274, 342 Werdmüller, Christoph 371 f., 379, 395, 401 Werdmüller, Johann Conrad 380 Werdmüller, Johann Felix 379 Werdmüller, Thomas 233 Werner, Joseph 462 Wetter, Josua 199

671

Register Wettstein, Johann Rudolf (1594–1666) 188–202, 222, 225–233, 249, 264, 292 f., 320, 347 f., 369, 477, 481 f., 487, 493, 495, 541, 543, 555, 588 Wettstein, Johann Rudolf (1647–1711) 198 Wicquefort, Abraham de 103, 108, 123, 241, 245 f. Wilhelm, Friedrich 106 Wilkens, Nikolaus 215 Willem I von Oranien 116, 152, 353 Willem II von Oranien 122 Willem III von Oranien (= William III) 91, 128, 398 Winkelried, Arnold von 252, 389 Witt, Johan de 91, 122 f., 131, 135, 159, 358

672

Wolff, Christian 251 f. Wtewael, Joachim 259 Wurmann, Jacob 272–274, 279, 342 Zaleukos 384 Zedler, Johann Heinrich 246, 581 Ziegler, Johann Rudolf 413 Zimmermann, Johann Georg 569, 587 Zorzi, Giorgio 84 Zschackwiz, Johann Ehrenfried 218 Zschokke, Heinrich 587 Zurlauben, Beat Fidel Anton von 513 Zwingli, Ulrich (Huldrych) 60, 162, 171 f., 266, 299–315, 433 Zwyer von Evibach, Peregrin 197, 200, 231