Die Gandersheimer Reimchronik [2nd rev. Edition] 9783110941777, 9783484200135

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Die Gandersheimer Reimchronik [2nd rev. Edition]
 9783110941777, 9783484200135

Table of contents :
Vorwort zur 2. Auflage
Einleitung
De Fundatione Gandersemensis Ecclesiae
Wortverzeichnis

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ALTDEUTSCHE

TEXTBIBLIOTHEK

Begründet von Hermann Paul Fortgeführt von G. Baesecke Herausgegeben von Hugo Kuhn N r . 25

Die Gandersheimer Reimchronik des Priesters Eberhard Herausgegeben von Ludwig Wolff 2., revidierte Auflage

MAX N I E M E Y E R V E R L A G 1969

TÜBINGEN

1. Auflage 1927

© M a x Niemeyer Verlag Tübingen 1969 Alle Rechte vorbehalten · Printed in Germany Satz und Drude W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart Einband von Heinr. Kodi Tübingen

V O R W O R T Z U R 2. A U F L A G E Die Ausgabe der Eberhardschen Reimchronik vom Jahre 1927, deren Grundanlage unverändert bleiben muß, stammte aus der Frühzeit meiner wissenschaftlichen Arbeit. Zu der neuen Auflage beschränke ich mich auf einige kurze Hinweise. Neben meinem in der Einleitung angeführten Aufsatz im N d . Jb. 50, 31 ff. nenne ich noch eine kleine Arbeit „Sprachliches, Textkritisches und Stilistisches zu Eberhard von Gandersheim", ZfdA. 64 (1927), 307 ff., die im Zusammenhang mit der Ausgabe entstanden ist. Von den Besprechungen, die diese erfahren hat, nenne ich als besonders wesentlich und förderlich die von C. Borchling, N d . Kbl. 40 (1926/7), 63 und von A. Lasch, AfdA. 48 (1929), 33 f. Dazu setze ich gleich einen erst nach seinem Tode herausgegebenen Aufsatz von A. Leitzmann, „Zur Gandersheimer Reimchronik", ZfdPh. 85 (1966), 83 ff.; er bringt einiges zur Sprachform und Textkritik, Erklärendes, Belegstellen f ü r die Bibelzitate und allerlei zum Wortschatz. Über „Die Mundart Eberhards von Gandersheim" handelte T. Dahlberg, N d . Jb. 63/64 (1937/38), 183 ff. W. Seelmann, N d . Jb. 65/66 (1939/40), 40 ff. hielt gegen ihn an der nicht überzeugenden Meinung fest, der Dichter müsse westfälischer H e r kunft gewesen sein. Den Versbau Eberhards auf ganz neue Weise zu deuten unternahm Elfriede Stutz in einer großen Arbeit „Studien zum Zeilenbau in der Gandersheimer Reimchronik", Niederdeutsche Mitteilungen 14 (Lund 1958), 5 ff. Dazu L. Wolff in dem Aufsatz „Uber den Versbau mittelniederdeutscher Dichtungen", ebenda 15 (1959), 39 ff., jetzt auch „Kleinere Schriften" (Berlin 1967), 359 ff. Beim Neudruck meiner Ausgabe habe ich noch in zahlreichen Fällen die Bezeichnung des Umlauts einführen müssen; ich hatte damals f ü r diese Frage noch nicht den ausreichenden Uberblick. V

Die Schwierigkeiten sind bekannt. Wie ich schon sagte, muß ich die Grundanlage der Ausgabe beibehalten. Sicher kann man darüber verschiedener Meinung sein und kann Bedenken und Einwendungen vorbringen. So weit, wie die Reimentstellungen und mancherlei in der Hs. des 15. Jhs. noch erhaltene Restformen darauf führten, habe ich damals versucht, die für Eberhard gültigen älteren Sprachformen einzusetzen. Wie Agathe Lasch und Leitzmann es forderten, bin ich nun nach mancherlei Bedenken auf diesem Wege ein Stück weiter fortgeschritten, um die Halbheit zu mindern. Formen, die sicher jung sind, habe ich also in weiterem Maße durch solche ersetzt, die wir für das frühe 13. Jh. und die mundartliche Landschaft Gandersheims ansetzen können. Eine Annäherung bleibt es freilich doch nur. Nicht weniges wird (auch im Hinblick auf so manche von Eberhard verwendete Doppelformen) immer zweifelhaft oder unerreichbar bleiben. Gerade die alten ostfälischen Texte enthalten bei allerlei Ungleichmäßigkeiten ja so manches, was sich nicht in die regelmäßige, bodenständige Entwicklung fügt. In Fällen, die sichere Anhaltspunkte boten, habe ich schon damals gerundete Formen durch die älteren ungerundeten ersetzt (vgl. S. X X X V I ) . Das habe ich jetzt bei düsse, sülf, sülver, sünte (das das 1. Mal 297 noch als sinte erscheint), twölf, sowie wonen ,wähnen' (immer mit ο bei 5 Reimen von wan) fortgeführt. 1 Dabei setze ich für düsse die Vorstufe disse, nicht desse (in der Hs. noch dreimal dit, siehe 51); für sülf schien älteres seif wahrscheinlicher als silf (dies dreimal im Schiedsspruch Könemanns), vgl. Cordes aaO. 34. Auch für tüschen muß nun twischen eintreten, vgl. K . Bischoff, Nd. Wort 2 (1961), 1 ff. Für ümmer, nümmer nehme ich iemer, niemer (vgl. iemmer in der Nd. Apokalypse), behalte aber natürlich das einmalige io mer 1634, das aus der Vorlage stammen muß. Die. charakteristisch ostfälische, 1

Man vgl. für frühostfälische Belege G. Korlen, Die mnd. Texte des 13. Jhs. (Lunder Germanist. Forschungen 19), Lund 1945, dazu auch G. Cordes, Schriftwesen und Schriftsprache in Goslar bis zur Aufnahme der nhd. Schriftsprache, Hamburg 1954.

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auch für den Wurzgarten bezeugte Kürzung vor -en in wetten ,wissen', das bis auf 273 mit tt geschrieben ist, geht nach dem Reim 359 anscheinend schon auf Eberhard zurück (vgl. Dahlberg aaO. 185); so habe ich wenigstens in diesem Reim, der in 1208/9 noch eine Parallele hat, und in den anderen Belegen des Wortes die überlieferte Form bewahrt (auch die alte Hs. der Nd. Apokalypse schreibt schon lutter). Bei dem Wort himmel (immer so), wo die Kürzung sonst sehr alt sein müßte, kann man an hd. Einfluß durch die Kirche denken. Ohne Frage ist die regelmäßige Bezeichnung vokalischer Kürze durch Doppelschreibung des folgenden Konsonanten, wie unsere Texte zeigen, etwas Junges. Hier bezeugen es noch die Restformen mit einfachem d bei eddele (6mal), leddich (1613 gegen 310) und adverbialem wedder (lmal). 2 So habe ich diese in der Hs. regelmäßig durchgeführten Schreibungen Agathe Lasch und Leitzmann folgend auch bei edder, veddere, öppenen, bischoppe, donner, könnich, könnt ginne, mannicb, mennich, jennich, lichammes, sammeninge beseitigt. Nach den älteren Texten habe ich auch schälen durchgeführt, das neben schallen noch vielfach überliefert ist (s. 48. 164). Für cht in klucht 1079 und einmaligem krechtich 982 neben (un)kreftich 973. 1288 und krefte(n) 1311. 1801 setze ich ft ein. Auch bei dem vielfach wiederkehrenden stickte, stickten (16mal in Reimbindung mit cht) könnte das cht allenfalls dem späten Schreiber angehören. Der Hildesheimer Münzvertrag schreibt noch 1300 stifte. Dagegen hat der Eilenstedter Kaland V. 60 schon stichte, ebenso in Hss. des 13. Jhs. die Nd. Apokalypse und die Sächsiche Weltchronik. So schien es mir doch zu gewagt, das Ältere einzusetzen. Gelassen habe ich auch einmaliges icht ,wenn' 583 neben 12maligem eft, ef, obwohl es vermutlich erst vom Schreiber stammt. Man vgl. bei Härd besonders die Goslarer Zahlen S. 66. Schwerlich anzutasten waren nichte, nichtele und suchten. 2

Vgl. J . E . H ä r d , Mittelniederdeutsch ,oder', ,oft' und Verwandtes (Göteborger Germanistische Forschungen 8), Göteborg 1967, S. 87.

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Nicht mehr glaubhaft scheint es mir, daß Eberhard 483 und 1054 ripuarisches klade, kladen um des Reimes willen aufgegriffen hätte. Da er nicht weniger als 13mal statt kaum reimbarem hebben die Formen haven (Inf., PI. Präs), havende in den Reim setzt, möchte ich eher annehmen, daß er hier auch zu der im Westfälischen auftretenden Form havede gegriffen hat (vgl. Nd. Apokalypse 935. 1852). Einzelne Textbesserungen sind meist nach Leitzmann vorgenommen. V. 1250 ist die Besserung des Überlieferten nach dem Wortlaut Widukinds Fuerunt etiam qui dicerent außer Zweifel. In V. 476 spricht gegen meine alte Konjektur dem hove auch, daß sie einen Reim von etymologischer Länge auf Kürze bringen würde. Erwogen habe ich, ob ich den recht regelmäßigen handschriftlichen Wechsel von g mit gh vor e und i und das vielfache y für i aufnehmen sollte, aber wie der Blick auf Texte der Frühzeit zeigt, würde sich das Bild damit noch weiter von der Gestalt entfernen, die die Dichtung bei Eberhard hatte, und aus dem gleichen Grunde verzichte ich auf andere orthographische Besonderheiten, die vereinzelt auftreten, aber keine lautliche Bedeutung haben. Manche, das weiß ich, werden es bedauern, daß die Ausgabe sich weiter von der handschriftlichen Überlieferung entfernt, die man heute möglichst festzuhalten sucht. Mit Hilfe der Lesarten lassen ihre Lautformen sich freilich überall feststellen, und außerdem hat man ja die Ausgabe Weilands. Dafür gibt mein Text am Ende doch einen etwas besseren Eindruck von der Dichtung Eberhards. Freilich sah das Schriftbild damals sicherlich nicht so regelmäßig aus. Wahrscheinlich bot es noch öfter ein dh für altes p (vgl. 66. 1020. 1463), wohl auch gelegentlich noch wider, ime für weder, eme und anderes: wir sagen es uns beim Vergleich mit anderen Denkmälern, ohne daß wir es näher bestimmen könnten. Die Einleitung habe ich in der Hauptsache in der alten Gestalt wieder aufgenommen. VIII

EINLEITUNG Die Gandersheimer Reimchronik Eberhards ist in einer Pergamenthandschrift des 15. Jahrhunderts überliefert. Es ist die Helmstedter Hs. 503 in der Landesbibliothek zu Wolfenbüttel.1 Sie ist in starke, lederbezogene und mit Messingbuckeln besetzte Holzdeckel gebunden, die mit Schließen versehen sind. Zur Beklebung der beiden Deckel auf der Innenseite und für das vordere Vorsatzblatt ist eine Pergamenturkunde des Gandersheimer Archivs verwendet, in die eine Bulle von Papst Martin V. aus dem Jahre 1421 eingerückt ist. Die Blätter (rechts oben beziffert) messen 25 χ 19V2 cm. Es sind 4 Lagen. Die drei ersten bestehn aus je 5 Doppelblättern (Bl. 1-30), die vierte umfaßt 1 Doppelblatt (Bl. 31, rechte Hälfte leeres Schlußblatt), darauf 2 Blätter, deren rechte Hälften abgeschnitten sind, (Bl. 32 und 33) und dann wieder 2 Doppelblätter (Bl. 34-37). Auf diesen 37 Blättern, deren Schriftspiegel durch schwache Doppellinien abgegrenzt ist, hat eine einzige Hand die Dichtung gut lesbar eingetragen. Die Verse sind abgesetzt und beginnen mit rot gezierten Großbuchstaben. Im Inneren des Verses werden Großbuchstaben nur sparsam verwendet. Vorzugsweise, aber doch nicht regelmäßig, werden die Eigennamen dadurch herausgehoben. Sonst werden dieser Auszeichnung vor allem die Worte Closter, Stickte, Ebdie, Ebdiffche zuteil, auch Cruce (nicht aber god): so gibt der Schreiber sich schon durch die Äußerlichkeiten seines Schreibgebrauchs als Klosterangehöriger zu erkennen.2

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Vgl. die Beschreibung von O t t o von Heinemann, Die Handschriften der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel. Erste Abteilung, Die Helmstedter Hss. 2. Bd. (Wolfenbüttel 1886) S. 2 ( N r . 543). Als V. 1503 ftichte einmal klein geschrieben wird, handelt es sich nicht um Gandersheim.

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Rot ist die Anfangsüberschrift und ebenso sind es die Kapitelbezeichnungen (bis Kap. 13 in Buchstaben); diese stehn nicht am Rande, wie Weiland sagt, sondern innerhalb des Schriftspiegels, meist auf der letzten Verszeile des vorhergehenden Kapitels oder auf der ersten Verszeile des neuen, bisweilen, wenn vorher kein Platz ist, sogar erst auf der zweiten; nur ausnahmsweise (114 und 378) sind ihnen einige Zeilen gegeben. Offenbar sind sie aus der Vorlage übernommen. Rot sind auch die Anfangsbuchstaben der Kapitel, während die lateinischen Zitate Eberhards nur rot unterstrichen sind; rot umrandet sind die Löcher im Pergament. Am Rande, rot geschrieben, stehn Glossen, die jedenfalls Zusätze des Schreibers sind. Zur Überschrift wird angemerkt: Nota Cronor grece dxr tempy latte Inde Cronicy ca. cum. ide tpalis ul frenp Inde Cranica | ozf Et Cronica dr tp | tpalis | feries ül ordo ül vbi dej'cpta tpm ytineCül fcä inltotf tpm. Im weiteren Verlauf stehn sehr viele Hinweise auf den Inhalt des Textes, die ohne Bedeutung sind (neben V. 50 ζ. B. Item de prologo); größtenteils sind es nur die Namen, die in den nebenstehenden Versen vorkommen. Bis auf ein paar andersgeartete habe ich diese Hinweise mit Weiland fortgelassen. Von erheblichem Interesse sind dagegen die zwischenzeiligen Glossen, 37 an der Zahl, sämtlich von mir verzeichnet. Es sind meist Erläuterungen von Worten, die entweder dem Schreiber nicht geläufig waren oder nach ihrem Schriftbild mehrdeutig.3 Alles aber - Text, Überschriften, Rand- und Zwischenzeilenglossen - ist offenbar von ein und derselben Hand geschrieben; es ist auch nicht etwa alles Rotgeschriebene nachgetragen; bei den Kapitelbezeichnungen ergibt sich das schon daraus, wie sie ge3

Dies trifft auch zu für den N a m e n gande 401, da er nicht durch Großbuchstaben ausgezeichnet ist. D a r u m sehe idi in der Glossierung doch keinen Beweis dafür, daß der Schreiber kein Stiftszugehöriger gewesen wäre. Vgl. auch S. X X X V .

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legentlich eingeschoben sind. S. auch 140, 1077 (unter 587), 1676. 4 Vgl. hierzu Edw. Schröder, Zur Uberlieferung des Eberhard von Gandersheim, Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 45, 119-26. Am Schluß der Hs. steht von ganz anderer, sehr grober H a n d ein Eintrag über den Tod der Pröpstin Elisabeth von Dorstad, 0 die zugleich Äbtissin des alten Frauenklosters Heerse (Neuenheerse) war und in Gandersheim beigesetzt ist: Anno dni milefimo quadzagentefimo octinvagefimo quarto in die fancte martini epi obiit nohilis et Generofa dna Elisabeth de dorstad abat i f f a feculazis eclefie Hezifiencis ac prepofitiffa eclefie Ganderfemfnect cuip αϊ a Requiefcat in pace Amen. Die Worte berühren sich mit der nur noch zum Teil lesbaren Inschrift des Grabsteins, der in der Marienkapelle des Gandersheimer Domes steht, decken sich aber nicht mit ihr; 6 sie sind jedenfalls beim Tode Elisabeths von Dorstad eingetragen. Also lag die Hs. 1484 fertig vor und ist in Gandersheim geschrieben, wie sie auch dort gebunden ist. Im Jahre 1558 war sie schon im Besitz des Herzogs Julius von Braunschweig-Lüneburg, wie ein Eintrag auf Bl. 1 kundgibt. Uber Orthographie und Sprache der Hs. siehe S. X X X V I ff. Als Interpunktionszeichen werden gelegentlich senkrechter Strich und Punkt verwendet. Von einer zweiten Hs. in der Erzbischöflichen Bibliothek in Kalocsa berichtete M. G. Kovachech von Schenkwitz im Archiv 4

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Auch 562 ist für das m von jurem, 1495 für das h von hinrik zum Rot gegriffen; 1322 zeigt die Schrift im Worte cordes rötliche Beimischung. Aus dem vornehmen Geschlecht derer von Dorstad (südlich von Wolfenbüttel), das Gandersheimsche Lehen in Besitz hatte und verschiedene Glieder in das Stift entsandt hat. Vgl. Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig, 5. Bd. Gandersheim, bearb. von K. Steinacker (Wolfenbüttel 1910) S. 157.

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für ältere deutsche Geschidhtskunde Bd. 6, 137 f. Nach freundlichen Mitteilungen, die ich dem Erzbischöflichen Bibliothekar Dr. Paul Winkler danke, stammt sie erst aus dem Ende des 17. Jhs. und enthält am Schluß den gleichen Zusatz vom Tode Elisabeths von Dorstad wie die Wolfenbüttler Hs., ein Beweis dafür, daß sie tatsächlich aus dieser hervorgegangen ist, wie Weiland aus der Ubereinstimmung in der Oberschrift (mit dem Fehler 1206 für 1216) vermutete. Die Dichtung ist 360 Jahre nach der Gründung des Gandersheimer Klosters, also im Jahre 1216 verfaßt von einem papen, de heit Everhart, wie uns der Dichter selber sagt (V. 867 ff.). Daß er sich zu den geistliken lüden rechnet und dem Gandersheimer Stift als Geistlicher zugehört, können wir aus der Dichtung audi sonst deutlich genug erkennen. Als seine Herrin nennt er am Schlüsse die Äbtissin Mechelt von Waltingeroth, und in zwei etwas älteren Urkunden Mechtilds, deren sonstiger Inhalt für uns belanglos ist, begegnet audi ein Diakon Eberhard, den wir offenbar als den Dichter anzusehn haben. Die eine ist aus dem Januar 1204: Datum per manus Euerhardi Diaconi nostri notarii, die zweite vom 3. Februar 1207: Scriptum per manus Everardi diaconi. Siehe Harenberg, Historia ecclesiae Gandershemensis diplomatica (Hannoverae 1734) 736 ff. Die Regierung der Äbtissin Mechtild war für das Kloster bedeutsam dadurch, daß es ihr gelang, in erbittertem Streit mit Bischof Hartbrecht von Hildesheim für ihr Stift den Anspruch auf die libertas Romana, die Römesche vriheit, durchzusetzen, den Anspruch auf das Vorrecht, daß das Kloster, befreit von jeder bischöflichen Jurisdiktion, unmittelbar dem Stuhl zu Rom unterstände. Dreimal ist sie darum nach Rom gefahren, sie hat sich nicht davor gescheut, verschiedene alte Urkunden zu fälschen,7 und so hat sie ihr Ziel erreicht: in der Bulle vom 11. Mai 1208 erkannte Innozenz III., der die Selbständigkeit der Bi7

Siehe darüber Rudolf Köpke, Ottonische Studien zur deutschen Geschichte im 10. J h d . I I (Berlin 1869) S . 2 5 3 ff. und Weilands Ein-

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schöfe zu schmälern strebte, unter Bezugnahme auf die von der Äbtissin vorgebrachten alten Privilegien endgültig den Anspruch des Gandersheimer Stiftes an. Aber noch verschiedene andere päpstliche Verfügungen waren nötig, ehe sich der Hildesheimer Bischof endgültig fügte und alle Folgerungen zog. 8 Von diesem Streit und den Bullen, die Mechtild von Innozenz erlangt hat, berichtet auch Eberhard am Schluß der Dichtung; mit stolzer Genugtuung hebt er hervor, daß es der Äbtissin gelungen sei, ihre Forderungen durchzusetzen, und mit wie gutem Recht sie diesen Erfolg errungen, dat möchte wol sagen, we der bantfesten gewelde, de ere openbare gaf pawes Innocencius. Offenbar rührt der Dichter hiermit an den eigentlichen Zweck seines Werkes: es sollte aus der ältesten Geschichte des Klosters zeigen, wie alt und wohlbegründet seine Forderungen wären. Die alten Rechte Gandersheims und namentlich die libertas Romana werden von Eberhard einmal um das andere hervorgehoben, sie seien verbrieft in Urkunden, de neine lögene danne de warheit jein, deren Wahrheit unverrückbar bleibe, wenn auch niemand dem Kloster sein Recht zukommen lassen wolle; schon gleich nach der Gründung soll Papst Sergius II. dem Herzog Ludolf in einer hantfeste die römische Freiheit für seine Gründung zugesichert haben. Eberhard nimmt vielfach, wenn auch nur ungenau, auf Urkunden Bezug, durch welche dem Kloster wichtige Rechte und Besitzungen verliehen werden, er ist urkundlich als notarius Mechtilds nachgewiesen: so ist es nicht unwahrscheinlich, daß er Mechtild bei ihren politischen Kämpfen tätig zur Seite gestanden und wohl gewußt hat, daß nicht alle Privilegien echt waren, auf die er sich beruft. Er spricht es, halb scherzhaft, einmal selber

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leitung zu seiner Ausgabe, Monumenta Germaniae Historica, Deutsche Chroniken Bd. 2 (Hannover 1877). Harenberg S. 738 ff.; J . G. Leuckfeld, Antiquitates Gandersheimenses (Antiquitates historicae selectiores, Wolfenbüttel 1728), 13. Kapitel S.74 ff.

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aus, daß ihm ein kleines Vergehen zum Besten des Stiftes verzeihlich, ja Gott wohlgefällig scheint: der Königin Lütgart, welche ihrem Gatten das heilige Blut entwendet hat, habe wohl Gott selber den Gedanken zu diesem Diebstahl eingegeben. Eine Auffassung, die uns im Mittelalter gerade in Bezug auf Reliquienerwerb öfters auf das naivste entgegentritt. Jedenfalls hat Eberhard - das können wir aus seinen Kenntnissen und der Art der Dichtung schließen - sein Werk im Zusammenwirken mit der Äbtissin und in ihrem Auftrag verfaßt. Er dichtet für die ungelarden lüde, für denstbafl unde underdenich man des Klosters. Ihrer Treue mußte das Kloster sich versichern. Den Ministerialen die altbegründete Rechtmäßigkeit der Gandersheimer Forderungen und die ehrwürdige Bedeutung des von Gott geschützten Stiftes darzutun, das ist die Aufgabe der Dichtung. Eine Aufgabe, welche große tatsächliche Bedeutung hatte. Eberhard klagt darüber, daß jetzt niemand, welchen Reichtum er auch habe, dem Kloster milde Stiftungen zukommen lasse, sondern man im Gegenteil das Kloster beraube und ihm sein Eigentum entziehe: se beten der godesbuse triiwe man unde roven de godeshus nochtan, de se vor Unrechter gewalt

bescher-

men schölden (843 ff.). Ähnliches kehrt noch mehrfach wieder: es ist wieder die Wirklichkeit der Gegenwart, die sich in der Dichtung als bewegende Kraft hervordrängt. Wir hören aus Urkunden ganz dasselbe, insbesondere wendet sich auch Innozenz III. im Jahre 1210 an die Ministerialen der Gandesheimer Kirche und ermahnt sie, sie zu schützen a malefactorum incursibus und ihre Rechte und Besitzungen in Schutz zu nehmen und zu verteidigen (Harenberg S. 748). Die Dichtung Eberhards zerfällt in zwei deutlich getrennte Teile. In Kap. 16 fordert er die Gandersheimer auf, namentlich soweit sie geistlichen Standes sind, dem heiligen Blute die gebührende Ehrfurcht zu erweisen. Dann will er nur noch das Jahr der Gründung mitteilen, und endlich gibt er noch den Zeitpunkt an, zu dem er selbst gedichtet hat, und nennt seinen eigenen Namen mit der Bitte an Hörer oder Leser, daß sie für seine XIV

Seele beten mögen. Es ist der übliche Schluß des Mittelalters. Die Aufgabe, die Eberhard gestellt war, ist abgeschlossen: er hat gezeigt, daß die Rechte Gandersheims noch aus der Zeit der Gründung stammen. Darauf aber hebt er in Kap. 18 wieder von vorne an. Von der Gründung des Klosters habe er erzählt: seit, nu is mi ok de danke an min herte gekomen, dat ek ju von des hertogen Lüdolves siechte von der warheit wil berichten rechte. Das ist ein Gedanke, der ihm selbst, dem Dichter, gekommen ist: mit der politischen Aufgabe, die ihm gestellt ist, hat dies nichts mehr zu tun, und so treten in dem folgenden Teil die zeitgeschichtlichen Beziehungen in den Hintergrund. Der Dichter hat den Politiker abgelöst und überwunden. Mit der Einseitigkeit von stolzerfüllter Liebe, die wir auch im ersten Teil schon spürten, werden nun die Taten der Ludolfinger, die dem Kloster so eng verbunden waren, und des kühnen, treuen Sachsenstammes dargestellt. Nur im Schluß, der in einen Preis Mechtilds ausmündet, treten die politischen Gegenwartsgedanken des Gandersheimer Klosters noch einmal hervor, und auch die Geschicke des ganzen deutschen Volkes, die Kämpfe der Staufer und Weifen, welche die Reichsabtei vermutlich nah berührten, werfen ihre Schatten auf die Dichtung. Den ersten Teil hatEberhard im Jahrel216 abgeschlossen, den zweiten jedenfalls noch vor dem Tode Ottos IV. (19. 5. 1218). Mit dem Einschnitt hinter Kapitel 17 verbindet sich bei der Fortführung der Ubergang zu einer neuen Quelle, die der Sachsengeschichte Widukinds sehr nahe steht. Vgl. über die Quellenfrage Köpke a. a. O. 229 ff., Paul Hasse, Die Reimchronik des Eberhard von Gandersheim, Dissertation, Göttingen 1872, Weilands Einleitung und meinen eigenen Aufsatz Nd. Jahrbuch 50, 31 (auch zum Folgenden). Den sachlichen Inhalt seiner erzählenden Quellen übernimmt Eberhard dort, wo wir es nachprüfen können, ohne Änderung und ergänzt sie nur gelegentlich aus eigenen Kenntnissen, insbesondere mit solchen Tatsachen, die für das Kloster Bedeutung XV

hatten und in Gandersheimer Urkunden zu finden waren. Je nachdem, ob die Darstellung der Quellen seinen dichterischen Absichten gemäß war oder nicht, schließt er sich ihnen auf das treuste an, kürzt sie oder spinnt sie aus. Ihm liegt nicht an einem chronistisch fortlaufenden Bericht und auch nicht in erster Linie an den geschichtlich bedeutsamen Zusammenhängen und Ereignissen. Er will vielmehr in lauter abgerundeten Kapiteln einzelne Bilder von menschlichem Interesse geben. So stößt er einerseits Tatsachen von nur geschichtlichem Interesse ab und verweilt anderseits ausmalend auf all dem, was die menschlichen Persönlichkeiten handelnd und in ihrem Charakter hervortreten läßt. Wo die Quelle ihn bei einer für das Kloster wichtigen Persönlichkeit im Stich läßt, entwickelt er das Idealbild eines frommen Christen, dem vor allem das Wohl des Stifts am Herzen liegt, und sucht außerdem den Mangel an Erzählungsstoff durch Betrachtungen allgemeingültigen Inhalts auszugleichen, aus denen wir die rein geistliche Richtung seines Denkens erkennen. Neben der immer wiederkehrenden Hinwendung zur himmlischen Seligkeit als dem letzten Ziel alles Erdenlebens ist es namentlich für ihn bezeichnend, wie er - anders als der Helianddichter, Hrotswith oder Widukind - den Geburtsadel im Vergleich mit dem Tugendadel für bedeutungslos erklärt. Er scheut sich nicht davor, in Unwillen und Entrüstung über die Vernachlässigung und zurücksetzende Behandlung seines Klosters die Gesamtheit der zeitgenössischen Fürsten mit den härtesten Vorwürfen zu überschütten und ist auf die höveschen lüde und ihren Adelsstolz schlecht zu sprechen. Deutlich prägt es sich aus, daß die Dichtung nicht für einen Fürstenhof bestimmt ist. Mit Inhalt und Ziel des Werkes wie mit seiner ganzen Geistesrichtung steht Eberhard also der höfischen Dichtung und ihren Idealen so fern wie möglich. Das kommt auch im stilistischen Charakter dieser Verschronik zum Ausdruck. Die Kunstmittel alle, durch welche die höfischen Dichter seit Heinrich von Veldeke, unter Fortführung älterer Ansätze ζ. T., den dichterischen Reiz ihrer Darstellungen zu erhöhen trachten, fehlen bei EberXVI

hard; selbst Eilhard hat trotz seiner Rückständigkeit hierin mehr von der neuen Kunst. Auch wenn man die Verschiedenheit des Stoffs in Rechnung stellt, die ζ. B. in der Gandersheimer Dichtung selten Gelegenheit zu Reden gibt, bleibt das doch festzustellen; gerade daß Eberhard seine Darstellung nicht noch öfter durch Gespräche belebt hat, und daß er oftmals bei indirekter Rede stehn bleibt, ist bemerkenswert. Nicht bloß die geistlichen Ermahnungen erinnern häufig an den Prediger; auch die vielfältigen Anreden an die Hörer, mit denen er sie zur Aufmerksamkeit aufruft, die Ankündigungen von Bedeutungsvollem, die Ausrufungen, die Einschaltungen, was er selber denke, rufen diesen Eindruck wach in Verbindung mit der breit ausladenden, nachdrücklichen Beredsamkeit und dem ungeschmeidigten Satzbau, der sich gelegentlich durch Einschaltungen unterbricht. Die Stellung abseits von dem ganzen Kreis höfischer Dichtungen macht sich in besonders starkem Maße in der Verskunst Eberhards bemerkbar. Ein weiter Abstand trennt seine Verse von den üblichen Rhythmen bei den hochdeutschen Dichtern der Blütezeit. Viertakter sind es freilich hier wie dort. Der Gegensatz liegt in der Art der Taktfüllung. An Stelle der frühmhd. Vielgestaltigkeit des Versbaus, der die schwerwichtigen und vielsilbigen Takte im Versinnern liebte, zugleich aber auch zu Versen schwächster Füllung herabstieg, war auf hd. Boden seit den letzten Jahrzehnten des 12.Jhs. als Formideal mehr und mehr das leichtfüßig schreitende schöne Gleichmaß mit regelmäßigem Auf und Nieder durchgedrungen, das die schroff herausgewölbten Gegensätze mit ihren leidenschaftlichen Nachdrucksbetonungen dämpfte, wie das dem höfischen Lebensideal entsprach. Die schwerbelasteten Takte und Verse aber, von denen man sich dort abgewendet hatte, sind für das rhythmische Empfinden Eberhards gerade das Natürliche; die Versfüllungen etwa vom Durchschnittsmaß Gottfrieds liebt er nicht und die schwächeren noch weniger (wenngleich einsilbige Taktfüllungen nicht gänzlich fehlen), und er hebt sich dadurch auch von der frühmhd. Dichtung ab; fast kann man sagen, daß bei ihm das XVII

Gleichmaß voller Füllung herrscht. Trotz dieser Abneigung gegen den knapp gefüllten Vers, durch welche die Vielseitigkeit der Formenbildung und damit die rhythmische Ausdrucksfähigkeit beschränkt wird, kann man sagen, daß sein Formgefühl im Gegensatz zu romanisch geartetem Formempfinden ausgesprochen deutschen oder germanischen Charakter trägt. Der Zeitfall seiner Verse paßt sich in hohem Maße der Tonabstufung der natürlichen Rede an. Einer Flexionssilbe gibt er im Versinnern niemals eine Hebung, den bedeutungsschwersten Silben aber als den Hebungsträgern werden bei den vielsilbigen und vielwortigen Takten, die ihm so geläufig sind, nicht bloß unbetonte und nebentonige Vor- und Endsilben und einsilbige Pro- und Enklitika untergeordnet, sondern sie werden auch vielfach über die Stammsilben selbständiger hebungsfähiger Worte von nicht ganz geringem, aber doch leichterem Gewicht erhöht. Das gibt die Möglichkeit, die Gipfelpunkte des gedanklichen Nachdrucks voll herauszuheben und zugleich den Zeitfall dem Wechsel der Lebendigkeit und inneren Spannung anzupassen, Verse, in denen die Gegensätze von Gipfel und Tal stark ausgeprägt sind, mit solchen von ebnerem Tonfall wechseln zu lassen. Liegt hierin die Verwandtschaft mit dem Stabreimvers, so sind, von der Verschiedenheit des Rahmens ganz abgesehen, doch auch die Unterschiede in der Art der Taktfüllung unverkennbar. Ich hebe hier nur eine Einzelheit hervor. Im Gegensatz zu der altgermanischen Regel kann das vorausgehende Beiwort bei Eberhard anscheinend seinem nachfolgenden Hauptwort untergeordnet werden, z.B. 465. 656. 1469. 1796. 1941, namentlich im Versanfang, wenn das Beiwort in den Auftakt tritt (vom Titel gilt das Gleiche). Darin liegt offenbar ein Zeugnis, daß die Verschiebung der Betonungsverhältnisse vom altgermanischen Zustand zum neuhochdeutschen eingetreten ist (vgl. Heusler, Deutsche Versgeschichte § 135). - Auch der Auftakt wird oftmals stark belastet. Viersilbigkeit ist wie bei den Senkungen der drei ersten Takte etwas Häufiges, auch Fünfsilbigkeit kommt nicht selten vor (ζ. B. 881. 1022. 1093. 1096) und selbst, XVIII

obwohl nur vereinzelt, Sechssilbigkeit (z.B. 1557). Audi vollwichtige Worte muß der Auftakt gelegentlich aufnehmen, ζ. B. 1556. Im Lauf der Dichtung wächst die Neigung zu den schweren Füllungen, und es ist zuzugeben, daß man nicht selten auf Schwierigkeiten stößt, den viertaktigen Rahmen durchzuführen. Für verderbt halte ich den überlangen Vers 1231 ebenso wie umgekehrt V. 886; die schwache Füllung (143 f.) ist Ausnahme. Eine Sonderstellung haben die Verse Eberhards ganz besonders dadurch, wie er den Versschluß behandelt. Während der weiblich volle Schluß (also etwa singen als 4. Takt des Verses) im ritterlichen Reimpaar zurückgedrängt war vom klingenden Schluß (singen für die beiden letzten Takte), der immer das Normale für die Endreimdichtung gewesen war, hat er bei Eberhard gerade umgekehrt die Herrschaft gewonnen; auch den dreisilbigen Worten wie sagende, stichtede gibt er regelmäßig am Versausgang nur e i n e Hebung und setzt sie ohne Scheu in den Schlußtakt. Den klingenden Ausgang meidet er dagegen, und nur einzelne Ausnahmen kommen vor. Vers 27 und darum auch wohl Vers 28 sind anzuführen; in V. 224 mögen dem Beiwort in besonderem Nachdruck zwei Hebungen gegeben sein. Fehlerhaft überliefert ist V. 251. Diese Gestaltung des Versausgangs stimmt mit der natürlichen Betonung überein und paßt damit vortrefflich zu dem rhythmischen Gesamtcharakter der Eberhardschen Verse, zu der Vorliebe auch im Inneren für volle Taktfüllung und der Abneigung gegen Hebungen auf Nebensilben. So ruhn sie mit allen Zügen ihres Baus auf dem gleichen urwüchsigen und kraftvollen Formgefühl. Aber Eberhard steht hiermit einsam da. Auch die Dichter Niederdeutschlands, die unter dem Vorbild höfischer Werke dichten, Eilhard, Berthold von Holle, Brun von Schönebeck, die Braunschweigsche Reimchronik, auch der Pfaffe Könemann, um von Späteren hier zu schweigen, folgen mit größerer oder geringerer Freiheit dem hd. Versideal der Blütezeit. Zwei mhd. Werke nur sind uns bekannt, in denen ebenfalls der weiblich XIX

volle Ausgang anstelle des klingenden durchgeführt ist. Das eine hiervon liegt weitab: der Welsche Gast von Thomasin von Zirclaria. Mit seiner Versform hat er sich an das Französische angelehnt; so fehlt der Füllung seiner Innentakte die germanische Freiheit Eberhards. Das andere, vermutlich um einige Jahre jünger als die Gandersheimer Reimchronik, ist das Rheinische Marienlob, das aus dem Kloster Marienthal bei Ahrweiler stammen könnte; mit dem ganzen Zeitfall seiner Verse, den wir nicht einebnen dürfen, um nicht die Wirkung zu zerstören, ist es, wenngleich minder frei, der niederdeutschen Dichtung nahe verwandt. Ist die Durchführung der weiblich vollen Verse über das Niederländische aus dem Französischen vermittelt (Heusler, Deutsche Versgeschichte, 2. Bd. § 593), obwohl dies mit seiner Taktfüllung sonst so fern steht und gerade in den Niederlanden Heinrich von Veldeke der vorbildliche und anerkannte Förderer des höfischen Versideals geworden war, oder ist es vielmehr heimische Entwicklung, aus dem sieghaften Durchdringen ungezwungener Sprachbehandlung und deutschen Formgefühls zu erklären? Auf jeden Fall sind als Träger dieser Formprinzipien, die ohne unmittelbaren Zusammenhang bei Eberhard und im Marienlob auftauchen, nichterhaltene Dichtungen anzunehmen, die mit Sicherheit nicht höfisch und deswegen vermutlich unterliterarisch waren. Trotz des Anschlusses an das höfische Versideal macht sich gerade bei Niederdeutschen wie auch bei Niederländern die Neigung zu freierer Taktfüllung kräftig geltend, ist auch bei Brun von Schönebeck ζ. B. deutlich fühlbar. Sie setzt sich im Gegensatz zum hd. Boden schließlich wieder durch, und auch die weiblich vollen Verse werden im Lübecker Dodesdanz von 1489, im Reinke (der im Versinnern aber auch knappe Taktfüllungen anwendet) und im Narrenschyp wieder zur Regel: man darf wohl glauben, daß ein Strom, der längere Zeit im Verborgenen flöß, wieder durchgebrochen und ans Licht getreten ist. Von der modernen höfischen Dichtung hebt Eberhard sich auch durch sein Stehenbleiben auf einer überholten Stufe der XX

Reimkunst ab. Während f ü r die Kunstdichtung mit höheren literarischen Zielen mit den 80er Jahren des 12. Jhs. der reine Reim mit Gleichheit und nicht bloß Ähnlichkeit der zusammenklingenden Lautfolgen zur Forderung des verfeinerten Formgefühls geworden war, und nur kleinere Reste der älteren Freiheit sich Anfangs noch erhalten hatten, gehn die Ansprüche Eberhards längst nicht soweit. Insbesondere gilt es ihm nicht als erforderlich, daß die im Reim gebundenen Konsonanten sich lautlich decken müssen. Die Ungenauigkeiten beschränken sich jedoch, namentlich soweit sie häufiger vorkommen, auf ganz bestimmte Züge. Im Auslaut des einsilbigen Reimes ist p : k gebunden, V. 1797. Außerdem finden sich auch 4 Reime zwischen stimmlosem Verschluß- und Reibelaut ( k : ch 777. 905. 1614; ρ : ch 65; t wird ferngehalten!); wenn diese Bindungen zugelassen wurden, so spricht offenbar der Mangel passender Reimworte dabei mit. Ferner werden einmal ft und cht gebunden (431; vgl. 305. 339 und anderseits eine Reihe Reime auf -icht). Bei Reimnot finden sich dreimal Reime von m:n nach langem Vokal (243. 1168. 375), während die beiden Nasale sonst getrennt gehalten werden (7 Reimpaare auf -am, 5 auf -an). Bei V. 1230/1 scheint mir das Überlieferte aus dreifachem Grunde verdächtig (beispiellose Überladung des Verses, das überschießende t, -lieh für -like). Im Auslaut des zweisilbigen Reimes findet sich ein paarmal überschießendes η (475. 897. 1332. 1370. 1618. Vgl. 979. 1640. 1658 sowie 1124. 1847), dazu ein- bis dreimal überschüssiges t (1650. 1490. 551). Im Inlaut des zweisilbigen Reimes bietet die Überlieferung eine auffällige Bindung von einfacher mit mehrfacher Konsonanz : leren (lernen nicht wahrscheinlich): werden 233 (mit Dehnung vor rd). Die Reime 359 und 1208 erklären sich aus den vorzugsweise ostfälischen Formen wetten (d. h. wetn) und vormetten. Im Wurzgarten Könemanns 5 solche Reime, vgl. die Anm. zu 1307. Audi dort wetten : bitten 3537. Als Ausnahmefälle finden sich 3 Bindungen von stimmlosem XXI

zu stimmhaftem Geräuschlaut (89. 107. 373), wobei die ersten beiden noch dazu Verschluß- und Reibelaut miteinander binden, während im dritten Fall ein genauer Reim unmöglich war. Bei einfacher Konsonanz werden 8 mal verschiedene stimmlose Verschlußlaute gebunden (7 mal k : p, l m a l k : t), verschiedene stimmhafte Geräuschlaute 56 mal und zwar 11 mal Verschlußlaut mit Reibelaut (5 d: v, 6 d: g), 45 mal Reibelaut mit Reibelaut ( g : v). D a z u kommen 3 Bindungen von m und η mit dem labialen und dem palatalen stimmhaften Reibelaut (47. 735. 239). Bei langer oder mehrfacher Konsonanz wieder ft: cht (1801; auch 111?); 4 m a l werden der lange dentale und velare Nasal gebunden ('nd hingegen bleibt getrennt). Einmaliges rr: rn (643) beruht auf Reimnot. W ä h r e n d hiernach dem Dichter beim Konsonantismus zahlreiche ungleiche Bindungen vollkommen einwandfrei und gut erschienen, geht die Genauigkeit im Vokalismus sehr viel weiter. Geschichtlich verschiedene Quantitäten, um damit zu beginnen, werden in geschlossener Silbe nur in bestimmten Fällen, nämlich vor den Konsonantengruppen nt, nd, rt, rd und cht gebunden, wobei ζ. T. lautlicher Zusammenfall durch K ü r z u n g oder Dehnung anzunehmen ist. 9 Vgl. auch 233. D a z u kommt einmal hüs : alsüs (41), gelik : sik (1041) und ein Reim bat ( b a t ) : rat (Rat), V. 1671, dem 4 von -at: -at und 8 von -at: -at zur Seite stehn. 10 In offener Silbe werden verschiedene Quantitäten nicht gebunden, die ursprünglich kurzen Vokale in offener Tonsilbe werden von den etymologisch langen streng getrennt. Trotz vielfacher Möglichkeiten sind nur 3 Bindungen zwischen beiden Gruppen überliefert; hiervon ist die eine jedenfalls zu bessern (475), auch bei der zweiten (239) halte ich eine Verderbnis f ü r wahrscheinlich, da das Überlieferte keinen voll befriedigenden Sinn ergibt, und beim dritten Reim entweren (für entwerten, wie im M n d . häufig): keren 1945 ist Frühdehnung im ersten β Dazu Dahlberg Nd. Jb. 63/64, 184. Als Reim unter mindertonigen Vokalen vgl. noch 1929.

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Reimwort denkbar (entwerten, woraus entweren, Chr. Sarauw, Niederdeutsche Forschungen, Kopenhagen 1921/4, Bd. 1, 123ff.). Dieser Sachverhalt legt die Auffassung nahe, d a ß die ursprünglich kurzen Vokale noch nicht die volle Länge der alten Langvokale erhalten hatten, und der Umstand, d a ß die Beizeichen der Hs., soweit sie nicht als Umlautsbezeichnungen aufzufassen sind, in der Regel nur der 2. G r u p p e gegeben werden (vgl. S. X L I ) , deutet darauf hin, d a ß dies selbst im 15. J h . noch nicht der Fall w a r . Zur Behandlung der Vokalqualitäten ist zunächst hervorzuheben, d a ß zwischen den fünf verschiedenen Lautgruppen, die sich hinter den Schreibungen a, e, i, o, u verbergen, vollkommene Trennung herrscht. Bei der einzigen Ausnahme, die hier anzuführen wäre, sitten : wetten 359, ist das e des zweiten W o r tes aus älterem i hervorgegangen und mochte infolge der K ü r zung dem ursprünglichen Lautwert noch nahe stehn. Bei den etymologisch kurzen e-Lauten sind keine Untergruppen festzustellen. Es reimen altes e u n d Umlauts-e (107. 1240. 1208. 61. 165. 321. 917), und auch das e, das in offener Tonsilbe aus i hervorgegangen ist, wird nicht geschieden (89. 1775 sowie 373; vgl. auch 1929), wiewohl der Dichter es vielleicht lieber nur mit sich selber reimt (s. 1017. 1408 gegenüber 107. 219); es ist nur wenig Gelegenheit zu solchen Bindungen vorhanden. Bei den etymologisch langen e-Lauten (einschließlich ei) m u ß man verschiedene Gruppen unterscheiden. 1 1 Die erste bildet der U m l a u t von a (e 1 , vielleicht noch offener e-Laut, vgl. Sarauw 1, 148). Vor r wird er begreiflicherweise ohne jegliche Zurückhaltung mit e aus germ, ai (e 2 ) gebunden. Sonst steht in offener Inlautssilbe (wo f ü r e2 vielleicht geschlossener e-Laut anzunehmen ist) neben 26 Reimen zwischen den Konjunktiven de de und hede (sowie heden und deden 539) nur ein einziger Reim von e2 zu e1, klede: hede 419: hat der Dichter ihn als minder gut e m p f u n den oder ist nur der Mangel an Reimworten mit e 2 der G r u n d 11

Vgl. hierzu noch besonders Seelmann AfdA. 32, 64 ff.

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dieser Vereinzelung? Eine streng von e 1 und anscheinend auch von e2 geschiedene Gruppe bilden die Reime zwischen bereide, geleide (Sbst.), geleide, leide (leitete) 267. 451. 1144; e3 ist für sie anzusetzen (nach Seelmann Umlaut von e2 durch ein i der Folgesilbe, was nach neueren Untersuchungen wohl nicht aufrecht zu halten ist; vielleicht Diphthong aus breitem e und i). Der gleiche Lautwert gilt wahrscheinlich für den Reim vorscheiden : beiden 495 (heutige Gandersheimer Aussprache beiden, unnerscheiden), vgl. Sarauw 1, 158. 162. Vollkommen abgetrennt ist endlich eine weitere Gruppe, die sich aus verschiedenen Quellen speist, e4 (vielleicht geschlossenes e mit nachklingendem i). Auf der einen Seite stehn mit e1 13 Reime auf -ege, -eve, dazu 4 auf -egen, -even, auf der anderen Seite der Reim leve: deve 561. Es reimt einerseits weisen (orphanis): eisen 1703, anderseits vorlesen : kesen 853. 935. In geschlossener Silbe hält Eberhard e2 (in dieser Stellung vielleicht diphthongisch, Sarauw 1, 74 ff.) und e 3 , wie es scheint, nicht auseinander. Er reimt -heit (heutige Aussprache -heit) auf leit (Adj.) und breit (heute breet gesprochen) 1. 177. 637, und dazu warheit: bereit (heute mit ei) 571 (Konjektur von Schröder). Fünf weitere Reime binden -heit: -heit (Diphthong aus offenem e und i?) Diesen 9 Bindungen mit e2, e3 stehn mit den Worten deit (Volk), neit (nicht), reit (riet), vielleicht auch (1230 und 1442) leit (ließ) sowie den Formen geit, steit, deit (tut), entpheit 15 andere gegenüber (67. 499 und natürlich 1230. 1442 nicht mitgerechnet). D a ß die letztgenannten Präsensformen hier zu der Gruppe mit e4 gehören, ist sehr bemerkenswert, da sonst geit und steit und dazu deit in der Regel mit e3 gebunden werden, seltener mit e2 (Soest); vom hd. Standpunkt wäre die scharfe Trennung von den anderen ei-Reimen nicht zu begreifen. Vielleicht waren sie bei Eberhard nur schwach diphthongisch (enges e mit anschließendem /-Klang), und erst als die Diphthongierung weiter fortgeschritten war, fanden sie in e3 (ei) ihre natürliche Entsprechung. XXIV

Die nach Schwund von ζ wischen vokalischem h entstandenen Kontraktionsformen, zu denen schon entpheit gehörte, werden bei Mangel an anderen Reimwörtern sonst meist unter sich gebunden und zwar wird vlein (fliehen) ohne Scheu auf gesein (sehen), geschein (geschehen) gereimt (695. 1138. 1444), dazu auf besten 1316. Da weiter gende: bekende (1104) und seinde : ende reimen (1596. 1622. 1717), stand das ei der Kontraktionsformen vermutlich monophthongischem e nahe. Vgl. auch 119. Bei den o-Lauten werden o 1 (germ. 6) und o2 (germ, au) nicht getrennt. 12 Als Ostfale zieht Eberhard es aber bei bequemer Reimmöglichkeit vielleicht doch vor, die verschiedenen Laute mit sich selbst zu binden. Vgl. auf -öt die Reime 579. 591. 1061. 769 (Konjektur) mit o2 und anderseits 15 Reime auf -ot mit o1. Deutlich ist die Neigung zur Sonderung zwischen ό und seinem Umlaut. Neben 9 Reimbindungen auf -ode, 3 auf -öden stellen sich 6 auf -ode (155. 1152. 1454. 1540. 1875. 1892) und eine auf -öden (1200); einmaligem -oven:ogen (1524) treten 3 Reime auf -ögen, -öven gegenüber (317. 1256. 1272), wozu noch der fragliche Reim 239 sowie bedrövet: erhöve V. 1650 anzuführen sind. Neben die Konjunktivreime behörde: tostörde (465), wörde : hör de (1906) tritt die Bindung wörde : vor stör de (Ind.) 1013 und legt es nahe, auch den Indikativ hör de, stör de (vor de, krönde, löste, tröste, vrächte) mit Umlaut anzusetzen, da ja schon dem As. die Durchführung des Präsensvokals im Präteritum geläufig ist,13 jedoch muß es angesichts der abweichenden Bindung wort: gehört (903. 1234) sowie der Präterita getalde (nebst Part, getalt), bekande, vorbrande, nande, sande, wände, behode (dazu karde) fraglich bleiben. In den Reimen schöne: lone 333. 925 sind offenbar ö und 6 gebunden. Voll durchgeVgl. Seelmann, N d . Jb. 18, 141 ff.; A. Lasch, Mittelniederdeutsche Grammatik, § 1 5 9 ; Sarauw 1, 196 ff. 13 Vgl. A. Lasch § 4 3 7 ; Sarauw 1, 2 9 3 ; 2, 190 ff.; A. Korlen, Statwechs gereimte Weltchronik S. 183 ff.

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führt ist also die Trennung nicht. Beim ο und u ist keine Tendenz zum Absondern des Umlauts zu erkennen. In rückblickender Würdigung der Reimgrundsätze Eberhards ist zu sagen, daß er mit seinen konsonantischen Bindungen weit hinter der verfeinerten höfischen Formkunst zurücksteht, mit den vokalischen aber nicht erheblich, abgesehen von den eben festgestellten Bindungen von umgelautetem und nicht umgelautetem ο und u, die im Niederdeutschen bis ins 15. Jh. zugelassen bleiben. Gehn seine Anforderungen zwar über die rückständige Reimbehandlung Eilhards bedeutend hinaus, so war doch in den Kreisen, welche die höfische Dichtung pflegten, mit solchen Mitteln um 1216 eine literarische Wirkung nicht mehr denkbar. Aber wir wissen es ja, daß Eberhard sich auch nicht von ehrgeizigen dichterischen Bestrebungen bestimmen ließ, daß er bei seiner Arbeit nicht an die Fürstenhöfe als die glänzenden Mittelpunkte dichterischen Lebens dachte, sondern aus politischem Anlaß nur auf einen fest umgrenzten Kreis seiner engsten Heimat, auf die Gandersheimer Ministerialen, wirken wollte. Hieraus ergibt sich auch das Verständnis für die Sprachform, in der die Chronik abgefaßt ist. Wie es im Zusammenhang mit der geographischen Lage und der geschichtlichen Entwicklung durch die gesamten Kulturverhältnisse gegeben war, hatte sich (nach dem Absterben der Stabreimdichtung) die Entfaltung der deutschen Dichtung höheren Stils bis zu ihrer farbenreichen und zart abgetönten Hochblüte auf dem hochdeutschen Sprachgebiet vollzogen und hatte diesem hierdurch die bedingungslose Führerschaft gegeben. Unmöglich mußte es dem Niederdeutschen scheinen, in seiner ungeübten und ungeschmeidigten Heimatsprache mit der Schönheit und Anmut hochdeutscher Dichtung in Wettbewerb zu treten. So entstand, gefördert durch den starken Gesamteinfluß des Südens - waren doch die Weifen selbst hochdeutscher H e r kunft - in Niederdeutschland höfische Dichtung in hochdeutschem Kleid; jene Dichter alle von Eilhard an, die unter dem Eindruck der neuen ritterlichen Dichtung und ihrer Ideale stanXXVI

den, suchten die M u n d a r t ihrer H e i m a t abzustreifen und sich einzureihen in den allgemeinen Kreis der Dichtungen, die sämtlich nicht einer Einzellandschaft, sondern der großen Geistesgemeinschaft des deutschen Rittertums angehören wollten. Eberh a r d aber hatte mit dieser Bewegung und den geistigen Kräften, die sie belebten, nichts zu tun. Unberührt von höfischen G e d a n kengängen und ritterlicher Formkunst w a n d t e er sich belehrend und ermahnend lediglich an die ostfälische Hörerschaft, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Kloster stand. S o w a r es das Gegebene, daß er in seiner und ihrer Sprache sprach und eine niederdeutsche Dichtung schuf. Allerdings k a m Roethe in seinen weitausschauenden Untersuchungen über die Reimvorreden des Sachsenspiegels zu einer anderen A u f f a s s u n g und war geneigt, auch Eberhard den nd. Dichtern zuzurechnen, die nach hd. Sprachform streben. 1 4 D i e nd. Lautgebung der H s . sollte der späteren Überlieferung zur L a s t fallen. D i e Reimuntersudiung weist indessen mit Entschiedenheit auf die A b f a s s u n g in nd. M u n d a r t hin und läßt gelegentlich sogar das Ostfälische spüren. D e n Gedanken an eine ungeregelte Sprachmischung schließt die vokalische Regelmäßigkeit der R e i m e aus; sie zeigt uns, daß sie im ursprünglichen Sprachtypus erhalten sind, und verbietet die Übertragung ins H d . , wobei m a n naturgemäß ans M d . denken müßte. Fern steht der Sprachstand der thüringischen Dichtungen. Eher k ä m e schon das Mittelfränkische, das mit so manchen Zügen eine Übergangsstellung einnimmt, und besonders das Ripuarische in Betracht, zumal ein vorbildlicher Einfluß älterer rheinischer Dichtungen literargeschichtlich sehr gut denkbar wäre. Auch hier aber treten die Gegensätze deutlich genug hervor. Selbst zum R i p u a rischen stimmt der Vokalismus nicht. V o m Annoliede an reimt die ganze G r u p p e rheinischer Dichter regelmäßig die Formen

ι" Abhandl. d. kgl. Ges. d. W. zu Göttingen, N. F. II 8, Berlin 1899. Ebenso audi Chr. Walther, s. Nd. Jahrb. 46, 76. XXVII

geit, steit, deit auf -eit (-heit) mit hd. ei,15 was Eberhard nicht kennt, während umgekehrt bei ihnen die Eberhardschen Bindungen auf deit (diet) und reit (riet), um von neit (nicht) zu schweigen, unerhört sind. Auch der Reim klede ·. he(d)de fällt heraus; als auffällig, wiewohl nicht unmöglich, muß man ferner die Bindungen von tonlangem e aus i mit altem e bezeichnen. Als unmöglich erweist sich die Durchführung der Lautverschiebung. Ins H d . übertragen ergäbe sprekit: timebit 373 vokalisch und konsonantisch einen Unreim, der nicht denkbar ist, und ebenso k a n n bei den Reimen vorgeten : gescreven 89, spreken: bewegen 107 im Hinblick auf die sonstige Reimtechnik Eberhards die Umsetzung in hd. Lautstand und damit in Bindungen von langem mit kurzem Konsonanten als ausgeschlossen gelten, da audi der Vokalunterschied, der sich ohne Frage schon zwischen offener und geschlossener Silbe ergeben hatte (auch im Mfrk.), in Rechnung zu stellen ist. Audi bei den Reimen sitten: wetten 359 und netten : vormeten 1208, deren ostfälischer C h a rakter schon hervorgehoben ist,, würde die Übersetzung ins H d . eine höchst bedenkliche Verschlechterung bedeuten, ebenso bei 563. 761. 909, und f ü r m f r k . Lautstand gilt das sogar f ü r 1226. 1266. 1550. Auf der andern Seite gibt es keine Reime, welche hd. Lautform nötig machten. Aus dem Fehlen oder der Seltenheit bestimmter Bindungen, die dem hd. Konsonantenstand widersprächen, darf man keine Folgerungen ziehen, ohne unter Beachtung der vokalischen Reimgenauigkeit die Reimmöglichkeiten zu p r ü f e n : sie sind in allen Fällen n u r gering. Es fehlt also an begründetem Anlaß, aus lautlichen Erwägungen die nd. Abfassung der Dichtung zu bezweifeln. Aus einzelnen hd. Worten und Formen Schlüsse auf den Lautstand zu ziehen, wäre falsch. Nichts können natürlich die Lehnwörter besagen, die aus dem H d . ins Mnd. eingedrungen sind und f ü r den starken Kultureinfluß, den das hd. Sprachgebiet ge15 Belege bei Weinhold, Mhd. Gr. § 352. 357. 362.

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übt hat, Zeugnis ablegen. Beispiele wären etwa die z-Worte, die der nd. Aussprache und Schreibung Schwierigkeiten machen: unvorzaget, zirbeit, kerze, lazur, wohl auch zabel, dazu zagel (ganz hingegen fehlt noch bei Eberhard). Zu den Lehnworten oder Lehnformen gehören anscheinend auch einige von den Worten, die sich im Mnd. durch regelmäßiges ei auszeichnen (reise, keiser). Mit den höfischen Lebensformen aus dem Hd. übernommen sind offenbar die ehrenden Bezeichnungen vrouwe, junkvrouwe, die in den mnd. Texten mit der heimischen Form vrüwe im Kampfe liegen;16 während Eberhard nur vrouwe reimt, war dem Schreiber des 15. Jhs. bloß vrüwe geläufig (vgl. 148). Aus dem Md. ist außer michel auch michellich (ursprünglich wohl eine geistliche Wortbildung, s. Graff 2, 627) wahrscheinlich als Dichtungswort ins Nd. eingedrungen, wobei man der Bildungssilbe, die in der eigenen Sprache lebendig war, die nd. Form gegeben hat; im Mnd. Wb. ist es reichlich belegt. Wenn bei Eberhard in dem nicht mehr recht durchsichtigen Worte herlich (im Reime nie gebraucht) umgekehrt die Bildungssilbe nicht weniger als 7mal mit ch erscheint,17 so deutet auch das wohl auf Entlehnung aus dem Hd. hin, die der Bedeutungsinhalt begreiflich macht; die Umformung ins Nd. ist später nachgefolgt, oder, was wahrscheinlicher ist, das ch ist nur orthographische Anlehnung an das Hd., und die Lautform ist von Anfang an ins Nd. übersetzt. In unserer Hs. ist im Inlaut auch das in solcher Stellung fremdartige ch fast immer durch k ersetzt, vgl. V. 306. Als dichterische Entlehnung aus dem Hd. ist ferner die Deminutivendung lin zu betrachten.18 Andere Worte wie nen-

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Bezeichnend ist es, wie in der Loccumer Historienbibel juncvrouwe einerseits (mit der Schreibweise der Fremdwörter) und vruwe, husvruwe, mervmwe anderseits einander gegenüber stehn, AfdA. 43, 154. Durch besondere Schreibung hebt sich auch in der Gandersheimer Hs. vrowe vom heimischen scha(u)wen ab. Bei anderen Worten auf -lik erscheint ch nur 215. 798. 1184. 1 2 3 1 ; immer im Auslaut. Vgl. A . Lasch § 337. Sarauw 1, 414. In heimischen Bildungen war schon Abschwächung zu -elen einge-

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nen und niden darf man dem N d . kaum absprechen, wenn dort auch später andere Ausdrücke geläufiger sind und sich durchsetzen. Es ist hervorzuheben, daß auch das rein Niederdeutsche in Ausdrucksweise und Wortschatz Eberhards deutlich hervortritt; es ist hier entbehrlich, dies im Einzelnen darzulegen. Die nd. Züge machen sich auch in der Formenbildung geltend. Ich erwähne nur die Pluralendung -t im Indikativ Präsentis (217 sowie 1294, vgl. auch 769), die Formen licht (1237. 1285) und draget (30) f ü r die 3. Sing., auch das Pronomen we (1617). Aber daneben kann man den hd. Einschlag nicht ableugnen. Wenn die Endung -en im Plural über die auf -t bei weitem das Übergewicht hat, so könnte man dabei noch an ein Schwanken in der eigenen Mundart unter elbostfälischem Einfluß denken; begant V. 193 fällt ganz aus dem nd. Formenbesitz heraus. Hochdeutsch ist offenbar sagen, das statt des schlecht reimbaren seggen oft im Reim erscheint; von den Formen ist (951. 1198), hän f ü r die l.Sg. (939.1909), hat (mit Länge) f ü r die 3.Sg. (218. 859) und für die 2. PI. (1294) gilt das Gleiche; auch haven, häufig gereimt, mag hochdeutschen Ursprungs sein (vgl. S. X X X I V , Anm. 29), hat aber, durch Anlehnung an heimische Formen unterstützt, im Westfälischen festen Fuß gefaßt. 19 Das Prät. hade findet sich auch sonst in älteren nd. Texten, wird aber doch als Fremdform eingeschleppt sein. Hochdeutsch ist weiter da (227. 416. 589). Dagegen ist es im Hinblick auf das Nebeneinander der beiden Bildungsweisen audi im Ags. und Altnord, bedenklich höpenunge (1572) als hd. auszugeben, weil im N d . die Bildung auf -inge wie im H d . die auf -unge letztlich den Sieg errungen hat. 20 Ebenso muß man bekande, bekant und die ande-

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treten, so weit es sich neben -eken erhalten hatte. Vgl. Seelmann, Nd. Jahrbuch 46, 51, Nörrenberg 49, 29. Vgl. A. Lasch § 439. Abweichend Sarauw 2, 204 f.; zur Beurteilung der dortigen Belege vgl. A. Lasch § 78, Festschrift für W. Braune (Dortmund 1920) 320 ff. Im Versinnern die Form mit » nur bei den ausgesprochen kirchlichen Worten segenunge, wiunge, lösunge (5 andere Worte nur

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ren Partizipien mit umlautlosem α als nd. gelten lassen und w i r d nicht anders schickt als die lautgeschichtlich regelrechte Form anstelle der Analogiebildung schüt gerade in einem alten Text nicht einfach als Fremdling ansehn dürfen. Auch dot (er tut) ist nicht bloß hochdeutsch (A. Lasch § 448). D a man jedoch den hd. Einfluß nicht ganz bestreiten kann, wird man ihm, statt Einwirkung einer fremden nd. M u n d a r t anzunehmen, auch das nicht voll Beweiskräftige zuzurechnen haben. Für die Lautform, die von Eberhard erstrebt war, folgt hieraus nichts. Wohl k a n n die kräftige Ausprägung niederdeutscher Eigentümlichkeiten gegen den Gedanken an hochdeutsche Sprache bedenklich machen, die Reimworte von hochdeutscher Bildung sagen aber auf der andern Seite nichts über die sprachlichen Absichten des Verfassers aus oder können auch noch als Zeugen f ü r das Niederdeutsche aufgerufen werden. 2 1 Denn wir haben darin kein beliebiges hochdeutsches Sprachgut, sondern vorzugsweise solche Formen, die in nd. Gestalt schlecht reimbar sind. Wir müssen überlieferungsmäßige Reime darin sehn, die Eberhard von seinen Vorbildern übernommen hat. Auf eine Abhängigkeit seines Dichtens von hochdeutscher Dichtung läßt sich daraus schließen, 22 aber sie braucht n u r mittelbar zu sein, denn diese Reime sind nicht f ü r Eberhard allein bezeichnend, sondern als herkömmliche, bequeme Bindungen schleppen sie sich fast durch die ganze mnd. Dichtung hin und legen auch bei Dichtern, bei denen hd. Sprachbestrebungen längst nicht mehr in Frage kommen, noch Zeugnis ab f ü r die mächtigen Anstöße, die vom H d . ausgegangen sind. Arnold Immessen ζ. B. reimt in Einbeck gegen das Ende des 15. Jhs. neben seinen eigenen Formen ebenfalls

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mit i). Vgl. jetzt G. Grunewald, Die mittelniederdeutschen Abstraktsuffixe (Lunder Germanist. Forschungen 13), Lund 1944, 55 if. Vgl. hierzu Chr. Sarauw, Nedertysk. En Indledning til Sprogets Historie. Med et Forord af L. L. Hammerich (Studier fra Sprogog Oldtidsforskning 142), Kopenhagen 1926, S. 37 ff. Formen wie dot lassen dabei eher an Thüringen als an das Rheinland denken. XXXI

sagen, ist, dot (er tut), stät (er steht), was Eberhard nicht braucht, han für die 1. Sg. und PI. und im Infinitiv sowohl han, was Eberhard nicht kennt, wie haven, dazu nebeneinander lit und licht und die drei Formen sceit, schüt und schickt und anderes mehr. Die hd. Züge sind in seinen Formen eher noch zahlreicher als bei Eberhard. 23 Auch bei diesem ist es deutlich, daß es sich um Reimgut handelt, das aus der dichterischen Überlieferung aufgenommen ist, nicht aber um Belege für das Erstreben fremder Sprachformen. Denn er zeigt keinerlei Bemühen, um dieser Bildungen willen die Formen seiner eigenen Mundart zu verbannen. Unbekümmert wechselt er vielmehr zwischen ihnen; bezeichnend für seine Reimkunst ist die Verwendung zahlreicher Doppelformen. Er braucht drei verschiedene Pluralendungen (s. S. X X X ) . Neben vorherrschendem dot (34.356.429.1698) erscheint auch deit (54). Neben häufigem gan und stan begegnet zweimal die fremde eForm (1104.1317). Neben begunde (870.1300), das jedenfalls das Heimische für ihn war, reimt er begonde (270. 610), dazu begannen (289. 493), aber nicht began. Nebeneinander reimt er auch, beides nd. Formen, neit und nicht. In anderen Fällen, wo die Reimmöglichkeiten weniger günstig waren, lassen sich die Doppelformen nur aus dem Versinnern belegen (ζ. B. hebben, segen, lit); ein Ausgleich zugunsten der Reimformen war hiernach für die Ausgabe nicht rätlich. Man muß grundsätzlich unterscheiden zwischen den Sprachformen, die wegen der Reimbequemlichkeit als herkömmliches Gut übernommen werden und sich in den Dichtungen von Jahrhundert zu Jahrhundert vererben, und den für die Formgebung des Reimes bedeutungslosen Schreibformen, die sich gelegentlich in der Hs. finden. Auch hieraus sollten sich Anzeichen für den hochdeutschen Ursprung der Dichtung ergeben, und nicht zu leugnen ist es, daß hochdeutscher Einfluß sich in zahlreichen Ein23

Vgl. die Zusammenstellungen zur Formenlehre bei Fr. Krage, Arnold Immessen, Der Sündenfall. Heidelberg (Germ. Bibl.) 1913.

XXXII

zelheiten zu erkennen gibt. Vorsicht ist allerdings geboten. N u r eine jüngere, aber nicht fremde Lautform bezeichnet anlautendes tw /ür älteres dw (s. 126). Wie im Kaisernamen Otte (im Unterschied von Ode) die hd. Form auf nd. Boden allgemein gebräuchlich ist, so ist auch gemote mit t (und vielfach göte sowie hüte) im Mnd. weit verbreitet. 24 Mehrmaliges sonstiges t f ü r d (germ. d) könnte aus einem th der Vorlage entstanden sein, einer umgekehrten Schreibung die V. 1026 überliefert ist: auch für hd. d (germ, p) begegnet t (517.603.670). Über t im schwachen Präteritum vgl. Sarauw 2, 198. In der Endung -lieh ist die Schreibung mit ch im Mnd. und gerade im Ostfälischen nichts Seltenes und hat offenbar lautlichen Hintergrund (A. Lasch § 337, Sarauw 1, 414). Auch samfle ist nur mit Vorbehalt anzuführen. Erscheint zweimal kurz hintereinander bei nd. Konsonantismus ein i in offener Tonsilbe (1635. 1643), so sind das vermutlich Reste ganz alter Schreibungen (für das Elbostfälische bezeichnend), die sich noch in die junge Handschrift hinüber gerettet haben wie die paar th (ζ. T. in t entstellt) f ü r d.2i Die fremde Lautgebung bei dem Titel grave begegnet im Mnd. häufig, und bei einmaligem bruder mit u (1713) darf an den Einfluß des Hochdeutschen gerade auf die Verwandtschaftsnamen erinnert werden (A. Lasch, § 5 5 ; 162 Anm.); es findet sich audi sonst in rein nd. Texten. 26 Nicht voll gesichert scheint mir die Form unser (99. 265. 600), da die zweite Silbe nur aus einer Abkürzung zu entnehmen ist. 27 24

25

26

27

Vgl. L. Wolff, Worte mit hd. t im Mittelniederdeutschen. N d . Kbl. 52 (1939), 38 ff. Vgl. A. Lasch in der Grammatik und im Mittelniederdeutschen Lesebuch (Dortmund 1925). Vgl. die Rechte der Krämer zu Goslar, Urkundenbuch der Stadt Goslar (Geschichtsquellen der Prov. Sachsen Bd. 30) S. 306 ff., w o mit der Schreibung u auch mehrfach beide Formen gleichzeitig gegeben werden. Abkürzungszeichen, die bloß einen Vokal (e oder i) ergänzen, kommen mehrfach vor, s. d. Lesarten zu 458. 463. 441. 668. 1310; fraglich ist 659. W o das Zeichen für ein sicheres er steht, ist es meist anders angebracht; die Abkürzungen bei unsem 265. 600 gleichen

XXXIII

Immerhin bleibt noch genug zurück. Es steht häufig der für de (s. 40) und zweimal (88. 1934) wer für we,29 einmal auch alles mit hd. Endung (734). Mehrmals begegnet t für d, wie schon erwähnt (267/8. 1392/3, vgl. aber 517), vereinzelt ch für k (1945, vgl. 1735); wie dies vielleicht, braucht jedenfalls das b für v 29 nur als fremde Schreibung ohne lautliche Bedeutung angesehn zu werden (A. Lasch § 290). Hochdeutscher Vokalismus begegnet einmal im Worte heiigen (290). Nichts aber nötigt zu dem Schluß, daß sich in solchen Einzelheiten die Spuren einer Vorlage von hd. Gesamtcharakter zu erkennen gäben. Sie würden dann zahlreicher und tiefer sein. Hingegen ist die leichte Beimischung hochdeutscher Züge ganz wie in der Wolfenbüttler Hs. gerade aus nd. Texten der Frühzeit wie dem Ottonianum wohl bekannt und setzt darum keine Vorlage von wesentlich anderm Charakter voraus. Den Vermutungen hochdeutscher Formen, die vom Schreiber unserer Hs. mißverstanden wären, lassen sich nd. Formen gegenüber stellen, die er schon in der Vorlage gefunden und falsch aufgefaßt hat: bede (d. h. beide) 37, seker 288, harte 824. 1946, strate 533, dat 403. 892. 1114. 1716 (i zu r verlesen); auch to mer 1634 und sprekit 373. 1915 darf man als sprachliche Zeugen anführen. 30 Erkennt man an, daß es sich nur um hd. Einsprengsel in einem nd. Text handelt, so fragt es sich weiter, welcher Überlieferungsstufe sie zuzuschreiben, ob sie dem Dichter selber oder einem Schreiber zur Last zu legen sind. Manches spricht gewiß für das 13. Jh., obwohl sich auch im 15. Jh. solche Ausweichungen ins Hd. finden; trotz eines nachweisbar nd. Schreibers begegnet ζ. B. in dem Schauspiel von Arnold Immessen mehrfach die hd. denen für -es (1045. 1359). - Falsche Konjektur war togende, state für Stade kommt nicht vor (s. 285. 1125. 1359). 28 her für he an verderbter, zweifelhafter Stelle 544 (vgl. 1403); er 517 war fälschlich als Pronomen aufgefaßt. 29 Fast nur im Worte haven (s. 91), dem sein hochdeutsches (nicht mittelfränkisches!) Schriftbild zuteil wurde, dazu gebe 1759. 3» Vgl. E. Schröder a. a. O. 45, 119 ff.

XXXIV

Flexionsendung -er (4. 837. 1228. 1751. 1883, vgl. auch die Schreibungen 199. 111. 848. 1882). Aber daß Eberhard selbst beim ausdrucksvollen Vortrag seiner Dichtung, für den sie ohne Frage geschaffen ist, unabsichtlich bald hier bald dort in hd. Formen und Aussprache verfallen wäre, in wer ζ. B., obwohl er we im Reim gebraucht, das glaube ich nicht. Nach meiner Meinung sind es nicht so sehr Formen der gesprochenen Sprache als Schreibformen, Schriftbilder, die dem vieltätigen Schreiber aus manchen Vorbildern geläufig sind und ihm unwillkürlich in die Feder kommen. Gegen solche Unzulänglichkeiten muß man dem Dichter und seinen Absichten zu Hilfe kommen, auf die Gefahr hin selbst, die wohl nicht allzu groß ist, daß man gelegentlich Mängel in den Schreibgepflogenheiten des notarius Eberhard verbessern sollte. Es sind Anzeichen vorhanden, daß diese Fremdformen erst nachträglich hereingekommen sind, daß sogar mindestens ein Teil erst von dem letzten Schreiber herrührt. Zu Unrecht hatte man Eberhard die Reimformen nyt, nyet zur Last gelegt (587. 749. 1559): sie sind durch Entstellung seines neit entstanden, das der Schreiber des 15. Jhs. nicht verstand, wie er in vielfachen Glossierungen verrät (s. 587), zu denen sich Textänderungen gesellen (s. 68 und 499 und vgl. auch 1230. 371). Von den Zwischenzeilenglossen dient ein großer Teil nur der Erläuterung ganz einfacher Worte, deren Schriftbild verschiedene Deutungen zuläßt: 31 so hat der Schreiber vermutlich auch die Erklärungen zu harte „Herz" nur deshalb zugefügt (1322. 1681), weil ihm dies Wort audi „hart" bedeuten konnte, nicht weil es an sich erläuterungsbedürftig wäre: wie sollte ihm, dem Ostfalen des 15. Jhs., diese Form (die für Eberhard noch nicht in Frage kommt) auch fremd sein? (Vgl. 121). Dann aber dürfen wir ihm auch harte „hart" 1393 und die anderen auffälligen

156. 160. 760. 812. 825. 1037. 1038. 1379. 1623. 1717. 1730. 1735, auch 401; dabei werden die Erklärungen recht mechanisch zugesetzt, wenn audi aus dem Satzzusammenhang die Bedeutung klar hervorgeht.

XXXV

ί-Formen zutrauen. Auch lesterlich 1231 ist wahrscheinlich erst durch Verderbnis in den Text gekommen. Vgl. auch her 544. 1403. Aus diesen Ergebnissen bestimmt sich die Aufgabe, die eine kritische Ausgabe sich zu setzen hat. Die fremden Beimischungen gilt es auszuscheiden und über die Handschrift hinaus so weit wie möglich zum Dichter vorzudringen. Die Weilandsche Ausgabe h a t sinnstörende Verderbnisse gebessert, hält sich aber im Übrigen völlig an das Überlieferte. Gerade nachdem hier bis auf die übergeschriebenen Zeichen, die meine Lesarten verzeichnen, bis auf den Wechsel zwischen g und gh, i und y, Η und v, ( und s und bis auf die Initialen und die Verwendung von ff und gk schon ein treues Abbild der Hs. gegeben ist, w a r es nicht meines Amtes, dabei stehn zu bleiben. 32 Der Dichtung vom Jahre 1216 ist sehr vieles von den Sprachformen angelegt, die im 15. Jh. gelten, zur Zeit des Dichters aber noch nicht. Ζ. Β. ο vor Id aus älterem a, die Formen öme, öne, öre, öt beim Pronomen 3 3 und zahlreiche andere Rundungen, wogen, wöge f ü r wagen, wege (1117. 304. 731, die eigene Aussprache des Schreibers durch übergeschriebenen Vokal bezeichnet), vornömen f ü r vornemen (1172. 1857. 1947). 34 Vereinzelt ist bei den ablautenden Verben der 4. und 5. Kl. im Indikativ PI. des P r ä t . das ältere α durch e ersetzt. Manches von den jüngeren Formen mag schon auf der Vorstufe in den Text gekommen sein, denn wir haben uns klar zu machen, d a ß die Wolfenbüttler Hs. durch mindestens ein Mit32 33

34

Kleinere Flüchtigkeiten waren öfters stillschweigend zu berichtigen; ganz übersehen war V. 1557. Daneben noch gelegentlich die alten ungerundeten Formen, die in den urkundlichen Texten des 13. Jhs. (im Braunschweigischen und Goslarschen Urkundenbuch) noch ausschließlich gelten, s. zu 58. 110. 156. Der Fehler Sr für er (d.h. er) 1827 läßt noch erkennen, wie der Schreiber die jüngeren Formen eingesetzt hat. Vgl. E. Liljebäck, Die Loccumer Historienbibel. Akademische Abhandlung, Lund 1923, Einleitung XXXV ff. XXXVI

telglied vom Original getrennt ist (doch sind schwerlich viele Stufen anzunehmen). Schon in der Vorlage stand harte (824. 1946), dessen α der Zeit Eberhards noch nicht angehört hat; sie hatte auch schon vmmer (322), nicht io mer. Die verderbte Uberschrift setzt eine Fassung voraus, die kaum vom Dichter selber stammt; die Jahreszahl, die er erst V. 876 ff. mittelbar bekannt gibt, hat er nicht vorher in die Überschrift gesetzt. Der defectus, den die Randglosse V. 1910 verzeichnet, gehörte schon der Vorlage an, sonst wäre das Fehlende nachgetragen, und von einer zweiten Lücke, die ich aus der Braunschweigischen Reimchronik ergänzen konnte, V. 318, gilt das Gleiche: nur weil der Reim zu drogen fehlte, faßte der Schreiber V. 316-17 als ein Reimpaar und näherte plagen seinem Reimwort an. Auch von den tieferen Verderbnissen sind einige wohl nicht auf einmal entstanden. Wo die Reime einen festen Anhalt gaben, und wo die Hs. noch Reste des Älteren neben den jüngeren, erst später aufgekommenen Sprachformen bewahrt hat, habe ich das Alte durchgeführt, um mich dem Dichter so weit zu nähern, wie die sichere Führung reicht. Ζ. B. reimt Eberhard im Adverb nur -like, während der Schreiber dafür -liken einsetzt. Beim starken langsilbigen Neutrum ist der alte endungslose Ν. A. PI. oftmals im Reim belegt; in der Hs. findet sich daneben gelegentlich die jüngere Bildung auf -e, s. 5 und 844 gegenüber 35.35 Von diesen Einzelfällen hebt sich die regelmäßige Pluralendung -ere deutlich ab (317. 329. 1823. 1879; vgl. 236); im Hinblick auf das Ags. und den Beleg in den Lubliner Psalmen (28, 6) hat sie als alt zu gelten. Während die Reime das im Nd. verdumpfende ursprünglich kurze α vor Id mit bleibendem binden (1314. 1400. 1919), von ο aber scheiden, und die urkundlichen Texte erkennen lassen, wie das ο für α in Ostfalen erst später zögernd einsetzt (vgl. A. Lasch § 93), schreibt die Hs. o, bewahrt im ersten Drittel aber noch ein paar Restformen (vgl. 39 und 40).

35

Vgl. A. Lasch § 372, Sarauw 2, 34. Eine Sonderstellung hat bok. XXXVII

Eberhard reimt vrouwe,30 und der Schreiber behält dies anfangs nicht bloß im Reim sondern auch im Inneren des Verses bei (vrowe), geht dann zu vröwe oder vrüwe über, um durch das übergeschriebene Zeichen die beiden Möglichkeiten hinzustellen, und wagt es schließlich, nur vruwe, seine eigene Form, zu setzen. Eberhard reimt auch got mit o und nicht mit ü, die Hs. behält das nur im Reime und auch da nicht immer bei, schreibt es sonst mit u, läßt aber in der ersten H ä l f t e durch übergesetztes ο daneben auch mehrfach die andere Möglichkeit zur Geltung kommen (s. 26. 36). Ähnlich ist es bei göde und ötmöde (s. 28. 156); auch hier kehrt die wahlweise Bezeichnung wieder. Entsprechendes zeigt sich bei -fchap, das durch den Reim gesichert ist (in den ältesten Goslarschen Texten noch ausschließlich im Gebrauch): zu A n f a n g wird es zweimal beibehalten, dann nimmt der Schreiber seine eigenen, jüngeren Formen -fchop und später, abermals mit der Darstellung zweier Möglichkeiten, -fcbup (s. 132). Während herte noch bei weitem überwiegt, findet sich daneben, vorwiegend in der zweiten Hälfte, harte und dazu wieder hirte zur Bezeichnung beider Formen (s. 121 und vgl. bif chop,bi fcbup, bifcbup, 1176). Ähnlicher Wechsel herrscht zwischen den Formen fchüllen und fchölen, welche durch die Schreibungen fchällen, fchollen, fchöle verbunden sind. M a n vergleiche weiter das Nebeneinander von zweimaligem wor (im ersten Fünftel) und sonstigem wür (s. 101). 37 Fast nur zu Anfang, im ersten Viertel, finden sich übrigens auch beim Worte eddel die alten Schreibungen m i t e i n f a c h e m d (s. 1 6 2 ) , b e i wedder

V. 510.

Neben weit überwiegendem von steht in der Hs. ab und an auch van (s. 97). Die Form von (vun), die zu Unrecht als hochdeutsch verdächtigt war, herrscht heutzutage in einem bestimmten ostfälisch-nordniedersächsischen Gebiet, 38 und unsere Sprach-

38 37

38

Zum Vokalismus vgl. A. Lasch § 192, Sarauw 1, 249. Auch zu den Eberhardschen Doppelformen begonde, begünde die Schreibungen begbunde und begonde. Anzeiger für deutsches Altertum 26, 340.

XXXVIII

treten

denkmäler lassen darauf schließen, daß die landschaftliche Scheidung in alte Zeit hinaufreicht. Schon aus dem As. kennen wir den Wechsel beider Formen, der auch dort auf mundartliche Verschiedenheiten hinweist.39 Im Mnd. zeigt sich die Form von im Ostfälischen. Bei Eberhard kommt das Wort im Reim nicht vor: das deutet auf das bei vokalischer Genauigkeit schlecht reimbare von. Auch für den Pfaffen Könemann war dies offenbar das Geläufige. Er reimt im Kaland zwar zweimal van (894. 1274) und nur einmal von (108), im Wurzgarten aber fünfmal von (Adverb! mehrfach zu van entstellt), woneben bloß einmal van begegnet.40 Auch in den sonstigen ostfälischen Denkmälern finden wir von mit dem weiter verbreiteten van im Kampf, in der Chronik des Stiftes St. Simon und Judas zu Goslar ζ. B. und auch noch in den Gandersheimer Urkunden des 15. Jhs.: hier wie in der Hs. der Eberhardschen Chronik wird van auf dem schriftsprachlichen Einfluß beruhen (vgl. A. Lasch § 38). Bei tovören und den Partizipien der 2. Ablautsreihe bietet die Hs. fast ausschließlich die synkopierten Formen (s. 143). Nur im Reim zu doren steht einmal (1269) to vor en, dazu findet sich noch je einmal ghekoren (1545, im Reim zu gheborn\) und gheboren (1746 im Versinnern). Durch den Reim zu doren ist die volle Form für Eberhard gesichert, und gegen die Möglichkeit von Doppelformen läßt sich geltend machen, daß im Unterschied vom Pfaffen Könemann Reime zu torn nicht vorkommen, obwohl es an der stofflichen Gelegenheit nicht fehlt. Auch rhythmische Gründe sprechen verschiedentlich gegen das Uberlieferte für die Vollformen (397. 484. 1605. 1640. 1698). Daß die Hs. geändert hat, ist ohne Frage (1544-45!): da kann über die Richtung kaum ein Zweifel sein. Es empfahl sich deshalb, die Vollformen, die anscheinend als Reste in der Hs. auftauchen, durchzuführen: die Wahrscheinlichkeit, daß man den Zeitfall des

se Vgl. Damköhler, N d . Jahrbuch 30, 7 4 - 7 6 ; Steinger, N d . Jahrb. 51, 24. 40

Vgl. in meiner Ausgabe S. 50 Anm. 2.

XXXIX

Dichters erreicht, ist so am größten. Ebenso steht es, um auch dies noch anzuführen, beim G. Sg. der starken Maskulina und Neutra: das Versmaß deutet gelegentlich, wo die Hs. junge Verkürzung zeigt, auf die volle Endung mit erhaltenem e.41 Beim schwachen Präteritum der 1. Kl. habe ich den regellosen Wechsel zwischen synkopierten Formen, deren bequeme Reimverwendbarkeit von Eberhard reichlich ausgenutzt ist, und den unsynkopierten nicht ausgeglichen, weil der Gebrauch von Doppelformen denkbar bleibt. Dieselbe Möglichkeit hat mich auch abgehalten, sprekit (373. 1915) anstelle von sprikt durchzuführen, we ,wie' für wü (885. 606 und, mißverstanden, 624) oder beim Verbum segen auszugleichen, wo secht vielleicht nur Form des Schreibers ist, und ebenso steht es in anderen Fällen. Wo es sich nur um Schreibgewohnheit handelt, darf man erst recht keine volle Gleichmäßigkeit voraussetzen. Geringfügige Spuren ganz alter Schreibungen, die ich nicht zur Grundlage des Textes machen wollte, sind th für germ, p V. 66 (vgl. 736, wo der Schreiber anscheinend gewohnheitsmäßig d für th gesetzt hat) und dh V. 1020, wo die Entgleisung aus einem Odher der Vorlage zu verstehn ist. Weiter setzt die Hs. fc vor r (außer 96. 1059. 1601), sonst fch. Aber 1441 und 1548 findet sich fc auch vor Vokal, und der Fehler 1799 (?) scheint es für die Vorlage zu erweisen; weil es dem Schreiber nicht geläufig war, hat er es als ft verlesen. Aber damit ist noch nicht gesichert, daß Eberhard nur fc geschrieben hätte. So bleibe ich bei dem Uberlieferten. Noch weniger konnte es in Frage kommen, die zweimal kurz nacheinander vorkommenden Schreibungen mit etymologisch kurzem i in offener Tonsilbe (1635. 1643) oder die Form io mer für Ummer in demselben Kapitel (1634) zu verallgemeinern, obwohl es sich um Reste aus dem 13. Jh. handeln wird. Den Wechsel zwischen e und ei habe ich (unter Verzeichnung in den Lesarten) nur innerhalb des gleichen Wortes leicht ausgeglichen, ohne Spuren abweichender Schreibungen der Vorlage (s. oben

«

S. 680. 698 (vgl. 1801!). 706. 1022. 1544.

XL

S. X X X I V ) zur Richtschnur zu erheben. - Im Auslaut habe ich den regellosen Wechsel von d und t, g und ch, g und k nach dem Vorbild der mhd. Textausgaben beseitigt und auslautendes II ebenso wie ff vereinfacht. Die Frage, ob Umlaut anzusetzen ist, ist nicht immer sicher zu beantworten. Die lautgesetzliche Entwicklung, die auch schon zu Zweifeln Anlaß gibt (bei den Adjektiven auf -lik ζ. B.), ist offenbar im N d . in besonders starkem und dabei mannigfach wechselndem Maße von analogischen Wirkungen ergänzt oder durchkreuzt. Der Ausgleich zwischen Adjektiv und Adverb ζ. B. hat wohl schon verhältnismäßig früh begonnen und hat sich auch in verschiedener Richtung vollzogen (Stade f ü r das Adjektiv). In sehr vielen Fällen gibt die Hs., freilich nur für die Zeit des Schreibers, einen Anhalt, indem sie den Umlaut durch ein übergesetztes Zeichen ausdrückt, durch ein e, das aber meist nur durch zwei flüchtig hingeworfene, zu einander schräg gestellte Striche angedeutet wird; mitunter kann es auch mit dem übergeschriebenen ο verwechselt werden. Dasselbe Zeichen wird aber auch sehr ausgiebig als Dehnungszeichen für etymologisch langes ό oder ü verwendet, 42 so daß es bei diesen Lauten für die Umlautsfrage keine Auskunft geben kann. Bei den ursprünglich kurzen Vokalen auch in offener Tonsilbe steht es mit ganz wenigen Ausnahmefällen ausschließlich dann, wenn Umlaut in Betracht kommt. Für jedes Wort und seine verschiedenen Formen ist durch «2 Bei a nur selten, s. 167. 168. 584. 1643, dazu 1315. Bei ί tritt vielfach Doppelschreibung ein, bei mnd. e nur selten. Bei ό steht vor Dentalen auch öfter nachgeschriebenes i, vor andern Konsonanten mehrfach e. - Natürlich kann übergeschriebenes e auch andeuten, daß e anstelle des Vokals eintreten solle oder könne, s. V. 817 (deutlich ausgeführtes e über das α gesetzt); bei w6nen „wähnen" (s.480) ist dies nicht anzunehmen, da hier das diakritische Zeichen nicht als klarer Buchstabe, sondern nur in flüchtig hingeworfener Gestalt erscheint.

XLI

Sammelangaben in den Lesarten (auf die das Wortverzeichnis hinweist) angegeben, wie weit sich in der Hs. Anzeichen für umgelautete Formen finden und wie weit nicht. Haben anderwärts die Lesarten häufig nur textkritische Bedeutung, so sollen sie hier vornehmlich als Sprachzeugnisse gewürdigt werden. Auch die Textkritik gab allerhand zu tun; nicht überall habe ich die Verderbnis bessern oder über Vermutungen hinauskommen können. Beobachtungen und Feststellungen an der Hs. und namentlich ausgezeichnete Besserungsvorschläge, die ich fast alle aufgenommen habe (mit S. bezeichnet), hat Edward Schröder in dem genannten Aufsatz ,Zur Überlieferung des Eberhard von Gandersheim' veröffentlicht. 4 3 Besserungen von Weiland sind mit W . , solche von Leitzmann mit L. bezeichnet. Uber einzelne Stellen hat auch Sarauw sich in seinen Niederdeutschen Forschungen geäußert. Der dichterische W e r t der Gandersheimer Reimchronik ist nicht allzu groß, wiewohl uns Eberhard bisweilen durch ironischen H u m o r und gesunde Urwüchsigkeit erfreut. Die Aufgabe, die das Werk sich setzt und gut erfüllt, hat mit Dichtung im höheren Sinne wenig zu tun. Von einer geschichtlichen Bedeutung für die Entwicklung der nd. Dichtung kann nicht die Rede sein; mit diesem Werk, das nur für einen engbegrenzten Umkreis geschaffen ist, steht Eberhard abseits von den Wegen, auf denen das dichterische Leben neuen Zielen zueilte. N u r von einer einzigen geschichtlichen Dichtung aus der Nachbarschaft, von der Braunschweigischen Reimchronik, ist es stark benutzt. 4 4 Viel hat

43

44

Das Pronomen, das er in V. 1325 und 1629 ergänzt, war nur von Weiland übersehen. Im 16. Jh. wurde die Reimchronik Eberhards noch von dem Verfasser zweier lateinischer Geschichtswerke über die Klöster Gandersheim und Clus benutzt. Gedruckt wurde sie zuerst auf Grund der Helmstedt- Wolfenbüttler Hs. im Jahre 1709 von Leuckfeld, dann 1711 von Leibniz in den Scriptores rerum Brunsvicensium und 1734 in dem großen, schon früher angeführten Werk von Harenberg. XLII

diese in mehr oder minder engem Anschluß übernommen. Gerade das aber an Ausdrucksweise und Versbau, worin die Eigenart von Eberhards Dichtung liegt, das Besondere, was zu den herrschenden Formbestrebungen nicht paßte, wurde dabei so gut wie möglich abgestreift. Uns aber ist sie um dieser Sonderstellung willen, die doch ohne Frage aus einer engverwandten Reihe herkommt, ein bedeutsames Zeugnis für eine Stufe und Entwicklungslinie, die uns sonst hinter den Werken höfischer Zielsetzung verborgen bleiben. Aus einer Zeit, in der die hochdeutsche Dichtung auf sächsischem Boden die Herrschaft führt, ist es das erste echt niederdeutsche Werk, niederdeutsch in Ausdrucksweise, Formgebung und Sprache: darin liegt die besondere Bedeutung. Es steht für uns am Anfang mnd. Schrifttums.

XLIII

DE FUNDATIONE GANDERSEMENSIS

ECCLESIAE

Prologus. Sint dat sek erhof de hilge kristenheit, der ümmefank is worden lank unde breit: dat is von godes hülpen geschein, so men mach wol hören unde sein. 5 schöne godeshus sint seder vele gestichtet, mit schöner zirheit harde wol berichtet, mit teppeden unde ok mit ümmehangen alle wende vil schone befangen, mit mesterliken sinnen wol gemolt. io lazur, silver unde ok dat golt geven darinne harde wünnechliken schin. unde so se an der werlde dürest sin, Überschrift: Prologus de fundacone Ganderfem Eccle de latino in Teutöicü tffflatus. Anno dm A c c v i incarnacöls dominice. ι erhöff. So auch 650. 797. 1218. 1326; h6ff 511. 1318; hoefi 688. 1432. 3 hülpen. hülpe mit u auch 685. 1011. 1672. 1676. Mit u 1125. 1130. 1370. 1412. 4 Immer hören, nur 19 h6ret. 5 Schöne. Mit δ (Adj. und Adv.) auch 6. 8. 35. 74. 306. 926. 1008 (Sbst.). 1394. 1520. 1751. Mit ο 13mal (einmal Sbst). — godefhüfe. hus (Sg.- und Pl.-

formen) mit ΰ auch 35. 78. 844. 1197. 1455. 1666. 1685. 1810. 1818. 1904. hus 41. 74. 6 czirheit. 9 ghemölt. 10 fuluer, immer mit u, 567 luluere. 11 wünechliken. 12 dureft. Mit Ü auch 222. 564. 725. 733. 753. 1026. Mit u 1816. 1836.

1

dat se dar heten vil edele steine: de sint darinne ok mit eren gemeine. 15 mirre unde wirok rüket ok darinne; to gode erheven sek dar des minschen sinne, kerzen unde lampen darinne liichten. darinne schal men sin mit geistliken tüchten. darinne höret men lesen unde singen 20 unde ok de klocken to godes eren klingen, de hilgen dope darinne me entpheit, de kristliken lere men darinne vorsteit, darmede sek de lüde so bewaren, dat se to himelrike varen. 2 j darinne se ok sein unses heren licham unde sin blot, [ ι v ] daraf uns körnet dat ewige got. welk man ok darinne mit otmödichlikem sinne

Sonst mit o; im Reim auch mehrmals u.

»3 se fehlt. 15

ruket.

16

To. Präp. und Adv. noch rund 40mal mit o, sonst aber t6, weit überwiegend.

" luchten. Nur mit 428). is tüchten. So auch (un)tucht 864 (D. (A. Sg.); tüchten tucht 1588.

u (156.

1009;

427. 1593; Sg.); 1789 794,

21 dope. 23

lfide. Mit ü noch 14 mal, mit u 18 mal.

mit 25 wird auf lv wiederholt, blöt für bl6d. bl6t mit δ auch 1563. 1565.

2

2β got. Mit δ (Adj. und st. N.) auch 418, mit ο 187. 597. 807 sowie 1787 (zweideutig). goid 576. 894; goet 1533. Endlich 559 göde, das ο gebessert (etwa aus u?J und darum noch einmal ο darübergesetzt. Sämtliche o-Schreibungen im Reim. 28

odmödichlikem. Ohne diakrit. Zeichen 439, otmodicheit 436, otmoyde (Adj., als Sbst. aufgefaßt) 155, otmfide (Adj.) 1876; oytmode (D. Sg. des Sbst.) 291; otmode (dasselbe) 1365.

gode sine sünde claget 30 unde ware riiwe an sinem herten draget: darinne werden se alle vorgeven. N u seit, w u vrölike mach de salige leven, de an sek heft einen so milden mot, dat he gode alsodane ere dot, 35 dat he erne also schöne bedehus maket unde ok mit sinem rechten gode saket, dat men darinne beide spade unde vro gode unsem heren denst unde ere do. unde eia, w u wol mach sek de man halden, 40 wanne de des michelken heiles schal gewalden, dat he wonen mach an dem ewigen hus, daraf her D a v i t sprikt alsüs: ,beati qui in domo tua, domine, habitant.' de wort sin Latinschen lüden wol bekant,

2» funde, ebenso 194; mit fi 615, mit ύ 192, mit ü 293. 297, mit u 593. - darynne claghet. 30 ruwe. ruwen 1669. 32

Nü. Nur 20mal mit einfachem u, davon llmal nach gr. Initiale, wobei 9mal das u einen roten Zierstrich hat. Sonst immer nu. - wu .Nur 617 wu, sonst immer wu. - vrolik. Mit ο noch 3mal; δ 688. 1512.

33

m6d. Meist mit δ, nur 5mal ο (hom., m.). moid 303. 575. 893. 1241.

34

doid. Sonst mit δ (d6t, d6, d6n, dönde), lOmal, oder mit ο (do, don), 9mal.

ome. So noch 79mal, dazu 46mal 6me. 3 e gude. Mit u (st. N. und Adj.)

37

39

noch 40mal, mit u 29mal. Mit u 189. 501. 656. 677. 902. bede W.] bedet. - vr6 (ohne Komma S.J. Mit δ auch 388. 1758; mit ο 247. 521. 1790. Vnd. - holde. Immer mit o, nur 312 behalden, 1088 ο in λ verbessert. de] der. Ebenso 275. 276. 346. 347. 416. 442. 489. 506. 671. 678. 726. 731. 757. 960. 969. 997. 1049. 1079. 1082. 1173. 1491. 1506. 1581. 1606. 1611. 1708. 1812. 1. Prosa viermal, 2. Prosa beidemal. - ghewolden. gewolden, (ge)wolt, (ge)woldech(like) immer mit o, nur 311. 313. 612. 667 mit a.

35

41 43

w6ne. Sonst mit o. Ps. 83, 5. 3

45 unde mögen se ungelarden lüden mit alsölken worden düden: ,salich sint, here, de, de an dinem huse möten wonen, wante se Scholen dek, here, loven mit groten vröuden ewichlike 50 dar in dem schönen himelrike.' Disse rede hebbe ek vorgeves nicht gedan, [ 2 r ] wenne darümme dat gi darbi vorstan, wu vele lones de jene entpheit, de darna mit allem vlite deit, 5 5 dat he de kristenheit höge unde mere, so dat he in godes unde der hilgen ere beide kerken unde closter make unde en notorft mit sinem egenen gode sake, also de groten herschap bewilen daden, 60 de vele godes unde egen haden.

möghen. Mit δ (möghen, möghe) auch 197. 238. 1032; 180 über dem ο nur ein leichter Strich. Mit ο 161. 234. 240. 594. 1341. « alfolken. iolk mit δ 611. 937, sonst mit o. - duden. Ebenso 1037. 1637. Mit u 328. 363. 909. tö dude 84. 434. 879. 943. 1612. dudeffche 1887, mit u 553. 4 7 de. de. - möte. Mit δ auch 359. Vgl. 769. Mit ο 542. 764. 1492. 1641. 48 fchullen. Mit u nur 910. 4 9 vroiden. Immer mit oi oder oy, nur 64 und 1795 mit au. Vgl. 494. 5 1 Dfiffe. Meist mit u; mit ö

45

4

auch 1230. 1920, nie mit i; dazu dut 879. 1266. 1485. 1808. 1858. 1948; dut 1770; dit 533. 628. 1782. 53 loues (?, η ofl wie u). - jöne. 5 5 höghe. In den übrigen Belegen dieses Verbs nur o. 5 7 vnd. Ebenso noch 1 Intal. Gewöhnliche Abkürzung vn. 5 8 on. So noch 8mal; one 125. 933; om 1266. δη 12mal (dazu 1655); 6ne 320; en 1654. Vgl. 1930. 5» gröte. Mit δ noch 12mal. 6 0 hadden. So immer, nur 898 haden (en auf Rasur) im Reim zu rade. Ebenso nur hedde. Vgl. behode 548. 1530. A. Lasch § 439; Sarauw 2, 194.

65

70

75

[2 V ]

gode selven makeden se en to erven, up dat se mit ertrike möchten erwerven, dat se dat himelrike behelden unde iemer mit gode vröude weiden. Unde eia, wu salich was ok de herschap, der höchnisse unte an then sönesdach an der kristenheit lövelike steit des vorgetet ok de högeste neit dat waren de könige von Rome. de stichteden vele rike bischopdome, se makeden könichlike ebdie, clostere, kerken unde provestie, up dat en to lone wörde gegeven, dat se in deme schönen hus möchten leven, dar unse here selven wonet inne. Ein hertoge grep ok an de selven sinne, he satte alle sine danken darto, wu he ein godeshus makede also, dat dar godesdenst lövelike were.

61 iuluen. Mit fi auch218. 633. 636. 812. 1167. 1224. 1439. 1482. 1715. 1722. 1877. 1928. 1947. Mit u 85. 140. 578. 1005, ü 108, ύ 981. Sonst mit u. 02 se fehlt. - möchten. Der Konjunktiv mit δ auch 207. 338. Sonst mit o. 64 vmer. So immer mit v, desgleichen nümmer. Vgl. 1290. vraude, das a gebessert. 65 vermutete is für was. 66 De. - unte an then sönesdach W . ] vnfe an then fones dach. 67 louelike. Mit δ 385. 1023. steit] fticht.

68

69

70

73

78

vorgheten. - h6ghefte nicht. Im Komparativ ο 1696. waren W.] ware. - könige. konnich, konniginne, konnidilik, konnichrike immer mit onn. biffchopdome. Noch 7mal -dom mit o, 7mal mit 6, -doem 164 (im Reim zu roem), -dome 962. Im Simplex δ 1668. 1932. lone lese ich. - worde. Immer nur o. loüeliken. Die Adverbien reimen nie auf -iken. Vgl. 979. neutral 1785.

5

8 ο nu sint dorch des selven stichtes ere, deme ek dorch recht aller ere gan, densthaft unde underdenich man: so wil ek dorch ungelarder lüde von Latine keren to Diide, 8 5 dat von dem selven hertogen steit gescreven. ok enis sin höchnisse nicht vormeden an einem boke, dat het Cronika: we wil, de mach et vinden alda. nochtan is siner werke vele vorgeten, 90 de nü in böke worden gescreven, unde sin idoch vor war to havende, unde se ok wol kiindich sin to sagende, so wil ek ok sünder vorchten sagen, dat mine vörvaren vor war willen haven, 9 j so se hebben hört von siechte to siechte. darto so sprikt ok de scrift harde rechte, der ek bin von godes gnaden wis: ,patres nostri annunciaverunt nobis.' dat sprikt: ,νοη unsen vörvaren hebbe we vornomen,

82 Deynfchaft. es Wer. Ebenso 1934. Vgl. 589. - all da. 89 90

-

et

fehlt.

werde. - Vielleicht vorswegen? nv. Immer mit - boke. Mit ο auch 887, mit δ 1504. Sonst nur Singularformen, im 1. Teil immer mit o, später hingegen mit 6: 16% 1. 1674. 1694. 1791. 1857. 1924. 1948 (boke 972).

oi to W . ] fe. - habende. Mit b auch 171. 505. 868. 1571. 1922. B2 kundich. küdidi 1013; kundich 871; kundighe 1574; künde 616; küde 868. 1648. 1663; künde 191. vnkünde 1445; 6

orkunde 298; orkunde 367. 1624; orküdichliker 305. Vgl. 1029. »5 hebbn. Ebenso 163. 376. »« fchrifft. " van. Desgleichen 150. 266. 277. 311. 348. 361. 412. 414. 421. 547. 556. 592. 676. 767. 943. 980. 1306. w a n statt van 1505. Sonst immer von, 173mal, dazu 863 und 1084 statt vor. Umgekehrt vor statt von 1737. «8 Ps. 43, 2. 99 v n f n . Vgl. 265. 600. - vörvaren W . ] voren. L. vorderen. Vgl. 1463.

ioo wu manich sage si an de warheit gekomen'. unde worümme schölde ek denne ok vorswigen, dat ek beide von mannen unde von wiven unde ok von der scrift rechte hebbe vornomen, wu mi disse begunde rede si vörgekomen. 105 unde ef ek leider unwettende si, [3 r ] idoch bin ek wol getrost darbi, dat got eime itzliken dede spreken. de selve mach ok mek wol bewegen unde geven mi alsodane sinne, 1 1 0 mit dem ek et wol vort bringe, wu de salige man dat closter stichtede unde wu herlike he et ok begiftede mit eren beide buten unde enbinnen. an godes namen wil ek nu de rede beginnen.

I n c i p i t l i b e r et c a p i t u l u m 115

Et was bewilen an Westirsassenlande, er dar jemant de kristenheit bekande, ein mechtich hertoge, geheten Wedekint;

vme. wur auch 520. 691. 750. 849. 936 (oder wurj. 1445; wor 213. 389. 103 vornömen. Auch 847 mit 6. 101

104

p r i m urn.

wür

beghunde. Mit u auch 472. 1649. Mit u 1301. Der Ind. Prät. hat u 1056. 1169. 1241. 1330. 1440. 1728 (begüde). 1903 (beghüde), dagegen ü 1007. 1087. 1103. 1159. 1204. 1305. 1380. 1398. 1415. 1476. 1708. Der Konj. hat ü 1300. 1660. Ferner steht bei zwei-

felhaftem

Modus u 870 (be-

ghüde), ü 1571. Vgl.

1670.

382.

me ghetr6ft. tröfte (Prät.)

213,

mit ο 506. no deme. - ot. So noch

18mal,

Öt 35mal (einmal mit d), et 16mal

(5mal

mit dj.

112 herlike. 115

westir Sassenlande W . ] venftir (das η gebessert) f a f f e n lande. 7

120

iz j

130 [3V]

cristliken namen entphenk de here sint. er denne eme doch dat grote heil besehe, sinen vigenden dede he swar unde we: ein stede unde köne herte hadde he darto. könich K a r l dede eme ok weder also, wenne uns dat bok secht vor war, dat he up ene örlogede wol drittich jar. to beidentsiden was et ene swar unde lank, de könich doch den hertogen bedwank, dat he eme mit denste wart underdan. unde ok schöle gi wetten sünder w a n : de hertoge unde alle sine lantlüde, de do Sassen heten unde ok noch hüde, den kristengeloven al mede entphengen, darmede se des düvels herschap entgengen, unde worden, so dat was mit rechte, unses heren vil underdanige knechte.

entphing. Sonst im Prät von entphan, anevan i nur im Reim auf das Prät von gan (215. 1096. 1383), das immer mit i erscheint; 131 dennoch mit e. Ich habe e durchgeführt, vgl. 389. iie-20 befchey (was Konj. Prät. sein kann): wey. S. beschach: wach. 121 kone. Ebenso 894. Mit 6 1116.harte. Mit a auch 438. 731. 1206. 1322. 1529. 1554. 1681. 1762. 1842; herte 636. Vgl. auch 824 und 1946. Mit e 24mal, dazu barmhertich 1702. »24 one. So auch 1032. 1351. 1742; on 14mal; 6ne 568. 1615; δη 17mal. - orloghede.

118

8

Entsprechend 502. 900; orloghe 1043. Dagegen 6rlogheden 1015, Srloghe 1380. 1383. 1 2 6 betwang. (be)twingen mit tw auch 766. 768. 1849; mit dw 505. 1615. is» hude. Mit fi auch 400. 1468. 1732. 1822. Mit u 875. 132 duuels. Mit üu auch 581. 1540. 1666. - herfchop. Mit a erscheint die Endung nur 59 und 65 (Reim), darauf mit ο (132. 146. 302. 439. 514) und von 735 ab nur noch als -fchüp, nur 1655 noch einmal mit o. Ich habe -fchap durchgeführt. 133 Rasur ober- und unterhalb von Vnde, etwas rötlich. 1 3 4 heren, das 1. e auf Rasur.

1 3 j de here starf unde w a r t to Engere begraven, sin sele, so w i höpen, w a r t gehaven anderen goden seien gelike in dat hoge himelrike.

Capitulum

secundum.

N u schöle gi hören unde merken rechte: 140 von des selven groten heren siechte, alse ek wol an der warheit hebbe bekant, von einem groten heren, de was Brun genant, wart ein hertoge geboren, von deme ek sede hir vören. 145 Lüdolf was ok de selve here genant; sin herschap genk över alle Sassenlant; alle dögede mochte men an eme schouwen. to wive nam he eine vil edele vrouwen

ΐ3β zele. Außer 1619 immer mit ζ. 140 Us heren auf Rasur. Anscheinend Schmiererei mit Rot durch Radieren gesäubert. 1 4 2 Brün (Randglosse Bruno,). Ebenso 497. 513. 1 « Vart. 143-44 geborn: vorn. Immer mit Synkope geborn, bevorn, tov., erkorn, gek., vork., vorIorn, nur 1269 t6 voren (:doren), 1545 ghekoren, 1746 gheboren. 145 Ludolff. Nur eine Randglosse hat fi : lfidolffi 417. 14« ouer. Mit δ nur 401. 534. 1307. 147 dßghet. Mit δ auch 200. 984.

1044. 1100. Sonst mit ο (lOmal). - fchauwen. Immer mit auw oder aw, nur 238 fchöwen in Angleichung an das Reimwort. 148 vrauwen. So oder mit aw immer im Reim um des Reimworts willen fvrdwen 237. Vgl. 1731. 1880). Im Versinnern nur 1861 Vrauwe, sonst vrowe (so auch noch 1865), später vrowe: 1586. 1650 (1. Mal). 1654. 1793 fvröwe 1693) oder vrüwe 1517 (statt vrone/j. 1560. 1573. 1597. 1620. 1650 (f). 1670. 1730. 1744. 1829. 1832. 1848. 1878. Zweite Prosa (das 1. Mal), dazu vrüwe 9mal

9

von Frankrike ut deme lande geboren 150 unde von deme grötesten gesiechte uterkoren, dat men över al dat könichrike vant. Ode was de edele vrouwe genant; unde also ek an dem boke bescreven vant, Billunk was der vrouwen vader genant. 155 Se was küsch, milde unde otmöde, an er lüchtede mengerhande göde. an reinen seden was er edelcheit gelegen, der mit rechte alle de jene schölden plegen, r [4 ] de dar römet, wu rechte edel dat se sin, 160 unde enhebben des doch an den seden neinen schin, daraf men ere edelcheit möge bekennen, wol alleine dat se sek edel nennen: daraf willen se hebben lof unde rom. nein twar, se enschölen, went recht adeldom 165 is gelegen an seden unde an werken, we ok de lüde rechte wil merken,

(falls

1650 das 2. Mal

auch 1153, göde 1455. güde

und

1657 nicht vrüwej von 1571

an, vruwe 28malvon 1728 an. Vgl. auch 1795. 150 g r o t c f t c . Auch der Komparativ 4mal mit o, mit δ 719.

155 kufch. So auch 1876; kufcheit 418; kufcheit 324. - von (streicht S.) otmoyde. Dazu Interlinearglosse: .i. (d. h. id

estj hullite. Vgl. 1876.

341. 1269; orer beyder 297. -

goyde. Dazu

edel. Mit einfachem 170. 185. 231. 431.

.i.

d auch 1634.

163-04 roem im Reim zu adel- · doem. 164 c n fchollen. Überwiegend mit ull; mit fill 198. 932, mit öl (6, darüber v ) 1287, mit ol 195. 225. 273. 312. 947.

Inter-

linearglosse .i. boltas. goide 10

>59 r6met. Mit ο 239. Zu fede Interlinearglosse moribi).

160

162

•56 6r. Ebenso (G. und D. Sg. des Personalpronomens) noch 12mal, dazu 1827 6r statt er (er), öre 1935; er 803. 1877; or 8mal, ore 617. G. PI. or 1901.

157

1540. 1875. 1893. Mit u 529, mit u 1795. or. Die Formen des Possessivpronomens vom Stamm er erscheinen 63mal mit o, 12mal mit 6, 2mal mit e (446.1651).

166

recht.

de halde sek an der alden wissagen rat unde prove der lüde beide sede unde dat: darbi mach he se rechte wol bekennen. 1 7 0 w a t denne, dat se sek edele lüde nennen? wat denne, dat se goldes unde silvers vele haven? w a t denne, dat se samit, pelleln unde zabil dragen? unde töge ok an de katte eine zabilshut — dat het mek spreken de warheit överlut 1 7 j na katten art se sekerlike dede, gerne ete se müse, were't dat se se hede; se vorgete gar des kledes werdicheit. nu seit, et si ju lef eder leit, disse rede hebbe ek darümme gedan, 180 dat se den dummen to lare möge stan, de mit homode bagen unde ok plegen, dat se sek to neiner vrömicheit enwegen, darbi men se wol schölde erkennen, eft men se mit rechte möchte nennen, 18 j dat se hövesche unde edele lüde weren. seit, nu wil ek hir weder keren [4 ] unde segen aver von der v i l goden, der edeln hertoginnen vrouwen Oden. V

olden. Mit ο auch 339. 350. 1031; olden (Verb) 1661. Aber ält (z gebessert) 1315 (Reim!); von aldere 973. Rid. ιβ8 proüe. - did. Mit i. auch 629. 1559. Vgl. 909. 172

zamyd.

173

t6ghe. Ebenso 994. hfid.

zabils

ouer lud. lüde 1250. 1512. 175 fekerliken. 1™ mufe weret. 177 kleides. Mit ey, ei auch 323. 329, mit e 208. 317. 419. 1823. 1879. 178 j u fehlt. 182 vromicheyt. Nur 202 mit 6; vromich 1167;xb vr6men 848. Vgl. 1027. iss h6uefche.

11

Capitulum

tertium.

N u is de gode vrouwe to den Sassen gekomen, 190 nu heft se de hertoge to wive genomen; unde alleine hadde se mannes künde, dat bok seget, se vormede doch sünde, de under enander elike lüde dicke begant. untitlike leve mach de sünde sin genant, 195 de elike lüde Scholen vormiden. he si man eder w i f , de disse lere niden, de mögen sek wol to unechten lüden nennen. Von der vrouwen Oden schöle gi mer erkennen, er milde herte was von homode reine. 200 allerhande dögede waren er ok gemeine, unde were't, dat men des in der werlde plege, dat men der vrömecheit könichrike geve, dannoch möchte se sin gewesen königinne. nochtan hadde de vrouwe ok de sinne, 2 o j dat se got vröchte unde lef hadde sere unde dachte, w u se de himelschen ere under dissen erdischen möchte behalden. den nakeden kledede se vor dem kalden, dem hungergen gaf se gerne er brot, 2 1 0 den dörstigen löste se von siner not, neine vorsmade se to den seken to gande; we ok lach an kerkeneren eder an bände, den tröste se wormede se mochte.

196 aber nyden.

Interlinearglosse

.i. h a t e n .

198 Von. Initiale mit weit ausgreifendem Schwung. 201 w e r e t .

205 vröchte. Ebenso 593. Sonst mit o. 12

207-08 beholden : kolden. 2 0 9 hungeren. bröd. 210 löfte. gheloft 859. - n 6 d .

Mit 6 auch 230. 563.

noit 1443; nötlike noitlike 686. 211 N e y n e .

592;

802;

unde eia, wu wol er dat gevochte, [ j r ] dat se geste leflike unde wol entphenge, 2 1 6 up dat se de goden werk neine vorgenge, de an deme ewangelio bescreven stat. de wort unse leve here selves gesproken hat unde wil se ok an dem lesten spreken, 220 so he sek wel över de bösen wreken mit dem ewigen heischen vüre darinne werdet alle gnade düre und so he ok wil den goden Ionen mit der ewigen kronen. 225 unde disser twiger Ion schöle gi sin gewis, cum venerit filius hominis, disse goden werk findet men gescreven da, unde scrifl uns Matheus ewangelista. des selven plach ok de salige Thobias: 230 he begrof de armen doden, den des not was. also dede ok de vrouwe edele unde rike, de armen doden heit se begraven mit vlite. nu seit, hirmede uns de scrifl: wil leren, wu we harde wol mögen werden 235 alle sinen hilgen gelike godes kindere an deme himelrike. Noch mer schöle we spreken von disser vrouwen, wente wi mögen an er beide schouwen, dat wi des niemer uns dörfen römen,

214

er (S. her) fehlt. - ghevodhte lese ich deutlich. " δ lefflich. 2ie neyn. - verghinge. ver- auch 369. 618. 694. 876. 1160. 1188. 1664. 217 ewangelio, w aus v. 22 . fprk. 1312 V nt iaghede. 1313 t6ghe. 1315 ridde enwor (W. worde, vgl. 855). - ghevünde. - Sit ("a verbessert).

i3ie dede he mit liften dede he. vlen. 1317 befteen. 1318 ftraten. 1319 maten. 1320 Nfitte. vnnutte 1607. 1322 harten. Dazu Interlinearglosse .i. cordes (!). Vgl. 1681.

57

1325 unde also ek in dem boke hebbe vornomen, mit einem here erhof he sek schere an Beierlant up einen hertogen, de was Arnolf genant, aldar wart he, so men saget, so sere gewunt, dat he weder to lande quam sere ungesunt. 1 3 3 0 von dage to dage begunde he sere vorderven, unde do he vornam, dat he scholde sterven, sinen broder Everharde heit he eme bringen unde mande en wol in broderliker minne. sin maninge was doch gemischet mit clage. 1 3 3 5 he sprak: ,nu merke, leve broder, w a t ek di sage, mit grotem unheile sin wi sere befangen, got gelücke is uns leider verne entgangen; du enmachst nicht der Sassen hertogen wederstan. dorch dat dünket mi, et si di vil got gedan, 1340 dat du darna stast mit alle dinen sinnen, wu du sine hülde so mögest gewinnen, dat he di willich unde ok gnedich si, wente et schal komen vil schere na hirbi, dat he dat rike wol mit eren schal behalden. 1345 sü, so machstu wol siner hülde gewalden; dat mach di twar wol to den eren vromen'. vil ungerne wolde de here an de rede komen; [25V] wenne do eme de broder mit biddende anlege unde ok der bede mit stedem wenende plege, 1 3 5 0 mit unmateliken trenen sprak he, dat he dat dede, des he ene mit tränen so broderlike bede. unde do de könich na unmenigen dagen goden ende nam unde wart begraven, 1328 1337 1338 133»

1348 do. Ebenso

ghewünt. ghelucke. wedd'ftan. dunket.

ι » « hulde. Mit u auch 1744; mit Ü 1345.

58

1485.

1507.

1350 vmathelike. 1351 broderlike. 1735. 1556.

1352 königk; königh 1439. Vgl. 1911.

de here dede na sines broders rade, 1 3 5 j den he eme gaf, do he noch dat levent hade, na dem hertogen erhof he sek an Sassenlant, sek selven unde alle sine ere gaf he an sine hant, up dat he sines landes ichteswat behelde unde ok, als et quam, siner Staden vrüntschap gewelde.

Capitulum 1360

XXIX.

D o de vörsten des königes Cunrats dot vornamen, to Fritzler se alle tosamen quamen unde koren aldar den hertogen Hinrike to könige beide to Sassen unde Frankrike. doch enwolde he königes wiunge nicht entphan,

1365 he sprak, he wolde gerne an dem otmode bestan, de wiunge schölde men beterme manne behalden, he wolde königes namen alleine gewalden. unde do de könich alsus gehöget were, anrichten dachte he wol sines rikes ere. 1 3 7 0 mit eme was godes hülpe unde sin gnade; Lotringen, Beiern unde de listigen S w a v e n makede he eme to dem ersten tomale underdan. unde alle de, de he mit siner herschap mochte bevan, de mosten rechten loven unde frede halden. [26 r ] nu höret ok, w a t ere ok en dede got gewalden. 1 3 7 6 bi der tit voren de Ungern an Sassenlant, se stichteden dar slachtinge, rof unde brant; unde do se des vil menich jar plegen, 1358 fyns. 1359 s iner staten W.] fyns f t a t ^ . vrütfchüp. 1364 wyginge. 1366 wyünge. Ebenso 1507. 1 3 « 7 alleine 5.] alleyns.

1368 alfüs. anrichten W . ] A n Richte. fyns. 1 3 7 2 vnd'dan. 1 3 7 3 de / de. möften.

1369

59

dat se sek also weder de Sassen wegen, 1 3 8 0 dat örloge begunde en an beidenthalven swaren; des makeden se einen vrede to itwelken jaren. do de bescheidenen jar al vorgengen, de Ungeren aver dat örloge anevengen; er könich sande to erem könige Hinrike, 1 3 8 5 tins to gevende gebot he eme waldechlike. unde do de könich rat hirümme gesochte unde an den heren anderen rat nicht gevinden mochte, wenne dat he tins da von Sassenlande geve, ander rat, sprak he do, an sinem herten lege, 1 3 9 0 he enwolde den ok twar niemer vormiden. beide oren unde sagel heit he vil na vorsniden einem dicken, unreinen, bösen hofwarde. seit, den könich von Ungern vröchte he also harde, dat he eme dat schöne breckelin to tinse sande, 1395 up dat he an sinem torne nicht enwande, unde enbot eme ok, wolde he mer tinses gewalden, den schölde he von eme mit den swerden behalden.

Capitulum

XXX.

Des königes herte begunde harde quellen, sin waldige torn bernen unde swellen, 1400 tosamene heit he komen manigen helt balde; [26V] alse he to stride wol gar hundert dusent getalde,

1379 wegen, dazu Interlinearglosse .i. moue. 1384 t