Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800 - 1826 im Vergleich [1 ed.] 9783428520039, 9783428120031

Wesentliche Entwicklungen können gerade in kleineren Staaten ihren Anfang nehmen. Eine Verfassungsgeschichte, die den Kl

159 13 4MB

German Pages 976 Year 2007

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800 - 1826 im Vergleich [1 ed.]
 9783428520039, 9783428120031

Citation preview

Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 79

Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800 –1826 im Vergleich Von

Carl-Christian Dressel

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CARL-CHRISTIAN DRESSEL

Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800 –1826 im Vergleich

Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 79

Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800 –1826 im Vergleich

Von

Carl-Christian Dressel

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Wintersemester 2003/2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 703 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0553 ISBN 978-3-428-12003-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2003 / 2004 von der Rechtsund Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurde sie auf den Stand von Oktober 2006 gebracht. Dem Erfahrungsschatz anderer verdanke ich viel. Mein Dank gilt vor allem meinem verehrten Lehrer, Professor Dr. Dr. h.c. Peter Häberle. Er begleitete meine Arbeit stets mit förderlicher Kritik und wertvollen Ratschlägen. Nicht zuletzt sein öffentlich-rechtliches und verfassungsvergleichendes Seminar war von Beginn meines Studiums an höchst inspirierend für mich. Auch Professor Dr. Wilfried Berg, der das Zweitgutachten erstattet hat, möchte ich aufrichtig danken. Unvergessen bleibt mir Professor Dr. Dr. Wilhelm Mößle y, dessen großem Interesse ich besonderen Dank schulde. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zahlreicher Bibliotheken und Archive bin ich für ihre vielfach bewiesene Hilfsbereitschaft verbunden. Stellvertretend für viele nenne ich die Landesbibliothek Coburg und das Staatsarchiv Coburg, wo mir vor allem Archivdirektor Dr. Rainer Hambrecht und sein Nachfolger, Dr. Stefan Nöth, kompetent zur Seite standen. Für wertvolle Unterstützung bei der Ausarbeitung der Druckfassung danke ich Sabine Schlecht und Dr. Michael Kanz. Ich danke dem Verlag Duncker & Humblot und den Verlegern Prof. Dr. jur. h.c. Norbert Simon und Dr. Florian R. Simon für die ehrenvolle Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Schriften zur Verfassungsgeschichte“. Sehr verbunden bin ich der Friedrich-Ebert-Stiftung, die mir ein mehrjähriges Promotionsstipendium gewährte, ohne das diese Arbeit nicht hätte entstehen können. Die Drucklegung der Arbeit wurde durch Druckkostenzuschüsse ermöglicht. Dafür bedanke ich mich bei der Niederfüllbacher Stiftung und ihrem Vorsitzenden, Bürgermeister Norbert Tessmer, dem Bezirk Oberfranken und der Stiftung der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’schen Familie. Ich widme diese Arbeit dem Andenken meines im Jahre 1983 verstorbenen Vaters Carl-Friedrich Dressel. Coburg, im März 2007

Carl-Christian Dressel

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

A. Sachsen-Coburg als geeignetes Betrachtungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche (1800 – 1806) . . . . . . . . . . . . . . .

43

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode – Die Entwicklung der coburgischen Verfassung von 1821 als Symbiose altständischer, reaktionärer und fortschrittlicher Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs . . . 477 F. Ausblick: Dilatorische Gesetzgebung in den letzten Regierungsjahren von Herzog Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 G. Perspektiven: Aktivitäten zu Beginn der Regierungszeit von Herzog Ernst II. . . . . . . . 525 H. Notanda: Anmerkungen zur Entwicklung nach 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 I. Schlußbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 Landkarte und Schaubilder Textanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 936 A. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 936 B. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 939 I. Gesetzessammlungen, Regierungs- und Gesetzblätter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 939 II. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 939 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 970

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

A. Sachsen-Coburg als geeignetes Betrachtungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

I. Historische Situation Sachsen-Coburgs in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

II. Bisherige wissenschaftliche Aufarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

III. Untersuchungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

IV. Quellensituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

V. Editionsgrundsätze im Textanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche (1800 – 1806) . . . . . . . . . . .

43

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

1. Umfang des Territoriums und der Landeshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

a) Gebiet und Landeshoheit von „Sachsen-Coburg-Saalfeld“ . . . . . . . . . . . . . .

43

b) Weitere Territorialanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

c) Sachsen-Coburg-Saalfeld als typischer Vertreter des deutschen Staates . .

45

d) Einschränkung der Landeshoheit infolge der finanziellen Situation . . . . .

46

e) Primogeniturordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

f) Vertretung beim Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

2. Quellen des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

a) Fehlen einer Verfassung im formellen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

b) Anerkannte Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

c) Beschwerdeführung als Grundlage der Verbriefungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

d) „Notorietät“ als Rechtsquelle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

3. Wesen und Zusammensetzung der Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

a) Begriff und Entstehung der Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

b) Die Landschaft als Landesrepräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

10

Inhaltsverzeichnis c) Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

aa) Landstandschaft als Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

bb) Ständische Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

cc) Prälaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

dd) Ritterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

ee) Städte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

4. Organisation und Rechte der Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

a) Landtage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

aa) Hoheitsrechte der Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

bb) Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

cc) Geschäftsordnungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

b) Der Engere Ausschuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

aa) Partielle Surrogatfunktion für den Landtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

bb) Zusammensetzung und Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

c) Der Landschaftsdirektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

d) Landschaftliche Bedienstete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

e) Dichte der Landstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

aa) Individuelle und korporative Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

bb) Beschränktheit der korporativen Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

cc) Steuerbewilligung und -erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Steuerbewilligungsrecht als Grundlage der ständischen Rechte (2) Steuererhebung unter Beteiligung der Landstände . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechenschaftspflicht des Landesherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75 75 77 78

dd) Allgemeines Anhörungsrecht bei der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . .

78

ee) Geringe ständische Mitwirkung bei Exekutive und Judikative . . . . . . . (1) Regierung und Verwaltung als Rechte des Landesherrn . . . . . . . . . (2) Aufrechterhaltung der evangelischen Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verwaltung und Jurisdiktion durch Rittergutsbesitzer . . . . . . . . . . .

80 80 81 82

II. Das hergebrachte Regierungs- und Verwaltungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

1. Das Geheime Ratskollegium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

a) Wesen und Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

b) Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

c) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

2. Landesregierung und Unterbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

a) Wesen, Entstehung und Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

Inhaltsverzeichnis

11

b) Unterbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

aa) Zivilämter und Städte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Innere Organisation der Stadt Coburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88 88 89

bb) Centamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

c) Instanzenzug der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

d) „Geheime Kanzlei“ in Saalfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

aa) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

bb) Nachgeordnete Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

cc) Innere Organisation der Stadt Saalfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

3. Konsistorium und Unterbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

a) Wesen, Entstehung und Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

b) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

c) Unterbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

4. Kammer und Unterbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

a) Wesen, Zusammensetzung und Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

b) Unterbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

5. Deputationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

6. Die Landes- und Kriegskasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

1. Errichtung des Ministeriums und Auflösung des Geheimen Ratskollegiums

97

a) Kontaktaufnahme des Herzogs Franz Friedrich Anton mit Theodor Konrad Kretschmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

b) Finanzplan und Generalvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

c) Übernahme Kretschmanns in coburgische Dienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 d) Innere Organisation des Ministeriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 e) Faktische Konzentration von Kompetenzen bei Kretschmann . . . . . . . . . . . 108 f) Vorbildwirkung der Neuorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Kretschmanns Planung weiterer Organisationsreformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Konsolidierungspläne für Finanzen und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Situation der herzoglichen Finanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Die landschaftliche Versicherungsurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

12

Inhaltsverzeichnis c) Versuchte Reorganisation des landschaftlichen Rechnungswesens . . . . . . . 117 d) Das Hausgesetz vom 1. April 1802 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Vorbilder und Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 cc) Mangelnde kaiserliche Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 dd) Vollzugsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 e) Die coburgische Staatsbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 f) Reform des Kassenwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 aa) Versuch eines Eingriffs in die Landeskasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 bb) Die allgemeine Rechnungsinstruktion vom 30. April 1802 . . . . . . . . . . 124 g) Wirtschaftsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 aa) Die Gesindeordnung vom 11. März 1803 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Die Handwerksordnung vom 25. Mai 1803 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 h) Anstoß zur Aufteilung der Gemeindebesitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4. Reorganisation der Landeskollegien und Ämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Erste Aktivitäten und Vorstellungen Kretschmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Errichtung der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Zusammenlegung der Unterbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Beschränkung der Zuständigkeit des Geistlichen Untergerichts . . . . . 131 bb) Errichtung von Justiz- und Kammerämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc) Versuchte Ausweitung zentraler Zuständigkeiten auf Saalfeld . . . . . . . 133 d) Neue Verwaltungsorganisation der Städte und Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Stadt Coburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Errichtung des städtischen Magistrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wahl der Magistratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Innere Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Publikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

134 134 134 135 136 137

bb) Stadt Saalfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 cc) Projektierter Erlaß einer allgemeinen Gemeindeordnung . . . . . . . . . . . 138 e) Reform des Besoldungswesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 f) Reform des Forstwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 g) Versuch einer Verflechtung von Ministerium und Landesregierung . . . . . . 140 h) Errichtung einer Militärkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

Inhaltsverzeichnis

13

i) Erkehr vom Provinzialsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 j) Fortführung der Trennung von Justiz und Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 5. Konflikte mit der coburgischen Landschaft als Resultat der Verwaltungsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Neue Bauordnung als Auslöser der Auseinandersetzungen . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Fragen der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 c) Versuchte Entmachtung Könitz’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 d) Beschwerden der Landschaft über Verletzungen ihrer verfassungsmäßigen Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Organisationspatent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Landesherrliches Einsichtnahmeverlangen in landschaftliche Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 e) Erstmalige Ankündigung einer einheitlichen geschriebenen Verfassung 148 f) Vorbereitung einer landschaftlichen Klage vor dem Reichshofrat . . . . . . . 151 g) Differenzen über Steuerbewilligung und Steuererhebung . . . . . . . . . . . . . . . 154 h) Suspension des Landschaftsdirektors Könitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 i) „Rücktritt“ Könitz’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 j) Weitere Kritikpunkte der Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Gesindeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Tranksteuerordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 k) Einsetzung einer Verhandlungskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 l) Klageerhebung der Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Vorschläge der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Ausschluß des Klerus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb) Wesen und Kompetenzen der Landschaft und des Ausschusses . . . . . 173 b) Erarbeitung des Verfassungsentwurfs durch Kretschmann . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Inhalt des Verfassungsentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Wesen und Struktur des Textes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Wesen und Zusammensetzung der Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 c) Geschäftsordnung des Landtages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

14

Inhaltsverzeichnis d) Rechte der Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Polizeigewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 cc) Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 dd) Militärgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 ee) Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 ff) Kirchenhoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 e) Der Entwurf als mögliche Grundlage künftiger Reformen . . . . . . . . . . . . . . 179 3. Ablehnung des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Grundsätzliche Zustimmung der ständischen Verhandlungskommission 180 b) Änderungen des Entwurfs durch die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 c) Vorwürfe gegen Kretschmann als Störung der Verfassungsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Vorwürfe Wangenheims und der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Machtzuwachs für Kretschmann durch Organisationsreform der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 cc) Weitergehende Stärkung Kretschmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 dd) Stärkung von Erbprinz Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 d) Auswirkungen der Kommissionsverhandlungen auf die landschaftliche Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 e) Beschluß der Konferenz über Verfassungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 f) Ausschußtag in Rodach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 g) Weitere Ansichten zum Verfassungsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 aa) Christian Ferdinand von Könitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 bb) Franz Josias von Hendrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 cc) Stadt Rodach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 h) Streitigkeiten über die Rechnungsabnahme der Landeskasse . . . . . . . . . . . . 194 i) Erste offizielle Reaktion des Engeren Ausschusses auf den Verfassungsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 j) Untersuchungen und Vorschläge der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 k) Widersprüchliche Ablehnung des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4. Reaktionen auf die Ablehnung des Verfassungsentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Wiederherstellung der Scheres-Zieritz-Stiftungskommission . . . . . . . . . . . . 199 b) Forderung nach Legitimation des Ablehnungsschreibens . . . . . . . . . . . . . . . . 200

Inhaltsverzeichnis

15

V. Vereinheitlichung der Landeshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Vorgeschichte und Vermittlung Elkans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Konferenz zwischen Sachsen-Coburg-Saalfeld und Sachsen-Gotha-Altenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Die Rezesse vom 4. Mai 1805 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4. Probleme bei der Umsetzung der Rezesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 5. Verfassungsverhandlungen in Saalfeld und Themar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Saalfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Themar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Klage der Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Vorbereitung eines herzoglichen Berichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Erste landschaftliche Nachtragsschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 c) Gutachten der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 d) Zweite Nachtragsschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 e) Der Bericht Herzog Franz Friedrich Antons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 f) Vorschläge der Agnaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 g) Vermittlungsversuche Thümmels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 h) Entscheidungsloses Verfahrensende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Auseinandersetzung mit den Agnaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Zerwürfnis zwischen Minister und Agnaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Klage der Agnaten vor dem Reichshofrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 c) Vergleichsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 d) Entscheidungsloses Verfahrensende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 3. Klage Wangenheims . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 a) Vorläufiger Erfolg Wangenheims . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Versuchte Ausweisung Wangenheims aus Coburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 c) Entscheidung in der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 d) Mangelnder Vollzug der gerichtlichen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 VII. Weitere Reformen und Reformversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Justizbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Planung eines allgemeinen Kriminalgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

16

Inhaltsverzeichnis b) Verbot der Aktenversendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 c) Errichtung eines Oberappellationsgerichts für Sachsen-Coburg-Saalfeld 233 d) Planungen einer Instruktion für Untergerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Verwaltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Berichterstattung durch Unterbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Geschäftsgang der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 3. Freiheitsbrief für Angehörige des katholischen Bekenntnisses . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Toleranz im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Freiheitsbrief als minus zur Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 4. Militärreglement für Sachsen-Coburg-Saalfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 5. Neue Organisation der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons . . . . . . . . . . . . . . . 241 1. Erlangung der Souveränität und erste französische Besetzung . . . . . . . . . . . . . . 241 2. Kriegsbedingte Einwirkungen auf die Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Errichtung von Marsch- und Molestienkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Beschlagnahme der Landeskasse durch Kretschmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 c) Reorganisation der Ämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 3. Tod Franz Friedrich Antons und Einsetzung einer Regentschaft für Herzog Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 4. Beitritt zum Rheinbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Abschluß und Ratifikation des Beitrittsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Folgen des Beitrittsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 aa) Einstweiliges Ende der französischen Besatzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 bb) Bildung eines einheitlichen „Herzogtums“ Sachsen-Coburg-Saalfeld? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 5. Ende der landschaftlichen Mitwirkung und beginnende Unruhen in Coburg 255 6. Aufhebung der landständischen Verfassung in Sachsen-Coburg-Saalfeld? . . 257 7. Eskalation der Auseinandersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 a) Aufstand von Landständen und Bauern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) Verhaftung Imhoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

Inhaltsverzeichnis

17

c) Bayerische Besetzung des Itzgrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 d) Vorgehen gegen Hendrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 8. Zweite französische Besetzung Sachsen-Coburg-Saalfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Rückkehr Herzog Ernsts und offizieller Regierungsantritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2. Das Schicksal der Kontribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 3. Abermalige Neuordnung der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 a) Überarbeitete Vorstellungen Kretschmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Gedanken über die künftigen Grundsätze der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . 273 c) Beabsichtigte Verkleinerung der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 d) Divergierende Vorstellungen Herzog Ernsts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 4. Erneuter Versuch einer Verfassunggebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 a) Inhalt des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 b) Gutachten des Kanzlers Gruner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 c) Weitere Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 aa) Regierungsrat Hartleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 bb) Regierungsrat Arzberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 cc) Kanzleirat Regenhertz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 d) Konferenz über die Verfassunggebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 e) Fortgang der verwaltungsinternen Verfassungsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . 289 aa) Votum Regenhertz’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 bb) Votum Gruners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 cc) Votum Hartlebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 dd) Votum Arzbergers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 f) Erneute Konferenz mit scheinbarem Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 g) Verfassungsbestrebungen aus dem Landesteil Saalfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 aa) Initiative Gleichens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 bb) Ansichten der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 h) Reise von Herzog Ernst und Kretschmann nach Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 i) Fortschreibung des Verfassungsentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 j) Weitere Beteiligung auswärtiger Politiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 aa) Eberstein, Minister des Fürst Primas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 bb) Freiherr Senfft von Pilsach, Gesandter des sächsischen Königs . . . . . 302

18

Inhaltsverzeichnis k) Interessen Herzog Ernsts am Verfassungsprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 l) Verstärkte Skepsis an Kretschmanns Verfassungsplänen . . . . . . . . . . . . . . . . 304 5. Ende der Ära Kretschmann und abermalige Neuorganisation der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 a) Kretschmanns Rücktritt von der Stelle des Bankdirektors . . . . . . . . . . . . . . . 306 b) Kretschmanns weiterer Rückzug und Einsetzung einer Interimskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 c) Bewertung der Leistungen Kretschmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 d) Planung einer Neuorganisation durch die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 e) Umsetzung der neuen Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 aa) Aufhebung des Oberappellationsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 bb) Errichtung eines Konsistoriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (1) Neuorganisation als Oberbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (2) Diskussion über Bildung von Unterbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 cc) Neuorganisation des Ministeriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 dd) Änderung der Dienstverfassung der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . 319 ee) Neue Organisation für das „Justizkollegium“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 ff) Erneute Schaffung von Sonderbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Chausseebaukommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Militärkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Generalforstadministration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

320 320 321 321

gg) Krise und Auflösung der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 f) Vorbildwirkung der neuen Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 III. Die Verfassungsarbeiten Gruners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Gutachten Gruners über Kretschmanns Verfassungsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Beratung im Landesministerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 3. Verfassungsentwurf Gruners vom 20. Juli 1808 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 a) Inhalt des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 b) Anmerkungen ständischer Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 aa) Franz Josias von Hendrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 bb) Christian Ferdinand von Könitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 cc) Wilhelm Heinrich Karl von Gleichen-Rußwurm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 c) Weitere Diskussion im Landesministerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 d) Weitere Stagnation der Verfassungsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

Inhaltsverzeichnis

19

IV. Marginalien bis zum Wiener Kongreß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 1. Beginnende Auflösung des Feudalsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 a) Verteilung der Gemeindebesitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 b) Aufhebung der Steuerfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 c) Ausübung des Näherrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 d) Aufhebung der Steuersubkollekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 e) Versuchte Ablösung des Handlohns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 2. Neue Einrichtungen bei Unterbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 a) Neue Kassen- und Rechnungsinstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 b) Instruktion für die Justiz- und Kammerämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 c) Fortführung der Arbeiten an einer Instruktion für die Provinzialstadträte 342 d) Staatliche Verpflichtung von Patrimonialgerichtshaltern und Vasallenschultheißen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 3. Grenzbereinigung statt Territorialgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 4. Weitergehende Gleichstellung der Katholiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 5. Neuerungen im Bereich der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 a) Aufhebung der Monopole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 b) Neue Gesindeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 V. Die Abwendung vom Rheinbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode – Die Entwicklung der coburgischen Verfassung von 1821 als Symbiose altständischer, reaktionärer und fortschrittlicher Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 I. Rahmenbedingungen: Bestimmungen auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 1. Ergebnisse des Wiener Kongresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 a) Erwartungen Sachsen-Coburg-Saalfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 b) Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen des Wiener Kongresses . . . . 353 c) Gebietsgewinn für Herzog Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 d) Bemühung um den Großherzogstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 2. Einengung der Rahmenbedingungen durch die Reaktion 1819 / 1820 . . . . . . . 359 a) Die Karlsbader Beschlüsse vom 20. September 1819 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 b) Die Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360

20

Inhaltsverzeichnis II. Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Jena . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 1. Anknüpfen an frühere Planungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 a) Neue Verfassungsinitiative Gruners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 b) Ausgangssituation: Gutachten der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 aa) Arbeiten Schultes’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 bb) Gutachten Lotz’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 cc) Bericht der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 c) Wünsche der vormaligen Landstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 aa) Saalfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 bb) Coburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 cc) Bewertung der ständischen Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 2. Die Verordnung über die Errichtung einer ständischen Verfassung vom 16. März 1816 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 a) Schnelle Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 c) Vergleich mit den Vorbildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 d) Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 3. Detailliertere Vorgaben zur Verfassungsausarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 4. Verfassungsentwurf des Regierungsrats Lotz vom 26. Juni 1817 . . . . . . . . . . . 376 a) Vorlagen und verwendete Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 b) Inhalt des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 c) Entwurfsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 aa) Beratung in der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 bb) Begutachtung durch Hendrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 cc) Schriftliche Stellungnahmen im Ministerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anmerkungen von Konferenzrat Gruner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Lotz’ Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Anmerkungen von Konferenzrat Arzberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Anmerkungen von Konferenzrat Hohnbaum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Lotz’ Schlußbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

389 389 390 391 392 393

dd) Ministerialkonferenz im April 1818 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 ee) Umlauf im Ministerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 ff) Zusicherung einer Beteiligung der ehemaligen Stände . . . . . . . . . . . . . . 398 gg) Gutachten der Landesregierung als Justizkollegium . . . . . . . . . . . . . . . . 398

Inhaltsverzeichnis

21

hh) Anmerkungen von Prinz Leopold . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 ii) Abermaliger Umlauf im Ministerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anmerkungen Lotz’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ansichten Opitz’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Detailfragen und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

404 404 406 408

jj) Vergleich mit Hessen-Darmstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 5. Überarbeitung des Verfassungsentwurfs und Erarbeitung weiterer Entwürfe 410 a) Stagnation aufgrund Änderung der Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 410 b) Ausarbeitung eines herzoglichen Verfassungsmanifests . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 c) „Vierteilung“ des Verfassungsentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 aa) Entwurf des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 bb) Entwurf der Wahlordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 cc) Entwurf der Landtagsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 dd) Entwurf der Verordnung über die Staatsbeamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 d) Begutachtung des Verfassungsentwurfs durch Metternich und Lindenau 413 e) Komprimierung des Grundgesetz-Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 f) Weitergehende Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 g) Abermalige Überarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 aa) Beratung im Ministerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 bb) Gutachten Roses zur Verfassungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 cc) Abschluß der Vorbereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 1. Das Manifest über Verfassunggebung vom 30. Oktober 1820 mit Wahlordnung und Landtagsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 2. Wahl der Landstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 a) Durchführungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 b) Wahlergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 c) Einberufung der Stände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 3. Vorläufig letzte Fortschreibung des Verfassungsentwurfs durch die Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 4. Ständische Beratungen in Verfassungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 a) Konstituierung der Ständeversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 b) Ständische Bemerkungen zum vorgelegten Verfassungsentwurf . . . . . . . . . 436 aa) Auffassung des Plenums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 bb) Aufzeichnungen des Landschaftssekretärs Rose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437

22

Inhaltsverzeichnis c) Einsetzung eines Ausschusses zur Verfassungsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 aa) Ständischer Vorschlag zur Verwaltungsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 bb) Erarbeitung eines eigenen Verfassungsentwurfs durch Rose . . . . . . . . . (1) Verfassungsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Roses Entwurf von Grundgesetz und Wahlordnung . . . . . . . . . . . . . (3) Verfahrensfortgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

440 440 441 448

d) Haushaltsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 e) Beratung des Verfassungsentwurfs durch das Plenum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 5. Weitere Verfassungsvorbereitungen der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 a) Begutachtung des ständischen Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 b) Schaffung des „Herzogtums Sachsen-Coburg-Saalfeld“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 c) Neuer Verfassungsentwurf Opitz’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 d) Beratung in Behörden und mit Herzog Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 6. Der abschließende Verfassungsentwurf vom 8. August 1821 . . . . . . . . . . . . . . . 456 a) Inhaltliche Änderungen durch die Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 b) Weitere Änderungsvorschläge der Ständeversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 aa) Fortbestehender Dissens nach den Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 bb) Konsensbemühungen der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 cc) Einsetzung einer Deputation durch Herzog Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 c) Konferenz der Stände mit der landesherrlichen Deputation . . . . . . . . . . . . . 461 d) Letzte Anordnungen des Herzogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 V. Die Verfassungsurkunde für Sachsen-Coburg-Saalfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 1. „Verschleierte Verfassungsvereinbarung“ als Geneseprozeß sui generis . . . . 463 2. Vergleichende Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 a) Grundrechtskatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 b) Organisation der Landstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 c) Rechte der Ständeversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 3. Ergänzungen zur Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 a) Errichtung der Staatsschuldentilgungskasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 b) Instruktion für die Landeskassenkuratel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 c) Verfassungsgarantie durch den deutschen Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471

Inhaltsverzeichnis

23

d) Die Verordnung über die Rechtsstellung der Zivilstaatsdiener vom 20. August 1821 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 e) Vorzeichnung eines weiteren Gesetzgebungsprogrammes . . . . . . . . . . . . . . . 473 f) Planung weiterer Verwaltungsreformen während der Verfassunggebung 473 4. Drr Landtagsabschied von 1821 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 5. Reaktionen auf die Verfassung Sachsen-Coburg-Saalfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs 477 I. Reformen in zeitlichem Zusammenhang mit der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 1. Versuch einer Reform der Verwaltung der Stadt Coburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 a) Initiative von Bürgerschaft und Magistrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 b) Entwurf einer Stadtordnung durch Magistrat und Bürgerrepräsentanten 478 c) Ergebnislose Änderungen des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 aa) Änderungsvorschläge der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Konferenz bei Herzog Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Justizkollegium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

479 479 480 480

bb) Entwurf der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 cc) Ablehnung des städtischen Entwurfs durch die Exekutive . . . . . . . . . . . 483 dd) Neuer Entwurf der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 ee) Weitere Verzögerung des Vorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 2. Versuch der Wiedereinführung einer Beteiligung der Landstände an der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 3. Abermaliger Versuch der Einführung einer allgemeinen Gemeindeordnung 487 4. Versuchte Reform der Feudalverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 5. Stagnation im Grundrechtsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 a) Eingeschränkte konfessionelle Gleichberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 b) Versuchte Aufhebung des Zunftzwangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 6. Personelle und organisatorische Veränderungen in der Verwaltung . . . . . . . . . 493 a) Mangelnde Stabilität bei der Militärverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 b) „Wiederherstellung“ des Kammerkollegiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 c) Personelle Veränderungen in der Verwaltungsspitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 d) Gedanken zu weiteren Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496

24

Inhaltsverzeichnis e) Errichtung einer Obersteuerkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 f) Neue Regelungen in der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 aa) Geschäftsordnung für das Landesministerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 bb) Auflösung der Chausseebaukommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 II. Die gothaische Sukzession von 1826 und die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 1. Hintergründe der Sukzession in Sachsen-Gotha-Altenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 2. Sukzessionsbedingte Änderungen der Verwaltungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 a) Sofortige Reorganisation des Ministeriums 1826 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 b) Reform des Behördenaufbaus 1828 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 c) Keine allgemeine Reorganisation städtischer Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 3. Verfassungsrechtliche Situation in „Sachsen-Coburg und Gotha“ . . . . . . . . . . . 505 a) Verhältnis zwischen Sachsen-Coburg und Sachsen-Gotha . . . . . . . . . . . . . . . 505 b) Faktische Verfassungsänderungen im verbleibenden Sachsen-Coburg . . . 505 c) Versuch einer Revision der Verfassung Sachsen-Coburgs . . . . . . . . . . . . . . . 508 4. Erfolglose Gesetzesinitiative zur Reform der Feudalverfassung . . . . . . . . . . . . 509 5. Änderung der Verwaltungssprengel der Ämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510

F. Ausblick: Dilatorische Gesetzgebung in den letzten Regierungsjahren von Herzog Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 I. Verwaltungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 1. Behördenorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 a) Einführung einer Patrimonialgerichtsordnung 1830 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 b) Kirchenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 aa) Vereinigung des Konsistoriums mit der Landesregierung . . . . . . . . . . . 512 bb) Errichtung von Geistlichen Untergerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 c) Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 aa) Rechnungsdepartement des Ministeriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 bb) Auflösung der Landesregierung als Kriegskommission . . . . . . . . . . . . . 513 cc) Gebietsbereinigung bei den Ämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 2. Städte- und Gemeindeordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 a) Erlaß einer Landgemeindeordnung 1834 / 1835 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 b) Fortführung der Diskussion über die Coburger Stadtordnung . . . . . . . . . . . . 516 c) Vergebliche Forderung nach einer allgemeinen Städteordnung . . . . . . . . . . 517

Inhaltsverzeichnis

25

II. Verfassungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 1. Verfassungskrisen in Sachsen-Coburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 2. Lockerung des Zunftzwangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 3. Scheinbarer Fortschritt bei der Reform der Feudalverfassung . . . . . . . . . . . . . . . 520 a) Erlaß eines Ablösungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 b) Außerkraftsetzung des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 c) Überarbeitungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

G. Perspektiven: Aktivitäten zu Beginn der Regierungszeit von Herzog Ernst II. . . 525 I. Verfassungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 1. Erwartungen der Ständeversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 2. Wiedereinsetzen der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 a) Öffentlichkeit der Landtagssitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 b) Neues Landtagswahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 c) Verantwortlichkeit der Staatsbeamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 d) Neue Zusammensetzung des Ausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 II. Verwaltungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 1. Änderungen auf der Ebene des Ministeriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 a) Neue Bezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 b) Neue Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 2. Die „provisorische“ Coburger Stadtordnung von 1846 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 a) Entwurf der Bürgerdeputation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 b) Erlaß der Stadtordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530

H. Notanda: Anmerkungen zur Entwicklung nach 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 I. „1848“ in Sachsen-Coburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 II. Verfassungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 1. Grundrechtsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 a) Petitions- und Versammlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 b) Preßfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 c) Gleichstellung der Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533

26

Inhaltsverzeichnis 2. Staatsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 a) Letzte Verfassungsänderung 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 b) Das Staatsgrundgesetz von 1852 als Grundlage eines Einheitsstaates . . . 535 3. Befreiung von den Grundlasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 III. Verwaltungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 1. Reformen im unmittelbaren Zusammenhang mit 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 a) Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 b) Reorganisation des Ministeriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 c) Änderungen im Bereich der Mittelbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 d) Auseinandersetzungen über die Coburger Stadtordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 e) Aufgabe des Projekts einer allgemeinen Städteordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 2. Verwaltungsreformen nach 1857 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 a) Reform der Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 b) Reorganisation des Staatsministeriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 c) Umfassende Organisationsreform 1858 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 d) Das allgemeine Gemeindegesetz von 1867 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544

I. Schlußbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 Landkarte und Schaubilder Textanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 1. Instruktion für Minister Kretschmann vom 15. Mai 1801 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 2. Hausgesetz vom 1. April 1802 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 3. Organisationspatent vom 1. Mai 1802 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 4. Der erste coburgische Verfassungsentwurf vom 18. Januar 1804 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 5. Der geänderte Verfassungsentwurf nach Abschluß der Kommissionsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 6. Publikandum über die Souveränität des herzoglichen Hauses vom 6. Januar 1807 603 7. Publikandum vom 6. Januar 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 8. Proklamation über die französische Besetzung vom 27. Januar 1807 . . . . . . . . . . . . . . 607 9. Einzige Erwähnung eines „Herzogthums Sachsen-Coburg-Saalfeld“ vor 1821 in einer herzoglichen Anordnung vom 12. Juli 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608

Inhaltsverzeichnis

27

10. Publikandum über das Ende der französischen Besetzung vom 24. Juli 1807 . . . . . 608 11. Zweiter Verfassungsentwurf Kretschmanns vom 26. Juli 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 12. Fortschreibung des Verfassungsentwurfs in französischer Sprache . . . . . . . . . . . . . . . 617 13. Entwurf eines Publikandums über neue Regierungsgrundsätze von 1807 . . . . . . . . 626 14. Instruktionsreskript für das Konsistorium vom 2. Juni 1808 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 15. Publikandum über die Organisation des Landesministeriums vom 4. Juni 1808 . . 632 16. Instruktionsreskript für die Landesregierung vom 15. Juni 1808 . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 17. Instrukrionsreskript für das Justizkollegium vom 20. Juni 1808 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 18. Verfassungsentwurf Gruners vom 20. Juli 1808 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 19. Verordnung über die Errichtung einer ständischen Verfassung vom 16. März 1816 653 20. Verfassungsentwurf Lotz’ vom 26. Juni 1817 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 21. Gruners Entwurf eines Manifests über Verfassunggebung vom 20. Juni 1820 . . . . 687 22. Aufteilung und Überarbeitung des Verfassungsentwurfs in der ersten Hälfte des Jahres 1820 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689 a) Entwurf des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689 b) Wahlordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 698 c) Entwurf der Landtagsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 d) Entwurf der Verordnung über die Staatsbeamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711 23. Verkürzter Entwurf des Grundgesetzes vom 9. Juli 1820 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716 24. Verfassungsentwurf aus der zweiten Hälfte des Jahres 1820 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 a) Grundgesetz-Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 b) Verkürzung der Wahlordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 726 c) Entwurf der Verordnung über die Staatsbeamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731 25. Manifest zur Wahl der Landstände mit Wahl- und Landtagsordnung vom 30. Oktober 1820 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735 a) Verfassungsankündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735 b) Landtagsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736 c) Wahlordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 740 26. Letzter Grundgesetz-Entwurf der Exekutive vom 14. März 1821 . . . . . . . . . . . . . . . . 744 27. Verfassungsentwurf Roses von April / Mai 1821 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749 a) Erweiterter Grundgesetz-Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749 b) Wahlordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765 c) Landtagsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 770

28

Inhaltsverzeichnis

28. Ständischer Verfassungsentwurf vom 30. Mai 1821 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 774 a) Grundgesetz-Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 774 b) Entwurf der Wahlordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 790 29. Verordnung über die Bezeichnung „Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld“ vom 20. Juni 1821 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 795 30. Verfassungsentwurf Opitz’ vom 20. Juli 1821 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796 31. Revidierter Verfassungsentwurf vom 8. August 1821 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 820 32. Verfassung des Herzogtums Sachsen-Coburg-Saalfeld unter dem 8. August 1821 842 33. Verordnung über die Zivilstaatsdiener vom 20. August 1821 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865 34. Staatsschuldentilgungsedikt vom 13. September 1821 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870 35. Edikt über die Errichtung der Kammer vom 31. Januar 1822 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 872 36. Geschäftsordnung für das Landesministerium vom 25. Januar 1825 . . . . . . . . . . . . . 875 37. Verordnung über die Errichtung der Obersteuerkommission vom 8. Juli 1825 . . . . 884 38. Verordnung zur Neuorganisation des Landesministeriums vom 30. November 1826 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 890 39. Entwurf einer Verfassung für Sachsen-Coburg vom 21. April 1827 . . . . . . . . . . . . . . 895 40. Gesetz zur Einführung der Öffentlichkeit der Landtagssitzungen vom 1. November 1845 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 917 41. Gesetz über die Einführung eines neuen Wahlrechts vom 8. Dezember 1846 . . . . . 919 42. Gesetz über die Verfassungstreue der Staatsbeamten vom 23. Dezember 1846 . . . 928 43. Die letzte Änderung der Verfassung Sachsen-Coburgs im Jahre 1848 . . . . . . . . . . . . 932 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 936 A. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 936 B. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 939 I. Gesetzessammlungen, Regierungs- und Gesetzblätter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 939 II. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 939 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 970

Abkürzungsverzeichnis Eine systematische Übersicht über die verwendeten Quellenbestände bietet das Quellenverzeichnis im Anhang. Für hier nicht aufgeführte Abkürzungen sei im übrigen auf Hildebert Kirchner / Cornelie Butz, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage Berlin 2003 verwiesen. BayHStA

Bayerisches Hauptstaatsarchiv München

BayHStA MA

(ebd.) Bestand Staatskanzlei

BayHStA MInn

(ebd.) Bestand Innenministerium

Dep.

Departement

fol. 1’

folium 1 (Rückseite)

GBl.

Gesetzblatt für das Königreich Baiern

GS

Gesetzsammlung für das Herzogthum Coburg

GVBl.

Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt

HHStA

Österreichisches Staatsarchiv, Abteilung 1: Haus-, Hof- und Staatsarchiv

HHStA RHR

(ebd.) Bestand Reichshofrat

HHStA RHR Ob. Reg.

(ebd.) Bestand Reichshofrat, Obere Registratur

HHStA RHR Prot. Rer. Res.

(ebd.) Bestand Reichshofrat, Resolutionsprotokolle

HHStA RHR Relat.

(ebd.) Bestand Reichshofrat, Relationen

HStA

Hauptstaatsarchiv

PrGS

Preußische Gesetzessammlung

RBl.

Regierungsblatt (je nach Zusammenhang Churbaierisches, Churfürstlich Pfalzbaierisches, Churpfalzbaierisches, Großherzogliches Sachsen-Weimar-Eisenachisches oder Königlich-Baierisches Regierungsblatt)

RIBl.

Regierungs- und Intelligenzblatt (je nach Zusammenhang Herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldisches, Herzoglich SachsenCoburgisches oder Herzoglich Sachsen-Hildburghäusisches Regierungs- und Intelligenzblatt bzw. Regierungs- und Intelligenzblatt für das Herzogthum Coburg)

StACo

Staatsarchiv Coburg

StACo GUG Co

(ebd.) Bestand Geistliches Untergericht Coburg

StACo KA Coburg

(ebd.) Bestand Kammeramt Coburg

StACo Kons.

(ebd.) Bestand Konsistorium

StACo LA

(ebd.) Bestand Landesarchiv

30

Abkürzungsverzeichnis

StACo Landtag

(ebd.) Bestand Landtag

StACo Landtag Urk

(ebd.) Bestand Landtag, Urkundenselekt

StACo LReg.

(ebd.) Bestand Landesregierung

StACo Min

(ebd.) Bestand Staatsministerium

StACo Urk

(ebd.) Bestand Urkundensammlung

StACo Urk LA A 1

(ebd.) Bestand Landesarchiv, Lokat A, Urkundenselekt Nr. 1

ThStAGo

Thüringisches Staatsarchiv Gotha

ThStAMgn

Thüringisches Staatsarchiv Meiningen

ThStAMgn GA

(ebd.) Bestand Geheimes Archiv Meiningen

ThStAMgn GA HBN

(ebd.) Geheimes Archiv Hildburghausen

unfol.

unfoliiert

unpag.

unpaginiert

Einleitung In der deutschen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichtsforschung des XIX. und XX. Jahrhunderts bestehen klare Schwerpunkte. Diese werden einerseits von denjenigen Staaten gebildet, deren Verfassunggebungen und Verwaltungsreformen bereits aus der napoleonischen Zeit (1806 – 1814 / 15) datieren, andererseits von Staaten mit dahingehenden Aktivitäten in unmittelbarem Anschluß an den Wiener Kongreß (1815 – 1820) oder in zeitlicher Umgebung der Paulskirchenverfassung (1849). Nach der Gründung des Norddeutschen Bundes (1867) erschien zahlreichen Abhandlungen nur noch die Verfassungs- und Verwaltungsentwicklung auf Bundes- bzw. Reichsebene als befassenswertes Forschungsfeld, neben dem höchstens die Vorgänge in Preußen1 und den – vor allem süddeutschen – Mittelstaaten Erwähnung fanden.2 Der Kleinstaat, „in der ganzen Bandbreite seiner vielfältigen Erscheinungsformen“3 bis zum Beginn des XIX. Jahrhunderts die grundlegende Organisationsform im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, wird gewöhnlich vernachlässigt.4 Die Feststellung von Peter Häberle, eine

1 Zur Kritik an der „enge(n), auf Preußen konzentrierte(n) Geschichtsschreibung“ siehe auch Elisabeth Fehrenbach, Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, S. 152; zur Abkehr davon auch Roger Dufraisse, Das napoleonische Deutschland, S. 468. 2 Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, ist ein „klassisches“ Beispiel hierfür. Auch Karl Otmar Freiherr von Aretin ignoriert den gesamten mitteldeutschen Verfassungsraum zugunsten der süddeutschen Verfassungsbewegung (Vom Deutschen Reich zum Deutschen Bund, S. 175 ff.). – Ähnlich ist Hans Boldt der Auffassung, daß sich die Einführung des konstitutionellen Systems „zunächst auf die vier süddeutschen Staaten Baden, Bayern, Württemberg und Hessen-Darmstadt“ beschränkte (Reich und Länder, S. 253). Vgl. in der neueren Forschung beispielsweise Hans-Peter Ullmann, Überlegungen zur Entstehung des öffentlichen, verfassungsmäßigen Kredits in den Rheinbundstaaten – der sich gezielt auf Bayern, Württemberg und Baden beschränkt –; Helmut Berding, Finanzen und Reformen, S. 4; Rupert Pfeffer, Die Verfassungen der Rheinbundstaaten, S. VIII und Bernhard Löffler, Die Ersten Kammern und der Adel, S. 32. Auch Dieter C. Umbach (Parlamentsauflösung in Deutschland, S. 21 f.) hält eine vollständige Darstellung der Einzelverfassungen des 19. Jahrhunderts mangels „wesentlicher“ Unterschiede für „nicht sinnvoll“. – Kritisch zu dieser Vorgehensweise – teilweise gerade hinsichtlich Sachsen-Coburg-Saalfelds – ebenfalls Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 14, 39, und Reinhard Mußgnug, der die Verfassung Sachsen-Coburg-Saalfelds unter die „zu Unrecht allzuwenig beachteten Verfassungen“ zählt (Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 98). 3 Formulierung nach Peter Häberle, Verfassungsentwicklungen in Osteuropa, S. 101. 4 Die gleiche Feststellung findet sich bei Volker Press, Steuern, Kredit und Repräsentation, S. 59 f.

32

Einleitung „demokratische Verfassungslehre, die den Kleinstaat einfach überginge, wäre ebenso unvollständig wie wenn sie den Föderalismus, die Regionen oder die Entwicklungsländer ausliesse“5,

hat nicht minder Geltung für den Bereich der Verfassungsgeschichte der vordemokratischen Zeit. Gerade bei der Entwicklung von Reformprojekten im Verfassungsund Verwaltungsbereich waren es nicht die größeren Herrschaftsgebiete, die an der Spitze der jeweiligen Reformbewegung standen.6 Auch hier bot der Kleinstaat als „Experimentierfeld“ 7 für modernere wie auch für restaurative Ideen ein weitaus flexibleres Pflaster. Die spezifische Ressourcenknappheit des Kleinstaats verursacht nahezu zwingend eine besondere Offenheit und Öffnung nach außen, so daß die Rezeption fremder Rechte zu einem Ensemble von „Mischrecht“ führt8, zumal da „,Kleinstaatsbürger‘ und kleines Kleinstaatsvolk ( . . . ) sich und den Staatsfunktionen in ihrer Grundrechtswirklichkeit näher als in den ,normalen‘ Verfassungsstaaten“9 sind. Diese „Rezeptionen von Rechten sind zunächst passiv, sie haben aber auch eine aktive und aktivierende Komponente, vor allem entwickelt das Rezipierte im neuen, fremden Kontext eigene Inhalte und Funktionen.“10

Damit wird auch offensichtlich, wie die Thüringer Kleinstaatenwelt zum „Zentrum des Frühkonstitutionalismus in Deutschland“11 werden konnte. Die vorliegende Arbeit will die Entwicklung im thüringischen Kleinstaat Sachsen-Coburg ab 1800 darstellen und in Vergleich mit den Zuständen in anderen Staaten setzen. Die dabei zur Verwendung kommende Textstufenanalyse „besteht in einem Vergleich der Verfassungstexte im engeren Sinne in Raum und Zeit und arbeitet den Texten entlang historisch komparatistisch und zeitgenössisch komparatistisch.“12

Diese Methodik konkretisiert mithin den wissenschaftlichen (Rechts-)Vergleich, der in der deutschen Verfassungsgeschichte eine besondere Tradition hat, da für Peter Häberle, Der Kleinstaat als Variante des Verfassungsstaates, S. 125. Karl Heinrich Friauf stellt ebenfalls fest, daß „wesentliche Entwicklungen gerade in kleineren Staaten ihren Anfang“ nehmen können (Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 14). 7 Ähnliche Formulierungen finden sich bei Bernd-Rüdiger Kern, Carl Gottlieb Svarez, S. 1085 – Schlesien als Experimentierfeld für Preußen – und bei Emile Lousse, Parlamentarismus oder Korporatismus, S. 287 – Deutschland in seiner Gesamtheit als Experimentierfeld wegen seiner territorialen Zerstückelung –; jetzt auch (ohne Quellenangabe) bei Gerhard Müller, Nachbemerkung, S. XII f. 8 Peter Häberle, Der Kleinstaat als Variante des Verfassungsstaates, S. 160. 9 Peter Häberle, Der Kleinstaat als Variante des Verfassungsstaates, S. 158. 10 Peter Häberle, Der Kleinstaat als Variante des Verfassungsstaates, S. 161. 11 Reinhard Jonscher, Thüringische Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, S. 7; ähnlich Jürgen John, Einführung, S. 28: Thüringen gehörte neben Süddeutschland zu den frühkonstitionellen Zentren des Deutschen Bundes. 12 Peter Häberle, Der Kleinstaat als Variante des Verfassungsstaates, S. 127. 5 6

Einleitung

33

ihn „die politische Zerstückelung des Heiligen Römischen Reiches ein außerordentlich gut geeignetes Experimentierfeld geschaffen“13 hat. Im Rahmen dieses Vergleichs sind Verfassungsentwürfe ebenso wie Verfassungen in gleicher Art und Weise heranzuziehen, denn gleichermaßen „Verfassungsentwürfe und Verfassungen sind ihre Zeit in Gedanken gefaßt.“14 Der beigegebene Quellenteil soll darüber hinaus durch eine erste Aufbereitung des Archivgutes – insbesondere durch eine Publikation der Verfassungsentwürfe15 – eine Grundlage für weitere Untersuchungen bilden. Karl Heinrich Ludwig Pölitz hat die damit verfolgte Zielsetzung bereits zu Beginn des XIX. Jahrhunderts in der Einleitung seiner Sammlung „Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit“ richtig zusammengefaßt: „Denn, nach meiner festen Ueberzeugung, gehörten, in Hinsicht der Vollständigkeit, in eine solche Sammlung nicht blos die jetzt noch bestehenden und gültigen Verfassungen, sondern auch die bereits wieder erloschenen, so wie die blos als Entwürfe bekannt gewordenen, und nicht im Staatsleben zur Verwirklichung gekommenen Grundgesetze. Eben so durften die wichtigsten – mit den neuen Grundgesetzen in genauester Verbindung stehenden, die einzelnen Artikel und Paragraphen derselben ergänzenden und weiter entwickelnden, und gewöhnlich mit den Verfassungen gleichzeitig erschienenen – organischen Gesetze (z. B. die Wahlgesetze, die Preßgesetze, die Gesetze für die Organisation der Verwaltung und der höchsten Staatsbehörden u. a.) nicht ausgeschlossen werden, weil, bei vielen Staaten, erst durch sie die vollständige Uebersicht des gesammten neubegonnenen constitutionellen Lebens derselben bewirkt wird.“16

Insbesondere in den Anfangsjahren des Untersuchungszeitraums und bei der Wiedergabe von Schriftwechseln wird im Hauptteil zudem die wörtliche Wiedergabe aus Aktenstücken zur Genauigkeit der Darstellung und besseren Verständlichkeit der Charakteristika häufig einer Zusammenfassung, Umschreibung oder Umformulierung des jeweiligen Inhalts vorgezogen, da vor allem Verfassungsgeschichte eine beständige „Arbeit an Texten“ ist, wie Peter Häberle bereits für Jurisprudenz und Verfassungsrechtslehre im allgemeinen festgestellt hat.17 Da die Verwaltungsreformen – wie wohl fast überall im Deutschland des XIX. Jahrhunderts – auf die Vorstellungen einzelner zurückgeführt werden können, verfolgt die Arbeit neben dem institutionengeschichtlichen in Teilen auch einen personengeschichtlichen Ansatz. Bei der Anfertigung der Arbeit konnte der Autor auch auf Werke mit eigentlich verwandtem Inhalt treffen, die sich aber eher der „antijuristisch-antihistorischen Emile Lousse, Parlamentarismus oder Korporatismus, S. 287. Peter Häberle, Verfassungsentwicklungen in Osteuropa, S. 101. 15 Zur hohen Relevanz von Verfassungsentwürfen in der Neuzeit siehe Peter Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, S. 412 ff. und ders., Dokumentation von Verfassungsentwürfen und Verfassungen, S. 109 ff.; zur Dokumentation ebd. S. 111 f. 16 Erster Band, S. XII. 17 Peter Häberle, Textstufen als Entwicklungswege des Verfassungsstaates, S. 556. 13 14

34

Einleitung

Schriftstellerei“ (Georg von Below) hingaben. Belows Urteil von 1892 hat auch mehr als einhundert Jahre später immer noch seine Berechtigung: „Es giebt aber manche, welche ( . . . ) ohne Jurisprudenz die Verfassungsgeschichte darstellen zu können glauben, welche mit Petrarca stolz auf die Plattheit der Legisten herabzusehen scheinen. Und wie sie hierin mehr die Anlage zum Dichter beweisen, so bemerkt man diese auch daran, daß sie angebliche Thatsachen vollkommen frei erfinden, eine Kraft der zügellosesten Phantasie zeigen, der gegenüber ich mich in meinem nüchternen juristisch-historischen Geiste tief beschämt fühle.“18

Auch im Umgang mit derartigen Errata – nämlich deutliche Hinweise auf unrichtige Darstellungen zu geben – geht die Arbeit nach den Empfehlungen Georg von Belows vor, denn „einige Aufmerksamkeit muß man diesen Dilettanten leider widmen, da ihre Zahl noch immer zu groß ist und da einige ihrer wunderlichen Erfindungen selbst in die Werke von wirklichen Forschern eingedrungen sind.“19

Zum Ergebnis einer solchen Vorgehensweise stellte Walter Schlesinger 1953 mit Recht fest: „Nirgends ist die Gefahr, daß ein unvollständiges Bild ein falsches Bild ist, so groß wie in der Verfassungsgeschichte.“20

Die Zeit als Faktor des Verwaltungsrechts21 im Zusammenhang mit dem Verfassungsrecht bedarf nicht nur für den untersuchten Bereich der Berücksichtigung. Bereits 1974 wies Peter Häberle darauf hin, daß die „Rolle des Zeitfaktors in den Rechtswissenschaften ( . . . ) bislang nur unsystematisch ( . . . ) thematisiert“ worden ist.22 Das „Weltbild des Juristen“23 muß – wie in dieser Arbeit ansatzweise versucht – ein durch Zeit und Raum aufgespanntes Feld als Ressource akzeptieren, mithin sollte der Jurist den Vergleich und die Darstellung historischer Entstehungsprozesse gleichsam als Werkzeuge heranziehen, so daß „das Recht in Raum und Zeit“24 – ebenso wie Zeit und Raum im Recht25 – einer komplexeren Betrachtung unterworfen werden und dessen Genese nicht nur linear-monokausal, sondern auch im Zusammenhang mit externen Einflüssen erforscht werden kann.26 Dabei ist Georg von Below, Der Ursprung der deutschen Stadtverfassung, S. XII. Georg von Below, Der Ursprung der deutschen Stadtverfassung, S. XV. 20 Verfassungsgeschichte und Landesgeschichte, S. 10. 21 Vgl. Karl-Heinz von Köhler, Die Zeit als Faktor des Verwaltungsrechts. 22 Zeit und Verfassung, S. 59. Zur Weiterentwicklung seit den siebziger Jahren siehe Peter Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, S. 96 f. 23 Siehe dazu Karl Engisch, Vom Weltbild des Juristen. 24 So der Titel der Festschrift für Martin Lendi aus dem Jahre 1998, hrsg. von Alexander Ruch, Gérard Hertig und Urs Ch. Nef. 25 Peter Häberle spricht von der „raumzeitliche(n) Tiefe des Verfassungsstaates“ (Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, S. 153). 26 Vgl. Karl Engisch, Vom Weltbild des Juristen, S. 44 ff., 67 ff. 18 19

Einleitung

35

ansatzweise über die Frage gemeinsamer Grundzüge der europäischen Verfassungen27 auch die Problematik eines „gemeineuropäischen Verfassungsrechts“28 gerade auch in historischer Perspektive neu aufzurollen. Die ursprüngliche Absicht einer umfassenden Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte Sachsen-Coburgs konnte infolge der Materialfülle leider nicht verwirklicht werden. Details der Zeit nach 1826 müssen ebenso wie eine umfassende Darstellung von Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der „Herzogtümer SachsenCoburg und Gotha“ künftigen Untersuchungen vorbehalten bleiben.

27 Für die heutige Zeit vgl. dazu Lothar Müller, Gemeinsame Grundzüge der europäischen Verfassungen, S. 513 ff. 28 Zu Begriff und Theorie eines gemeineuropäischen Verfassungsrechts siehe Peter Häberle, Gemeineuropäisches Verfassungsrecht, S. 268 ff.

A. Sachsen-Coburg als geeignetes Betrachtungsobjekt I. Historische Situation Sachsen-Coburgs in Europa „Coburg spielt seine eigene Rolle.“ Dieser Titel eines modernen Prospekts1 beschreibt in schlagwortartiger Zusammenfassung treffend die Position, die das thüringische Duodezfürstentum im 19. Jahrhundert im internationalen Zusammenhang einnahm.2 Das Gebiet um das 1056 erstmals urkundlich erwähnte Coburg3 – der spätere Kleinstaat Sachsen-Coburg – befand sich nach wechselvoller Vorgeschichte4 seit Beginn des vierzehnten Jahrhunderts als „Herrschaft Coburg“5 in hennebergischem Besitz.6 Der 1353 / 1374 an das Haus Wettin7 durch Erbfolge8 übergegangene Teil wurde unter Berücksichtigung der überwiegend fränkischen Bevölkerung9 mit der Hans Max Freiherr von Aufsess, Coburg spielt seine eigene Rolle. Eine kurze Zusammenfassung der Landesherren im coburgischen Gebiet findet sich nunmehr auch bei Carl-Christian H. Dressel, Die Verfassung des Herzogtums Sachsen-CoburgSaalfeld von 1821, S. 23 f. sowie bei Carl-Christian H. Dressel, Ein „Pumpernickel-Staat“?, S. 37 ff. 3 In der Gründungsurkunde des Klosters Brauweiler des Kölner Erzbischofs Anno II., HStA Düsseldorf, Dep. Köln II, Brauweiler, Urk. Nr. 48, abgedruckt bei Heinz Pellender, Chronik der Stadt und der Veste Coburg, S. 16 sowie jetzt auch bei Gert Melville, 2006 – ein großes Jubiläumsjahr für Coburg, S. 5 f.; vgl. dazu jetzt ebenfalls Stefan Nöth, Zur Einführung: Coburg 1056, S. 7. 4 Eine detaillierte Beschreibung der wechselnden Landesherren – von der hennebergischen „Alten Herrschaft Coburg“ als Teil des Grabfeldgaus im ostfränkischen Einflußbereich über die Herzöge von Meran bis hin zur hennebergischen „Neuen Herrschaft“ – findet sich mit weiteren Nachweisen bei Eugen Bornhauser, Die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. 1 f. Die Stadt Coburg war bereits unter dem hennebergischen Grafen Poppo XIV. Residenzstadt, vgl. Georg Paul Hönn, Sachsen-Coburgische Historia, 1. Buch, S. 25. 5 Zu deren Entstehung detailliert Alfred Höhn, Die Henneberger Herrschaft Coburg und ihre Bedeutung für die Geschichte des Coburger Landes, insbesondere S. 16 ff. 6 Hierzu vgl. Wilhelm Füßlein, Die Erwerbung der Herrschaft Coburg durch das Haus Henneberg-Schleusingen in den Jahren 1311 – 1316. 7 Bis 1425 Markgrafen von Meißen, hernach Herzöge (und somit Kurfürsten) von Sachsen, zum Haus Wettin vgl. Otto Posse, Die Wettiner. 8 Vgl. hierzu Wilhelm Füßlein, Der Übergang der Herrschaft Coburg vom Hause Henneberg-Schleusingen an die Wettiner 1353, sowie Adolf Fleischmann, Zur Geschichte des Herzogthums Sachsen-Coburg, Erstes Heft, S. 7 f. 9 Zur Zugehörigkeit Coburgs zum fränkischen Rechtskreis vgl. Friedrich Lütge, Die mitteldeutsche Grundherrschaft, S. 3. 1 2

I. Historische Situation Sachsen-Coburgs in Europa

37

Bezeichnung „sächsische Ortlande in Franken“10 belegt, bis sich im 16. Jahrhundert der Begriff „Pflege Coburg“ einbürgerte.11 Bei der Landesteilung zwischen den wettinischen Brüdern Ernst und Albrecht durch den Leipziger Hauptteilungsvertrag vom 26. August 148512 gelangte das Gebiet in den ernestinischen Herrschaftsbereich. Dort bildete es unter Herzog Johann Casimir von 1572 bzw. 1596 bis 1633 bzw. 163813 als Sachsen-Coburg-Eisenach bzw. Sachsen-Coburg14 und unter Herzog Albrecht von 1680 bis 1699 als Sachsen-Coburg15 sporadisch bereits ein eige10 Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 9. 11 Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Coburgische Landesgeschichte zwischen Bayern und Thüringen, S. 5. 12 Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, O.U. 8578 – zit. nach Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns (Hrsg.), Bayern und Sachsen in der Geschichte, S. 130; Abschrift bei StACo LA C 133; abgedruckt bei Johann Christian Lünig, Des Teutschen ReichsArchivs Partis Specialis Continuatio II., S. 236 ff.; Hermann Schulze, Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Dritter Band S. 74 ff.; vgl. näher Karlheinz Blaschke, Die Leipziger Teilung 1485 und die Wittenberger Kapitulation 1547, S. 3 ff. 13 Zu den Jahren 1638 bis 1680 siehe jetzt Heinz Wiegand, Herzog Ernst I. von SachsenGotha-Altenburg, S. 50 f. 14 Bereits am 21. Februar 1566 hatte der letzte Herrscher der gesamten ernestinischen Ländereien, Herzog Johann Friedrich II. (der Mittlere) mit seinem Bruder Herzog Johann Wilhelm eine Mutschierungsvereinbarung auf sechs Jahre abgeschlossen, nach der letzterer in Coburg residierte (vgl. Thomas Klein, Politik und Verfassung von der Leipziger Teilung bis zur Teilung des ernestinischen Staates, S. 251 f.). Nach dem Sturz Johann Friedrichs II. infolge der „Grumbachschen Händel“ 1566 / 67 (vgl. dazu ausführlich Friedrich Ortloff, Geschichte der Grumbachischen Händel, in toto; jetzt auch zusammengefaßt bei Helmut Wolter, Das Häuserbuch der Stadt Coburg, S. 94 – 98) teilten seine Söhne Johann Casimir und Johann Ernst mit ihrem Onkel Johann Wilhelm das verbliebene ernestinische Gebiet in die (gleichgroßen) Fürstentümer Sachsen-Weimar und Sachsen-Coburg-Eisenach, wobei letzteres von den zunächst unter Vormundschaft stehenden Brüdern gemeinschaftlich verwaltet wurde (Kommissionsabschied vom 6. November 1572 bei StACo Urk LA C 3). – Das Fürstentum Sachsen-Coburg-Eisenach wurde dann nach der Volljährigkeit der Herzöge 1596 in die Fürstentümer Sachsen-Coburg und Sachsen-Eisenach aufgeteilt, wobei Herzog Johann Casimir in Coburg residierte (Erbsonderungsvertrag vom 4. Dezember 1596 bei StACo Urk LA C 33 und StACo Urk LA C 35). Nach seinem kinderlosen Tod 1633 folgte ihm sein Bruder Herzog Johann Ernst, durch dessen kinderlosen Tod im Jahre 1638 die staatliche Selbständigkeit wieder erlosch. Vgl. hierzu näher Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Erste Abtheilung, S. 71 – 97 und 119 – 125; Wilhelm August Rudloff, Versuch einer pragmatischen Einleitung in die Geschichte und heutige Verfassung, 1. Teil, S. 272 ff., 280 ff.; Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 12, Erster Theil, S. 99 sowie Jürgen John, Einführung, S. 22 f. und Wolfgang Huschke, Politische Geschichte 1572 – 1775, S. 42. 15 1679 / 81 wurde das Erbe Herzog Ernsts des Frommen von Sachsen-Gotha in sieben Staaten aufgeteilt (Rezesse bei ThStAGo Geheimes Archiv QQ.E.VI. Nr. V, StACo Urk LA C 66, 74), darunter auch ein Fürstentum Sachsen-Coburg, das mit dem kinderlosen Tode Herzog Albrechts wieder erlosch. Vgl. dazu näher die Relation bei HHStA RHR Relat. 163, unfol. sowie Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Erste Abtheilung, S. 140 – 169; Wilhelm August Rudloff, Versuch einer pragmatischen Einleitung in die Geschichte und heutige Verfassung, 1. Teil, S. 317 ff.; Johann Jacob Moser,

38

A. Sachsen-Coburg als geeignetes Betrachtungsobjekt

nes Staatsgebilde, das sich erst nach langwierigen Streitigkeiten über Erbfolgefragen16 mit dem 173517 von den bis 1745 gemeinsam regierenden Herzögen Franz Josias (dieser mit Residenz in Coburg) und Christian Ernst18 als Sachsen-CoburgSaalfeld19 (ab 1826 dann als Sachsen-Coburg und Gotha) begründeten Fürstentum dauerhaft verfestigen konnte. Im XIX. Jahrhundert gelangte der sachsen-coburgische Staat zu europäischer Bedeutung. Bereits unter Herzog Franz Friedrich Anton20 begann eine geschickte Heiratspolitik21, die unter seinen Nachfolgern fortgeführt wurde. Dies hatte zur Folge, daß unter anderem der dritte Sohn Franz Friedrich Antons, Leopold, Bruder Herzog Ernsts I., am 4. Juli 1831 als Leopold I. zum König der Belgier gewählt wurde. Der zweite Sohn Ernsts I., Albert, Bruder Herzog Ernsts II., wurde als Ehemann der Königin Victoria zum Prince Consort of Great Britain and Ireland. Diese internationalen Beziehungen kamen insbesondere der liberalen Politik Ernsts II. zugute. Die Nachfolger Ernsts II., Alfred und Carl Eduard, stammten – da die Vorgänger jeweils ohne legitime Nachkommen verstorben waren – als Alfred Duke of Edinburgh und Leopold (Carl Eduard) Duke of Albany aus dem englischen Königshaus. Unter dem späteren NS-Förderer22 Carl Eduard, der am preußischen Neues teutsches Staatsrecht, Band 12, Erster Theil, S. 100; Adolf Fleischmann, Zur Geschichte des Herzogthums Sachsen-Coburg, Erstes Heft, S. 52 – 57 sowie jetzt auch Heinz Wiegand, Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha-Altenburg, S. 53. – Unrichtig ist die Annahme einer Personalunion mit Gotha von 1672 bis 1699 bei Herbert Lotter, Das Steuer- und Abgabenwesen des Coburger Landes, S. 33. 16 Vgl. dazu im einzelnen die Darstellungen bei Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 100 sowie bei Wolfgang Huschke, Politische Geschichte von 1572 bis 1775, S. 412 f., 469 f., 475, 529 ff.; zeitgenössisch siehe die umfangreiche Schilderung bei Johann Gerhard Gruner, Geschichte Johann Kasimirs, S. 137 ff. über den „S. Koburg- Eisenberg- und Römhildischen Succeßionsstreit“. 17 Unrichtig Herbert Lotter, Das Steuer- und Abgabenwesen des Coburger Landes, S. 33, und Erich Keerl, Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 236, die beide von einer Union mit Saalfeld seit 1699 ausgehen. 18 Hierzu vgl. näher HHStA RHR Relat. 163, unfol. (Nr. 416); Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 22 – 48 sowie Wilhelm August Rudloff, Versuch einer pragmatischen Einleitung in die Geschichte und heutige Verfassung, 1. Teil, S. 342 f. – Unrichtig ist die Behauptung bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 1, der Mitregent von Franz Josias sei Ernst Friedrich gewesen. 19 Zur genauen Bezeichnung vgl. unten B.I.1.a). 20 In der vorliegenden Arbeit wird nach dem Vorbild von Christian Kruse, Franz Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld, als Namensbezeichnung „Franz Friedrich Anton, Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld“ statt des von diesem selbst verwandten bloßen „Franz“ verwandt, wobei letzteres jedoch ebenfalls als vertretbar erscheint. Nicht vertretbar erscheint jedoch der Name „Franz Anton“ wie bei Erich Keerl, Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 43. 21 Details bei Christian Kruse, Franz Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 161 ff. 22 Siehe dazu Carl-Christian H. Dressel, Anmerkungen zur Justiz in Coburg, S. 66 ff. sowie jetzt auch Stefan Nöth, Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha, S. 45 f.

II. Bisherige wissenschaftliche Aufarbeitung

39

Hof erzogen worden war, wurde der coburg-gothaische Hof schließlich zu einem Zentrum „deutschvölkischer“ Kreise.23 Dieses internationale Beziehungsgeflecht, an dem die kleinstaatliche sachsencoburgische Dynastie an nicht einflußloser Stelle beteiligt war, legt eine Untersuchung der Verfassungs- und Verwaltungsentwicklung gerade im vergleichenden Aspekt nahe. Insbesondere stellt sich die Frage, inwieweit in Sachsen-Coburg als Beispielsfall für das „Experimentierfeld Kleinstaat“ fortschrittliche oder reaktionäre Regelungen unter externem Einfluß getroffen werden konnten und ob sich dies in einer konsequenten oder einer schwankenden, an verschiedenen und wechselnden Einflüssen orientierten Linie vollzog.

II. Bisherige wissenschaftliche Aufarbeitung Der „reichen Geschichte des Staates und Landes im 19. Jahrhundert steht nur eine spärliche staatswissenschaftliche Literatur gegenüber.“24 Seit dem Ende des coburgischen Staates 1920 kamen vereinzelt – teilweise fehlerbehaftete – Arbeiten im historischen und heimatkundlichen Bereich zur zeitgenössischen Literatur hinzu. Bereits zwei historische Dissertationen, nämlich von Eugen Bornhauser25 und von Karl Bohley26, haben sich mit dem verfassungsrechtlichen Teil dieser Arbeit in Ansätzen auseinandergesetzt. Ihnen ist zugutezuhalten, daß zu jener Zeit das Archivmaterial schlechter erschlossen und erreichbar war als heutzutage, zudem sind die unterschiedlichen Anforderungen der damaligen Zeit an wissenschaftliches Arbeiten zu beachten.27 Eine rechtswissenschaftliche Untersuchung unter Einordnung des Mikrosystems28 in das Makrosystem fehlt nach wie vor.29 Da die Entwicklungen in Sachsen-Coburg gerade nicht unmittelbar parallel zu den anderen Staaten verliefen, werden die Verwaltungsreformen sowie die Verfassunggebungen 1821 und 1852 – auch in größeren Werken – teilweise schlicht ignoriert30 und bilden einen der zahlreichen „grauen Flecken auf der Landkarte der Jürgen John, Einführung, S. 34. Eugen Bornhauser, Die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. XI. 25 Die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, Erlangen 1922. 26 Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, Erlangen 1933. – Die kritiklose Glorifizierung dieses Werks durch Gerhard Müller (Nachbemerkung, S. XI ff.) läßt sich aufgrund zahlreicher Fehler, die die vorliegende Arbeit aufzeigt, nicht halten. 27 Ernst Schubert, Die Landstände des Hochstifts Würzburg, S. 17 bezeichnet eine derartige, auf beschränktes Quellenstudium gestützte Arbeit als „wertlos“. 28 Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha, S. 20 spricht vom „Mikrokosmos Coburg“. Zur einzelstaatlichen Ebene als „Mikrostruktur“ im föderalen Staat siehe Peter Häberle, Föderalismus, Regionalismus, Kleinstaaten, S. 263 ff. 29 Zur Makro- und Mikrodimension der Zeit selbst siehe Peter Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, S. 93 ff. 23 24

40

A. Sachsen-Coburg als geeignetes Betrachtungsobjekt

historischen Forschung des 19. Jahrhunderts“.31 Auch hinsichtlich der vormaligen landschaftlichen Verfassung gilt Francis L. Carstens’ pauschale Feststellung aus dem Jahr 1961: „Für die große Mehrzahl der deutschen Fürstentümer ( . . . ) gibt es keine moderne Darstellung der Geschichte der Landstände“.32 Für den Verfasser wurde folglich umfangreiche Quellenarbeit und für die Untersuchung auch eine umfassende historische Darstellung der Verfassungs- und Verwaltungsentwicklung – wenngleich über die Perspektive des Historikers hinaus33 – unter möglichst vollständiger Verarbeitung der umfangreichen Quellenkomplexe notwendig.

III. Untersuchungszeitraum Der fokussierte Zeitabschnitt von 1800 bis 1826 beginnt bei den ersten Verwaltungsreformen und Versuchen der Verfassunggebung durch den coburgischen Minister Kretschmann und endet mit der gothaischen Sukzession 1826, wo dem erst 1821 geschaffenen Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld die Personalunion der Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha folgte, wobei jedoch in Form von Ausblicken die weitere, im Untersuchungszeitraum angelegte Entwicklung nicht vernachlässigt wird. Formal setzt die Untersuchung im Jahre 1800 ein. In diesem Jahr folgte nicht nur Herzog Franz Friedrich Anton auf seinen am 8. September 180034 verstorbenen Vater Ernst Friedrich, in zeitlichem Zusammenhang mit diesem Regierungswechsel wurden auch weitere bedeutende Positionen in Sachsen-Coburg-Saalfeld neu besetzt: 30 Die Verfassung Sachsen-Coburg-Saalfelds fehlt beispielsweise in der Aufzählung deutscher Länderverfassungen bei Johann Kaspar Bluntschli, Lehre vom modernen Staat, S. 475 f., in der Aufzählung bei Ulrich Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, RdNr. 474, bei Dieter Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 242 und bei Peter Burg, Die Triaspolitik im Deutschen Bund, S. 152. Kurt Usée (Der Einfluß der französischen Verfassungen auf die deutschen Verfassungsurkunden, S. 161) und Richard Franke (Die gesetzgebenden Körperschaften und ihre Funktionen, S. 90) sehen sogar mit der Verfassung Hessen-Darmstadts vom 17. Dezember 1820 „einen vorläufigen Abschluß der Verfassungsentwickelung“ (Usée) bzw. „der Verfassungsverhandlungen in Deutschland“ (Franke) bis zur Julirevolution 1830. Ausführungen zur Verfassung Sachsen-Coburg-Saalfelds von 1821 fehlen auch in der vergleichenden Arbeit von Georg Thimm, Die Menschen- und Bürgerrechte in ihrem Übergang von den französischen Verfassungen zu den deutschen bis 1831, und in der Übersicht über die sächsisch-thüringischen Kleinstaaten bei Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Zweiter Band, S. 214 f. 31 Walter Demel, Der bayerische Staatabsolutismus, S. VII. 32 Die Ursachen des Niedergangs der deutschen Landstände, S. 273. 33 Zur Kritik an der eingeschränkten Sichtweise des Historikers vgl. Friedrich Strathmann, Altständischer Einfluß auf die deutschen Territorialverfassungen, S. 3. 34 StACo LA A 469, 470, 5157; unrichtig daher die Datierung des Regierungsbeginns Franz Friedrich Antons bei Erich Keerl, Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 43.

IV. Quellensituation

41

➢ Bereits am 20. Ma¨rz 1800 war Christian Ferdinand von Ko¨nitz35 zum Landschaftsdirektor36 gewa¨hlt worden.37 ➢ Franz Friedrich Anton selbst berief kurz nach seinem Regierungsantritt Theodor Konrad (von) Kretschmann38 zum Minister.39 Damit kann für Sachsen-Coburg-Saalfeld – im Gegensatz etwa zu Bayern40 – ein konkreter Zeitpunkt als Beginn reformerischer Überlegungen mit diesem Jahr zu Beginn des Jahrhunderts41 festgemacht werden. Hinzu kommt, daß es im Sachsen-Coburg-Saalfeld des XVIII. Jahrhunderts – anders als in anderen Staaten42 – schlicht an jeder Art von Reformprozessen fehlte.

IV. Quellensituation Primärquellen im Rahmen des Themas befinden sich in erster Linie im Staatsarchiv Coburg (StACo), des weiteren im Stadtarchiv Coburg, im Thüringischen Staatsarchiv Gotha (ThStAGo), im Thüringischen Staatsarchiv Meiningen (ThStA Mgn), vereinzelt auch im Österreichischen Staatsarchiv, Abteilung Haus-, Hofund Staatsarchiv (HHStA)43, im Stadtarchiv Bad Rodach, im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München (BayHStA) und im Stadtarchiv Mainz. Beim Großteil der Akten, insbesondere den im Staatsarchiv Coburg gelagerten, ist – anders als bei den meisten anderen Archiven44 – kein Schwund durch moderne Ereignisse festzustellen gewesen. Als Ursachen für das Verschwinden von Primärquellen bleiben festzuhalten: Die aus dem Staatsarchiv Coburg nach München ausgelagerten Archivalien sind infolge von Kriegsereignissen vernichtet worden.45 35 Eine subjektive Charakteristik Könitz’ findet sich bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 17 f. 36 Die Bezeichnung von Franz Josias von Hendrich als Landschaftsdirektor bei Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 75 ist falsch und beruht auf späteren Ereignissen in Sachsen-Coburg-Saalfeld, siehe dazu B.III.5.h). 37 Ladung zur Stimmabgabe an die Landstände bei StACo LReg. 249 fol. 1 – 4; Bestätigungsschreiben Herzog Ernst Friedrichs vom 21. März 1800 bei StACo LReg. 371 fol. 1. 38 Eine – ebenfalls subjektive – Charakteristik der Tätigkeit Kretschmanns stellt Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister v. Kretschmann, dar. 39 Hierzu vgl. sogleich B.III.1. 40 Siehe dazu Walter Demel, Der bayerische Staatabsolutismus, S. 9. 41 Gegen eine allgemeine zeitliche Abgrenzung zu Beginn des 19. Jahrhunderts Friedrich Lütge, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S. 404 f. 42 Walter Demel, Der bayerische Staatabsolutismus, S. 57 ff. 43 Zur teilweise sehr schwierigen Erschließbarkeit der Akten des Reichshofrats im HHStA siehe Manfred Uhlhorn, Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, S. 3 f. 44 Vgl. zur Problematik in Würzburg Ernst Schubert, Die Landstände des Hochstifts Würzburg, S. 17.

42

A. Sachsen-Coburg als geeignetes Betrachtungsobjekt

Akten der coburgischen Landesregierung wurden in nicht unerheblichem Umfang aus Platzgründen bereits im XIX. Jahrhundert eingestampft.46 Akten der vormaligen coburgischen Landschaft gingen bei einem Brand Mitte des XIX. Jahrhunderts verloren.

V. Editionsgrundsätze im Textanhang Die Übertragung der Dokumente im beigegebenen Textanhang erfolgte ebenso wie innerhalb der Arbeit buchstabengetreu, insbesondere auch bei wechselnder Schreibweise von Eigennamen und selbst bei offensichtlichen Schreibfehlern. Auf die Aufnahme von Kanzleivermerken bei Absender und Empfänger sowie von später angebrachten Anmerkungen archivalischer Art wurde verzichtet.47 Hervorhebungen der Quelle wurden identisch übertragen, soweit dies drucktechnisch möglich war. Die Interpunktion wurde vorlagengetreu übernommen.48 Unbedeutende Textvarianten im Rahmen derselben Textstufe oder Entwurfsphase wurden nicht berücksichtigt, da solche Abweichungen eindeutig auf die Kopisten zurückgeführt werden können. Bei nur in wenigen Punkten differierenden Dokumenten der gleichen Entwurfsphase wurden die Änderungen durch die zweite Quelle mit Klammern kenntlich gemacht. Bei Wortverbindungen mit Binnenmajuskeln wurde aus technischen Gründen vor der Majuskel ein Bindestrich eingefügt (z. B. Landes-Grund-Gesetz statt LandesGrundGesetz). Ebenso wurde das „ ,“ in der Verwendung als Bindestrich durch das herkömmliche „-“ ersetzt. Sofern infolge der Schrift unklar war, ob es sich bei einem Zeichen oder einer Zeichenfolge um eine Ligatur oder eine Abkürzung handeln sollte, wurde das betreffende Wort bei der Übertragung vollständig ausgeschrieben.

45 Die Ministerialakten zum Komplex „Katholische Kirche“ (Ministerialarchiv Loc. U Tit. III. B. 6 Nrn. 1, 3 ff.) wurden ausweislich des Repertoriums StACo Altrepertorium Min U (4.16 I), S. 70 f. mit Schreiben vom 25. September 1922 an das bayerische Kultusministerium in München abgegeben und verbrannten dort während des II. Weltkrieges. 46 StACo Repertorium 2.11 I, fol. 2’. 47 Vgl. Ulrich Eisenhardt, Die Kaiserlichen Privilegia de non appellando, S. XX. 48 Siehe dazu Michael Hundt (Hrsg.), Quellen zur kleinstaatlichen Verfassungspolitik, S. XXII.

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche (1800 – 1806) Bereits in der Zeit des ausgehenden Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wurde in Sachsen-Coburg mit einer Neustrukturierung der Verwaltung begonnen. Aus daraus entstandenen Konflikten mit den Vertretern der Landstände resultierte sogar ein Entwurf einer geschriebenen (altständischen) Verfassung. Bis 1806 stellte „Sachsen-Coburg-Saalfeld“ einen typischen Fall der ständisch beschränkten Monarchie dar, die in anderen Territorien teilweise schon im 16. Jahrhundert durch die absolute Monarchie abgelöst worden war.1

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung 1. Umfang des Territoriums und der Landeshoheit a) Gebiet und Landeshoheit von „Sachsen-Coburg-Saalfeld“ Bei Regierungsantritt Herzog Franz Friedrich Antons2 bestand das Fürstentum3 Sachsen-Coburg-Saalfeld4 aus zwei weitgehend selbständigen Landesteilen, nämlich dem coburgischen Fürstentum5 und der an Fläche und Bevölkerung größeren6 1 Siehe dazu auch umfassend Johann Kaspar Bluntschli, Lehre vom modernen Staat, S. 438 ff. Eine kurze Zusammenfassung der Situation in Sachsen-Coburg-Saalfeld findet sich jetzt auch bei Carl-Christian H. Dressel, Ein „Pumpernickel-Staat“?, S. 42 ff. 2 Siehe dazu oben A.III. mit Nachweisen. 3 Keinesfalls „Herzogtum“ Sachsen-Coburg-Saalfeld bzw. Sachsen-Coburg, wie bei Erich Keerl, Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 1, 3 und jetzt auch bei Harald Bachmann, „. . . all diese kleinen Fürsten werde ich davonjagen!“, S. 167 bezeichnet. Nicht haltbar ist ebenfalls die Klassifizierung Sachsen-Coburg-Saalfelds als (wohl einheitliches) „Herzogtum“ bei Gerhard Köbler, Historisches Lexikon der deutschen Länder, S. 549. Vgl. dazu u. a. unten C.I.4.b)bb). 4 Zeitgenössisch wurde zur Bezeichnung der Trennung zwischen dem saalfeldischen und dem coburgischen Landesteil – eigentlich dem Fürstentum Coburg sachsen-saalfeldischen Anteils, wie beispielsweise bei StACo Min J 193 fol. 6 und bei Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg S. Saalfeldischen Antheils, richtigerweise verwandt – auch die Bezeichnung „Sachsen-Coburg und Saalfeld“ gebraucht, vgl. statt aller das große Siegel des Herzogs Franz Friedrich Anton, gut erkennbar bei HHStA RHR Ob. Reg. 1281 / 1 unfol. sowie bei HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 5 unfol., und das große Siegel des Herzogs Ernst, gut erkennbar bei StACo LReg. 256 fol. 4, 7’, 11. 5 Von den dem – ursprünglichen – Fürstentum Coburg zugehörigen Ämtern Coburg, Neustadt, Sonnefeld, Neuhaus, Sonneberg, Hildburghausen, Veilsdorf, Heldburg, Königsberg,

44

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

saalfeldischen „Landesportion“, die nicht nur räumlich durch die sachsen-meiningischen Ämter Sonneberg und Neuhaus getrennt waren: Uneingeschränkte Landeshoheit7 hatte der „Herzog zu Sachsen Coburg-Saalfeld“ nur über Sachsen-Coburg, während der Landesteil Saalfeld8 von 16809 bis 180510 als Teil des Fürstentums Sachsen-Altenburg11 unter der Landes-, Steuer- und Kirchenhoheit von SachsenGotha-Altenburg stand und mit diesem gemeinsam auch eine von der coburgischen völlig getrennte Landschaft12 und eine gemeinsame Verwaltung13 hatte. Diese als „nexus Gothanus“14 bezeichnete Situation hatte sich nur in Saalfeld halten können, da die mit dieser Verbindung ebenfalls belasteten Linien Eisenberg und Römhild bereits zu Beginn des XVIII. Jahrhunderts ausgestorben waren und es der Linie Hildburghausen im Jahre 1702 gelungen war, einen Rezeß mit SachsenGotha über eine Aufhebung dieser Verbindung abzuschließen.15 Schalkau und Eisfeld gehörten zum saalfeldischen Anteil noch die Ämter Coburg und Neustadt, vgl. Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg S. Saalfeldischen Antheils, Band 1, S. 37. 6 Vgl. die Darstellung von Bevölkerung und Fläche im Bericht des Landesministeriums vom Oktober 1808 bei StACo Min G 1000 fol. 3. 7 Zum Begriff der Landeshoheit und deren Unterscheidung von der Souveränität im Sinne Jean Bodins siehe Hermann Schulze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechtes, Erstes Buch, S. 66 ff., und Wolfgang Quint, Souveränitätsbegriff und Souveränitätspolitik in Bayern, S. 70 ff. 8 Nicht etwa auch der übrige Teil Sachsen-Coburgs, wie man aus der Darstellung bei Gerhard Köbler, Historisches Lexikon der deutschen Länder, S. 549 schließen könnte. 9 Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 83. 10 Siehe unten V. – Unrichtig folglich die Darstellung bei Erich Keerl, der eine gemeinsame Landschaft Saalfelds mit Altenburg noch im Jahre 1826 vermutet (Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 239). 11 Vgl. dazu auch Wilhelm August Rudloff, Versuch einer pragmatischen Einleitung in die Geschichte und heutige Verfassung, 1. Teil, S. 350 f. 12 Eine „Berufung“ (Einberufung) des Ausschusses der „getreuen Landschaft des Fürstenthums Altenburg“, wozu auch das saalfeldische Gebiet zu rechnen war (vgl. die Aufstellungen bei StACo Min J 191 fol. 35 – 37), durch die Herzöge Ernst (Ernst II. von SachsenGotha-Altenburg) und Franz (Franz Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld) findet sich bei StACo Min J 191 fol. 10 – 34’; die genaue Vorgehensweise bei der Einberufung war zwischen Sachsen-Gotha-Altenburg und Sachsen-Coburg-Saalfeld durch einen Vergleich von 1695 geregelt worden, vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 625. 13 Vgl. hierzu Christian Kruse, Franz Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 9 f.; ders., Die Einsetzung der Debitkommission im Fürstentum Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 13 f.; zum Behördenaufbau in Altenburg und Saalfeld siehe Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 102. 14 Zum „nexus Gothanus“ als Sicherung eines Vorrechts der ältesten Linie (SachsenGotha) und zur Verhinderung weiterer Landesteilungen vgl. Wolfgang Huschke, Politische Geschichte von 1572 bis 1775, S. 4, Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 102 sowie Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 12, Erster Theil, S. 366 f., S. 683. 15 Abschrift des Rezesses vom 10. April 1702 bei StACo Urk LA C 112.

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

45

In einem Bericht des Herzogs Franz Friedrich Anton wurde hinsichtlich dieser staatsrechtlichen Trennung 1805 die Feststellung getroffen, es sei „zur Genüge bekannt, dass mein Land aus zwey getrennten Fürstenthümern, Coburg und Saalfeld, bestehe, deren jedes seine eigene Verfassung und besondere von einander unterschiedene Landstände hat.“16

Die herzoglichen Hoheitsrechte in Saalfeld waren infolge dieser Situation äußerst beschränkt. Der coburgische Minister Theodor Konrad von Kretschmann meinte hierzu 1808: „Das Hauß Gotha übte ( . . . ) seit dem Jahre 1680 ( . . . ) die volle Landes-Hoheit aus, Coburg gab dazu blos den Namen her, und war wenig mehr als Gutsbesitzer in diesem Lande.“17

b) Weitere Territorialanteile Überdies stand dem Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld seit der Teilung von 172018 noch 5 / 12 Anteil am Amt Themar (7 / 12 bei Sachsen-Gotha-Altenburg) sowie 1 / 3 Anteil am Amt Römhild19 (2 / 3 bei Sachsen-Meiningen) zu. Diese Anteile wurden jeweils gemeinschaftlich mit dem Inhaber des Mehrheitsanteils verwaltet.20

c) Sachsen-Coburg-Saalfeld als typischer Vertreter des deutschen Staates Ein derartiges Konglomerat verschiedener Territorien mit verschiedenen Verwaltungen, deren Verbindung lediglich in der Person des Fürsten bestand, stellte den Regelfall im Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zum Ausgang des XVIII. Jahrhunderts dar, beispielsweise bestanden nicht nur die gro16 StACo LA B 2182 fol. 3’, 4 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, S. 6; vgl. dazu auch den Vergleich mit dem Verhältnis zwischen England und Hannover im Rahmen der Personalunion bei Franz Josias von Hendrich, Vertheidigung, S. 144. 17 StACo LA F 7545 fol. 5, ebenso Wolfgang Huschke, Politische Geschichte von 1572 bis 1775, S. 527, der von Beschränkung auf die Wahrnehmung grundherrlicher Rechte spricht. 18 Johann Georg August Galletti, Geschichte der Fürstenthümer der Herzoge von Sachsen, S. 105. 19 Zu Streitigkeiten zu Beginn des 18. Jahrhunderts vor dem Reichshofrat auch über Römhild vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 14, S. 199 und HHStA RHR Relat. 163, unfol., ausführlich auch Johann Gerhard Gruner, Geschichte Johann Kasimirs, S. 137 ff. über den „S. Koburg- Eisenberg- und Römhildischen Succeßionsstreit“. 20 Rezeß über die gemeinschaftliche Verwaltung des Amtes Themar zwischen Herzog Johann Ernst von Sachsen-Saalfeld und Herzog Friedrich von Sachsen-Gotha vom 10. Juni 1728 bei StACo Urk LA D 5; Rezeß über die gemeinschaftliche Verwaltung des Amtes Römhild zwischen Herzog Ernst Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld und Herzogin Charlotte Amalia von Sachsen-(Coburg-)Meiningen vom 11. April 1765 bei StACo Urk LA D 20.

46

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

ßen Territorialstaaten wie Preußen, sondern auch die verwandten Staaten SachsenWeimar-Eisenach und Sachsen-Gotha-Altenburg aus getrennt verwalteten Gebieten, in den beiden letzten Fällen aus Weimar, Eisenach und Jena bzw. Gotha und Altenburg, die jeweils über eine eigene Landschaft und teilweise auch über eine eigene Verwaltung verfügten.21

d) Einschränkung der Landeshoheit infolge der finanziellen Situation Die Landeshoheit in Sachsen-Coburg wurde zudem – ebenso wie bereits seit 1768 in Sachsen-Hildburghausen22 – durch die Existenz einer Kaiserlichen Debitund Administrationskommission beschränkt, die am 15. Januar 1773 durch den Reichshofrat23 eingesetzt worden war24, nachdem das Herzogshaus im XVIII. Jahrhundert durch kostspielige Erbstreitigkeiten25, Auswirkungen des Siebenjäh21 Vgl. die Darstellung bei Alfons Ingelmann, Ständische Elemente in der Volksvertretung, S. 85, und die Schilderungen für Preußen, Sachsen-Gotha-Altenburg und Sachsen-WeimarEisenach hinsichtlich Verwaltung und Landschaft bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 143, 378 und für Sachsen-Weimar-Eisenach bei Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 3 f. Im hannoverschen Staatsgebilde bestanden sogar sieben getrennte Landschaften, siehe Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Erster Band, S. 225. Allgemein siehe Hans Haußherr, Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, S. 37 ff. 22 Siehe dazu ThStAMgn GA XII.D.1 – 13; Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 215 sowie ausführlich Siegrid Westphal, Der politische Einfluß von Reichsgerichtsbarkeit, S. 96 ff. 23 Zu den umfassenden Zuständigkeiten des Reichshofrats siehe Tit. II § 1 der Reichshofratsordnung vom 16. März 1654 (Abschrift bei ThStAGo Geheimes Archiv A.V. . Nr. 1; Abdruck bei Johann Christian Lünig, Das Teutsche Reichs-Archiv, Pars Generalis (unpag.) sowie bei Arno Buschmann, Kaiser und Reich, Teil II, S. 130 ff.): „In Unserem Reichs-HofRath sollen alle und jede Sachen, das Heilige Römische Reich, desselben Hochheit, Recht, Herrlichkeit, Gerechtigkeit, Pfandschafft, Lösung, Regalien, hohe und niedere Lehen, Privilegien, Indult, Confirmation und anders, wie solches Namen haben mag, und in Summa, was nach der unfehlbaren Justitien dirigirt und decidirt werden solle, insonderheit alle und jede Parthey-Sachen, die Rechts, Gewohnheit Connexität und Consequenz halber für Unser Kayserl. Gericht gehören ( . . . ) fundirt und gehörig seyn ( . . . ).“ 24 Conclusum bei HHStA RHR Ob. Reg. 1281 / 2 unfol., 1286 / 1 unfol. = ThStAGo Geheimes Archiv B.IV. Nr. 271 fol. 1 – 3 = StACo LA A 3141 fol. 2 – 14’ = StACo LA A 3134 fol. 2 – 6’; Abdruck bei Johann Jacob Moser, Von dem Reichs-Ständischen Schuldenwesen, Erster Theil, S. 156 ff., sowie bei Johann Jacob Moser, Reichs-Staats-Handbuch auf die Jahre 1769 ff., S. 705 ff. Die Debit- und Administrationskommission betraf nur die herzoglichen Finanzen und stellte keinen Fall der kaiserlichen Sequestration, wie er bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 285 beschrieben wird, dar. 25 Vgl. dazu Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 12, Erster Theil, S. 534 ff., S. 683, S. 934 ff., Adolf Fleischmann, Zur Geschichte des Herzogthums SachsenCoburg, Band 1, S. 110 und Wolfgang Huschke, Politische Geschichte von 1572 bis 1775, S. 550. – Unrichtig Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 50, wonach die Finanznot (erst) unter Herzog Franz Friedrich Anton eingetreten sei.

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

47

rigen Krieges26 und eine aufwendige Hofhaltung27 überschuldet war.28 Zeitgenössisch wurde festgestellt, „daß vielleicht in keinem teutschen Reichslande das Finanzwesen sich in einem so zerrütteten Zustande befand, als in dem Coburgischen, und daß also auch wohl nirgend eine Revision desselben, Reform und Verbesserung so nöthig war, als eben hier.“29

Die Debitkommission – zunächst unter dem Vorsitz Sachsen-Hildburghausens, dann Sachsen-Gotha-Altenburgs30 – entzog dem Herzog die gesamte Finanzverwaltung.31 Negative Folgen waren bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts erkennbar, wie zeitgenössisch festgestellt wurde: „Die Trennung der Finanzen von der Staats-Regierung hatte den Arm des Gouvernements gelähmt.“32 Die Tätigkeit der Debitkommission umfaßte jedoch nur den Bereich der herzoglichen Finanzverwaltung und betraf nicht die Rechte der landschaftlichen Verwaltung.33 Am 1. April 26 Jedenfalls nicht durch die Befreiungskriege gegen Napoleon, wie Elisabeth Scheeben, Ernst II., S. 64 behauptet. 27 Siehe dazu Johann Georg August Galletti, Geschichte der Fürstenthümer der Herzoge von Sachsen, S. 107. 28 Zu den Ursachen der Überschuldung vgl. allgemein Wolfgang Huschke, Politische Geschichte von 1572 bis 1775, S. 547. 29 Carl Friedrich Häberlin, Wahrheit und Unwahrheit, S. 159, Fußnote. 30 Johann Georg August Galletti, Geschichte der Fürstenthümer der Herzoge von Sachsen, S. 109. 31 Zu Wesen und Arbeitsweise einer Kaiserlichen Debit- und Administrationskommission siehe Johann Jacob Moser, Von dem Reichs-Ständischen Schuldenwesen, Erster Theil, S. 662 ff.; Johann Stephan Pütter, Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs, Dritter Theil, S. 239 ff.; Hans-Peter Ullmann, Überlegungen zur Entstehung des öffentlichen, verfassungsmäßigen Kredits in den Rheinbundstaaten, S. 116 f. Der Verlauf in Sachsen-Coburg-Saalfeld ist dargestellt bei Christian Kruse, Die Einsetzung der Debitkommission im Fürstentum Sachsen-Coburg-Saalfeld sowie in Relationen bei HHStA RHR Relat. 163, unfol. (Relatio 168 Nr. 241 et al.). Akten hierzu finden sich auch bei HHStA RHR Ob. Reg. 1281 ff. – Der Umfang der beim Herzog verbliebenen Rechte war streitig, zeitweise wurden ihm seitens der Kommission sogar Verwaltungsrechte wie die Neubesetzung erledigter Stellen und das Recht zur Kenntnis von Finanzmaßnahmen der Behörden bestritten, vgl. HHStA RHR Relat. 163, unfol., HHStA RHR Ob. Reg. 1285 unfol., wo unter Bezugnahme auf Art. I §§ 3 f. der kaiserlichen Wahlkapitulation festgestellt wurde, daß kein Reichsstand ohne vorherige Bewilligung der Kurfürsten, Fürsten und Stände seiner Regierung entsetzt werden dürfe und daß der bestimmte Zweck einer Administrations- und Debitkommission eine Ausweitung ihrer Kompetenzen auf nicht unmittelbar finanztransaktionsrelevante Bereiche verbietet. Die Akten über die Tätigkeit der Kommission finden sich bei ThStAGo Geheimes Archiv B.IV. 32 Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und FinanzVerwaltung der Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 3. 33 Die Landschaft stellte dies 1803 wie folgt dar: „Die Debit-Commission hat den Hof und die Kammer betroffen und beschränkt, das Land aber mit seinen Einrichtungen ist im Wohlstande geblieben.“, HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 5 = StACo LA B 2180 fol. 4 = LA F 246 fol. 8’; Wiedergabe auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. – Unrichtig ist daher die Ansicht von Erich Keerl, wonach die Landschaft infolge der Debitkommission „ihres Einflusses völlig beraubt“ gewesen sei (Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 215).

48

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

1801 betrug die Schuldenlast noch 1.261.441 fl. rh. 7 3/4 xr.34, zu deren Tilgung nach den Vorstellungen der Kommission ihr Fortbestand auf weitere sechzig Jahre notwendig war.35 e) Primogeniturordnung Die bereits in den Cap. VII und XXV der Goldenen Bulle36 für die weltlichen Kurfürstentümer (und damit auch für die sächsischen Kurlande) festgesetzte Erbfolge nach dem Grundsatz der Primogenitur37 war nicht auf die Territorien der Deszendenten ohne Kurwürde übergegangen.38 In Sachsen-Coburg-Saalfeld war die Primogenitur erst als vorletztem der sächsischen Fürstentümer39 durch Testament des Herzogs Franz Josias vom 12. Oktober 1733 eingeführt und am 23. Januar 1736 kaiserlich bestätigt worden.40 34 Im Jahre 1802 beliefen sich die Schulden nach Berechnung der Kommission noch auf 313.760 Reichstaler (à 1 fl. rh. 30 xr., Umrechnungstabellen bei Christian Kruse, Franz Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 291 f.), Schuldenverzeichnisse von 1800 und 1802 finden sich bei HHStA RHR Ob. Reg. 1286 / 1 unfol. sowie bei ThStAGo Geheimes Archiv B.IV. Nr. 260. 35 So Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und FinanzVerwaltung des Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 4, und Johann Georg August Galletti, Geschichte der Fürstenthümer der Herzoge von Sachsen, S. 111. Ein Schreiben des Herzogs Franz Friedrich Anton an den Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg vom 22. Mai 1801 (ThStAGo Geheimes Archiv B.IV. Nr. 278 unfol.) wies jedoch Schuldenlasten nach Ansicht der Kommission in Höhe von 520.042 fl.rh. 53 xr. bzw. nach Ansicht Sachsen-Coburg-Saalfelds fällige Schulden in Höhe von 199.208 fl.rh. 55 xr. aus. 36 Abgedruckt bei Hermann Johann Friedrich Schulze, Das Recht der Erstgeburt, S. 315. 37 Vgl. dazu Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 12, Erster Theil, S. 77 f.; Nicolaus Thaddäus Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 353 und Hermann Johann Friedrich Schulze, Das Recht der Erstgeburt, S. 313 ff. 38 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 12, Erster Theil, S. 95. 39 Begonnen hatten Sachsen-Gotha-Altenburg mit der Primogeniturconstitution vom 22. April 1685 (ThStAGo Geheimes Archiv QQ.T. Nr. 2) und Sachsen-Eisenach 1688, gefolgt von Sachsen-Hildburghausen am 24. Juni 1703 (abgedruckt bei Hermann Schulze, Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Dritter Band S. 203 ff.) und Sachsen-Weimar-Eisenach am 29. August 1724 (abgedruckt ebd. S. 220 ff.), vgl. dazu Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 12, Erster Theil, S. 100 ff.; Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 3 sowie Wolfgang Huschke, Politische Geschichte von 1572 bis 1775, S. 547 f. – Reichsweit scheint Sachsen-Coburg-Saalfeld ebenfalls zu den „Schlußlichtern“ gehört zu haben, wie sich aus der Übersicht bei Hermann Johann Friedrich Schulze, Das Recht der Erstgeburt, S. 400 ff. ergibt. – Sachsen-Meiningen führte die Primogenitur erst endgültig durch die Primogeniturkonstitution vom 12. März 1802 ein, vgl. StACo Min G 554 fol. 2, 2’; StACo LReg. 153, ThStAGo Geheimes Archiv F.III. Nr. 10, unfol.; Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die Geschichte der Staaten des Ernestinischen Hauses Sachsen, S. 86 und Hermann Johann Friedrich Schulze, Das Recht der Erstgeburt, S. 411 f.; Abdruck bei Hermann Schulze, Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Dritter Band S. 246 ff. 40 StACo Urk LA A 460, abgedruckt bei Hermann Schulze, Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Dritter Band S. 225 ff.; „vollendete Primogeniturordnung“ vom 2. November 1746 abgedruckt ebd. S. 230 ff. – Vgl. HHStA RHR Relat. 163, unfol. (Nr. 416),

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

49

f) Vertretung beim Reich Die Stimme des (ehemals gesamten) Fürstentums Coburg41 auf Reichstagen, insbesondere dem Immerwährenden Reichstag zu Regensburg, führte SachsenCoburg-Saalfeld infolge eines Rezesses vom 18. Januar 1771 gemeinsam mit Sachsen-(Coburg-)Meiningen.42 Die Stimme lag im Wechsel 18 Monate lang bei Sachsen-Coburg-Saalfeld, 30 Monate lang bei Sachsen-(Coburg-)Meiningen und wurde ohnehin vom identischen Gesandten ausgeübt.43 2. Quellen des Verfassungsrechts a) Fehlen einer Verfassung im formellen Sinne Die Verfassung des älteren deutschen Territorialstaats wurde regelmäßig nicht durch eine umfassende Verfassung im formellen Sinne44, also einzige Urkunde, bestimmt45, eine vor 1800 datierende „Constitution“ gab es lediglich in Schwarzburg-Rudolstadt.46 „Mangel einer vollendeten Constitutionsacte über die Verhältnisse des Regenten zu seinen Landständen ist jedem Lande verderblich.“, bemerkte der coburgische Minister Kretschmann im Jahre 1805.47 ThStAGo Geheimes Archiv F. .VI.l Nr. 13, ThStAGo Geheimes Archiv N. .I. Nr. 14 a sowie die Erläuterungen bei Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, Urkundenbuch S. 8 ff., und bei Christian Heinrich Ludwig Wilhelm Spiller von Mitterberg, Neue Beyträge zum Staatsrechte und zu der Geschichte von Sachsen, Nr. XXVII. 41 Zur Entwicklung des Systems des Stimmrechts vgl. Gerhard Buchda, Reichsstände und Landstände im 16. und 17. Jahrhundert, S. 227. 42 StACo Urk LA B 58 = ThStAMgn GA VII.D.16 fol. 66 – 70’; vgl. dazu Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 12, Erster Theil, S. 595; Johann Gerhard Gruner, Geschichte Johann Kasimirs, S. 258 f. sowie Johann Adolph von Schultes, Sachsen-CoburgSaalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 60 f. 43 Vgl. dazu die Vollmacht vom 18. Januar 1771 bei StACo Urk LA B 59. 44 Zum Begriff der Verfassung im formellen Sinne vgl. Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 508; Hermann Heller, Staatslehre, S. 305 ff.; Roman Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 310. 45 Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 138. – Über die Bildung sächsischer Verfassungstraditionen vgl. Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 198 ff. 46 Abdruck der Resolutionen vom 23. September 1721 und vom 4. März 1722 bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 382 ff. – Die Auffassung Thomas Ellweins, wonach „wenige“ landständische Verfassungen kodifiziert waren (Das Erbe der Monarchie, S. 58), bezieht offensichtlich Landesverträge und Einzelurkunden mit ein. Jedenfalls erscheint die Ansicht bei Harry Siegmund, Der französische Einfluß auf die deutsche Verfassungsentwicklung, S. 6, wonach die Verfassung des Königreichs Westfalen die „erste geschriebene und in Kraft getretene Verfassung in Deutschland“ dargestellt habe, zumindest in dieser Allgemeinheit nicht haltbar, wenngleich die ständische Vertretung SchwarzburgRudolstadts im Verlaufe des 18. Jahrhunderts zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken war, siehe Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 100 Fußnote 220.

50

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

b) Anerkannte Rechtsquellen Reichsweit waren nach zeitgenössischer Ansicht zahlreiche einzelne Verträge zwischen Landesherrn und Ständen, die bisherige Gewohnheit (Herkommen) und das Reichsrecht48 als maßgebliche Rechtsquellen anerkannt.49 Ein grundsätzliches Regelungswerk über die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Landesherr und Landschaft, wie es beispielsweise der Mecklenburgische Landes-Grund-Gesetzliche Erb-Vergleich vom 14. Juli 175550 und der württembergische Erbvergleich vom 2. März 177051 bildeten52, bestand in Sachsen-Coburg nicht. Die landständische Verfassung Sachsen-Coburg begründete sich mithin unter anderem auf Reichsverfassungsrecht und Landesgewohnheitsrecht. Wichtigste Rechtsquelle waren die zwischen Landesherrn und Landschaft bislang schon geschlossenen Landtagsabschiede 53: 47 Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und FinanzVerwaltung des Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 12. 48 Zum Entstehen eines „allgemeinen deutschen Territorialstaatsrechts“ über die reichsrechtlichen Normen hinaus siehe Manfred Friedrich, Die Erarbeitung eines allgemeinen deutschen Staatsrechts, S. 1 ff. 49 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 838, 1129 ff.; Wilhelm August Rudloff, Versuch einer pragmatischen Einleitung in die Geschichte und heutige Verfassung, 1. Teil, S. 5 f.; Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 23 sowie zu den Rechtsquellen auf Reichsebene Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 1, S. 191, zum Herkommen ebd. S. 492 ff.; detailliert auch Heinrich Albert Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Erster Theil, S. 136 ff. Zum „Herkommen“ als Rechtsquelle treffend die prägnante Zusammenfassung Otto Hintzes (Typologie der ständischen Verfassungen des Abendlandes, S. 123): „Alles beruht auf dem Herkommen, auf den Umständen, vor allem auf den wechselnden Machtverhältnissen zwischen beiden Teilen.“ Zum Fortbestehen der Rechtsquellenprobleme auch im modernen Verfassungsstaat siehe Peter Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, S. 320 ff. 50 Abgedruckt bei Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 800 ff., auszugsweise abgedruckt bei Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 27 ff. 51 Abgedruckt bei August Ludwig Reyscher, Sammlung der württembergischen Gesetze, 2. Band, S. 550 ff. 52 Eine Übersicht über vorhandene weitere verfassungsähnliche Vergleiche und Abschiede findet sich bei Johann Ludwig Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, S. 80 f.; eine Sammlung einzelner Privilegien und Freiheitsbriefe bietet Johann Christian Lünigs Collectio nova; spezieller und darin umfassender ist Johann Caspar Brunners Corpus Constitutionum für Brandenburg-Bayreuth. 53 Vgl. auch die Darstellung bei Johann Melchior Alt, Beurkundete landständische Verfassung, S. 11; für das verwandte Sachsen-Weimar-Eisenach Hermann Ortloff, Die Verfassungsentwicklung im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 5 ff.; allgemein zu dieser Situation Friedrich Tezner, Technik und Geist des ständisch-monarchischen Staatsrechts, S. 11. – Die Landesregierung bezeichnete bei StACo Min J 192 fol. 26, 26’. als bedeutendste („vorzüglichste“ bzw. „merkwürdigste“) coburgische Abschiede den „organischen“ Landesabschied von 1531, Herzog Johann Friedrichs des Mittleren und Herzog Johann Wilhelms Landtagsabschied vom 25. Juni 1567, Herzog Johann Casimirs Abschied an die Landstände

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

51

„Die Rechte und Privilegien ( . . . ) der Landstände gründen sich theils auf die Teutsche Reichs-Verfassung überhaupt, und theils auf die Verfassungen einzelner Reichs-Staaten insbesondere. ( . . . ) Als inzwischen die Landeshoheit von Zeit zu Zeit sich immer mehr ausgebildet, sind zwar in manchen teutschen Ländern die Landstände nach und nach ganz und gar eingegangen und in manchen beschränkt worden, in manchen Districten hingegen sind selbige, wie sie ursprünglich waren, geblieben. Dies letztere ist insonderheit der Fall in der Pflege Coburg. Die Coburgischen Landstände haben sich vor und nach dem 30jährigen Krieg, bis auf die jezigen Zeiten bei ihrer Verfassung erhalten.“54 „In jedem Staate, wo immer Landstände existiren, sind entweder ausdrückliche oder stillschweigende Verträge zwischen ihnen und dem Regenten vorhanden, durch welche die willkührliche Gesetzgebung des letzteren beschränket wird. Die ausdrücklichen Verträge vertretten hier Orts die Landtags-Abschiede, und die stillschweigenden die hiesige Landes-Verfassung und Landes-Observanz.“55

c) Beschwerdeführung als Grundlage der Verbriefungen Landesherr und Landstände beabsichtigten mit den abgeschlossenen Vereinbarungen keine umfassende Regelung, vielmehr wurde in reichsweit üblicher Manier stets nur das aufgezeichnet, was zufällig Gegenstand einer Auseinandersetzung zwischen beiden Seiten geworden war.56 Folglich befand sich auch das Verfassungssystem nicht in Ruhe, sondern die Landschaft betrieb stets mit Beschwerden („Gravamina“), die die Verletzung ihrer auf das Herkommen begründeten „verfassungsmäßigen“ Rechte beinhalteten, eine Ausweitung ihrer Kompetenzen und der Rechte der Korporation und ihrer Mitglieder.57 Die dahingehende Beschwerdeführung gehörte im gesamten Reich zu den wichtigsten Rechten und Pflichten und von Ritterschaft und Städten vom 9. Dezember 1607, Herzog Johann Casimirs Landtagsabschied vom 22. August 1611, Herzog Friedrich Wilhelms Abschiede vom 16. November 1648 (abgedruckt bei Johann Christian Lünig, Collectio nova, II. Theil, Sp. 81 ff.) und vom 5. März 1664 (abgedruckt ebd. Sp. 85 ff.) sowie weitere Landtagsabschiede vom 13. Oktober 1669, vom 23. Juli 1674 (ThStAGo Geheimes Archiv EEE.III.b Nr. 5), vom 16. September 1675 (ThStAGo Geheimes Archiv EEE.III.b Nr. 6; auch abgedruckt bei Johann Christian Lünig, Collectio nova, II. Theil, Sp. 87 f.), die Landtagsabschiede Herzog Friedrichs für sich und seine Brüder von 1676 und vom 19. März 1678 sowie Herzog Albrechts Landtagsabschiede vom 25. November 1681, vom 9. Januar 1682 (abgedruckt ebd. Sp. 87 f.), vom 28. März 1683, vom 13. April 1685, vom 16. November 1687 und vom 2. Januar 1695 (abgedruckt ebd. Sp. 89 f.). 54 StACo Min J 192 fol. 3’, 4. 55 StACo Min J 192 fol. 19’. 56 Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 139. 57 Als Beispiel für die Beschwerdeführung können die Zusammenfassung der Gutachten landschaftliche Gravamina betreffend von 1786 (StACo LA F 238) sowie ein Verzeichnis der 1803 bestehenden landschaftlichen Beschwerden (StACo Min J 192 fol. 106 – 107 = StACo LReg. 352 fol. 9 – 10’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 49 ff.) herangezogen werden.

52

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

häufigsten Geschäften der Landstände, wodurch auch die Ausweitung der landschaftlichen Rechte erreicht und vor allem vermeintliche Verletzungen bestehender Rechte bekämpft werden sollten.58

d) „Notorietät“ als Rechtsquelle? Häufig berief sich die Landschaft zur Begründung ihrer – vermeintlichen – Rechte zudem auf die „Notorietät“, also die „Offenkundigkeit“ einer Rechtsstellung.59 In Sachsen-Coburg wurde dies seitens der landesherrlichen Behörden nicht anerkannt, nach deren Ansicht konnte die alleinige Notorietät keinerlei Rechtswirkungen entfalten.60

3. Wesen und Zusammensetzung der Landschaft a) Begriff und Entstehung der Landschaft Die Bezeichnungen „Landschaft“ und „Landstände“ waren für die ständische Körperschaft üblich.61 Ihre Ursprünge scheint auch die seit 1438 im coburgischen 58 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 492, 842, 1191 f., 1305, 1311; David Georg Struben, Neben-Stunden, Zweyter Theil, S. 525; Nicolaus Thaddäus Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 378; George Adalbert von Mülverstedt, Die ältere Verfassung der Landstände in der Mark Brandenburg, S. 283 f.; Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 292 f.; Friedrich Wilhelm Unger, Geschichte der deutschen Landstände, 2. Theil, S. 149; Karl von Hegel, Geschichte der mecklenburgischen Landstände, S. 140 f.; Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 183 f.; Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 135; Gerhard Oestreich, Ständetum und Staatsbildung in Deutschland, S. 51; Gerhard Buchda, Reichsstände und Landstände im 16. und 17. Jahrhundert, S. 231; Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 24; vgl. auch die ausdrückliche Regelung in Punkt 7 der Constitution von Schwarzburg-Rudolstadt bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 387 und die Darstellung für (Ost-)Preußen bei Robert Bergmann, Geschichte der ostpreußischen Stände und Steuern, S. 86 ff. 59 Vgl. StACo Min J 192 fol. 100’ = StACo LA B 2180 fol. 3’ = StACo LA F 246 fol. 6’ = Christian Ferdinand von Könitz, Beyträge zur Geschichte der Desorganisation, S. 116 ff. 60 StACo Min J 192 fol. 103 = StACo LReg. 352 fol. 1. 61 „Die Anstalt der Volkvertretung (National-Stellvertretung), ward in Teutschland seit Jahrhunderten Landschaft genannt, das heißt, eine das ganze Land vorstellende Corporation, und jedes Mitglied derselben hieß L a n d s t a n d, weil es berufen war, für das ganze Land, die Gesammtheit der Einwohner, auf dem Landtage zu stehen.“, so Johann Ludwig Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, S. 394 f. – Vgl. auch Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 322, 325, 329 mit besonderen Nachweisen für Württemberg, Niederbayern und das brandenburgische Franken, Joseph Constantin Bisinger, Vergleichende Darstellung der Staatsverfassung, S. 464 sowie Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 68. Nach Volker Press, Formen des Ständewesens in den deutschen Territorialstaaten, S. 294 war „Landschaft“ im wesentlichen die Bezeichnung für den „3. Stand“, während sie unter anderem

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

53

Gebiet bestehende62 Landschaft in den Finanz- und Steuerbedürfnissen des 15. und 16. Jahrhunderts gehabt zu haben.63

b) Die Landschaft als Landesrepräsentation Die Landstände, die in ihrer Gesamtheit die Landschaft bildeten64, stellten auch nach Ansicht der Landesregierung wie auch in allen anderen Staaten, in denen Landstände bestanden65, „die eigentlichen Repräsentanten des gesammten Landes und Volks“66 dar. Diese häufig anerkannte67 Repräsentanteneigenschaft war jedoch von Anfang an umstritten.68 Zutreffend erscheint die Ansicht, daß die Landstände das „Land“ nicht vertraten, sondern selbst das „Land“ waren.69 in Bayern und den benachbarten Territorien auf die gesamten Stände übergegangen sei. – Zu weiteren Landschaftsbegriffen siehe Peter Blickle, Landschaften im Alten Reich, S. 4 ff. 62 Zur „Landschaft Vereinigung von 1438“ in den wettinischen Ländern vgl. Herbert Helbig, Der wettinische Ständestaat, S. 415 ff. Frühere landschaftliche Vertretungen im coburgischen Fürstentum sind nicht nachzuweisen. Zum früheren Entstehen ständischer Vertretungen nach einem reichshofgerichtlichen Urteil aus dem Jahre 1231 („ut neque principes neque alii quilibet constitutiones vel nova iura facere possint nisi meliorum et maiorum terrae consensus primitus habeatur“) siehe Hans Spangenberg, Vom Lehnstaat zum Ständestaat, S. 11 ff. 63 Aufgrund des mittelalterlichen Prinzips der Freiwilligkeit und Subsidiarität der Steuern kam es zur Bildung ständischer Vertretungen, vgl. dazu die Formulierung bei Friedrich Christoph Dahlmann, Die Politik, 1. Band, S. 115: „Die Berufungen der vormaligen Landstände waren in der Regel die Folge eines Steuerbedarfs.“ Zur Entstehung von Landständen allgemein vgl. Friedrich Benzenberg, Ueber Verfassung, S. 195 f.; Karl Ioseph Hartmann, Ueber den Ursprung und das rechtliche Verhältnis der Landstände, S. 28 ff.; Felix Rachfahl, Alte und neue Landesvertretung in Deutschland, S. 100; Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 20 sowie die vergleichende Darstellung bei Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 58 ff. 64 Zur weitgehenden Begriffsidentität von Landständen und Landschaft siehe Peter Blickle, Landschaften im Alten Reich, S. 48. 65 „In den meisten alten weltlichen Fürstenthümern seynd Land-Stände anzutreffen“, so Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 371. Zu diesen alten Fürstentümern ist auch das (ehemalige) Fürstentum Coburg zu rechnen. In Thüringen bestanden in allen Staaten mit Ausnahme von Schwarzburg-Sondershausen Landstände, siehe Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 20. 66 StACo Min J 192 fol. 4, ähnlich fol. 9’. Vgl. auch Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 17, S. 86: „Alle Unterthanen eines Landes werden vorgestellet durch die Landstände.“ Zum vergleichbaren Anspruch der bayerischen Landschaft siehe Karl Bosl, Die Geschichte der Repräsentation in Bayern, S. 236. 67 Vgl. die ausdrückliche Formulierung in Punkt 3 der Constitution von SchwarzburgRudolstadt bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 386. 68 Zum wissenschaftlichen Disput über die Repräsentanteneigenschaft Carl Christoph Albert Heinrich von Kamptz, Abhandlungen aus dem Deutschen und Preußischen Staatsrecht, S. 33 ff.; Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 120 f. mit weiteren Nachweisen; Friedrich Tezner, Technik und Geist des ständisch-monarchischen Staatsrechts, S. 69 ff.; Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 93 ff.; Bernd Kappelhoff, Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft, S. 64 ff.; Gerhard Buchda, Reichsstände und

54

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Reichsweit war in jedem Falle anerkannt, „daß dasjenige, was man auf einem allgemeinen Land-Tag beschliesset, eben so angesehen wird, als wann die samtliche Landes-Eingesessene Mann vor Mann darein bewilliget hätten.“70

c) Zusammensetzung aa) Landstandschaft als Privatrecht Die Landschaft bestand aus „privilegirten Untertanen“71, in Sachsen-Coburg „aus einem Directore und verschiedenen Gliedern, auf deren Besitzungen das Sitz und Stimm-Recht auf Landtägen haftet und in Activitaet sich findet, ingleichen aus den Städten Coburg, Neustadt und Rodach.“72 Landstände im 16. und 17. Jahrhundert, S. 219; Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 26; Ulrich Scheuner, Volkssouveränität und Theorie der parlamentarischen Vertretung, S. 313 ff.; zusammenfassend Hasso Hofmann, Repräsentation, S. 342 ff.; zum politischen Disput Friedrich Wilhelm Unger, Geschichte der deutschen Landstände, 2. Theil, S. 429 ff., zeitgenössisch bereits Johann Stephan Pütter, Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs, Zweyter Theil, S. 169; Karl Ioseph Hartmann, Ueber den Ursprung und das rechtliche Verhältnis der Landstände, S. 90 f.; Nicolaus Thaddäus Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 380 f. und August Wilhelm Rehberg, Ueber die Staatsverwaltung deutscher Länder und die Dienerschaft des Regenten, S. 211 ff. Zum Repräsentationsbegriff vgl. zusammenfassend Gerhard Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 26 ff. 69 Otto Hintze, Typologie der ständischen Verfassungen des Abendlandes, S. 122; vgl. dazu auch Otto Brunner, Land und Herrschaft, S. 473: „Landesherr und Landstände zusammen sind das Land im vollen und ursprünglichen Sinn. Sie beide verfügen gemeinsam über die Gesamtheit der Herrschaftsrechte, die im Lande geübt werden.“ – Karl Bosl, Die Geschichte der Repräsentation in Bayern, S. 210 spricht von der „repräsentierten Gesellschaft“. 70 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 716. Zur vergleichbaren Rechtsauffassung in Bayern seit dem 14. Jahrhundert siehe Otto (von) Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Erster Band, S. 574. 71 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 840. Dahingehend auch die Definition Mosers: „Land-Stände seynd und heisset das Corpus derjenigen Unterthanen, welche, Krafft der Landes-Freyheiten und Herkommens, von dem Landes-Herrn in gewissen Landes-Angelegenheiten um ihren Rath, oder auch Bewilligung, angesprochen werden müssen, auch sonsten mancherley des Landes Wohlfarth betreffende Sachen zu dirigiren, zu veranstalten, oder doch dabey etwas zu sagen haben.“ (Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 322 = Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 17, S. 87, zit. auch bei Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 22.) – Zur Eigenschaft der Rittergüter als privilegierte Besitzungen vgl. Friedrich Lütge, Die mitteldeutsche Grundherrschaft, S. 28, kritisch zum Begriff des privilegierten Untertanen Otto (von) Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Erster Band, S. 814, 816, und Robert Folz, Ständeversammlungen in den deutschen Fürstentümern, S. 183. – Rudolf Vierhaus bezeichnet die Landschaften zu Recht als privilegierte Korporationen (Land, Staat und Reich, S. 55). Kritisch zur (auch zeitgenössisch verbreiteten) Auffassung, die Landstände seien privilegierte Körperschaften gewesen, – auch zur Definition der Landschaft in Cap. 1 § 1 des coburgischen Verfassungsentwurfs von 1804 (dazu unten IV.) – Ulrich Scheuner, Volkssouveränität und Theorie der parlamentarischen Vertretung, S. 312 f.

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

55

Die Zugehörigkeit des einzelnen Rechtssubjekts zur Landschaft (Landstandschaft)73 stand diesem als Privatrecht zu.74 bb) Ständische Gliederung Die Landschaft in toto war in drei Gruppen75 eingeteilt: „Die Coburgische Landschaft besteht aus Prälaten, Ritterschaft und Städten.“76 Dies galt de iure auch noch 1804.77 Die Behauptung Eugen Bornhausers, in der Landschaft Sachsen-Coburgs habe „der Stand der Prälaten ( . . . ) wie in den Her72 StACo Min J 192 fol. 5. Die Darstellung bei Eugen Bornhauser, Die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. 20, die die Zahl von 76 Landständen im Jahre 1636 mit einer Zahl von 29 Landständen im Jahre 1804 vergleicht, verkennt unter anderem, daß die jeweiligen Territorien nicht deckungsgleich waren. Unrichtig ebenso die Darstellung bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 623, der dort – wenngleich eingeschränkt – von zwischen Sachsen-Coburg-Saalfeld und Sachsen(Coburg-) Meiningen gemeinschaftlichen Sachsen-Coburgischen Landständen spricht, richtig die Beschreibung bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 629: „Die Sachsen-Altenburg-Coburg-Hildburghausisch- und Meiningische Landschafftliche Corpora seynd gleichfalls alle aus Gelegenheit derer in disem Herzoglichen Hause vorgegangenen Theilungen entstanden.“ 73 Zum Begriff vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 322; Wilhelm August Rudloff, Versuch einer pragmatischen Einleitung in die Geschichte und heutige Verfassung, 1. Teil, S. 353. Hiernach bestand die „Landstandschaft“ allein aus dem Sitzund Stimmrecht bei Landtagen. 74 Otto (von) Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Erster Band, S. 804; Alfons Ingelmann, Altständische Bestandteile, S. 13 = ders., Ständische Elemente in der Volksvertretung, S. 13. 75 Der Begriff „Gruppen“ wird hier als neutral zur Differenzierung vom einzelnen „Landstand“ (Landschaftsberechtigten) dem Wort „Ständen“ (im Sinne der ordines, vgl. Robert Folz, Ständeversammlungen in den deutschen Fürstentümern, S. 187 f.; bzw. des „DreiStände-Schemas des Vormärz“, zur Kritik daran siehe auch Gerhard Oestreich, Zur Vorgeschichte des Parlamentarismus, S. 80) und zur Vermeidung von Fehlschlüssen hinsichtlich einer Kammereinteilung der Bezeichnung „Kurien“ (so aber Volker Press, Formen des Ständewesens in den deutschen Territorialstaaten, S. 284; zum „Dreikuriensystem“ insgesamt siehe Otto Hintze, Typologie der ständischen Verfassungen des Abendlandes, S. 130 ff.; abwegig daher die Verallgemeinerung bei Friedrich Strathmann, Altständischer Einfluß auf die deutschen Territorialverfassungen, S. 43, 55) vorgezogen; auch der Ausdruck „politische Stände“ (so bei Gerhard Oestreich, Ständetum und Staatsbildung in Deutschland, S. 48) ist zu einer genauen Bezeichnung wohl eher ungeeignet. Im Ergebnis ebenso wie hier, wenngleich ohne Begründung, Otto Brunner, Land und Herrschaft, S. 464; Siegfried Bachmann, Die Landstände des Hochstifts Bamberg, S. 93; und Wilfried Peters, Späte Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus, S. 96. Ähnlich wie hier hinsichtlich gesellschaftlicher Gruppen bereits Günter Vogler, Absolutistische Herrschaft und ständische Gesellschaft, S. 89. Vertretbar erscheint auch der Ausdruck „Klassen“, zitiert bei Wilfried Peters, Späte Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus, S. 91. 76 StACo Min J 193 fol. 11; vgl. a. StACo LReg. 254 fol. 3’. 77 In einem Bericht der Landesdirektion an den bayerischen König vom 21. Mai 1806 wurde die Banzer Landstandschaft noch als unbestritten behandelt, BayHStA MA 89850, unfol.

56

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

zogtümern Bremen, Velden, Lauenburg, Mecklenburg und Altenburg“ gefehlt78, ist mithin unzutreffend. Die Dreiteilung und Rangfolge von Klerus, Adel und Städten war im zeitgenössischen Deutschland verbreitet.79 De facto bestand wohl im coburgischen Kleinstaat nur eine einzige Kurie (Kammer), da eine Aufteilung in mehrere Kammern oder Kurien in Ansicht der Bedeutung des Staates und dessen finanzieller Verhältnisse unangemessen gewesen wäre, wenngleich sich Landschaft und Landesbehörden dahingehend einig waren, daß getrennte Sessionen möglich waren: „Die landständischen Versammlungen an Landtagen seyen zwischen Ritterschaft und Städten gemeinschaftlich, insofern die zu berathenden Gegenstände das gemeinschaftliche Interesse betrefen; die Ritterschaft und Städte können aber ein getheilten besonderen Versammlungen sich berathen, in wiefern sie es nothwendig finden.“80

Das grundlegende Bestehen nur einer Kammer war für deutsche Kleinstaaten in der Mehrheit üblich, kam aber auch in größeren Staaten vor.81 78 Die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. 20. Die von Bornhauser als Vergleich angeführten Territorien entsprechen der Reihenfolge der (nur) exemplarischen Aufzählung bei Heinrich Albert Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Erster Theil, S. 593. Auch Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 469; Wilhelm August Rudloff, Versuch einer pragmatischen Einleitung in die Geschichte und heutige Verfassung, 1. Teil, S. 355 und Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 286 behaupten, die Landschaft Sachsen-Coburgs bestehe nur aus Ritterschaft und Städten. 79 „Ordentlicher Weise waren es alle im Lande befindliche Prälaten, alle Besitzer freyer Rittergüter und alle ursprüngliche Städte des Landes, die auf dem Landtage Sitz und Stimme hatten.“, so Johann Stephan Pütter, Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs, Zweyter Theil, S. 169. Vgl. zu Sachsen Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 198 f.; zu Hessen-Kassel ebd. S. 551; zum benachbarten Hochstift Bamberg Siegfried Bachmann, Die Landstände des Hochstifts Bamberg, S. 93, 122; im übrigen die Darstellungen für Kurbayern, Kursachsen und das Breisgau bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 438 ff.; für Hannover Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Erster Band, S. 226; zusammenfassend S. 475 sowie allgemein Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 57, 59 f., 62; Andreas Joseph Schnaubert, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, S. 298; Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 167, detailliert S. 282 ff.; Friedrich Christoph Dahlmann, Die Politik, 1. Band. S. 117; Karl von Hegel, Geschichte der mecklenburgischen Landstände, S. 116 ff.; Heinrich Albert Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Erster Theil, S. 592 ff.; Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 75 ff.; Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 69 f.; Hermann Schulze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechtes, Erstes Buch, S. 461; Volker Press, Formen des Ständewesens in den deutschen Territorialstaaten, S. 284 sowie Rudolf Endres, Adel in der frühen Neuzeit, S. 112; vergleichend und zusammenfassend Burcard Gotthelf Struve, Discurs vom Uhrsprung, Unterscheid und Gerechtsahmen der Land-Stände, S. 60 ff. 80 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 100 f. 81 Für Württemberg und Kursachsen vgl. Carl Fricker, Die Entstehung der württembergischen Verfassung, S. 169; Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13,

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

57

cc) Prälaten Den „ersten Stand“ bildete wie allgemein üblich82 der Klerus, der aus zwei Äbten bestand: „Was die Prälaten anbelangt, so sind solche die Äbte zu Banz und Langheim. Der erstere wegen seiner im Fürstenthum Coburg gelegenen Güter und Lehnschaften, und der Letztere besonders wegen seiner zum Closter Hoch Tambach gehörigen und ebenfalls im Fürstenthum Coburg gelegenen Güter und Lehnschaften.“83

Im Gegensatz zu den meisten anderen protestantischen Staaten84, jedenfalls allen anderen sächsischen Staaten85 und dem benachbarten Bayreuth86, hatte in Sachsen-Coburg infolge der Reformation die Vertretung der katholischen Klöster nicht geendet.87 Aber wohl aufgrund der Reformation wurden die Klostervorsteher nicht mehr als rangmäßig erste Klasse der Landstände, wie für die altständische Prälatenvertretung üblich88, sondern lediglich als – infolge mangelnder Ansässigkeit im Lande herausgehobene – Vasallen angesehen. Die (wohl in der Nichtübernahme der Klosterbesitzungen begründete) Nichtübernahme der ständischen ReS. 475 f. Eine Übersicht über Grundzüge des Kurienwesens geben Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1508; Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 166 ff. und Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 114 ff. 82 Sc. soweit vorhanden, vgl. Johann Kaspar Bluntschli, Lehre vom modernen Staat, S. 134 ff.; Volker Press, Formen des Ständewesens in den deutschen Territorialstaaten, S. 285, und Herbert Helbig, Fürsten und Landstände im Westen des Reichs, S. 127. Zur identischen Situation in Bayern siehe Karl Bosl, Die Geschichte der Repräsentation in Bayern, S. 77. 83 StACo Min J 193 fol. 11, 11’; vgl. auch Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 43. 84 Etwa in Böhmen (zeitweise), Bremen, Mecklenburg und der Pfalz; vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 419; 485; Friedrich Christoph Dahlmann, Die Politik, 1. Band, S. 117; Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 73 f.; Conrad Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 168. Rudolf Endres (Adel in der frühen Neuzeit, S. 112) weitet diese Erscheinung auf alle protestantischen Territorien aus. Siehe zu dieser Frage allgemein Gerhard Oestreich, Ständetum und Staatsbildung in Deutschland, S. 130, und Friedrich Strathmann, Altständischer Einfluß auf die deutschen Territorialverfassungen, S. 38. Zum Fortbestand einer Landstandschaft in Brandenburg vgl. George Adalbert von Mülverstedt, Die ältere Verfassung der Landstände in der Mark Brandenburg, S. 33. 85 Für Kursachsen stellte Friedrich Wilhelm Unger, Geschichte der deutschen Landstände, 2. Theil, S. 52 fest: „Die Landsässigen Aebte sind jedoch sammt den Bischöfen durch die reformation ausgefallen.“ Für die übrigen thüringischen Staaten vgl. Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 19. 86 August Jegel, Die landständische Verfassung in den ehemaligen Fürstentümern Ansbach-Bayreuth, S. 3; Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in AnsbachBayreuth, S. 14. 87 Die gegenteilige Ansicht von Christian Kruse (Herzog Franz Friedrich Anton und sein Minister Theodor von Kretschmann, S. 14) kann nicht nachvollzogen werden. 88 Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 69 f.; vgl. auch Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Erster Band, S. 239.

58

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

präsentation durch evangelische Geistliche stellte bei Fortführung der katholischen Vertretung eine Seltenheit in den evangelischen Staaten dar.89 Die betroffenen Prälaten selbst leugneten ihre Landstandschaft. Sie hatten sich wiederholt gegen coburgische Landtagsausschreibungen, in denen sie als „Unterthan“90 oder als „Getreuer“91 bezeichnet wurden, verwahrt. Eine Teilnahme von Prälaten an coburgischen Landtagen war mindestens seit 1594 nicht mehr erfolgt92, sie wurden aber mindestens bis 1687 zu den Landtagen geladen.93 Sowohl Banz als auch Langheim hatten lang die Anerkennung als reichsunmittelbar erstrebt, bis sie im 18. Jahrhundert durch Rezesse (Banz 1738 mit Bamberg94, Langheim 1730 mit Brandenburg-Kulmbach und 1741 mit Bamberg) auswärtige Landeshoheit über ihr Territorium anerkannten.95 Die Landeshoheit Sachsen-Coburgs über die kirchlichen Besitzungen wurde von den Äbten schließlich durch Rezesse vom 3. Mai 1740 (Banz)96 bzw. vom 11. September 1740 (Langheim)97 anerkannt.98 Hierbei handelte es sich keineswegs um eine coburgische Besonderheit. Zwar wirkten auch reichsständische Kleriker in den Landschaften anderer Territorien mit99, jedoch wurde häufig die Frage des Umfanges der Unterordnung unter die Landeshoheit sowie über die Verpflichtungen aus der Landstandschaft gestritten.100 Die faktische Abwesenheit des Prälatenstandes führte jedoch dazu, daß sich die (restliche) Landschaft bzw. deren Engerer Ausschuß selbst stets nur – wie in den meisten anderen thüringischen Fürstentümern101 – als „Landschaft von Ritter89 Ebenso verhielt es sich in Württemberg (Francis L. Carsten, Die deutschen Landstände und der Aufstieg der Fürsten, S. 315), in Brandenburg (Peter Baumgart, Zur Geschichte der kurmärkischen Stände, S. 139) sowie zum Großteil in Hannover (Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Erster Band, S. 239). 90 Beispielsweise in der Ausschreibung für den Landtag im Jahre 1594, StACo Min J 193 fol. 13 = StACo LA F 4993 fol. 1. 91 StACo Min J 193 fol. 14. 92 StACo Min J 193 fol. 12’. Ähnlich in Jülich und Berg, wo die Prälaten ebenfalls außer Landes residierten, vgl. Robert Folz, Ständeversammlungen in den deutschen Fürstentümern, S. 191. 93 StACo Min J 193 fol. 17’. 94 Siehe dazu Wolfgang Wüst, Kloster Banz als ein benediktinisches Modell, S. 51. 95 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 3, S. 1477, 1481, Band 14, S. 101 ff. 96 StACo Urk LA D 142 = StACo Urk 26 = StACo LReg. 2263 fol. 1 – 13; vgl. dazu jetzt Stefan Nöth, Gleußen und das sächsische Geleit, S. 99. 97 StACo Urk LA D 151 = StACo Urk 27 = StACo LReg. 2303 fol. 6 – 48. 98 StACo Min J 193 fol. 18, 19. 99 Wie in Sachsen-Coburg nahmen die Prälaten auch in Jülich, Kleve, Berg und Mark nicht an den Landtagen teil, vgl. Francis L. Carsten, Die deutschen Landstände und der Aufstieg der Fürsten, S. 315. 100 Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 70 f. 101 Vgl. Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 19.

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

59

schaft und Städten“ bezeichnete, da sich nach ihrer Auffassung allein Ritterschaft und Städte noch in voller Ausübung ihres landschaftlichen Amtes befänden.102 Dieser Ausdruck war nicht unüblich, er wurde beispielsweise auch nach dortiger Tradition103 in der Einleitung zum waldeckischen Landesvertrag vom 19. April 1816104 oder in § 1 der Landständischen Verfassungsurkunde Lippe-Detmolds vom 8. Juni 1819105 verwandt. Nach Ansicht der Landschaft begründete sich daher die Landstandschaft nur auf dem Besitz der landständischen Rittergüter und dem Vorstand der Städte.106 Bis zum letzten Landtag jedoch wurden die landesherrlichen Reverse an die „Landschaft von Prälaten, Ritterschaft und Städten“ erteilt.107 dd) Ritterschaft Den zweiten Stand bildete die Ritterschaft, in Coburg in verbreiteter Weise108 die Zusammenfassung der Besitzer von Rittergütern, auf denen die Landstandschaft ruhte.109 Begriffslogisch war bereits der Herzog als Inhaber mehrerer an sich landständischer Besitzungen kein stimmberechtigtes Mitglied der Landschaft, da der Landesherr nicht als Landstand sich selbst gegenüberstehen konnte.110 Andererseits wurden an den einzelnen Rittergutsbesitzer besondere Anforderungen gestellt: „Der Besitzer des Ritterguts muß nicht gerade nothwendig von Adel seyn, aber er muß einen Character bekleiden, der ihm das Besuchen der Landtäge gestattet, sonst ruht eine solche Stimme.“111

Die Ritterschaft war folglich wie weithin auch in Sachsen-Coburg vom Grundsatz her112 eine Vertretung des (grundbesitzenden) Adels113, wenngleich auch bürNicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 85. Louis Curtze, Geschichte und Beschreibung des Fürstenthums Waldeck, S. 580. 104 Abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 1115 ff. 105 Abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 1097 ff. 106 So die Landschaft in ihrer Klageschrift zum Reichshofrat vom 12. Dezember 1803 bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2, fol. 1. 107 Vgl. die Formulierung im Revers vom 22. Januar 1695 bei Johann Christian Lünig, Collectio nova, II. Theil Sp. 89 f. 108 Vgl. – auch zu anderen Modellen – die Darstellung bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 500 ff., 530 f. sowie Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 80 ff., wonach nur in wenigen Territorien die Ritterschaft kein Bestandteil der Landschaft war, nämlich in einzelnen Bistümern und in denjenigen Fällen, in welchen die Ritterschaft die Reichsunmittelbarkeit erlangt hatte. 109 Eine Übersicht über die stimmberechtigten Rittergüter findet sich bei StACo Min J 193 fol. 19’ – 20’ sowie bei StACo LReg. 256 fol. 33 – 34. 110 Vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 485; Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 120. 111 StACo Min J 193 fol. 19. 102 103

60

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

gerlichen Rittergutsbesitzern – wie in Thüringen üblich114, im albertinischen Sachsen und im benachbarten Bamberg jedoch undenkbar115 – das Stimmrecht gewährt werden konnte.116 Bauern blieben jedoch ausgeschlossen: „Bey diesen auf den Gütern ruhenden Stimmen ist zu bemerken, daß ( . . . ) einige derselben ruhen, weil sie von Bauern beseßen werden.“117

Unstreitig war vor allem, daß Rittergüter auch durch Nichtadelige erworben werden konnten.118 Die Entscheidung über das Erscheinens- und Stimmrecht eines bürgerlichen Rittergutsbesitzers lag ausschließlich bei den landesherrlichen Behörden, am Landtag teilnehmen durfte nur derjenige bürgerliche Rittergutsbesitzer, dem der Rang eines herzoglichen Rates beigelegt worden war.119 Der generelle Ausschluß von Bauern bewegte sich im Rahmen des Üblichen.120 Die alleinige Entscheidung durch den Landesherrn ist in jedem Fall als außergewöhnlich anzusehen.121 112 Der verallgemeinernden Darstellung von Friedrich Strathmann, Altständischer Einfluß auf die deutschen Territorialverfassungen, S. 25 kann daher nicht gefolgt werden. 113 Vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 482 f.; Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 85. 114 Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 19. 115 Vgl. Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 77; Gerhard Schmidt, Die Staatsreform in Sachsen, S. 26; Siegfried Bachmann, Die Landstände des Hochstifts Bamberg, S. 102. Die Stimmberechtigung auch bürgerlicher Rittergutsbesitzer war weithin ausgeschlossen, so in Brandenburg-Preußen durch ein Edikt Friedrichs des Großen vom 18. Februar 1772, vgl. Günter Birtsch, Der preußische Hochabsolutismus und die Stände, S. 402, und in Ostfriesland, siehe Bernd Kappelhoff, Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft, S. 20. 116 Die Ansicht Detlef Sanderns, das Stimmrecht für die nichtadligen Rittergutsbesitzer sei erst mit der Verfassungsurkunde von 1821 eingeführt worden (Parlamentarismus in SachsenCoburg-Gotha, S. 24), ist in dieser Allgemeinheit nicht haltbar. 117 StACo Min J 193 fol. 21. 118 Einen Überblick über die zersplitterte Rechtslage hinsichtlich des Erwerbs von Rittergütern durch Bürgerliche und des Stimmrechts auf Landtagen gibt Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 86 f., 150 f. 119 Dieser Ansicht war selbst die Landschaft, vgl. Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 86 sowie Johann Melchior Alt, Beurkundete landständische Verfassung, S. 10, der auf „bürgerliche Personen von einigem Range“ verweist. 120 Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 5. Zum – seltenen – Fall der Landstandschaft von Bauern siehe die Übersichten bei Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 98 ff.; Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 78; Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Erster Band, S. 247 ff.; Otto (von) Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Erster Band, S. 540 f.; Gerhard Buchda, Reichsstände und Landstände im 16. und 17. Jahrhundert, S. 218 und bei Francis L. Carsten, Die deutschen Landstände und der Aufstieg der Fürsten, S. 317 sowie die Darstellungen bei Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 58 f.; Friedrich Christoph Dahlmann, Die Politik, 1. Band, S. 117; Conrad Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 168; Bernd Kappelhoff, Abso-

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

61

Inwieweit die in Preußen und Sachsen typische Unterscheidung zwischen schriftsässigen und amtssässigen Rittergütern122 auch in Sachsen-Coburg von Relevanz war, läßt sich nicht ermitteln, es kann jedoch mangels anderer Aktenfunde wohl von der Schriftsässigkeit aller Rittergüter ausgegangen werden. Ferner schien zumindest seitens der Landschaft anerkannt gewesen zu sein, daß der Eigentümer mehrerer Rittergüter ein Mehrfachstimmrecht hatte123, was in den übrigen deutschen Territorien zumeist124 ebenso gehandhabt wurde, da spätestens seit dem 16. Jahrhundert anerkannt war, daß das Stimmrecht nicht auf den besitzenden Personen, sondern auf dem besessenen Gut haftete.125 Die Landesregierung führte allerdings noch nach 1800 aus, „daß in den alten Landtags-Verzeichnißen zum Theil weniger (sc. Stimmen) vorkommen, weil mehrere Güter in einer Person vereinigt waren“126, und war mithin der Meinung, der Rittergutsbesitzer habe als Person lediglich eine Stimme auf Landtagen gehabt. lutistisches Regiment oder Ständeherrschaft, S. 32 f.; Robert Folz, Ständeversammlungen in den deutschen Fürstentümern, S. 192 ff.; ausführlich Friedrich Wilhelm Unger, Geschichte der deutschen Landstände, 2. Theil, S. 104 ff. und Peter Blickle, Landschaften im Alten Reich, S. 46 f. – Im benachbarten Bayreuth scheint jedoch eine Bauernvertretung zumindest der Urverfassung nach existiert zu haben, so zumindest Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 59; Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Preußen, 2. Band, S. 7 und August Jegel, Die landständische Verfassung in den ehemaligen Fürstentümern Ansbach-Bayreuth, S. 6. 121 Vgl. die Darstellung bei Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 87 f., wonach sich gewöhnlich die Landstände selbst die Entscheidung vorbehielten und es allenfalls zu Streitigkeiten über die Mitwirkungsrechte des Landesherrn kam, sowie bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1502, der von abstrakten Grundsätzen ausgeht. 122 Dazu vgl. Wilhelm August Rudloff, Versuch einer pragmatischen Einleitung in die Geschichte und heutige Verfassung, 1. Teil, S. 351 f.; Carl H. Wachsmuth, Versuch einer systematischen Darstellung der Patrimonial-Gerichtsverfassung, S. 17; Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 90; Karl Bosl, Die Geschichte der Repräsentation in Bayern, S. 48; vgl. auch Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 257 f. 123 So bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 303’ = StACo LA F 243 fol. 96’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 171, wo der Deputierte Hendrich „mit dreyen Stimmen“ zeichnet. 124 Anders in Bamberg, Siegfried Bachmann, Die Landstände des Hochstifts Bamberg, S. 103, und in Mecklenburg, siehe Rudolf Vierhaus, Von der altständischen zur Repräsentativverfassung, S. 182. – Allgemein ablehnend Friedrich Strathmann, Altständischer Einfluß auf die deutschen Territorialverfassungen, S. 25. 125 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 6, Erster Theil, S. 57 f.; Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 19. – Nicolaus Thaddäus Gönner hält ein Mehrfachstimmrecht wegen des Grundsatzes des persönlichen Erscheinens für ausgeschlossen (Teutsches Staatsrecht, S. 392); Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 155 sieht lediglich die Ritterburgen in den Landschaften vertreten, vgl. dazu auch Robert Folz, Ständeversammlungen in den deutschen Fürstentümern, S. 190 sowie kritisch bereits Siegfried Bachmann, Die Landstände des Hochstifts Bamberg, S. 102. 126 StACo Min J 193 fol. 21.

62

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Als allgemein übliches Privileg der Rittergutsbesitzer127 stand ihnen seit dem 15. Jahrhundert eine persönliche Tranksteuerfreiheit, seit dem 16. Jahrhundert eine allgemeine Landsteuerfreiheit zu.128 ee) Städte Reichsweit waren die Städte derjenige Stand, der fast ausnahmslos einen Teil der Landstände bildete.129 Ebenso verhielt es sich auch in Sachsen-Coburg: „Den dritten Stand der Landschaft machen die Städte aus, und diese sind ( . . . ) Coburg, Rodach und Neustadt an der Heyde. ( . . . ) Jede dieser Städte hat eine Viril-Stimme auf den Landtägen, und sie repräsentiren ihre Bürgerschaften.“130

In Sachsen-Coburg waren folglich sämtliche drei Städte landständisch.131

4. Organisation und Rechte der Landschaft a) Landtage aa) Hoheitsrechte der Landschaft Die Landschaft hatte kein der Landeshoheit des Herzogs vergleichbares eigenes Hoheitsrecht. Die Landeshoheit stand nämlich, reichsweit anerkannt, allein dem Landesherrn zu.132 Dieses Verhältnis hatte sich jedoch erst im Zeitalter des Abso127 Zur Begründung der allgemeinen Lastenfreiheit des niederen Adels siehe Heinrich Albert Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Erster Theil, S. 544, zu Privilegien allgemein Friedrich Georg August Lobethan, Abhandlung über die Lehre von den Privilegien, S. 2. Hiervon gab es auch Ausnahmen, beispielsweise in Mecklenburg, wo selbst der Landesherr Steuern von seinen Domänen entrichten mußte, Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 272. 128 Herbert Lotter, Das Steuer- und Abgabenwesen des Coburger Landes, S. 45 f. 129 Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 92; Michael Mitterauer, Grundlagen politischer Berechtigung im mittelalterlichen Ständewesen, S. 28. 130 StACo Min J 193 fol. 39. Vgl. die nahezu wortgleiche Formulierung bei Burcard Gotthelf Struve, Discurs vom Uhrsprung, Unterscheid und Gerechtsahmen der Land-Stände, S. 93: „Die 3te Classe von denen Land-Ständen machen die Städte aus.“ 131 Zur Unterscheidung zwischen landständischen „Hauptstädten“ und sonstigen Städten vgl. Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 94 f.; Francis L. Carsten, Die deutschen Landstände und der Aufstieg der Fürsten, S. 316. – Ebenso wie in Sachsen-Coburg verhielt es sich in Bayern, vgl. Robert Folz, Ständeversammlungen in den deutschen Fürstentümern, S. 192; für die andere Seite vgl. die Situation in Pommern und in Brandenburg, wo zwischen Mediat- und Immediatstädten unterschieden wurde, siehe Bogdan Wachowiak, Stände und Landesherrschaft in Pommern, S. 55; Peter Baumgart, Zur Geschichte der kurmärkischen Stände, S. 143. 132 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 14, S. 207; Nicolaus Thaddäus Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 378 f. Hierzu vgl. sogleich ee).

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

63

lutismus herausgebildet.133 Vom Ursprung des ständischen Dualismus her entsprach das Verhältnis zwischen Landständen und Landesherr keineswegs einer Untertanenrolle, vielmehr war der frühe Territorialstaat auf diesen beiden voneinander selbständigen Subjekten aufgebaut.134 Diese beiden Parteien betrachteten ihr Recht als gleich ursprünglich135, wenngleich durchweg die Rolle des Landesherrn als die führende und einflußreichere anzusehen ist.136 Die häufig zwischen ihnen bestehenden Streitigkeiten waren durch Rezesse, Verträge und Traktate auf gleichberechtigter Ebene geregelt worden.137 Grundsätzliches korporatives Recht der Landschaft war unbestritten, sich zu versammeln, nämlich „Land- und Deputations-Tage unter landesherrlicher Authoritaet zu halten“.138 bb) Einberufung Das Recht zur Einberufung der Landtage lag nach Ansicht der Landesregierung ausschließlich beim Landesherrn: „Ein Landtag ist die vom Landesherrn vorbeschiedene Versammlung der Landstände in der Absicht, um über die grundgesezlich bestimmten Landesangelegenheiten zu berathschlagen und einen Schluß zu faßen. Das Recht Landtage auszuschreiben besteht lediglich in der Landes-Hoheit, und wird daher auch nur vom Landes-Herrn bewürkt, und zwar so oft er solches für nöthig erachtet. Die Ausschreiben an die Stände ergehen vom LandesHerrn.“139 133 Vgl. Felix Rachfahl, Alte und neue Landesvertretung in Deutschland, S. 127; Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 26 f. 134 Zur Theorie des dualistischen Staatsaufbaus seit Otto (von) Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Erster Band, S. 537, 572 ff. siehe auch Felix Rachfahl, Alte und neue Landesvertretung in Deutschland, S. 114 f., 123 ff.; Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 129; Otto Hintze, Typologie der ständischen Verfassungen des Abendlandes, S. 122 f.; Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 22. – Zur Kritik am Begriff des Dualismus zugunsten einer Bezeichnung als Polyarchie siehe Hermann Heller, Geschichtliche Voraussetzungen des heutigen Staates, S. 4 ff.; ähnlich in Richtung der Bezeichnung „Herrschafts-Pluralität“ Helmut Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 196 f.; zur treffenden Bezeichnung der „dezentralisierten polyarchischen öffentlichen Gewalt“ siehe Dieter Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 29. 135 Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 696 ff.; Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 24. 136 Fritz Hartung, Herrschaftsverträge und ständischer Dualismus, S. 45. 137 Vgl. Fritz Hartung, Herrschaftsverträge und ständischer Dualismus, S. 32 ff.; siehe dazu oben 2.b),c). 138 StACo Min J 192 fol. 7, vgl. auch Johann Melchior Alt, Beurkundete landständische Verfassung, S. 101. – Zur Entwicklung des Begriffs ,,Landtag“ vgl. Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 68 Fußnote 1. Zum reichsweit anerkannten grundsätzlichen Kollegialrecht der Landschaft vgl. Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 28. 139 StACo Min J 193 fol. 71’, 72.

64

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Die Landschaft war zwar der Ansicht, sie könne sich ohne Wissen und Genehmigung des Landesherrn willkürlich versammeln, dem wurde jedoch von den Landesbehörden unter Hinweis auf allgemeine staatsrechtliche Grundsätze widersprochen.140 Reichsweit war nämlich anerkannt, daß das Ausschreibungsrecht der Landeshoheit entspringe und mithin ausschließlich der Landesherr einen Landtag einberufen könne141, es sei denn, die Einberufung wurde böswillig verweigert.142 Andererseits wurde teilweise auch ein Recht der Landschaft oder Gruppen derselben, „Convente“ ohne Rechtsverbindlichkeit abzuhalten, anerkannt143; strittig war jedoch insoweit stets, ob hierzu eine Genehmigung des Landesherrn erforderlich war.144 cc) Geschäftsordnungsfragen „Die Bestimmung des Orts, wo sich die Stände versammeln sollen, hängt ebenfalls lediglich vom Landesherrn ab. Die Landstände sind verbunden, an dem gesezten Tag und Ort zu erscheinen, oder die Ursachen der Hinderniße anzuzeigen, oder durch einen hinlänglich legitimirten Mitstand zu erscheinen. Wenn demohngeachtet Stände außenbleiben und nicht erscheinen, so werden sie doch durch die abgefaßten Schlüße eben so verbunden, als wenn sie dazu mitgestimmt hätten.“145

140

Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen

S. 86. 141 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1496 f.; David Georg Struben, Neben-Stunden, Zweyter Theil, S. 568; Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 63, Nicolaus Thaddäus Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 392; Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 296; Friedrich Wilhelm Unger, Geschichte der deutschen Landstände, 2. Theil, S. 140; Heinrich Albert Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Erster Theil, S. 666; George Adalbert von Mülverstedt, Die ältere Verfassung der Landstände in der Mark Brandenburg, S. 85, 89; Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 188 f.; Friedrich Tezner, Technik und Geist des ständisch-monarchischen Staatsrechts, S. 33. – Gerhard Buchda, Reichsstände und Landstände im 16. und 17. Jahrhundert, S. 223 bezeichnet ein ständisches Selbstversammlungsrecht als selten. 142 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1499; Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 302; zum Streit hierüber vgl. Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 112. 143 Nach Friedrich Christoph Dahlmann, Die Politik, 1. Band, S. 116 konnte das Recht zum Abhalten von Konventen vom Landesherrn erworben werden. Auch Franz Alexander von Campe räumt ein, daß ein derartiges Recht nicht von allen Landständen unter ihren verbrieften Rechten aufgeführt werden konnte (Die Lehre von den Landständen, S. 86 ff.). Einzelne derartige Privilegien zählt Heinrich Albert Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Erster Theil, S. 666 f. auf. 144 Vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1518 ff.; Nicolaus Thaddäus Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 379 f.; Alfons Ingelmann, Altständische Bestandteile, S. 41 = ders., Ständische Elemente in der Volksvertretung, S. 41. Wegen Art. XV § 3 der Wahlkapitulation hielt Johann Jacob Moser dies auf den Fall von Streitigkeiten mit dem Landesherrn beschränkt (Abhandlung von der Teutschen Land-Stände Conventen, S. 79 f.). 145 StACo Min J 193 fol. 72.

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

65

Eine Vertretung einzelner Stände durch Mitstände – eine Art Stimmrechtsübertragung – war demnach ebenfalls möglich.146 Derartiges wurde auch in einigen anderen Staaten praktiziert.147 Die Erscheinensverpflichtung der einzelnen Landstände war nach zeitgenössischer Ansicht ein Ausfluß der allgemeinen Untertanenpflicht.148 „Die Städte pflegen durch den regirrenden Bürgermeister und Syndicus zu erscheinen.“149

Diese Erscheinensweise, insbesondere die herausgehobene Rolle des Bürgermeisters, war neben anderen Varianten auch reichsweit durchaus üblich.150 Das Initiativrecht lag ausschließlich beim Landesherrn: „Bey der Eröffnung des Landtages läßt der Landes-Herr seine Propositionen, worinn dasjenige enthalten, was er verlangt, übergeben. Die Landschaft reicht hierauf ihre Erklärung darüber ein, und alsdann wird der Landtagsabschied von den Fürstl. Räthen verfaßt, vom Landesherrn vollzogen, und die gewöhnlichen Reversales, wenn sie verlangt worden, ausgestellt. Wenn die Stände aber in der ersten Antwort auf die proponirten Punkte nicht beyfällig oder zweifelhaft sich erklären, so wird hierauf von Seiten des Landes-Herrn eine Replic-Schrift erlassen, und dieser Schriftwechsel dauerte bisweilen lang, daher gewöhnlich um solches abzuschneiden, beliebt worden, alsdann einem Ausschuße von Fürstl. Räthen und Ständen die Erörterung und schickliche Beylegung der Sache übergeben.“151 „Auf den Landtägen wird die Reichs-, Kreis- und Landes-Nothdurfft in Vortrag gebracht und in Ueberlegung genommen, darauf aber, wenn das erforderliche beschloßen und verwilliget worden, werden die Landstände wieder verabschiedet und von Herzoglicher Regierung ergehen die desfalls nöthigen Befehle.“152 146 Das entsprach auch der Ansicht der Landschaft, vgl. Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 99. 147 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 6, Erster Theil, S. 151; Nicolaus Thaddäus Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 392. Die gleiche Situation wie in SachsenCoburg bestand beispielsweise auch im Fürstbistum Bamberg, Siegfried Bachmann, Die Landstände des Hochstifts Bamberg, S. 103. 148 Johann Melchior Alt, Beurkundete landständische Verfassung, S. 32; Siegfried Bachmann, Die Landstände des Hochstifts Bamberg, S. 118. 149 StACo Min J 193 fol. 39’. Nicht nachvollziehbar ist die Ansicht bei Erich Keerl, Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 215, wonach die Städte „die Elite ihrer Bürger, die Räte“ entsandten. 150 Übersicht bei Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 97 f.; vgl. auch Robert Folz, Ständeversammlungen in den deutschen Fürstentümern, S. 192. In den benachbarten Staaten Bayreuth und Bamberg wurden die städtischen Vertreter auf den Landtagen vom Rat aus seiner Mitte gewählt, August Jegel, Die landständische Verfassung in den ehemaligen Fürstentümern Ansbach-Bayreuth, S. 14 ff.; Siegfried Bachmann, Die Landstände des Hochstifts Bamberg, S. 119. 151 StACo Min J 193 fol. 72, 72’; zum ähnlichen Verfahren im Reich vgl. Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 65 ff. 152 Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 43 = StACo Min J 192 fol. 7. Zum reichsweit wohl relativ einheitlichen Gang der Verhandlungen vgl. Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 114 ff.

66

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Hierdurch unterschied sich der Gebrauch in Sachsen-Coburg von dem im übrigen Reich wohl herrschenden Brauch, daß nach der Einbringung der landesherrlichen Propositionen auch die Landstände Anträge stellen konnten.153 Die Bezeichnung Proposition für das Schriftstück, durch das der Landesherr den Landständen seine Forderungen vorlegte, war verbreitet.154 Die Beendigung des Landtages durch einen Landtags- bzw. Landesabschied brauchte als üblich nicht mehr besonders betont zu werden.155 Die Entscheidung durch Stimmenmehrheit im Einkammersystem156 war reichsweit und damit auch in Sachsen-Coburg üblich.157 Nachweise für eine Möglichkeit der itio in partes liegen ebenfalls nicht vor.158 153 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1505; August Jegel, Die landständische Verfassung in den ehemaligen Fürstentümern Ansbach-Bayreuth, S. 34. – Ebenso wie in Sachsen-Coburg verhielt es sich in Böhmen und Kursachsen, vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1391, 1405; in Basel wurde dies sogar durch ein Erkenntnis des Reichshofrats von 1736 bestätigt, siehe Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1442. Allgemein zur ständischen Gesetzesinitiative vgl. Friedrich Wilhelm Unger, Geschichte der deutschen Landstände, 2. Theil, S. 227. 154 Vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1503, Einzelnachweise auf S. 1391, 1405, 1442, 1445, 1494; Josef Bader, Die ehemaligen breisgauischen Stände, S. 14; George Adalbert von Mülverstedt, Die ältere Verfassung der Landstände in der Mark Brandenburg, S. 96 sowie Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 193. 155 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1511; Nicolaus Thaddäus Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 393; Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 169; George Adalbert von Mülverstedt, Die ältere Verfassung der Landstände in der Mark Brandenburg, S. 100; Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 203; Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 119 f.; August Jegel, Die landständische Verfassung in den ehemaligen Fürstentümern AnsbachBayreuth, S. 33. 156 Zur Entscheidungsfindung bei mehreren Kurien vgl. die Darstellung bei Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 114 ff. sowie bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1508. 157 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1308, 1507 f. 158 Die itio in partes (Ausübung des ius eundi in partes) auf Reichsebene beinhaltete das Recht für die Angehörigen einer Konfession oder eines Teiles der Reichsstände, sich in ihrer Gesamtheit einer Angelegenheit auf dem Reichstag zu entziehen, was zur Folge hatte, daß Kaiser und verbliebene Reichsstände nicht einseitig weiterverhandeln konnten. – Zum auch in Art. VI § 52 des Instrumentum pacis Osnabrugense („Westfälischer Friede“) – abgedruckt in Meinhard Schröder (Hrsg.), 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 139 ff. – normierten Inhalt vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 7, S. 448; Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 241; Karl Otmar Freiherr von Aretin, Heiliges Römisches Reich, S. 53 f. Christoph Link, Die Bedeutung des Westfälischen Friedens, S. 20 f.; zur itio in partes bei divergierenden Interessen einer landständischen Gruppe vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1308; Eberhard Friderich Georgii, Ius eundi in partes, S. 31 ff.; Johann Ludwig Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, S. 455 ff.; Alfons Ingelmann, Ständische Elemente in der Volksvertretung, S. 96; Friedrich Strathmann, Altständischer Einfluß auf die deutschen Territorialverfassungen, S. 47 sowie Manfred Botzenhart, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 33.

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

67

Von den ständischen Verhandlungen war die Öffentlichkeit auch in SachsenCoburg ausgeschlossen, inwieweit auch hier ein förmliches iuramentum taciturnitatis abzuleisten war, läßt sich nicht nachweisen.159 Bei Stimmabgabe und Beratung der Landstände durften allgemein weder der Landesherr noch ein Vertreter anwesend sein.160 Insgesamt kann man die Situation in Sachsen-Coburg als typisch für Reich und nähere Umgebung, in jedem Fall für einen ernestinischen Kleinstaat ansehen.161

b) Der Engere Ausschuß aa) Partielle Surrogatfunktion für den Landtag Landtage wurden in Sachsen-Coburg seit dem Ende des 17. Jahrhunderts nicht mehr abgehalten. Ein derartiges allmähliches Verschwinden der ursprünglichen allgemeinen Vertretungskörperschaft, meist zugunsten eines Ausschusses, war verbreitet.162 An die Stelle des Landtages trat de facto der durch Landtagsabschied vom 9. Januar 1682 gebildete Engere Ausschuß, dem eine wirksame Vertretung auch der übrigen Stände zugebilligt wurde: „Dasjenige, was der Engere Ausschuß beschließt, das muß in der Regel von den übrigen Ständen als gültig angenommen werden.“163

Eine solche Situation bestand in vielen Ländern.164 Diese beruhte zumeist auf dem Umstand, daß der jeweilige Landesherr der Überzeugung war, gegen eine geZum iuramentum taciturnitatis siehe Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 118. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1507. 161 Zum gesamternestinischen Usus vgl. Thomas Klein, Politik und Verfassung von der Leipziger Teilung bis zur Teilung des ernestinischen Staates, S. 165. Eine Beschreibung einer Landtagseröffnung findet sich bei Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 167. 162 Johann Stephan Pütter, Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs, Zweyter Theil, S. 171 f.; Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 20; Francis L. Carsten, Die Ursachen des Niedergangs der deutschen Landstände, S. 273; vgl. für Sachsen-Weimar-Eisenach Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 110; für Brandenburg Günter Birtsch, Der preußische Hochabsolutismus und die Stände, S. 389, 398 sowie für Anhalt Carl von Kaltenborn, Geschichte der Deutschen Bundesverhältnisse, 1. Band, S. 353; für Bayern Fritz Zimmermann, Bayerische Verfassungsgeschichte, S. 8 ff.; Karl Otmar Freiherr von Aretin, Heiliges Römisches Reich, S. 30. Karl Bosl spricht für Bayern vom „Ausschuß als Schrumpforgan der Landschaft“ (Die Geschichte der Repräsentation in Bayern, S. 210). 163 StACo Min J 193 fol. 49. 164 So beispielsweise im benachbarten Bayreuth (siehe Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 14), in Bayern (vgl. die Darstellungen bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 768 f., 1517; Ignatz Rudhart, Die Geschichte der Landstände in Baiern, 2. Band, S. 71 ff.; Alfons Ingelmann, Ständische Elemente in der Volksvertretung, S. 115 und Eberhard Weis, Montgelas, Zweiter Band, S. 87), 159 160

68

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

ringere Anzahl von Ständen seine eigenen Interessen leichter durchsetzen zu können.165 In Sachsen-Coburg war dies nach der Aktenlage wohl nicht oder nicht mehr der Fall. Die Landschaft in ihrer Gesamtheit war auch nicht verschwunden, denn der Engere Ausschuß führte auch Abstimmungen der gesamten Landschaft im Umlaufverfahren durch: „Seit dem im Jahr 1699 erfolgten Ableben des Herrn Herzog Albrechts ist nun zwar kein ordentlicher Landtag gehalten worden. Es wird aber von dem Engern Ausschuß, da von Zeit zu Zeit Deputations-Tage gehalten werden, das Nöthige gleichwohl besorget und bei wichtigen Angelegenheiten werden die Meinungen der sämmtlichen Landschaftlichen Glieder gewöhnlich durch Umläufe erfordert, und nach den meisten Stimmen beschloßen.“166 „Seit der Zeit, da keine förmliche Landtäge mehr gehalten worden, ist an deren Stelle ein anderer modus eingetretten. Zu wichtigen Landes-Angelegenheiten rescribirt nemlich der Landes-Herr nicht nur an seine Landes-Collegia, sondern auch entweder durch diese oder immediate an die Landschaft ( . . . ). Von Seiten der Landschaft wird nun die Sache nach Beschaffenheit der Umstände entweder mit dem Engern Ausschuß oder mit den sämmtlichen Landschaftlichen Mitgliedern in Deliberation genommen und per plurima gutachtlicher Wertung unterthänigst erstattet, darauf aber von Serenissimo das Erforderliche verfüget und bisweilen einer besonderen Commission zur weiteren Berathschlagung angeordnet, öfters auch eine fortdauernde Immediat-Deputation zu Behandlung des in Frage stehenden Geschäfts gnädigst ernennet, von welcher der jedesmalige Landschafts-Director immer ein Mitglied zu seyn pfleget.“167

Diese Vorgehensweise wurde auch als im Einklang mit coburgischer Verfassungstradition stehend angesehen: „Die ( . . . ) Classen von Prälaten, Ritterschaft und Städten machen das Corpus der ganzen Landschaft aus. Das Zusammentreten aller Glieder derselben auf Landtagen und Conventen war auch in den frühesten Zeiten nur selten. Es war beschwerlich in Rücksicht der Kosten, und es war beschwerlich in Ansehung der abzugebenden Stimmen. Die Landin Brandenburg (vgl. dazu George Adalbert von Mülverstedt, Die ältere Verfassung der Landstände in der Mark Brandenburg, S. 103 f.; Karl von Hegel, Geschichte der mecklenburgischen Landstände, S. 96 f.) und in den hannoverschen Ständeversammlungen (siehe Rudolf Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland, S. 80). – Karl Heinrich Ludwig Pölitz bezeichnet die vergleichbare Situation in Württemberg als „Oligarchie“ und „nachtheilige(n) Aristokratismus des engern Ausschusses“ (Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 350). Allgemein siehe auch Otto (von) Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Erster Band, S. 805; Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 293 f. und Gerhard Buchda, Reichsstände und Landstände im 16. und 17. Jahrhundert, S. 223. – Zu den in fast allen Ländern mit landschaftlicher Verfassung bestehenden Ausschüssen vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 763 ff.; Burcard Gotthelf Struve, Discurs vom Uhrsprung, Unterscheid und Gerechtsahmen der Land-Stände, S. 108 f.; Friedrich Christoph Dahlmann, Die Politik, 1. Band, S. 116, allgemein zur Entwicklung der Ausschüsse Friedrich Wilhelm Unger, Geschichte der deutschen Landstände, 2. Theil, S. 151 ff. 165 Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 104 f. 166 StACo Min J 192 fol. 7, 7’; vgl. Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 43 f. 167 StACo Min J 192 fol. 17, 17’.

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

69

stände vertrauten daher die Landes-Angelegenheiten, zu denen sie beyzurathen hatten, lieber einem Ausschuße von erprobten Männern aus ihrer Mitte an; diese stimmten für die ganze Landschaft ab. Diese Ausschüsse finden sich schon in den ältesten Landtags-Verhandlungen, und es ist, soweit solches nach der unvollständigen Actenführung der älteren Zeiten möglich ist, mit mehrerem Grund anzunehmen, das die Ausschüße früher waren, als die volle Versammlung des Corporis der Landschaft auf Landtägen. Nur der Unterschied tritt zwischen dem jetzigen und alten Landschaftlichen Ausschuß ein, daß jener stehend ist, dieser aber solches nicht war, sondern bey jeder Landschaftlichen Zusammentretung der Ausschuß aufs neue bestimmt wurde. Da nun die sämtlichen Landstände nur selten und in der Ausnahme zusammentreten und über einen Landschaftlichen Gegenstand berathschlagen, sondern solches größtentheils und in der Regel durch den Auschuß bewirkt wird, so ist nöthig, die Glieder des Ausschußes und das Landschaftliche Personale zuvörderst und vor der Aufstellung der Rechte und Pflichten der Landschaft kennen zu lernen.“168

Bei Konventen des Engeren Ausschusses war kein Vertreter des Herzogs anwesend169, was sich beispielsweise von der Situation im Breisgau unterschied, wo auch zu Ausschußtagen nur der Landesherr laden konnte.170 Die Beschlußfassung erfolgte jedoch in der Mehrzahl der Fälle nicht auf Versammlungen, sondern ebenfalls im Umlaufverfahren.171 Gegen Beschlüsse des Ausschusses konnte sich der Herzog jedoch an die Landschaft in ihrer Gesamtheit wenden: „Ob es nun gleich bißweilen sich zutragen kann, daß die Beschlüße des Engern Ausschusses sich der guten Absicht des Landes-Herrn nicht fügen, so steht doch dem Landes-Herrn als dann frey, die allgemeine Abstimmung der Stände zu verlangen.“172

bb) Zusammensetzung und Wahl Der Engere Ausschuß bestand genauso wie in Waldeck173 aus sechs Landständen: dem der Ritterschaft zugehörigen Landschaftsdirektor174, zwei weiteren Vertretern der Ritterschaft sowie den drei Städten175: StACo Min J 193 fol. 40’ – 41’. StACo Min J 192 fol. 45. 170 Josef Bader, Die ehemaligen breisgauischen Stände, S. 9 f. 171 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 105. 172 StACo Min J 193 fol. 50. 173 Louis Curtze, Geschichte und Beschreibung des Fürstenthums Waldeck, S. 582. 174 Zu dieser Funktion vgl. sogleich c). 175 Vgl. zur Zusammensetzung auch StACo Min J 192 fol. 5 und die gleichlautende Erklärung der Landschaft bei Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 101. – Falsch damit die Darstellung bei Karl Bohley, Coburger Verfassungskämpfe unter Herzog Franz (Nr. 7, unpag.), wonach der Engere Ausschuß aus drei Rittergutsbesitzern und dem Bürgermeister der Stadt Coburg bestanden habe. 168 169

70

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche „Was nun die Zahl der Mitglieder des Engern Ausschusses, und aus welchen derselbe bestehen soll betrifft, so ist für jetzt diese Bestimmung in dem Landtagsabschied vom 9. Jan. 1682 enthalten. Es heißt darum, was diesen Gegenstand betrifft: ,Nachdem auch die Deputirte von Ritterschaft und Städten unterthänigst einkommen ( . . . ) jedoch zur Vermeidung der Unkosten, und in Ansehung unserer engern Landes-Portion statt der bisherigen Vier von Adel hinführo nur drey mit dem Directore, von denen Städten aber, da sonst von jeder Stadt ihrer zwey gewesen, nur drey in allen zu Deputirten bleiben sollen.‘ Diese von Landesherrn genehmigte Einrichtung des Engern Ausschusses besteht auch in der Maas, daß mit Einschluß des Directors drey von Adel und die Städte Coburg, Rodach und Neustadt an der Heyde den Engern Ausschuß besetzen. ( . . . ) Jede Stadt hat, so wie jeder der Drey von Adel eine Viril-Stimme, so daß der Engere Ausschuß aus sechs Stimmen besteht. Der Landschaftsdirector hat hierbey keinesweges ein votum decisivum; es hat zwar solches einmal ( . . . ) behauptet werden wollen, es aber dagegen vorzüglich der Magistrat zu Coburg die Rechts der Städte in dieser zu Serenissimi höchster Entscheidung gelangten Sache zu wahren gesucht.“176

Die teilweise aufgestellte Behauptung, der Engere Ausschuß habe aus dem Landschaftsdirektor, zwei ritterschaftlichen Deputierten sowie den drei Bürgermeistern und den drei Syndici der Städte bestanden177, ist also nicht zutreffend, da die beiden letztgenannten lediglich gemeinschaftlich die Virilstimme der jeweiligen Stadt ausübten. Im Fall der Stimmengleichheit, was bei einem aus sechs Stimmen bestehenden Kollegium durchaus häufiger zu erwarten war, „werden die Stimmen den Ständen mitgetheilt um durch Mehrheit zu entscheiden oder ein anderes Mittel zur Entscheidung anzugeben.“178 Die Wahl der ritterschaftlichen Deputierten zum Engeren Ausschuß durch die Landschaft179 bedurfte zudem ebenfalls der Bestätigung des Herzogs: „Die neu denominirten adelichen Mitglieder des Engern Ausschußes müßen ebenfalls, so wie der Director erst von Serenissimo genehmigt und confirmirt werden.“180 „Bey den Städten ist keine Confirmation ihrer zum Ausschuß abgegebenen Deputirten nöthig, da diese stets bleiben, und dadurch, daß vom Landes-Herrn die Wahl der Bürger176 StACo Min J 193 fol. 46 – 47. Dies wurde von der Landschaft nicht bestritten, vgl. Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 103 ff. 177 So Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 44; Eugen Bornhauser, Die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. 21 und Herbert Lotter, Das Steuer- und Abgabenwesen des Coburger Landes, S. 47. 178 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 105. 179 Anzeichen dafür, daß der Engere Ausschuß im Einzelfall Ausschußmitglieder kooptiert hat, liegen nicht vor. Zu den verschiedenen verbreiteten Verfahren für die Ergänzungswahl vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 800. 180 StACo Min J 193 fol. 47’, vgl. auch fol. 41’ – 42.

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

71

meister, Syndicen und Stadtschreiber jedesmal genehmigt wird, sie zugleich auch zur Übernahme der Stelle beym Engern Ausschuß legitimirt sind.“181

Diese Darstellung entsprach auch der Ansicht der Landstände.182 Zusammensetzung des Engeren Ausschusses aus den (beiden) vertretenen Gruppen, Prinzip der lebenslangen Mitgliedschaft und Notwendigkeit einer Bestätigung durch den Landesherrn war reichsweit in derartigen Fällen üblich.183 Ein weiterer oder erweiterter Ausschuß, wie es die Bezeichnung „Engerer Ausschuß„ nahelegen würde und wie er in den meisten anderen Staaten auch bestand184, existierte in Sachsen-Coburg nicht.185 Eine ähnliche Zusammensetzung wie der coburgische Engere Ausschuß hatte das „Landschafts-Collegium“ von Schwarzburg-Rudolstadt.186 c) Der Landschaftsdirektor Die Organisation der laufenden Angelegenheiten der Landschaft erfolgte seit 1632 durch einen Landschaftsdirektor, der der Ritterschaft angehören mußte.187 Auch nach seiner Wahl blieb er Vertreter seines Standes, was reichsweit durchaus nicht einheitlich war.188 Er war insbesondere auch Ansprechpartner für Herzog StACo Min J 193 fol. 48, 48’. Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 101 f. 183 Vgl. die ausdrückliche Regelung in Punkt 16 der Constitution Schwarzburg-Rudolstadt und in § 179 des mecklenburgischen Erbvergleichs sowie die Darstellungen für Württemberg bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 350 und Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 388, 800 f. 184 Vgl. für das benachbarte Bayreuth Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 14; für das benachbarte Bamberg Siegfried Bachmann, Die Landstände des Hochstifts Bamberg, S. 142; für das benachbarte Sachsen-Hildburghausen Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 115 Fußnote 287; für Kursachsen und Württemberg bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 199, 349 f.; Alfons Ingelmann, Ständische Elemente in der Volksvertretung, S. 143; für Hannover Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Erster Band, S. 251 ff.; für Österreich, Tirol, Kursachsen, Braunschweig-Wolfenbüttel und Mecklenburg Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 765 f., 769 f., 782 ff. sowie allgemein ebd. S. 798 f.; Burcard Gotthelf Struve, Discurs vom Uhrsprung, Unterscheid und Gerechtsahmen der Land-Stände, S. 109; Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 288 und Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 196. 185 Auch § 21 des waldeckischen Landesvertrages sah einen „engeren Ausschuß“ vor, ohne daß ein „weiterer Ausschuß“ bestand. 186 Punkt 2 der Constitution von 1721 / 22. 187 Zur Vorgeschichte vgl. ein Gutachten der Landesregierung aus dem Jahr 1815, StACo Min J 239 fol. 17 = StACo LReg. 241 fol. 74. 188 Vgl. die anderweitige Regelung in Punkt 15 der Constitution von Schwarzburg-Rudolstadt, Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 388. 181 182

72

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

und Verwaltung. Auch seine Wahl durch die Landschaftsmehrheit189 bedurfte der Bestätigung des Herzogs: „Zu den älteren Zeiten wußte man nichts von einem Landschafts-Director, es wurde sogar den Landschaftlichen Versuchen diese Stelle einzuführen, von Seiten des Landes-Herrn und der ihm nachgesetzten Regierung anfangs gar nicht gewillfart.“190 „Nunmehr wird der Landschafts-Director von allen Ständen gewählt, die Wahl wird von der Landschaft unmittelbar beym Landesherrn einberichtet, und um höchste Confirmation, auch Verfügung zu der Auszahlung der Besoldung gebeten. Wenn höchsten Orts die Wahl genehmigt worden ist, so wird von Serenissimo der Landschaft durch ein Reskript die Bestätigung der Wahl bekannt gemacht, und der neugewählte Landschafts-Director erhält selbst von Serenissimo ein Confirmations- und Bestätigungs-Rescript.“191

Auch die Landschaft stimmte dieser Ansicht zu.192 Die Bezeichnung „Landschaftsdirektor“ war neben „Erbmarschall“ oder „(Erb-) Landmarschall“193, „Landschafts-Präsident“ oder „Erblanddrost“ durchaus üblich194, ebenso wie die Zugehörigkeit zur Ritterschaft und das Bestätigungsrecht des Landesherrn in den meisten Fällen im Reich Usus war.195 In anderen Staaten war die Würde des Direktoriums jedoch an ein bestimmtes Gut, eine bestimmte Würde oder Funktion oder an das Seniorat gebunden, auch die Ernennung durch den Landesherrn allein war (insbesondere bei Marschällen) verbreitet, so daß die in Sachsen-Coburg bestehende landschaftliche Mehrheitswahl eher als Ausnahme anzusehen ist.196 Die Position des Landschaftsdirektors war jedoch auch hier197 unbestritten nur als organisatorisch, nicht jedoch als herausragend anzusehen: „Der Director bey dem engern Ausschusse habe keine grössern Rechte als die übrigen Mitglieder des Ausschusses in Hinsicht auf die Entscheidung. Er müsse daher bey allen Angelegenheiten, die eine Entscheidung fordern, mit den übrigen Mitgliedern des engern Aus-

StACo Min J 192 fol. 5. StACo Min J 193 fol. 41’ – 42. 191 StACo Min J 193 fol. 45. 192 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 101 f. 193 Zur begrifflichen Unterscheidung zwischen Erbmarschällen verschiedener Art und Landmarschällen vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 726. 194 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 739; Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 196. Die begriffliche Differenzierung Friedrich Strathmanns (Altständischer Einfluß auf die deutschen Territorialverfassungen, S. 55) erscheint jedoch nicht nachvollziehbar. 195 Alfons Ingelmann, Altständische Bestandteile, S. 36 = ders., Ständische Elemente in der Volksvertretung, S. 36. 196 Vergleichende Übersicht bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 726 ff.; siehe auch Friedrich Christoph Dahlmann, Die Politik, 1. Band, S. 117. 197 Reichsweit war es wohl ebenso, vgl. Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 116. 189 190

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

73

schusses Rücksprache nehmen, und dürfe nichts eigenmächtig verfügen. Er dirigiere aber den Geschäftsgang, erbreche alle eingehenden Sachen, lasse die Expeditionen nach der Majorität der Stimmen besorgen, führe den Vorsitz bey den Versammlungen des engern Ausschusses und geniesse dafür eine Besoldung.“198

d) Landschaftliche Bedienstete Zur Unterstützung des Landschaftsdirektors verfügte die Landschaft wie allgemein üblich über eigene Bedienstete199, worunter auch der Landeskassier (Leiter der Landes- und Kriegskasse, auch Kriegscommissair genannt) und der landschaftliche Konsulent200 (Rechtsberater) zählten. Die Bestellung der Bediensteten bedurfte der herzoglichen Bestätigung, die Verpflichtung der Bediensteten hatte durch die Landesregierung zu erfolgen: „Zur Besorgung der Geschäfte, hat die Landschaft ihren besonderen Consulenten, einen Cassier und einen actuarium, welches Personale von Serenissimo gleichengestalts confirmiret, bey Herzogl. Regierung aber in Pflichten genommen wird.“201

Die Notwendigkeit einer landesherrlichen Bestätigung der Ernennung des Landschaftskassiers ebenso wie der anderen Bediensteten bestand häufig auch in anderen Ländern:202 „Da wo es auch zu den Rechten und Befugnißen einer Landschaft nach der besonderen Verfaßung gehört, Landschaftliche Bediente ( . . . ) anzunehmen, so müßen doch die von der Landschaft gewählten Personen der Landes-Herrschaft zur Bestätigung präsentirt werden, und es muß allerdings dem Landes-Herrn freystehen, die Bestätigung versagen zu können. Allein nach der Coburgischen Landes-Verfaßung müßen solche Diener der Landes-Herrschaft nicht nur präsentirt und von derselben bestätigt, sondern auch von der Landes-Regirung verpflichtet werden.“203

Auch die Ernennung des landschaftlichen Konsulenten mußte häufig, wenngleich nicht überall, vom Landesherrn bestätigt werden.204 Eine zentrale Position 198 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 104 f. 199 Zu landschaftlichen Bediensteten vgl. insgesamt Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 802 ff.; Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 55 f.; Heinrich Albert Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Erster Theil, S. 682 ff. und Gerhard Buchda, Reichsstände und Landstände im 16. und 17. Jahrhundert, S. 223. 200 Zur grundsätzlichen Identität der Benennungen „Syndicus“ und „Konsulent“ vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 811, zur Entstehung des Amtes des Landschaftssyndikus’ vgl. Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 117. 201 StACo Min J 192 fol. 5. 202 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 4, S. 654; Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 56. 203 StACo Min J 193 fol. 50, 50’. 204 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 812.

74

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

desselben, wie sie in zahlreichen anderen Ländern bestand205, ist für SachsenCoburg nicht nachweisbar, ebensowenig eine – zeitgenössisch als üblich angesehene206 – eigene landschaftliche Kanzlei.

e) Rechte der Landstände aa) Individuelle und korporative Rechte Unterschieden wurde zwischen individuellen Rechten der einzelnen Landstände – z. B. die hohe und niedere Gerichtsbarkeit207 oder die „niedere Policey„, die durch Gewohnheitsrecht208, verschiedene Abschiede und Verleihungen allen oder einzelnen Rittergütern zugestanden worden waren209, – also bestimmten Privilegien einzelner, und den korporativen Rechten der Landschaft, mithin deren Mitwirkungsrechten bei Gesetzgebung und Verwaltung.210 „In Betreff nun der Rechte und Pflichten der Coburgischen Landschaft ( . . . ), so wird die Übersicht am Leichtesten bewürkt, wenn man die Staatsgewalten in diesem Verhältnisse betrachtet. Hier ist jedoch zum Voraus zu bemerken, daß auch die Concurrenz der Landstände bey gewißen Hoheitlichen Rechten dennoch nicht für eine Mitregierung (coimperium) und die Stände für Mitregenten anzusehen und zu halten ist. ( . . . ) Allein ( . . . ) alles, was im Lande an Personen und Gütern sich befindet, ist ordentlicher Weise der LandesHoheit unterworfen.“211

205 Vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 813 ff.: „Theils ( . . . ) ist es eine so wichtige Stelle, als irgend eines Staats-Ministers“, und Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 117. 206 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 816 ff. 207 Zur Unterscheidung siehe die Definitionen bei Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 18: „Hochgerichtsbarkeit ist die Gerichtsbarkeit über schwere Verbrechen, über Leben und Tod, Niedergerichtsbarkeit über private Rechtstreitigkeit, mit Einschluß der freiwilligen Gerichtsbarkeit ( . . . ) und über leichte Straffälle“. Zur vergleichbaren Situation in den niedersächsischen Gebieten siehe Werner Wittich, Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, S. 151. Zur begrifflichen Unterscheidung vgl. Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 25; Friedrich Lütge, Die mitteldeutsche Grundherrschaft, S. 104. 208 Dies war reichsweit bei Rittergütern für die niedere Gerichtsbarkeit anerkannt, vgl. Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 25. 209 StACo Min J 192 fol. 5’, 6, eine Aufzählung der diese begründenden Rechtsquellen findet sich ebd. fol. 27’ – 29. 210 StACo Min J 192 fol. 6, 6’. Zur identischen Unterscheidung zwischen „landständischen Freiheiten“ als Individualrechten und den landschaftlichen Organrechten siehe auch Hans-Peter Ullmann, Staatsschulden und Reformpolitik, S. 38. 211 StACo Min J 193 fol. 81, 81’.

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

75

bb) Beschränktheit der korporativen Rechte Es bestand nur ein numerus clausus von Mitwirkungsrechten der Landschaft.212 Die Landstände „sind die eigentlichen Repräsentanten des gesammten Landes und Volks. ( . . . ) Aus diesem allgemeinen Begriff der Repraesentation des Volkes, folgen denn nun auch alle Rechte und Privilegia der hiesigen Landstände im allgemeinen genommen von selbst, und aus denen von Zeit zu Zeit ergangenen Landtags-Abschieden, lassen sich selbige einzeln enumeriren.“213

cc) Steuerbewilligung und -erhebung (1) Steuerbewilligungsrecht als Grundlage der ständischen Rechte Das zentrale, „ursprünglichste und wesentlichste“214 Recht der Landschaft lag wie reichsweit üblich215 in der Steuerbewilligung216: „Ueber Gesetze, mittels welcher zum Bedürfniß der hiesigen Lande, Steuern, Taxen und Abgaben, sie mögen Namen haben, wie sie wollen, und es mögen solche directe oder per 212 Zu diesem Grundprinzip der ständischen Verfassung vgl. Friedrich Tezner, Technik und Geist des ständisch-monarchischen Staatsrechts, S. 11; Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 23. 213 StACo Min J 192 fol. 4, 4’. 214 Alfons Ingelmann, Altständische Bestandteile, S. 25 = ders., Ständische Elemente in der Volksvertretung, S. 25. – Nach Karl Ioseph Hartmann bestand das landständische Mitwirkungsrecht allein aus der Steuerbewilligung, wozu vereinzelt noch Fragen der Steuererhebung und die Zustimmung zur Schuldenaufnahme kamen (Ueber den Ursprung und das rechtliche Verhältnis der Landstände, S. 91 f.). 215 Vgl. David Georg Struben, Neben-Stunden, Zweyter Theil, S. 389, 446 f.; Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 46; August Wilhelm Rehberg, Ueber die Staatsverwaltung deutscher Länder und die Dienerschaft des Regenten, S. 219; George Adalbert von Mülverstedt, Die ältere Verfassung der Landstände in der Mark Brandenburg, S. 183 f., 188 f.; Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 24; vgl. auch Nicolaus Thaddäus Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 770 f. – Otto (von) Gierke hält das Steuerbewilligungsrecht für „weitaus das wichtigste und die Quelle für Feststellung und Erweiterung aller anderen“ (Das deutsche Genossenschaftsrecht, Erster Band, S. 569). Nach Karl Otmar Freiherr von Aretin hatte sich auch der Reichshofrat in einem Gutachten aus dem Jahre 1714 dieser Ansicht angeschlossen (Heiliges Römisches Reich, S. 29). Daher kann der Darstellung von Rudolf Endres (Adel in der frühen Neuzeit, S. 30), wonach Kurfürst Johann Friedrich in ganz Thüringen die Landstände „weitgehend ausschalten“ konnte, nicht gefolgt werden. 216 Zu den aus dem Begriff der Steuer als freiwillige Leistung entstandenen Steuerbewilligungsrecht vgl. Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 104 ff.; Friedrich Tezner, Technik und Geist des ständisch-monarchischen Staatsrechts, S. 62 ff.; Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 28 ff. und Hans-Peter Ullmann, Staatsschulden und Reformpolitik, S. 39. Nach Gerhard Buchda, Reichsstände und Landstände im 16. und 17. Jahrhundert, S. 233 hatten sich die Landstände das Steuerbewilligungsrecht in den Territorien bis zum „Ende des 15. Jh. ( . . . ) vollkommen angeeignet“.

76

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche indirectum erhoben werden sollen, sind die Stände nicht nur mit ihrem Voto consultativo zu hören, sondern es ist auch zu sothanen Gesetzen ihre Einwilligung erforderlich.“217

Es „können ohne die Verwilligung der Landschaft keine Steuern erhoben und in das Land ausgeschrieben werden.“218

Daher dürfen auch nicht „ohne deren Genehmigung, überhaupt indirecte Auflagen und Abgaben immediate auf das Land geleget werden. Es fließt dieses Recht eines Theils schon aus der Landständischen Befugniß, dahin zu sehen, daß aller Schade und Nachtheil vom Lande bestmöglichst abgewendet werde, und andern Theils ist Uns auch kein einziges Beyspiel erinnerlich, wo je im Ernste ein Versuch wäre gemacht worden, allgemeine aufs Land sich erstreckende indirecte Anlagen ohne Zuziehung und Einwilligung der Landstände bewirken zu wollen.“219

Das Steuerbewilligungsrecht der Landstände war in Sachsen-Coburg wohl seit 1438 anerkannt.220 In der Entscheidung über die Steuerbewilligung war die Landschaft nach Auffassung der coburgischen Behörden aber nicht frei221, sondern an Gemeinwohlerwägungen gebunden; daß „nun die Landschaft bey wahren Landes-Bedürfnißen die Verwilligung zu nothwendigen Steuern nicht erschweren dürfe, versteht sich ( . . . ) von selbst.“222

Sie müsse nämlich „ihr vorzüglichstes Augenmerk auf das Wohl des Landes, wo immer zugleich auch das wahre Beste des Regenten bestehet, richten – müssen dahero alles, was zum Vortheil des ganzen Landes gereichet, nicht aus Nebenabsichten ersehen, vor oder gar hinter treiben, müssen aber dagegen auch alle erlaubten Mittel anordnen, Schulden und Nachtheil vom Lande abzuhalten, wenngleich der Privat-Nachtheil des Regenten darunter zu leiten scheinen möchte.“223

Recht und Pflicht der Landschaft, für das „allgemeine Beste des Landes“ zu sorgen, war ebenso wie die Bindung der Landstände an das Gemeinwohl reichsweit anerkannt; die hier gezogene Schlußfolgerung war aber umstritten.224 StACo Min J 192 fol. 21. StACo Min J 192 fol. 7’. 219 StACo Min J 192 fol. 9, 9’. 220 So zumindest Herbert Lotter, Das Steuer- und Abgabenwesen des Coburger Landes, S. 14 f., 45. 221 Zur verbreiteten widersprechenden Auffassung siehe Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 24. 222 StACo Min J 192 fol. 8, 8’. 223 StACo Min J 192 fol. 4, 4’. 224 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 842 ff., 846; Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 45; kritisch Otto (von) Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Erster Band, S. 813. 217 218

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

77

In Sachsen-Coburg war es allerdings ebenso wie auch sonst im Reich üblich, daß die Landstände bestimmte Freiheiten oder Privilegien durch Vereinbarung gegen Steuerbewilligung, Geldzahlung oder Schuldübernahme vom Landesherrn erwarben.225 Ebenso wie in den meisten Ländern waren auch in Sachsen-Coburg die Entscheidungsträger der Steuerbewilligung, nämlich Klerus, Adel und die Besitzer von Freigütern von der Entrichtung der meisten Steuern befreit.226 (2) Steuererhebung unter Beteiligung der Landstände Das Verfahren zur Erhebung von Steuern wurde von der Landes- und Kriegskasse wie folgt beschrieben: „In dem Fürstenthum Coburg hat die Landschaft deßelben das Recht die Steuern zu verwilligen, worauf selbige dann der Landes-Fürst ausschreibt. Ohne geschehene Landesfürstliche Ausschreibung kann keine Steuer erhoben werden, eben so wenig kann aber auch ohne vorgängige Landschaftliche Verwilligung eine Steuer ausgeschrieben werden.“227

Von den in Sachsen-Coburg erhobenen Steuern zog der Fürst die beiden sog. Ordinairsteuern (Landsteuer228 und Tranksteuer229) unmittelbar in die Kammerkasse ein, die übrigen sog. Extra-Ordinair- oder Extra-Steuern230 wurden von der Landes- und Kriegskasse eingezogen und von dieser verwaltet.231 Hierbei stand 225 Dies wird beispielsweise bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1185 offen vorausgesetzt; vgl. auch August Wilhelm Rehberg, Ueber die Staatsverwaltung deutscher Länder und die Dienerschaft des Regenten, S. 216; Francis L. Carsten, Die deutschen Landstände und der Aufstieg der Fürsten, S. 322 und für Mecklenburg Karl von Hegel, Geschichte der mecklenburgischen Landstände, S. 142. – Zur Theorie der Entstehung der Landstände infolge Schuldübernahme für den Landesherrn siehe Karl Heinrich Lang, Historische Prüfung des vermeintlichen Alters der teutschen Landstände, S. 42 f. 226 Vgl. David Georg Struben, Neben-Stunden, Zweyter Theil, S. 405; Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 128 ff. 227 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 178 = StACo LA B 2180 fol. 82 = StACo LA F 246 fol. 289. 228 Vgl. dazu Herbert Lotter, Das Steuer- und Abgabenwesen des Coburger Landes, S. 49 ff. 229 Vgl. dazu Herbert Lotter, Das Steuer- und Abgabenwesen des Coburger Landes, S. 65 ff. 230 Zur Unterscheidung zwischen Ordinär- und Extraordinärsteuern vgl. die Darstellung für Kursachsen bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 4, S. 69 ff.; zur identischen Situation in Sachsen-Weimar-Eisenach siehe Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 45. Zum Herkommen der außerordentlichen Steuern siehe Ernst Klein, Geschichte der öffentlichen Finanzen in Deutschland, S. 14 ff. 231 Dieses verbreitete Verfahren ist ebenfalls dargestellt bei Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 38 f.; Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 20; HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 178, 178’ = StACo LA B 2180 fol. 82 = StACo LA F 246 fol. 289, 289’; vgl. auch das Gutachten der Landesregierung von 1815 bei StACo Min J 239 fol. 19 = StACo LReg. 254 fol. 76; allgemein zur Steuerverwaltung durch Landstände siehe Franz Alexander

78

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

den Städten und verschiedenen Gerichtsherren das Recht der Untereinnahme (ius subcollectandi) zu.232 Eine solche Aufgliederung in zwei Stränge der Finanzadministration, die die tradierte Aufgabenteilung zwischen Landesherrn und Ständen widerspiegelte233, war im Reich verbreitet234, wenngleich in verschiedenen Staaten wie z. B. in Bayern235 und im benachbarten Bayreuth236 sämtliche Steuereintreibung durch die Landschaft und deren Bedienstete erfolgte. (3) Rechenschaftspflicht des Landesherrn Über die Verwendung der vom Landesherrn beigetriebenen verwilligten Steuern war dieser auch in Sachsen-Coburg der Landschaft gegenüber rechenschaftspflichtig.237 dd) Allgemeines Anhörungsrecht bei der Gesetzgebung Über das Steuerbewilligungsrecht der Landschaft hinaus stand ihr ein Anhörungsrecht bei Erlaß sämtlicher Rechtsnormen zu: „Was ( . . . ) die gesetzgebende Gewalt betrifft, so ist sie in den mehresten Deutschen Staaten mit Zuziehung der Landstände auszuüben. Dieses heißt aber keineswegs, daß es nun in den Händen der Landstände liege, welche Gesetze sie wollten gelten und welche nicht gelten laßen. Die Landstände haben gewöhnlich ein votum deliberativum seu consultativum.“238 „Auch in diesem Sächsischen Fürstenthum (sc. Sachsen-Coburg) kann bey der Gesetzgebung in Policey- und Justiz-Sachen ebenfalls nur höchstens eine gutachtliche, keineswegs aber eine verneinende Stimme der Landschaft zugestanden werden; es erweißt sich dieses daraus weil die Stände von jeher keineswegs über alle ins Land erlaßenen Gesetze mit ihrem Gutachten sind gehört worden.“239 von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 151 ff.; Ernst Klein, Geschichte der öffentlichen Finanzen in Deutschland, S. 16. 232 Zum ius subcollectandi vgl. die Darstellung für Kursachsen bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 4, S. 76 sowie bei Carl H. Wachsmuth, Versuch einer systematischen Darstellung der Patrimonial-Gerichtsverfassung, S. 104 f.; für Bayern bei Hans-Peter Ullmann, Staatsschulden und Reformpolitik, S. 38. 233 Hans-Peter Ullmann, Staatsverwaltung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 130 234 Vgl. die Darstellungen bei Friedrich Christoph Dahlmann, Die Politik, 1. Band, S. 114; Gerhard Oestreich, Ständetum und Staatsbildung in Deutschland, S. 54 f. und Gerhard Buchda, Reichsstände und Landstände im 16. und 17. Jahrhundert, S. 223 f. sowie die Schilderung für den Breisgau bei Josef Bader, Die ehemaligen breisgauischen Stände, S. 19. Georg von Below, Die landständische Verfassung in Jülich und Berg, Teil 3 Heft 2, S. 106 hält die Steuererhebung durch den Grundherrn für allgemein üblich. 235 Fritz Zimmermann, Bayerische Verfassungsgeschichte, S. 13. 236 Theodor Konrad (von) Kretschmann, Vertraute Briefe über das Fürstenthum Baireuth, S. 34. 237 Zu diesem Grundsatz vgl. David Georg Struben, Neben-Stunden, Zweyter Theil, S. 455. 238 StACo Min J 193 fol. 84, 84’.

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

79

Es „ergibt sich denn aus den Landtags-Abschieden weiteres, daß Landes-Gesetze und Landesherrliche Verordnungen, ehe und bevor sie in das Land erlassen werden, auch den Landtägen in Proposition gebracht, darüber deliberiret und die Landschaft mit ihrem Gutachten gehöret worden sey.“240

Es seien nämlich „überhaupt bey allen – die allgemeine Wohlfarth oder den allgemeinen Nothstand des Landes betreffenden Angelegenheiten, sie mögen kirchliche – rechtliche – Policey – Civil – Landesoeconomie oder andere Gegenstände betreffen, ( . . . ) die Landstände, nach der hiesigen Landes-Verfassung jedesmal mit zu Rath gezogen, mit ihrem Voto consultativo gehöret, und ist nicht Wichtigeres ohne ihren Vorbewußt beschlosen und vollzogen worden.“241

Dieses Recht der Landstände war in der Praxis teilweise unberücksichtigt geblieben. Die Landesherren hatten bereits seit dem 18. Jahrhundert zahlreiche Verordnungen ohne vorherige Anhörung der Landschaft erlassen.242 Reichsweit war zwar die Unterscheidung zwischen Materien, bei denen die Zustimmung der Landstände erforderlich war, und solchen, bei welchen lediglich ein „Gutachten“ einzuholen war, bekannt243, nicht jedoch ein Recht des Landesherrn, ohne jegliche Mitwirkung der Stände Normen zu erlassen.244 Einige Ausnahmen waren hinsichtlich Reichs- und Kreisangelegenheiten anerkannt, zudem hatte die Verweigerung des landschaftlichen Gutachtens keine Auswirkungen: „Ueber Gesetze, in welchen Anlagen zu Reichs- und Creiß-Praestandis gemachet werden, sind die Stände blos mit ihrem Voto consultativo zu hören. Ihre besondere Einwilligung hierzu, ist um deswillen nicht erforderlich, weil sie in Absehung dieser Gegenstände kein Votum negativum haben, und weil Reichs-Steuern und Creiß-Praestanda, die Stände mögen dieserhalb einwilligen wollen oder nicht, absolute bezahlt werden müßen. ( . . . ) Ueber Gesetze, die keine Steuern und Abgaben, sondern die allgemeine Wohlfarth des Landes überhaupt bezielen, desgleichen über wichtige Landes-Angelegenheiten, sind die 239 StACo Min J 193 fol. 88 (die Hervorhebungen entstammen dem Original); im Ergebnis ebenso Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, S. 76 f. 240 StACo Min J 192 fol. 16. 241 StACo Min J 192 fol. 16’. 242 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, S. 76 f.; eine Aufzählung von 14 derartigen Normen findet sich bei Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 305 – 315. 243 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 840 f.; David Georg Struben, Neben-Stunden, Zweyter Theil, S. 464; Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 193 ff., 289; Ulrich Scheuner, Volkssouveränität und Theorie der parlamentarischen Vertretung, S. 315. Ebenso wie in Sachsen-Coburg verhielt es sich auch bei den hannoverschen Landschaften (siehe Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Erster Band, S. 267) und in Mecklenburg nach § 195 des Erbvergleichs. 244 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 1, S. 305 ff.

80

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche hiesigen Stände mit ihrem Voto consultativo zu hören; sind sie erlassen worden, ohne die Stände darüber gehört zu haben, so können sie eine allgemein verbindliche Kraft nicht äußern. ( . . . ) Die Landstände dürfen bey Gesetzen, welche keine Steuern und Abgaben, sondern das allgemeine Beste überhaupt zum Zweck haben, ihr Votum consultativum nicht versagen; denn sie sind Repraesentanten des Volks, und müssen als solche das Wohl des Landes zum Augenmerk haben. Verweigern aber sie Stände bey einem Gesetz, das keine Steuern und Abgaben enthält, die Ablegung ihres Voti consultativi entweder ganz, oder legen solches aus Gründen negative ab; so kann gleichwohl dies Gesetz, zumal wenn es ein bloßes Policey-Gesetz ist, von dem Landesherrn bekannt gemacht werden und die Unterthanen sind verbunden, daß also zu befolgen; den Ständen hiergegen bleibt ohnbenommen, ihre Weigerungs-Gründe im Wege Rechtens, der ihnen jedoch nicht zu erschweren ist, behörig an und auszuführen.“245

Nach Ansicht von Heinrich Gottlieb Reichard sei reichsweit darüber hinaus die Einwilligung der Landstände bei Gesetzen mit Bezug auf privatrechtliche Verhältnisse, Justiz-, Religions- und Kirchenfragen vonnöten gewesen246, Carl Friedrich Häberlin forderte sogar – wie die bayerische Landschaft247 – eine entscheidende Stimme der Landschaften beim Erlaß sämtlicher allgemeiner Gesetze248, für Sachsen-Coburg ist ein solches Zustimmungserfordernis jedoch nicht nachzuweisen.249 ee) Geringe ständische Mitwirkung bei Exekutive und Judikative (1) Regierung und Verwaltung als Rechte des Landesherrn In Regierungs- und Verwaltungsangelegenheiten bestand in Sachsen-Coburg grundsätzlich kein Beteiligungsrecht der Landschaft: „Was die ausübende Gewalt betrifft, so ist sie in vollstem Umfange und unbeschränkt in der Landes-Hoheit enthalten.“250

Zum Bereich der „ausübenden Gewalt“ im weiteren Sinne gehörte sowohl die Exekutive als auch die Judikative: „Justiz- und Policey-Gewalt: Beyde Gewalten müßen zwar sorgfältig getrennt werden; sie streichen aber nach dem Bekenntniß jedes wahren Kenners der Sache oft so nah an einander, und gehen oft so leicht in einander über, und verlangen wechselseitig von einander Unterstützung, daß es zu den schwierigsten Aufgaben gehört, eine Gränzscheidung zwischen beyden dergestalt zu ziehen, daß gar nichts dabey weiter vermißt und verlangt werStACo Min J 192 fol. 20 – 21’. Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 195, 289. 247 Fritz Zimmermann, Bayerische Verfassungsgeschichte, S. 14. 248 Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 51 f. 249 Für das bloße Recht zum „Beirath“ Nicolaus Thaddäus Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 455. 250 StACo Min J 193 fol. 84. 245 246

I. Die „althergebrachte“ landständische Verfassung

81

den könne. Über dieses sind sie in diesem Fürstenthum auf immer neben einander gegangen, sie sind neben einander behandelt und besorgt worden, so daß mehr Verwirung als Aufhellung der Gegenstände erwachsen würde, wenn man sie hier scheidend trennen wollte, obgleich darauf hinzuarbeiten steht.“251

Reichsweit hatten die Stände nur in einigen Staaten einen mehr als unerheblichen Anteil an der Regierung252, der strikte Ausschluß der Landschaft als solcher vom Regierungs- und Verwaltungsbereich stellte mithin eher die Regel denn die Ausnahme dar253, zumal da ebenfalls anerkannt war: „Landstände seynd nicht Cor- oder Mit-Regenten ihres Landes-Herrns, noch auch demselbigen ( . . . ) in Regierungs-Sachen an die Seite gesezt. ( . . . ) Die Land-Stände seynd und bleiben a) in Corpore und b) einzeln Unterthanen.“254

(2) Aufrechterhaltung der evangelischen Lehre Die exekutive Gewalt umfaßte auch den kirchlichen Bereich, da im evangelischlutherischen Sachsen-Coburg nach dem Prinzip des Summepiskopats in für evangelische Staaten typischer Weise der Landesherr Oberhaupt der evangelischen (Landes-)Kirche war.255 Ein Beteiligungsrecht der Landstände bestand aber hinsichtlich der Grundsätze der lutherischen Lehre: „Kirchliche Gewalt: So wie die Landstände in den sämmtlichen Chur-Sächsischen Landen bey Ausübung der Kirchengewalt nichts weiter hergebracht haben, als daß sie auf die Aufrechterhaltung der zugesicherten Religion dringen; in allen übrigen das Kirchen- und Religionswesen betreffenden Sachen hingegen ein bloß rathgebendes Stimmrecht, wenn diese Gegenstände auf einem Landtage vorkommen, haben: so verhält sich solches auch in den Coburgischen Landen ebenso. ( . . . ) Der Landschaft liegt es also ob, auf die Erhaltung der StACo Min J 193 fol. 83’, 84 (die Hervorhebungen entstammen dem Original). Zu derartigen Systemen vgl. die Übersichten bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 741 ff. und Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 295 f. 253 Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 223 f., Friedrich Wilhelm Unger, Geschichte der deutschen Landstände, 2. Theil, S. 274 f. – Minister Kretschmann hatte diese Ansicht bereits während seiner Dienstzeit in Ansbach-Bayreuth vehement vertreten, siehe Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 49. 254 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 839. 255 Zum Beginn eines landesherrlichen Kirchenregiments in der Pflege Coburg im 16. Jahrhundert und den detaillierten Auswirkungen der Reformation vgl. Eugen Bornhauser, Die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. 8 f., zum evangelischen Kirchenregiment im gesamten Reich vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 15, S. 80; Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 3. Band, S. 424 f.; Andreas Joseph Schnaubert, Grundsätze des Kirchenrechts der Protestanten, S. 9 ff., 50 ff., 113 ff., 161 ff.; Erich W. Reichardt, Neue Thüringer Kirchenkunde, S. 25 f.; Karl Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands, S. 125 ff.; zur Auflösung der Kirche in den landesherrlichen Verwaltungsorgansimus siehe ebd. S. 203 f., 287 ff. 251 252

82

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche Lutherschen Lehre zu sehen, und Motion zu machen, wenn die Regierung jemals die Ausrottung dieser Lehre beschließen sollte. Übrigens bleibt außer dem Ressort der Landschaft alles das liegen, was auf Liturgie, auf Verbeßerung und Aenderung des Kirchen- und Religions-Wesen abzweckt.“256

Ein derartiges Recht der Stände auf Aufrechterhaltung des bestehenden religiösen Zustandes wurde generell nur aufgrund vereinzelter landesherrlicher Zusicherungen anerkannt.257 (3) Verwaltung und Jurisdiktion durch Rittergutsbesitzer Ausgenommen von diesem Grundsatz war lediglich die einzelnen Rittergütern – auch solchen ohne Landstandschaft – zustehende Patrimonialgerichtsbarkeit258, wobei dies außerhalb des Einflusses der Landschaft stand: „In Ansehung der ausübenden oder vollziehenden Justiz- und Policey-Gewalt ist ( . . . ) erinnert worden, daß diese, wenn sie sich in der Händen eines Unterthans befindet, durch Verwilligung der höchsten Staatsgewalt dahin muß gediehen seyn. Die Patrimonialgerichtsbarkeit gehört dahin; sie befindet und gründet sich auf den Gütern ( . . . ). Die Landstände haben ( . . . ) Patrimonialgerichte nicht in der Eigenschaft als Landstand, sondern als Vasall oder Guts-Besitzer. Daher befinden sich auch viele Lehnherrn und Güterbesitzer mit den Patrimonialgerichten begabt, die keine Landstände sind.“259

Die Inhaber der Patrimonialgerichtsbarkeit besaßen diese zwar aufgrund der bodenrechtlichen Verfassung und deren Bestätigung durch Landesabschied260: „Die Patrimonialgerichtsbarkeit gründet sich auf den der hiesigen Verfaßung eigenen Unterschied zwischen cent- und uncentbarem Boden.“261 „Centbar ist ursprünglich und in der Regel der ganze Boden des Fürstenthums, und den Fürstlichen Beamten steht die Gerichtsbarkeit auf demselben über alle und jede große und kleine Verbrechen nur mit dem Unterschied zu, daß sie die kleinen Verbrechen ( . . . ) selbst entscheiden, die unter diese Categorie aber nicht gehörigen Fälle zwar untersuchen aber zur Entscheidung an die Landes-Regierung einberichten müßen. Uncentbar aber heißt die Befreyung von der Cent in gewißen kleinen Verbrechen; der Boden ist uncentbar genannt ( . . . ) worden, weil die Cognition und Decision der auf diesem StACo Min J 193 fol. 82’, 83 (die Hervorhebungen entstammen dem Original). Francis L. Carsten, Die Ursachen des Niedergangs der deutschen Landstände, S. 274 f. 258 Zum Begriff der Patrimonial- oder Erbgerichtsbarkeit vgl. Friedrich Lütge, Die mitteldeutsche Grundherrschaft, S. 104 ff. 259 StACo Min J 193 fol. 96, 96’. 260 Über Ausweitungen aufgrund eines Landesabschieds von 1605 vgl. ein Gutachten der Landesregierung von 1815 bei StACo Min J 239 fol. 15’, 16 = StACo LReg. 254 fol. 73. – Zum gesamtsächsischen Usus hinsichtlich landesherrlicher Verleihung siehe Christian Wilhelm Schweitzer, Oeffentliches Recht des Großherzogthumes Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 156 f. 261 StACo Min J 193 fol. 97; vgl. zu dieser Unterscheidung Johann Ulrich Röder, Von Erb-Gerichten und Lehns-Vogtheyen, S. 72 ff., 83 ff. 256 257

II. Das hergebrachte Regierungs- und Verwaltungssystem

83

Grund und Boden vorgehenden kleinen Brüche der Fürstlichen Cent wohin sie ursprünglich gehörten, abgenommen und dem Lehnherrn überlaßen worden sind.“262 „Derjenige nun also, deßen Lehne auf uncentbarem Boden sich befinden, heißt Erbgerichts-Herr, es stehen ihm die Erbgerichte nicht nur über seine darauf wohnenden Lehnleute, sondern auch über Fremde zu, ( . . . ) die auf diesem Boden eines von den ( . . . ) specificirten kleinen Verbrechen zu Schulden kommen laßen.“263 „Die adelichen Lehen auf centbarem Boden geben dem Lehnherrn über seine Lehnleute nur die Lehns-Vogteylichkeit, und diese besteht in der Cognition und Decision aller bürgerlichen Sachen, die vom Peinlichen nicht herrühren.“264

Allgemein war anerkannt, daß die Patrimonialgerichtsbarkeit den Patrimonialgerichtsherren eigentümlich und somit privatrechtlich zustand, nicht jedoch einem originären Hoheitsrecht vergleichbar war.265 „Cent- und uncentbare adeliche Lehnleute hören aber nicht auf, Fürstliche Unterthanen zu seyn; und der Ritterschaft steht nicht zu, ihre Lehnleute mit dem Namen Unterthan zu belegen, wie dieses ausdrücklich der Ritterschaft verhoben und anbeschlossen worden ist, sondern sich deßen Ausdrucks Untersaßen zu bedienen.“266

Die Patrimonialgerichtsbarkeit wurde jedoch nicht von den Patrimonialgerichtsherren in Person wahrgenommen, sondern war seit dem 18. Jahrhundert wie auch allgemein üblich267 durch rechtskundige Gerichtshalter auszuüben.268

II. Das hergebrachte Regierungs- und Verwaltungssystem Bei Regierungsantritt Herzog Franz Friedrich Antons wurde die landesweite Verwaltung in Sachsen-Coburg269 von verschiedenen Behörden wahrgenommen: dem Geheimen Ratskollegium, dessen Zuständigkeit sich als einziger Behörde auch auf Saalfeld erstreckte, als oberster Behörde, unter diesem dann von den drei kollegial organisierten Mittelbehörden270 StACo Min J 193 fol. 97’, 98 (die Hervorhebungen entstammen dem Original). StACo Min J 193 fol. 98’, 99. 264 StACo Min J 193 fol. 99’. 265 Carl H. Wachsmuth, Versuch einer systematischen Darstellung der Patrimonial-Gerichtsverfassung, S. 9. 266 StACo Min J 193 fol. 102. 267 Siehe dazu ALR II 17 § 73 ff. (Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, abgedruckt bei Hans Hattenhauer (Hrsg.), Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, S. 628 f.). 268 Conrad Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 194. 269 Nur hier besaß der Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld die uneingeschränkte Landeshoheit, so daß nur hier die Ausbildung eines eigenen Behördenapparates möglich war, siehe oben I.1.a). 270 Die Einordnung als Mittelbehörden ist wegen der auf Sachsen-Coburg beschränkten räumlichen Zuständigkeit der bei Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thü262 263

84

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

➢ Landesregierung, ➢ Konsistorium und ➢ Kammer sowie für den Landesteil Saalfeld wegen der dortigen besonderen Verhältnisse271 als einheitliche Mittelbehörde die Geheime Kanzlei. Das Geheime Ratskollegium und die Mittelbehörden arbeiteten in zeitgenössisch üblicher Weise272 nach dem Kollegialprinzip. Ihre Unterbehörden waren jedoch zumeist bürokratisch (hierarchisch) organisiert. Die grundsätzliche Dreigliederung der Verwaltung in Landesregierung, Konsistorium und Kammer – in Sachsen-Coburg-Saalfeld modifiziert durch die besonderen Verhältnisse des saalfeldischen Landesteils – ging wohl auf das Vorbild Sachsen-Weimars aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts273 zurück und war im ernestinischen Sachsen einheitlich.274 Sie wurde teilweise auch als typisch für die kleineren Territorien im Reich angesehen.275 Zusätzlich wirkte die Landschaft durch die Entsendung jeweils eines Vertreters in Deputationen an der Verwaltung mit. Die Landschaft selbst verfügte mit der Landes- und Kriegskasse entsprechend dualistischen Grundsätzen276 über eine eigene Finanzbehörde. Eine Aufsplitterung der Verwaltung in mehrere Zentralbehörden und zahlreiche Sonderverwaltungen bei unklarer Abgrenzung der Zuständigkeiten und einem fehlenden System von Über- und Unterordnung war zeitgenössisch üblich.277 ringischen Staaten, S. 20 f. als Oberbehörden vorzuziehen. – Zum Begriff der Oberbehörde siehe Helmut Lecheler, Verwaltungslehre, S. 116. 271 Siehe oben I.1.a). 272 Hans-Peter Ullmann, Staatsverwaltung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 128. 273 Vgl. dazu Felix Pischel, Die Entwicklung der Zentralverwaltung in Sachsen-Weimar, S. 266 ff.; Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte, S. 31 ff. und Hans Haußherr, Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, S. 32. 274 Wilhelm August Rudloff, Versuch einer pragmatischen Einleitung in die Geschichte und heutige Verfassung, 1. Teil, S. 374 ff.; Thomas Klein, Wettinisch-ernestinische Staaten, S. 852; zu Sachsen-Weimar und Sachsen-Gotha Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 20 ff., 39 f.; ders., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 161; Rudolf Herrmann, Thüringische Kirchengeschichte, Band 2, S. 220; zu Sachsen-(Coburg-)Meiningen Ulrich Heß, Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Meiningen, S. 81. – Zur Entstehung der Spezialbehörden aus einem zentralen Rat vgl. Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 203; zum verbreiteten Dualismus Regierung / Kammer vgl. Heinrich Albert Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Zweiter Theil, S. 4 f. 275 Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 219. Eine ähnliche Situation bestand beispielsweise in Schwarzburg-Rudolstadt, siehe Ulrich Heß, Geschichte der Staatsbehörden in Schwarzburg-Rudolstadt, S. 16. 276 Siehe dazu oben I.4.a)aa).

II. Das hergebrachte Regierungs- und Verwaltungssystem

85

Ausgangspunkte für Verwaltungsreformen waren in Sachsen-Coburg-Saalfeld jedoch nicht Territorialgewinne oder sonstige Gebietsveränderungen wie teilweise in anderen Staaten278, sondern allein die Tatsache, daß die bestehende Verwaltungsstruktur die Verschuldung des Herrscherhauses und die daher eingesetzte Debitkommission nicht beseitigen konnte279 und daß infolgedessen ein auswärtiger Verwaltungsfachmann mit dem Ziel der Finanzbereinigung neuartige Ideen zu entwickeln suchte und damit das Problem der Finanzierung politischer Herrschaft280 zu lösen unternahm.

1. Das Geheime Ratskollegium a) Wesen und Entstehung Das im Jahre 1735 (wieder-)errichtete Geheime Ratskollegium war als oberste Landesbehörde für ganz Sachsen-Coburg-Saalfeld zuständig, soweit dem Herzog die Landeshoheit zustand.281 Eine oberste Behörde mit Zuständigkeit für das gesamte Herrschaftsgebiet des Landesherrn bestand in den meisten deutschen Staaten282, teilweise auch unter dieser Bezeichnung283, basierend auf der Grundlage 277 Siehe allgemein Gerhard Oestreich, Ständetum und Staatsbildung in Deutschland, S. 54; Hans-Peter Ullmann, Staatsverwaltung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 127; für das benachbarte Fürstentum Bayreuth Theodor Konrad (von) Kretschmann, Vertraute Briefe über das Fürstenthum Baireuth, S. 32 ff. und Michel Hofmann, Die Außenbehörden des Hochstifts Bamberg und der Markgrafschaft Bayreuth, S. 56. 278 Zum Beispiel in Preußen, Bayern, Württemberg und Baden, vgl. Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 203 ff.; Gerhard Schmidt, Die Staatsreform in Sachsen, S. 59. 279 Zur Kritik an der Feudalverwaltung vgl. allgemein Hermann Heller, Geschichtliche Voraussetzungen des heutigen Staates, S. 11; zum Spannungsfeld zwischen innerer Kohäsion des akkumulierten Territoriums und finanzieller Krise siehe Rudolf Vierhaus, Von der altständischen zur Repräsentativverfassung, S. 180. 280 Siehe dazu Hans-Peter Ullmann, Staatsverwaltung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 130. 281 Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 40; ders., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 103. 282 Nur ausnahmsweise war das Geheime Ratskollegium nicht für den Gesamtstaat zuständig, vgl. Kurt Dülfer, Das fürstliche Regierungssystem, S. 252. 283 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 1, S. 54: „Alle Teutsche grosse Herrn haben nun ein geheimes Raths-Collegium ( . . . ). An einigen Orten ist das Geheime Raths-Collegium das oberste, und der Regent hat kein Cabinets-Collegium ( . . . ).“ – Zur Unterscheidung zwischen Geheimrats- und Kabinettskollegium in den ernestinischen Staaten vgl. zusammenfassend auch Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 161, zur vergleichbaren Situation dort vgl. Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 23 ff. – Einen Überblick über die Entstehungszeiten ab dem 16. Jahrhundert bietet Kurt Dülfer, Das fürstliche Regierungssystem, S. 239 ff.

86

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

der Entscheidung durch den Landesherrn infolge Beratung durch seine ranghöchsten Ratgeber.284 b) Zusammensetzung Die Behörde bestand vom Grundsatz her – neben dem Herzog sowie ggf. dem Erbprinzen, die den Sitzungen passim vorsaßen285 – aus den Leitern der verschiedenen Landeskollegien sowie einem Legationsrat.286 Mithin war diese Verwaltungsorganisation ähnlich wie im zeitgenössischen Preußen287 auf ein persönliches Regiment des Regenten – beraten von seinen höchsten Bediensteten – zugeschnitten. Nach einer späteren Darstellung des coburgischen Ministers Kretschmann habe man es zudem als besonders nachteilig empfunden, daß die Entscheidungen in zweiter Instanz von den Leitern der erstinstanzlich tätigen Behörden getroffen wurden.288 c) Zuständigkeit Die Zuständigkeit des Geheimen Ratskollegiums umfaßte neben den äußeren Angelegenheiten die Erteilung von Richtlinien an die übrigen Landesbehörden sowie die endgültige Entscheidung über weitergegebene Geschäftsgänge. Die Entscheidungen waren vom Herzog zu genehmigen.289

284 Zum Vergleich mit dem brandenburgischen Geheimen Rat, dem englischen Privy Council und dem französischen Conseil du roi vgl. Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Erster Band, S. 308 f., zur ähnlichen Situation in Sachsen-WeimarEisenach Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 4. 285 Christian Kruse, Die Einsetzung der Debitkommission im Fürstentum Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 14. – Zu dieser zumindest in Kleinstaaten verbreiteten Tradition siehe Dietmar Willoweit, Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation, S. 314 f.; 322. 286 Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 57, nach dessen Darstellung der Herzog stets an den Sitzungen teilnahm; vgl. auch die Darstellung Kretschmanns bei StACo Min F 426 fol. 51 = StACo LA A 6185 fol. 8. Zu personellen Veränderungen siehe Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 215 f. – Eine ähnliche Zusammensetzung (nur aus den Präsidenten der Landeskollegien) bestand im Geheimen Rat Sachsen-Weimar-Eisenachs im 18. Jahrhundert (Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 30), im Geheimen Ratskollegium Sachsen-Gotha-Altenburgs im 18. Jahrhundert (Friedrich Facius, Staat, Verwaltung und Wirtschaft in Sachsen-Gotha, S. 37 f.) und im ansbach-bayreuthischen Landesministerium (Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 15). 287 Siehe dazu Dieter Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 82. 288 StACo Min F 426 fol. 51 = StACo LA A 6185 fol. 8; ebenso im Schreiben Herzog Franz Friedrich Antons an die Landesbehörden vom 27. Juni 1801 bei StACo LA F 5925 fol. 6 = StACo Min F 821 fol. 21 = StACo Kons 186 fol. 5. 289 Ebenso z. B. in Brandenburg, vgl. Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Erster Band, S. 309.

II. Das hergebrachte Regierungs- und Verwaltungssystem

87

2. Landesregierung und Unterbehörden a) Wesen, Entstehung und Zusammensetzung Wichtigste Verwaltungsbehörde im Landesteil Coburg war die am 17. Dezember 1572 durch die „Instruction und Cantzley-Ordnung“ errichtete Regierung bzw. Landesregierung.290 Sie war für sämtliche Zweige der Staatsverwaltung im weitesten Sinne zuständig, soweit diese nicht ausdrücklich anderen Behörden zugewiesen waren.291 Die Behörde wurde von einem Kanzler292 geleitet und besaß nach der Rats- und Kanzleiordnung von 1594293, modifiziert durch die PräliminarPunkte vom 13. Januar 1681294 sowie die Präliminarverordnung von 1735295, eine kollegiale Verfassung, wenngleich dem Kanzler in verbreiteter Weise296 eine zentrale Rolle zukam. Zwar bestand in wichtigen Angelegenheiten eine Vorlagepflicht an den Landesherrn297, aber die in eigener Verantwortung getroffenen Entscheidungen konnten von der Behörde in eigenem Namen (und nicht im Namen des Herzogs) ausgefertigt werden.298 Ebenso wie in Sachsen-Coburg-Saalfeld war auch in Sachsen-Gotha-Altenburg die vom Kanzler geleitete gothaische Regierung die wichtigste Mittelbehörde, wobei auch dort für das Fürstentum Altenburg eine eigene Verwaltung bestand.299 290 Die Kanzleiordnung von 1572 bezeichnet die Behörde als „regierung“ (StACo LA F 5227 fol. 5’), es setzte sich aber von Anfang an der erstmals in der Einleitung zur Kanzleiordnung von 1594 gebrauchte Begriff „landßregirung“ durch, vgl. Gerhard Heyl, Die Zentralbehörden in Coburg 1572 – 1633, S. 43. Zu den zeitgenössisch üblichen Ordnungen siehe Dietmar Willoweit, Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation, S. 292 ff.; zur ähnlichen Benennung der Behörde in Sachsen Thomas Klein, Kursachsen, S. 810. 291 Otto Mutzbauer, Die Behördenorganisation des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. 35. 292 Der Kanzler stellte auch im übrigen Reich üblicherweise die Spitze der juristisch gebildeten Berufsbeamten dar, vgl. Karl Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands, S. 148. 293 Vgl. Gerhard Heyl, Die Zentralbehörden in Coburg 1572 – 1633, S. 43. Die im Staatsarchiv Coburg befindliche Kanzleiordnung vom 29. Dezember 1666 (StACo LA F 5275) bezieht sich, wie aus fol. 37 ersichtlich, auf die Regierung in Gotha. 294 StACo LA F 5697. 295 StACo Min F 240 fol. 9 – 12’, 20 – 22’. 296 Zur zentralen Rolle des Kanzlers in ernestinischen Regierungen vgl. Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 161, für SachsenWeimar Felix Pischel, Die Entwicklung der Zentralverwaltung in Sachsen-Weimar, S. 278 f. 297 Gerhard Heyl, Die Zentralbehörden in Coburg 1572 – 1633, S. 42. 298 „Wir zur Regierung verordnete Kanzler und Räthe“, vgl. Gerhard Heyl, Die Zentralbehörden in Coburg 1572 – 1633, S. 42. Eine passende Beschreibung des ansonsten verwendeten Verkehrsstils findet sich bei Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 35. 299 Friedrich Facius, Staat, Verwaltung und Wirtschaft in Sachsen-Gotha, S. 38. Zur vergleichbaren Situation in Sachsen-Weimar-Eisenach siehe Christian Wilhelm Schweitzer, Oeffentliches Recht des Großherzogthumes Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 128 ff. – Die Re-

88

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

b) Unterbehörden aa) Civilämter und Städte (1) Zuständigkeit Als Unterbehörden für Justiz und Verwaltung bestanden in der für Süd- und Westdeutschland üblichen Art300 Civilämter in Coburg (mit den nachgeordneten Gerichten Rodach und Lauter), Neustadt a. d. Heide (mit dem Gericht Gestungshausen), Römhild und Themar – die beiden letztgenannten waren nur anteilig coburgisch301 – sowie die keinem Amt zugehörigen Städte Coburg, Neustadt a. d. Heide und Rodach.302 In den Städten oblag die Verwaltung den Stadträten, die Gerichtsbarkeit diesen in ihrer Funktion als Stadtgerichte303, auf dem Lande beides den Ämtern, soweit dem Herzog Gerichtsbarkeit und Verwaltung zustanden, sowie den Patrimonialoder Erbgerichten bzw. Lehnsvogteien, die die den ausnahmslos kanzleisässigen304 Grundherren zustehende Gerichtsbarkeit oder Verwaltung wahrnahmen.305

gierung unter einem Kanzler war auch in anderen Staaten zentrale Behörde, so in Schwarzburg-Rudolstadt, siehe Ulrich Heß, Geschichte der Staatsbehörden in Schwarzburg-Rudolstadt, S. 10. 300 Zur Ämterebene siehe Karl Heinz Acker, Verwaltungskontrolle in Hessen-Darmstadt, S. 24 ff.; zur dahingehenden wettinischen Tradition Thomas Klein, Kursachsen, S. 829 ff. 301 Vgl. oben I.1.b) 302 „Diese drey Städte sind nicht amtssäßig, sondern canzleysäßig.“, StACo Min J 193 fol. 39, 39’. 303 Die Stadträte bzw. Magistrate waren für die Zivilgerichtsbarkeit zuständig, vgl. Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Die coburgische Gerichtsorganisation im 19. Jahrhundert, S. 69 Fußnote 36. 304 Nach Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 342 wurde der Begriff des Kanzleisassen nur in Sachsen gebraucht und bedeutete „einen Besizer eines Ritter-Guts, der nicht der Amtleute Gerichtsbarkeit unterworffen ist, sondern unmittelbar unter denen Landesherrlichen Collegiis steht“. 305 Siehe oben I.4.e)aa). Auch die Patrimonialgerichte hatten fast ausnahmslos nur die Funktion der Niedergerichtsbarkeit, die „hohe Cent“ (Hochgerichtsbarkeit) stand im Landesteil Coburg – wie in nahezu allen thüringischen Staaten, vgl. Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 27, und auch in Franken, Dietmar Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 78, üblich – nur den Rittergütern Untersiemau, Hassenberg und Lichtenberg zu; im Landesteil Saalfeld jedoch besaßen alle Vasallengerichte die „hohe Cent“, siehe StACo Min F 1190 fol. 11, 11’; StACo Min F 251 fol. 3’ = StACo LReg. 4765 fol. 19 sowie Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 212, 284; Band 2, S. 110. – Zur Zersplitterung zwischen landes- und grundherrlicher Gerichtsbarkeit und Vogteigewalt vgl. die Beschreibung bei Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Erster Band, S. 83 f. und Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in AnsbachBayreuth, S. 5 ff., 20 f., zur historischen Begründung der Übertragung der Hochgerichtsbarkeit auf den Lehnsmann siehe Dietmar Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 35 f.

II. Das hergebrachte Regierungs- und Verwaltungssystem

89

(2) Innere Organisation der Stadt Coburg Nach den Statuten der Stadt Coburg vom Beginn des siebzehnten Jahrhunderts, verbunden mit späteren Änderungen306, bestand der Rat seit 1616 aus zwanzig Personen, von welchen jeweils die Hälfte im jährlich wechselnden Turnus das Regiment führte. Der Rat bestellte während seiner Periode zudem einen engeren Rat für die künftige Periode aus dem anderen Regiment.307 Dieser engere Rat bestand aus einem regierenden Bürgermeister, zwei Mitgliedern aus der Gemeinde und zwei Handwerkern, nämlich einem Rotgerber und einem Schuster. Die Ersatzwahl für ausgeschiedene Mitglieder, die landesherrlicher Bestätigung bedurfte, wurde durch „alten“ und „neuen“ Rat in gemeinsamer Sitzung in der verbreiteten Form einer Kooptation308 durchgeführt.309 Der Rat bestellte zudem für die einzelnen Stadtviertel Viertelsmeister als Bindeglieder zur Bürgerschaft.310 bb) Centamt Ein besonderes Centamt Coburg war – gemäß den Traditionen des fränkischen Rechtskreises311 – für alle peinlichen Fälle und auch bei kleineren Straftaten durch centbare Untertanen auf centbarem Boden zuständig.312 306 Vgl. dazu die zusammenfassende Darstellung im Bericht der Landesregierung vom 20. September 1821 bei StACo Min D 4151 fol. 29 – 39’. Eine detaillierte historische Entwicklung der Änderungen nebst Abdruck der „Statuta Recht und Freyheiten samt etzlichen sonderbahren Bräuchen und Gewohnheiten des Raths und gemeiner Stadt Coburgh“ bei Johann Andreas Ortloff, Statuten der Herzogl. Sächsischen Residenzstadt Coburg. 307 Jährlich wechselnde Zuständigkeiten bestanden auch in Hannover, siehe Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 428. 308 Vgl. für Sachsen-Weimar-Eisenach Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 234; für Hannover Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 428. 309 Johann Andreas Ortloff, Statuten der Herzogl. Sächsischen Residenzstadt Coburg, S. 8 f. 310 Diese Institution existierte auch in Sachsen-Weimar-Eisenach, vgl. Christian Wilhelm Schweitzer, Oeffentliches Recht des Großherzogthumes Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 169; Wolfgang Huschke, Zur Geschichte der Weimarer Stadtverfassung in der Goethezeit, S. 583. Auch das Siebente Organisations-Edikt Badens vom 18. März 1803 (abgedruckt in Organisation der Badenschen Lande) sah für die mediatisierten Reichssstädte die Einrichtung von vom Rat ernannten Quartiersmeistern vor. 311 Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 27; auch Fraischamt genannt, siehe Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 20. Zum Begriff der Cent als peinlicher Gerichtsbarkeit vgl. Johann Ludwig Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, S. 576; zu neben Fraisch auch anderen synonymen Begriffen siehe ebd. Sowie Hanns Hubert Hofmann, Adelige Herrschaft und souveräner Staat, S. 58. 312 Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 61 f.

90

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

c) Instanzenzug der Gerichte Die Landesregierung bildete in Justizangelegenheiten die erste Instanz für Personen mit privilegiertem Gerichtsstand, ansonsten die Appellationsinstanz. In dritter und letzter Instanz wurde auf dem Wege der Aktenversendung durch auswärtige Schöppenstühle und Juristenfakultäten entschieden.313 Die vom Prinzip her zwar leicht nachvollziehbare, wegen der praktisch verworrenen Herrschaftsverhältnisse jedoch problematische Gerichtsorganisation war ebenso wie der Rechtszug in den thüringischen Staaten zeitgenössisch üblich.314 d) „Geheime Kanzlei“ in Saalfeld aa) Zuständigkeit Im Landesteil Saalfeld existierte aufgrund der beschränkten Landeshoheit315 als besondere Mittelbehörde eine mit zwei Räten besetzte Geheime Kanzlei, die die Aufsicht über die dortigen Behörden im Rahmen der Landeshoheit führte und unmittelbar dem Geheimen Ratskollegium in Coburg nachgeordnet war.316 Derartige Elemente des Provinzial- oder Territorialsystems neben dem grundsätzlich bestehenden Departementalsystem317 bestanden beispielsweise auch in Brandenburg-Preußen318 und Hannover.319 bb) Nachgeordnete Behörden Als Unterbehörden der Geheimen Kanzlei bestanden – mit Einschränkungen infolge der geteilten Landeshoheit – die Ämter Saalfeld, Gräfenthal und Probstzella sowie als kanzleisässige Städte Saalfeld und Pößneck, zusätzlich existierten noch 313 Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 21; Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Die coburgische Gerichtsorganisation im 19. Jahrhundert, S. 39. 314 Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 90. Zur auch im ganzen Reich üblichen Aktenversendung vgl. Gerhard Lingelbach, Vom Schöppenstuhl zum Oberlandesgericht, S. 5 mit weiteren Nachweisen. 315 Siehe dazu oben I.1.a). 316 Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 83. 317 Die Akkumulation der Nachteile von Provinzial- und Kollegialsystem erläutern Helmut Berding / Hans-Peter Ullmann, Veränderungen in Deutschland an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 16 f. 318 Vgl. dazu Magnus Friedrich von Bassewitz, Die Kurmark Brandenburg, S. 38 f. 319 Regierungskollegium in den Herzogtümern Bremen und Verden als Provinzialbehörde, vgl. Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 292 f.

II. Das hergebrachte Regierungs- und Verwaltungssystem

91

Rentämter in Saalfeld und Gräfenthal, eine Amtseinnahme in Probstzella, ein Floßamt, ein Geleitsamt sowie Waldzinseinnahmen, Hülfsgelderkassen und weitere Spezialbehörden.320 cc) Innere Organisation der Stadt Saalfeld Nach den Statuten der Stadt Saalfeld von 1558 wurde die Stadt Saalfeld von einem aus einem Bürgermeister und vier weiteren Ratsmitglieder bestehenden Stadtrat verwaltet, dem vier Gemeindevertreter beratend zur Seite standen.321 3. Konsistorium und Unterbehörden a) Wesen, Entstehung und Zusammensetzung Seit 1593 bestand das Konsistorium als relativ selbständige Abteilung der Landesregierung322, nachdem zuvor Konsistorialsachen bereits seit 1572 von der Landesregierung teilweise unter der Bezeichnung Konsistorium wahrgenommen worden waren.323 Die enge personelle Verflechtung324 blieb bestehen, da § 2 der Ratsund Kanzleiordnung von 1594 bestimmte, daß die Erledigung der Konsistorialsachen der Landesregierung in ihrer Gesamtheit unter Zuziehung des jeweiligen Generalsuperintendenten und des Hofpredigers zu Coburg übertragen war.325 Die Leitung dieser Sitzungen oblag zunächst dem Kanzler, der in dieser Eigenschaft den Titel Direktor bzw. Konsistorialdirektor führte.326 Durch die Interimsverordnung von 1682327 wuchs dem Konsistorium die Rolle einer eigenständigen Behörde unter einem eigenen Konsistorialpräsidenten zu. 320 StACo Min G 468 fol. 3, Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 38 f. 321 ThStAMgn GA VI.F.5; Gerhard Haas, Verfassung und Recht der Städte Arnstadt, Königsee, Saalfeld und Stadtilm, S. 122, 173. 322 Ein herzoglicher Befehl über Mitglieder und Organisation wurde am 7. Januar 1593 publiziert, vgl. Protokoll bei StACo LA F 7722 fol. 2. Für die Datierung auf „sicher vor 1591“ (so Rudolf Herrmann, Thüringische Kirchengeschichte, Band 2, S. 194) bestehen keine Anhaltspunkte. 323 Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 47; Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 14; Gerhard Heyl, Die Zentralbehörden in Coburg 1572 – 1633, S. 45. 324 Zu dieser häufig vorkommenden Situation vgl. Hans Haußherr, Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, S. 33. Ähnlich beispielsweise die Lage in Schwarzburg-Rudolstadt, Ulrich Heß, Geschichte der Staatsbehörden in Schwarzburg-Rudolstadt, S. 10. 325 Eine ähnliche Zusammensetzung – aus zwei weltlichen Räten, von denen einer das Direktorium führte, dem Generalsuperintendenten und dem Hofprediger – hatte auch das gothaische Konsistorium von 1641, siehe Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 47. 326 Gerhard Heyl, Die Zentralbehörden in Coburg 1572 – 1633, S. 45. 327 StACo LA F 5280.

92

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

b) Zuständigkeit Nach Titel II der Interimsverordnung von 1682 war Aufgabe des Konsistoriums die Erhaltung der Religion im Sinne der evangelischen Bekenntnisschriften sowie – auch dargestellt im Vorwort der casimirianischen Kirchenordnung vom 17. Februar 1626328 – die Ausübung des landesherrlichen Aufsichtsrechts über die Kirche wie auch die Rechte des Landesherrn als summus episcopus329 in Kultus, Lehre und geistlicher Gerichtsbarkeit. Dem Konsistorium oblag folglich die Verwaltung der landesherrlichen Patronatsrechte, die Prüfung und Bestätigung von Geistlichen, Lehrern und Kirchendienern sowie die Schulaufsicht. Es war sowohl oberste Behörde der Pfarr-, Kirchen- und Stiftungsvermögensverwaltung als auch geistliches Gericht (teilweise zweiter Instanz), zuständig für Ehe- und Verlöbnissachen330 sowie für privatrechtliche Klagen gegen Geistliche.331 Das Bestehen einer solchen Behörde unter der Bezeichnung „Konsistorium“ war zumindest als geistlicher Gerichtshof nach dem erstmaligen Aufkommen in Wittenberg332 1538 / 1542 in evangelischen Staaten nach und nach üblich.333

Druck bei Landesbibliothek Coburg Cas A 1730 fol. 1 ff. Vgl. dazu Rudolf Herrmann, Thüringische Kirchengeschichte, Band 2, S. 217. 330 Zum ursprünglichen Wesen der Konsistorien als Gerichtshöfe für Ehesachen siehe Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 4. 331 Zumindest wegen der Zuständigkeit des Konsistoriums für Verwaltung der Patronatsrechte und des Vermögens erscheint die Bezeichnung „Gerichtshof“ für alle Konsistorien bei Johann Ludwig Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, S. 570 als zu eng. 332 Zur ursprünglichen Planung von vier Konsistorien im ernestinischen Sachsen (in Wittenberg, Zwickau, Gotha und Coburg) siehe Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 4. 333 Andreas Joseph Schnaubert, Grundsätze des Kirchenrechts der Protestanten, S. 137 ff.; Burkhard von Bonin, Die praktische Bedeutung des ius reformandi, S. 24; Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 219; Heinrich Albert Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Zweiter Theil, S. 5; Karl Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands, S. 160 ff., 320 ff.; Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Erster Band, S. 240; Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 205. – Für das ernestinische Sachsen vgl. Rudolf Herrmann, Thüringische Kirchengeschichte, Band 2, S. 219 f. und Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 22; insbesondere für den Geltungsbereich der gothaischen Landesordnung Gregor Richter, Die ernestinischen Landesordnungen und ihre Vorläufer, S. 91, und für Sachsen-Gotha-Altenburg Friedrich Facius, Staat, Verwaltung und Wirtschaft in SachsenGotha, S. 38, sowie Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 6; für die preußischen Staaten siehe Hans-Dietrich Loock, Die preußische Union, S. 47. 328 329

II. Das hergebrachte Regierungs- und Verwaltungssystem

93

c) Unterbehörden Superintendenturen334 bestanden in Coburg (mit nachgeordneten Adjunkturen in Scherneck und Meeder), Rodach und Neustadt a. d. Heide.335 Besondere untere Schul- und Kirchenaufsichtsbehörde sowie erste Instanz in Ehesachen war für das Gebiet des Amtes Neustadt336 das aus dem dortigen Superintendenten, dem Beamten des Amtes und Ratsmitgliedern bestehende geistliche Untergericht337, aus den übrigen Bereichen ging der Rechtszug direkt zum Konsistorium.338 4. Kammer und Unterbehörden a) Wesen, Zusammensetzung und Zuständigkeit Seit 1682 bestand die kollegial organisierte Kammer als oberste Behörde im Bereich der landesherrlichen Finanzverwaltung.339 Diese Behörde bestand aus einem Kammerpräsidenten und mehreren Räten.340 Durch die Kammerordnung vom 18. September 1758341 wurden die Kompetenzen gegenüber der Landesregierung dahingehend abgegrenzt, daß alleinige Zu334 „Superintendentur“ war die übliche Bezeichnung für die dem Konsistorium nachgeordnete kirchliche Aufsichtsbehörde für einen bestimmten Bezirk („Ephorie“), Andreas Joseph Schnaubert, Grundsätze des Kirchenrechts der Protestanten, S. 141 ff.; Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 45. 335 Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 60; Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 41. 336 Nach Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 50 scheint das geistliche Untergericht in Neustadt ein Rest der seit alters her im coburgischen Gebiet bestehenden geistlichen Untergerichte gewesen zu sein. 337 In anderen Staaten bestanden geistliche Untergerichte als Mittelinstanzen der Kirchenverwaltung im gesamten Gebiet, vgl. Rudolf Herrmann, Thüringische Kirchengeschichte, Band 2, S. 220, was wohl in Sachsen-Coburg zuvor ebenfalls so war, siehe Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 48, 50. – Das Neustadter Gericht hatte unzweifelhaft in Ehesachen einen weiteren Zuständigkeitsbereich als die geistlichen Untergerichte nach der Gothaer Landesordnung, vgl. Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 48; Gregor Richter, Die ernestinischen Landesordnungen und ihre Vorläufer, S. 91. 338 StACo Kons 11, 1185 fol. 1; StACo Min F 1190 fol. 13’, 14; insgesamt StACo Min U 1 fol. 8’ sowie Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 60. 339 Errichtung durch die „Fürstliche Praeliminar-Cammer-Verordnung“, StA LA F 5279; Urheber der bei Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 60 angeführten Kammerordnung von 1666 war Herzog Ernst von Sachsen-Gotha (vgl. Exemplar bei StACo LA F 5274), so daß entgegen Gruner anzunehmen ist, daß diese Vorschrift lediglich für die Kammer in Gotha galt. 340 Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 60; Wolfgang Huschke, Politische Geschichte von 1572 bis 1775, S. 549. 341 StACo LA F 5302 fol. 7 – 25 = StACo LA F 5303 fol. 1 – 11’.

94

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

ständigkeit der Kammer als Rechnungsbehörde die Verwaltung der Einnahmen des herzoglichen Besitzes, vor allem der Domänen, Privilegien und Regalien, sowie der Zoll- und Steuereinnahmen war. Jurisdiktions- und Polizeisachen blieben dabei – anders als beispielsweise in Hannover342 – ausdrücklich der Landesregierung vorbehalten.343 Derartige landesherrliche Behörden waren unter dieser Bezeichnung im Reich zeitgenössisch üblich.344 Infolge ihres Zuständigkeitsbereichs wurde die Kammer später zum ausführenden Organ der Debitkommission.345

b) Unterbehörden Der Kammer nachgeordnet waren Kastenämter (mit Amtseinnahmen) in Coburg, Rodach und Mönchröden sowie ein Geleitsamt, ein Floßamt, Kartenstempeleinnahmen, Umgeldeinnahmen, Waldzinseinnahmen, Vorratsverwaltungen und andere Spezialämter.346 Dem auch dem Kammerbereich zugehörigen Forstwesen stand ein Forstmeister vor.347 5. Deputationen Den Deputationen (oder Kommissionen) war nach dualistischen Grundsätzen in verbreiteter Weise348 die Erledigung einzelner Verwaltungsbereiche übertragen. Sie waren kollegial organisiert. Es bestanden 342 Hier war die Kammer im Bereich des Domaniums Oberbehörde für die gesamte innere Verwaltung, Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 239 ff. 343 Eine ähnliche Situation wie in Sachsen-Coburg bestand in Württemberg, siehe Friedrich Wintterlin, Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, Erster Band, S. 36 f. 344 Vgl. auch Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 1, S. 65: „Die ( . . . ) Cammern besorgen eigentlich die Landesherrlichen Einkünfte und Gefälle, derselben Einnahm, Ausgaben, Verrechnung, Verbesserung u.s.w.“ Für die identische Behördenbenennung in Bayreuth siehe Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 17. 345 Vgl. dazu oben I.1.d). 346 Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 73, 76, 78; Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 41; vgl. auch die Übersicht bei Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und Finanz-Verwaltung der Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, nach S. 146 sowie die Aufzählung bei Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister v. Kretschmann, S. 69 Anm. 63. 347 Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 62; Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Erste Abtheilung, S. 185; Herbert Lotter, Das Steuer- und Abgabenwesen des Coburger Landes, S. 45; Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 41.

II. Das hergebrachte Regierungs- und Verwaltungssystem

95

„das Scholarchat des Gymnasii Casimiriani academici, die Scheres-Zierizische StiftungsNach-Execution, Zucht- und Waisenhaus-Deputation und die Policey-Commission.“349

In jeder Deputation hatte ein Mitglied des Engeren Ausschusses Sitz und Stimme, beim Scholarchat war es „ein adeliches Mitglied der Landschaft, fast stets der Landschaftsdirector.“350 Die Gründung des Scholarchats war bei der Gründung des Gymnasiums durch Herzog Johann Casimir angeordnet worden, es war für die Überwachung des gesamten Lehrbetriebs am Gymnasium academicum zuständig.351 Der 1704 verstorbene ehemalige Kanzler Johann Conrad von Scheres genannt Zieritz hatte testamentarisch eine Stiftung begründet, deren Verwaltung einer Deputation oblag.352 Die Landschaft stellte eines von drei Mitgliedern.353 In die Zucht- und Waisenhaus-Deputation entsandte die Landschaft eines von fünf Mitgliedern.354 Die Polizeikommission wurde 1786 „als eine temporale Einrichtung zur Beförderung der Sicherheit und zur Regulierung des Armenwesens in den Städten und auf dem Lande“ begründet, ihr gehörte seit 1789 der jeweilige Landschaftsdirektor als Vertreter der Landschaft an.355

6. Die Landes- und Kriegskasse Seit dem Landtag von 1636 besaß die Landschaft eine eigene Finanzverwaltungsbehörde unter der Bezeichnung „Landes- und Kriegskasse“.356 Ihr oblag 348 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 1, S. 87 f.; zu den auch im übrigen Thüringen verbreiteten Kommissionen im Sozialwesen vgl. Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 25 f.; zur vergleichbaren Situation in Württemberg siehe Friedrich Wintterlin, Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, Erster Band, S. 77. 349 StACo Min J 198 fol. 11, 11’ = StACo LReg. 357 fol. 8, 8’. 350 StACo Min J 198 fol. 12’= StACo LReg. 357 fol. 9. 351 StACo Min J 198 fol. 11’ = StACo LReg. 357 fol. 8’. – Diese Einrichtung durch Johann Casimir sei nach Johann Melchior Alt, Beurkundete landständische Verfassung, S. 44 „für sich und alle seine Fürstl. Nachkommen unwiederruflich und unauflöslich“ angeordnet worden. 352 Testament bei StACo Urk LA E 500 = StACo LA E 1630 = StACo LReg. 4406. 353 StACo Min J 198 fol. 16’ = StACo LReg. 357 fol. 13. 354 StACo Min J 198 fol. 18 = StACo LReg. 357 fol. 14’. 355 StACo LReg. 246 fol. 28, 50; StACo Min J 198 fol. 22’ = StACo LReg. 357 fol. 19. 356 Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Erste Abtheilung, S. 121; Wolfgang Huschke, Politische Geschichte von 1572 bis 1775, S. 42. Zur Vorgeschichte vgl. ein Gutachten der Landesregierung von 1815 bei StACo Min J 239 fol. 16’, 17 = StACo LReg. 254 fol. 73’, 74. – 1803 stellte die Landschaft diesen Sachverhalt wie folgt dar: „Damit die von den Landständen bewilligten Abgaben ( . . . ) der Verwendung und Rechenschaft genügsam geführet seyen, habe die Landschaft von jeher dazu eine von der Hofoekonomie- und Cameral-Casse ganz verschiedene eigene Casse ( . . . ) und Rechnungs-

96

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

– typisch für den ständischen Dualismus357 – die Einziehung der Extra-OrdinairSteuer und der Landesakzise von Untereinnehmern und Steuerpflichtigen sowie die Weiterleitung bestimmter Anteile an die herzogliche Hauptdomänenkasse.358 Die Leitung hatte ein von der Landschaft bestellter Landschaftskassier mit der Bezeichnung „Kriegscommissair“359 bzw. „Landeskassier“. Zum größten Teil trug die Landes- und Kriegskasse durch Zahlung der Beträge an die herzogliche Hauptdomänenkasse auch die Besoldung des Militärs und Anteile an der Besoldung der Landesregierung, des Konsistoriums und weiterer Justizbeamter.360 Reichsweit wurden als wesentliche Ausgaben für ständische Kassen die Landesschulden sowie das Militär angesehen.361 Eine solche ständische Kasse existierte in den meisten Ländern, in denen die Erhebung oder Verwaltung verschiedener Steuern den Landständen zustand.362 führung gehabt.“, HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 3’, 4 = StACo LA B 2180 fol. 4 = LA F 246 fol. 8’; Wiedergabe auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. 357 Vgl. dazu ausführlich Felix Rachfahl, Alte und neue Landesvertretung in Deutschland, S. 119; Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 132 ff., 203; Gerhard Buchda, Reichsstände und Landstände im 16. und 17. Jahrhundert, S. 223 f. und Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 31, 39 f. – jeweils mit Nachweisen für Landeskassen in verschiedenen Ländern – sowie Georg von Below, Die landständische Verfassung in Jülich und Berg, Teil 3 Heft 2, S. 133 f.; Hans-Peter Ullmann, Überlegungen zur Entstehung des öffentlichen, verfassungsmäßigen Kredits in den Rheinbundstaaten, S. 111; Rudolf Endres, Adel in der frühen Neuzeit, S. 111. – Zum „Kassendualismus“ als typischer Ausdrucksform des ständischen Dualismus siehe Wilfried Peters, Späte Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus, S. 77. 358 Zur vergleichbaren Situation in anderen Ländern mit Landständen mit teilweise sogar noch weitergehenden Befugnissen vgl. Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 136 ff.; Conrad Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 173 sowie grundsätzlich Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 48 und Volker Press, Landtage im Alten Reich, S. 104; zur identischen Situation des ständischen Obersteuerkollegiums in Sachsen-Gotha Friedrich Facius, Staat, Verwaltung und Wirtschaft in Sachsen-Gotha, S. 39. 359 Diese Bezeichnung existierte auch in Württemberg, siehe Friedrich Wintterlin, Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, Erster Band, S. 94. 360 Vgl. die Zusammenstellung im Bericht der Landesregierung vom 11. August 1806 bei StACo Min V 4 fol. 112 sowie die Darstellung bei Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 44. Eine andere Situation, nämlich Besoldung der Staatsdiener aus der Kammerkasse als fürstlicher Privatkasse, bestand in Sachsen-Weimar-Eisenach noch unter Geltung der Verfassung von 1816, siehe Wilfried Peters, Späte Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus, S. 76. 361 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 4, S. 658. 362 Für das benachbarte Hochstift Bamberg siehe Siegfried Bachmann, Die Landstände des Hochstifts Bamberg, S. 148 ff.; für das in Brandenburg bestehende ständische „Kreditwerk“ siehe Magnus Friedrich von Bassewitz, Die Kurmark Brandenburg, S. 133 ff.; zur Landschaftskasse in Kempten Peter Blickle, Landschaften im Alten Reich, S. 362 f.; allgemein Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 151 ff.; Georg von Below, Die landständische Verfassung in Jülich und Berg, Teil 3 Heft 2, S. 79; Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 4, S. 648; Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Erster Band, S. 269; Hans Haußherr, Verwaltungsein-

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

97

Allgemein üblich war, daß die Aufsicht des Landesherrn über die ständische Kasse auf Mißbräuche beschränkt war.363 Die Rechnungslegung hatte wohl in reichsweit üblicher Weise vor einer gemeinschaftlichen Kommission von Vertretern der Landschaft und des Landesherrn zu erfolgen.364 Die Landstände waren nämlich allgemein berechtigt und verpflichtet, darauf zu achten, daß die eingenommenen Steuergelder nur zu denjenigen Zwecken verwendet werden, für die sie seitens der Stände verwilligt worden waren.365 Die laufende Kassenführung der Landes- und Kriegskasse in Sachsen-Coburg war nach Auffassung der Landesregierung in einem Bericht an den Herzog vom 6. November 1802 mit Mängeln behaftet: „Bei der ( . . . ) dem Lande zu gebenden bessern Einrichtung und Verfaßung konnte es Höchstderoselben Aufmerksamkeit nicht entgehen, daß auch die Landschaftliche Caße einer neuen Organisation höchst bedürftig sey. Die Berechnung der in diese Caße einfließenden Gelder geschehe nach den uralten Aufschriften und nach diesen todten Buchstaben werden die Gelder der Unterthanen verwendet. Man hielt die Rechnung und damit zugleich die ganze Bewirthschaftung für tadellos, sobald in calulo kein Irrthum nachzuweisen war, man ahndete aber nichts von einer in die Materie eingehenden Revision, die die Posten nicht bloß in ihrem Ansatz, sondern in ihrer Verwendung untersuchte.“366

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann 1. Errichtung des Ministeriums und Auflösung des Geheimen Ratskollegiums a) Kontaktaufnahme des Herzogs Franz Friedrich Anton mit Theodor Konrad Kretschmann Auf Empfehlung des Grafen Heinrich LI. von Reuß-Ebersdorf, seines Schwagers367, setzte sich Herzog Franz Friedrich Anton im Dezember 1800 mit dem preußischen Kammerdirektor Theodor Konrad Kretschmann368 in Bayreuth369 in Verbindung.370 heit und Ressorttrennung, S. 35; Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 20. 363 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 4, S. 651. 364 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 4, S. 664; Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 50. 365 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 4, S. 657; Alfons Ingelmann, Altständische Bestandteile, S. 29 = ders., Ständische Elemente in der Volksvertretung, S. 29. 366 StACo Min V 4 fol. 88, 88’. 367 Nicht etwa eines Schwagers der Herzogin, wie bei Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Preußen, 1. Band, S. 68 sowie im Eintrag „Theodor Konrad von Kretschmann“ der ADB (S. 135) behauptet.

98

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Dieser hatte bereits von 1782 bis 1790 als Sekretär und Advokat bei der coburgischen Verwaltung in Saalfeld in coburgischem Dienst gestanden.371 Kretschmann hatte, im gleichen Jahr an der Hohen Carlsschule in Stuttgart zum Dr. iur. promoviert372, 1791 die venia legendi an der Universität Jena und einen Ruf als außerordentlicher Professor der Rechte in Erlangen erhalten. Im März 1793 wurde er Mitarbeiter373 von Karl August Freiherr von Hardenberg, der als fränkischer Landesminister mit der Verwaltung der 1791 von Preußen neu erworbenen Gebiete befaßt war.374 Kretschmann hatte sich dabei intensiv mit der Reorganisation der bayreuthischen Verwaltung beschäftigt und parallel dazu die Regierungs- und Finanzverhältnisse der Grafschaft Pappenheim sowie des Grafen von Giech geordnet.375 368 Zur Person von Theodor Konrad von Kretschmann vgl. neben der Darstellung im folgenden und der hier zitierten Literatur auch ADB, Theodor Konrad von Kretschmann, S. 132 – 140 sowie jüngst Gerhard Müller, Nachbemerkung, S. XXXIV ff. – Unrichtig ist die immer wieder (durchgängig bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld und Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland – hier mit Ausnahme von S. 342 – sowie bei Ulrich Heß, Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Meiningen, S. 81; ders., Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 40, 58; ders., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 228 f.; ders., Das Sachsen-Coburg und Gothaische Staatsministerium 1826 bis 1920, S. 4; Dagmar Blaha, Verdienste um Verfassung und Verwaltung, S. 368; Thomas Klein, Wettinisch-ernestinische Staaten, S. 856; Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha, S. 59; Variante „Carl Theodor“ bei Gerhard Müller, Nachbemerkung, S. XIV) verwendete Vornamensbezeichnung Karl Theodor, da der Taufname nachweisbar Theodor Konrad lautete, vgl. Taufmatrikel der Stadtkirche Bayreuth, 1762, Nr. 201 (S. 643). Kretschmann selbst firmierte teilweise unter dem Namen Theodor, zumeist jedoch ohne Vornamen. 369 Kretschmann war als „Überbleibsel“ des Hardenbergschen Fränkischen Landesministeriums zweiter Kammerdirektor in Bayreuth geworden, da Hardenberg eine Versetzung Kretschmanns nach Berlin abgelehnt hatte, Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 142 f. 370 Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und FinanzVerwaltung des Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 4 f.; ders., Meine Dienstjahre in Preußen, 1. Band, S. 68; Karl August von Wangenheim, Auch ein Beytrag zur Geschichte der Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, Erster Theil S. 24. Der Schriftwechsel zwischen Herzog Franz Friedrich Anton, Graf Heinrich LI. und Kretschmann findet sich abgedruckt bei Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Preußen, 2. Band, S. 45 ff. – Herzog Franz Friedrich Anton stellt die Sachlage in einem Schreiben an die Landesbehörden (HHStA RHR Ob. Reg. 1286 / 1 unfol. = StACo Min F 821 fol. 7, 7’ = StACo Kons 1186 fol. 1, 1’) so dar, daß er sich an den König von Preußen gewandt und diesen gebeten habe, ihm eine Person zur Verfügung zu stellen, die zur Umgestaltung des coburgischen Systems nach preußischem Muster befähigt sei, Preußen habe dafür Kretschmann empfohlen. 371 Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister v. Kretschmann, S. 28. 372 Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister v. Kretschmann, S. 28. 373 Kretschmann war dort jedoch nicht selbst Minister, wie jetzt aber erstmals bei Harald Bachmann, „. . . all diese kleinen Fürsten werde ich davonjagen!“, S. 167 behauptet. Ebenso läßt sich die dort angeführte Tätigkeit in Berlin nicht belegen. 374 Vgl. dazu Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 183 ff.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

99

b) Finanzplan und Generalvollmacht Herzog Franz Friedrich Anton erteilte Kretschmann am 29. Dezember 1800 eine Vollmacht für sämtliche finanziellen Angelegenheiten376 und forderte ihn auf, einen Finanzplan zur Sanierung des herzoglichen Haushalts zu erstellen.377 Dieser entwarf daraufhin den „General-Plan zur Herstellung der Ordnung in dem FinanzWesen des Herzogthums Koburg“378 und ging dabei von der Prämisse aus, „daß bey einer mehr als 60 Jahre hindurch schläfrigen Regierung, auch nothwendig die Finanzquellen sich verstopft haben müssen, und daß es nur die Entfernung des Schuttes bedürfe, um diese Quellen ergiebiger zu machen.“379

In diesem Plan forderte Kretschmann zunächst die Aufstellung von Einnahmeund Ausgabeverzeichnissen zur genaueren Erfassung der Zahlungsvorgänge. Auch sollten die Außenstände überprüft werden. Zum Zwecke der Ermöglichung einer Schuldentilgung sollten Kirchen, Stiftungen, Korporationen und Gemeinden ihr sämtliches Vermögen gegen Sicherheit an die Staatskasse abliefern. Diesen Körperschaften dürfe zwar ihr Eigentum nicht entzogen werden, doch müßten auch deren Kassen nach den gleichen Grundsätzen wie die anderen öffentlichen Kassen instruiert und mit Haushaltsplänen versehen werden. Die grundlegende Einführung von Etats380 über sämtliche öffentliche Einnahmen und Ausgaben sei ohnehin unabdingbar. Hierzu und zur Kassenführung benötige Sachsen-Coburg-Saalfeld eine besondere Rechnungs- und Kassen-Instruktion. Zudem sei eine Steuerrevision mit dem Ziele der Anpassung der überkommenen Abgaben an die modernen Anforderungen, insbesondere an den aktuellen Geldes- und Grundstückswert, notwendig. Dabei sollten auch die Steuerbefreiungen überprüft werden. Die Schulden, um derentwillen die Debitkommission noch amtierte, sollten bis auf weiteres durch 375 Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Preußen, insgesamt; zu Pappenheim und Giech ebd. S. 39 f. 376 Abgedruckt bei Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Preußen, 2. Band, S. 48 ff. 377 BayHStA MA 89937 / 2 fol. 19; Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 80; Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 5 ff. 378 Abgedruckt bei Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Preußen, 2. Band, S. 53 ff.; Wiedergabe der Grundsätze des Finanzplans bei BayHStA MA 89937 / 2 fol. 19, 19’. 379 Theodor Konrad von Kretschmann, Die Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 4 = ders., Beurkundete Darstellung der Staats- und Finanz-Verwaltung des Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 5. – Eine ähnliche Abqualifikation von Regierungsvorgängern („Rumpel-Kammer zu Darmstadt“) nahm Friedrich Karl von Moser in HessenDarmstadt bereits 1762 (Andreas Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 32). 380 In den preußischen Staaten existierten Etats seit 1689, siehe Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 66 ff. Dem folgte Österreich 1749 / 1766 / 1769, Bayern 1803 (siehe dazu Hans-Peter Ullmann, Öffentliche Finanzen im Übergang vom Ancien Régime zur Moderne, S. 70 ff.), Württemberg 1807 und Baden 1808, siehe Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 74 f.

100

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Aufnahme anderweitiger Darlehen bezahlt werden. Im übrigen sei ein Schuldentilgungsfonds einzurichten.381 Im Gegensatz zu zeitgenössischen Reformplänen anderer Staaten382 betraf diese Ausarbeitung Kretschmanns lediglich den finanziellen Bereich, nicht jedoch Fragen des Behördenaufbaus und der Arbeitsweise der Exekutive. Aufgrund dieses nur beschränkten Inhalts kann dieser Plan für Sachsen-Coburg-Saalfeld allenfalls mit Steins Immediatbericht vom Mai 1806383, der sich lediglich mit der Organisation des preußischen Kabinetts befaßte, Voß’ „Plan zu einer Reform des gegenwärtigen Finanz- und Kameralgeschäftsganges“384 und vor allem dem finanziellen Teil von Hardenbergs Rigaer Denkschrift385 verglichen werden. Herzog Franz Friedrich Anton billigte diesen Finanzplan am 12. März 1801386 und machte ihn am gleichen Tag den Landesbehörden bekannt, nicht ohne dabei die preußische Finanzverwaltungsorganisation als Vorbild für die beabsichtigten sachsen-coburgischen Reformen herauszustellen: „Es ist bekannt, daß die Finanz-Verwaltung der Preußischen Monarchie, sich in Hinsicht Ihrer Ordnung, Pünctlichkeit, ihrer weisen Maasregeln und rastloser Thätigkeit in Europa mercklich auszeichnet. Der Erfolg hat es bewiesen und beweiset es noch tägl. mehr, daß sich durch eben diese Finanz-Verwaltung die Monarchie auf eine Höhe emporgehoben hat, welche Ihren Nachbarn Achtung und Ehrfurcht einflößt. Und so halten Wir Uns verpflichtet eben diese Verwaltung zum Muster zu nehmen und für die Zukunft Unseren Finanzen darnach soweit es die Local-Verhältnisse Unsers Staats und die Constitution desselben zulaßen, nach einem kleinern Maasstab die gehörige Richtung zu geben.“387 381 Vgl. auch die Zusammenfassung in Thesen bei Manfred Just, Die herzoglich SachsenCoburg-Saalfeldische Staatsbank, S. 8. – Ein besonderer Schuldentilgungsfonds wurde in Bayern durch die Verordnung vom 8. Juni 1807 (RBl. Nr. XXV vom 13. Juni 1807, Sp. 969 ff.) errichtet. 382 Beispielsweise Hardenbergs Denkschrift für Hannover vom 13. Januar 1780 (Darstellungen bei Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 25; Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 178 ff.); Montgelas’ Ansbacher Mémoire (Kurpfalzbayern) vom 30. September 1796 (BayHStA Nachlaß Montgelas 17 = ZBLG 33 (1970), 243 ff.; deutsch in Michael Henker / Margot Hamm / Evamaria Brockhoff (Hrsg.), Bayern entsteht, S. 23 ff.; siehe dazu Eberhard Weis, Montgelas, Erster Band, S. 266 ff.); die Planungen Johann Nikolas Friedrich Brauers für Baden (siehe dazu Willy Andreas, Der Aufbau des Staates im Zusammenhang der allgemeinen Politik, S. 54 f.); die Nassauer Denkschrift von Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein aus dem Juni 1807 (abgedruckt bei Georg Winter (Hrsg.), Die Reorganisation des Preussischen Staates, S. 189 ff. = Peter G. Thielen, Freiherr vom Stein, S. 380 ff.); und Hardenbergs Rigaer Denkschrift vom 12. September 1807 (abgedruckt bei Georg Winter (Hrsg.), Die Reorganisation des Preussischen Staates, S. 302 ff.). 383 Abgedruckt bei Georg Winter, a. a. O., S. 4 ff. 384 Abgedruckt ebd., S. 157 ff. 385 Abgedruckt ebd., S. 341 ff.; siehe dazu auch Hans Haußherr, Hardenbergs Reformdenkschrift, S. 267 ff. 386 Abdruck eines Schreibens bei Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Preußen, 2. Band, S. 73.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

101

Kretschmann, der vom preußischen König auf drei Monate beurlaubt worden war388, erhielt zudem eine Generalvollmacht des Herzogs: „Wir selbst haben denselben (sc. Kretschmann) mit solchen bündigen Reversen, Vollmachten und Instructionen versehen, welche hinreichend sind, den Uns bereits vorgelegten und von Uns genehmigten Finanz-Plan nach seinen kleinsten Verhältnissen auszuführen. Damit aber Unsere Absicht schnell und volständig erreicht werde, so machen Wir euch mit dieser Maasregel bekannt und befehlen Euch, daß Ihr allen Anordnungen, welche derselbe in Finanz-Sachen in der Zukunft in Unserem Namen und unter der Unterschrift Auf Sr. Herzoglichen Durchlaucht höchsten Special-Befehl an euch erlassen wird, pünctl. befolgt.“389

Die hier angekündigte Unterschriftsformel benutzte Kretschmann von nun an auch nach seiner Ernennung zum Minister über den Tod von Herzog Franz Friedrich Anton hinaus. Der „Special-Befehl“ ist daher eher als Inanspruchnahme einer ihm erteilten generellen Ermächtigung Kretschmanns zu administrativen Maßnahmen denn als eine wiederholte Einzelermächtigung durch Herzog Franz Friedrich Anton zu verstehen, keinesfalls können jedoch die von Kretschmann mit dieser Floskel erlassenen Anordnungen als „Spezialbefehle“ oder „Befehle“ von Herzog oder Minister bezeichnet werden, wie durch Eugen Bornhauser390 geschehen. Die Verwendung einer solchen Formulierung durch die höchste Landesbehörde war bei 387 Schreiben bei StACo Min F 821 fol. 7, 7’ = StACo Kons 1186 fol. 1, 1’ = HHStA RHR Ob. Reg. 1286 / 1 unfol. = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 56 – 60 = ThStAGo Geheimes Archiv B.IV. Nr. 268, unfol., Wiedergabe auch in einem Schreiben an die Landschaft vom 22. März 1801 bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 54 – 55 sowie jetzt auch bei Christian Kruse, Herzog Franz Friedrich Anton und sein Minister Theodor von Kretschmann, S. 1 ff. – Seit 1722 wurde in den preußischen Staaten unter Überwindung des dualistischen Systems und gleichzeitiger Ausschaltung des landständischen Steuerbewilligungsrechts die Herstellung der fiskalischen Kasseneinheit durchgesetzt; siehe dazu Fritz Blaich, Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsverwaltung, S. 434. Diese Vorbildfunktion wurde nach Anhängigkeit eines Verfahrens vor dem Reichshofrat in einem Schreiben Franz Friedrich Antons an den Reichshofrat vom 14. April 1804 wieder relativiert: „Es kann gewiß nicht meine Absicht seyn in meinem Lande die Preußische Staatsverwaltung einzuführen, da mein Land mit der Preußischen Monarchie nicht in Parallele gesezt werden kann nur wollte ich versuchen in wie weit nach aufgehobener Debit-Comißion das Preuß. Finanz-Rechnungs-Wesen eine Anwendung leide.“ (HHStA RHR Ob. Reg. 1286 / 1 unfol.) 388 Theodor Konrad von Kretschmann, Die Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 5; Abdruck der Urlaubsbewilligung durch Hardenberg bei Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Preußen, 2. Band, S. 53. 389 StACo Min F 821 fol. 8’ = StACo Kons 1186 fol. 2’ = HHStA RHR Ob. Reg. 1286 / 1 unfol.; inhaltliche Wiedergabe auch bei HHStA RHR Relat. 163, unfol. – Die Debitkommission war der Ansicht, daß dieser Anweisung keinerlei Wirkungen gegenüber den Finanzbehörden und insbesondere der Kammer zukomme. Im angeführten Schreiben war jedoch bereits ausgeführt worden, daß eine Neuorganisation des Kammerbereichs erst für die Zeit nach Befriedigung der Gläubiger und nach Aufhebung der Debitkomission in Frage komme. 390 Die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. 30.

102

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Abwesenheit des Landesherrn zeitgenössisch üblich391, die wohl nach preußischem Vorbild392 hier geschehene Verwendung durch Kretschmann stets anstelle des Herzogs zeigte jedoch schon, daß sich Franz Friedrich Anton auf längere Dauer aus den Regierungsgeschäften zurückziehen wollte und sich auf die Arbeiten Kretschmanns verließ. c) Übernahme Kretschmanns in coburgische Dienste Mit Schreiben vom 15. März 1801 ersuchte Herzog Franz Friedrich Anton den preußischen König, Kretschmann aus seinen Diensten zu entlassen und ihn zugleich zu adeln, denn „nach der Verfassung meiner Lande mus derjenige, welcher den Fürsten auf den Landtagen von Altenburg repräsentiert, von Adel seyn. ( . . . ) Noch habe ich Kretschmann nichts von meinen Plänen gesagt“.393

Unrichtig erscheint somit die Behauptung Karl Bohleys394, die Erhebung in den Adelsstand sei eine Bedingung Kretschmanns für den Übertritt in coburgische Dienste gewesen. Die Dienstentlassung nebst Erhebung in den Adelsstand wurde am 19. Juni 1801395 durch den preußischen Generaladjutanten Carl Leopold von Köckritz zugesagt.396 Bereits unter dem 27. Juni 1801397 teilte der Herzog dem Geheimen Ratskollegium sowie den übrigen Landesbehörden die Bestellung Kretschmanns zum Minister und die gleichzeitige Auflösung des Geheimen Ratskollegiums mit: „Wir haben gleich beym Antritt Unserer Regierung die Bemerkung gemacht, daß es einer guten Dienst-Verfaßung nicht ganz gemäß sey, wenn die Chefs der Landes-Collegien zu gleicher Zeit Mitglieder des Conseils sind, welches die erstern controliren und die Aufsicht über sie führen soll. 391 Vgl. die Nachweise für Sachsen-Gotha-Altenburg bei Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 92. Auch die weimarische Formel „ad mandatum Serenissimi speciale“, wie bei Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 35 dargestellt, läßt sich hierunter einordnen. 392 Die Floskel ist beispielsweise auch in einem Schreiben Hardenbergs an Kretschmann enthalten, vgl. Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Preußen, 2. Band, S. 53. 393 StACo LA F 5925 fol. 4’. 394 Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 8. 395 Nicht am 18. Juni 1801, wie bei Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 143 dargestellt. 396 StACo LA F 5925 fol. 7. Nach Fritz Hartung seien Dienstentlassung und Erhebung in den Adelsstand auf Antrag Hardenbergs geschehen (Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 143). 397 Schreiben bei StACo LA F 5925 fol. 6 = StACo Min F 821 fol. 21 = StACo Kons 186 fol. 5.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

103

Wenn auch, wie bey euch würcklich der Fall ist, das Conseil aus rechtschaffenen Männern besteht und keine Partheylichkeit zu fürchten ist, so bleiben dennoch die Unterthanen immer in einem sehr traurigen Argwohn, wenn ihre Klagen gegen die Landes-Collegien von der obersten Behörde von den nehmlichen Männern untersucht werden, welche den Collegien vorstehen. Überdies bleibt es immer sehr hart in der obern Behörde diejenige Handlung als unrichtig und irrig anzuerkennen, welche man in einer tieferen Instanz als wahr verfochten hat, und so muß immer der Dienst leiden, wenn auch der beste Wille nicht zu erkennen ist. Zu dieser Überzeugung haben Wir nach einer sorgfältigen Prüfung für gut befunden, das bisherige geheime Conseil so wie es bis jetzt bestanden hat, aufzuheben und statt dessen die Leitung Unserer sämtlichen Staats-, Policey-, Justiz-, Finanz-, Lehen-, Kirchen- und Militär-Sachen Unsern würklichen geheimden Rath und dirigierenden Minister von Kretschmann, welcher auf Unsern dringenden Antrag von Sr. Majestät dem Könige von Preußen aus Freundschaft gegen Unser Hauß auf eine sehr ausgezeichnete und ehrenvolle Art ( . . . ) entlaßen worden ist, zu übertragen. Diejenigen Mitglieder des bisherigen Conseils, welche bereits Chefs von Collegien sind, bleiben es mit Beybehaltung ihres zeitherigen Rangs und ihres sämtl. Dienst-Einkommens. (...) Die geheime Canzley hierselbst bleibt vor der Hand in dem Zustande wie bisher und wird wegen ihrer Geschäfte an Unseren Geheimen Rath und dirigierenden Minister von Kretschmann gewiesen, welcher den künftigen Geschäftsgang bey derselben ordnen wird. ( . . . ) Übrigens geben Wir auch die Versicherung, daß Wir mit euerer bisherigen Treue und Rechtschaffenheit vollkommen zufrieden sind und daß nur die Nothwendigkeit einer zweckmäßigeren Dienst-Verfassung die Ursache der gegenwärtigen Veränderung war.“398

Kretschmann wurde nunmehr am 8. Juli 1801 als von Kretschmann geadelt399 und erhielt am 11. Juli 1801 die Erlaubnis des Königs von Preußen, in den coburgischen Dienst zu treten400, so daß er am 13. Juli 1801 durch Herzog Franz Friedrich Anton verpflichtet werden konnte.401 Die Ernennungsurkunde vom 1. Juli 1801402 sprach die Ernennung „zu Unserem wirklichen Geheimen Rath und dirigierenden Minister in Staats- PoliceyFinanz- Justiz- Kirchen- und Militair-Sachen, dann zum General-Controlleur des ganzen Finanz-Rechnungswesens Unserer Lande es mag solches entweder Unsere Caßen oder die Cassen der Landschaft oder der Städte oder Kirchen-Gemeinden oder Stiftungen betreffen“403 StACo LA F 5925 fol. 5 – 6. Vereinigung des Adels in Bayern (Hrsg.), Genealogisches Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels, S. 409. 400 Abschrift bei BayHStA MA 89937 / 1, fol. 170. 401 Theodor Konrad von Kretschmann, Die Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 9 f.; Abschrift bei BayHStA MA 89937 / 2 fol. 28 – 32; Verpflichtungserklärung bei StACo Min F 426 fol. 14, 14’. 402 Abschrift des Patents bei StACo LA F 7545 fol. 21 – 23 = StACo LA F 7338 fol. 2 – 4 = StACo Min E 3871 fol. 21 – 24. 403 StACo LA F 7545 fol. 21, 21’ = StACo LA F 7338 fol. 2, 2’. 398 399

104

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

aus. An diesem Tage teilte der Herzog auch verschiedenen Gesandten und Reichsbehörden mit: „Wir haben mit Bewilligung Sr. Majestät des Königs von Preußen den K. Preuß. Cammerdirector von Kretschmann zu Bairreuth, zu Unserem Geheimen Rath und dirigirrenden Landes-Minister allhier anzustellen geruht. Ihr habt also fürderhin alle Relationen, Berichte, Conclusa und was Ihr sonst auszuschicken habt, lediglich unter Adresse Unsers Geheimen Raths und dirigierenden Ministers von Kretschmann, hierher zu senden.“404

Am 14. Juli 1801 wurde in einer Mitteilung an sämtliche Behörden sodann verfügt: „Da Wir Unseren dirigierenden Minister von Kretschmann auch die General-Controle sämmtli. Finanz- und Rechnungswesen ( . . . ) übertragen haben, so machen Wir Euch dieses bekannt und eröfnen Euch zugleich, daß ihm als ersten Staats-Diener sowohl in- als auch außerhalb der Geschäfte vor Unserer sämmtlichen Dienerschaft der erste Rang gegeben werden muß.“405

Diese Berufung eines externen Verwaltungsfachmannes kann als erster Schritt in Richtung einer Verwaltungsreform angesehen werden406, zumal da die Möglichkeit grundlegender Veränderungen in Sachsen-Coburg-Saalfeld sicherlich nur für einen nicht aus einer ernestinischen Verwaltung stammenden Beamten bestand.

d) Innere Organisation des Ministeriums Aufbau und Geschäftsgang der Behörde richteten sich nach der „Instruction für Unser Geheimes Departement der Coburg- und Saalfeldischen Lande“, die bereits am 15. Mai 1801407 unterzeichnet worden war.408 Danach bestand die neue oberste Landesbehörde aus dem „Geheimen Rat und dirigierenden Minister“409 Theodor Konrad von Kretschmann, dem die ausschließliche Leitung sämtlicher Staatsgeschäfte übertragen wurde, dem ihm beigegebenen Geheimen Assistenzrat Karl August von Wangenheim410 sowie als StACo Min F 821 fol. 30. StACo Kons 1186 fol.7. 406 Ähnlich Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 229; Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 289. 407 Nicht etwa vom 13. Mai 1801, wie bei Otto Mutzbauer, Die Behördenorganisation des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. 14 behauptet. 408 Textanhang Nr. 1 = StACo Min F 426 fol. 2 – 8’. Der vorgebliche Abdruck bei Otto Mutzbauer, Die Behördenorganisation des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. 14 ff. stimmt nicht mit dem Original überein. 409 Offensichtlich falsch die Amtsbezeichnung „Vorsitzender Geheimer Konferenzrat im Landesministerium“ bei Gerhard Müller, Nachbemerkung, S. XIII. 410 Nicht zu verwechseln mit dessen entfernten Vetter, dem Obermarschall Friedrich Ernst Jobst Melchior von Wangenheim, wie bei Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister 404 405

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

105

Subalternbediensteten einem Geheimen Archivar, einem Geheimen Sekretär, einem Geheimen Revisor, bis zu zwei Kanzlisten sowie einem Botenmeister (§ 1). Der dirigierende Minister hatte alle Reichs-, Kreis-, Staats-, Polizei-, Finanz-, Justiz-, Lehen-, Kirchen- und Militärsachen411 zu bearbeiten, war ständiger Kommissar des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld auf den altenburgischen Landtagen412 und ebenfalls für die Hausangelegenheiten zuständig (§ 2). Ihm unterstand zudem die Generalkontrolle sämtlicher Kassen, der Vollzug der Etats mit Ausnahme desjenigen des Hofstaats, was dem Herzog selbst vorbehalten bleiben sollte, wobei als Ziele der Tätigkeit Kretschmanns sowohl die Ordnung des landesherrlichen Finanzwesens als auch die bestmögliche Nutzung der möglichen Einnahmequellen angegeben wurden (§§ 8 – 10). Für den gesamten Finanzbereich wurde die Einführung einer besonderen Rechnungsinstruktion angekündigt (§ 12). Politische Zielsetzung der Anstellung des Ministers war neben der verbesserten Behördeneinrichtung (Präambel) auch die Aussicht auf Gebietserweiterung nach außen, auch durch Ankauf freier Standesherrschaften in Schlesien und Böhmen, und Konsolidation nach innen durch Ankauf inliegender Rittergüter (§ 3). Reformen waren außer im Finanzbereich auch im Justizwesen vorgesehen, wo neben einer Reform der Justizgesetze auch die Einführung eines eigenen Gesetzbuches mit einer eigenen Gerichts- und Prozeßordnung vorgesehen war (§ 6). Ein Rekurs gegen die Entscheidungen des Ministeriums war ebenso wie eine Beschwerdemöglichkeit hinsichtlich des persönlichen Verhaltens der Angehörigen des Ministeriums vorgesehen, die genaue Regelung blieb jedoch einer (zwar angekündigten, aber nicht erlassenen) Verordnung vorbehalten (§ 18). Im Rahmen der laufenden Geschäfte (§ 16) hatte der Minister selbst die „Generalia“, der Assistenzrat die „Spezialia“ unter Aufsicht des Ministers zu bearbeiten. Die vom Herzog vollzogenen Gesetze, Verordnungen etc. wurden vom Minister erlassen, der andererseits dem Herzog in Beisein des Assistenzrates alle v. Kretschmann, S. 39 und bei Gerhard Müller, Landständische Repräsentation und früher Konstitutionalismus in Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 22 geschehen; vgl. dazu auch die Lebensdaten von Friedrich Ernst Jobst Melchior von Wangenheim, verbunden bereits mit zutreffender Kritik an Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, bei Curt Hoefner, Coburger Hofzeremoniell im frühen 19. Jahrhundert, S. 43 Anm. 7. Zu Friedrich Ernst Jobst Melchior von Wangenheim selbst vgl. den Personalakt bei ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. E Tit. I. 3. Nr. 1. Zur Person des späteren württembergischen Triaspolitikers Karl August von Wangenheim siehe Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 382, sowie Kurt Gerhardt, Karl August von Wangenheim, in toto. 411 Eine ähnliche, noch detailliertere Aufzählung findet sich im „Kurfürstlichen Organisations-Reskript, das K. Landes-Directorium für das Fürstenthum Regensburg betreffend“ vom 20. November 1803 (abgedruckt in Carl Friedrich Häberlin, Staats-Archiv, Band 11, S. 181 ff.) hinsichtlich der Zuständigkeiten dieser Behörde. 412 Zur Rolle eines derartigen Kommissars vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1502.

106

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

wichtigen Expeditionen vor dem Auslauf vorzulegen hatte. Monatlich war das Journal durch den Herzog zu prüfen, jährlich im März die Etats, am Ende des Geschäftsjahres war ihm ein Generalbericht über die Geschäftsführung vorzulegen. Die Regelung der Geschäftsverteilung unter den Subalternbeamten und der allgemeinen Dienstpflichten oblag Kretschmann (§ 17). Hierzu erließ er am 9. Juli 1801 zunächst eine „Instruction für die geheimen Secretarien bey dem hiesigen Landesministerio“413. An erster Stelle der Dienstpflichten der Sekretäre stand die Treue zum regierenden Haus (§ 1). Als Dienststunden werden täglich 8.00 Uhr bis mittags im Sommer, 8.30 bis mittags im Winter, sowie 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr durchgehend festgesetzt, Sonn- und Feiertage bleiben ausgenommen (§ 2). Die eingereichten Aktenstücke waren innerhalb von 24 Stunden zu bearbeiten und zu versenden, die mit „cito“ bezeichneten umgehend, bei umfassenderen Angelegenheiten galt ein Zeitraum von drei Tagen (§ 7). Auf den Konzepten war unter Namensnennung des Bearbeiters zu den Akten zu vermerken, an welchem Tag ein Schriftstück in den Versand ging (§ 8). Aus Gründen der neuen Regelung in der Registratur414 und der Zuordnung an den richtigen Boten war auf den Konzeptschreiben zu vermerken, ob die betreffende Sache „zur Policey-, Finanz- oder Militär-Gewalt“ gehörte (§ 9). Zu dieser Vorschrift kamen das „Taxen-Reglement für die Sportel-Caße bey dem Herzogl. Ministerio in den Coburg-Saalfeldischen Landen“ vom 29. Juni 1801415, die „Instruction für den Journalisten bey dem hiesigen Landes-Ministerio“ vom 9. Juli 1801416, das „Regulativ wegen Führung der Sportel-Rechnungen für die Rendanten der Landes-Ministerial-Sportel-Casse“ vom 10. Juli 1801417, die „Instruction für den Canzley-Inspector“ vom 10. Juli 1801418, die „Instruction für die geheime Canzley des Landesministerii“ vom 11. Juli 1801419 und das „Reglement für das Ministerial-Archiv“ vom 11. Juli 1801.420 Hiermit hatte Kretschmann wohl getreu dem Kodifikationsgedanken sämtliche Bedienstete des Ministeriums mit eigenen Instruktionen versehen. Bemerkenswert ist daran, daß es – anders als die dahingehende Instruktion erwarten ließ – nicht mehrere Boten und „Secretarien“ gab, sondern lediglich jeweils einen. Diese Instruktionen machen auch für Sachsen-Coburg-Saalfeld deutlich, daß eine der Haupttätigkeiten Kretschmanns im Entwerfen von Instruktionen nach einem kodiStACo Min F 425 fol. 14 – 23. Geschehen durch das „Reglement für das Ministerial-Archiv“ vom 11. Juli 1801, StACo Min F 425 fol. 46 – 60’. 415 StACo Min F 425 fol. 78 – 88. 416 StACo Min F 425 fol. 62 – 65. 417 StACo Min F 425 fol. 29 – 45. 418 StACo Min F 425 fol. 66 – 69. 419 StACo Min F 425 fol. 71 – 77. 420 StACo Min F 425 fol. 46 – 60’. 413 414

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

107

fikatorischen Vorgehen lag.421 Wohl aufgrund seiner wissenschaftlichen Herkunft geschah dies in ausgesprochen umständlicher und detailgetreuer Form.422 Die Aufstellung fester Haushaltspläne (Etats), wie sie Kretschmann bereits in seinem Finanzplan vorgesehen hatte, war in anderen deutschen Staaten – innerhalb des reichsweit verwendeten Generalkassenrechnungsstils423 – teilweise bereits seit Beginn des 16. Jahrhunderts üblich.424 Eine ähnlich strenge persönliche Verantwortlichkeit der Beamten für die Einhaltung der Etats bestand auch in den preußischen Staaten.425 Die Organisation des Ministeriums war wohl derjenigen des fränkischen Landesministeriums („Departement des wirklichen geheimen Etats-, Kriegs- und Kabinetts- auch in den fränkischen Fürstentümern dirigierenden Ministers Freiherr von Hardenberg“426) nachgebildet, da für dieses ebenfalls die alleinige Entscheidungsgewalt des Ministers unter völliger Abkehr vom Kollegialprinzip charakteristisch war427, was in Sachsen-Coburg-Saalfeld noch durch die Bezeichnung Wangenheims als „Geheimer Assistenzrat“ zum Ausdruck kam.428 Eine ähnliche Situation wie in Sachsen-Coburg-Saalfeld sowohl hinsichtlich der Staatsverschuldung als auch des Gedankens der erstmaligen Einrichtung einer weisungsgebundenen Zentralbehörde bestand in Hessen-Darmstadt, als Friedrich Karl von Moser dort nach Erarbeitung eines „Oeconomieplans“ am 11. April 1772 zum leitenden Staatsminister ernannt wurde und sich eine ähnlich zentrale Stellung schuf.429 Durch die Schaffung des Ministeriums entstand in Sachsen-Coburg-Saalfeld erstmals eine hierarchisch organisierte oberste Landesbehörde.430 Die Stellung 421 Für seine Tätigkeit in Bayreuth siehe Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 36, 38, 86, 110, 112. 422 Vgl. Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 110. 423 Siehe dazu Hans-Peter Ullmann, Staatsverwaltung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 130. 424 Siehe zu Preußen Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Zweiter Band, S. 121; für Bayern vgl. den Anhang bei Waldemar Lassen, Die Anfänge der konstitutionellen Budgetwirtschaft bis 1843. 425 Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Zweiter Band, S. 122. 426 Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 67. 427 Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 185; Rudolf Endres, Die preußische Ära in Franken, S. 181. 428 Die Errichtung des Kretschmannschen Ministeriums vergleicht auch Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 278 mit der zentralen Stellung Hardenbergs und Montgelas’. 429 Siehe dazu Andreas Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 20 f., 28. 430 Ähnlich organisiert waren die Ministerien in Bayern seit der Anordnung vom 25. Februar 1799, BayHStA MInn 65100; vgl. dazu Volker Press, Die wittelsbachischen Territorien, S. 598; Wilhelm Volkert, Bayern, S. 512.

108

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Kretschmanns in Sachsen-Coburg-Saalfeld entsprach dabei derjenigen, die Kretschmanns Lehrer Hardenberg als Minister in den fränkischen Fürstentümern von 1792 bis 1798431 und in Preußen als Staatskanzler ab 1810432 innehatte. Auch in Württemberg wurde das dortige Geheime Ratskollegium erst am 27. Dezember 1805 durch ein nach dem Realsystem aufgeteiltes Staatsministerium ersetzt.433 In Sachsen-Weimar-Eisenach wurde die Ablösung des Geheimen Ratskollegiums durch ein – kollegial organisiertes! – Staatsministerium erst durch die Verordnung vom 1. Dezember 1815434, in Hannover ein hierarchischer Aufbau der zentralen Verwaltungsbehörde erst 1822 erreicht.435 Die Feststellung Elisabeth Fehrenbachs, die Verwaltungsreform im zentralistischen Sinne stelle das Kernstück (erst) der rheinbündischen Reformen dar436, bedarf folglich – zumindest bezüglich SachsenCoburg-Saalfelds – einer zeitlichen Erweiterung nach vorn. Nach Kretschmanns Ansicht lagen die Mängel der bisherigen Verwaltung zu überwiegendem Teil in der kollegialen Organisation der Landesbehörden begründet. Zeitgenössisch wurde teilweise als für das Kollegialsystem typisch ein schleppender Geschäftsgang, zeitaufwendige Behandlung auch minder wichtiger Gegenstände, Monotonisierung des Arbeitsablaufs, Überschätzung der Tradition und die nur scheinbare Verantwortlichkeit des gesamten Kollegiums angesehen, wenngleich Befürworter des Systems dieses als gründlicher, leichter kontrollierbar und willkürfreier ansahen.437 e) Faktische Konzentration von Kompetenzen bei Kretschmann Als Autor der Instruktion für das Ministerium kann Minister Kretschmann selbst angesehen werden. Selbst Herzog Franz Friedrich Anton sah nämlich die ihm ver431 Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 80; Eduard Deuerling, Das Fürstentum Bayreuth unter französischer Herrschaft, S. 2 ff. 432 Zum preußischen Staatskanzleramt als Reformbehörde vgl. Barbara Vogel, Allgemeine Gewerbefreiheit, S. 83 ff.; vgl. dazu Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 89 f. Zur ähnlichen Lage im Bayern Montgelas’ siehe ebd. S. 112 f. 433 Friedrich Wintterlin, Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, Erster Band, S. 238 ff. 434 Abgedruckt bei Johann Ludwig Klüber, Staatsarchiv des teutschen Bundes, 1. Band, S. 75 ff. = Allgemeines Staatsverfassungs-Archiv, Erster Band, S. 254 ff. – Die Auflösung der Landeskollegien und Errichtung eines hierarchisch organisierten Ministeriums erfolgte in Sachsen-Weimar-Eisenach erst durch Verordnung vom 1. Oktober 1849 (RBl., 33. Jahrgang 1849, S. 171 ff.), in Schwarzburg-Rudolstadt erst am 1. Juli 1850 (Ulrich Heß, Geschichte der Staatsbehörden in Schwarzburg-Rudolstadt, S. 63 f.). 435 Vgl. Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 31. 436 Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, S. 36. 437 Vgl. dazu Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 359 f.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

109

bleibenden Kompetenzen als zu klein und die Übergabe aller Verantwortung an Kretschmann als zu offensichtlich an: „Ich finde bey dem Zurückfolgenden nichts weiter zu erinnern als daß ich bey der neuen Verfaßung zu wenig zu thun haben werde, was mich leicht all zu unthätig machen könnte, und mich der Nachrede aussetzen dürfte, als wäre es mein Bestreben mehr der Ruhe und den Vergnügungen mich zu überlaßen als der Thätigkeit.“438

Kretschmann verteidigte seine Planung jedoch damit, daß durch die Zentralisierung der Kompetenzen auf ihn tatsächlich der Herzog zum Mittelpunkt der Staatsgewalt werde: „Ew. pp. haben bey der neuen Organisation weit mehr Geschäfte als bis jetzt möglich waren, denn es werden alle Branchen der Regierung in Bewegung gesezt ( . . . ) Ich hielt es vor Pflicht Ew. so zu stellen, daß Höchstdieselben die Spizze aller Geschäfte sind, daß sich in Ihnen der Central-Punkt derselben vereinigt. Müsse sich Ew. zu sehr mit DetailArbeiten abgeben, so wird die Übersicht des Ganzen und die Controle desselben weit schwerer. ( . . . ) Allein wenn Ihr geheimde Rath gefehlt hat, so können Höchstdieselben in der höchsten Instanz dero Person widersprechen und dadurch macht sich der Regent zur heiligsten Person.“439

Die Schaffung eines derartigen „Central-Puncts“ der Staatsverwaltung hatte Kretschmann bereits während seiner preußischen Dienstzeit als Grundlage für einen modern organisierten Staat angesehen.440 Diese wohl auf Hardenbergs Denkschrift für Hannover vom 13. Januar 1780441 zurückgehende Formulierung findet sich ebenfalls in § 3 des Organisationsedikts für Hessen-Darmstadt vom 12. Oktober 1803442 und im badischen Kabinettserlaß vom 3. Februar 1807443, wo jeweils allerdings das Ministerium als Zentralpunkt bezeichnet wurde. Ähnliches verfolgte auch das preußische Organisationsedikt vom 16. Dezember 1808444 mit folgender 438 StACo Min F 426 fol. 9; jetzt auch abgedruckt bei Christian Kruse, Herzog Franz Friedrich Anton und sein Minister Theodor von Kretschmann, S. 11. 439 StACo Min F 426 fol. 10; jetzt auch abgedruckt bei Christian Kruse, Herzog Franz Friedrich Anton und sein Minister Theodor von Kretschmann, S. 11. 440 Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Preußen, 1. Band, S. 66. 441 Abgedruckt bei Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 25, 606 ff.; siehe dazu auch Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungsund Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 179. – Eine ähnliche Konzeption sah auch Hardenberg in der Denkschrift vom 25. Juli 1797 vor, siehe dazu Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 120 und Franz-Ludwig Knemeyer, Politisches Kabinett und Verwaltungskabinett, S. 413 f. 442 Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 165. 443 Berthold Beinert, Geheimer Rat und Kabinett in Baden, S. 124. Noch 1835 verwendete der badische Gesandte beim Bundestag diesen Begriff, vgl. Wolfram Siemann, Wandel der Politik, S. 69. 444 „Publikandum, betreffend die veränderte Verfassung der obersten Staatsbehörden der Preußischen Monarchie, in Beziehung auf die innere Landes- und Finanzverwaltung“, PrGS

110

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Formulierung der Präambel: „Die Regierungs-Verwaltung geht ( . . . ) künftig von einem dem Oberhaupt des Staates unmittelbar untergeordneten obersten Punkt aus.“ Auch Kretschmann beabsichtigte ein derartiges System des bürokratischen oder Staatsabsolutismus445, denn spätere Äußerungen beweisen, daß er den Zentralpunkt der Staatsverwaltung nicht beim Herzog, sondern beim Ministerium und damit bei sich selbst ansiedelte: „An der Seite des regierenden Herzogs und unter seiner unmittelbaren Aufsicht wurde ein Landesministerium eingesetzt, als der Mittelpunct, in welchem sich alle Branchen der Staatsverwaltung vereinigen.“446

Ähnlich gelang Kretschmanns Lehrer Hardenberg die Monokratisierung der preußischen Verwaltung unter ihm als Staatskanzler durch die Verordnung vom 27. Oktober 1810.447 Die Argumentation Kretschmanns überzeugte Herzog Franz Friedrich Anton schließlich: „Nach durchlesener Erläuterung bin ich mit Ihnen einverstanden, und ich war eigentlich nur ängstlich wegen der Beschuldigung die man mir bey meinem Regierungsantritte machte, als würde ich mich nach Möglichkeit den Geschäften entziehen, um nur meinen Kunstliebhabereien ungestört nach hängen zu können.“448

Kretschmann bestand durchweg auf der Feststellung, daß der Herzog die oberste Macht- und Kontrollinstanz darstelle und er ihm regelmäßig Rechenschaft ablegen wolle: „Euer Durchlaucht haben die Geschäfte des hiesigen Ministeriums so organisiert, daß ich mich nicht selbst weisen kann. Ich stehe zwischen Ihnen und den Landesbehörden, der Central-Punkt saemtlicher Branchen der Staats-Verwaltung sind Sie, die letzte Instanz bleiben Sie, die letzte Contrôle behalten Sie. Und diese Einweisung sichert den Staat vor jeden Mißbrauch der mir anvertrauten Gewalt. ( . . . ) Ich werde willig und streng von meinen Handlungen Rechenschaft geben ( . . . ) Was ich gearbeitet, wie ich die Geschäfte behandelt, nach welchen Grundsätzen ich entschieden habe, soll jede Woche klar vor Ihnen liegen.“449 1806 – 1810, S. 361 ff. = Georg Heinrich Pertz, Das Leben des Ministers Frhr. vom Stein, 2. Band, S. 689 ff. = Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 101 ff. – Vergleichbar erscheint ebenfalls die Forderung nach einem „Vereinigungs-Punct der verschiedenen ( . . . ) Departements- und Staats-Verwaltungs-Zweige“ in der württembergischen „Verordnung, den Geschäfts-Kreis des königl. Staats-Ministeriums betreffend“ vom 15. Juli 1816, abgedruckt bei August Ludwig Reyscher, Sammlung der württembergischen Gesetze, 3. Band, S. 356 f. 445 Begriff „Staatsabsolutismus“ nach Walter Demel, Der bayerische Staatabsolutismus, in toto. 446 Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und FinanzVerwaltung des Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 11. 447 PrGS 1810, S. 3 ff. 448 StACo Min F 426 fol. 11, 11’; jetzt auch abgedruckt bei Christian Kruse, Herzog Franz Friedrich Anton und sein Minister Theodor von Kretschmann, S. 11. 449 StACo Min F 426 fol. 13, 13’.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

111

Franz Friedrich Anton bestand jedoch auf einer detaillierteren Beteiligung an den laufenden Geschäften: „Der große Staat erlaubt freylich dem Regenten nicht dieße Durchsicht von Actenstücken, aber im kleinen wie der hiesige ist, wird dies möglich, ohne Verzug des Ganges der Geschäfte, es ist daher mein Verlangen, wie ich bisher es gewohnt war vor von Ihnen gefaßten Beschlüßen das Eingegangene zu erhalten, und die Beschlüße mit den Entscheidungsgründen vor der Ausfertigung ganz kurz vorgelegt zu bekommen so vermeide man alle Erregung von Mißtrauen in meinen Gutenwillen meine Pflichten zu erfüllen, und mir blieb die genaueste Kenntniß aller angekommenen Sachen.“450 „Dann, sollte es nicht auch wirklig nachtheilige Folgen haben können, wenn der Regent nicht alles sieht, wenn einer an meine Stelle träte, der gerne nichts von seinen RegierungsGeschäften wissen mögte, der nicht damit beläßtigt seyn will, um nur seinen Vergnügen nachzuhängen, und Ihnen ein Mann nachfolgte, dem seine Pflichten nicht so heilig wie Ihnen wären, nicht Ihre Weisheit und Geschickligkeit hätte, und Ihren Gutenwillen?“451 „Sie ließen mir alles sehen was auf meinen Spezialbefehl von Ihnen ausgefertigt wird, und ich setzte mein Vidit darunter wie bey den wichtigeren Sachen, dies könnte man dem Publicum verfahern laßen, und es wäre beruhigt, und die eingehenden Berichte erhielt ich wieder wie sonst zur Durchsicht, hielte sie mir länger als ein Paar Stunden auf, und gäbe sie an Ihnen zurück.“452

Kretschmann akzeptierte dies schließlich am 22. Juli 1801 eher widerwillig: „Ew. Herzogl. Durchlaucht glauben das bis jetzt gehabte Zutrauen bey den Unterthanen zu verlieren, wenn nicht alle eingegangenen und expedierten Sachen durch Höchstdero Hände gingen und Sie nicht von allen gefaßten Beschlüßen unterrichtet würden. Höchstdieselben verlangen deshalb, daß alle Sachen vor dem von mir gefaßten Schluß und alle Expeditionen nach dem Schluß samt den Entscheidungs-Gründen Ew. Durchlaucht vorgelegt werden sollen. Als Diener kenne ich nur Gehorsam und ich werde diesem Befehle pünktlich nachkommen, nachdem ich mir darübereinige Erläuterungen ( . . . ) erlaubt habe. Die Geschäfte, welche bey dem Landes-Ministerio vorkommen, sind Staats-Sachen, Gnaden-Sachen, Policey-Sachen, Justiz-Sachen, Militär-Sachen, Kirchen-Sachen. In Staats- und Gnaden-Sachen habe ich bis jetzt gar nichts ohne Ew. Herzogl. Durchlaucht Genehmigung verfügt, auch kommen darinnen wenige Gegenstände vor. Ich würde es auch nie gewagt haben, ohne Vortrag etwas zu entscheiden. ( . . . ) Die Gegenstände kann ich nie ohne Vortrag und Genehmigung erledigen.“453

Anders verhielte es sich aber mit den Bereichen Justiz und Verwaltung, „eben weil Ew. Herzogl. Durchlaucht schon für das Allgemeine entschieden hatten. Für den Fall, wo ich mich in der richtigen Anwendung der Grundsäzze, welche Ew. Durchlaucht bestimmt hatten, geirrt hatte, blieb ja der Rekurs an Ew. Durchlaucht und ich hielt 450 451 452 453

StACo Min F 426 fol. 17, 17’. StACo Min F 426 fol. 29. StACo Min F 426 fol. 29’, 30. StACo LA A 5442 fol. 14 (die Hervorhebung entstammt dem Original).

112

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

diesen um so nothwendiger, weil dann auch ich einen obersten Richter hatte. Hatte ich mich aber nicht geirrt und es erscheint kein Rekurs, so habe ich ja richtig entschieden. In Justiz-Sachen kann weder der Regent noch sein Ministerium entscheiden, es kann hier gar nichts thun als die Justiz-Behörden und die Richter zu ihren Pflichten anhalten. Ich habe daher es vor mein erstes Geschäfte gehalten, den Justiz-Behörden ihre Rechte wieder zu verschaffen, und werde mir nie eine Entscheidung anmaasen. Sollten aber in dem Reßort der Justiz Gesezze gegeben werden oder neue Einrichtungen bey den Collegien geschehen, so muß ich erst die Genehmigung Ew. Durchlaucht einhohlen, die Sachen so vollständig als möglich vorlegen und ich werde diese Pflichten nie versäumen. In Finanz-Sachen haben mir Ew. Durchlaucht ( . . . ) die ausschließliche Direktion unter meiner Namens-Unterschrift ( . . . ) übertragen. Ich habe es bis jetzt aber dennoch nicht gewagt, etwas entscheidendes zu verfügen, ohne Höchstdero Genehmigung einzuholen, weil ich meine eigene Sicherheit darinnen finde. Bis jetzt bestanden aber auch fast alle meine Arbeiten blos in Recherchen und vor diesen ist eine Entscheidung die Aufstellung von Grundsäzzen nicht möglich. In Kirchen- und Militär-Sachen werde ich nie etwas verfügen ohne Ew. Durchlaucht Genehmigung bey den Akten zu haben ( . . . ) Ich habe eben deswegen unterthänigst gebeten, mir einen festen Tag in der Woche zu bestimmen, wo ich diejenigen Sachen, welche eine Genehmigung Ew. Durchlaucht bedürfen, vortragen und diese Genehmigung förmlich zu den Akten bringen kann. Die Extracte der Journale, welche ich Höchstdenenselben wöchentlich vorlege, sollten Ew. Durchlaucht zur strengen Contrôle gegen mich dienen. ( . . . ) Ich unterwerfe mich der strengsten Contrôle und habe mir sie durch Aufstellung vorstehender Grundsäzze und durch die Kollegien selbst auferlegt. Allein ich bin auch überzeugt, daß Höchstdieselben einen Geschäftsgang gnädigst genehm halten werden, welcher einer guten Dienst-Verfassung genehm ist und mir das Ansehen erhält, was mir unter den gegenwärtigen Umständen und in meinen jezzigen wahrhaftig nicht angenehmen Verhältnissen unbedingt nothwendig ist. Doch unterwerfe ich dieses alles Höchstdero weisern Entschließungen.“454

f) Vorbildwirkung der Neuorganisation Ausdrücklich nach dem Vorbild Sachsen-Coburg-Saalfelds richtete SachsenHildburghausen, das bis 1806 ebenfalls einer Debitkommission unterstand455, im Jahr 1807 ein hierarchisch organisiertes Behördensystem mit einem Ministerium an der Spitze, dessen bürokratische Leitung einem Minister oblag, ein.456 Ob sich die Einrichtung eines zentralen Staatsministeriums 1806 in Württemberg auch auf coburgische Vorbilder, vermittelt durch den vormaligen Assistenzrat Wangenheim, zurückführen läßt, ist nicht nachweisbar.457 StACo LA A 5442 fol. 14, 14’ (die Hervorhebung entstammt dem Original). Siehe dazu ThStAMgn GA XII.D. 1 – 13. 456 ThStAMgn GA HBN XV.8 fol. 54 ff., Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 45, 58 f. Zu weiteren Reformen durch die Verordnung vom 30. April 1810 siehe Ulrich Heß, Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Meiningen, S. 83. 457 Siehe dazu Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 330. 454 455

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

113

Die hierarchische Ministerialorganisation erhielt in Sachsen-Coburg-Saalfeld in den nächsten Jahren ihre deutlichste Ausprägung, die auch über Kretschmanns Ende hinaus fortwirkte. Durch diese Reform kann Sachsen-Coburg-Saalfeld zu Beginn des 19. Jahrhunderts organisatorisch den fortschrittlichen Staaten zugerechnet werden.458

2. Kretschmanns Planung weiterer Organisationsreformen Mit Verfügung vom 31. Juli 1801 hob Minister Kretschmann die bisherige Geheime Kanzlei in Saalfeld auf und errichtete an deren Stelle eine Landeshauptmannschaft.459 Damit wurde schon die Planung deutlich, die Zuständigkeit der Landesbehörden in Coburg auf den Landesteil Saalfeld auszudehnen und selbständige Behörden in Saalfeld auszudünnen. Zeitrahmen und Inhalt weiterer Veränderungen erläuterte Kretschmann in einem Schreiben an Herzog Franz Friedrich Anton vom 11. Dezember 1801. Nacheinander sollten „nehmlich die Kayserl. Debit-Kommission beendigt und aufgehoben 2.) ein ( . . . ) Schulden-Tilgungs-Fond theils errichtet, theils der groeste Theil der Schulden abgetragen 3.) ( . . . ) die Rechnungsmaschiene selbstaendig organisirt 4.) den Finanz-Quellen ( . . . ) ein bedeutend besserer Ertrag gegeben ( . . . ) 6.) die Justiz und Polizey auf Prinzipien der Moral-Politik zurückgeführt 7.) die Organisation der Landes-Stellen vollendet ( . . . ) 11.) dem ganzen Lande eine neue zwekmaesigere Abrundung verfaßt“460

werden. Diese Planung Kretschmanns trägt ähnliche Züge wie das „Ansbacher Mémoire“ Montgelas’ vom 30. September 1796.461

458 Allgemein vgl. Hans-Peter Ullmann, Staatsverwaltung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 128. 459 ThStAMgn GA VI.F.39, unfol. 460 StACo LA F 5925 fol. 8, 8’. 461 Dieses beinhaltete eine Analyse der aktuellen Verhältnisse und schlug eine Reihe denkbarer Maßnahmen für eine Effektivierung der Verwaltung vor, wozu Montgelas vor allem eine Vereinheitlichung der Mittelbehörden, die Einführung einer einheitlichen Besteuerung, eine Neuregelung der Gerichtsgebühren sowie eine einheitliche Prüfung der Beamten zählte.

114

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

3. Konsolidierungspläne für Finanzen und Wirtschaft a) Situation der herzoglichen Finanzen Zur Sanierung der Privatfinanzen Franz Friedrich Antons hatte Minister Kretschmann 1801 einen vollständigen Haushaltsplan des Hofstaats zusammengestellt. Nach diesem beliefen sich die Schulden auf über 1 Million fl. rh.462; zudem kamen jährlich Ausgaben in Höhe von 210.000 fl. rh., bestehend aus 40.000 fl. rh. Schuldzinsen und 170.000 fl. rh. weiteren Zahlungsverpflichtungen. Dem standen aber lediglich jährliche Einkünfte in Höhe von 169.300 fl. rh. gegenüber, so daß ein laufendes jährliches Defizit von 40.700 fl. rh. zu erwarten war.463

b) Die landschaftliche Versicherungsurkunde Nachdem Minister Kretschmann gegenüber Landschaftsdirektor Könitz eine Verständigung zum Zwecke der Schuldentilgung angeregt hatte, beschloß der Engere Ausschuß auf einer Sitzung am 15. April 1801, einem landschaftlichen Darlehen an den Herzog über 300.000 fl. rh. zuzustimmen.464 Infolgedessen kam es am 27. April 1801 zu einer Übereinkunft zwischen Herzog Franz Friedrich Anton und Landschaft mit der Bezeichnung „Versicherungsurkunde“465, wonach 462 Ein „Zusammentrag über die am 1. April 1801 vorhandenen Landes- und Privatschulden“ mit einem Rechnungsergebnis von 1.261.441 fl. 7 3/4 xr. rh. findet sich bei Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und Finanz-Verwaltung des Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 52 ff. 463 StACo LA A 5442 fol. 80, 80’, gefolgt von einer Korrespondenz über verschiedene denkbare Geldbeschaffungsmodelle. 464 Darstellung in einem Schreiben der Landschaft an den Herzog vom 20. April 1801 bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 61’, 62 = ThStAGo Geheimes Archiv B.IV. Nr. 268, unfol. Nach Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 11, habe es sich um eine „Initiative des Ministers auf einem Ausschußtag“ gehandelt, was nicht zuletzt deshalb abwegig erscheint, da der Minister kein Anwesenheitsrecht auf einem solchen Konvent gehabt hätte – vgl. oben II.4.b)aa) – und zudem von einem derartigen Ausschußtag nichts überliefert ist. 465 Vollständige Wiedergabe in der Urkunde zur kaiserlichen Bestätigung der Versicherungsurkunde vom 20. August 1802 bei StACo Urk LA A 885, 886; Abschriften der Vereinbarung bei StACo LReg 8207 fol. 2 – 3, HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 67 – 70, ebd. 1286 / 1 unfol., ThStAGo Geheimes Archiv B.IV. Nr. 268 unfol., Nr. 269 S. 209 – 217, Nr. 480 fol. 17 – 21’; Abdruck bei Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und Finanz-Verwaltung des Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 100 ff., und bei Christian Ferdinand von Könitz, Beyträge zur Geschichte der Desorganisation, S. 121 ff.; inhaltliche Wiedergabe bei HHStA RHR Relat. 163, unfol. – Die Vereinbarung wurde zunächst zwischen dem Herzog und dem engeren Ausschuß geschlossen, nach Wunsch des Reichshofrates war sie jedoch von sämtlichen Landständen zu genehmigen, was im Umlaufverfahren auch geschah. Die besiegelten Zustimmungserklärungen aller Landstände finden sich ebenso wie die Abforderung durch den Reichshofrat bei HHStA RHR Ob. Reg. 1286 / 1 unfol = ThStAGo Geheimes Archiv B.IV. Nr. 269 S. 209 – 220, Nr. 480 fol. 17 – 24.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

115

diese dem Herzog zur Abtragung der Kammerschulden den Betrag von 300.000 fl. rh. überlassen sollte.466 Diese Summe sollte in Einzelbeträgen an die Kammergläubiger ausgezahlt werden. Als Kompensation für die daraus folgende Zinsbelastung der Landes- und Kriegskasse sollte die bislang erhobene Kriegssteuer, die jährlich 5.200 fl. rh. erbrachte467 und erst 1793 von einer Debitsteuer in eine Kriegssteuer umgewandelt worden war468, bis auf weiteres wieder als Debitsteuer erhoben werden. Der Herzog versicherte zudem, den einen Zinsfuß von vier Prozent gegebenenfalls übersteigenden Betrag ebenso wie diverse Garnisonsausgaben bis zur Begleichung des landschaftlichen Zuschusses selbst tragen zu wollen. Die Tilgung sollte durch eine jährliche Zahlung von 12.000 fl. rh. erfolgen, zur Sicherung dieser Zahlung wurde der Landschaft das Kastenamt Coburg verpfändet. Die bestehende landschaftliche Verfassung sollte von dieser Vereinbarung unberührt bleiben. Vereinbarungen einer Übernahme landesherrlicher Schulden durch die Landschaft zwecks Erlangung und Sicherung eines größeren landschaftlichen Einflusses auf die Schulden- und Domänenverwaltung des Landesherrn waren bis zum Ende der ständischen Zeit insbesondere auch wegen der höheren Kreditwürdigkeit steuereinnehmender Landstände469 nicht unüblich.470 Auch die Verpfändung besonderer Einnahmen als Sicherheit für eine Anleihe war verbreitet und entstammte einem englischen Vorbild aus dem Jahre 1716.471 Der Engere Ausschuß übersandte die Versicherungsurkunde an den Reichshofrat in Wien und beantragte, diese mit einer kaiserlichen Bestätigung versehen zu lassen und die Debitkommission mit allen Folgen aufzuheben, was der Reichshofrat jedoch am 21. Juli 1801 ebenso wie einen Antrag Herzog Franz Friedrich Antons auf Aufhebung der Debitkommission vom 6. Juni 1801 ablehnte.472 In einem Schreiben an den Reichshofrat vom 29. März 1802 führte dieser nunmehr aus, daß eine Bestätigung der Übereinkunft mit der Landschaft mittlerweile unnötig geworden sei, da er das Kapital nicht angenommen und die Gläubiger auf andere Weise Offensichtlich unrichtig daher Erich Keerl, Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 46. Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 12. 468 Vgl. StACo Min E 2874. 469 Vgl. dazu Hans-Peter Ullmann, Überlegungen zur Entstehung des öffentlichen, verfassungsmäßigen Kredits in den Rheinbundstaaten, S. 112, 117. 470 Johann Jacob Moser, Von dem Reichs-Ständischen Schuldenwesen, Erster Theil, S. 626; Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, Erster Theil, S. 182; Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 54 f.; zu großangelegten Schuldenübernahmen durch Landstände seit dem 16. Jahrhundert vgl. Volker Press, Formen des Ständewesens in den deutschen Territorialstaaten, S. 292; insbesondere zu Brandenburg siehe Magnus Friedrich von Bassewitz, Die Kurmark Brandenburg, S. 132 ff. 471 Siehe dazu Nikolaus Thaddäus Ritter von Gönner, Von Staats-Schulden, deren Tilgungs-Anstalten und vom Handel mit Staatspapieren, S. 107 f. 472 HHStA RHR Ob. Reg. 1286 / 1 unfol. = StACo Min E 3404 fol. 74 – 88’ = ThStAGo Geheimes Archiv B.IV. Nrn. 267 unfol., 268 unfol., 479 fol. 222 – 232; Darstellung in der Relation bei HHStA RHR Relat. 163, unfol. 466 467

116

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

befriedigt habe.473 Am 27. Juli 1802 wurde hierzu behauptet, diese Ausführungen seien nur erfolgt, da die Landschaft die erforderlichen Mittel nicht schnell genug habe beschaffen können und bislang nur ca. 70.000 fl. rh. aus ihren Mitteln bezahlt habe.474 Da die Landschaft aber auf der Gültigkeit der Versicherungsurkunde bestehe und die fehlende Summe noch entrichten wolle, wolle man nunmehr ebenfalls deren kaiserliche Bestätigung beantragen.475 Nachdem Minister Kretschmann diverse Steuern eingetrieben und bei zahlreichen coburgischen Gemeinden Anleihen aufgenommen hatte476, wurde die Debitkommission durch Conclusum des Reichshofrats vom 20. August 1802477 aufgehoben, die Versicherungsurkunde kaiserlich bestätigt und der Herzog von Sachsen-GothaAltenburg als Vorsitzender der Kommission angewiesen, „dem Herrn Herzog zu SCS. die Administration Seines Cameral- u. Oekonomie-Wesens zu restituiren.“478 Infolgedessen kann der Wertung von Siegrid Westphal, wonach die Schuldenabwicklung Sachsen-Hildburghausens durch die dortige Debitkommission erfolgreicher als diejenige Sachsen-Coburgs gewesen sei479, nur bedingt gefolgt werden. Die Landschaft zahlte allerdings tatsächlich von den zugesagten 300.000 fl. rh. nur 75.000 fl. rh.480, was wohl auf die bereits begonnenen Auseinandersetzungen zwischen dem Minister und den Landständen481 zurückzuführen war. Gegenseitige Vorwürfe, die Landschaft sei vertragsbrüchig gewesen und habe die verwilligten Gelder nicht gezahlt482 bzw. der Minister habe die Mittel in vertragsbrüchiger Weise nicht abgerufen483, wurden erhoben. Die fehlende Deckung erfolgte durch verschiedene Anleihen und Verkäufe.484 473 HHStA RHR Ob. Reg. 1286 / 1 unfol.; Darstellung in der Relation bei HHStA RHR Relat. 163, unfol. 474 Siehe dazu auch sogleich c). 475 HHStA RHR Ob. Reg. 1286 / 1 unfol. = StACo Min E 3406 fol. 8 – 9’; Darstellung in der Relation bei HHStA RHR Relat. 163, unfol. 476 Vgl. die herzoglichen Schuldurkunden bei StACo Min E 3379 fol. 78 – 97. 477 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 67 – 70 = ebd. 1286 / 1 unfol.= StACo Urk LA A 885, 886 = ThStAGo Geheimes Archiv B.IV. Nr. 268 unfol., Nr. 269 S. 209 – 217, Nr. 480 fol. 17 – 21’. Diese Aufhebung erfolgte eindeutig nicht bereits 1801, wie bei Curt Hoefner, Coburger Hofzeremoniell im frühen 19. Jahrhundert, S. 32 behauptet. 478 HHStA RHR Ob. Reg. 1286 / 1 unfol. = HHStA RHR Relat. 163, unfol. = StACo Min E 3406 fol. 24 – 32 = ThStAGo Geheimes Archiv B.IV. Nr. 267, Abschrift bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 71’ – 72’ = StACo Min E 3406 fol. 17, 17’ = StACo LA F 246 fol. 143 –145’. 479 Der politische Einfluß von Reichsgerichtsbarkeit, S. 101 f. 480 Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und FinanzVerwaltung des Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 6, 27. 481 Zu diesen vgl. sogleich 5. 482 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, S. 28 ff.; Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und Finanz-Verwaltung des Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 27; Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 80. 483 Christian Ferdinand von Könitz, Beyträge zur Geschichte der Desorganisation, S. 27 f.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

117

c) Versuchte Reorganisation des landschaftlichen Rechnungswesens Am 13. August 1801 erließ Minister Kretschmann eine Instruktion zur besseren Einrichtung des landschaftlichen Rechnungswesens.485 Hiermit wurde zum ersten Mal ein Rechnungsjahr für die Landes- und Kriegskasse eingeführt, das, beginnend mit dem 1. Juni 1802, vom 1. Juni bis zum 31. Mai laufen sollte. Durch die Instruktion wurde wohl erstmalig eine Kassenführung nach vorher aufgestellten Etats angeordnet, wofür bestimmte Formalien vorgeschrieben wurden. Nach der Instruktion bestand die Einnahmeseite der Landes- und Kriegskasse aus Grundsteuern, Gewerbsteuern, Taglöhnersteuern, Viehsteuern, Wein- und Bier-Akzisen, Wachtgeldern der Stadt Coburg und Zinsen. Durch die Instruktion sollte wohl auch eine ordnungsgemäße Buchführung mit Steuerregistern eingeführt werden. Das Ziel Kretschmanns dabei war klar: „Wir können nicht zugeben, daß die zeitherige Nachlässigkeit bey Erhebung dieser Abgaben fortdauere.“486

Zur erstmaligen Aufstellung von Haushaltsplänen sollte die Landesregierung sodann auf Anordnung des Ministers vom 16. Januar 1802 die Rechnungsbelege von 1796 bis 1801 von der Landes- und Kriegskasse einfordern.487 Dem kam die Landesregierung am 18. Januar 1802 nach.488 Am 20. Januar 1802 meldete sich daraufhin der Engere Ausschuß mit folgendem Schreiben: „Über das wegen einer neuen Form der Landschafts-Rechnung ( . . . ) an uns erlassene hohe Rescript ( . . . ) müßen wir nicht nur mit dem Landes-Cassierer, sondern auch mit unsern sämtlichen Mitständen erforderlichermaßen communiciren und der letztern desfallsige Abstimmungen einholen, welche aber der bekannten hiesigen Landschaftl. Verfaßung nach nicht so geschwinde und mit Zuverläßigkeit geschehen und ( . . . ) binnen einer gewißen Frist wohl unmöglich erfolgen kann.“489

Das angekündigte Gutachten der Landstände wurde schließlich am 14. Januar 1802 eingereicht490 und stellte trotz scheinbarer Zustimmung zum Reformvorhaben ein Beispiel für die „Planungsfeindlichkeit des ständisch-monarchischen Finanzdualismus“491 dar. Grundsätzlich bestünden zwar keine Bedenken gegen die Festsetzung von Etats, jedoch könne eine solche Festsetzung nur unter Mitwirkung der Landschaft erfolgen. Eine Besteuerung von Pferden, Ochsen, Kälbern und Ziegen verstoße aber gegen die bestehende Verfassung, zumal da das Landeswohl keine Erhöhung der Steuern notwendig mache. 484 Beschreibung bei Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und Finanz-Verwaltung des Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 27 f. 485 StACo LReg. 537 fol. 1 – 16 = StACo Min V 4 fol. 4 – 11’. 486 StACo LReg. 537 fol. 1’. 487 StACo LReg. 537 fol. 65. 488 StACo LReg. 537 fol. 66. 489 StACo LReg. 537 fol. 71, 71’ = StACo Min V 4 fol. 18, 18’. 490 StACo LReg. 537 fol. 76 – 81. 491 Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 58.

118

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

In einem Schreiben vom 20. Februar 1802 wurde der Landschaft eine mangelnde Erfüllung ihrer Verpflichtung aus der Versicherungsurkunde vorgeworfen492, nunmehr wolle der Herzog von dem Anlehen nur noch so viel annehmen wie noch zur Schuldentilgung notwendig sei.493 Am 4. Juni 1802 wandte sich der Engere Ausschuß gegen den mittlerweile entworfenen Etat für die Landes- und Kriegskasse.494 Eine Anwendung des Etats durch den Kriegskassier ist nicht belegbar. d) Das Hausgesetz vom 1. April 1802 aa) Inhalt Um eine weitere Schuldenanhäufung des Herrscherhauses in der Zukunft zu vermeiden, wurde unter dem 1. April 1802495 das zwischen Herzog Franz Friedrich Anton496, Erbprinz Ernst und den Agnaten Prinz Friedrich Josias497 und Prinz Ludwig vereinbarte Hausgesetz498 unterzeichnet. In diesem wurde ähnlich wie in der programmatischen Erklärung Landgraf Ludwigs X. von Hessen-Darmstadt aus dem Jahre 1790499 und in Art. I der preußischen „Verordnung wegen der künftigen Behandlung des gesamten StaatsschuldenSiehe dazu auch soeben b). HHStA Ob. Reg. 170 / 2 fol. 82’, 84. 494 StACo LReg. 537 fol. 133 – 138 = StACo Min V 4 fol. 80 – 85 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 368 ff. 495 Nicht am 1. April 1800, wie bei Hermann Schulze, Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Dritter Band S. 51 behauptet. 496 Offensichtlich unrichtig ist die von Hermann Schulze, Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Dritter Band S. 51 angeführte Urheberschaft Ernst Friedrichs. 497 Zu diesem vgl. jetzt auch die Biographie von Helmut R. Hammerich („Vivat hoch, Prinz Coburg lebe“). 498 „Herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldisches Hausgesetz über die Nichtverbindlichkeit der Regierungs-Nachfolger, die Schulden und Veräußerungen der Regierungs-Vorfahren anzuerkennen.“ Abdruck bei Textanhang Nr. 2 = ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1 Nr. 2, fol. 6 b – 6 e’ = StACo LA F 4784 = StACo Urk LA A 939 = StACo LA L 322 = StACo Kammeramt Coburg 27, unfol. = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 96 – 101’ = Karl August von Wangenheim, Auch ein Beytrag zur Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, Erster Theil, Urkundenbuch S. 8 – 16 = Coburger Wochenblatt Nr. 2 vom 14. Januar 1804 ff. – Zum Streit, inwieweit ein Reichsstand für die Schulden seiner Vorfahren haftbar gemacht werden konnte, vgl. Carl Christoph Albert Heinrich von Kamptz, Erörterung der Verbindlichkeit des weltlichen Reichsfürsten aus den Handlungen seiner Vorfahren, in toto; zur Bindung eines Regenten an Handlungen der Vorgänger überhaupt Wilhelm Josef Behr, Staatswissenschaftliche Erörterung, S. 1 ff., 10 ff., 38 ff.; zusammenfassend Heinrich Albert Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Erster Theil, S. 389 ff. Zu dieser Frage siehe auch Hans-Peter Ullmann, Überlegungen zur Entstehung des öffentlichen, verfassungsmäßigen Kredits in den Rheinbundstaaten, S. 112. 499 Andreas Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 133. 492 493

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

119

wesens“ vom 17. Januar 1820500 festgelegt, daß alle bis dato bestehenden und anerkannten Schulden als Familienschulden anzusehen seien, so daß eine Haftung der künftigen Regierungsnachfolger dafür besteht. Dasselbe sollte grundsätzlich auch für künftige Schulden gelten. Ausgenommen hiervon waren lediglich diejenigen Schulden, die nicht zum Besten des Landes aufgenommen wurden. Diese Voraussetzung war von der zeitgenössischen Rechtsauffassung bereits für Landesschulden, also Schuldenaufnahme der Landstände, anerkannt.501 Um eine Schuldenaufnahme nur zum Wohle des Landes zu garantieren, war jede neu aufzunehmende Schuld von der Landesregierung zu prüfen, eine Verbindlichkeit für den Regierungsnachfolger ergab sich nur, wenn das Schulddokument mit den besiegelten Unterschriften sämtlicher Mitglieder der Landesregierung versehen war. Künftig sollten die Ausgaben der Hofhaltung beschränkt und das Domänenvermögen nur zugunsten des Landes verwendet werden. Haushaltsüberschüsse sollten zur Schuldentilgung verwendet werden. Als „eiserner Fonds“ sollte ein Betrag von 200.000 fl. rh. angesammelt werden. Zudem sollte die Wirtschaft durch die Errichtung einer „Staats-, Leih-, Giro- und Deposito-Bank“502 gestärkt werden, die Kretschmann später offen als Institut zur Geldbeschaffung anstelle des von der Landschaft nicht eingelösten Darlehensversprechens von 300.000 fl. rh. bezeichnete.503 Eine Beteiligung der Landstände bei der Schuldenaufnahme sowie bei der Tätigkeit der Bank war nicht vorgesehen. Die Frage der Bindung an Handlungen der Regierungsvorgänger hatte Kretschmann bereits 1797 hinsichtlich der Rechte des Königs von Preußen in den fränkischen Fürstentümern untersucht.504 Prüfungen der Aufnahme neuer Anleihen durch einen bürokratischen Entscheidungsprozeß wurden später auch in den Schuldenpragmatiken von Bayern (1804) und Baden (1806) vorgesehen.505 bb) Vorbilder und Außenwirkung Der Weg, zum Zwecke der Schuldentilgung Ausgaben nur bei Zustimmung einer insoweit unabhängigen Behörde anzuerkennen oder durchzuführen, war bereits 1590 in Sachsen-Weimar eingeschlagen worden.506 Dennoch wurde zeit500 PrGS 1820, 9 = Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 72. 501 Siehe dazu Hans-Peter Ullmann, Staatsschulden und Reformpolitik, S. 415. 502 Zu dieser siehe unten e). 503 Bericht Kretschmanns an Herzog Ernst vom 4. August 1807 bei StACo Min E 3803 fol. 3. 504 Theodor Konrad (von) Kretschmann, In wie fern sind Se. Majestät an die Verträge gebunden, welche die Regierungs-Vorfahren des Fränkischen Fürstenthümer mit den Nachbaren geschlossen haben. 505 Hans-Peter Ullmann, Überlegungen zur Entstehung des öffentlichen, verfassungsmäßigen Kredits in den Rheinbundstaaten, S. 118. 506 Wolfgang Huschke, Politische Geschichte 1572 – 1775, S. 47.

120

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

genössisch die Konstruktion dieses Hausgesetzes als neuartig bezeichnet.507 Grundsätzlich neu war dabei höchstens der Gedanke der Errichtung einer Staatsbank. Doch bereits knapp 100 Jahre zuvor hatte Österreich 1703 vergeblich versucht, mit dem „Banco del Giro“ eine Staatsbank zur Schuldentilgung und Kreditbeschaffung zu etablieren.508 König Friedrich II. von Preußen hatte am 14. Oktober 1772 mit der Preußischen Seehandlung die Gründung eines Handels- und Bankinstituts zur Wirtschaftsförderung unternommen509, dem 1780 Markgraf Karl Alexander von Ansbach-Bayreuth gefolgt war.510 Ebenso wie die beiden letztgenannten Institute stellte die Bank eine merkantilistische Staatshandels- und Kreditgesellschaft dar.511 Auch in Sachsen-Weimar-Eisenach hatten Planungen zur Errichtung eines Staatsbankinstituts bereits seit 1777 existiert, waren jedoch nicht umgesetzt worden.512 Dennoch schienen die Regelungen des Hausgesetzes Vorbildwirkung weit über den fränkisch-sächsischen Raum hinaus entfaltet zu haben: Die Schuldenpragmatik des Kurhauses Pfalzbayern vom 20. Oktober 1804513, die die Regelungen des Ansbacher Hausvertrages vom 12. Oktober 1796514 in geltendes Recht über die Familienebene hinaus umsetzte515, enthielt neben der Ankündigung der Errichtung eines Schuldentilgungsfonds eine enumerative Aufzählung von zulässigen im wesentlichen gemeinwohlorientierten Gründen zur Kapitalaufnahme, deren Rechtmäßigkeit im Einzelfall ähnlich wie nach der Vorschrift der Nr. III des Hausgesetzes durch eine vorherige Untersuchung durch die Departements des Auswärtigen und der Finanzen nachzuprüfen war. Ähnlich wie in Sachsen-Coburg-Saalfeld, wo das Hausgesetz in Nrn. I und IV bestimmte eidliche Verpflichtungen des Ministers, der Hauptdomänenkasse und der Mitglieder der Landesregierung vorsah, waren in Pfalzbayern künftig eintretende Staatsdiener auf die Schuldenpragmatik zu vereidigen.516 Auch die Schuldenpragmatik Badens aus dem Jahre 1806 erhielt nach coburgischem Vorbild den Charakter eines Haus-, Staats- und Landesgrundgesetzes.517 507 Christian Wilhelm von Zerzog, Ideen über das Herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische Hausgesetz, S. 14. 508 Ernst Klein, Geschichte der öffentlichen Finanzen in Deutschland, S. 33 ff. 509 Zur Gründung der Seehandlung vgl. Hans-Wilhelm Rudhart, Die Preußische Staatsbank (Seehandlung), S. 1 – 7. 510 Franz Steffan, Die bayerische Staatsbank, S. 7. 511 Manfred Just, Die herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische Staatsbank, S. 30 f. 512 Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 87. 513 RBl. 1805, Sp. 201 ff. = Rolf Kiessling / Anton Schmid, Regierungssystem und Finanzverfassung, S. 319 ff. 514 Abgedruckt bei Hermann Schulze, Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Erster Band S. 300 ff. 515 Vgl. dazu Hans-Peter Ullmann, Staatsschulden und Reformpolitik, S. 418. 516 Hans-Peter Ullmann, Staatsschulden und Reformpolitik, S. 624. 517 Hans-Peter Ullmann, Staatsschulden und Reformpolitik, S. 624 f.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

121

cc) Mangelnde kaiserliche Bestätigung Wegen der Wichtigkeit des Inhalts sollte das Hausgesetz eine kaiserliche Bestätigung erhalten, die am 4. November 1803 beantragt wurde.518 Nach Mitteilung des herzoglichen Agenten am Reichshofrat519, David Heinrich Gottfried von Pilgramm, vom 1. Februar 1804 waren für eine derartige Bestätigung normalerweise 3.000 fl. rh. zu entrichten, es könne jedoch ein Nachlaß in Höhe von 1.000 fl. rh. eingeräumt werden; Sachsen-Coburg-Saalfeld sei auch bereit, die sich ergebenden 2.000 fl. rh. zu zahlen.520 Dies war jedoch nicht mehr möglich, da nach einer Mitteilung Pilgramms vom 14. März 1804 wegen der mittlerweile anhängigen Klage der Landstände beim Reichshofrat521 die beantragte Bestätigung nicht erfolgen könne.522 dd) Vollzugsdefizite Wohl entsprechend zahlreicher Anschuldigungen wurden die im Hausgesetz zur Sicherung der finanziellen Flexibilität vorgesehenen Maßnahmen wie beispielsweise die Prüfung neuer Kreditaufnahmen durch die Landesregierung als unabhängige Behörde tatsächlich nicht oder nur mit Mängeln vollzogen. Neben dem Fehlen einer kaiserlichen Bestätigung dieser Rechtsnorm können als Ursache die Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern der Landesregierung und dem Minister523 sowie die Übernahme des Präsidiums der mittlerweile hierarchisch organisierten Landesregierung durch Kretschmann selbst524 angesehen werden. Auch Geheimrat Gruner sprach 1817 von einem „Schein der Gültigkeit“ des Hausgesetzes.525 518 StACo LA B 2175 fol. 3, 3’ = ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1 Nr. 2 fol. 33 – 34’. Nach HHStA RHR Relat. 22, unfol. wurde der Antrag am 3. Februar 1804 wiederholt. 519 Zur Rolle der Reichshofratsagenten siehe allgemein Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1335. 520 ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1 Nr. 2 fol. 37, 37’; weiteres Schreiben Pilgramms vom 9. Februar 1804 bei ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1 Nr. 2 fol. 38’; Antwort Kretschmanns vom gleichen Tage bei StACo LA B 2175 fol. 6, 6’; Schreiben Pilgramms vom 9. März 1804 bei ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1 Nr. 2 fol. 39 – 40. 521 Siehe dazu sogleich 5.f), m) sowie VI.1. 522 ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1 Nr. 2 fol. 41, 41’. 523 Näheres bei IV.3.c). 524 Siehe dazu IV.3.c)bb). 525 StACo Min J 240 fol. 127’.– Nach Christian Ferdinand von Könitz,, Beyträge zur Geschichte der Desorganisation, S. 68, sei das Hausgesetz bereits im Sommer 1803 wieder aufgehoben worden, nähere Hinweise hierzu lassen sich jedoch nicht finden. Diese Behauptung erscheint unrichtig, da im Verfahren der Agnaten (siehe dazu VI.2.) vor dem Reichshofrat über eine Änderung des genau bezeichneten Hausgesetzes verhandelt und mithin von dessen Fortbestand ausgegangen wird. Auch Theodor Konrad Hartleben geht in einem Gutachten im September 1807 noch von der Geltung des Hausgesetzes aus, StACo LA F 260 fol. 54. Im

122

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

e) Die coburgische Staatsbank Die Staatsbank, die zum Zwecke der Förderung der Wirtschaft und zur Mittelabschöpfung für den immer noch kreditunwürdigen Staat526 errichtet wurde, erhielt ihre nähere innere Ausgestaltung durch eine Verordnung vom 4. April 1802527. Die Bank führte die Firma „Herzogliche Sachsen-Coburg-Saalfeldische Staatsbank“ (§ 97). Ihr Kapital sollte sie aus einer einmaligen Zahlung des Herzogs in Höhe von 100.000 fl. rh. und einem jährlichen Zuschuß des Herzogs aus den Einkünften der Ämter Saalfeld, Gräfenthal und Probstzella in Höhe von 50.000 fl. rh. über zwanzig Jahre hinweg beziehen (§ 1). Der Bankfonds sollte als unveräußerlicher Fideikommiß des regierenden Hauses betrachtet werden, der Bank selbst wurde eine grundsätzliche Unabhängigkeit vom Landesherrn garantiert (§ 2). Als Sicherheit wurden der Bank die genannten Ämter verpfändet (§ 3). Die Direktion der Bank stand dem dirigierenden Minister zu (§ 78).528 Mithin war die coburgische Bank ebenso wie die preußische Staatsbank und die Ansbacher Hofbank eine reine Anstalt des Fürsten und seiner Verwaltung, wenngleich sie im ausschließlichen Eigentum des Herrscherhauses stand. Der Bank oblag die Erteilung von Krediten gegen unverderbliche Faustpfänder zu einem Zinssatz von mindestens 6% (§§ 4 – 28), mit Genehmigung des Landesherrn konnten Kredite im Einzelfall auch gegen Sicherheit auf Grundstücke und Schuldverschreibungen begeben werden (§§ 29 – 52). Die Bank durfte Anleihen mit einem Zinssatz von höchstens 4% begeben (§§ 53, 54). Sie wurde zur Ausstellung von Banknoten („Bankzetteln“) als Inhaberpapiere529 in einer Stückelung von fünf bis 1000 fl. rh. ermächtigt (§§ 63 – 71), „welche als baares Geld gehen und gelten sollen“ (§ 66). Als Girobank kam der Staatsbank die Durchführung von Zahlungsverkehr und Wechselgeschäften zu (§§ 75 – 77), als Depositenbank übernahm sie die Aufnahme und Deposition von Geldern öffentlicher Kassen und Privater (§§ 72 – 74). Im Gegensatz zu Preußen beschränkte sich der Betrieb zunächst nur auf den Finanzbereich, der Bank oblag nicht die Verwaltung der Monopole wie in Preußen.530 Jahre 1817 meinte Geheimrat Gruner wiederholt, man müsse es wohl förmlich aufheben (StACo Min J 240 fol. 128). Das Hausgesetz ist im Auszug sogar noch in einer Sammlung aus dem Jahr 1844 (August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 4 ff.) enthalten, obwohl ab 1818 anscheinend von einer stillschweigenden Aufhebung mit Regierungsantritt Herzog Ernsts ausgegangen wurde, vgl. ThStAGo Staatsministerium C II. Loc. J Tit. 1. Nr. 25. 526 Vgl. die Schilderung bei Manfred Just, Die herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische Staatsbank, S. 14 ff. 527 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 104 – 125 = StACo LA F 5329 = StACo LA K 1 = StACo LReg. 3872 / 1 fol. 214 – 235 = StACo Landtag 907, unfol. 528 Ebenso war auch Hardenberg 1792 zum Leiter der Ansbacher Hofbank ernannt worden, Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 252. 529 Anders als in Ansbach-Bayreuth, wo die Ansbacher Hofbank noch Namenspapiere ausgab, Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 251.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

123

Bei der Staatsbank wurde schließlich auch der Schuldentilgungsfonds errichtet (§§ 54 – 62). Aus diesem sollten die verbliebenen Schulden des Landesherrn aus den zu erwartenden Überschüssen der verschiedenen Haushalte beglichen werden. In diesem Zusammenhang findet sich eine finanzverfassungsrechtlich anmutende Selbstbindung: „§. 56. So lange die Schulden nicht vollständig getilgt sind, hat kein regierender Landesherr jetzt und in Zukunft das Recht, über diese Etats-Ueberschüsse anders, als zu Zahlung der Schulden zu disponiren, und Wir haben diese Bestimmung ausdrücklich in Unserm bekannt gemachten Hausgesetze sancirt. §. 57. Sobald aber die Schulden getilgt sind, dürfen auch die Etats-Ueberschüsse nicht anders als zur Erhöhung des Bank-Fonds, wenn es nothwendig seyn sollte, oder zu gemeinützigen Landes-Anstalten, und zur Vermehrung des eisernen Fonds verwendet werden.“

Kretschmann selbst sah 1807 die Staatsbank als Nachfolgerin der aufgehobenen Debitkommission an.531 Dem kann aufgrund des naturgemäß beschränkten Zuständigkeitsbereichs der Staatsbank allenfalls hinsichtlich der Schuldenabwicklung gefolgt werden. f) Reform des Kassenwesens aa) Versuch eines Eingriffs in die Landeskasse Ein erster Schritt zur beabsichtigten Vereinheitlichung des Kassenwesens in Sachsen-Coburg war die Einsetzung des Haupt-Einnehmers bei der herzoglichen Hauptdomänenkasse zum Kontrolleur bei der Landes- und Kriegskasse sowie umgekehrt des Kriegscommissairs zum Kontrolleur bei der Hauptdomänenkasse durch Reskript vom 26. April 1802.532 Dies wurde damit begründet, daß es die Ordnung im Kassenwesen erfordere, daß jeder Rendant einen Kontrolleur habe. Zwar wurde beteuert, daß die beiden Kassen nach wie vor streng voneinander getrennt bleiben sollten533, jedoch liegt der Schluß nahe, daß durch diese Ernennung eine Vereinheitlichung des Finanzwesens in Form einer Übernahme des landschaftlichen Kassenwesens durch die herzogliche Verwaltung vorbereitet werden sollte. Landschaftsdirektor Könitz war daher wohl nicht zu Unrecht der Ansicht, „man 530 Paul Schrader, Die Geschichte der Königlichen Seehandlung, S. 2; Hermann Schleutker, Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Königlichen Seehandlung, S. 4 ff. 531 Bericht vom 4. August 1807, StACo Min E 3803 fol. 3; ihm folgend Manfred Just, Die herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische Staatsbank, S. 19. 532 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 144’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 353 ff. Ein Schreiben Schmuzers vom 19. Juni 1802, in welchem er an Könitz berichtete und um nähere Anweisungen bat, findet sich bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 148 – 149’ = Christian Ferdinand von Könitz, Beyträge zur Geschichte der Desorganisation, S. 127 ff. Zur Interpretation dieser Handlung durch die Landstände siehe unten 5.m). 533 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 358.

124

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

hatte ( . . . ) Versuche gemacht, die Casse der Landschaft mit der Domainencasse zu vereinigen“.534 bb) Die allgemeine Rechnungsinstruktion vom 30. April 1802 Am 30. April 1802 erging die „Allgemeine Kassen- und Rechnungsinstruction für das Fürstenthum Coburg-Saalfeld“.535 Durch diese Vorschrift wurde das gesamte Finanz- und Rechnungswesen in Sachsen-Coburg-Saalfeld nach moderneren Prinzipien536 neu geregelt. Für jede bestehende Kasse sollten im voraus einjährige Haushaltspläne (Etats) erstellt werden (§§ 1 – 10), da „man hiernach Einnahmen und Ausgaben im voraus weiß und nicht unvorbereitet jedem Zufalle ausgesetzt ist.“ (§ 3). Jede Kasse in Sachsen-Coburg-Saalfeld wurde zur Führung von Journal, Manual, Register und Abrechnungsbuch verpflichtet; hieraus waren regelmäßig Quartals- und Jahresabschlüsse zu fertigen (§§ 11 – 14). Ferner wurden Aufbewahrung der Rechnungsbücher, Kassenvisitationen (§§ 15 – 19) sowie die Rechnungslegung im engeren Sinne unter Einschluß des Belegwesens und der Revision detailliert geregelt (§§ 29 – 79). Das Rechnungsjahr lief vom 1. Juni bis 31. Mai (§ 47). g) Wirtschaftsverwaltung aa) Die Gesindeordnung vom 11. März 1803 Zur besseren Ordnung des Gesindewesens537 sollte durch die Gesindeordnung vom 11. März 1803538, die unter Berufung auf bereits seit 1780 bestehenden Planungen entstanden war539, unter Aufhebung der (altenburgischen) Gesindeordnung Christian Ferdinand von Könitz, Beyträge zur Geschichte der Desorganisation, S. 6. Coburger Wochenblatt Nr. 4 vom 28. Januar 1804 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band XII S. 3 ff. 536 Nach Karl August von Wangenheim, Auch ein Beytrag zur Geschichte der Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, Zweyter Theil, S. 29 erfolgte die Reorganisation nach preußischem Muster. 537 Derartiges war wegen des „üblen Benehmens“ des Gesindes zeitgenössisch weit verbreitet. Vgl. die „Gesind-Ordnung vor die Landeshauptmannschaft Hof“ von 1776 (StACo Min D 4136 fol. 6 – 13’), die Sachsen-Gothaische Gesindeordnung vom 24. Juli 1797 (StACo Min D 4136 fol. 14 – 31’) und die Einführung einer Gesindepolizei in Stuttgart (siehe dazu Theodor Konrad Hartleben, Deutsche Justiz- und Polizei-Fama, Erster Band, Sp. 274 ff.); zum Hintergrund allgemein Rainer Schröder, Das Gesinde war immer frech und unverschämt, in toto. 538 StACo Min D 4136 fol. 35 – 62’ = StACo LA F 5651 = StACo LA L 675 = Coburger Wochenblatt Nr. 17 vom 29. Oktober 1803 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VII S. 3 ff. 539 Vgl. zur Planung einer „Dienstboten- und Taglöhner-Ordnung“ StACo LReg. 4736; zu den Anfängen einen Bericht der Landesregierung vom 18. Oktober 1801 StACo Min D 4136 534 535

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

125

von 1652540, die in Sachsen-Altenburg schon 1744 aufgehoben worden war541, eine eigene Gesindeverwaltung errichtet werden. Diese oblag in den Städten den Stadträten bzw. Magistraten und auf dem Land der jeweils zuständigen Justizbehörde (§§ 1 – 22). Die Aufgabe dieses Verwaltungszweigs war insbesondere die Führung von Herrschafts-, Gesinde- und Dienstlosenkarteien. Durch diese Ordnung wurden zudem ähnlich wie in dem aus dem Jahr 1804 stammenden kursächsischen Entwurf einer Gesindeordnung542 die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Herrschaft und Gesinde in zeitgenössisch üblicher Weise543 ähnlich wie in den Vorschriften von ALR II 7 §§ 185 ff. kasuistisch detailliert neu geregelt (§§ 32 – 109). Für Dienstlose bestand ein Anspruch auf Unterstützung aus der neu begründeten Gesindekasse, die sich aus Abgaben der Berufstätigen finanzierte, gleichzeitig aber ein Kontraktionszwang bei Nachfrage nach Gesinde (§§ 110 – 126). Diese Vorschriften wurden allerdings trotz Nachbesserungen und späterer Vorlage bei der Landschaft zur Erstattung ihres Gutachtens544 nie umgesetzt.545 bb) Die Handwerksordnung vom 25. Mai 1803 Grundlage der Handwerksordnung vom 25. Mai 1803546 war nach wie vor die Organisation und Berufsausübung des Handwerks auf der Grundlage des Zunftwesens. Neben der inneren Organisation der Zünfte (§§ 1 – 23) schrieb die neue Rechtsnorm Voraussetzungen für Ausbildung und Ausübung handwerklicher Berufe (§§ 24 – 126) fest. Wesentliche Voraussetzung für eine Aufnahme als Lehrbursche durch zünftige Meister, welchen allein die Ausbildungsberechtigung zustand (§ 108), war die „ehrliche“ Geburt, Kenntnis der Religion, des Lesens und Schreibens sowie der Grundrechenarten (§§ 25, 27). Die Berufsausübung blieb auf fol. 3, 3’. Die den ersten Entwurf beinhaltenden Akten der Landesregierung scheinen nach einer Anweisung Kretschmanns an die Registraturen zum gründlichen Suchen vom 16. April 1803 (StACo LReg. 4738 fol. 6; zur zeitgenössischen Häufigkeit des Aktenverlusts vgl. Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 126) jahrelang verschollen gewesen zu sein. 540 Abdruck bei StACo Amtsbücherei Rd 5 (1), unfol.; zu dieser vgl. ausführlich Otto H. Brandt, Der Bauer und die bäuerlichen Lasten im Herzogtum Sachsen-Altenburg, S. 79 ff. 541 Vgl. dazu Otto H. Brandt, Der Bauer und die bäuerlichen Lasten im Herzogtum Sachsen-Altenburg, S. 91 ff. 542 Siehe dazu Robert Wuttke, Gesindeordnungen und Gesindezwangsdienst in Sachsen, S. 193 f. 543 Zu der dem Zeitgeist entsprechenden detaillierten Gesindegesetzgebung in Deutschland ab dem 18. Jahrhundert vgl. Otto Könnecke, Rechtsgeschichte des Gesindes in Westund Süddeutschland, S. 58 ff. 544 Zu entnehmen aus einem Bericht der Landesregierung vom 22. Mai 1806, StACo Min D 4136 fol. 120. Zu dahingehenden Differenzen mit der Landschaft siehe unten 5.k)aa). 545 So Kanzler Gruner in einem Bericht von 1808 bei StACo Min F 430 fol. 10. 546 Coburger Wochenblatt Nr. 9 vom 3. September 1803 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band V S. 54 ff.

126

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

die zünftigen Meister des jeweiligen Handwerks am Ort ihrer Zunft beschränkt (Zunftzwang, §§ 79 – 95), Gesellen war eine Tätigkeit nur auf Rechnung zünftiger Meister oder eines Fabrikanten oder Künstlers unter Aufsicht zünftiger Meister erlaubt (§§ 37, 38). Nach dem Tode eines zünftigen Meisters konnte dessen Witwe mit Unterstützung von Gesellen das Handwerk bis zur Heirat mit einem Fachfremden fortsetzen (§ 114). h) Anstoß zur Aufteilung der Gemeindebesitzungen In einigen anderen Staaten war eine Gemeinheitsteilung 547 bereits während des 18. Jahrhunderts durchgeführt worden548. Mit Schreiben vom 21. April 1801 forderte Minister Kretschmann von der Landesregierung einen Bericht darüber ab, „worinnen das Vermoegen jeder einzelnen Gemeinde in Unserm Lande bestehe, ob davon besondere Staatsabgaben enrichtet werden und welche, ob die einzelnen Gemeinden zu Vertheilung der Huthen geneigt sind, ob deshalb schon Antraege vorhanden sind und nach welchem Grundsäzzen Ihr die Vertheilung der Huthpläzze vor zwekmäsig haltet.“549

Der Bericht der Landesregierung vom 31. Juli 1801550 kam zu dem Ergebnis, daß im Gebiet des Amtes Coburg lediglich die Gemeinde Oberfüllbach Interesse an einer Verteilung der Gemeindebesitzungen unter die Einwohner habe, dies sei aber auch beim größten Teil der Gemeinden des Amtes Neustadt der Fall. Sollte die Verteilung der Gemeindebesitzungen ins Auge gefaßt werden, so werde in jedem Fall empfohlen, die Verteilung nicht nach Köpfen, sondern nach Gütern vorzunehmen. Mit dieser Antwort war Kretschmann, wie sich aus einem Schriftstück vom 4. August 1801551 ergibt, unzufrieden. Infolgedessen übertrug er durch ein weiteres Schreiben vom 7. August 1801 die Zuständigkeit für die vorzunehmende Verteilung im gesamten Bezirk des neuorganisierten Amtes Coburg dem Justizamtmann und Landesregierungsrat Gruner.552 In einem Zwischenbericht vom 8. April 1803 meinte dieser, es bestehe kein Zweifel, daß sich ein großer Teil der Gemeinden 547 Zur Gemeinheitsteilung (Aufteilung der genossenschaftlich organisierten Gemeindebesitzungen) siehe allgemein Friedrich Lütge, Geschichte der deutschen Agrarverfassung, S. 202. 548 Gemeinheitsteilungsordnungen datieren im Herzogtum Kleve vom 21. Oktober 1769 und im Kurfürstentum Trier vom 18. März 1776 (Christof Dipper, Bauernbefreiung in Deutschland, S. 52) sowie in Braunschweig-Lüneburg von 1802 (Werner Wittich, Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, S. 423). – Zu tatsächlichen Aufteilungen während des 18. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein und Lauenburg vgl. Werner Wittich, Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, S. 422, zur Gemeinheitsteilung in Bayern seit 1723 siehe Friedrich Lütge, Geschichte der deutschen Agrarverfassung, S. 251. 549 StACo Min D 2769 fol. 2. 550 Bericht bei StACo Min D 2769 fol. 9 – 10; dazugehörige Übersichten ebd. fol. 11 – 42. 551 StACo Min D 2769 fol. 43 – 44. 552 StACo Min D 2770 fol 2 – 3’.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

127

zur Verteilung bereiterklären werde.553 Hierauf wurde der Landesregierung am 16. April 1803 aufgegeben, ein Reglement zur Verteilung der Gemeindebesitzungen zu entwerfen.554 Auch Gruner legte einen solchen Entwurf nicht vor. Durch Schreiben vom 8. Mai 1804555 errichtete Kretschmann eine dem Ministerium nachgeordnete besondere „Immediat-Commission für das Gemeinheits-Theilungs-Geschäft“, die aus den Landesregierungsräten Heinrich Wilhelm Schultes556 und Heyder und dem Ökonomiedirektor Engel bestand. Wesentliche Aufgabe dieser Kommission war es, nach genauer Vorgabe allgemeine Grundsätze für das Verfahren bei der Aufteilung zu entwickeln, wobei als Maßstab für die Verteilung der bisherige Nutzungsanteil am Gemeingut bzw. die Größe des eigenen Gutes zu verwenden war. Im seinem ersten Bericht vom 27. Juli 1804557 führte Schultes aus, daß eine Verteilung nach der Größe der Güter dem Grundsatz der unbedingten Gleichheit widerspreche.558 Kretschmann zeigte sich in einem Schreiben vom 12. Juli 1805 abermals enttäuscht, da in einem Zeitraum von vierzehn Monaten nichts geschehen sei.559 Am 18. März 1806 hob er die „Gemeindetheilungs-Immediat-Commission“ wieder auf und übertrug deren Aufgaben auf die Landesregierung zurück.560 Dieser wurde in der Folgezeit wiederholt erfolglos die Vorlage eines Reglementsentwurfs zur Verteilung der Gemeindebesitzungen an das Ministerium oder die Interimskommission abverlangt.561 Ein erster Entwurf wurde aber erst nach Kretschmanns Amtszeit im Jahre 1809 vorgelegt.562

4. Reorganisation der Landeskollegien und Ämter a) Erste Aktivitäten und Vorstellungen Kretschmanns Bereits in einem Schreiben vom 25. April 1801 hatte Kretschmann seine Vorstellungen vom künftigen Behördenaufbau in Sachsen-Coburg dargelegt.563 Danach sollte künftig eine einzige Behörde unter der Bezeichnung Landesregierung mit 553 554 555 556 557 558 559 560 561 562 563

StACo Min D 2770 fol. 21’. StACo Min D 2770 fol. 27 – 28. StACo Min D 2772 fol. 2 – 9’ = StACo Min D 2770 fol. 43 – 61. Nicht zu verwechseln mit Landesregierungsdirektor Johann Adolph von Schultes. StACo Min D 2772 fol. 14 – 47’. StACo Min D 2772 fol. 22. StACo Min D 2772 fol. 67, 67’ = StACo Min D 2770 fol. 62, 62’. StACo Min D 2770 fol. 67. StACo Min D 2770 fol. 68 – 84. Siehe dazu unten C.IV.1.a). StACo LA A 5442 fol. 10 – 11.

128

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

umfassender Zuständigkeit die Stelle der bisherigen Landesregierung, des Konsistoriums und der Kammer einnehmen. Für das gesamte Land Sachsen-Coburg reichten als Unterbehörden der neuen Landesregierung ein einziges Kammeramt und ein einziges Justizamt mit jeweils erweitertem sachlichen Zuständigkeitsbereich aus, die übrigen Unterbehörden könnten als überflüssig wegfallen. Offensichtlich ging Kretschmann hier nach den gleichen Grundsätzen vor, wie sie Hardenberg in seiner Denkschrift für Hannover vom 13. Januar 1780564 bereits erstmals gefordert und ab 1797 in Ansbach-Bayreuth auch umgesetzt hatte565: Zentrale Maßnahmen für das Wohl von Land und Herrscher lägen in einer Verringerung der Zahl der selbständigen Behörden sowie der Errichtung einer zentralen Kollegialbehörde. In einem Reskript vom 29. Juli 1801 wurde daraufhin vom Vorstand der Landesregierung, Kanzler Georg Friedrich Schnetter, ein Gutachten darüber gefordert, wie ohne Verletzung der coburgischen Landesverfassung eine Verwaltungsorganisation nach dem Vorbild der preußischen Verwaltung eingeführt werden könnte.566 Die Landesregierung teilte hierauf am 26. September 1801 „in Betreff der Organisation der hiesigen Landes-Collegien nach der Preußischen Form“ mit, einer Einführung der preußischen Gerichtsordnung stünden neben weiteren Bedenken hinsichtlich der Funktionalität und der mangelnden Souveränität Sachsen-CoburgSaalfelds die mit Bewilligung der Stände 1601 eingeführte ernestinische Prozeßordnung und der „Grundsatz der Uniformität der Verwaltung der ernestinischen Staaten“, der sich auch in der Existenz des gemeinschaftlichen Hofgerichts in Jena niederschlage, entgegen.567

b) Errichtung der Landesregierung Das Geschäftsreglement (Instruktion) für die Landesregierung vom 1. April 1802 setzte nun die Vorstellungen Kretschmanns mit einer durchaus nachvollziehbaren Begründung hinsichtlich des Landesumfangs und der Effektivität der Verwaltung um: „Erster Titel. ( . . . ) § 1.) In einem Lande von so geringem Umfange wie das Unsrige, lassen sich alle Staats-Geschäfte sehr leicht von einem einzigen Collegio behandeln und Wir haben dahero beschloßen, daß von dem ersten Juny dieses Jahres an, das Regierungs- und Cammer-Collegium, das Consistorium und alle einzelnen Deputationen ( . . . ), dann die Rechnungs-Commissionen in ihrer zeitherigen Form aufgehoben seyn sollen. ( . . . ) 564 Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 606 ff.; Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 178 ff. 565 Zur dortigen Situation – ebenfalls Einteilung in Justiz- und Kammerämter – vgl. Rudolf Endres, Die preußische Ära in Franken, S. 182. 566 StACo Min F 240 fol. 2. 567 StACo Min F 240 fol. 4’ – 5’.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

129

§ 2.) Alle diese verschiedenen Behörden vereinigen sich in ein einziges Collegium unter dem Namen Landes-Regierung und dieses Collegium verfügt in allen ihm übertragenen Geschäften in Unserm Namen und hat Repraesentativ-Charakter.“568

Das Personal der Landesregierung bestand aus einem Präsidenten569, einem Kanzler, mehreren weiteren Mitgliedern sowie diversen Subalternen (Erster Titel, § 4). Der Geschäftskreis der neuen Behörde umfaßte Verwaltungs-, Justiz-, Lehens-, Militär-, Schul- und Kirchenangelegenheiten im weitesten Sinne (Erster Titel, § 3). Als offensichtlich falsch ist daher die Darstellung Rudolf Herrmanns anzusehen, wonach die Befugnisse des ehemaligen Konsistoriums auf den Geheimen Rat übertragen worden seien.570 Der Präsident der Landesregierung, der vom Herzog ernannt und vom Minister eingeführt wurde, war für die Aufrechterhaltung der eingeführten Ordnung und für die Geschäftsverteilung unter den Mitgliedern der Landesregierung zuständig (Zweiter Titel §§ 1 – 4). Er führte den Vorsitz in der kollegial verfaßten Behörde, die in Mehrheitsbeschlüssen entschied, aber auch das Ressortprinzip kannte, und vollzog die getroffenen Verfügungen (Zweiter Titel §§ 11 – 16). Der Präsident wurde im Verhinderungsfall vom Kanzler vertreten (Zweiter Titel § 24), der ebenfalls vom Herzog ernannt und vom Minister eingeführt wurde (Dritter Titel § 1). Die Räte wurden auf Vorschlag des Ministers vom Herzog ernannt und durch den Präsidenten eingeführt und verpflichtet (Vierter Titel § 1). Am Ende jedes Haushaltsjahres hatte der Präsident für die Landesregierung einen Generalbericht an das Ministerium zu erstatten (Zweiter Titel § 25). Zu bemerken war eine erste Abtrennung der Justiz von der übrigen Verwaltung: „§ 7.) Die Justiz-Sachen ( . . . ), welche sich auf die willkührliche Gerichtsbarkeit beziehen, sollen in einer eigenen Session ( . . . ) ausschließlich von denjenigen Mitgliedern der Landes-Regierung, welche auf die Justiz vereidet sind, behandelt werden, und dabey den übrigen Mitgliedern des Collegii keine Stimme zustehen. Diese Justiz-Deputation hält Termine in Parthey-Sachen und entscheidet die Civil- und Criminal-Fälle und macht die Appellations-Instanz für die Untergerichte.“571

Den Vorsitz dieser Justizdeputation führte der Kanzler (Dritter Titel § 1), was mit der preußischen Benennung des Justizministers („Großkanzler“) ab 1747 / 48572 im Einklang stand. StACo Min F 240 fol. 64 – 160’. Ernennung des vormaligen Konsistorialpräsidenten Georg Friedemann Goebel zum Präsidenten der Landesregierung durch Patent vom 14. April 1802 bei StACo Min F 731 fol. 12, 12’. 570 Thüringische Kirchengeschichte, Band 2, S. 350. 571 StACo Min F 240 fol. 66’. 572 Magnus Friedrich von Bassewitz, Die Kurmark Brandenburg, S. 44 f.; Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Zweiter Band, S. 191; Adolf Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, S. 183; Otto Hintze, Die Entstehung der modernen Staatsministerien, S. 64 f. 568 569

130

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Bei der Landesregierung wurde ein Präsidium gebildet, das aus dem Präsidenten Georg Friedemann Goebel, dem Kanzler Georg Friedrich Schnetter und dem vormaligen Kammerpräsidenten Johann Samuel Bühl bestand.573 1807 wurde die Zuständigkeit der Landesregierung nach einer bis dahin erfolgten völligen Abtrennung der Justizangelegenheiten wie folgt beschrieben: „La correspondance avec les etats voisins, legislation, l’inspection sur la justice, police, la direction generale de finances, le contrôle gerneral de comptes sur toutes les caisses publiques du fics, des eglises, de communes, des instituts publics, la direction superieure des mines, des manufactures, des fabriques, du commerce, la direction des archives, l’inspection sur les affaires eclesiastiques.“574

Diese Entscheidungen wurden im „Patent über die Organisation der Landescollegien (Organisationspatent)“ vom 1. Mai 1802 öffentlich bekanntgemacht.575 Ausdrücklich wurde darin nochmals bekräftigt, daß sämtliche bisherigen Landeskollegien, Deputationen und Kommissionen aufgehoben576 und deren Zuständigkeiten auf die Landesregierung überführt wurden, die nunmehr umfassend für Landespolizei, Gerichtsbarkeit, Landesreligion, Finanzen und Militär zuständig war. Die relative Verselbständigung der Justizdeputation von der Gesamtheit der Landesregierung wurde mit dem Bedürfnis nach einer unparteiischen Rechtspflege begründet. Zudem wurde das Beschwerdewesen gegen Entscheidungen der Landesregierung oder der Unterbehörden ausdrücklich geregelt und das Anbieten von Geschenken an Staatsdiener oder die Annahme solcher durch diese unter Strafe gestellt. Der publizierte Gedanke der unabhängigen Rechtspflege wurde bei der Trennung von Justiz und Verwaltung in Westfalen ab 1. Januar 1809 im Gegensatz zu Sachsen-Coburg nicht einmal erwähnt.577 Damit war Sachsen-Coburg-Saalfeld der erste thüringische Staat, der eine Trennung zwischen Justiz und Verwaltung auf der Mittelebene erreicht hatte, in den übrigen thüringischen Staaten erfolgte dies teilweise erst 1850.578 Auch im 573 Coburger Wöchentlicher Anzeiger Nr. 30 vom 24. Juli 1802, S. 124 f.; Ernennungspatent für Bühl vom 20. Mai 1802 bei StACo Min F 598 fol. 8 – 9. 574 Bericht der Landesregierung an den französischen Intendanten Bouvier du Molart vom 1. Juni 1807 bei StACo Min F 472 fol. 5. 575 Textanhang Nr. 3 = StACo Min F 240 fol. 178 – 184 = StACo LA F 5328 = StACo LA L 550 = StACo KA Coburg 27, unfol. = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 127 – 132 = Coburger Wochenblatt Nr. 22 vom 3. Dezember 1803 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band V S. 6 = Landesbibliothek Coburg Cob Q 55,119 Nr. 10. 576 Einer ähnlichen Vorgehensweise bediente sich Hessen-Darmstadt in § 15 des 1. Organisationsedikts vom 12. Oktober 1803, siehe dazu Karl Heinz Acker, Verwaltungskontrolle in Hessen-Darmstadt, S. 60 f. 577 Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 66. 578 Siehe dazu Karlheinz Blaschke, Königreich Sachsen und thüringische Staaten, S. 642; ausführlich für Sachsen-Weimar-Eisenach Jochen Grass, Sachsen-Weimar-Eisenachs Verwaltungsreform, S. 216 ff. Eine Vorbildwirkung Sachsen-Coburgs für Sachsen-Gotha beschreibt Ulrich Heß, Das Sachsen-Coburg und Gothaische Staatsministerium 1858 – 1918, S. 15.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

131

deutschlandweiten Vergleich lag Sachsen-Coburg-Saalfeld etwa in der Mitte, so war die Trennung von Justiz und Verwaltung auf der mittleren Behördenebene in Hessen-Darmstadt bereits 1775 / 1777 erfolgt579, während Bayern durch die Verordnung vom 19. Februar 1805580, Württemberg 1819, Baden 1857 und Sachsen erst 1873 im Rahmen der Reichsjustizgesetze folgten; in Mecklenburg kam es zu einer solchen Gewaltentrennung erst nach der Revolution 1918.581 Durch diese Vorgehensweise wurde zudem erstmals eine – weisungsgebundene – Oberbehörde für das Gebiet von Sachsen-Coburg geschaffen.582 Insbesondere die völlige Eingliederung des Kirchen- und Schulwesens in die allgemeine Verwaltung war neuartig.583 Von der Behördenorganisation her konnte mit einer Effektivierung der Verwaltungstätigkeit und des Geschäftsgangs gerechnet werden. Auch diese Behörde sollte in deutschlandweit üblicher Weise zu einem – wenngleich zentralen – „Transmissionsriemen“ zur Umsetzung der Entscheidungen des Ministeriums werden.584 Diesem Beispiel Sachsen-Coburgs folgte Sachsen-Hildburghausen im Edikt vom 28. April 1810, als alle Landeskollegien und Immediatkommissionen aufgelöst und in der Landesregierung vereinigt wurden.585 Auch Preußen führte durch Verordnung vom 26. Dezember 1808586 mit den „Regierungen“ einheitliche Mittelbehörden ein. c) Zusammenlegung der Unterbehörden aa) Beschränkung der Zuständigkeit des Geistlichen Untergerichts Am 4. Dezember 1801 wurde die Zuständigkeit des geistlichen Untergerichts in Neustadt, das nur noch aus dem Leiter des Justizamts Coburg und dem Neustadter Superintendenten bestand, auf Pfarrerpräsentationen, Investituren, Abnahme der Kirchenrechnungen und außerordentliche Kirchen- und Schulvisitationen beschränkt.587 Andreas Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 29. Karl Möckl, Der moderne bayerische Staat, S. 130. 581 Walther Hubatsch, Aufbau, Gliederung und Tätigkeit der Verwaltung in den deutschen Einzelstaaten, S. 186. 582 Eine Vergleichbarkeit besteht zu Ansbach-Bayreuth, wo 1795 die Konsistorien zu Unterbehörden der Regierungen wurden, Rudolf Endres, Die preußische Ära in Franken, S. 183. 583 Rudolf Herrmann, Thüringische Kirchengeschichte, Band 2, S. 350. 584 Vgl. dazu Hans-Peter Ullmann, Staatsverwaltung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 129. 585 Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 246. 586 Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-, Polizei- und Finanz-Behörden, PrGS 1806 – 1810, S. 464 ff. = Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 120 ff. 587 StACo Kons 1185 fol. 7, 7’. 579 580

132

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

bb) Errichtung von Justiz- und Kammerämtern Durch Reskript vom 1. August 1801 wurden das Centamt und das Amt Neustadt aufgehoben und deren Zuständigkeiten auf das aus dem Amt Coburg gebildete nunmehrige Justizamt Coburg übertragen.588 Am 18. Mai 1802 erging die „Instruction für die Aemter des Fürstenthums Sachsen-Coburg-Saalfeld“589, deren Notwendigkeit in der Einleitung wie folgt begründet wurde: „Die Organisation der Landes-Collegien in Unsern Coburg-Saalfeldischen Landen, die Einführung eines schnellen und zweckmäsigen Geschäftsgangs bey denselben, die Vereinfachung des Rechnungswesens bey Unsern sämtlichen Cassen, die vollständigere Befolgung und Zusammenziehung Unserer Justiz- und Cammer-Aemter erfordert, daß Wir auch diese mit einer vollständigen Instruction über ihren Geschäfts-Kreiß versehen.“

Nach der Instruktion umfaßte das Justizamt Coburg auch den Geschäftskreis des ehemaligen Centamtes sowie das Gebiet des Amtes Neustadt. Für diesen Sprengel wurde zudem ein Kammeramt Coburg590 geschaffen, dem die Zuständigkeiten der bisherigen Kastenämter und Amtseinnahmen Coburg, Rodach und Mönchröden, des Geleitsamts, des Floßamtes, der Kartenstempeleinnahmen, der Umgeldeinnahmen und der Waldzinseinnahmen zugewiesen wurden. Die Ämter Gräfenthal und Probstzella wurden zum Justizamt Gräfenthal vereinigt, für dieses Gebiet wurde das Kammeramt Gräfenthal geschaffen, das auch die bisherigen Aufgaben des Rentamts Gräfenthal, der Amtseinnahme Probstzella, der Waldzinseinnahmen und Hülfsgelderkassen zu übernehmen hatte. Auch in Saalfeld bestanden nunmehr ein Justizamt und ein Kammeramt, wobei letzterem die Zuständigkeit des Rentamts, des Floßamts, des Geleitamts, der Waldzinseinnahme und weiterer Spezialbehörden zugewiesen wurde. Infolge der Errichtung der Justizämter bestanden erstmals in Sachsen-CoburgSaalfeld einheitliche Unterbehörden für Zivil- und Strafjustiz, soweit die Justiz nicht den Patrimonial- bzw. Stadtgerichten oblag. Die Trennung der Aufgaben der Justizämter von den Kammerämtern setzte sich auch im übrigen Thüringen des 19. Jahrhunderts allmählich durch.591 Die Idee der Aufteilung des Staatsgebietes in Justiz- und Kammerämter mit identischen Grenzen, möglichst bei Aufhebung inliegender nichtstaatlicher Gerichtsstellen, hatte Kretschmann bereits 1797 im preußischen Franken formuliert und umzusetzen gesucht.592 588 Vgl. die Schilderung Kretschmanns in einem Schreiben an das Konsistorium vom 16. August 1801 bei StACo Kons 1185 fol. 1. 589 ThStAMgn Staatsministerium Abt. Inneres alt 14419 fol. 3 – 60 = StACo LReg 12164 = ThStAMgn GA VI.F.40, unfol. = StACo KA Coburg Nr. 1, unfol. 590 Falsch noch Carl-Christian H. Dressel, Justiz und Verwaltung in Sachsen-Coburg vor und nach 1848 / 49, S. 140, wo vom Bestehen von Kammerämtern schon vor 1802 ausgegangen wird. 591 Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 62 f.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

133

cc) Versuchte Ausweitung zentraler Zuständigkeiten auf Saalfeld Mit Schreiben vom 5. Juli 1802 teilte Minister Kretschmann Regierung und Konsistorium in Altenburg mit, daß die bislang durch die Behörden in Altenburg „kommissarisch ausgeübte“ Verwaltung der saalfeldischen Regierungs-, Konsistorial- und Lehenssachen beendet sei, und verlangte die Übersendung der Akten nach Coburg.593 Dies wurde durch ein Patent vom gleichen Tage bekanntgemacht.594 Gleichzeitig wurden sämtliche saalfeldischen Regierungs-, Konsistorialund Lehenssachen der Landesregierung in Coburg übertragen, weshalb die Unterbehörden ab 1. September sämtliche Berichte und Beschwerden an diese zu richten hatten. Hiergegen rief Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg am 20. Januar 1803 den Reichshofrat an.595 Das Vorgehen Sachsen-Coburg-Saalfelds verstoße gegen den Rezeß zwischen den Söhnen Ernsts des Frommen von Sachsen-Gotha aus dem Jahre 1680, wonach die für Sachsen-Saalfeld zuständigen Behörden ihren Sitz in Altenburg haben müßten. Durch kaiserliches Reskript vom 3. März 1803 wurde Sachsen-Coburg-Saalfeld angewiesen, die Umsetzung des Patentes bis auf weiteres zu unterlassen.596 Sachsen-Coburg-Saalfeld zeigte am 25. Juli 1803 die Befolgung dieser Anweisung an und erklärte, das Patent verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, vielmehr sei Sachsen-Coburg-Saalfeld zu einer Reform seiner Verwaltung berechtigt; diese Ausführungen verwarf der Reichshofrat jedoch am 15. September 1803.597 Das Verfahren dauerte wegen schwebender Vergleichsverhandlungen an und wurde nach Erhalt der vollen Landeshoheit durch Sachsen-Coburg-Saalfeld infolge der Rezesse vom 4. Mai 1805598 durch Vergleichsanzeigen beider Parteien vom 25. April 1806 beendet.599

592 Vgl. die Vorschläge bei Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Preußen, 1. Band, S. 47 sowie Michel Hofmann, Die Außenbehörden des Hochstifts Bamberg und der Markgrafschaft Bayreuth, S. 55. 593 HHStA RHR Ob. Reg. 1291 / 3, unfol. 594 HHStA RHR Ob. Reg. 1291 / 3, unfol. 595 HHStA RHR Ob. Reg. 1291 / 3, unfol.; Wiedergabe der Klageschrift auch bei HHStA RHR Relat. 163, unfol. 596 ThStAMgn GA VI.B.28, unfol. = StACo LA A 5169, unfol. = HHStA RHR Ob. Reg. 1291 / 3, unfol. 597 StACo LA A 5169, unfol. = HHStA RHR Ob. Reg. 1291 / 3, unfol. = ThStAMgn GA VI.B.28, unfol. 598 Siehe dazu unten V.3. 599 HHStA RHR Ob. Reg. 1291 / 3, unfol.; StACo LA B 2176 fol. 102.

134

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

d) Neue Verwaltungsorganisation der Städte und Gemeinden Nach den von Kretschmann bereits länger ausgearbeiteten Vorstellungen600 wurde auch das Wesen der Gemeinden in Sachsen-Coburg-Saalfeld reorganisiert. aa) Stadt Coburg (1) Errichtung des städtischen Magistrats Durch das Organisationsreglement vom 27. Oktober 1802 wurden – ebenso wie bereits 1797 in Ansbach-Bayreuth601 – Geschäftsgang und Zuständigkeit des an die Stelle des bisherigen Rates tretenden Magistrats neu gefaßt.602 Der bisherige Stadtrat zu Coburg erhielt nunmehr die Bezeichnung „Magistrat der Residenzstadt Coburg“ (§ 34). Er setzte sich aus dem „Polizey-Direktor“, dem „Justiz-Direktor“, dem „Syndikus und Stadtrath als Stadt-Secretaire“, dem Stadtrendanten, dem Stadtkassenkontrolleur sowie sechs Senatoren aus dem gewerbetreibenden Stand zusammen. Die beiden Direktoren, deren Bezeichnungen wohl dem preußischen System entlehnt waren603, bildeten dabei mit dem Stadtsyndikus den inneren Rat. Außerdem wurde eine feste Ressortverteilung eingeführt, indem bestimmt wurde, daß künftig die Ämter der Magistratsmitglieder nicht mehr wechselnd, sondern dauerhaft waren, also die Zusammensetzung des Rates und einzelne Zuständigkeiten nicht mehr wie bis dato jährlich rotierten (§ 35). Die Rotation war in Weimar bereits 1797 abgeschafft worden.604 (2) Wahl der Magistratsmitglieder Neue Mitglieder bestimmte der Magistrat im Falle des Ausscheidens ebenso wie in den preußischen Städten des 18. Jahrhunderts605 durch Kooptation. Diese Zuwahl mußte jedoch durch die Landesregierung genehmigt werden; vor der Genehmigung der Wahl waren Polizei- und Justizdirektor einer umfassenden Prüfung in 600 Bereits 1797 hatte er für das preußische Franken vorgeschlagen, bedeutenden Städten ihre eigenen Magistrate zuzugestehen, siehe Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Preußen, 1. Band, S. 47. 601 Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 94 f. 602 StACo Min F 1482 fol. 2 – 31’ = StACo LReg. 4771 fol. 4 – 29; vgl. auch die zusammenfassende Darstellung im Bericht der Landesregierung vom 20. September 1821, StACo Min D 4151 fol. 29 – 39’. 603 Dort waren Justiz- und Polizeidirektor in kleineren Städten üblich, Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Zweiter Band, S. 23, 147 f. 604 Siehe dazu Wolfgang Huschke, Zur Geschichte der Weimarer Stadtverfassung in der Goethezeit, S. 573 f. 605 Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Zweiter Band, S. 148.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

135

verschiedenen Bereichen von Recht und Finanzwirtschaft vor dem Plenum der Landesregierung zu unterziehen, falls sie nicht bereits zuvor für die Zulassung zu ähnlichen Stellen geprüft worden waren (§ 37). Dieses Modell einer Kooptation unterschied sich zugunsten einer kommunalen Selbstverwaltung von der späteren Situation im rheinbündischen Großherzogtum Berg nach der Verordnung über die Munizipalverwaltung vom 13. Oktober 1807606, wo die Mitglieder der Magistrate ausschließlich von staatlichen Stellen ausgewählt und ernannt wurden. Im Gegensatz zu dieser Verordnung, die eine – wenngleich relativ machtlose – Volksvertretung in Munizipalräten vorsah, blieb in Coburg die Bürgerschaft mit Ausnahme der sechs vom Magistrat zugewählten Senatoren von der Teilnahme an der Verwaltung ausgeschlossen, da die bisherige Ratsverfassung aufgehoben wurde. Eine ähnliche Situation wie in Coburg nach der Reorganisation des Magistrats bestand auch in einigen hannoverschen Städten.607 Ebenso wie in Coburg wurde schließlich auch in Bayern durch das Edikt vom 19. Oktober 1808608 eine gemeindliche Selbstverwaltung ausgeschaltet609 – ein den Rheinbundstaaten durchweg gemeinsames Vorgehen610, welches in Coburg bereits vor der Rheinbundzeit angegriffen wurde. (3) Innere Organisation Der Magistrat war wie im preußischen System611 kollegial organisiert und entschied nach dem Mehrheitsprinzip, wobei dem Polizeidirektor als dirigierendem Mitglied eine entscheidende Stimme zukam (§§ 41, 49). Stimmrecht im Magistrat hatte regulär neben dem Polizei- und dem Justizdirektor nur der Stadtsyndikus (§§ 38, 51), Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, Vierter Band, S. 526 ff. Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 429 ff., 533 ff.; hinsichtlich der Trennung auf verschiedene Direktoren galt dies ab 1814. 608 Edikt über das Gemeindewesen, RBl. 1808, Sp. 2405 ff. = Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, 16. Band, S. 58 ff. = Rolf Kiessling / Anton Schmid, Das staatliche Gewaltmonopol, S. 142 ff. = Franz-Ludwig Knemeyer, Die bayerischen Gemeindeordnungen 1808 – 1945, S. 5 ff. – In Bayern wurde für die größeren Städte durch § 105 des Edikts die ebenfalls in Coburg verwendete Bezeichnung „Polizeidirektor“ für den vom Staat ernannten Hauptverwaltungsbeamten eingeführt (vgl. dazu Stefan Brunner, Die Vertretung des ersten Bürgermeisters in Bayern, S. 37 Fußnote 6), nachdem dort die Verwaltungsspitze bereits durch Verordnungen vom 31. Dezember 1802 und vom 4. Mai 1803 – ähnlich wie in Coburg – in Stadtrichter und Polizeidirektor aufgeteilt worden war (Fritz Zimmermann, Bayerische Verfassungsgeschichte, S. 107). 609 Ludwig Doeberl, Maximilian von Montgelas und das Prinzip der Staatssouveränität, S. 96 f. 610 Elisabeth Fehrenbach, Verfassungs- und sozialpolitische Reformen und Reformprojekte in Deutschland, S. 73. 611 Vgl. Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Zweiter Band, S. 14. 606 607

136

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

nur bei der Wahl neuer Magistratsmitglieder waren auch die Senatoren stimmberechtigt (§ 56). Letztere waren auch nach näherer Entscheidung des Magistrats zur Unterstützung in verschiedenen Bereichen der Verwaltung einzusetzen (§ 56). (4) Zuständigkeit Die Zuständigkeit des Magistrats umfaßte nicht nur das gesamte Justizwesen, sondern auch die Verwaltung „in weitestem Umfange“. Auch bisherige Zuständigkeiten des Justizamtes in der Stadt wurden auf den Magistrat übertragen, als dessen Aufsichtsbehörde die Landesregierung fungierte. In Verwaltungsangelegenheiten drang die umfassende Kompetenz des Magistrats somit bis in die herzogliche Residenz vor, lediglich die herzogliche Familie war hiervon ausgenommen (§ 4). Der Magistrat war auch für die Auswahl sämtlichen Kirchen- und Schulpersonals sowie für die Aufsicht über das Kirchen- und Schulwesen zuständig (§ 31). Im Justizbereich blieben der Landesregierung vorbehalten: Sachen, die Personen oder Amtspflichten im Kirchen- oder Schuldienst betrafen (§ 22), Ehescheidungen (§ 23) und Streitigkeiten über landesherrliche Abgaben (§ 24). Persönlich von der Gerichtsbarkeit des Magistrats waren der Polizei- und der Justizdirektor sowie der Syndicus ausgenommen (§ 26). In Personalsachen waren ferner ausgenommen das gesamte Hofpersonal, Militärpersonen mit ihren Familien, amtierende und pensionierte Angehörige der herzoglichen Verwaltung sowie der gesamte Adel mit seinen Bediensteten (§ 27). Grundstücke im Stadtbereich, die zu Rittergütern gehörten, blieben der städtischen Gerichtsbarkeit ebenfalls entzogen (§ 28). Innerhalb des Magistrats oblag dem Polizeidirektor die gesamte Verwaltung (§ 49), während die Justizsachen auf den Justizdirektor und den Stadtsyndikus aufzuteilen waren (§ 50). Der Stadtsyndikus fungierte zudem als Protokollant bei Sitzungen (§ 51). Diese Aufteilung zwischen Polizeidirektor einerseits und den beiden anderen Mitgliedern des Magistrats, die dem preußischen Modell des 18. Jahrhunderts für kleinere Städte entsprach612, stellte nach Auffassung von Minister Kretschmann bereits die „Trennung der Policey von der Justiz“ dar613, wenngleich eine Schaffung eines besonderen Stadtgerichts – wie in Bayern durch die Verordnung vom 31. Dezember 1802614 – unterblieben war. 612 Nach Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Zweiter Band, S. 147 f. bestanden in größeren Städten vier getrennte städtische Departements (Justiz, Polizei, Ökonomie und Kämmerei), während bei den kleineren Städten nur zwei Departements für Justiz und Verwaltung bestanden. 613 Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und FinanzVerwaltung des Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 125. 614 „Verordnung die Verbesserung der magistratischen Verfassungen betreffend“, RBl. 1803, Sp. 8 ff. = Rolf Kiessling / Anton Schmid, Das staatliche Gewaltmonopol, S. 21 ff.; wiederholt und detaillierter ausgeführt im „Befehl die Verbesserung der magistratischen Verfassungen betreffend“ vom 4. Mai 1803, RBl. 1803, Sp. 291 ff. = Rolf Kiessling / Anton Schmid, Regie-

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

137

(5) Publikation Die Reform wurde unter dem 12. März 1803 durch ein herzogliches Patent615 der Stadt Coburg und der Öffentlichkeit unter folgender Präambel mitgeteilt: „Wir ( . . . ) haben Uns überzeugt, daß bey der gegenwärtigen Behandlung der Geschäfte bey dem hiesigen Stadttrathe, die Justiz und die Polizey nicht so verwaltet werden können, wie es das gemeine Beste der Stadt nothwendig macht, daß die dem Stadtrathe zur Verwaltung anvertrauten Cassen nach einer überaus verworrnen Rechnungemethode verwaltet werden, und unter gar keiner Controle stehen, daß die Benutzung des Stadtvermögens nicht mit der Anstrengung, Aufmerksamkeit und Sorgfalt geschieht, wie es zum Besten der Stadtcassen geschehen sollte.“

In einem auch an andere Fürstenhöfe verteilten Bericht an den Reichshofrat aus dem Jahre 1805 wurde zu dieser Vorgehensweise nachbetrachtend geäußert: „Dass die städtischen Magistrate sowohl in Rücksicht der Stadtökonomie als der Justiz und Policey einer Reform bedürfen, darüber ist wohl nur Eine Stimme in Deutschland. Man darf nur bedenken, dass der grösste Theil gebildeter Staatsbürger in Städten lebt, und dass Städte noch immer den Mittelpunkt des Handels und der Gewerbe bilden, um sich vom wichtigen Einflusse einer guten oder schlechten Organisation städtischer Behörden zu überzeugen.“616

bb) Stadt Saalfeld Durch Patent vom 13. Oktober 1803 wurde nach den gleichen Grundsätzen wie Coburg auch der Stadtrat zu Saalfeld unter der Bezeichnung „Magistrat“ reorganisiert.617 Die neue Behörde bestand aus einem Polizei- und Justizbürgermeister618 mit der Bezeichnung „Polizey- und Justizdirektor“, einem „Stadtrat und Syndicus“ und sechs Senatoren aus dem Stand der Gewerbetreibenden. Dem Magistrat wurde die gesamte Verwaltung innerhalb der Stadt Saalfeld und deren Weichbild im weitesten Umfang übertragen. Neben dem Magistrat blieb die Institution der vier Gemeindevorsteher bestehen.619 Auch hier war die Landesregierung Aufsichtsbehörde. rungssystem und Finanzverfassung, S. 137 ff. Magistratische Stadtverfassungen existierten nach diesen Verordnungen in München, Landshut, Ingolstadt, Straubing und Burghausen. 615 StACo LReg. 4771 fol. 31 – 32’ = StACo Min F 1482 fol. 117 – 119’ = StACo LA L 597 / III = Stadtarchiv Coburg A 93 = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 237 – 238’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 335 ff. 616 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, S. 87. 617 StACo LA L 597 / II. 618 Nicht aus je einem Polizei- und einem Justizbürgermeister, wie bei Gerhard Haas, Verfassung und Recht der Städte Arnstadt, Königsee, Saalfeld und Stadtilm, S. 148 behauptet (richtiggestellt wohl ebd. S. 150). Eine ähnliche Vereinigung der beiden Funktionen bestand auch in der Stadt Ansbach, siehe Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 152. 619 Gerhard Haas, Verfassung und Recht der Städte Arnstadt, Königsee, Saalfeld und Stadtilm, S. 150.

138

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

cc) Projektierter Erlaß einer allgemeinen Gemeindeordnung Bereits seit 1802 wurde unternommen, eine allgemeine Gemeindeordnung („Dorfsordnung“) anstelle der einzelnen verschiedenen Dorfordnungen zu erstellen, wie sie teilweise in anderen thüringischen Staaten wohl schon bestand.620 Am 4. Januar 1802 wurde der erste Entwurf einer allgemeinen „General-Dorfs-Ordnung“ vorgelegt.621 Die aus den mit Grundbesitz ansässigen Dorfeinwohnern bestehende Dorfgemeinde war berechtigt, in Gemeindeversammlungen mit absoluter Mehrheitswahl den Schultheiß622 auf Lebenszeit sowie seine beiden „Beistände und Schöppen“ für die Dauer von drei Jahren zu wählen und grundlegende Fragen zu beratschlagen. Die Schultheiße sollten das Gemeindevermögen verwalten, als örtliche Mitarbeiter der Verwaltungsbehörden diesen assistieren und Ordnungswidrigkeiten zur Anzeige bringen sowie die Dorfgerichtsbarkeit ausüben. Nach im wesentlichen redaktionellen Änderungen623 wurde der Entwurf auf Empfehlung der Landesregierung624 am 14. März 1804 an den Engeren Ausschuß der Landschaft zur Erstattung eines Gutachtens weitergeleitet.625 Dieses Gutachten traf zwar bereits am 3. September 1804 bei der Landesregierung ein, dies führte jedoch zu keinen weiteren Maßnahmen, wohl insbesondere, da sich der Engere Ausschuß noch die Nachreichung weiterer Stellungnahmen vorbehalten hatte.626 e) Reform des Besoldungswesens Im Umfeld der Verwaltungsreorganisation wurde 1802 das Besoldungswesen der öffentlichen Verwaltung reformiert. Bislang erhielten die Beamten Naturalien und konnten Gebühren (Sporteln) erheben. Dies wurde nunmehr durch eine feste Besoldung in Geld ersetzt, während die Gebühreneinkünfte an die fürstliche Kasse abzuführen waren.627 Eine solche Reform des Besoldungssystems gehörte seit der ersten Erwähnung durch Hardenberg in seiner Denkschrift vom 13. Januar 1780628 zu den allgemeiBernd Schildt, Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft, S. 75. StACo Min D 4681 fol. 4 – 103. 622 Typische Bezeichnung für den herrschaftlichen Amtsträger der Landgemeinde, siehe Bernd Schildt, Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft, S. 93. 623 Ein erster veränderter Entwurf von 1802 findet sich bei StACo Min D 4682 fol. 1 – 88, eine zweite Bearbeitung bei StACo Min D 4683 fol. 2 – 150, die letzte Überarbeitung von 1804 bei StACo Min D 4684 fol. 5 – 84. 624 StACo Min D 4681 fol. 114’. 625 StACo Min D 4681 fol. 141. 626 StACo Min D 4681 fol. 143. 627 Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 86 f. 620 621

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

139

nen Forderungen der Verwaltungsreform.629 Sie war bereits in der preußischen Kabinettsorder von 1780630 enthalten und wurde unter Hardenberg bereits 1797 in Ansbach-Bayreuth631, im gleichen Jahre wie in Sachsen-Coburg-Saalfeld auch im Großherzogtum Berg632 und in Bayern durch Nrn. II ff. der Hauptdienstpragmatik vom 1. Januar 1805633 durchgeführt. f) Reform des Forstwesens Am 23. April 1803 wurde durch eine Verordnung über die Forstdienstverfassung634 eine Organisationsreform der Forstbehörden vorgenommen, wodurch die Landesregierung auch in diesem Bereich zur Aufsichtsbehörde wurde. Ihr unterstanden zwei Forstmeistereien (jeweils eine für Coburg und Saalfeld), welchen Forstverwaltungen nachgeordnet wurden. Die Zuständigkeit der Forstbehörden erstreckte sich nunmehr nicht nur auf die Domänenforste, sondern auch auf Privatwaldungen. Ebenfalls vom 23. April 1803 datieren eine Instruktion für die Forstämter in Sachsen-Coburg-Saalfeld635, eine Instruktion für die Forstmeister636, eine Instruktion für die Forstverwalter637 und eine Instruktion für die Förster.638 Am 17. August 1803 protestierte der Engere Ausschuß bei der Landesregierung gegen die Vorgehensweise bei der Neuorganisation des Forstwesens: 628 Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 25, 606 ff., Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 179. Eine ähnliche Konzeption sah wiederum Hardenbergs Denkschrift vom 25. Juli 1797 vor, siehe Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 120. 629 Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 282. 630 „Allerhöchste Königliche Cabinetts-Ordre die Verbesserung des Justitz-Wesens betreffend“ vom 14. April 1780, abgedruckt bei Hans Hattenhauer (Hrsg.), Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, S. 37 ff. 631 Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 103; Rudolf Endres, Die preußische Ära in Franken, S. 182. 632 Karl Freiherr von Proff, Ideen über die Organisation einiger untern Staats-Gewalten, S. 45 ff. 633 „Hauptlandespragmatik über die Dienstverhältnisse der Staatsdiener im Königreich Baiern“, abgedruckt bei Nicolaus Thaddäus Gönner, Der Staatsdienst, S. I ff. Zu dieser siehe Franz Ludwig Knemeyer, Beginn der Reorganisation der Verwaltung in Deutschland, S. 152 ff., und Bernd Wunder, Privilegierung und Disziplinierung, S. 122 ff. 634 Coburger Wochenblatt Nr. 22 vom 3. Dezember 1803, S. 168 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 20 ff. 635 August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band XI S. 4 ff. Das Forstamt wurde beim Justizamt gebildet und bestand aus dem Forstmeister, den Forstverwaltern des Distrikts sowie Vertretern der Kammer- und des Justizamts. 636 August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band XI S. 20 ff. 637 StACo LA F 5330 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band XI S. 63 ff. 638 August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band XI S. 167 ff.

140

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

„Ew. haben dem Vernehmen nach das neue Forstorganisations-Patent verschiedenen Landständischen Vogteyen unmittelbar nachrichtl. und nachachtl. zufertigen laßen. Da nur aber der hiesigen beständigen Landes-Verfaßung gemäs sämtliche allgemeine Landesherrl. Verordnungen und Mandate jederzeit von Herzogl. Landes-Regierung dem Landschaftl. engern Ausschuß nachricht- und nachachtlich zugefertigt, von diesem aber alsdann seinen Mitständen durch einen gewöhnlichen Umlauf bekannt gemacht und mitgetheilt worden, auf diese Art der Bekanntmachung nach Beschaffenheit der hiesigen Landständischen Vogtheyen wohl die schicklichste ist; so müßen Ew. pp. Wir hierdurch unterthänigst bitten, es fernerhin bey einer solchen Verfaßungsmäßigen Bekanntmachung der Landesherrlichen Verordnungen und Mandate gnädigst verbleiben, und die erst neuerl. einer und der anderen Landständischen Vogtey unmittelbar zugefertigten Landesherrlichen Verordnungen und Mandate nebst dem künftigen nach wie vor dem Landschaftl. Engern Ausschuß zu den seinen sämtl. Mitständen davon zu ertheilenden nöthigen Notiz gnädig communiciren zu laßen.“639

Diese Eingabe wurde aber wegen der Unterschrift durch den mittlerweile suspendierten640 Landschaftsdirektor Könitz von der Landesregierung unbeantwortet wieder zurückgesandt.

g) Versuch einer Verflechtung von Ministerium und Landesregierung Am 30. April 1803 wurde Minister Kretschmann zum „Organisations-Commissarius“ der Landesregierung ernannt, wohl um sich intensiver mit der inneren Ordnung der Verhältnisse dieser Behörde befassen zu können.641 Ein Tätigwerden des Ministers unter dieser Bezeichnung oder mit diesem Inhalt ist nicht nachzuweisen und hat wohl wegen beginnender Differenzen mit dem Präsidium der Landesregierung642 auch nicht stattgefunden. Der geheime Assistenzrat und Regierungsrat Wangenheim wurde daraufhin am 6. Mai 1803 zum Vizepräsidenten der Landesregierung ernannt643 – eine Vorstufe zu der Situation ab Februar 1804, als Minister Kretschmann selbst auch als Präsident der Landesregierung fungierte.644

h) Errichtung einer Militärkommission Durch Reskript vom 30. September 1803 wurde eine dem Ministerium nachgeordnete Kriegskommission gebildet, die auch als Militärkommission bezeichnet StACo LReg. 251 fol. 5, 5’. Siehe dazu 5.h). 641 StACo Min F 240 fol. 192. 642 Siehe dazu IV.3.c). 643 Nikolaus Thaddäus Gönner, Bericht des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld an den Kaiserlichen Reichshofrath über die Dienstentlassung des ehemaligen Vicepräsidenten von Wangenheim, S. 6 f. 644 Siehe dazu unten IV.3.c)bb). 639 640

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

141

wurde.645 Diese bestand aus einem Mitglied der Landesregierung und dem Festungskommandanten und war für sämtliche „Zivilmilitärangelegenheiten“ (Einquartierung, Verproviantierung, Bewaffnung etc.) umfassend zuständig. Diese Maßnahme führt zum Ende der Zuständigkeitskonzentration bei der Landesregierung. Im Gegensatz zu Kretschmanns ursprünglichen Planungen wurde diese ihres zentralen Charakters im Landesteil Coburg schnell wieder beraubt, indem nur 18 Monate nach Abschaffung aller Kommissionen und Deputationen wieder eine solche eingerichtet wurde. Gründe für die Errichtung dieser Behörde sind mangels Akten nicht mehr zu ermitteln. i) Abkehr vom Provinzialsystem Durch Reskript vom 4. November 1803 wurde die seit 1801 im Landesteil Saalfeld bestehende Landeshauptmannschaft646 aufgelöst und ihre Zuständigkeiten unmittelbar auf die Landesregierung in Coburg übertragen.647 Diese wurde somit zu einer – für das gesamte Staatsgebiet zuständigen – Oberbehörde. Hierdurch wurde in Sachsen-Coburg-Saalfeld ebenso wie in zahlreichen anderen Staaten jegliche behördliche Gliederung nach dem Provinzialsystem aufgegeben.648 Dieser Vorgehensweise folgte beispielsweise das thüringische Schwarzburg-Rudolstadt 1809, als die Regierung der „Unterherrschaft“ durch eine der Regierung in Rudolstadt nachgeordnete Landeshauptmannschaft ersetzt wurde649, das Königreich Hannover erst durch Edikt vom 12. Oktober 1822.650 j) Fortführung der Trennung von Justiz und Verwaltung Durch Verordnung vom 4. November 1803 wurde mit Wirkung vom 1. Dezember 1803 die Justizdeputation von der Landesregierung insoweit abgetrennt, daß künftig die Mitglieder derselben im Kollegium der Landesregierung weder Sitz noch Stimme haben sollten; die Justizdeputation sollte von nun an eine selbständige Behörde darstellen, die unmittelbar dem Ministerium nachgeordnet war, „um allen Einwendungen wegen Partheylichkeit der Justiz ( . . . ) vorzubeugen“.651 Offen645 Coburger Wochenblatt Nr. 14 vom 8. Oktober 1803, S. 101 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 25 f. 646 Siehe dazu oben III.2. 647 Coburger Wochenblatt Nr. 20 vom 19. November 1803, S. 152, vgl. Johann Adolph von Schultes, Sachsen- Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 83. 648 Siehe dazu Andreas Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 88. 649 Ulrich Heß, Geschichte der Staatsbehörden in Schwarzburg-Rudolstadt, S. 33. 650 „Edict, die Bildung der künftigen Staatsverwaltung betreffend“; abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 267 ff. 651 StACo Min F 242 fol. 10 = Coburger Wochenblatt Nr. 20 vom 19. November 1803, S. 152 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 26.

142

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

sichtlich resultierte diese Trennung von Justiz- und Verwaltungstätigkeit aus den Konflikten zwischen Minister Kretschmann und Landschaftsdirektor Könitz.652 Am 5. März 1804653 wurde schließlich die Bezeichnung „Justizdeputation“ abgeschafft und durch „Landesregierung als Justiz- und Pupillen-Collegium und Lehenhof“ versehen.654 Diese neue Bezeichnung war von der Behörde selbst gerade als Zeichen einer Unabhängigkeit und Eigenständigkeit im Verhältnis zur Landesregierung gewünscht worden, da sie bislang dem Namen nach immer noch einen bloßen Ausschuß der Landesregierung darzustellen schien.655 Damit wurde in Sachsen-Coburg-Saalfeld auf der mittleren Ebene schließlich eine Trennung von Justiz und Verwaltung erreicht, wie sie von Kretschmanns Lehrer Hardenberg in Ansbach-Bayreuth schon 1795 eingeführt worden war656, was zumindest in Thüringen eine Neuerung darstellte.657

5. Konflikte mit der coburgischen Landschaft als Resultat der Verwaltungsreform Aufgrund der Maßnahmen im Rahmen der Verwaltungsreform kam es zu zahlreichen Streitigkeiten mit Minister Kretschmann. So gingen die herzoglichen Agnaten Friedrich Josias und Ludwig insbesondere gegen das Hausgesetz und bestimmte Anleihen des Herzogs vor658, Assistenzrat und Landesregierungsvizepräsident Wangenheim überwarf sich mit Kretschmann659; im Zusammenhang damit wurden auch weitere Vorwürfe vor allem finanzieller Art verbreitet.660 Die stärksten und bedeutendsten Spannungen bestanden jedoch mit der coburgischen Landschaft, die sich durch die Reformen in ihren althergebrachten „verfassungsmäßigen“ Rechten verletzt sah. Dazu unten 5.c), h), i). Nicht bereits am 3. November 1803, wie bei Ulrich Heß, Forschungen zur Verfassungsund Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Meiningen, S. 82 dargestellt. 654 StACo Min F 242 fol. 26 – 27’ = StACo LReg. 664 fol. 2, 2’ = Coburger Wochenblatt Nr. 11 vom 17. März 1804, S. 81 f. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 27. 655 StACo Min F 242 fol. 24 – 25’ = StACo LReg. 664 fol. 3 – 4. Die Vermutung einer Kausalität zwischen dieser Bezeichnung und der Fiktion einer fortbestehenden einheitlichen Landesregierung bei Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 232 kann damit wohl als widerlegt gelten. 656 Siehe dazu Rudolf Endres, Die preußische Ära in Franken, S. 181. 657 Vgl. Ulrich Heß, Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Meiningen, S. 82. 658 Näheres unter VI.2. 659 Ausführlich dazu IV.3.c). 660 Vgl. statt aller Karl August v. Wangenheim, Auch ein Beytrag zur Geschichte der Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande; Christian Ferdinand von Könitz, Beyträge zur Geschichte der Desorganisation der Sachsen-Koburg-Saalfeldischen Lande. 652 653

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

143

a) Neue Bauordnung als Auslöser der Auseinandersetzungen Als Ausgangspunkt der Differenzen kann die Eingabe des Landschaftsdirektors Christian Ferdinand von Könitz an Minister Kretschmann vom 8. September 1801 angesehen werden, in welcher dieser Kompetenzen landesherrlicher Behörden im Bereich des Bauwesens in Frage stellte.661 Am 17. September 1801 folgte eine Eingabe Könitz’ an die Landesregierung, in der dieser das „Generalrescript über das Bauwesen“ vom 1. August 1801662, das eine Anzeige- und Genehmigungspflichtigkeit für sämtliche Neubauten und „beträchtliche Reparaturen“ festgesetzt hatte663, als „verfassungswidrig“ bezeichnete, da dieses, obwohl es „die natürliche Freyheit eines jeden Unterthanes in Ausübung seines Eigenthums-Rechtes gar zu sehr zu beeinträchtigen scheint“, ohne jegliche Beteiligung der Landschaft erlassen worden war.664 Diese Beschwerde wurde dem Minister am 26. September 1801 zusammen mit der landschaftlichen Verwahrung gegen eine kurz zuvor verfügte Sportelerhöhung nochmals vorgetragen.665 Bereits hier bestätigte sich auch für Sachsen-Coburg die allgemeine Erfahrung, daß Reformpläne im Bereich der Verwaltung bei Beteiligung eines landständischen Kollegiums stets scheiterten, da die ständischen Vertretungen – und auch deren Mitglieder – hiervon vor allem eine Beeinträchtigung ihrer Privilegien zu erwarten hatten.666 Daraufhin gab Kretschmann am 12. Oktober 1801 bei der Landesregierung ein Gutachten in Auftrag, das in Sachsen-Coburg zum ersten Male – der Arbeitsweise Kretschmanns entsprechend667 – den Gedanken einer umfassenden Sammlung der landschaftlichen „Gerechtsame“ beinhalten sollte: „Wie begehren daraus daß Ihr nicht nur über dieses neuerliche Anbringen der Landschaft gutachtlichen Bericht erstattet, sondern auch zugleich gründlich auseinander setzet, woStACo Min J 190 fol. 8. StACo Min D 4881 fol. 2, 2’ = StACo LReg. 3485 fol. 2 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band XIII S. 3 ff. 663 Vergleichbar mit der bayerischen Bauordnung vom 28. Januar 1805 (RBl. 1805, Sp. 322 ff. = Rolf Kiessling / Anton Schmid, Regierungs- und Verwaltungshandeln, S. 134 ff.), die zudem noch eigene Baubehörden („Bau-Polizey-Kommißionen“) errichtete, während in Sachsen-Coburg die zentrale Zuständigkeit der Landesregierung verblieb. 664 StACo LReg. 3485 fol. 31, 31’. 665 StACo Min J 190 fol. 10 – 13; eine gesonderte Beschwerde über die Sportelerhöhung findet sich unter dem 26. Oktober 1801 bei StACo Min J 189 fol. 2 – 8. 666 So allgemein Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 286. 667 Vgl. schon für dessen Bayreuther Zeit Karl Heinrich Ritter von Lang, Memoiren, S. 284 f. = Hans Haußherr (Hrsg.), Die Memoiren des Ritters von Lang, S. 148 f. sowie Hanns Hubert Hofmann, Adelige Herrschaft und souveräner Staat, S. 171. Zu Kretschmanns Interesse an Sammlungen von Berichten und Tabellen vgl. Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 113. 661 662

144

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

rinnen eigentlich die Privilegien und Rechte derselben bestehen, damit die Eingriffe in dieselben vermieden werden können.“668

Die Landesregierung legte das umfassende Gutachten über die verfassungsrechtliche Situation in Sachsen-Coburg am 16. März 1802 vor.669 b) Fragen der Finanzverwaltung Mit Schreiben vom 4. Juni 1802670 wandte sich die Landschaft gegen die Einsetzung des Haupt-Einnehmers bei der herzoglichen Domänenkasse zum Kontrolleur bei der Landes- und Kriegskasse durch Reskript vom 26. April 1802671, da dies der landschaftlichen Verfassung zuwiderlaufe.672 Das Vollzugspatent für Landschaftskassierer Johann Georg Schmuzer vom 20. Mai 1802673 sandte Landschaftsdirektor Könitz am 19. Juni 1802 an Herzog Franz Friedrich Anton unter ausdrücklichem Protest zurück.674 Er forderte den Herzog zum Erhalt der landschaftlichen Verfassung auf: „Ew. p. werden es auf keine Weise geschehen laßen, daß Ihro Fürstl. Wort zuwider die Landschaftliche Verfaßung aufgelößt und unter dem Vorwand, eine bessere Ordnung herzustellen mit ihrem Wesen unvereinbarl. Einrichtungen getroffen werden.“675

Die Landesregierung berichtete dazu am 6. November 1802676: „Wir sind ( . . . ) der Meinung, daß die Landschaft auf keine Weise sich entziehen kann, die vom Landesherrn gesezt werdende Controlle anzunehmen. ( . . . ) Es kann ( . . . ) von der rechtlichen Seite ( . . . ) die Landschaft auf keine Weise sich der Landesherrlichen Mittheilnahme und Aufsicht entziehen.“677 StACo Min J 192 fol. 2. StACo Min J 192 fol. 3 – 29. Der Inhalt dieses Gutachtens wurde bereits im Rahmen des Kapitels I. verarbeitet. 670 StACo LReg. 537 fol. 133 – 138 = StACo Min V 4 fol. 80 – 85 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 368 ff. 671 Siehe dazu oben 3.f)aa). 672 StACo LReg. 537 fol. 137, 137’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 375. 673 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 147, 147’ = StACo LA B 2180 fol. 65’, 66 = StACo LA F 246 fol. 241 – 244 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 377 f. 674 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 152, 152’ = StACo LA B 2180 fol. 67’ – 69 = StACo LA F 246 fol. 249 – 251 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 379 f. 675 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 152’ = StACo LA B 2180 fol. 68’, 69 = StACo LA F 246 fol. 250’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 380 = Christian Ferdinand von Könitz, Beyträge zur Geschichte der Desorganisation, S. 131 ff. 676 StACo Min V 4 fol. 88 – 107’. 677 StACo Min V 4 fol. 106’. 668 669

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

145

Dies widerspreche insbesondere Art. XV § 3 der kaiserlichen Wahlkapitulation678, worin auch ein freies landschaftliches Verfügungsrecht über ständische Kassen eingeschränkt wurde.

c) Versuchte Entmachtung Könitz’ Maßgeblicher Wortführer der Landschaft war Landschaftsdirektor Christian Ferdinand von Könitz. Dieser war in einem Reskript vom 20. Februar 1802679 als „des Herzogs Vasall, Unterthan und Landstand“ bezeichnet worden, was seinem Selbstverständnis offensichtlich nicht entsprach. Auch Johann Jacob Moser hielt das Wort Unterthanen für Landstände in dieser Eigenschaft für unschicklich. Zwar seien alle Landstände auch Untertanen des Landesherrn, sie hätten aber in dieser Eigenschaft auch eine besondere Funktion in wichtigen Angelegenheiten für das Land. „Wann dahero ein Landes-Herr in Handlungen mit seinen Land-Ständen selbige ohne Noth, und gegen das Herkommen, um nur eine Geringschäzigkeit gegen sie zu äussern, und sie verächtlich zu tractiren, die Land-Stände bloß als Unterthanen tractirt und benennet; haben sie gerechte Ursach, sich darüber zu beschweren.“680

Die Untertaneneigenschaft der Landstände war jedoch allgemein anerkannt, wie bereits Moser ausgeführt hatte: „Land-Stände seynd und bleiben, wie einzeln, so auch in Corpore, Unterthanen ihres Landes-Herrens: Deßwegen aber eben so wenig Sclaven, als Mit-Regenten.“681

Könitz trat am 1. Januar 1802 mit Einwilligung der übrigen Landstände als Geheimer Rat in die Dienste Sachsen-Meiningens.682 Schon längere Zeit hatte er das Amt eines Ritterrates bei der Reichsritterschaft im Kanton Baunach bekleidet.683 Am 21. Juni 1802 erging daraufhin ein herzogliches Reskript an die Landschaft 678 Dieser lautete: (Wir wollen) „Auch nicht gutheißen, noch zugeben, daß die Landstände die Disposition über die Landsteuer, deren Empfang, Ausgabe und Rechnungsrezessirung, mit Ausschließung des Landesherrn, privative vor und an sich ziehen, oder in dergleichen und andern Sachen, ohne deren Landesfürsten Vorwissen und Bewilligung, Konvente anstellen und halten ( . . . ).“, zit. nach Friedrich August Schmelzer, Die kaiserliche Wahlkapitulation = Christian Heinrich Ludwig Wilhelm Spiller von Mitterberg, Beyträge zur genauern Kenntniß der Reichsverfassung Deutschlands, S. 287 ff. 679 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 82. 680 Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 341. 681 Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 715, vgl. dazu auch Karl Ioseph Hartmann, Ueber den Ursprung und das rechtliche Verhältnis der Landstände, S. 72 sowie grundsätzlich oben I.4.e)ee)(1). 682 ThStAMgn GA XXVII.15 / 6 fol. 1, 1’. 683 Der Kanton Baunach, der zum Ritterkreis Franken gehörte, hatte neben einem Ritterhauptmann sechs Ritterräte, vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 3, S. 1317.

146

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

mit der Anweisung, einen neuen Landschaftsdirektor zu wählen.684 Könitz könne dieses Amt nicht mehr wahrnehmen, sollte er weiterhin in meiningischen Diensten und in Verbindung mit der Reichsritterschaft stehen, da eine Kollision sachsencoburgischer und sachsen-meiningischer Interessen aufgrund bestehender Differenzen wahrscheinlich sei.685 Das Amt des Landschaftsdirektors erfordere zudem einen ständigen Aufenthalt im Inland. Außerdem besage ein unverbrüchlicher Grundsatz der coburgischen Verfassung, daß der Landschaftsdirektor in keiner Verbindung mit dem reichsritterschaftlichen Adel stehen dürfe.686 Im Antwortschreiben vom 23. September 1802687 bestritt der Engere Ausschuß das Bestehen eines solchen Kontaktverbots. Zudem habe die Landschaft Könitz’ Gang in meiningische Dienste akzeptiert. Der Landschaftsdirektor sei in der Lage, eventuellen divergierenden Pflichten nachzukommen, zumal der Aufenthalt außer Landes ihn nicht an der Erfüllung seiner Pflichten hindere. Hierauf forderte die Landesregierung am 19. Oktober 1802 vom Engeren Ausschuß die Vorlage der die Zustimmung ausdrückenden Stimmen der Landstände innerhalb von acht Tagen688, was der Engere Ausschuß mit Schreiben vom 23. Oktober 1802 unter Berufung auf die Freiheit des landständischen Stimmrechts verweigerte.689 Diese Berufung auf die Stimmfreiheit der Landstände wurde am 5. Dezember 1802 wiederholt.690 Am 10. Dezember 1802 regte die Landesregierung an, gegen die Landschaft durch Exekution vorzugehen691, wozu sie auch am 16. Dezember 1802 von Minister Kretschmann angewiesen wurde.692 Diese Anweisung wurde jedoch durch herzogliches Reskript vom 23. Dezember 1802 infolge einer Provokation der Landschaft an den Herzog vom 24. November 1802693 wieder aufgehoben.694

StACo Min J 195 fol. 2 = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 153, 153’. Später wurde auf Könitz zurückgeführt, daß von Sachsen-(Coburg-)Meiningen „veraltete und schon längst verjährte Ansprüche hervorgesucht“ worden seien, vgl. Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, S. 33. Zu den Ansprüchen selbst vgl. StACo Min G 550, ThStAGo Geheimes Archiv F.III. Nrn. 6, 7 sowie ThStAMgn GA XIII.B.8. 686 Seit dem „Casimirianischen Abschied“ von 1612, StACo Urk LA F 1. 687 StACo Min J 195 fol. 3 – 6 = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 157 – 160. 688 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 161; offensichtlich unrichtig die Datierung des Schreibens auf den 12. Oktober 1802 bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 24 Fußnote 25 unter Berufung auf die identische Fundstelle. 689 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 161’ – 162’. 690 StACo Min J 195 fol. 15 – 17’. 691 StACo Min J 195 fol. 8 – 9. 692 Androhung von Strafverhängung durch die Landesregierung bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 163. 693 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 163’ – 164’. 694 StACo Min J 195 fol. 19 = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 168, 168’. 684 685

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

147

d) Beschwerden der Landschaft über Verletzungen ihrer verfassungsmäßigen Rechte aa) Organisationspatent Die Landschaft führte in ihrem nächsten Beschwerdeschreiben vom 21. Juni 1802 aus, daß auch die Aufhebung der Deputationen durch das Organisationspatent vom 1. Mai 1802695 gegen die landschaftliche Verfassung verstoße, da hierdurch in das Mitberatungsrecht der Stände eingegriffen werde.696 Nachdem in einem herzoglichen Reskript vom 10. Juli 1802 gefordert wurde, daß zur Beschränkung der künftigen Steuerlast nach den bereits durchgeführten Reformen die Verwaltung der landschaftlichen Kasse dem Herzog bei Übernahme der landschaftlichen Schulden überlassen werden sollte697, protestierte die Landschaft am 20. Juli 1802 gegen diese Planung und gegen Versuche der Landesregierung, Steueranschläge und Darlehen bei verschiedenen Gemeinden anzubringen, da hierdurch das landschaftliche Mitbestimmungsrecht umgangen werde.698 Am 7. September 1802699 und am 12. November 1802700 wurden die Beschwerden gegen das Organisationspatent wiederholt. In einem weiteren Beschwerdeschreiben vom 2. November 1802 bat der Engere Ausschuß um Einsetzung einer Kommission zur Beilegung der landschaftlichen Beschwerden, wie sie bereits Ende des 18. Jahrhunderts einmal bestanden hatte.701 Nachdem das Kammeramt Coburg verfügt hatte, daß Extrasteuern und Landesakzise, die bislang an die Landes- und Kriegskasse gezahlt wurden, künftig an die Hauptdomänenkasse auf Rechnung der Landes- und Kriegskasse abgeführt werden sollten, beschwerte sich die Landschaft am 26. November 1802 darüber, da dies sowohl gegen die landständische Verfassung wie auch gegen das Wort des Herzogs, an dieser nichts verändern zu wollen, verstoße.702 Assistenzrat Wangenheim schlug am 30. Januar 1803 als Kompromiß die Wiedererrichtung des Scholarchats unter Beteiligung eines adligen Mitglieds der Landschaft und der Scheres-Zieritz-Stiftungs-Nachexekution unter Beteiligung des Landschaftskonsulenten vor, da das Land hiervon „eher Vortheil als Nachtheil zu erwarten“ habe, die übrigen Deputationen sollten jedoch weiterhin aufgehoben Siehe dazu oben 4.b). StACo Min J 198 fol. 2, 2’ = StACo LReg. 357 fol. 3, 3’ = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 133, 133’. 697 StACo Min J 197 fol. 32 – 33’. 698 StACo Min J 197 fol. 45 – 46. 699 StACo Min J 198 fol. 5 – 6 = StACo LReg. 357 fol. 5, 5’. 700 StACo Min J 198 fol. 8 – 9 = StACo LReg. 357 fol. 7, 7’ = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 135 – 136. 701 StACo Min J 196 fol. 3 – 5’. 702 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 170 – 171’ = StACo LA B 2180 fol. 78 – 79’= StACo LA F 246 fol. 275’ – 279’. 695 696

148

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

bleiben.703 Dieser Vorschlag fand wohl wegen der mittlerweile bereits verhärteten Fronten keine Beachtung. bb) Landesherrliches Einsichtnahmeverlangen in landschaftliche Vorgänge Landschaftsdirektor Könitz führte in einem Schreiben an den Herzog vom 28. Dezember 1802 aus, daß durch das Verlangen der Landesregierung vom 19. Oktober 1802 zur Vorlage des Abstimmungsergebnisses704 das freie Stimmrecht der Landstände aufgehoben werde. Außerdem seien die Landstände nicht verpflichtet, dem Landesherrn Akten auszuliefern oder vorzulegen, denn auch dieser habe das Abstimmungsgeheimnis zu beachten.705 In einem Gutachten vom 14. Januar 1803706 stellte die Landesregierung unter Berufung auf Johann Jacob Moser707 fest, daß dem Herzog infolge seiner Oberaufsicht über alle Korporationen im Lande das Recht zustehe, zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Stimmenauszählung Einsicht in die eingesandten Stimmen der Landstände zu nehmen.708

e) Erstmalige Ankündigung einer einheitlichen geschriebenen Verfassung Nachdem die Landschaft mehrmals an verschiedene ältere Beschwerden erinnert709 und abermals um die Einberufung einer Kommission zur Beilegung der landschaftlichen Beschwerden gebeten hatte710, erging als Antwort am 15. Februar 1803 folgendes Reskript, in dem erstmals die Erarbeitung einer einheitlichen geschriebenen Verfassungsurkunde für Sachsen-Coburg in Aussicht gestellt wurde: „Ihr habt seit einiger Zeit euch so sehr über Beeinträchtigung eurer Rechte, über Verlezzung der Verfassung und Eurer Privilegien beschwert, daß Wir es vor Pflicht hielten Unserer Regierung aufzugeben, die hiesige landschaftliche Verfassung und eure PraerogaStACo Min J 198 fol. 28, 28’. Siehe soeben c). 705 StACo Min J 195 fol. 11 – 13 = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 165 – 167’. 706 StACo Min J 195 fol. 21 -29’. 707 Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 115, 185, 705, 715, 781. 708 StACo Min J 195 fol. 23’, 24. 709 17. Januar 1803 (Beschwerde gegen das Organisationspatent; StACo Min J 198 fol. 29 – 30 = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 139 – 140); 22. Januar 1803 (Eingabe vom 26. November 1802; HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 184 – 185 = StACo LA B 2180 fol. 85, 85’ = StACo LA F 246 fol. 296’ – 299); 31. Januar 1803 (Beschwerde vom 2. November 1802; StACo Min J 196 fol. 13 – 14). 710 StACo Min J 196 fol. 13 – 14. 703 704

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

149

tiven Uns in einem umfassenden Vortrage vorzulegen und sich über eure Beschwerden gutachtlich zu äußern, damit Wir alsdann in den Stand gesetzt werden jene in ihrem rechtmaesigen Umfange zu handhaben und diesen gehoerig so weit sie rechtlich sind abzuhelfen. ( . . . ) Deshalb fordern Wir auch euch auf Uns binnen sechs Wochen ( . . . ) nicht nur ganz genau die Landschaftliche Verfassung in ihren einzelnen Theilen mit Urkunden belegt aus einanderzusezzen, ( . . . ) sondern auch alle eure Beschwerden vollständig zu entwickeln und vorzulegen. Wir werden dann in der möglichst kürzesten Zeit eure Forderungen prüfen und auf einem vor zu bereitenden Landtag nicht nur mit euch über Verbesserung des Landes-Zustandes berathschlagen, sondern auch solche Verfügungen treffen, welche die beurkundete Verfassung des Landes und das wahre Wohl desselben unbedingt fordern können.“711

Der Engere Ausschuß legte in einer Stellungnahme vom 12. März 1803 – historisch richtig – dar, daß er die „ständischen Freiheiten“ als gleich ursprünglich wie die Landeshoheit ansah: „So können wir doch nicht umhin unterthänigst zu bemerken: daß die Constitution dieses Landes und die Praerogativen der Stände dergestalt in der Notorietät beruhen, daß wir den Beweis ihres Daseins durch Urkunden oder auf andere Weise zu führen uns nicht für rechtlich verbunden erachten, und daß wir das, was wir hier zur Uebersicht dieses Gegenstandes unterthänigst vorlegen ledig aus freiem Willen und zu Bezeugung unserer tiefen Ehrerbietung unterthänigst überreichen.

Hiernächst sind die Freyheiten, in deren Besitz sich die Stände dieses Landes seit den ältesten Zeiten befinden, keineswegs Privilegien, welche ihnen die Milde des Landesherrn zum Nachtheile der Nichtstände ertheilet hat, sondern es sind Praerogativen die aus den ältesten Zeiten auf sie gelangt, mit der Bildung der Landesfürstlichen Obrigkeit gleichen Schritt gehalten haben und nicht immer aus Urkunden bewiesen werden können.“712 Dies wurde mit der Rolle der Landschaft und ihren korporativen Rechten begründet: „Als Corpus betrachtet besteht daßelbe (sc. das landschaftliche Kollegium) aus den Praelaten der Ritterschaft und den Städten und seine Rechte werden beurtheilt aus dem Herkomme, den Reichs- und Landtagsabschieden ältern Fürstl. Haus-Receßen, und Landesherrl. ausgestellten Reversalien; diesen zu Folge haben treugehorsamste Stände das Recht in allen Landesangelegenheiten dem Landesherrn mit Rath und That an die Hand zu gehen, mithin über alle das Wohl und Wehe des Staats betreffende Gegenstände ihre unzielsetzliche Meinung unterthänigst zu eröffnen, auch dem Landesherrn gegen alle verderblichen Masregeln Vorstellung zu machen, und es stehen ihnen hiernächst alle Reichsconstitutionsmäsige Mittel und Wege offen, dergleichen der Landeswohlfarth und den 711 StACo Min J 192 fol. 99, 99’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 35 f. = Christian Ferdinand von Könitz, Beyträge zur Geschichte der Desorganisation, S. 213 f. = Carl Friedrich Häberlin (Hrsg.), Wahrheit und Unwahrheit, S. 161 f. = Coburger Wochenblatt Nr. 3 vom 23. Juli 1803, S. 15 f. 712 StACo Min J 192 fol. 100’, 101 = StACo LA B 2180 fol. 3’ = StACo LA F 246 fol. 6’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 39 f. – Zur „Notorietät“ als Rechtsquelle siehe bereits oben I.2.d).

150

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

besonderen Gerechtsamen ihrer Mitstände und der Unterthanen nachtheilige Schritte abzuwenden. Daher sie den auch an der gesetzgebenden Macht dergestalt Antheil haben, daß ohne ihren gutachtlichen Rath bey Ertheilung eines neuen und Verbeßerung oder Aufhebung eines alten Gesetzes, es betreffe einen Gegenstand der Justiz oder der Policey, daßelbe für sie, und für das Land, dessen Repraesentanten sie in mehrerer Rücksicht sind, in eine verbindliche Kraft nicht übergeht; so wie ihnen bey Anordnungen, welche die Veränderung der Landes-Constitution betreffen, ein Votum negativum conpetirt. Gehört es unter ihre vorzüglichsten Freyheiten nach den Bedürfnißen des Landes Steuern und Anlagen zu verwilligen, und haben sie daher ein gegründetes Widerspruchs-Recht, wenn dergleichen Anlagen, es sey nun directe oder indirecte, eingeführt werden wollen, wie ihnen denn ebenfalls die Befugniß zusteht, sie nach den Umständen wieder einzuziehen, auch darüber zu wachen, daß diese verwilligten Anlagen dem Zweck gemäs würcklich verwendet werden. Daher sie eine eigene Caße haben, die sie unter der Oberaufsicht des Landesfürsten administriren. ( . . . ) Sie wählen und besolden ihre eigene Diener, welche gewöhnlich von dem Landesherrn bestätigt zu werden pflegen. Sie haben vollkommene Stimmen-Freyheit und das Recht in ihren eigenen Angelegenheiten Convente zu halten und auf Landtagen zu erscheinen, wohin sie der Landesherr berufet. Da aber die wenigsten Landstände mit dieser Art von Geschäften vertraut seyn können und sich daher außer Stand befinden müssem, dem Landesherrn Sachgemäs zu rathen, oder die Lage der Dinge zu beurtheilen und gleichwohlen dergleichen Landtage mit bedeutenden Kosten verbunden zu seyn pflegen, so sind die Geschäfte wenigern Mitgliedern anvertraut, die unter dem Namen des engern Ausschußes bekannt sind, und in wichtigen Fällen mit ihren Constituenten Rücksprache nehmen müßen.“713

Im Anhang hierzu wurde ein Verzeichnis sämtlicher 33 bis dato erhobenen landschaftlichen Beschwerden eingereicht.714 Durch Reskript vom 7. Mai 1803 wurde die Landesregierung mit der Prüfung des vom Engeren Ausschuß eingereichten Schriftstücks beauftragt.715 Bereits am 13. April 1803 war eine Beschwerde des Engeren Ausschusses als „höchst anmaßlich und ( . . . ) ahndungswürdig“ bezeichnet worden.716 Das Ergebnis dieser Überprüfung wurde nach abermaliger Aufforderung717 am 24. Dezember 1803 schließlich von der Landesregierung als „Abhandlung über die Landschaftliche Verfaßung des Fürstenthums Coburg“, datiert auf den 4. November 1803, mit der Beschreibung der Verfassungssituation nach Ansicht der Landesregierung vorgelegt.718 713 StACo Min J 192 fol. 102 – 103’ = StACo LReg. 352 fol. 4’ – 6’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 42 ff. 714 StACo Min J 192 fol. 106 – 107 = StACo LReg. 352 fol. 9 – 10’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 49 ff. 715 StACo Min J 192 fol. 108 = StACo LReg. 352 fol. 1, 1’ = Carl Friedrich Häberlin (Hrsg.), Wahrheit und Unwahrheit, S. 163 f. = Coburger Wochenblatt Nr. 3 vom 23. Juli 1803, S. 16. 716 StACo Min J 195 fol. 19. 717 StACo Min J 192 fol. 112.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

151

Am 13. Mai 1803 beantwortete Herzog Franz Friedrich Anton die landschaftlichen Beschwerden über das Organisationspatent mit folgendem Reskript: „Wir hatten vom Anfang Unserer Regierung keine andere Absicht, als Unser Land durch Sparsamkeit in allen Zweigen der Staatsverwaltung, durch einen beßern Geschäftsgang, durch eine zweckmäßige Organisation aller Geschäftszweige aus dem Schlafe und der Anarchie zu reißen, in der es seit mehr als einem halben Jahrhundert sich befand. ( . . . ) Aber wenn Wir Unsere wohlthätigen Zwecke ganz erreichen wollten, so mußten Wir darauf bedacht seyn, alle Regierungsgeschäfte mehr zu concentriren, und aus einem Central-Puncte zu leiten. Dieses war die Ursache, daß Wir alle Special-Deputationen aufgehoben haben, wodurch ehedem die Geschäfte ohne Noth vervielfältigt worden sind. Diese Deputationen ( . . . ) sind mit der Landesregierung ( . . . ) vereinigt. Aber diese Vereinigung kann und wird für die den einzelnen Deputationen untergebenen Stiftungen nicht nachtheilig wirken, weil eben Unsere Landesregierung auf das Wohl des Landes verpflichtet ist, und Wir schon durch das Hausgesetz vom 1. April 1802 den jeweiligen Regenten verhindern, nachtheilig darauf zu würken. ( . . . ) Indessen werden Wir es mit besonderem Wohlgefallen ansehen, wenn Unsere getreue Landschaft ein fähiges Mitglied aus ihrer Mitte wählt, um in Unserm Regierungs-Collegio Sitz zu nehmen und ( . . . ) thätig mitzuwirken.“719

Auf dieses Angebot einer – zeitgenössisch durchaus üblichen720 – Beteiligung der Landstände an der landesherrlichen Verwaltung ging der Engere Ausschuß nur ablehnend ein.721 Die Intention des Herzogs bei der Verwaltungsreform wurde öffentlich unter erstmaliger Ankündigung eines Verfassungsdokuments wie folgt beschrieben: „Die Absicht des edlen Herzogs geht bey dieser Sache ausschließlich dahin, seinem Lande eine solche Verfassung zu geben, daß jeder Regent in der Zukunft ungestört das Gute befördern, ( . . . ) nie aber etwas thun kann, was diesem Zwecke und überhaupt der wahren Wohlfarth des Landes entgegen ist. ( . . . ) Er wird um diese wohlthätige Absicht in ihrem ganzen Umfange erreicht zu sehen ( . . . ) der Landschaft auf einem Landtage unter dem Beytritte der Stände eine solche Verfassung geben, wodurch auch für die Zukunft eine moralische Regierung gegründet werden kann.“722

f) Vorbereitung einer landschaftlichen Klage vor dem Reichshofrat Bereits wegen des landesherrlichen Einsichtnahmeverlangens hatte die Landschaft wohl mit einer Klage vor einem Reichsgericht gedroht, da die Landesregierung im Gutachten vom 14. Januar 1803 die Drohung mit einer „Berufung ad 718 Vorlageschreiben bei StACo Min J 193 fol. 3 – 5’; Gutachten ebd. fol. 6 – 189’. Der Inhalt des Gutachtens wurde bei der Darstellung unter I. verwendet. 719 StACo Min J 198 fol. 31 – 32’ = StACo LReg. 357 fol. 21 – 22 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 324 ff. 720 Ähnliche Vorstellungen hatte ebenfalls Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein, siehe Dieter Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 81. 721 Siehe das Antwortschreiben vom 25. Mai 1803 sogleich unter f). 722 Coburger Wochenblatt Nr. 3 vom 23. Juli 1803, S. 17.

152

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Augustissimum“ als „Anmaßung“ und Verstoß gegen das dem herzoglichen Haus zustehende privilegium de non appellando bezeichnete.723 Der Engere Ausschuß wiederholte die Drohung mit der Reichsgerichtsbarkeit in einem Schreiben vom 11. März 1803, da durch die Aufhebung der Deputationen in verfassungswidriger Weise das landschaftliche „Beisitzrecht“ verletzt worden sei: „Auf den ganz unerwarteten Fall, daß abermals keine ( . . . ) Resolution in dieser ebenso wie in schon mehreren der hiesigen ganz notorischen und gar keiner weiteren Beglaubigung erst nöthig habenden Landes-Verfaßung entgegen laufenden Sache erfolgen, vielmehr von der Herzogl. Landes-Regierung mit weitern dergleichen Rechtswidrigen Verfügungen fortgefahren und dadurch die Gott und Menschen wohlgefällige Justiz versagt werden sollte, nothgedrungen, obgleich gewiß höchst ungern, den bekanntesten Rechten und Reichsgesetzen vollkommen gemäß an Se. Kayserl. Majestät wir solches hiermit geschieht allerunterthänigst provociren müßen.“724

Könitz erhielt unter dem 24. März 1803 eine Vollmacht des Engeren Ausschusses zur Erhebung einer Klage beim Reichshofrat.725 Am 20. April 1803 erging folgendes herzogliches Reskript an die Landesregierung: „Da Wir ganz bestimmt wissen, daß nicht alle Landstände über die Beybehaltung des pp. von Koeniz zum Landschaftsdirector befragt worden sind, noch weniger zugestimmt haben, der Engere Ausschuß aber die unbedingte Pflicht hat, sich wegen seiner Anträge und Verhandlungen zu legitimiren; da diese Legitimation nur durch Vorlegung der Stimmen geschehen kann; da es gegenwärtig den nicht anerkannten Landschaftsdirector selbst betrift, da die Landschaft ( . . . ) ohne Bewilligung des Landesherrn keine Versammlungen halten dürfen, also auch über die Gegenstände ihrer Verhandlungen sich ausweisen müßen; da Wir niemanden sein Stimmrecht beschränken wollen: 723 StACo Min J 195 fol. 28, 28’. Durch ein kaiserliches Privileg vom 2. Mai 1559 war das bereits in der Goldenen Bulle den Kurfürsten gewährte privilegium de non appellando für Kursachsen „nebst denen Herzogen zu Sachsen“ bestätigt worden, vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 8, Erster Theil, S. 180, S. 188, S. 199, Band 12, Erster Theil, S. 586; anerkennend auch Allgemeines genealogisches und Staats-Handbuch 1811, 1. Band, S. 156; Ulrich Eisenhardt, Die Kaiserlichen Privilegia de non appellando, S. 114. Ausführlich mit der historischen Entwicklung des Privilegiums für das wettinische Gesamthaus beschäftigt sich Karl Gottlob Günther, Das Privilegium de non appellando des Kur- und Fürstlichen Hauses Sachsen, vgl. dort S. 9 f., 22 f., 55; das Privileg vom 2. Mai 1559 ist abgedruckt auf S. 180 ff. Dennoch hält Ulrich Heß es für umstritten, ob den ernestinischen Staaten ein ius de non appellando zustand (Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 21). – Zu möglichen Auswirkungen des privilegium de non appellando auf die vorliegende Klage der Landschaft siehe VI.1.e). 724 StACo Min J 198 fol. 36 = StACo LReg. 357 fol. 38, 38’. 725 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2, unfol. Die Tatsache, daß nur eine Vollmacht des Engeren Ausschusses vorlag, kann diesem Akt entnommen werden, obwohl auch Franz Josias von Hendrich behauptete, daß der „größte Theil der Stände“ Landschaftsdirektor Könitz zur Klage bevollmächtigt habe (Vertheidigung, S. 51 f.). Zum Vollmachtserfordernis für den Reichshofratsprozeß sowie zu den sonst notwendigen Formalien Siehe Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1336.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

153

So können Wir von Unserm ( . . . ) Verlangen nicht abgehen, und habt Ihr den landschaftlichen Engern Ausschuß bey fiscalischer Ahndung anzuhalten, die Stimmen im Original mit den vollständigen Acten binnen Acht Tagen vorzulegen.“726

Dieser Aufforderung kam die Landesregierung am 26. April 1803 nach.727 Die Landesregierung untermauerte die zugrundeliegende Argumentation in einem weiteren Gutachten vom 15. Mai 1803 abermals und ergänzte, daß der Engere Ausschuß ohne ausdrückliche Bevollmächtigung durch sämtliche Mitstände keinesfalls zu einer Beschwerde vor einem obersten Reichsgericht befugt sei.728 Am 20. Mai 1803 wurde zum wiederholten Male eine Frist von acht Tagen zur Einreichung der Unterschriften gesetzt.729 Am 14. Mai 1803 wurde die Landesregierung beauftragt, sich über die angedrohte Beschwerde zu äußern.730 Der Bericht vom 3. Juni 1803 befand: „Wir müssen diese Provocation gradehin für ungebührlich erklären, da nach den Reichsgesetzen im Allgemeinen und der Sächsischen Hausverfassung insbesondere, die Landschaften und Unterthanen ihr Recht vor den Landesbehörden zu suchen haben“.731

In Antwort auf das Reskript vom 13. Mai 1803732 führte die Landschaft aber im nächsten Schreiben vom 25. Mai 1803, eingegangen Anfang Juni, aus, daß „von dem Schlaf und der Anarchie, worinnen aller Geschäfts-Gang in den hiesigen Landen seit mehr als einem halben Jahrhundert sich befunden haben soll, Euer Herzogl. Durchlaucht getreuesten Landständen nicht das mindeste bekannt ist ( . . . ), welches denn von dem ehemaligen zwekmässigen Geschäftsgang bey diesen öffentlichen Instituten wohl das beste Zeugniß giebt. ( . . . ) Durch die jetzige neue Organisation und die dabey von Zeit zu Zeit geschehenen Landes-Constitutionswidrigen sich auf eine fremde wohl nicht hierher paßende Finanz-Verfaßung gründenden Proceduren die hiesige zeither bestandene Landschaftliche Verfassung nach und nach so weit gebracht worden, daß solche ihrer Auflösung sehr nahe zu seyn scheint, und sich daher eine getreue Landschaft wohl um so weniger auf den derselben anjetzt erst gnädigst gethanen Vorschlag, ein Mitglied aus Ihr zu erwählen, welches bey der Herzoglichen Landes-Regierung Sitz und Stimme haben soll, vor Wiederherstellung der wesentlichen alten Landes-Verfaßung ( . . . ) nur im mindeßen einzulaßen vermag, je gewißer solches sonst von einer Neuerung zur andern führen ( . . . ), auch am Ende von der hiesigen Landschaftlichen Verfaßung gar nichts weiter als allenfalls der bloße Name übrig bleiben würde.“733

StACo Min J 195 fol. 31, 31’. HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 169. 728 StACo Min J 195 fol. 32 – 33’. 729 StACo Min J 195 fol. 34. 730 StACo Min J 198 fol. 38 = StACo LReg. 357 fol. 35. 731 StACo Min J 198 fol. 40 = StACo LReg. 357 fol. 41. 732 Siehe soeben e). 733 StACo Min J 198 fol. 42 – 44’ = StACo LReg. 357 fol. 50’ – 52 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 327 ff. 726 727

154

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Die Nichtabhilfe der bisherigen Beschwerden „haben dieselben (sc. Landstände) genöthigt Kayserl. Majestät um allergerechteste Abhilfe derselben allerunterthänigst zu ersuchen.“734

Als Reaktion darauf wurde die Landesregierung am 23. Juni 1803 wie folgt angewiesen: „Da ( . . . ) diese Provocation durchaus ungebührlich und unstatthaft ist, indem nach den Reichsgesetzen im Allgemeinen und nach der Sächsischen Hausverfassung insbesondere, die Landschaften und Unterthanen ihr Recht selbst gegen den Landesherrn vor den Landesbehörden zu suchen haben, auch im gegenwärtigen Fall ohne Zweifel der Kaiserl. Reichshofrath darauf Rücksicht nehmen und nach Vorschrift der Wahlkapitulation Art. XV verfahren wird; So habt Ihr dem Landschaftlichen Engern Ausschuß nicht nur dieses ungebührliche Unternehmen, sondern auch alle dergleichen Provocationen in solchen unbefugten Fällen, bey nahmhafter Strafe zu untersagen, und ihn zu Anbringung seiner würklichen oder vermeyntlichen Beschwerden lediglich an die Justizdeputation zu verweisen.“735

Die Landesregierung sandte ein derartiges Schreiben am 6. Juli 1803 an den Engeren Ausschuß.736

g) Differenzen über Steuerbewilligung und Steuererhebung Landschaftskassier Schmuzer berichtete am 30. Juni 1803 über weitere Eingriffe in das Kassenwesen an Landschaftsdirektor Könitz.737 Nach einer Veröffentlichung der Landes- und Kriegskasse vom 30. Juni 1803, beruhend auf einem Schreiben Könitz’ vom 27. Juni 1803, habe die Landschaft die Debitsteuern für 1803 nicht wieder bewilligt: „Es wird hiermit öffentlich bekannt gemacht, daß die beyden zeitherigen Debitsteuern, zu den Terminen Walpurgis und Martini, auf das jetzige Jahr 1803 nicht verwilliget worden. Wer daher diese Steuer bezahlt hat, hat solche bey dem Steuereinnehmer auf die übrigen Steuertermine abzurechnen oder sich zurückzahlen zu lassen.“738

Hierauf erging am 2. Juli 1803 folgendes herzogliches Reskript an die Landesregierung: „Da Uns gar nichts davon bekannt ist, daß die Debitsteuern für die Termine Walburgis und Michaelis nicht verwilliget worden sind; da die Verwilligung oder Nichtverwilligung gar nicht von dem Ausschuß abhängt, und die Aufhebung der Verwilligung legal von der ganzen Landschaft auf dem gesetzlichen Wege nach zuvor davon bey Uns gemachter Anzeige und darauf erfolgter Genehmigung geschehen muß, so ist die diesfallsige Anzeige des pp. StACo Min J 198 fol. 45. StACo Min J 198 fol. 47, 47’ = StACo LReg. 357 fol. 49, 49’. Zum Inhalt des einschlägigen dritten Paragraphen des zitierten Art. XV Wahlkapitulation siehe soeben b). 736 StACo LReg. 357 fol. 53 = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 295, 295’, 367. 737 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 290 – 291. 738 Coburger Wöchentlicher Anzeiger Nr. 27 vom 2. Juli 1803, S. 108. 734 735

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

155

Schmuzers als bloßen Cassirers in dem anliegenden Wochenblatte um so auffallender und verdient die strengste Ahndung; es ist Uns aber auch unbegreiflich, wie eine solche Anzeige die Censur des Wochenblatts hat passiren lassen können.“739

Die Landesregierung verlangte daraufhin öffentlich am 5. Juli 1803 die weitere Zahlung der Debitsteuern: „Es hat sich die Landes- und Kriegscasse auf eine sträfliche Weise angemaßet ( . . . ) die zwey angeblichen Debitsteuern auf die Termine Walburgis und Martini eigenmächtig abzuschreiben, und den steuerbaren Unterthanen solches zu publiciren. Gegen die Urheber dieses unbefugten Unternehmens ist die Untersuchung anzustellen bereits befohlen. Die vorige Abschreibung der Steuer, die auf keinen Fall der Landeskasse zusteht, wird daher cassirt und aufgehoben; und die Unterthanen angewiesen nach wie vor und biß auf die von der Landesregierung beschehene Abschreibung der Steuer fortzuzahlen.“740

In einem Schreiben an den Coburger Magistrat und die Stadträte von Neustadt und Rodach vom gleichen Tage stellte die Landesregierung zudem fest: „Das Ausund Abschreiben der Steuer (sc. ist) aber nach der Reichs- und Landes-Verfassung Sache der Regierung.“ Diese Städte, die im Engeren Ausschuß vertreten waren, teilten daraufhin jedoch mit, daß ihnen eine Maßnahme oder Abstimmung der gesamten Landschaft oder des Engeren Ausschusses, auf der die betreffende Veröffentlichung der Landes- und Kriegskasse beruhen könnte, völlig unbekannt sei.741 Der Engere Ausschuß begründete diese Veröffentlichung jedoch am 27. Juli 1803 mit dem Wortlaut der Versicherungsurkunde: „Gleichwie nun aber diese Debitsteuern dem § 4. der höchsten Versicherungs-Urkunde gemäß ihre Endschaft erreicht, und also vertragsmäßig aufhören müßen, und das einer getreusten Landschaft zustehende noch nie bestrittene Verwilligungs-Recht durch die in neuen Wochenblatt von Herzogl. Landes-Regierung angekündigte Fortdauer der Landschaftl. Seits nicht weiter verwilligten Debitsteuern äußerst gekränkt wird, also muß eine getreuste Landschaft sich dagegen zur Erhaltung ihrer bekanntesten Rechte hierdurch aufs feyerlichste verwahren. ( . . . ) Übrigens will man dem Abschreib-Recht einer Herzogl. Landes-Regierung im mindesten nicht derogiren, so viel jedoch in unterthänigste Erinnerung bringen, daß, da diese Steuer bekanntlich nur auf eine bestimmte Zeit verwilligt und ausgeschrieben gewesen, in dieser Bestimmung selbst bereits das Recht solche abzuschreiben von Herzoglicher Landes-Regierung ausgeübt worden, der Landschaft aber observanzmäßig abliegt, ( . . . ) solches auf irgend eine Weise bekannt zu machen, wobey denn noch ( . . . ) von einer getreusten Landschaft unterthänigst in Vorschlag gebracht wird, daß annoch durch ein ins Wochenblatt einzuruckendes drittes Advertißiment von dem wegen Abschreibung der beyden nicht weiter verwilligten Debitsteuern entstandenen nunmehro aber gehobenen Mißverständniß und der künftig nicht weiter geschehen solenden Entrichtung dieser eingezogenen Debitsteuern das Publicum benachrichtigt werden möge, und wird es einem Landschaftl. Engern Ausschuß gnädigst erlaubt seyn, des Geheimen Justizrathes Pütter Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reiches 739 740 741

StACo LReg. 432 fol. 2. StACo LReg. 432 fol. 6 = Coburger Wochenblatt Nr. 1 vom 9. Juli 1803, S. 2. StACo LReg. 432 fol. 12 – 15’.

156

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

IXtes Buch Sect. II §. 7. und 8. p. 276 und 277 zu mehrerer Begründung des ohnehin einer hiesigen Landschaft ganz unstrittig zustehenden Steuerverwilligungs-Rechtes zugleich mit anführen zu dürfen.“742

In einer Publikation vom 8. August 1803 wurde Landschaftskassier Schmuzer und Landschaftsdirektor Könitz Überschreitung ihrer Befugnisse vorgeworfen: „Der Kriegs-Commissär und Landes-Cassirer Schmuzer hat sich schon bey Gelegenheit, als ihm die Stelle eines Controleurs bey Unserer Haupt-Domainen-Casse übertragen wurde, auf eine höchst unanständige und auffallende Art betragen, und er hat schon damals strenge Ahndung verdient. Die von Euch einberichtete Thathandlung, daß er ganz eigenmächtig die von der ganzen Landschaft genehmigten Debitsteuern ohne Auftrag öffentlich abgeschrieben hat, zeit vollends, daß dieser Mensch weder die Schranken seiner Dienstverhältniße, noch Subordination kennt. Der Consequenz wegen sind Wir verbunden, ihm seine Anmaasungen fühlbar zu machen, und ihn mit einer Disciplinar-Strafe von Achttägigem Arrest auf der Hauptwache zu belegen. ( . . . ) Der pp. von Koeniz hat aber auch offenbar seine Befugnisse übertreten.“743

Der mittlerweile in Haft genommene Schmuzer wandte sich am 9. August 1803 mit der Bitte um Dienstentlassung an das Ministerium und führte aus, er habe nur auf Könitz’ Anweisung gehandelt: „Obige Bekanntmachung habe ich nicht für mich, sondern auf eine an mich ergangene und bey Herzogl. Landes-Regierung hinterlegte Landschaftl. Verordnung gethan, ganz nach dem Geist und Sinn derselben so viel ich glaubte. Diese Verordnung, wie mir erinnerlich, besaget, daß die Landschaft benannte beyde Steuern pro 1803 nicht verwilliget habe, mir dieses zu meiner Nachachtung bekannt gemacht werde, damit ich mich mit der Verordnung legitimiren und belegen möge. ( . . . ) Mir ist noch nie in den Sinn gekommen, dem Herzogl. höchsten Steuer-Ausschreib-Recht zu nahe zu treten, auch wird es mir nie in den Sinn, Ew. pp. Landesherrlichen Rechte zu nahe zu treten ( . . . ). Die von mir geschehene Bekanntmachung in dem Wochenblatt führet auch nur den Ausdruck ,nicht verwilligen‘, welchen Ausdruck die Landschaftl. Verordnung hat. Von Abschreiben der Steuer nur zu denken, ist mir noch nie eingefallen, indem blos der Landesherr das Steuer-AusschreibRecht, also auch das Steuer-Abschreib-Recht hat.“744

Im herzoglichen Reskript an die Landesregierung vom 10. August 1803 wurde Schmuzer immer noch Überschreitung seiner Befugnisse vorgeworfen, jedoch wurde seine Entlassung aus dem Arrest angeordnet: „Obgleich die von demselben (sc. Schmuzer) zu seiner Entschuldigung angeführten Umstände seine Thathandlung so wenig rechtfertigen, als ihn straaflos machen können, indem er nicht blos ( . . . ) den ihm durch das von dem pp. von Koeniz erlassene Decret zugegangenen Befehl überschritten, sondern auch von diesem Befehl, den, wie Schmuzer wissen 742 StACo LReg. 432 fol. 42 – 43’. Die angeführte Literaturstelle (Johann Stephan Pütter, Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs, Zweyter Theil, S. 276 f.) verlangte eine landschaftliche Bewilligung zur wirksamen Einführung von Tranksteuern und anderen Abgaben, die auf Getränke oder andere Bedürfnisse erhoben wurden, sowie zur Einführung des Stempelpapiers. 743 StACo LReg. 432 fol. 24. 744 StACo LReg. 432 fol. 27 – 28’.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

157

müßte, der pp. von Koeniz einseitig nicht ertheilen, und er also nicht befolgen durfte, keine berichtlichen Anzeige bey Euch gemacht, um Verhaltungs-Befehl dieserhalb eingeholt hat, zumal ihm selbst nicht unbekannt geblieben seyn kann, daß, nach der zwischen Uns und der Landschaft errichteten Assecuranz-Urkunde, die zwey fraglichen Debitsteuern von der Landschaft selbst ( . . . ) verwilligt sind, und keiner neuen Ausschreibung bedürfen: So wollen Wir dennoch diesesmal noch Gnade für Recht vorwalten lassen, und dem pp. Schmuzer nunmehr von der übrigen Zeit des ihm zuerkannten Arrests, jedoch unter Verurtheilung in die dadurch verursachten Kosten, befreien.“745

h) Suspension des Landschaftsdirektors Könitz Am 17. August 1803 teilte die Landesregierung dem Engeren Ausschuß mit, daß „der Geheimrath von Koenitz ( . . . ) wegen ( . . . ) des Hochverraths und des Verbrechens der beleidigten Majestät“ vor der Justizdeputation angeklagt worden sei.746 Könitz dürfe deshalb während des Prozesses das landschaftliche Direktorium nicht mehr führen, weshalb eventuelle von ihm unterzeichnete Eingaben an landesherrliche Behörde nicht mehr angenommen würden.747 Ein Schreiben mit der Absenderbezeichnung „Landschaftliches Direktorium“ und der Unterschrift „Gemeinschaftliches Landschaftl. Direktorium daselbst, Christian Ferdinand von Köniz“ vom 8. September 1803 wurde von der Landesregierung am 22. September 1803 mit folgendem Begleitschreiben zurückgesandt: „Da Euch nicht zusteht die herkömliche Unterschrift bei Euren Eingaben u. Vorstellungen eigenmächtig u. ohne Unser Vorwissen u. Genehmigung abzuändern, Ihr Euch aber gleichwohl solches angemaßt u. Euch bei Eurer Denunciation ( . . . ) der Unterschrift Gemeinschaftl Landschaftl. Direktorium bedient habt, da ferner die Denunciation von dem Geheimrath von Koenitz eigenhändig unterzeichnet ist; Wir Euch aber schon letzthin ausdrückl. zu erkennen gegeben haben, daß Wir keine von dem p. von Koenitz in Landschaftlichen Angelegenheiten gezeichnete Eingabe mehr annehmen könnten; so müssen Wir Euch die gedachte Denunciation hiermit wieder zurück geben, wobei Wir Euch zugleich befehlen, Euch über die gebrauchte Unterschrift zu verantworten.“748

Eine andere Eingabe mit der Unterschrift „Gesammtes Landschaftl. Directorium“ sah Minister Kretschmann als in „einem mit der sonderbaren Unterschrift Gesammtes Landschaftl. Directorium versehenen und daher als von einer unbekannten Behörde erlassenen, nicht füglich zu beantwortenden Schreiben“ StACo LReg. 432 fol. 26. Eine von der Landesregierung geferitgte „Instruction für den Kanzleyrath Voigt als bestellten Fiscal wider den Herzogl. S. Meiningischen Geheimenrath von Könitz wegen des von dem Letzten zu Schulden gebrachten Hochverraths und Verbrechens der beleidigten Majestät“, datierend vom 20. April 1803, ist abgedruckt bei Theodor Konrad von Kretschmann, Die Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 85 – 124. 747 StACo LReg. 432 fol. 25, 25’. 748 StACo LReg. 252 fol. 4, 4’. 745 746

158

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

an.749 Auch die Beschwerde des Engeren Ausschusses an die Landesregierung vom 17. August 1803 über die Neuorganisation des Forstwesens750 wurde am 4. Oktober 1803 unbeantwortet zurückgesandt: „Wir finden Uns bewogen, Euch Eure Vorstellung ( . . . ) anliegend wieder zurückzugeben: Wir können solche, ohne Uns noch jetzt auf deren Inhalt einzulassen, um deswillen nicht annehmen, weil die Vorstellung mit sechs Siegeln besiegelt ist, auch die Unterschrift Director u. Deputati gebraucht ist, woraus sich ergiebt daß der Geheimrath von Koenitz, der doch vom Landschaftl. Direktorio suspendiret, diese Vorstellung mit besiegelt und gezeichnet haben müsse, da Wir Euch doch ( . . . ) ausdrückl. erklärt haben, daß Wir schlechterdings keine Eingabe von Euch mehr annehmen könnten, welche der von Koenitz gezeichnet u. worauf derselbe mitgewürkt habe. So lange bis Ihr die Euch wieder zurückgegebene Vorstellung nicht in der Euch ( . . . ) vorgeschriebenen Form ausgefertigt wieder einreichen werdet, können Wir Euch auch keine Resolution darauf ertheilen.“751

Mit der gleichen Begründung gab die Landesregierung mit Schreiben vom 7. Oktober 1803752 eine weitere Eingabe des Engeren Ausschusses vom 16. August 1803 zurück, die ebenfalls mit „Director und Deputati“ gezeichnet war.753 Die teilweise verwendete Bezeichnung „Gemeinschaftliches Landschaftliches Direktorium“ mißfiel ebenfalls. Unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 22. September 1803 forderte die Landesregierung am 26. Januar 1805 den Engeren Ausschuß auf, sich wegen der Verwendung dieser Bezeichnung zu verteidigen.754 Dieser antwortete am 4. Februar 1805 unter Verweis auf Eingaben aus dem 18. Jahrhundert, daß diese Bezeichnung früher schon ohne jede Einwendung in Gebrauch gewesen sei.755 Hierauf verfügte Minister Kretschmann am 4. Mai 1805, man wolle die Sache einstweilen auf sich beruhen lassen.756 In einer lediglich mit „Deputati“ gezeichneten Eingabe vom 25. August 1803 hatte sich der Engere Ausschusses gegen die ausgesprochene Suspension Könitz’ verwahrt, da der Herzog nicht berechtigt sei, ihm mißliebige landschaftliche Amtsträger durch Erhebung einer fiskalischen Klage aus ihrer Funktion zu verdrängen: „Da es Euer Herzogl. Durchlaucht viel umfaßenden Blick nicht entgehen kann, welche Folgen es für einen Staatskörper, wie der Landschaftl. ist, haben müße, wenn der obersten Gewalt freystünde, jedes ihr mißfälliges Mitglied derßelben und selbst den durch die Glieder einstimmig gewählten und höchsten Orts bestätigten Director durch blose Anstellung einer Fiscalischen Klage von den Geschäften zu entfernen; so dürfen von Höchstdero Gerrechtigkeitsliebe und den Grundsätzen, nach welchen Euer Herzogl. Durchlaucht die Stats749 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 394. 750 Siehe oben 4.f). 751 StACo LReg. 251 fol. 7, 7’ (die Hervorhebungen entstammen dem Original). 752 StACo LReg. 252 fol. 5. 753 StACo LReg. 252 fol. 6, 6’. 754 StACo LReg. 252 fol. 9’, 10. 755 StACo LReg. 252 fol. 11 – 12. 756 StACo LA F 253 fol. 6 = StACo LReg. 252 fol. 21.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

159

verwaltung dieses Landes besorgt wißen wollen, wir zuversichtlich hoffen keine Fehlbitte zu thun, wenn wir unterthänigst dahin antragen, daß die Suspension des Herrn Landschafts-Directors von Köniz wieder zurückgenommen und derselbe bey der Führung des Landschaftl. Directorii, so lange nicht rechtlich gegen ihn erkannt ist, ungestört gelaßen, auch ferner die von ihm mit vollzogenen Eingaben bey den höchsten Behörden angenommen werden mögen. Wir glauben daher auch, es ganz entübrigt seyn zu können, etwas zu deßen Rechtfertigung zu sagen, ob wir gleich ihn und seine Anhänglichkeit an unsere Verfaßung und Euer Herzogl. Durchlaucht höchste Person selbst zu gut kennen, um ihn einer Handlung fähig zu halten, die ihn des Hochverrathes und des Verbrechens der beleidigten Majestät schuldig machen könnte.“757

Am 10. September 1803 berichtete die Landesregierung an Minister Kretschmann über die Rechtmäßigkeit der Suspension Könitz’: „Schon die stete Abwesenkeit des Landschaftsdirektors ist an sich mit dem Direktorio unvereinbarlich, am wenigsten zu einer Zeit, wo der Landesherr und die Landstände über die Landschaftl. Verfassung sich vereinigen u. zusammen zu tretenn Willens sind. Dies gute Werck dürfte aber wohl erschwert – vielleicht gar vereitelt werden, wenn an der Spitze des Landschaftl. Corporis ein Mann stehet, der das Vertrauen seines Fürsten sich verlustig gemacht hat, gegen den auch seine schriftlichen Vorschritte sprechen, wenn er auch selbst mit seinen Gesinnungen seinem Fürsten treu geblieben seyn sollte. Dem Landesherrn aber kann nicht zugemuthet werden, die Wahrheit dieser Gesinnungen früher anzunehmen, als bis sich der Geheimrath von Koenitz hinlängl. gerechtfertigt haben wird; auf den Nahmen der Vergehungen kommt es nicht an.“758

Als Reaktion darauf wurde in einem herzoglichen Reskript angeordnet, es solle „bey der Suspension des von Könitz sein Bewenden behalten und Wir sind fest entschlossen, durchaus keine Eingabe des Landschaftlichen engern Ausschusses anzunehmen, wobey Wir wahrnehmen, daß der von Koenitz eingewirkt hat. ( . . . ) Den Landschaftlichen engern Ausschuß habt Ihr hiernach sogleich zu bescheiden und demselben zu erkennen zu geben, daß ihm selbst daran gelegen seyn müsse, zur Herstellung und Befestigung des von Uns so sehr gewünschten guten Vernehmens, durch Entfernung alles Einflusses des von Koenitz, mit zu wirken, und daß Wir eine fortdauernde Weigerung gegen die verfügte Suspension ebenso wie die fernere Gestattung eines Einflusses des von Könitz auch die Geschäfte des engern Ausschusses als eine Erklärung des Ausschusses, daß er eine daß er eine feste Begründung des guten Vernehmens zwischen Uns und Unserer getreuen Landschaft nicht wolle, ansehen müßten und dadurch gezwungen werden würden, den Ausschuß selbst für suspendiert zu erklären, keine Eingabe desselben mehr anzunehmen und solche Maasregeln gegen ihn zu ergreifen, wodurch demselben endlich einleuchten wird, daß derselbe gegen Uns in dem Verhältniß des Unterthanen gegen den Landesherrn steht.“759

Nach Anweisung Kretschmanns vom 20. September 1803760 sandte die Landesregierung schließlich am 24. September 1803 ein Schreiben diesen Inhalts an den Engeren Ausschuß.761 757 758 759 760

StACo LReg. 432 fol. 32. StACo Min J 195 fol. 35’, 36 = StACo LReg. 432 fol. 34, 34’. StACo Min J 195 fol. 38 – 39’. StACo LReg. 432 fol. 35.

160

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Könitz führte daraufhin in seiner Antwort an die Landesregierung vom 15. Oktober 1803 zu seiner Rechtfertigung folgendes aus: „Mein Aufenthalt allhier (sc. in Meiningen) verursachte keine größere Abwesenheit, als wenn ich auf meinem Guth wäre, und welche bey vorherigen Directoren statt gefunden hat, und mir ist bis jetzo nicht das Geringste vorgekommen, wo ich damit dem landschaftl. Wohl nachtheilig geworden sey. ( . . . ) Ich muß beyfügen, daß alle Justiz-Pflege in einem Lande aufhören muß, wo der Prozeß ab executione angefangen wird, und der angbl. beleidigte und klagende Theil sich selbsten Recht spricht.“762

Er habe wohl weniger das Vertrauen des Herzogs als vielmehr dasjenige des Ministers verloren, da er stets nur gemäß seiner Pflicht gehandelt habe. Die vorgebrachten Anschuldigungen könnten keinesfalls bewiesen werden.763

i) „Rücktritt“ Könitz’ Aufgrund der Amtsenthebung erklärte Könitz im Schreiben vom 15. Oktober 1803, „daß ich unter gedachtem Vorbehalt zurücktrete, und die vires meines landschaftl. Directorii dem Mit-Deputirten Geheimden Rath von Hendrich auf Ahorn aufgetragen und überlaßen habe. Diese meine freywillige Resignation kann jedoch nur von den Geschäften verstanden werden, welche zu der Verhandlung mit Ew. Herzogl. Durchl. Gehören, so daß also von heute an nichts mehr von Landschafts wegen eingereicht werden wird, was unter meiner Siegelung und Unterschrift angefertigt worden. Die völlige Unterbrechung aller Verhandlung mit der Landschaft hätte dem Wohl des Landes weit nachtheiliger werden können, als mein geringer Entschluß bey demselben nützlich seyn kann. Ich kann auch für meine Person um so lieber von der Spitze der Geschäfte zurücktreten, weil ich versichert bin, daß meine Stelle ein würdiger Mann einnimmt, der mit mir zu Erhaltung der Landeskonstitution, und Landschaftl. Verfaßung mit Gerechtsamen, nur einen Wunsch hat. Die Aueßerungen, daß der ganze enge Ausschuß und wohl auch alle Landstände suspendirt werden könnten, wenn sie die Verhältniße des Unterthans gegen den Landesherr, in Beziehung auf den besonderen landschaftl. Staats-Körper nicht anerkennen wollten, muß ich, zu Verwahrung landschaftlicher Zuständigkeiten, nur noch zum Schluß einen allgemeinen Widerspruch entgegen setzen.“764

Die Berechtigung Könitz’ zur Übertragung von Teilbereichen seiner Kompetenzen an einen anderen Landstand wurde in einem herzoglichen Reskript an die Landesregierung vom 14. Dezember 1803 bestritten: „Da es gar nicht von dem pp. v. Könitz abhängt, ohne legale Kenntniß der Landschaft und ohne Bestätigung des Landes-Herrn die vires seines ehemaligen Amts einem andern Mit761 StACo LReg. 432 fol. 37 – 38 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 258 ff. 762 StACo LReg. 432 fol. 44’, 45 = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 369’, 370. 763 StACo LReg. 432 fol. 45, 45’. 764 StACo LReg. 432 fol. 46 – 47.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

161

glied zu übertragen, zu mal da sein Amt in seiner Person als aufgehoben anzusehen ist; So habt Ihr den engern Ausschuß der Landschaft aufzufordern, daß er an die Stelle des pp. von Könitz ein anderes Glied des Auschußes wähle und zur Bestätigung anzeige.“765

Diese Aufforderung erging am 23. Dezember 1803 durch die Landesregierung.766 Da jedoch eine Wahl Hendrichs durch die Landschaft767 oder zumindest durch den Engeren Ausschuß weder erkennbar noch nachweisbar ist, ist der Behauptung, Hendrich sei Landschaftsdirektor in Coburg geworden, zu widersprechen.768 Könitz zeichnete vielmehr auch in den Jahren 1804 und 1805 noch als Landschaftsdirektor bzw. mit der Unterschrift „Ges. Landschaftl. Directorium“769, was die Landesregierung in einem Schreiben vom 13. März 1806 als „anmaßlich“ bezeichnete.770 Könitz selbst erwähnte in einem Brief an Imhoff am 23. Mai 1807 eine „Resignation des landschaftlichen Directorii“, die aber wohl erst kurz zurücklag.771

j) Weitere Kritikpunkte der Landschaft aa) Gesindeordnung In einem Schreiben an die Landesregierung vom 1. November 1803, eingegangen am 1. Dezember 1803, führte der Engere Ausschuß aus, daß er die veröffentlichte Gesindeordnung vom 11. März 1803772 als unverbindlich betrachte, da diese ohne die vorherige, verfassungsmäßig gebotene Anhörung der Landschaft verkündet worden sei.773 Die Landesregierung antwortete am 8. Dezember 1803, daß die Landschaft bereits im Jahre 1782 über den Entwurf einer Gesindeordnung gehört worden sei774 und sich mit diesem Entwurf am 26. Mai 1782 im wesentlichen einverstanden erklärt habe. Es könne jedoch ein weiteres landschaftliches Gutachten vorgelegt werden.775 StACo LReg. 432 fol. 52. StACo LReg. 432 fol. 52’, 53. 767 So nur von Gerhard Müller, Nachbemerkung, S. XLVIII behauptet. 768 Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 200, 227; jetzt auch Christian Kruse, Herzog Franz Friedrich Anton und sein Minister Theodor von Kretschmann, S. 14. 769 Beispielsweise bei StACo Landtag 970, fol. 20; StACo LReg. 547 fol. 39 ff., 47. 770 StACo Landtag 970, unfol. 771 StACo Schloßarchiv Hohenstein A 40, unfol. 772 Siehe oben 3.g)aa). 773 StACo LReg. 4738 fol. 138, 138’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 317. 774 Der damalige Entwurf findet sich bei StACo LReg. 4737, das dahingehende Gutachten der Landschaft ebd. fol. 20 – 22’. 775 StACo LReg. 4738 fol. 130 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 318. 765 766

162

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Ebenfalls vom 1. November 1803 datiert folgende, erst am 2. Januar 1804 eingegangene Eingabe, die mit „Sämtl. Landstände des Fürstenthums Coburg S. Saalfeldischen Antheils“ gezeichnet ist: „Euer Herzogl. Durchlaucht haben zwar eine neue Gesindeordnung in Druck ergehen laßen, welche aber einer getreuen Landschaft weder vorher verfaßungsmäßig zu ihrem zu erstattenden Gutachten mitgetheilt noch ebenfalls verfaßungsmäßig durch den Landschaftl. Engern Ausschuß bekannt gemacht worden, auch überdiß weder überall zum Zweck führende, noch unserer Lage und Umständen ganz angemeßene Vorschriften enthält.“776

Auch die Stadt Rodach hielt in einer Stellungnahme an die Landschaft vom 24. Dezember 1803 die vorgelegte Gesindeordnung für „eine blose Finanz-Speculation“.777 Nach einer Änderung wurde die Landschaft am 14. Mai 1804 abermals zur Vorlage ihres Gutachtens aufgefordert778, das nach abermaliger Nachfrage vom 24. August 1804779 schließlich mit Datum vom 4. September 1804 am 2. Oktober 1804 bei der Landesregierung einlief.780 Nach diesem Gutachten sei die neue Gesindeordnung „zu weitläuftig und ( . . . ) auch nicht für die niedere Volkesclasse faßlich genug daher aber nicht durchgehends anwendbar und zweckmäßig“, was wohl zu einer durchgehenden Nichtbeachtung führen könnte.781 Zudem seien die aufgestellten Grundsätze zu streng und die getroffenen Regelungen weitgehend nicht zweckmäßig. Bei der Administration der vorgesehenen Armenkasse solle am besten ein landschaftlicher Deputierter zugegen sein, ein solcher solle aber zumindest bei der Rechnungslegung ein Anwesenheitsrecht haben.782 Diese Eingabe wurde Minister Kretschmann erst im April 1806 von der Landesregierung vorgelegt783, hatte zuvor aber einen umfangreichen Briefwechsel zwischen Minister und Landschaft zur Folge.784 Zu einer Änderung der Gesindeordnung kam es allerdings erst 1814.785

StACo LReg. 4738 fol. 153 = Stadtarchiv Bad Rodach Abt. A Tit. X Nr. 27, unfol. Stadtarchiv Bad Rodach Abt. A Tit. X Nr. 27, unfol. 778 StACo LReg. 4738 fol. 222 = Stadtarchiv Bad Rodach Abt. A Tit. X Nr. 27, unfol. 779 StACo LReg. 4738 fol. 229. 780 StACo LReg. 4738 fol. 230 – 232’. 781 StACo LReg. 4738 fol. 230’. 782 StACo LReg. 4738 fol. 231’ mit Randvermerk des Ministers Kretschmann: „Wieder eine neue Deputation“. 783 StACo LReg. 4738 fol. 235. 784 StACo LReg. 4739 fol. 2 – 8. 785 Dazu unten C.IV.5.b). 776 777

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

163

bb) Tranksteuerordnung Bereits am 23. November 1803 hatte sich der Engere Ausschuß über die Veröffentlichung einer Tranksteuerordnung786 ohne Zustimmung der Landschaft beschwert; in einem herzoglichen Reskript vom 6. Dezember 1803 wurde darauf entgegnet, daß „insonderheit die Erhebung der Tranksteuer in Unsern hiesigen Landen nicht von der Verwilligung der Landschaft abhänge; hier aber das unmaasgebliche Gutachten der Landschaft um so weniger nothwendig war, weil die Tranksteuer-Ordnung kein neues Gesetz, sondern bloss eine Zusammenstellung älterer schon geltender Verordnungen ist.“787

k) Einsetzung einer Verhandlungskommission In Beantwortung der Resolution der Landesregierung vom 24. September 1803788 reichte der Engere Ausschuß am 7. Dezember 1803, eingegangen am 23. Dezember 1803, eine Vollmacht „des Landschaftl. Directorii mit dem engern Ausschusse und den sämmtlichen Landständen des Fürstenthums Coburg“ vom 17. Oktober 1803 ein, die den Rittergutsbesitzer Franz Josias von Hendrich789 und den Coburger Polizeidirektor Johann Andreas Ortloff zur Verhandlung mit Vertretern des Herzogs über die landschaftlichen Beschwerden ermächtigte.790 Solche Verhandlungen wurden zeitgenössisch als üblich angesehen.791 In der Vollmacht wurde ausgeführt, daß Minister Kretschmann „die völlige Aufhebung und Auflösung der Landschaftlichen Verfassung“ plane.792 „Erste Absicht“ bei diesem Auftrag sei mithin „die Sicherstellung und Aufrechterhaltung der Landes-Verfassung mit Landschaftl. Constitution, welche von unsern Vorfahren seit den ältesten Zeiten auf uns gekommen, und in dem Fürstenthum Coburg bis zu dem Regierungs-Antritte des regierenden Herrn Herzogs Franz Durchl. bestanden“

habe.793 Folglich seien die Deputierten nicht berechtigt, 786 Allgemeine Tranksteuerordnung für das Fürstenthum Coburg vom 20. März 1803, StACo LReg. 10201 fol. 84 – 96’ = StACo Min E 3201 fol. 47 – 76’ = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band XII S. 156 ff. 787 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 401. 788 Siehe oben h). 789 Amtierender Landschaftsdirektor seit Könitz’ Suspension, siehe oben h). 790 Schreiben des Engeren Ausschusses bei StACo Min J 194 fol. 2 – 3 = StACo LA F 243 fol. 2 – 3 = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 275 – 276 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 60 ff.; Vollmacht bei Min J 194 fol. 4 – 9 = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 309 – 312, 358 – 361 = StACo LA F 243 fol. 4 – 9’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 53 ff. 791 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 889 f., 1316 ff. 792 StACo Min J 194 fol. 4’ = StACo LA F 243 fol. 4’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 53 f.

164

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

„überhaupt ohne unsere Genehmigung etwas Verbindliches abzuschließen, was auf eine Begebung und Aenderung unserer Landes- und Landschaftl. Verfassung gerichtet, oder dafür ausgelegt werden könnte.“794

Diese Bedenken der Landschaft hinsichtlich Kretschmanns Einstellung gegenüber der feudalen Interessenvertretung erscheinen bei Würdigung seiner früheren Tätigkeit berechtigt, wenngleich der genaue Inhalt der landschaftlichen Beschwerdepunkte sich eher als konstruiert darstellen mag. Kretschmann hatte bereits 1796 unter seinem Lehrer Hardenberg in Ansbach-Bayreuth nach ausgiebigen Streitigkeiten mit der eingesessenen Ritterschaft die umfassende Landeshoheit für den preußischen König durchgesetzt.795 Am 10. Dezember 1803 erging daraufhin folgendes herzogliches Reskript an die Landesregierung: „Wir ( . . . ) befehlen Euch, dem landschaftlichen Engern Ausschuß zu eröfnen, daß Wir auch diese Sache auf dem bevorstehenden Ausschußtag zu erörtern, und in Güte beyzulegen geneigt wären, in deren Entstehung aber der Landschaft, ihre diesfallsife zu haben vermögete Beschwerde bey der Justizdeputation als dem allein competenten Foro im Wege Rechtens auszuführen unbenommen, sondern vorbehalten bleibe.“796

Ein derartiges Schreiben der Landesregierung an die Landschaft erging am 17. Dezember 1803.797 Am 26. Dezember 1803 reagierte Herzog Franz Friedrich Anton schließlich auf die Legitimation der landschaftlichen Bevollmächtigten mit folgendem Schreiben: „In dem Augenblicke, wo Euer Schreiben ( . . . ) vom 7. dies. Mon. eingegangen ist, sind Wir damit beschäftiget gewesen, den engern landschaftlichen Ausschuß zur Berathung über die mancherley landschaftlichen Beschwerden vorzuladen, welche nunmehro von der Landesregierung actenmäßig geprüft worden sind. Da aber nunmehro Ihr von Euern Mitständen durch eine Vollmacht zu Angehung dieser Conferenz legitimirt seyd, so eröfnen Wir Euch, daß Wir zu Angehung der Conferenzen über die Beylegung der landschaftlichen Beschwerden Unsern Minister von Kretschmann ausersehen und bevollmächtigt haben, von welchem Ihr demnächst nähere Nachricht, wegen der Abhaltung des Termins, und des Orts der Zusammenkunft halten werdet.“798 793 StACo Min J 194 fol. 5’, 6 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 55. 794 StACo Min J 194 fol. 7 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 57. 795 Vgl. sein Buch Meine Dienstjahre in Preußen, S. 21 f.; Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 185 sowie die Instruktion an das fränkische Landesministerium vom 12. April 1796, abgedruckt bei Meine Dienstjahre in Preußen, S. 71 ff. – Eine Auflösung der Landschaft war in Bayreuth jedoch nicht erfolgt, diese wurde vielmehr am 28. November 1806 noch einberufen, siehe Eduard Deuerling, Das Fürstentum Bayreuth unter französischer Herrschaft, S. 43. 796 StACo LReg. 357 fol. 90. 797 StACo LReg. 357 fol. 90’, 91. 798 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 281 = StACo Min J 194 fol. 10, 10’; ein Reskript zur Ernennung Kretschmanns bei StACo Min J 194 fol. 10’ – 11’ = StACo LA F 243

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

165

Am 27. Dezember 1803 beraumte Kretschmann die Konferenz für den 16. Januar 1804 in seiner Wohnung an.799 Neben Verhandlungen zu Sachfragen800 bemängelte der Minister die mangelnde Legalisation verschiedener Unterschriften und Vollmachten hinsichtlich der seitens der Landschaft erteilten Vollmacht.801 Zudem merkte er an, „es werde darauf ankommen, ob nach der Secularisation der Klöster Banz und Langheim der jetzige Besitzer dieser Klöster als Landstand angesehen werden könne.“802

Diese Konferenz sollte schließlich zum ersten Entwurf einer geschriebenen Verfassung für Sachsen-Coburg vom 18. Januar 1804 führen.803

l) Klageerhebung der Landschaft Bereits am 12. Dezember 1803 legte Reichshofratsagent Philipp Maria von Götz namens der Landstände beim Reichshofrat in Wien die „Beschwerungsschrift in Sachen zu Coburg Landstände von Ritterschaft und Städten contra des regierenden Herrn Herzog Franz zu Sachsen-Coburg Durchlaucht und dero nachgesetzten dirigirenden Minister von Kretschmann, auch Herzogliche Landesregierung zu Coburg, verschiedene Beschwerden und gewaltsame Eingriffe in die landschaftliche Verfaßung betreffend“

vor804: fol. 1, 1’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 62 ff. 799 StACo LA F 243 fol. 10 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 64 f. – Der umfangreiche einführende Sachvortrag des Ministers Kretschmann zur Eröffnung der Konferenz findet sich bei StACo Min J 194 fol. 19 – 26 – dort mit einem Vidit-Vermerk von Herzog Franz Friedrich Anton versehen –, identisch StACo LA F 243 fol. 12 – 16 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 67 – 77. 800 Vgl. dazu das Protokoll über die Konferenz vom 16. – 18. Januar 1804 bei StACo LA F 243 fol. 11 – 49’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 65 – 112. 801 StACo LA F 243 fol. 18 – 21 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 79 – 81. 802 StACo LA F 243 fol. 22’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 84. 803 Siehe dazu sogleich IV. 804 Einlaufprotokoll bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 249’ = StACo LA B 2180 fol. 119; Einreichungsschreiben bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 250, 250’ = StACo LA B 2180 fol. 118’ = StACo LA F 246 fol. 420’; die von Könitz unterzeichnete Vollmacht für Götz vom 24. November 1803 findet sich nebst Vollmachten dreier weiterer Ausschußmitglieder (Carl Wilhelm von Speßhardt und die Städte Neustadt und Rodach) bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 250 – 256; die Beschwerde selbst bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 1 ff. = StACo LA B 2180 fol. 3 – 32’ = StACo LA F 246 fol. 2 – 116; Daten und Inhaltswiedergabe auch in der Relation bei HHStA RHR Relat. 22, unfol.

166

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

„Die Landstände von Ritterschaft und Städten, des Fürstenthums Coburg sehen sich vermüßiget, Eurer Kaiserlichen Majestät gegen ihren gnädigsten Landesherrn ( . . . ) Folgendes allerunterthänigst vorzutragen und um Allerhöchsten Schutz und rechtliche Hülfe demüthigst anzurufen.“805

Prozessuale Auseinandersetzungen zwischen Landesherrn und Landständen vor dem Reichshofrat waren im Rahmen der „Vielzahl von vorrevolutionären Verfassungskonflikten in den kleinen Territorien“806 an der Wende zum 19. Jahrhundert verbreitet und führten aufgrund der ständefreundlichen Rechtsprechung des kaiserlichen Reichshofrats zumeist zu einer Stärkung der Stände.807 Der Antrag der coburgischen Landstände in der Klageschrift war darauf gerichtet, gegen die beklagte Seite ein „mandatum cassatorium in- et prohibitorium, nec non restitutorium de non amplius gravando constitutionem provincialem Ducatus Coburgensis, et jura statuum provincialium; de desistendo ab omnibus novationibus in detrimentum provincio tendentibus, et ab omnibus injustis comminationibus, violentiis, attentatisque de satisfaciendo compactato de 27 Aprilis 1801, de restituando ablata, nec amplius via facti, sed ordinis et juris procedendo, desuperque idonee cavendo, damna et expensas vero resurciendo S.C. poenale, annexa citatione solita“808

zu erlassen, im einzelnen den Beklagten bis auf weiteres809 unter Androhung von Strafe aufzuerlegen, nichts weiteres gegen die bestehende landschaftliche Verfassung zu unternehmen, das Mitwirkungsrecht des Engeren Ausschusses „in allen 805 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 1, 1’ = StACo LA B 2180 fol. 1 = StACo LA F 246 fol. 1, 1’. 806 Thomas Würtenberger, Staatsverfassung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 92. 807 Volker Press, Landstände des 18. und Parlamente des 19. Jahrhunderts, S. 137, 140 ff. auch mit Bezugnahme auf Sachsen-Coburg. Als „weder selten noch für die Landstände erfolglos“ bezeichnet Rudolf Vierhaus (Land, Staat und Reich, S. 48) derartige landständische Klagen. Ein mit Sachsen-Coburg vergleichbarer Konflikt bestand in Bayern schon seit 1799, jedoch kam es dort nicht zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, siehe Fritz Zimmermann, Bayerische Verfassungsgeschichte, S. 45 ff. 808 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 46’, 47 = StACo LA B 2180 fol. 29’, 30 = StACo LA F 246 fol. 103, 103’ = HHStA RHR Relat. 22, unfol. – Zur Formel „nec via facti sed iuris procedendo“ bei Besitz- bzw. Rechtsstörungen siehe Manfred Uhlhorn, Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, S. 14, 95. – Mandata restitutoria beinhalteten grundsätzlich Schadensersatzansprüche (ebd. S. 95), das vorliegende war jedoch offensichtlich auf Naturalrestitution gerichtet. Mandata cassatoria waren auf Aufhebung rechtserheblichen Handelns, mandata inhibitoria auf ein Verbot gerichtet, siehe dazu ebenso wie zur hier vorliegenden objektiven Klagehäufung ebd. S. 95. – Zur durch die Floskel „annexa citatione solita“ ausgedrückten Ladung der Gegenpartei siehe ebd. S. 94. 809 Zum Wesen des Mandatsprozesses als summarisches Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes siehe Manfred Uhlhorn, Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, S. 2 f., 10. Nach Dietmar Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 176 f. wurde die Mehrzahl zumindest der vor dem Reichskammergericht anhängigen Streitfälle über territoriale Rechte im Mandatsprozeß geführt.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

167

das Land ( . . . ) angehenden Angelegenheiten und Anstalten“810 anzuerkennen, die Landes- und Kriegskasse unangetastet zu lassen, sämtlichen landschaftlichen Beschwerden unverzüglich abzuhelfen sowie die ohne Einwilligung der Landstände vorgenommenen Finanzoperationen, die Entfernung des Landschaftsdirektors, die Einschränkung der Stimm- und Wahlfreiheit „zu revociren und zu cassiren“811, der Versicherungsurkunde vom 27. April 1801 Genüge zu tun, das Schuldenwesen in Ordnung zu bringen, insbesondere künftig alle Finanzoperationen erst der Landschaft zu Beratung und Beschluß vorzulegen und alle Landschaft und Engerem Ausschuß entstandenen Schäden zu ersetzen.812 Zur Begründung wurden die bislang bereits gegenüber coburgischen Behörden vorgetragenen Beschwerden und Rechtsmeinungen wiederholt. Herzog Franz Friedrich Anton, Minister Kretschmann und die Landesregierung hätten die in Sachsen-Coburg bestehende althergebrachte landständische Verfassung verletzt, indem die verfassungsmäßigen Mitwirkungsrechte der Landstände beeinträchtigt wurden und die finanzielle Situation des Landes gefährdet wurde. Im einzelnen habe Minister Kretschmann einseitig die kaiserlich bestätigte herzogliche Versicherungsurkunde vom 27. April 1801 umgangen. Die infolge herzoglichen Befehls vom 10. Oktober 1801 erfolgte Aufkündigung und Einziehung der Kapitalien der milden Stiftungen813 sei unberechtigt gewesen. Der Landesherr dürfe jedoch „in Sachen, worinnen des Landes und der Unterthanen Schaden, Verderb, Nutzen und Gedeihen unterwaltet, nicht handeln oder beschließen, es sey denn zuvor der Landschaft ( . . . ) vorgetragen und darüber ihr Bedenken und Rath gehört worden.“814

Er dürfe auch „Steuern, Bethen, Ansätze oder andere Auflagen, so wie die dahin abzwekenden Einrichtungen ohne Vorwissen und Bewilligung der Landstände nicht ausschreiben und erheben lassen.“815

Deutlich wurde dabei jedoch, daß sich die Vorwürfe in erster Linie gegen die Person Kretschmanns richteten. Der Vorwurf, der Herzog hätte einen einheimi810 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 47’ = StACo LA B 2180 fol. 30 = StACo LA F 246 fol. 104, 104’ = HHStA RHR Relat. 22, unfol. 811 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 49 = StACo LA B 2180 fol. 31 = StACo LA F 246 fol. 107’ = HHStA RHR Relat. 22, unfol. 812 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 47 – 52 = StACo LA B 2180 fol. 30 – 33 = StACo LA F 246 fol. 104 – 110’ = HHStA RHR Relat. 22, unfol. 813 Siehe dazu das Schreiben der Waisenhausoberinspektion vom 26. November 1801 bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 87. 814 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 3’ = StACo LA B 2180 fol. 4 = LA F 246 fol. 7’, 8, Wiedergabe auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. 815 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 3’ = StACo LA B 2180 fol. 4 = LA F 246 fol. 8, 8’, Wiedergabe auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol.

168

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

schen Beamten zum Minister ernennen sollen, da Minister Kretschmann eine Änderung der althergebrachten Verhältnisse plane, wurde abermals wiederholt: „Nach den höchsteigenen Versicherungen des Herrn Herzogs fehlte es in den Landes-Collegien, und wohl auch sonsten nicht an Landeskindern und Eingebohrnen welchen sich, ihrer stattliche Kenntniße und Qualitäten halber des Herrn Herzogs Durchlaucht zu Unternehmung und Ausführung der Absicht, zu Beseitigung der Debit-Commission hätte anvertrauen und bedienen können. Höchstderselbe würde wenn Er dieses thun möge, nicht nur einen mit der Landesverfaßung bekannten Mann an die Spitze seiner Regierungsgeschäfte gestellt, sondern auch dadurch, die schon so oft bey Landtägen ( . . . ) vorgekomenen Beschwerden, nicht auf das Neue veranlaßt haben, daß fremde und auswärtige Räthe den einheimischen vorgezogen würden.“816

Der Minister habe in die Kollegialrechte der Landschaft eingreifen wollen, da sowohl die Suspension Könitz’ als auch das Verlangen nach den Abstimmungsergebnissen bei der Beschlußfassung zur Aufrechterhaltung des Mandats Könitz’ als Landschaftsdirektor eine Beeinflussung des freien Stimm- und Wahlrechts darstelle, welches wiederum eines der „vorzüglichsten“ Rechte der Landschaft sei. Die Finanz- und Verwaltungsreformen nach preußischem Vorbild könne die Landschaft ebenfalls nicht gutheißen: „Es kam ihnen (sc. den Landständen) wohl auch bedenklich vor, daß die Coburgische Finanzverfassung nach der souverainen Preußischen Einrichtung umgeformt, und diese ihr angepaßt werden sollte, als welches Jedem, der mit den Preußischen und Sächsischen Landes-Verfaßungen nicht ganz unbekannt ist, nicht wohl zu vereinbaren schien.“817

Das Hausgesetz vom 1. April 1802, das Organisationspatent vom 1. Mai 1802 und die Errichtung der Staatsbank griffen mithin in die bestehende Landesverfassung ein und verletzten diese. Die Reorganisation der Landeskollegien sei vonstatten gegangen, ohne daß des landschaftlichen „Beisitzrechts“ gedacht worden sei. Der Stadtrat zu Coburg sei durch die neue Organisation unzulässigerweise von der Bürgerschaft getrennt worden. Diesen Maßnahmen könne keinerlei rechtliche Wirksamkeit zukommen: „In so ferne diese in die alte Landesverfassung eingreifende und sie umändernde Neuigkeiten als Landesgesetze und Vorschriften, auch für die Landschaft und die Unterthanen verbindlich seyn sollten; haben die Landstände wünschen müßen, daß sie vorher, nach dem Herkommen ( . . . ) um ihre Berath und Bewilligung wären gefragt worden; weil, ihrer Einsicht nach, darunter, ohne dieselben nichts gehandelt, und beschlossen werden soll.“818 816 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 5’, 6 = StACo LA B 2180 fol. 5 = StACo LA F 246 fol. 12’ – 13’, Wiedergabe auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. Zum zeitgenössisch durchaus verbreiteten Indigenatserfordernis vgl. detailliert Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 140, 145 ff., Friedrich Strathmann, Altständischer Einfluß auf die deutschen Territorialverfassungen, S. 76. 817 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 7 = StACo LA B 2180 fol. 5’ = StACo LA F 246 fol. 15’, 16, Wiedergabe auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. 818 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 16’ = StACo LA B 2180 fol. 10’, 11 = StACo LA F 246 fol. 36’ – 37’, Wiedergabe auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol.

III. Erste Verwaltungsreformen durch Minister Kretschmann

169

Die Ernennung Schmuzers zum Kontrolleur bei der Hauptdomänenkasse und des Rendanten der Hauptdomänenkasse zum Kontrolleur bei der Landeskasse durch Reskript vom 26. April 1802 sei ein weiterer Versuch gewesen, die landständische Kasse unter die Kontrolle des Ministers zu bringen, dieser „mißlungene Anschlag des Ministers auf die Landschafts-Casse“819 habe jedoch abgewehrt werden können. Durch die finanziellen Aktionen des Ministers, zum Beispiel die Anweisung des Kammeramts Coburg, wonach bestimmte Steuern unmittelbar an die Kammerkasse und nicht mehr an die Landeskasse eingezogen werden sollten, sei zudem in das Steuerbewilligungsrecht der Landstände eingegriffen worden: „Durch diese herzogliche und ministerielle Verfügungen ist wohl das vorzüglichste Recht der Landstände, nach welchen Steuern und Accis nicht anders als mit landständischer Bewilligung ausgeschrieben und zur Landes- und Kriegskasse erhoben werden können angegriffen worden, und es hat solches de facto aufgehoben werden sollen.“820

Ohne vorherige Anhörung der Landschaft, vor allem aber auch unter Verstoß gegen das Hausgesetz seien Teile der Domänen verkauft worden. „Alle Operationen des Ministers ( . . . ) Geld aufzubringen, ( . . . ) sind ( . . . ) sämtlich so geeignet, daß dadurch die Geld- und Schuldengeschäfte, wohl verstekt, aber keineswegs so abgethan werden können, daß davon auf sichere Schuldbefreyung gerechnet werden darf.“821

Daher sei die Aufhebung der Debitkommission durch den Reichshofrat zu Unrecht erfolgt, da eine Befriedigung der Gläubiger bislang nicht erfolgt sei und wohl auch nicht erfolgen werde. All diese Handlungen seien dem Minister persönlich vorzuwerfen: „Der Minister Kretschmann wollte sich ( . . . ) der Landschaftlichen Einnahme bemächtigen, und zugleich die Landstände dadurch ausser Stand setzen, ihren zum Landes-Besten auf sich habenden Schuldigkeiten nachkommen und solche erfüllen zu können.“822

Die Klageschrift kam zum folgenden Schluß: „Aus allem diesem muß hervorgehen daß durch die ministerielle Administration des Kretschmann in Rücksicht dessen besonderer Vorschritte gegen die Landschaftliche Verfassung und deren Gerechtsame die erheblichsten Beschwerden wirklich vorhanden sind. Derselbe ist berufen worden die Preußische Finanz-Einrichtung in dem Fürstenthum Coburg mit Zuziehung der Landstände und der mit ihnen zu nehmenden Rücksprache, einzuführen, so weit sie der Landes-Constitution anzupaßen wäre ( . . . ). Er hat deshalb mit den Landständen nichts zu Stande gebracht, als die Versicherungs-Urkunde ( . . . ). Nach 819 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 20 = StACo LA B 2180 fol. 12’ = StACo LA F 246 fol. 44’, Wiedergabe auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. 820 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 22’ = StACo LA B 2180 fol. 13’, 14 = StACo LA F 246 fol. 50. 821 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 31, 31’ = StACo LA B 2180 fol. 19, 19’ = StACo LA F 246 fol. 68’ – 70. 822 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 22’, 23 = StACo LA B 2180 fol. 14 = StACo LA F 246 fol. 50’, 51.

170

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

diesem hat er alle Vorkehrungen und Einrichtungen ohne ihre Zuziehung und Bewilligung unternommen und die Landschaftliche Verfassung und das Land sowohl vor der Aufhebung der Debit-Commission als nachher und willkürlich zu verändern, und alles Alte umzustoßen gesuchet.“823 „Die Landstände glauben daß die überall bescheinigte und documentirte Thathandlungen von der Art sind, daß sie sowohl nach den Reichsgesetzen als nach der besondern LandesVerfassung in dem Fürstenthum Coburg, nicht zu justifiziren.“824

Der Reichshofrat sei trotz des auch dem Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld zustehenden privilegium de non appellando für die Entscheidung über die vorgelegte Beschwerde zuständig, diese sei also nicht unzulässig: „Die Begründung der Gerichtsbarkeit eines höchstpreißlichen Kaiserl. Hofraths ist dabei wegen der notorischen Unmittelbarkeit des hohen impetratischen Theiles keinem Zweifel weiters unterworfen.“825

Ein erstes Conclusum des Reichshofrats zu dieser Klage erging am 13. Dezember 1803.826 Am 9. Januar 1804 wurde Herzog Franz Friedrich Anton eine Frist von zwei Monaten zwecks Vorlage eines Berichts gesetzt.827 Das von der klägerischen Seite begehrte mandatum S.C. (= sine clausula iustificatoria) beinhaltete zwar grundsätzlich eine Entscheidung ohne vorherige Anhörung der Gegenpartei828, jedoch bestand eine anerkannte Verpflichtung der höchsten Reichsgerichte, daß diese 823 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 43’, 44 = StACo LA B 2180 fol. 27’, 28 = StACo LA F 246 fol. 95’ – 97. 824 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 46 = StACo LA B 2180 fol. 29, 29’ = StACo LA F 246 fol. 101, 101’, Wiedergabe auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. 825 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 46’ = StACo LA B 2180 fol. 29’ = StACo LA F 246 fol. 102. Bereits Johann Jacob Moser war der Ansicht, daß der Kaiser zur Hilfeleistung bei einer Verletzung der Rechte der Landstände durch den jeweiligen Landesherrn berechtigt und verpflichtet sei (Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 285). Zum allgemeinen Usus, die Zuständigkeit des Reichshofrats in einem Nebensatz als offensichtlich abzutun, siehe Manfred Uhlhorn, Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, S. 92. 826 StACo Min J 192 fol. 111 = StACo LReg. 352 fol. 12. Zum Verfahren vor dem Reichshofrat siehe die Reichshofratsordnung vom 16. März 1654 (Abschrift bei ThStAGo Geheimes Archiv A.V. / . Nr. 1; Abdruck bei Johann Christian Lünig, Das Teutsche Reichs-Archiv, Pars generalis (unpag.) und bei Arno Buschmann, Kaiser und Reich, Teil II, S. 130 ff.) sowie die Beschreibungen von Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1336 ff.; Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 392 ff.; Manfred Uhlhorn, Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, S. 103 ff. 827 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 259’ = StACo LA F 248 fol. 3 – 5; ein kaiserliches Anschreiben dazu bei StACo LA F 248 fol. 8 = HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 260, 265, 267; Daten auch in der Relation bei HHStA RHR Relat. 22, unfol. – Zum Wesen des Schreibens um Bericht siehe Manfred Uhlhorn, Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, S. 124 ff. 828 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 8, Erster Theil, S. 1179; ders., Einleitung zu dem Reichs-Hof-Raths-Proceß, Erster Theil, S. 6; Manfred Uhlhorn, Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, S. 8.

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

171

„wider Churfürsten, Fürsten und Stände des Reichs, auf dero Landsassen und Unterthanen eingebrachte Klagen, nicht leichtlich Proceß erkennen, oder Mandata S.C. ertheilen, sondern vilmehr, den Reichs-Constitutionen, Kayserlich- und Königlichen Wahl-Capitulationen gemäß, vorhero um Bericht schreiben.“829

Götz ließ das Reskript vom 9. Januar 1804 am 4. Februar 1804 dem herzoglichen Agenten am Reichshofrat, David Heinrich Gottfried von Pilgramm830, zustellen.831

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf Im Jahre 1805 stellte Herzog Franz Friedrich Anton, nachdem der erste Versuch einer geschriebenen Verfassung gescheitert war, fest: „Einem deutschen Lande ist nichts verderblicher, als wenn ihm eine Constitutionsacte mangelt; das Misstrauen zwischen Fürsten und Landständen, welches bey dem geringsten Anlass in Spannungen übergehet, erhält mit jedem Tage Nahrung.“832

Eine solche Verfassungsurkunde in der Form einer altständischen Vereinbarung sollte bereits im Jahre 1804 etabliert werden, scheiterte jedoch an den unvereinbaren Positionen beider Seiten.

829 So § 10 des Reichskammergerichtsvisitationsabschieds von 1713, zit. nach Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 8, Erster Theil, S. 1092; vgl. auch ders., Einleitung zu dem Reichs-Hof-Raths-Proceß, Erster Theil, S. 77 ff. – Für den Reichshofrat galt die Reichskammergerichtsordnung subsidiär zur Reichshofratsordnung vom 16. März 1654 (Abschrift bei ThStAGo Geheimes Archiv A.V. / . Nr. 1; Abdruck bei Johann Christian Lünig, Das Teutsche Reichs-Archiv, Pars generalis (unpag.) sowie bei Arno Buschmann, Kaiser und Reich, Teil II, S. 130 ff.), auch die Wahlkapitulationen galten unmittelbar, lediglich die unmittelbare Geltung der Reichskammergerichtsvisitationsabschiede war umstritten, vgl. umfassend (und die letzte Frage bejahend) Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 8, Zweyter Theil, S. 186 f., Johann Stephan Pütter, Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs, Zweyter Theil, S. 97 ff. 830 Spezialvollmacht des Herzogs für Pilgramm vom 23. Februar 1804 bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 268 – 277, dort eingegangen am 9. April 1804. Die Bestellung Pilgramms zum sachsen-coburgischen Reichshofratsagenten war bereits durch Dekret des Herzogs Ernst Friedrich vom 5. Oktober 1792 erfolgt, HHStA RHR Ob. Reg. 1281 / 1, unfol.; StACo Min F 1408 fol. 5. Zum Wesen der Reichshofratsagenten siehe Rudolf Smend, Das Reichskammergericht, S. 343, und Oswald von Gschließer, Der Reichshofrat, S. 88. 831 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 265. 832 StACo LA B 2182 fol. 4’, 5 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, S. 7.

172

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

1. Vorgeschichte a) Vorschläge der Landesregierung Bereits als Schlußfolgerung des Gutachtens vom 4. November 1803833 hatte die Landesregierung die „Gründung einer festern und bestimmtern Landschaftlichen Verfaßung“834 vorgeschlagen. Dies wurde im einzelnen wie folgt begründet: „Aus dem ( . . . ) Abschnitt geht nun zwar hervor, daß die meisten Beschwerden der Landschaft unbegründet erscheinen, daß dieselbe auf dem Wege Rechtens oder des Proceßes damit nicht auslangen kann ( . . . ); Indeßen stehen doch auch auf der andern Seite der Landschaft nicht unbedeutende Gerechtsame zu, wohin vor allem das Recht die Steuer zu verwilligen gerechnet werden muß. Es bleibt zwar wahr, daß nach der Deutschen ReichsVerfassung die zu den Bedürfnißen des Landes erforderlichen Steuern nicht verweigert werden können, und daß im eintretenden Verweigerungs-Fall der Landes-Herr durch die Reichsgerichte in den Stand gesetzt wird, selbst die dem Lande angemeßenen Steuern beizutreiben, allein dieser Weg ist doch auch jeden Fall ein unangenehmer, Zeit und Geld kostender Weg, und das gegenseitige Vertrauen des Landes-Herrn und seiner Unterthanen, wozu die Landschaften die besten Vermitler und Erhalter seyn können, ist doch von unendlichem Werthe. Aus dem letzten Vortrag der Landschaft geht freylich leider hervor, als wenn jenseits gesucht würde, alles dem Landes-Herrn streitig zu machen, und für sich eine Mitregentschaft zu erhalten. Ob nun gleich solchen Versuchen diesseits sehr gut begegnet werden kann, so ist es doch für den Dienst höchst unangenehm und erschwerden, wenn jeder Schritt der Regierung erst vertheidigt und deducirt werden soll. Wenn nun aber dieses auf immer abgeschnitten werden soll, so ist auch erforderlich, daß von Grund aus alles, was auf die Constitution Einfluß hat, bestimmt und festgesetzt werde.“835

Im einzelnen wurden folgende Klarstellungen vorgeschlagen: aa) Ausschluß des Klerus „Die Coburgische Landschaft kann künftig nur aus Ritterschaft und Städten bestehen.“836 Der Ausschluß der vormaligen Prälaten wurde als notwendige Folge der Säkularisation angesehen, zumal die Landstandschaft derselben ohnehin eine theoretische war837, andererseits galt es, sich frühzeitig gegen eventuelle Interessen Kurbayerns als Rechtsnachfolger von Banz und Langheim an einer coburgischen Landstandschaft abzusichern.

833 834 835 836 837

Siehe oben III.5.e). StACo Min J 193 fol. 178. StACo Min J 193 fol. 178 – 179. StACo Min J 193 fol. 179’. Vgl. oben I.3.c)cc).

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

173

bb) Wesen und Kompetenzen der Landschaft und des Ausschusses Die Rechtsauffassung der herzoglichen Behörden hinsichtlich der Untertanenrolle der Mitglieder der ständischen Vertretung, der inneren Organisation und der Befugnisse des Ausschusses sollte festgeschrieben werden: „Sämtliche Landstände und Vasallen bestimmen sich als Landesunterthanen, die lediglich vor den Landes-Collegien und besonders der Justiz-Deputation Recht zu geben und zu nehmen haben.“838 „Der Engere Ausschuß besteht ( . . . ) in drey Mitgliedern der Ritterschaft, wovon einer das Directorium führt, und den drey Städten Coburg, Rodach und Neustadt. Der Director bleibt jedoch nur primus inter pares und hat kein votum decisivum, sondern die sechs Glieder haben jedes eine Viril-Stimme.“839 „Die Landschaft wählt den Director und die adelichen Glieder des Engern Ausschusses, wie auch den Landschafts-Consulenten, Landschafts-Cassirer und Actuarius in der Maase daß Serenisimus von derselben ein oder mehrere Subjecte zur höchsten Confirmation, Patentirung und Verpflichtung vorgetragen werden. Es verbleibt aber dem Landes-Herrn sein Veto unbedingt zuständig, wenn er das gewählte Glied nicht für tüchtig erkennt.“840 „Der Landes-Herr ordnet die Landtage, wenn und wo sie gehalten werden sollen an, und dabey bleibt dem Engern Ausschuß nachgelaßen Vierteljährig einen Convent zu halten, um über Einnahmen und Ausgaben und die an denselben vom Landes-Herrn oder deßen Collegium eingegangenen Rescripte sich zusammen zu berathen. Es ist und bleibt demselben jede Art der Verbindung mit einem auswärtigen Reichsstand, ohne Vorwißen des Landes-Herrn, ( . . . ) untersagt.“841 „In Ansehung der Kirchengewalt behält die Landschaft das Recht über die Aufrechterhaltung der christlichen Lehre zu wachen.“842 „In Ansehung der Justiz- und Policey-Gewalt und zwar der gesetzgebenden sollen ( . . . ) alle und jede allgemeine Justiz- und Policeygesetze der Landschaft zum Gutachten vor deren Publication mitgetheilt werden. Das Departement ( . . . ) hat über die von der Landschaft gemachten Bemerkungen gutachtlichen Bericht ad Serenissimum zur endlichen Entscheidung zu erstatten.“843

b) Erarbeitung des Verfassungsentwurfs durch Kretschmann Während der Konferenz mit Minister Kretschmann844 äußerten die Vertreter der Landschaft, Franz Josias von Hendrich und Johann Andreas Ortloff, am 17. Januar 1804, 838 839 840 841 842 843 844

StACo Min J 193 fol. 180, 180’. StACo Min J 193 fol. 181, 181’. StACo Min J 193 fol. 182, 182’. StACo Min J 193 fol. 182’, 183. StACo Min J 193 fol. 183. StACo Min J 193 fol. 183, 183’. Siehe oben III.5.a).

174

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

„dass sie sehr damit einverstanden seyen, wen die Herzogl. Commission den Entwurf für eine künftige feste Norm der landschaftl. Verfassung übernehmen und nach Vollendung desselben die Norm selbst in einzelnen Conferenzen mit ihnen berichtigen wolle.“845

Der daraufhin erarbeitete Entwurf Kretschmanns datierte vom 18. Januar 1804 und wurde in der Konferenz am 21. Januar schließlich vorgelegt.846

2. Inhalt des Verfassungsentwurfs a) Wesen und Struktur des Textes Vom Wesen her war der Verfassungsentwurf als altständischer Landesvertrag mit dem Hauptinhalt einer Abgrenzung der gegenseitigen Rechte von Landesherrn und Landständen abgefaßt, es bestand wie beispielsweise bei Christian Wilhelm von Dohms „Entwurf einer verbesserten Constitution der Kaiserl. freyen Reichsstadt Aachen“ von 1786847 kein Bezug zum Konstitutionalismus der Zeit nach der Französischen Revolution. Daher kann auch ein klarer Gegensatz zu den wenige Jahre später folgenden oktroyierten Verfassungen der napoleonischen Zeit festgestellt werden. Andererseits ging der Entwurf über den typischen Inhalt des altständischen Landesvertrages insoweit hinaus, als nicht nur die Rechte, sondern auch Zusammensetzung und korporative Rechtsnatur der Landschaft festgelegt wurden. Hervorzuheben ist vor allem die Definition der coburgischen Landschaft als einer Korporation bevorrechtigter Unterthanen in § 1.848 Daraus resultierte auch die äußere Gliederung des Entwurfs. Die 106 Paragraphen waren auf zwei Kapitel aufgeteilt, deren erstes von „der Verfassung der Landschaft als Korporation“ handelte und 31 Paragraphen enthielt. Das zweite Kapitel umfaßte sechs Titel und beinhaltete wie die herkömmlichen Landesverträge die landschaftlichen Mitwirkungsrechte bei Gesetzgebung, Polizei, Justiz, in Militär- und Kirchenfragen sowie bei der Finanzverwaltung. b) Wesen und Zusammensetzung der Landschaft Die nur noch aus Rittergutsbesitzern und Städten bestehende Landschaft sollte ausdrücklich der Hoheit des Landesherrn unterworfen sein. Mitglieder der Landschaft sollten die Städte Coburg (mit dem protokollarisch ersten Rang), Neustadt 845 StACo LA F 243 fol. 48’, 49 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 111. 846 Textanhang Nr. 4 = StACo LA F 258 fol. 8 – 52. 847 Siehe dazu Horst Dippel, Die Anfänge des Konstitutionalismus in Deutschland, S. 15. 848 Zur Auseinandersetzung über diese bereits zeitgenössisch vertretene Ansicht siehe B.I.3.b).

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

175

und Rodach (§ 3) sowie die adligen und bürgerlichen Rittergutsbesitzer bleiben, nur Bauern blieben ausdrücklich ausgeschlossen (§ 2). Die Institution des Engeren Ausschusses blieb in ihrem bisherigen Umfang bestehen (§§ 15 ff.), während § 34 nunmehr auch wissenschaftliche Bildung von den Ausschußmitgliedern verlangte. Hinsichtlich des Landschaftsdirektors sollte ausdrücklich festgesetzt werden, daß er nicht außer Landes wohnen dürfe (§ 17 Abs. 2). Seine Handlungen bedurften ausdrücklich der mehrheitlichen Zustimmung des Engeren Ausschusses (§ 19). Ein landschaftlicher Konsulent sollte nur für laufende Prozeßführungen beschäftigt werden dürfen (§ 26). Das Recht der Beschwerdeführung wurde auf Beschwerden, die das gesamte Land betreffen, eingeschränkt; auch Klagen gegen den Landesherrn und dessen Behörden waren vor der Justizdeputation zu führen, die insoweit unabhängig vorgehen und nach vollendetem Verfahren die Akten zur Urteilsfindung an auswärtige Juristenfakultäten versenden sollte (§ 30). Der Rechtsweg zu den Reichsgerichten blieb ausschließlich Fällen vorbehalten, in welchen rechtliches Gehör verweigert worden war (§ 31), wie es allgemein für Inhaber des privilegium illimitatum üblich war.849 Allgemein war die Landschaft zur Vorlage ihrer Akten an den Landesherrn verpflichtet (§ 23). c) Geschäftsordnung des Landtages Das Einberufungsrecht für den Landtag lag ebenso wie die Entscheidung über die Abhaltung eines Landtages ausschließlich beim Landesherrn, sonstige Zusammenkünfte waren ausdrücklich untersagt (§§ 4 ff.). Erscheinensberechtigt waren von den bürgerlichen Rittergutsbesitzern lediglich herzogliche Räte, die übrigen mußten sich durch andere erscheinensberechtigte Landstände vertreten lassen (§ 7 Satz 1 f.). Stimmrechtsübertragungen an andere erscheinensberechtigte Landstände waren ebenfalls zulässig (§ 7 Satz 3). Die Stadt Coburg wurde durch den Leiter des Magistrats vertreten, die übrigen Städte nicht mehr durch den Bürgermeister, sondern durch den Syndicus (§ 8). Der Landtag wurde durch den Herzog selbst oder einen dazu besonders ernannten Kommissar auf dem Sitzungszimmer der Landesregierung abgehalten, wofür eine besondere Sitzordnung festgesetzt wurde (§§ 9 ff.). Die landesherrliche Proposition wurde den Ständen vom Präsidenten der Landesregierung ausgehändigt, woraufhin dann die vertraulichen ständischen Beratungen begannen (§ 11). Spätestens nach sechs Tagen war die mit Stimmenmehrheit der Anwesenden beschlossene ständische Präliminarschrift zu überreichen (§ 13), woraufhin nach Übergabe der landesherrlichen Resolutionen, der ständischen Hauptverwilligungsschrift und des vom Landesherrn unterzeichneten Landesabschieds der Landtag wieder geschlossen wurde (§ 14). 849 Zum privilegium (de non appellando) illimitatum und dem casus denegatae (vel protactatae) iustitiae vgl. Ulrich Eisenhardt, Die Kaiserlichen Privilegia de non appellando, S. 20 f., 25 f.

176

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

d) Rechte der Landschaft Die Mitwirkungsrechte der Landschaft waren im Entwurf enumerativ aufgezählt (§ 1). aa) Gesetzgebung Das Recht der Gesetzgebung blieb dem Landesherrn vorbehalten. Gesetze zur Änderung der landschaftlichen Verfassung oder zur Aufhebung wohlerworbener Korporationsrechte der Landschaft bedurften ausdrücklicher landschaftlicher Zustimmung (§ 32). Ausgeschlossen wurde jegliche ständische Mitwirkung bei Normen mit Bezug auf landesherrliche Domänen, Ämter, Einkünfte und die landesherrliche Finanzverwaltung (§ 33). Bezüglich unbefristeter, das gesamte Land betreffender Justiz- und Polizeigesetze war ein unverbindliches landschaftliches Gutachten einzuholen, das innerhalb von sechs Wochen erstattet werden mußte (§§ 34 ff.). Dem Landesherrn blieb im beschränkten Umfang das Recht erhalten, Privilegien, Abolitionen und Dispensationen850 zu erteilen (§ 38). Gegen Überschreitungen dieser Grenzen hatte der Engere Ausschuß ein Recht zur Beschwerdeführung und auf rechtliches Gehör bei Landesbehörden, im Falle der Verweigerung bei den Reichsgerichten (§ 39). bb) Polizeigewalt Die Polizeigewalt blieb ausnahmslos dem Landesherrn vorbehalten (§ 41). Das Kapital sämtlicher Körperschaften konnte von der Landesregierung bei landesherrlichen Kassen angelegt werden (§ 42), was ein direktes Zugriffsrecht des Landesherrn auf alle öffentlichen Mittel im Lande mit Ausnahme der landschaftlichen Finanzen ermöglichte. Dem Landesherrn blieb die Anstellung von Staatsdienern allein überlassen, wobei die Entscheidung auf taugliche Interessenten beschränkt und ein Vorzug für Inländer festgesetzt wurde (§ 44); „Verkauf“ von Stellen wurde ausdrücklich untersagt (§ 45). Jährlich sollte dem Engeren Ausschuß der Rechnungsabschluß der Kasse des Gymnasiums mitgeteilt werden (§ 46), die landschaftliche Mitwirkung bei der Scheres-Zieritz-Stiftungskommission sollte wiederhergestellt werden (§ 47). Die Polizeikommission blieb jedoch aufgehoben (§ 48). Zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten zwischen Landesherrn und Gutsbesitzern über den Umfang der jeweiligen Kompetenzen sollte § 49 sämtlichen Städten und Rittergutsbesitzer Ortspolizei und Gemeindeherrschaft nach näherer Maßgabe verleihen und in sogenannten vermischten Orten einen Ausgleich zwischen den 850 Zu Privilegien, Abolitionen und Dispensationen von bestehenden Gesetzen vgl. Friedrich Georg August Lobethan, Abhandlung über die Lehre von den Privilegien, S. 2 ff. und Johann Ludwig Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, S. 709 ff.

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

177

verschiedenen Interessen vornehmen. Sämtliche Polizeibehörden waren der Landesregierung nachgeordnet (§ 50). § 51 gab abschließend eine umfassende Definition der Gegenstände der Polizei im Rahmen der zugestandenen Kompetenzen, ausgenommen und dem Landesherrn vorbehalten blieben die Vergabe von Konzessionen und die Zulassung von Innungen. cc) Judikative § 52 statuierte zwar den Landesherrn als „Quelle der Gerichtsbarkeit“, setzte aber zugleich ein Verbot jeglicher Kabinettsjustiz und landesherrlicher Einflußnahme auf die Justiz fest. Auch Eingriffe in die Patrimonialgerichtsbarkeit, deren Ausweitung zugesagt wurde (s. auch § 77), sollten verboten bleiben (§ 55), was durch detaillierte Verfahrensregelungen gesichert werden sollte (§ 59 ff.). § 68 regelte zudem die allgemeine Schriftsässigkeit der Rittergutsbesitzer. Allen Patrimonialgerichten wurde die Niedergerichtsbarkeit851 in Form einer umfassenden Kompetenz in Zivilsachen sowie in denjenigen Strafsachen, wegen derer auf einen Tag Gefängnis oder auf eine Geldstrafe von drei fränkischen Gulden erkannt werden konnte, zugesprochen (§ 58), die auf Wunsch des Gerichtsherrn für diejenigen Orte, in denen ihnen die Ortspolizei zustand, durch Kriminalgerichtsbarkeit ergänzt werden konnte (§ 56). Ausgeschlossen von der Patrimonialgerichtsbarkeit blieben Jagd-, Forst- und Abgabesachen (§§ 75 f.). Die Gerichtsherren hatten die Patrimonialgerichtshalter aus den bei der Landesregierung immatrikulierten Advokaten auszuwählen und der Landesregierung zur Bestätigung zu präsentieren; Ablehnungen hatte die Landesregierung mit Gründen zu versehen. Die Aufsicht über die Patrimonialgerichte oblag der Justizdeputation (§ 57), Urteile der Patrimonialgerichte in Kriminalsachen waren vor ihrer Veröffentlichung an diese zu senden (§ 65). dd) Militärgewalt Die Militärhoheit blieb dem Landesherrn vorbehalten, wozu auch das Recht zur Erweiterung der bestehenden Truppenstärke für den Fall eines Anfalls neuen Gebiets und das Einquartierungsrecht gehörte; gleichzeitig wurde eine allgemeine Militärdienstpflicht festgesetzt, die auf zehn Jahre Dienstzeit begrenzt wurde (§§ 79, 81 f.). Zur Sicherung der landschaftlichen Rechte sollte eine eigene Militärkommission unter Hinzuziehung eines landschaftlichen Deputierten errichtet werden (§ 80). Zur Deckung des Kriegsaufwands sollte nach brandenburg-preußischem Vorbild852 eine eigene Marsch- und Molestienkasse errichtet werden, die in Friedenszeiten von Beiträgen Begüterter unterhalten werden sollte. Zum Begriff siehe oben I.4.e)aa). In Brandenburg wurde 1719 die Marsch- und Molestienkasse, jedoch als ständisches Institut, für den gleichen Aufgabenkreis eingerichtet, siehe Magnus Friedrich von Bassewitz, 851 852

178

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

ee) Finanzverwaltung Die Vorschriften der §§ 84 und 86 setzten eine Steuerbewilligungspflicht der Landstände für einzelne enumerativ aufgezählte Steuern und Ausgabearten fest, worunter auch Steuern zur Abtragung der Landesschulden fielen. Die bereits durch die Landschaft bezahlten Beträge und die Schulden der Herzöge Ernst Friedrich und Franz Friedrich Anton sollten aufgrund des Verzichts des Herzogs auf im einzelnen bestimmte künftige Zahlungsanlässe als getilgt angesehen werden (§ 85). Dem Engeren Ausschuß waren für die Landesbedürfnisse ausführliche Etats vorzulegen (§ 87), ferner sollte eine umfassende Steuerrevision durchgeführt werden (§ 88). Die Besteuerung sollte sich jedoch künftig ohne Rücksicht auf bisherige Steuerfreiheiten auf sämtliches Grundvermögen erstrecken (§ 89) – ein bereits in Art. 13 der Déclaration des droits de l’homme et du citoyen von 1789853 enthaltener Grundsatz –, wofür der Ritterschaft die Stellung von Ritterpferden854 erlassen wurde (§ 90). Die bisherige Tranksteuerfreiheit 855 wurde lediglich für die persönlichen Bedürfnisse des Rittergutsbesitzers aufrechterhalten (§ 91). Die Untersteuereinnehmer der landschaftlichen Kasse, die unter der Aufsicht der Landesregierung stehen sollte, sollten vom Herzog bestellt werden (§ 93), wenngleich das hergebrachte ius subcollectandi856 nicht angerührt werden sollte (§ 94). Die Verwendung der verwilligten Steuergelder war an den Bewilligungszweck gebunden, worüber jährlich am Ende des Haushaltsjahres dem Engeren Ausschuß Rechnung zu legen war (§§ 95 f.). Sollte nachweisbar gegen diese Zweckbindung verstoßen worden sein, so hatte der Engere Ausschuß das Recht, durch eine öffentliche Bekanntmachung die Steuerzahlung zu unterbrechen (§ 97). ff) Kirchenhoheit Auch die Aufsicht über das Kirchenwesen verblieb in der ausschließlichen Zuständigkeit des Landesherrn, wenngleich das hergebrachte Patronatsrecht857 erhalDie Kurmark Brandenburg, S. 170 ff.; Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Zweiter Band, S. 119 f.; Peter Baumgart, Zur Geschichte der kurmärkischen Stände, S. 151. 853 „Pour l’entretien de la force publique, et pour les dépenses d’administration, une contribution commune est indispensable; elle doît être également répartie entre tous les citoyens, en raison de leurs facultés.“, zit. nach Stéphane Rials, La déclaration des droits de l’homme et du citoyen. 854 Zu Ritterpferden (bzw. Ritterpferdgeldern) als Reallast der Rittergüter vgl. Friedrich Lütge, Ritterpferde, S. 140 ff.; zum Begriff des Ritterpferds ebd. S. 145 f. 855 Siehe oben I.3.c)dd). 856 Siehe oben I.4.e)cc)(1). 857 Zu dessen Inhalt vgl. allgemein Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 126 ff.

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

179

ten werden sollte (§§ 98 f.). Der Kirchenpatron hatte neben verschiedenen Ehrenrechten (§ 99) auch das Recht zur Berufung des Pfarrers, der sich jedoch einer Prüfung der Landesregierung unterziehen mußte (§ 100). Gleiches galt für die Schullehrer (§ 102).

e) Der Entwurf als mögliche Grundlage künftiger Reformen Fortschrittlich an Kretschmanns Verfassungsentwurf war ohne Zweifel die Absicht, das bisherige System von aus Landtagsabschieden und Gewohnheitsrecht hergeleiteten Positionen durch eine einheitliche Kodifikation zu ersetzen. Freilich war es Absicht des Entwurfs, eine Fortführung des Kretschmannschen Regierungssystems ohne Beeinflussung durch die Landstände zu ermöglichen. Zu diesem Zeitpunkt war bereits erkennbar, daß zumindest die Mehrheit des Engeren Ausschusses um Landschaftsdirektor Könitz Neuerungen zu Lasten der bisherigen Situation, des „guten alten Rechts“858, und nicht zuletzt ihrer eigenen Privilegien wie beispielsweise der Steuerfreiheit strikt ablehnte. Kretschmanns reformabsolutistische Vorstellungen der hierarchischen Verwaltung erscheinen fortschrittlicher als die Vorstellungen der Landstände und der Mitglieder der Landeskollegien, die an einer Kollegialverwaltung mit ständischem „Beisitz“ festhielten. Der umfassenden Gewalt des Landesherrn stand folglich nur eine kleine Zahl enumerierter landständischer Mitwirkungsrechte gegenüber. Bei der Gesetzgebung sollte die Zustimmung der Landschaft nur bei Verfassungsänderungen und Eingriffen in landschaftliche Rechte erforderlich sein und bei Polizei- und Justizgesetzen mit Geltung für das gesamte Land ein unverbindliches Gutachten eingeholt werden. Gleichzeitig wurde die Substitution der gesamten Landschaft durch den Engeren Ausschuß festgeschrieben, die Funktion des Landschaftsdirektors jedoch auf reine Verwaltungstätigkeiten beschränkt. Im Finanzwesen verblieb der Landschaft de facto nur noch das Recht zur Abnahme der Rechnungen, wobei dem Engeren Ausschuß als Sanktionsmaßnahme ausschließlich das Recht des Aufrufs zur Einstellung der Steuerzahlung verblieb – hierfür mußte jedoch die Verwendung von Steuermitteln zu einem anderen als dem verwilligten Zweck bewiesen werden. Gleichzeitig sollte die Landschaft die von ihr infolge der Versicherungsurkunde vom 27. April 1801859 gewährte Anleihe als beglichen ansehen. Im Verwaltungsbereich wurde zwar eine Erweiterung der Patrimonialgerichtsbarkeit in Gemengegemeinden vorgesehen, jedoch sollte sämtliche Patrimonialgerichtsbarkeit wie vier Jahre später in Bayern durch das „Organische Edikt über 858 Zum (späteren) Streit um das „gute alte Recht“ in Württemberg siehe Thomas Würtenberger, Staatsverfassung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 108, und aus neuerer Zeit – eher mißverständlich – Peter Sina, Ludwig Uhland, S. 551. 859 Siehe dazu oben III.3.b).

180

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

die Patrimonial-Gerichtsbarkeit“ vom 8. September 1808860 von einer iurisdictio propria zur iurisdictio delegata werden.

3. Ablehnung des Entwurfs a) Grundsätzliche Zustimmung der ständischen Verhandlungskommission Die Konferenz zwischen Minister Kretschmann und den landschaftlichen Deputierten Hendrich und Ortloff wurde ab dem 21. Januar 1804 weitergeführt. Nach der Präsentation des Verfassungsentwurfs durch Kretschmann stimmten die landschaftlichen Deputierten zu, „bey solchen Gesinnungen könne allerdings von einem Umsturz der Landschaftlichen Verfassung nicht die Rede seyn sie verehrten solche Gesinnungen mit dem schuldigsten Dank und bekennten gern, daß ihrer Ansicht nach, in Hinsicht auf die Concurrenz der Landschaft bey Ausübung der Hoheitsrechte so viel geschehen sey, als die staatsrechtlichen Verhältnisse überhaupt und die positiven dieses Fürstenthums dermalen zu thun gestatteten, wie denn nicht zu läugnen sey, daß zum Besten des Landes der Landschaft Rechte eingeräumt worden wären, welche bisher bey dieser in frommen Wünschen bestanden hätten.“861

Nach Ansicht Kretschmanns sollte die landständische Vertretung der Regierung die Möglichkeit geben, durch Aufhebung des überkommenen Feudalsystems eine rationale Verwaltung zu ermöglichen: „er finde sich sehr beruhigt, daß die Herrn Deputirten, das offene Bekenntniß abgelegt hätten, daß der Regierung die Absicht einer Vernichtung der Landschaftlichen Verfassung nicht eigen sey und daß sie vielmehr mit Anstrengung dahin wirke, derselben eine solche Richtung zu geben, wodurch der Zweck des Staats mit glücklichem Erfolge erreicht werden könne. Wenn man aber den Zweck wolle, so müsse man auch die Mittel wollen; wenn das Land nach vernünftigen Grundsätzen regieret seyn wolle, so müsse es auch dazu der Regierung die Möglichkeit verschaffen. In dem gegenwärtigen Zeitalter könten die Anomalien der Feudal-Systems nicht mehr anwendbar seyn, und unter der gegenwärtigen Regierung könne die Sprache nicht von Willkühr seyn, sondern es sey das Gesetz der Vernunft, welches an ihre Stelle trete.“862

860 RBl. 1808, Sp. 2245 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 124 ff. 861 StACo LA F 243 fol 84’, 85 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 159. 862 StACo LA F 243 fol. 87, 87’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 161 f.

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

181

b) Änderungen des Entwurfs durch die Kommission Die Kommission einigte sich neben redaktionellen Veränderungen auch auf einige inhaltliche Änderungen des Entwurfs.863 Diese sollten in erster Linie Sicherheit für die Landstände schaffen. In § 4 wurde eine feste Periode von 10 Jahren zwischen den Landtagen eingefügt. Das bisherige Verbot landschaftlicher Zusammenkünfte ohne landesherrliche Genehmigung wurde zugunsten einer umständlich formulierten allgemeinen Erlaubnis für Versammlungen ohne Rechtsverbindlichkeit unter landesherrlicher Aufsicht gestrichen (§ 5). Die Gruppe von Gesetzen, die der Landesherr ohne ständische Mitwirkung erlassen konnte, wurde auf solche beschränkt, die in dringenden Fällen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Förderung des Allgemeinwohls gegeben wurden (§ 35). Die landschaftliche Mitwirkung bei der Verwaltung des Gymnasiums wurde, verbunden mit einer landschaftlichen Deckungspflicht, wiederhergestellt (§ 44). In § 79 wurde klargestellt, daß das landesherrliche Besteuerungsrecht unter dem Vorbehalt der landständischen Bewilligung stand. Die Anforderung der wissenschaftlichen Bildung an die Mitglieder des Engeren Ausschusses wurde gestrichen (§ 34). Die Städte wurden auf Landtagen und Sitzungen des Engeren Ausschusses nicht mehr durch nur eine Person, sondern wie bisher durch Vorsteher und Syndikus des Kollegiums vertreten (§§ 8, 15). Die begrenzte Anstellungszeit für einen landschaftlichen Konsulenten, die vormals in § 26 geregelt war, wurde ersatzlos gestrichen. § 30 erweiterte die Klagemöglichkeiten für die Landschaft vor den Reichsgerichten auf Rechtsschutz in Eilfällen, wenn landschaftliche Mitwirkungsrechte verletzt wurden. Gestrichen wurde ebenfalls die Berechtigung der Landesregierung, Kapital von Körperschaften gegen Sicherheit bei landesherrlichen Kassen anzulegen (vormals § 42), vielmehr wurde in § 40 ausdrücklich erläutert, daß die landesherrliche Oberaufsicht über Körperschaften in der Aufrechterhaltung der Sicherheit des körperschaftlichen Vermögens besteht. Auch auf die geplante Einrichtung einer Marschund Molestienkasse (vormals § 83) wurde verzichtet. Die Verwendung der Mehreinnahmen durch Aufhebung der Steuerbefreiungen sollte zur Entlastung der übrigen Steuerpflichtigen oder nach landschaftlicher Bewilligung zu gemeinnützigen Zwecken verwendet werden (§ 84 Abs. 2). Der Strafbann der Patrimonialgerichte wurde auf Vergehen mit einer Höchststrafe von dreitägigem Gefängnis oder fünf fränkischen Gulden ausgeweitet (§ 56). § 75 enthielt nunmehr eine Ausnahme von der allgemeinen Militärdienstpflicht für die Bürger der Stadt Coburg. 863 Der geänderte Entwurf findet sich bei Textanhang Nr. 5 = StACo LA F 243 fol. 50 – 80’ = StACo LReg. 250 fol. 1 – 38 = StACo LA B 2181 fol. 62 – 80 = Stadtarchiv Bad Rodach Abt. A Tit. X Nr. 30 fol. 1 – 39’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 112 – 158.

182

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Andererseits wurde die generelle Pflicht zur Aktenvorlage an Beauftragte des Landesherrn (§ 23) und die Gültigkeit von gegen die Äußerung des Engeren Ausschusses publizierten Gesetzen (§ 34) konkretisiert. Ebenso wurde in § 42 hinsichtlich der Anstellung von Staatsdienern auch auf das landesherrliche Bestätigungsrecht eingegangen. § 66 sicherte den Gerichtshaltern Unabhängigkeit dahingehend zu, daß sie nicht von den Rittergutsbesitzern ihres Amtes enthoben werden, sondern ihrer Stelle nur infolge Rücktritts oder7 Urteils der Justizdeputation verlustig gehen konnten. Die von der Landschaft zu tragenden Kosten wurden auf sämtliche Besoldungen für die Landesregierung als Justiz- und Polizeikollegium aufgestockt (§ 81 lit. e). c) Vorwürfe gegen Kretschmann als Störung der Verfassungsverhandlungen Nachdem die Konferenz mit Hendrich und Ortloff zur internen Beratung des Verfassungsentwurfs unterbrochen worden war, suchte Minister Kretschmann wegen beginnender Differenzen mit der Landesregierung864 am 22. Januar 1804 bei Herzog Franz Friedrich Anton schriftlich um seine Entlassung und die Erlaubnis, das Land zu verlassen, nach.865 Dem entsprach der Herzog in einem Schreiben vom gleichen Tag nicht, da er sich schlichtweg niemanden als Ersatz für Kretschmann vorstellen könne.866 Neben Differenzen mit der Landesregierung stand insbesondere die Anschuldigung Wangenheims und der herzoglichen Agnaten, Minister Kretschmann habe das Land zum Bankrott geführt und den Herzog bei dem Verkauf des Gutes Erkersreuth betrogen867, im Mittelpunkt. aa) Vorwürfe Wangenheims und der Landesregierung Kernpunkt der Streitigkeiten zwischen Kretschmann und der Landesregierung war die verspätete Aufstellung der Haushaltspläne durch diese Behörde, die sich zudem den Weisungen des Ministers widersetzte und andere Resultate hinsichtlich 864 Vgl. die Darstellungen bei Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister v. Kretschmann, S. 39 f.; Nikolaus Thaddäus Gönner, Bericht des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld an den Kaiserlichen Reichshofrath über die Dienstentlassung des ehemaligen Vicepräsidenten von Wangenheim, S. 9 ff. und Karl August von Wangenheim, Auch ein Beytrag zur Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, Zweyter Theil S. 43 f. 865 StACo LA A 5443 fol. 139, 139’ = Nikolaus Thaddäus Gönner, Bericht des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld an den Kaiserlichen Reichshofrath über die Dienstentlassung des ehemaligen Vicepräsidenten von Wangenheim, Beylagen S. 153 f. 866 StACo Min F 821 fol. 38. 867 Vgl. dazu Karl August von Wangenheim, Auch ein Beytrag zur Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, Erster Theil S. 32 f., sowie Carl Friedrich Häberlin, Geschichte der Dienstentsetzung des Präsidiums der Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Landesregierung, S. 292 ff.

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

183

der Staatsverschuldung errechnete als Kretschmann. Dies führte auch zu persönlichen Differenzen.868 In zwei Präsidialberichten vom 4. und 7. Februar 1804 sprach der Vizepräsident der Landesregierung und Geheime Assistenzrat Wangenheim daraufhin von einem bevorstehenden Staatsbankrott.869 Eine Berechnung des Schuldenstandes am 1. März 1804 ergab seitens Kretschmanns einen Betrag von 532.969 fl. rh. 28 xr.870, seitens Wangenheims jedoch 776.492 fl. rh. 50 1/4 xr.871

bb) Machtzuwachs für Kretschmann durch Organisationsreform der Landesregierung Am 14. Februar 1804 suspendierte Herzog Franz Friedrich Anton wegen der bestehenden Differenzen den Präsidenten der Landesregierung Goebel, den Vizepräsidenten und Geheimen Assistenzrat Wangenheim und den Geheimen Rechnungsrat Feder von ihren Ämtern.872 Gleichzeitig verordnete er in einem Schreiben an Kretschmann, daß „bis auf ferneren Befehl alle Geschäfte Bureaumäßig unter Eurer Leitung behandelt werden sollen. Wir erwarten gnädigst und wollen, daß ihr nach dieser Unserer Verordnung bis auf weitere Disposition den Geschäftsgang allso leitet und verbleiben euch in Gnaden gewogen.“873

868 Aus StACo LA F 7532 fol. 5 und Nikolaus Thaddäus Gönner, Bericht des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld an den Kaiserlichen Reichshofrath über die Dienstentlassung des ehemaligen Vicepräsidenten von Wangenheim, Beylagen S. 156 ff. ergibt sich, daß Rechnungsrat Feder beschworen hatte, der Minister habe geäußert, „Eure (sc. der Landesregierung) Paar Nummern wische ich an meinem A–“, Kanzleirat Rose hatte demgegenüber beschworen, eine solche Äußerung Kretschmanns nicht vernommen zu haben. 869 Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und FinanzVerwaltung der Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 35. 870 StACo Min E 3536. 871 Beide Berechnungen bei Karl August von Wangenheim, Auch ein Beytrag zur Geschichte der Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, Zweyter Theil, Urkundenbuch S. 138 ff. 872 StACo Min F 822 fol. 2 = HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 1 unfol. Unrichtig ist die Datierung auf den 6. Februar 1804 bei Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister v. Kretschmann, S. 40, zumal sich aus Wangenheims Darstellung in seiner Klage vor dem Reichshofrat bei HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 1 unfol. = HHStA RHR Relat. 198, unfol. ergibt, daß die Suspension als Folge eines Präsidialberichts vom 7. Februar 1804 (Beylage 13 bei HHStA RHR Ob. Reg. 1782; = Nikolaus Thaddäus Gönner, Bericht des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld an den Kaiserlichen Reichshofrath über die Dienstentlassung des ehemaligen Vicepräsidenten von Wangenheim, Beylagen S. 272 ff.) anzusehen sei. Eine (parteiische) Zusammenfassung der Vorgehensweise und Hintergründe findet sich bei Carl Friedrich Häberlin, Geschichte der Dienstentsetzung des Präsidiums der Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Landesregierung, S. 291 ff. 873 StACo Min F 822 fol. 2.7

184

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Als unrichtig kann wegen der eigenhändigen Unterschrift des Herzogs und der Tatsache, daß das Schreiben nicht unmittelbar übergeben, sondern versandt wurde, mithin sowohl die Behauptung Karl Bohleys, Kretschmann habe sich das Präsidium der Landesregierung selbst übertragen874, als auch die Darstellung Klaus Freiherr von Andrian-Werburgs, dieses sei stillschweigend vakant geblieben875, angesehen werden, wenngleich von einer – sicherlich auch durchaus beeinflussenden – Mitwirkung Kretschmanns bei diesem Reskript ausgegangen werden kann. Gegen die Ansicht Freiherr von Andrian-Werburgs spricht zudem, daß der betreffende Akt die zeitgenössische Bezeichnung „Das dem dirigirenden Herrn Minister von Kretschmann Excellenz übertragene Praesidium bey H. Landesregierung betr.“ trägt.876 Unrichtig ist somit ebenfalls die Behauptung von Ulrich Heß, Johann Ernst Gruner habe die Leitung der Landesregierung übernommen877, dieser wurde lediglich durch Patent vom 29. Februar 1804, in dem auch von der Leitung der Regierungsgeschäfte durch Kretschmann die Rede ist, zum „interimistischen Landesregierungsdirektor“ ernannt.878 Infolge der nunmehrigen Machtfülle Kretschmanns bezeichnete Carl Friedrich Häberlin ihn als „dirigirenden, administrirenden und controlirenden Minister“ (Partizipien im Original gesperrt).879 Um einen Überblick über die Tätigkeit der verbliebenen Mitglieder der Landesregierung zu bekommen, hatte Kretschmann bereits am 8. Februar 1804 angeordnet, daß auf Regierungsberichten der Name des zuständigen Referenten zu vermerken sei.880 cc) Weitergehende Stärkung Kretschmanns Nach Abschluß der Konferenz „über den dermaligen Finanz-Zustand der hiesigen Lande und die Administration des Herrn Ministers von Kretschmann“ vom 20. bis zum 22. Februar 1804881 bat Herzog Franz Friedrich Anton Kretschmann 874 Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 35; ebenso Max Freiherr von Wangenheim, Warum verließ Jean Paul Coburg?, S. 205. 875 Der Minister v. Kretschmann, S. 40. 876 StACo Min F 822. 877 Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 235. 878 StACo Min 732 fol. 2, 2’. 879 Denn „das Landesministerium besteht nur aus dem einzigen Minister, und keiner der dabei angestellten vortragenden Räthe hat eine entscheidende Stimme“, so Carl Friedrich Häberlin, Geschichte der Dienstentsetzung des Präsidiums der Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Landesregierung, S. 298. 880 Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister v. Kretschmann, S. 40. 881 Einberufung durch Herzog Franz Friedrich Anton vom 14. Februar 1804 bei StACo LA F 7530 fol. 11, 11’ (handschriftliches Konzept Kretschmanns). Teilnehmer waren Erbprinz Ernst, Erbprinz Emich Carl von Leiningen, die Prinzen Friedrich Josias und Ludwig, Mitglieder der Landesregierung und der Justizdeputation sowie die landschaftlichen Deputierten Hendrich und Ortloff, Protokoll ebd. fol. 25 – 54, 83 – 129 sowie bei HHStA RHR Ob. Reg. 1782 unfol.

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

185

in einem Schreiben vom 14. März 1804, seine Stellung beizubehalten, da er seine Arbeit zur größten Zufriedenheit des Herzogs und des Erbprinzen ausführe.882 Auf einer weiteren Konferenz am 26. März 1804883 wurde ein Gutachten des leiningischen Geheimen Rates Lang vorgelegt, das die Handlungen des Ministers guthieß und die Vorwürfe entkräften sollte.884 Am 27. März 1804 gaben daraufhin Herzog Franz Friedrich Anton, Erbprinz Ernst und Erbprinz Emich Carl von Leiningen eine „Versicherungsurkunde“ für Minister Kretschmann ab, durch welche die Zufriedenheit mit der Verwaltung des Ministers zum Ausdruck gebracht und die Vorwürfe gegen ihn zurückgewiesen wurden; gleichzeitig wurde Kretschmann abermals zum „Chef-Präsidenten“ der Landesregierung ernannt.885 dd) Stärkung von Erbprinz Ernst Durch Anordnung von Herzog Franz Friedrich Anton886 vom 13. März 1804 wurde Erbprinz Ernst an den Arbeiten des Ministeriums unter Anleitung Kretschmanns beteiligt, hierdurch sollte der dereinstige Herzog neben seiner Mutter Auguste Caroline Sophie zur Unterstützung seines erkrankten Vaters887 intensiver in die Verhältnisse des Hauses und des Landes eingeführt werden.888 Nach Ansicht Jean Pauls sollte Erbprinz Ernst damit „eine Art 2ter Minister werden“.889 StACo Min F 821 fol. 43. Einberufung durch den Herzog vom 25. März 1804 bei StACo LA F 7531 fol. 4, 4’, Protokoll ebd. fol. 7 – 20 = HHStA RHR Ob. Reg. 1782 unfol. = Franz Josias von Hendrich, Vertheidigung, Beylagen S. 58 ff. 884 Gutachten vom 19. März 1804 bei StACo LA F 7531 fol. 25 – 75’ = HHStA RHR Ob. Reg. 1782 unfol. = Karl August von Wangenheim, Auch ein Beytrag zur Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, Erster Theil, Urkundenbuch S. 110 – 160. 885 StACo LA F 5925 fol. 35 – 37 = StACo LA F 7338 fol. 12 – 13’ = StACo Min E 3869 fol. 22 – 23’ = HHStA RHR Ob. Reg. 1287 / 2 unfol. = StACo LA B 2188 fol. 59’ – 60’ = Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und Finanz-Verwaltung der Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 142 ff. = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht des Herrn Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld an den kaiserlichen Reichshofrath über die Beschwerden der Prinzen Friedrich und Ludwig, S. 286 ff. = Nikolaus Thaddäus Gönner, Bericht des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld an den Kaiserlichen Reichshofrath über die Dienstentlassung des ehemaligen Vicepräsidenten von Wangenheim, Beylagen S. 656 ff.; gleicher Wortlaut auch bei Franz Josias von Hendrich, Vertheidigung, S. 74. 886 Es handelte sich also nicht um eine Beiziehung durch Kretschmann, wie bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 35 f. behauptet. 887 Siehe dazu Christian Kruse, Franz Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 177. 888 StACo Min F 561 fol. 2, 2’ = LReg. 156 fol. 2, 2’. Die Beweggründe waren mithin andere als in Baden, wo am 26. November 1808 eine Mitunterzeichnung wichtiger Regierungsakte durch den Erbgroßherzog infolge der Altersschwäche des Großherzogs festgelegt wurde, siehe Willy Andreas, Der Aufbau des Staates im Zusammenhang der allgemeinen Politik, S. 233. 889 So in einem Brief vom 16. März 1804, zit. bei Eduard Berend (Hrsg.), Jean Pauls Sämtliche Werke, S. 283. 882 883

186

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

d) Auswirkungen der Kommissionsverhandlungen auf die landschaftliche Klage Am 23. Februar 1804 übersandte Minister Kretschmann dem herzoglichen Agenten am Reichshofrat in Wien, David Heinrich Gottfried von Pilgramm, eine Verfahrensvollmacht Herzog Franz Friedrich Antons mit der Bitte, diese einzureichen und eine Verlängerung der gesetzten Erklärungsfrist890 um zwei Monate zu erreichen, da zwischen ihm „als Herzogl. Commissarius und den landschaftlichen Deputirten besondere Conferenzen und gütliche Unterhandlungen gepflogen worden, die einen erwünschten friedlichen Ausgang mit Gewißheit hoffen laßen.“891 Gleichzeitig bat er ihn, „die von den Landständen angeblich ( . . . ) gegebene Vollmacht um deswillen in vidimirter Abschrift einzusenden, weil es notorisch ist, daß der größte Theil der Landstände in die Klage nicht gewilliget hat.“892

Daraufhin beschwerte sich Hendrich am 1. März 1804 bei Kretschmann: „Von ( . . . ) unserer Erklärung haben Euer Excellenz ( . . . ) bereits in Wien Gebrauch gemacht, ob es gleich nicht abzusehen ist, wie solche, wenn sie der Mehrheit gemäs vorgetragen wird, im Geringsten die vormals geschehenen Schritte rechtfertigen könne. ( . . . ) Mehrere von Eurer Exzellenz gemachte, aber zum Glück für das Land, das Sie organisieren wollten, mislungene Versuche hatten offenbar die Tendenz die landschaftliche Verfassung umzustossen. Den Grundsäzen die aus Ihrem Munde oder Ihrer Feder flossen, konte ich nur selten meinen Beyfall versagen, diejenigen aber, nach denen ich Sie gegen die Landschaft und auch sonst handeln sah, muste ich um so mehr misbilligen, das ich sie mit jenen geradezu im Widerspruch fand.“893

Kretschmann antwortete am gleichen Tage, er habe die Erklärung der Deputierten in Wien niemals verwendet, andererseits werde die landschaftliche Klage nur von einer Minderheit der Landstände geführt.894 Letzterem widersprach Hendrich am folgenden Tag: „Nur die Stadt Coburg, ich und einige wenige Rittergutsbesizer, sind nicht beygetreten, aber der weit grösere Theil.“895

Hendrich selbst nahm an den weiteren Konferenzverhandlungen nicht mehr teil, da er sich über die zwischenzeitliche Einziehung der Kapitalien des Gymnasiums durch Kretschmann empörte.896 Siehe dazu oben III.5.m). StACo LA F 248 fol. 9 = StACo LA B 2180 fol. 122, 122’. 892 StACo LA F 248 fol. 9’ = StACo LA B 2180 fol. 122. 893 StACo LA F 248 fol. 10, 10’. 894 StACo LA F 248 fol. 12, 12’. 895 StACo LA F 248 fol. 13, 13’. 896 Siehe dazu oben III.5.m); vgl. auch Franz Josias von Hendrich, Vertheidigung, S. 57 f., Beylagen S. 34 ff. 890 891

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

187

e) Abschluß der Konferenz über Verfassungsfragen Am 12. März 1804 fand sich demzufolge nur noch Polizeidirektor Ortloff wieder bei Kretschmann ein und besprach mit ihm ein Schreiben mit Bemerkungen zum vorgelegten Verfassungsentwurf.897 Daraufhin wurde die Konferenz abermals vertagt, damit der Minister die Meinung des Herzogs einholen konnte.898 In ihren Bemerkungen führten Hendrich und Ortloff aus: „Wir wollen nicht ein Ideal einer Landschaftlichen Verfaßung fertigen, das nur in der Idee besteht und in der Erfahrung bodenlos bleiben muß, sondern uns über einen der Localität des hiesigen Landes angemessene und sowohl dem Landesherrn als auch den Landständen annehmlichen Entwurf vereinigen.“899

Demzufolge sei der vorgelegte Entwurf auch weder den übrigen Landständen noch dem landschaftlichen Konsulenten mitgeteilt worden, die Anmerkungen stammten allein von Hendrich und Ortloff als landschaftlichen Mitgliedern der Kommission. Angemerkt wurde im einzelnen folgendes: Gegen § 4 wurde eingewandt, daß es eventuell den Landständen verwehrt sein könnte, sich selbständig ohne landesherrliche Einberufung zu versammeln, so daß es beispielsweise unmöglich gemacht werden könne, gegen den Landesherrn gerichtlich vorzugehen, da eine vorherige Diskussion über diese Frage dann vom Wohlwollen des Landesherrn abhänge. Dieses nach Häberlin900 althergebrachte Recht dürfe der Landschaft aber nicht bestritten werden. Bei § 23 forderte man eine Einschränkung. Die verwendete Formulierung erweckte den Eindruck, daß die Landschaft zur Vorlegung des Abstimmungsverhaltens der einzelnen Mitglieder gehalten werden könnte, was einen negativen Einfluß auf die Abstimmungsfreiheit haben könnte. Vorgeschlagen wurde die Anhängung des Nebensatzes: „ohne jedoch eine Einsicht in die Privatmeinungen (z. B. bey Abstimmungen) der Einzelnen zu gestatten.“ Für § 24 wurde die Einführung des Begriffes „Landschaftliches Syndicus, der die Rechte und Freyheiten der Landstände zu vertheidigen hat“ anstelle der Bezeichnung des „Consulenten“ gefordert. Zu § 27 kam die Frage auf, warum ein einzelner Landstand in bedeutenden Fällen nicht durch die gesamte Landschaft bei der Beschwerdeführung im altständischen Sinne vertreten werden solle. 897 StACo LA F 243 fol. 94 – 108’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 168 – 186. 898 StACo LA F 243 fol. 93, 93’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 167. 899 StACo LA F 243 fol. 94’, 95 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 169. 900 Carl Friedrich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Band, S. 54, bezeichnet derartige Versammlungen zur Unterscheidung von Landtagen nur als „Landesconvente“.

188

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Auch bei § 35 verlangten die Landstände eine Präzisierung. Da nach dem Regelungsentwurf die Möglichkeit bestand, daß der Landesherr Gesetze, die in der vorgelegten Form nicht akzeptiert wurden, nach und nach landesweit in einzelnen Städten und Gemeinden einführen könnte, sollte er nur Gesetze bekanntmachen dürfen, die weder in die landschaftliche Verfassung eingriffen noch die Rechte der Landstände beeinträchtigten. In bezug auf § 40 wurde geltend gemacht, daß die dort genannten milden Stiftungen mit zum landschaftlichen Vermögen gehörten und die Landschaft daher vor allem zur Verhinderung von Mißwirtschaft und Substanzgefährdung ein Mitspracherecht behalten müsse. Bei § 41 wurde gefordert, daß eine Bindung an bekanntgemachte Rechtsnormen nur möglich sei, wenn diese in Übereinstimmung mit der landschaftlichen Verfassung erlassen wurden. Bezüglich § 44 beharrten die Landstände auf ihrem Mitwirkungsrecht an der Verwaltung des Gymnasiums in finanziellen Angelegenheiten. Zu § 80 führten die Bevollmächtigten aus, daß die Landschaft keinesfalls bereit sein könne, die für Schuldtilgung vorgeschossenen 100.000 fl. rh. als getilgt anzusehen. Diese Darlehen seien ohne jegliche Verpflichtung nur im Vertrauen auf den Herzog erbracht worden. Im Rahmen des § 81 sei das coburgische Militär viel zu sehr angewachsen, als daß die Landschaft dessen Kosten noch tragen könne. Auch der Unterhalt der Justizdeputation könne der Landschaft jedenfalls so lange nicht zugemutet werden, wie ihr die erhobenen Sporteln nicht zuflössen. Nach Rücksprache Kretschmanns mit Herzog Franz Friedrich Anton wurde mit Schreiben vom 14. März 1804 ein veränderter Entwurf übersandt.901 Die Konferenz wurde am 23. März 1804 fortgesetzt. Dabei einigte man sich darauf, den Entwurf den übrigen Landständen vorzulegen.902 f) Ausschußtag in Rodach Am 27. März 1804 trat der Engere Ausschuß unter Könitz’ Vorsitz zu einer Sitzung in Rodach zusammen.903 Zweck dieses Ausschußtages war wohl allein die Behandlung des vorgelegten Verfassungsentwurfs in der Fassung, die er durch die gemeinsame Kommission erhalten hatte. 901 Schreiben mit Vidit-Vermerk des Herzogs bei StACo LA F 243 fol. 109 – 110’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 186 ff. Der veränderte Entwurf unter diesem Datum ist nicht mehr erhalten. 902 Protokoll bei StACo LA F 243 fol. 111 – 112 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 189 f. 903 Protokoll bei Stadtarchiv Bad Rodach Abt. A Tit. X Nr. 30 fol. 40 – 44 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 193 ff.

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

189

Folgende Änderungswünsche des Ausschusses wurden festgehalten: Entgegen § 1 müsse festgestellt werden, daß die Landschaft aus Besitzern von Rittergütern und einigen mit landschaftlichem Stimmrecht versehenen Lehnschaften bestehe, da einigen Landständen nicht wegen ihrer Eigenschaft als Rittergutsbesitzer, sondern wegen verliehener Lehnschaften das Landstandschaftsrecht zustehe.904 Bei § 14 sollte der Begriff „Hauptverwilligungsschrift“ noch um das Wort „Erklärungsschrift“ ergänzt werden. § 17 könne bezüglich des Wohnorts des Landschaftsdirektors nur für die Zukunft gelten, nicht jedoch für den aktuellen Fall Könitz’. Das Recht, Kassenanordnungen im Rahmen des Haushalts der Landeskasse zu treffen, sollte, anders als in § 19 vorgesehen, auch künftig allein dem Landschaftsdirektor zustehen. Auch bezüglich der Mehrheitsentscheidungen (§ 21) sollte es beim bisherigen Herkommen verbleiben. § 23 sei durch den Halbsatz „ohne jedoch eine Einsicht in die Privat-Meynungen (z. B. bey Abstimmungen) der Einzelnen Landschaftl. Mitglieder zu gestatten“ zu ergänzen. Hinsichtlich § 28 kam der Wunsch auf, daß nur der Landschaftsdirektor und die Mitglieder des Engeren Ausschusses bei der Landesregierung um Urlaub nachzusuchen hätten, der Landschaftsdirektor sollte jedoch den landschaftlichen Bediensteten selbständig Urlaub erteilen können. § 41 sollte dahingehend spezifiziert werden, daß es sich nur um Polizeiverordnungen handeln dürfe, die nicht in die landständischen Rechte eingreifen oder nach den Grundsätzen der §§ 31 ff. erlassen werden. Bei § 48 sei noch „nach Modification der vorhergehenden §§“ beizusetzen. In § 56 müßte klargestellt werden, daß die verwirkten Strafen allein den Patrimonialgerichten zufallen. Bei § 75 sollten die Worte „zum Nachteil des Landes“ wegfallen, auch müsse über diese Vorschrift nochmals schriftlich mit den anderen Landständen beraten werden, auch sollten Anmerkungen zu §§ 2, 7, 11, 16, 18, 27, 44, 46, 67, 69 bis 71 sowie §§ 76 bis 100 bis zu einer weiteren schriftlichen Klärung mit den übrigen Landständen vorbehalten bleiben. Die erarbeiteten Anmerkungen und Änderungsvorschläge wurden allerdings nicht an das Ministerium weitergeleitet. Durch weitere Schreiben vom 18. April 904 Anderer Ansicht war die Landschaft aber in ihrer Klageschrift vom 12. Dezember 1803 gewesen, wo sie ausdrücklich ausführen ließ, daß die Landstandschaft auf dem Besitz der landständischen Rittergüter und dem Vorstand der Städte beruhe, vgl. Zusammenfassung bei Relation HHStA RHR Relat. 22.

190

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

1804905 und vom 16. Juni 1804906 wurde die Landschaft wiederholt zur Vorlage ihrer Erklärung über den Verfassungsentwurf aufgefordert. Doch auch hierauf reagierten Ausschuß und Landschaft erst am 13. September 1804.907

g) Weitere Ansichten zum Verfassungsentwurf aa) Christian Ferdinand von Könitz In einem umfangreichen Votum vom 6. April 1804 äußerte sich Könitz mit der Einleitung: „Die Beschwerden der Stände von Ritterschaft und Städten des Fürstenthum Coburg über die Beeintrachtigung ihrer Rechte fanden weder bey des regierenden Hr. Herzogs Franz ( . . . ) noch bey der Landes-Regierung einiges Gehör, und es trat daher natürlich, der in den Reichsgesetzen zugelassene Fall ein bey den Reichsgerichten Hülfe zu suchen.“908

Die landschaftlichen Beschwerden seien durch den vorgelegten Verfassungsentwurf nicht behoben worden, daher müsse die Klage beim Reichshofrat aufrechterhalten werden. Den auf der Rodacher Sitzung erarbeiteten Anmerkungen des Engeren Ausschusses habe er folgendes hinzuzufügen: Bezüglich § 21 sei vorzuschlagen, daß bei Stimmengleichheit im Engeren Ausschuß eine Abstimmung unter sämtlichen Landständen durchzuführen sei, bei abermaliger Stimmengleichheit sei die Abstimmung unter den Landständen zu wiederholen. Dieser Fall sei aber höchst unwahrscheinlich. Zudem sollte es dem Landschaftsdirektor überlassen bleiben, ob eine schriftliche Beratung des Engeren Ausschusses ausreiche oder ob eine Versammlung notwendig sei. Zu § 24 sei noch zu ergänzen, daß die Landschaft das Recht habe, ein eigenes Archiv zu unterhalten. § 25 sei annehmbar, jedoch sei wünschenswert, daß der Engere Ausschuß als Landeskollegium – also als eine den übrigen „Landesbehörden“ gleichrangige Stelle – anerkannt würde, da er dies seinem Wesen nach jetzt schon sei und dies auch dem „Geist der Zeit“ entspreche. Das Recht der Landschaft, auch Beschwerden einzelner Landstände vorzutragen, sei insbesondere zugunsten der ärmeren Landstände entgegen der in § 27 vorgesehenen Regelung aufrechtzuerhalten. Bei § 32 frage sich, ob dieser auch das Lotto „und andere Landesverderbliche Einrich905 StACo LA F 243 fol. 113 – 114 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 190 f. 906 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 364, 364’ = StACo LA F 243 fol. 115 – 116’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 192 f. 907 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, S. 15; zum Schreiben vom 13. September 1804 siehe unten i). 908 Stadtarchiv Bad Rodach Abt. A Tit. X Nr. 30 nach fol. 44.

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

191

tungen“ umfasse. § 35 in der vorgeschlagenen Fassung, der den Landesherrn zu Einzelfallanordnungen ermächtigte, könne nur in dringenden Fällen gelten. Auch die Schaffung neuer Verwaltungseinrichtungen durch den Landesherrn solle nach Maßgabe des § 33 erst nach Erstattung eines ständischen Gutachtens erfolgen können. § 36 wurde als nachteilig angesehen, da die Landschaft aber in einzelnen Fällen von der Publikation der Gesetze ausgeschlossen bleibe. Bei § 37 sei noch hinzuzufügen, daß der Landesherr weder Handel noch Gewerbe für sich treiben dürfe. § 39 (Änderung und Aufhebung erteilter Privilegien) könne nur gelten, sofern hierdurch nicht wohlerworbene Rechte verletzt würden. § 41 setze voraus, daß die Verordnungen zuvor von den Landständen begutachtet bzw. ihnen vom Engeren Ausschuß mitgeteilt worden seien. Bei § 42 sei der Begriff der Staatsdiener und Offizianten näher zu spezifizieren, da die Ernennung von Schultheißen, Gerichtsschöppen, Märkern und Flurknechten auf dem Lande keinesfalls Aufgabe des Landesherrn sein könne. Zu § 44 sei anzumerken, daß nicht nur hinsichtlich des Gymnasiums, sondern in jeder Hinsicht der status quo erhalten werden müsse. Auch sei derzeit nicht einzusehen, warum die Landschaft finanzielle Beiträge für das Gymnasium leisten müsse, wo sie doch von der Verwaltung ausgeschlossen sei. Aufgrund der neueren Ereignisse sei die Mitwirkung der Landstände in der Policey- und Justizkommission entgegen § 46 gerechtfertigt. Ohne ständische Mitwirkung in dieser Kommission bestehe nämlich die Gefahr, daß sämtliche Kassen des Landes geleert seien, bevor die Landstände hiervon Notiz genommen hätten. Bei § 47 fehle eine Festlegung, wem die „Orts-Policey“ überhaupt gehören solle. § 49 verrate, daß den Landständen vielmehr genommen werden solle, was ihnen scheinbar gegeben wurde. Bei § 54 sei hinzuzufügen, daß die bisherigen Vogteien die Rechte der Erbgerichte erhalten sollten. Bei § 60 müsse klargestellt werden, daß ein mit der Hochgerichtsbarkeit versehenes Patrimonialgericht das Justizamt nicht um Überstellung ersuchen müsse, wenn diesem am fraglichen Ort die Cent nicht zusteht. Bezüglich § 66 komme die Frage auf, warum dem Patrimonialgerichtsherrn die Entlassung des Gerichtshalters nicht freistehen solle, wenn dieser jederzeit seine Demission anzeigen könne. Das Rekrutierungsrecht (§ 75) stehe dem Landesherrn nur in bezug auf die centbaren Untertanen zu, soweit diese nicht vertraglich von der Rekrutierung befreit seien. Andere Einwohner könnten nur freiwillig angeworben werden. Die vorgeschlagene Regelung sei folglich „unzulässig und verfaßungswidrig“. § 78 (Einquartierungsrecht des Landesherrn) könne nur auf fremde Truppen angewandt werden. Die Einquartierung einheimischer Truppen bedürfe der Mitwirkung der Landschaft, um die Einwohner vor unnötigen Abgaben zu bewahren. Eine Verpflichtung zur Verwilligung einzelner Steuern im Sinne des § 79 könne nur bestehen, soweit diese dem Lande durch Kaiser und Reich auferlegt worden seien. Ein Großteil der in dieser Vorschrift erwähnten Steuern falle jedoch nicht in diese Kategorie. Der in § 80 vorgeschlagene Vergleich sei nicht akzeptabel. Auch § 81 stelle eine Zumutung dar, da hierdurch der Landschaft zusätzliche Ausgaben

192

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

zugewiesen werden. Die Revision des Steuerwesens könne entgegen § 83 nur auf die herkömmliche Weise geschehen. § 84 sei nicht annehmbar, da die Erbpacht der Lehnsleute die Steuer ersetze. Die Formulierung in § 88, daß die Untersteuereinnehmer vom Landesherrn bestellt werden sollen, stelle wiederum einen Versuch des Ministers dar, sich der landschaftlichen Einkünfte zu bemächtigen, denn dieses landständische Recht sei noch nie bestritten worden. Auch die Abnahme der landschaftlichen Rechnung müsse auf die althergebrachte Art und Weise geschehen. Bei der Rechnungslegung der Kirchenpatronate (§ 100) dürfe dem Superintendenten kein Anwesenheitsrecht eingeräumt werden. Zusammenfassend kam Könitz zu dem Ergebnis, daß den wenigen Vorteilen des Entwurfs zahlreiche Nachteile entgegenstünden. Als Vorteile sah er das Recht, ein eigenes Siegel zu führen (§ 25), die Gebührenfreiheit für Sendungen an die Landschaft (§ 26), die Möglichkeit der Beschwerdeführung gegen Abolitionen und Dienstverkäufe (§§ 38, 43), die Ausweitung der ständischen Polizeigewalt (§ 47), der Ausbau der Vogteien zu Gerichten (§ 54) mit Ausweitung des Strafbanns (§ 56), die Möglichkeit der wechselseitigen Requisition zwischen Ämtern und Patrimonialgerichten (§ 60) sowie der Gebietsabgrenzung (§ 73) und schließlich die künftige Befreiung von der Stellung der Ritterpferde (§ 85) an. Nachteilig seien jedoch die Residenzpflicht für den Landschaftsdirektor (§ 17), die Beschränkung der Freiheit, Tagungen des Engeren Ausschusses abzuhalten (§ 21), die Abschaffung der Möglichkeit der Landschaft, Beschwerden einzelner Mitglieder vorzutragen (§ 27), die Abschaffung der Verpflichtung der landschaftlichen Bediensteten gegenüber dem Landschaftsdirektor (§ 28), die Beschneidung der Vorgehensmöglichkeiten der Landschaft gegen nachteilige Finanzmaßnahmen (§ 32), die Möglichkeit für den Landesherrn, ohne landschaftliche Mitwirkung Polizeiverfügungen bezüglich einzelner Ortschaften zu erlassen (§ 35), die Beschränkung der Publikation von Verordnungen durch die Rittergutsbesitzer (§ 36), das Recht des Landesherrn zur Aufhebung von privilegia pro lubita (§ 39), die Bestätigungspflicht von Bediensteten durch den Landesherrn (§ 42), die der Landschaft aufgebürdeten Kosten hinsichtlich des Gymnasiums ohne Mitwirkungsmöglichkeit (§ 44), die Aufhebung der Zucht- und Waisenhauskommission (§ 46), die Abschaffung der bisherigen Gewohnheiten in Kriminalfällen (§§ 61 ff.), der zu allgemein gehaltene § 72 (eingeschränkte Kompetenz der Rittergutsbesitzer bei Steuerstraftaten), die Möglichkeit der Rekrutierung auf uncentbarem Gebiet (§§ 75 f.), die mögliche Einquartierung einheimischer Truppen „ohne Maß und Ziel“ (§ 78), die Einbehaltung der landschaftlichen Anleihen in Höhe von 113.000 fl. rh. (§ 80), die Aufbürdung weiterer Ausgaben (§ 81), die neue Steuerpflicht auf bislang steuerbefreite Güter (§ 84), die Beschränkung der Tranksteuerfreiheit (§ 86), die Bestellung der Steuereinnehmer durch den Landesherrn und die Verpflichtung zur Lagerung der landschaftlichen Kasse auf dem Rathaus der Stadt Coburg (§ 88), die Veränderung der hergebrachten Vorgehensweise bei der Rechnungsabnahme (§ 91) sowie die Zuziehung des Superintendenten bei der Abnahme der Kirchenrechnungen (§ 100).

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

193

Seine Empfehlung schloß mit den Worten: „So wenig ich meines Orts geneigt bin eine solche Capitulation ein zu gehen, so wenig würde ich auch rathen können eine andere beßere die den Beschwerden der Stände ein Ende macht, wenn sie ihnen gleich keine angeblichen neuen Prärogativä verschafft, zu contrahiren, so lange ein Mann an der Spitze des Gouvernements stehet, der durch seine Wortbrüchigkeit, unredliches Betragen und öffentl. erwiesener und überführter unmoralischer Handlungen das Vertrauen der Stände längst verlohren hat.“909

Durch diese Äußerung wird offensichtlich, daß der im altständischen Denken verhaftete Könitz lediglich um der Person des Ministers Kretschmann willen das Zustandekommen der entworfenen altständischen Verfassung vereitelte. bb) Franz Josias von Hendrich In einem Votum vom 12. April 1804 schloß sich Hendrich im wesentlichen der Argumentation Könitz’ an.910 Er warnte jedoch davor, neuartige Vorschläge nur aufgrund ihrer Neuartigkeit abzulehnen. Zum Schutz einer unabhängigen Rechtspflege sei § 66 gutzuheißen, da auch der Patrimonialgerichtshalter nicht der Person des Gerichtsherrn, sondern dem Staate verpflichtet sei. Auch § 70 sei eine verständliche Vorschrift. Bei § 75 stimme er Könitz zwar zu, jedoch habe sich die Kriegsverfassung des gesamten Reiches mittlerweile so verändert, daß eine gänzliche Befreiung weiter Kreise vom Militärdienst nicht mehr praktikabel sei. Es sei auch nicht verständlich, warum es nachteilhaft sein solle, wenn die landschaftliche Kasse aus der Wohnung des Landschaftskassierers in das dem mitständischen Magistrat gehörende Rathaus verbracht werde. Insgesamt hielt auch Hendrich die gewährten Vorteile im Verhältnis zu den verlangten Aufopferungen nicht für hinnehmbar. Hendrichs Votum schloß mit umfangreichen Anschuldigungen gegenüber Minister Kretschmann wegen der Einziehung der Stiftungskapitalien911 und deren Weitergabe an die Bank sowie dessen übriger Amtsführung insbesondere in finanzieller Hinsicht. cc) Stadt Rodach Am 25. April 1804 äußerten sich Bürgermeister und Stadtrat von Rodach.912 Diese bezweifelten, daß durch den vorgelegten Entwurf die Beschwerden der Landschaft behoben werden können, und schlossen sich der Ansicht Könitz’ an. Zudem fehle in § 3 eine Bestimmung über das Rangverhältnis zwischen den Stadtarchiv Bad Rodach Abt. A Tit. X Nr. 30 unfol. nach fol. 44. Stadtarchiv Bad Rodach Abt. A Tit. X Nr. 30 fol. 45 – 48’ = Franz Josias von Hendrich, Vertheidigung, Beylagen S. 130 ff. 911 Dazu siehe soeben d) und oben III.5.m). 912 Stadtarchiv Bad Rodach Abt. A Tit. X Nr. 30 nach fol. 48. 909 910

194

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Städten Neustadt und Rodach. Bei § 8 fehle die Möglichkeit einer Vertretung durch andere Ratsmitglieder im Verhinderungsfalle, das gleiche gelte für § 15. Bei § 17 erscheine es als unbillig, wenn der Landschaftsdirektor um Bezüge in Höhe von 400 fl. rh. willen im kleinen Lande Sachsen-Coburg wohnen müsse. § 47 über die Verleihung der „Orts-Policey“ sei zumindest hinsichtlich der Stadt Rodach unnötig. Die den Rittergütern gewährte Schriftsässigkeit in § 64 müsse wohl auch für die Stadträte gelten. Bezüglich § 70 trete man der Ansicht Hendrichs bei, bei § 75 stimme man aber Könitz zu. Die Steuerfreiheit dürfe nicht, wie in § 84 formuliert, entzogen werden. Auch die Anschuldigungen gegen Minister Kretschmann wurden unterstützt.

h) Streitigkeiten über die Rechnungsabnahme der Landeskasse Am 4. April 1804 wandte sich der Engere Ausschuß an Herzog Franz Friedrich Anton mit dem Hinweis, daß die notwendige Rechnungsabnahme der Landeskasse, die gewöhnlich jährlich durch eine Kommission aus Engerem Ausschuß und Landesregierung erfolgte, seit 1800 nicht mehr durchgeführt worden sei.913 Hieraus könnten schwere Nachteile für die Kasse entstehen. Hierauf erging am 9. Mai 1804 ein herzogliches Reskript an die Landschaft über die landesherrliche Oberaufsicht über die Landeskasse.914 In diesem wurde ausgeführt, daß der Landeskassier sich geweigert habe, die Belege für 1800 an den Landesherrn einzuliefern, die Kassenführung sei zudem ohne jegliche Bücher erfolgt und die Rechnungen für 1801 bis 1803 seien noch nicht einmal abgeschlossen. Auch die vorgeschriebenen Haushaltspläne seien bislang noch nicht aufgestellt worden. In allen diesen Fragen habe der Herzog jedoch das Recht der Oberaufsicht über die Landeskasse, der Landschaft komme kein alleiniges Entscheidungsrecht zu: „Ihr könnt nicht wollen, dass Wir – Euer Landesherr – in einem subordinirten Verhältnisse von Euch – Unsern Unterthanen – erscheinen.“915

Bereits in einem Reskript an die Landesregierung vom 13. April 1804 hatte Minister Kretschmann festgestellt, daß der Landschaft zwar das Steuerbewilligungsrecht, nicht jedoch ein Bestimmungsrecht dahingehend, wie die verwilligten Steuern erhoben und abgeführt werden, zukomme.916

913 StACo Min J 203 fol. 24 – 25 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 386 f. 914 StACo Min J 203 fol. 26 – 36’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 388 – 399. 915 StACo Min J 203 fol. 34 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 396. 916 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 399 f.

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

195

i) Erste offizielle Reaktion des Engeren Ausschusses auf den Verfassungsentwurf Bereits am 3. August 1804 hatte Könitz ein „Circularschreiben des landschaftlichen Directorii und engern Ausschusses an sämmtliche Mitstände wegen der Bedenklichkeiten bey Annahme des Entwurfs zur landschaftlichen Constitution“ versandt.917 Hierin führte er in Ausweitung seines Votums vom 6. April 1804918 aus, daß auch für den Fall der Annahme des Verfassungsentwurfes die Klage vor dem Reichshofrat nicht zurückgenommen werden dürfe, da die Gründe für diese nicht vollumfänglich beseitigt worden seien. Den wenigen Vorteilen für die Landschaft stünden nach wie vor zu viele Nachteile entgegen. Vorteilhaft sei, daß die Landschaft nunmehr ein eigenes Siegel führen dürfe (§ 25), die Sportelfreiheit bei Expeditionen an die Landschaft durch landesherrliche Kollegien (§ 26), die Möglichkeit von Vorstellung und Klage gegen den Mißbrauch der Abolitionen und gegen Dienstverkäufe (§§ 38, 43), die Ausweitung der Polizeigewalt für Ritterschaft und Städte sowie der Patrimonialgerichtsbarkeit (§§ 47, 54, 56, 60, 73) und die Befreiung von den zu leistenden Ritterpferden (§ 85). Als nachteilig bzw. als neue Beschwerden wurden im wesentlichen angesehen, daß der Landschaftsdirektor nicht außerhalb des Landes wohnen dürfe (§ 17), der Engere Ausschuß in der Freiheit zur Abhaltung von Konventen beschränkt werde (§ 21), die Landschaft nicht die Be schwerden einzelner ihrer Mitglieder vertreten dürfe (§ 27), die landschaftlichen Bediensteten keine besonderen Verpflichtungen gegenüber dem Landschaftsdirektor hätten (§ 28), die Landschaft keine Möglichkeit zum Vorgehen gegen nachteiliges Finanzgebaren habe (§ 32) und sich aber nur für einzelne Orte geltende Polizeiverfügungen gefallen lassen müsse (§ 35). Überdies dürfe ein Rittergutsbesitzer nur solche Verordnungen, die ihm unmittelbar von der Landesregierung zugesandt werden, veröffentlichen (§ 36), der Landesherr könne unbeschränkt privilegia pro lubita aufheben (§ 39), ihm obliege es auch, die Patrimonialgerichtshalter zu bestätigen (§ 42). Die Landschaft müsse erhöhte Besoldungen für die Professoren am Gymnasium bezahlen, verliere aber das Beisitzrecht im Scholarchat und bei der Verwaltung von Zucht- und Waisenhaus (§§ 44, 46). Bei Kriminalfällen werde die bisherige Observanz aufgegeben, aber kein Rittergutsbesitzer habe die Möglichkeit, gegen landesherrliche Abgaben vorzugehen (§ 72). Jeder centfreie Lehnsmann könne rekrutiert werden (§§ 75, 76), wohingegen die Landschaft unbeschränkt Einquartierung und Verpflegung einheimischer Truppen tolerieren müsse (§ 78). Zudem werde der landschaftliche Vorschuß in Höhe von 113.000 fl. rh. für aufgehoben angesehen (§ 80), aber die Landschaft müsse noch weitere Rechnungspositionen übernehmen (§ 81). Die Landstände sollten auch hinsichtlich der befreiten Güter landsteuerpflichtig sein (§ 84), 917 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 203 – 213. 918 Siehe dazu oben g)aa).

196

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

zudem werde die Tranksteuerfreiheit der Landstände beschränkt (§ 86), während die Bestellung landständischer Steuereinnehmer dem Landesherrn zustehen und die Landes- und Kriegskasse auf dem städtischen Rathaus aufbewahrt werden solle (§ 88), darüber hinaus werde der hergebrachte Modus der Rechnungsabnahme beschränkt (§ 91). Auch müsse sich der Patronatsherr bei der Abnahme der Kirchenrechnungen die Zuziehung des Superintendenten gefallen lassen (§ 100). Als neuer Vorwurf trat hinzu, daß durch §§ 54 ff. der bislang in der Landesverfassung „so tief begründete“ Unterschied zwischen centbarem und uncentbarem Boden919 aufgehoben werden solle. Die Vorlage eines eigenen landschaftlichen Entwurfs einer geschriebenen Verfassung sei jedoch nicht ratsam, „so lange ein Mann an der Spitze des Gouvernement steht, der schon längst das Vertrauen der Stände und des Landes verloren hat.“920 Einziges Interesse von Minister Kretschmann sei es, „die landschaftliche Verfassung umzustürzen, und sie nach seinen ungangbaren Ideen zu modeln“921. Könitz führte ferner aus: „Sollten wir als treue Väter und Repräsentanten des Volks und als treue Vasallen und Unterthanen nicht in unserm Gewissen verbunden seyn, unsern Landesherrn um dessen Entfernung zu bitten? ( . . . ) Zu einer solchen Bitte sind die Stände schon durch die Constitution des Landes berechtigt.“922

Ihr besiegeltes Votum über den vorgelegten Entwurf sollten die Stände an den Engeren Ausschuß zurücksenden. Am 13. September 1804 ging nach über einem halben Jahr erstmals wieder ein Schreiben des Engeren Ausschusses beim Ministerium ein. Dieses war auf den 31. Juli 1804 datiert und beinhaltete eine Entschuldigung für die späte Reaktion: „Euer Herzogl. Durchlaucht werden auf das unterm 16. Junii d.J. an eine getreue Landschaft in Betreff ihrer einzusendenden Erklärung über den gefertigten und derselben mitgetheilten Entwurf der hiesigen Landschaftlichen Verfaßung anderweit erlaßene höchste Rescript gnädigst erlauben, folgendes unterthänigst zu erkennen geben zu dürfen, wie bey einer so äußerst wichtigen und daher durchgehendst die sorgfältigste und genaueste Prüfung und Erwägung erfordernden Sache, dergleichen dieser Entwurf der Landschaftlichen Verfaßung ist, und bey der notorischen Beschaffenheit, die es natürlich mit der Landschaftlichen Geschäfts-Behandlung hat, wohl ganz unmöglich binnen einer gewiß bestimmten Frist die Erklärung einer getreuen Landschaft über sothanen Entwurf eingesendet werden kann. ( . . . ) Wenn nun aber Euer Herzogl. Durchlaucht die Einsendung der Landschaftl. unterthänigsten Erklärung über den Entwurf der Landschaftl. Verfassung binnen vierzehen Tagen, welches jedoch ( . . . ) eine Unmöglichkeit ist, unter dem Präjudiz, Siehe dazu oben I.4.e)ee)(3). Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 210. 921 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 210. 922 Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 212. 919 920

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

197

daß nach Ablauf dieser Frist der ( . . . ) Entwurf, für nicht angenommen erachtet ( . . . ) werden soll, gnädigst begehrt haben; so müßen wir um gnädigste Verlängerung des Termins zur Einreichung unserer Erklärung nach eingeholten Landständischen Abstimmungen unterthänigst bitten.“923

Gleichzeitig brachten die Deputierten die Verpfändung des Kammeramtes Coburg an die Landschaft in Erinnerung und beschwerten sich, daß dieses auch für andere Anleihen als Unterpfand gegeben werde. Der Behauptung Karl Bohleys, bei diesem Schreiben habe es sich um eine vorläufige Ablehnung des Verfassungsentwurfs gehandelt924, steht der Wortlaut klar entgegen. Am 27. September 1804 erwiderte Minister Kretschmann925, daß dieser Eingabe keine Bedeutung zukommen könne, da sie nicht von allen Landständen unterzeichnet worden sei.926

j) Untersuchungen und Vorschläge der Landesregierung Bereits am 18. August 1804 war ein herzogliches Reskript an die Landesregierung ergangen, in welchem diese angewiesen wurde, sämtliche Landstände einzeln darüber zu vernehmen, ob ihnen der Verfassungsentwurf seitens des Engeren Ausschusses zu Durchsicht und Erklärung mitgeteilt worden sei, ob sie sich bereits zustimmend oder ablehnend geäußert hätten, ob ihnen die Erinnerungsschreiben bekanntgemacht worden seien, ob sie von der Klage vor dem Reichshofrat wüßten oder gar eine Vollmacht unterzeichnet hätten und ob sie nicht ebenfalls der Ansicht seien, daß durch Zustimmung zum vorgelegten Verfassungsentwurf die landschaftlichen Beschwerden insgesamt beseitigt werden könnten.927 Die Motive des Herzogs wurden wie folgt erläutert: „Seit dem Antritt Unserer Regierung war es eine der vorzüglichste Bemühungen, die Beschwerden Unserer getreuen Landstände zu beseitigen und zugleich eine constitutionelle Einrichtung festzusezen, wodurch für die Zukunft der Hang zu neuen Beschwerden erstikt und überhaupt das allgemeine Wohl Unserer Lande befördert werde.“928

Im Verlauf des Oktober und November 1804 vernahm die Landesregierung daraufhin elf Landstände929 über Fragen im Zusammenhang mit der eingereichten 923 StACo Min J 207 fol. 2 – 3’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 254 ff., dort fälschlicherweise mit dem Datum 27. Juli 1804 versehen. 924 Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 36. 925 Nicht „die Regierung“, wie Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 36 behauptet. 926 StACo Min J 207 fol. 4, 4’. 927 StACo LA F 248 fol. 70’, 71 = StACo LReg. 354 fol. 5, 5’ = StACo LReg. 355 fol. 2. 928 StACo LA F 248 fol. 65 = StACo LReg. 354 fol. 2. 929 Im einzelnen waren dies Johann Christian Blank (auf Scheuerfeld), Emil von Coburg (auf Waldsachsen), Johann Albrecht Fischer (auf Neuses), Friedrich von Hanstein (auf Einberg), Franz Friedrich Anton Timon von Rauchhaupt (auf Ketschenbach), Johann Carl Schö-

198

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Klage vor dem Reichshofrat930 und mit dem Verfassungsentwurf.931 Dabei wurde festgestellt, daß der Verfassungsentwurf bei sämtlichen Landständen höchstens sechs Wochen zuvor eingegangen war. Zwei Stände hatten sich für die entworfene Constitution ausgesprochen, drei hatten bislang noch keine Stimme abgegeben. Von den landesherrlichen Erinnerungsschreiben hatten neun Stände keine Kenntnis. Am 1. November 1804 schlug der mit der Berichterstattung in der Landesregierung beauftragte Landesregierungsrat Heinrich Wilhelm Schultes vor, einen allgemeinen Landtag zur Klärung des Verhältnisses zwischen Regenten und Landschaft einzuberufen. Dies hätte auch zur Folge, daß der Prozeß vor dem Reichshofrat unterbrochen werden müßte.932

k) Widersprüchliche Ablehnung des Entwurfs Am 29. Januar 1805 gingen schließlich zwei Schreiben bei Minister Kretschmann ein: Im ersten, das vom 27. Oktober 1804 datierte, wurden die landschaftlichen Beschwerden aus dem Schreiben vom 31. Juli 1804933 unter Beifügung der Unterschrift von 22 Ständen bekräftigt, zudem wurde erklärt, man wolle über den vorgelegten Verfassungsentwurf nochmals verhandeln.934 Im zweiten Schreiben, das vom 23. Dezember 1804 datierte935, führte der Engere Ausschuß aus: „Es sind nunmehro die Stimmen unserer Mitstände in Betreff des Entwurfes zu einer neuen Landschaftlichen Verfaßung versiegelt bey einem engeren Ausschuß eingelangt ner (auf Eichhof), Adolph von Schultes (auf Redelsdorf), Christian Carl Freiherr von Seefried (auf Meeder), Johann Ernst Carl von Steinau und Carl Wilhelm von Steinau gen. Steinrück (auf Weißenbrunn vorm Wald), Johann Ernst Gotthelf Stockmar (auf Obersiemau) sowie Polizeidirektor Johann Andreas Ortloff und Justizdirektor Scheler namens des Magistrats der Stadt Coburg. 930 Siehe dazu III.5.m). 931 Protokolle über die einzelnen Vernehmungen finden sich bei StACo LReg. 354 fol. 36 – 39’, 41 – 48’ und StACo LReg. 355 fol. 6 – 9’, eine synoptische Zusammenstellung der Aussagen abgedruckt bei Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 215 – 233. 932 StACo LA F 7343 fol. 34, 34’. 933 Siehe soeben i). 934 StACo Min J 207 fol. 5 – 8’ = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 477 ff. – Die gesammelten Unterschriften waren jedoch weder diejenigen sämtlicher Stände (beispielsweise fehlt die Stadt Coburg) noch kann das Schreiben in eine Beziehung zur Ablehnung des Verfassungsentwurfs vom 23. Dezember 1804 gesetzt werden, wie aber bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-CoburgSaalfeld, S. 37 geschehen. 935 Nicht vom 23. November 1804, wie Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 37 behauptet.

IV. Der erste coburgische Verfassungsentwurf

199

auch sofort gewöhnlichermaßen eröfnet worden, und wir verhehlen nun nicht, Euer Herzogl. Durchlaucht submißest zu erkennen zu geben, wie einer getreuesten Landschaft gedachter Entwurf zur Landschaftl. Verfaßung aus verschiedenen erheblichen Gründen nicht annehmbar zu seyn scheint.“936

Die Gründe für die Ablehnung wurden jedoch nicht genannt. Mit diesem Schreiben war aber der erste Verfassungsentwurf für Sachsen-Coburg gescheitert. Dieses Scheitern bewertete der amtierende Landschaftsdirektor Hendrich 1806 im Rückblick wie folgt: „Ich habe noch jetzt die Ueberzeugung, daß dieser Constitutionsentwurf viel Gutes enthält und daß er mit wenigen Modificationen von der Majorität der Stände würde angenommen worden seyn, wenn das gerechte Mißtrauen, welches die Handlungsweise des Herrn Ministers von Kretschmann dem ganzen Lande und vorzüglich den Ständen einflößen mußte, es nicht verhindert hätte.“937

Durch diese Mitteilung einer Ablehnung des Verfassungsentwurfs wurden die Differenzen zwischen Minister Kretschmann und der ritterschaftlich dominierten Landschaft endgültig verhärtet. Eine ähnliche Situation bestand im Preußen Hardenbergs infolge des „Edikts über die Finanzen des Staats und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben“ vom 27. Oktober 1810938, wobei es auch dort um die Durchsetzung der Verfassungsfrage ging.939 Im benachbarten Ansbach-Bayreuth existierten ähnliche Auseinandersetzungen, da die dortige Ritterschaft den Status von Reichsrittern beanspruchte.940

4. Reaktionen auf die Ablehnung des Verfassungsentwurfs a) Wiederherstellung der Scheres-Zieritz-Stiftungskommission Auf ihren eigenen Antrag vom 11. Oktober 1804 hin beauftragte Minister Kretschmann die Landesregierung durch Schreiben vom 7. November 1804, die Scheres-Zieritz-Stiftungs-Nach-Exekution förmlich wiederherzustellen. 941 Einem Bericht vom 28. Januar 1805942 zufolge wurde die Scheres-Zieritz-Stiftungs-Nach936 StACo Min J 207 fol. 9 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 482 f. 937 Franz Josias von Hendrich, Vertheidigung, S. 59. 938 PrGS 1810, S. 25 ff. = Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 44 ff. 939 Siehe dazu Manfred Botzenhart, Verfassungsproblematik und Ständepolitik in der preußischen Reformzeit, S. 445 ff. 940 Hanns Hubert Hofmann, Adelige Herrschaft und souveräner Staat, S. 169 f. – Die Bearbeitung der ansbach-bayreuthischen Ansprüche gegen die Ritterschaft oblag Kretschmann als zuständigem Referenten, siehe ebd. S. 181 f. 941 StACo LReg. 4410 fol. 26. 942 StACo Min J 202 fol. 10 – 11’ = StACo LReg. 4410 fol. 27 – 28.

200

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Exekution daraufhin am 5. Februar 1805 von der Landesregierung abgetrennt und in ihrem früheren Umfang – also unter Beteiligung der Landschaft – wiedererrichtet.943 Dies teilte die Landesregierung der Landschaft am 12. März 1805944 und der Stiftungsverwaltung am 17. April 1805945 mit. b) Forderung nach Legitimation des Ablehnungsschreibens Am 18. April 1805 wurde die Landschaft durch herzogliches Reskript angemahnt, die Erklärung über die Ablehnung des Verfassungsentwurfs mit sämtlichen eigenhändigen Unterschriften der betreffenden Landstände bzw. deren Vollmachten vorzulegen. Dies sei in dem vom 27. Oktober 1804 datierenden Schriftstück nicht geschehen.946 Hierauf antwortete der Engere Ausschuß in einem Schreiben vom 24. Mai 1805, das am 10. Juni 1805 einging, daß dieses Verlangen dem freien Stimmrecht der Stände widerspräche.947 Darauf wurde am 28. Juni 1805 entgegnet, daß es bei der Anordnung vom 18. April 1805 verbleibe und man sich aufgrund dieser Weigerung und verschiedener anderer Äußerungen eine Bestrafung vorbehalte.948 Im Zusammenhang mit dem übrigen Schriftwechsel ist diese Drohung wohl eher eine im Verhältnis zwischen Staatsbehörden und den Landständen üblich gewordene Formulierung als nach Karl Bohleys Darstellung „der vorläufige Abbruch der offiziellen Beziehungen zwischen der Landschaft und dem Minister“949.

V. Vereinheitlichung der Landeshoheit 1. Vorgeschichte und Vermittlung Elkans Bereits 1802 / 1803 waren Verhandlungen über eine Beilegung der Differenzen bezüglich der jeweiligen Rechte der Herzöge von Sachsen-Coburg-Saalfeld und Sachsen-Gotha-Altenburg in der Landesportion Saalfeld gescheitert950, so daß StACo LReg. 4410 fol. 30 = StACo Min J 202 fol. 12. StACo LReg. 4410 fol. 31, 31’; Dankschreiben der Landschaft vom 19. März 1805 ebd. fol. 32, 32’. 945 StACo Scheres-Zieritz-Stiftung 152 fol. 15 = StACo LReg. 4410 fol. 36 – 37. 946 StACo Min J 207 fol. 10 – 11. 947 StACo Min J 207 fol. 12 – 13’. 948 StACo Min J 207 fol. 14. 949 Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 38. 950 Unter anderem bestritt Sachsen-Gotha-Altenburg die Berechtigung des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld, eigene Regierungs-, Konsistorial- und Lehensinstanzen für die saalfeldische Landesportion zu schaffen, die nicht den altenburgischen Landeskollegien nachgeordnet waren, während Sachsen-Coburg-Saalfeld die Erbteilungsrezesse von 1680 und 1695 an sich für verfassungswidrig hielt, vgl. StACo Min G 465, 469, 470, 479, 483 und StACo LA F 7545 fol. 6 sowie ThStAGo Geheimes Archiv KKK.XXXVII. Nrn. 19, 24, 25. 943 944

V. Vereinheitlichung der Landeshoheit

201

1803 / 1804 Verfahren sowohl im Rahmen der Austräge vor der Tübinger Juristenfakultät951 als auch vor den Reichsgerichten952 durchgeführt wurden. Am 24. Juli 1804 bot sich schließlich der sachsen-weimarische Hoffaktor Jacob Elkan für Vermittlertätigkeiten zwischen Sachsen-Coburg-Saalfeld und Sachsen-Gotha-Altenburg an.953 Dieses Angebot wurde sowohl von Sachsen-Gotha-Altenburg954 als auch von Sachsen-Coburg-Saalfeld angenommen.955 In einer von Kretschmann entworfenen „Geheimen Instruction für den Hoffaktor Elkan“ vom 6. September 1804956 wurde ausgeführt, daß sich die Streitigkeiten Sachsen-Coburgs mit Sachsen-Gotha-Altenburg über Saalfeld hauptsächlich auf den Steuerertrag, die Militärgewalt und die altenburgische Verwaltung Saalfelds bezogen. Ein Ende der Streitigkeiten setze eine gänzliche Befreiung der saalfeldischen Landesportion von allen gothaischen Verbindungen voraus, wofür SachsenGotha-Altenburg dementsprechend entschädigt werden müßte. Bei einer ersten Unterredung Elkans mit dem gothaischen Geheimen Rat Johann Wilhelm von Thümmel am 13. September 1804 in Schöngleina957 zeigte sich die gothaische Seite mit einem Austausch der gothaischen Rechte in Saalfeld gegen den coburgischen Anteil an den Ämtern Themar oder Römhild sowie einer Ausgleichszahlung in Höhe des Differenzbetrages grundsätzlich einverstanden. Zudem befürworte Sachsen-Gotha-Altenburg eine Abtretung einzelner Gebiete. Ferner 951 Die dahingehenden Verhandlungen bei StACo Min G 486, das Gutachten bei StACo Min G 506. 952 Sowohl Sachsen-Coburg-Saalfeld als auch Sachsen-Gotha-Altenburg hatten einen Prozeß vor dem Reichskammergericht über den Umfang der landesherrlichen Rechte bezüglich des Steuerwesens angestrengt – Sachsen-Coburg-Saalfeld unterlag –, SachsenGotha-Altenburg hatte vor dem Reichshofrat wegen Verletzung der Militärhoheit (beendet durch Vergleichsanzeigen vom 25. April 1806) sowie der Verwaltungshoheit geklagt, Sachsen-Coburg hatte gegen Sachsen-Gotha-Altenburg dort auf Unterlassung der Störung des Hausfriedens und weitergehender Eingriffe in die Landesportion Saalfeld geklagt. – Vgl. dazu die Relationen (mit für Sachsen-Coburg-Saalfeld positivem Entscheidungsvorschlag) bei HHStA RHR Relat. 163, unfol. (Nr. 162) sowie HHStA RHR Relat. 163, unfol., HHStA RHR Ob. Reg. 1292 / 1, 1292 / 2, 1292 / 3, 1312 / 4, 1312 / 5; StACo Min G 471 – 474, 484, 487 – 493, 496, 497; ThStAGo Geheimes Archiv NN. VIII.a Nr. 17; ebd. KKK. XXXVII. Nrn. 20 – 23, 27 –32, 38, 39; ThStAMgn GA VI.B.28, 36, 38. Zur konkurrierenden Zuständigkeit beider oberster Reichsgerichte Oswald von Gschließer, Der Reichshofrat, S. 28 f. 953 StACo Min G 498 fol. 13, 13’. 954 Schreiben vom 27. Juli 1804, StACo Min G 498 fol. 14. 955 Eine Quittung Elkans vom 31. Juli 1804 über von Sachsen-Coburg-Saalfeld empfangene 1.000 fl.rh. als Vorschuß findet sich bei StACo Min G 498 fol. 14. – Als Belohnung für das Zustandekommen eines evtl. Vergleichs waren Elkan 10.000 fl.rh. versprochen worden, vgl. ebd. sowie StACo Min G 498 fol. 30, die am 7. September 1804 unter Vorbehalt der Rückforderung in Obligationen auf eine coburgische Anleihe – aber ohne Zinscoupons, vgl. StACo Min G 498 fol. 73’ – gezahlt wurden, StACo Min G 498 fol. 36. 956 StACo Min G 498 fol. 31 – 33’. 957 Konferenzbericht bei StACo Min G 498 fol. 52 – 56.

202

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

müsse berücksichtigt werden, daß auf finanzieller Seite noch rückständige Steuern und alte Schulden in Saalfeld bestünden. Die altenburgische Reichstagsstimme sollte ebenfalls bei Sachsen-Gotha-Altenburg verbleiben. Kretschmann zeigte jedoch Bedenken gegen die Abtretung saalfeldischer Gebietsteile an Altenburg und wollte diese Differenzen lieber auf finanziellem Weg bereinigt sehen.958 Bei einem weiteren Treffen Elkans mit Thümmel am 22. November 1804 stellte dieser den gothaischen Standpunkt wie folgt dar: Sachsen-Gotha-Altenburg sei nach wie vor bereit, die bestehende Verbindung (nexus Gothanus) zwischen Gotha-Altenburg und Saalfeld aufzuheben und sämtliche Hoheitsrechte mit Ausnahme der Saaleflöße an Sachsen-Coburg-Saalfeld zu übertragen, wenn Sachsen-Coburg-Saalfeld jährlich 8.000 fl. rh. an die altenburgische Steuerkasse zahlt, zahlreiche saalfeldische Dörfer abtritt sowie 65.000 fl. rh. an rückständigen saalfeldischen Steuern in Jahresbeträgen von 8.000 fl. rh. zahlt. Der gothaische Anteil an Themar solle gegen den coburgischen Anteil an Römhild ausgetauscht werden, Sachsen-Coburg-Saalfeld solle als Ausgleich hierfür die im Coburgischen gelegenen gothaischen Kammergüter erhalten.959 Nach langwierigen Briefwechseln960 regte Thümmel am 2. März 1805 eine Konferenz von Vertretern Sachsen-Gotha-Altenburgs und Sachsen-Coburg-Saalfelds zur Beilegung bestehender Mißverständnisse an.961

2. Konferenz zwischen Sachsen-Coburg-Saalfeld und Sachsen-Gotha-Altenburg Die Konferenz, an der neben Minister Kretschmann der gothaische Geheime Rat und Kanzler August Friedrich Carl Freiherr von Ziegesar sowie der gothaische Geheime Rat, altenburgische Kammerpräsident und Obersteuerdirektor Johann Wilhelm von Thümmel teilnahmen, fand schließlich vom 17. bis zum 27. April 1805962 in Themar statt.963

StACo Min G 498 fol. 68’ – 70. Konferenzbericht bei StACo Min G 498 fol. 81 – 84. 960 StACo Min G 498 fol. 85 – 125. 961 StACo Min G 498 fol. 126. 962 Nicht vom 17. bis zum 28. April 1805, wie Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister v. Kretschmann, S. 43 behauptet. 963 Vollmacht Herzog Franz Friedrich Antons für Kretschmann vom 14. April 1805 bei StACo Min G 499 fol. 23, 23’ = StACo Min G 511 fol. 1, Vollmacht Herzog Augusts von Sachsen-Gotha-Altenburg bei StACo Min G 511 fol. 94, Konferenzprotokoll bei StACo Min G 511 fol. 32 – 93 = StACo Min J 48. 958 959

V. Vereinheitlichung der Landeshoheit

203

Kretschmann hatte als Vergleichspunkte bereits folgendes vorgesehen:964 Sämtliche gotha-altenburgischen Hoheitsrechte über die saalfeldische Landesportion werden ebenso wie der gothaische Anteil am Amt Themar und die Kammergüter Schweighof und Rosenau an Sachsen-Coburg-Saalfeld abgetreten. Ferner sollte Sachsen-Gotha-Altenburg auf 26.120 fl. rh. zu Unrecht durch SachsenCoburg-Saalfeld erhobene Steuern und auf das Recht, bei Erbfällen im ernestinischen Haus einen Vorausanteil (portio virilis) zu erhalten, verzichten. SachsenGotha-Altenburg erhält dafür den coburgischen Anteil am Amt Römhild sowie zehn vormals saalfeldische Ortschaften. Sachsen-Coburg-Saalfeld zahlt jährlich 11.200 Reichstaler an die Obersteuerkasse in Altenburg, zusätzlich zur Abtragung früherer altenburgischer Schulden einen Gesamtbetrag von 40.000 Reichstalern in Jahresbeträgen von 5.000 Reichstalern. Der Vergleich wurde bei einigen Änderungen grundsätzlich akzeptiert. Die gothaischen Delegierten sollten auf Initiative Kretschmanns nach Coburg reisen „und dort den Vergleich unter den Augen Seiner Durchlaucht vollziehen. Der Trumpf ist größer und ( . . . ) bedeutender.“965

3. Die Rezesse vom 4. Mai 1805 Die beiden am 4. Mai 1805 in Coburg abgeschlossenen Rezesse zwischen den Häusern Sachsen-Coburg-Saalfeld und Sachsen-Gotha-Altenburg hatten schließlich folgenden Inhalt: Der gothaische Anteil am Amt Themar wurde gegen den coburgischen Anteil am Amt Römhild eingetauscht. Die Einkünfte aus den beiden Ämtern waren ebenso wie die notwendigen Ausgaben durch Kommissionen festzustellen, der jeweils übernehmende Teil hatte die Differenz bar zu vergüten. Das Stimmrecht Römhilds beim Fränkischen Kreis führte nunmehr Sachsen-Gotha-Altenburg zusammen mit Sachsen-Meiningen. Sachsen-Gotha-Altenburg verkaufte zudem die Kammergüter Rosenau und Schweighof für 87.150 Reichstaler an Sachsen-Coburg-Saalfeld.966 Zur Ablösung von zu Unrecht durch Sachsen-Coburg-Saalfeld erhobene Steuern hatte letzteres 26.600 Reichstaler zu zahlen.967 Der Rezeß sollte nur für die Dauer der Existenz beider Linien gelten968, bedurfte der Ratifikation der Landesherren und sollte kaiserlich bestätigt werden.969 StACo Min G 511 fol. 2 – 7’. Schreiben von Minister Kretschmann an Erbprinz Ernst aus Themar vom 28. April 1805, StACo LA A 6181 fol. 20. 966 Quittung vom 6. April 1806 über die erfolgte Zahlung bei StACo Urk LA F 886. 967 Quittung vom 28. Mai 1806 über die erfolgte Zahlung am 9. Mai 1806 bei StACo Urk LA D 12. 968 Dies erwies sich beim Aussterben der gothaischen Linie 1826 als wichtig, siehe unten E.II.1. 964 965

204

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Sachsen-Coburg-Saalfeld verzichtete auf sämtliche eventuell noch bestehenden Ansprüche aus den Erbteilungen des XVII. Jahrhunderts. Die Landeshoheit über die saalfeldische Landesportion, die vom Fürstentum Altenburg abgetrennt werden sollte, ging vollständig mit sämtlichen Rechten und Pflichten an Sachsen-CoburgSaalfeld über, wovon lediglich die Frage der Saaleflöße ausgeschlossen blieb. Die saalfeldische Landschaft war von der altenburgischen abzutrennen. SachsenGotha-Altenburg verzichtete zudem auf die Virilportion bei künftigen ernestinischen Landesteilungen. Sachsen-Coburg-Saalfeld erhielt zudem die saalfeldischen Bergwerke. Hierfür hatte Sachsen-Coburg-Saalfeld jährlich 11.200 Reichstaler an die Steuerkasse in Altenburg zu zahlen und die Landeshoheit über 11 saalfeldische Ortschaften970 an Sachsen-Gotha-Altenburg abzutreten, deren jährlicher Steuerertrag durch Kommissionen festzustellen und von den jährlichen Zahlungen Sachsen-Coburg-Saalfelds in Abzug zu bringen war. Überdies hatte Sachsen-CoburgSaalfeld hinsichtlich zu Unrecht in Saalfeld erhobener Steuern jährlich 2.400 Reichstaler zu zahlen. Sachsen-Coburg-Saalfeld verzichtete auf seinen Anteil am altenburgischen Stimmrecht in Angelegenheiten des Reiches und des obersächsischen Kreises sowie auf alle Ansprüche an den altenburgischen Regierungskollegien. Auch dieser Vertrag sollte mit einem möglichen Aussterben des Hauses Sachsen-Gotha-Altenburg aufgehoben sein.971 Er bedurfte der Ratifikation der Landesherren, der Zustimmung der gesamten altenburgischen Landschaft972 unter Einschluß der saalfeldischen Vertreter sowie einer kaiserlichen Bestätigung.973

4. Probleme bei der Umsetzung der Rezesse Gegen beide Rezesse opponierten die herzoglichen Agnaten, die sie wegen der finanziellen Verpflichtungen für gefährlich hielten, beim Reichshofrat974; auch Sachsen-Meiningen, wo der suspendierte Landschaftsdirektor Könitz inzwischen Mitglied des Geheimen Ratskollegiums war, protestierte wegen möglicher Beein969 Rezeß hinsichtlich des Austauschs von Römhild und Themar mit gothaischer Ratifikation desselben vom 8. Juli 1805 bei StACo Urk LA D 7, mit coburgischer Ratifikation bei ThStAGo Geheimes Archiv QQ.K. Nrn. XIX. 970 Dies waren Schweinitz, Etzelbach, Gräfendorf, Langenorla, Saalthal, Bucha, Oberhasel, Kolkwitz, Ammelstädt, Dienstädt und Metzelbach. 971 Auch dies war beim Aussterben der gothaischen Linie 1826 von Bedeutung, siehe unten E.II.1. 972 Zum Erfordernis der landschaftlichen Zustimmung vgl. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1496. 973 Rezeß hinsichtlich der saalfeldischen Landesportion sowie (vorläufige) gothaische Ratifikation desselben vom 8. Juli 1805 und (endgültige) gothaische Ratifikation vom 17. März 1806 bei StACo Urk LA D 8, Rezeß mit coburgischer Ratifikation bei ThStAGo Geheimes Archiv QQ.K. Nr. XX. 974 Beschwerdeschrift vom 10. Juni 1805 bei HHStA Ob. Reg. 1288 / 2.

V. Vereinheitlichung der Landeshoheit

205

trächtigungen des meiningischen Anteils an Römhild.975 Auch die erforderliche kaiserliche Bestätigung wurde nicht erteilt.976 Bei einer weiteren Konferenz am 7. August 1805977 im würzburgischen Bocklet drängte Kretschmann auf eine baldige Ratifikation der geschlossenen Übereinkunft und Durchführung des zuvor benötigten altenburgischen Landtages, da ein Protest der Agnaten allenfalls den Vollzug des Vergleichs, nicht aber dessen Bestätigung hemmen könne. Zudem müsse die auf gothaischer Seite für notwendig erachtete Zustimmung der altenburgischen Stände (unter Einschluß des saalfeldischen Anteils) über die Aufhebung der Verbindung zwischen Altenburg und Saalfeld schleunigst beigebracht werden. Die altenburgische Landschaft stimmte der Abtrennung der saalfeldischen Landesportion auf einem Landtag in Altenburg am 22. Oktober 1805 zu.978 Die meiningische Regentin Louise Eleonore verlangte am 5. April 1806 von Sachsen-Gotha-Altenburg die Zusicherung, daß der 2 / 3-Anteil Sachsen-Meiningens an Römhild unangetastet bleiben sollte.979 Diese Erklärung gab SachsenGotha-Altenburg am 11. April 1806 ab.980 Durch Resignationspatente vom 6. April 1806 wurde schließlich bekanntgemacht, daß die Verbindung zwischen Saalfeld und Sachsen-Gotha-Altenburg vollständig aufgehoben wurde981, jedoch elf Ortschaften unter gothaischer Landeshoheit verblieben982, daß der mit Sachsen-Meiningen gemeinsame Anteil SachsenCoburg-Saalfelds am Amt Römhild an Sachsen-Gotha-Altenburg überging983 und daß der Anteil Sachsen-Gotha-Altenburgs am Amt Themar an Sachsen-CoburgSaalfeld überging.984 Die Abwicklung der Rezesse verlief reibungslos.985 975 Schreiben von Herzogin Louise Eleonore vom 17. Mai 1805 bei StACo Min G 564 fol. 2 – 3. 976 Johann Adolph von Schultes, Sachsen- Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 106. 977 Protokoll bei StACo Min G 500 fol. 77 – 88. 978 StACo Min G 501 fol. 5; Ladungsschreiben bei StACo LA L 435 = Landesbibliothek Coburg Tb 116, unfol.; Proposition bei StACo Min J 217 fol. 5 – 22’. 979 StACo Min G 501 fol. 118 – 119’. 980 StACo Min G 501 fol. 137 – 138’. 981 Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 133 Fußnote 352 übersieht diese Vereinbarung, wenn er auch für die spätere Zeit das weitere Vorhandensein einer gemeinsamen Landschaft Saalfelds mit Altenburg behauptet. 982 Patent von Sachsen-Gotha-Altenburg bei StACo Min G 501 fol. 4 – 6 = ThStAMgn GA VI.B.14; von Sachsen-Coburg-Saalfeld bei StACo Min G 501 fol. 55 – 57 = ThStAMgn Kreis Saalfeld 1482, unfol. 983 StACo Min G 501 fol. 57 – 58’. – Die Übergabe des coburgischen Anteils an Römhild erfolgte am 16. April 1806, StACo Min G 512. 984 StACo Min G 501 fol. 66’, 67 = ThStAMgn GA VI.B.12 = ThStAMgn Kreis Hildburghausen 63, unfol. 985 Siehe dazu StACo LReg. 108, ThStAMgn GA VI.B.32.

206

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Durch die Erringung der uneingeschränkten Landeshoheit über Saalfeld und Themar wurde nach der zunächst erfolglos versuchten Einführung einer einheitlichen Verwaltungsorganisation nunmehr erstmals seit dem 17. Jahrhundert wieder ein einheitliches Staatswesen geschaffen, wodurch einer weitergehenden Reform von Verfassung und Verwaltung grundsätzlich nichts mehr im Wege stand. Dieses Ergebnis wurde im Gegensatz zu Ansbach-Bayreuth986 auf dem Verhandlungswege und nicht durch Konflikte und Prozesse erreicht.

5. Verfassungsverhandlungen in Saalfeld und Themar Verfassungsbestrebungen bestanden nicht nur in Sachsen-Coburg, wo sie im wesentlichen Ergebnis der Auseinandersetzungen zwischen Minister Kretschmann und den Landständen waren, sondern auch in den beiden anderen Landesteilen Saalfeld und dem Amt Themar. a) Saalfeld In einem Schreiben vom 23. November 1806 an Kretschmann stellte der saalfeldische Landschaftsdirektor Wilhelm Heinrich Karl von Gleichen genannt Rußwurm die Ausgangssituation nach der Lösung des nexus Gothanus prägnant dar: „Saalfeld ist die Schöpfung Ew. Exzellenz, Sie haben es von Altenburg abgerissen.“987

An die saalfeldischen Landstände988 war bereits vor der Abwicklung des Vergleichs, nämlich am 7. Oktober 1805, das Angebot zu Unterhandlungen über eine eigene saalfeldische Verfassungsurkunde abgegeben worden.989 Diese Offerte wurde von den Ständen mit Schreiben vom 9. Oktober 1805 positiv aufgenommen, zumal da die bisherige Verfassung von Sachsen-Altenburg in Saalfeld weitgehend nicht bekannt sei.990 Am 15. Oktober 1805 wurde Kretschmann zu Unterhandlungen mit der neuen „saalfeldischen Landschaft“ über eine Verfassungsurkunde für Saalfeld bevollmächtigt.991 Erste Verhandlungen begannen am 25. Oktober 1805.992 Die saalfeldischen Landstände begehrten von Herzog Franz Friedrich Anton und Erbprinz 986 Insbesondere zur Revindikationspolitik vgl. Hanns Hubert Hofmann, Adelige Herrschaft und souveräner Staat, S. 178 ff. 987 StACo LReg. 11889 fol. 125. 988 Die bislang der altenburgischen Landschaft zugehörigen, in Saalfeld ansässigen Stände. 989 StACo Min J 213 fol. 2 – 3. 990 StACo Min J 213 fol. 4 – 5’. 991 StACo Min J 213 fol. 8, 8’ = StACo Min J 215 fol. 4. 992 StACo Min J 215 fol. 11 – 12. Eine Einigung mit der saalfeldischen Landschaft (so unterstellt bei Gerhard Müller, Nachbemerkung, S. XV) kann darin nicht gesehen werden.

VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat

207

Ernst die Versicherung ihrer bestehenden Rechte, die Einrichtung einer eigenen Steuerkasse, die Fortführung der Mitwirkung bei der Verwaltung des Zucht- und Irrenhauses in Leuchtenburg, eventuell die Errichtung einer eigenen Regierung in Saalfeld.993 In einer „Versicherungsurkunde“ (oder „Assekuranzurkunde“) vom 31. Oktober 1805994 garantierte Herzog Franz Friedrich Anton der saalfeldischen Landschaft den Fortbestand ihrer „wohlerworbenen Rechte“. Der saalfeldische Landesteil sollte eine eigene landschaftliche Verfassung nach Maßgabe der bisherigen altenburgischen Verfassung erhalten, wozu eine eigene Landschaftsordnung erarbeitet werden sollte. In Saalfeld sollte zudem eine eigene Obersteuerkasse als Sonderbehörde für den Landesteil Saalfeld errichtet werden.

b) Themar Vertreter der Rittergutsbesitzer Themars erbaten am 16. Juni 1806 eine landständische Repräsentation des Amtes in Form einer Vereinigung mit den coburgischen Landständen.995 Wegen der kurz darauf erfolgten Auflösung des deutschen Staatsgebildes erfolgte seitens staatlicher Stellen jedoch keine Reaktion hierauf.996

VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat 1. Klage der Landschaft a) Vorbereitung eines herzoglichen Berichts Am 27. März 1804 – dem Tag des Ausschußtages in Rodach997 – teilte der herzogliche Reichshofratsagent Pilgramm Minister Kretschmann mit: „Eure Excellenz haben mir aufgetragen von der Vollmacht, welche der Landständische Agent ( . . . ) übergeben hat, vidimirte Abschrift einzusenden. Nach der Verfassung werden solche vor Erstattung des Berichts nicht ad communicandum decretirt, sondern wie es auch in der Sache der Landstände geschehen ist, einstweilen ad acta gelegt. Erst alsdann wenn auf den Bericht das Gesuch nicht abgeschlagen wird und weitere Verfügungen nöthig erachtet werden, wo der Prozeß erst anfängt, erfolget die Communication der Impetrantischen Vollmachten. Im gegenwärtigen Falle walten gütliche Unterhandlungen ob, StACo Min J 215 fol. 60 – 68’. StACo Min J 215 fol. 89 – 92’ = ThStAMgn Landtag 1374 fol. 62 – 66. 995 StACo Min J 219 fol. 5’, 6. 996 Vgl. einen Brief Kretschmanns nach Themar vom 19. Januar 1807, StACo Min J 219 fol. 11, 11’. 997 Siehe dazu oben IV.3.f). 993 994

208

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

bey welchen es sich zeigen wird, wie viel von den Landständen in die Klage gewilliget haben. In dem Berichte kann der Umstand, daß der größte Theil der Landstände in die Klage nicht gewilliget hat, allerdings gerüget werden.“998

Damit waren die Weichen für die grundlegende Argumentation in der Klageerwiderung999 gestellt. b) Erste landschaftliche Nachtragsschrift Der landschaftliche Reichshofratsagent Götz überreichte am 16. April 1804 einen Nachtrag zur Beschwerdeschrift vom 12. Dezember 1803.1000 Hierin erneuerten die Landstände ihre Vorwürfe gegen das Hausgesetz, das vom Kaiser keinesfalls bestätigt werden dürfe, da es in unzulässiger Weise die Hof- und Kammerwirtschaft mit der Landesverwaltung vermische und somit den Landeskredit gefährde. Abermals wurden Vorwürfe gegen die Amtsführung von Minister Kretschmann wiederholt: „Bis jetzo hat sich der Minister von Kretschmann dieser sich selbst beigelegten größern Gewalt, als sonsten der Landes-Regent selbst ausgeübt hat, mit ziemlicher Wilkühr bedient. Verweise, Geldstrafen, Suspensionen, Dienst-Caßationen, fiskalische Klagen und andere Zwangs-Mitteln haben ihm zu Geboth gestanden.“1001

Dieser Nachtrag wurde vom Reichshofrat erst am 4. Juli 1804 – datiert auf den 12. Juni 1804 – an den herzoglichen Agenten Pilgramm weitergeleitet, gleichzeitig wurde Herzog Franz Friedrich Anton aufgefordert, auch zu diesen Ausführungen in dem bereits abgeforderten Bericht Stellung zu nehmen, wobei die gesetzte Frist zur Vorlage dieses Berichts verlängert wurde.1002 Zu diesem Nachtrag meinte Erbprinz Ernst in einem Brief aus Berlin an Kretschmann: „Mir kommt vor in der Klage ganz dem Wangenheimischen Stiel zu erkennen, auch sind verschiedene Stellen, die beinahe ganz mit welchen in dem Brief an meine Mutter gleichlaudent sind, so daß mich dieses auf die Vermudung bringt, als möchte sie von Wangenheim abgefaßt sein.“1003 StACo LA F 248 fol. 19, 19’. Zum Bericht vom 27. März 1805 siehe unten e). 1000 Einlaufprotokoll bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 318’; Vorlageschreiben bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 318’ = StACo LA B 2180 fol. 140’, der Nachtrag selbst bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 283 – 289 = StACo LA B 2180 fol. 131 – 133 = StACo LA F 249 fol. 4 – 16. 1001 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 285 = StACo LA B 2180 fol. 131’ = StACo LA F 249 fol. 8. 1002 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 318’, 319, 323 = StACo LA F 249 fol. 2 – 3’ = StACo LA B 2180 fol. 145 – 146, Darstellung auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. 1003 StACo LA A 6178 fol. 5’. 998 999

VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat

209

Dieser Nachtrag und die Auseinandersetzungen zwischen Kretschmann und Wangenheim standen mithin in engem Zusammenhang.1004

c) Gutachten der Landesregierung Bereits am 7. April 1804 hatte Kretschmann bei der Landesregierung ein Gutachten über die landschaftliche Klage eingefordert1005, das am 3. Mai 1804 erstattet wurde.1006 Die Landesregierung führte aus, daß wegen der mangelnden Beteiligung zahlreicher Landstände die Beschwerdeführer zur Klageerhebung namens der Landschaft nicht legitimiert seien. Der Reichshofrat sei zu einer Entscheidung auch nicht berufen, da dem sächsischen Haus das privilegium de non appellando zustehe.1007 Die klägerische Argumentation sei insgesamt auf Ungenauigkeiten aufgebaut. Die angeblich verletzten landschaftlichen Gerechtsame und Freiheiten seien ebenso wie die behauptete Verfassungslage in Sachsen-Coburg weder hergeleitet noch hinlänglich belegt worden, auch die aufgestellten Tatsachenbehauptungen würden durch nichts bewiesen. Insgesamt ziele die Landschaft auf ein Mitregentschaftsrecht ab: „Allein die Landschaft hat sich ( . . . ) auf eine so auffallende ungeschickte Weise benommen, daß der Zweck ihres ganzen Wercks, sich zu Vormündern des Regenten und deßen ( . . . ) Regierung zu erheben, ( . . . ) genug hervorgebracht, um nicht vekannt werden zu können, die Landschaft hat nicht bedacht, daß es nicht genug ist, dem Allerhöchsten Richter des Reichs zu sagen: so ist die Landes-Verfaßung im Fürstenthum Coburg; sondern daß solches Schritt vor Schritt bewiesen werden müßte.“1008

Auch die Suspension des Landschaftsdirektors Könitz sei rechtmäßig gewesen: „Es können ( . . . ) Collissionsfälle eintreten, wo es dem Landesherrn keineswegs gleichgültig seyn kann, ob der Director seiner Landschaft zugleich der Geheime Rath eines benachbarten Reichsfürsten ist. Durch die vom Landesherrn anverlangte Einsendung der landschaftlichen Abstimmung wird keineswegs das Landschaftliche Stmrecht bekränkt oder gar aufgehoben. Vermöge des hoheitlichen Rechts der Oberaufsicht ist der Landesherr berechtigt, zu untersuchen und nachzusehen, ob wirklich so, wie angegeben worden, abgestimmt worden ist.“1009

Am 21. Juli 1804 beschwerte sich der landschaftliche Agent Götz wegen des Ablaufs der dem Herzog gesetzten Frist zur Berichterstattung beim Reichshof1004 1005 1006 1007 1008 1009

Dazu siehe oben IV.3.c) und unten 3. StACo LReg. 353 fol. 2 = StACo LA F 248 fol. 20. StACo LReg. 353 fol. 3 – 42’ = StACo LA F 248 fol. 21 – 64’. Vgl. dazu unten e). StACo LReg. 353 fol. 3’ – 4 = StACo LA F 248 fol. 21’, 22. StACo LReg. 353 fol. 21’ = StACo LA F 248 fol. 40’, 41.

210

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

rat.1010 Am 26. Juli 1804 bat Kretschmann Pilgramm um Erwirkung einer Fristverlängerung aufgrund der Verfassungsverhandlungen: „Ich glaube, daß zur allumfallsigen Berichtserstattung, um so vielmehr eine unbestimmte Frist statt finden werde, weil die über die Landschaftliche Verfassung entworfene Constitution den Landständen zur Erklärung mitgetheilet, bis jetzo aber noch nicht zurückgesendet wurden. Vielleicht dürften auch noch mehrere Monate verstreichen, ehe diese Constitution zur Kenntniß eines jeden einzeln Mitstandes gebracht, und von demselben seine gutachtliche Meynung dem engern Ausschuß eröfnet wurde.“1011

In einem weiteren Schreiben Kretschmanns vom 13. August 1804 wurde Pilgramm gebeten, eine abermalige Frist von vier Monaten zur Erstattung des Berichts einzufordern.1012 Dieser erwiderte am 23. August 1804, viermonatige Fristen würden vom Reichshofrat nicht erteilt, jedoch sei es möglich, beim nächsten Fristablauf im September einen ferneren Termin zu erwirken1013, was durch Conclusum vom 24. September 1804 auch gewährt wurde.1014

d) Zweite Nachtragsschrift Am 27. September 1804 überreichte der landständische Agent Götz in Wien den zweiten Nachtrag zur Klage der Landschaft.1015 Hierin wurde ausgeführt, daß die finanziellen Operationen des Ministers Kretschmann die Staatsfinanzen beharrlich geschwächt hätten und von einer Sanierung derselben nicht die Rede sein könne. Diese Ansicht werde auch von den herzoglichen Agnaten in deren Ausführungen unterstützt.1016 Abermals wurde die Verletzung des landschaftlichen Mitwirkungsrechts bei Angelegenheiten des Gymnasiums gerügt. Die Vergleichsverhandlungen seien nunmehr abgebrochen. Zudem werde auch die Gerichtsbarkeit der Landstände dadurch verletzt, daß Befehle des Landesherrn nicht mehr wie früher an den Landschaftsdirektor zur Weiterleitung an die ständischen Gerichte, sondern von Ministerium oder Landesregierung über die Ämter an die Gerichte geleitet würden. Auch seien unter anderem die neue Tranksteuerordnung, die Gesindeordnung und das Forstorganisationspatent ohne landschaftliche Mitwirkung ergangen. Die Debitsteuer werde von der herzoglichen Domänenkasse gegen ausdrücklichen HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 323. StACo LA B 2180 fol. 148, 148’. 1012 StACo LA F 249 fol. 60’, 61. 1013 StACo LA F 248 fol. 72, 72’. 1014 Mitteilungsschreiben Pilgramms bei StACo LA F 248 fol. 73, Conclusum bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 381, 381’ = StACo LA F 248 fol. 74 = StACo LA B 2180 fol. 177. 1015 Einlaufprotokoll bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 382’; Einreichung bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 382’ = StACo LA B 2180 fol. 172’, Nachtrag bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 329 – 357 = StACo LA B 2180 fol. 151 – 162’, Wiedergabe auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. 1016 Siehe dazu unten 2. 1010 1011

VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat

211

Widerspruch des landschaftlichen Direktoriums von den Steuerpflichtigen beigetrieben. Verklausuliert wurde zudem die Einsetzung einer erneuten kaiserlichen Debitkommission gefordert: „Bei dieser so traurigen Ansicht der Dinge, welche sich jedoch die Coburger Landschaft zu verhehlen nicht mehr im Stande ist, werden Eure K. K. Maj. sich wohl von selbst allergerechtest bewogen finden, dieser mißlichen Lage auf den Grund zu sehen, und durch die wirksamste u. schleunigste Vorkehrungen, welche sowohl die dringendste Noth erfordert, als die Reichs-Verfaßung u. Gesezgebung an Handen gibt, den Untergang des Herzogl. Hauses, der getreuen Landstände und des ganzen Fürstenthums Coburg noch in Zeiten Reichsväterl. u. allergerechtest zu retten.“1017

Dieser Nachtrag wurde vom Reichshofrat mit Conclusum vom 28. September 1804 über Pilgramm nach Coburg mit der Aufforderung weitergeleitet, „den abgeforderten Bericht auch hierauf zu erstrecken“; Coburg erreichte er am 10. Oktober 1804.1018 Die Behauptung Karl Bohleys1019, Pilgramm habe den zweiten Nachtrag erst am 12. Dezember 1804 erhalten, ist mithin unzutreffend. Bei der Vernehmung von elf Landständen Ende 1804 über Fragen im Zusammenhang mit der eingereichten Klage und dem vorgelegten Verfassungsentwurf1020 erklärten drei Landstände, sie hätten die Vollmacht für die Klage vor dem Reichshofrat nicht mit unterzeichnet, obwohl sie in Abschriften mit als Auftraggeber genannt waren. Von der Einreichung der Klage hatten drei Stände überhaupt keine Kenntnis. Durch ein weiteres Conclusum des Reichshofrats vom 24. Dezember 1804 wurde die Frist für den Herzog zur Einsendung des Berichts ein weiteres Mal verlängert.1021 Am 28. Februar 1805 beschwerte sich Götz über die Nichteinhaltung dieser Frist.1022 Am 28. Februar 1805 bat Götz schließlich beim Reichshofrat um baldige Erledigung des ständischen Begehrens um Erlaß eines mandatum sine clausula, der Reichshofrat gab aber einem weiteren Antrag Pilgramms auf Fristverlängerung statt.1023

StACo LA B 2180 fol. 161’, 162. Conclusum bei HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 383’ = StACo LA B 2180 fol. 173 = StACo LA F 248 fol. 85, Schreiben Pilgrams mit Eingangsvermerk bei StACo LA F 248 fol. 75, Wiedergabe auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. 1019 Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 46 Fußnote 122. – Unzutreffend ist auch die dort aufgestellte Behauptung, daß der zweite Nachtrag vom 27. November datiere. 1020 Siehe dazu oben IV.3.j). 1021 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 398’ = StACo LA F 248 fol. 94 = StACo LA B 2180 fol. 179. 1022 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 399, 399’. 1023 StACo LA F 248 fol. 101 = StACo LA B 2181 fol. 257. 1017 1018

212

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

e) Der Bericht Herzog Franz Friedrich Antons Am 27. März 1805 wurde schließlich der von dem berühmten Landshuter Staatsrechtslehrer Nicolaus Thaddäus Gönner1024 unter dem Datum 24. März 1805 verfaßte1025 „Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath“1026 nebst zwei gleichdatierten Nachträgen1027 von Coburg nach Wien gesandt1028, die umfangreichen Beilagen folgten am 11. April 1805.1029 Bericht und Nachträge trafen am 22. April 1805 beim Reichshofrat ein, die Beilagen am 2. Mai 1805.1030 Ausgeführt wurde im einzelnen: Das herzogliche Reskript vom 15. Februar 1803, in dem der urkundliche Beweis der behaupteten landschaftlichen Freiheiten abgefordert wurde1031, sei eine Versicherung der Aufrechterhaltung der bestehenden landschaftlichen Verfassung durch Herzog Franz Friedrich Anton. Landschaftsdirektor Könitz habe dies jedoch als „eine der gefährlichsten Fallen“1032 bezeichnet. Das Vorgehen der Landschaft könne nicht gutgeheißen werden, die Landstände hätten sich beispielsweise nicht über die ihnen vom Herzog angebotene Verfassungsurkunde erklärt1033, sondern stattdessen einen Nachtrag zur Klage beim Reichshofrat eingereicht.1034 Die Beschwerden der Landschaft bestünden zudem nur aus unbeurkundeten Behauptungen und hätten nicht das Landesbeste oder die Landesverfassung, sondern lediglich Eigennutz im Sinne. Dies werde beispielsweise bestätigt durch die Äußerung der beiden Deputierten der Landstände, „bey solchen Gesinnungen könne allerdings 1024 Gönner hatte bereits 1803 für das Kurfürstentum Bayern eine Denkschrift gegen die fränkische Reichsritterschaft in den Entschädigungslanden Bamberg und Würzburg verfaßt, vgl. dazu Ludwig Doeberl, Maximilian von Montgelas und das Prinzip der Staatssouveränität, S. 167 f. Zur Person Gönners siehe Wolfgang Quint, Souveränitätsbegriff und Souveränitätspolitik in Bayern, S. 93 Fußnote 2. 1025 Zur Urheberschaft Gönners vgl. Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Coburg, S. 23. 1026 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 407 – 497 (mit Beilagen fol. 517 – 953’) = StACo LA B 2182 = StACo LA F 254 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath (mit Beilagenteil „Beylagen“); Zusammenfassung bei HHStA RHR Relat. 22, unfol. 1027 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 499 – 502 = StACo LA B 2181 fol. 10 – 13’ (Erster Nachtrag) und HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 503 – 507’ = StACo LA B 2181 fol. 2 – 9’ (Zweiter Nachtrag). 1028 StACo LA F 248 fol. 97 – 98’ = StACo LA B 2181 fol. 16’, 17. 1029 StACo LA B 2180 fol. 181. 1030 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 498’, 502’, 508’, 955’ = StACo LA F 248 fol. 101 = StACo LA B 2181 fol. 257, Daten auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. 1031 Siehe dazu oben III.5.e). 1032 Anmerkung Könitz’ zu einem Schreiben des Landschaftskonsulenten Pertsch vom 4. November 1803, abgedruckt bei Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, Beylagen S. 37 f. 1033 Siehe dazu oben IV.3.k). 1034 Siehe dazu oben b).

VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat

213

von einem Umsturz der landschaftlichen Verfassung nicht die Rede seyn“.1035 Der Engere Ausschuß habe zwar zu jedem Paragraphen dieses Verfassungsentwurfs seine Anmerkungen gemacht, eine Erklärung der Stände gegenüber dem Herzog sei allerdings überhaupt nicht erfolgt. Dieses Verhalten der Stände sei auf Landschaftsdirektor Könitz zurückzuführen, der sein Amt zum Nachteil des Landes mißbraucht habe. Könitz habe den Verfassungsentwurf und die Anmerkungen des Engeren Ausschusses auf dem Rodacher Ausschußtag den übrigen Landständen erst am 3. August 1804 mitgeteilt. Dabei habe er in einem Umlauf die Landstände veranlassen wollen, daß sie „als wahre Väter des Volkes“1036 Herzog Franz Friedrich Anton um die Entfernung von Minister Kretschmann bitten sollten, da dieser das Vertrauen der Nation verloren habe. Da dieser Umlauf noch im November zirkuliert sei, andererseits der Nachtrag vom September angeblich im Namen der gesamten Landschaft eingereicht worden sei, könne hieraus geschlossen werden, daß ein verfassungsgemäßer Beschluß der gesamten Landschaft nicht existiere. Könitz habe selbst coburgischer Minister werden wollen. Da ihm dies nicht gelungen sei, versuche er nunmehr, auf diese Weise Rache an Kretschmann zu üben. Um diesen zu stürzen, seien die von der Landschaft in der Versicherungsurkunde vom 27. April 1801 zugesicherten Beträge nicht gezahlt worden. Nunmehr sei Könitz infolge seiner Ernennung zum sachsen-meiningischen Minister in eine Pflichtenkollision mit seinem Amt als Landschaftsdirektor geraten, aus der er sich nicht befreien wolle, sondern zum Nachteil Sachsen-Coburgs operiere. Infolgedessen sei Könitz’ Entfernung vom Landschaftsdirektorium notwendig geworden. Dieser habe zudem die beiden herzoglichen Agnaten und die übrigen Landstände gegen Herzog Franz Friedrich Anton und Minister Kretschmann aufgehetzt und zu diesem Zweck auch mit dem mittlerweile entlassenen Wangenheim zusammengearbeitet. Der größte Teil der Landstände lasse sich mittlerweile kritiklos von Könitz leiten. Zur Klage vor dem Reichshofrat seien Landschaftsdirektor Könitz und die ihn unterstützenden Landstände nicht legitimiert. Für den eingereichten Nachtrag liege ebenfalls keine Vollmacht vor. In der Sache selbst komme den Landständen keinesfalls das angestrebte Mitregierungsrecht zu1037, denn nach Reichsrecht bestehe ein Mitwirkungsrecht der Stände nur bei Landessteuern und Landesschulden. Auch wenn im Einzelfall ein Landesherr die Stände in anderen Fragen habe mitwirken lassen, so entstehe hieraus noch keine Verpflichtung für den Herzog von Sachsen-Coburg. Zwischen der für die Gesetzgebung geforderten Einwilligung und dem Beirat der Landschaft bestehe zudem ein Unterschied. Die Organisation der LandesbehörNicolaus Thaddäus Gönner, Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath, S. 15. Siehe dazu oben IV.3.i). 1037 Zur zeitgenössischen Diskussion über ständische Mitregierungsrechte siehe Wilfried Peters, Späte Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus, S. 108 ff. 1035 1036

214

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

den, auch des Coburger Stadtmagistrats, liege in jedem Fall außerhalb der landschaftlichen Kompetenz. Die Entsendung landschaftlicher Beisitzer zu den bisherigen Deputationen habe zudem nicht auf einem Gesetz, sondern nur auf einer stets widerruflichen landesherrlichen Anordnung beruht. Ein Recht der Landstände auf Mitwirkung in einem Verwaltungsbereich sowie auf eine eigene landschaftliche Kasse bestehe nicht, die Landschaft verfüge über letztere nur aufgrund einer landesherrlichen Bewilligung. Das Hausgesetz – als causa domus – und die Staatsbank seien ebenfalls außerhalb der Kompetenz der Landstände angesiedelt. Der größte Teil der vorgetragenen landschaftlichen Beschwerden gehöre gemäß Art. XIX § 6 der kaiserlichen Wahlkapitulation 1038 zudem vor herzogliche Gerichte, da ansonsten auch das den sächsischen Häusern zustehende privilegium de non appellando verletzt werde. Im ersten Nachtrag ging Gönner vor allem auf die Vorgehensweise beim Einreichen der Stellungnahmen zum Verfassungsentwurf ein. Als „sonderbarer Geschäftsgang“ bemängelt wurden die lange Dauer zwischen Datum der Schreiben und deren Eingang sowie die Tatsache, daß für die Verweigerung der Zustimmung zum Verfassungsentwurf seitens der Landschaft keine Gründe angegeben wurden. Im zweiten Nachtrag wurde vor allem ein Widerspruch in der landständischen Argumentation kritisiert: Einerseits wollten die Landstände ihren Wirkungskreis auf alle Landesangelegenheiten erstrecken, andererseits benötigten sie zu jeder Handlung mehrere Monate. Im Gegensatz zu der im Bericht vertretenen Ansicht war für „Landesbeschwerden“ allgemein anerkannt, daß für Landstände, die wegen Verletzung ihrer Rechte Klage führen wollten, der direkte Weg zu den Reichsgerichten eröffnet war.1039 Dies wurde mit Art. I § 2 und Art. XV § 1 der kaiserlichen Wahlkapitulation 1040 begründet. Das privilegium de non appellando stand lediglich „Appellationen“ 1038 Dieser besagte, daß Landstände und Untertanen in Privatsachen, die den Kammerbereich des Landesherrn betreffen, Klage zunächst bei den landesherrlichen Gerichten führen mußten und in anderen Sachen ohne vorherige Austräge keine Mandate erteilt bekommen sollten. (Abdruck bei Friedrich August Schmelzer, Die kaiserliche Wahlkapitulation = Christian Heinrich Ludwig Wilhelm Spiller von Mitterberg, Beyträge zur genauern Kenntniß der Reichsverfassung Deutschlands, S. 287 ff.). Vgl. kritisch dazu Franz Josias von Hendrich, Freymüthige Gedanken, S. 98 ff. 1039 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1321 f.; Johann Stephan Pütter, Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs, Zweyter Theil, S. 168; Dritter Theil, S. 235 f.; Karl Ioseph Hartmann, Ueber den Ursprung und das rechtliche Verhältnis der Landstände, S. 68; Conrad Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 136 f. 1040 Art. I § 2 garantierte den Ständen (gemeint wohl den Reichsständen) den Erhalt ihrer Hoheiten, Macht und Gewalt; Art. XV § 1 gewährte den Untertanen der Reichsstände Schutz, enthielt aber auch die Verpflichtung, diese zu Gehorsam gegenüber ihrer Obrigkeit anzuhalten. (Abdruck bei Friedrich August Schmelzer, Die kaiserliche Wahlkapitulation = Christian Heinrich Ludwig Wilhelm Spiller von Mitterberg, Beyträge zur genauern Kenntniß der Reichsverfassung Deutschlands, S. 287 ff.)

VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat

215

entgegen, nicht jedoch der „simplen Klage“1041, da derartige Privilegien lediglich eine zweitinstanzliche Tätigkeit betrafen, während der Mandatsprozeß als erstinstanzliches Verfahren anzusehen sei.1042

f) Vorschläge der Agnaten In einem Schreiben vom 13. Juli 18051043 waren die herzoglichen Agnaten Friedrich Josias und Ludwig der Ansicht, daß der Großteil der ständischen Beschwerden bereits durch den Verfassungsentwurf beseitigt worden sei. Ihrer Ansicht nach halte es die Landschaft jedoch zu Recht für gefährlich, wenn ein System anstelle der Observanz künftig Maßstab ihrer Rechtspositionen sein sollte. Daher solle der Verfassungsentwurf nicht als „gesamter Complex“ der ständischen Rechte und Pflichten, sondern nur als Aufzeichung und Regelung der bisherigen Differenzen angesehen werden, aber in jedem Falle in Kraft gesetzt werden. Insbesondere sei die Mitwirkung der Landstände bei allen Entscheidungen über Wohl und Verderben des Landes unerläßlich. Für den Fall, daß die Anklage gegen Könitz fallengelassen werde, stellten die Agnaten für die Zeit nach dem Ende der Differenzen dessen Rücktritt als Landschaftsdirektor in Aussicht. Die Agnaten forderten zudem eine Änderung des Hausgesetzes mit dem Ziel, eine Beteiligung von Landschaft und Agnaten bei der Aufnahme neuer Schulden sowie des Engeren Ausschusses bei der Finanzverwaltung – mit den gleichen Rechten wie die Landesregierung – zu ermöglichen. Im Falle unterschiedlicher Ansichten von Landesregierung und Engerem Ausschuß sollte der Kaiser die Position des Schiedsrichters innehaben, was durch eine Änderung des § VII des Hausgesetzes festgeschrieben werden sollte. In folgenden Punkten sollte der Verfassungsentwurf noch geändert werden: § 8 sollte eine Vertretung der Städte durch den Vorsteher des Kollegiums oder den Stadtsyndikus ermöglichen. Bei der Berücksichtigung der Mehrheit der Landschaft (§ 13) sollte ein Mehrfachstimmrecht bei Besitz mehrerer Rittergüter anerkannt werden. In § 41 sollte noch eine Beschränkung auf die nach den Grundsätzen der Verfassung erlassenen Gesetze aufgenommen werden. Bei § 42 sollte noch folgender Satz angefügt werden: 1041 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1326. – Allgemein zu Vorgehensweise und Anträgen bei derartigen Klagen siehe Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1334 ff. 1042 Siehe dazu Manfred Uhlhorn, Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, S. 87. 1043 HHStA RHR Ob. Reg. 1287 unfol. = StACo LA B 2188 fol. 40’ – 51’ = ebd. fol. 85 – 103 = StACo LA A 5454 fol. 47, 47’, 49 – 68. Zu den Hintergründen dieses Schreibens siehe unten 2.c).

216

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

„Ihrer Dienste entsetzt können hingegen die einmal angenommenen Staatsdiener – sie seyen Inn- oder Ausländer – nur durch Urtheil und Recht werden, welches sie nur von der competenten Justizbehörde zu nehmen haben.“

In § 80 sollte hingegen gestrichen werden, daß die Landschaft die beglichenen Schulden der Herzöge Franz Friedrich Anton und Ernst Friedrich als getilgt ansieht. Kretschmann ging weder in seiner Antwort vom gleichen Tage1044 noch später auf diese Änderungsvorschläge ein.

g) Vermittlungsversuche Thümmels Mit Schreiben vom 19. August 18051045 übersandte der gothaische Geheime Rat Johann Wilhelm von Thümmel1046, der bereits während der Auseinandersetzungen zwischen dem Herzog und den Agnaten vermittelt hatte1047, einen Brief Könitz’ vom 16. August 18051048 an ihn und bot sich als Vermittler an.1049 Könitz hatte Thümmel um abermalige Vermittlung gebeten. In der Sache berief er sich auf Äußerungen Kretschmanns, daß eine neue Verfassung für Sachsen-Coburg nur mit Einwilligung der übrigen sächsischen Häuser entstehen könne. Nach seiner Ansicht bedürfe es auch keineswegs einer neuen Verfassung. Auch müsse er sich zu seinen Schritten von den Ständen nicht besonders bevollmächtigen lassen, da dies das Geschäft zu sehr verzögere und kein Zweifel bestehe, daß seine Vorschläge von den Ständen genehmigt würden. Die Agnaten hatten im Rahmen der Auseinandersetzung bereits eine abgeschwächte Unterstützung der Verfassungsplanungen hinsichtlich eines Vergleichs mit den Landständen signalisiert.1050 Kretschmann antwortete am 26. August 1805, er wolle trotz aller Bedenken zu einem Ausgleich mit der Landschaft beitragen.1051 Im September 1805 übersandte Thümmel ein weiteres Schreiben Könitz’.1052 Dieser unterbreitete als Kompromißvorschlag, daß die Landschaft sämtliche Schulden des Herzogshauses übernehmen wolle und ihr zu deren Abtragung das 1044 HHStA RHR Ob. Reg. 1287 unfol. = StACo LA A 2188 fol. 38- 40 = ibid. fol. 81 – 84’. Zu dieser siehe näher unten 2.c). 1045 Nicht vom 19. Juli 1805, wie Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 38 behauptet. 1046 Nicht der vormalige coburgische Minister Moritz August von Thümmel, wie Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 38 behauptet. 1047 Vgl. dazu unten 2.c). 1048 StACo LA F 252 fol. 3 – 4’. 1049 StACo LA F 252 fol. 1 – 2. 1050 Siehe dazu soeben f). 1051 StACo LA F 252 fol. 5, 5’. 1052 StACo LA F 252 fol. 6 – 9’.

VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat

217

Lotto und die verwilligten Debitsteuern überlassen werden sollten. Zudem müsse für alle Taten im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen eine allgemeine Amnestie erlassen werden. In seiner Antwort vom 19. September 1805 bekräftigte Kretschmann abermals, daß niemals die Absicht einer Verfassungsänderung ohne Mitwirkung der Stände bestanden habe.1053 Die am 24. Oktober 1805 gesondert eingereichten Vergleichsvorschläge Könitz’1054 wurden am 31. Oktober 18051055 an die Landesregierung zur Berichterstattung weitergeleitet.1056 Könitz’ weitere Vorschläge beinhalteten folgendes: Der Herzog solle erklären, daß die bestehende hergebrachte Verfassung, insbesondere die landständische Stimmfreiheit, in keinem Fall angetastet werden solle, zudem, daß die Suspension Könitz’ auf einem Mißverständnis beruhe, sich dieser vielmehr stets pflichtgemäß betragen habe und die Suspension folglich zurückgenommen werde. Minister Kretschmann müsse sich bei Könitz entschuldigen. Die frühere Organisation des Stadtmagistrats zu Coburg solle in bezug auf landschaftliche Angelegenheiten wiederhergestellt werden, ebenso wünsche man die Wiederherstellung sämtlicher früheren Deputationen. Die Extra-Steuern sollten künftig wieder an die Landeskasse entrichtet werden, die bislang an die Hauptdomänenkasse gezahlten Extrasteuern würden dafür nicht zurückgefordert. Das herzogliche Finanzgebaren sei der Landschaft offenzulegen, wofür diese dann auch ihre Klage insoweit zurücknehmen wolle. Die Landstände seien zudem bereit, danach das Ansinnen auf Entlassung Kretschmanns fallenzulassen. Am 20. Januar 1806 ging der Bericht der Landesregierung vom 20. / 21. Dezember 1805 über die Vergleichsvorschläge Thümmels beim Ministerium ein.1057 Danach behaupte die Landschaft nach wie vor Tatsachen über die bestehende landschaftliche Verfassung, ohne überhaupt Beweis hierüber anzutreten. Auch die vermeintlichen Verfassungsverletzungen seien nicht nachgewiesen worden. Das Ansinnen, daß der Herzog nichts ohne vorherige Einwilligung der Landstände verfügen dürfe, sei ein unzulässiger Eingriff in die Rechte des Landesherrn. Zudem bestehe kein Unterschied, ob die Extrasteuern durch die Hauptdomänenkasse oder durch die Landeskasse eingenommen würden, da diese ohnehin umgehend zu den Zwecken verwendet werden müßten, zu welchen sie verwilligt worden seien, daher könne man sich durchaus in diesem Punkt vergleichen. Die Vereinigung der HauptStACo LA F 252 fol. 10, 10’. StACo LA F 252 fol. 12 – 21’ = StACo LReg. 356 fol. 2 – 16; Schreiben Könitz’ an Thümmel vom 18. Oktober 1805 bei StACo LA F 252 fol. 25 – 26’. 1055 Inwieweit diese Frist von einer Woche es rechtfertigt, wie Karl Bohley (Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 38) von „erst am 31. Oktober“ zu sprechen, mag dahingestellt bleiben. 1056 StACo LReg. 356 fol. 1 = StACo LA F 252 fol. 11. 1057 Schreiben der Landesregierung bei StACo LA F 252 fol. 28 = StACo LReg. 356 fol. 38, 38’; Bericht bei StACo LA F 252 fol. 29 – 51’ = StACo LReg. 356 fol. 39 – 63. 1053 1054

218

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

domänenkasse mit der Landeskasse sei niemals beabsichtigt worden. Die Organisation der ihm unterstehenden Behörden stehe allein dem Landesherrn zu1058, auch die Neuorganisation des Coburger Magistrats habe nichts an dessen Verhältnis zur Landschaft geändert. Die Suspension Könitz’ beruhe nicht auf einem Mißverständnis, und man könne auch vor dem Abschluß des Prozesses gegen ihn auch nicht behaupten, daß die Vorwürfe nicht erwiesen seien. Dieser Prozeß könne aber vom Landesherrn niedergeschlagen und Könitz wieder als Landschaftsdirektor anerkannt werden, wenn er seinen Wohnsitz wieder im Lande nähme. Die landständische Stimmfreiheit werde durch die Forderung nach Vorlage der Stimmen nicht berührt. Hinsichtlich der Person des Ministers habe die Landschaft keinerlei Befugnis, dem Landesherrn vorzuschreiben, welche Bedienstete er beschäftige. Die Landschaft habe auch keinen Anspruch auf Mitwirkung an der Verwaltung durch Kommissionen, man könne aber vergleichsweise akzeptieren, einen Vertreter der Landschaft bei der Rechnungsabnahme hinzuzuziehen und das Scholarchat allein für Fragen der Wissenschaft wieder zu errichten. Die Scheres-Zieritz-StiftungsNach-Exekution sei bereits wiederhergestellt worden.1059 Der Landesherr habe auch das Recht der freien Bestimmung, wer Verordnungen zu veröffentlichen habe, man könne sich aber unter Vorbehalt besonderer Einzelfälle darauf einlassen, die Gesetze und Verordnungen an den Engeren Ausschuß zur weiteren Bekanntmachung zu senden, wenn der Engere Ausschuß sodann über die Durchführung berichte. Hinsichtlich der ohne Mitwirkung der Landstände erlassenen Vorschriften sei festzustellen, daß das gegebenenfalls noch zu erstattende landständische Gutachten keinesfalls eine normaufhebende Kraft haben könne. Die finanzielle Lage des Herzogs habe sich verbessert, aber man könne der Landschaft die Debitsteuern abtreten, wenn diese dafür die restlichen Schulden tilgen wolle. Insgesamt seien die Vorschläge der Landschaft weniger zur Beilegung der bestehenden Differenzen geeignet. Vielmehr komme die Durchführung der folgenden Maßnahmen als Vergleich in Betracht: „1.) Bey der gesetzgebenden Gewalt werden von der Landesregierung alle in das Land zu erlaßenden neuen allgemeinen Gesetze, die also nicht die Domainen allein betreffen, der Landschaft zum Gutachten mitgetheilt, auf welches von der Regierung möglichst Rücksicht zu nehmen ist, welchem man jedoch keinen effectum negativum zugestehen kann. 2.) Bey der Finanzgewalt werden die Extrasteuern und die Tranksteuer ( . . . ) von der Landschaft verwilligt, es werden die Extrasteuern auch künftig wieder sämmtlich an die Landschaftliche Casse gezahlt. ( . . . ) Die Landes-Casse zahlt die verwilligten Summen quartaliter an die Domainen-Casse. Dagegen wird der Landschaft jährlich die Verwendung der verwilligten Summen zu den bestimmten Zwecken nachgewiesen; sie wird über den Zustand der Finanzen ausreichend unterrichtet. ( . . . ) Die Abnahme der Landschaftlichen Rechnung wird nach dem bereits wieder hergestellten normalia abgenommen; ohne Vorwißen des Landesherrn kann übrigens die Landschaft einseitig nichts als die von Serenissimo bereits genehmigten ordinairen Ausgaben decretiren. 1058 1059

So auch Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 1, S. 28. Siehe dazu oben IV.4.a).

VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat

219

3.) Bey der Polizey-Gewalt wird in das wieder herzustellende Scholarchat des Gymnasii von Serenissimo ein Mitglied aus der Landschaft ernannt; in Ansehung der Zucht- und Waisenhaus-Commission bleibt zwar es bey der bereits verfügten Aufhebung derselben in Rücksicht der Geschäfte selbst, welche ferner bey der Regierung verhandelt werden; die Rechnungen beyder Institute werden aber jährlich mit Zuziehung eines Landschaftl. Deputirten abgenommen.“1060

Diese Vorschläge können ihres Inhalts wegen durchaus als teilweises Entgegenkommen im Rahmen einer vergleichsweisen Beilegung angesehen werden, denn vorgeschlagen wurden ja auch eine Ausweitung der landschaftlichen Mitwirkung bei der Gesetzgebung und eine Wiederherstellung des Scholarchats. Karl Bohleys Vorwurf eines „sehr zögernden Entgegenkommens“1061 erweist sich mithin als haltlos. Minister Kretschmann übersandte das Gutachten mit eigenen Änderungen am 25. Januar 1806 an Thümmel.1062 Gleichzeitig beschwerte sich Könitz in einem Brief vom 3. Februar 1806 bei Thümmel über die Vorgehensweise auf der herzoglichen Seite: „Wenn des Herrn Herzogs von Coburg Anwalt kein anderes Mittel kannte, die Schriften des Herrn von Kretschmann bey dem Reichs-Hofrath zu entschuldigen, so würde mich das nicht aus meinem Gleichmuth gebracht, und ich es ruhig erwartet haben, ob das ReichsGericht nicht dies für einen Grund hätte ansehen wollen, die Stände mit ihren bescheinigten Beschwerden abzuweisen; ich würde darüber kein Wort verloren haben, weil ich die Sprache der Advokaten kenne. Nachdem es aber der Herr Herzog dabey nicht bewenden laßen, vielmehr der Entscheidung des Reichs-Gerichts vorgreifen, und während sie mich an allen Höfen Deutschlands durch die Vertheilung ihres Berichts als einen Intrignant und den engern Ausschus als Nichtswürdige vorstellen, sich selbst Recht schaffen; so kann uns natürlich nichts übrig bleiben, als uns in den Schutz der Gesetze zu werfen, auf den wir mit dem Landesherrn gleiche Ansprüche haben, indem wir uns vorbehalten, deren rechtliche Entscheidung seiner Zeit dem Publicum ebenso öffentlich vorzulegen.“1063

Infolgedessen sehe sich Könitz zu einer Fortsetzung der Vergleichsverhandlungen nicht mehr in der Lage. Thümmel entgegnete in einem Schreiben an Kretschmann vom 7. Februar 1806, er finde den Inhalt der landesherrlichen Vergleichsvorschläge „geeignet, die besten Hoffnungen eines erwünschten Erfolges zu geben.“1064 Infolge der bei ihm eingegangenen Äußerungen Könitz’ sei er aber sehr verwundert darüber, daß der von Gönner verfaßte herzogliche Bericht mittlerweile beim Reichshofrat eingereicht und an verschiedene Fürstenhäuser verteilt worden war1065; dies hätte bis zu einem StACo LA F 252 fol. 50 – 51 (die Hervorhebungen entstammen dem Original). Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 38. 1062 StACo LA F 252 fol. 52. 1063 StACo LA F 252 fol. 55, 55’. 1064 StACo LA F 252 fol. 53. 1065 Ein Schreiben Kretschmanns vom 26. November 1805, mit dem 50 gedruckte Exemplare des Berichts an Pilgramm zur Verteilung an verschiedene Fürstenhäuser und das Personal des Reichshofrats übersandt wurden, findet sich bei StACo LA B 2181 fol. 252, 252’. 1060 1061

220

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Scheitern des Schlichtungsversuchs warten können.1066 Daher müsse er seine Vermittlertätigkeit aufgeben.

h) Entscheidungsloses Verfahrensende Am 21. Januar 1806 drängte der landständische Agent Götz beim Reichshofrat wiederum erfolglos auf den baldigen Erlaß des beantragten mandatum sine clausula.1067 Am 1. April 1806 legte die Beklagtenseite beim Reichshofrat daraufhin die von Kretschmann erarbeitete „Beurkundete Darstellung der Staats- und FinanzVerwaltung unter der Regierung des dermal regierenden Herzogs Franz und unter der Leitung des dirigierenden Ministers von Kretschmann“1068 vor.1069 Nach dieser befinde sich Sachsen-Coburg zum Zeitpunkt der Berichterstattung in gesicherten finanziellen Verhältnissen, so daß Hofbedürfnisse in bar und Besoldungen im voraus bezahlt werden konnten. Alle Reformen und Maßnahmen der herzoglichen Verwaltung unter Minister Kretschmann seien nicht nur auf frühe Schuldentilgung, sondern darauf gerichtet gewesen, „auf das Prinzip der allgemeinen Cultur, auf Landes-Industrie den Wohlstand des Landes und ein neu belebtes Finanzsystem zu gründen.“1070 Als Beispiel wurden das Hausgesetz von 1802 und die mit dem Organisationspatent von 1802 begonnene Verwaltungsreform genannt, vor allen Dingen sei die erstmalige Kontrolle der Rechnungsführung und die Einführung von Etats positiv zu bewerten. Die kritisierte Einrichtung der Staatsbank ermögliche auch besondere Handelsvorteile bei der Schuldentilgung. Vom Rechnungsjahr 1798 / 99 bis zum Rechnungsjahr 1803 / 04 sei es gelungen, die Einnahmen zu erhöhen und die Ausgaben zu senken, so daß trotz angestiegener Ausgaben nunmehr ein jährlicher Einnahmeüberschuß von ca. 20.000 fl. rh. erwirtschaftet werden könne, obwohl währenddessen das Vermögen habe vermehrt werden können. Bei sämtlichen Handlungen zugunsten des Landeswohls seien aber die Landstände als Gegner aufgetreten, seit Könitz seine Hoffnung, selbst Minister zu werden, durchkreuzt gesehen habe. Die Klagen der Landschaft und Wangenheims1071 vor dem Reichshofrat seien ausschließlich darauf angelegt, die ordnungsgemäße Verwaltung des Landes zu stören, eine landständische Mitregierung anzustreben und sich der landesherrlichen Aufsicht zu entziehen. Insgesamt seien in der kurzen StACo LA F 252 fol. 53 – 54. HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 956 – 958. 1068 Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und FinanzVerwaltung der Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande. 1069 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 962 – 963’ = StACo LA F 248 fol. 101 = StACo LA B 2181 fol. 257’. 1070 Theodor Konrad von Kretschmann, Beurkundete Darstellung der Staats- und FinanzVerwaltung des Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande, S. 7. 1071 Siehe dazu unten 3. 1066 1067

VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat

221

Zeit der Regierung Herzog Franz Friedrich Antons bedeutende Verbesserungen zum Wohle des Landes gegen großen Widerstand erreicht worden. Am 26. Juni 1806 leitete der Reichshofrat den Landständen den Bericht Gönners nebst Anlagen1072 zur Replik innerhalb von zwei Monaten an Götz weiter1073, da der Berichterstatter die eingereichten herzoglichen Berichte für unvollständig hielt.1074 In einem Votum vertrat der Berichterstatter die Ansicht, daß der Reichshofrat für die dargestellten Beschwerden der Landstände zuständig sei und die Rüge einer mangelnden Legitimation der Kläger unerheblich sei. Die Handlungen gegenüber Könitz seien – genauso wie die Amtsenthebung Wangenheims – „injustificabel“, das Verlangen nach Einsichtnahme in Abstimmungsergebnisse „eigenmächtig und willkührlich“ und der angebliche Versuch der Vereinigung der Landschaftskasse mit der Hauptdomänenkasse „eben so wenig ( . . . ) zu rechtfertigen“: „Gab es ( . . . ) von jeher eine separate Landes- oder Landschaftskasse, u. stand diese von jeher unter des Landes oder der Landschaft eigener Administration, so kann es dem Hrn. H. natürl. nicht gestattet werden, die Erfindung seines Ministers Kretschmann, daß der Landschaft kein Recht zu einer eigenen abgesonderten Casse zustehe, via facti durchzusetzen.“1075

Bei Ablauf der gesetzten Erwiderungsfrist hatte der Reichshofrat seine Tätigkeit aber infolge der Niederlegung der Kaiserwürde durch Franz II. am 6. August 18061076 bereits eingestellt, da die von der Person des Kaisers abgeleitete Gerichtsbarkeit des Reichshofrates mit dem Ende der Amtszeit eines Kaisers ebenfalls endete1077 und der Kaiser in seiner Abdicationsurkunde alle Mitglieder der höchsten Reichsgerichte ihrer Pflichten entband. 1072 Nicht die „Beurkundete Darstellung“ Kretschmanns, wie Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 46 Fußnote 122, behauptet. Das ergibt sich zweifelsfrei aus HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 963’ = StACo LA F 248 fol. 102 = StACo LA B 2181 fol. 259, Wiedergabe auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. 1073 HHStA RHR Ob. Reg. 170 / 2 fol. 963’ = StACo LA F 248 fol. 102 = StACo LA B 2181 fol. 259, Wiedergabe auch in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. 1074 So Pilgramm in einem Schreiben an Kretschmann am 3. Juli 1806, StACo LA F 248 fol. 100, ebenso die Darstellung in der Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. 1075 Relation HHStA RHR Relat. 22, unfol. 1076 Zu den Hintergründen siehe Christian Hattenhauer, Wahl und Krönung Franz II., S. 30. Proklamationen u. a. bei StACo Min G 780 fol. 3 – 10. Erklärung abgedruckt bei Paul Oesterreicher (Hrsg.), Archiv des rheinischen Bundes, 1806, 1. Stück, S. 53 f. = Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, 1. Band, S. 54 ff. = Hanns Hubert Hofmann (Hrsg.), Quellen zum Verfassungsorganismus des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, S. 394 ff. = Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 37 f. Eigenhändige Mitteilung des Kaisers an Sachsen-Gotha-Altenburg bei ThStAGo Geheimes Archiv A.X. Nr. 1 fol. 2, 2’; an Sachsen-(Coburg-)Meiningen bei ThStAMgn GA VII.A.18, unfol. 1077 Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, 1. Band, S. 128; vgl. auch die Darstellungen für den Fall des Todes des Kaisers bei Johann Jacob Moser, Neues teutsches

222

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Somit blieb das Verfahren ohne Entscheidung. Im Jahre 1809 baten die Angehörigen des (vormaligen) Engeren Ausschusses um die Erstattung der ihnen erwachsenen Kosten für diesen Prozeß vor dem Reichshofrat1078, was das Landesministerium jedoch mit Schreiben vom 30. Juli 18091079 ablehnte. 2. Auseinandersetzung mit den Agnaten a) Zerwürfnis zwischen Minister und Agnaten Nach beginnenden persönlichen Differenzen zwischen Minister Kretschmann und den herzoglichen Agnaten Friedrich Josias und Ludwig1080 kam es zu schwersten Zerwürfnissen, als Kretschmann anstelle des von der Landschaft mit der Versicherungsurkunde vom 27. April 1801 garantierten Betrages1081 eine Anleihe bei dem Frankfurter Bankhaus Rüppel & Harnier aufgenommen hatte.1082 b) Klage der Agnaten vor dem Reichshofrat Am 13. August 1804 klagten daraufhin auch die beiden Agnaten vor dem Reichshofrat mit dem wesentlichen Vorwurf, Herzog Franz Friedrich Anton habe eine „üble Haus- u. Staatswirthschaft ( . . . ) seit der Administration dessen Ministers v. Kretschmann geführt, und in welche große Gefahr der letztere das Fürstliche Haus und Land gesetzt.“1083

Am 21. August 1804 wurde daraufhin von Herzog Franz Friedrich Anton ein Bericht zu den Vorwürfen abgefordert.1084 Nunmehr erweiterten die Agnaten die Klage am 3. September 1804 auf die angebliche Hausgesetzwidrigkeit der FinanzStaatsrecht, Band 8, Zweyter Theil, S. 280 f. sowie bei Christian Hattenhauer, Wahl und Krönung Franz II., S. 19. 1078 Siehe den Bericht der Landesregierung bei StACo Min J 234 fol. 6’. 1079 StACo Min J 234 fol. 9. 1080 Siehe die anschauliche Schilderung bei Adolf Fleischmann, Zur Geschichte des Herzogthums Sachsen-Coburg, Band 1, S. 111. 1081 Siehe dazu oben III.3.b). 1082 Zum Vorgehen der Agnaten vgl. zusammenfassend die herzoglichen Publicanda in Coburger Wochenblatt Nr. 30 vom 28. Juli 1804, S. 221 ff.; ebd. Nr. 45 vom 10. November 1804, S. 329 f. = HHStA RHR Ob. Reg. 1287 / 1, unfol sowie die Klageschrift vom 13. August 1804. 1083 HHStA RHR Ob. Reg. 1287 / 1, unfol. = StACo LA B 2183 fol. 20 = StACo LA B 2189 fol. 3 = HHStA RHR Relat. 163, unfol. Die Klageschrift findet sich bei HHStA RHR Ob. Reg. 1287 / 1, unfol. = StACo LA B 2183 fol. 20 – 32’ = StACo LA B 2189 fol. 3 – 5’ = HHStA RHR Relat. 163, unfol. 1084 HHStA RHR Ob. Reg. 1287 / 1, unfol. = StACo LA B 2183 fol. 17, 17’ = StACo LA B 2189 fol. 15 – 17.

VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat

223

verwaltung und beantragten ebenso wie die Landstände1085 die Einsetzung einer kaiserlichen Kommission zur Untersuchung des herzoglichen Finanzgebarens.1086 Der herzogliche Bericht in dieser Sache wurde am 11. April 1805 innerhalb von acht Tagen angekündigt1087 und ging – wiederum von Gönner erarbeitet – am 15. April 1805 beim Reichshofrat ein.1088 Die Verwaltungsreformen seien aufgrund der finanziellen Situation notwendig gewesen: „Die Zerrüttung des Finanzwesens und die nicht ganz zweckmäßige Einrichtung des Gouvernements machten es ( . . . ) unbedingt nothwendig, daß alle Branchen der Staatsverwaltung auf das genaueste recherchirt, die strengste Oekonimie eingeführt, die Thätigkeit in allen Geschäften erhöhet, der Wohlstand des Landes durch Industrie und gemeinnützige Anstalten befördert und überhaupt die zweckmäßigsten Grundsätze der Staats- und Finanz-Administration aufgestellt werden müßen um das Fürstl. Haus aus einer Lage zu ziehen, die, wenn nicht schnelle Hülfe verschaft worden wäre, den gänzl. Untergang desselben in Kurzem herbeygeführt haben würde.“ (§ 2)

Infolgedessen habe Herzog Franz Friedrich Anton Minister Kretschmann eingestellt, der auch die ersten Erfolge vorweisen könne: „Durch seine eben so rechtliche als zweckmäßige Einrichtung des Finanzwesens wurden in einem Zeitraum von 2 Jahren die vorgefundene großväterl. und väterl. Schulden um eine sehr beträchtl. Summe vermindert, dauernde Fonds für die gänzl. Abtragung der noch übrigen Schulden ausgemittelt, die Einkünfte des Landes durch Eröfnung ungangbar gewordener Quellen erhöht. beträchtl. Summen auf Emporhebung gemeinnütziger Anstalten u. zur Verbeßerung des allgemeinen Wohlstandes verwendet, und überall die glücklichsten Aussichten für die Zukunft verbreitet.“ (§ 5)

Prinz Ludwig selbst habe Kretschmann gebeten, auch dessen eigene finanzielle Situation zu bereinigen. Ludwig habe später aber Mitregierungsrechte erstrebt, beispielsweise eine Mitarbeit im Ministerium oder die Überlassung der Chausseebaudirektion. Die nunmehrige Haltung der beiden Agnaten sei auf den Einfluß Könitz’ zurückzuführen, da dieser enge Kontakte zu ihnen unterhalte. Den appanagierten Agnaten stehe jedoch infolge der Primogeniturkonstitution1089 keinerlei Anspruch auf die angestrebten Mitregierungsrechte zu, weder im Rahmen der Staatsverwaltung noch bei der Finanzverwaltung. Ein agnatischer Konsens sei nur bei der Aufnahme neuer Schulden notwendig, nicht jedoch bei der Aufnahme von Anleihen Siehe oben 1.d). HHStA RHR Ob. Reg. 1287 / 2, unfol. 1087 StACo LA B 2180 fol. 181. 1088 Eingangsvermerk (Eingang der Beilagen am 18. Juni 1805) bei HHStA RHR Ob. Reg. 1287 / 1; Bericht bei HHStA RHR Ob. Reg. 1287 / 1 = StACo LA B 2189 fol. 30 – 170’ = StACo LA B 2191 = Nicolaus Thaddäus Gönner, Bericht des Herrn Herzogs von SachsenCoburg-Saalfeld an den kaiserlichen Reichshofrath über die Beschwerden der Prinzen Friedrich und Ludwig. 1089 Siehe dazu oben I.1.e). 1085 1086

224

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

zur Tilgung bereits konsentierter Schulden. In Wangenheim hätten die beiden Agnaten und Könitz zudem noch einen Mitstreiter gegen Kretschmann und seine Verwaltungsreform gefunden. Die öffentliche Inschutznahme Wangenheims durch die beiden Agnaten sei eine Verletzung der Regentenrechte. Herzog Franz Friedrich Anton durfte daher auch den herzoglichen Bediensteten den Umgang mit den beiden Agnaten verbieten. Auch habe er diese von weiteren Eingriffen in seine Regentenrechte abhalten müssen.

c) Vergleichsverhandlungen Auf Bitte von Herzogin Auguste Caroline Sophie bot der gothaische Geheime Rat Johann Wilhelm von Thümmel in einem Schreiben, welches beim Ministerium am 3. Mai 1805 einging, seine Vermittlung hinsichtlich der Differenzen mit den Agnaten an.1090 In ersten „Grundlinien zu einem Vergleich“ vom 5. Mai 18051091 verlangten die Agnaten von Herzog Franz Friedrich Anton ein umfassendes Anerkenntnis der Rechte der Agnaten und der Primogeniturkonstitution, eine strenge Beachtung des Hausgesetzes von 1802, die Übernahme einer Garantie des Hausgesetzes durch die coburgischen Landstände sowie eine Rücknahme der gegen die coburgische Landschaft und Wangenheim unternommenen Schritte. In seinem Antwortschreiben vom 18. Mai 18051092 erläuterte Herzog Franz Friedrich Anton, er habe schon immer die Primogeniturkonstitution anerkannt und sie auch niemals verletzt, insbesondere niemals die agnatischen Rechtspositionen geschmälert. Die Primogeniturkonstitution sei aber durch das zwischen dem Herzog und den Agnaten vereinbarte Hausgesetz überholt worden. Auch dessen Vorschriften seien stets eingehalten worden. Eine Garantie der Landstände für das Hausgesetz sei nicht ausgeschlossen, dies käme jedoch erst nach Abschluß des Prozesses vor dem Reichshofrat in Betracht. Eine Einflußnahme der Agnaten auf die Rechte des Regenten scheide jedoch aus. Thümmel stimmte in seinen Vergleichsvorschlägen vom 13. Juli 18051093 zu, daß die Agnaten durch ihre Unterschrift unter das Hausgesetz auf verschiedene Rechte aus der Primogeniturkonstitution verzichtet hatten. Für die Agnaten sei eine ständische Garantie des Hausgesetzes jedoch eine unerläßliche Bedingung, 1090 StACo LA A 5180, unfol. Aus diesem Akt ist insgesamt auch Wangenheims Einflußnahme und seine konträre Einstellung zu Kretschmann ersichtlich. Vgl. ferner allgemein StACo LA A 5454 sowie die Darstellung Schultes’ bei StACo LA F 7343 fol. 46, 46’. 1091 StACo LA A 5454 fol. 9 – 10 = StACo LA A 5180, unfol. = StACo LA B 2188 fol. 63 – 64. 1092 StACo LA A 5180, unfol. = StACo LA A 5454 fol. 16 – 18’ = StACo LA B 2188 fol. 65 – 68. 1093 StACo LA B 2188 fol. 69 – 80’, 104 – 127’.

VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat

was Thümmel unterstütze. Hinsichtlich der Klage Wangenheims licher und ehrenvoller Abschied in Betracht zu ziehen.

1094

225

sei ein förm-

Der förmliche Vergleichsvorschlag der Agnaten vom 13. Juli 18051095 machte die Beseitigung der Differenzen mit der coburgischen Landschaft zur Hauptbedingung und forderte die Einsetzung der Stände als Garanten des Hausgesetzes. Kretschmann antwortete am gleichen Tage1096, er halte ein Verbot an die Landesregierung, Teile der Domänen ohne Zustimmung der Agnaten zu veräußern, in bestimmten Fällen für möglich. Eine Garantie der Landstände für das Hausgesetz sei nach einem Vergleich über die Verfassunggebung möglich. In einem weiteren Vorschlag mit dem Titel „Ultimate unverfängliche Vergleichs-Erklärung“ vom 20. Juli 18051097 wiederholten die Agnaten ihre bisherigen Forderungen abermals. Kretschmann lehnte mit Schreiben vom 22. Juli 18051098 einen Vergleich ab, da sich die Agnaten auf keinen der Vermittlungsvorschläge eingelassen hätten. Daraufhin legte Thümmel mit Schreiben vom 28. Juli 1805 seine Vermittlerstellung nieder.1099 Am 1. August 1805 teilte Herzog Franz Friedrich Anton dem Reichshofrat das Scheitern der Vergleichsverhandlungen mit.1100

d) Entscheidungsloses Verfahrensende Trotz des Abbruchs der Vergleichsgespräche wurde der Schriftverkehr zwischen Herzog Franz Friedrich Anton, Minister Kretschmann, Erbprinz Ernst und den beiden Agnaten fortgesetzt, blieb aber ohne Ergebnis.1101 Auch in der Sache kam es zu keiner Entscheidung des Reichshofrats, der letzte Beschluß – eine Fristsetzung an die Agnaten – datiert vom 19. Juni 1806.1102

Siehe dazu unten 3. HHStA RHR Ob. Reg. 1287 unfol. = StACo LA B 2188 fol. 40’ – 51’ = ebd. fol. 85 – 103 = StACo LA A 5454 fol. 47, 47’, 49 – 68. 1096 HHStA RHR Ob. Reg. 1287 unfol. = StACo LA A 2188 fol. 38- 40 = ibid. fol. 81 – 84’. 1097 HHStA RHR Ob. Reg. 1287 unfol. = StACo LA A 5180, unfol. = StACo LA A 5454 fol. 77 – 87’. 1098 StACo LA A 5180, unfol. = StACo LA A 5454 fol. 88 – 89’. 1099 StACo LA A 5180, unfol. 1100 StACo LA B 2188 fol. 133 – 135. 1101 StACo LA A 5180, unfol. 1102 HHStA RHR Ob. Reg. 1287 / 2, unfol. = StACo LA B 2184 fol. 13 = StACo LA B 2188 fol. 178. 1094 1095

226

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

3. Klage Wangenheims a) Vorläufiger Erfolg Wangenheims Nach seiner Entlassung am 31. März 18041103 wandte sich der vormalige Geheime Assistenzrat und Vizepräsident der Landesregierung Karl August von Wangenheim am 12. Juli 1804 in einer Klage an den Reichshofrat1104 und beantragte „pro clementissime decernendo Mandato cassatorio de annullandis absque ulla mora factis hucusque et praeceptis adversus implorantem, in primis remotione ab officiis publicis, salario et emolumentis, restitutorio de redintegrando spolio ideoque restituendo statim in pristinam conditiones et officia cum annexis omnibus de Salario et Emolumentis, tam pro praetorio quam pro futuro solvendis, item quaevis damna et expensas restituendo, eamque in rem idonee cavendo propter iniurias vero atrocissimas publice illatas, satisfaciendo; inibitorio denique de non via facti sed iuris procedendo, atque posthac a similibus factis nullis et invalidis penitus abstinendo S.C. annexa citatione solita; – in eventum vero si literae pro informatione antea decernantur, ferenda ordinatione seria de solvendis interim salario et emolumentis.“1105

Zur Begründung ließ er vortragen, er habe zusammen mit dem Präsidenten der Landesregierung, Georg Friedemann Goebel, die wahre, nämlich katastrophale Finanzsituation Sachsen-Coburg-Saalfelds errechnet. Dieses negative Ergebnis sei 1103 StACo LA F 7441 fol. 2 – 3’ = Nikolaus Thaddäus Gönner, Bericht des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld an den Kaiserlichen Reichshofrath über die Dienstentlassung des ehemaligen Vicepräsidenten von Wangenheim, Beylagen S. 138 ff. 1104 HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 1 unfol. = StACo LA B 2186 fol. 3 – 12 = Karl August von Wangenheim, Auch ein Beytrag zur Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, Erster Theil, S. 144 – 183; Beilagen bei HHStA RHR Ob. Reg. 1782 unfol. = StACo LA B 2186 fol. 13 – 287’; Zusammenfassung auch bei HHStA RHR Relat. 198, unfol. Die Klage ging beim Reichshofrat am 16. Juli 1804 ein, was auf eine persönliche Anwesenheit Wangenheims in Wien schließen läßt (siehe auch HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 5). Wangenheim wurde ebenso wie Landschaft und Agnaten von Philipp Maria von Götz vertreten. 1105 Eine zeitgenössische Übersetzung des Antrags findet sich bereits in der Klageschrift: Der Antrag lautete, „dem hohen implorantischen Theile bey nahmhafter Strafe anzubefehlen, daß derselbe mit gänzlicher Aufhebung alles bisherigen widerrechtlichen Verfahrens gegen Anwalds Prinzipal, insbesondere der Entsetzung von seinen Staatsämtern und allen damit verbundenen Salarien und Emolumenten, diesen sofort in seinen ganzen vorigen Rechts- und Besitzstand, namentlich in gedachte seine Staatsämter, nebst allen damit verbundenen Salarien und Emolumenten und Vorzügen, vollständig wieder einsetzen, ihm alle rückständige Amtseinkünfte, wie auch allen Schaden und Kosten unverweilt ersetzen, deshalb Sicherheit leisten, und wegen der bereits öffentlich zugefügten Beschimpfung rechtliche Genugthuung verschaffen, sich auch alles thätlichen Verfahrens gegen denselben durchaus enthalten, sondern allenthalben im Wege der gesetzmäßigen Ordnung verfahren solle, S.C. annexa citatione solita; auf den Fall aber, wenn vorher Schreiben um Bericht erlassen werden sollte, solchem die Verordnung beyzufügen, daß der hohe imploratische Theil nicht nur alle rückständige und künftig fällige Salarien und Amts-Emolumente Anwalds Prinzipal ohne Verzug auszahlen, sondern auch mit allen weitern factischen Verfahren innehalten solle.“ – Zum mandatum cassatorium siehe allgemein Manfred Uhlhorn, Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, S. 95.

VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat

227

ausschließlich Minister Kretschmann anzulasten, der sich zudem auch durch Unsauberkeiten beim Verkauf des Ritterguts Erkersreuth1106 persönlich bereichert habe. Kretschmanns Haushaltsführung sei darüber hinaus insgesamt unsolide. Wangenheim selbst sei lediglich aufgrund der Aufdeckung dieser Mißstände und angeblichen ungebührlichen Benehmens von Herzog Franz Friedrich Anton entlassen worden. Nach ständiger Rechtsprechung der höchsten Reichsgerichte dürfe jedoch kein Staatsdiener ohne gerichtliche Untersuchung seines Amtes entsetzt werden. In einem Nachtrag zur Klage vom 20. Juli 18041107 wurde Kretschmann zudem die Verletzung des Hausgesetzes vorgeworfen. Indem Kretschmann eigenmächtig die Haushaltspositionen zu hoch angesetzt und die Vorstellungen der Landesregierung unterdrückt habe, habe er die im Hausgesetz vorgesehene Kontrolle des herzoglichen Finanzgebarens, insbesondere aber der Schuldenaufnahme, durch die Landesregierung als insoweit unabhängige Behörde unmöglich gemacht. Entgegen Kretschmanns Berechnungen habe sich zudem die Schuldenlast nicht vermindert, sondern sogar erhöht. Durch Conclusum vom 23. / 24. Juli 18041108 entschied der Reichshofrat vorläufig antragsgemäß und setzte Herzog Franz Friedrich Anton die in solchen Fällen übliche Zweimonatsfrist zur Berichterstattung. Es liege eine Bestrafung durch Kabinettsreskript ohne vorherige ordentliche Untersuchung vor, da lediglich behauptet worden sei, Wangenheim habe öffentlich von drohender Zahlungsunfähigkeit des Staates gesprochen.1109 Nach Ansicht des Votanten sei die Amtsenthebung Wangenheims „injustificabel“.1110 Bereits am 23. Oktober 1804 wurde dem Herzog Fristverlängerung für die Berichterstattung gewährt.1111 Die am 24. Dezember 1804 abgelaufene Frist wurde an diesem Tage abermals um zwei Monate verlängert.1112 b) Versuchte Ausweisung Wangenheims aus Coburg In einem bereits vom 3. Februar 1804 stammenden Brief beschrieb Jean Paul die Situation in Coburg: „Wangenheim und Kretschman kämpfen jetzt den Vernichtungs-Krieg“.1113 Trotz der (vorläufigen) Entscheidung des Reichshofrats verschärften sich diese Spannungen weiterhin. Siehe dazu bereits oben IV.3.c). HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 1, unfol. = StACo LA F 7467 in toto. 1108 StACo LA B 2185 fol. 111 = StACo LA F 7429 fol. 4 – 8 = Karl August von Wangenheim, Auch ein Beytrag zur Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, Zweyter Theil, S. 161. 1109 Siehe auch das Votum bei HHStA RHR Relat. 198, unfol. 1110 HHStA RHR Relat. 198, unfol. 1111 StACo LA B 2185 fol. 115. 1112 StACo LA B 2185 fol. 119 = StACo LA F 7429 fol. 16. 1113 Eduard Berend (Hrsg.), Jean Pauls Sämtliche Werke, S. 276. 1106 1107

228

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Durch einen Boten der Landesregierung wurde Wangenheim am 13. Oktober 1804 mündlich aufgefordert, das Land binnen dreier Tage zu verlassen, da ein Aufenthalt im Inland während eines von ihm gegen Herzog und Ministerium geführten Prozesses unstatthaft sei.1114 In einem weiterem Schreiben vom 23. Oktober 1804 stellte die Landesregierung dazu fest, daß die Ausweisung nicht wegen der Klage vor dem Reichshofrat, sondern wegen der „so leidenschaftlichen und mit der eigenen ehemaligen Dienstpflicht in Widerspruch stehenden höchststräflichen Verhaltensweise“ in dieser Sache geschehen sei.1115 Wangenheim wurde der Aufenthalt im Lande außerhalb der Stadt Coburg unter Auflagen wieder gestattet. Wangenheim erstreckte die Klage vor dem Reichshofrat mit Schreiben vom 17. Januar 1805 auf diesen „Residenzverweis“.1116 Durch Entscheidung vom 12. Februar 1805 hob der Reichshofrat den „Residenzverweis“ auf, da die Entscheidung darüber, ob sich die klagende Partei im Rahmen der Klage vor dem Reichshofrat sträflich benommen oder lediglich sich und ihr Recht verteidigt habe, ebenso wie die Entscheidung in der Sache selbst ausschließlich Kaiser und Reichshofrat zustehen. Gleichzeitig wurde Herzog Franz Friedrich Anton zur Entschädigung Wangenheims verpflichtet, zudem wurden ihm weitere derartige „Innovationen“ untersagt.1117 Am 22. Februar 1805 teilte Wangenheim daraufhin die Absicht seiner Rückkehr nach Coburg mit.1118 Darauf antwortete die Landesregierung am 5. März 1805, datiert auf den 5. Februar 18051119, Herzog Franz Friedrich Anton beabsichtige nicht, den „Residenzverweis“ aufzuheben, solange nicht über den von ihm beim Reichshofrat vorzulegenden Bericht entschieden worden sei. c) Entscheidung in der Sache Nach dem Erscheinen der Bücher Wangenheims1120 verlängerte der Reichshofrat die Frist zur Berichterstattung trotz einer Beschwerde Götz’ vom 28. Februar 1805 am 7. März 1805 der Umstände wegen abermals um einen Monat.1121 1114 Vgl. Schreiben Wangenheims bei HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 5, unfol. = StACo LA F 7434 fol. 1 – 2 sowie Darstellung der Landesregierung vom 16. Oktober 1804 fol. 3 – 4. 1115 HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 5, unfol. = StACo LA F 7434 fol. 8 – 9. 1116 StACo LA B 2193 fol. 41 – 49’ = StACo LA F 7434 fol. 32 – 63’. 1117 HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 5, unfol. = StACo LA B 2193 fol. 37, 37’ = Carl Friedrich Häberlin, Geschichte der Dienstentsetzung des Präsidiums der Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Landesregierung, S. 290 = Karl August von Wangenheim, Sendschreiben an den Herrn Professor Karl Julius Lange, S. 65 ff. 1118 HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 5, unfol. = StACo LA F 7434 fol. 12 – 13. 1119 HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 5, unfol. = StACo LA F 7434 fol. 14, 14’. Die lediglich falsche Datierung ist aufgrund einer Vollzugsmitteilung der Landesregierung unter dem 5. März 1805 (StACo LA F 7434 fol. 16) offensichtlich. 1120 „Auch ein Beytrag zur Geschichte der Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande durch den geheimen Rath und dirigierenden Minister von Kretschmann“ (in zwei Bänden)

VI. Fortführung der Auseinandersetzungen vor dem Reichshofrat

229

Der am 26. März 1805 eingegangene Bericht Herzog Franz Friedrich Antons vom 19. März 18051122 führte im wesentlichen aus, Wangenheims Schrift „Auch ein Beytrag zur Geschichte der Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande durch den geheimen Rath und dirigierenden Minister von Kretschmann“ stelle eine boshafte Verdrehung der Tatsachen dar, zudem habe Wangenheim Dienstgeheimnisse veröffentlicht und zur Untermauerung seiner Behauptungen heimlich Aktenstücke entwendet. Da Wangenheim die Rückkehr nach Coburg immer noch nicht ermöglicht wurde, beantragte Götz am 1. April 1805 eine weitere Verfügung, in der Herzog Franz Friedrich Anton Strafe bei Nichtbefolgung der Entscheidung vom 23. / 24. Juli 1804 angedroht werden sollte. Der Herzog erhielt auf seinen Antrag vom 22. April 1805 hin zwar am 17. Mai 1805 eine Fristverlängerung von zwei Monaten gewährt, gleichzeitig aber die Warnung ausgesprochen, daß er bei Nichteinhaltung der Anordnungen „mit exekutivischen Verfügungen“ zu rechnen habe.1123 Am 23. April 1805 traf ein wiederum von Gönner verfaßter1124 Bericht über die Entlassung Wangenheims beim Reichshofrat ein.1125 Als Begründung für die Entlassung wurde darin ausgeführt, Wangenheim habe durch unwahre Gerüchte vom bevorstehenden Staatsbankrott den Staatskredit und die innere Ruhe geschädigt. Zudem habe er selbst Minister werden wollen, daher sollte Kretschmann verdrängt werden. Dies habe zu seiner plötzlichen Zusammenarbeit mit Könitz und der Kollusion mit den übrigen Landständen geführt. Außerdem habe er schlampig gearbeitet. Auf den Nachtrag Wangenheims reagierte Sachsen-Coburg-Saalfeld mit einem weiteren Bericht vom 16. April 1805, der am 17. Juni 1805 beim Reichshofrat einging1126, die „Beilagen“ vom gleichen Tage folgten am 8. Juli 1805.1127 Darin wurde der Vorwurf erhoben, Wangenheim habe sich das Mandat s.c. erschlisowie „Sendschreiben an den Herrn Professor Karl Julius Lange in Berlin, als Herausgeber des Nordischen Merkur und öffentlich legitimirten Anwald Sr. Excellenz des dirigirenden Staatsministers Herrn Theodor von Kretschmann“. Ein Schreiben Kretschmanns an Pilgramm vom 6. März 1805 mit der Mitteilung des Erscheinens findet sich bei StACo LA B 2185 fol. 121, 121’ 1121 StACo LA B 2185 fol. 124 = StACo LA F 7429 fol. 31. 1122 HHStA RHR Ob. Reg. 1783, unfol. = StACo LA B 2185 fol. 126 – 130 = StACo LA F 7429 fol. 34 – 43’ = StACo LA F 7471 fol. 71 – 74 = Karl August von Wangenheim, Sendschreiben an den Herrn Professor Karl Julius Lange, S. 16 ff. 1123 StACo LA F 7429 fol. 52. 1124 Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Coburg, S. 137; ADB, Theodor Konrad von Kretschmann, S. 137. 1125 HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 1, unfol. = StACo LA F 7471 fol. 1 – 70’ = Nikolaus Thaddäus Gönner, Bericht des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld an den Kaiserlichen Reichshofrath über die Dienstentlassung des ehemaligen Vicepräsidenten von Wangenheim. 1126 HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 5, unfol. = StACo LA B 2185 fol. 145, 145’. 1127 HHStA RHR Ob. Reg. 1782, unfol.; ebd. 1783 / 5, unfol. = StACo LA B 2185 fol. 147 – 152’.

230

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

chen.1128 Grund für die Ausweisung sei nicht die Erhebung der Klage vor dem Reichshofrat, sondern Wangenheims Verhalten vor der Dienstentlassung gewesen. Am 30. Juli 1805 erließ der Reichshofrat antragsgemäß ein mandatum sine clausula gegen Herzog Franz Friedrich Anton und das Ministerium, Wangenheim unter Aufhebung aller bisherigen widerrechtlichen Entscheidungen in seinen ganzen vorigen Rechts- und Besitzstand, seine Ämter und Privilegien mitsamt aller Einkünfte wiedereinzusetzen, sämtliche Kosten zu erstatten und öffentlich Genugtuung zu verschaffen sowie sich zukünftig aller Verfahren gegen ihn zu enthalten.1129 Am 24. September 1805 bestätigte der Reichshofrat die getroffene Entscheidung (paritoria plena).1130 Vom gleichen Tag datiert die am 7. Oktober 1805 eingegangene Paritionsanzeige1131 Herzog Franz Friedrich Antons, in welcher er mitteilte, er habe am 14. September 1805 alle Anordnungen hinsichtlich der Dienstentlassung und der Verbannung aufheben, jedoch eine neue Untersuchung einleiten lassen.1132 Diese Maßnahmen wurden Wangenheim durch die Landesregierung als Justizkollegium am 21. September 1805 bekanntgemacht; gleichzeitig wurde er aufgefordert, wegen der angeordneten Untersuchung umgehend nach Coburg zu reisen.1133 Wangenheim verweigerte aber die Teilnahme an dieser Untersuchung mit Schreiben vom 11. Oktober 1805. Am 29. Oktober 1805 teilte er dem Reichshofrat diese gegen ihn gerichtete Anordnung mit.1134 d) Mangelnder Vollzug der gerichtlichen Entscheidung Nach wiederholten Beschwerden Götz’, daß die Entscheidung des Reichshofrats weder veröffentlicht noch befolgt worden sei, setzte der Reichshofrat durch Conclusum vom 16. Juni 1806 Herzog Franz Friedrich Anton eine Frist von zwei Monaten, um dem Wiedereinsetzungsmandat Folge zu leisten.1135 Bei Ablauf dieser Frist hatte der Reichshofrat seine Tätigkeit jedoch bereits eingestellt. 1128 Zur Aufhebung eines Mandats s.c. wegen Erschleichens infolge exceptio sub- et obreptionis siehe Manfred Uhlhorn, Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, S. 137. 1129 Beide Conclusa bei HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 1, unfol. = HHStA RHR Relat. 198, unfol. = HHStA RHR Prot. rer. res. 12, 19. Jh., unfol. = StACo LA F 7429 fol. 79 – 81 = ebd. fol. 73 – 75 = StACo LA B 2187 fol. 469 – 470’, LA B 2193 fol. 17 – 19 = Karl August von Wangenheim, Sendschreiben an den Herrn Professor Karl Julius Lange, S. 67 ff. 1130 Zum Wesen der paritoria siehe Manfred Uhlhorn, Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, S. 149 ff. 1131 Zur Paritionsanzeige siehe allgemein Manfred Uhlhorn, Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, S. 153. 1132 StACo LA B 2186 fol. 348 – 362’. Anordnung zur Einleitung der Untersuchung durch Reskript an die Landesregierung als Justizkollegium vom 14. September 1805 bei StACo LA F 7474 fol. 2, 2’ = StACo LA F 7442 fol. 4 – 5’. 1133 Abschrift bei StACo LA B 2186 fol. 299, 299’. 1134 HHStA RHR Ob. Reg. 1783 / 5, unfol. = StACo LA B 2187 fol. 472 – 473.

VII. Weitere Reformen und Reformversuche

231

Inwieweit diese Mißachtung der Autorität eines obersten Reichsgerichts auf den Verfall der kaiserlichen Autorität im Reich zurückzuführen ist1136, läßt sich nicht mehr ermitteln. Der Ansicht Johann Adolph von Schultes’1137, daß der Rechtsstreit nicht entschieden worden sei, kann daher lediglich mit der Einschränkung gefolgt werden, daß die gerichtliche Entscheidung nicht befolgt worden ist. Die von Herzog Franz Friedrich Anton angeordnete Untersuchung wurde gegen den mittlerweile in Hildburghausen lebenden Wangenheim bis November 1806 fortgeführt.1138

VII. Weitere Reformen und Reformversuche Wesentliches Ziel sämtlicher weiterer Umstrukturierungen im Justiz- und Verwaltungsbereich blieb eine Veränderung der Organisation vom kollegialen hin zum hierarchischen Prinzip. Dazu stellte Landesregierungsrat Theodor Konrad Hartleben in einem Schreiben an Minister Kretschmann vom 11. Juni 1806 fest: „So lange die Polizey oben wie unten kolegialisch behandelt wird, ist kein Gedeihen möglich. Wo bey ihr viele Köpfe und Hände in Bewegung sind, giebt es kein Geheimniß, keine Schnellkraft, keine Uebersicht des Ganzen. Neid, PrivatInteresse und Verbindungen haben da freyen Spielraum.“1139

1. Justizbereich a) Planung eines allgemeinen Kriminalgerichts Auf Anforderung Kretschmanns hatte der Geheime Kanzleirat und vortragende Rat im Ministerium Karl Albert Dietrich Friedrich Regenhertz bereits 1806 ein erstes Konvolut an Vorschlägen zur Verbesserung der Justiz, insbesondere der Kriminaljustiz, in Sachsen-Coburg-Saalfeld zusammengestellt. 1140 Im wesentlichen forderte er eine weitergehende Trennung von Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit1141, eine neue, einheitliche und zeitgemäße Strafprozeßordnung nach dem Muster Preußens sowie die Bestellung eines „Groß-Inquisitors“ bei der Landes1135 StACo LA B 2187 fol. 488 , 488’ = StACo LA B 2193 fol. 2, 2’ = StACo LA F 7429 fol. 87, 87’. 1136 Hierzu vgl. Wolfgang Quint, Souveränitätsbegriff und Souveränitätspolitik in Bayern, S. 216. 1137 Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 99. 1138 StACo LA F 7475 in toto. 1139 StACo LA F 7360 fol. 1. 1140 Schreiben vom 10. Juni 1806 bei StACo Min F 329 fol. 2 – 7’. 1141 Nach Ulrich Heß stammte auch diese Idee aus der preußischen Behördenorganisation (Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Meiningen, S. 82).

232

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

regierung oder als Alternative die Errichtung eines allgemeinen Kriminalgerichts1142 für Sachsen-Coburg-Saalfeld. Daraufhin erging am 17. Juni 1806 folgendes herzogliches Reskript: „Wir haben Uns überzeugen müßen, daß die Ausübung der Criminal-Jurisdiction bey Unseren Untergerichten höchst mangelhaft ist. Nachdem Wir über die Mittel und Wege nachgedacht durch welche das Criminal-Wesen in Unseren Landen auf den Grad der Vollkommenheit gebracht werden könnte, auf dem es in jedem civilisirten Staate stehen sollte, so glauben Wir diesen Zwek am besten dadurch erreichen zu können, wenn Wir die Ausübung der Civil-Jurisdiction von der Ausübung der Criminal-Jurisdiction gänzlich trennen, und Unseren Untergerichten ferner überlaßen, für diese aber ein eigenes Criminal-Gericht für unsere Coburg-Saalfeldischen Lande etablieren.“1143

Gleichzeitig wurden Landesregierung und Landesregierung als Justizkollegium um ihre Ansicht zu diesem Vorhaben gebeten. Nach Darstellung der Landesregierung als Justizkollegium sollte ein allgemeines Kriminalgericht auch für die bisher im Rahmen der Strafgerichtsbarkeit von den Patrimonialgerichten erledigten Angelegenheiten zuständig sein.1144 Anders als in Sachsen-Weimar-Eisenach1145 wurden diese Planungen jedoch nicht umgesetzt.1146

b) Verbot der Aktenversendung Am 18. August 1806 erging eine Verordnung über die bisherige Versendung der Akten zu einem auswärtigen Rechtsspruch, die entgegen einer verbreiteten Meinung1147 diese hergebrachte Vorgehensweise ausdrücklich untersagte und auf 1142 Ein vergleichbarer Vorschlag hinsichtlich der Errichtung besonderer Kriminalgerichte kam in Sachsen-Weimar-Eisenach bereits 1777 auf, vgl. Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 117, 377. 1143 StACo Min F 329 fol. 8. 1144 Schreiben vom 1. November 1806 bei StACo Min F 329 fol. 33. 1145 In Sachsen-Weimar-Eisenach wurden Kriminalgerichte als Untersuchungsbehörden jeweils für das Gebiet mehrerer Justizämter durch die Kriminalgerichtsordnung von 1812 gebildet, Christian Wilhelm Schweitzer, Oeffentliches Recht des Großherzogthumes SachsenWeimar-Eisenach, S. 190 ff.; Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 378. 1146 Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 86. 1147 Nicolaus Thaddäus Gönner hielt zwar die Verweigerung der Aktenversendung grundsätzlich für unzulässig (Handbuch des gemeinen Prozesses, 1. Band S. 97 f.), gestand aber zu: „Die einzige Ausnahme kann man durch hinreichende Gründe beweisen, daß von den Oberappellationsgerichten in den mit einer unbeschränkten Appellationsfreyheit versehenen Ländern alsdenn keine Aktenversendung gefordert werden könne, wenn sie als ein formirtes Gericht mit besondern, genugsam qualificirten Subjekten ordentlich besetzt sind. Solche Oberappellationsgerichte sind nach dem ganzen Geiste der deutschen Reichsjustizverfassung offenbar ein Surrogat der höchsten Reichsgerichte, und man kann von ihnen so wenig, als von den höchsten Reichsgerichten die Aktenversendung an eine auswärtige Juristenfacultät fordern.“

VII. Weitere Reformen und Reformversuche

233

die bevorstehende Errichtung eines eigenen Oberappellationsgerichts hinwies.1148 Dies wurde wie folgt begründet: „Den Grundsätzen einer guten Justizverwaltung ist nichte mehr widersprechend, als die Versendung der zum Rechtsspruch geschlossenen Acten an auswärtige Juristenfacultäten, Schöppenstühle oder Urthelsverfasser. Diese Einrichtung erzeugt die sehr nachtheilige Opinion, daß inländische Justizbehörden zum Rechtssprechen die hinlängliche Fähigkeit nicht haben, und ist da, wo für eine hinlängliche Reihe von Instanzen gesorgt ist, höchst inconsequent.“

Ein derartiges Verbot der Aktenversendung zur Stärkung der landesherrlichen Gerichte bestand in Ansbach-Bayreuth seit 17961149, in den preußischen Staaten für das Appellationsgericht in Ravensberg bereits seit 17041150 sowie insgesamt seit dem Edikt vom 20. Juni 17461151 und in Bayern seit 1726.1152

c) Errichtung eines Oberappellationsgerichts für Sachsen-Coburg-Saalfeld Das Oberappellationsgericht selbst, das wohl auch die Bezeichnung „Landesregierung als Revisionsgericht“ führte1153, wurde trotz bestehender Überlegungen anderer Staaten hinsichtlich der Begründung eines gemeinschaftlichen sächsischen Obergerichts1154 schließlich durch Patent vom 22. September 1806 mit Wirkung vom 1. November 1806 als „dritte und höchste Instanz in allen bey den sämmtlichen hohen und niederen Justiz-Stellen in Unsern Landen anhängigen und von denselben entschiedenen Rechts-Sachen“ eingerichtet.1155 Die Behörde sollte im Rang unmittelbar nach dem Ministerium stehen. Der Rechtszug ging fortan bei erstinstanzlicher Zuständigkeit der Untergerichte über die Landesregierung als Justizkollegium als zweiter Instanz, bei erstinstanzlicher Zuständigkeit der Landesregierung als Justizkollegium über die Landesregierung als zweiter Instanz zum Oberappellationsgericht. Diese Einrichtung einer eigenen dritten Instanz war für die thüringischen Staaten bis dato einzigartig und sollte bis zur Errichtung des gemeinsamen Oberappella1148 StACo Min F 330 fol. 3 = StACo LA L 518 / II = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VII S. 33 f. 1149 Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Preußen, 2. Band, S. 26. 1150 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 2, S. 228 f. 1151 Adolf Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, S. 173. 1152 Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 16 / 2, S. 228 f. 1153 Schreiben Kretschmanns an Hartleben bei StACo Min F 331 fol. 5. Die Formulierung in der Verordnung vom 1. Juni 1808 – siehe dazu unten C.II.5.e)aa) – legt nahe, daß „Oberappellationsgericht“ und „Landesregierung als Revisionsgericht“ identisch waren. 1154 Siehe dazu unten D.II. 1155 StACo Min F 330 fol. 6 – 7’ = StACo Min F 330 fol. 8, 8’ = StACo LA F 5210 = StACo LA K 393 fol. 2 – 3 = StACo LA L 518 / II.

234

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

tionsgerichts in Jena auch einzigartig bleiben1156, wenngleich in Sachsen-WeimarEisenach ab 1807 ähnliche Bestrebungen hinsichtlich eines eigenen Oberappellationsgerichts in Jena bestanden.1157 d) Planungen einer Instruktion für Untergerichte Bereits 1805 hatte Kretschmann bei der Landesregierung als Justizkollegium eine Geschäftsinstruktion für die Stadträte, Vasallengerichte und Vogteien in Auftrag gegeben, deren Entwurf im wesentlichen deren Geschäftsgang und deren Unterordnung unter die Landesregierung als Justizkollegium zum Gegenstand hatte.1158 In ihrem dazu abgeforderten Bericht vom 4. März 18061159 verwies die Landesregierung darauf, daß angesichts der Differenzen zwischen Ministerium und Landschaft eine Befolgung der Instruktion durch die Vasallengerichte eher unwahrscheinlich sei, solang die Landstände zum Entwurf der Instruktion nicht gutachtlich gehört worden sind.1160 Am 30. April 1806 legte die Landesregierung als Justizkollegium dem Ministerium einen überarbeiteten Entwurf für die Instruktion vor.1161 Die Instruktion, deren Ziel die Beschleunigung der Abwicklung des gerichtlichen Verfahrens war, sollte nunmehr nur noch für die Provinzialstadträte in Rodach, Neustadt, Themar, Pößneck, Gräfenthal und Lehesten gelten. Inhaltlich setzte sie nur noch Fristen zur Bearbeitung von Eingängen und zur Berichterstattung an vorgesetzte Behörden, die Verwendung von Schemata und Journalen sowie die Führung von Generalakten fest. Nach einem Bericht der Landesregierung vom 19. Mai 1806 sei die Instruktion nunmehr erlassen und an die Unterbehörden versandt worden.1162 Ein weiterer Bericht auf Anfrage des Landesministeriums im Jahre 1809 stellte jedoch fest, daß die Entwürfe nach Auskunft des zuständigen Referenten an Minister Kretschmann gesandt, von diesem aber nicht mehr zurückgeschickt worden seien, so daß die Instruktion mangels Ausfertigung und Veröffentlichung niemals in Kraft getreten sei.1163 1156

Vgl. Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten,

S. 90. 1157 Vgl. dazu StACo Min N 1 fol. 2 – 14 sowie Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 367 f. 1158 Berichtsabforderung Kretschmanns an die Landesregierung vom 28. September 1805 bei StACo LReg. 4765 fol. 1 mit Anmerkungen von Mitgliedern der Landesregierung. 1159 StACo Min F 251 fol. 3 – 6 = StACo LReg. 4765 fol. 18 – 22. 1160 StACo Min F 251 fol. 4 = StACo LReg. 4765 fol. 19’. 1161 Vorlageschreiben bei StACo Min F 251 fol. 8, Entwurf bei StACo LReg. 4765 fol. 27 – 29. 1162 StACo Min F 251 fol. 9 = StACo LReg. 4765 fol. 31. 1163 Anfrage des Landesministeriums vom 16. August 1809 bei StACo LReg. 4765 fol. 32; Bericht der Landesregierung vom 30. August 1809 bei StACo Min F 251 fol. 10 – 11’ = StACo LReg. 4765 fol. 33 – 34.

VII. Weitere Reformen und Reformversuche

235

2. Verwaltungsbereich a) Berichterstattung durch Unterbehörden In einem „Reglement wegen der zu erstattenden Berichte“ vom 22. März 18061164 wurde bemängelt, daß die Vorlage abgeforderter Berichte durch die Landeskollegien teilweise monate- oder jahrelang auf sich warten lasse, was einen geordneten und zügigen Gang der Verwaltung verhindere. Als Grundsatz sollte nunmehr gelten, daß Berichte, wenn nicht ausdrücklich ein früherer Termin bestimmt wurde, spätestens innerhalb von vier Wochen nach Abforderung vorzulegen waren. Für den Fall einer nicht vor Fristablauf ausreichend entschuldigten Säumnis waren Strafen bis hin zu Entlassung und Pensionsverlust angedroht. b) Geschäftsgang der Landesregierung Das Reglement über den Geschäftsgang bei der Landesregierung vom 12. November 18061165 gab den Räten der Landesregierung eine generelle Bearbeitungszeit für Eingänge vor. Diese betrug drei Tage zur Erarbeitung einer Entscheidung, zwei Tage zur Erstattung eines abgeforderten Berichts, bei Notwendigkeit umfangreichen Aktenstudiums erhöhten sich die Fristen auf acht Tage in beiden Fällen. Eine eventuelle Verspätung mußte unter gleichzeitigem Nachweis der Gründe hierfür beim Chef-Präsidenten der Landesregierung angezeigt werden, Verstöße gegen diesen Grundsatz waren strafbewehrt.

3. Freiheitsbrief für Angehörige des katholischen Bekenntnisses a) Toleranz im Einzelfall In Brandenburg-Preußen waren durch das sogenannte Wöllnersche Religionsedikt vom 9. Juli 1788 zum ersten Mal und ausdrücklich die evangelisch-reformierte, die evangelisch-lutherische und die römisch-katholische Konfession einander gleichgestellt worden.1166 Auch in Bayern hatte eine Toleranz gegenüber evangelischen und reformierten Religionsangehörigen mit der Regierungsübernahme durch Kurfürst Max IV. Joseph von Bayern im Jahre 1799 begonnen.1167 StACo LA K 10 fol. 2, 2’ = StACo LA F 5332 = StACo KA Coburg Nr. 18 fol. 2 – 3. StACo LA F 5792 fol. 4 – 5’ = StACo LA F 5334 = StACo LA L 555 = Landesbibliothek Coburg Tb 116, unfol. 1166 Siehe dazu Karl Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands, S. 311 f. 1167 Details zur bayerischen Vorgehensweise ab 1799, die das tolerante Religionsedikt vom 10. Januar 1803 zur Folge hatte, bei Theodor Kolde, Das bayerische Religionsedikt, S. 100 ff.; 104 ff. sowie bei Winfried Müller, Zwischen Säkularisation und Konkordat, S. 99 ff., insbesondere S. 102 ff. Siehe dazu ebenfalls unten b). 1164 1165

236

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Seit seinem Regierungsantritt hatten Herzog Franz Friedrich Anton und Minister Kretschmann wiederholt auf Ersuchen einzelner Einwohner der Stadt Coburg diesen Privilegien zur Abhaltung von Privatgottesdiensten nach römisch-katholischem Ritus unter Hinzuziehung eines Geistlichen erteilt.1168 Trotz der evangelischen Prägung war die Abhaltung von katholischen Privatgottesdiensten über die erlaubte Hausandacht1169 hinaus in verschiedenen ernestinischen Staaten seit dem 18. Jahrhundert wiederholt gestattet worden.1170 1802 wurde den Katholiken in Sachsen-Coburg-Saalfeld die Abhaltung des Hausgottesdienstes (exercitium privatum religionis) unter einschränkenden Bestimmungen allgemein unter Hinzuziehung eines Weltgeistlichen erlaubt.1171 Über die coburgischen Regelungen hinaus ging Württemberg, dessen Religionsedikt vom 14. Februar 18031172 ein echtes Vergemeindungsrecht für alle christlichen Konfessionen beinhaltete, sollten jedoch zu wenige Angehörige einer bestimmten Konfession an einem Ort angesessen sein, stand diesen ebenso wie in Sachsen-Coburg-Saalfeld in jedem Falle das Recht der ausgedehnteren Hausandacht zu. Das in Sachsen-Coburg-Saalfeld hergebrachte Verbot des Umgangs mit Klostergeistlichen endete infolge der in Konfessionsfragen toleranten Haltung Herzog Franz Friedrich Antons bald, was auch einem Schreiben vom 12. Februar 1805 an Kurfürst Max IV. Joseph von Bayern zu entnehmen ist, mit welchem Herzog Franz Vgl. StACo LReg. 4307 fol. 1 – 4. Das Instrumentum pacis Osnabrugense („Westfälischer Friede“) sah in Art. V §§ 33 ff. drei Kategorien der Behandlung anderer Konfessionen vor, nämlich publicum exercitium religionis, privatum exercitium religionis sowie die devotio domestica simplex, siehe dazu allgemein Burkhard von Bonin, Die praktische Bedeutung des ius reformandi, S. 28 ff., 62 f., 70 ff.; Wolfgang von Rimscha, Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus, S. 148, Christoph Link, Die Bedeutung des Westfälischen Friedens, S. 19 f., Gerhard Robbers, Religionsrechtliche Gehalte des Westfälischen Friedens, S. 75 sowie Judith Hilker, Grundrechte im deutschen Frühkonstitutionalismus, S. 237. – Zur beispielhaften Situation in Sachsen-Weimar-Eisenach vgl. Christian Wilhelm Schweitzer, Oeffentliches Recht des Großherzogthumes Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 69 f., zum allgemeinen Verbot des Abhaltens römisch-katholischer Gottesdienste in den ernestinischen Staaten siehe Rudolf Herrmann, Thüringische Kirchengeschichte, Band 2, S. 353; Johann Gerhard Gruner, Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, Band 1, S. 45. – Die Lage in Sachsen-Coburg – Duldung der Katholiken bei Erlaubnis der devotio domestica simplex – bestätigen Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 215. 1170 So beispielsweise auch in Sachsen-Gotha-Altenburg seit 1780, ThStAGo Staatsministerium Dep. II Loc. 100 Nr. 1Vol. 1 fol. 2 – 56 mit „Concession“ vom 13. Juni 1783; für Sachsen-Weimar-Eisenach vgl. Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 388; weitere Beispiele bei Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 88; Rudolf Herrmann, Thüringische Kirchengeschichte, Band 2, S. 358 ff.; Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 20, 215. 1171 Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 216. 1172 Abgedruckt bei Theodor Eisenlohr, Sammlung der württembergischen Kirchen-Geseze, Zweiter Theil, S. 3 ff. 1168 1169

VII. Weitere Reformen und Reformversuche

237

Friedrich Anton diesen um die Abstellung eines katholischen Geistlichen für die Stadt Coburg bat: „Wir haben den katholischen Einwohnern in hiesiger Stadt auf ihr Nachsuchen die Erlaubniß ertheilt, sich zur Abhaltung ihres Privatgottesdienstes an die Stelle des vorher dazu gebrauchten aber vor einiger Zeit abgegangenen Weltgeistlichen eines Klostergeistlichen aus den benachbarten secularisirten Klöstern zu bedienen.“1173

b) Freiheitsbrief als minus zur Gleichbehandlung Am 11. Juli 1805 wandten sich die Katholiken der Stadt Coburg an Herzog Franz Friedrich Anton mit der Bitte, ihnen den „Mitgebrauch der auser der Stadt sich befindeten St.-Nicolai-Capelle, wo nur ohne dies des Jahres einmal Gottesdienst ( . . . ) gehalten wird ( . . . ), an Sonn-, Fest- und anderen Tagen, mit Ausschluß der zum protestantischen Gottesdienst bestimmten Zeit“

einschließlich Predigt und Abhaltens geistlicher Gesänge zu gestatten.1174 Diese Bitte wurde in einem Schreiben Kretschmanns an die Landesregierung vom 12. Juli 1805 mit Auftrag zum Bericht gutgeheißen, da dies eine Gelegenheit darstelle, „einen öffentlichen Beweis Unserer Achtung für Gewißensfreiheit abzulegen“.1175 Die Landesregierung hingegen äußerte deutliche Bedenken gegen die Ausweitung der katholischen Gottesdienste über die Form des Privatgottesdienstes hinaus.1176 Der Magistrat der Stadt Coburg wies am 26. Juli 1805 darauf hin, daß in der Stadt selbst nur vier katholische Familien lebten, wovon nur eine mit einem halben Hause angesessen sei.1177 Minister Kretschmann ordnete daraufhin am 8. November 1805 in einem Schreiben an die Landesregierung an, daß die erbetene Erlaubnis unter bestimmten Auflagen zu erteilen sei.1178 In einem Bericht vom 2. April 1806 führte die Landesregierung dazu aus, es sei der Sache angemessener, den Katholiken einen Freiheitsbrief nach dem Muster desjenigen des Landgrafen Ludewig X.1179 von HessenDarmstadt aus dem Jahre 17901180 zu erteilen.1181 Kretschmann stimmte diesem 1173 BayHStA MA 89911, unfol. Diese Öffnung blieb Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 216 wohl unbekannt. 1174 StACo LReg. 4307 fol. 29 – 30. 1175 StACo LReg. 4307 fol. 28. Dies stellt keine Äußerung Franz Friedrich Antons dar, wie bei Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 216 behauptet. 1176 StACo LReg. 4307 fol. 32 – 34. 1177 StACo LReg. 4307 fol. 39’. 1178 StACo LReg. 4307 fol. 55 – 59’. 1179 Nach der Erlangung der Großherzogswürde 1806 Lud(e)wig I., regierte in HessenDarmstadt noch zur Zeit des Erlasses der Verfassung 1820. 1180 Siehe dazu Dagobert Karenberg, Die Entwicklung der Verwaltung in Hessen-Darmstadt, S. 65. 1181 StACo LReg. 4307 fol. 86’.

238

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Vorschlag am 6. April 1806 zu1182, sein Entwurf eines Freiheitsbriefs vom gleichen Tage1183 wurde mit unmaßgeblichen Änderungen am 26. April 1806 ausgefertigt.1184 Mit dem Freiheitsbrief gestattete der Landesherr den römisch-katholischen Einwohnern der Stadt Coburg1185 die öffentliche Abhaltung katholischer Gottesdienste in der Nikolaikapelle nachrangig zu evangelischen Gottesdiensten; darüber hinausgehende katholische Zeremonien und Prozessionen in der Öffentlichkeit blieben jedoch untersagt. Zur Unterrichtung in Glaubensfragen durfte ein eigener Lehrer angestellt werden. Für den nunmehr ausdrücklich erlaubten Übertritt zur katholischen Kirche bedurfte es einer Genehmigung der Landesregierung, der auch unter Ausschluß der Organe der römisch-katholischen Kirche die alleinige Aufsicht über die Ausübung des katholischen Kultus zustand. Von der Qualität erreichte Sachsen-Coburg-Saalfeld mit dieser Maßnahme zwar noch keine völlige konfessionelle Gleichberechtigung im Sinne eines exercitium publicum, da unter anderem eine echte Vergemeindung der katholischen Gläubigen fehlte, stand jedoch an vorderer Stelle unter den deutschen Kleinstaaten.1186 Andere Staaten, vor allem die übrigen sächsischen Monarchien, zogen damit erst nach ihrem Beitritt zum Rheinbund infolge einer dabei eingegangenen Verpflichtung nach.1187 Als beispielhaft für eine tatsächliche Gleichstellung evangelischer und katholischer Konfessionen zur Zeit dieses Freiheitsbriefes sind das bayerische Religionsedikt vom 10. Januar 18031188, das Dritte Organisations-Edikt „über StACo LReg. 4307 fol. 89. StACo LReg. 4307 fol. 90 – 92’. 1184 StACo LReg. 4307 fol. 113 – 115 = Coburger Wochenblatt Nr. 32 vom 9. August 1806, S. 131 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VIII, S. 8 ff. Die Datierung des (dort als Verordnung bezeichneten) Freiheitsbriefes auf den 24. April 1806 bei Eugen Bornhauser, Die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. 103 Fußnote 2 findet keine Stütze im noch vorhandenen Aktenmaterial. Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 88 übersieht diesen Freiheitsbrief offensichtlich. 1185 Für die Beschränkung der Einwohner auf die Stadt Coburg auch die Landesregierung in einem Bericht vom 2. April 1811, StACo LReg. 4308 fol. 5. Inwieweit es außerhalb der Stadt Coburg Einwohner katholischen Bekenntnisses gab, läßt sich nicht ermitteln. 1186 Dies übersieht Joseph Freisen, Staat und katholische Kirche in den deutschen Bundesstaaten, II. Teil, S. 363, der coburgische Toleranzregulative erst 1812 / 13 einsetzen läßt. 1187 Vgl. die Verordnung des (katholischen!) Königs von Sachsen vom 16. Februar 1807, abgedruckt bei Paul Oesterreicher (Hrsg.), Archiv des rheinischen Bundes, 1806, 5. Stück, S. 26 f.; Provisorisches Regulativ für Sachsen-Weimar-Eisenach vom 16. August 1811 bei StACo LReg. 4307 fol. 150 – 161’. 1188 Abgedruckt bei Theodor Kolde, Das bayerische Religionsedikt, S. 121 ff. Nachdem die Verordnung vom 26. August 1801 (RBl. 1801, Sp. 559 ff. = Ernst Rudolf Huber / Wolfgang Huber, Staat und Kirche, S. 59 f.) den Angehörigen anderer Konfessionen die Ansässigmachung erlaubt hatte, dehnte das „Edict die Religionsfreyheit in den churfürstlichen Herzogthümern Franken und Schwaben betreffend“ vom 10. Januar 1803 (RBl. 1803, Sp. 25 ff.) die „über Religions-Freyheit und Duldung“ für das altbayerische Gebiet erlassenen Vor1182 1183

VII. Weitere Reformen und Reformversuche

239

Religions-Uebung“ Badens vom 11. Februar 18031189 sowie das württembergische Religionsedikt vom 15. Oktober 18061190 anzuführen. 4. Militärreglement für Sachsen-Coburg-Saalfeld Unter dem 10. Mai 1806 wurde das „Reglement wegen der Militärpflichtigkeit in den Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Landen“ publiziert, dessen Notwendigkeit mit der Stellung des Reichskontingents begründet wurde.1191 Für alle Einwohner wurde eine generelle Militärdienstpflicht festgesetzt, frei vom Militärdienst blieb der Adel, bürgerliche Rittergutsbesitzer, Staatsbedienstete und die Einwohnerschaft der Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck. Daher bedurften sämtliche Militärpflichtigen für einen Umzug in eine dieser Städte einer Erlaubnis der Militärkommission. Die Einberufung erfolgte im Konskriptionsverfahren. Eine Mitwirkung der Landschaft am Erlaß dieser Rechtsnorm erfolgte nicht. 5. Neue Organisation der Bank Durch das „Organische Bankgesetz“ vom 24. Juni 18061192 wurde unter Aufhebung der Bankordnung vom 6. April 1802 aus dem Staatsinstitut eine Privatanstalt des herzoglichen Hauses unter der Firma „Herzoglich Sachsen-CoburgSaafeldische Bank“ geschaffen, um Risiken infolge der politischen Situation und der sich nähernden französischen Truppen zu vermeiden.1193 § 2 Abs. 2 hob die bisherige Belastung der Ämter Saalfeld, Gräfenthal und Probstzella als Sicherheiten des Bankvermögens1194 auf. Durch § 19 wurde Minister Kretschmann die Direktion der Bank auf Lebenszeit übertragen. Die Tätigkeit der Bank beschränkte sich praktisch auf die einer Beteiligungsgesellschaft an Fabrikinstituten1195, später folgte wie bei der Ansbacher Hofbank1196 ein erfolgreiches Wechselgeschäft.1197 schriften auf die neuerworbenen Gebietsteile aus. Damit endete in Bayern die Diskriminierung der Christen nach der Konfession, die Berücksichtigung der Gewissensfreiheit ermöglichte eine eigene Vergemeindung bei ausreichender Zahl an Gläubigen. – Zur Entwicklung in Bayern vgl. allgemein Wilhelm August Patin, Das bayerische Religionsedikt vom 26. Mai 1818, S. 61 ff. sowi Eberhard Weis, Montgelas, Zweiter Band, S. 249 ff. 1189 Abgedruckt in Organisation der Badenschen Lande. 1190 Abgedruckt bei Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, Erster Band, S. 377 ff. = Ernst Rudolf Huber / Wolfgang Huber, Staat und Kirche, S. 72 ff. Dieses Edikt statuierte die Gleichbehandlung der drei christlichen Konfessionen. 1191 StACo LReg. 3866 fol. 19 – 42’. 1192 StACo Urk LA A 931 = StACo LA F 5333 = StACo LA K 8 fol. 2 – 5’ = StACo LA L 553. 1193 Vgl. Kretschamnns Bericht bei StACo Min E 3808 fol 6. 1194 Siehe dazu oben II.3.e). 1195 Ab den 20er Jahren des XIX. Jahrhunderts.

240

B. Erste Reformvorhaben bis zur napoleonischen Epoche

Damit nahm die coburgische Bank eine zur preußischen Seehandlung gegenläufige Entwicklung: Während in Preußen aus dem Handels- ein Staatsbankinstitut wurde1198, wurde die coburgische Bank vom Staatskredit- zum fürstlichen Handelsinstitut.

1196 Siehe dazu Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in AnsbachBayreuth, S. 253. 1197 Details bei Manfred Just, Die herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische Staatsbank, S. 56 ff. 1198 Zur Entwicklung der Seehandlung vom Handels- zum Bankunternehmen siehe Paul Schrader, Die Geschichte der Königlichen Seehandlung, S. 1 – 4; Hermann Schleutker, Die volkswirtschaftliche Bedeutung der königlichen Seehandlung; Walther Hubatsch, Aufbau, Gliederung und Tätigkeit der Verwaltung in den deutschen Einzelstaaten, S. 182.

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit Trotz großer Hoffnungen und zahlreicher Versuche führten die Maßnahmen in Sachsen-Coburg-Saalfeld unter französischer Vorherrschaft weder zu einer Verfassunggebung noch zu einem Territorialgewinn. Änderungen im Verwaltungsbereich blieben – mit Ausnahme des Abschieds von Minister Kretschmann – marginal.

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons 1. Erlangung der Souveränität und erste französische Besetzung Durch das Verschwinden der Reichshoheit infolge der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation am 6. August 1806 erlangten die deutschen Staaten, sofern sie zu diesem Zeitpunkt nicht bereits dem Rheinbund angehört und ihren „Austritt“ aus dem Reich erklärt hatten1, volle staatliche Souveränität.2 Die bestehenden Verfassungen der einzelnen Rheinbundstaaten waren hiervon nach wohl herrschender Meinung grundsätzlich nicht betroffen3, obwohl teilweise die Existenz von Landständen als mit dem Prinzip der landesherrlichen Souveränität unvereinbar angesehen wurde.4 1 Siehe dazu Wolfgang Quint, Souveränitätsbegriff und Souveränitätspolitik in Bayern, S. 37, 212 ff. Zur (mangelnden) Souveränität der Rheinbundstaaten siehe Wolfgang Quint, ebd. S. 273. 2 Die Erlangung der Souveränität wurde in Sachsen-Coburg-Saalfeld besonders herausgehoben, vgl. Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 120 f. – Zur Publikation der erlangten Souveränität siehe unten 4. Zur (mangelnden) Souveränität im Reich siehe Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 14, S. 26, 249; Wolfgang Quint, Souveränitätsbegriff und Souveränitätspolitik in Bayern, S. 28 ff. und Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 230; allgemein zur Erlangung der Souveränität 1806 Peter Michael Ehrle ebd. S. 229. 3 Günther Heinrich von Berg, Abhandlungen zur Erläuterung der rheinischen Bundesacte, S. 210 ff.; Johann Ludwig Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, S. 55 ff. 4 Vgl. die Darstellung bei Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 121. – Die juristische Herleitung findet sich bei Nicolaus Thaddäus Gönner, Von den Veränderungen, welche der Umsturz der teutschen Staatsverfassung an den vormaligen Particular-Staatsrechten einzelner Reichslande im gegenwärtigen Zustand ihrer Souveränität hervorbringt, S. 6 ff.: „In demselben Momente, wo die Reichsgesetze als unkräftig erklärt wurden, war auch die rechtliche Existenz der Landstände vernichtet, und kein historischer Grund vermag sie zu retten. ( . . . ) Nach diesen Gründen beherrschen denn die Regenten alle ihre neu souveränen Lande in der Gesammtheit und

242

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Nachdem die Hofhaltung vom 2. bis 14. Oktober 1806 auf Rat Erbprinz Ernsts zum Schutz vor einem möglichen Einmarsch französicher Truppen in den Coburger Landesteil nach Saalfeld verlegt worden war5, kam es ab dem 7. Oktober 1806 zu einem Ein- und Durchmarsch französischer Truppenteile von Schweinfurt über Coburg nach Saalfeld.6 Als erobertes Land7 unterstand Sachsen-Coburg-Saalfeld von November 1806 an dem französischen Intendanten des ersten sächsischen Arrondissements, Unterinspekteur8 Pierre François Villain, mit Sitz in Naumburg.9 Dieser belegte am 7. November 1806 den coburgischen Staat mit einer Kontribution von 885.000 Francs.10 Die Prämissen für die Fortführung der Verwaltung im 1. Arrondissement durch die bisherigen Behörden unter Beachtung der iura quaesita übermittelte Villain in einem Schreiben vom 9. November 1806: „Le Respect des personnes et des propriétés est garanti et mis sous la Responsabilité des autorités de police & judiciaires du pays et sous la protection de l’armée française et alliée. Le Cours de la Police et de la Justice est maintenu dans toute sa vigueur leurs Agents soustenus par la Volonté de Sa Majesté l’Empereur et la force de ses armées, sont doublement Responsables de tout Evenement, qui troublerait le Bon Ordre et compromettrait l’administration du pays et le Service des Armées française et alliées. ( . . . ) L’Intention de Sa Majesté étant que l’administration du pays soit paternelle et régulière.“11

Am 12. November 1806 folgte das „Règlement d’administration pour déterminer les Rapports de l’Intendant du premier arrondissement de la Saxe avec les ohne Unterschied mit vollkommener Souveränität, die Regierungsform dieser neuen Staaten ist rein monarchisch, ( . . . ) der jetzige Herrscher ist souveräner Monarch, und frey von allen Fesseln des Reichsverbands, an welche auch die besondern Staatsrechte gekettet waren. Alle ältere Particularstaatsrechte haben demnach mit dem Umsturz der teutschen Verfassung durch den rheinischen Bund ihr Daseyn verlohren.“ 5 Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 27, 30. 6 ThStAMgn Kreis Saalfeld 1662 in toto; Johann Adolph von Schultes, Sachsen- CoburgSaalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 113 ff.; vgl. auch die Schilderungen bei Armin Human, Napoleonische Zeit und nationale Freiheit, S. 33 ff. und Harald Bachmann, „. . . all diese kleinen Fürsten werde ich davonjagen!“, S. 177. 7 Zur Existenzgefährdung Sachsen-Coburg-Saalfelds siehe Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 23 ff. 8 Der französische Titel sous-inspecteur aux revues (wörtlich: Musterungsunterinspektor) bezeichnete einen verantwortlichen Finanzbeamten im Militärbereich. 9 Für das (gesamt-)sächsische Gebiet waren zur Verwaltung insbesondere der Kontributionen und Requisitionen die vier Arrondissements Naumburg, Leipzig, Dresden und Wittenberg errichtet worden, vgl. Johann Adolph von Schultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 116. Die Verwaltung der pays conquis durch Intendanten bei Beibehaltung der Landesverwaltungsstruktur war üblich, vgl. Eduard Deuerling, Das Fürstentum Bayreuth unter französischer Herrschaft, S. 14 f. 10 StACo LReg. 11888 fol. 4; deutsche Übersetzung bei Armin Human, Napoleonische Zeit und nationale Freiheit, S. 75. 11 StACo LReg. 11892 fol. 4, 4’ = ebd. fol. 9, 9’; deutsche Übersetzung bei Armin Human, Napoleonische Zeit und nationale Freiheit, S. 40.

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons

243

Régences et Cercles de cet arrondissement et les compter à lui rendre par ceux-ci“ vom 11. November 1806.12 Dieses Administrationsreglement bezog sich in erster Linie auf finanzielle Fragen und setzte fest, daß bis auf weiteres alle Einnahmen im Namen Kaiser Napoleons einzuziehen waren. Finanzielle Endentscheidungen in den besetzten Staaten blieben der französischen Intendantur vorbehalten, für die Ausführung der französischen Anweisungen waren sämtliche Angehörigen der Finanzbehörden persönlich verantwortlich. Alle zehn Tage mußten die öffentlichen Kassen der französischen Intendantur Kassenrapporte vorlegen. Diese Vorschriften sollten sowohl für Steuer- und Gebührenkassen als auch für die Einkünfte der Landesherren aus Domänen, Manufakturen und Fabriken gelten. Die Intendantur war allen Behörden der besetzten Staaten vorgesetzt, allerdings sollte der bisherige Verwaltungsaufbau erhalten bleiben. Die Korrespondenz mit der Intendantur war ausschließlich in französischer Sprache zu führen. Aufgrund der Umwandlung der Bank von einer Staats- in eine Privatanstalt13 blieb diese als herzogliches Privateigentum während der gesamten Zeit der französischen Besatzung unversehrt, während alle anderen Staats- und Domanialkassen der Beschlagnahme unterlagen. Damit blieb die Bank in dieser Zeit die einzige zahlungsfähige Institution des Fürstentums Sachsen-Coburg-Saalfeld.14 Durch Schreiben vom 13. November 1806 erhöhte Villain die Kontribution für Sachsen-Coburg-Saalfeld auf 981.170 Francs, wovon ein Drittel innerhalb von zehn Tagen zu zahlen war.15 Der Darstellung Villains zufolge entsprach das Verlangen nach sofortiger Zahlung einem Befehl Napoleons, die Fristsetzung (und damit teilweise Stundung) habe Villain unter eigener Verantwortung vorgenommen.16

2. Kriegsbedingte Einwirkungen auf die Verwaltung a) Errichtung von Marsch- und Molestienkassen Um Kontribution und übrige Kriegslasten auf alle Staatsglieder verhältnismäßig zu verteilen – so in der Präambel als Begründung angeführt –, setzte die Landesregierung am 16. November 1806 ein „Reglement zur Entschädigung der Kriegs12 StACo LReg. 67 fol. 2 – 7’ = ThStAMgn GA VIII.5 fol. 16 – 23’, gedruckt bei StACo LA K 387 fol. 2 – 7’ = StACo LReg. 3866 fol. 75 – 80’ = ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1 Nr. 9 / 1. 13 Siehe dazu soeben B.VII.5. 14 Vgl. Manfred Just, Die herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische Staatsbank, S. 89, 92. 15 StACo LReg. 11888 fol. 35, 35’ = ebd. fol. 37 = StACo LReg. 3866 fol. 83 = StACo LA L 493 fol. 1 = StACo LA F 5115 fol. 1’ = ThStAMgn Landtag 1383, unfol. = ThStAMgn Kreis Saalfeld 1668, fol. 2 = ThStAMgn Kreis Hildburghausen 1792 fol. 11 = Landesbibliothek Coburg Tb 116, unfol. (in den Abdrucken teilweise falsch auf den 15. November datiert). 16 Schreiben Villains vom 14. November 1806, StACo LReg. 11890 fol. 35, 35’ = ThStAMgn Kreis Hildburghausen 1787 fol. 2’, 3.

244

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

lasten für die Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande“ in Kraft.17 In diesem wurde ein Entschädigungsanspruch für einzelne, die unverschuldet infolge kriegsbedingter Einwirkung Verlust am Eigentum erlitten hatten, festgesetzt, wobei der Schaden ausdrücklich nicht den entgangenen Gewinn umfaßte. Die Entschädigung sollte aus Beiträgen aller Einwohner, in erster Linie der Grundeigentümer, finanziert werden. Auch eine eventuelle Steuerfreiheit des Bodens konnte nicht von der Abgabepflicht befreien, da diese allenfalls für ordentliche, aber nicht für außerordentliche Staatslasten gelten könne. Befreit von der Beitragsleistung waren allein Dienstboten, Arbeiter und Handwerksgehilfen hinsichtlich des empfangenen Lohns. Zur Verwaltung der Beiträge wurde eine der Landesregierung nachgeordnete „allgemeine Marsch- und Molestien-Kasse“18 (später „General-Marsch- und Molestienkasse“19) mit Sitz in Coburg, der wiederum Spezialkassen („SpezialMarsch- und Molestienkassen“) bei den Ämtern Coburg, Gräfenthal, Saalfeld und Themar sowie bei den Magistraten der Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck nachgeordnet wurden. Die Landschaft bot am 17. November 1806 den Einwohnern öffentlich eine zu 5 Prozent p.a. verzinsliche Anleihe zum Zwecke der Zahlung der Kontribution an20, was augenscheinlich eine stärkere Beteiligung der Landstände an der Finanzverwaltung ermöglichen sollte. Bereits zwei Tage später, am 19. November 1806, bot die Ritterschaft die Zahlung der „ihr zugeteilten Contributionsbeiträge“ an, wobei eine Sammlung der Beträge durch eine landständische Behörde ausdrücklich vorgeschlagen wurde.21 Dies erschien Kretschmann nicht als ausreichend: Da er infolge des Besatzungsrechts für die Abwicklung der Kontributionszahlung persönlich verantwortlich war, sollten alle Zahlungen an die unter Aufsicht des Ministers stehende Marsch- und Molestienkasse erfolgen.22 Am 18. November 1806 eröffnete Kretschmann unter dem Briefkopf „Präsidium der Herzoglichen Landesregierung“ den Kammerämtern, der Landeskasse und der Hauptdomänenkasse deren Verpflichtung zur periodischen Berichterstattung über die finanzielle Situation an die französische Intendantur.23 Die Kassen sollten folglich alle zehn Tage einen Rapport aus dem Journal ziehen und nach 17 StACo LReg. 3866 fol. 45 – 58 = StACo LA F 5114 fol. 1 – 12’ = StACo LA L 491 = StACo LA L 978 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band X, S. 6 ff. 18 Eine Errichtung von Marsch- und Molestienkassen wohl nach brandenburgischem Vorbild hatte Minister Kretschmann bereits in seinem ersten Verfassungsentwurf beabsichtigt, siehe oben B.IV.2.d)dd). 19 Bezeichnung wohl erstmals verwendet in einem Schreiben vom 19. November 1806, StACo LReg. 11895 fol. 4. 20 StACo LReg. 11888 fol. 59 = Stadtarchiv Coburg A 7270, unfol. 21 StACo LReg. 11888 fol. 80 – 82, vgl. dazu auch das Protokoll der Sitzung des engeren Ausschusses vom gleichen Tage bei StACo LReg. 541 fol. 21, 21’. 22 Schreiben vom 20. November 1806, StACo LReg. 11888 fol. 83 – 84’. 23 Siehe dazu soeben 1.

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons

245

einem vorgegebenen Muster anfertigen.24 Solche Bestandsmeldungen erarbeiteten die Unterbehörden vom 20. November 1806 bis zum 21. Dezember 1806.25 Am gleichen Tage bestätigte Kretschmann dem Intendanten Villain den Empfang des Administrationsreglements und der Kontributionsforderungen: „J’ai l’honneur de vous assurer Monsieur la reception de la depêche du 14 Nov. qui est arrivé le 16 et qui concerne les contributions de guerre imposées au pauvre petit pays de Coburg. Pour exécuter sans delai les ordres j’ai fait une repartition au tout aux personnes et aux localités, j’ai fixé pour le payement le terme de 10 jours pour le premier tier et j’ai representé aux sujets desesperés le danger imminent dans le cas de non payement. Si vous pouviez voir le misère qui s’est repondu sur tous les districts de notre petit pays, après que cet ordre fut publié vous seriez sans doute affligé. Il y a des districts considerables qui sont totalement pillés qui n’ont ni pain ni pommes de terre dont le desespoir est au comble. ( . . . ) Monsieur soyez sur, les habitants de Cobourg ont la plus bonne volonté mais ils sont hors d’état de pouvoir procurer la somme desirée. ( . . . ) Peutêtre le premier tier de la contribution desirée sera payé dans 10 jours mais il n’est sera pas possible de le livrer en numeraire.“26

Am 19. November 1806 führte Kretschmann in einem „Mémoire sur le réglement d’administration“ mit dem Briefkopf „Chef Président de la Régence du pays“ an Intendant Villain aus: „Aussitot après la réception du réglement d’administration, je me suis empressé de le mettre en exécution. J’ai fais faire un état général de tous les revenus publics sur la base des comptes. ( . . . ) Il y a quatre anns que le petit pays de Cobourg qui fait une partie de la principauté de Cobourg fut delivré d’un sequestre impérial. ( . . . ) Pendant qu’une Commission imperiale a administré les finances; la police et la Justice furent dirigées par le duc lui-même. Au lieu d’un point central qui était indispensable, chacun ne cherchant que son interet particulir, il régnait dans toutes les administrations le plus affreux désordre. J’ai eu la Comission desauver la famille ducale de retablir les finances de rendre superflue la commission impériale. Après beaucoups d’activités beeaucoups de chagrins j’ai réusi. Mais il est impossible d’organiser un état aussi delabré que Cobourg dans si peu de temps, da payer sitot des dettes enormes avec si peu de revenus. ( . . . ) Pour satisfaire aux requisitions des armées prusiennes et françaises le pauvre pays fut obligé d’augmenter les dettes; pendant que la marche de deux armées ne permettait pas d’augmenter les revenus. ( . . . ) La caisse général a fait le rapport ( . . . ) sur sa situation. Elle est la seule qui a quelque argent. Mais si elle etait obligée de l’envoyer à Naumbourg, avec quoi après payer les besoins pour l’administration.“27

Villain teilte am 20. November 1806 mit, daß die festgesetzte Kontribution nunmehr in drei gleichen Teilbeträgen, fällig am 1. Dezember 1806, am 15. Dezember 1806 und am 1. Januar 1807, zu zahlen sei.28 24 25 26 27

StACo LReg. 46 fol. 8 – 9. StACo LReg. 46 fol. 12 – 129. StACo LA A 6195 fol. 5, 5’. StACo LA A 6195 fol. 7 – 8’.

246

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Unter dem 21. November 1806 konnte Kretschmann schließlich das erste Drittel der coburgischen Kontribution nach Naumburg senden.29 Mit der Behauptung, um Kontributionserleichterungen bitten zu wollen, folgten die Landstände Hendrich und Imhoff dem Geldtransport.30 b) Beschlagnahme der Landeskasse durch Kretschmann Die Festsetzung der alleinigen persönlichen Verantwortlichkeit durch die französischen Reglements nutzte Kretschmann dazu, die Existenz der seinem Finanzsystem entgegenstehende und entgegenhandelnde Landes- und Kriegskasse zu beenden. Am 21. November 1806 wurde der im Privathaus des Landeskassiers Schmuzer lagernde Kassenbestand nebst Rechnungsbüchern beschlagnahmt.31 Unter dem 23. November 1806 berichtete Kretschmann Intendant Villain von dieser Tat und warnte vor der landständischen Abordnung: „Selon le réglement d’administration art. 5 je me trouvais responsable de l’exactitude des comptes qui devoient être rendus à l’Intendance ainsi que la perception regulière des revenus et de leur versement exacte dans la caisse du receveur général à Naumbourg. Cette responsabilité m’oblige de mettre sans le sequestre la caisse, soit disant, de guerre dont le reçeveur dépendait dans quelques parties de la noblesse ou des États provinciaux du pays sans quelques relations. En examinant les comptes, j’y trouvai le plus grand desordre, ce qui m’engagea à suspendre les services du reçeveur et de confier provisoiremen à un autre l’administration de cette caisse. Les deputés provinciaux déjà irrités des mesures que j’avais été obligé de prendre pour l’execution du premier tiers de la contribution, saisirent cette occassion de se venger; pour y réusir ils ont résolu d’envoyer une deputation près de Vous peutetre dans la Personne du Conseilleer intime de Hendrich connu pour un des plus grands ennemis du gouvernement, afin de porter plainte contre la forme et les mesures que j’avais été forcé de prendre. Ce M. Hendrich se trouve hereux de profiter de cette occassion pour faire suspendre un procès criminel contre Sa Personne, pendant devant le tribunal de la Justice. C’est à Vous Monsieur l’Intendant de recevoir et de traiter cette députation comme elle le mérite, il pourra bien arriver que tandis que je me crois obligé de Vous accuser cet événement, le tribunal de la Justice sera dan le cas de Vous faire son rapport sur un cas aussi imprévu. Je ne veux rien négliger pour exécuter vos ordres; mais Vous concevez Monsieur que j’ai besoin d’instructions très détaillées pour les remplir avec autant de fidelité que de promptitude. 28 StACo LReg. 11890 fol. 36, 36’ = StACo LA L 393 fol. 2 = StACo LA F 5115 fol. 2 = Landesbibliothek Coburg Tb 116, unfol. 29 Auftrag an Hartleben bei StACo LReg. 11901 fol. 10, 10’; Begleitschreiben bei StACo LA A 6195 fol. 12. 30 Vgl. StACo LReg. 11901 fol. 11 – 17’, StACo LReg. 541 fol. 7. 31 Siehe Rechnungsbuch der Landes- und Kriegskasse bei StACo LReg. 12680, Quittungen in Schmuzers Kassenjournal StACo LReg. 12682 fol. 11’ sowie bei StACo LReg. 12683 fol. 1. – Falsch daher die Ausführungen Karl Bohleys (Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 47), wonach über die Beschlagnahme der Landes- und Kriegskasse weder Nachrichten noch Aktenstücke vorlägen.

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons

247

Faites moi connaître si je dois observer la forme ancienne pretendre des affaires disputées jusqu’ici du gouvernement et totalement anéantie par les changements politiques arrivés en Allemagne et que la noblesse imperiale du pays demande pour administrer la police & les finances, alors le pouvoir executif se trouverait anéanti dans tuotes les branches de l’administration et taut autre arrangement quel avantageux qu’il puisse être, deviendrait inutile et impossible.“32

Am 22. November 1806 antwortete der Intendant auf Kretschmanns früheren Brief vom 19. November 1806, daß er dessen Maßnahmen zur Befolgung des Administrationsreglements durchweg gutheiße.33 Diese Ansichten bestätigte Villains Sekretär Johannes Falk34 in einem weiteren Schreiben vom 9. Dezember 1806: „Der Herr Intendant läßt Ihren Talenten, ( . . . ) Ihrer Geschäftsthätigkeit und Promptitüde volle Gerechtigkeit widerfahren. Ebenso ist er mit ihren Principien, wie die Contribution von Eigenthum oder von Capital bezogen wird, völlig einverstanden. Es sind dieses die Grundsätze einer jeden rechtlichen Besteuerung, von denen zu hoffen ist, daß sie bald durch ganz Deutschland, als allgemein geltend, zum Trotz verjährter und hartnäckiger Vorurtheile, anerkannt werden möchten. Im Krieg mit dieser, mein Herr Minister, möchte wohl die hiesige Intendantur die letzte Instanz seyn, Ihnen Hinternisse in den Weg zu legen.“35

Diese Antwortschreiben dienten Kretschmann neben den Reglements als Rechtfertigung für die Beschlagnahme.36 Die Mitglieder des Engeren Ausschusses beschlossen daraufhin auf einem Ausschußtag am 6. Dezember 1806 in Coburg, eine Delegation an die Intendantur in Naumburg zu senden, deren Mitglieder die Forderung nach einer Rückgabe der Landes- und Kriegskasse vortragen sollten.37 Für diese Positionen wurde Friedrich 32 StACo LReg. 67 fol. 88 – 89. Der erwähnte Art. 5 des Administrationsreglements hatte folgenden Wortlaut: „Les Receveurs généraux et particuliers, les chambres de finances, les Regences, les Directeurs du Cercle; sont responsables dans leurs personnes et dans leurs biens de l’exactitude des comptes qui seront rendus à l’intendance, de la perception reguliere des revenus, de leur versement exacte dans la caisse du receveur général de Sa Majesté à Naumbourg. Ils sont egalement résponsables de la situation de toutes les caisses au 15 octobre. Cette situation sera adressée généralement et particulierement à l’intendant dans le delai de rigueur de dix jours.“ 33 StACo LReg. 67 fol. 90. 34 Der weimarische Hofrat Falk war nach einem Schreiben Hartlebens aus Naumburg vom 1. Dezember 1806 von Christoph Martin Wieland an den Intendanten Villain empfohlen worden, StACo LA F 7360 fol. 15, dort auch eine Beschreibung von Villain und Falk. – Ein kurzer Lebenslauf Falks findet sich bei Fritz Kühnlenz, Weimarer Porträts, S. 293 ff. 35 StACo LA F 7358 fol. 1, 1’ (die Hervorhebungen entstammen dem Original). 36 Erschließbar aus dem Protokoll des Ausschußtages vom 6. Dezember 1806 (StACo Schloßarchiv Hohenstein A 40, unfol.). Auch nach einem Bericht der Landesregierung aus dem Jahre 1809 (StACo Min J 234 fol. 7) berief sich der (vormalige) Engere Ausschuß in einem Schreiben vom 15. Juli 1809 auf die „Wegnahme der landschaftlichen Kasse angebl. auf Befehl des Intendanten“. 37 Protokoll bei StACo Schloßarchiv Hohenstein A 40, unfol.

248

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Wilhelm von Speßhardt vorgeschlagen, der vom Coburger Syndikus Scheler begleitet werden sollte. An den Intendanten sollte folgender Wortlaut übermittelt werden: „Wäre ein Mann an der Spitze des Regierungs-Collegii, zu dem das Land Zutrauen haben könnte; so würde es gern die Leitung dieser Geschäfte in ihren Händen sehen, unter den vorliegenden Umständen aber müße es wünschen, lieber jeder anderen fremden Behörde unterworfen zu sein, als dem dermaligen Herrn Regierungs-Präsidenten von Kretschmann.“38

Nach Auffassung Hartlebens, der sich bereits in Naumburg aufhielt, werde aufgrund der allgemeinen Unzufriedenheit Falks mit dem Adel auch Hendrich keine gute Aufnahme bei einer derartigen Anfrage an die französische Intendantur zu erwarten haben. Dem fügte er hinzu: „Falk versicherte mich, daß er Ew. Exzellenz nicht nach den Ausstreuungen der Feinde, sondern nach Hochdero bekannten Verdiensten dem Villain und bei dem letzteren Aufenthalte auch Villemanzy zu Leipzig geschildert habe.“39

Die Landes- und Kriegskasse existierte zunächst als eigenständige (landesherrliche) Kasse weiter und benutzte auch diese Behördenbezeichnung40, bis sie dann über die Bezeichnung „Hauptdomainen- dann Landes- und Kriegs-Casse“41 zum Teil der Hauptdomänenkasse wurde. Die spätere Rolle der Landes- und Kriegskasse kann auch dem folgenden Schriftwechsel entnommen werden: Am 16. Dezember 1807 forderte die Landesund Kriegskasse ihre an die französische Verwaltung geleisteten Gelder vom Landesherrn zurück.42 Daraufhin verfügte Minister Kretschmann am 15. Januar 1808: „Indem die Landesregierung hiermit befehliget wird, sämmtliche von den Kammerämtern und der Hauptdomänenkaße zur Französ. Kaße gemachten Lieferungen und andere dahin geleisteten Zahlungen der Landes- und Kriegskaße debitiren und von dieser der Hauptdomainenkaße creditiren.“43

StACo Schloßarchiv Hohenstein A 40, unfol. StACo LA F 7360 fol. 15. 40 Vgl. das Schreiben der Landes- und Kriegskasse vom 31. Juli 1807 bei StACo LReg. 52 fol. 46. 41 Siehe Schreiben vom 25. November 1808, StACo LReg. 66 fol. 18. 42 StACo LReg. 54 fol. 4 – 5’. 43 StACo LReg. 66 fol. 5. Vollzug durch Schreiben der Landesregierung vom 27. Januar 1808 an die Landes- und Kriegskasse bei StACo LReg. 66 fol. 7’ – 8. Im Antwortschreiben vom 19. September 1808 bei StACo LReg. 66 fol. 10 firmiert die Kasse jedoch als „Herzogl. Landes- und Kriegskaße“. 38 39

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons

249

c) Reorganisation der Ämter Über die Auflösung des Justizamts Neustadt im Jahre 180144 hatten Stadtrat und Bürgerschaft der Stadt Neustadt bereits von Anfang an Beschwerden an Herzog Franz Friedrich Anton geführt.45 Ein Bericht der Landesregierung vom 30. April 1803 hielt diese für berechtigt, da die Stadt Neustadt infolge der Zusammenlegung des Justizamtes mit dem Justizamt Coburg gelitten und sich auch der Zustand des früheren Amtsgebietes verschlechtert habe.46 In einem Schreiben vom 3. April 1806 unterbreitete die Landesregierung den Vorschlag, nicht nur das Justizamt Neustadt unter Ausweitung des alten Amtsgebietes wieder zu errichten, sondern dort ebenfalls ein Kammeramt mit identischem Amtssprengel zu etablieren, auch in Rodach sollten ein Justiz- und ein Kammeramt neuerrichtet werden, als Folge aus dieser Neuordnung seien auch neue Forstamtsbezirke zu schaffen.47 Maßgeblicher Grund für diese Vorschläge war auch, daß hierdurch eine bessere Überwachung der jeweiligen städtischen Verwaltung ermöglicht würde: „So nothwendig und nützlich es für die Dorfschaften ist, ihren Beamten nicht sehr entfernt von sich zu haben, so ist es für die kleinen Landstädte eben so nothwendig und nützlich wenn sie in sich einen Fürstlichen Beamten haben. Die Stadträthe dieser kleinen Landstädte sind beynahe in der Regel Anomalien einer guten städtischen Verfaßung. Sie bestehen gewöhnlich mit Ausschluß ihres Syndici in Gewerbe treibenden Personen, besonders Bierbrauern und Beckern. Es ist also kein Wunder, wenn die Policey an solchen Orten in Rücksicht einiger der nothwendigsten Lebensbedürfniße wie Bier und Brod ist, nicht durchgreifen kann; die Policey befindet sich in Händen, die verliehren würden, wenn die Policey aufrecht gehalten würde. Die im Senat sitzenden Becker und Brauer sind dann wieder verwandt mit den Kaufleuten, Metzgern pp. ( . . . ) Dies gewinnt alles einer ganz anderen Ansicht und die Policey ein ganz anderes Gewicht dadurch, wenn ein Fürstl. Beamter, der außer allen jenen Verhältnissen steht, am Orte sich befindet und die Policey, wäre es auch nur mittelbar durch den Stadtrath leitet.“48

Auch sei es effektiver, Ämter in einer solchen Größe zu errichten, die es erlaubt, nur einen einzigen Bediensteten jeder Kategorie (Justizbeamter, Secretarius, Actuarius, Rendant, Controleur) einzusetzen, da jeder von diesen sodann für seinen Bereich umfassend zuständig sei und es keiner komplizierten Geschäftsbereichsabgrenzung bedürfe.49 Dazu siehe oben B.III.4.c)bb). Schreiben vom 7. August 1801 bei StACo Min F 1176 fol. 2 – 4’; vom 19. Oktober 1801 bei StACo Min F 1176 fol. 7 – 11’; vom 13. November 1801 bei StACo Min F 1176 fol. 27 – 36’; vom 26. Februar 1803 bei StACo Min F 1176 fol. 87 – 91. 46 StACo Min F 1176 fol. 95 – 102’. 47 StACo Min F 1190 fol. 3, 14. 48 StACo Min F 1190 fol. 5’, 6. 49 StACo Min F 1190 fol. 7, 7’. 44 45

250

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Neu zu bestimmen sei auch der gesamte Aufgabenbereich der Justizämter. Dieser sollte umfassen: die Wahrnehmung sämtlicher landesherrlicher Gerechtsame, Oberpolizei, Handwerkssachen (außer bei der Stadt Coburg, der diese verbleiben sollten), Marsch- und Einquartierungssachen sowie geistliche Untergerichtssachen. Die Centsachen unter Einschluß der „hohen Cent“, Zivilgerichtsbarkeit, niedere Polizei und Dorfsherrschaft sollte ebenfalls von den Justizämtern erledigt werden, soweit diese dem Herzog und nicht Vasallen zustand.50 Insbesondere die Städte sollten den Justizämtern in derartigen Angelegenheiten auch nachgeordnet werden.51 Die örtliche Zuständigkeit der Kammerämter sollte stets derjenigen des Justizamts folgen.52 Ein herzogliches Reskript vom 10. Mai 1806 stimmte diesen Vorschlägen – insbesondere der Aufteilung des Justizamtes Coburg auf nunmehr drei Justizämter Coburg, Neustadt und Rodach – grundsätzlich zu.53 Die Neueinteilung der Justizämter wurde jedoch erst im Januar 1807 verfügt und publiziert, dann aber mit der Veränderung der politischen Verhältnisse begründet.54 Auch diese Veränderungen führten zu Protesten. In einem Schreiben vom 15. Januar 1807 beschwerten sich Bürgermeister und Rat der Stadt Rodach, es werde „die hiesige Stadt dem zu Rodach neu organisierten Justitzamt untergeben und einverleibt, unser Syndicus als Actuarius diesem Justizamt beygegeben und wir ( . . . ) an die beyden Herren Beamten gewiesen und ihnen den Handschlag leisten sollen“,

die Stadt Rodach habe vielmehr durch Privilegien, Verträge und Rezesse ein Recht darauf, fürstlichen Ämtern nicht nachgeordnet zu werden.55 Hierauf antwortete die Landesregierung als Justizkollegium am 21. Januar 1807: „Wir sind keineswegs geneiget, Euch eure wahren und nachgewiesenen Gerechtsame in Zweifel zu ziehen oder ziehen zu laßen. Wir müßen aber auch von Euch erwarten, daß Ihr die Verhältniße der Unterthänigkeit gegen Uns nicht aus den Augen setzt, und daß Ihr nicht gegen wohlthätige Landes-Einrichtungen und gegen den Gang der Ordnung Euch auflehnt. ( . . . ) Was den Handschlag an den ernannten Justizbeamten zu Rodach betrifft, so habt Ihr solchen ohne alle Weigerung zu leisten; derselbe ist Unser commissarius perpetuus; er hat Euch jährlich in Pflichten zu nehmen, und Ihr leistet dabey jedesmal an denselben den Handschlag.“56

Dazu siehe oben B.I.4.e)ee)(3). StACo Min F 1190 fol. 11 – 21’. 52 StACo Min F 1190 fol. 23 – 30’. 53 StACo Min F 1190 fol. 39. 54 StACo Min F 1190 fol. 48 = StACo Ältere Justizbehörden 62 fol. 2. 55 StACo Ältere Justizbehörden 62 fol. 3, 3’ = Stadtarchiv Bad Rodach Abt. A Tit. X. Nr. 32, unfol. 56 StACo Ältere Justizbehörden 62 fol. 7, 7’ = Stadtarchiv Bad Rodach Abt. A Tit. X .Nr. 32, unfol. 50 51

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons

251

3. Tod Franz Friedrich Antons und Einsetzung einer Regentschaft für Herzog Ernst Nach dem Tode Herzog Franz Friedrich Antons am 9. Dezember 180657 bot Prinz Friedrich Josias Minister Kretschmann die Übernahme der Regierungsgeschäfte an, da sich Erbprinz Ernst noch im Ausland befand.58 Artikel XIV des Heiratsvertrages zwischen Franz Friedrich Anton und Auguste Caroline Sophie59 sah jedoch für derartige Fälle eine Vormundschaft und Regierungsübernahme durch die Herzogin vor. Die Landesregierung gab schließlich am 12. Januar 1807 bekannt, daß in Abwesenheit von Herzog Ernst seine Mutter Auguste als Obervormünderin und sein Bruder Ferdinand als nächster Erbfolger die verfassungsmäßige Regentschaft übernommen hatten, dennoch würden auch künftig alle Verfügungen im Namen des regierenden Herzogs erlassen.60

4. Beitritt zum Rheinbund a) Abschluß und Ratifikation des Beitrittsvertrages Der Beitrittsvertrag61 Sachsen-Coburg-Saalfelds und der übrigen ernestinischen Fürstentümer zum Rheinbund wurde am 15. Dezember 1806 in Posen unterzeichnet.62 Als Vertreter Sachsen-Coburg-Saalfelds war Oberbergrat Adolph Johann von Dankelmann vorgesehen. Wegen des Todes Franz Friedrich Antons traf dieser jedoch zu spät in Posen ein, so daß der Vertrag für Sachsen-Coburg-Saalfeld vom Gesandten Sachsen-Weimar-Eisenachs, Geheimrat Friedrich von Müller, in Vertretung Dankelmanns unterzeichnet wurde.63 57 Publikandum vom gleichen Tage bei ThStAMgn Kreis Hildburghausen 4289, unfol. = ThStAMgn Kreis Saalfeld 1138, unfol. 58 StACo LA A 5189 fol. 1 = StACo LA A 5187, unfol. = Ernst II., Aus meinem Leben und meiner Zeit, Erster Band, S. 4 f. Zu den Hintergründen siehe Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 30 f. 59 Abschrift bei StACo LA A 5187, unfol. 60 StACo LReg. 3866 fol. 72 = StACo LA F 4790 = ThStAMgn Kreis Saalfeld 1086, unfol. = ThStAMgn Kreis Saalfeld 1111, unfol. = ThStAMgn Kreis Hildburghausen 4294 fol. 2’. – Die Datierung der Thronfolge auf den 24. Juli 1807, wie bei Ewald Jeutter, Neue Nachrichten zu der Tätigkeit von Carl Alexander Heideloff, S. 167 geschehen, ist daher ebensowenig haltbar wie die Bezeichnung des Herzogs als „Ernst III.“. 61 Zu vereinfachend erscheint die Bezeichnung „Rheinbundvertrag“ bei Eugen Bornhauser, Die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. 103 Fußnote 1. 62 StACo LA A 6190 fol. 55 – 57 = ThStAGo Geheimes Archiv QQ.HH. Nr. I = Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, Zweiter Band, S. 42 f. – Offensichtlich falsch die Datierung des Rheinbundbeitritts auf 1807 bei Gerhard Müller, Nachbemerkung, S. XVI. – Zum (wohl vermuteten) Hintergrund der Aufnahme von Kleinstaaten in den Rheinbund vgl. Carl von Kaltenborn, Geschichte der Deutschen Bundesverhältnisse, 1. Band, S. 62 f.

252

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Durch diesen Vertrag wurden die sächsischen Fürstentümer in den Rheinbund aufgenommen (Art. 1). Den Herzögen wurden Sitze im Fürstenkollegium zugewiesen (Art. 2). Ausdrücklich wurde verboten, Militär auswärtiger, nicht dem Rheinbund angehöriger Mächte das Betreten des Staatsgebiets eines sächsischen Fürstentums zu gestatten (Art. 3), auch erfolgte die Festlegung des Militärkontingents der einzelnen Staaten (Art. 5). Besondere Bedeutung kam jedoch dem auf Initiative des nassauischen Ministers Johann Ernst Freiherr von Gagern aufgenommenen64 und nach dem Vorbild des Art. 5 der Beitrittsurkunde des Königreichs Sachsen65 gestalteten66 Artikel 4 zu, der in der für die Akzessionsverträge zum Rheinbund regulären Weise67 bestimmte, daß Angehörige des katholischen Bekenntnisses in den durchweg evangelisch-lutherisch geprägten sächsischen Fürstentümern in der Ausübung ihres Gottesdienstes den Protestanten gleichgestellt werden sollten und daß die Angehörigen beider Konfessionen hinsichtlich der Ausübung ihrer Rechte gleichzubehandeln seien. Dieser Passus beinhaltete nach seiner Formulierung jedoch nur das Versprechen künftiger Gleichstellung, nicht jedoch deren sofortiges Erfolgen.68 Da erst nach Abschluß dieses Vertrages das Ableben von Herzog Franz Friedrich Anton bekannt wurde, schrieb Friedrich von Müller am 22. Dezember 1806 nach Coburg, daß der französische Generalgouverneur Preußens, Clarke, der Ansicht sei, daß „im Nothfall die Ratification von dem Landes-Ministerio und dem Praesidenten der Regierung gemeinschaftl. geschehen könne.“69 Am gleichen Tag unterzeichneten jedoch bereits Auguste Caroline Sophie und Minister Kretschmann – ohne jeden Zusatz70 – die Ratifikationsurkunde.71 63 Mitteilung von Müller aus Posen an Kretschmann vom 16. Dezember 1806 bei StACo LA A 6190 fol. 39 – 40’, vgl. auch Müllers Unterschrift auf der Beitrittsurkunde (StACo LA A 6190 fol. 57) sowie Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, Zweiter Band S. 303 f. und die ausführliche Schilderung bei Friedrich von Müller, Erinnerungen aus den Kriegszeiten, S. 96 f. 64 So Carl von Kaltenborn, Geschichte der Deutschen Bundesverhältnisse, 1. Band, S. 63; vgl. auch Friedrich von Müller, Erinnerungen aus den Kriegszeiten, S. 91. 65 Abdruck bei Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, Erster Band, S. 465 ff. 66 Otto Bessenrodt, Die äußere Politik der thüringischen Staaten, S. 36. 67 Laut Burkhard von Bonin, Die praktische Bedeutung des ius reformandi, S. 101, und Karl Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands, S. 334, bei sämtlichen Beitrittsverträgen mit Ausnahme desjenigen für das Großherzogtum Würzburg, letzterer abgedruckt bei Anton Chroust, Das Großherzogtum Würzburg, S. 30 f. 68 Zur weiteren Entwicklung siehe unten IV.4. 69 StACo LA A 6190 fol. 43’. 70 Kretschmann hatte seit Beginn seiner Tätigkeit 1801 stets nur mit dem einleitenden Zusatz „Auf Allerhöchsten Spezial-Befehl“ bzw. „Auf Seiner (Herzoglichen) Durchlaucht Allerhöchsten Spezial-Befehl“, abgekürzt A.S.B., gezeichnet, vgl. bereits die Mitteilung der Generalvollmacht durch Herzog Franz Friedrich Anton vom 12. März 1801 oben unter B.III.1.b). Seit dem Tode Franz Friedrich Antons verwendete er häufiger die Bezeichnungen „Herzogl.

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons

253

Kretschmann teilte – mit dem Briefkopf „Präsident der Landesregierung“ – den Beitritt zum Rheinbund und die infolgedessen erlangte Souveränität am 23. Dezember 1806 den Justizämtern und Magistraten Sachsen-Coburg-Saalfelds mit.72 Am 31. Dezember 1806 übermittelte Dankelmann daraufhin aus Berlin die Nachricht, daß nunmehr auch Rheinbund-Protektor Napoleon den Posener Beitrittsvertrag ratifiziert habe.73 b) Folgen des Beitrittsvertrages aa) Einstweiliges74 Ende der französischen Besatzung Bereits zwischen Abschluß und Ratifizierung des Beitrittsvertrages teilte Intendant Pierre François Villain am 27. Dezember 1806 das Ende der französischen Verwaltung Sachsen-Coburg-Saalfelds offiziell mit.75 bb) Bildung eines einheitlichen „Herzogtums“ Sachsen-Coburg-Saalfeld? Nach Ansicht Karl Bohleys habe der Beitritt Sachsen-Coburg-Saalfelds zum Rheinbund eine (wohl verfassungsrechtlich gemeinte) „Vereinheitlichung der Staatsteile“ (gemeint wohl der beiden Landesteile Coburg und Saalfeld) zur Folge gehabt.76 Dem ist jedoch entgegenzutreten. Es liegen weder Anhaltspunkte für Sächs. Landesregierung“, „Präsidium der H. Sächs. Landesregierung“, „Präsident“ oder „Chef-Präsident der Landesregierung“, da seine Berechtigung zur Fortführung des Ministeriums bestritten wurde. So heißt es noch in einer ständischen Verteidigungsschrift aus dem Jahre 1809, es sei allgemein bekannt gewesen, daß infolge der Besetzung der Lande durch französische Truppen kein Landesministerium mehr existiert und die Intendantur zwar die Landesregierung und die anderen Behörden in ihren Geschäften belassen habe, aber das Landesministerium unter Kretschmann „niemals agnoscirt“ habe, StACo LReg. 3872 / I fol. 151, 151’. Das Hofgericht Wittenberg stellte dazu in seinem Urteil von 1809 / 1810 fest, daß „es sich nicht bezweifeln läßt, daß ein Minister als Staatsbeamter nach dem Tode des Landesherrn seine Funktion behalte“, jedoch „bekommt er doch durch so einen Todesfall keine größere Gewalt, als er vorher hatte“ (StACo LReg. 3872 / II fol. 93 = StACo Ältere Justizbehörden 221, unfol.). – Zum Urteil des Hofgerichts Wittenberg siehe detaillierter unten 6. 71 StACo LA A 6190 fol. 71. 72 StACo LReg. 1718 fol. 2. 73 StACo LA A 6191 fol. 2; Ratifikationsurkunde bei ThStAGo Geheimes Archiv QQ.HH. Nr. I. 74 Zur erneuten Besetzung Sachsen-Coburg-Saalfelds 1807 siehe unten 8. 75 StACo LReg. 1718 fol. 12, veröffentlicht durch Publikandum der Landesregierung vom 2. Januar 1807 mit dem Hinweis, daß zwar noch kein französischer Befehl zur Rückzahlung der erhobenen Kontributionsgelder vorliege, jedoch bereits verschiedene Vorstellungen Sachsen-Coburg-Saalfelds in dieser Sache eingereicht worden seien, StACo LReg. 3866 fol. 70 = ThStAMgn Kreis Saalfeld 1086, unfol. = ThStAMgn Kreis Hildburghausen 4295, unfol. 76 Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 135.

254

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Aufhebung der (ehemaligen) getrennten landständischen Verfassungen77 noch über eine sonstige Vereinheitlichung der rechtlichen Situation vor, auch wurde bis in das Jahr 1821 noch von einer deutlichen verfassungsrechtlichen Trennung der Landesteile Coburg und Saalfeld ausgegangen.78 Wohl auf einen – nicht durch Belege untermauerten – Nebensatz Armin Humans79 sind zwei von Autoren der zweiten Hälfte des XX. Jahrhunderts vertretene unrichtige Auffassungen zurückzuführen, die auch durch weitere moderne Werke Verbreitung fanden80: Nach Ulrich Heß habe der „Gesamtstaat ( . . . ) seit 1806 die Bezeichnung Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld“ geführt.81 Klaus Freiherr von Andrian-Werburg82 behauptet, infolge des Beitritts zum Rheinbund sei aus dem Fürstentum Sachsen-Coburg-Saalfeld ein „Herzogtum“ geworden.83 Dem ist entgegenzuhalten, dass lediglich in einem Publikandum vom 6. Januar 1807 verkündet wurde, daß der Herzog nunmehr den Titel „souveräner Fürst zu Coburg-Saalfeld“ (sic!) führe.84 Zwar wurde insbesondere in der beginnenden Rheinbundzeit im allgemeinen Sprachgebrauch die Bezeichnung „Herzogthum Sachsen-Coburg-Saalfeld“85 (ebenso wie in einer herzoglichen Anordnung vom 12. Juli 180786) verwendet, dies allein kann jedoch nicht als Grundlage einer Theorie vom einheitlichen „Herzogtum“ dienen, zumal da dieser Begriff bis 181887 für längere Zeit nicht mehr auftauchte und es ansonsten nicht mehr der Verordnung vom 20. Juni 182188 bedurft hätte.

Zur Frage der Aufhebung der landständischen Verfassung siehe sogleich 6. Siehe dazu unten D.IV.5.b). – In Kretschmanns Verfassungsentwurf aus dem Jahr 1807 (siehe dazu unten II.4.) war geplant, aus den bisherigen coburg-saalfeldischen Landen ein einheitliches Fürstentum (sic!) zu schaffen. 79 Napoleonische Zeit und nationale Freiheit, S. 43. – Ohne Quellenangabe wird von Detlef Sandern wiedergegeben, dass der Friede von Tilsit Sachsen-Coburg-Saalfeld die Bezeichnung Herzogtum gebracht habe (Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha, S. 25). 80 Beispielsweise Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 4, 32. 81 Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 39. 82 Der Minister v. Kretschmann, S. 50. 83 Jetzt ebenso Harald Bachmann, „. . . all diese kleinen Fürsten werde ich davonjagen!“, S. 181. 84 Passim zitiert bei Harald Bachmann, „. . . all diese kleinen Fürsten werde ich davonjagen!“, S. 182. – Zu diesem Publikandum siehe sogleich 5. 85 So beispielsweise Kretschmann in einem Bericht vom 10. Juni 1807 bei StACo LA F 5931 fol. 3 = StACo Min E 3871 fol. 28. 86 Textanhang Nr. 9 = StACo LA A 6193 fol. 17 = StACo LA 6185 fol. 14. 87 Siehe dazu D.III.4.c)dd). 88 Dazu näher unten D.IV.5.b). 77 78

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons

255

5. Ende der landschaftlichen Mitwirkung und beginnende Unruhen in Coburg Mit Schreiben vom 21. Dezember 1806 wandten sich Teile der Landbevölkerung an Intendant Villain und ersuchten um Erlaß von zwei Dritteln der SachsenCoburg-Saalfeld auferlegten Kontribution.89 Des weiteren protestierten sie gegen Kretschmanns Maßnahmen: „Die Unterzeichneten können ( . . . ) die errichtete Marsch- und Molestien-Caße nebst den individuellen Ausgleichungs-Plan des Regierungs-Präsidentens Herrn Ministers von Kretschmann, nicht als eine Wohlthat für sie, sondern vielmehr als eine Anstalt erkennen, welche ihnen die Lasten des Kriegs ohne Noth und wieder die Absicht Sr. Majestät vervielfältigen, und überdies das Mißtrauen erhöhen würde, welches die Unterzeichneten gegen die Verwaltung der öffentlichen Caßen iezt um so mehr geschöpft haben, seitdem sie wißen, daß die Landschafts-Caße, wohin ihre Abgaben fließen, der Landständischen Verwaltung ganz entrißen ist. ( . . . ) Die hiesigen Landstände ( . . . ) haben immer die angemeßensten Mittel zur Erleichterung außerordentlichen Lasten gewählt. Sie würden dieses auch iezt gethan haben, wenn man ihnen ihre Competenz, die Landschafts-Caße und ihren Credit das Heiligthum des Landes, unsere Verfaßung gelaßen hätte.“90

Unter dem 31. Dezember 1806 wurde dem Intendanten ein Umlauf übermittelt, den auch Schultheiße des Coburger Landes unterzeichnet hatten91: „Von Sr. Maj. dem Kaiser der Franzosen und König von Italien, erging, wie wir erfahren haben, ( . . . ) der allerhöchste Befehl: daß die Contribution nicht dem Herrn Minister sondern dem Lande zurückgezahlt werden solle. ( . . . ) Da die Herren Landständte und insbesondere der hochlöbliche engere Ausschuß derselben bekanntlich das Land repraesentiren und vertreten, so hegen wir das Zutrauen, daß sie als unsere repraesentanten und Stellvertreter von selbst gütigst besorgt seyn werden sich diese Gelder für uns zurück zahlen laßen werden ( . . . ). Sollte, wider Verhoffen, der geringste Zweifel darüber obwalten können so erklären wir die Unterthanen des Landes auf den Fall hierauf feyerlich, und ausdrücklich daß wir den Herren Ständen insbesondere dem löbl. Ausschuß derselben die Vollmacht hiezu ertheilt und die Wahl einiger Mitglieder hierzu unter sich lediglich ihrem weiteren Ermessen überlaßen haben wollen. Gleichwie wir sie um die Uebernahme dieses Geschäfts geziemend und anständig ersuchen, so leben wir übrigens der Hoffnung, daß sich Hochdieselben auch unersucht über unser bestes patriotisch angelegen seyn lassen werden, welches wir Zeitlebens Dank- und Verehrungsvoll rühmen wollen.“92

Auf den gleichzeitig erhobenen Vorwurf, durch die Gründung der Marsch- und Molestienkasse zur Verteilung der Kriegslasten93 sei eine neue Steuer eingeführt worden, reagierte Kretschmann am 1. Januar 1807 mit folgendem Publikandum: StACo LReg. 3874 fol. 37’ = StACo LReg. 3878 fol. 77’. StACo LReg. 3874 fol. 38, 38’ = StACo LReg. 3878 fol. 77’, 78. 91 So zumindest Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-CoburgSaalfeld, S. 48. 92 Abschrift bei StACo Schloßarchiv Hohenstein A 40, unfol. = StACo LReg. 3878 fol. 45, 45’. 93 Siehe oben 2.a). 89 90

256

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

„Die bessern Landeseinwohner überzeugten sich, daß ein gemeinschaftlicher Beitrag zur Bestreitung und Ausgleichung der Kriegslasten, an welchem selbst der Landesherr Antheil nimmt, keine Steuer seyn können ( . . . ). Sie erkannten die ungerechte Zumuthung, daß die arme an der Straße wohnenden Mitbürger ihren Verlust verschmerzen sollen, um die entfernter wohnhaften ruhige große Gutsbesitzer von Beyträgen zur Marsch- und Molestienkasse zu befreyen.“94

Ziel der Einführung der Marsch- und Molestienkassen ebenso wie des gesamten Entschädigungsreglements sei gewesen, die entstandenen Kriegsschäden auf alle Staatsbürger nach Maßgabe gleicher Lasten und Beiträge zu verteilen. In einem Publikandum vom 6. Januar 1807 verkündete die Landesregierung die nunmehrige Souveränität Sachsen-Coburg-Saalfelds nach dem Ende der französischen Besatzung.95 Diese „vollkommenste und fortdauernste Selbstständigkeit“ sei infolge des Beitritts zum Rheinbund entstanden.96 Unter Bezugnahme auf Art. 26 der Rheinbundakte97 wurde erläutert, daß die Souveränität der Rheinbundfürsten aus den Rechten der Gesetzgebung, der höchsten Gerichtsbarkeit, der hohen Polizei, der Steuererhebung und der militärischen Konskription bestehe. Wegen dieser Veränderungen führe Herzog Ernst fortan den Titel „Souveräner Fürst zu CoburgSaalfeld“. In diesem Publikandum war jedoch auch die Mitteilung enthalten, daß die Mitwirkung der Landschaft und des Engeren Ausschusses bei Gesetzgebung und Verwaltung infolge der Rheinbundakte ende, so daß durch dieses Publikandum in Sachsen-Coburg-Saalfeld ebenso wie zeitgleich in Baden faktisch der monarchische Absolutismus eingeführt wurde und die reformfeindlichen Landstände entmachtet wurden.98 Damit hatte Minister Kretschmann sein Ziel einer Monopolisierung politischer Herrschaft zu Lasten der Landstände – wie zur Jahrhundertwende deutschlandweit üblich99 – durchgesetzt. StACo LReg. 3866 fol. 60 = StACo LA F 5114 fol. 14 = StACo LA L 495 S. 3. Textanhang Nr. 6 = StACo LReg. 1718 fol. 7 – 11’ = StACo LReg. 3866 fol. 65 – 66’ = StACo LA A 6191 fol. 46 – 47’ = StACo LA F 4789 = StACo LA L 326 = ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1 Nr. 9 / 1 = ThStAMgn Kreis Saalfeld 1087, unfol. = ThStAMgn Kreis Hildburghausen 4293, unfol. = Landesbibliothek Coburg Tb 116, unfol. = Paul Oesterreicher (Hrsg.), Archiv des rheinischen Bundes, 1806, 3. Stück S. 12 ff. = Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, Zweiter Band S. 148 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band III S. 128 ff. 96 Zur tatsächlichen Situation siehe aber Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 230. 97 Abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 3 ff. = Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 28 ff. = Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 27 ff. – Ein Urkundenoriginal befindet sich nach Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns (Hrsg.), Bayern und Sachsen in der Geschichte, S. 234 bei BayHStA Bayern Urk. 1668. – Art. 26 lautete: „Les droits de souveraineté sont ceux de législation, de jurisdiction suprème, de haute police, de conscription militaire ou de recrutement et d’impôt“. 98 Dieter Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 60 f. 99 Siehe dazu allgemein Hans-Peter Ullmann, Staatsverwaltung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 132. 94 95

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons

257

Die verkündete Souveränität nutzte Kretschmann in einem weiteren Publikandum vom 6. Januar 1807 zur Repression aus.100 Diese Veröffentlichung ging ausdrücklich davon aus, daß sich der souveräne Landesherr und die ihn repräsentierende Landesregierung nicht auf Verhandlungen mit Gemeinden über Veränderungen von Rechtsnormen einlassen dürften und daß es der Rheinbundakte zuwiderliefe, wenn Gemeinden oder eine Korporation – damit waren offensichlich Landschaft und Engerer Ausschuß gemeint – an der Ausübung der Souveränitätsrechte Anteil nähmen. Infolgedessen wurde der Protest gegen allgemeinverbindliche Verordnungen, welche sich nicht nur auf Verhältnisse zwischen Privatpersonen bezogen, die Nichtbeachtung derselben oder die Anstiftung hierzu unter militärische Strafe gesellt. Für Staatsbedienstete, die solche Handlungen beratend unterstützten und die Täter nicht umgehend anzeigten, wurde neben dem Verlust der Dienststelle sogar die Ausweisung aus Sachsen-Coburg-Saalfeld angedroht. Öffentliche Sachwalter, wozu auch die Patrimonialgerichtshalter zählten, sollten im Falle der Beteiligung an den Taten ihre Befähigung zu öffentlichen Diensten verlieren. Über Form und Inhalt dieses Patents beschwerte sich die saalfeldische Landschaft in einer Eingabe an das Ministerium vom 26. Februar 1807: „Der strenge Innhalt des noch strenger ausgedrückten unterm 6. Jan. d. J. erlassenen Ministerialbefehls, veranlaßt und verbindet die getreue Landschaft in doppelter Hinsicht, theils wegen ihrer eignen Existenz als Landschaft, theils als Repraesentanten der Unterthanen, sich eine nähere Erläuterung jenes Befehls unterthänig zu erbitten. Es scheinen die gebrauchten Ausdrücke nicht undeutlich eine gänzliche Beyseitsetzung der Landschaftlichen Rechte in sich zu schließen, denn nach dem ebenfalls unterm 6ten Jan. emanirten Souverainitäts-Patent will auch das Recht Auflagen zu verfügen, zu den Souverainitäts-Rechten, gerechnet werden; das Publicandum aber ( . . . ) versagt allen Corporationen jeden Antheil an der Ausübung der sogenannten Souverainitäts-Rechte, es wäre also dadurch der Landschaft die Concurrenz bey Verfügung neuer Auflagen abgesprochen.“101

6. Aufhebung der landständischen Verfassung in Sachsen-Coburg-Saalfeld? Fraglich erscheint, ob über die Entmachtung der (coburgischen) Landstände hinaus102 die ständischen Korporationen in Sachsen-Coburg-Saalfeld ebenso wie in einigen anderen Rheinbundstaaten103 insgesamt als abgeschafft anzusehen waren. 100 Textanhang Nr. 7 = StACo LReg. 3866 fol. 68 = StACo LA F 5118 = StACo LA F 5211 = StACo LA L 496 = StACo LA L 519 / I = ThStAMgn Kreis Saalfeld 1086, unfol. = Landesbibliothek Coburg Tb 116, unfol. 101 ThStAMgn Kreis Saalfeld 1086, unfol. (die Hervorhebung entstammt dem Original). 102 Siehe dazu soeben 5. 103 Die Landstände wurden in Württemberg durch Verordnung vom 30. Dezember 1805 (Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 350), in Baden (für den Breisgau als einzigem Gebiet mit landständischer Verfassung) durch Verordnung

258

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Einzelne Behörden scheinen dies Ende Dezember 1806 / Januar 1807 öffentlich angekündigt zu haben, wie es Ernst Anton Carl von Imhoff noch in einem Schreiben an Herzog Ernst vom September 1807 als „die dem Lande angekündigte Staatsunrechtliche Nachricht, die Landschaft sey aufgehoben.“ bezeichnete.104 Imhoff führte aus: „Dem Herrn Ministre von Kretschmann ist nach dem Abschluß des Posener Friedens eingefallen, die Landstände aufzuheben, und kein einziger der Sächsischen Fürsten hat dies gethan – Er bezweckte die Veränderung der Verfaßung, er nahm de facto die Caße weg, schrieb die Steuern aus, ohne die Stände nur zu fragen, er errichtete eine molestien-Caße und handelte so aus eigener Machtvolkommenheit.“105

Auch Hendrich bezeichnete in einem Brief aus Frankfurt am 16. Juni 1818 Sachsen-Coburg-Saalfeld als den einzigen ernestinischen Staat106, in dem landständische Verfassung aufgehoben worden sei.107 Er war jedoch noch 1808 der Ansicht gewesen, durch Wegnahme der eigenen Kasse, unverwilligte Steuerausschreibungen und Nichtbeachtung durch die Verwaltung sei nur eine stillschweigende Aufhebung der coburgischen Landschaft erfolgt.108 vom 23. Mai 1806 (ebd. S. 459) und in Hessen-Darmstadt durch Dekret von 1. Oktober 1806 (abgedruckt bei Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, Zweiter Band, S. 388 f. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 669, unter der wohl falschen Datierung auf den 1. Oktober 1809 auch bei Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 379 f.; siehe dazu allgemein Dagobert Karenberg, Die Entwicklung der Verwaltung in Hessen-Darmstadt, S. 73 f.) abgeschafft. – In Bayern endete die landständische Steuerverwaltung infolge Verordnung vom 8. Juni 1807 (RBl. 1807, Sp. 969 ff.; siehe dazu Eberhard Weis, Montgelas, Zweiter Band, S. 373), während die landständischen Korporationen selbst erst durch Verordnung vom 1. Mai 1808 (RBl. 1808, Sp. 961 f.) aufgehoben wurden. – Laut Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 49 wurden die landständischen Verfassungen auch in Hannover, Braunschweig, Kurhessen und Lippe aufgehoben. – In den meisten Rheinbundstaaten blieben die Landstände mit ihrem bisherigen Wirkungskreis bestehen. Namentlich genannt werden können neben den österreichischen und preußischen Besitzungen Sachsen, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Schwedisch-Pommern, Waldeck-Pyrmont, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, die beiden Fürstentümer Reuß sowie die übrigen ernestinischen Staaten, siehe dazu näher Conrad Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 313 ff. und Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 371 f. 104 StACo Schloßarchiv Hohenstein A 9, unfol. 105 StACo Schloßarchiv Hohenstein A 9, unfol. 106 In Sachsen-Hildburghausen wurde durch eine Versicherungsurkunde des Herzogs Friedrich vom 5. August 1807 (Abdruck bei Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, Dritter Band, S. 485 f. = Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 372 f.) die Fortdauer der landständischen Verfassung ausdrücklich angeordnet. – Herzog Friedrich von Sachsen-Meiningen verwahrte sich 1807 öffentlich gegen ein Gerücht, welches ihm die Absicht der Auflösung der Landschaft unterstellte. – Im nunmehrigen Königreich Sachsen bestätigte König Friedrich August am 10. Mai 1807 die bisherige ständische Verfassung (Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 199 f.). 107 StACo Min M 20 fol. 3. 108 Zu dieser Äußerung siehe unten III.3.b)aa).

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons

259

Demgegenüber verwies die saalfeldische Landschaft in einer Eingabe an das Ministerium vom 26. Februar 1807 auf das ihr wiederholt gegebene Versprechen ihres Fortbestehens.109 Auch der spätere Geheime Konferenzrat Johann Ernst Gruner ging in einer Stellungnahme vom 20. Juni 1808 von der (Fort-)Existenz der Landschaft aus.110 In einer Verteidigungsschrift Imhoffs aus dem Jahre 1809 findet sich ebenfalls der Satz: „Die S. Koburgischen Landstände sind noch jetzt nicht aufgehoben.“111 Das Hofgericht und Schöppenstuhl zu Wittenberg stellte in einem Urteil von 1810 dazu fest: „Die Landstände waren zu der Zeit, wo diese Handlungen (gemeint Imhoffs Taten 1806 / 1807) erfolgten, nicht für aufgehoben zu achten. Denn daß die Aufhebung der Landstände eine sich von selbst zu verstehende Folge der Aufnahme des Herrn Herzogs in den Rheinischen Bund sey, kann mit Grunde nicht behauptet werden.“112

Das spätere Landesministerium setzte in § 11 der Instruktion für die Justiz- und Kammerämter in Sachsen-Coburg-Saalfeld vom 4. August 1810113 aber die Aufhebung der landständischen Verfassung voraus: „Eben so wenig dürfen die Aemter, da die Landschaften in Coburg und Saalfeld nach der durch Unsern Beytritt zu dem Rheinbund begründeten Staatsverfaßung Unserer Lande aufgelöset sind, eine Anmaßung eines ehemaligen Landstands, wodurch eine Fortdauer der Landschaftlichen Verhältniße angedeutet ( . . . ) werden wollte, dulden.“

Auch in der Sekundärliteratur werden verschiedene Ansichten vertreten: Johann Ludwig Klüber behauptet, die landständische Verfassung in SachsenCoburg-Saalfeld sei 1806 (sic!) aus landesherrlicher Machtvollkommenheit aufgehoben worden.114 Nach Peter Michael Ehrle sei „die altständische Verfassung der ehemaligen Fürstentümer Coburg und Saalfeld auch während der Rheinbundzeit erhalten“ geblieben.115 Zutreffend erscheint hier eine vermittelnde Position, wie sie bereits zeitgenössisch das Hofgericht Wittenberg in seinem Urteil von 1810 einnahm: „Zwar scheint der Eingang des Publicandi vom 6ten Januar 1807 ( . . . ) auf die Aufhebung der Landstände hinzudeuten, allein ( . . . ) ist dieses darin nicht deutlich verordnet worden ( . . . ).“116

ThStAMgn Kreis Saalfeld 1086, unfol. StACo 6209 fol. 6’, 9. 111 StACo LReg. 3872 / I fol. 164. 112 StACo LReg. 3872 / II fol. 68’ – 69’ = StACo Ältere Justizbehörden 221 unfol. = StACo Schloßarchiv Hohenstein A 11, A 13. 113 Siehe dazu unten IV.2.b). 114 Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, S. 372. 115 Volksvertretung im Vormärz, S. 133. 116 StACo LReg. 3872 / II fol. 69’, 70 = StACo Ältere Justizbehörden 221 unfol. = StACo Schloßarchiv Hohenstein A 11, A 13. 109 110

260

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

De iure kann von einer Aufhebung der landständischen Verfassung und der coburgischen Landschaft mangels eines förmlichen Aufhebungsaktes nicht gesprochen werden. De facto verschwand die coburgische Landschaft aber weitestgehend117 aus ihrer verfassungsrechtlichen Position in die Bedeutungslosigkeit118, während die erst seit dem Rezeß vom 4. Mai 1805119 bestehende saalfeldische Landschaft im Rahmen der Verfassungsdiskussionen der Jahre 1808 und nach 1815 zu einem Schattendasein erwachte.120 Vor allem blieb es dabei, „daß die Landschaftscaße der Landständischen Verwaltung ganz entrißen ist.“121 Erst ab 1810 gingen auch Behörden von einer durch den Beitritt zum Rheinbund veranlaßten Aufhebung der landständischen Verfassung aus.

7. Eskalation der Auseinandersetzungen a) Aufstand von Landständen und Bauern Die landständischen Vertreter wandten sich wiederholt bei übergeordneten französischen Stellen gegen coburgische Regierungsmaßnahmen. Am 7. Januar 1807 teilte der coburgische Gesandte Dankelmann nach Coburg mit: „Die Stände des Coburger Landes, deren Existens nach unserer neuen Verfaßung klar von der Gnade unserer Durchlauchtigsten Herrschaft abhängen wird, haben wieder hinter dem Rüken Dinge unternommen die ganz wieder den Geist der Antagonisten der guten Sache karakterisiren. Bei dem Abschluß der Tractats in Posen haben S. K. K. Majestät den Gesandten Duroc wissen lassen daß Höchstdieselben darauf bestünden, daß die Contribution den einzelnen Contribuenten wieder zurückgezahlt werden müße. Diese schon an und für sich bestimmte Sache muß in Rüksicht unseres Landes einiges Mistrauen um nicht zu sagen Widerspruch erregt haben und daher ist dem p Müller ausdrücklich vom p Duroc weil er für mich unterschrieb anbefohlen worden, dafür zu sorgen daß jene Willensbildung Sr K. K. Majestät auch bei uns ausgeführt wird. Diesen ausdrüklichen Befehl haben die Hrn. Abgeordneten von allen Höfen gehört und nicht ( . . . ) verfehlt, es den Hrn. Ständen mitzutheilen. Es haben daher diese wie Müller mir sagte an ihn nach Weimar einen Brief abgeschikt und ihn fragen laßen ob dies wahr sei und warum er nicht dafür sorge, daß solches geschähe. Daß dies ein Werk des Hrn. v. Erffa ( . . . ) ist bilde ich mir ein. Müller hat mir versprochen diesen Herrn nicht wieder zu antworten, weil er sich in fremde Angelegenheiten nicht mischen will. 117 Zur Beteiligung einzelner Landstände in der späteren Verfassungsdiskussion siehe unten III.3.b)aa); D.III.1.c); D.III.4.c)bb). 118 Heinrich Albert Zachariä spricht zu Recht von einem Ruhen der altständischen Verfassung (Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 647). 119 Siehe dazu oben B.V.3. 120 Siehe dazu unten III.3.b)aa); D.III.1.c). 121 Urteil des Hofgerichts Wittenberg von 1809 / 1810; StACo LReg. 3872 / I fol. 159’.

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons

261

Ich erfahre daß überhaupt gegen uns mancherlei Nachtheiliges im Werk gewesen ist. Die Stände haben wie ich höre durch den Meininger Abgesandten eine Art von förmliche Anklage so zu sagen gegen die Coburgische Verfaßung und blos der Herzog von Weimar Durchlaucht haben die Sache in Weimar unterdrükt. ( . . . ) Weimar wird ( . . . ) folgender Gestalt handeln: Es wird zwar die Ständische Verfaßung nicht aufheben wird Sie aber ganz nach Willkühr einrichten. Es wird aber den Hrn. Ständen hierbei zu erkennen geben, daß es sich alle Rechte vorbehält und nach Wohlgefallen ganz nach dem Inhalt der Rheinbundverfaßung handeln möchte.“122

Nach Ansicht des Hohensteiner Rittergutsbesitzers und Mitglieds des Engeren Ausschusses Ernst Anton Carl von Imhoff in einem Brief vom 8. Januar 1807 an seinen Kollegen Franz Josias von Hendrich123 sei der Engere Ausschuß aufgrund der zahlreichen Proteste aus der Bevölkerung dazu aufgerufen, Minister Kretschmann zu bekämpfen: „Beyverwahrtes mir so eben zugekommenes Schreiben an den Engern landschaftl. Ausschuß des hies. Fürstenthums Coburg eile ich zur Kenntniß des verehrl. landschaftl. Directorii hiermit zu übermachen. Da das Land den Engern Ausschuß als seinen ordnungsmäsigen Repraesentanten auffordert sein Bestes überall zu besorgen, so kann nur dieses meines Erachtens durch Entfernung H. Ministers von allen Regierungs-Geschäften, indem derselbe durch eigene Macht-Vollkommenheit keine Geseze geben, und das Land regieren kann,wozu er von dem H. Herzog keine Vollmacht hat, und eine Interims-Curatel bey Abwesenheit des H. Herzogs, u. durch vollkommene Herstellung der ursprüngl. Landes-Verfaßung bewirkt werden.“124

Am 10. Januar 1807 vereinigten sich Bauern aus dem Itzgrund zu einem Aufstand, den die französische Zeitung Le Publiciste wie folgt beschrieb: „Il y a eu ces jours passés quelques désordres à Cobourg. Dès que la nouvelle du rétablissement de la paix & de l’accession des duchés de Saxe à la confédération du Rhin y a été connue, quelques mauvais sujets on persuadé aux paysans que la contribution imposée au duché de Cobourg, & qui avoit été payée en grande partie, devoit, d’après le traité de paix, leur être restituée. En conséquence, ceux entre autres du district appelé l’Itzgrund, se porterent à Cobourg pour demander cette restitution aux auctorités locales, & y commirent quelques désordres. Cependant la tranquillité fut bientôt rétablie, sur-tout par les eforts de la duchesse douariere, qui a montré beaucoup de fermeté & de sagesse dans cette occassion.“125 122 StACo LA A 6191 fol. 31 – 34. – Kretschmann hatte in einem Brief an Arzberger vom 21. Dezember 1806 (StACo LReg 11891 fol. 44) mit einer von Napoleon und Dankelmann bereits angesprochenen Rückzahlung der Kontribution gerechnet. Zum Schicksal der Gelder siehe sogleich II.2. 123 Der Adressat ergibt sich aus StACo LReg. 3873 fol. 24’. 124 StACo LReg. 3874 fol. 47 = StACo Schloßarchiv Hohenstein A 9, unfol. = StACo Schloßarchiv Hohenstein A 40, unfol., auch zitiert bei StACo LReg. 3879 fol. 10’, 11. 125 Le Publiciste, Samedi, 24 Janvier 1807, Ausschnitt bei StACo LA A 6195 fol. 85’. Weitere Beschreibungen finden sich in einem Schreiben Kretschmanns an Dankelmann vom 10. Januar 1807 („über die Aufwiegelungen der Landschaft im Itzgrund und in den langen Bergen“, StACo LA A 6191 fol. 37, 37’ = StACo LA A 6195 fol. 48, 48’), in einem Brief Imhoffs an Herzog Ernst vom September 1807 (StACo Schloßarchiv Hohenstein A 9,

262

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Als wesentlichen Grund für diesen Aufstand bezeichnete Imhoff in einem Brief an Herzog Ernst vom September 1806 die vorgebliche Aufhebung der Landschaft, die Beschlagnahme der Landeskasse, die Ausschreibung der Kontribution ohne ständische Bewilligung und die „verfassungswidrige“ Einrichtung der Marschund Molestienkasse.126 In einem Zirkularschreiben an die Schultheißen des Amtes Coburg vom 10. Januar 1807 beschrieb Kretschmann die Hintergründe, die seiner Ansicht nach zum Aufstand geführt hatten: „Der heutige Vorgang mit mehreren Gemeinden aus dem Itzgrund hat den vollkommensten Beweiß dargelegt, daß die braven und bisher so gehorsamen Unterthanen des Amtes Coburg über mehrere Erscheinungen und besonders über die Rückgabe der Contribution von Naumburg, über die Aushebung der Rekruten, über die Einreichung ihrer Bittschriften und über mehrere Gegenstände durchweg falsch unterrichtet und irre geleitet worden sind.“127

b) Verhaftung Imhoffs Am 9. Januar 1807 wies Kretschmann die Festungskommandantschaft zur Verhaftung Imhoffs an: „Da der p. von Imhoff zu Hohenstein durch vorgefundene von ihm gefertigte Schriften, des Aufruhrs, und der Verletzung der Unterthans-Pflichten im höchsten Grade verdächtig, und wir vermöge der uns obliegenden Polizey-Pflichten verbunden sind, solche Unruhen zu strafen, so ersuchen wir eine löbl. Commandantenschaft alhier den von Imhoff sogleich oder Angesichts dieses durch einen entschloßenen Officier greifen, und auf die Vestung bringen zu laßen.“128

Aus einem späteren Brief Imhoffs ergibt sich, daß Ursache dieser Verhaftung das bereits angeführte Schreiben an Hendrich129 vom Vortage war: „Sr. Excellenz dem Herrn Theodor von Kretschmann Herzogl. S. Coburg Saalfeldischer vormaliger dirigierender Minister, und würcklichen Geheimen Rath, hat es gefallen mich am 9. Jan. 1806 (gemeint sc. 1807) auf meinem Erb- und eigenthümlichen Guthe u. Wohnung Hohenstein bey Coburg vom Zirkel meiner Famille durch ein Militair-Commando ergreifen, abführen, und 3 Wochen lang, auf die Festung Coburg einkerkern zu laßen, nachdem er mein Landständ. Votum von der Post zu Rodach ( . . . ) mit Gewalt abgenommen, und solches zum corpus delicti gestempelt hatte.“130

In einem Schreiben vom 10. Januar 1807 kritisierte Kretschmann gegenüber Dankelmann, Imhoff habe durch eine Schrift unfol.) und bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 49 ff. 126 StACo Schloßarchiv Hohenstein A 9 unfol. 127 StACo LReg. 3855 fol. 4. 128 Abschrift bei StACo Schloßarchiv Hohenstein A 9, unfol. 129 Siehe dazu soeben a). 130 StACo Schloßarchiv Hohenstein A 9, unfol.

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons

263

„die Einleitung dahin gemacht, daß das Gouvernement mit Gewalt sollte vermistet und abgesezt dagegen aber die Stände als Administratoren eingesezt werden.“131

Am 14. Januar 1807 durchsuchte eine Kommission der Landesregierung daraufhin Imhoffs Schloß Hohenstein und beschlagnahmte dort verschiedene Schriftstücke.132 In einem Notizzettel Imhoffs befanden sich unter anderem folgende Punkte: „1) wegen Abwesenheit des Landesherrn & einer nothwendigen Interims-Curatel. 2) Ist die Frage ob der jez. Landes-Regent gesonnen ist, dem Antrag N. zum rh. Bund zu tretten, anzunehmen. ( . . . ) 3) Alle öffentl. Abgaben, Contribution, Requisition auf dem Verfaßungsmäsigen Weg zu erheben, und in die Landes-Casse zu entrichten. ( . . . ) 6) Wegen Anordnung eines Special-Commission die zurückgezahlte Contribution in Empfang zu nehmen, & wieder zu vertheilen, wozu 1 Mitglied der Ritterschaft und die Stadtcasse Coburg, Neustadt, Rodach in Vorschlag gebracht“133

Bei seiner Vernehmung134 verteidigte Imhoff seinen Standpunkt und kritisierte, daß frühere Vorgehensweisen wie die Übermittlung sämtlicher Verfügungen der Landesregierung an die Landschaft und die Mitteilung aller Gesetze vor ihrer Bekanntmachung zur Gutachtenerstattung an die Landschaft beendet wurden, zudem hasse Minister Kretschmann die adligen Landstände. Kriegskommissar Schmuzer sei in verfassungswidriger Weise die Landes- und Kriegskasse abgenommen worden, ohne die Landschaft hiervon überhaupt zu benachrichtigen. Imhoff wurde erst im Januar oder Februar 1807135 aus der Festungshaft entlassen, nachdem er seine Mitgliedschaft im Engeren Ausschuß niedergelegt hatte.136 Die Akten über die Untersuchung gegen Imhoff wurden am 11. Februar 1809 an das Hofgericht und Schöppenstuhl in Wittenberg gesandt.137 Durch Urteil aus dem StACo LA A 6195 fol. 46. Durchsuchungsprotokoll bei StACo LReg. 3874 fol. 18 – 19’, Verzeichnis der beschlagnahmten Papiere ebd. fol. 26 – 29’. 133 StACo LReg. 3874 fol. 43’. 134 Vernehmungsprotokolle bei StACo LReg. 3873 fol 19 – 29, 51’ – 55. 135 Nach seiner eigenen Ansicht am 31. Januar 1807 (so Promemoria Imhoffs bei StACo Schloßarchiv Hohenstein A 9, unfol., abermals zitiert ebd. in einem Brief an Herzog Ernst vom September 1807), nach dem Vernehmungsprotokoll (StACo LReg. 3873 fol. 55) erst am 8. Februar 1807. 136 Kretschmann erwähnt in einem Schreiben vom 21. Januar 1807 (StACo Min J 230 fol. 2) eine „freiwillige Resignation“, Imhoff selbst hielt den Rücktritt für eine Bedingung für seine Freilassung (Promemoria Imhoffs bei StACo Schloßarchiv Hohenstein A 9, unfol., abermals zitiert ebd. in einem Brief an Herzog Ernst vom September 1807), während sich aus dem Vernehmungsprotokoll (StACo LReg. 3873 fol. 55) lediglich ergibt, daß ihm Stillschweigen über den Inhalt der bisherigen Vernehmung aufgegeben wurde. 137 StACo LReg. 3872 / II fol. 251. – Zur wieder erlaubten Aktenversendung siehe unten II.5.e)aa). 131 132

264

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Jahre 1810138 wurde Imhoff lediglich mit einem Verweis belegt, wobei der erhaltene Arrest als Strafe angerechnet wurde.139

c) Bayerische Besetzung des Itzgrundes Kretschmann erbat am 12. Januar 1807 gegen den Aufstand beim bayerischen Generalkommando in Bamberg eine „Eskadron Chevauxlegers“140, die am 18. Januar 1807 auch „nach denen Ortschaften Rossach, Großenheurath, Untersimau, Harth und Ahorn“ zu deren Besetzung losgeschickt wurde.141 Diese Besetzung durch bayerische Truppen währte fort, bis die Landesregierung am 7. März 1807 nach Bamberg mitteilte, daß die Aufgabe der Besatzungstruppen mittlerweile erfüllt sei und diese wieder abgezogen werden könnten.142 Am 8. März konnte die Landesregierung an den französischen Bataillonschef Augustin Parigot Bericht erstatten: „Les intentions, qui motiva la Police genérale du pays de demander les recours d’une detachement d’assistance de l’autorité militaire de Bamberg, sont à présent accomplies; alors la sureté publique etant etablie & l’inquisition sur les faits, qui avoient amené cet assistance étant presque finie.“143

d) Vorgehen gegen Hendrich Widerstand gegen die Maßnahmen Kretschmanns leistete auch der ständische Deputierte Franz Josias von Hendrich, der sich in einem Schreiben aus Meiningen an den Landschaftskonsulenten Alt am 11. Januar 1807 wie folgt äußerte: „Wir werden von Seiten der Landschaft gegen das gesezwidrige Verfahren, wodurch H. M. v. Kr. den als Praesident der Regierung ohne Beystimmung seines Fürsten erlassenen Befehlen in Ermangelung des verpflichtenden ein zwingendes Ansehen geben will, Vorstellungen thun. Den Herzog unssern angebohrenen Landesherrn werden wir jederzeit gern für unseren Souverain erkennen, aber eben deswegen, weil wir Pflichten gegen diesen und das Land haben, uns den tirannischen Maasregeln eines ohne Vollmacht von ihm handelnden Ministers widersezen. Der Herzog kann die Stände aufheben, so lang sie 138 Karl Bohley datiert dieses Urteil fälschlicherweise auf 1812 (Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 51). 139 Urteilsabschriften bei StACo LReg. 3872 / II = StACo Ältere Justizbehörden 221 unfol. (passim) = StACo Schloßarchiv Hohenstein A 11, A 13; ein Bericht der Landesregierung als Justizkollegium vom 30. Juni 1810 an das Landesministerium findet sich bei StACo LReg. 3872 / 1 fol. 257 – 258’. 140 StACo LReg. 3865 fol. 2 – 3. 141 Schreiben des königlich bayerischen Generalkommandos in Franken vom 17. Januar 1807, StACo LReg. 3865 fol. 7, Schreiben von Major Plattner namens des 4. ChevauxlegersRegiments aus der Station Lichtenfels vom 18. Januar 1807, StACo LReg. 3865 fol. 8, 8’. 142 StACo LReg. 3865 fol. 14, 14’. 143 StACo LReg. 3865 fol. 16.

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons

265

aber nicht aufgehoben sind, kann ein Fürst von seinem Character und Edelsinn nicht wollen, daß wir wie Sclaven, aus Gefälligkeit oder aus Furcht unsere Pflichten vergessen sollen.“144

Anfang Februar 1807 beschwerte sich Hendrich im Namen der Landschaft bei der neuen französischen Intendantur145 und der herzoglichen Familie über das Vorgehen der Behörden.146 Herzogin Auguste Caroline Sophie antwortete ihm darauf: „Es gehet aus keiner Ihrer Eigenschaften die Befugniß hervor, ( . . . ) sich an die Stelle Ihres Landesherrn zu setzen und den Minister zur Rechenschaft zu ziehen. ( . . . ) Der Minister hat seit dem Tode meines Gemahls seiner Vollmacht gemäß und mit Genehmigung der Curatel gehandelt. Auch bey allen wichtigen Gegenständen haben die Departements-Räthe der nie absterbenden Landesregierung mitgewirkt.“147

Kretschmann beauftragte daraufhin die Landesregierung als Justizkollegium mit einer Untersuchung gegen Hendrich148, was am 12. Juli 1807149 und am 20. Juli 1807150 abermals bekräftigt wurde. Diese Untersuchung kam nach Aktenlage jedoch zu keinem Ergebnis.151

8. Zweite französische Besetzung Sachsen-Coburg-Saalfelds Am 7. Januar 1807 wurde durch einen Artikel des „Moniteur“ bekannt, daß sich Herzog Ernst in Königsberg aufhielt.152 Kaiser Napoleon zählte ihn daraufhin zu seinen Gegnern: „Le Prince de Saxe-Cobourg étant au Service de la Russie et maintenant, de Sa personne, dans les rangs de nos ennemies.“153 Am 11. Januar 1807 ordnete er die Einsetzung einer neuen französischen Administration für Sachsen-Coburg-Saalfeld an.154 Als Reaktion hierauf ließ Kretschmann unter der Behördenbezeichnung „Herzogl. Sächs. Landesregierung“ am 18. Januar 1807 folgendes Publikandum veröffentlichen: StACo LReg. 3878 fol. 46, 46’, 48. Siehe dazu sogleich 8. 146 Empfangsbestätigung der französischen Intendantur bei StACo LA F 7489 fol. 14. 147 StACo LA A 5553 fol. 14, 14’ (die Hervorhebung entstammt dem Original). 148 StACo LA F 7490 S. 3. 149 StACo LA F 7537 fol. 4, 4’. 150 StACo LA F 7488 fol. 2. 151 Dies ergibt sich aus StACo LA F 7537. 152 Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister v. Kretschmann, S. 50; vgl. auch den Brief Dankelmanns an Minister Kretschmann vom 23. Januar 1807, StACo LA A 6191 fol. 80, 80’, und an Herzog Ernst vom 25. Januar 1807, StACo LA A 6197 fol. 2. Die in Erlangen erscheinende Real-Zeitung spricht in Nr. 95 vom 2. Dezember 1806 (StACo LA F 7422 fol. 1 – 2’) bereits von „der übelberathenen Theilnahme unsers Erbprinzen an dem Feldzuge der Preussen, in der Suite des Königs“. 153 StACo LA A 6198 fol. 10. 154 Abschrift bei StACo LA A 6198 fol. 10. 144 145

266

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

„Die Feinde des Vaterlandes haben in öffentlichen Zeitungen und selbst bey den Kaiserl. Französischen Behörden die Nachricht zu verbreiten gesucht, daß Unser Durchlauchtigster Landesherr sich in Diensten der Königl. Preußischen Armee befinde, und gegen die Kaiserl. Französische Armee streite. Da nun diese Nachricht ungegründet ist, da Se. Durchlaucht niemals in wirklichen Kriegsdiensten gestanden haben, sondern nachdem Sie im Monate October bey Sr. Majestät dem König von Preußen einen Besuch in Weimar abgestattet hatten, auf Ihrer Reise nach Riga zu Ihrer Durchlauchtigsten Frau Schwester, in Königsberg von einem gefährlichen Nervenfieber überfallen wurden und noch krank daselbst darnieder liegen, also an dem Krieg selbst auf keine Art Antheil nehmen konnten; als wird dieses zur Berichtigung des Publikums zu Jedermanns Wissenschaft hierdurch bekannt gemacht.“155

Das Territorium wurde dennoch am 27. Januar 1807 von Bataillonschef Augustin Parigot und Intendant Pierre François Villain im Namen Napoleons in Besitz genommen: „Nous déclarons que nous prenons possession du pays de Cobourg qui sera commandé et administré au nom de S.M. l’Empereur et Roi. Les Autorités du pays continueront leurs fonctions sous l’Inspection de l’administration française.“156

An diesem Tag wurde die abermalige Besetzung durch eine Proklamation der Grande Armée auch den Einwohnern bekanntgemacht. 157 Hierin wurde ausgeführt, Herzog Franz Friedrich Anton habe dem Lande durch den Beitritt zum Rheinbund einen großen Vorteil verschafft, sein Sohn und Nachfolger Ernst stehe nunmehr aber in russischen Diensten und sei daher als Feind Frankreichs zu betrachten. Der Staat Sachsen-Coburg-Saalfeld werde nunmehr im Namen Napoleons regiert und verwaltet, wenngleich die bestehenden Verwaltungs- und Justizbehörden beibehalten und Person und Eigentum der Einwohner gesichert bleiben sollten. Im Gegensatz zur ersten Besetzung158 handelte es sich nunmehr also lediglich um eine gegen Herzog Ernst gerichtete Aktion. Bei Ankunft des Intendanten Villain in Coburg soll sein Sekretär Johannes Falk bereits darauf hingewiesen haben, daß die Kontribution infolge des Beitritts zum Rheinbund erlassen sei und auf Befehl Napoleons zurückgezahlt werde.159 155 StACo LReg. 50 fol. 5’ = ThStAMgn Kreis Saalfeld 1086, unfol. = ThStAMgn Kreis Hildburghausen 4299 = Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, Zweiter Band, S. 151; vgl. zu den Umständen auch die Schilderung in einem Brief des Herzogs an seine Mutter vom 7. Februar 1807 bei StACo LA A 5554 fol. 23, 23’. 156 StACo LA A 6198 fol. 10’ = StACo LA A 6198 fol. 12. 157 Textanhang Nr. 8 = StACo LReg. 52 fol. 6’ = StACo LA F 5119 = StACo LA L 497 = ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1 Nr. 9 / 1 = ThStAMgn Kreis Saalfeld 1590, unfol. = ThStAMgn Kreis Hildburghausen 4298 fol. 3 = Landesbibliothek Coburg Tb 116, unfol. = Paul Oesterreicher (Hrsg.), Archiv des rheinischen Bundes, 1806, 3. Stück S. 42 f. = Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, Zweiter Band, S. 151 f.; deutscher Text auch bei Armin Human, Napoleonische Zeit und nationale Freiheit, S. 42. 158 Siehe dazu oben 1. 159 So in einem undatierten Schreiben von Gemeinden aus dem Itzgrund an Intendant du Molart behauptet, StACo Schloßarchiv Hohenstein A 9, unfol. Zum Erlaß der Kontribution siehe soeben 7.a).

I. Nach Reichsauflösung und Tod Herzog Franz Friedrich Antons

267

Nach Mitteilung der Besetzung160 erkundigte sich die Landesregierung als Justizkollegium am 28. Januar 1807 bei Kretschmann, ob sie ihre Berichte künftig an das Ministerium oder an die französische Administration senden solle und ob das Entscheidungsrubrum unter dem Namen Herzog Ernsts durch die Bezeichnung „Wir Napoleon durch Gottes Gnade und die Konstitution des Reichs Kaiser der Franzosen und Koenig von Italien“ ersetzt werden solle.161 Diese Anfrage blieb allerdings unbeantwortet. Der am 1. Februar 1807 neueingesetzte Intendant für Sachsen-Coburg-Saalfeld162, Beisitzer im Staatsrat163 Bouvier du Molart, reagierte am 5. März 1807 mit folgender Beschwerde: „J’ai remarqué Messieurs que vous avez conservé le titre de Regence Ducale, et que vous continuez à transmettre vos ordres aux autorités subalternes, au nom du Prince Ernest Duc de Saxe Cobourg Saalfeld. ( . . . ) La continuation de cette formule est une contravention manifeste au Decret du 11. Janv. dernier, par lequel S.M. l’Empereur et Roi a ordonné la prise de possession du Pays de Cobourg et son administration en son nom. Je pense Messieurs, qu’il suffit de Vous faire observer cet abus, que je me plais a attribuer uniquement à la force de l’habitude, et que vous ne me mettrez pas, dans le cas d’en rendre compte. Vous voudrez bien ne vous servir à l’avenir que du titre de Regence du Pays de Cobourg Saalfeld sous l’autorité française.“164

Am 26. Juni 1807 berichtete Arzberger Minister Kretschmann von weiteren Auseinandersetzungen mit du Molart: dieser sei der Ansicht gewesen, er habe das „Marsch- und Molestien-Reglement“ aufgehoben, wovon der Landesregierung aber nichts bekannt sei.165

160 Mitteilung Villains vom 31. Januar 1807, StACo LReg. 51 fol. 1; Schreiben Kretschmanns vom 27. Januar, StACo LReg. 52 fol. 1, bzw. vom 1. Februar 1807, StACo LA A 6199 fol. 2 = StACo LA A 6198 fol. 13 = StACo LReg. 51 fol. 2. 161 StACo LA A 6199 fol. 3 – 4. – Die Verwaltung im Namen Napoleons war beispielsweise im November 1807 in Bayreuth eingeführt worden, siehe Eduard Deuerling, Das Fürstentum Bayreuth unter französischer Herrschaft, S. 15. 162 Schreiben Kretschmanns an die Landesregierung als Justizkollegium, StACo LA A 6199 fol. 5. 163 Der französische Titel lautet „auditeur au Conseil d’Etat“, nicht „auditeur en Conseil d’Etat“, wie wiederholt bei Eduard Deuerling, Das Fürstentum Bayreuth unter französischer Herrschaft, S. 14 ff. zu lesen. 164 StACo LA A 6199 fol. 7 = ThStAMgn Kreis Saalfeld 1590, fol. 13 (die Hervorhebungen entstammen dem Original) . 165 StACo LA F 7362 fol. 9 (die Hervorhebungen entstammen dem Original). Zur Kritik du Molarts an diesem Reglement siehe StACo LReg. 11934 fol. 3 – 110’.

268

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst 1. Rückkehr Herzog Ernsts und offizieller Regierungsantritt Herzog Ernst begab sich im April 1807 auf Rat des hessischen Gesandten Johann Ernst Freiherr von Gagern von Königsberg nach Prag.166 Von dort aus wandte er sich unmittelbar an Kaiser Napoleon: „Votre Majesté a fait apposer le Séquestre sur mon pays à cause de mon absence. Je n’aurais point donné lieu à cette mesure si, à la mort de mon père, une longue fièvre nerveuse m’avait arrêté à Königsberg, au retour d’une voyage que j’avais entrepris pour voir ma sœur, la Princesse de Virtemberg. ( . . . ) Je n’ai pas eu un moment l’intention de me joindre aux Ennemies de Votre Majesté; ( . . . ) et j’attendais avec impatience le rétablissement de mon santé pour aller remplir les obligations qui me sont imposés par l’admission de mes états dans la confédération du Rhin. ( . . . ) Sire, Je reclame, avec une respecteuse et entière confiance, la Justice de Votre Majesté; j’invoque la bienveillance généreuse qui a dicté le traité par lequel mon Père a été compris dans la confédération; je révendique l’héritage légitime des Droits et des Devoirs de ce traité; Je demande à être mis en position de convaincre V.M. qu’elle n’a point d’allié plus fidèle et plus dévoué que moi: Je la supplie, en un mot, de faire cesser l’Effet d’une mesure dont la cause n’existe plus.“167

Herzog Ernst traf am 27. Mai 1807 im damals hildburghäusischen Ebersdorf ein, hielt sich bis zum 29. Mai 1807 in südlichen Vororten Coburgs auf und kehrte dann wieder nach Franzensbad zurück.168 Die Gründe für sein Verhalten schilderte er in einem Brief aus Eger an seinen Großonkel Friedrich Josias: „Ich bin aber noch immer ein Fremtling in meinem Eigenthum, und würde so lange als die französischen Atministratoren noch da sind, mir und andern nur Unannehmlichkeiten durch meine Gegenwart zu ziehen. Man sagt mir auch, ich bedürfe erst einer hohen Erlaubtniß um mein Eigenthum zu betreten; ob man gleich vorgiebt daß es nur meiner Rückkunft bedürfe, um mich wieder in dem Besitzt desselben zu setzen . . .“169

Infolge der in Art. 12 des Friedens von Tilsit vom 7. Juli 1807170 zwischen Frankreich und Rußland vereinbarten Rückgabe seiner Lande an den Herzog zu 166 Schreiben vom 26. April 1807, in dem Gagern Herzog Ernst riet, sich unmittelbar nach Coburg zu begeben, bei StACo LA A 6192 fol. 59. 167 StACo LA A 6192 fol. 65, 65’. 168 Schreiben Herzog Ernsts aus Ebersdorf vom 28. Mai 1807 an Kretschmann bei StACo LA A 6179 fol. 73; Schilderung der Details der Rückreise bei Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 35 f. 169 StACo LA A 5196, unfol. 170 „Leurs altesses sérénissimes, les ducs de Saxe-Cobourg, d’Oldenbourg et de Mecklenburg-Schwerin, seront remis chacun dans la pleine et paisible possesion de ses états“, Abschrift bei StACo Min G 784 fol. 4 – 10 = StACo LA A 6183 fol. 15 – 17, Abdruck bei Paul Oesterreicher (Hrsg.), Archiv des rheinischen Bundes, 1806, 6. Stück, S. 37 ff. = Peter

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

269

Sachsen-Coburg-Saalfeld instruierte Marschall Alexandre Berthier von dort aus am 1. Juli 1807 den Landeskommandanten Augustin Parigot, Herzog Ernst auf Befehl Napoleons umgehend wieder in seine Staaten einzusetzen.171 Parigot teilte daraufhin am 24. Juli 1807 der Landesregierung mit: „J’ai l’honneur de Vous annoncer que Sa Majesté l’Empereur et Roy a jugé à propos du rendre à Vôtre legitime Souverain la possession pleine et entiere de Ses Etats. En conséquence, le Sequestre qui pourrait avoir été mis sur les biens et proprietés de Son altesse ( . . . ) est levé et teus les fonctionnaires civils et militaires établis, d’après la prise de possession francaise, cessent, dès ce moment leur fonctions.“172

Der Befehl Berthiers wurde daraufhin offiziell durch die Landesregierung bekanntgemacht.173 Am 12. Juli 1807 ordnete Herzog Ernst von Karlsbad aus an, daß die laufenden Geschäfte weiterhin nach der bisherigen Verfassung unter der Verantwortung von Herzoginwitwe Auguste Caroline Sophie durch Minister Kretschmann fortgeführt werden sollen.174 Unterdessen waren verschiedene Gedankenspiele über die künftige Verwaltung und Verfassung Sachsen-Coburg-Saalfelds im Umlauf. Am 8. Juli 1807 berichtete Kretschmann an Herzog Ernst: „Man versichert mir daß eine Ritter-Guths-Verwaltung die beste sey, daß man keine Souveränität ausüben dürfe.“175

Klaus Freiherr von Andrian-Werburgs Schluß hieraus, daß die Landstände versucht hätten, unter Beseitigung des Landesherrn ein Ständeregiment unter französischem Schutz zu errichten176, erscheint allerdings nicht nachvollziehbar, zumal lediglich von einer Rittergutsverwaltung – also wohl eher der Freiheit der Rittergutsbesitzer von staatlicher Aufsicht und staatlichen Eingriffen – und nicht von einer „Ritterschafts-Verwaltung“177 gesprochen wurde. Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, Dritter Band, S. 395 ff. = Heinrich Zoepfl (Hrsg.), Corpus Iuris Confoederationis Germanicae, Erster Theil S. 93 ff. 171 Deutsche Übersetzung bei StACo LReg. 52 fol. 10, 10’ = Armin Human, Napoleonische Zeit und nationale Freiheit, S. 43. – Zum ähnlichen Schicksal des mecklenburgischen Herzogshauses siehe Michael Hundt, Die mindermächtigen deutschen Staaten auf dem Wiener Kongreß, S. 20. 172 StACo LReg. 52 fol. 8. 173 Textanhang Nr. 10 = StACo LReg. 52 fol. 12 = StACo LA K 387 fol. 13 = StACo LA F 4788 = ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1 Nr. 9 / 1 = ThStAMgn Kreis Saalfeld 1590, fol. 16 = ThStAMgn Kreis Hildburghausen 4296 fol. 5 = RIBl. Nr. 1 vom 8. August 1807, Sp. 51 f. = Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, Dritter Band, S. 445 f. 174 Textanhang Nr. 9 = StACo LA A 6193 fol. 17 = StACo LA 6185 fol. 14. 175 StACo LA A 6183 fol. 19’. 176 Der Minister v. Kretschmann, S. 80 Anm. 209. 177 So fälschlich zitiert bei Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister v. Kretschmann, S. 80 Anm. 209.

270

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Am 28. Juli 1807 konnte Herzog Ernst schließlich in Coburg einziehen178, so daß er nunmehr – trotz der verwendeten Bezeichnung „Souverainer Fürst zu Coburg“ – ein in seiner Souveränität beschränkter Rheinbundfürst war. Nach einem Bericht Kretschmanns vom 28. August 1807179 ratifizierte er unmittelbar darauf auch für seine Person den Beitritt Sachsen-Coburg-Saalfelds zum Rheinbund. Unrichtig ist mithin die Darstellung Michael Hundts, wonach dieser Beitritt erst 1808 erfolgt sei.180 2. Das Schicksal der Kontribution Kretschmann behauptete 1809, die Kontribution habe nach ihrer Rückgabe im Münzamt zu Saalfeld gelegen und sei von Herzog Ernst im eigenen Interesse verwendet worden.181 Zutreffend ist in jedem Fall, daß zumindest der saalfeldische Anteil der Kontribution sich Ende 1806 bzw. Anfang 1807 im Münzamt in Saalfeld befand182 und die Einsendung von 13.830 Reichstalern an die Landesregierung durch ein Schreiben des Ministers vom 6. August 1807 abgefordert wurde.183 Tatsächlich wurden die Gelder nach Anweisung Kretschmanns von der Landesund Kriegskasse überprüft und sodann an die Bank weitergeleitet184, wo sie nach einem Bericht Kretschmanns an die Landesregierung im April 1808 zugunsten des Lottos und für die Begleichung von auf der Reise nach Paris185 erwachsenen „Unkosten“ verwendet wurden.186 Ab 1835 war ein Prozeß der Gemeinden des ehemaligen saalfeldischen Landesteils gegen Herzog Ernst auf Rückzahlung der Kontributionsgelder anhängig, wovon jedoch keine Entscheidung überliefert ist.187

Darstellung des Einzugs bei RIBl. Nr. 1 vom 8. August 1807, Sp. 18 ff. StACo LA A 6193 fol. 55, 55’ = StACo LA F 5932 fol. 1, 1’. 180 Die mindermächtigen deutschen Staaten auf dem Wiener Kongreß, S. 19. 181 Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Coburg, S. 103 f. 182 Dies geht bereits aus einem Schreiben der Landesregierung an das Justizamt Saalfeld vom 27. Dezember 1806 (ThStAMgn Kreis Saalfeld 1670, unfol.) hervor und wird durch StACo LReg. 11919 fol. 2, StACo Min P 194 fol. 1 = StACo Münzamt Saalfeld fol. 4 untermauert. Arzberger stellte dies wie folgt dar: „Als die Contribution nach Naumburg geschaft wurde, ist ein Theil in Salfeld verblieben und in der Münze daselbst deponirt worden.“ (StACo Min P 194 fol. 6). 183 StACo Min P 194 fol. 4 = ebd. Akt Münzamt Saalfeld fol. 5, vgl. StACo LReg. 11919 fol. 2. 184 Anweisung Kretschmanns an die Landes- und Kriegskasse sowie an die Bank bei StACo LReg. 11919 fol. 8, 8’; Quittung Berlys vom 24. August 1807 ebd. fol. 9; Zusammenfassung im Schreiben Arzbergers vom 19. März 1808 bei StACo Min P 194 fol. 8, 8’. 185 Siehe dazu unten 4.h). 186 StACo LReg. 11919 fol. 27. 187 Auffindbar sind lediglich die Sachstandsberichte des Verwaltungsamts Saalfeld an die Landesregierung in Meiningen, ThStAMgn Kreis Saalfeld 1676 in toto. 178 179

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

271

3. Abermalige Neuordnung der Verwaltung a) Überarbeitete Vorstellungen Kretschmanns Am 10. Juni 1807 erstattete Kretschmann an Herzog Ernst in Franzensbad einen „Bericht über die künftige Verwaltung des Herzogthums Sachsen-Coburg-Saalfeld“.188 Nach Anklagen und einer Forderung nach Genugtuung gegen die Vertreter der bisherigen Landschaft, insbesondere Könitz, Hendrich und Imhoff, beklagte er eine infolge der Nachgiebigkeit Franz Friedrich Antons in fast allen Bereichen der Staatsverwaltung eingetretene Anarchie und den beständigen Ungehorsam gegen obrigkeitliche Befehle. Seiner Ansicht nach müsse die Verwaltungsspitze darauf unnachsichtig reagieren. Auf der anderen Seite müsse sämtliche Verwaltung von einer auf Rechtsgrundsätzen beruhenden Verfassung ausgehen. Zudem müsse eine effektive Staatsverwaltung hierarchisch aufgebaut sein, wobei der Justiz eine unabhängige Stellung zukomme. Als unmittelbar bevorstehende und umgehend erforderliche Maßnahmen stellte Kretschmann dabei den Erlaß einer Verfassung sowie eines Patents über die Grundsätze der staatlichen Verwaltung in Aussicht. Seine Vorstellungen faßte er gegenüber Herzog Ernst abermals zusammen: „Ich lege dieses System (sc. der Verwaltung) und diese Mittel (sc. zu dessen Vollzug) Ew. p. zur Prüfung vor. Hoechste Ausbildung der Menschen-Kraft halte ich für den Zwek der Staaten. Zwanglose Beförderung dieser Ausbildung, also Beförderung der höchstmöglichen Industrie halte ich für die ersten Pflichten der Regierung, unpartheyische aber strenge Justiz, wachsame und consequente Polizey, gleichheitliche Vertheilung der Staatslasten und treue, redliche, sparsame Verwaltung der Staats-Einnahmen halte ich für die einzigen Mittel diese Pflichten zu erfüllen. Eine Finanz-Verwaltung welche aber blos auf das Erheben der Einkünfte berechnet ist, welche blos direkten Cameral-Vortheil bezwekt, alle Ausgaben für Industrie-Anstalten, welche nur indirekten aber desto sichereren Gewinn dem Staate tragen, ausschließt, und welcher nur die Natur des Hoekkerey-Krames nechst der des Spekulations-Handels eigen, waere ich unfähig zu führen. Indeßen muß eine auf den Grundsäzzen des Rechts ruhende Constitution die Formen bestimmen, nach welchen die Staats-Verwaltung statt haben soll, sie muß vor Willkühr sichern. Die Executions-Gewalt aber darf nicht durch Gnaden-Bezeugungen gefesselt, nicht von der Gutmüthigkeit aufgehalten und durch keinen Privat-Einfluß geschwaecht werden. Sie muß schnell und mit Nachdruk würken können. Die Regierung darf kein Gesez geben keine Anordnung machen ohne die Zwekmaesigkeit von allen Seiten geprüft und von der Rechtmaesigkeit überzeugt zu seyn, aber wenn das Gesez gegeben und die Anordnung getroffen ist, so muß dem Unterthan keine Gelegenheit gelaßen werden, denselben auszuweichen, mit unerbittlicher Strenge muß die Vollziehung statthaben. Keine Behoerde darf darinnen behindert werden. Der Central-Punkt der Staats-Verwaltung, von wo aus die Regierung immer alles übersehen muß, darf nie getrübt werden. 188

StACo LA F 5931 fol. 3 – 9’ = StACo Min E 3871 fol. 28 – 33.

272

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Nur durch die hoechste Consequenz in allen Staats-Geschäften ist Gedeyhen und diese wird nur vom Central-Punkt aus moeglich. Verlezzung der Subordination und Aufkündigung des Gehorsams müßen auf der Stelle geahndet und jede Wiederhohlung muß unmoeglich gemacht werden. Das Gouvernement muß die Kraft und die Befugniße haben, diese Ahndung ohne fremden Einfluß vorzukehren. Die Mittheilung der Staatsgeschefte an Personen welche davon nicht muß unterrichtet seyn müßen, muß als Staatsverbrechen bestraft werden. Das Gouvernement muß vom Regenten und von Unterthanen die Auszeichnung genießen, welche zur Aufrechterhaltung seiner Authoritaet nothwendig ist, die Verlezzung dieser Authoritaet ist Staats-Verbrechen. Soll der Central-Punkt und die Consequenz aus dem Central-Punkte die höchstmögliche Sparsamkeit in den Finanzen und ein schneller Umtrieb in den Geschäften möglich werden, so muß die Exekutiv-Gewalt in der Hand eines einzigen Mannes seyn. Die Direktion der Staats-Verwaltung darf nicht getheilt seyn. Preußen wurde im lezten Kriege vernichtet, weil es keinen Central-Punkt und zu viele Befehlshaber gab. Das Gouvernement kann nur dann verantwortlich seyn, wenn es die Grenzen der Exekutiv-Gewalt überschreitet und wenn es den Gesezen nicht gemäß handelt. Nachdem die ehemalige Reichs-Verfaßung aufgehört hat, ist in einzelnen deutschen Territorien eine große Vereinfachung der Geschäfte möglich. Die Justiz muß von der Polizey- und Finanzverwaltung getrennt und für sich unabhängig bleiben. Das Areal der Polizey- und Finanzverwaltung und der auswärtigen Geschefte samt den Militair-Angelegenheiten, können mit Inbegriff den Rechnungssachen recht füglich von drey vortragenden Raethen, in welchen das ganze ehemalige so genannte Regierungs-Ressort zusammengelegt, durch das nöthige Subaltern-Personal bearbeitet werden. Die Administrations-Kosten werden dadurch bedeutend vermindert. Sind Ew. p. mit diesen Grundsäzzen der Staats-Verwaltung einverstanden, wollen Ew. p. die Mittel zur Anwendung in Ausübung gebraucht wißen, so werde ich mich glüklich schaezzen den Rest meines Lebens dem Dienste Ew. p. widmen zu koennen und meine Treue wird unwandelbar sein. Um aber mit Zuversicht und mit Würde die neue Laufbahn antreten zu koennen, wird erforderlich seyn a) daß mir vor dem neuen Antritte meines Amtes wegen der von Seiten des von Koeniz, des von Hendrich und des p. v. Imhoff und die durch diese aufgehezten Gemeinden zugefügten Insulten vorerst eine ausreichende Genugthuung zu Theil werde, weil darinnen nur allein die Moeglichkeit meiner Wirksamkeit liegt, daß b) eine auf Grundsaezzen des Rechts ruhende Landes-Constitution bekannt gemacht, daß c) das Publikum durch ein zwekmaesiges und umfaßendes Patent von den Grundsaezzen und Maximen unterrichtet werde, nach welchen künftig die Staatsverwaltung statthaben soll. Die Constitution, so wie das Patent, nechst ( . . . ) der neue Finanzplan sind vollendet und ich werde augenbliklich derselben zur höchsten Prüfung vorlegen wenn Ew. p. mich aber Höchstdero Ansichten unterrichtet haben werden. Ehrfurchtsvoll ersterbend Ew. pp.“189 189 StACo LA F 5931 fol. 7’ – 9’. Zu Kretschmanns Ansicht vom Zweck des Staates vgl. auch die Aufzeichnungen von Erbprinz Ernst nach Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 15.

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

273

Damit wies sich Kretschmann wiederum als deutlicher Vertreter einer Regierungsform des aufgeklärten Absolutismus – wenngleich modernerer Prägung – aus, seine Gedanken erinnern ebenfalls an ein früheres Werk Wilhelm von Humboldts.190 Die – auch volkswirtschaftlich orientierten – Ziele des aufgeklärt-absolutistischen Wohlfahrtsstaates suchte er durch eine effektive und strenge Verwaltung, die im Rahmen der zur Rechtssicherheit für die Untertanen durch eine Verfassung und allgemeine Verwaltungsgrundsätze gezogenen Grenzen frei agieren konnte und ohne Willkür zu handeln hatte, zu erreichen. Erstmals jedoch sah er als Zentralpunkt dieser Verwaltung – anders noch als gegenüber Herzog Franz Friedrich Anton191 – sich selbst, so daß die von ihm geplante Staatsform auch als Ministerialabsolutismus angesehen werden kann. b) Gedanken über die künftigen Grundsätze der Verwaltung Das in Aussicht gestellte Patent über die Grundlagen der staatlichen Verwaltung ist als Entwurf aus dem Juni 1807 unter der Bezeichnung „Patent über die künftige Art zu regieren“ erhalten.192 Der Inhalt dieses Entwurfs unterscheidet sich deutlich von der Ankündigung Kretschmanns. Die Hälfte der umfangreichen Präambel beinhaltet eine abermalige Verurteilung der Ereignisse während der Abwesenheit Herzog Ernsts. Mit wohlfahrtsstaatlichen Motiven sollten verschiedene Maßnahmen gerechtfertigt werden, allen voran der Aufbau einer effektiven Verwaltung und einer unabhängigen Justiz bei gleicher Verteilung der Staatslasten. Gleichzeitig sollte die Allgemeinheit vor den Kosten der Hofhaltung, insbesondere jedoch vor einer Staatsverschuldung infolge der dazugehörigen Ausgaben geschützt werden. Den Beamten und ihren Hinterbliebenen wurde eine angemessene Besoldung und eine Versorgung auch für den Fall der Arbeitsunfähigkeit in Aussicht gestellt. Um diese Ziele durchsetzen zu können, sollte jede Art von Widerstand gegen Maßnahmen der Staatsgewalt militärisch geahndet werden. Öffentliche Sachwalter hatten mit Dienstenthebung zu rechnen. Gleiches sollten diejenigen Beamten zu erwarten haben, die Gesetze und Anordnungen der vorgesetzten Dienststellen nicht ordnungsgemäß ausführten oder ihre Verschwiegenheits-verpflichtungen verletzten. c) Beabsichtigte Verkleinerung der Landesregierung Am 30. Juli 1807 erging folgende handschriftlich von Herzog Ernst unterzeichnete Anordnung: 190 Wilhelm von Humboldt, Ideen zu einem Versuch die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen, S. 14 ff. 191 Siehe dazu oben B.III.1.e). 192 Textanhang Nr. 13 = StACo LA F 5931 fol. 17 – 19’.

274

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

„Jetzt ( . . . ) wo überhaupt durch die Zeitverhältniße der Arbeiten weniger geworden sind können unmöglich bey Unserer Landesregierung die grose Anzahl von Räthen mehr erforderlich seyn ( . . . ). Wir wollen, daß für die Zukunft nur drey Räthe die Geschäfte der Regierung bearbeiten und diese sind ausreichend.“193

Von den übrigen vier Räten wurde einer in der Ruhestand und drei an andere Behörden versetzt. In diesem Zeitraum scheint auch die Kriegs- bzw. Militärkommission194 aufgehoben worden zu sein.195 d) Divergierende Vorstellungen Herzog Ernsts Am 17. Juni 1807 antwortete Herzog Ernst auf die Vorschläge Kretschmanns: „Ich bin im allgemeinen mit Ihren Ansichten vollkommen einverstanten, sowie mit denen aufgestelten Grundsätzen, denen ich vollkommen beipflichte; nur habe ich im einzelnen verschiedenes zu erinnern, wo es meines Bedükens noch einer Abänderung bedürfte.“196

Grundsätzlich konnte Kretschmann zu diesem Zeitpunkt von einer weiteren Unterstützung seines Systems ausgehen. Herzog Ernst war jedoch kein Freund der zentralisierten, auf eine Person zugeschnittenen Verwaltung des Kretschmannschen Systems, sofern er nicht selbst ausdrücklich an deren Spitze stand. In einem Schreiben an Kretschmann vom 6. August 1807 legte er dar, er wolle „bei der neuen Organisation auch einige Veränderung in meinem Geschäftsgang vorgenommen haben“, „um das Vertrauen daß die Unterthanen in die selbstständige und unpartheiische Regierung ihres neuen Regenten setzen, nicht zu verscherzen“ und „um Sie selbst (sc. den Minister) vor persöhnlichen Anfeindungen, vor den Vorwürfen der Leidenschaftlichkeit und Partheilichkeit zu verwahren.“197 Notwendig sei infolgedessen die Einrichtung eines Kollegiums, „welches die laufenden und allgemeinen Landes-Geschäfte prüft und signirt, und sie mir (sc. dem Herzog) mündlich einige Tage in der Woche vorträgt. Ausgeschlossen von dieser kolegialischen Berathschlagung werden Familien-Angelegenheiten, Geheime Auswärtige Angelegenheiten, Bank, und Militair. Die tägliche Vorlegung des Journals und die Einsicht der Acten bey vorkommenden Fällen behalte ich mir vor.“198

Neben Kretschmann als Leiter des Kollegiums sollten diesem zwei vortragende Räte, möglichst die Leiter der beiden Regierungskollegien, angehören.199 StACo LA F 5790 fol. 1. Zu dieser siehe oben B.III.4.h). 195 Ein Schreiben Kretschmanns an Arzberger vom 10. August 1807 behandelt „die aufgelöste Militärkommission“, StACo LA F 5790 fol. 7. 196 StACo LA F 5931 fol. 21 = StACo Min E 3871 fol. 33, zitiert auch in einem Bericht Kretschmanns vom 18. Januar 1808 bei StACo LA F 5938 fol. 10. 197 StACo Min F 426 fol. 57 = StACo LA A 6185 fol. 12. 198 StACo Min F 426 fol. 57’ = StACo LA A 6185 fol. 12. 199 StACo Min F 426 fol. 57’, 58 = StACo LA A 6185 fol. 12, 12’. 193 194

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

275

Kretschmann antwortete mit Schreiben vom 7. August 1807, daß sämtliche von Herzog Ernst formulierten Ideen bereits durch die Instruktion für das Ministerium aus dem Jahre 1801200 realisiert worden seien, lediglich die Ernennung der Chefs der Kollegien zu vortragenden Räten könne jegliche Kontrolle der Kollegien unmöglich machen201, was Kretschmanns früheren Ansichten entsprach.202 Ein gleichzeitig eingereichter Entwurf Kretschmanns für eine neue „Instruction die Organisation des Landes-Ministeriums betreffend“203 stellte zunächst als Motivation für eine Neuregelung die Tatsache heraus, daß die alte Instruktion wegen der Krankheit des damaligen Herzogs „ganz außer Anwendung“ gekommen sei. An die Stelle des damals vorgesehenen Geheimen Assistenzrates204 sollten nunmehr zwei vortragende Konferenzräte mit Zuständigkeit für eigene Departements treten. Dem Minister bleiben die Haus- und Familienangelegenheiten, die geheimen auswärtigen Angelegenheiten, die Militärangelegenheiten und die geheimen Finanzpläne zur alleinigen Bearbeitung und Beratschlagung vorbehalten. Die Verteilung der Eingänge an die Räte sollte dem Minister obliegen. Wichtige Angelegenheiten aus deren Zuständigkeitsbereichen waren dem Herzog in wöchentlichen Sitzungen in Beisein des Ministers vorzutragen. Die Unterschrift bestimmter Schriftstücke sollte dem Herzog vorbehalten bleiben, während die übrigen Schriftstücke vom Minister unterzeichnet werden konnten. Die Regulierung des Geschäftsganges der gesamten Staatsverwaltung sollte dem Minister obliegen. Das Journal des Ministeriums sollte dem Herzog monatlich vorgelegt werden. Bemerkenswert an diesem Entwurf im Gegensatz zur Instruktion von 1801 ist, daß er – obwohl von Kretschmann selbst stammend – den Namen des Ministers nicht erwähnt, sondern nur vom „Minister“ oder „jedesmaligen Minister“ spricht. Als Antwort hierauf stellte Herzog Ernst in einem Schreiben vom 14. August 1807 die „festzusetzenden Grundsätze, in welchen wir (sc. er selbst und Minister Kretschmann) noch verschieden sind“, dar: „1.) ( . . . ) Das Landes-Ministerium, als Zentralpunkt der gesamten innern und äusern Staatsverwaltung würde aus dem Dirigirenten Minister, dem Schef des Justizkollegiums und dem Schef der Landes-Regierung bestehen, letztere könnten den Tittel Vortragente oder Geheime Cabinets-Räthe haben. Nach Erforderniß könnten auch noch, einige Auserordentliche Mitglieder, dazu genommen werden. Siehe dazu oben B.III.1.d) StACo Min F 426 fol. 61’, 62 = StACo LA A 6185 fol. 25 – 26. 202 Siehe dazu soeben a). 203 StACo Min F 426 fol. 59 – 61’ = StACo LA A 6185 fol. 27 – 29. 204 Fraglich bleibt, ob diese Stelle zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch besetzt war: Das einzige erhaltene Ernennungspatent zum Geheimen Assistenzrat im Ministerium ist dasjenige Wangenheims. Nach seinem Ausscheiden ist eine Neubesetzung aktenmäßig nicht mehr zu belegen. – Kretschmann selbst behauptete in einem Schreiben vom 18. August 1807 (StACo Min F 426 fol. 65 = StACo LA A 6185 fol. 20’), diese Stelle habe Regenhertz inne, doch bleibt dies auch in dessen Personalakten (StACo Min F 970) ohne Bestätigung; nach Aktenlage war Regenhertz ab 8. Mai 1806 Geheimer Kanzleirat und vortragender Rat beim Landesministerium (vgl. Patent bei StACo Min F 970 fol. 16, 16’). 200 201

276

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

2.) Die verschiedenen Zweige der Staatsverwaltung, würden in Departements getheilt, wovon iedes Mitglied eines zu besorgen hätte. 3.) Alle eingekommene Sachen würden von dem dirigirenden Minister, nach den verschiedenen Departements, zur weiteren Bearbeitung vertheilt. 4.) Sämtliche Mitglieder, versammelten sich, wöchentlich wenigstens ein mahl unter dem Vorsitz des Dirigirenten Ministers bey mir, in einem dazu bestimten Konferenz-Zimmer. 5.) Über die wichtigeren ( . . . ) Gegenstände, würden in der Session umständliche Vorträge gemacht, es würde so dann über das Refferenten-Gutachten abgestimmt und die Konzepte von ietem gezeichnet. Versteht sich daß mir die Entscheitung bleibt. Die kurrenten Sachen, welche ich nicht Signire würden ganz kurz vorgetragen werden. Bei ieter Session wäre ein Protokoll zu führen. 6.) ( . . . ) ist mir noch beigefallen zu bemerken, daß das, waß das Land selbst betrift, wohl einen Gegenstand der Berathschlagung ausmachen müste.“205

Damit machte er abermals deutlich, daß er ein persönliches Regiment beabsichtigte, was für den Minister nur noch eine rein organisatorische Tätigkeit beinhaltete, während die Entscheidungskompetenzen ausschließlich beim Monarchen verbleiben sollten. In seinem Antwortschreiben vom 15. August 1807 hielt Minister Kretschmann – wohl als Kompromißvorschlag – die Einstellung zweier selbständig arbeitender Geheimer Kabinettsräte im Ministerium für „dem Geiste der hiesigen GeschäftsForm gemäß.“206 Die Aufnahme der Präsidenten der Landeskollegien in das Ministerium entspreche jedoch nicht der bisherigen Organisation, zumal es derzeit keinen besonderen Präsidenten der Landesregierung gebe207 und auch die Pflichten des Ministers nicht nur in der Verteilung der eingegangenen Sachen bestehen könnten, zudem bleibe fraglich, ob die Geheimen Kabinettsräte nur die Konzepte oder auch die Reinschriften selbst zeichnen sollten, da in diesem Fall der Minister künftig „in seiner Würde unter die Kategorie der Praesidenten gesezt“ werde.208 Nach einer Darstellung Kretschmanns vom gleichen Tage solle der Minister künftig der „erste vortragende Rath des Regenten und der Director des Ministeriums“ sein, ihm solle „nach wie vor die Leitung des ganzen exekutiven Theils der Staatsverwaltung“ zustehen.209 Die Konferenzräte sollten ausschließlich die Konzepte zeichnen können, die Ausfertigung aller anderen Schriftstücke beim Minister verbleiben, lediglich die mit „Wir von Gottes Gnaden“ beginnenden Schriftstücke sollten vom Herzog unterzeichnet und vom Minister gegengezeichnet werden.210 205 StACo Min F 426 fol. 49, 49’ = StACo LA A 6185 fol. 7, 7’. Die Aufstellung dieser Grundsätze kann aber nicht, wie bei Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-CoburgGotha, S. 60 geschehen, bereits als Umbildung des Landesministeriums in eine Kollegialbehörde angesehen werden. 206 StACo Min F 426 fol. 51’ = StACo LA A 6185 fol. 8. 207 Diese Position bekleidete Kretschmann bereits seit 1804, vgl. oben IV.3.c)bb). 208 StACo Min F 426 fol. 51’, 52 = StACo LA A 6185 fol. 8’, 9. 209 StACo Min F 426 fol. 54’ = StACo LA A 6185 fol. 19’. 210 StACo Min F 426 fol. 55 = StACo LA A 6185 fol. 19, 19’.

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

277

Während der Abwesenheit des Herzogs sollten keine neuen Gesetze und Verordnungen mehr erlassen werden dürfen, ausnahmsweise könne dies durch eine Konferenz aus Minister und Räten geschehen, wobei dem Herzog eine Genehmigung vorbehalten bleiben sollte.211 Die Gegensätze zwischen dem ministerialabsolutistischen System Kretschmanns und den Vorstellungen Herzog Ernsts vom persönlichen Regiment traten damit offen zutage und verschärften sich in der Folgezeit noch weiter. Kretschmann bemängelte in seinem nächsten Brief an den Herzog vom 18. August 1807212 abermals, daß er die Staatskontrolle nicht mehr halten könne, wenn die Leiter der Kollegien mit Sitz und Stimme im Ministerium angestellt seien, „weil jede Controle aufhört, wenn man die Maximen dem mittheilen muß gegen den sie gerichtet ist.“213 Besser als eine solche Einrichtung sei die völlige Aufhebung des Ministeriums und die direkte Kommunikation des Herzogs mit der Landesregierung. Nach Kretschmanns Auffassung wolle der Herzog jedoch ein Staatsratskollegium neben dem Ministerium haben. Eine solche Einrichtung sei zwar in einem größeren Staate unentbehrlich, in einem kleinen Staate jedoch nicht zweckmäßig. Von Kretschmanns homogenem Organisationssystem hänge jedoch die finanzielle Gesundung des Staates ab, bei einer Vermengung des Ministerialressorts mit den Kollegialressorts könne er keinerlei Verantwortung mehr übernehmen. In einem Anhang zu diesem Schreiben schlug Kretschmann selbst doch noch die Bildung eines Staatsrates vor, dem außer dem Herzog und dem Minister die Prinzen des Hauses und der Präsident des Appellationsgerichts angehören sollten, jedoch sollten dessen Geschäfte strikt von denjenigen des Ministeriums getrennt werden, um eine Kollissionsgefahr zu vermeiden.214 In einer Besprechung am gleichen Tage unterstrich Herzog Ernst jedoch, daß er kein Interesse an einem solchen Staatsrat habe.215 In einem Antwortschreiben vom 19. August 1807216 hielt er die Positionen des Leiters eines Kollegiums und eines vortragenden Rates für vereinbar, da man dem jeweiligen Behördenleiter das Stimmrecht für Angelegenheiten, die seinen eigenen Bereich betreffen, verweigern könnte. Auch führe die vorgestellte Organisation nicht zu einer Vermengung des Kollegialbereichs mit dem Ministerialbereich. Inhaltlich stellte er sich vor: „Die Gegenstände der Berathschlagung sind die Constitution und was auf allgemeine Landesverfassung Bezug hat; Haus- Familien- und auswärtige Staats-Angelegenheiten, die eine specielle staatsrechtliche Beziehung haben, oder das Land angehen; ferner die Gesetzgebung für das Finanzwesen, wohin Finanz-Plane und Finanz-Operationen gehören; 211 212 213 214 215 216

StACo Min F 426 fol. 55’ = StACo LA A 6185 fol. 19’, 24. StACo Min F 426 fol. 64 – 66 = StACo LA A 6185 fol. 20, 20’, 23, 23’. StACo Min F 426 fol. 64 = StACo LA A 6185 fol. 20. Abschrift bei StACo LA A 6185 fol. 23’. Abschrift einer Gesprächsnotiz bei StACo LA A 6185 fol. 23’. StACo Min F 426 fol. 70 – 72 = StACo LA A 6185 fol. 9 – 10’.

278

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

die Gesetzgebung für die Justitz; die Gesetzgebung für die Policey, alle Gnaden- und Dienst-Sachen.“217

Bei der Beratung sollten Vorschläge auch von solchen Räten gemacht werden dürfen, zu deren Departement das beratschlagte Objekt nicht gehört. Am gleichen Tag antwortete Kretschmann, durch diese neuen Vorschläge des Herzogs werde endgültig jede selbständige Tätigkeit des Ministers aufgehoben, da die Haus-, Familien- und auswärtigen Angelegenheiten nunmehr auch in den Zuständigkeitsbereich des Kollegiums einbezogen werden sollten.218 Die vorgeschlagene Organisation widerspreche insgesamt den Grundsätzen Kretschmanns, da hierdurch eine Direktion der gesamten Staatsverwaltung unmöglich gemacht werde. Zu fordern sei ein weiter und umfassender Wirkungskreis für den Minister, wobei er einer intensiven Kontrolle und Verantwortlichkeit unterworfen werden sollte. Nach Eingang dieses Schreibens äußerte Herzog Ernst angeblich: „Nun, wenn er nicht anders will, so mag er gehen.“219

4. Erneuter Versuch einer Verfassunggebung Am 26. Juli 1807 sandte Minister Kretschmann an Kanzler Gruner einen von ihm neu erarbeiteten Verfassungsentwurf mit der Bitte um Stellungnahme.220 a) Inhalt des Entwurfs In der Präambel des Entwurfs wurde die Verfassunggebung als Anpassung an die aktuelle Situation Sachsen-Coburg-Saalfelds gerechtfertigt. Die gegenseitigen Rechte des Herzogs und der Untertanen sollten nach dem Ende des Reiches und der Erlangung der Souveränität zum Besten des Landes genau definiert werden. Ein Vorentwurf Kretschmanns221 hatte noch als weitere tragende Gründe angeführt, daß die vermeintliche Verletzung landschaftlicher Rechte nicht selten als Schild für Angriffe gegen die Regierung während der Abwesenheit des Landesherrn gedient habe. Auf seinen früheren Entwurf von 1804 nahm Kretschmann nicht mehr Bezug. Dies liegt nahe, da dieser Entwurf als Landesvertrag zwischen dem Herzog und einer bestehenden Landschaft aufgebaut war, während nach dem Ende des Reichs ohne weitere Probleme durch Verfassunggebung eine neue Landesvertretung geschaffen und konstituiert werden konnte. StACo Min F 426 fol. 71’, 72 = StACo LA A 6185 fol. 10’. Schreiben bei StACo Min F 426 fol. 74 – 77 = StACo LA A 6185 fol. 21 – 22’. 219 Zitat Hohnbaums bei StACo LA A 6185 fol. 11. 220 StACo Min J 228 fol. 2. Der Entwurf findet sich bei Textanhang Nr. 11 = StACo Min J 228 fol. 4 -15’ = StACo LA F 259 fol. 13 – 24’, ein dazugehöriger Vorentwurf bei StACo LA F 259 fol. 1 – 12. 221 StACo LA F 259 fol. 1 – 12. 217 218

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

279

Der Entwurf selbst war in drei „Capitel“ mit jeweils eigener Artikelzählung aufgeteilt, ähnlich wie die späteren Verfassungen von Westfalen222 – diese auch aus „Artikeln“ bestehend – und Bayern223 in mehrere „Titel“ gegliedert waren. Das erste Kapitel beschäftigte sich – entsprechend den ersten drei Titeln der westfälischen und den ersten beiden Titeln der bayerischen Verfassung – umfassend mit dem Staatsgebiet, der Person des Herzogs und den inneren Verhältnissen des Herzogshauses, das zweite mit der gesetzgebenden Gewalt und das dritte mit der exekutiven Gewalt. Kap. 1 Art. 1 ordnete zunächst den Fortbestand und die Unteilbarkeit der bisherigen coburg-saalfeldischen Lande unter Einschluß Themars als einheitliches Fürstentum ähnlich wie Tit. II Art. 1 der französischen Verfassung vom 3. September 1791224 an. Künftiger Gebietszuwachs, mit dem immer noch gerechnet wurde, sollte diesem Einheitsstaat einverleibt werden. Unterschiedliches Recht in den einzelnen Gebietsteilen sollte ebenso wie in Frankreich225 nicht mehr bestehen. Kap. 1 Art. 2 legte die Erblichkeit der Herzogswürde nach den Grundsätzen der Primogenitur in männlicher Linie fest, während Art. 3 bis 10 Vorschriften über die Regentschaft, die im Falle der Minderjährigkeit oder anderer Hinderungsgründe eintreten sollte, trafen. Der für seine Regierungshandlungen persönlich verantwortliche Regent – Frauen waren vom Regentenamt ausgeschlossen – konnte vom regierenden Herzog im voraus bestimmt werden, andernfalls war er aus den volljährigen Agnaten des Herzogshauses zu wählen; sollte es keine solchen geben, war der älteste ernestinische Herzog Regent. Für die Zeit der Regentschaft war zudem ein besonderer Regentschaftsrat vorgesehen, der aus dem Minister, dem Präsidenten des Oberappellationsgerichts und dem Kanzler des Justizkollegiums bestehen sollte. An die Zustimmung dieses Rates waren fast sämtliche Regierungshandlungen gebunden. Dieser Abschnitt über die Regentschaft scheint in großen Teilen den Art. 27 ff. der französischen Verfassung von 1804 entnommen worden zu sein. In Kap. 1 Art. 11 wurden dem Herzog die Domänenerträge sowie weitere Einkünfte zugewiesen, ein Zugriff des Herzogs auf die Staatseinkünfte für Ausgaben persönlichen Charakters bedurfte der Genehmigung der Landschaft. Völlig neue Wege wurden mit Kap. 2 Art. 1 beschritten, in dem die Ausübung der legislativen Gewalt umfassend von der „Zurathziehung“ (im Vorentwurf Kretschmanns noch „Beystimmung“) des Volkes oder dessen Repräsentanten abhängig gemacht wurde, 222 Verfassungsurkunde vom 15. November 1807, Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 38 ff. = Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 77 ff. = Michael Hecker, Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, S. 173 ff. 223 Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, RBl. 1808, Sp. 985 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 96 ff. 224 „Le Royaume est un et indivisible: son territoire est distribué en quatre-vingts-trois départements, chaque département en districts, chaque district en cantons.“, zit. nach Jacques Godechot, Les constitutions de la France, S. 33 ff. ; deutsche Übersetzung bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Zweiter Band, S. 2 ff. 225 Tit. I, letzter Satz: „Il sera fait un Code de lois civiles communes à tout le Royaume.“

280

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

der Zustimmung der Landschaft bedurften Verfassungsänderungen, Eingriffe in staatliches Eigentum und das Steuersystem betreffende Gesetze. Von jeglicher landschaftlicher Mitwirkung ausgeschlossen blieben Justiz- und Polizeiverordnungen, die auf vorübergehenden Ereignissen fußten. Die Wahl der Volksvertretung sollte doppelt indirekt verlaufen. In einem ersten Wahlgang waren nach Stimmenmehrheit unabhängig von der Einwohnerzahl in den Städten jeweils vier „Deputierte“, in den Landgemeinden jeweils ein „Deputierter“ zu wählen. Diese Deputierten hatten lediglich die Aufgabe, in einem weiteren Wahlgang „Repräsentanten“ im Schlüssel 1:10 zu wählen. Zu diesen von der Bevölkerung indirekt gewählten Repräsentanten traten noch weitere, die von den Rittergutsbesitzern im Verhältnis 1:5 gewählt wurden. Diese Repräsentanten sollten hinwiederum in einem dritten Wahlakt letztendlich die Mitglieder der Landschaft für eine Amtszeit von fünf Jahren wählen, von denen beim bisherigen Gebietsumfang Sachsen-Coburg-Saalfelds drei auf die Städte, sechs auf die Landgemeinden und drei auf die Rittergutsbesitzer entfielen. Das passive Wahlrecht zum Mitglied der Landschaft war dabei auf im Staate angesessene Grundeigentümer beschränkt. Vom passiven Wahlrecht zu Deputierten und Repräsentanten ausgeschlossen waren Staatsdiener, Vorsteher und Beamte der Magistrate und Stadträte sowie Angeschuldigte; in Kretschmanns Vorentwurf war zudem noch ein Ausschluß der weiteren Mitglieder der Magistrate und Stadträte vorgesehen gewesen. Der Präsident der Landschaft, dessen reguläre Amtszeit ein Jahr betrug, sollte durch den Herzog bestimmt werden. Der Präsident, dem nur die Geschäftsleitung, jedoch kein Stimmrecht zukam, sollte aber nach Kap. 2 Art. 12 „nicht dreymal aus dem nehmlichen Stande“ kommen. Das Recht der Einberufung und jederzeitigen Auflösung der Landschaft lag ebenfalls ausschließlich beim Herzog, wobei diese auch nur über die vom Landesherrn vorgeschriebenen Themen beraten durfte. Diese Beratungen von Gesetzentwürfen sollten binnen 8 bzw. 14 Tagen beendet sein, längere Verhandlungen bedurften herzoglicher Genehmigung. Kap. 2 Art. 21 beinhaltete zudem eine Pflicht der Landschaft, dem Landesherrn jederzeit auf Verlangen Einsichtnahme in die Protokolle über die landschaftlichen Verhandlungen zu gestatten – sichtlich eine Reaktion Kretschmanns auf die Auseinandersetzungen mit den alten Ständen.226 Die Exekutive im weitesten Sinne (Regierung, Polizei, Militär) stand nach Kap. 3 Art. 1 ausschließlich dem Herzog zu, die landschaftliche Mitwirkung war hierfür sowie bei der Verleihung von Staatsämtern, Würden, Besoldungen und Pensionen ausdrücklich ausgeschlossen. In Kap. 3 Art. 5 wurde andererseits die Unabhängigkeit der Justiz „von allem fremden Einfluße“ festgelegt. Dazu gehörte jedoch auch, daß die Urteile ausschließlich von inländischen Behörden zu fällen und die hierzu notwendigen Instanzen einzurichten waren, wobei der Rechtszug für 226

Dazu siehe oben I. sowie B.III.5., B.IV. und B.VI.

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

281

alle Stände auf drei Instanzen beschränkt wurde (Kap. 3 Art. 6). Für Vergehen der Mitglieder des Herzogshauses und der obersten Staatsbeamten sowie Delikte gegen den Staat sollte ein Oberster Gerichtshof errichtet werden, der unter Vorsitz des Herzogs oder des Präsidenten der Landschaft aus den coburgischen Prinzen, dem Minister, dem ersten Hofbeamten, dem Militärbefehlshaber, sämtlichen Präsidenten der Landeskollegien und allen Räten der hohen coburgischen Gerichtshöfe bestehen sollte und in erster und letzter Instanz zu entscheiden hatte. Auch dies scheint eine deutliche Bezugnahme auf Art. 101 ff. der französischen Verfassung von 1804 zu sein.227 Kap. 3 Art. 11 gestand dem Herzog das Recht zu, Angehörigen sämtlicher Religionen den Aufenthalt im Lande zu gestatten und ihnen die freie Religionsausübung zu ermöglichen. Kap. 3 Art. 12 schloß mit Ausnahme der herzoglichen Domänen alle Untertanen und Grundstücke von der Steuerfreiheit aus. Gleichzeitig mit der Einführung einer allgemeinen Steuerpflicht sollte jedoch die lehensrechtliche Verbindung der Grundstücke zum Landesherrn enden. Für die Verwaltung der Staatseinnahmen und einzelner bestimmter Ausgaben, vor allem jedoch zum Zwecke der Tilgung der bisherigen Schulden, sollte eine Staatskasse gebildet werden, deren Bedienstete dem Herzog und der Landschaft zu verpflichten waren. Die Aufnahme neuer Schulden sowie Veräußerung und Verpfändung von Staats- und Domänengütern bedurften der Genehmigung der Landschaft. Die Landschaft wurde jedoch in Kap. 3 Art. 19 verpflichtet, die Mittel für die enumerierten Staatsausgaben und zur Schuldentilgung zu bewilligen. Die Etatberatungen waren auf jährlichen Sitzungen im Mai abzuhalten, der Landschaft waren nach Rechnungsabschluß zudem die Jahresrechnungen vorzulegen. Die laufende Finanzverwaltung blieb jedoch dem Herzog und seinen Behörden ohne Beeinflussungsmöglichkeiten durch die Landschaft vorbehalten. Kretschmann selbst stellte 1809 rückblickend die Grundzüge der entworfenen „Staatsverfassung von Coburg“ wie folgt dar: „Die neue Constitutions-Acte, welche der Minister entworfen hat, bestimmt a) einen fixen Civil-Etat für die Herzogliche Famile, welcher nur mit Genehmigung der Stände erhöht werden kann. b) Schulden darf der Herzog nur mit Genehmigung der Stände machen. c) Beym Abgang des Herzogs wird die Regentschaft bestimmt. d) Die Weiber sind von der Regentschaft und der Regierung ausgeschlossen. e) Jeder fähige Bürger kann zum Landstand gewählt werden. f) Einrichtung der Landtags-Versammlungen. g) Neue Gesetze sind an die Zustimmung der Stände gebunden. 227 Die Erklärung Karl Bohleys (Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 57), dieser Gerichtshof sei „nur aus den vorhergehenden Kämpfen mit der Landschaft zu verstehen“, übersieht die deutlichen Parallelen zur französischen Verfassung.

282

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

h) Die vollziehende Gewalt liegt unbeschränkt in den Händen des Herzogs. i) Neue Auflagen gehörden unter neue Gesetze, und hängen von der Einwilligung der Stände ab. k) Die Stände setzen alle Jahre die Staatsbedürfnisse fest und nehmen Einsicht von den Staats-Rechnungen. l) Gegen den Zweck der Verwilligungen darf nichts verwendet werden. m) Die Patrimonial-Gerichtsbarkeit hört auf. n) Die Lehenrechte werden gegen Entschädigung aufgehoben. o) Der Code Napoleon wird mit Berücksichtigung auf Lokalitäten eingeführt.“228

Seine wesentlichen Ziele wollte er als fortschrittlich verstanden wissen: „Ich wollte, daß ieder Bürger an der Repräsentantenschaft des Landes Antheil haben solle – auf dem Landtage erscheinen dürfe! Ich wollte Abschaffung der Patrimonialgerichtsbarkeit! Ich wollte Abschaffung der Lehensrechte gegen Entschädigung!“229

Dagegen muß vom objektiven Standpunkt aus zwar eingewandt werden, daß Kretschmanns Verfassungsentwurf zwar keineswegs modernen Anforderungen entsprach und auch nicht im geringsten der Forderungen der Aufklärung230 nach der Sicherung der iura quaesita der persönlichen Freiheit und des Eigentums nachkam, wie es Tit. 1 § VII der bayerischen Verfassung tat, andererseits hätte die Inkraftsetzung einer derartigen Verfassungsurkunde den Kleinstaat Sachsen-Coburg-Saalfeld an die Spitze der rheinbündischen Verfassungsentwicklung gestellt. Insbesondere eine allgemeine Mitwirkung – wenngleich doppelt indirekt – gewählter Landstände bei Gesetzgebung und Finanzverwaltung sowie die Abschaffung althergebrachter Privilegien hätten für Sachsen-Coburg-Saalfeld (und für eine Rezeption durch andere Staaten) einen größeren Schub bedeutet.

b) Gutachten des Kanzlers Gruner Kanzler Gruner erstattete sein Gutachten zum Verfassungsentwurf bereits unter dem 27. Juli 1807.231 Zunächst bemerkte er, daß der Entwurf drei verschiedene Gegenstände enthalte, nämlich einerseits Dinge, die allein die fürstliche Familie angingen, zweitens Bereiche, die allein dem Regenten zustünden, und drittens das Verhältnis zwischen Regenten und Untertanen, wobei er die Ansicht vertrat, daß die beiden erstgenannten Sachbereiche nicht in eine Verfassung gehörten: 228 Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Coburg, S. 116 f., vgl. auch ebd. S. 42. 229 Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Coburg, S. 42. 230 Siehe dazu Wolfgang von Rimscha, Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus, S. 25. 231 StACo Min J 228 fol. 18 – 27 = StACo LA F 259 fol. 76 – 86’.

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

283

„Der souveraine Fürst besteht für sich selbst, und nicht kraft eines Vertrags mit den Unterthanen; aus dem Begriff der Souverainität leiten sich seine Befugniße ab. Durch einen Vertrag macht sich der souveraine Fürst zu einem constitutionellen, u. er kann in der großen Wirkung des Guten gehindert werden. Denn daß unsere souverainen Fürsten nur im Wohl und Glück ihrer Unterthanen ihr eigenes finden können, ist eine Sache, die keinen Zweifel mehr leidet.“232

Infolgedessen sei in einer Verfassung lediglich das Verhältnis zwischen Regent und Untertanen zu regeln. Zudem seien im Entwurf Dinge enthalten, die in der Rheinischen Bundesakte noch nicht geregelt seien, worunter beispielsweise Rechtsverhältnisse der fürstlichen Familienmitglieder und die Trennung der Domäneneinkünfte von den Staatseinnahmen zu rechnen seien. Gruner äußerte zudem grundsätzliche Bedenken gegen die umgehende Einführung einer Verfassung aufgrund der aktuellen Umstände, da eine überstürzt eingeführte neue Verfassung vielleicht eher die bereits bestehenden Widerstände verstärken denn zu einer Konfliktbeilegung führen könnte. Bezeichnend sei, daß noch kein weiterer Bundesfürst derartige Verfassungsüberlegungen publiziert habe, man solle eher detailliertere Beratungen eines noch durchzuführenden rheinischen Bundestages abwarten. Dennoch erstreckte Gruner sein Gutachten auch auf die ersten beiden Abschnitte des Entwurfs. Gleiche Gesetze für den gesamten Staat, wie in Kap. 1 Art. 1 vorgesehen, könnten erst dann formuliert werden, wenn die noch bestehenden verschiedenen Landesrechte und Statuten aufgehoben seien. Bei der Sukzessionsregelung des Art. 2 sei man zudem noch an die Primogeniturordnung von 1733 / 1736233 gebunden, da die Rheinische Bundesakte die Fürsten nicht zur Aufhebung von Hausverträgen ermächtige, und die Formulierung der „direkten“ Linie Mißverständnisse bei den Agnaten aufkommen lassen könnte. Art. 3 verstoße ebenfalls gegen die Primogeniturordnung und die sächsische Hausverfassung, die die Minderjährigkeit der Prinzen auf 21 Jahre bestimme. Auch hinsichtlich der Regelung über die Einsetzung eines Regenten (Art. 4) müsse es bei den Hausgesetzen und der Observanz verbleiben. Bei Art. 6 f. sei zu bedenken, daß der zur Regierung unfähige Fürst lediglich von seinen Verwandten und Dienern für regierungsunfähig erklärt werden sollte und ein Protest des betroffenen Fürsten beim Protektor des Rheinbundes oder beim Bundestag zu erwarten sei. Auch dürfe nicht durch Art. 10 dem Regenten jegliches Recht über die Person des minderjährigen Fürsten genommen werden, da persönliche Dinge wie zum Beispiel Erziehungsfragen naturgemäß zu den Pflichten des Vormundes gehörten. Entgegen Art. 12 solle es bei der bisherigen Regelung der sächsischen Hausverfassung verbleiben, nach welcher die Tätigkeit des Regenten nicht vergütet werde, da die laufende Arbeit ohnehin Sache der jeweiligen Landeskollegien sei. Art. 13 (Versorgung der übrigen Mitglieder der 232 StACo Min J 228 fol. 18’, 19 = StACo LA F 259 fol. 77, 77’ (die Hervorhebung entstammt dem Original). 233 Zu dieser siehe oben B.I.1.e).

284

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

herzoglichen Familie) solle nicht in die Verfassung aufgenommen werden, er sei zwar von seinem Sinn her durchweg zu begrüßen, doch müsse auch für den Fall vorgesorgt werden, daß die Familie so groß geworden sei, daß die Einkünfte aus den Domänen nicht mehr zu ihrem Unterhalt ausreichten. Lediglich das zweite Kapitel des vorgelegten Entwurfs enthalte die „Constitution der landschaftlichen Verfassung“. Nach Gruners Ansicht sei eine Verfassunggebung nicht anzuraten, da diese der Souveränität des Herzogs zuwiderlaufe, wie sie ihm durch Art. 26 der Rheinbundakte zugestanden worden sei. Hiernach stünden dem Herzog gerade diejenigen Regierungszweige ausschließlich zu, bei denen die Landschaft ehemals Mitwirkung verlangte. Eine landschaftliche Verfassung könne nur im eingeschränkten Zustand Gutes für Land und Landesherrn bewirken. Infolgedessen sei positiv zu werten, wenn der Landschaft allein allgemeine Gesetze zur Beratung mitgeteilt werden und nicht dieser, sondern dem Herzog der Gesetzesbeschluß obliege. Da zudem die Verfassung infolge unvorhergesehener Ereignisse vielleicht einmal abgeändert werden müßte, sollte der Landesherr nicht, wie in Art. 20 vorgesehen, durch ein – wenngleich beschränktes – Vetorecht der Landstände im Rahmen der Gesetzgebung gebunden werden. Der Würde der Stelle eines Landschaftspräsidenten entspreche es nicht, wenn dieser, wie in Art. 12 vorgesehen, auch aus dem dritten Stand gewählt werden könnte. Auch sollten Landschaftspräsident und Deputierte ihre Stellungen lebenslänglich bekleiden können, wenn sie sich dieser nicht unwürdig machen. Bedenklich sei auch der vorgesehene Wahlmodus: „Viel Köpfe viel Sinn! Mit wenigen und mit gebildeten Köpfen ist beßer zu verhandeln als mit vielen (ungebildeten).“234

Auch im dritten Kapitel scheine bei Art. 1, als komme dem Herzog die exekutive Gewalt erst kraft der Verfassungsurkunde und nicht bereits aufgrund seiner Souveränität zu. Ihm sei jedoch nicht, wie in Art. 3 vorgesehen, die uneingeschränkte Personalhoheit einzuräumen, wenn das Personal allein aus der Staatskasse besoldet werden soll. Der Fürst sollte vielmehr bereits vor der Stellenbesetzung die Anzahl der Kollegien und Ämter, der Mitarbeiter in jedem Departement sowie die fixierte Besoldung, die nicht verändert werden dürfe, wenn nicht eine ungewöhnliche Lebensmittelverteuerung eingesetzt haben sollte, bestimmen, da er ansonsten jederzeit das Personal zum Nachteil der Landesfinanzen aufstocken könne. Die in Art. 6 vorgesehene Einrichtung verschiedener Instanzen innerhalb des Landes komme zu teuer, jedoch sollte geprüft werden, inwieweit das dort angestellte Personal auch anderweitig Verwendung finden könnte. Art. 8 über die Zusammensetzung des Hohen Herzoglichen Gerichtshofs stammte nach Gruners Vermutung aus der aktuellen französischen Verfassung.235 Auch gegen die ZusamStACo Min J 228 fol. 23 = StACo LA F 259 fol. 81’. Dies ist zutreffend, die Formulierungen über Zuständigkeit und Zusammensetzung des Hohen Herzoglichen Gerichtshofs erscheinen dem Tit. XIII („De la Haute Cour impériale“), 234 235

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

285

mensetzung des Gerichtshofes in Art. 8 sei Widerstand seitens der herzoglichen Familie zu erwarten, da die Bundesakte selbst den mediatisierten Fürsten Austrägal-Instanzen zusichert, da diese nur von ihresgleichen gerichtet werden sollten. Bei Art. 9 sollte dennoch ein Rechtsmittel für erstinstanzliche Entscheidungen des Gerichtshofes, vielleicht auch nur in der Bestellung eines anderen Referenten, ermöglicht werden. Hinsichtlich Art. 12 sollte denjenigen Vasallen, die einen Vorteil durch die Veränderung des vormals lehnbaren Ritterguts haben, eine zusätzliche Abgabe neben der Steuer abverlangt werden. Bei der „neuen und originellen Idee“ der Trennung der Domäneneinkünfte von den übrigen Landeseinnahmen erscheine es als bedenklich für den regierenden Herzog, für immer auf die Einkünfte des Staates zu verzichten, da leicht einmal Unglücksfälle eintreten könnten. Wenn die Landeskasse aber, wie in Art. 16 vorgesehen, sämtliche Schulden des Landes und des Herzogs übernehmen sollte, so sei dies wohl noch besonders mit der bestehenden Landschaft zu verhandeln. Es sollte angestrebt werden, die Verfassung erst nach einer dahingehenden Übereinkunft mit dieser bekanntzumachen. Das in Art. 19 – 21 aufgestellte System, nicht die Ausgaben nach den veranschlagten Einnahmen, sondern die Einnahmen nach den beabsichtigten Ausgaben festzusetzen, sei zu begrüßen. c) Weitere Gutachten aa) Regierungsrat Hartleben Nach Ansicht Hartlebens, der Ende Juli ein Gutachten über einen von Kretschmann übersandten Vorentwurf erstattete236, war der Entwurf „dem Zeit-Geiste und dem Vorbilde der französischen Staats-Verfaßung gemäß“237. Diesem Gutachten ist zu entnehmen, daß von Hartleben die Initiative für den Ausschluß der Vorsteher der Magistrate für die Wahl zu Repräsentanten der Städte (Kap. 2 Art. 9), für die Vorschrift, daß der Präsident der Landschaft nicht dreimal hintereinander aus dem gleichen Stand entnommen werden dürfe (Kap. 2 Art. 12) sowie für die Beschränkung der Verwerfungskompetenz der Landschaft (Kap. 2 Art. 20) ausging. Auch nach seiner Ansicht widerspreche Kap. 1 Art. 3 hinsichtlich des für den Regenten vorgeschriebenen Mindestalters den sächsischen Gesetzen. Die Festsetzung von Mehrheitsentscheidungen im Regentschaftsrat (Art. 9) stehe insbesondere Art. 101 und 104 der französischen Verfassung vom 18. Mai 1804 (abgedruckt bei Jacques Godechot, Les constitutions de la France, S. 185 ff.; deutsche Übersetzung bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Zweiter Band, S. 72 ff.) entnommen. 236 StACo LA F 259 fol. 89 – 92. Bei StACo LA F 259 fol. 25 – 75 finden sich verschiedene Vorentwürfe, die wohl an verschiedene Referenten zur Erstellung ihrer Gutachten gesandt worden waren. Welcher Vorentwurf an wen gegangen ist, läßt sich – außer bei Gruner, der wohl die Endfassung erhalten hatte – nicht mehr nachweisen. 237 StACo LA F 259 fol. 89.

286

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

im Widerspruch zu Art. 5, der die persönliche Verantwortlichkeit des Regenten für seine Regierungshandlungen festschreibt. bb) Regierungsrat Arzberger Offensichtlich ging die Regelung, die Entscheidungskompetenz über die Regierungsfähigkeit des Herzogs dem Gerichtshof zukommen zu lassen (Kap. 1 Art. 6), auf einen Vorschlag Arzbergers in seiner Stellungnahme vom 26. Juli 1807238 zurück. Als Alternative hätte sich für ihn lediglich der Regentschaftsrat angeboten, der sich zu diesem Zweck jedoch zuvor hätte konstituieren müssen. Aus dem Zusammenhang zwischen Kap. 2 Art. 8 und 10 ergebe sich, daß die vorgesehene Vollmacht für die „Repräsentanten“ zu weit formuliert sei. Sie würden durch den Wortlaut nämlich zu allen Handlungen, die der Landschaft selbst zustehen, bevollmächtigt, ihre einzige Aufgabe sei jedoch die Wahl der Mitglieder der Landschaft. Die vorgeschlagene weite Vollmacht erscheine nur für den Fall sinnvoll, wenn es der Landschaft möglich sei, sich an das Plenum der Repräsentanten zu wenden, oder wenn die Repräsentanten die Mitglieder der Landschaft lediglich aus ihrer Mitte wählen dürften, was jedoch beides nicht erstrebenswert sei. Kap. 3 Art. 2, wonach der Landesherr über Krieg und Frieden zu entscheiden hatte, sei eine überflüssige Wiederholung der Rheinischen Bundesakte. Auch bleibe die Frage, ob die in Kap. 3 Art. 6 für Rechtsstreitigkeiten vorgesehenen drei Instanzen nicht doch einen unverhältnismäßigen Personalbestand zur Folge hätten, man sollte vielmehr die Errichtung eines gemeinschaftlichen sächsischen Oberappellationsgerichtshofes im Auge behalten. cc) Kanzleirat Regenhertz Hauptkritikpunkt Regenhertz’ in seinem Gutachten vom 29. Juli 1807239 war die Frage, inwieweit die Bestimmungen einer Verfassungsurkunde als unwandelbar garantiert werden können, da sich seiner Ansicht nach ein souveräner Regierungsnachfolger nicht von seinem Vorgänger binden zu lassen brauche.240 Eine solche Bindung könne nur bei einer Übereinkunft zwischen dem Herzog und den Untertanen oder deren Repräsentanten erreicht werden, hierfür wäre die Einberufung einer „constituierenden Versammlung“ notwendig. Da bei allen anderen sächsischen Häusern auch die weiblichen Familienmitglieder zur Regentschaft während der Minderjährigkeit des Landesherrn befähigt StACo LA F 259 fol. 93 – 98’. StACo LA F 259 fol. 99 – 103’. 240 Zu dieser zeitgenössisch diskutierten Meinung vgl. Wilhelm Josef Behr, Staatswissenschaftliche Erörterung, S. 1 ff., 10 ff., 38 ff.; Heinrich Albert Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Erster Theil, S. 390 ff. 238 239

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

287

seien, sei nicht ersichtlich, warum dies in Sachsen-Coburg-Saalfeld durch Kap. 1 Art. 3 geändert werden sollte. Bei Art. 5 sei unklar, wem und warum der Regent Rechenschaft ablegen müsse, vielmehr müsse er als Vertreter des Souveräns ebenso wie dieser unverantwortlich sein. Der Regentschaftsrat (Art. 7) solle durch die Präsidenten der drei höchsten Kollegien im Lande gebildet werden. Bei Art. 12 reichten für den Regenten ein Fünftel der Einkünfte des Herzogs, um die fürstliche Familie nicht zu belasten. Die indirekte Wahl der Mitglieder der Landschaft über Deputierte und Repräsentanten erscheine zu umständlich. Einfacher sei es, jedem Stand (Städte, Ritterschaft und Landbevölkerung) sieben Landschaftsmitglieder zuzugestehen. Für die Städte sollten Coburg, Neustadt, Rodach, Themar, Saalfeld und Pößneck jeweils ein Mitglied stellen, Gräfenthal sollte zusammen mit Lehesten einen gemeinschaftlichen Vertreter entsenden. Die Rittergutsbesitzer sollten mit Stimmenmehrheit sieben weitere Deputierte wählen. Die sieben Vertreter des Landes sollten in den Ämtern durch Stimmenmehrheit der Schultheiße nach vorheriger Beratung mit ihren Gemeinden gewählt werden, wobei vom Amt Coburg zwei und von den Ämtern Neustadt, Rodach, Themar, Saalfeld und Gräfenthal jeweils ein Deputierter zu wählen sein sollten. Das in Kap. 2 Art. 11 vorgesehene Erfordernis der Bestätigung der Wahl der Landschaftsmitglieder durch den Landesherrn widerspreche dem Begriff des Deputierten. Auch sei nicht ersichtlich, warum dem Präsidenten, wie in Art. 12 vorgesehen, keine Stimme zukommen solle. Dort sollte ebenfalls ein fester Tag bezeichnet werden, an dem die Landschaft jährlich zusammentreten soll. Die in Art. 18 gesetzte Beratungsfrist von acht Tagen sei zu kurz. Bei Art. 20 erscheine ein votum decisivum der Landschaft bei allen Gesetzen erforderlich, wenn es der Zweck der Verfassung sein sollte, das Volk gegen die Willkür des Regenten zu schützen. Bei Kap. 3 Art. 3, 4, 6 und 10 bestehe kein Schutz vor Mißbräuchen durch den Landesherrn, vielmehr müsse vom Prinzip her die Zustimmung der Landschaft für jede einzelne Anweisung auf die Staatskasse verlangt werden. Die Errichtung eines Gerichtshofs (Art. 7) erscheine nicht notwendig. Art. 19 müsse gestrichen werden, da er der repräsentativen Verfassung widerspreche. An die in Art. 20 dargestellte Verwilligung auf ein Jahr sei man in Deutschland nicht gewöhnt, vielmehr sei eine längere Frist angemessen, zumal dann die Versammlungen der Landschaft nicht jährlich abgehalten werden mten und man sich die Kosten ersparen könne, die Vorlage der Rechnungen könne auch vor einem Ausschuß geschehen. Insgesamt plädierte Regenhertz dafür, einen Landtag sämtlicher noch bestehender coburgischer, saalfeldischer und themarischer Stände in Coburg einzuberufen und mit einer solchen Versammlung den Verfassungsentwurf und die Lage des Landes zu besprechen.

288

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

d) Konferenz über die Verfassunggebung Am 10. August 1807 fand eine Konferenz über das Verfassungsprojekt statt, an der neben Herzog Ernst und Minister Kretschmann als Referenten Kanzler Gruner, die Geheimen Regierungsräte Arzberger und Hartleben sowie der Geheime Kanzleirat Regenhertz teilnahmen.241 Diese Konferenz erbrachte im wesentlichen folgende Änderungen des Verfassungsentwurfs: Zur Erläuterung sollte in Kap. 1 Art. 1 vor dem Wort „Gesezen“ das Wort „allgemeinen“ eingefügt werden. Auf Wunsch des Herzogs sollte an Art. 2 ferner folgender Satz angefügt werden: „Sollte sich der Fall ereignen, daß in absteigender Linie kein Thronfähiger Nachfolger des lezten Regenten männlichen Geschlechts vorhanden wäre, so geht die Thronfolge alsdann auf die Seitenlinien des Herzogl. Hauses nach dem Rechte der Erstgeburth und der Succeßion des gemeinen Rechts in männlicher Linie über.“242

Der Herzog war auch mit dem Ausschluß weiblicher Personen von der Regentschaft in Art. 3 nicht einverstanden. Nach seinem Wunsch wurde in Art. 6 eine Bestimmung eingefügt, wonach die Regentschaft auch dann eintreten sollte, wenn sich der Landesherr mehr als zwei Jahre ununterbrochen außer Landes aufhalten sollte. In Art. 7 wurden an die Stelle des Präsidenten des Oberappellationsgerichts und des Kanzlers die Präsidenten der obersten Gerichtshöfe gesetzt. Im zweiten Kapitel wurde auf Wunsch von Herzog Ernst der Begriff „das Volk“ durchgehend durch „das Land“ ersetzt. Bei Art. 12 wurde der dritte Satz wie folgt geändert: „Nach Verfluß eines Jahres kann ihm sein Amt noch ferner, doch jedesmahl nur wieder auf ein Jahr übertragen werden, so daß er im Falle der längeren Beibehaltung nach Ablauf eines jeden Jahres aufs neue bestätiget werden muß.“243

Ansonsten könne nämlich angenommen werden, daß der Landschaftspräsident höchstens für zwei Jahre amtieren könne. In Art. 13 wurde wegen möglicher Mißverständnisse das Wort „auflösen“ durch „beendigen“ ersetzt. In Art. 20 wurde „decisiv“ durch „entscheidend“ ersetzt und auf Vorschlag des Ministers noch hinzugefügt: „Sie muß aber das ihr zur Prüfung vorgelegte Gesezz seinem ganzen Umfange nach entweder annehmen oder verwerfen und kann dieses nicht in Hinsicht einzelner Abschnitte oder Stellen.“244 241 242 243 244

Konferenzprotokoll bei StACo LA F 260 fol. 1 – 7. StACo LA F 260 fol. 2, 2’. StACo LA F 260 fol. 4. StACo LA F 260 fol. 4.

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

289

Hinsichtlich Kap. 3 Art. 9 sollte eine Berufung gegen Entscheidungen des Gerichtshofes an den Herzog selbst ermöglicht werden. Bei dem aufgestellten Finanzsystem müßte eine Verpflichtung der Landschaft, in dringenden Fällen dem Herzog Mittel zur Hofhaltung zur Verfügung zu stellen, mit aufgenommen werden. Minister Kretschmann wollte seinen nunmehr geänderten Entwurf umgehend als Verfassung oktroyieren, drucken und publizieren lassen. Hiergegen wünschte Herzog Ernst, zuvor auf einer weiteren Konferenz den nunmehrigen Entwurf mit „Vertretern des Landes“ – also wohl entweder den bisherigen Landschaften oder eventuell auch einem neugewählten Gremium – zu beraten, um diese zu einer „freiwilligen Annahme“ zu bewegen. Diese Ansicht wurde von Kanzler Gruner unterstützt, da bei mangelnder Akzeptanz nicht mit dem Vollzug der Verfassung zu rechnen sei. Er schlug vor, den Engeren Ausschuß der coburgischen Landschaft als noch bestehend anzuerkennen und ihn einzuberufen. Auch Arzberger war dieser Ansicht und meinte, man brauche den Engeren Ausschuß nur hinsichtlich der Beratung des Verfassungsentwurfs als bestehend anzuerkennen. Dem widersetzte sich der Minister, der der Ansicht war, daß der Herzog nach der Rheinbundakte befugt sei, ohne irgendeine Mitwirkung von Landständen die Konstitution einzuführen, zudem sei von den „größten-Theils Kenntniß-losen Landes-Deputierten“245 nichts Positives zu erwarten. Eine Wahl besonderer Deputierter sei nicht möglich, solange nicht die Grundsätze für eine solche Wahl festgesetzt seien, als Alternative bleibe lediglich die Zirkulation unter sämtlichen Mitgliedern der bisherigen Landschaft, da sich die Mitglieder des Engeren Ausschusses ausnahmslos in Untersuchung befänden. Von diesen sei jedoch wegen der beabsichtigten Aufhebung der Steuerfreiheit und des Verlusts der Landstandschaft ohnehin nur eine Ablehnung zu erwarten. Hartleben und Regenhertz teilten diese Ansicht. Infolgedessen wurde von den Konferenzteilnehmern ein schriftliches Gutachten über die Frage, ob der Entwurf vor seiner Veröffentlichung den Landständen vorzulegen sei, erbeten. Damit kam es zu einer weitgehenden Verschleppung der Verfassungsfrage. e) Fortgang der verwaltungsinternen Verfassungsdiskussion Im Rahmen der weiteren Diskussion zeigte sich, daß Kretschmann mit seinen Verfassungsplänen, insbesondere aber mit der geplanten Mitwirkung gewählter Landstände bei der Gesetzgebung, auch innerhalb der Verwaltung auf wenig Unterstützung zählen konnte. aa) Votum Regenhertz’ In seinem Votum vom 11. August 1807246 führte Regenhertz aus, daß die Einberufung besonderer Deputierter nicht als leicht anzusehen sei, zumal da bislang 245 246

StACo LA F 260 fol. 6. StACo LA F 260 fol. 8 – 10.

290

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

noch nicht feststehe, wer überhaupt wahlberechtigt sei. Für eine Beratung des Verfassungsentwurfs komme allenfalls die bisherige Landschaft in Betracht. Jedoch sei der Herzog auch ohne eine solche Beratung zur Einführung einer Verfassung berechtigt, wie es das Beispiel Bayerns zeige, das eine die Rechte der dortigen Stände sehr einschränkende Verfassung247 erlassen habe, auch „der Großherzog von Darmstadt hat die Landstände in dem Herzogtum Westphalen ohne alle Einschränkung aufgehoben“, wobei die jeweiligen Landstände zuvor nicht um ihre Zustimmung gebeten worden seien. Da ohnehin mit Schwierigkeiten mit der bisherigen Landschaft bei der Einführung einer neuen Verfassung zu rechnen sei, erscheine es nicht ratsam, den coburgischen Landständen den Entwurf vor dessen Publikation gesondert mitzuteilen und mit ihnen zu beraten. bb) Votum Gruners Gruner sprach sich in seinem Votum vom 13. August 1807248 abermals strikt gegen ein votum decisivum der Landschaft bei der Gesetzgebung aus: „Unser Volk hat den Grad der Cultur noch nicht erreicht, und vielleicht erreicht kein Volk diesen Grad, sich selbst Gesetze zu schreiben, oder solche anzunehmen.“249

Er hielt es jedoch für bedenklich, bei den aktuellen Umständen die bestehenden Landschaften ausdrücklich aufzuheben. Auch der Großherzog von Berg habe die alte ständische Verfassung belassen und die dort bestehenden Landstände „nicht als Theilnehmer der Souverainität, sondern als Rathgeber des Souverains“250 angesehen.251 Wegen möglicher Störungen durch die alten Landstände sei von der Errichtung einer neuen Landschaft überhaupt abzuraten, da dies einen Kreditverlust für den Staat zur Folge haben könnte. Er plädierte vielmehr für einen Ausgleich mit den alten Ständen nach dem Vorbild Bayerns: „Die alten Stände sind und bleiben nach erlangter Souverainität doch nur Rathgeber, die aber dem Regenten sehr nützlich werden können; sie können die nothwendigen Staatsausgaben nicht verweigern; wenn diese ihnen angezeigt, die Auflagen, durch welche jene Ausgaben bestritten werden können, angegeben, oder Vorschläge dazu von den Ständen selbst gemacht werden, so vergibt sich der Regent nichts. Diesen alten Weg hat auch der König von Baiern neuerdings beybehalten; unter dem 7. Nov. 1806 rescribirte derselbe: 247 Die in dieser Verfassungsurkunde vorgesehene bayerische Nationalrepräsentation ist nie zusammengetreten, siehe Daniel Schlögl, Stationen des Parlamentarismus in Bayern, S. 27, und Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns (Hrsg.), Bayern und Sachsen in der Geschichte, S. 224. 248 StACo Min J 228 fol. 30 – 25 = StACo LA F 260 fol. 11 – 16. 249 StACo LA F 260 fol. 11’. 250 StACo LA F 260 fol. 13’, 14. 251 Im Großherzogtum Berg wurde durch ein Patent vom 22. August 1806 für den 1. September 1806 ein aus den Landständen der verschiedenen Provinzen gebildeter Landtag einberufen, um eine einheitliche „Constitution“ und einen einheitlichen Landtag für Berg zu schaffen. Vgl. dazu Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 378.

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

291

,Ueber die Art der angeordneten allgemeinen Kriegsauflagen erlaßen wir für die Provinz Baiern nach gepflogenem Benehmen mit den Verordneten Unserer lieben und getreuen Landschaft ( . . . ).‘“252

Zudem sei eine Beratung mit Bürgern und Bauern für die Verwaltung schwieriger als eine mit Rittergutsbesitzern, Bürgermeistern und Syndici. Einer Trennung von Domänen- und Staatsvermögen stehe das Recht des Rheinbundes entgegen, wonach kein Bundesfürst eine vom Staat getrennte Kasse haben dürfe. Gegen die beabsichtigte Einführung des obersten Gerichtshofes bestünden sicherlich Bedenken seitens verschiedener Angehöriger des Herzogshauses. cc) Votum Hartlebens Hartleben schloß sich in seinem Votum vom 13. August 1807253 vor allem Gruners Bedenken hinsichtlich der Einräumung der gesetzgebenden Gewalt an die Landstände an. Es sei „bedenklich, mit diesem Beispiele voran zu gehen.“254 Dies könne nämlich einen negativen Einfluß auf die Qualität der Landesgesetze haben. Zwar sei der Herzog „befugt ( . . . ), dem Lande diese Constitution zu geben und die bisher Verfaßungslose Landschaft ganz aufzuheben“255, dies sei aber mit der entworfenen Verfassung nicht beabsichtigt, vielmehr erhielten die bestehenden Landschaften lediglich eine neue Organisation und werden „nach dem Muster wohl geordneter Staaten zur wahren Repräsentantenschaft erhoben“.256 Eine Beratung des Entwurfs mit der bisherigen coburgischen Landschaft sei aber gerade wegen deren Zusammensetzung nicht ratsam. Der Großherzog von Berg habe die alte ständische Verfassung nur belassen, da sie auf einer alten Konstitutionsakte beruhe, aus Repräsentanten aller Stände bestehe und die bisherige Regierung einträchtig unterstützte. Ebenso seien die Mitwirkungsrechte der Landschaft in den bayerischen Landesfreiheitsbriefen detaillierter bestimmt. Andererseits habe der Großherzog von Baden die alten Landstände aufgehoben, da sie zu sehr in ihrem altständischen Denken verhaftet gewesen seien. In Sachsen-Coburg-Saalfeld sei es folglich zweckmäßiger, statt einer Beteiligung der alten Landschaft eine Beratung des Verfassungsentwurfs mit einem von allen Ständen gewählten Repräsentationsgremium vorzusehen und hernach eine Verfassung zu oktroyieren. Damit könne insbesondere dem von Fürstprimas Dalberg gegebenen Beispiel einer Wahl von Repräsentanten aller Stände gefolgt werden. Die Rheinische Bundesakte verbiete ebenfalls nicht die Trennung einer fürstlichen Kasse von der Staatskasse, hiergegen bestehe auch kein Bundesgesetz, vielmehr sei dies lediglich eine in der Literatur vertretene Mindermeinung. 252 253 254 255 256

StACo LA F 260 fol. 15, 15’ (die Hervorhebung entstammt dem Original). StACo LA F 260 fol. 23 – 28. StACo LA F 260 fol. 23. StACo LA F 260 fol. 24. StACo LA F 260 fol. 25.

292

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

dd) Votum Arzbergers Arzberger schloß sich in seinem Gutachten vom 14. August 1807257 den Bedenken Gruners hinsichtlich einer möglichen Kreditgefährdung des Landes sowie den Ausführungen Gruners und Hartlebens über die Mitwirkung der Landschaft bei der Gesetzgebung an. Die geplante Trennung zwischen Staats- und Domänenkasse sei für das Land wünschenswert, da sie hinsichtlich der öffentlichen Meinung zwar keinerlei Wirkung habe, aber andererseits die Vollziehung der Hof- und Landesbedürfnisse durch die vorgenommene Schuldentrennung erleichtere. In bezug auf die Einführung der Verfassung halte er den von Hartleben vorgeschlagenen Weg für richtig, es könnten ja zunächst die Vorschriften über die Wahl der Repräsentation veröffentlicht werden, um hernach mit den Repräsentanten des Volkes die Konstitution zu beraten.258 Der damit vorgezeichnete Weg sollte schließlich auch eingeschlagen werden, wenngleich erst mehr als zehn Jahre später.259

f) Erneute Konferenz mit scheinbarem Ergebnis Am 17. August 1807 fand eine erneute Konferenz über die Verfassungsfrage statt.260 Nach Wunsch Herzog Ernsts sollte an Kap. 3 Art. 6 noch angefügt werden, „daß in allen Sachen des Fiscus, welche nach aufgehobener Versendung der Acten vor den öbersten Landesjustiz-Behörden verhandelt und abgeurteilt werden mten, die bey den Landes-Collegien angestellten Officianten bloß an ihren geleisteten Richtereid gebunden seyn sollten, wenn daher eine Collission deßelben mit ihren Pflichten gegen ihren Landesherrn denkbar seyn sollte, sie dieser in so weit entlaßen seyn sollten, als sie dem Richtereide des Officianten entgegen seyn könnten und ihnen selbst zugleich zur Pflicht gemacht werde in würklich zweifelhaften Fällen gegen den Landesherrlichen Fiscus zu erkennen.“261

Hinsichtlich der Trennung des Domänenvermögens von der Staatskasse verblieb es mit Zustimmung des Herzogs bei der von Kretschmann bereits vorgesehenen Regelung. Der Minister schlug vor, bei der folgenden Bekanntmachung der Konstitution auf dem Lande den Anfang zu machen, sich hernach an die Bewohner der Städte und erst zum Schluß an den Landadel zu wenden. Am 27. August 1807 übersandte Kretschmann die Endfassung der Konstitution an den Herzog zur Unterzeichnung.262 Diese erfolgte jedoch nicht, so daß SachStACo LA F 260 fol. 17 – 22’. Eine Forderung Arzbergers nach einer „Mitteilung an die Landschaft oder den Ausschuß“, wie sie bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-CoburgSaalfeld, S. 60 behauptet wird, läßt sich hieraus nicht ableiten. 259 Zur Beteiligung einzelner (vormaliger) Landstände in der späteren Verfassungsdiskussion siehe unten III.3.b)aa); D.III.1.c); D.III.4.c)bb); zur Beratung des Verfassungsentwurfs mit einer gewählten Ständeversammlung siehe unten D.IV. 260 Protokoll bei StACo LA F 260 fol. 32 – 33’. 261 StACo LA F 260 fol. 32, 32’. 257 258

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

293

sen-Coburg-Saalfeld entgegen den Vorstellungen Kretschmanns nicht zu einem der ersten verfaßten Rheinbundstaaten wurde.

g) Verfassungsbestrebungen aus dem Landesteil Saalfeld aa) Initiative Gleichens In zwei Schreiben vom 26. August 1807263 wandte sich der saalfeldische Landschaftsdirektor Wilhelm Heinrich Karl von Gleichen gen. Rußwurm, dem der Entwurf ebenfalls mit der Bitte um Stellungnahme mitgeteilt worden war, an Herzog Ernst. Er begrüßte ausdrücklich die Neuerungsbestrebungen, da die bisherige saalfeldische Verfassung in vielen Punkten verbesserungsfähig erscheine. Das Recht des Herzogs zur Änderung des bisherigen Systems stehe dabei außer Frage. Problematisch bleibe bei der vorgesehenen Neuerung jedoch, ob die „dem Lande“ durch den Verfassungsentwurf zugewiesenen neuen Einnahmen die übernommenen herzoglichen Schulden decken könnten. Zudem sollte berücksichtigt werden, daß unter bestimmten Umständen auch der Landesherr verpflichtet sein sollte, einen Teil der Ausgaben für die Landesverwaltung aus seinen eigenen Mitteln zu bestreiten, um der Versicherungsurkunde vom 31. Oktober 1805264 Genüge zu tun. Andererseits sei die Aufhebung der Steuerfreiheit für die Rittergutsbesitzer zeitgemäß, die Aufhebung der Lehensverbindung der betreffenden Grundstücke sei für diese eine ausreichende Entschädigung. Zu wünschen sei aber, daß auch die landesherrlichen Domänen der Steuerpflicht unterfielen, wie es im Großherzogtum Berg mit den dortigen Ständen vereinbart worden sei. Die vorgeschlagene Anzahl der Landschaftsmitglieder erscheine jedoch in Hinblick auf mögliche Verhinderungsfälle als zu gering, da eventuell sogar ein ganzer Stand bei der Tagung nicht vertreten sein könnte. Die Wahl eines eigenen Vorstehers durch die Landschaft sollte beibehalten und von einer Verpflichtung der Landstände zur Vorlage des Abstimmungsverhaltens der einzelnen Stände abgesehen werden. Der Beratung der Landschaft sollten auch die Justizverordnungen und Polizeianordnungen unterworfen werden. Die Bediensteten der Landeskasse sollten verpflichtet werden, den Landständen jederzeit jede gewünschte Auskunft zu geben. Das landesherrliche Recht zur Auflösung der Landschaft sei für eine freie und unvoreingenommene Beratung schädlich. Gleichen erklärte gleichzeitig seinen Rücktritt als saalfeldischer Landschaftsdirektor, da er in schwarzburg-rudolstädtische Dienste getreten sei.265 262 Schreiben bei StACo LA F 260 fol. 34; abermalige Vorlage vom 29. August 1807 bei StACo LA A 6183 fol. 36. 263 StACo LA F 260 fol. 35 – 40’, 41 – 43’. 264 Siehe dazu ausführlich oben B.V.5.a). 265 Keinen Rückhalt in diesem Schreiben findet die auch sich angeblich im Rücktritt Gleichens manifestierende „Ablehnung aus den Kreisen der bisherigen Stände“, wie sie bei Karl

294

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Dieses Schreiben Gleichens wurde auf Anweisung des Herzogs an die vier Referenten zur Berichterstattung weitergeleitet.

bb) Ansichten der Verwaltung Regenhertz schloß sich in seinem Gutachten vom 5. September 1807266 der Forderung Gleichens nach teilweiser Übernahme der Verwaltungskosten durch den Herzog an, zumindest soweit die Staatsbediensteten mit der Verwaltung der herzoglichen Domänen befaßt waren. Durch eine Besteuerung der Domänen höre jedoch die Natur des fürstlichen Eigentums auf, positiv zu bewerten sei die im Entwurf vorgesehene vermittelnde Lösung. Hinsichtlich der Größe der Landschaft führte Regenhertz aus, daß die neue Landschaft nicht an die Stelle der ehemaligen gesamten Landschaften, sondern an diejenige des vormaligen coburgischen Engeren Ausschusses treten solle, und somit sich die Personenzahl eher vergrößere als verringere. Für den Fall einer Verhinderung von Landschaftsmitgliedern sollten Vertreter für diese bestellt werden – ein Gedanke, der sich ab 1819 durchsetzen sollte.267 Es sei jedoch nicht ratsam, der Landschaft die Wahl des Landschaftsdirektors zu überlassen, da dessen Rolle eher als die eines Vertreters des Herzogs im Landschaftskollegium anzusehen sei. Auch das Recht zur Auflösung der Landschaft sei notwendig und daher auch in anderen Verfassungen wie beispielsweise in der neuen Verfassung des Herzogtums Warschau268 vorgesehen. Zudem gehe die der Landschaft bereits eingeräumte entscheidende Stimme bei bestimmten Sachfragen zu weit, insbesondere sollten Justiz- und Polizeifragen als reine Verwaltungsangelegenheiten von der Beratung durch die Landstände ausgeschlossen bleiben. Die Anweisung an die Beamten der Staatskasse, den Landschaftsmitgliedern jede erwünschte Auskunft zu erteilen, eröffne diesen ein zu weites Feld für mögliche Einmischungen. Hartleben ergänzte in seinem Gutachten vom 8. September 1807269, daß die Versicherungsurkunde für die saalfeldische Landschaft der Einführung des im Verfassungsentwurf vorgesehenen Finanzsystems nicht entgegenstehe. Die Zahl der Mitglieder der Landschaft sei der Bevölkerung angemessen. Das Recht des Herzogs auf Einsichtnahme in sämtliche Abstimmungsergebnisse entspringe der landesherrlichen Oberaufsicht über alle Corporationen. Die landesherrliche Befugnis zur Auflösung der Landschaft sei ein „absolutes Erforderniß in einem monarchisch regierten Staate, wie alle Constitutionen der neueren Staaten beweisen.“270 Ein Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 60 f. behauptet wird. 266 StACo LA F 260 fol. 56 – 60’. 267 Siehe dazu insbesondere unten D.III.4.c)gg), ii), 5.g). 268 Verfassung vom 22. Juli 1807, abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Dritter Band, S. 17 ff. 269 StACo LA F 260 fol. 54 – 55’. 270 StACo LA F 260 fol. 55’.

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

295

Auskunftsrecht komme ebensowenig wie eine Beteiligung der Landstände an der Exekutive in Betracht. Arzberger sah in seiner Stellungnahme vom 13. September 1807271 die Übertragung von Einnahmen und Ausgaben an die Landschaft nach einer Reorganisation der Verwaltung auch für die Seite der Landstände eher positiv. Im übrigen stimmte er ausdrücklich Hartleben zu, gab aber Gleichen jedoch insoweit recht, als die Verteilung der Verwaltungskosten unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Landes geschehen solle. Nach Ansicht Gruners in seinem Gutachten vom 14. September 1807272 zeige das Schreiben der saalfeldischen Stände, daß seine früheren Befürchtungen hinsichtlich der Wirkung des Entwurfs auf die alten Stände nicht unbegründet gewesen seien. Insbesondere vermittle die Niederlegung der Position des Landschaftsdirektors durch Gleichen keinen guten Eindruck bei den übrigen saalfeldischen Ständen. Es erscheine vielmehr, als ob dies nur wegen der bevorstehenden Neuorganisation geschehen sei. Eine Übertragung sämtlicher herzoglicher Schulden auf die Landschaft bei Einbehaltung der Domänen sei aber nicht durch die Verfassung, sondern nur infolge Verwilligung der Landschaft möglich. Die saalfeldische Versicherungsurkunde werde durch das neue System nicht berührt. Die Wahl des Präsidenten könne der Landschaft nicht überlassen werden, da dessen Funktion anders als die des bisherigen Landschaftsdirektors sei, denn er solle die Geschäfte im Auftrag des Herzogs führen. Auch die Oberaufsicht des Herzogs und insbesondere das landesherrliche Recht zur Auflösung der Landstände dürften nicht in Zweifel gezogen werden. Ein Auskunftsrecht könne den Landschaftsmitgliedern nur im Rahmen der Rechnungslegung eingeräumt werden. Andererseits sei eine gutachtliche Mitwirkung der Landschaft bei Justiz- und Polizeiverordnungen in Betracht zu ziehen. h) Reise von Herzog Ernst und Kretschmann nach Paris Auf Empfehlung Kretschmanns in einem Bericht vom 31. August 1807273 begab sich Herzog Ernst am 20. September 1807 in Begleitung Kretschmanns nach Paris274 – eine Reise, wie sie in Deutschland zum Zweck des Gebietserwerbs bereits vor dem Reichsdeputationshauptschluß 1803 verbreitet war.275 Infolgedessen kam es zu Vorschlägen, für die Zeit der Abwesenheit des Herzogs eine Regierungskommission als oberstes Verwaltungsgremium unter Vorsitz des Ministers mit dem StACo LA F 260 fol. 50 – 53’. StACo Min J 228 fol. 36 – 41’ = StACo LA F 260 fol. 44 – 49’. 273 „Vortrag des Ministers v. Kretschmann über die Angelegenheiten des hies. Landes in Paris“ bei StACo LA F 5932 fol. 20, 20’. 274 Eine Beschreibung der coburgischen Unternehmungen in Paris findet sich bei Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister v. Kretschmann, S. 57 f.; vgl. auch RIBl. Nr. 15 vom 31. Oktober 1807 Sp. 257. 275 Conrad Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 229. 271 272

296

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Kanzler als stellvertretendem Vorsitzenden und den zwei ältesten Regierungsräten als weiteren Mitgliedern einzusetzen.276 Kretschmann entgegnete darauf am 16. September 1807, daß eine derartige – auch nur vorübergehende – Organisation seinen Grundsätzen der Staatsverwaltung vollständig entgegenstehe und bat darum, ihm die Mitgliedschaft in einem derartigen Kollegium zu ersparen. Er wolle sich jedoch unter keiner Bedingung an dessen Spitze stellen, da dies in jedem Falle nur Nachteile für die Staatsverwaltung zur Folge haben könne.277 Damit war die unterschiedliche Auffassung Herzog Ernsts und Kretschmanns offen zutage getreten. Tatsächlich sollte es nach wenigen Monaten im Jahre 1808 zur Einsetzung einer solchen Kommission kommen278, während der Abwesenheit des Herzogs und des Ministers wurden die Geschäfte des Ministeriums von Kanzler Gruner als „interimistischen Commissarius“ unter Assistenz zweier Räte geführt.279 i) Fortschreibung des Verfassungsentwurfs Am 14. Oktober 1807 übersandte Kretschmann aus Fontainebleau einen übersetzten und überarbeiteten Verfassungsentwurf280 an den französischen Außenminister Champagny: „Après que la Constitution de L’empire germanique fut supprimée, toutes les anciennes formes du gouvernement de tous les etats en allemagne furent en même tems plus où moins anéanties. Il fallait alors pour chaque pays une Constitution nouvelle, pour assurer la tranquillité publique pour pouvoir remplir les devoirs que la confederation Rhenane impose, pour soutenir la dignité du Souverain; et pour assurer en même tems les droits inviolables des sujets. Le Duc de Saxe Cobourg y a pensé dès qu’il fut maitre chez lui. Le Soussigné qui a eu la commission de projeter une Constitution pour le duché de Cobourg, est aussi chargé du Duc Son maitre de soumettre ce projet à l’examen de Sa Majesté L’Empereur et Roi pour en supplier la garantie et la confirmation. Pour exécuter Sa commission il s’addresse à Son Excelence Monsieur Le Ministre de Champagny: en lui communiquant la constitution projettée et en Le priant de mettrte ce projet sous les yeux de Sa Majesté et de procurer bientot au pauvre petit pays de Cobourg des formes qui sont capables de querir les blessures que la guerre passée lui a porté. Il est clair que la Constitution de Cobourg a adoptée plusieurs principes fondés dans la Constitution française. Mais il depend de Son Excellence de coriger la constitution ci-jointe selon Sa volonté. Le Duc n’a des autres vues que de rendre heureux ses sujets, de mettre en StACo Min F 426 fol. 80 – 81’ mit handschriftlichen Anmerkungen von Herzog Ernst. StACo Min F 426 fol. 82 – 83’. 278 Siehe dazu sogleich 5.b). 279 Begriffe und Darstellung in Schreiben Gruners an Kretschmann vom 21. Dezember 1807 bei StACo LA F 7373 fol. 17 und vom 12. November 1807 bei StACo LA F 7373 fol. 4. Eher unrichtig daher wohl die Darstellung bei Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister v. Kretschmann, S. 59, wonach die Tätigkeit des Ministeriums von einer „im August bestellten Interimskommission besorgt“ worden sei. 280 Textanhang Nr. 12 = StACo LA F 256 fol. 2 – 6’ = StACo LA F 256 fol. 7 – 28’. 276 277

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

297

surêté Sa famille et de regner avec Justice. La situation actuelle du duché de Cobourg ammenée parles evenements desastreux de la guerre demande un secours prompte et suffisant, sans cela sa ruine est inevitable. On n’ose pas parler des dedomagements que la Famille ducale a si bien merité, elle se livre entièrement à la Grace et à la Generosité de Sa Majesté, mais on reclame la justice du Protecteur de la Confédération Rhenane pour donner sitôt que possible au duché de Cobourg une Constitution qui puisse mettre le Duc dans la position où il peut remplir les devoirs d’un fidèl Allié de la France. Le Soussigné prie Son Excellence d’agréer Ses sentimens de sa haute Consideration.“281

An die Stelle der noch im vorigen Entwurf verwandten Bezeichnung der „Coburg-Saalfeldischen Lande“ trat nunmehr das „Herzogtum Sachsen-Coburg“. Die umfangreiche Präambel schrumpfte auf einen eher als kurze Einleitung zu verstehenden Satz zusammen. Aus Tit. I Art. 1 verschwanden die Bezugnahmen auf künftige Gebietserweiterungen; andererseits tauchte in Tit. I Art. 2 eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Primogeniturkonstitution von 1733 / 36282 auf. Der Regentschaftsfall sollte vom Oberappellationsgericht bzw. von den Landständen festgestellt werden (Tit. I Art. 6). An die Stelle des Regentschaftsrates trat der Staatsrat (Conseil d’Etat bzw. Conseil intime oder Conseil du Duc), der nach Tit. III Art. 7 aus dem Herzog als Präsidenten, dem Minister als Vizepräsidenten und weiteren Mitgliedern bestehen sollte. In finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht sollte in Tit. I Art. 12 die schon im Rahmen der Auseinandersetzung über die Rechte der vormaligen coburgischen Landschaft vertretene Ansicht der beschränkten Steuerbewilligungsfreiheit der Landstände283 mit der Modifikation fixiert werden, daß eine Verpflichtung zur Ausgabenbewilligung in unvorhergesehenen Fällen sowie bei höherer Gewalt bestehen sollte. Tit. I Art. 13 unterwarf nach wie vor jede Veräußerung und Verpfändung von Staatseigentum der Voraussetzung dem Erfordernis einer ständischen Genehmigung. Für Witwengelder, die Apanage der nachgeborenen Prinzen sowie die Mitgiften der Prinzessinnen sollte der Herzog nach Tit. I Art. 14 jährlich eine Pauschale von 50.000 fl. rh. erhalten, was eine deutliche Steigerung gegenüber dem früheren Entwurf, der lediglich für den Fall der Heirat einer Prinzessin einen Betrag von insgesamt 45.000 fl. rh. vorsah, enthielt. Gleichzeitig wurden die Einkünfte des Regenten auf ein Viertel der dem Herzog zustehenden Einkünfte reduziert (Tit. I Art. 15). Die in Tit. II Art. 1 der ursprünglichen französischen Entwurfsversion noch vorgesehene Zuweisung der gesetzgebenden Gewalt auf das Volk und seine Repräsentanten wurde ebenso wie die in der gleichen Vorschrift vorgesehene Einführung des Code Napoléon in der endgültigen Fassung wieder gestrichen. Eine Vorschrift über die Abschaffung der Patrimonialgerichte (Tit. III Art. 5) entfiel im endgültigen Entwurf ebenfalls. 281 282 283

StACo LA F 256 fol. 1. Siehe dazu oben B.I.1.e). Siehe dazu B.I.4.e)cc)(1).

298

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Die Repräsentantenwahl sollte nicht mehr in einem prozentualen Schlüssel erfolgen, vielmehr sollte pro Amt ein im Amtsgebiet ansässiger Repräsentant gewählt werden (Tit. II Art. 5). Gleichzeitig sollten die Rittergutsbesitzer eines Amtes jeweils einen Repräsentanten stellen (Tit. II Art. 6). Ebenso sollten Coburg, Saalfeld und Pößneck jeweils einen sowie einerseits Neustadt, Rodach und Themar und andererseits Gräfenthal und Lehesten jeweils einen Repräsentanten entsenden. Damit kamen zum ersten Mal die Gedanken der territorialen Repräsentation und der Sonderbehandlung der Städte auf, die sich schließlich auch durchsetzen sollten. Währenddessen wurde das frühere Zahlenverhältnis Gemeinden-Städte-Rittergutsbesitzer von 6-3-3 in Tit. II Art. 8 auf 3-2-2 verändert. Tit. II Art. 15 weitete das passive Wahlrecht über die Grundeigentümer hinaus auf sämtliche Bürger außer dem ritterschaftlichen Adel aus. Von der ständischen Zustimmung machte Tit. II Art. 19 nunmehr auch sämtliche Zivil- und Strafgesetze abhängig, wobei die Landschaft kein Recht auf Abänderung der Gesetzesanträge und Beratung über andere als die von den herzoglichen Behörden vorgelegten Punkte hatte (Tit. II Art. 20). Dem Staatsrat oblag die Verhandlung mit den Landständen, insbesondre jedoch die Beratung und Vorbereitung der Gesetze (Tit. II Art. 17), ferner war er oberste Verwaltungsbehörde (Tit. III Art. 8). Justizbeamte waren von einer Mitgliedschaft im Staatsrat ausgeschlossen (Tit. III Art. 9). Erstmals sollte auch die zentrale und unmittelbar dem Herzog nachgeordnete Stellung des Ministers in einer Verfassung festgeschrieben werden (Tit. III Art. 11), während in der letzten Entwurfsfassung gleichzeitig der Hohe Herzogliche Gerichtshof entfiel. Die freie Religionsausübung sollte in Tit. III Art. 15 nunmehr ebenfalls von Verfassungs wegen gewährleistet sein. Erstmals war von der Einrichtung eines Schuldenamortisationsfonds die Rede (Tit. III Art. 21). Insgesamt fällte auf, daß die im letzten Entwurf284 noch vorgesehene starke Stellung des Hohen Herzoglichen Gerichtshofes, des Präsidenten des Oberappellationsgerichts und der Präsidenten der übrigen Landeskollegien zugunsten des nicht unbedingt aus Angehörigen der übrigen Landesbehörden bestehenden neuen Staatsrats – und damit zugunsten des Ministers – aufgegeben wurde. Entgegen der Ansicht des weimarischen Kanzlers Friedrich von Müller, die Verfassungsentwürfe Kretschmanns seien der westfälischen Konstitution nachgebildet worden285, bleibt festzustellen, daß diese erst am 15. November 1807 erlassen wurde. Kretschmanns Rezeption ging also unmittelbar von der französischen VerSiehe dazu oben a). Erinnerungen aus den Kriegszeiten, S. 201; ohne Quellenzitat wiederholt bei Gerhard Müller, Landständische Repräsentation und früher Konstitutionalismus in Sachsen-WeimarEisenach, S. 23. 284 285

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

299

fassungsurkunde von 1804286 ohne Umweg über den westfälischen „Transmissionsriemen“ direkt nach Sachsen-Coburg-Saalfeld. Einem Bericht des neuen coburgischen Gesandten (Chargé d’affaires) am französischen Hof, Oberstleutnant Franz Xaver von Fischler von Treuberg287, vom 27. Oktober 1807 ist zu entnehmen, daß Außenminister Champagny den Entwurf Kretschmanns noch niemandem mitgeteilt hatte.288 j) Weitere Beteiligung auswärtiger Politiker aa) Eberstein, Minister des Fürst Primas Ein weiterer prominenter Adressat für eine Anfrage Kretschmanns in der Verfassungsfrage war Eberstein, Minister des rheinbündischen Fürst Primas Dalberg. Dessen Antwortschreiben an Kretschmann aus Fontainebleau datiert vom 21. Oktober 1807.289 Dieser wollte jedoch seine Ansichten lediglich als Privatmann darlegen und jeden Anschein, er spreche in der Verfassungsfrage im Namen seines Dienstherrn, vermeiden. Zunächst führte er aus, er könne den Entwurf nicht insgesamt bewerten, da ihm Kenntnisse der ernestinischen Hausverfassung und der coburgischen Besonderheiten – die von ihm folglich nach wie vor als geltendes und höherrangiges Recht angesehen wurden – fehlten. Andererseits war er Anhänger einer paktierten Verfassung, da er ausdrücklich eine Verfassung als „Grund-Vertrag“ zwischen dem Landesherrn und dem Lande gegenüber einer nur vom Regenten erlassenen Verfassung bevorzugte. Für Sachsen-Coburg-Saalfeld hieß das seiner Ansicht nach, Herzog Ernst müsse zunächst die bisherige coburgische Verfassung290 ausdrücklich für aufgehoben erklären, Repräsentanten das Landes zur Beratschlagung über den bereits veröffentlichten Entwurf zusammenberufen und das Ergebnis einer solchen Besprechung als „auf ewige Zeiten verbindliches Staats-Grundgesetz“291 bekanntmachen. Bei der Vorschrift des Tit. I Art. 3 über die Regentschaft und den vorgeschriebenen Aufenthaltsort des Regenten im Lande müsse noch eine Ausnahme für den Fall der Regentschaft durch einen Landesfürsten (Art. 4) hinzugefügt werden, da Siehe dazu oben a). Patent bei StACo Min F 1393 fol. 4, 4’ = ebd. fol. 17. – Franz Xaver von Fischler von Treuberg gehörte als Bevollmächtigter der Fürsten von Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Salm-Salm und Salm-Kyrburg bereits zu den Unterzeichnern der Rheinbundakte vom 12. Juli 1806, siehe Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 3, 9. 288 StACo LA F 7371 fol. 6. 289 StACo Min J 228 fol. 42 – 55. Das Konzept ist jedoch auf den 24. Oktober 1807 datiert, Stadtarchiv Mainz Nachlaß Eberstein Fasc. 29 fol. 13 – 20’. 290 Nicht nur „die bisherigen Stände“, wie Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 66 behauptet. 291 StACo Min J 228 fol. 44 = Stadtarchiv Mainz Nachlaß Eberstein Fasc. 29 fol. 14. 286 287

300

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

es einem auswärtigen regierenden Fürsten nicht zugemutet werden könne, sein Land für die Dauer der Ausübung der Regentschaft zu verlassen. Bei Art. 6 sei gefährlich, die Bestimmung der Notwendigkeit der Kuratel allein den Landständen zu überlassen, vielmehr bedürfe es einer Mitwirkung der Familie des Betroffenen. Positiv wurde Art. 11 bewertet, denn es sei ein vernünftiger Grundsatz, dem Herzog einen bestimmten Fonds zur Bestreitung der Ausgaben seines Hauses zuzuweisen und ihm grundsätzlich den Zugriff in die Staatskasse zu verwehren. Zu bevorzugen sei demgegenüber jedoch die Zuweisung einer bestimmten jährlich aus der Staatskasse zu zahlenden Summe, da die fortbestehende Steuerfreiheit der Domänen im Widerspruch zu allgemeinen Aufhebung der Steuerfreiheit stehe; zudem sei der jährliche Ertrag der Domänen schlecht vorherzusagen. Ferner mache die Eigenständigkeit der Domänen eine eigene Verwaltung notwendig. Auch die weiteren Deputate wie beispielsweise die Zahlungen an die verwitwete Herzogin könnten unmittelbar auf die Staatskasse angewiesen werden. Hinsichtlich Art. 12 sei es eine bessere Vorgehensweise, statt die Stände zur Bewilligung der notwendigen Mittel zu verpflichten, dem Herzog das Recht einzuräumen, in den bezeichneten dringenden und außerordentlichen Fällen die Aufwendungen auf die Staatskasse anzuweisen, diese Maßnahmen müßte er aber hernach den Ständen zur Genehmigung vorlegen. Bei der Ablösungsmöglichkeit der Prinzessinnengelder im Falle der Nichtverheiratung in Art. 16 müßte noch hinzugefügt werden, daß eine Prinzessin, die doch noch in den Ehestand tritt, keinen Anspruch mehr auf die Leistungen nach Art. 14 hat. In Tit. II empfand es Eberstein als „sehr gut“, daß nicht die Magistrate oder Amtleute als Repräsentanten bestimmt wurden, da man Staatsdiener und Angehörige des Hofes eher als ungeeignet zur Repräsentation der Bevölkerung ansehen müsse, denn bei diesen sei stets zu befürchten, daß sie eher das Wohl des Landesherrn als das des Landes im Sinne hätten. Im übrigen sei er der Meinung, daß den gewählten Deputierten Instruktionen gegeben werden sollten, an die sie gebunden bleiben sollten, und diese in bestimmten Fällen zur Nachfrage bei ihren Auftraggebern verpflichtet sein sollten. Für die Wahl der Repräsentanten brauche es aber wohl noch eine Bestimmung über die Frage, „wie viel Eigenthum jemand besizen me, um wählen zu können (votum activum) und wie viel, um wahlfähig als Repraesentant beym Landtage zu seyn (votum passivum).“292 Damit zeigten sich auch bei Eberstein im Gegensatz zu Kretschmann noch deutliche Ansätze eines nur auf Eigentum bezogenen Repräsentationsmodells. Dennoch hing er nicht einer Rekonstruktion der früheren Verfassungssituation an, denn er hielt es ebenfalls für bedenklich, den Rittergutsbesitzern eine von den Ämtern getrennte besondere Repräsentation zu gestatten, da hier die Gefahr einer Verbündung derselben mit dem Bürgerstand gegen den Bauernstand zu dessen Nachteil bestehe. Vielmehr sollte niemand als Vertreter einer besonderen Körperschaft, sondern nur als Staatsbürger auf dem Landtag vertreten sein, da ansonsten eine Wiederholung der alten ständi292

StACo Min J 228 fol. 48’ = Stadtarchiv Mainz Nachlaß Eberstein Fasc. 29 fol. 17’.

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

301

schen Verfassung möglich sei. Wenn dem Adel die Steuerfreiheit wie geplant genommen werde, so könne man ihm seine sonstigen Ehrenrechte belassen, soweit diese nicht auf eine Bildung einer neuen Adelskörperschaft hinauslaufen. Auf Ebersteins Worte „Von Adel zu seyn soll im Staate eben so wenig ein Verbrechen als Tugend oder Empfehlung seyn“293 reagierte Kretschmann mit der Randbemerkung „Gott sey Dank, daß doch noch weitere ehrliche Leute so denken, wie ich“.294 Eberstein regte darüber hinaus an, daß nicht nur das Grundeigentum, sondern auch alle anderen geldwerten Rechte einer Besteuerung unterworfen werden sollten, da diese ebenso wie Grund und Boden Ertragszwecken dienten. Bei Tit. II Art. 13 sei es zweckmäßiger, wenn man den Landtag durch einen herzoglichen Kommissar eröffnen ließe, der auch die Hauptproposition vortragen könnte. Andererseits wäre es besser, wenn der Präsident des Landtags und ein Protokollant für die Dauer jeder Sitzung aus dessen Mitte gewählt würden, im Gegenzug könne der Herzog die Anwesenheit eines weiteren von ihm beauftragten Protokollanten verlangen. Die willkürliche Auflösungsmöglichkeit in Art. 14 sei ebenso bedenklich wie ein zu lang andauernder Landtag, als vermittelnde Lösung schlug er vor, daß der Landesherr dem Landtag einen Termin zur Einreichung seines Gutachtens zu einem bestimmten Punkt setzen könne, daß der Landtag andererseits aber nicht vor Erledigung aller in der Hauptproposition enthaltenen Punkte aufgehoben werden dürfe. Zu Art. 15 könne man eine Gliederung der Landtagsdeputierten in Gutsbesitzer und Handelsleute sowie, in geringerer Anzahl, Gelehrte vornehmen, „der geringste Theil der Gelehrten sind sehr gut, um Licht zu verbreiten, oft aber werden sie durch die blos theoretische Träumereyen gefährlich, welche sie ausbrüten, und den Unerfahrnen als apodictische Wahrheit verkaufen.“295

Im Rahmen der Gesetzgebung (Art. 17 ff.) sollte den Ständen lediglich eine beratende Stimme zustehen, wenn der Herzog der Meinung der Landtagsmehrheit nicht folgen sollte, sollte das betreffende Gesetz mit der Einleitungsformel „Nach gehörter Meinung unseres treuen Landtags“ verkündet werden. Nur eine Abänderung der Verfassung könne, da es sich bei dieser um einen Vertrag zwischen dem Herzog und dem Land handle, das beiderseitige Einvernehmen erforderlich machen. Hinsichtlich Art. 20 sollte es den Ständen zumindest freistehen, ihre Ansichten über eine gegebenenfalls notwendige Abänderung des vorgelegten Gesetzesentwurfs zu manifestieren, statt sie diesen lediglich annehmen oder ablehnen zu lassen. Auch entgegen der Regelung des Art. 21, der das Initiativrecht allein der Exekutive zugestand, sollte es den Ständen erlaubt sein, ihre Wünsche dem Regenten vorzutragen, was jedoch nicht einem Initiativrecht gleichzusetzen sei. 293 294 295

StACo Min J 228 fol. 49’ = Stadtarchiv Mainz Nachlaß Eberstein Fasc. 29 fol. 18. StACo Min J 228 fol. 49’. StACo Min J 228 fol. 50’ = Stadtarchiv Mainz Nachlaß Eberstein Fasc. 29 fol. 18’.

302

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Bei der Konzentration der exekutiven Gewalt beim Herzog durch Tit. III Art. 1, was Eberstein als richtig ansah, sollte noch angefügt werden, daß der Herzog einen angestellten Staatsdiener nicht ohne gerichtliches Urteil von seiner Position entfernen könne. Andererseits sei fraglich, ob ihm das in Art. 2 ausformulierte Recht zur Bestimmung der Dienstverhältnisse der Bediensteten überlassen werden müsse, vielmehr sollten hierfür abstrakte Regeln gelten, die auch unter Beteiligung der ständischen Vertretung festgesetzt werden sollten. Zweckmäßigerweise sollte noch eingefügt werden, daß alle Staatsdiener – auch der Minister – bei ihrer Anstellung auf die neue Konstitution verpflichtet werden. Zusätzlich zur freien Religionsausübung sollte man eine Garantie des Kirchenvermögens vorsehen. Die Aufhebung des Feudalverbandes gegen Einführung der Steuerpflicht für ehemals lehnsabhängige Güter stelle eine sehr liberale und positive Handhabung dar. In besondere Titel, die konkrete Steuerfreiheit festsetzten, dürfe jedoch nicht ohne Festsetzung einer Entschädigung eingegriffen werden. Überlegenswert sei ebenfalls, den Kontrolleur der Landeskasse von den Ständen ernennen zu lassen. Positiv zu bewerten sei auch die geplante Schaffung eines Amortisationsfonds. Grundsätzlich richtig sei die Zuständigkeitsverteilung im Rahmen der übrigen Fragen der Exekutive, da diese Gewalt dem Regenten stets allein zustehen müsse. bb) Freiherr Senfft von Pilsach, Gesandter des sächsischen Königs Minister Kretschmann hatte sich auch mit dem sächsischen Gesandten in Paris, Friedrich A. Senfft von Pilsach296 in Verbindung gesetzt und ihn ebenfalls um seine Meinung zum Verfassungsentwurf gebeten.297 Auch dieser wollte seine Antwort vom 1. November 1807298 lediglich abstrakt gesehen wissen, da er mangels genauerer Kenntnisse nicht detailliert auf ernestinische oder coburgische Besonderheiten eingehen könne. Er empfehle jedoch allgemein, in dieser wichtigen Angelegenheit nichts zu überstürzen, sondern überlegt nach den üblichen sächsischen Hausverhältnissen im Benehmen mit den übrigen sächsischen Häusern vorzugehen. Bei Tit. II Art. 4 sollte das Recht zur Wahl der Repräsentanten der Ämter auf angesessene Gutsbesitzer im Bauernstand, die Eigentümer eines unverschuldeten Grundvermögens von einem bestimmten Mindestwert sind, beschränkt werden, da die vorgesehene Repräsentantenwahl in einem so kleinen Land „den Einfluß unruhiger Köpfe“299 begünstige. Einer Repräsentation von Bauern sei jedes andere Mittel vorzuziehen, mit dem das Interesse des Bauernstandes bei den Landtagen 296 Nicht „von Senft-Pilsach“, wie er bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 64 genannt wird. 297 Anschreiben vom 21. Oktober 1807 bei StACo LA F 7374 fol. 3. Für die Ansicht Klaus Freiherr von Andrian-Werburgs, daß auch dieses Schreiben an Senfft von Pilsach zu dem Zweck einer Garantie der coburgischen Verfassung durch Napoleon geschehen sei (Der Minister v. Kretschmann, S. 58), sind keine Belege aufzufinden. 298 StACo LA F 256 fol. 44 – 45’. 299 StACo LA F 256 fol. 45.

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

303

zur Sprache gebracht werden könnte. Die Stände wollte er lieber „so mit dem alten deutschen Namen, als mit dem modernen Repräsentanten genannt“300 sehen. Durch Art. 21 werde ihnen auch das Beschwerderecht genommen, das in allen deutschen landschaftlichen Verfassungen und insbesondere in Sachsen als besonders kostbar angesehen worden sei, denn erst infolge des ius gravaminum könnten die Stände Vertreter der öffentlichen Meinung sein.301 k) Interessen Herzog Ernsts am Verfassungsprojekt Herzog Ernst scheint in Paris für längere Zeit Kretschmanns Verfassungspläne noch unterstützt zu haben, da er gegenüber Dankelmann äußerte, er beabsichtige, eine Bestätigung des Entwurfs durch Napoleon einzuholen.302 Die Übergabe des Entwurfs durch Kretschmann hatte laut Dankelmann in Paris bedeutende Reaktionen hervorgerufen: „Die deutschen Gesandten und deutschen Fürsten theilten einander die Nachricht von Kretschm. Constitution mit, machten natürl. weise Zusätze, und zeigten allgemeinen Unwillen darüber, daß ein deutscher Fürst mit so etwas den Anfang mache, was man sich bisher, in Anregung zu bringen, allgemein gehüthet hatte.“303

Geschäftsträger der anderen sächsischen Häuser hietlen das coburgische Vorhaben für „nachtheilig und gefährlich ( . . . ) für das ganze sächsische Haus, ja für ganz Deutschland“.304 Die Interessen des Landesherrn bestanden auch im Rahmen der Verfassungsfrage offensichtlich im wesentlichen in Gebietszuwächsen und Rangerhöhungen für ihn selbst. In einer Instruktion für Franz Xaver von Fischler von Treuberg vom 28. Oktober 1807305 forderte er als Entschädigung für die überdurchschnittlichen Belastungen Sachsen-Coburg-Saalfelds durch den Krieg Teile des benachbarten Fürstentums Bayreuth. Kretschmann schlug in Erweiterung von Planungen Ernsts als Erbprinz306 vor, Bayern könne – gegen Überlassung der bayreuthischen Kreise Neustadt an der Aisch und Erlangen – an Sachsen-Coburg-Saalfeld die Ämter Lauenstein, Teuschnitz, Kronach, Wallenfels, Nordhalben, Lichtenfels, Burgkunstadt und Gleusdorf abtreten, von Bayreuth sollten an Sachsen-Coburg-Saalfeld die 300 StACo LA F 256 fol. 45. Zu einer inhaltlichen Unterscheidung zwischen den Begriffen „Repräsentant“ und „Deputierter“ durch Stein siehe Elisabeth Fehrenbach, Verfassungs- und sozialpolitische Reformen und Reformprojekte in Deutschland, S. 89. 301 Nach dem vormaligen Reichsverfassungsrecht durfte in das Beschwerderecht der Landschaften seitens der Landesherrn nicht eingegriffen werden, Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Band 13, S. 1311 ff. 302 StACo LA A 5559 fol. 4. 303 StACo LA A 5559 fol. 4. 304 Friedrich von Müller, Erinnerungen aus den Kriegszeiten, S. 196. 305 StACo LA F 7371 fol. 1 – 4. 306 Vgl. dazu Erich Keerl, Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 48 sowie unten IV.3.

304

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Kreise Bayreuth, Hof, Kulmbach und Wunsiedel abgetreten werden; auch solle Herzog Ernst den Großherzogstitel307 erhalten. Sollte das aber nicht möglich sein und das gesamte Fürstentum Bayreuth an Bayern fallen, begehrte Sachsen-CoburgSaalfeld wenigstens die aufgezählten ehemaligen bambergischen Ämter von Bayern, äußerstenfalls sei man zu einem Tausch des bisherigen Gebiets von SachsenCoburg-Saalfeld gegen die genannten bayreuthischen Kreise Hof, Bayreuth, Wunsiedel und Kulmbach bereit. Eine Alternative sei die Abtretung Lauensteins von Bayern an Sachsen-Coburg-Saalfeld sowie der zwischen den beiden Landesteilen gelegenen meiningischen Ämter Sonneberg, Schalkau und Neuhaus, Sachsen-Meiningen könnte durch Schmalkalden, Schleusingen und Suhl entschädigt werden, auch eine Überlassung Themars an Sachsen-Meiningen sei denkbar. Derartige Interessen auf Vergrößerung des Landes sowie die Begierde nach einer Vormachtstellung gegenüber den ernestinischen Vettern bestanden auch bei anderen Fürsten, beispielsweise bei Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach.308 l) Verstärkte Skepsis an Kretschmanns Verfassungsplänen Die Verfassungspläne Kretschmanns wurden zu Beginn von Herzog Ernst und verschiedenen anderen maßgeblichen Persönlichkeiten unterstützt. Knapp ein Jahr nach dem Tode Herzog Franz Friedrich Antons waren er und sein Verfassungsvorhaben jedoch bereits bei seiner Witwe, Herzogin Auguste Caroline Sophie, ausweislich eines Schreibens an Herzog Ernst vom 29. Oktober 1807 in Ungnade gefallen: „Km. kann ich mir lebendig in Paris denken, avec ses formes, konte er wohl nirgents deplaçirter sein wie in Paris, ich denke mir ihn wie eine Engl. caricatur, mit seiner constitution im Sack die sein einziger Gedanken ist und mit der er um Gottes willen zu Haußebleiben soll, biß die von Teutschland fertig ist, die noch manche Änderung herbey führen kann ( . . . ). Überhaupt kommt mir der ganze Minister jetzt mit seinen Plänen und Ideen déplacirt vor, seine Zeit wo er nützen und glänzen konte ist vorbey ( . . . ).“309

Zentraler Kritikpunkt Augustes war der in den in Frankreich verbreiteten Entwürfen310 noch vorhandene Vorschlag Kretschmanns zur Übernahme des Code Napoléon als grundlegendes Gesetz für Sachsen-Coburg-Saalfeld, wie auch der Geheime Hofrat Johann Philipp Hohnbaum in einem Brief an die Herzoginmutter vom 15. November 1807 befürchtete: „Mit der Constitution hat der v. Kr. gezeigt, daß er den Herzog an der Binde führt. Es waren darin 2 Artikel, die bey allen Deutschen Fürsten Aufsehen machen müssen, nämlich 307 Dieses Interesse verfolgte Herzog Ernst auch später nachhaltig, vgl. Erich Keerl, Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 92, 106. 308 Siehe dazu Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 265. 309 StACo LA A 6054, unfol. (die Hervorhebung entstammt dem Original). 310 Siehe dazu soeben i) – k).

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

305

den Code Napoléon hier zum Staatsgesetz zu machen unter Garantie des Kaisers; und zweytens einen Staatsrath zu errichten, wovon der jederzeitige Minister immerwährender Präsident wäre. Durch das erste würden alle deutschen Fürsten zur Annahme des Code Napoléon genöthigt, durch das zweyte wären die Hände des Herzogs erbärmlich gebunden. Mit diesen neuen Artikeln ( . . . ) hat der Minister wahrscheinlich geglaubt, sich in Paris und in Deutschland einen Namen zu machen.“311

Kretschmann hatte mit dieser Überlegung die Entwicklungen innerhalb des Rheinbundes vorausgesehen. Die spätere Verfassungsplanung für den Rheinbund sollte schon im Februar 1808 die Einführung des Code Napoléon als einheitliches Zivilgesetzbuch für alle Rheinbundstaaten vorsehen.312 Zu einer modifikationslosen Rezeption313 wie von Kretschmann für Sachsen-Coburg-Saalfeld angedacht kam es jedoch nur im Königreich Westfalen durch Art. 45 der Konstitution ab 1. Januar 1808, im Großherzogtum Berg durch kaiserliches Dekret vom 27. November 1809 ab 1. Januar 1810314, modifiziert wurde der Code Napoléon im Großherzogtum Baden315, Frankfurt, Aremberg und Anhalt-Köthen eingeführt.316 Minister Kretschmann verließ nach Ankündigung in einem Schreiben vom 1. November 1807317 am folgenden Tage318 Paris und reiste nach einem kurzen Aufenthalt in Coburg weiter auf sein Gut Theres, wo er am 8. November ankam. Nach Darstellung Hohnbaums in einem Schreiben vom 17. November 1807 bestanden starke Spannungen zwischen Kretschmann und Talleyrand, lediglich Dankelmann habe in Warschau verhindern können, daß Kretschmann aus SachsenCoburg-Saalfeld ausgewiesen wurde.319 Hohnbaum bezog sich ferner auf einen Bericht Dankelmanns320, wonach Kretschmann sich bereits vor der Abreise nach StACo LA A 5559 fol. 1’, 2. „Le Code Napoléon sera la loi civile de tous les E´tats confédérés.“ Siehe dazu Eberhard Weis, Napoleon und der Rheinbund, S. 72 ff. sowie Harry Siegmund, Der französische Einfluß auf die deutsche Verfassungsentwicklung, S. 188 f. – Zu den Rezeptionsplänen der Gießener Konferenz ab dem 4. September 1809 siehe Elisabeth Fehrenbach, Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, S. 121 ff., zur bayerischen Opposition hiergegen ebd. 133 ff. 313 Zu den Problemen der uneingeschränkten Rezeption siehe Elisabeth Fehrenbach, Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, S. 79 ff., zur eingeschränkten Rezeption siehe ebd. S. 104 ff. 314 Elisabeth Fehrenbach, Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, S. 41. 315 Zu badischen Planungen seit 1806, den Code Napoléon zur Schaffung einer Rechtseinheit für das vergrößerte Staatsgebiet einzuführen, siehe Elisabeth Fehrenbach, Der Einfluß des napoleonischen Frankreich, S. 24. 316 Elisabeth Fehrenbach, Der Kampf um die Einführung des Code Napoleon in den Rheinbundstaaten, S. 34; dies., Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, S. 27; Harry Siegmund, Der französische Einfluß auf die deutsche Verfassungsentwicklung, S. 192. 317 StACo LA A 6183 fol. 60. 318 Nicht am 28. Oktober 1807, wie Klaus Freiherr von Andrian-Werburg behauptet (Der Minister v. Kretschmann, S. 58). 319 StACo LA A 5559 fol. 5. 320 StACo LA A 5559 fol. 3’ – 4. 311 312

306

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Paris mit weiteren auswärtigen Mächten über die Verfassungsfrage in Verbindung gesetzt und beispielsweise den rudolstädtischen Gesandten gefragt habe, ob Schwarzburg-Rudolstadt die Verfassung des Königreichs Westfalen zum Vorbild nehme. Zu einer weiteren Beschäftigung mit Verfassungsplänen kam erst Gruner im Jahre 1808.321

5. Ende der Ära Kretschmann und abermalige Neuorganisation der Verwaltung a) Kretschmanns Rücktritt von der Stelle des Bankdirektors Bereits am 4. August 1807 hatte Minister Kretschmann seinen Rücktritt von der Stelle des Bankdirektors erklärt.322 Für den Fall der von Herzog Ernst angedachten Auflösung der Bank riet er dazu, sie „nicht durch Patente aufzuheben, sondern die ruhig einschlafen zu laßen.“323

b) Kretschmanns weiterer Rückzug und Einsetzung einer Interimskommission Herzog Ernst reagierte schließlich auf den Brief seiner Mutter vom 15. November 1807324 am 19. November 1807325: „Sie geben mir den Rath, K. von hier aus zu schreiben, ihn entweder seinem Abschied oder einem Unbestimten-Urlaub anzutragen, weil es die Öffentliche Stimmung fordere; ich glaube dieser Bewegungs-Grund möchte wohl erst nicht rechtlich genuch für mich sein; auch werden sich leider nur zuviel rechtlichere finden, die diesen Ausweg unnöthig machen. Auch muß er ehe er geht, mir ersst vollkommene Rechentschaft legen, besonders über die letzten Geldgeschäfte; wo ich ihm keinem Urlaub oder Abschied vorher anbieden dürfte, in dem er nur zu gern dem Kopf aus der Schlinge ziehen würde. Waß das Kopfwaschen an betrifft so habe ich es reichlich gethan, und ihn so gleich nach Hause geschick; dieses ist aber eine Moren-Wäsche, denn dieser Mensch ist nie zu über führen daß er gefehlt hat. Daß ich ihn ietzo richtig sehe, weis ich leiter zu gewiß: doch müst ich erst Jemanden-Anderen haben, dem ich an die Spitze der Geschäfte stellen kann, ehe ich ihm Siehe dazu unten III. StACo Min E 3808 fol. 9. 323 StACo Min E 3808 fol. 9’. 324 Siehe dazu soeben 4.a). 325 Der Brief ist auf den 19. Oktober 1807 datiert, wegen verschiedener Bezugnahmen auf Schreiben Herzogin Augustes, die Abreise Kretschmanns (Ersuchen des Ministers vom 29. Oktober 1807 bei StACo LA A 6183 fol. 56) und die Ankunft des russischen Ministers Tolstoij (Ankündigung in einem Schreiben Kretschmanns vom 1. November 1807 bei StACo LA A 6183 fol. 60) handelt es sich hierbei offensichtlich um einen Schreibfehler. 321 322

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

307

wechschike, denn von den Guten Menschen in Koburg ist keiner dazu fehig; ich gedenke mich deswegen an dem Minister Stein zu wenden der ein sehr geschickter und äuserst rechtschaffener Mann ist, und mir sicher Niemanden unbrauchbaren vorschlagen wird.“326

Am 5. Dezember 1807 schrieb Herzog Ernst zudem an Hohnbaum: „So bald ich nachhauße komme muß Ordnung werden, ich bestehe mehr denn ie auf mein schon ein Mahl gefaßte Plan, wer sich nicht danach fügen will mach gehen.“327

Kretschmann selbst erklärte daraufhin in einem Schreiben an den Herzog vom 20. Dezember 1807 nach Aufzählung seiner Verdienste und der Beschreibung der für ihn negativen Verhältnisse in Coburg seinen Rücktritt als Minister: „Der mir bey meinem Dienstantritt und bey weiteren Gelegenheiten versprochene Platz bey Ausübung meines Amtes ist mir niemals zu Theil geworden. ( . . . ) Unter diesen für mich und meine Familie sehr traurigen Verhaeltnissen, werden es Ew. p. selbst gewiß nicht ungnaedig aufnehmen, wenn ich meine Stelle als Minister in Hochdero Lande zurückgebe. ( . . . ) Indem ich aber die Stelle des Ministers niederlege, habe ich keineswegs die Absicht die Angelegenheiten Ew. p. zu verlaßen. Ich werde mich im Gegentheil sehr glüklich schäzzen, wenn Ew. p. mich würdigen wollen ferner Ihr Rathgeber zu seyn.“328

Hierauf reagierte der Herzog am 1. Januar 1808: „Ich habe mit Bedauern vernommen, daß Ihre Kränklichkeit und schwächliche Gesundheit Ihnen nicht erlaube, die Direction der Geschäfte zu übernehmen, und Ihre Herstellung nicht zu erschweren, So enthebe ich Sie bis zu meiner Zurückkunft und weiteren Verfügung von jeder Arbeit, wovon ich die betreffenden Collegien unter dem heutigen benachrichtige.“329

Die Mitteilung Herzog Ernsts an Kanzler Johann Ernst Gruner vom 12. Januar 1808 beinhaltete jedoch nur, daß Minister Kretschmann „wegen Kränklichkeit bis aufs weitere aller Geschäftsführung“ enthoben sei.330 Durch herzogliche Schreiben aus Paris vom 1. und 23. Januar 1808 wurde die Leitung der Geschäfte des Ministeriums schließlich einer aus Kanzler Gruner, Geheimen Regierungsrat Christoph Arzberger und Landesregierungsrat Adolph Friedrich von Röpert als Mitgliedern sowie Regenhertz als Protokollführer bestehenden „interimistischen Immediat-Commission“ übertragen.331 Anders als in Preußen332 war die EinsetStACo LA A 5554 fol. 35’, 36. StACo LA A 6185 fol. 41’. 328 StACo LA F 5930 fol. 4 – 5 (die Hervorhebung entstammt dem Original). 329 Zit. nach einem Bericht von 1812 bei StACo LA F 7565 fol. 2. 330 StACo LA F 7543 fol. 3. Dies kann jedoch nicht, wie bei Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha, S. 60 geschehen, als Entlassung Kretschmanns aus seinen Ämtern angesehen werden. 331 Mitteilung an alle Landesbehörden durch Schreiben der Kommission bei StACo LA F 7543 fol. 4, 4’; Mitteilung an Kretschmann durch Schreiben der Kommission vom 24. Januar 1808 bei StACo LA F 5938 fol. 2; vgl. auch das Protokoll der Kommissionssitzung vom 24. Januar 1808 bei StACo LA F 7543 fol. 8 – 9’. 332 Adolf Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, S. 386 ff. 326 327

308

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

zung einer derartigen Immediatkommission zur vorläufigen Staatsverwaltung nicht durch Krieg und Besetzung, sondern durch das Zerwürfnis mit Kretschmann motiviert. Eine Entlassung Kretschmanns von seiner Position als Minister kann in diesen Schritten wohl noch nicht gesehen werden. Die herzoglichen Briefe können lediglich als eine Enthebung von Arbeit und Geschäftsführung ausgelegt werden, also gewissermaßen als Beurlaubung bis auf weiteres, nicht jedoch als umgehende Dienstentsetzung. Ebensowenig kann ein weiteres Schreiben Kretschmanns vom 18. Januar 1808 über seine Gedanken hinsichtlich der künftigen Staatsverwaltung in Sachsen-Coburg-Saalfeld333 mangels dahingehender Formulierungen als „Demissionsgesuch“ bezeichnet werden334, wenngleich Kretschmann selbst dies als Niederlegung seiner Amtswaltung darstellte.335 Kretschmann selbst behauptete, durch ein – in den Akten nicht mehr auffindbares – Schreiben des Herzogs vom 26. Januar 1808 seiner Geschäfte enthoben worden zu sein.336 Am 26. April 1808 untersagte Herzog Ernst Kretschmann schließlich zudem jegliche Veröffentlichung in coburgischen Staatsangelegenheiten und ordnete die sofortige Rücksendung sämtlicher coburgischer Akten von Theres an.337 Dem war hinzugefügt: „Sie haben Ihre Entlaßung aus Meinen Diensten verlangt, und Ich werde keinen Anstand nehmen, Ihrem Gesuch zu entsprechen, sobald Sie Ihren General-Administrations-Bericht werden eingereicht haben. Ich werde Ihnen hierauf die nöthigen Bemerkungen darüber mittheilen laßen, und nur alsdann wird sich ergeben, inwiefern eine gerichtliche Verhandlung nothwendig ist.“338

In einem weiteren Schreiben des Herzogs vom 28. Mai 1808 hieß es: „Ihr habt unter dem 18. Januar ( . . . ) bey Uns Eure Stelle als Minister niedergelegt ( . . . ).“339 Dies wertete Kretschmann in einem Schreiben vom 10. Juni 1812 an Herzog Ernst als Annahme seines Demissionsgesuchs.340 In einem Brief an den StACo LA F 5938 fol. 10 – 16’ = StACo Min E 3871 fol. 38’ – 43. So aber Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 68. 335 Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Coburg, S. 27, 84 f. 336 Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Coburg, S. 85. 337 StACo LA F 5938 fol. 86 – 88. 338 StACo LA F 5938 fol. 87 = BayHStA MA 89937 / 2 fol. 5, 5’; auch zitiert bei Theodor Konrad von Kretschmann, Meine Dienstjahre in Coburg, S. 87. Ein solcher Bericht wurde nicht vorgelegt, auch zu einem Prozeß gegen Kretschmann wegen seiner Amtsführung kam es nicht. – Zu den Folgestreitigkeiten zwischen Herzog Ernst und Kretschmann vgl. Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Minister v. Kretschmann, S. 60 ff. m. w. Nachw. sowie insbesondere StACo Min E 3869 ff., BayHStA MA 89937 / 1, 89937 / 2. 339 StACo Min E 3871 fol. 43’, auch zit. bei StACo LA F 7565 fol. 7’. 340 Abschrift bei BayHStA MA 89937 / 1 fol. 29. 333 334

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

309

bayerischen König vom 30. Januar 1812 wiederholte jedoch auch Herzog Ernst, Kretschmann sei „aber noch keineswegs ( . . . ) förmlich der Dienste entlaßen“.341

c) Bewertung der Leistungen Kretschmanns Während der Amtszeit des Ministers Kretschmann scheiterte zwar das Verfassungsprojekt zunächst am Widerstand der konservativen Landstände, später am Widerstand des konservativen Herzogs Ernst; dennoch wurde in Sachsen-CoburgSaalfeld – zumindest auf dem Papier – ein Großteil dessen erreicht, der übrige Teil in Angriff genommen, was modern nicht nur Ulrich Heß als die wichtigsten Aufgaben der thüringischen Verwaltungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ansieht: (1) Bildung einer einzigen zentralen Verwaltungsbehörde (Staatsministerium). (2) Überwindung der Kollegialverfassung und Durchsetzung monokratisch arbeitender Oberbehörden. (3) Trennung von Verwaltung und Justiz in Ober- und Unterbehörden. (4) Beseitigung nichtstaatlicher, privater Herrschaftsrechte. (5) Vereinigung von Kammer- und Staatsvermögen.342 Die Reform der seit Jahrzehnten bzw. Jahrhunderten unverändert gebliebenen Verwaltung Sachsen-Coburg-Saalfelds – die wegen der Existenz der Kaiserlichen Debitkommission sicherlich zunächst unter einem starken Zeit- und Erfolgsdruck stand – in der kurzen Zeit seit 1800 durch den externen Beamten kann als beispiellos angesehen werden. Auch seine Verfassungsprojekte – die durchaus auch aus einer Stellung gegen die nichtstaatliche Adelsverwaltung heraus begründet sein konnten – können zumindest dem Text nach durchaus als fortschrittlich angesehen werden. Kretschmanns Vorgehensweise entsprach dabei den allgemeinen Grundsätzen der Verwaltungsreform zu Beginn des 19. Jahrhunderts: das Provinzialsystem bei den obersten Behörden wich dem Realprinzip einhergehend mit einer Zuständigkeitsausweitung der jeweiligen Behörde für das gesamte Staatsgebiet, Justiz und Verwaltung wurden auf oberer und mittlerer Ebene getrennt und das Kollegialprinzip weitestgehend durch den Direktorialgrundsatz ersetzt.343 Gleichzeitig erfolgte eine weitgehende Bürokratisierung auch der politischen Herrschaft.344 341 BayHStA MA 89937 / 1 fol. 13 = ebd. fol. 5; vgl. auch die Darstellung durch von Fischler von Treuberg ebd. fol. 55. 342 So Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 58. 343 Helmut Berding / Hans-Peter Ullmann, Veränderungen in Deutschland an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 16 f. 344 Zur Bürokratisierung politischer Herrschaft siehe allgemein Hans-Peter Ullmann, Staatsverwaltung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 127.

310

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Die Verwaltungsreformen Kretschmanns in Sachsen-Coburg-Saalfeld waren direktes Vorbild für die Errichtung eines Ministeriums unter einem „dirigierenden Minister“ in Sachsen-Hildburghausen am 29. Mai 1807345 sowie für die dortige Konzentration der gesamten Landesverwaltung in der Landesregierung im Jahre 1810.346 Sachsen-Hildburghausen sah teilweise – auf Vorschlag Wangenheims (!) und Villains – Kretschmanns Organisation insgesamt als Muster für eigene Pläne an.347 Nicht zuletzt daher ist der Ansicht Thomas Kleins, Sachsen-(Coburg-)Meiningen habe als erster thüringische Staat „Verwaltungsreformen der modernen Art“ durchgeführt348, entgegenzutreten. Auch mit der Einführung der Bezeichnung „Ministerium“ für die oberste Landesbehörde war Sachsen-Coburg-Saalfeld Vorreiter, dem 1809 Sachsen-GothaAltenburg (Geheimes Ministerium), 1815 Sachsen-Weimar-Eisenach (Staatsministerium) und 1819 Sachsen-Meiningen (Geheimes Ministerium) folgten.349 Die anderen thüringischen Staaten brauchten für die Einführung einer Zentralbehörde noch bis über 1848 hinaus.350 Unbestreitbar positiv zu bewerten ist auch die unternommene Schaffung einer zentralen Oberbehörde in Form der Landesregierung. Noch im 19. Jahrhundert wurde demgegenüber beispielsweise in Sachsen-Meiningen die Zahl der Kommissionen beständig erhöht.351 Zu kritisieren bleibt freilich, daß Kretschmann seinen eigenen Ansprüchen entgegen wieder Sonderbehörden einrichtete, nachdem er zunächst eine Zuständigkeitskonzentration zugunsten der Landesregierung erreicht hatte. Die Abtrennung der „Landesregierung als Justizkollegium“ von der „Landesregierung“ (als Polizeikollegium) stellte ebenfalls die erste Trennung von Justiz- und Verwaltungsbehörden der oberen Instanz in Thüringen dar. Diesem folgten 1810 Sachsen-Hildburghausen, 1823 Sachsen-Meiningen, 1828 Sachsen-Gotha, 1831 Sachsen-Altenburg und erst 1850 Sachsen-Weimar-Eisenach. Die Einrichtung eines eigenen Oberappellationsgerichts blieb für die thüringische Kleinstaatenwelt einzigartig. Auch die von Kretschmann angedachte Beseitigung der Patrimonialgerichtsbarkeit, die beispielsweise 1808 im Königreich Westfalen erfolgte, brauchte in 345 Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 302 f. 346 Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 59. 347 Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 242 ff. 348 Thomas Klein, Thüringen, S. 105. 349 Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 59 f.; für Sachsen-Weimar-Eisenach siehe Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 272. 350 Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der Thüringischen Staaten, S. 59 f. 351 Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 205.

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

311

Sachsen-Coburg-Saalfeld – ebenso wie in den kleinen Nachbarstaaten – noch mehrere Jahrzehnte.352 Im Rahmen der Verwaltungsreformen ist anzumerken, daß die externen Reformimpulse im Rahmen von Gebietsveränderungen353 völlig fehlten, sämtliche Reformen in den Bereichen Verwaltung und Verfassung gingen auf Kretschmanns Initiative und damit vom Grundsatz her auf finanzielle Erwägungen354 zurück. Dabei konnte er nicht so frei agieren wie sein Lehrer Hardenberg, der nach seinen Zwistigkeiten mit der fränkischen Reichsritterschaft wegen Störung ihrer Landeshoheit in Ansbach-Bayreuth Entscheidungen des Reichshofrats unbeachtet ad acta legte355 und – ähnlich wie in Sachsen-Coburg-Saalfeld – ritterschaftliche Widerstände von vornherein als Majestätsbeleidigung deklarieren konnte.356 Ebenso wie Kretschmann in Sachsen-Coburg-Saalfeld ist auch Friedrich Karl von Moser in Hessen-Darmstadt mit seiner Reformpolitik letztendlich gescheitert.357 Auch dort ging der Anstoß zum Sturz des Reformministers sowohl von Differenzen mit den eingesessenen Honoratioren als auch vom persönlichen Verhältnis zwischen Landgraf Ludwig IX. und ihm aus. Eskalationen mit den Landständen wegen der Tätigkeit eines Beamten waren zeitgenössisch nicht außergewöhnlich, so war es in Ostfriesland bereits im 18. Jahrhundert zu einer sogar in eine kriegerische Auseinandersetzung mündenden Streitigkeit zwischen Landständen und Landesherrn aufgrund der dominierenden Stellung eines einzelnen Ministers gekommen.358 Bei einer Fortführung seiner Tätigkeit hätte Kretschmann durchaus die Chance gehabt, anstelle des reaktionären Herzogs Ernst die Rolle eines leitenden Reformministers auszufüllen, wie sie Maximilian Graf von Montgelas in Bayern, Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein und Hardenberg in Preußen sowie Sigismund Karl Freiherr von Reitzenstein in Baden innehatten.359 Siehe dazu unten H.III.1.a). Zu allgemein daher wohl Elisabeth Fehrenbachs Wertung „Wo keine oder nur geringfügige Gebietsveränderungen stattfanden, fehlte auch der Reformimpuls“ (Der Einfluß des napoleonischen Frankreich, S. 24). Zu Gebietsveränderungen als auslösende Faktoren für Reformen siehe allgemein Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Zweiter Band, S. 318 f. (mit Fallgruppen); Friedrich Strathmann, Altständischer Einfluß auf die deutschen Territorialverfassungen, S. 147; Hans-Peter Ullmann, Staatsverwaltung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 124; zum Gedanken der Schaffung einer Rechtseinheit für das vergrößerte Staatsgebiet in Baden siehe Elisabeth Fehrenbach, Der Einfluß des napoleonischen Frankreich, S. 24. 354 Zu diesen als Reformanstoß siehe Hans-Peter Ullmann, Staatsverwaltung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 124. 355 Rudolf Endres, Die preußische Ära in Franken, S. 169. 356 Rudolf Endres, Die preußische Ära in Franken, S. 179. 357 Vgl. Andreas Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 16 f. 358 Bernd Kappelhoff, Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft, S. 437 ff. 359 Siehe dazu Franz-Ludwig Knemeyer, Politisches Kabinett und Verwaltungskabinett, S. 415. 352 353

312

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Mit dem Ende der aktiven Tätigkeit Kretschmanns wurde sein System jedoch schnell aufgegeben.360 Auch sein Vertrauter Regenhertz scheint bald nach der Errichtung der interimistischen Kommission gezielt umgangen worden zu sein, wie Hartleben am 10. März 1808 an Kretschmann schrieb: „Damit Regenherz nichts mehr zur Einsicht erhält, wird Alles zwischen einem Commissions-Mitgliede und dem erlauchten Chef abgethan.“361

Zum Verhängnis im Umgang mit seiner Umgebung wurde Kretschmann seine persönliche Art: Aufgrund seines Hochmuts konnte der Vielarbeiter mit Widerspruch nicht umgehen.362 Ähnliche Probleme wie in Sachsen-Coburg-Saalfeld begegneten ihm auch im Fürstentum Leiningen, wo er aufgrund seiner Persönlichkeit, Pedanterie und seines wissenschaftlichen Fanatismus in Konflikte geraten war.363 d) Planung einer Neuorganisation durch die Kommission In einer ersten Vorlage an Herzog Ernst vom 20. Mai 1808364 sah Gruner, der neue „starke Mann“ der coburgischen Verwaltung, als Grundlage für eine neue Organisation die Aufhebung des Revisions- und Oberappellationsgerichts an, zumal da keiner der übrigen ernestinischen Herzöge trotz größerer Territorien und Mittel derartige Einrichtungen geschaffen hatte. Vorzuschlagen sei daher die Einrichtung eines gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts für die sächsischen Staaten. Als neue Bezeichnung für das Ministerium regte Gruner unter deutlicher Abkehr vom bisherigen System „Geheimes Conferenz-Collegium“ oder „Geheimes Cabinets-Collegium“ sowie – nach dem Vorbild der übrigen sächsischen Häuser – „Geheimes Raths-Collegium“ an.365 Die Landesregierung als solche sollte beibehalten werden und sich in drei Zweige (Justizkollegium; Landeshoheits-, Finanzund Polizeikollegium; Konsistorium) aufteilen. Diese Grundgedanken präzisierte Gruner in einem ersten Entwurf zur neuen Einrichtung der Landeskollegien unter dem 27. Mai 1808.366 Die Notwendigkeit einer Neuorganisation begründete er damit, daß nach der letzten Umorganisation in der Landesregierung drei Departements (Landeshoheits- und Polizeiangelegen360 Zum Beginn von Reaktionsmaßnahmen in der Verwaltung in anderen Staaten siehe Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 272. 361 StACo LA F 7360 fol. 66; vgl. auch die dargestellte Entwicklung bei StACo LA F 7543 fol. 8 – 22. 362 Fritz Hartung, Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth, S. 110 f. 363 Willy Andreas, Der Aufbau des Staates im Zusammenhang der allgemeinen Politik, S. 14 f. 364 StACo LA A 6209 fol. 2 – 5’. 365 Siehe dazu auch ThStAGo Staatsministerium Departement I Loc. 3 Nr. 2 Vol. VI fol. 4. 366 StACo Min F 430 fol. 2 – 11’.

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

313

heiten, Finanzen und Rechnungswesen) unter der Leitung eines Chef-Präsidenten ohne kollegialische Beratungen abgesondert voneinander arbeiteten, so daß departementsübergreifende Fälle kaum bearbeitet werden konnten. Der Minister und Chef-Präsident als einzige übergreifende Stelle sei jedoch nicht mehr im Dienst. Auch sei die Organisation lediglich auf die Departementsleiter abgestellt gewesen, wobei keine Vertreter für diese vorgesehen gewesen seien. Die Geschäfte der bisherigen Landesregierung sollten weiter aufgeteilt werden, insbesondere sei die Neuerrichtung eines besonderen Konsistoriums notwendig. Die Landesregierung sollte bei ihrer Amtstätigkeit zu erkennen geben, ob sie als Hoheitskollegium, als Finanzkollegium oder als Polizeikollegium handelte. Die Landesregierung sollte künftig für alle Landeshoheitssachen mit Ausnahme von Kirchenfragen, für Jurisdiktionsstreitigkeiten, Landschaftsangelegenheiten, sämtliche Verwaltungsbereiche und das gesamte Finanzwesen zuständig sein. Das Konsistorium oder die „Regierung des geistlichen Departements“ sollte die Verantwortung für sämtliche Kirchen-, Schul- und Erziehungssachen tragen. Der Landesregierung als Justizkollegium schließlich verblieb die Zuständigkeit für Justizsachen, das Hypothekenwesen, das Vormundschaftswesen und das Depositenwesen sowie die Tätigkeit als Lehnhof. Als Personal stellte sich Gruner neben Subalternen für die Landesregierung einen Präsidenten oder Vizepräsidenten, einen Direktor, zwei Räte, einen Assessor und Referendare, für das Konsistorium einen Geistlichen und zwei (weltliche) Räte sowie für das Justizkollegium einen Kanzler, zwei oder drei Räte und einen Assessor vor. Zudem beabsichtigte Gruner eine umfassende Rechtsbereinigung. Einige Gesetze aus der Zeit Kretschmanns seien nie in Vollzug gesetzt worden, bei zahlreichen weiteren seien Rechtswirksamkeit und Sinn nicht mehr klar erkennbar.367 Ein eigener Kodex erscheine jedoch nicht als sinnvoll. In dringendem Zusammenhang mit der Organisationsreform stehe jedoch nach wie vor die Aufhebung des Revisions- und Oberappellationsgerichts. 368 In seinen Anmerkungen dazu äußerte Arzberger, er vermisse das – bislang schon bestehende – Zivil-Militär-Departement der Landesregierung.369 Die Trennung zwischen den einzelnen Zuständigkeiten der Departements müsse zudem möglichst scharf umrissen werden. Der Präsident müsse für die Schnelligkeit der Bearbeitung verantwortlich sein. Es müsse auch genau festgelegt werden, wann eine Sache allein bearbeitet werden könne und wann sie zirkulieren müsse oder einer kollegialen Beratung bedürfe.

367 Ähnliche Kritik findet sich ebenfalls in Nr. XIX. des Instruktionsreskripts für die Landesregierung vom 15. Juni 1808 – siehe dazu sogleich e)dd) –: „Die Instructionen für den Dienst ( . . . ) sind zum todten Buchstaben geworden. Es ist seit 1802 kein General-Bericht erstattet worden ( . . . ).“ 368 StACo Min F 430 fol. 12. 369 StACo Min F 430 fol. 12 – 17.

314

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

e) Umsetzung der neuen Konzeption aa) Aufhebung des Oberappellationsgerichts Durch Verordnung vom 1. Juni 1808370 wurde „das seit Kurzem ( . . . ) bestandene Oberappellations- und Revisionsgericht“ wieder aufgehoben und gleichzeitig die Versendung von Akten an auswärtige Stellen zur Urteilsfindung bis auf weiteres nach näherer Maßgabe wieder zugelassen. Eine erstinstanzliche Entscheidung sollte in jedem Fall durch ein in Sachsen-Coburg-Saalfeld befindliches Gericht ergehen. Gegen erstinstanzliche Entscheidungen von Untergerichten stand der beschwerten Partei ein Wahlrecht zu, die Akten versenden zu lassen oder sich an die Landesregierung als Justizkollegium zu wenden. Gegen zweitinstanzliche auswärtige Erkenntnisse konnte die Landesregierung als Justizkollegium angerufen werden. Gegen erst- oder zweitinstanzliche Erkenntnisse der Landesregierung als Justizkollegiums konnte entweder Beschwerde bei der gleichen Behörde zur Bestellung eines anderen Referenten erhoben oder die Versendung der Akten an auswärtige Stellen beantragt werden. Mehr als drei Instanzen waren jedoch ausgeschlossen. Damit war der Rechtszug in Sachsen-Coburg-Saalfeld – abgesehen von den früheren Besonderheiten des saalfeldischen Landesteils – wieder ebenso organisiert wie in der Zeit vor Kretschmann. bb) Errichtung eines Konsistoriums (1) Neuorganisation als Oberbehörde Durch das „Instructions-Rescript für das Consistorium“ vom 2. Juni 1808 wurde ein Konsistorium als „zweite Abteilung der Landesregierung“ errichtet.371 Nach der Aktensituation erscheint es allerdings eher als wahrscheinlich, daß diese Neuerrichtung372 erst nach der Reorganisation von Ministerium und Landesregierung erfolgte und lediglich rückdatiert wurde. 370 StACo Min F 330 fol. 77, 77’ = ebd. fol. 78 – 80’ = StACo Kons 1187 fol. 3 – 4’ = RIBl. Nr. XXIX vom 9. Juli 1808, Sp. 467 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VII S. 36 ff. = Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, 8. Band, S. 316 ff. 371 Textanhang Nr. 14 = StACo Kons. 1130 fol. 2 – 4’ = StACo Min F 430 fol. 43 – 50 = RIBl. Nr. XXXVII vom 3. September 1808, Sp. 621 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 56 ff. 372 Von „Wiedererrichtung“ (vgl. auch Titel bei StACo Kons 1130: „die Wiederherstellung des Herzogl. Consistorii betr.“, ebenso Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 51) ist in diesem Zusammenhang eher nicht zu sprechen, da offensichtlich nicht die alte Behörde – deren Zuständigkeit sich auch auf die geistliche Gerichtsbarkeit erstreckte – in der früheren Zusammensetzung wiederhergestellt werden sollte, sondern eine neue Behörde, die ausdrücklich auch als zweite Abteilung der Landesregierung bezeichnet wurde, eingerichtet wurde.

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

315

Diese Maßnahme wurde dadurch begründet, daß sich die Verbindung des Kirchen- und Schulwesens mit dem übrigen Geschäftskreis der Landesregierung als unvorteilhaft erwiesen habe, da diesen beiden Bereichen nicht die notwendige Aufmerksamkeit habe gewidmet werden können. Das Konsistorium wurde mit einem Präsidenten, geistlichen und weltlichen Räten sowie Assessoren besetzt. Die Behörde wurde ausdrücklich kollegial organisiert und hatte sich des Subalternpersonals der Landesregierung zu bedienen. Am Ende jeden Jahres war dem Herzog ein Bericht über den Kirchen- und Schulzustand im Lande zu erstatten. Der Geschäftskreis der neuen Organisationseinheit umfaßte Kirchen- und Schulangelegenheiten im weitesten Sinne, insbesondere Prüfungs- und Personalfragen, Oberaufsicht über die Amtsführung im Kirchen- und Schulbereich sowie Oberaufsicht über das Literaturwesen einschließlich der Bücherzensur. Ausdrücklich ausgeschlossen waren Zuständigkeiten im Bereich der Rechtsprechung, womit Sachsen-Coburg-Saalfeld dem Beispiel Preußens und Sachsen-Weimars folgte, die bereits 1748 und 1804 den Konsistorien die rechtsprechende Gewalt entzogen hatten.373 Ebenso wie in Preußen, wo durch die Verordnung vom 30. April 1815374 anstelle des aufgelösten Oberkonsistoriums in den Provinzen eigene Provinzialkonsistorien errichtet wurden375, wurde damit eine neue Behörde für den Bereich der Kirchenverwaltung geschaffen. (2) Diskussion über Bildung von Unterbehörden In einem Bericht vom 16. Mai 1808 hatte die Landesregierung bereits vorgeschlagen, aus den gleichen Gründen, die auch zur Errichtung dreier Ämter im Landesteil Sachsen-Coburg geführt hatten, nunmehr drei geistliche Untergerichte als Unterbehörden des Konsistoriums zu errichten.376 In Betracht kämen – neben dem bereits bestehenden geistlichen Untergericht in Neustadt – solche in Coburg, Rodach und Themar mit Zuständigkeit für den jeweiligen Amtsbezirk. Diese Behörden sollten aus einem Geistlichen als „Spezialsuperintendenten“ sowie einem weltlichen Beamten bestehen und den Pfarreien übergeordnet sein, mithin auch die Ab373 Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Zweiter Band, S. 270; Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 127; Rudolf Herrmann, Thüringische Kirchengeschichte, Band 2, S. 349; vgl. dazu auch Johann Ludwig Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, S. 570 f. 374 Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provincial-Behörden, PrGS 1815, S. 85 ff. = Ernst Rudolf Huber / Wolfgang Huber, Staat und Kirche, S. 119 f. = Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 149 ff. 375 Siehe dazu Hans-Dietrich Loock, Die preußische Union, S. 58; Otto Hintze, Die Epochen des evangelischen Kirchenregiments in Preußen, S. 84; Ludwig Richter, Geschichte der evangelischen Kirchenverfassung, S. 248. 376 StACo Min U 1 fol. 1’, 4’ – 5 = StACo Kons 1188 fol. 17 – 21.

316

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

nahme der Kirchenrechnungen vornehmen. Die bestehenden Adjunkturen sollten mit dem Tod oder anderweitigen Wegfall des Stelleninhabers erlöschen. Das Ministerium forderte am 15. Juli 1808 detailliertere Vorschläge.377 In dem darauffolgenden Bericht vom 6. Dezember 1808 führte das Konsistorium aus, daß es derartiger Unterbehörden eigentlich nicht bedürfe, da hierdurch die Grenzen der bisher bestehenden Adjunkturen und Pfarrspiele durchschnitten würden und Gebietsveränderungen insbesondere im Themarer und Saalfelder Bereich gegen verschiedene Rezesse verstoßen könnten.378 Das Ministerium verfügte daraufhin am 10. Januar 1809, daß es bei der bisherigen Organisation verbleiben sollte.379 Zur Einführung derartiger geistlicher Untergerichte sollte es erst durch eine Verordnung vom 28. Juli 1837 kommen.380 cc) Neuorganisation des Ministeriums Auch das Ministerium wurde unter der Bezeichnung „Landesministerium“381 durch eine Verordnung unter dem 4. Juni 1808 neu eingerichtet. 382 Es blieb oberste Landesbehörde, wurde nunmehr aber ebenfalls kollegial organisiert. Damit war Sachsen-Coburg-Saalfeld auf der Ebene der höchsten Verwaltungsbehörde 1808 ebenso wie Sachsen-Weimar-Eisenach383 wieder beim Kollegialsystem angekommen. Von den drei zugewiesenen „geheimen Konferenzräten“ oblag einem der Vorsitz und die Direktion des Geschäftsgangs, das Präsidium der Behörde behielt sich Herzog Ernst jedoch selbst vor. Jeder der drei Konferenzräte war dem Kollegium, das Kollegium in seiner Gesamtheit dem Herzog verantwortlich. Eine vergleichbare Situation wurde im gleichen Jahr in Preußen durch die Errichtung des – unter anderem ebenfalls aus Behördenleitern zusammengesetzten – Staatsrates aufgrund des Organisationsedikts vom 24. November 1808 erreicht. Der Geschäftskreis des Landesministeriums umfaßte die Hausangelegenheiten, die auswärtigen Verhältnisse und staatsrechtlichen Angelegenheiten, die oberste Leitung und Überwachung der Verwaltung in allen Polizei-, Justiz-, Finanz- und Kirchensachen sowie das Militärwesen, soweit es im Zusammenhang mit den übrigen Bereichen stand. Eine Einschränkung der Zuständigkeit der obersten Landesbehörde im Vergleich zur Instruktion für Minister Kretschmann vom 15. Mai 1801384 StACo Kons 1188 fol. 22 = StACo Min U 1 fol. 6. StACo Min U 1 fol. 8 – 15’ = StACo Kons 1188 fol. 184 – 187’. 379 StACo Kons 1188 fol. 192 = StACo Min U 1 fol. 15’. 380 Siehe dazu unten F.I.1.b)bb). 381 Zu Gruners alternativen Vorschlägen siehe oben d). 382 Textanhang Nr. 15 = StACo LA K 409 fol. 4 – 7’ = RIBl. Nr. XXVI vom 17. Juni 1808 Sp. 411 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI, S. 62 ff. = Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, 7. Band, S. 472 ff. 383 Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 273. 384 Siehe dazu oben B.III.1.d). 377 378

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

317

ergab sich mithin lediglich im Militärbereich und in der fehlenden Bezugnahme auf das Lehnswesen, wobei ersteres wohl auf die persönlichen Interessen Herzog Ernsts385, letzteres auf die mittlerweile abgesunkene Bedeutung dieses Bereichs zurückgeführt werden kann. Trotz des kollegialen Charakters der Behörde wurden für die drei Konferenzräte besondere Departements eingerichtet.386 Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung gab es drei solche Abteilungen: (1) Landeshoheits- und staatsrechtliche Angelegenheiten nebst Haus- und Dienstangelegenheiten; (2) Finanzen; (3) Polizei und Nationalökonomie. Die Geschäftsbesorgung im jeweiligen Departement oblag dem zuständigen Konferenzrat, soweit nicht das Kollegium anderweitig beschlossen hatte. Jeder Konferenzrat hatte vierteljährlich dem Herzog Bericht über die Lage in seinem Departement zu erstatten, nach dem Ablauf eines jeden Geschäftsjahres hatte das gesamte Kollegium einen Generalbericht abzufassen. Mit einer derartigen Ressorteinteilung blieb das sachsen-coburg-saalfeldische Landesministerium immer noch die modernste ernestinische Zentralbehörde387, so führte Sachsen-Weimar-Eisenach ein nach dem Ressortprinzip gegliedertes Staatsministerium (anstelle eines Geheimen Conciliums) erst im November 1815 ein.388 Im Gegensatz zum überkommenen Prinzip des Geheimen Ratskollegiums – und trotz des dahingehenden Grunerschen Namensvorschlages – war das Kollegialsystem trotz der „klassischen“ Zusammensetzung des Kollegiums durch eine den alten Geheimen Ratskollegien fremde Ressorteinteilung modifiziert worden.389 Damit hatte es anders als der durch das Organische Edikt vom 4. Juni 1808390 gegründete bayerische Geheime Rat nicht den Charakter eines Beratungsgremiums, sondern einer Behörde, wenngleich die Entscheidung nach der Beratung allein vom Herzog ausging. Die neue Situation in Sachsen-Coburg-Saalfeld entsprach dem in Hannover bereits seit dem 20. September 1735 bestehenden391 und zeitgenössisch teilweise ge385 Dies ergibt sich auch aus der Formulierung der Nr. II. des Instruktionsreskripts für die Landesregierung vom 15. Juni 1808, siehe dazu sogleich dd). 386 ThStAGo Staatsministerium Departement I Loc. 3 Nr. 2 Vol. VI fol. 13 – 14. 387 Ebenso Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 237 f. 388 Hans Tümmler, Die Zeit Carl Augusts von Weimar, S. 657. 389 Eine ähnliche Bewertung nimmt auch Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 236 f. vor. 390 „Organisches Edikt die Bildung des geheimen Raths betreffend“, RBl. 1808, Sp. 1329 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 100 ff. 391 Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 49. – Dies wurde durch das Reorganisationsreskript vom 14. Juli 1816 bestätigt, siehe dazu Franz-Ludwig Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, S. 311.

318

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

forderten Verschmelzen von hierarchischer und kollegialer Behördenstruktur, wo Grundsatzentscheidungen dem Kollegium vorbehalten blieben, für den Vollzug des einzelnen Falls jedoch ein einziger Beamter verantwortlich sein sollte.392 Ein ähnlicher Dualismus zwischen Kollegialentscheidungen und Departementsverteilungen war auch in Württemberg durch die Neuordnung in den Jahren 1805 – 1807 geschaffen worden.393 Da dem Herzog selbst das Präsidium des Ministeriums oblag, verblieben für den vorsitzenden Rat lediglich Verwaltungsaufgaben wie die Verteilung der Eingänge auf die Departements und der Vorsitz bei denjenigen Konferenzen, bei welchen Herzog Ernst nicht anwesend war. Dieser legte jedoch Wert darauf, daß nichts im Ministerium ohne seine Kenntnis und Entscheidung geschehe. Infolgedessen behielt er sich die Unterzeichnung von Konzepten und Reinschriften grundsätzlich vor. Einer persönlichen Unterzeichnung bedurften insbesondre neue Justiz-, Polizei- und Finanzgesetze, Verordnungen, Mandate und Publikanda, Korrespondenzen mit auswärtigen Landesherrn, Begnadigungen, Ernennungen im weitesten Umfang, Instruktionen für Behörden, Haushaltspläne, Bestätigung von Urteilen, von Lehen und von Körperschaften. Anstellungspatente, Verfügungen über Staatsdiener und Geschäftsreglements waren vom vorsitzenden Konferenzrat gegenzuzeichnen. Ansonsten bedurften alle Entscheidungen, die unmittelbar in Verwaltungshandlungen untergeordneter Behörden münden sollten, der Zeichnung des Herzogs im Konzept, soweit sie nicht auf unzweideutiger Anwendung eines Gesetzes oder eines vom Herzog sanktionierten Musters beruhten. Diese Konzepte waren vom zuständigen Konferenzrat gegenzuzeichnen, die Reinschrift war vom vorsitzenden Konferenzrat und dem Leiter des zuständigen Departements zu unterzeichnen, sollte der Vorsitzende zuständiger Departementsleiter sein, so oblag die Zweitunterschrift dem nächstdienstältesten Mitglied. Nach der Einführung der neuen Organisation wurden auf einer Sitzung am 8. Juni 1808 Gruner zum vorsitzenden geheimen Konferenzrat394 sowie Arzberger und Röpert zu weiteren geheimen Konferenzräten ernannt.395 Durch Reskript vom 2. Juni 1809 wurde Johann Maximilian von Szymborski das wohl neugebildete „Referat in Militärsachen“ im Landesministerium übertragen396 – diese Maßnahme stand anscheinend im Zusammenhang mit der Neuerrichtung der Militärkommission in der folgenden Woche.397

Heinrich Gottlieb Reichard, Monarchie, Landstände und Bundesverfassung, S. 360 f. Siehe dazu Friedrich Wintterlin, Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, Erster Band, S. 239 ff. 394 StACo Min F 732 fol. 11 – 12’. 395 ThStAGo Staatsministerium Departement I Loc. 3 Nr. 2 Vol. VI fol. 29, 29’; vgl. auch RIBl. Nr. XXIV vom 10. Juni 1808 Sp. 380. 396 ThStAGo Staatsministerium Departement I Loc. 3 Nr. 2 Vol. VI fol. 48 – 50’. 397 Siehe dazu sogleich ff)(2). 392 393

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

319

dd) Änderung der Dienstverfassung der Landesregierung Durch eine Verordnung vom 15. Juni 1808 wurden Zuständigkeiten und innere Organisation der Landesregierung neu geregelt.398 Nr. I. dieser Vorschrift statuierte allgemein, daß neben der „Landesregierung als Landeshoheits-, Finanz- und Polizei-Collegium“ als weitere Behörden das Konsistorium („Landesregierung in Kirchen- und Schulsachen“)399 und die „Landesregierung als Justiz-Collegium, als Lehenhof und Pupillen-Collegium“400 bestanden. Das Ressort der Behörde umfaßte nunmehr Landeshoheitssachen im weitesten Sinne mit Ausnahme der Kirchen- und Schulsachen, das Finanzwesen, die allgemeine Landespolizei sowie Militärangelegenheiten, sofern letztere nicht unmittelbar unter Kontrolle Herzog Ernsts standen. Dies entsprach dem Zustand nach dem Organisationspatent vom 1. Mai 1802401 unter Berücksichtigung der Abtrennung der Justiz- und Konsistorialangelegenheiten. Dazu trat die Zuständigkeit für landschaftliche Angelegenheiten, die zur Zeit Minister Kretschmanns beim Ministerium lag. Nr. VI ordnete die Hauptdomänenkasse ausdrücklich der Landesregierung nach. Die Landesregierung sollte aus einem Präsidenten, einem Direktor als Stellvertreter des Präsidenten im Verhinderungsfall, mehreren Räten und Assessoren, einem vortragenden Rechnungsrat und den notwendigen Subalternen bestehen. Hinsichtlich der Pflichten wurde ausdrücklich auf das Geschäftsreglement vom 17. April 1802402 verwiesen, das gültig bleiben sollte, soweit es der vorliegenden Verordnung nicht widersprach. Die Landesregierung wurde unter ausdrücklicher Abkehr vom hierarchischen Prinzip nunmehr kollegial organisiert, wenngleich jedem Mitglied ein möglichst genau zu beschreibendes Ressort zuzuteilen war. Im Plenum des Kollegiums waren sämtliche Angelegenheiten zu behandeln, zu deren Erledigung es der Aufstellung eines neuen Prinzips bedurfte, die die Rechte Dritter berührten oder wo die Anwendung eines bereits vorhandenen Prinzips im Einzelfall als bedenklich erschien. Detailliert wurde ferner unterschieden, in welchen anderen Fällen der Referent selbst oder unter Hinzuziehung des Präsidenten die Angelegenheit büromäßig erledigen durfte. Zudem wurde der Landesregierung – entsprechend den Vorstellungen Gruners403 – eine umfassende Rechtsbereinigung sowie eine Überarbeitung der Dienstvorschriften für den eigenen Betrieb zur Aufgabe gemacht. 398 Textanhang Nr. 16 = StACo Min F 430 fol. 20 – 29’ = StACo Kons. 1130 fol. 12 – 18, modifiziert bei RIBl. Nr. XXXV vom 20. August 1808 Sp. 581 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI, S. 71. 399 Zu diesem soeben bb)(1). 400 Hierzu siehe sogleich ee). 401 Siehe dazu oben B.III.4.b). 402 Gemeint wohl das Geschäftsreglement vom 1. April 1802, siehe zu diesem oben B.III.4.b). 403 Siehe dazu soeben d).

320

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

ee) Neue Organisation für das „Justizkollegium“ Durch Verordnung vom 20. Juni 1808 wurde die bisherige Landesregierung als Justizkollegium unter der neuen Bezeichnung „Justizkollegium“ neu organisiert.404 Neben Landesregierung und Konsistorium sollte es nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Verordnung die „dritte Abteilung“ der – wohl noch als fortbestehend fingierten „einheitlichen“ Landesregierung als einziger Oberbehörde darstellen. Seine Zuständigkeit umfaßte sämtliche Justizsachen, die freiwillige Gerichtsbarkeit, die Geschäfte des Lehnhofs sowie Hypotheken-, Vormundschafts- und Depositalwesen. Es bestand aus dem Kanzler, mehreren Räten und Assessoren sowie den notwendigen Subalternen. Ausdrückliches Ziel der Reorganisation war es, Vertrauen in die Justizbediensteten zu schaffen, wozu das Prüfungswesen für den Justizdienst auch zweckmäßiger gefaßt werden sollte. Der Geschäftsgang sollte schnell, aber nicht übereilt sein, sämtliche Sachen waren ausnahmslos kollegial zu behandeln. Eine Geschäftsverteilung wurde ausdrücklich abgelehnt, da die Räte jederzeit in sämtlichen Rechtsgebieten zu entscheiden haben sollten. Da die Schaffung neuer umfassender Gesetze geplant sei, sollte das Justizkollegium auch eine Revision der bestehenden Gesetze vornehmen. Am Ende jeden Jahres hatte der Kanzler einen Generalbericht über den Zustand der Justiz und die Art der behandelten Fälle zu erstatten. Das Geschäftsreglement vom 17. April 1802405 sollte auch bezüglich des Justizkollegiums weiterhin Geltung haben, soweit es nicht durch die vorliegende Verordnung abgeändert wurde. ff) Erneute Schaffung von Sonderbehörden (1) Chausseebaukommission Auf einer Reise an die sächsischen Höfe waren Herzog Ernst und Kammerjunker Ludwig Friedrich Emil von Coburg übereingekommen, letzterem die „Aufsicht über Chausseen und dergl.“ zu übertragen.406 Durch Schreiben der Immediatkommission vom 21. Mai 1808 wurde ihm die Aufsicht über die Chausseen und Alleen unter Verantwortung der Landesregierung zuerkannt.407 Dieses Schriftstück sandte Coburg jedoch umgehend an den Herzog mit dem Hinweis zurück, er habe sich eine eigenständige Immediatkommission unter seiner Leitung oder zu404 Textanhang Nr. 17 = StACo Min F 430 fol. 32 – 41 = StACo Kons. 1130 fol. 6 – 11’ = RIBl. Nr. LII vom 17. Dezember 1808 Sp. 813 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 77. 405 Gemeint wohl wiederum das Geschäftsreglement vom 1. April 1802, siehe zu diesem oben B.III.4.b). 406 So dargestellt in einem Bericht Coburgs an den Herzog von Ende Mai 1808 bei StACo Min F 429 fol. 2. 407 StACo Min F 429 fol. 8.

II. „Neuer Kurs“ unter Herzog Ernst

321

mindest die Position eines Kommissars vorgestellt, denn er als Cousin Ernsts408 könne den in Form des Reskripts vorliegenden Auftrag nicht ausführen, „ohne ganz in den Rang eines niedern Subalternen herabzusteigen.“409 Auf Vorschlag Arzbergers410 wurde durch herzogliches Reskript vom 16. Juli 1808 eine der Landesregierung gleichgeordnete Chausseebaukommission geschaffen, die aus zwei Mitgliedern, nämlich Coburg als „technischen Commissarius“ und aus einem Mitglied der Landesregierung bestehen sollte.411 (2) Militärkommission Die Verordnung vom 10. Juni 1809 errichtete eine Militärkommission als eigene Oberbehörde, die im gleichen Rang mit den übrigen Landeskollegien stand.412 Diese Neubildung wurde mit der zeitbedingten Vergrößerung des Militärs begründet. (3) Generalforstadministration Durch Verordnung vom 1. November 1809 wurde eine „General-Forst-Administration“ als Sektion des Landesministeriums413 zur Leitung des Forst- und Jagdwesens errichtet.414 Diese bestand aus dem Finanzdepartementsrat des Landesministeriums, dem Landjägermeister, dem Forstmeister des Amtes Coburg und dem Forstcommissair, in außerordentlichen Fällen wurden Forstmeister entlegener Forstbezirke beigezogen (§ 1). Der Behörde standen allerdings im Rahmen des Geschäftsgangs besondere Freiheiten gegenüber dem Landesministerium zu (§ 2): „Der Geschäftskreis der General-Forstadministration ist in Betreff aller technischen Gegenstände desselben unmittelbar und von andern Behörden unabhängig. Sobald aber die Behandlung der Forst, und Jagdgegenstände mit dem Geschäftskreis Unsers Landes408 Emil von Coburg war ein Sohn von Prinz Ludwig – siehe zu diesem oben B.VI.2.a) – einem Bruder Herzog Franz Friedrich Antons, aus seiner „nicht standesgemäßen“ Ehe. 409 StACo Min F 429 fol. 3’. 410 StACo Min F 429 fol. 9’ – 10’. 411 StACo Min F 429 fol. 11 – 12’ = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 88 ff. = RIBl. Nr. XXXVIII vom 10. September 1808, Sp. 641 ff. Zur zeitgenössischen Bedeutung des Chausseebauwesens siehe Jürgen Salzwedel, Wege, Straßen und Wasserwege, S. 205 ff. 412 August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 92 = RIBl. Nr. XXVIII vom 15. Juli 1809 Sp. 298. 413 Aus Nr. 4.) Abs. 2 des Edikts über die Errichtung des Kammerkollegiums vom 31. Januar 1822 (Textanhang Nr. 35), der ausdrücklich von der Generalforstadministration als „Ministerialsection“ spricht, läßt sich schließen, daß es sich bei dieser nicht um eine eigenständige Sonder- oder Oberbehörde handelte. 414 StACo LReg. 12139 fol. 3 – 6’ = RIBl. Nr. XXXXVII vom 25. November 1809 Sp. 521 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 95 ff.

322

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

ministeriums in Berührung tritt, müssen dieselben von dem treffenden Conferenzrath auch in den Ministerial-Conferenzen vorgetragem, oder cum actis zur Circulation befördert werden.“

Der daran anschließende Versuch, eine umfassende Forstordnung für SachsenCoburg-Saalfeld zu schaffen, wurde erst in späteren Jahren zu Ende geführt.415 gg) Krise und Auflösung der Bank Nach Kretschmanns Rückzug kam es bei der Bank umgehend zu Auseinandersetzungen zwischen der Immediatkommission und dem mit der Führung der Finanzoperationen der Bank betrauten Carl Peter Berly.416 Dieser widersetzte sich dem Auftreten der Immediatkommission und meinte, daß sich die Bank als herzogliche Privatanstalt nicht wie eine Landesbehörde behandeln lassen müsse. In dieser Auseinandersetzung behielt die Kommission die Oberhand, so daß im Jahre 1808 der Auflösungsprozeß der Bank eingeleitet werden konnte.417 Kretschmanns Bankkonzept aus dem Beginn des XIX. Jahrhunderts war in Sachsen-Coburg-Saalfeld infolge der kriegerischen Einwirkungen zwar gescheitert. Die Rolle der Bank als Staatskapitalanstalt und damit als Finanzierungsstelle für Kretschmanns Reformen war dabei freilich eine Besonderheit. Doch auch die preußische Seehandlung wurde nach der Neuordnung des Staatsschuldenwesens durch die „Verordnung wegen der künftigen Behandlung des gesamten Staatsschuldenwesens“ vom 17. Januar 1820 endgültig zu einem staatlichen Bankinstitut418 und übernahm ebenso wie zuvor schon die coburgische Bank in den 20er Jahren des XIX. Jahrhunderts Beteiligungen an Unternehmen des produzierenden Gewerbes419. In Sachsen-Coburg-Saalfeld wurde aber nach den Befreiungskriegen am 22. Juli 1815 angeordnet, daß mit dem Ende des Jahres die Glattstellung aller Konten der Bank erfolgen solle.420 Anders als in Preußen, wo die beiden Banken durch Ausweitung ihres Geschäftsbereichs nach den napoleonischen Kriegen wieder funktionsfähig gemacht wurden421, wurde in Sachsen-Coburg-Saalfeld auf die Tätigkeit einer selbständigen Kreditinstitution verzichtet. Trotz der eindeutigen Anordnung 415 Entwurf vom November 1809 bei StACo LReg. 3508 fol. 46 – 84’; Schriftwechsel darüber ebd. fol. 3 – 45’, 85 – 116’. 416 StACo Min E 3804 fol. 1 – 24; Manfred Just, Die herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische Staatsbank, S. 98 f. 417 Details hierzu siehe bei Manfred Just, Die herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische Staatsbank, S. 100 ff. 418 Paul Schrader, Die Geschichte der Königlichen Seehandlung, S. 8 f. 419 Paul Schrader, Die Geschichte der Königlichen Seehandlung, S. 13. 420 StACo Min E 3850 fol. 2. 421 Heinrich Cunow, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 144 ff.; Manfred Just, Die herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische Staatsbank, S. 105

III. Die Verfassungsarbeiten Gruners

323

kam es nie zu einer offiziellen Auflösung: Nach jahrelangem Dahindämmern422 legte die Bank ihre letzte Abrechnung für das Geschäftsjahr 1828 vor.423 f) Vorbildwirkung der neuen Konzeption Die Reaktionsmaßnahmen der im wesentlichen von Gruner verantworteten Administration wiederholten sich in der näheren Umgebung in vergleichbarer Weise. In Sachsen-Hildburghausen wurde nach dem Sturz des einzigen Ministers 1810 die Verwaltung vom hierarchischen System abgehend wieder nach dem kollegialen System organisiert, dabei wurde erneut ein Geheimes Ratskollegium errichtet, das aber gleichzeitig das Präsidium der Landesregierung bildete.424 Nach den gleichen Grundsätzen wie in Sachsen-Coburg-Saalfeld wurde in Sachsen-Meiningen durch Dekret vom 25. November 1822 – jedoch bei gleichzeitiger Auflösung der Immediatkommissionen425 – die Verwaltung in vier Zweige eingeteilt, denen als oberste Behörden Landesregierung, Oberlandesgericht, Konsistorium und Kammer vorstanden.426

III. Die Verfassungsarbeiten Gruners 1. Gutachten Gruners über Kretschmanns Verfassungsvorhaben Die 1807 eingestellten Arbeiten an einer Verfassung wurden im Jahre 1808 wieder aufgenommen. Unter dem 17. Mai 1808 erstellte Konferenzrat Gruner auf Anweisung von Herzog Ernst einen „Vortrag über die von dem Herrn p. v. Kretschmann verfaßte Coburgische Landeskonstitution mit Berücksichtigung des von Ebersteinschen Gutachtens“.427 Zu Beginn stellte Gruner die Übereinstimmung des Schreibens von Eberstein mit seinen eigenen Ansichten in den wesentlichsten Punkten fest, so daß er an seiner bisherigen Auffassung festhalten werde. 422 Bereits eine Notiz vom 14. Februar 1815 (StACo Min E 3833 fol. 8) weist aus, daß im Bankzimmer kein Bankgeschäft mehr betrieben worden sei, um Heizung und Licht einzusparen. 423 StACo LA K 534. 424 Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 245 f. 425 Verordnung die Organisation der Landes-Collegien betreffend vom 25. November 1823, StACo Min F 431 fol. 1 – 5’; siehe dazu ebenfalls Ulrich Heß, Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Meiningen, S. 85 f. 426 Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die Geschichte der Staaten des Ernestinischen Hauses Sachsen, S. 87. 427 StACo Min J 228 fol. 56 – 72.

324

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Insbesondere sei die Errichtung eines umfassenden Verfassungswerks den aktuellen Umständen nach wie vor nicht angemessen. In einer Verfassung müsse, wie in Art. 1 der Verfassung des Königreichs Westfalen geschehen, nämlich zuerst der genaue räumliche Geltungsbereich festgesetzt werden, was derzeit aber noch nicht erfolgen könne, da der Herzog noch mit territorialen Akquisitionen und Veränderungen zu rechnen habe. Einer Regelung durch eine neue Verfassung entzögen sich auch die herzoglichen Familienverhältnisse, da diese auf früher geschlossenen Hausverträgen beruhten. Ebenso wie sich Art. 7 der westfälischen Verfassung auf das kaiserlich französische Familienstatut beziehe, müsse eine coburgische Konstitution Bezug auf die gesamternestinische Hausverfassung nehmen. Notwendig sei lediglich „zum Besten des Regenten und des Landes“ eine „Constitution mit der Landschaft“, die nach seiner und Ebersteins Auffassung „mehr in der Form eines Grundvertrags zwischen dem Regenten und dem Lande“ erfolgen sollte.428 Allein nach der Formulierung des § 26 der Rheinbundakte bedürfe es keiner besonderen Verfassung und auch keiner Vertretung des Landes, beispielsweise habe auch Hessen-Darmstadt seine Landschaft aufgehoben. Politisch gesehen sei es jedoch von Vorteil, wenn der Souverän sich selbst auf bestimmte Weise in der Ausübung seiner Rechte beschränkt. Damit nahm die geplante Verfassung wieder den Charakter einer Kodifikation der gegenseitigen Rechte und Pflichten von Herzog und Landschaft an, wie ihn der erste Entwurf Kretschmanns Entwurfs von 1804429 noch hatte. Der erste Teil des von Kretschmann im Jahre 1807 gefertigten Entwurfs430 könne folglich in seiner Gesamtheit entfallen, lediglich dessen § 11 (Einkünfte des Herzogs, Verfügung über Überschüsse nur mit Zustimmung der Landstände) sollte im Zusammenhang mit §§ 16 ff. des dritten Teils (Steuerfragen, Staatskasse, Etats) den Hauptpunkt der gesamten Verfassung bilden. Diese Regelung stelle eine völlige Neuerung dar, da hierdurch die finanzielle Sphäre des Regenten von derjenigen des Landes nahezu verbindungslos abgetrennt werde. Da sämtliche bisherigen Privatschulden des Landesherrn auf die Staatskasse übertragen werden sollten, sei eine ausdrückliche Einwilligung der Landstände notwendig. Ebenso wie Eberstein bevorzuge er jedoch die Festsetzung bestimmter Deputate für den Landesherrn und dessen Familie in der Verfassung, wie es in Art. 9 der westfälischen Verfassung geschehen sei und mit dem Staatsrecht der verbündeten Souveräne, wonach der Landesherr nur eine einzige Staatskasse haben kann, sowie der ursprünglichen Verfassung, wonach die Staatsausgaben StACo Min J 228 fol. 57’. Siehe dazu oben B.IV. 430 Gruner nahm in seinem Gutachten Bezug auf die Fortschreibung des Kretschmannschen Verfassungsentwurfs in französischer Sprache (Textanhang Nr. 12), wie er auch Eberstein vorgelegen hat. 428 429

III. Die Verfassungsarbeiten Gruners

325

nur aus den Domanialeinkünften bestritten wurden431, in Einklang stehe. Für den Erhalt einer festen Summe sei andererseits auch die Besteuerung der Domänen akzeptabel. Das zweite Kapitel des Entwurfs behandle unter der Überschrift „Von der gesetzgebenden Gewalt“ die neue Organisation der Landschaft. Man habe jedoch im Königreich Sachsen, in den übrigen ernestinischen Staaten sowie in den meisten deutschen Staaten die alte landschaftliche Verfassung bestehen lassen, was Gruner auch für Sachsen-Coburg-Saalfeld empfahl: „Wenn jetzt Stände nach der Kretschmannschen Vorschrift gewählt und constituirt werden sollten, so würde man sicherlich viel langsamer und unter dem Kampf mehrerer Hindernisse fortschreiten können.“432

Als „Hauptpunkte“ einer künftigen Organisation der Landschaft seien vielmehr folgende Fragen anzusehen: (1) Sollten zwei verschiedene Landschaften für Coburg und Saalfeld bestehen bleiben, oder sollte künftig unter Einschluß des Amtes Themar eine einzige Landschaft gebildet werden? Die beiden Landschaften seien bislang sehr verschieden, eine Vereinfachung sei zwar als positiv anzusehen, jedoch könnten auch Nachteile daraus erwachsen. (2) Landschaftsdirektor und Deputierte des Engeren Ausschusses müßten sich im Lande aufhalten, Versendung von Unterlagen außer Landes müsse für unstatthaft erklärt werden. Landstände, die sich außer Landes aufhielten, sollten anderen Landständen Vollmacht erteilen. (3) Auch die Rittergüter sollten künftig der Steuerpflicht unterfallen, eine Aufhebung der lehensrechtlichen Verbindung sei jedoch nicht notwendig. (4) Der Landesherr könne die gesetzgebende Gewalt nicht aus den Händen geben, folglich könnten Gesetzesetwürfe der Landschaft nur zur Erstattung eines Gutachtens mitgeteilt werden. Ein Vetorecht dürfe der Landschaft nicht eingeräumt werden, auch keiner übrigen Landschaft in Deutschland stehe ein derartiges Recht zu. Im dritten Teil des Entwurfs seien großenteils Selbstverständlichkeiten wiederholt. § 2 über die Dienstverhältnisse der Staatsbediensteten bedürfe einer Modifikation, da dem Regenten ein unbeschränktes Recht hinsichtlich der Festsetzung von Besoldungen und Pensionen innerhalb eines festgelegten Etats zukommen könne. Über die Vorgehensweise bei Dienstentlassungen und Pensionen brauche es noch der Aufstellung fester Grundsätze, wobei man sich hinsichtlich der Rechtsstellung der Staatsbediensteten an das bayerische und westfälische Recht halten solle. Die Vorschriften hinsichtlich der Justizorganisation sollten ebenfalls entfallen. 431 Zum „Domanium“ vgl. die Darstellung bei Georg von Below, Territorium und Stadt, S. 132. 432 StACo Min J 228 fol. 66’.

326

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Im übrigen stimmte Gruner mit Eberstein noch dahingehend überein, „daß die Landschaft und nicht der Regent den Landschafts-Praesidenten oder Director wählt, jedoch muß ihn der Landesherr bestätigen, wenn er gegen deßen Person nichts einzuwenden findet; daß der Controlleur bey der Staatskaße auf die Landschaft mit verpflichtet und von ihr ernannt aber vom Fürsten bestätiget werde; daß ein Fürstl. Secretair neben dem Landschaftlichen in den Landschaftlischen Conventen das Protocoll ebenfalls führt; daß das Budjet der Landschaft sowohl, als die richtige Verwendung der Gelder vorgelegt werde; daß künftig keine Schulden auf das Land ohne Genehmigung der Landschaft gewirkt werden sollen.“433

Diese Ideen Gruners stimmten überwiegend mit denjenigen Kretschmanns überein. 2. Beratung im Landesministerium Auf einer Konferenz am 21. Mai 1808 ordnete Herzog Ernst an, einen neuen Verfassungsentwurf unter Berücksichtigung des Gutachtens Gruners zu fertigen, da er dessen wesentlichen Vorstellungen zustimme.434 Vom 18. Juni 1808 datiert ein von Gruner stammender „Entwurf und Gutachten über die Landschaftliche Verfaßung als der 4 te Titel der Landeskonstitution“, dem die übrigen Konferenzräte ihre Bemerkungen hinzufügten.435 Hierin wurden die möglichen Grundsätze für einen Entwurf dargestellt, jedoch war dieses Konvolut trotz der gegenteiligen Bezeichnung keine endgültige Ausformulierung, zumal da es als Teil einer Gesamtregelung angesehen wurde und größtenteils im Gutachtenstil abgefaßt worden war.436 Gruner ging davon aus, daß der Herzog, der seine Untertanen vertreten wissen wolle, zunächst die ehemaligen Landschaften als Vertretungen genehmigen müsse. Die Errichtung zweier selbständiger Landschaften für die beiden Landesteile Coburg und Saalfeld sei ratsam, da die Verhältnisse zu unterschiedlich seien. Das Amt Themar solle höchstens zu den Landtagen desjenigen Landesteils Vertreter entsenden, zu dem es einmal geschlagen werden solle, ohne Landschaft wäre es künftig aber leichter tauschbar. Röpert hielt es für besser, nur eine einzige LandStACo Min J 228 fol. 71’, 72. Protokoll bei StACo Min J 228 fol. 73, 73’. 435 StACo Min J 232 fol. 2 – 20’ mit Nachtrag vom 20. Juni 1808. 436 Anders Karl Bohley, der hinsichtlich dieses Schriftstücks von einer „Konstitution“ und einem „Entwurf“ spricht (Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 72 ff., 182), und Eugen Bornhauser, nach dessen Darstellung gar „zwei Entwürfe am 28. 6. 1808 fertiggestellt“ worden seien (Die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. 49). 433 434

III. Die Verfassungsarbeiten Gruners

327

schaft zu errichten, während Arzberger als Vorgehensweise vorschlug, zunächst zwei selbständige Landschaften zu bilden, von diesen zunächst die coburgische, dann die saalfeldische zu organisieren und diesen die Entscheidung über eine Vereinigung zu überlassen. Nach dessen Ansicht dürfte auch eine Landstandschaft des Amtes Themar einem Tausch nicht hinderlich sein, zumal da es jetzt infolge der Souveränität des Landesherrn in gleichem Rang mit den übrigen Landesteilen stehe. Die Landschaften sollten weiterhin wie vor 1806 aus Ritterschaft und Städten bestehen, wobei die Landstandschaft allen Städten in beiden Landesteilen zustehen solle. Nach dem Vorschlag Gruners sollten bürgerliche Rittergutsbesitzer wie bisher nur dann auf Landtagen erscheinen können, wenn sie als Räte in herzoglichen Diensten stehen, und sich andernfalls durch landtagsfähige Bevollmächtigte vertreten lassen müssen. Demgegenüber entgegneten Röpert und Arzberger, daß das Landstandschaftsrecht nicht auf der Person, sondern auf dem Besitz ruhe und folglich alle Rittergutsbesitzer zur Landstandschaft zugelassen werden müßten. Das Einberufungsrecht für Landtage solle nach wie vor ausschließlich dem Landesherrn vorbehalten bleiben. Der Engere Ausschuß sollte zur Erleichterung der Geschäfte fortwährend die Landschaft vertreten und aus dem der Ritterschaft zugehörigen Landschaftsdirektor, zwei weiteren Deputierten der Ritterschaft, drei städtischen Deputierten aus dem Landesteil Coburg und vier städtischen Deputierten aus dem Landesteil Saalfeld bestehen – eine Zusammensetzung, die dem „klassischen“ Bestand zumindest des coburgischen Engeren Ausschusses437 entsprach und Kretschmanns Gedanken der Repräsentation auch der Landgemeinden438 nicht mehr enthielt. Die Deputierten der Ritterschaft sollten der Bestätigung des Landesherrn bedürfen, während das Amt der städtischen Deputierten nach Gruners Vorschlag mit den Ämtern des Bürgermeisters bzw. Polizeidirektors und des Stadtsyndicus verbunden sein sollte. Röpert und Arzberger empfahlen auch für die städtischen Deputierten eine Wahl durch die Städte. Bezüglich des Aufenthalts von Landschaftsdirektor und Landständen außer Landes blieb Gruner bei seinem bereits dargestellten Standpunkt. Der Inhalt der Verhandlungen der Landschaft und des Engeren Ausschusses sollte auf Verlangen dem Regenten und seinem Ministerium bekanntgegeben werden müssen. Der Landschaft sollte die Beschäftigung eigener Bediensteter weiterhin erlaubt sein, auch sollte sie ein eigenes Siegel führen. Die Gerichtsbarkeit über Mitglieder und Bedienstete der Landschaft sollte ausschließlich beim Justizkollegium liegen. Hinsichtlich der gesetzgebenden Gewalt sollte ein bestimmtes Mitwirkungsrecht der Landschaft bestehen, jedoch sollte weder ihre Zustimmung notwendig noch ihre Rolle bei allen Gesetzen relevant sein, vielmehr sollte ein Gutachten nur bei 437 438

Siehe dazu oben B.I.4.b)bb). Siehe dazu oben II.4.a), i).

328

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

allen allgemeinen Justiz-, Polizei- und Militärgesetzen von dauerhaftem Charakter abgefordert werden müssen. Hierunter zählten insbesondere nicht alle erteilten Befreiungen von bestehenden Gesetzen. Die Mitteilung der Gesetzesvorlagen sollte lediglich an den Engeren Ausschuß erfolgen, der längstens binnen vierer Wochen diese nebst einem Gutachten an die Landesregierung zurückzusenden hätte. Keinerlei Mitwirkungsrechte sollten der Landschaft im Rahmen der Verwaltung inklusive Kirchenverwaltung und der Justiz zustehen. Im Rahmen der Finanzorganisation sollte eine gemeinschaftliche Staatskasse belassen werden, bei der Führung verschiedener Kassen seien nur Schwierigkeiten zu erwarten. 3. Verfassungsentwurf Gruners vom 20. Juli 1808 a) Inhalt des Entwurfs Aus dem bisher erarbeiteten Diskussionsstand wurde ein auf den 20. Juli 1808 datierter „Entwurf zur Constitution der Coburg-Saalfeldischen Stände“ entwickelt.439 Dieser brachte die Vorstellungen der drei Konferenzräte in einen annähernd als Formulierungsentwurf ansehbaren Text, der jedoch in Teilen immer noch als Gutachten formuliert war. Im Gegensatz zu den letzten Vorstellungen Kretschmanns war im Entwurf keine möglichst umfassende Regelung der staatlichen Verhältnisse mehr beabsichtigt, sondern es wurde lediglich eine Abgrenzung der Mitwirkungsrechte einer nunmehr vereinigten Landschaft Sachsen-Coburg-Saalfelds bei Gesetzgebung und Verwaltung nach den in Gruners Gutachten ausgeführten Grundsätzen vorgenommen. Von Regelungsumfang und Inhalt knüpfte der Entwurf – wenngleich seitens der Verfasser wohl nicht bewußt – an den ersten Verfassungsentwurf Kretschmanns aus dem Jahre 1804440 an und ist auch von der Konzeption her als (altständischer) Vertrag des Landesherrn mit seinen Ständen anzusehen, wobei insbesondere bemerkenswert ist, daß die Verfasser eine Beschränkung des „souveränen“ Landesherrn nicht nur durch die Rheinbundakte, die die Reichsverfassung abgelöst hatte, sondern auch durch weiteres höherrangiges Recht wie z. B. die gesamternestinische Hausverfassung anerkannten und diese Beschränkungen für einer Regelung nicht zugänglich hielten. Dementsprechend war der gesamte Inhalt des neuen Verfassungsentwurfs auf 23 Paragraphen konzentriert, in welchen im wesentlichen der Inhalt der bisherigen Diskussion im Landesministerium zusammengefaßt wurde. Nunmehr sollte eine einzige Landschaft (§ 1) aus Rittergutsbesitzern und sämtlichen Städten des Landes begründet werden, wobei auch bürgerliche Ritterguts439 440

Textanhang Nr. 18 = StACo Min J 232 fol. 20 – 24’ i.V.m. StACo LA F 257 fol. 1 – 10’. Siehe oben B.IV.

III. Die Verfassungsarbeiten Gruners

329

besitzer auf den Landtagen erscheinen durften (§ 4). Die Geschäftsführung sollte einem Engeren Ausschuß aus jeweils vier städtischen und ritterschaftlichen Mitgliedern obliegen (§ 5). Auch Mitglieder der Landeskollegien sollten zu ritterschaftlichen Deputierten gewählt werden dürfen (§ 7). Der Landschaftsdirektor sollte der Ritterschaft angehören (§ 6). Für den Landschaftsdirektor und die Mitglieder des Engeren Ausschusses war der Aufenthalt im Lande vorgeschrieben, im Abwesenheitsfall war ein bevollmächtigter Vertreter zu bestellen (§ 8). Aktenversendung außer Landes war verboten (ebd.). Ein Recht auf Vertraulichkeit gegenüber Herzog und Ministerium bestand nicht (§ 10). Der Landschaft wurde als Personal ein Konsulent, ein Kopist und ein Bote zugestanden, wobei deren Anstellung einer landesherrlichen Genehmigung bedurfte und diese auch zur Eidesleistung dem Landesherrn gegenüber verpflichtet waren (§ 11). Im Rahmen der Gesetzgebung sollte festgelegt werden, daß lediglich allgemeine, nicht jedoch Einzelfallgesetze oder zeitlich befristete Gesetze an den Engeren Ausschuß zur Erstattung eines Gutachtens gegeben werden sollten (§ 12). Von einer Mitwirkung bei Verwaltung und Justiz blieb die Landschaft ausgeschlossen (§§ 13 f.). Dem Engeren Ausschuß sollten ebenfalls die Haushaltspläne und Jahresabschlüsse mitgeteilt werden (§ 20). Die bisherigen Schulden sollten von den Landständen übernommen werden (§ 21). Unklar blieb noch, ob nur eine Staatskasse oder zusätzlich noch eine Landeskasse errichtet werden sollten und wie die einzelnen Einnahme- und Ausgabearten auf diese verteilt werden sollten (§§ 22 f.). § 22 sah ebenfalls eine Besteuerung der Rittergüter vor. In einem anhängenden Aufsatz Gruners mit dem Titel „Über die landschaftliche Verfaßung in den Coburg-Saalfeldischen Landen“441 bestätigte dieser abermals, daß die Landschaften durch die eingetretenen Umwälzungen des Jahrhunderts zwar untätig, jedoch nicht förmlich aufgehoben worden seien.442 Der Landesherr sei als souveräner Rheinbundfürst jedoch stets dazu berechtigt. Diese Aufhebung werde jedoch nicht angeraten, da die Landschaft nunmehr zu einer nutzbringenden Bestimmung kommen könne. Hierbei sollte den Ständen nicht mehr die Rolle von Stellvertretern ihrer Lehnsleute, sondern die von Repräsentanten des Volkes zukommen. Eine wie auch immer geartete Mitregentschaft der Landschaften sei jedoch in jedem Falle auszuschließen, sie sollten lediglich Ratgeber im Gesetzgebungsverfahren sein. In einem herzoglichen Reskript vom 26. Juli 1808443 wurde wiederholt444, daß Gruner einen besonderen Auftrag bekommen habe, vorläufig mit einzelnen StänStACo Min J 232 fol. 25 – 28’ = ebd. fol. 66 – 69’. Zur Frage der Aufhebung der coburgischen Landschaft siehe oben I.6. 443 StACo Min J 232 fol. 31, 31’ = ebd. fol. 75 – 76 = ThStAGo Staatsministerium Departement I Loc. 3 Nr. 2 Vol. VI fol. 42 – 43 = StACo LA F 257 fol. 12, 12’. 444 Nicht etwa erstmals „gefordert“, wie bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 74 behauptet. 441 442

330

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

den über den Inhalt einer Konstitution in Verhandlungen zu treten, von deren Inhalt das Ministerialkollegium fortlaufend unterrichtet werden müsse. Der dem Herzog vorgelegte Entwurf sei bereits genehmigt. b) Anmerkungen ständischer Vertreter aa) Franz Josias von Hendrich Bereits unter dem 19. Juli 1808 hatte Gruner dem vormaligen amtierenden Landschaftsdirektor Hendrich Entwurf und Aufsatz zugesandt und um eine Stellungnahme gebeten.445 Dieser befürwortete in seinem Antwortschreiben vom 29. Juli 1808 die faktische Wiederherstellung der Landschaft, soweit „diese WiederAuflebung nicht mit Bedingungen verbunden wird“446, und übersandte eine gesonderte Zusammenstellung von Bemerkungen über Aufsatz und Entwurf.447 Nach seiner Ansicht habe eine stillschweigende Aufhebung der coburgischen Landschaft durch Wegnahme der eigenen Kasse, unverwilligte Steuerausschreibungen und Nichtbeachtung durch die Verwaltung stattgefunden.448 In den umliegenden sächsischen Staaten seien die Landschaften im Gegensatz dazu noch im Vollbesitz ihrer Rechte. Den Grundsatz, daß der Landschaft ein Vetorecht nur bei solchen Gesetzesvorlagen zukomme, die in die Verfassung und die Rechte der Stände eingreifen, habe er nie bestritten. Grundsätzlich problematisch an einer Wiederbelebung der Landschaft sei das derzeit auch von Gruner vorausgesetzte Recht des Landesherrn, die Landschaft jederzeit wieder auflösen zu können. Zum übermittelten Entwurf führte er im einzelnen aus: Bei § 7 müsse vorausgesetzt sein, daß die betroffenen Räte ein stimmberechtigtes Rittergut besitzen, alles andere sei dem Wesen der landständischen Verfassung fremd. Im Gegensatz zu § 10 müsse die „Stimmfreiheit der Landstände“ gewahrt bleiben. In §§ 17 ff. werde den Landständen hinsichtlich ihrer Mitwirkung bei der Finanzverwaltung mehr zugestanden als vormals. „In dem ihnen aber das Verwilligungs-Recht entzogen wird, verlieren sie Alles und die einzige schwache Garantie ihrer Verfassung, die unter den jezigen Verhältnissen denkbar ist.“449

Das gesamte Verfassungsprojekt werde aber voraussichtlich durch die beiläufige Regelung des § 21 vereitelt, wonach die Stände sämtliche bislang vorhandenen Schulden übernehmen sollten, zumal die Vereinigung der fürstlichen und der land445 446 447 448 449

StACo Min J 232 fol. 29 – 30 = fol. 65, 65’. StACo Min J 232 fol. 32. Schreiben bei StACo Min J 232 fol. 32 – 33; Bemerkungen ebd. fol. 34 – 38’. Dazu siehe im einzelnen B.III.5.g) und C.I.5. StACo Min J 232 fol. 37’.

III. Die Verfassungsarbeiten Gruners

331

schaftlichen Kasse in §§ 22 f. für zweckmäßig gehalten werde. Bei finanziellen Angelegenheiten erinnere sich die (vormalige) Landschaft noch zu sehr an die schlechten Erfahrungen mit der Verwaltung des Ministers Kretschmann. Auch die in § 22 vorgesehene Besteuerung der Rittergüter ohne Entlassung aus dem Lehensverband werde nicht auf positive Resonanz stoßen. Am 14. August 1808 übersandte Gruner an Hendrich ein Promemoria zur Beantwortung der aufgeworfenen Zweifel und regte gleichzeitig an, den Entwurf auch an andere Landstände weiterzuleiten. 450 Inhaltlich stimme er der Bemerkung zu § 7 zu, da er selbst auch nichts anderes beabsichtigt habe. In einem landesherrlichen Auskunftsrecht könne im übrigen auch keine Beeinträchtigung der „Stimmfreiheit“ zu sehen sein. Die geplante Verfassung könne auch nicht von den bisherigen Ständen vereitelt werden, da die Entscheidung darüber allein dem Herzog obliege. Hendrich leitete den Entwurf sowie den mit Gruner gewechselten Schriftverkehr nunmehr an den ehemaligen Landschaftsdirektor Könitz weiter, damit dieser denselben unter den anderen Landständen zirkulieren lassen und das Resultat dem Ministerium mitteilen könne.451 bb) Christian Ferdinand von Könitz Am 3. September 1808 wurden die auf den 29. August 1808 datierten Bemerkungen Könitz’ zum Verfassungsentwurf in Coburg übergeben.452 Nach dessen Ansicht sei stets Zweck der Errichtung einer landständischen Verfassung, das Eigentum der Untertanen vor Willkürhandlungen des Landesherrn zu schützen. Infolgedessen bedürften die Stände auch tauglicher Mittel, um übermäßige Eingriffe abwehren zu können. Im Rahmen seiner Anmerkungen ging er durchgehend von einem altständischen Vertragscharakter der künftigen Verfassung aus. Hinsichtlich § 5 könne die Aufnahme eines weiteren Deputierten zur Vertretung der herzoglichen Kammergüter erwogen werden. Wegen des geringen Umfangs des Landes sollte in § 8 eine erlaubte Entfernungsstrecke des Aufenthaltsorts festgelegt, in jedem Fall aber eine ausreichende Besoldung vorgesehen werden. Bei § 10 bedürfe die Mitteilung des Abstimmungsergebnisses der Einwilligung der Abstimmenden. Als landschaftlicher Bediensteter sei in § 11 noch der Landschaftskassier einzufügen, auch sollten die ständischen Bediensteten ihren Urlaub vom Landschaftsdirektor erhalten können. Im Rahmen der Gesetzgebung (§§ 12 ff.) müsse klargestellt werden, daß der Landschaft in Fragen, die die Verfassung selbst berührten, nicht nur beratende Stimme zukomme, da sie selbst Vertragspartei sei. 450 Schreiben bei StACo Min J 232 fol. 39 – 40’ = fol. 70, 70’; Promemoria ebd. fol. 41 – 47 = 71 – 74’. 451 Miteilung Hendrichs an Gruner vom 21. August 1808 bei StACo Min J 232 fol. 50. 452 Einlaufprotokoll bei StACo Min J 232 fol. 54, 54’; Bemerkungen ebd. fol. 55 – 62.

332

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Die Staatsausgaben sollten künftig auf solche beschränkt werden, die zur Erreichung des Staatszwecks, nämlich zur Erhaltung des Staates selbst, notwendig seien. Ebenso wie Bauerngüter und Rittergüter sollten auch die Domanialgüter des Landesherrn den gleichen Abgaben unterworfen werden. Die bisherigen Schulden müßten jedoch bei der Staatskasse verbleiben, die selbständige landständische Kasse sollte wiederhergestellt werden. Hendrich fügte am 5. September 1808 hinzu, daß er mit den Anmerkungen Könitz’ übereinstimme.453 cc) Wilhelm Heinrich Karl von Gleichen-Rußwurm Bereits am 14. August 1808 hatte Gruner den Entwurf auch an den vormaligen saalfeldischen Landschaftsdirektor von Gleichen-Rußwurm gesandt454, der seine Ansichten nach Rücksprache mit den (ehemaligen) saalfeldischen Ständen am 16. September 1808 mitteilte. 455 Seitens der Stände könne man den Vorschlag des Landesherrn annehmen, wenngleich die meisten Mitglieder der Landschaft der Ansicht seien, „daß in gegenwärtigem Augenblicke nichts mehr zu wünschen wäre, als daß durchlauchtigster Herzog die Landschaft noch fernerhin in dem bisherigen ruhenden und unthätigen Zustande zu lassen geruhen möchten.“456

c) Weitere Diskussion im Landesministerium Unter den Daten 4. und 7. Oktober 1808 beurteilten Gruner und Arzberger die Bemerkungen Könitz’ zur Verfassungsfrage.457 Dessen Verlangen, der Landschaft wirksame Mittel zur Verhinderung von Willkürmaßnahmen einzuräumen, setze voraus, daß zwar der Landesherr, nicht jedoch die Landstände zu einer Überschreitung ihrer Kompetenzen neigten. Ein Nachgeben in diesem Punkt hätte zur Folge, daß die Souveränität des Herzogs auf die Landschaft übergehe. Vom Prinzip, daß sich der Landschaftsdirektor und die Mitglieder des Engeren Ausschusses im Lande aufhalten sollten, dürfe ebenfalls nicht abgegangen werden. Eine Besoldung könne nach dem geringen Arbeitsanfall nicht in Frage kommen, auch der Dienst der bayerischen oder westfälischen Stände sei unbezahlt. In keinem Fall dürfe jedoch der Landschaftsdirektor in den Diensten eines auswärtigen Souveräns stehen. Bei Abstimmungen sollte der Landesregierung stets das Stimmenverhältnis mitgeteilt werden, wenn es das Wohl des Landes erfordere, dazu gehöre auch das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Land453 454 455 456 457

StACo Min J 232 fol. 79. StACo Min J 232 fol. 48 – 49. StACo Min J 232 fol. 81 – 82. StACo Min J 232 fol. 81’. StACo Min J 232 fol. 83 – 92’.

IV. Marginalien bis zum Wiener Kongreß

333

stands. Die gewünschte Sicherheit für die Landstände hinsichtlich des Bestands der Verfassung sei dann gewährleistet, wenn der Herzog mit den Ständen ein Landesgrundgesetz abschließt. Könitz ziehe zudem den Begriff der Staatsausgaben zu eng. Eine abermalige Trennung der Kassen in eine Domänenkasse und eine der Landschaft unterstehende Kasse sei nicht zu empfehlen, vor allem da nach den vorgelegten Vorschlägen die Landeskasse zur Hauptkasse und die Domänenkasse zur Hilfskasse werde und damit das ganze Finanzwesen in die Hände der Landschaft fiele. Die Landesregierung könne die Kasseninspektion auch nicht führen, wenn der Kassierer allein vom Landschaftsdirektor Urlaub erhielte.

d) Weitere Stagnation der Verfassungsdiskussion Mit diesem Gutachten Gruners und Arzbergers waren die Verfassungsdiskussionen der napoleonischen Zeit bereits ein knappes halbes Jahr nach der Wiederaufnahme durch Gruner beendet und sollten erst 1814 / 15 wieder aufgenommen wurden.458

IV. Marginalien bis zum Wiener Kongreß Die verbleibende napoleonische Zeit verlief wohl aufgrund der Kriegstätigkeit ruhig und ohne grundlegende Aktivitäten im Bereich der Reform von Verfassung und Verwaltung.

1. Beginnende Auflösung des Feudalsystems a) Verteilung der Gemeindebesitzungen Nach Vorarbeiten Kretschmanns von 1801 bis 1806459 legte die Landesregierung im Jahre 1809 einen Entwurf eines Reglements zur Gemeinheitsteilung 460 vor, der nach Umlauf im Landesministerium Anfang Juni 1809461 mit geringen Veränderungen unter dem 30. Mai 1809 als „Reglement über die Vertheilung der Gemeindebesitzungen in den Herzogl. Sachsen-Coburg-Saalfeld’schen Landen mit Einschluß des Amtes Themar“ bekanntgemacht wurde.462 Dessen Grundlage war jedoch nicht die zur gleichen Zeit in anderen Staaten bereits unternommene „BauSiehe dazu unten D.III. Siehe dazu oben B.III.3.h). 460 StACo Min D 2767 fol. 8 – 76’. 461 Marginale Anmerkungen bei StACo Min D 2767 fol. 2 – 6. 462 StACo Min D 2455 fol. 3 – 10’ = StACo LA F 5431 = StACo LA L 597 / 1 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band IX S. 16 ff. = Landesbibliothek Coburg Cob Q 55,113 Nr. 1. 458 459

334

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

ernbefreiung“ von der Erbuntertänigkeit463, sondern zielte nach dem Wortlaut der Präambel lediglich auf eine Verbesserung des Ackerbaus ab. Dem bisherigen Zustand, daß die teilweise beträchtlichen Gemeindebesitzungen größtenteils vernachlässigt wurden, sollte durch Überführung in Privateigentum abgeholfen werden. Mit einer solchen Vorschrift war Sachsen-Coburg-Saalfeld zwar später als manche andere Staaten464, jedoch beispielsweise Preußen deutlich voraus, wo ein wirksames Gesetz über die Gemeinheitsteilung erst 1821 erlassen wurde.465 Diese Aufteilung sollte an alle Gemeindeglieder in gleichem Maße geschehen, ausgenommen hiervon wurden ausschließlich bestehende förmliche Verträge, sämtliche anderen Ausnahmen wurden ausdrücklich aufgehoben (§ 1). Glied einer Gemeinde war jedermann, der mit einem Hause in der Gemeinde angesessen und zur Teilnahme am Gemeindeeigentum berechtigt war (ebd.). Eine Verteilung sollte jedoch nur stattfinden, soweit sie nach Ansicht des Landesherrn und der Gemeinde notwendig war; die Ansicht der Gemeinde sollte eine Regierungskommission durch einzelne Anhörung der Gemeindegliedern ermitteln, wobei die Vertraulichkeit der Äußerungen gewahrt blieb und nicht Mehrheit den Ausschlag geben sollte, sondern das Gewicht der vorgetragenen Gründe (§ 2). Gegen die herzogliche Entscheidung zur Vornahme der Verteilung bestanden keine Rechtsmittel (§ 3). Nach der Aussonderung von Vorbehaltsflächen wie Feuerteichen sollte die Verteilung geschehen, wenn auf jeden Berechtigten eine Acker- und Wiesenfläche von jeweils mindestens 1 / 6 Acker bzw. 1 / 2 Acker Waldfläche entfiel (§ 4). Auf möglichst gleiche Größe der einzelnen Anteile unter Berücksichtigung der Kulturfähigkeit war zu achten (§ 5). Unter bestimmten Bedingungen der Urbarmachung bislang unkultivierten Landes war die betreffende Fläche für eine festzusetzende Zeit abgabenfrei, für den Fall der Nichturbarmachung ohne ausreichenden Nachweis der Unmöglichkeit innerhalb von sechs Jahren nach der Teilung sollte der Eigentümer des Eigentums wieder verlustig gehen (§ 9). Mit der Abschaffung des Gemeineigentums einher ging die Aufhebung der an diesen Grundstücken zugunsten einzelner bestehenden Hutgerechtigkeiten. Durch die Auflösung der althergebrachten Gemeinheiten erhielt freilich der Landwirt mit dem größeren Landbesitz eine Möglichkeit zur Abrundung seiner Güter und zur Steigerung des wirtschaftlichen Erfolges, dies geschah jedoch zu Lasten der kleineren Bauern und der nicht voll nutzungsberechtigten Allmendgenossen, deren Nutzung schon immer geduldet worden war. Dieser übliche Pro463 Beispielsweise durch das Steinsche „Edikt den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums so wie die persönlichen Verhältnisse der Land-Bewohner betreffend“ vom 9. Oktober 1807 in Preußen, PrGS 1806 – 1810, S. 170 ff. = Georg Heinrich Pertz, Das Leben des Ministers Freiherr vom Stein, 2. Band, S. 23 ff. = Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 41 ff. 464 Siehe dazu oben B.II.3.h). 465 „Gemeinheitstheilungs-Ordnung“ vom 7. Juni 1821, PrGS 1821, S. 53 ff.; siehe dazu ebenfalls Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 197 ff.

IV. Marginalien bis zum Wiener Kongreß

335

zeß466 begann beispielsweise im Königreich Sachsen erst 1832467, in Preußen erst 1851.468 b) Aufhebung der Steuerfreiheiten In einem herzoglichen Reskript vom 22. September 1809469 wurde festgestellt, „daß die ( . . . ) Lasten des Staats möglichst gleich getragen, und daß am wenigsten Befreyungen von diesen Lasten weder besonderen Ständen, noch auch besonderen GüterArten zu Theil werden. ( . . . ) Um so mehr aber ist es also nothwendig, schnell dahin zu wircken, daß die bisher nicht zur Steuer gezogenen Gegenstände mit Steuer belegt, und zur Mitleidenheit der allgemeinen Staatslasten gezogen werden.“470

Dies seien erstens solche Liegenschaften, die aufgrund ihrer Eigenschaft als Rittergüter, Kammergüter etc. nicht besteuert wurden, zweitens grundherrliche Gerechtsame wie Erbzinsen oder Fronen, drittens diejenigen Güter, deren Steuerertrag in auswärtige Kassen floß. Dabei stehe dem Adel kein einer Besteuerung entgegenstehendes Recht auf Steuerfreiheit der Rittergüter zu. Nach der Einführung der Besteuerung der Rittergüter solle die Pflicht zur Stellung der Ritterpferde entfallen, zudem sollte die Lehnseigenschaft der Rittergüter gegen Zahlung einer bestimmten Summe aufgehoben werden können. Dieser schon in § 90 des Verfassungsentwurfs Kretschmanns vom 18. Januar 1804471 enthaltene Gedanke wurde durch das „Mandat über die Aufhebung der Steuerfreyheiten“ vom 11. Dezember 1809472 umgesetzt, das im wesentlichen auf einem Entwurf von Landesregierungsdirektor Johann Adolph von Schultes beruhte.473 In dessen Präambel wurde die Durchführung einer allgemeinen gründlichen Steuerrevision angekündigt, bis auf weiteres sollte das bestehende System jedoch unter Aufhebung der mit dem Wohle des Staates unvereinbaren Steuerfreiheiten fortgeführt werden, indem jedes nutzbare Eigentum aller Untertanen gleichmäßig besteuert werden sollte. Alle bislang unbesteuerten Grundstücke, nämlich die Güter auswärtiger Landesund Standesherren, Rittergüter und gleichartige Besitzungen, die Liegenschaften der Kommunen sowie die grundherrlichen Gerechtsame wurden dabei der allgeSiehe dazu Friedrich Lütge, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S. 439 ff. Gerhard Schmidt, Die Staatsreform in Sachsen, S. 149. 468 Christof Dipper, Bauernbefreiung in Deutschland, S. 52. 469 StACo LReg. 8943 fol. 1 – 2’. 470 StACo LReg. 8943 fol. 1. 471 Siehe dazu oben B.IV. 472 StACo LReg. 8943 fol. 59 – 66 = StACo LReg. 8923 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band XII S. 267 ff. = Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, 1. Band, S. 341 ff. Dieses übersieht Heinrich Albert Zachariä, wenn er für Sachsen-Coburg-Saalfeld auf 1816 verweist (Deutsches Staats- und Bundesrecht, Zweiter Theil, S. 538). 473 StACo LReg. 8943 fol. 9 – 20’. 466 467

336

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

meinen Grundsteuer unterworfen. Von dieser allgemeinen Besteuerung blieben nur noch die Domänen- und Staatsgüter, die Besitzungen der öffentlichen Stiftungen, die öffentlichen Gebäude, im einzelnen bestimmte kirchliche Gebäude sowie die Wohnungen und Schlösser der Rittergutsbesitzer ausgenommen. Diese Regelung in Sachsen-Coburg-Saalfeld entsprach der Aufhebung der Steuerfreiheit im Großherzogtum Hessen durch Gesetz vom 1. Oktober 1806474, im Herzogtum Nassau durch Mandat vom 6. Mai 1807475, im Königreich Bayern durch Verordnung vom 8. Juni 1807476 sowie im Königreich Württemberg durch Generalreskript vom 10. Mai 1809.477 Im Gegensatz zur hessischen Regelung erfolgte jedoch keine Besteuerung der landesherrlichen Domänen. Preußen stellte eine Aufhebung der Steuerbefreiungen erst im Finanzedikt vom 27. Oktober 1810 in Aussicht. Die Deutsche Bundesakte sah die Abschaffung von Steuerbefreiungen nicht vor, so daß im übrigen Deutschland die Steuerfreiheiten erst bedeutend später aufgehoben wurden. Bis zur angeordneten Herstellung neuer Steuerkataster sollten von den bislang steuerfreien Gütern diejenigen Beiträge erhoben werden, die nach dem Kriegsentschädigungsreglement vom 16. November 1806478 erhoben wurden. Eine Steuerzahlung an auswärtige Landesherren wurde unter Strafe gestellt. Durch Verordnung vom 4. August 1812479 wurde dazu klargestellt, daß sich die Aufhebung der Steuerfreiheit auch auf die bisherige Tranksteuerfreiheit für Ritterund andere Freigüter erstreckte. In einer Verordnung vom 20. Februar 1813 wurde die Geltung des Entschädigungsreglements vom 16. November 1806 nochmals betont und ausgeführt: „Insbesondere wollen Wir, daß die ehehin von solchen Lasten freygebliebenen Besitzer von Ritter- oder andern Freygütern eben so gut wie die übrigen Unterthanen zur Theilnahme und Mitleidenheit an solchen Lasten ( . . . ) beygezogen werden ( . . . ).“480

Fortan sollte zudem die Möglichkeit bestehen, die Rittergüter gegen Zahlung von einem Prozent des Werts aus dem Lehnsverbund zu entlassen und in freies Eigentum umzuwandeln, als „wahres steuerfreies Rittergut“ sollten nur noch die Wohnungen und Schlösser nebst der dazugehörigen Herrschaftsrechte im Lehns474 Abdruck bei Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, 13. Band, S. 155 f., vgl. dazu auch Andreas Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 84, 146 ff. und Dagobert Karenberg, Die Entwicklung der Verwaltung in Hessen-Darmstadt, S. 74 ff. 475 Abdruck bei Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, 7. Band, S. 259 ff. 476 RBl. Nr. XXV vom 13. Juni 1807, Sp. 969 ff.; siehe dazu Eberhard Weis, Montgelas, Zweiter Band, S. 109; 373 f. 477 Abdruck bei Peter Adolph Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, 11. Band, S. 327. Auch dieses übersieht Heinrich Albert Zachariä (Deutsches Staats- und Bundesrecht, Zweiter Theil, S. 538 – angeblich 1812). 478 Siehe dazu oben I.2.a). 479 RIBl. Nr. XXXIV vom 22. August 1812 Sp. 515 ff. 480 RIBl. Nr. X vom 6. März 1813 Sp. 151 ff.

IV. Marginalien bis zum Wiener Kongreß

337

verband erhalten bleiben. Auch der Tierbestand der bislang steuerfreien Rittergüter unterfiel von nun an der allgemeinen Viehsteuer. In einer weiteren Verordnung vom 18. Oktober 1819481 wurde dazu klargestellt, daß die Erlaubnis zur Allodifikation der Rittergüter auch die Erlaubnis zu deren Zerteilung (auch als „Vereinzelung“ bezeichnet) mit einschließe, ohne daß für letztere noch besondere Abgaben zu entrichten wären. Die Vereinzelung blieb lediglich anzeigepflichtig, nur Rechtsgeschäfte hinsichtlich der „Ritterburgen“ bedurften einer weiteren Genehmigung.

c) Ausübung des Näherrechts Durch das „Mandat, die gesetzliche Bestimmung des Näherrechts betreffend“ vom 19. September 1812482 wurde – ähnlich wie dies in Sachsen-Weimar-Eisenach bereits durch Reskript vom 7. Juni 1799483 und in Preußen durch § 3 des Edikts vom 9. Oktober 1807 geschehen war – die Ausübung des Näherrechts (ius retractus)484 auf Fälle beschränkt, in denen eine in ungeteiltem Miteigentum bzw. in Mitlehnschaft stehende Immobilie oder ein Rittergut verkauft wurde (§ 1). Im ersten Fall stand das Näherrecht den Miteigentümern bzw. Mitbelehnten zu, im zweiten Fall dem Landesherrn, sämtliche übrigen bislang anerkannten derartigen Rechte sowie solche verleihende Rechtsnormen wurden aufgehoben. Die Entstehung des Rechts wurde ausdrücklich auf Fälle des Verkaufs beschränkt (§ 2) und für Verkäufe unter öffentlicher Autorität generell ausgeschlossen (§ 3). Die bisherige Ausübungsfrist von „Jahr und Tag“ wurde auf einen Monat für Anwesende und zwei Monate für Abwesende verkürzt (§ 14). In der Präambel wurde diese Maßnahme mit zahlreichen aus Gesuchen um die Ausübung des Näherrechts bei Ober- und Untergerichten resultierenden Streitigkeiten und Prozessen sowie mit der Behinderung des freien Verkehrs und der Wirtschaft im allgemeinen begründet. Der Fristlauf sollte nach einem weiteren Mandat vom 15. August 1814485 mit der Einreichung der Erklärung durch den Berechtigten beginnen, unberührt von der Neuerung bleibe das umfassende landesherrliche ius retractum territorialem.

RIBl. Nr. XLIV vom 30. Oktober 1819 Sp. 111 f. StACo LReg. 3525 fol. 67 – 73 = RIBl. Nr. XLII vom 17. Oktober 1812, Beylage. 483 Ottomar Batzel, Grundentlastung und Bauernbefreiung im Großherzogtum SachsenWeimar-Eisenach, S. 11. 484 Zum Begriff des Näherrechts – allgemeines Vorkaufsrecht der „nächsten Erben“, der Dorfgenossen oder der Grund- bzw. Lehnsherrn, um Güter in ihrer Gesamtheit erhalten zu können – vgl. Friedrich Lütge, Die mitteldeutsche Grundherrschaft, S. 77 f.; zu den zahlreichen Erscheinungsformen Ottomar Batzel, Grundentlastung und Bauernbefreiung im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 11. 485 StACo LReg. 3525 fol. 88 = RIBl. Nr. XL vom 1. Oktober 1814 Sp. 516. 481 482

338

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

d) Aufhebung der Steuersubkollekturen Bereits am 12. September 1808 hatte sich Franz Josias von Hendrich mit der Bitte um Aufhebung der Steuersubkollekturen durch die Rittergutsbesitzer an Herzog Ernst gewandt: „So grosen Wert man auch ehemals auf das Recht der Steuer-Subcollectur legte, so möchten doch in unseren Tagen bey so manchen ganz veränderte Verhältnissen die meisten Ritterguts-Besizer ( . . . ) sehr geneigt seyn, demselben zu entsagen. Für den Staat und für den einzelnen Steuerpflichtigen würde ohne Zweifel diese Entsagung manche wesentliche Vortheile haben.“486

Die Probleme insbesondere für die Steuerpflichtigen bestünden darin, daß der Lehnsmann mit Grundstücken verschiedener Lehnsherren die Steuern auf einer Reise von mehreren Stunden zunächst an diese abzuliefern habe, obwohl die Steuern letztendlich in derselben Kasse landeten, zudem erfolgten die Steuerausschreibungen nicht mehr einmal jährlich, sondern mehrmals.487 Das Ministerium führte in einem Schreiben an die Landesregierung vom 14. September 1808 aus, daß „Wir den Ansichten des p. von Hendrich Unsern Beifall nicht versagen können“.488 Am 4. April 1812 wurde zusammengefaßt, daß „gegen die allgemeine Einführung eines einfachen Steuer-Collectur-Systems ( . . . ) noch das Verhältniß mit der Krone Bayern ein Hinderniß in den Weg gelegt“

habe.489 Im Bericht vom 24. Februar 1813490 kam die Landesregierung zu dem Ergebnis, daß das bisherige Subkollektursystem lediglich zu Nachteilen geführt habe, beispielsweise zu Unordnung in Steuerregistern und stetigem Anwachsen der Außenstände. Als neue Erhebungsstellen komme entweder die Errichtung neuer Subkollekturen anstelle der Vasallenkollekturen oder die Übertragung der Erhebung auf die drei Kammerämter Coburg, Neustadt und Rodach in Betracht. Mit diesen Vorschlägen zeigte sich das Ministerium einverstanden.491 Der Patententwurf der Landesregierung vom 21. März 1813492 wurde nach nur redaktionellen StACo Min E 2883 fol. 7 = StACo LReg. 9199 fol. 6. StACo Min E 2883 fol. 7, 7’ = StACo LReg. 9199 fol. 6, 6’. – Die Subkollektur wurde nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Haftung zu Beginn des 19. Jahrhunderts im allgemeinen eher als Last empfunden, vgl. Carl H. Wachsmuth, Versuch einer systematischen Darstellung der Patrimonial-Gerichtsverfassung, S. 108 ff. 488 StACo LReg. 9199 fol. 4 = StACo Min E 2883 fol. 9. 489 StACo LReg. 9199 fol. 110 = StACo Min E 2883 fol. 54; zur Bereinigung der Probleme mit Bayern 1811 siehe unten 3. 490 StACo Min E 2883 fol. 55 – 60’ = StACo LReg. 9199 fol. 137 – 141’. 491 Schreiben vom 4. März 1813 bei StACo LReg. 9199 fol. 143 = StACo Min E 2883 fol. 55. 492 StACo Min E 2883 fol. 64 – 66’ = StACo LReg. 9199 fol. 145 – 146. 486 487

IV. Marginalien bis zum Wiener Kongreß

339

Änderungen als „Verordnung die Aufhebung der Steuersubcollecturen betreffend“ unter dem 9. Mai 1813 erlassen.493 Durch diese Rechtsnorm wurde die bisherige Steuererhebung per modum subcollectandi aufgehoben und die Erhebung sämtlicher Steuern ebenso wie aller sonstigen Staats- und Domänengefälle ab 1. Juli 1813 den Kammerämtern übertragen. Die bis 30. Juni 1813 noch fällig gewordenen Steuern waren bis zum 20. Juli 1813 von den bisherigen Subkollektoren beizutreiben. Damit folgte Sachsen-Coburg-Saalfeld unmittelbar Sachsen-Hildburghausen, das eine vergleichbare Verordnung am 26. Mai 1813 erlassen hatte.494 Bayern hatte durch die Verordnung vom 8. Juni 1807 die Subkollektoren bereits in besondere staatliche Pflicht genommen.495 Das Ende der Subkollektur umfaßte auch die bisherige Subkollektur durch die drei Städte. Auf eine Eingabe des Coburger Magistrats vom 3. September 1813496 hin wurde diesem aufgrund Anordnung des Ministeriums lediglich die Steuererhebung von seinen Lehen bis auf weiteres überlassen, da dieser für diese Aufgabe bislang bereits mehrere Beamte beschäftigt hatte.497 Wiederholte ähnliche Begehren der Städte Neustadt und Rodach wurden abschlägig verbeschieden.498 Infolge einer weiteren Anweisung des Ministeriums vom 1. Juli 1814499 wurde der Stadt Coburg die Steuererhebung für alle Einwohner der Stadt ohne Unterschied des Ortes des Grundeigentums überlassen, andererseits die Erhebung bei städtischen Lehen auf dem Lande entzogen.500 Nach einer weiteren Anweisung des Ministeriums vom 8. Juli 1814501 wurde der Stadt Neustadt das gleiche Recht zugebilligt.502 Dem Rodacher Stadtrat wurde die Steuersubkollektur erst infolge Anweisung des Ministeriums vom 1. Juli 1816503 durch Bescheid der Landesregierung vom 5. Juli 1816504 und auch nur provisorisch überlassen. 493 StACo LReg. 9199 fol. 152 – 153 = RIBl. Nr. XXI vom 22. Mai 1813, Beylage = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 126 ff. 494 RIBl. Nr. 24 vom 12. Juni 1813, S. 143 f. 495 RBl. Nr. XXV vom 13. Juni 1807, Sp. 969 ff.; siehe dazu Eberhard Weis, Montgelas, Zweiter Band, S. 373. 496 StACo LReg. 9199 fol. 168 – 169. 497 Bericht der Landesregierung vom 11. September 1813 bei StACo Min E 2883 fol. 75 – 76 = StACo LReg. 9200 fol. 4 – 5; Anweisung vom 19. September 1813 bei StACo LReg. 9199 fol. 170 = StACo Min E 2883 fol. 76’. 498 Vgl. erstmals Schreiben der Stadt Neustadt vom 11. Oktober 1813 bei StACo LReg. 9200 fol. 10 – 14’, Antwort der Landesregierung darauf vom 14. Oktober 1813 ebd. fol. 16; Schreiben der Stadt Rodach vom 22. September 1813 bei StACo LReg. 9199 fol. 172, 172’; Antwort der Landesregierung darauf vom 3. November 1813 bei StACo LReg. 9200 fol. 24’, 25. 499 StACo LReg. 9200 fol. 85 = StACo Min E 2883 fol. 87. 500 Bescheid der Landesregierung vom 6. Juli 1814 bei StACo LReg. 9100 fol. 85’. 501 StACo LReg. 9200 fol. 87 = StACo Min E 2883 fol. 90’. 502 Bescheid der Landesregierung vom 22. August 1814 bei StACo LReg. 9200 fol. 87’, 88. 503 StACo LReg. 9200 fol. 102 = StACo Min E 2883 fol. 98’. 504 StACo LReg. 9200 fol. 103.

340

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Diese Teilabkehr vom ursprünglich angestrebten Prinzip kann als Anerkennung des Wandels der Rolle der Städte angesehen werden, die nicht mehr als dem Rittergutsbesitzer gleichzusetzender (bürgerlicher) Lehnsherr, sondern als den Kammerämtern vergleichbare (öffentlich-rechtliche) Behörden angesehen wurden.

e) Versuchte Ablösung des Handlohns In einem Bericht vom 17. Oktober 1810 unterbreitete die Landesregierung dem Landesministerium den Vorschlag, zur Verwaltungsvereinfachung an die Stelle des Handlohns (Laudemium), einer an den Grundherrn zu zahlenden Abgabe im Fall des Besitzwechsels505, eine jährliche Geldzahlung („Laudemialzins“) treten zu lassen.506 Dieses Vorhaben unterstützte das Ministerium in einem Schreiben vom 9. November 1810 unter dem Vorbehalt, daß eine Sonderregelung für Härtefälle geschaffen wurde, da dem Neuerwerber eine unverhoffte Zweitsteuer nicht zuzumuten sei.507 Schon mit Bericht vom 19. November 1810508 legte die Landesregierung die Grundsätze für eine Umwandlung vor: Der Laudemialzins stelle nur eine andere Erhebungsform des Handlohnes dar, da die Umwandlung für den Landesherrn als Lehnherrn aufkommensneutral sein müsse. Andererseits werde bei Umwandlung der Abgabe der regelmäßige Zufluß bestimmbar und hänge nicht mehr von Unwägbarkeiten ab. Da die Zahlung des Laudemialzinses nicht vergangene, sondern künftige Handlohnfreiheit bewirke, sei eine Ausnahmeregelung nicht notwendig. Nach einem vom Ministerium abgeforderten Bericht der Landesregierung als Justizkollegium vom 25. Juli 1812509 ruhten die Planungen, bis sie 1821 nach Erlaß der Verfassung auf Anregung der Landesregierung fortgeführt wurden.510

2. Neue Einrichtungen bei Unterbehörden a) Neue Kassen- und Rechnungsinstruktion Durch die Kassen- und Rechnungsinstruktion vom 28. September 1809511 wurde die Allgemeine Rechnungsinstruktion vom 30. April 1802512 ebenso wie alle anderen seitherigen Anweisungen im Finanzbereich aufgehoben. Die insgesamt 142 Paragraphen regelten abermals detailliert die Anfertigung von Etats, Führung der 505 506 507 508 509 510 511 512

Friedrich Lütge, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S. 214. StACo Min E 2154 fol. 1’. StACo LReg. 3518 fol. 2 – 3’ = StACo Min E 2154 fol. 2 – 5’. StACo Min E 2154 fol. 6 – 55’ = StACo LReg. 3518 fol. 8 – 22’. StACo Min E 2154 fol. 69 – 96. Siehe dazu unten E.I.4. StACo LA F 5337 = StACo KA Coburg 17. Zu dieser siehe oben B.III.3.f)bb).

IV. Marginalien bis zum Wiener Kongreß

341

Rechnungsbücher, Fertigung und Prüfung der Abschlüsse sowie die Führung der Registratur. Die Kammerämter sollten regulär aus einem ersten Beamten, einem zweiten Beamten (Kontrolleur) und einem Kassier oder Assistenten bestehen (§ 17). Dabei wurde ausdrücklich vorausgesetzt, daß es Ämter geben kann, wo der erste Kammerbeamte gleichzeitig der erste Justizbeamte war (§ 27), wie es schon seit 1808 in Neustadt und Rodach unter der Bezeichnung „Justiz- und Kammeramt“ der Fall war.513 Damit war trotz einer theoretischen Trennung zwischen Justiz und Fiskalverwaltung eine faktische Vereinigung beider Verwaltungszweige – entgegen der Situation in den Städten514 – ermöglicht. b) Instruktion für die Justiz- und Kammerämter Am 4. August 1810 erging unter Aufhebung der bisherigen Instruktion vom 18. Mai 1802515 eine neue Instruktion für die Justiz- und Kammerämter in SachsenCoburg-Saalfeld.516 Für beide Bereiche bestanden Ämter in Coburg, Neustadt, Rodach, Themar, Saalfeld und Gräfenthal (§ 1). Ausdrücklich wurde der Grundsatz aufgestellt, daß die Kammerämter den gleichen Amtsbezirk wie die Justizämter haben sollen (§ 8). In jedem Justizamt sollten zwei qualifizierte Justizbeamte beschäftigt werden (§ 9). Der Geschäftskreis der Justizämter umfaßte die Verteidigung der landesherrlichen Hoheitsrechte, insbesondere gegen Eingriffe auswärtiger Souveräne und ehemaliger Landstände (§ 11). Ferner waren die Justizämter zuständig für die Publikation von Gesetzen und Verordnungen, das Vormundschafts-, Hypotheken- und Depositenwesen, die allgemeine Polizei auf dem Lande und, soweit im Einzelfall hergebracht, in den Städten, die Verwaltung der Zivil- und Kriminaljustiz im weitesten Sinne nach Maßgabe der bestehenden Gesetze, die Forst- und Jagdsachen nach Maßgabe der bestehenden Ordnungen und Mandate, die Unteraufsicht über Kirchen, Schulen und Stiftungen, die Rechnungsabnahme bei den Gemeinden, Militärangelegenheiten im weitesten Sinne, Käufe und Belehnungen von Untertanen, das Zunftwesen, soweit es nicht den Städten zustand, sowie die Aufsicht über den Handel (§ 12 – 23). Nach §§ 31 ff. waren in den Ämtern folgende Registraturen anzulegen: (1) Verfassung des Amtes, Grenzen und Hoheitsrechte, Verpflichtung des Amtspersonals, allgemeine erlassene Edikte, Patente etc.; (2) Polizeisachen; 513 Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Die coburgische Gerichtsorganisation im 19. Jahrhundert, S. 40. 514 Siehe dazu oben B.III.4.d)aa)(4). 515 Siehe dazu oben B.III.4.c)bb). 516 StACo Min F 255 fol. 11 – 41’ = StACo Kons 1189 fol. 4 – 26 = StACo Ältere Justizbehörden 2502 = StACo Kammerarchiv fol. 1 – 32 = ThStAMgn GA VI.F.40, unfol. = StACo KA Coburg Nr. 1, unfol.

342

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

(3)

Justizsachen im allgemeinen;

(4)

Prozeßakten;

(5)

Konkursakten;

(6)

Ausübung der freiwilligen Gerichtsbarkeit;

(7)

Kriminalfälle;

(8)

Hypothekenbücher und Hypothekenakten;

(9)

Vormundschaftsakten;

(10) Kirchenfragen; (11) Militärangelegenheiten; (12) Rechnungen. Jährlich hatte jedes Justizamt einen Generalbericht mit Zustandsbericht und Verbesserungsvorschlägen an die Landesregierung zu erstatten. c) Fortführung der Arbeiten an einer Instruktion für die Provinzialstadträte Nachdem bereits im September 1809 festgestellt worden war, daß die 1806 entworfene Instruktion für die Provinzialstadträte in Justizfragen entgegen der Aktenlage niemals in Kraft gesetzt wurde517, beauftragte das Landesministerium am 25. September 1809 Landesregierung und Justizkollegium mit der Überarbeitung des Entwurfs bis zum Jahresende.518 Das Justizkollegium legte in einer ersten Stellungnahme vom 5. März 1810519 dar, daß die Instruktion über den bisherigen Regelungsgehalt hinaus eine Festlegung der Geschäftskreise der Mitglieder der Stadträte zum Inhalt haben solle, insbesondere müsse “dem Justitiarius eines Provincial-Stadtraths die Justiz-Verwaltung in ihrem ganzen Umfang ohne alle Einmischung und Zuziehung der übrigen Rathsmitglieder überlaßen“

werden.520 Damit sollte – ebenso wie in den Residenzstädten521 – eine Trennung der Justiz von den übrigen Verwaltungszweigen eingeleitet werden, was im Gegensatz zu der Vorgehensweise auf der Ebene der Ämter522 stand. Die Landesregierung legte die Entwürfe dem Landesministerium am 14. April 1810 vor.523 Die nunmehr für die einzelnen Städte spezifiziert entworfenen Instruktionen524 wurden wie folgt beschrieben: 517 518 519 520 521 522 523

Siehe oben B.VII.1.d). Schreiben bei StACo LReg. 4765 fol. 35 = StACo Min F 251 fol. 11’. StACo LReg. 4765 fol. 43 – 47. StACo LReg. 4765 fol. 43’. Siehe dazu oben B.III.4.d)aa)(4). Siehe dazu soeben a), b). Vorlageschreiben bei StACo Min F 251 fol. 16 – 17’ = StACo LReg. 4765 fol. 48 – 49’.

IV. Marginalien bis zum Wiener Kongreß

343

„Die vorhin entworfene Instruction ( . . . ) hatte nur die Form der Geschäfte zum Gegenstand. Die jetzt entworfenen Instructionen erstrecken sich auf das Materielle der stadträthischen Administration und enthalten daher das Ressort, die Verfaßung, die Subordinations-Verhältnisse und die Administrations-Prinzipien nebst den Vorschriften für die Geschäftsform.“525

Auch in den Präambeln der Entwürfe wurde klargestellt, daß diese sich nunmehr auf die Ordnung des Geschäftsgangs der Stadträte in deren gesamten Geschäftsbereich bezog. Die Zuständigkeit der Stadträte blieb einerseits die einer unteren Ziviljustiz- und Polizeibehörde – das Recht der Kriminaljustiz stand darüber hinaus allein der Stadt Pößneck zu – und bestand andererseits aus der Verwaltung des städtischen Vermögens. Aufsichtsbehörden blieben die Landeskollegien, für Themar, Gräfenthal und Lehesten zusätzlich das jeweilige Justizamt. Die Justizverwaltung wurde nunmehr, wie bereits geplant, dem Stadtsyndicus (in Lehesten auch Ratskonsulent genannt) zur alleinigen Erledigung zugewiesen, der ebenfalls die Polizei zu leiten hatte. Die Erhebung von Klagen durch die Stadt sowie die Ausschreibung von besonderen Abgaben bedurften nunmehr der Erlaubnis der Landesregierung. Als Frist für Expeditionen wurde ein Zeitraum von vier Tagen festgesetzt, die Überschreitung von festgesetzten Berichtszeiträumen wurde nunmehr – wie im Reglement über den Geschäftsgang bei der Landesregierung vom 12. November 1806526 – unter Androhung von Geldstrafe gestellt. Zudem wurde noch die Führung von Akten, Registratur und Journalen detailliert geregelt. Am 15. Juli eines jeden Jahres hatte der Stadtrat einen Generalbericht über den Zustand der Stadt an die Landesregierung zu erstatten. Die Entwürfe wurden durch Schreiben des Landesministeriums vom 7. August 1810 genehmigt527 und anschließend von der Landesregierung versandt.528

d) Staatliche Verpflichtung von Patrimonialgerichtshaltern und Vasallenschultheißen Durch Verordnung vom 4. September 1813529 wies das Justizkollegium darauf hin, daß bereits wiederholt die Verpflichtung der Gerichtshalter bei Patrimonialgerichten anbefohlen, dies jedoch bislang teilweise nicht beachtet worden sei. Da524 Instruktionen für Neustadt und Rodach bei StACo Min F 251 fol. 38 – 47’, 62 – 71 = StACo LReg. 4765 fol. 58, für Pößneck bei StACo Min F 251 fol. 50 – 60’ = StACo LReg. 4765 fol. 50 – 57 sowie für Themar, Gräfenthal und Lehesten bei StACo Min F 251 fol. 18 – 37, 72 – 81’ = StACo LReg. 4765 fol. 58’ – 59. 525 StACo Min F 251 fol. 16, 16’ = StACo LReg. 4765 fol. 48, 48’. 526 Zu diesem siehe oben B.VII.2.b). 527 StACo LReg. 4765 fol. 63. 528 Schreiben vom 16. August 1810 bei StACo LReg. 4765 fol. 64. 529 RIBl. Nr. XXXVIII vom 18. September 1813 Sp. 519 f. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 132 f.

344

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

her sollten bei künftigen Neubesetzungen die Prinzipale umgehend Anzeige beim Justizkollegium erstatten, den ausgewählten Rechtskundigen beim Justizkollegium zur Bestätigung präsentieren und dort förmlich auf die Justiz vereidigen lassen.530 Durch eine weitere Verordnung vom 23. Juni 1815531 wurde festgesetzt, daß in den Orten, in denen die Dorfsherrschaft nicht dem Landesherrn zustand, auch die Gerichts- und Lehnsschultheiße noch besonders durch das jeweilige Justizamt zu verpflichten seien. Damit wurde Kretschmanns Vorstellung einer weiteren Einflußnahme der herzoglichen Verwaltung auf die Tätigkeit der gutsherrlichen Beamten zumindest in einem ersten Schritt umgesetzt.

3. Grenzbereinigung statt Territorialgewinn Bereits mit dem benachbarten Fürstbistum Bamberg bestanden Differenzen über Landeshoheit und weitere Hoheitsrechte in mehreren Grenzorten.532 Durch § 2 des Reichsdeputationshauptschlusses533 war an die Stelle Bambergs das Kurfürstentum Bayern getreten, so daß kein Raum mehr für die von Herzog Ernst Richtung Süden erstrebten Territorialerweiterungen und „Arrondierungen“534 bestand, wenngleich er sich noch als Erbprinz bereits 1805 an den bayerischen Kurfürsten mit der Bitte um Übertragung des Gebietes des ehemaligen Klosters Banz gewandt hatte.535 Nach der Auflösung des Reiches war für Sachsen-Coburg-Saalfeld schon 1808 klar, daß neben einem eventuellen Gebietsgewinn – zu wessen Lasten auch immer – eine „Purifikation“, also eine Bereinigung der im jeweils anderen Territorium gelegenen sowie der streitigen Hoheitsrechte, anzustreben war.536 Die Differenzen mit Bayern wurden schließlich auf die zu Beginn des XIX. Jahrhunderts übliche Weise537 durch „Purificationsvertrag“ vom 21. August 530 Zur identischen Situation in Sachsen-Weimar-Eisenach siehe Christian Wilhelm Schweitzer, Oeffentliches Recht des Großherzogthumes Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 159. 531 RIBl. Nr. XXIX vom 22. Juli 1815 Sp. 389. 532 Vgl. die Klage des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld gegen das Hochstift Bamberg vom 21. November 1793 vor dem Reichshofrat bei HHStA RHR Ob. Reg. 1288 / 1 unfol., die Übersichten bei StACo Min G 242, Min G 1000 fol. 5 – 9 sowie die Darstellungen coburgischer Hoheitsrechte bei StACo Min G 243 – 247. Zu derartigen Konflikten der thüringischen Staaten vgl. allgemein Siegrid Westphal, Der politische Einfluß von Reichsgerichtsbarkeit, S. 87 f. 533 Abdruck des Hauptschlusses der außerordentlichen Reichsdeputation vom 25. Februar 1803 bei Heinrich Zoepfl (Hrsg.), Corpus Iuris Confoederationis Germanicae, Erster Theil S. 1 ff. = Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 1 ff. 534 Dazu siehe Erich Keerl, Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 96 ff. 535 BayHStA MA 89850, unfol. 536 Vgl. den Bericht des Landesministeriums vom Oktober 1808 bei StACo Min G 1000 fol. 10 – 11’.

IV. Marginalien bis zum Wiener Kongreß

345

1811538 bereinigt.539 In dieser Vereinbarung verzichteten die beiden Staaten nach dem Grundsatz des Art. 34 der Rheinbundakte540 auf sämtliche Hoheitsrechte im Gebiet des anderen Vertragsteils. Die Lehnbarkeit wurde wechselseitig übertragen. Bayern erhielt zudem die Dörfer Gleußen, Schleifenhan, Buch am Forst und Kleinherreth, an Sachsen-Coburg-Saalfeld fielen Fürth am Berg, Hof an der Steinach, Niederfüllbach und Triebsdorf. Durch diese Vereinbarung verabschiedete sich Sachsen-Coburg-Saalfeld endgültig von der Lebenslüge coburgischer Politik während der napoleonischen Zeit, nämlich von der Hoffnung auf Vergrößerung in territorialer Hinsicht.541 Andererseits erhielt Herzog Ernst damit endlich auch im Landesteil Coburg die unbestrittene Landeshoheit.

4. Weitergehende Gleichstellung der Katholiken Am 10. Oktober 1810542 wandte sich der katholische Prediger Placidus Geyer an das Konsistorium mit der Bitte, die zwar seit vier Jahren zugesagte543, aber noch nicht erfolgte endgültige Gleichstellung der Katholiken zu ermöglichen.544 Insbesondere Glockenläuten zu katholischen Feiertagen, die katholische Kindstaufe, katholische Begräbnisse und die Eheschließung nach katholischem Ritus sollten ermöglicht und ein eigenes katholisches Konsistorium eingerichtet werden. 537 Zum bayerisch-preußischen Landes-, Grenz- und Tauschvertrag vom 30. Juni 1803 siehe Michel Hofmann, Die Außenbehörden des Hochstifts Bamberg und der Markgrafschaft Bayreuth, S. 55. 538 StACo Urk 29 = StACo Urk LA D 32 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band III S. 132 ff. 539 Details zu den Verhandlungen sind bei Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 46 beschrieben; Hintergründe finden sich jetzt auch bei Stefan Nöth, Gleußen und das sächsische Geleit, S. 100. 540 Diese Vorschrift lautete: „Les Rois, Grand-Ducs, Ducs et Princes confédérés renoncent chacun d’eux pour Soi, Ses héritiers et successeurs à tout droit actuel qu’Il pourrait avoir ou prétendre sur les possessions des autres membres de la Confédération telles qu’elles sont et telles qu’elles doivent être en conséquence du présent traité, les droits éventuels de succession demeurant seuls réservés et pour le cas seulement où viendrait à s’éteindre la maison ou la branche qui possède maintenant, ou doit, en vertu du présent traité, posséder en souveraineté les territoires, domaines et biens, sur lesquels les susdits droits peuvent s’étendre.“ 541 Treffend stellte hierzu Hans Tümmler, Die Zeit Carl Augusts von Weimar, S. 702 fest: „Im übrigen durchziehen Coburgs Bemühungen um einen Territorialzuwachs, auch um Rangerhöhung (Großherzogstitel!) die gesamte Dauer der Fremdherrschaft. ( . . . ) Die Rolle des von der französischen Diplomatie immer wieder raffiniert in Spiel gebrachten Köders spielten dabei ( . . . ) für Coburg Bayreuth und Bamberg.“ 542 Nicht am 10. September 1810, wie bei Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 217 behauptet. 543 Siehe dazu oben B.VII.3. 544 StACo LReg. 4307 fol. 134 – 137’.

346

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

Im Gegensatz zu Sachsen-Gotha-Altenburg545 machten die Katholiken SachsenCoburg-Saalfelds jedoch nicht eine Verletzung des Posener Beitrittsvertrages geltend. Die Landesregierung als Justizkollegium erhob in einem Bericht hierzu vom 26. März 1811 lediglich Bedenken gegen die Errichtung einer besonderen geistlichen Behörde für die Katholiken.546 Das Landesministerium wies mit Schreiben vom 28. Mai 1812 das Konsistorium an, nach dem Vorbild der übrigen sächsischen Staaten eine Rechtsnorm über die kirchliche Verfassung der Angehörigen des katholischen Bekenntnisses zu entwerfen.547 In Sachsen-Weimar-Eisenach war den katholischen Einwohnern bereits durch das „Provisorische Regulativ“ vom 16. August 1811548 „vollkommene ReligionsFreyheit und öffentliche Ausübung ihres Gottesdienstes zugestanden“ worden, wobei mit einzelnen Ausnahmen keine auswärtige Verwaltung oder Gerichtsbarkeit anerkannt werden durfte. Die katholische Kirche wurde dort unter Ausschluß auswärtiger Kirchenbehörden von einer besonderen Kirchenkommission überwacht, die oberste Kirchengewalt verblieb beim Landesherrn. Der außer Landes residierende katholische Bischof, dem die Gemeinden Sachsen-Weimar-Eisenachs zugeordnet waren, war lediglich oberste Kirchenbehörde in geistlichen und kultischen Fragen. Auch Sachsen-Gotha-Altenburg erlaubte durch das „Regulativ für die kirchliche Verfaßung der römisch-katolischen Glaubensgenossen im Herzogthum Gotha“ vom 23. August 1811549 die freie öffentliche Ausübung der katholischen Konfession im Rahmen der Polizeigesetze und stellte eine Zuordnung der Gemeinde unter einen römisch-katholischen Bischof in Aussicht. Ähnlich hatte das bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts rein katholische Bayern nachgezogen. Das „Edikt über die äußeren Rechtsverhältnisse der Einwohner des Königreiches Bayern in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften, zur näheren Bestimmung der Paragraphen 6 und 7 des ersten Titels der Konstitution“ vom 24. März 1809550 definierte in seinen 118 Paragraphen den Umfang der bereits durch Tit. 1 § VI der Verfassung gewährten Glaubens- und Gewissensfreiheit. Insbesondere wurde jedermann die einfache Hausandacht und das Recht des Glau545 Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 216 f. 546 StACo LReg. 4310 fol. 9. 547 StACo LReg. 4308 fol. 2. 548 StACo LReg. 4307 fol. 150 – 161’. 549 ThStAGo Staatsministerium Dep. II Loc. 100 Nr. 1 Vol. 1 fol. 187 – 201 = Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 225 ff. = Joseph Freisen, Staat und katholische Kirche in den deutschen Bundesstaaten, II. Teil, S. 433 ff. 550 RBl. 1809, Sp. 897 ff. Allgemein dazu vgl. Wilhelm August Patin, Das bayerische Religionsedikt vom 26. Mai 1818, S. 65 ff.

IV. Marginalien bis zum Wiener Kongreß

347

benswechsels garantiert. Wenn bei Kindern aus religionsverschiedenen Ehen nicht über die Religion der Kinder bestimmt worden ist, so sollten die Söhne der Religion des Vaters, die Töchter der Religion der Mutter folgen. §§ 32 ff. gewährte den drei öffentlich anerkannten Religionsgesellschaften das uneingeschränkte Recht zur öffentlichen Religionsausübung, anderen Vereinigungen nur das Recht des Privatgottesdienstes. Der Entwurf der Landesregierung für ein „Provisorisches Regulativ für die kirchliche Verfassung der römisch-katholischen Glaubensgenossen im hiesigen Lande“ vom 30. Oktober 1812551, der unter Verwendung des gothaischen Regulativs erstellt wurde552, stellt sich als eine – im Vergleich zu Sachsen-Weimar-Eisenach noch weitergehende – Reduktionsvariante desselben dar. Er wiederholte zwar in § 1 das Zugeständnis der allgemeinen Religionsfreiheit an alle Katholiken in Sachsen-Coburg-Saalfeld im Rahmen der Gesetze, setzte aber in der gleichen Vorschrift noch die Eigentümlichkeiten der evangelisch geprägten Landesverfassung voraus. Auch von einer öffentlichen Religionsausübung war nicht die Rede: § 13 beschränkte die Ausübung der katholischen Gottesdienste auf die Nikolaikirche, insbesondere durften „außer derselben keine öffentlichen Umgänge gehalten werden. Bey solchen gottesdienstlichen Verhandlungen aber, welche ihrer Natur nach außerhalb dieser Kirche bewirkt werden müssen, haben der Pfarrer und die Glieder der katholischen Gemeinde alles zu vermeiden, was den Bekennern einer andern Confession auffallend u. anstößig seyn, oder ein öffentliches Aergerniß nach sich ziehen könnte.“

Im Gegenzug bestand jedoch keinerlei Einschränkung für die Einrichtung von Hauskapellen und privaten Bethäusern, was § 32 des gothaischen Regulativs noch von der Zustimmung des Landesherrn abgängig gemacht hatte. Glockengeläut durfte nach beiden Vorschriften nur zum liturgischen Ruf zum Gottesdienst gebraucht werden, alles andere bedurfte einer besonderen polizeilichen Genehmigung (§ 14). Eine eigene – im Gegensatz zu Sachsen-Gotha-Altenburg „einzige“ – katholische Kirchengemeinde unter allgemeiner staatlicher Aufsicht (§ 3) wurde bei der Nikolaikirche aus den in der Stadt Coburg wohnhaften Katholiken gebildet (§ 2). Dieser Kirchengemeinde blieben, bis sie einem katholischen Bischof unterstellt wurde, sämtliche Fragen kultischer Art vorbehalten (§ 5). Die oberste Kirchengewalt stand – was im Gegensatz zu Sachsen-Gotha-Altenburg deutlich ausformuliert wurde – nach wie vor dem Landesherrn zu, der nach freiem Ermessen zur Aufsicht über kultische Fragen ein Mandat an einen auswärtigen Bischof erteilen konnte (§ 4). Damit war jeglicher auswärtiger Einfluß außer in kultischen Angelegenheiten ausgeschlossen, insbesondere die Verbreitung päpstlicher, bischöflicher oder anderer Beschlüsse oder Erlässe ohne ausdrückliche behördliche Erlaubnis StACo LReg. 4308 fol. 32 – 47. So zumindest Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 217. 551 552

348

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

war untersagt (§ 8). Die landesherrliche Aufsicht wurde vom (evangelischen) Konsistorium ausgeübt, dessen Zusammensetzung unverändert blieb (§ 9). Die Feier besonderer katholischer Feste bedurfte der Erlaubnis im Einzelfall (§ 11). Liturgie und Katechismus waren zur Genehmigung vorzulegen, im Kirchengebet war ebenso wie in der evangelischen Kirche für den Landesherrn und dessen Familie zu beten (§ 12). Die Kindstaufe wurde für Kinder aus rein katholischen Ehen gestattet; bei gemischten Ehen waren Verträge zwischen den Ehegatten über die Frage der Konfessionszugehörigkeit zum Zeitpunkt der Eheschließung möglich, bei Fehlen einer solchen Vereinbarung waren – ebenso wie in Bayern – die Söhne in der Kirche des Vaters, die Töchter in der Kirche der Mutter zu taufen (§ 15). Konfessionswechsel war nach Erreichen des sechzehnten Lebensjahres oder infolge besonderer Erlaubnis nach einer weiteren Vorbereitung möglich (§ 18). Die Änderung der Konfession der Eltern hatte keine Änderung der Religion der Kinder zur Folge, vielmehr war letztere erst nach Erreichen der Volljährigkeit oder infolge landesherrlichen Dispenses gestattet (§ 16). Für Trauungen war, soweit nicht anders vereinbart, diejenige Kirche zuständig, zu der die Braut gehörte; die Eheschließung selbst durfte jedoch erst nach Zustimmung der beteiligten Geistlichen beider Konfessionen erfolgen (§ 19). Von der katholischen Kirche ausgesprochene Ehedispense bedurften einer besonderen landesherrlichen Genehmigung (§ 20), für Ehescheidungen blieben die ordentlichen Landesbehörden zuständig (§ 21). Anders als in Sachsen-Gotha-Altenburg, wo es auch Detailregelungen über die äußere Form des katholischen Kultus gab553, fehlten in Sachsen-Coburg-Saalfeld derartige Vorschriften. Andererseits gestattete § 24 die allgemeine Teilnahme katholischer Kinder am (evangelischen) Schulunterrichten und ermöglichte der katholischen Gemeinde die Anstellung eines eigenen katholischen Schullehrers auf eigene Kosten. Bemerkenswert war die an Art. 149 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Bayern vom 2. Dezember 1946554 erinnernde Vorschrift des § 22, der katholische Begräbnisse unter Berücksichtigung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie der allgemeinen Vorschriften auf dem (evangelischen) Stadtfriedhof für zulässig erklärte. Sachsen-Gotha folgte diesem Beispiel erst 1868, als es schon Bestandteil der Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha war.555 Mit Schreiben vom 24. Juni 1813 genehmigte das Landesministerium diesen Entwurf.556 Durch dieses Regulativ wurde im Gegensatz zur Situation in Sachsen-WeimarEisenach noch keine Gleichstellung der verschiedenen Konfessionen erreicht, was 553 Siehe dazu zusammenfassend Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 219. 554 GVBl. Nr. 23 vom 8. Dezember 1946. S. 333 ff. 555 Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 224. 556 StACo LReg. 4308 fol. 50.

IV. Marginalien bis zum Wiener Kongreß

349

auch aus später noch eingehenden weiteren Eingaben der katholischen Gemeinde ersichtlich wird. Daß eine solche Gleichstellung durchaus möglich war, läßt sich an der Rechtslage in Sachsen-Weimar-Eisenach ersehen, die Tatsache, daß Sachsen-Coburg-Saalfeld sich nicht so weit bewegte, mag freilich auf die besondere Lage an der südlichen Grenze des evangelischen Bereichs zurückzuführen sein. Erst Artikel 16 der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815557 stellte schließlich die „christlichen Religionsparteien“ in bürgerlicher und politischer Hinsicht gleich, wenngleich Sachsen-Coburg-Saalfeld sich dem faktisch immer noch widersetzte.558 5. Neuerungen im Bereich der Wirtschaft a) Aufhebung der Monopole Durch Mandat vom 19. März 1812559 wurden alle „von dem Gouvernement Unserer Lande einzelnen physischen, oder moralischen Personen zum ausschließlichen Betriebe gewisser Erwerbszweige verliehenen Gerechtsame und Monopole“

aufgehoben (§ 1). Die bislang verliehenen Monopole galten als bloße Befugnisse zur Ausübung des Rechts oder Gewerbes weiter (§ 2), ersetzt wurde bei tatsächlichem Eintreten einer Konkurrenzlage nur der Betrag, der zur Erlangung des Monopols gegebenenfalls einmal gezahlt wurde (§§ 3 ff.). Eine Klarstellung beinhaltete allerdings § 6: „Uebrigens ist endlich die hier verordnete Aufhebung von Monopolien blos von Monopolien im eigentlichen Sinne zu verstehen, keiesweges aber von den ausschließlichen Berechtigungen der in Unseren Landen für den Betrieb gewisser Gewerbszweige bestehenden Zünfte und Innungen. Die Zwangsbefugniße dieser Gewerbsgenossenschaften behalten, bis auf Unsere weitere Verordnung, ihre rechtliche Kraft und Würksamkeit, ohne, daß dagegen gegenwärtige Verordnung angezogen werden könnte.“

Damit bewegte sich Sachsen-Coburg-Saalfeld durchaus im Rahmen der übrigen Staaten, so waren in Württemberg sämtliche erteilten Monopolprivilegien bereits durch Dekret vom 5. Mai 1807 für nichtig erklärt worden.560

557 Abgedruckt bei Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 2 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 10 ff. = Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 84 ff. = Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 196 ff. 558 Siehe dazu unten E.I.5.a). 559 StACo LReg. 3523 fol. 15 – 16’ = ebd. fol. 21 – 22’ = RIBl. Nr. XIX vom 9. Mai 1812, Beylage. 560 Abgedruckt bei Friedrich Kappler, Sammlung der württembergischen Gerichts-Geseze, Vierter Theil, Erste Abtheilung, S. 94 f.

350

C. Entwicklungen der napoleonischen Zeit

b) Neue Gesindeordnung Da der in der Gesindeordnung von 1803 vorgesehene Verwaltungsaufbau561 niemals verwirklicht worden war, wies das Landesministerium am 8. Juni 1812 die Landesregierung zur Erstellung eines Entwurfs einer neuen Gesindeordnung an.562 Ein im Juli 1812 erstellter erster Entwurf563 wurde nach unbedeutenden Änderungen564 infolge Anweisung des Ministeriums vom 6. Februar 1814565 unter dem 11. März 1814 bekanntgemacht. 566 Nach Begriffs- und grundsätzlichen Verhaltensbestimmungen (§§ 1 – 4) wurden folgende Grundsätze strafbewehrt festgesetzt: Dienstlose Personen und Müßiggänger werden nicht geduldet; jede einzeln lebende gewerbslose Person solle dienen (§§ 3 f.). Aus landesherrlicher Machtvollkommenheit wurden ausdrücklich die auf mehreren Rittergütern hergebrachten Zwangsdienste für aufgehoben erklärt, da „dieses gehäsige Recht, als ein Ueberbleibsel der ehemaligen Leibeigenschaft angesehen werden muß, und folglich mit dem Zeitgeist durchaus im Widerspruch stehet.“ (§ 7)

Wie schon in der Gesindeordnung von 1803 wurden abermals detailliert Verfahren bei Vertragsanbahnung (§§ 8 – 15) und -beendigung (§§ 55 – 72), Vertragsinhalt (§§ 16 – 33) und die gegenseitigen Pflichten (§ 34 – 54) festgelegt. Die Zuständigkeit in Dienstsachen oblag den Polizeibehörden, mithin in den Städten den Magistraten und Stadträten, auf dem Land den Justizämtern und Patrimonialgerichten (§ 73). Auffallend bleibt allein, daß die in der Gesindeordnung von 1803 vorgesehene Hilfskasse für Dienstlose nicht mehr vorgesehen war. Mit der Aufhebung der Frondienste wurde nunmehr auch in Sachsen-CoburgSaalfeld mit der „Bauernbefreiung“ begonnen.567

Zur Gesindeordnung von 1803 ausführlich B.III.3.g)aa). StACo LReg. 4739 fol. 18. 563 StACo LReg. 4739 fol. 19 – 54’. 564 Gutachten des Justizkollegiums vom 17. Juli 1812 bei StACo LReg. 4739 fol. 55, 55’. 565 StACo LReg. 4739 fol. 56. 566 StACo LReg. 4739 fol. 57 – 80’ = RIBl. Nr. 23 vom 4. Juni 1814, Beylage = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VII S. 87 ff. 567 Zur dahingehenden Gesetzgebung in anderen Staaten siehe Friedrich Lütge, Geschichte der deutschen Agrarverfassung, S. 222 ff.; Christof Dipper, Bauernbefreiung in Deutschland, S. 50 ff. 561 562

V. Die Abwendung vom Rheinbund

351

V. Die Abwendung vom Rheinbund Nachdem erste (Wieder-)Annäherungen an Preußen bereits auf das Jahr 1812 datieren568, nahm Sachsen-Coburg-Saalfeld nach der Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis zum 19. Oktober 1813569 am 29. Oktober 1813 förmlich zunächst zu Österreich570, am 11. November 1813 auch zu Preußen571 Kontakt auf und signalisierte damit auch nach außen eine Hinwendung zu den Kriegsgegnern Napoleons.572 Am 24. November 1813 wurde in Frankfurt ein Allianzvertrag mit den sächsischen Staaten unter Beteiligung Sachsen-Coburg-Saalfelds abgeschlossen573, der den Austritt aus dem Rheinbund zum Inhalt hatte und zudem Sachsen-CoburgSaalfeld die uneingeschränkte territoriale Integrität und staatliche Souveränität garantierte. Daraufhin erschien auch in Sachsen-Coburg-Saalfeld am 14. Dezember 1813 ein Aufruf zur „Rettung des teutschen Vaterlandes“.574 Herzog Ernst beteiligte sich selbst an führender Stelle bei den militärischen Einsätzen gegen Napoleons.575 Trotz verschiedener Versuche insbesondere Kretschmanns576 während der Rheinbundzeit war in Sachsen-Coburg-Saalfeld keine rheinbündisch-napoleonische Verfassung erlassen worden. Auch französische Gesetzeswerke wie der Code Napoléon und französische Verwaltungsgrundsätze wurden nicht eingeführt. Damit war eine Revision derartiger Reformen verzichtbar, man bedurfte in den Folgejahren also mit den Worten Steins keiner Maßnahmen, „die durch die Zeitverhältnisse aufgedrungenen und auf deutsche Staaten unanwendbare französische Verfassungs- und Gesetzgebungsformen aufzuheben und die Administration wieder auf deutschvaterländische Normen zurückzuführen.“577

Die staatliche Fortexistenz Sachsen-Coburg-Saalfelds war daher in der Restaurationszeit niemals ernstlich bedroht.

Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 49 ff. Siehe dazu Georg Heinrich Pertz, Das Leben des Ministers Freiherr vom Stein, 3. Band, S. 432 ff. 570 StACo Min G 803 fol. 2 – 3’. 571 StACo Min G 803 fol. 7 – 8. 572 Siehe dazu insgesamt Michael Hundt, Die mindermächtigen deutschen Staaten auf dem Wiener Kongreß, S. 54. 573 StACo Min G 802 fol. 15 – 22’, siehe dazu Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 496 f. 574 RIBl. Nr. LI vom 18. Dezember 1813, Sp. 659 f. 575 Siehe dazu Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 53 f. 576 Siehe dazu vor allem oben C.II.4. 577 So Stein in einem Brief vom 23. Februar 1814 an den Fürsten Georg Friedrich Heinrich von Waldeck, zit. nach Louis Curtze, Geschichte und Beschreibung des Fürstenthums Waldeck, S. 504. 568 569

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode Die Entwicklung der coburgischen Verfassung von 1821 als Symbiose altständischer, reaktionärer und fortschrittlicher Einflüsse Auch im Rahmen des Wiener Kongresses fielen Entschädigungsleistungen an Sachsen-Coburg-Saalfeld minimal aus. Der souveräne Kleinstaat reagierte im Inneren nur im Rahmen des Zeitgeistes und betrieb eine im wesentlichen eklektische Verfassunggebung, wobei verschiedenartige Rezeptionsprozesse zusammentrafen.

I. Rahmenbedingungen: Bestimmungen auf Bundesebene 1. Ergebnisse des Wiener Kongresses Nachdem acht Jahre lang ein der sachsen-coburgischen Souveränität übergeordneter Rahmen fehlte, entstanden die Grundlagen für die Verfassunggebung in Deutschland auf dem Wiener Kongreß im Jahre 1814.

a) Erwartungen Sachsen-Coburg-Saalfelds Die Interessen Sachsen-Coburg-Saalfelds waren über die napoleonische Zeit hinweg identisch geblieben. Maßgeblich war nach wie vor die Hoffnung auf eine Gebietserweiterung nach Norden in Form der bislang sächsischen Gebiete Schleusingen und Suhl, die unmittelbar an Themar grenzten, oder nach Süden durch einen Gebietsstreifen von Königshofen bis Seßlach, wie Gruner in einem Bericht vom 6. September 1814 umreißt.1 In verfassungsrechtlicher Hinsicht erwartete Gruner vom Wiener Kongreß ferner für den Fall, „wenn eine Ständische Verfaßung eingeführt werden soll, damit nicht gemeynt seyn dürfe, daß die Landschaften wieder ganz so erwachsen, wie sie bey der vorigen alten Reichsverfaßung statt fanden.“2 1 2

StACo Min G 807 fol. 81 – 83. StACo Min G 807 fol. 68, 68’.

I. Rahmenbedingungen: Bestimmungen auf Bundesebene

353

Insbesondere sei den einzelnen Staaten Freiheit in der inhaltlichen Gestaltung der jeweiligen landschaftlichen Verfassung zuzubilligen. 3 Als Mitglieder der Landschaft, der eine beratende Stimme bei der Gesetzgebung sowie das Steuerbewilligungsrecht zustehen sollte, kamen für Gruner adlige und nichtadlige Grundbesitzer, Kaufleute, Handwerker und Gelehrte in Frage.4 Bereits zu diesem Zeitpunkt stand fest, daß sich Sachsen-Coburg-Saalfeld gegen eine Annexion Sachsens durch Preußen einsetzen wollte, da ansonsten die gesamternestinischen Erbansprüche gegenüber der albertinischen Linie gefährdet würden.5

b) Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen des Wiener Kongresses Hardenbergs Entwurf einer deutschen Bundesverfassung vom 13. September 18146 sicherte unter 6. jedem „Bundesuntertanen“ als Bürgerrechte neben der Auswanderungsfreiheit Sicherheit des Eigentums, das Recht auf freie Beschreitung des Rechtswegs, Preßfreiheit und Bildung sowie unter 7. die Einführung von Landständen, denen ein „Antheil an der Gesetzgebung, Verwilligung von Landesabgaben, Vertretung der Verfassung bei dem Landesherrn und dem Bunde“ zukommen sollte, in jedem Staat zu. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzungen blieben die Kompetenzen der Landstände im einzelnen umstritten, wobei sich vor allem der österreichische Staatskanzler Clemens Wenzeslaus Lothar Fürst von Metternich und die Staaten Bayern, Sachsen und Hessen-Darmstadt gegen nähere Festsetzungen aussprachen.7 In einer gemeinsamen Erklärung8 der Bevollmächtigten von 29 Fürsten bzw. den freien Städten, unterzeichnet auch vom coburgischen Gesandten von Fischler von Treuberg, an Metternich und Hardenberg vom 16. November 1814 wurde folgende Absichtserklärung abgegeben: „Nahmentlich sind sie (sc. die Fürsten) damit einverstanden, daß aller und jeder Willkühr ( . . . ) in allen deutschen Staaten durch Einführung Landständischer Verfaßungen, wo derselben noch nicht bestehen, vorgebeugt und den Ständen folgende Rechte gegeben werden. Das Recht der Bewillgung und Regulirung sämtlicher zur Staatsverwaltung nothwendiger Abgaben. StACo Min G 807 fol. 68’. StACo Min G 807 fol. 69’, 70. 5 StACo Min G 807 fol. 73, 73’. 6 StACo Min G 7 fol. 28 – 31’ = Johann Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses, 1. Band, 1. Heft, S. 45 ff. = Michael Hundt (Hrsg.), Quellen zur kleinstaatlichen Verfassungspolitik, S. 129 ff. Zur Textentwicklung Hardenbergs vgl. Wolfgang Mager, Das Problem der landständischen Verfassungen auf dem Wiener Kongreß, S. 325 ff. 7 Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 9. 8 Zum Hintergrund dieser Erklärung vgl. Conrad Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 338 f. 3 4

354

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Das Recht der Einwilligung bey neu zu erlaßenden allgemeinen Landesgesetzen. Das Recht der Mitaufsicht über die Verwendung der Steuern zu allgemeinen Staatszweken. Das Recht der Beschwerdeführung insbesondere in Fällen der Malversation der Staatsdiener und bey sich ergebenden Misbräuche jeder Art; wobey übrigens den einzelnen Staaten die angemeßene Einrichtung der ständischen Verfaßung nach dem Karakter der Einwohner, den Localitäten, und dem Herkommen überlaßen bliebe.“9

Eine ähnliche Erklärung der Bevollmächtigten der Fürsten und freien Städte vom 21. Februar 1815 führte aus: „In dem Augenblick, wo sich alle Stimmen für die Einführung ständischer Verfassungen, in den einzelnen teutschen Landen vereinigen, kann man die Wahrheit als allgemein anerkannt annehmen, daß das Gemeinwohl durch ein vielseitiges ( . . . ) Zusammenwirken besser gefördert werde, als durch das abgesonderte Streben von Einzelnen, und daß das Gute und Rechte die Mehrheit allzeit am unwiderstehlichsten in Anspruch nehme, wo Alles an Gemeinsamkeit erinnert.“10

Ein Entwurf eines Bundesvertrages von Anfang April 1815 sah folgende Formulierung vor: „In allen teutschen Staaten wird die bestehende landständische Verfassung erhalten, oder eine neue eingeführt, damit den Landständen das Recht der Bewilligung neuer Steuern, der Berathung über Landesgesetze, welche Eigenthum und persönliche Freiheit betreffen, der Beschwerdeführung über Verwaltungsmißbräuche, und der Vertretung der Verfassung und der aus ihr herfliessenden Rechte Einzelner zustehe. Die einmal verfassungsmäsig bestimmten Rechte der Landstände, werden unter den Schutz und die Garantie des Bundes gestellt. Allen Einwohnern ( . . . ) wird ( . . . ) das nur durch die allgemeine Pflicht der Bundesvertheidigung beschränkte Recht der Auswanderung in einen andern teutschen Staat, des Uebertritts in fremde teutsche Civil- oder Militär-Dienste, und der Bildung auf fremden teutschen Universitäten, so wie uneingeschränkte Religionsübung und Preßfreiheit zugesichert.“11

Eine Reduktionsvariante enthielt ein österreichischer Entwurf vom Mai 1815: „In allen teutschen Staaten wird die bestehende landständische Verfassung und persönliche Freiheit aufrecht erhalten, oder, wo sie dermalen nicht vorhanden ist, jetzt eingeführt und unter Schutz und Garantie des Bundes gestellt.“12 9 StACo Min G 7 fol. 34 – 35’ = Johann Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses, 1. Band, 1. Heft, S. 74 = Allgemeines Staatsverfassungs-Archiv, Erster Band, S. 229 ff.; vgl. auch die Darstellung bei Johann Ludwig Klüber, Staatsarchiv des teutschen Bundes, 1. Band, S. 49 f. Diese Erklärung wird von Alfons Ingelmann (Altständische Bestandteile, S. 3 = ders., Ständische Elemente in der Volksvertretung, S. 3) fälschlicherweise auf den 14. November 1815 datiert; die von ihm benannten angeblichen Fundstellen (ebd. S. 4) enthalten jedoch nichts, was diese Datierung stützt. 10 Abdruck bei Johann Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses, 1. Band, 3. Heft, S. 128, vgl. auch die Darstellung bei Johann Ludwig Klüber, Staatsarchiv des teutschen Bundes, 1. Band, S. 54 f. 11 Abdruck bei Johann Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses, 1. Band, 4. Heft, S. 109 f.

I. Rahmenbedingungen: Bestimmungen auf Bundesebene

355

Zur Metternichschen Formulierung sollte auf Antrag der Unterzeichner der Erklärung vom 16. November 1814 hinzugesetzt werden, daß „den Ständen die Mitberathung bei allgemeinen gesetzlichen Verfügungen, die Bewilligung der Steuern, und das Recht gemeinschaftlicher Beschwerdeführung bei dem Landesherrn zugestanden, so wie auch in den schon bestehenden Verfassungen die bereits wohlerworbenen Gerechtsame gesichert werden.“13

Ein österreichischer Entwurf vom 7. Mai 1815 sah noch umfassenden Schutz für bestehende Systeme vor: „In allen deutschen Staaten wird die bestehende landständische Verfassung und persönliche Freiheit aufrechterhalten, oder wo sie dermalen nicht vorhanden ist, jetzt eingeführt.“14

Die Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 181515 bestimmte schließlich nur noch im berühmten „dilatorischen Formelkompromiß“16 des Art. 13: „In allen Bundesstaaten wird eine landesständische Verfassung stattfinden.“17 Über den genauen Inhalt dieser Bestimmung herrschte bereits zeitgenössisch Uneinigkeit.18 Im Rahmen der Reaktionsbeschlüsse 1819 und 1829 wurde versucht, durch diesen Begriff den Erlaß repräsentativer Verfassungen zu verhindern.19 Neben dieser wohl bekanntesten Vorschrift enthielt die Bundesakte auch einen Mindeststandard für die grundrechtliche Sicherung der Deutschen.20 So enthielt der bereits erwähnte21 Art. 16 den Grundsatz der interkonfessionellen GleichAbdruck bei Johann Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses, 2. Band, S. 308 ff. Abdruck bei Johann Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses, 2. Band, S. 358, 378 = Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 9 Fußnote 4. 14 Abdruck bei Johann Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses, 2. Band, S. 304 = Friedrich Strathmann, Altständischer Einfluß auf die deutschen Territorialverfassungen, S. 131. 15 StACo Urk LA B 91 = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 10 ff. = Johann Ludwig Klüber, Staatsarchiv des teutschen Bundes, 1. Band, S. 1 ff. = Heinrich Zoepfl (Hrsg.), Corpus Iuris Confoederationis Germanicae, Zweiter Theil S. 1 ff. = Günter Dürig / Walter Rudolf (Hrsg.), Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, S. 11 ff. = Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 84 ff. – Vgl. zur Bundesakte auch StACo LReg. 1729. 16 So Hartwig Brandt, Landständische Repräsentation im deutschen Vormärz, S. 51. 17 Zur teilweise falschen Zitierweise als „landständisch“ siehe Wolf-Rüdiger Reinicke, Landstände im Verfassungsstaat, S. 115. Zu den Hintergründen dieser Formulierung siehe Wolfgang Quint, Souveränitätsbegriff und Souveränitätspolitik in Bayern, S. 463. 18 Siehe dazu Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 640 ff. sowie Judith Hilker, Grundrechte im deutschen Frühkonstitutionalismus, S. 160 ff. 19 Zu den „Karlsbader Beschlüssen“ sogleich 2.a). 20 Siehe die Zusammenstellung bei Judith Hilker, Grundrechte im deutschen Frühkonstitutionalismus, S. 154 ff. 21 Soeben D.IV.4. 12 13

356

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

behandlung und das Ziel, eine „bürgerliche Verbesserung der Bekenner des jüdischen Glaubens in Deutschland“ zu erreichen.22 Art. 18 sicherte den Untertanen die innerdeutsche Auswanderungsfreiheit und Nachsteuerfreiheit zu. Zudem sah Art. 12 eine Vereinigung von Bundesgliedern mit weniger als 300.000 Einwohnern zum Zwecke der Errichtung eines gemeinschaftlichen obersten Gerichtes vor.23

c) Gebietsgewinn für Herzog Ernst Am 25. September 1814 teilte der coburgische Gesandte von Fischler von Treuberg mit: „Se. Durchlaucht, welche auf die Freundschaft des Herrn Staatskanzlers, Fürsten von Metternich, alles bauen, werden kein Mittel unversucht lassen, um diesem grossen und gerechten Staatsmann Ihre Rechte und Opfer an das Herz zu legen.“24

Sachsen-Coburg-Saalfeld setzte nach wie vor Hoffnungen auf Beziehungen zu Metternich, Preußen und vor allem die verwandtschaftlichen Beziehungen zu Rußland. Von Fischler von Treuberg berichtete am 26. November 1814: „Der Kaiser von Rusland hat durch einen Minister erklären lassen, daß Er auf einer Entschädigung für Koburg bestehe; Fürst Metternich und Hardenberg haben sich bereitwillig gezeigt.“25

Die an sich positive Ausgangssituation für Sachsen-Coburg-Saalfeld infolge der Gegnerschaft Herzog Ernsts zu Napoleon wurde jedoch relativ schnell durch das vehemente Eintreten Ernsts für das albertinische Sachsen bedeutend verschlechtert.26 König Friedrich August von Sachsen verwahrte sich am 4. November 1814 gegen die preußisch-russische Besetzung seiner sächsischen und polnischen Lande.27 Schon am 14. Oktober 1814 hatte sich Herzog Ernst in einem Schreiben an den britischen Kongreßbevollmächtigten Lord Castlereagh für einen Erhalt Sachsens eingesetzt.28 Diese erste Parteinahme eines Mindermächtigen für Sachsen29 und die Intensität dieses Eintretens30 führte dazu, daß Sachsen-Coburg-Saal22 Zum Inhalt des Art. 16 siehe Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 414 f. 23 Zum Hintergrund dieser Bestimmung vgl. Michael Hundt, Die mindermächtigen deutschen Staaten auf dem Wiener Kongreß, S. 298 f. Zur Errichtung des gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts zu Jena unten II. 24 StACo Min G 1 fol. 3. 25 StACo Min G 1 fol. 20. 26 Zur sächsisch-polnischen Frage siehe Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 564 ff.; Eberhard Weis, Montgelas, Zweiter Band, S. 727 ff. 27 Abgedruckt bei Johann Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses, 1. Band 2. Heft, S. 1 ff. 28 Abgedruckt bei Johann Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses, 7. Band, S. 15 ff. 29 Noch nach der Abtretung von Gebietsteilen Sachsens an Preußen verwahrten sich Sachsen-Gotha-Altenburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Coburg-Saalfeld und Sachsen-Hildburg-

I. Rahmenbedingungen: Bestimmungen auf Bundesebene

357

feld auf keine preußische oder russische Fürsprache mehr rechnen konnte.31 Lediglich Metternich unterstützte noch die Forderung nach einer „Entschädigung“.32 Die verbleibenden Gebietsinteressen Herzog Ernsts bezog von Fischler von Treuberg in einem Bericht vom 14. Mai 1815 auf den „Neustädter Kreis“ – das Gebiet um Neustadt an der Orla – und die vormalige Grafschaft Henneberg.33 Mit einer Vorzugsbehandlung konnte Sachsen-Coburg-Saalfeld jedoch aufgrund der Haltung in der sächsischen Frage nicht mehr rechnen, zumal Herzog Ernst sich in einem Votum vom 31. Mai 181534 für eine Verbesserung des Zustandes der mediatisierten Gebiete, insbesondere des verwandten Leiningen, ausgesprochen hatte. Art. 49 und 50 der Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 181535, der Sachsen-Coburg-Saalfeld am 31. Juli 1815 beitrat36, wiesen letztlich nur noch auf österreichischen Druck hin37 Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Saalfeld ohne staatsrechtlichen Konnex zu Sachsen-Coburg-Saalfeld38 ein linksrheinisches Gebiet „von 60.000 Seelen“ zu.39. Wegen der weiten Entfernung zu Coburg bestanden von Beginn an Interessen an einem Austausch des Gebiets mit Preußen oder Bayern.40 Die Enttäuschung auf coburgischer Seite über die Vorgehensweise der Großmächte schilderte von Fischler von Treuberg in einem Bericht vom 3. Juli 1815: hausen ihre dahingehenden Erbansprüche gegenüber Preußen, ThStAMgn GA IX.B.4 = Michael Hundt (Hrsg.), Quellen zur kleinstaatlichen Verfassungspolitik, S. 567 ff. 30 Nach Otto Bessenrodt, Die äußere Politik der thüringischen Staaten, S. 93 ff. trat Sachsen-Coburg-Saalfeld von sämtlichen deutschen Staaten am stärksten für den Erhalt Sachsens ein. 31 Michael Hundt, Die mindermächtigen deutschen Staaten auf dem Wiener Kongreß, S. 165, 236; siehe dazu auch Otto Bessenrodt, Die äußere Politik der thüringischen Staaten, S. 120 ff., und Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 57 ff. 32 Michael Hundt, Die mindermächtigen deutschen Staaten auf dem Wiener Kongreß, S. 236. 33 StACo LA A 6231; siehe auch Michael Hundt, Die mindermächtigen deutschen Staaten auf dem Wiener Kongreß, S. 236. 34 Abgedruckt bei Johann Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses, 2. Band, S. 449. 35 Abgedruckt bei Johann Adolph von Schultes, Sachsen- Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 124 = Johann Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses, 6. Band, S. 1 ff. 36 Abdruck der Beitrittsurkunde bei Johann Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses, 9. Band, S. 289 ff. 37 Siehe dazu Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 60. 38 Eine derartige getrennte Verwaltung neuerworbener Gebiete existierte beispielsweise auch in Württemberg nach 1805, siehe dazu Alfons Ingelmann, Ständische Elemente in der Volksvertretung, S. 131. 39 Zu den Hintergründen siehe auch Johann Adolph von Schultes, Sachsen- Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Dritte Abtheilung, S. 125 ff., vgl. auch Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 578, 582. 40 Siehe dazu StACo Min G 809 fol. 68 – 69’; Min J 102; LA A 6231; zusammenfassend Erich Keerl, Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 185 ff.; 191 f.

358

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

„Durch die Erhaltung Sachsens wurde unseren Negotiationen der Schuz zweier mächtiger Höfe entzogen; indessen bestand Österreich und Frankreich auf einer Vergrößerung von 60 / m Seelen; diese Seelenzahl war auf dem linken Rheinufer schon ausgeschieden, und sollte gegen Henneberg und Neustadt an Preussen zum Besten Koburgs ausgetauscht werden!! . . . In keinem der früheren Unterhandlungen war von einer Vergrösserung der Herrzoge von Meklenburg und Oldenburg, ebensowenig so wenig war von einer Entschädigung des Herrn Grafen von Pappenheim die Rede gewesen; Rußland unterstüzte die beiden Ersteren, Preussen den letzteren – und man nahm Vergrösserung und Entschädigung von der Koburgischen Masse, ohne die Weimarische zu berühren!“41

Aus der bis dato von Preußen treuhänderisch verwalteten Masse42 wurde infolge Vertrags vom 9. September 1816 das vertraglich zugesicherte Territorium, das aus den Kantonen Grumbach, Baumholder, St. Wendel und Teilen der Kantone Kusel, Tholey und Ortweiler bestand43, an Herzog Ernst übergeben.44 Den Namen „Fürstentum Lichtenberg“ erhielt es erst durch eine spätere Verordnung.

d) Bemühung um den Großherzogstitel Herzog Ernst strebte schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts erfolglos den Titel eines Großherzogs an.45 Der Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach teilte am 6. April 1815 den übrigen Bundesstaaten mit, daß er einen derartigen Titel angenommen habe.46 Der Versuch Sachsen-Coburg-Saalfelds zusammen mit den verbleibenden sächsischen Häusern, die Bezeichnung „Großherzog“ neben dem Prädikat „Königliche Hoheit“ zu erlangen47, ließ sich jedoch nicht verwirklichen, da sowohl der Kurfürst von Hessen-Kassel als auch der Großherzog von Hessen-Darmstadt ebenfalls Interesse an einer solchen Prädikatisierung hatten, die großen europäischen Fürstenhäuser aber keine Bereitschaft mehr zur Anerkennung der Annahme neuer Titel zeigten.48 Nach längeren Unterhandlungen mit Vertretern der Großmächte49 unter Einflußnahme der verwandten Häuser von Großbritannien und StACo Min G 1 fol. 58’ (die Hervorhebungen entstammen dem Original). StACo Min G 1 fol. 58’, 59. 43 Beschreibung siehe Besitzergreifungspatent vom 11. September 1816, abgedruckt bei RIBl. Nr. 38 vom 21. September 1816, Sp. 501 f. 44 StACo Urk LA A 935. 45 Siehe dazu oben C.IV.3. 46 Johann Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses, 2. Band, S. 198 f. 47 ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Neuer Bestand Loc. J Tit. 6 Nr. 1 vor fol. 1 – fol. 38. Vgl. dazu die Darstellung bei Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 100. 48 ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Neuer Bestand Loc. J Tit. 6 Nr. 1 fol. 39. 49 Siehe dazu StACo LA A 58, StACo LA A 59 in toto. – Auch Metternich schrieb in einem Brief vom 19. Mai 1820 an Herzog Ernst, daß er die „Titularsache ( . . . ) in der lezten Plenar-Sitz. mit einem Antrag von Seite S. M. des Kaisers vorgebracht“ habe, jedoch fast alle 41 42

I. Rahmenbedingungen: Bestimmungen auf Bundesebene

359

Belgien50 konnte erst am 20. April 1844 bekanntgemacht werden, daß Herzog Ernst II. sowie die Herzöge von Sachsen-Meiningen und Sachsen-Altenburg durch Hausbeschluß vom 10. April 1844 das Prädikat „Hoheit“ angenommen hatten.51

2. Einengung der Rahmenbedingungen durch die Reaktion 1819 / 1820 a) Die Karlsbader Beschlüsse vom 20. September 1819 Nach Vorbereitung auf einer Ministerialkonferenz vom 6. bis 31. August 1819 in Karlsbad verabschiedete der Bundestag am 20. September 1819 vier Gesetze52, die eine Reglementierung der Universitäten und der Presse, die Einrichtung einer zentralen Bundesbehörde zur Untersuchung revolutionärer Umtriebe in den einzelnen Bundesstaaten und eine vorläufige Exekutionsordnung, die das Einschreiten des Bundes gegen Mitgliedsstaaten oder auch in Mitgliedsstaaten selbst ermöglichte, beinhalteten. 53 Gleichzeitig wurde versucht, dem in seinem Inhalt umstrittenen Begriff der „landesständischen Verfassung“ in Art. 13 der Deutschen Bundesakte54 eine verbindliche Auslegung dahingehend zukommen zu lassen, wonach unter der Bezeichnung „landesständisch“ ausschließlich eine (alt-)ständische, nicht jedoch eine repräsentative Verfassung verstanden werden sollte, so daß nicht moderne konstitutionelle Zustände herausgebildet, sondern altständisch-überkommene Verhältnisse gesichert und wiederhergestellt55 sowie die „demokratischen Gesandten Berichterstattung bei den jeweiligen Höfen bzw. direkte Verhandlungen der Herzöge zu Sachsen mit den jeweiligen Höfen bevorzugten, Autographen-Sammlung der Veste Coburg, I.A.2. Metternich, 0 / 2, unpag. 50 Siehe Instruktion an Erbprinz Ernst, StACo LA A 59 fol. 4 – 5, und die Übersetzung eines Schreibens des britischen Außenministers Lord Aberdeen an Prinzgemahl Albert vom 23. Oktober 1842 bei StACo LA A 59 fol. 6 – 8’. 51 RIBl. Nr. 16 vom 20. April 1844, Beilage = GS 1840 – 1844, S. 499 f. – Zu weiteren Hintergründen siehe Ernst II., Aus meinem Leben und meiner Zeit, Erster Band, S. 116 ff. und Elisabeth Scheeben, Ernst II., S. 69 ff. 52 Abdruck bei Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 101 f. („Provisorischer Bundesbeschluß über die in Ansehung der Universitäten zu ergreifenden Maßregeln“), 102 ff. („Provisorische Bestimmungen hinsichtlich der Freiheit der Presse“), 104 ff. („Beschluß betreffend die Bestellung einer Centralbehörde zur nähern Untersuchung der in mehreren Bundesstaaten entdeckten revolutionären Umtriebe“), bei RIBl. 1819, S. 631 ff. und bei August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band II S. 5 ff. 53 Wilhelm Mößle, Restauration und Repräsentativverfassung, S. 63. – Zu Entwicklung, Hintergründen und Folgen siehe Eberhard Büssem, Die Karlsbader Beschlüsse, in toto, und Wilhelm Mößle, Restauration und Repräsentativverfassung, S. 74 ff. 54 Siehe dazu soeben 1.b). 55 Grundsätzlich Friedrich Gentz, Über den Unterschied zwischen den landständischen und Repräsentativ-Verfassungen, in toto, entstanden als vorbereitendes Gutachten zur Karlsbader Konferenz. – Vgl. zu dieser Frage Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den

360

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Umtriebe“ bekämpft werden sollten.56 Gegen vereinzelte Widerstände der süddeutschen Staaten57 wurden die Souveräne zur Durchführung der Zensur verpflichtet und im Rahmen eines unmittelbaren Durchgriffs in die Gesetzgebungshoheit der Staaten die dort vereinzelt gewährte Preßfreiheit aufgehoben.58 Im Rahmen der Umsetzung dieser Beschlüsse wurde beispielsweise in Sachsen-Weimar-Eisenach die Gewährleistung der Preßfreiheit durch die Verordnung gegen Preßmißbräuche vom 6. April 1818 und das folgende Gesetz vom 18. Mai 1819 faktisch unterdrückt.59 b) Die Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820 Nach Anlaufen des Verfassungsprozesses in Sachsen-Coburg-Saalfeld60 änderten sich die Rahmenbedingungen auf gesamtdeutscher Ebene durch die am 8. Juni 1820 von der Bundesversammlung einstimmig angenommene Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820.61 Sie setzte insbesondere fest, daß der Bund über die Erfüllung der Verbindlichkeit aus Art. 13 der Deutschen Bundesakte, nämlich dem Erlaß einer landesständischen Verfassung, zu wachen hatte (Art. 54).62 Den Landesherren wurde jedoch bei der „Ordnung der inneren Verhältnisse“ weitestgehende Freiheit eingeräumt (Art. 55), wobei bestehende Verfassungen nur auf verfassungsmäßigem Weg wieder abgeändert werden durften (Art. 56). Die Verfassungen konnten die Verpflichtungen gegenüber dem Bund nicht beschränken (Art. 58). Richtschnur der einzelstaatlichen Verfassunggebung wurde Art. 57, der das monarchische Prinzip gewährleistete: Die gesamte Staatsgewalt mußte im Staatsoberhaupt vereinigt bleiben, der Landesherr konnte nur bei der Ausübung einzeln bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden werden.63 Art. 60 setzte schließlich fest, daß der Bund die Garantie für die Verfassungen einzelner Länder übernehmen konnte. Landständen, S. 234 ff.; Hartwig Brandt, Landständische Repräsentation im deutschen Vormärz, S. 51 ff.; Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 304 ff.; Wilhelm Mößle, Restauration und Repräsentativverfassung, in toto; Hans Boldt, Deutsche Staatslehre im Vormärz, S. 20 ff. 56 Zu Hintergründen und Beschlußfassung siehe Christoph Sowada, Die „Demagogenverfolgung“, S. 384 ff., und Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 732 ff.; S. 739 ff. 57 Wolfgang von Rimscha, Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus, S. 156 f. 58 Siehe dazu Eberhard Büssem, Die Karlsbader Beschlüsse, S. 312 f. 59 Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 327 ff.; Eberhard Büssem, Die Karlsbader Beschlüsse, S. 92 f. 60 Siehe dazu sogleich III. 61 Abgedruckt bei Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 15 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 23 ff. = Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 91 ff. = Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 210 ff. 62 Zum komplexen System der durch Art. 57 beschränkten Verfassungsautonomie siehe Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 651 f.

II. Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Jena

361

Dieser Vorschriftenkomplex überließ nach wie vor dem Landesherrn den – möglichen – Rückgriff auf frühere regionale Eigenheiten. Von Bundes wegen war lediglich das monarchische Prinzip zu berücksichtigen, eine weitergehende Intervention des Bundes blieb zwar möglich, aber nicht hinsichtlich des geschriebenen Verfassungstextes.

II. Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Jena Der einzige Schritt zur Verwaltungsvereinfachung und Zusammenarbeit der thüringischen Staaten für mehrere Jahrzehnte sollte die Errichtung des gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts in Jena bleiben. Bereits 1814 hatte der sachsen-weimarische Minister Ernst Christian August Freiherr von Gersdorff, wohl auf gesamtwettinischen bzw. thüringischen Überlegungen der Jahre 1806 und 1807 / 180864 fußend65, vorgeschlagen, ein gemeinschaftliches Oberappellationsgericht als allgemeine letzte Instanz – zweite Instanz für Schriftsassen und dritte Instanz im übrigen – mit Sitz in Jena anstelle des bis dahin dort bestehenden gemeinsamen gemeinschaftlichen ernestinischen Hofgerichts66 zu errichten.67 Art. 12 der Deutschen Bundesakte sah schließlich vor, daß diejenigen Bundesglieder, deren Besitzungen nicht eine Volkszahl von 300.000 Seelen erreichten, sich mit den ihnen verwandten Häusern oder anderen Bundesgliedern zum Zwecke der Errichtung eines gemeinschaftlichen obersten Gerichtes vereinigten. Bei einer Konferenz der fünf ernestinischen Staaten vom 25. – 27. August 1815 in Liebenstein über Bundesangelegenheiten68 zeigten sich die Bevollmächtigten bereits einig über die baldige Errichtung eines Oberappellationsgerichts in Jena 63 Zum Inhalt dieser Vorschrift siehe Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 652 ff.; zur Rezeption aus der Präambel der Charte constitutionelle Hasso Hofmann, Repräsentation, S. 416. 64 Vgl. den Vorschlag von Sachsen-Gotha-Altenburg für den Bereich der ernestinischen Staaten (1806) bei StACo Min N 1 fol. 2 – 14 und den weimarischen Vorschlag für Gesamtthüringen (1808) ebd. fol. 23 – 47, dazu siehe auch oben B.VII.1.c). – In Sachsen-CoburgSaalfeld tauchte der Vorschlag eines gesamtsächsischen Oberapppellationsgerichts erstmals in einem Gutachten Arzbergers von 1807 – siehe dazu oben C.II.4.c) – auf; Gruner schlug 1808 ebenfalls ein gemeinsames Oberapppellationsgerichts für die ernestinischen Staaten vor, siehe oben C.II.5.d). 65 Vgl. dazu Ulf Häder, Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten, S. 14 ff., 133 ff., sowie Gerhard Lingelbach, Vom Schöppenstuhl zum Oberlandesgericht, S. 28 ff. 66 Zur Begründung des Hofgerichts Jena im Jahre 1566 vgl. Gerhard Lingelbach, Vom Schöppenstuhl zum Oberlandesgericht, S. 20. 67 StACo Min G 7 fol. 5, 5’. 68 Konferenzprotokoll bei StACo Min G 9 fol. 50 – 66’.

362

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

„als dem dazu passendsten Orte“.69 Nach weiteren Konferenzen in Jena über dieses Thema vom 2. März bis zum 12. April70 sowie vom 19. September bis zum 6. November 181671 wurde am 8. Oktober 1816 der Vertrag zwischen den ernestinischen Häusern über die Errichtung des gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts in Jena72 abgeschlossen. Die reußischen Staaten traten diesem Vertrage mit Akzessionsvertrag vom 8. Oktober 1816 bei.73 Die schwarzburgischen Staaten, denen der Beitritt ebenfalls angeboten wurde, schlossen sich jedoch dem Oberappellationsgericht Zerbst an. Der „für ewige Zeiten“ abgeschlossene Vertrag sollte „mit dem Eintritte des Jahres 1817 in Wirksamkeit“ treten. Für das Gericht wurde unter dem gleichen Datum eine Gerichtsordnung erlassen.74 Diesem Beispiel folgten mehrere andere Staaten durch die Einrichtung von Oberappellationsgerichten nach Art. 12 der Bundesakte: Hinzu traten Zerbst (seit 1817 für die schwarzburgischen und anhaltinischen Staaten)75, Wolfenbüttel (seit dem 2. Januar 1817 für Braunschweig, Waldeck, Pyrmont, Lippe und Schaumburg-Lippe)76, seit 1818 ein Oberappellationsgericht für die beiden mecklenburgischen Staaten und ab 1820 Lübeck (für die vier freien Städte Bremen, Frankfurt, Hamburg und Lübeck).77

StACo Min G 9 fol. 61. Instruktion für den coburgischen Gesandten bei StACo Min N 1 fol. 119 – 133’. Protokolle bei ThStAGo Staatsministerium Departement 2 Loc. 2 Nr. 4 fol. 118 – 353 = ebd. Nr. 5, unfol. Vgl. auch Ulf Häder, Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten, S. 24 ff., 28 ff. 71 Instruktion für den coburgischen Gesandten bei StACo Min N 2 fol. 34 – 37; Protokolle bei StACo Min N 2 fol. 75 – 173’ sowie StACo Min N 3 fol. 2 – 13’, 33 – 58 = ThStAGo Staatsministerium Departement 2 Loc. 2 Nr. 5, unfol. sowie ebd. Nr. 6 fol. 1 – 53’; vgl. auch Ulf Häder, Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten, S. 36 – 38. 72 ThStAGo Staatsministerium Dep. 2 Loc. 2 Nr. 3, unfol. = Ulf Häder, Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten, S. 143 ff., Ratifikationsurkunden bei ThStAGo Geheimes Archiv QQ.K. Nr. XXII. 73 ThStAGo Staatsministerium Dep. 2 Loc. 2 Nr. 3, unfol. = Ulf Häder, Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten, S. 145 f. 74 ThStAGo Staatsministerium Dep. 2 Loc. 2 Nr. 3, unfol. = RIBl. Nr. 16 vom 19. April 1817, S. 203 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VII S. 128 ff. = Nachträgliche Aktenstücke der deutschen Bundes-Verhandlungen, Zweyter Band, S. 33 ff. 75 Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 4. Band, S. 66 ff. 76 Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 1. Band, S. 263 ff. 77 Siehe dazu Boto Kusserow, Das gemeinsame Oberappellationsgericht der vier freien Städte Deutschlands, in toto, zur Errichtung ebd. S. 60. 69 70

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

363

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815 1. Anknüpfen an frühere Planungen a) Neue Verfassungsinitiative Gruners In einem Schreiben vom 8. Juli 181578 knüpfte Gruner direkt an die früheren Planungen seinerseits und Kretschmanns an. Auf seinen Vorstellungen beruhte ein herzogliches Reskript an die Landesregierung vom 21. Juli 181579, in dem unter Bezugnahme auf Art. 13 der Bundesakte die Erstellung eines Gutachtens darüber abverlangt wurde, „wie dem Geiste der Zeit und dem Wohl des Fürsten und der Unterthanen am zweckmäßigsten und dauerhaftesten die ständische Verfaßung herzustellen sey. Die Sicherstellung des Eigenthums und der Rechte der Unterthanen gegen ungerechte Gewalt und Willkühr, dabey aber auch die Aufrechthaltung des zur Ordnung des Ganzen so nothwendigen, ungestörten Ganges der Hoheitsrechte ist die gewichtvolle Aufgabe, um welche es hier gilt.“80

Nach Ansicht Gruners sollten die landschaftlichen Angelegenheiten zudem künftig wieder bei der Landesregierung ressortieren, da „dieser Weg der Beste sey, auf diesem kann das Ministerium am besten seine Unbefangenheit zeigen.“81 Neben einem Schutz der iura quaesita wollte Gruner – wohl auch aufgrund der Erfahrungen Kretschmanns – einen unmittelbaren Kontakt des Ministeriums mit der Landschaft vermeiden, um diesem eine Vermittlerposition im Streitfall zu ermöglichen.

b) Ausgangssituation: Gutachten der Landesregierung aa) Arbeiten Schultes’ Ein erstes Gutachten von Landesregierungsdirektor82 Johann Adolph von Schultes datiert vom 13. September 1815.83 In diesem wurde im wesentlichen die historische Entwicklung der landschaftlichen Verfassung dargestellt. Für eine neue Verfassungsurkunde wurde folgende Regelung vorgeschlagen: StACo Min J 239 fol. 6 – 7’. StACo LReg. 254 fol. 1, 1’ = StACo Min J 239 fol. 8 – 10’. 80 StACo LReg. 254 fol. 1’ = StACo Min J 239 fol. 9’. 81 StACo Min J 239 fol. 6’. 82 Nicht mehr „Landesregierungsrat“, wie Karl Bohley behauptet (Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 85). Vgl. auch Schultes’ Kurzautobiographie, in: Beylage zu RIBl. Nr. 26 vom 24. Juni 1820. 83 StACo LReg. 254 fol. 3 – 37. 78 79

364

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Der Landschaft sollte künftig aus sämtlichen Rittergutsbesitzern Sachsen-Coburg-Saalfelds, den durch die Leiter der Kollegien vertretenen Städten sowie aus je einem von allen Untertanen zu wählenden Vertreter der Ämter Coburg, Neustadt, Rodach, Themar, Saalfeld und Gräfenthal – also Repräsentanten bestimmter Territorien – bestehen. Dieses Kollegium sollte einen Landschaftsdirektor und für eine Periode von sechs Jahren einen aus diesem und weiteren drei Deputierten bestehenden Engeren Ausschuß wählen. Für die Mitglieder des Engeren Ausschusses sollte Anwesenheitspflicht im Lande bestehen. Grundsätzlich sei die Errichtung zweier getrennter Landschaften für Coburg und Saalfeld zu bevorzugen. Die Kompetenzen der Landstände sollten auf das umfassende Steuerbewilligungsrecht sowie eine konsultative Stimme hinsichtlich der Vorberatung aller Landesgesetze beschränkt sein. Hinzutreten sollte ein Initiativrecht hinsichtlich Einführung neuer und Abänderung bestehender Gesetze. bb) Gutachten Lotz’ In seinen Anmerkungen vom 9. Oktober 181584 wandte sich Landesregierungsrat Johann Friedrich Eusebius Lotz85 gegen das „Unwesen der landschaftlichen Gravamina“ die häufig nur auf das Privatinteresse einzelner Landstände begründet waren; ein derartiges Vorgehen sei jedoch einer tatsächlichen Volksrepräsentation fremd. Infolgedessen sollten Form und Organisation einer künftigen Volksrepräsentation völlig anders sein als es bei der bisherigen landschaftlichen Verfassung der Fall war. „In ihrer bisherigen Gestaltung erschien das landschaftliche Wesen nur als eine Ausbildung und eigene Gestaltung des Feudalaristokratismus, der, unter dem Schutze der auf die Ausbildung der landesherrlichen Macht eifersüchtigen kaiserlichen Autorität, mehr darauf ausging, die landesherrliche Macht zum Besten des Privatinteresses einzelner Classen der Unterthanen zu beschränken, und ihrer dem Wesen des bürgerlichen Vereins angemeßene Wirksamkeit in den Weg zu treten, als das Wirken der öffentlichen Macht für das allgemeine Beste zu erleichtern, das allgemeine Wohl fester zu begründen, und dem Staatswesen die Festigkeit und Dauer und dem Ganzen die Harmonie zu geben, ohne welche sein Gedeihen ganz unmöglich ist. Darum können auch ( . . . ) die Volksrepräsentanten nicht bloß nur mehr gesucht werden, in den früherhin mit Landstandschaft versehenen Rittergutsbesitzern und Magistraten der Städte, sondern die Repräsentanten müssen gewählt werden aus der ganzen Masse des Volks, der Rittergutsbesitzer, der Einwohner der Städte und des platten Landes, und zwar so daß dabey auf die Bevölkerung der einzelnen Landesdistrikte zunächst Rücksicht zu nehmen seyn müßte.“86

Diese Kompromißlösung zwischen dem altständisch-feudalistischen Gedanken der geborenen Landstandschaft und dem modernen Repräsentationsgedanken sollte StACo LReg. 254 fol. 38 – 62’. Zu den wissenschaftlichen Ideen Lotz’ siehe Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Zweiter Band, S. 252 f. 86 StACo LReg. 254 fol. 40, 40’. 84 85

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

365

für die künftige Verfassunggebung bestimmend bleiben. Die Einteilung zwischen geborenen und gewählten Landständen stellte sich Lotz wie folgt vor: ➢ Die Rittergutsbesitzer sollten – mit nur einer Stimme bei Besitz auch mehrerer Gu¨ter – „gleichsam das Corps der gebohrnen Volksrepra¨sentanten bilden, wie es in England und Frankreich durch die Pairs gebildet wird.“87 ➢ Hinzutreten sollten gewa¨hlte Vertreter nach folgendem Schlu¨ssel:  Stadt Coburg 8  Stadt Saalfeld 5  Stadt Pößneck 4  Amt Coburg 9  Amt Saalfeld 7  Stadt und Amt Neustadt 6  Stadt und Amt Rodach 6  Stadt und Amt Themar 5  Stadt und Amt Gräfenthal 8 Die Sonderstellung der Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck begründe sich daraus, daß nur diesen „der für ein städtisches Wesen eigentümliche Charakter“ zukomme, die Einwohner der übrigen Städte stünden mit den Untertanen der Ämter in einem „näheren genossenschaftlichen Bande“. Die Bildung von zwei Kammern für die Gruppen der geborenen und gewählten Stände sei nicht notwendig, da der Sinn der gesamten Repräsentation nur in der „Förderung des allgemeinen Besten“ zusammen mit der Regierung liege. Aus dem gleichen Grund sei auch Schultes’ Vorschlag der Beibehaltung zweier getrennter Vertretungskörper für Coburg und Saalfeld abzulehnen. Eine Stimmrechtsübertragung sollte in jedem Falle ausgeschlossen bleiben. Für die laufenden Fälle, in denen nicht die Willensbildung der Gesamtheit notwendig ist, sollte abermals ein Ausschuß aus etwa acht geborenen und gewählten Repräsentanten aus der Mitte der Volksvertretung in freier Wahl gebildet werden. Vorzüge sollten weder geborenen noch gewählten Repräsentanten zustehen, auch eine Zusammensetzung aus Mitgliedern aus verschiedenen Distrikten des Landes müsse nicht vorgeschrieben werden. Dem Ausschuß sollte auch ein Direktor und ein Syndikus, deren Wahl landesherrlicher Bestätigung bedurfte, angehören. Eingaben des Ausschusses sollten der Unterschrift seiner sämtlichen Mitglieder bedürfen. Als Wahlperiode für Ausschuß und Volksrepräsentation schlug Lotz die Dauer von drei Jahren vor. Voraussetzung für die Teilnahme an der Wahl sollte neben der Volljährigkeit und der Inhaberschaft des Bürger- oder Nachbarrechts88 die AnsäsStACo LReg. 254 fol. 40’. Zum Wesen des Nachbarrechts als „Bürgerrecht in der Landgemeind“ siehe Bernd Schildt, Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft, S. 144 ff. und Art. 28 des Gemeindegesetzes für das Herzogthum Coburg vom 22. Februar 1867 (GS XXV, 681 ff.). 87 88

366

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

sigkeit mit einem Hause in Stadt oder Land oder die Zugehörigkeit zu einer Zunft oder Innung sein, alternativ kamen bestimmte Positionen in staatlichen, kirchlichen oder städtischen Diensten in Betracht. Ausgeschlossen sollte bleiben, wer sich eines mit Zuchthaus zu bestrafenden Verbrechens schuldig gemacht hatte. Jedem Wahlberechtigten sollte nur eine Stimme an seinem tatsächlichen Wohnsitz zukommen, eine Mitwirkung der Rittergutsbesitzer sollte ausgeschlossen bleiben. Der Ausschluß der Rittergutsbesitzer vom Wahlrecht der übrigen Landstände entspricht einem Grundgedanken der Repräsentation, wie er auch heute noch in Großbritannien zu finden ist, wo die Mitglieder des Oberhauses kein Recht zur Teilnahme an der Wahl des Unterhauses haben.89 Wählbar sollte nur „ein völlig unbescholtener Mann von wenigstens Dreyssig Jahren seyn, der nicht nur die Eigenschaften besitzen müßte, von welchen die Theilnahme an der Wahl der Repräsentanten abhängig ist, sondern außerdem auch ein Vermögen an Grundeigenthum Gewerbsfonds oder Capitalien von wenigstens fünf Tausend Gulden Rhein. besitzen muß und übrigens den Ruf der Rechtlichkeit und Gewissenhaftigkeit in allen seinen Verhältnissen vor sich hat.“90

Ausgeschlossen sein sollte bereits derjenige, der eines Verbrechens, das mit mindestens vierwöchiger Gefängnisstrafe bedroht war, angeklagt worden war, ohne wegen erwiesener Unschuld freigesprochen worden zu sein, sowie ausländische und einheimische Hof- und Staatsdiener, da Volksvertretung mit dem öffentlichen Amt unvereinbar sei. Die gleichen Anforderungen wie für die gewählten sollten auch für die geborenen Repräsentanten gelten. Eine Wiederwahl sollte ausdrücklich für zulässig erklärt werden, jede Beeinflussung durch Behörden sollte untersagt sein. Im Falle des Todes oder einer strafbaren Handlung eines Repräsentanten sollte die Stimme bis zum nächsten Wahlgang ruhen. Auch Rittergutsbesitzer sollten als Repräsentanten wählbar sein, dies hatte jedoch den Verlust der geborenen Mitgliedschaft für die Dauer des Mandats zur Folge. Eine ähnliche Situation bestand ab 1963 in Großbritannien, wo ein geborenes Mitglied des Oberhauses nach (lebenslang wirkendem) Verzicht auf seine Mitgliedschaft in das Unterhaus wählbar war.91 Eine Mitwirkung der Volksrepräsentation an der Staatsgewalt müsse auf diejenigen Fälle beschränkt bleiben, in denen es um die Aufstellung neuer Grundsätze für den gesamten Staat gehe. Daher komme eine landschaftliche Mitwirkung nur im Rahmen einer beratenden Stimme bei der Gesetzgebung in Betracht. Der Bereich der Verwaltung müsse frei von jeder Mitwirkung der Stände sein. 89 Siehe dazu Karl Loewenstein, Staatsrecht und Staatspraxis in Großbritannien, Band I, S. 101. 90 StACo LReg. 254 fol. 44. 91 Siehe dazu Karl Loewenstein, Staatsrecht und Staatspraxis in Großbritannien, Band I, S. 246 f.

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

367

Nur bei Verfassungsänderungen – da die Verfassung trotz Oktroi als Vertrag aufzufassen sei – und Finanzgesetzen sollte gelten, daß jedes Gesetz der Zustimmung der Volksrepräsentation bedürfe und daß keine öffentliche Abgabe erhoben werden dürfe, wenn diese nicht von der Volksrepräsentation bewilligt worden sei. Dies beruhe jedoch nicht auf einer Verpflichtung, sondern auf politischer Rücksicht gegenüber den Landständen. Infolgedessen müsse jedoch den Repräsentanten auch ein Überwachungsrecht über die öffentlichen Mittel insgesamt, vor allem jedoch über die landesherrlichen Domänen eingeräumt werden, da deren Ertrag eine der Hauptquellen des Staatseinkommens bilde und mithin von der Qualität ihrer Bewirtschaftung die Höhe der Abgaben unmittelbar abhänge. Zur Aufnahme neuer Schulden sollte die Einwilligung der Stände erforderlich sein, im Gegenzug sollte ihnen auch die Prüfung der Haushaltspläne obliegen. Die Veräußerung von Domänen sollte ebenfalls nur mit ständischer Einwilligung möglich sein, denn diese seien nicht als Privateigentum des Landesherrn, sondern als Teil des Staatsvermögens anzusehen. Daher solle die Aufteilung zwischen der Hauptdomänenkasse und der Landes- und Kriegskasse beendet und alle öffentlichen Finanzen in einer einzigen allgemeinen Landeskasse zusammengefaßt werden. Die früheren Bedenken gegen eine solche Vereinigung bestünden nicht mehr, da nach dem Sturz Napoleons keine Mediatisierung der Kleinstaaten mehr drohe. Zur Sicherung der ständischen Rechte im finanziellen Bereich sollten Landesschuldverschreibungen sowie Urkunden über die Veräußerung von Staatsvermögen einer Gegenzeichnung des Ausschusses bedürfen. Einberufungs- und Initiativrecht sollten beim Landesherrn verbleiben. cc) Bericht der Landesregierung Lotz’ Ausarbeitungen bildeten die Grundlage für das Gutachten der Landesregierung. Im Rahmen der Beratungen dieser Behörde wurde nur beanstandet, daß der Volksrepräsentation ein zu großes Mitspracherecht bei der Finanzverwaltung eingeräumt werden sollte.92 Der Bericht der Landesregierung vom 6. Dezember 1815 ging am 19. Januar 1816 beim Ministerium ein.93 Er beruhte lediglich in der historischen Herleitung auf den Arbeiten Schultes’, während die Vorschläge denjenigen Lotz’ entsprachen. Lediglich auf dem Konzept des Berichts wurde vermerkt, daß er hinsichtlich der Schaffung einer einheitlichen Landeskasse nicht der Stimmenmehrheit der Landesregierung entspreche.94

92 93 94

StACo LReg. 254 fol. 64 – 65. StACo Min J 239 fol. 11 – 70 = StACo LReg. 254 fol. 69 – 127. StACo LReg. 254 fol. 127.

368

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

c) Wünsche der vormaligen Landstände aa) Saalfeld In einem am 16. März 1816 eingegangenen Schreiben vom 9. März 181695 beriefen sich die Mitglieder der bisherigen saalfeldischen Landschaft auf die Versicherungsurkunde vom 31. Oktober 180596 sowie das herzogliche Reskript vom 26. Juli 180897, worin der saalfeldischen Landesportion die Errichtung einer landständischen Verfassung nach altenburgischem Muster bzw. die Einführung einer Constitution überhaupt sowie die Bewahrung der althergebrachten landschaftlichen Rechte zugesichert wurde. Die Landstände erklärten hierzu, daß sie sicherlich nicht mehr an der zugesicherten Verfassung nach altenburgischem Vorbild festhalten wollten, soweit die Änderung der Verhältnisse neuartige Regelungen erforderte. Die Errichtung einer neuen Verfassung sollte jedoch mit ausdrücklicher Zustimmung der bisherigen Landschaft geschehen. Einer Vereinigung mit der coburgischen Landschaft stehe man zudem nicht abgeneigt gegenüber. bb) Coburg In weitaus konservativerem Ton ist ein auf den 28. Dezember 1815 datiertes Schreiben coburgischer Rittergutsbesitzer gehalten, das am 23. März 1816 beim Ministerium eintraf.98 Diese beschwerten sich gegen die Heranziehung zu Kriegslasten, damit die „verfaßungsmäßigen Guts- Eigenthums- und Standesverhältniße“99 nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Durch dieses Vorgehen könnten „unsere Ansprüche auf Schutz und Vertretung unserer im und durch den Staat, durch gesetzliches Herkommen, durch Landes- und Privatverträge, Fürstenwort, Concessionen und Bestätigungen verfassungsmäßig wohl hergebrachten Rechte und Verhältnisse offenbar verkannt und gefährdet werden können.“100

Andererseits wurde jedoch auch betont, „daß wir, wenn wir die Anwendung der Grundsätze der überrheinischen Freiheits- und Gleichheitslehrer von uns abzuweisen suchen, damit nie gemeint seyn können und wollen, einer vernünftigen und verfaßungsmäßigen Gleichheit vor dem Gesetze zu entgehen.“101

Das Ziel der Rittergutsbesitzer bestand klar in der Beibehaltung und Wiederherstellung der „althergebrachten“ Verhältnisse: 95 StACo Min J 239 fol. 102 – 108’ = StACo LReg. 254 fol. 137 – 143; ein größtenteils identischer Entwurf vom 23. Dezember 1815 bei StACo Landtag 46 fol. 3 – 7’. 96 Siehe dazu oben B.V.5.a). 97 Siehe dazu oben B.V.3.a). 98 StACo Min J 239 fol. 109 – 124’. 99 StACo Min J 239 fol. 110. 100 StACo Min J 239 fol. 110’. 101 StACo Min J 239 fol. 111, 111’.

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

369

„Wir glauben es ( . . . ) aber freymüthig bekennen zu müssen, daß auch wir sehnlichst wünschen, unsern Wohlstand, oder ( . . . ) doch den Wohlstand unserer Nachkommen in der wohlthätigen Verfaßung des Landes wieder suchen und von Eurer Herzoglichen Durchlaucht demüthigst reclamiren zu können, in derjenigen Verfaßung nemlich, welche von unsern Vorfahren angeerbt ist und den Zustand des Rechts aller Staatsbewohner zusammen, zugleich aber auch die wohlhergebrachten Eigenthums- und Besitz-Rechte einzelner Individuen oder ganzer Stände und Volksklaßen berücksichtiget.“102

Deutlich wurde die „Restitution der landschaftlichen Verfaßung und eine auf diese Verfaßung gegründete freye und ungezwungene Verhandlung“103 unter Berufung darauf, „daß nichts gefährlicher für die Ruhe und die Wohlfahrt eines Landes seyn könne, als die Störung einer guten Meinung von den Rechten der Stände; und daß nichts geschickter sey, Spaltungen der Gemüther; Mißtrauen, Gehäßigkeit Lüsternheit nach neufränk. Gleichheit und Freyheit und alle jene Gemüthsabarten zu erzeugen, die uns die Afterbeglückungsperiode der Franzosen in ihrer ganzen Abscheulichkeit gezeigt hat“104,

gefordert. Auch müsse die in ganz Deutschland hergebrachte Steuerfreiheit insbesondere des landsässigen Adels wiederhergestellt werden, da „nach bekannter allgemeiner deutscher Staatsverfaßung kein deutscher Mann ohne seinen guten Willen besteuert werden konnte.“105

cc) Bewertung der ständischen Aktivitäten Aus der vorstehenden Eingaben wurde bislang teilweise der Schluß gezogen, daß als Initiatoren der coburgischen Verfassunggebung in starkem Maße die ehemaligen Landstände106 anzusehen seien.107 Dem ist zwar zuzugeben, daß insbesondere die ritterschaftlichen Mitglieder der vormaligen coburgischen Landschaft eine Wiedereinsetzung in ihre frühere Rechtsposition erstrebten, diese Interessen waren jedoch nicht Auslöser für die Verfassungsdiskussion. Die Behauptung einer Urheberschaft der vormaligen Landstände sucht lediglich, konservative Züge der coburgischen Verfassung von 1821 durch eine derartige Einflußnahme zu begründen. Dabei werden freilich nicht nur Kretschmanns Verfassungsinitiativen von 1804 (gerade gegen die alte Landschaft)108 und 1807109 sowie Gruners Planungen StACo Min J 239 fol. 111’, 112. StACo Min J 239 fol. 112, 112’. 104 StACo Min J 239 fol. 114’. 105 StACo Min J 239 fol. 116’. Zur Aufhebung der Steuerfreiheiten siehe oben C.IV.1.b). 106 Der Ausdruck „formlos zusammengeschlossene Coburger bezw. Saalfelder Rittergutsbesitzer“ bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 80 ist ungenau. 107 Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 75; Reinhard Jonscher, Thüringische Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, S. 17; Heinrich Becker, Gewerbefleiß und Bürgersinn, S. 7. 108 Oben B.IV. 102 103

370

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

von 1808110 übersehen, vielmehr wird auch vernachlässigt, daß die Verfassungsplanungen der Zeit nach dem Wiener Kongreß schon vor dem Eingang dieser Schreiben begannen und gutachtlich vorbereitet wurden.111

2. Die Verordnung über die Errichtung einer ständischen Verfassung vom 16. März 1816 a) Schnelle Entstehung Mit Schreiben vom 31. März 1816 ließ Gruner einen auf den 16. März 1816 datierten Entwurf für ein herzogliches Publikandum über die Verfassungsfrage112 im Ministerium zirkulieren, zu dessen Inhalt er selbst die Aussage traf: „Das Nassauische (sc. Publikandum) habe ich vorzüglich berücksichtigt.“113

Beigelegt waren das nassauische Edikt vom 1. / 2. September 1814114 und das schwarzburg-rudolstädtische Publikandum vom 8. Januar 1816.115 Der Entwurf wurde nach bis in den April andauernder Beratung im Ministerium116 mit nur marginalen Änderungen117 schließlich infolge herzoglichen Auftrags vom 15. April 1816118 unter dem 16. März 1816 ausgefertigt und publiziert.119 Oben C.II.4. Oben C.III. 111 Insbesondere soeben a), b). 112 StACo Min J 239 fol. 73 – 80’. 113 StACo Min J 239 fol. 71. 114 StACo Min J 239 fol. 81 – 84; abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 1009 ff. = Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 748 ff. 115 StACo Min J 239 fol. 89, 89’; abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 1064 f. 116 StACo Min J 239 fol. 126 – 135. 117 Außer sprachlichen Veränderungen, auf die sich auch die meisten Änderungsvorschläge im Ministerium bezogen, wurden inhaltlich nur Bezüge auf die dem Herzog von den verbündeten Mächten zugesagte Landesvermehrung sowie auf die Berechtigung des Volkes, die Wiederherstellung einer landständischen Verfassung zu erwarten, gestrichen und die Absicht, „gleichförmige“ ständische Verfassungen innerhalb des Bundes zu errichten, hinzugefügt. Auch die Änderung der landschaftlichen Behandlungspflicht nur „allgemeiner“ statt „aller“ Gesetze kann nur als redaktionell angesehen werden, da in beiden Fällen die identische Enumeration folgte. 118 StACo LReg. 254 fol. 129 = StACo Min J 239 fol. 136. 119 Textanhang Nr. 19 = StACo LReg. 254 fol. 130 – 133 = StACo Min J 239 fol. 137 – 138’ = StACo Landtag 46 fol. 50’ – 57 = RIBl. Nr. 16 vom 20. April 1816, Beylage = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band I S. 8 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 794 ff. 109 110

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

371

b) Inhalt Der erste Teil der Verordnung beinhaltete eine Rechtfertigung der bisherigen Gesetzgebung in der Rheinbundzeit. Nach einer Rückschau auf die überwundene Situation unter französischer Herrschaft wurde zunächst auf Unternehmungen des Herzogs zum Wohle der Bevölkerung, nämlich die Aufrechterhaltung der Justiz sowie die Förderung der Wirtschaft durch Aufhebung der Monopole120 und des Näherrechts121 sowie die Einräumung der Möglichkeit zur Allodifikation der Lehnsgüter122 und zur Verteilung der Gemeindebesitzungen 123 Bezug genommen. Für eine möglichst gleiche Umlegung der Staatslasten sei ebenso notwendig gewesen, die Steuerbefreiungen aufzuheben.124 Bereits 1808 sei der Versuch gemacht worden, eine landständische Verfassung wiederherzustellen, woran man lediglich durch den Krieg gehindert worden sei. Nunmehr solle endlich eine Verfassung errichtet werden, die durch Sicherung des Privateigentums und Gewährleistung einer „vernünftigen“, also beschränkten, „Freiheit im Handeln, Reden und Schreiben“ den Zusammenhalt zwischen Landesherrn und Untertanen verfestigt. Diese Verfassung solle mit den von den anderen Ländern nach Art. 13 der Bundesakte125 zu errichtenden Verfassungen möglichst gleichförmig sein. Gleichzeitig umriß die Verordnung die Grundsätze der geplanten Zusammensetzung der künftigen Landschaft.126 Grundlegend war die Einteilung des für ganz Sachsen-Coburg-Saalfeld einheitlichen Vertretungskörpers in geborene und gewählte Stände, wobei für alle Landstände Grundeigentum und Rechtschaffenheit Siehe dazu oben C.IV.5.a). Siehe dazu oben C.IV.1.c). 122 Siehe dazu oben C.IV.1.b). 123 Siehe dazu oben C.IV.1.a). 124 Siehe dazu oben C.IV.1.b) und die Eingabe coburgischer Rittergutsbesitzer soeben 1.c)bb). 125 Eine derartige Berufung auf Art. 13 der Bundesakte enthielten ebenfalls die Präambeln des waldeckischen Landesvertrages, der hildburghäusischen Verfassungsurkunde vom 19. März 1818 (abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 783 ff.), der lippischen Verfassung vom 8. Juni 1819 (abgedruckt ebd. S. 1097 ff.), der württembergischen Verfassungsurkunde vom 25. September 1819 (abgedruckt bei August Ludwig Reyscher, Sammlung der württembergischen Gesetze, 3. Band, S. 507 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 434 ff. = Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 295 ff. = Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 187 ff. = Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 299 ff.) und des Grundgesetzes über die landständische Verfassung des Herzogthums Sachsen-Coburg-Meiningen vom 4. September 1824 (abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 824 ff.). 126 Die Bezeichnungen „Landstände“ und „Landschaft“ blieben auch nach 1815 noch üblich, siehe dazu Joseph Constantin Bisinger, Vergleichende Darstellung der Staatsverfassung, S. 464. 120 121

372

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

vorausgesetzt wurden. Regierungsrat Lotz führte in einem Gutachten127 diese Unterscheidung zwischen geborenen und gewählten Ständen auf Punkt 7 des preußischen Bundesverfassungsprojekts vom 13. September 1814 zurück, in welchem auch von „erblichen und auserwählten Ständen“ die Rede war.128 Aus historischen Gründen sollten die bislang landständischen Rittergutsbesitzer die geborenen Stände ausmachen, Frauen und Unmündige ausgeschlossen und durch Bevollmächtigte zu vertreten sein. Damit wurde also – im Gegensatz beispielsweise zu Bayern129 und zu § 11 des Grundgesetzes Sachsen-Weimar-Eisenach vom 5. Mai 1816130, der eine Wahl von Vertretern der Rittergutsbesitzer vorsah – bewußt an die altständische Überlieferung angeknüpft. Die gewählten Stände sollten aus Vertretern der Magistrate bzw. Stadträte sowie aus Vertretern der Bürger und Bauern bestehen, was noch näherer Bestimmungen bedürfe. Detailliert wurden auch die künftigen Befugnisse der Landstände entworfen. Allgemeine Gesetze mit Bezug auf die Verfassung, persönliche Freiheit und Eigentum sollten den Landständen zur Erstattung eines Gutachtens mitgeteilt und durften zuvor nicht in Kraft gesetzt werden. Alle bislang ohne ständische Mitwirkung ergangenen Gesetze, auf die diese Voraussetzungen zutrafen, sollten, soweit die Stände dies wünschten und Bedenken aufzeigten, einer abermaligen Prüfung unterzogen werden. Die Stände konnten behördliche Eingriffe in die Rechte der Untertanen beim Landesherrn anzeigen sowie ihm Vorschläge zur Gesetzesänderung und Gesetzesneueinführung unterbreiten. Für die Einführung neuer Steuern bedurfte es der Zustimmung der Stände, im Rahmen der allgemeinen Steuerpflicht war zudem auf eine „möglichst verhältnismäßig gleichheitliche“ Verteilung der Staatslasten Rücksicht zu nehmen. Die Berechtigung der Landstände zur Wahl eines Direktors, Konsulenten, Kopisten und Kassierers sowie der Ausschußmitglieder wurde ebenfalls festgesetzt, die Wahl bedurfte jedoch nach wie vor einer landesherrlichen Bestätigung. Zusätzlich wurde eine Überprüfung der Rechte der Rittergutsbesitzer und Patronatsherren sowie eine Neuregelung dieser Rechte durch besondere Verordnungen in Aussicht gestellt. Auch diese Verordnungen sollten den Ständen zur Beratung mitgeteilt werden. Siehe dazu sogleich 4. Vgl. dazu I.1.b). 129 Siehe dazu zusammenfassend Karl Otmar von Aretin, Bayerns Weg zum souveränen Staat, S. 264 f. 130 Abgedruckt bei Johann Ludwig Klüber, Staatsarchiv des teutschen Bundes, 1. Band, S. 162 ff. = Allgemeines Staatsverfassungs-Archiv, Erster Band, S. 301 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 758 ff. = Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 266 ff.; Text auch bei StACo Min J 239 fol. 148 – 162’ = StACo LReg. 254 fol. 169 – 183’. 127 128

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

373

Zur Sicherstellung der Verwendung der entrichteten Steuern zu den von Landesherrn und Ständen bestimmten Zwecken sollte eine eigene der Landesregierung nachgeordnete Rechnungsverwaltung mit ständischer Beteiligung eingerichtet werden. Damit wurde erstmals in Deutschland rechtssatzmäßig ein Mitwirkungsrecht einer – wenngleich noch nicht existierenden – Vertretungskörperschaft hinsichtlich der Festsetzung der aus Steuermitteln bestrittenen Staatsausgaben eingeführt131, was später auch in § 25 lit. b des waldeckischen Landesvertrags, in § 5 Nr. 1 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach und in §§ 14 Nr. 1, 73 Nr. 6 der Verfassung Sachsen-Meiningen verfassungsmäßig festgesetzt werden sollte. Der endgültig erarbeitete Verfassungsentwurf sollte einer eigenen aus Staatsdienern und ehemaligen Landständen bestehenden Kommission vorgelegt werden. Nach einer Einigung sollte Herzog Ernst weitere Anordnungen über die Abhaltung einer Wahl treffen. c) Vergleich mit den Vorbildern Offensichtlich war die Verordnung von ihrem Aufbau her wie von Gruner angekündigt132 dem nassauischen Edikt vom 1. / 2. September 1814 nachempfunden. Dieses war jedoch bedeutend detaillierter gehalten und nahm im Gegensatz zu Sachsen-Coburg-Saalfeld auch auf die politische Gleichheit der Untertanen vor dem Gesetz Bezug. Zu den Aufgaben der nassauischen Landschaft sollte zudem bereits die Überwachung der Gewährleistung der persönlichen Freiheit und des Privateigentums gehören. Die in Sachsen-Coburg-Saalfeld festgesetzten Rechte der (in Nassau aus zwei Kammern bestehenden) Landschaft waren im nassauischen Edikt bereits enthalten. Im Gegensatz zu den geborenen Ständen Sachsen-Coburg-Saalfelds war die erbliche Mitgliedschaft in der nassauischen Herrenbank jedoch nicht an den Besitz von Rittergütern gekoppelt, sondern bestimmten Häusern durch das Edikt erblich sowie Einzelpersonen durch Verleihung der Landesherren zugesprochen worden. Der Präsident der Versammlungen in Nassau wurde im Gegensatz zu SachsenCoburg-Saalfeld allein durch die Landesherren ernannt. Das nassauische Edikt enthielt zudem noch eine detaillierte Wahlregelung mit deutlich altständischer Tendenz. Das ebenfalls zur Erarbeitung der Verordnung verwendete schwarzburg-rudolstädtische Edikt vom 8. Januar 1816 setzte die Bildung einer Volksrepräsentation fest, deren 18 Mitglieder zu gleichen Teilen auf Rittergutsbesitzer, Stadtbevölkerung und Grundeigentümer aufgeteilt waren; die Rechte dieses Gremiums erstreckten sich auf den Bereich der Gesetzgebung, der die Besteuerung und die iura quaesita betraf.133 131 Siehe auch Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 60. 132 Soeben a).

374

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Beiden Normen war mit der coburgischen Verordnung gemein, daß sich die ständischen Mitwirkungsrechte auf Gesetze, die die persönlichen und Eigentumsrechte der Staatsbürger mit Einschluß der Besteuerung betrafen, erstreckten und somit weiter gingen als § 2 der schaumburg-lippischen Verfassung. Die neue Norm läßt sich vom Regelungsgehalt in der Mitte zwischen ihren beiden Vorbildern verorten. Der größte Teil des Inhalts wurde aus dem nassauischen Edikt übernommen, wobei deutlich weniger altständische Bezüge vorhanden waren. Eine Wahlregelung wie in den beiden Vorbildern fehlte wohl auch, weil Herzog Ernst immer noch auf die Vergrößerung seines Staatsgebiets hoffte. Einen vergleichbaren Inhalt hatte ebenfalls das für die Erarbeitung der coburgischen Norm nicht verwendete Besitzergreifungspatent Sachsen-Weimar-Eisenachs vom 15. November 1815134 und § 25 des waldeckischen Landesvertrages. In Württemberg wurde am 11. Januar 1815 ein Manifest zur Verfassungsankündigung mit bedeutend weniger detailliertem Inhalt erlassen, das ebenfalls an die Entwicklung seit 1806 und den „Drang der Umstände“ anknüpfte.135 Als eher im Gegensatz zu diesen Verfassungsankündigungen stehend ist das zweitälteste derartige Dokument, nämlich die Verordnung des hessischen Kurfürsten vom 27. Dezember 1814, anzusehen, wodurch lediglich die Verfassung des Jahres 1806 sowie das Steuerund Feudalsystem wieder eingeführt wurden.136 d) Reaktionen Die Verordnung stieß auf positive Resonanz. Der Coburger Rittergutsbesitzer Franz Josias von Hendrich, vormals amtierender Landschaftsdirektor und mittlerweile gesamternestinischer Bevollmächtigter beim Bundestag in Frankfurt, regte in einem Schreiben vom 26. April 1816137 an, auch die neuzuerrichtende coburgische Verfassung unter die Garantie des Deutschen Bundes stellen zu lassen, da ein dahingehender Antrag des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach138 in 133 Siehe dazu Richard Franke, Die gesetzgebenden Körperschaften und ihre Funktionen, S. 38 f. 134 Abgedruckt in: Allgemeines Staatsverfassungs-Archiv, Erster Band, S. 252 f. 135 Abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 362 f., siehe dazu näher Joachim Gerner, Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung, S. 12. 136 „Verordnung die Wiederherstellung der vaterländischen Steuerverfassung und die Convocation der hessischen Landständ betreffend“ abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 553 f. 137 StACo Min J 239 fol. 140 – 141’. Offensichtlich falsch ist die Datierung auf den 26. Mai 1816 bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-CoburgSaalfeld, S. 94. 138 Eine solche Absicht war bereits in einer Instruktion des Großherzogs Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach an Ernst Christian von Gersdorff enthalten, vgl. Hans Tümmler, Die Zeit Carl Augusts von Weimar, S. 657 sowie ThStAGo Staatsministerium Dep. C I. Loc. F Tit. III. Nr. 16.

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

375

Frankfurt großen Beifall gefunden habe.139 In einem Vermerk empfahl Gruner Herzog Ernst am 30. April 1816, diesem Vorschlag Hendrichs zu folgen, da hieraus für den Landesherrn der Weg zum Bundestag für den Fall der Weigerung der Landstände, billigen Forderungen nachzukommen, eröffnet werde. Der Herzog stimmte dieser Anregung daraufhin zu.140 Nach Umlauf im Ministerium141 wurden die Eingaben der vormaligen saalfeldischen Landschaft142 sowie der coburgischen Rittergutsbesitzer143 durch Reskripte vom 6. Mai 1816 unter Verweis auf die Verordnung vom 16. März 1816 beantwortet.144 3. Detailliertere Vorgaben zur Verfassungsausarbeitung Ein von Gruner entworfenes herzogliches Reskript an die Landesregierung vom 11. Juli 1816145 beauftragte diese mit der abermaligen Erstellung eines Verfassungsentwurfs, obwohl bundeseinheitliche Bestimmungen für den Inhalt einer landständischen Verfassung noch nicht vorlagen. Gleichzeitig wurde der deutliche Wunsch nach Einheitlichkeit zumindest der ernestinischen Verfassungen geäußert, die Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenachs als mögliche Quelle eigener Regelungen übersandt und der Inhalt eines eigenen Entwurfs noch detaillierter vorgegeben: „Sehr zweckmäßig müssen Wir es aber finden, wenn die Großherzog- und Herzogl. Sächsischen Verfaßungen der Landschaften möglichste Einförmigkeit erhalten. Indem Wir daher Unsere Landesregierung hierdurch beauftragen, den Entwurf zu der ständischen Verfaßungsurkunde für Unsere Lande auszuarbeiten und Uns sodann vorzulegen, so theilen Wir derselben anschlüßig das Grundgesetz über die landständische Verfaßung des Großherzogthums S. Weimar-Eisenach, zur Berücksichtigung und Aufnahme deßen mit, was für die hiesige Verfaßung ebenfalls zweckmäßig erscheint. Wir rechnen unter anderem dahin, daß nicht alle Gutsbesitzer auf den Landtägen erscheinen sollen, daß der Bauernstand zugezogen werde, daß die Bürger gerade nicht nothwendig durch den Bürgermeister, sondern durch den dazu erwählten Deputirten vertreten werden, daß vorsichtige Bestimmungen bey der Wahl in Ansehung der Claßen getroffen worden sind ( . . . ). Wir sind ebenfalls nicht abgeneigt, die künftige ständische Verfaßung unter die Garantie des deutschen Bundes zu stellen.“146 139 Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 1. Band, S. 113 ff. (§ 35); siehe dazu auch Heinrich Zoepfl (Hrsg.), Corpus Iuris Confoederationis Germanicae, Zweiter Theil S. 39 f. 140 StACo Min J 239 fol. 139, 139’. 141 StACo Min J 239 fol. 142 – 143. 142 Oben 1.c)aa). 143 Oben 1.c)bb). 144 StACo Min J 239 fol. 144 – 145 = StACo LReg. 254 fol. 135 – 136; Reskript an die vormalige saalfeldische Landschaft auch bei StACo Landtag 46 fol. 48. 145 StACo LReg. 254 fol. 168, 168’ = StACo Min J 239 fol. 146 – 147’. 146 StACo LReg. 254 fol. 168, 168’ = StACo Min J 239 fol. 146’ – 147.

376

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Ein behaupteter Verweis auf die Verfassung Württembergs als heranziehungswürdig147 läßt sich in diesem Schriftstück jedoch noch nicht nachweisen.148 Durch den Verweis auf die Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenachs wurden nach der Verordnung vom 16. März 1816149 weitere Grundsatzentscheidungen für die Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs getroffen. Insbesondere erscheinen die Repräsentation auch von Bauern (§ 2) und die Wahl auch von Vertretern der Bürgerschaft § 6 ebenso wie die Bundesgarantie für das gesamte Verfassungswerk (§ 129) als maßgeblich.

4. Verfassungsentwurf des Regierungsrats Lotz vom 26. Juni 1817 a) Vorlagen und verwendete Quellen Nach einer Mahnung des Ministeriums150 vom 23. Mai 1817151 auf baldige Erstellung des angeordneten Entwurfs legte der damit betraute Landesregierungsrat Lotz dem Präsidium der Landesregierung einen auf den 26. Juni 1817 datierten ersten Verfassungsentwurf nebst Erläuterungen vor.152 Im Vorlageschreiben führte er aus: „Ich habe bey dessen Ausarbeitung zwar zunächst das ( . . . ) Weimarische Grundgesetz benutzt, außerdem aber auch noch die Bestimmungen ähnlicher Gesetze der Art, namentlich das Nassauische Edikt vom 2ten Sept. 1814, die Würtembergische Constitutionsurkunde vom 13ten März 1815, den neuesten Würtembergischen Entwurf u. die Constitutionen von Frankreich u. England, den früheren hiesigen Verfassungsentwurf vom 18ten Januar 1804, die Schriften über die Streitigkeiten mit den Ständen beym Reichshofrath, ( . . . ) auch alle mir bekannten Schriften über diesen Gegenstand.“153

Lotz hatte zur Erstellung des Entwurfs also die bisherigen coburgischen Verfassungsentwürfe von Anbeginn an sowie einen Großteil der zur aktuellen Zeit in Europa bestehenden Verfassungen benutzt und seinen Formulierungen umfangreiche Anmerkungen hinzugefügt. Damit operierte er bewußt im durch Zeit und Raum aufgespannten gesamteuropäischen Verfassungsraum der Rechtsvergleichung.154 147 So Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 94 Fußnote 18. 148 Die Heranziehung der württembergischen Verfassung erfolgte vielmehr erst infolge eigener Initiative von Regierungsrat Lotz, siehe dazu sogleich 4.a). 149 Soeben 2. 150 Nicht allein Gruners, wie bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 94 behauptet. 151 StACo LReg. 255 fol. 1 = StACo Min J 240 fol. 9. 152 Textanhang Nr. 20 (insoweit nur Text des Verfassungsentwurfs) = StACo LReg. 255 fol. 5 – 98 = StACo Min J 257. 153 StACo LReg. 255 fol. 2. 154 Zu dieser Methodik siehe bereits die Einleitung und A.I.

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

377

b) Inhalt des Entwurfs Lotz’ Verfassungsentwurf war in fünf Abschnitte mit insgesamt 123 Paragraphen eingeteilt. Der erste Abschnitt („Allgemeine Bestimmungen“) beinhaltete die Festlegung, das für das gesamte „Fürstentum Coburg-Saalfeld“ unter Einschluß des Amtes Themar eine einzige gemeinschaftliche landschaftliche Verfassung bestehen und sämtlichen Staatsangehörigen „gleiche staatsbürgerliche Rechte und Pflichten“ zukommen sollten (§§ 1, 2). Das Volk in seiner Gesamtheit sollte durch die Landstände vertreten werden (§ 3), die sich nach dem Vorbild von § 245 des württembergischen Verfassungsentwurfs vom 3. März 1817155 (Anm. zu § 5) als einheitliche Körperschaft aus geborenen und gewählten Ständen zusammensetzten, wobei die Besitzer bislang landständischer Rittergüter als geborene Landstände galten (§§ 4, 5). Die Unterteilung in geborene und gewählte Stände wurde auf die Verordnung vom 16. März 1816156 zurückgeführt, wo ein solches System festgesetzt worden sei, dieser Festsetzung widerspreche jedoch eine Teilung in drei Gruppen mit jeweils aus ihrer Mitte gewählten Ständen (Anm. zu § 4). Im zweiten Abschnitt befanden sich Regelungen über Zusammensetzung und Wahl der Landstände. Als persönliche Voraussetzung für die Wahl oder die Befähigung zum geborenen Landstand waren unter ausdrücklicher Ausweitung der Voraussetzungen der weimarischen und württembergischen Vorbilder (Anm. zu § 8) deutsche, ehrliche und christliche Geburt, Bekenntnis zur christlichen Religion, Unbescholtenheit des Rufs sowie ein Mindestalter von dreißig Jahren (§ 8) und die zur Ausübung der Volksvertretung notwendige intellektuelle Bildung (§ 10)157, wobei Frauen grundsätzlich ausgeschlossen waren (§ 9)158, für gewählte Landstände zudem noch schuldenfreier Grundbesitz in einem Wert von mindestens 6000 fl. rh. oder ein schuldenfreies Monatseinkommen von mindestens 400 fl. rh. (§ 13), da nur so die notwendige Unabhängigkeit des Volksvertreters gesichert sei, vorgesehen.159 Zu den geborenen Landständen zählten die bislang bereits landständischen Rittergutsbesitzer160, weitere geborene Landstände sollte der Landesherr 155 Druck bei StACo Min J 240 fol. 80 – 92, abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 377 ff. 156 Siehe dazu soeben 3. 157 Ein Kompromiß zwischen § 256 des württembergischen Entwurfs, der nur Adlige als stimmberechtigt anerkannte, und § 14 Sachsen-Weimar-Eisenach, der jeden Rittergutsbesitzer ohne weitere Prüfung zuließ, unter Berufung auf Montesquieu (Anm. zu § 10). 158 Gemäß Anm. zu § 9 wurde das württembergische Vorbild in § 256 der Formulierung des § 24 Sachsen-Weimar-Eisenach vorgezogen, da auch dem – in Sachsen-Weimar-Eisenach stimmberechtigten – Ehemann einer Rittergutsbesitzerin kein daraus folgendes spezifisches Interesse am Lande zuzusprechen sei. 159 Hier wurden nach Anm. zu § 13 die §§ 26 f. Sachsen-Weimar-Eisenach dem § 262 des württembergischen Entwurfs vorgezogen, da es erforderlich sei, hierfür Grundbesitz oder ein verläßliches laufendes Einkommen zu fordern 160 Nach Anm. zu § 7 zum Erstellungszeitpunkt 30.

378

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

ab dem ersten Landtag nur noch mit Zustimmung der anderen Stände ernennen dürfen (§ 6)161. Die gewählten Landstände sollten bei einer eher konstanten Zahl von 30 geborenen Ständen aus 58 auf die einzelnen Städte und Ämter aufgeteilten Mitgliedern bestehen (§ 7), wobei die große Anzahl dadurch gerechtfertigt wurde, daß „das Wohl des Ganzen“ nicht „in die Hände Einiger Weniger zu legen“ (Anm. zu § 7) und somit ein Volksvertreter auf 600 Einwohner zu rechnen sei; als Alternative wurde vorgeschlagen, die Zahl der gewählten Stände auf 33 zu verringern, was immer noch ein Verhältnis von 1:900 zur Folge hätte. Außerdem erachtete Lotz eine Beteiligung der Magistrate und Stadträte bei der Wahl der Volksvertreter der Städte für möglich, wie es auch schon die Verordnung vom 16. März 1816 vorgesehen hatte. Nach der Natur der Sache müsse jedoch die Zahl der gewählten Stände stets größer sein als die der geborenen. Das Wahlrecht der unter Lehnsherrschaft stehenden Untertanen sollte uneingeschränkt sein (§ 7). Die gewählten Landstände brauchten jedoch nicht dem wählenden Gebiet anzugehören162; auch Rittergutsbesitzer konnten gewählt werden, wenn sie auf das geborene Landstandschaftsrecht verzichteten, lediglich nahe Blutsverwandte durften nicht gleichzeitig gewählt sein (§ 14 f.). Ein Mehrfachstimmrecht war ebenso wie die Möglichkeit der Vertretung ausgeschlossen (§ 11, 14), um einen drohenden „Aristokratismus“ zu verhindern.163 Die gewählten Landstände waren nur als für den folgenden Landtag gewählt zu betrachten, wegen der großen Anzahl der Landstände sollte für den Ausfall eines einzelnen Landstandes weder ein Ersatzmann noch eine Nachwahl vorgesehen werden (§ 16). Die Dauer der Landstandschaft des gewählten Landstandes orientierte sich dabei an § 30 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach; wegen der hohen Anzahl der Gewählten wurde aber ausdrücklich auf die dort in § 32 vorgesehene Ersatzregelung verzichtet (Anm. zu § 16). Wahlberechtigt sein sollten lediglich im Lande wohnende unbescholtene volljährige männliche Hausbesitzer, Inhaber des Bürger- bzw. Nachbarrechts sowie Angehörige des öffentlichen Dienstes mit Ausnahme von Juden und Rittergutsbesitzern, wobei jedem Einwohner nur eine Stimme zustehen sollte (§§ 20 ff.).164 Öffentliche Wahlempfehlungen und Bewerbungen waren verboten (§ 24), um die aus England und Frankreich bekannten Zustände im Wahlkampf zu vermeiden (Anm. zu § 24). Die Stimmabgabe sollte ebenso wie die gesamte Wahlhandlung nach weimarischem Vorbild165 gebührenfrei sein (§ 25) und in für die Wahlbezirke getrennten Eine Nachbildung des § 14 Sachsen-Weimar-Eisenach (Anm. zu § 6). Vorbild waren laut Anm. zu § 14 die §§ 28 f. Sachsen-Weimar-Eisenach. 163 Auch hier wurde nach Anm. zu § 11 die Regelung des § 275 des württembergischen Entwurfs den §§ 15, 17 Sachsen-Weimar-Eisenach vorgezogen. 164 Vorbild waren grundsätzlich §§ 19 ff. Sachsen-Weimar-Eisenach sowie § 264 Württemberg, wobei Sachsen-Weimar-Eisenach auch Frauen und Unmündigen (durch die Vormünder) das Wahlrecht zugestand, wovon aber wegen der dann entstehenden Stimmenhäufung abgesehen wurde (Anm. zu § 21). 165 § 35 Sachsen-Weimar-Eisenach (Anm. zu § 25). 161 162

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

379

Wahlversammlungen erfolgen (§§ 26 f.). Die Wahlhandlung wurde nur bei Anwesenheit von zwei Dritteln der Stimmberechtigten vorgenommen; unentschuldigt Fehlende hatten die Kosten für eine Wiederholung zu tragen und gingen ihres Stimmrechts verlustig (§ 28)166. Die Stimme war persönlich (§ 23) und mündlich gegenüber dem Wahlleiter, jedoch im Stillen abzugeben (§ 29). Gewählt waren nach relativer Mehrheitswahl in einem einzigen Wahlgang diejenigen Personen, auf die die meisten Stimmen bei der Wahl entfallen waren, bis die Zahl der im Wahlbezirk zu wählenden Stände erreicht war (§ 31), da das Erfordernis der absoluten Stimmenmehrheit nicht als notwendig angesehen wurde.167 Die Landesregierung hatte über die Zulässigkeit der Wahl zu entscheiden und diese Entscheidung zu begründen, ein abgelehnter Gewählter konnte sich sodann mit einer Beschwerde an den Landtag wenden (§ 30). Der dritte Abschnitt beinhaltete die Rechte der Landstände. Nach § 33 umfaßten deren Berechtigungen die Festsetzung der Etats, Steuerbewilligung im weiteren Sinne (Nr. 5 der Verordnung vom 16. März 1816), Rechnungsprüfung, ein Initiativrecht in den Bereichen der Gesetzgebung (Nr. 4 der Verordnung) und der Verwaltung, das Recht der Beschwerde gegen Minister und andere Staatsbedienstete hinsichtlich Willkürhandlungen und Eingriffen in Freiheit, Ehre, Eigentum der Untertanen (Nr. 3 der Verordnung) sowie gegen Verfassungsverletzungen. Die Vorschriften der Verordnung vom 16. März 1816 sollten nach Lotz durch die Verfassung in mehreren Punkten genauer umrissen und dabei unter Beachtung der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenachs, des Württembergischen Entwurfs, des Nassauischen Edikts vom 1. / 2. September 1814 sowie der französischen Charte Constitutionelle vom 4. Juni 1814168 fortentwickelt werden (Anm. zu § 33) – eine nachgerade „klassische“ Forderung der Nutzung des bestehenden verfassungsrechtlichen Makrokosmos im Sinne des Textstufenparadigmas.169 In Abweichung von der Situation in Sachsen-Weimar-Eisenach sowie vom Konzept der Verordnung vom 16. März 1816 und dem coburgischen Verfassungsentwurf von 1804 sollte eine Beteiligung der Landstände an der Finanzverwaltung über die bloße Steuerbewilligung hinaus ermöglicht werden, zumal da allgemein deutschlandweit170 die Einkünfte aus den Kammergütern sowie den landesherrlichen Regalien die Grundlage der Finanzierung des Staates bildeten, die Besteue166 Nach Anm. zu § 28 stellte dies eine Fortentwicklung des §§ 40, 44 Sachsen-WeimarEisenach dar. 167 Bewußt wich Lotz hier von § 6 des nassauischen Edikts vom 1. / 2. September 1814 ab, das die absolute Stimmenmehrheit und damit auch getrennte Wahlgänge für jede zu wählende Person vorsah. 168 Abgedruckt bei Jacques Godechot, Les constitutions de la France, S. 217 ff.; deutsche Übersetzung bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Zweiter Band, S. 89 ff. 169 Zu letzterem vgl. Peter Häberle, Textstufen als Entwicklungswege des Verfassungsstaates, in toto. 170 Vgl. dazu § 109 Verfassung Württemberg.

380

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

rung nur als subsidiär anzusehen sei und auch die weimarischen Stände bereits das Fehlen eines solchen Rechts in der dortigen Verfassung gerügt hatten. Hierzu sollten – wie von Lotz bereits vorgeschlagen171 – die Hauptdomänenkasse und die Landeskasse verschmolzen werden (§ 34). Hiergegen bestünden keine Bedenken mehr, da den Ständen eine umfassende Mitwirkung an der Finanzverwaltung zugestanden wurde. Das Etat-, Berichts-, Rechnungs- und Rechnungslegungswesen wurde nach den Vorbildern Württembergs, Sachsen-Weimar-Eisenachs und des coburgischen Entwurfs von 1804 (Anm. zu § 34 ff.) einer detaillierten Regelung zugeführt (§ 34 ff.). Die Nichteinhaltung der Etats, auch in dringlichen Fällen, wurde unter Ausweitung des Vorbilds von § 97 des Kretschmannschen Entwurfs vom 18. Januar 1804 sanktioniert (§ 37). Die Kammergüter und Domänen sollten zwar im fürstlichen Eigentum bleiben, jedoch mit der besonderen Last belegt werden, neben den Ausgaben für die Hofhaltung auch soweit möglich diejenigen der allgemeinen Staatsverwaltung zu decken. Insoweit sollten diese auch eine besondere Art von Staatsgut darstellen und daher Veräußerungen und Verpfändungen der Zustimmung der Stände bedürfen. Auch künftig heimfallende Lehen waren diesem Bestand zuzuschlagen (§§ 39, 42). Aus deren Erträgen war eine Zivilliste für die herzogliche Familie zu bestreiten (§§ 40 f.). Insoweit folgte man nahezu wörtlich dem württembergischen Entwurf sowie dem coburgischen Hausgesetz von 1802 (Anm. zu § 42). Von der Verwaltung der Kammergüter und Domänen waren die Stände jedoch ausgeschlossen (§ 43). Die bisherigen Schulden waren als Landesschulden anzuerkennen172; die Aufnahme neuer Schulden bedurfte jedoch der Zustimmung der Stände, die Schulddokumente demzufolge auch der Unterschrift des Landschaftsdirektors (§§ 44, 45), was in den Grundzügen abermals dem System des Hausgesetzes von 1802 nachgebildet war (Anm. zu § 45). Im Rahmen der Gesetzgebung bedurften lediglich Gesetze zur Änderung des Verfassung bzw. des Verhältnisses zwischen Regenten und Ständen der Zustimmung der Landschaft, bei allen übrigen Gesetzen war diese lediglich anzuhören (§§ 46 ff.). Dies war zwar schon eine Fortentwicklung der Nr. 1 der Verordnung vom 16. März 1816, die lediglich Verfassung und iura quaesita der Untertanen betreffende Gesetze einer Anhörungspflicht unterwarf, stellte aber gegenüber § 5 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach sowie § 150 des württembergischen Entwurfs eine deutliche Einschränkung der ständischen Rechte dar. Lotz begründete dies damit, daß in diesen beiden Texten die Kompetenzen der Volksvertretung über deren „natürliche Grenzen“ hinaus erweitert worden seien (Anm. zu § 46). Von diesem Anhörungsrecht ausgeschlossen waren nach dem Vorbild der §§ 35 ff. des Entwurfes von 1804 sowie der §§ 151 ff. des württembergischen Entwurfs (Anm. zu § 49) vorübergehende und Einzelfallgesetze sowie Dienstreglements, Instruktionen an Behörden und Anordnungen zur Aufrechterhaltung der laufenden VerwalSiehe dazu soeben b)bb), cc). Ähnlich bereits Kapitel 9 Nr. 1 des kurhessischen Entwurfs vom 16. Februar 1816, abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 559 ff. 171 172

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

381

tung (§ 49). Dies wurde mit der Natur der Sache gerechtfertigt, da den Ständen kein wirkliches Mitregierungsrecht zustehe, vielmehr dürfe den Landständen keine Einflußnahme auf die Verwaltung zugebilligt werden, denn andernfalls ginge der Charakter der monarchischen Regierungsform ganz verloren (Anm. zu § 49). Dem Herzog stand zudem das Recht zu, ohne Anhörung der Stände Vorbereitungs- und Durchführungsverordnungen zu projektierten oder bereits verkündeten Gesetzen zu erlassen (§ 48) sowie Privilegien zu erteilen, soweit diese kein Monopol oder eine Befreiung von allgemeinen Lasten beinhalteten (§ 49). Nach dem Beispiel des nassauischen Edikts vom 1. / 2. September 1814 sowie des coburgischen Entwurfs von 1804 (Anm. zu § 50 a) wurde den Ständen das Recht zugestanden, über die freie Tätigkeit der obersten Justizbehörden sowie Willkürfreiheit überhaupt, insbesondere die Wahrung des Gerichtsstandes sowie die Gewährleistung des gesetzlich bestimmten Richters, zu wachen (§ 50 a). Weitergehende Mitwirkung der Stände im Bereich der Justiz oder Verwaltung blieb auch in personeller Hinsicht (§ 50 b) ausgeschlossen. In § 51 f. wurde nach Vorbild Württembergs173 und der bayerischen Hauptdienstpragmatik vom 1. Januar 1805 (Anm. zu § 52)174 unter Anführung aktueller Schriften deutscher Staatsrechtslehrer den öffentlichen Beamten Schutz gegen eigenmächtige Entlassung, „Zurücksetzung“ oder Suspension gewährt, indem bestimmt wurde, daß derlei Maßnahmen nur durch Urteil einer Justizbehörde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens im Verschuldensfalle ausgesprochen werden dürfen. Im Falle unverschuldeter Dienstunfähigkeit sollte dem betreffenden Beamten ein Anspruch auf Fortzahlung seiner Bezüge zustehen. Eine (räumliche) Versetzung sollte – ebenso wie in Nrn. XIII f. der bayerischen Hauptdienstpragmatik – nur bei Vorliegen „erheblicher Gründe“ gegen Ersatz der Umzugskosten vorgenommen werden dürfen. Analog zu §§ 145 ff. des württembergischen Entwurfs (Anm. zu § 55) wurde in §§ 53 ff. die Festlegung der Stärke des Militärs durch Übereinkunft zwischen dem Landesherrn und den Ständen sowie die Vertretung des Staates nach außen durch den Herzog festgesetzt. Veräußerungen von Staatsgebiet und Staatseigentum sowie die Einführungen neuer öffentlicher Lasten bedurften jedoch auch bei Verträgen mit Auswärtigen der Zustimmung der Stände, ausgenommen blieben Verpflichtungen gegenüber dem Bund ohne finanzielle Auswirkungen. Der vierte Abschnitt regelte schließlich die innere Verfassung des landständischen Gremiums. In Nachahmung des § 109 der Verfassung Sachsen-WeimarEisenach (Anm. zu § 56) sollten neben dem Landtag als allgemeiner Versammlung aller Stände noch ein Weiterer und ein Engerer Ausschuß geschaffen werden, die § 25 f. des württembergischen Entwurfs. Diese gewährte in Nr. VIII eine Garantie, daß eine Kassation (Entlassung) nur nach vorheriger richterlicher Untersuchung erfolgen könne, und in Nr. X eine Garantie des erreichten Status, ferner beinhaltete sie in Nr. XVII ein umfassendes System von Entgeltfortzahlungsregelungen im Ruhestand. 173 174

382

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

bei jedem Landtag für die Zeit bis zum folgenden zu wählen waren (§§ 56 f.). Dadurch rückte Lotz auch von der in § 5 des Entwurfs Gruners noch vorgesehenen altständischen Zusammensetzung des Ausschusses von jeweils vier städtischen und ritterschaftlichen Deputierten ab. Der Engere Ausschuß war identisch mit dem „Landschaftlichen Direktorium“ und bestand aus dem Landschaftsdirektor und zwei „Gehülfen“, der weitere Ausschuß aus diesen und weiteren zehn Ständen (§ 64). Diese Zusammensetzung entsprach dem Vorbild des § 57 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach. Einer der beiden „Beystände“ des Landschaftsdirektors hatte die Stelle des Landschaftskonsulenten und Schriftführers zu versehen (§ 64). Auf die Möglichkeit der Anstellung eines eigenen der Landschaft nicht angehörenden Konsulenten wurde entgegen § 71 ff. der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach sowie § 311 des württembergischen Entwurfs verzichtet, da nach Lotz’ Auffassung das (altständische) Konsulentenwesen auf die Unfähigkeit der alten Stände zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten zurückzuführen sei und ein derartiger fremder Einfluß mithin eine Gefahr für die Volksvertretung darstelle (Anm. zu § 64). Mitglieder und Stellvertreter in beiden Ausschüssen waren auf jedem Landtag unter Leitung eines landesherrlichen Kommissars einzeln, geheim und mit Stimmenmehrheit zu wählen (§§ 65 f.). Die Versammlung war bei Anwesenheit von zwei Dritteln der Stände beschlußfähig (§ 67 nach dem Vorbild von § 80 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach und § 277 württ. Entwurf). Mitglieder aus beiden Klassen der Stände waren gleichermaßen in die Ausschüsse wählbar, lediglich einheimische herzogliche und Staatsbedienstete waren von der Wahl in das Direktorium ausgeschlossen (§ 68).175 Die Mitglieder des Weiteren Ausschusses waren dem Herzog anzuzeigen, die Wahl der Mitglieder des Engeren Ausschusses bedurfte wie bereits in Nr. 6 der Verordnung vom 16. März 1816 angekündigt der herzoglichen Bestätigung, die allerdings für die gleiche Position nur bei zwei Personen versagt werden durfte (§ 69), da ansonsten die Wahlbefugnis der Stände umgangen werden könnte (Anm. zu § 69). Die befristete Wahl des Direktors durch die Ständeversammlung entsprach wohl am ehesten dem Vorbild des Präsidenten (speaker) des englischen Unterhauses176, da sowohl die immerwährende Präsidentschaft des Erbmarschalls nach § 16 der württembergischen Verfassung vom 15. März 1815177 als auch die nach § 58 der 175 Hinsichtlich der Wahl ins Direktorium angelehnt an § 60 Verfassung Sachsen-WeimarEisenach (dort nur für den Landmarschall gültig), bewußt jedoch abweichend von § 57 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach, wonach der Landmarschall aus der Mitte der Rittergutsbesitzer zu wählen war, da das Weimarer System einen Klassengeist begünstige, der dem Wohl des Gemeinwesens widerspreche (Anm. zu § 68). 176 Siehe dazu Karl Loewenstein, Staatsrecht und Staatspraxis in Großbritannien, Band I, S. 216. 177 Abgedruckt bei August Ludwig Reyscher, Sammlung der württembergischen Gesetze, 3. Band, S. 299 ff.

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

383

Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach mögliche Wahl auf Lebenszeit sowie die Ernennung durch den Landesherrn aufgrund eines Dreiervorschlags der Ständeversammlung nach § 8 des nassauischen Edikts vom 1. / 2. September 1814 für Sachsen-Coburg-Saalfeld abgelehnt wurden (Anm. zu § 64). Ordentliche Landtage waren im sechsjährigen Turnus abzuhalten, ordentliche Ausschußtage für den Weiteren Ausschuß jährlich. Außerordentliche Landtage und Ausschußtage waren vom Landesherrn nach Bedarf einzuberufen (§ 58).178 Sonstige Zusammenkünfte einzelner Stände, auch zur Beratung nichtständischer Fragen, bedurften der vorherigen Genehmigung der Landesregierung. Der Engere Ausschuß bestimmte die Zahl seiner Versammlungen selbst, durfte zu diesen jedoch keine weiteren Stände hinzuziehen (§ 59). Diese restriktive Bestimmung hatte ihre Vorbilder in § 56 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach, § 251 des württembergischen Entwurfs sowie § 3 des nassauischen Edikts und wurde mit der Notwendigkeit einer Abkehr vom altständischen System begründet, daher müsse der aktuelle Entwurf auch restriktiver sein als der noch an der altständischen Situation orientierte coburgische Entwurf von 1804 (Anm. zu § 59). Das Einberufungsrecht für den Landtag stand dem Landesherrn zu179, der auch den – im Fürstentum liegenden – Tagungsort festzulegen hatte (§ 60 f.). Ebenso wie in den anderen Verfassungen180 wurde dem Regenten das Recht zugestanden, Land- und Ausschußtage zu schließen und zu vertagen (§ 62), wobei nach einem Schluß eine erneute Wahl der gewählten Stände vor der nächsten Versammlung notwendig war (§ 63), da die Stände unter Abkehr von der bisherigen Feudalaristokratie kein permanentes Gremium bilden sollten (Anm. zu § 63). Bei jedem Landtag waren unterschiedslos sämtliche Stände zu vereidigen, wobei die Mitglieder des Engeren Ausschusses nach der Wahl durch den landesherrlichen Kommissar vereidigt wurden und dieser anschließend den Eid der übrigen Stände abnahm (§ 70). Hierbei sollten insbesondere geborene und gewählte Stände gleich behandelt werden, da die Landstände nur eine einheitliche Kammer bildeten; auch die Mitglieder des englischen Oberhauses würden bei jeder Parlamentseröffnung erneut vereidigt (Anm. zu § 70). Die Zuständigkeit des Engeren Ausschusses erstreckte sich auf die Leitung der Sitzung der ständischen Versammlung und die Handhabung der Ordnung (§§ 71 – 178 Hier wurde bewußt von den Vorlagen aus Sachsen-Weimar-Eisenach, Württemberg und Nassau abgewichen, da ein häufigeres Tagen als nicht notwendig erschien und zudem insbesondere die weimarische Volksvertretung eher mit dem coburgischen Ausschußtag zu vergleichen sei (Anm. zu § 58). 179 Hier wurde das Vorbild des § 8 des nassauischen Edikts vom 1. / 2. September 1814 demjenigen des § 76 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach (Einberufung durch den Vorstand) vorgezogen, da dies dem vorgeschlagenen System eher entspreche (Anm. zu § 60). 180 § 303 des württembergischen Entwurfs, § 38 der württembergischen Verfassung vom 15. März 1815, § 96 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach sowie gewohnheitsmäßig die englische Verfassung (Anm. zu § 62).

384

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

73, wörtlich übernommen aus §§ 280 – 283 des württembergischen Entwurfs) sowie zwischen den Landtagen auf die Wahrung der Rechte der Landstände, insbesondere die Beobachtung der Verwaltung vor allem in Hinblick auf die Rechte der Stände bei finanziellen Fragen, ferner auf Beschwerdeführung im Falle von Verstößen gegen Beschlüsse, Erledigung dringlicher Gegenstände und Genehmigung von Güteraustausch von Kammergütern und Domänen mit anderen Grundstücken gleichen Werts sowie die Vorbereitung von Landtagen. Dem Plenum sollten Zugeständnisse mit neuer Schuldenwirkung, die Zustimmung zur Veräußerung von Domänen und Kammergütern, Steuerbewilligungen, Militäraushebungen, Gesetzesvorlagen sowie alles, wozu ein einvernehmliches Handeln zwischen Ständen und Landesherrn erforderlich war, ausschließlich vorbehalten bleiben, das Direktorium war für seine Handlungen aber dem Plenum gegenüber rechenschaftspflichtig (§ 74). Das Beschwerderecht einzelner Landstände sollte jedoch nach weimarischem Vorbild (§ 109 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach) abgeschafft und das Recht der Beschwerdeführung dem Landtag in seiner Gesamtheit sowie den Ausschüssen vorbehalten werden (§ 56). Für den Engeren Ausschuß wurde ebenso wie für die Landtage das Prinzip der Stimmenmehrheit festgesetzt, wobei im Ausschuß Entwürfe für Schreiben auch von den beiden Beiständen zu signieren waren (§ 75). Diese Vorschrift war dem § 63 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach weitgehend nachgebildet und unterschied sich von diesem nur durch die ausdrückliche Erwähnung des Mehrheitsprinzips für alle ständischen Angelegenheiten, die in ihrer Ausformulierung §§ 18 f. des Verfassungsentwurfs vom 18. Januar 1804 ähnelte (Anm. zu § 75). Wesentliche Aufgabe des weiteren Ausschusses war die Aufrechterhaltung der Verfassung und der zwischen Regenten und Ständen vereinbarten Grundsätze der öffentlichen Verwaltung sowie die Prüfung und Genehmigung der Etats sowie des Finanzgebarens der Verwaltung, in eilbedürftigen Ausnahmefällen waren auch Steuerverwilligungen für die Zeit bis zum nächsten Landtag sowie die Genehmigung des Verkaufs von Kammergütern und Domänen zum Zwecke der Schuldentilgung möglich (§§ 78 f.). Im Einzelfall konnte die Landesregierung Gesetzesentwürfe dem Weiteren Ausschuß anstelle des Plenums oder zur Vorbereitung eines Landtages zur Erstellung eines Gutachtens mitteilen, in jedem Falle waren Militärergänzungspläne dem Ausschuß zur Stellungnahme vorzulegen (§ 80). Die Ämter der Mitglieder des Direktoriums waren besoldet (§ 77), die Mitglieder des Weiteren Ausschusses sollten Sitzungsgeld erhalten (§ 86). Bei Landtagen waren die Vorschläge des Herzogs schriftlich vorzulegen, zu einzelnen Sitzungen konnten auch Beamte mit Rederecht entsandt werden, die jedoch der Beratung und Abstimmung fernzubleiben hatten (§ 89 nach Vorbild des § 88 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach). Explizit abgelehnt wurde das Modell des § 300 des württembergischen Entwurfs, wonach die Minister den ständischen Beratungen beiwohnen durften, sowie das in Württemberg nach § 287 des Entwurfs vorgeschlagene und in England bereits bestehende Prinzip der Öffentlichkeit der

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

385

Sitzungen, da das Volk dazu „noch nicht weise genug“ sei und die Situation in Württemberg zeige, wozu die Öffentlichkeit führe (Anm. zu § 89). Neben dem Fürsten stand jedem Landstand ein eigenes Antragsrecht zu, diese Anträge waren jedoch erst nach den fürstlichen Propositionen zu behandeln (§ 90). Diese Regelung erfolgte laut Anm. zu § 90 nach dem Vorbild der §§ 89 f. der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach, von der dort in § 110 sowie in § 2 des nassauischen Edikts vom 1. / 2. September 1814 vorgesehenen Berechtigung sämtlicher Staatsbürger, sich mit Beschwerden an den Landtag zu wenden, wurde bewußt abgesehen, zumal da solche auch durch einzelne Stände auf Landtagen vorgebracht werden könnten. Im Falle der Stimmengleichheit verfügte der Landschaftsdirektor über keine entscheidende Stimme, vielmehr war die Sache nach dem Vorbild der § 82 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach und § 22 des nassauischen Edikts vom 1. / 2. September 1814 (Anm. zu § 98) abermals zu beraten und abzustimmen, bei wiederholter Stimmengleichheit sodann dem Herzog zur Entscheidung vorzulegen (§ 98). Änderungen der Verfassung bedurften nach dem Vorbild von § 296 des württembergischen Verfassungsentwurfs (Anm. zu § 97) der Zustimmung der Mehrheit von drei Vierteln der anwesenden Mitglieder (§ 97). Landtagsbeschlüsse, die ordnungsgemäß nach den Vorschriften der Verfassung gefaßt worden waren, konnten nicht außer Vollzug gesetzt werden, jedem Abgeordneten wurde aber das Recht zugestanden, eine Verwahrung gegen seiner Ansicht nach dem Wohl des Landes nicht dienliche Beschlüsse zu den Akten zu geben, Privat- oder Gruppeninteressen waren hierbei jedoch nicht zu berücksichtigen (§ 99). Diese Vorschrift nennt zum ersten Male in Sachsen-Coburg-Saalfeld den Begriff des „Abgeordneten“, wenngleich nur als Synonym zum „Landstand“. Dieser scheint aus § 87 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach entnommen worden zu sein, zumal da in der Anmerkung zu § 99 auch ausgeführt wurde, man habe sich im allgemeinen an die in § 87 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach sowie in § 294 des württembergischen Entwurfs und § 27 des coburgischen Entwurfs von 1804 aufgestellten Grundsätze gehalten, nur von dem in §§ 83 ff. der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach eingeräumten Separationsrecht für die Abgeordneten eines Standes oder eines Kreises habe man als systemwidrig Abstand genommen (Anm. zu § 99). Beschlüsse der Versammlung waren – im Falle der Ablehnung einer Gesetzesvorlage mit Begründung – in einer Erklärungsschrift an den Herzog zu senden (§§ 101 – 104). In bewußtem Gegensatz zu § 23 des Entwurfs vom 18. Januar 1804 (Anm. zu § 101) wurde dem Landesherrn jedoch kein Recht auf Einsicht in die Akten und Protokolle der ständischen Beratung eingeräumt (§ 101). Zwecks Erhöhung der Zuverlässigkeit sowie zum Schutz des Herzogs „gegen die etwaige persönliche Zudringlichkeit der Mitglieder der Versammlung“ (Anm. zu § 102) wurden mündliche Erklärungen der Stände sowie Abordnungen der Stände an den Landesherrn ohne vorherige Erlaubnis verboten (§ 102). Die Erklärungen waren

386

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

unter Abweichung von der Vorlage des § 99 der Verfassung Sachsen-WeimarEisenach (Anm. zu § 103) nicht unmittelbar beim Herzog, sondern über eine herzogliche Kommission oder die Landesregierung einzureichen (§ 103), wobei auch die Verhandlung über das Ministerium als akzeptabel betrachtet wurde (Anm. zu § 103). Der sich eng an § 68 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach und § 283 des württembergischen Entwurfs anlehnende (Anm. zu § 105) § 105 setzte eine Indemnität für die Stände fest, wobei jedoch die Beachtung des „gehörigen Anstands“ gefordert sowie die Verunglimpfung des Landesherrn und Beleidigungen des Ministeriums, der Regierung, des Landtags und einzelner ausgenommen blieb (ähnlich Art. 46 Abs. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – GG). Für die Dauer der Land- und Ausschußtage genossen die Mitglieder gem. § 106 nach dem Vorbild der § 69 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach und § 310 des württembergischen Entwurfs auch Immunität, ausgenommen nur für die Fälle des Betreffens auf frischer Tat und der Zustimmung der jeweils tagenden Versammlung, die gleichen Voraussetzungen nennt heute noch Art. 46 Abs. 2 GG. Die Mitglieder der Ausschüsse waren für ihre Handlungen dem Landtag verantwortlich und konnten von diesem gerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden (§ 111), die Stände sollten nicht „Richter in eigener Sache“ sein (Anm. zu § 111). Nahezu wörtlich aus §§ 112 – 116 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach unter Abkehr der auf die Verhältnisse der früheren Reichsverfassung abgestellten Formulierungen der §§ 27 – 30 des Entwurfs von 1804 stammten die Regelungen über das ständische Beschwerderecht (§§ 112 – 116, Anm. zu § 116). Hiernach waren Beschwerden durch den Landtag oder durch den weiteren Ausschuß gegen die Amtsführung der Mitglieder des Ministeriums oder der höheren Landeskollegien entweder beim Regenten oder durch förmliche Klage in besonderen Fällen (§ 113) zu führen. Ordnungsgemäße Klagen waren an das gemeinsame Oberappellationsgericht in Jena zu verweisen (§ 115). Von der „Gewähr der Verfassung“ handelte der fünfte Abschnitt, der in den wörtlich den §§ 123 ff. Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach entlehnten (Anm. zu § 123) §§ 117 – 123 die Möglichkeit der Verfassungsänderung durch Übereinstimmung von Regenten und Ständen, die Verpflichtung der Staatsdiener auf die Verfassung, die Garantie der Verfassung durch den Regierungsnachfolger bzw. Verweser bei Amts- bzw. Regierungsantritt sowie die Sicherung der Verfassung durch den Deutschen Bund vorsah. Der Entwurf stellt sich damit als Mischung aus verschiedenen zeitgenössischen Verfassungen und Verfassungsentwürfen dar. Klar bleibt, daß Ziel der Regelung nicht nie Schaffung einer aristokratisch-feudalen Regierungsform war, sondern die Festschreibung des monarchischen Prinzips, eingeschränkt durch einzelne konstitutionelle Mitspracherechte des ständischen Vertretungskörpers.

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

387

c) Entwurfsdiskussion aa) Beratung in der Landesregierung Der vorgelegte Entwurf wurde erstmals auf einer Sitzung der Landesregierung am 21. August 1817 behandelt.181 Dabei wurde lediglich angemerkt, daß die bereits von Lotz als möglich bezeichnete Beteiligung der Magistrate und Stadträte an der Wahl der Volksvertreter eher den Vorstellungen des Kollegiums entsprach als die unmittelbare Volkswahl. Der Entwurf selbst wurde mit Schreiben vom 23. August 1817, das die Grundsätze und Vorbilder abermals darstellte, an das Ministerium weitergeleitet.182 bb) Begutachtung durch Hendrich Geheimrat Gruner sandte den Entwurf am 10. September 1817 an Hendrich und bat diesen um Mitteilung seiner Ansicht.183 Bereits in einem ersten Schreiben vom 12. September 1817184 bezeichnete es Hendrich als offensichtlich, daß Gruner das Wohl des Landes und des Fürstenhauses anstrebe, jedoch erscheine es, als seien zu viele „Rücksichten auf die Fürstlichen Privatschulden und auf eingebildete Bedürfnisse des Hofes“185 genommen worden. Herzog Ernst solle vielmehr grundsätzlich seine Ausgaben nach den vorhandenen Einnahmen bemessen. Am 27. September 1817 übersandte Hendrich schließlich seine umfangreichen Anmerkungen an Gruner.186 Mit der zweiten Hälfte des Entwurfs erklärte er weitgehende Übereinstimmung, so daß er seine Anmerkungen nur auf die erste Hälfte bezog. Für vorteilhaft halte er die geplante Vereinigung der bisherigen Landesteile. Bei § 6 sollte der Mindestertrag eines landstandschaftsfähigen Ritterguts bestimmt werden, um „Personalisten“ als geborene Landstände zu vermeiden. Auch sollten Stadträte und Magistrate nicht von der Wahl ausgeschlossen werden, jedoch solle die Volksvertretung nicht mehr wie im altständischen System ausschließlich Rittergutsbesitzern und Magistratsvertretern vorbehalten bleiben. Dem Sinn der Deutschen Bundesakte stehe aber wohl die Bestimmung des § 8 entgegen, der auch demjenigen Rittergutsbesitzer, der in einem anderen deutschen Bundesstaate wohnt, das Stimmrecht abspreche, eine Ausnahmeregelung sollte zumindest für die benachbarten sächsischen Fürstentümer gelten, lediglich für Mitglieder der Protokoll bei StACo LReg. 255 fol. 99 – 100. Schreiben bei StACo Min J 240 fol. 35 – 38 = StACo LReg. 255 fol. 101 – 102’. 183 StACo Min J 240 fol. 109, 109’. 184 StACo Min J 240 fol. 110 – 111. 185 StACo Min J 240 fol. 110. 186 Anschreiben bei StACo Min J 240 fol. 114, 114 f., Anmerkungen bei StACo Min J 240 fol. 115 – 122’. 181 182

388

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Ausschüsse sei die Bindung an einen Wohnsitz im Lande erwägenswert. Auch die Begründung in der Anmerkung zu § 9, warum es notwendig sei, dem Ehemann einer Rittergutsbesitzerin die Landstandschaft zu verweigern, überzeuge nicht. Die Forderung des § 10 nach der Feststellung einer ausreichenden Bildung bei gemeinen Bürgern und Bauern eröffne die Möglichkeit zu willkürlichen Verfahrensweisen, unschädlicher sei es, im Einzelfall auch dem Unfähigen die Landstandschaft zu ermöglichen. Im übrigen sei gegen die Regelungen zum Wahlverfahren nichts einzuwenden, zumal da ersichtlich sei, daß der Verfasser des Entwurfs mit diesem Bereich vertraut sei. Lediglich die den nach § 32 gewählten Landständen zu erteilende schriftliche Legitimation sei überflüssig. Hinsichtlich der beabsichtigten Vereinigung der beiden Kassen (§ 34) bekenne er sich jedoch zu der Forderung der württembergischen Landstände, wonach die Stände darauf bestehen müßten, eine eigene Kasse zu haben und darin die verwilligten Gelder bis zur verwilligungsgemäßen Verwendung aufbewahren zu können. „Das Zusammenschmelzen der Cassen ist gegen die alte Verfassung, gegen die aller übrigen Sächs. Landen, gegen die eigenen neuerlichen Zusicherungen des Landesherrn, das Publicum wird darin die Vernichtung eines der wichtigsten und folgereichsten Rechte der Stände sehen.“187

Zudem sei es leichter, daß der Landesherr im Falle eines verfassungswidrigen Verhaltens gegen die Stände vorgehe, als für diese, gegen den Landesherrn Klage zu führen. Die damit verbundene Übernahme der bisherigen Privatschulden des Herzogs als Landesschulden (§ 44) sei abzulehnen, zumal da in den vergangenen 50 Jahren die Finanzverwaltung nicht zweckmäßig gearbeitet habe. Auch sei nicht verständlich, warum den Ständen das Recht entzogen werde, einen eigenen Konsulenten zu beschäftigen, da keine Gewähr dafür bestehe, daß sich unter ihnen ein Mann mit ausreichender Befähigung finden lasse. Auch die Befugnisse der Landstände im Rahmen der Gesetzgebung könnten allgemeinen Forderungen gemäß etwas erweitert werden. Hendrichs Vorstellungen gingen explizit eher in Richtung einer Wiederherstellung des altständischen Systems unter Bereinigung einzelner Mängel, wie es für ihn die Steuerfreiheit der Rittergüter, die Ungleichheit bei der Repräsentation sowie die mangelnde Durchsetzungskraft der Stände gegenüber möglichen Mißbräuchen der Regierung darstellten. Als Grundlage einer Hebung der Beschwerden sah er einen allgemeinen Interessenausgleich durch die allgemeine Heranziehung zu den Staatslasten. Akzeptabel sei daher auch, wenn ein Besitzer mehrerer Rittergüter188 nur eine Stimme habe und zu den Vertretern der Ritterschaft auch solche von Bürgern und Bauern hinzuträten. Eine neue Verfassung dürfe sich jedoch nicht zu weit von den Verfassungen der anderen Länder der gothaischen Linie der ErStACo Min J 240 fol. 119. Nicht „mehrere Besitzer eines Ritterguts“, wie bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 103 behauptet. 187 188

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

389

nestiner189 entfernen, um den wahrscheinlichen Erbfall im Hause Sachsen-GothaAltenburg auch zugunsten von Sachsen-Coburg-Saalfeld190 nicht zu verhindern. Am 12. Oktober 1817 erstattete Lotz einen Bericht191 über die Anmerkungen Hendrichs und meinte dazu, „daß in ausser wesentlichen Dingen ( . . . ) ihnen sehr wohl nachgegeben werden kan“192, wozu er beispielsweise die Frage des Wohnsitzes der geborenen Landstände zählte. Es müsse dann aber deutlich bestimmt werden, daß ein geborener Landstand nicht in auswärtigen Diensten stehen dürfe. Durch eine abermalige Trennung der Kassen werde dem Interesse des Fürstenhauses und des Landes entgegengewirkt, auch ein angestellter Landschaftskonsulent liefe einem umfassenden Interessenausgleich entgegen. cc) Schriftliche Stellungnahmen im Ministerium (1) Anmerkungen von Konferenzrat Gruner Vom 1. Dezember 1817 datieren weitere Bemerkungen Gruners über den Entwurf.193 Zu § 6 führte er aus, bei der erwähnten Zahl von ca. 30 landständischen Rittergutsbesitzern sei lediglich Coburg berücksichtigt worden, es fehlten Saalfeld und Themar. Erstmals kam der Vorschlag auf, mit Einverständnis der (bisherigen) geborenen Landstände entgegen der Zusage in der Verordnung vom 16. März 1816 nicht sämtliche Rittergutsbesitzer, sondern lediglich von diesen Gewählte in die Landschaft aufzunehmen. Dies erscheine als durchsetzbar, da es aufgrund der Vorschriften der §§ 8 ff. für überschuldete Rittergutsbesitzer besser sei, nicht gewählt zu werden als ein an sich schon bestehendes Recht entzogen zu bekommen. Dieses Verfahren verhindere auch eine Stimmenkumulation für Besitzer mehrerer Rittergüter. Der Forderung Hendrichs hinsichtlich des Wohnsitzes geborener Stände pflichte er zudem bei. Auch die insgesamt angesetzte Zahl von Ständen sei zu hoch, eine Gesamtzahl von 63 sei angemessen, auch sollte die Anzahl der geborenen und der gewählten Stände gleich sein. Erwägenswert sei auch die Aufnahme der nachgeborenen Prinzen des Fürstenhauses in die Reihen der geborenen Stände. Wegen der Wichtigkeit der Wahlen sollten diese in den Städten (§ 19) von Regierungskommissaren und nicht von Magistraten und Stadträten geleitet werden. In § 33 Nr. 2 sollten die Begriffe der „Belastung“ und „Anordnung“ allgemein 189 Insoweit falsch Karl Bohley, der von der Verfassung „der benachbarten Herzoglich Sächsischen Länder“ spricht (Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-CoburgSaalfeld, S. 103 f.). 190 Siehe dazu unten E.II. 191 StACo Min J 240 fol. 131 – 132. 192 StACo Min J 240 fol. 131. 193 StACo Min J 240 fol. 125 – 130’.

390

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

unter der Bezeichnung „allgemeine Abgaben“ zusammengefaßt werden. § 33 Nr. 6 könnte in Teilen der Verwaltung zu enge Grenzen ziehen. Zudem sollte in § 33 noch eine Vorschrift aufgenommen werden, die den Fall der Abweisung „billiger Forderungen“ durch die Stände regelt. Hinsichtlich § 36 sei ausreichend, wenn die Stände am Jahresende das gesamte Rechnungswesen prüfen könnten. Bei § 37 fehle eine Begründung dafür, daß überetatmäßige dringliche Ausgaben bei Deckung am Jahresende trotz vorliegender Erinnerungen der Stände bezahlt werden sollten, da die Erinnerungen auch begründet sein könnten. In § 41 sollten auch die Kosten der Erziehung der Kinder der Fürstenfamilie mit aufgenommen werden. Die beiden vorgesehenen Ausschüsse sollten in ein einziges Gremium vereinigt werden. Das Modell Sachsen-Weimar-Eisenachs, wonach die Landschaft selbst eher den Charakter eines Ausschusses habe, biete Vorteile. Damit wurde endgültig der Anstoß zur Verkleinerung der ständischen Gremiums und damit auch zur Verkleinerung der Gruppe der „geborenen“ Landstände gegeben. Die Einberufung der Stände (§ 60) sollte nach nassauischem Vorbild (§ 8 des Edikts) durch das Ministerium erfolgen. Der von Hendrich geforderten Anstellung eines Konsulenten widersprach Gruner nicht, soweit gesichert werden könne, daß Nachteile vermieden werden können und die anzustellende Person einer herzoglichen Genehmigung bedarf. Die Kompetenzen des Weiteren Ausschusses (§ 79) sollten erweitert werden, da zu viele Vorbehalte zugunsten der Landtage sich eher kostspielig auswirken würden. Die Verfahrensvorschrift des § 93 ermögliche außerdem Manipulationen. (2) Lotz’ Stellungnahme In seiner Antwort vom 21. Dezember 1817194 erläuterte Lotz abermals, er wolle durch den Entwurf einen Interessenausgleich zwischen Fürst und Ständen schaffen, andererseits aber auch das Land vor einem „nachtheiligen Aristokratismus“195 bewahren. Aus diesem Grunde befürworte er auch nicht eine Teilnahme nur eines Ausschusses der geborenen Stände an den Geschäften. Die Aufnahme der nachgeborenen Prinzen sei unbedenklich, dies dürfe lediglich kein Übergewicht der Stände gegenüber dem Landesherrn zur Folge haben. Gefährlich sei es, den geborenen Ständen ein Übergewicht gegenüber den gewählten zuzugestehen, da die Rittergutsbesitzer eher zur Opposition gegen die Regierung neigten. Die Zahl der landständischen Rittergüter betrage im Amt Coburg 19, im Amt Neustadt 9, im Amt Rodach 4, im Amt Themar 3, im Amt Saalfeld 9 und im Amt Gräfenthal 3, insgesamt also 46, woran sich die Zahl der Gewählten orientieren müsse. Der Bestellung von Regierungskommissaren für die Durchführung der Wahl in den 194 195

StACo Min J 240 fol. 133 – 138’. StACo Min J 240 fol. 133.

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

391

Städten stimme er zu. § 33 Nr. 2 behandle nicht nur Abgaben, sondern auch andere Leistungen, mit denen die Untertanen belegt werden könnten. Hauptgrund für die Formulierung des § 37 sei gewesen, daß im Deckungsfall die Untertanen nicht mit neuen Lasten belegt worden seien. Die Kosten der Prinzenerziehung sollten in § 41 mit aufgenommen werden, ebenso die Einberufung der Stände durch das Ministerium in § 60. Abzulehnen sei jedoch die Einführung eines angestellten Konsulenten, da hierbei die Gefahr bestehe, daß ein solcher bald die gesamte Landschaft überflügle. Auch mit einer Ausweitung der Kompetenzen des Weiteren Ausschusses konnte sich Lotz nicht anfreunden, da dies zu einer zu starken Machtfülle des Ausschusses führen könnte. (3) Anmerkungen von Konferenzrat Arzberger Arzberger führte in seiner Stellungnahme vom 10. Januar 1818196 aus, er bevorzuge hinsichtlich der Zusammensetzung der Stände (§ 7) auch die geringere Gesamtzahl sowie eine ausdrückliche Vertretung der Stadträte und Magistrate, wobei aber noch angesprochen werden sollte, daß nicht unbedingt – wie im altständischen System üblich – der Vorsteher des jeweiligen städtischen Kollegiums landschaftlicher Vertreter sein müsse, sondern auch dieser aus einem eigenen Wahlgang im Kollegium hervorgehen könne. § 33 Nr. 2 sei am Ende zu allgemein gehalten, da nunmehr jeder, der Nachteiliges verfolge, lediglich eine mögliche Gefährdung des Landes behaupten müsse. Der landständische Einfluß dürfe sich keinesfalls auf die Gesamtheit der staatlichen Einnahmen erstrecken, zudem müßten die Fälle, in denen ein Mitwirkungsrecht der Stände bestehe – dem keinesfalls jedoch ein administrativer Charakter zukommen dürfe –, einzeln aufgezählt werden. Bei § 34 sei aber sogar unbedenklich, den Kassierer unter dem Vorbehalt landesherrlicher Genehmigung von den Ständen wählen zu lassen. Für die Etatverhandlungen (§ 35) sollte auf eine Mitwirkung des Ministeriums verzichtet werden, da diese einerseits zu den Aufgaben der Landesregierung gehörten, andererseits der Charakter des Ministeriums als einer in dieser Frage unparteiischen Behörde gewahrt werden solle. Statt der in § 36 vorgesehenen Übersendung der monatlichen Kassenberichte an die Stände schlug Arzberger vor, den Landschaftsdirektor an der monatlich stattfindenden Sitzung über Finanzfragen zu beteiligen, da dies die Landesregierung zu erhöhter Zuverlässigkeit anhalten könne und die Stände mit dem bloßen Kassenbestandsbericht nichts anfangen könnten. Bei § 37 sei noch klarzustellen, daß die Landesregierung keine Zahlungen auf nicht etatisierte Posten leisten dürfe. Auch eine Haftung der anordnenden Behörden und Beamten bei dringenden Ausgaben, die von den Ständen als dringend anerkannt werden müssen, sei abzulehnen, da dies außerordentliche Zahlungen faktisch unmöglich machen könnte, denn es sei nicht erkenntlich, ob die Stände zu einer derartigen Anerkennung bereit seien. Stattdessen wäre auch eine Einbeziehung des Landschaftsdirektors in die 196

StACo Min J 240 fol. 139 – 146’.

392

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Entscheidungsfindung denkbar. In jedem Falle seien aber genauere Regelungen erforderlich. Die Eigenschaft der Domänen als Staatsgüter (§ 39) begründe sich bereits aus den staatsrechtlichen Verhältnissen, so daß der Herzog diese Formulierung ohne Bedenken zugestehen könne, wenn die Landstände den gesamten Verfassungsentwurf billigten. Auf die Zivilliste (§ 40) müßten wegen eines zu erwartenden Fehlbetrages auch die Landesrevenuen mit angerechnet werden. Bei §§ 42 f. bedürfe es einer Bestimmung des Begriffs der Domänen. Zu der Aufnahme der bisherigen Schulden (§ 44) könnten Motive und Verwendung seit dem Jahr 1808 nachgewiesen werden. Eine Mitwirkung der Stände bei der Domänenverwaltung komme jedoch nur bei der völligen Übernahme sämtlicher bisherigen Schulden in Betracht. § 53 binde dem Landesherrn in den Fragen einer notwendigen Erhöhung der Personalstärke des Militärs die Hände, ohne daß § 55 in ausreichendem Maße Abhilfe schaffe. Da sich der Engere Ausschuß unbegrenzt versammeln dürfe, erscheine im übrigen die Anordnung der Führung eines fortlaufenden Geschäftsprotokolls vonnöten. Die Aufteilung in einen Engeren und einen Weiteren Ausschuß sei allerdings nicht notwendig. (4) Anmerkungen von Konferenzrat Hohnbaum Hohnbaum wandte sich in seinen Bemerkungen vom 2. Februar 1818197 gegen den Ausdruck der „geborenen“ Stände, hielt es aber für ausreichend, diesen keine Handlungsmöglichkeiten ohne Mitwirkung der gewählten Stände zuzugestehen. Bei § 6 sollte infolgedessen aber die Möglicheit der Aufnahme neuer Besitzungen in die Zahl der Rittergüter weggelassen werden. Auch sei eine geringere Zahl der Stände (§ 7) zu bevorzugen, wobei er ausdrücklich der Ansicht Gruners entgegentrat, wonach die Zahl der gewählten Stände diejenige der geborenen nicht übersteigen dürfe. Hinsichtlich des Wohnsitzes der geborenen Stände (§ 8) unterstütze er zwar die Ansicht Hendrichs, sei aber selbst der Meinung, daß alle gewählten Stände ihren Wohnsitz im Lande haben sollten. Bei der Frage der Landstandschaft des Ehemanns einer Rittergutsbesitzerin (§ 9) müsse die Frage berücksichtigt werden, wo dieser seine Hauptbesitzungen habe und ob er mit seiner Gattin männliche Kinder habe. Den hinsichtlich des Nachweises eines bestimmten Bildungsgrades (§ 10) zu erwartenden Problemen könne durch die Wahl einer bestimmten Anzahl an Rittergutsbesitzern statt der Landstandschaft aller und durch eine Beschränkung der Zulassung von bürgerlichen Rittergutsbesitzern zur Landstandschaft nach den früher geltenden Bestimmungen198 entgegengetreten werden. In § 16 sollte die Wahl von Stellvertretern für geborene und gewählte Stände zusätzlich vorgesehen werden.199 Bei § 31 sei noch Vorsorge für den Fall zu treffen, daß bei nur einer zu vergebenden Stelle zwei Personen die gleiche Stimmenzahl erhalten haben. Die 197 198 199

StACo Min J 240 fol. 153 – 154. Siehe dazu oben B.I.3.c)dd). Ähnlich bereits § 1 des kurhessischen Wahlordnungsentwurfs.

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

393

Etats (§ 35) seien besser auf mehrere Jahre zu erstellen. Zur Frage des Konsulenten (§ 64) schlug Hohnbaum vor, diesen von den Landständen aus deren Mitte wählen zu lassen und ihn in den Ausschüssen erforderlichenfalls zu Rate zu ziehen. Unnötig sei die Wahl von Stellvertretern für jedes Ausschußmitglied (§ 65), hier sei eine geringere Zahl von Vertretern ausreichend. Bei § 68 solle klargestellt werden, daß nicht in den Ausschuß gewählt werden dürfe, wer nicht seinen wesentlichen Aufenthalt im Lande hat, und die Frage geklärt werden, ob Rittergutsbesitzer im Staatsdienst wählbar seien. Zu bedenken sei bei § 76, daß sich nicht jeder Beistand auch zum Landschaftsdirektor eigne. Im Rahmen des § 112 stelle sich die Frage, ob die Hofbeamten von der Beschwerdeführung ausgeschlossen seien. § 119, der Verfassungsverletzungen zu Hochverrat bzw. Straftaten erklärte, sei schließlich zu weitgehend. (5) Lotz’ Schlußbemerkung Auch Regierungsrat Lotz erklärte sich in einem Schreiben vom 21. Februar 1818200 schließlich mit einer geringeren Zahl an Ständen einverstanden, da er mit der von ihm vorgeschlagenen Anzahl lediglich habe bewirken wollen, daß „die gewählten Stände im Stande seyn mögen die ihnen meiner Ansicht nach gebührende Übermacht über die Geborenen zu erlangen, da nun diesen die Verordnung vom 20ten März 1816 ihr früheres Landstandschaftsrecht ohne Einschränkung zugesichert hat.“201

Nunmehr schlage er vor, die bereits zugesicherten Virilstimmen der geborenen Stände wie in Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Hildburghausen in Kuriatstimmen umzuwandeln, so daß die neue Landschaft aus drei Vertretern der Ritterschaft von Coburg und Themar, drei Vertretern der Ritterschaft Saalfelds, drei Vertretern der Stadt Coburg sowie jeweils zwei Vertretern der Städte Saalfeld und Pößneck, der Ämter Coburg und Saalfeld, von Stadt und Amt Neustadt, Rodach, Themar sowie Stadt und Amt Gräfenthal mit Lehesten, insgesamt also 25 Personen bestehen könnte. Eine dahingehende Vorschrift müsse noch in den Verfassungsentwurf aufgenommen werden, in Betracht komme aber auch, von den Rittergutsbesitzern sechs Vertreter ohne weitere Vorschriften wählen zu lassen. Als Voraussetzung der Wählbarkeit eines Rittergutsbesitzers sollte bestimmt werden, „daß derselbe von Adel sey, oder studirt habe, oder den Charakter eines herzogl. Raths habe.“202

Um eventuelle Bedenken des Herzogs zu beseitigen, könnte der Schlußsatz des § 39 gestrichen werden, nur § 46 müsse beibehalten werden.

200 201 202

StACo Min J 240 fol. 155 – 158. StACo Min J 240 fol. 155. StACo Min J 240 fol. 156.

394

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

dd) Ministerialkonferenz im April 1818 Der Entwurf wurde nunmehr bei einer Konferenz vom 15. bis zum 29. April 1818 besprochen, an der neben den Mitgliedern des Ministeriums Landesregierungspräsident Albrecht Anton Adolph Hofmann und Landesregierungsrat Lotz als zuständiger Referent und Entwurfsverfasser teilnahmen und sämtliche Vorschriften des Verfassungsentwurfs im einzelnen durchgegangen wurden.203 § 1 erhielt folgende neue Formulierung: „Die zu den H. S. Coburgischen Landen gehörigen Fürstenthümer Coburg und Saalfeld mit Inbegriff des Amtes Themar bilden von nun an ein Fürstenthum unter dem Namen: Herzogthum Coburg Saalfeld.“

Hierdurch sollte eine Bezugnahme auf die ehemalige „Pflege Coburg“204 vermieden und auch klargestellt werden, daß die „überrheinischen coburgischen Besitzungen“ nicht von der Verfassung erfaßt werden sollten. Auch in allen anderen Bestimmungen sollte der Begriff „Fürstentum“ durch den des „Herzogtums“ ersetzt werden. Damit kam dieser Begriff erstmals seit der beginnenden Rheinbundzeit205 wieder auf. Der Begriff der „geborenen“ Landstände (§ 4) wurde beibehalten, da er auch schon in der Verordnung vom 16. März 1816 so enthalten war, und nicht durch „erblich“ ersetzt. In Betracht komme jedoch auch eine Aufnahme von „amtlichen“ Landständen, wenn die Landstandschaft mit dem Amt der Direktoren der Magistrate bzw. Stadträte verbunden würde. Auch bei der Zahl der Landstände (§ 7) schloß man sich Gruners und Lotz’ Vorschlag einer Verminderung der Zahl der Landstände206, bei den geborenen Ständen durch ein System der Kuriatstimmen, an, wobei auf die coburgische und saalfeldische Ritterschaft jeweils sechs und auf die Rittergutsbesitzer Themars zwei Landstände entfallen sollten.207 Je zwei amtliche Landstände sollten aus dem jeweiligen Direktorium des Magistrats der Städte Coburg und Saalfeld gewählt werden. Die gewählten Landstände sollten im übrigen aus zwei Deputierten der Stadt Pößneck, dreien des Amtes Coburg sowie jeweils zwei Vertretern des Amtes Saalfeld sowie von Stadt und Amt Neustadt, Rodach, Themar sowie Stadt und Amt Gräfenthal mit Lehesten bestehen. Später wurde dies dahingehend genauer gefaßt, daß von insgesamt 37 Landständen 12 aus der Ritterschaft – hier nun ohne Unterscheidung des Landesteils –, je einer von den Magistraten von Coburg und Saalfeld sowie vom Pößnecker StadtProtokoll bei StACo Min J 241 fol. 4 – 27. Siehe dazu oben A.I. 205 Siehe dazu oben C.I.4.b)bb). 206 Dazu soeben cc)(1) und (5). 207 Ebenso sahen fast alle vormärzlichen Verfassungen nur noch eine Repräsentation der Ritterschaft durch aus ihrer Mitte gewählte Abgeordnete vor, siehe dazu Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 399; Wilfried Peters, Späte Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus, S. 98. 203 204

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

395

rat, einer abwechselnd von den übrigen Landstädten, drei von den Bürgern der Stadt Coburg, je zwei von den Bürgern der Städte Saalfeld und Pößneck, 3 aus dem Amt Coburg und jeweils zwei aus dem Amt Saalfeld sowie von Stadt und Amt Neustadt, Rodach, Themar sowie Stadt und Amt Gräfenthal mit Lehesten gewählt werden sollten. Von der Aufnahme „amtlicher“ Stände war man wieder abgekommen, gleichzeitig war die Landschaft im Vergleich zu Lotz’ Vorschlägen208 wieder um knapp 50 Prozent angewachsen. Bei § 8 sollte die Bedingung des Wohnsitzes im Lande nunmehr entfallen. Auch in § 9 schloß man sich dem Vorschlag an, die Vorschrift, wonach das stimmberechtigte Rittergut mindestens drei Jahre im Besitz gehalten worden sein mußte, zu streichen und auch den Ehemännern von Rittergutsbesitzerinnen die Landstandschaft zu ermöglichen. Die Forderung nach „hinlänglicher Bildung“ für die Landstandschaft in § 10 wurde ebenfalls gestrichen. § 14 sollte dahingehend geändert werden, daß Rittergutsbesitzer an der Wahl der gewählten Landstände nicht teilnehmen durften. In § 19 wurde aufgenommen, daß die Wahlen in den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck durch einen Regierungskommissar geleitet werden sollten. In § 20 wurde klargestellt, daß das Wahlrecht nur Christen zustehen könne. Das Wahlalter (§ 21) sollte wegen zwischen den Landesteilen bestehender Unterschiede einheitlich auf das 25. Lebensjahr festgelegt werden. Der in § 26 ursprünglich vorgesehene Zeitraum der Wahlbekanntmachung von mindestens acht Tagen wurde auf vier Wochen verlängert. Das Anwesenheitsquorum von zwei Dritteln der Wahlberechtigten bei der Wahlversammlung (§ 28) wurde als zu hoch und an dessen Stelle ein Drittel als ausreichend empfunden. Auch sollte gegen unentschuldigt Fehlende weniger restriktiv vorgegangen werden. Auf § 32 könne insgesamt verzichtet werden. Im Rahmen des § 33 entschloß man sich, die Kassentrennung nach dem bisherigen System beizubehalten, jedoch sollte eine klare Übersicht der Zuständigkeiten sowie eine konkrete Verteilung des Schuldenstandes erstellt werden. Diese Änderung hatte noch weitere Anpassungen (beispielsweise in §§ 34 f.) und Streichungen (beispielsweise §§ 36 f.) zur Folge. Ebenso wurde § 37 Nr. 8 gestrichen. Der Etat der Landeskasse (§ 35) sollte von der Landesregierung angefertigt und auf eine Periode von sechs Jahren, nämlich von Landtag zu Landtag, festgesetzt werden. Gleichzeitig sollte § 58 auch die Möglichkeit schaffen, daß im Einzelfall die Landtagsperiode von sechs Jahren verlängert werden konnte. In § 60 sollte klargestellt werden, daß die Einberufung des Landtages nur durch landesherrliches Reskript geschehen könne. Eine bessere Koordination könne erreicht werden, wenn der jeweilige Landschaftsdirektor Regierungsmitglied sei oder, wie Hohnbaum schriftlich anmerkte, in landschaftlichen Angelegenheiten zu den Sitzungen der Landesregierung hinzugezogen werden sollte. Auch sollte ein landschaftlicher Konsulent vorgesehen werden, der von den Ständen von einem Landtag zum nächsten „aus der Klasse der zu Ständen wählbaren Personen“ gewählt werden sollte, 208

Soeben cc)(5).

396

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

im Lande zu wohnen hatte und dessen Wahl landesherrlicher Bestätigung bedurfte. Ähnlich sah die Verfassung Sachsen-Hildburghausens vom 19. März 1818, die zu diesem Zeitpunkt wenige Wochen bestand, in § 27 f. die Wahl eines ständischen Syndikus auf Lebenszeit, der in der Residenzstadt zu wohnen hatte, mit weiten Geschäftsführungsbefugnissen vor. In § 68 wurde der letzte Satz gestrichen, so daß auch Staatsbeamten die Stelle des Landschaftsdirektors offenstand. Bei §§ 69 ff. wurde anstelle eines Engeren und eines Weiteren Ausschusses nur ein einziger Ausschuß gesetzt, auch waren die beiden Beistände des Landschaftsdirektors nicht mehr vorgesehen. Die Mitteilung der Anträge des Herzogs auf dem Landtag (§ 89) sollte nunmehr doch durch das Ministerium geschehen. Die in § 99 vorgesehene Möglichkeit jedes Abgeordneten, schriftliche Erklärungen gegen Beschlüsse zu Protokoll zu geben, wurde gestrichen. Ebenso wurde § 119 (Bestrafung bei Verletzung der Verfassung) gestrichen. Zu § 120 wurde angemerkt, man dürfe die Verbesserung der Verfassung nach den Zeitumständen nicht ausschließen. Die beschlossenen Änderungen – neben den dargestellten noch weitere redaktioneller Art – wurden durch Regierungsrat Lotz redigiert und in einem neuen Text zusammengefaßt209, der über 190 Paragraphen umfaßte210, von dem jedoch kein Exemplar mehr überliefert ist. Da es sich hierbei aber offensichtlich um eine bloße redaktionelle Verarbeitung der Änderungen infolge der Konferenz handelte, kann keinesfalls von einem zweiten Entwurf Lotz’ gesprochen werden.211 ee) Umlauf im Ministerium Der geänderte Verfassungsentwurf wurde am 1. Juni 1818 an die Mitglieder des Ministeriums sowie Landesregierungspräsident Hofmann zur Stellungnahme gesandt. Konferenzrat Johann Heinrich Theodor Opitz unterbreitete in seiner Stellungnahme vom 12. Juni 1818212 neue Formulierungsvorschläge hinsichtlich der Voraussetzungen zur Wahlberechtigung. Da seiner Ansicht nach die bisherige Forderung nach „Unbescholtenheit“ in den allgemeinen Voraussetzungen zu unbestimmt gewesen sei, entwarf er folgenden Text: „Zur Theilnahme an der Ständewahl sind im allgemeinen nur diejenigen Landesangehörigen männlichen Geschlechts und christlicher Religion berechtigt, welche in vollem Genuß des Staatsbürgerrechts sich befinden, mithin die Jahre der gesetzlichen Volljährigkeit er209 Auftrag an Lotz im Sitzungsprotokoll bei StACo Min J 241 fol. 27, Versand durch Gruner am 1. Juni 1818 ebd. fol. 30. 210 Ersichtlich aus dem Gutachten der Landesregierung als Justizkollegium, StACo Min J 241 fol. 88, und einer Gliederung Opitz’ bei StACo Min J 242 fol. 82, 82’. 211 So aber Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 112, 180. 212 StACo Min J 241 fol. 31 – 34’ (Hervorhebung im Original).

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

397

reicht und die Ansässigkeit im Lande entweder durch den Besitz besteuerter Objecte, oder durch Ausübung besteuerter Gewerbe oder durch ein öffentliches Amt erlangt haben, und welche nie wegen eines Verbrechens oder Vergehens wenigstens nicht ohne nachhero erfolgte gänzliche Lossprechung in Untersuchung befangen waren.“

In dieser für das weitere Vorgehen richtungweisenden Forderung kulminierte die das aktive Wahlrecht immer weiter einschränkende Tendenz der Exekutive. Da unklar sei, inwieweit eine Wahlberechtigung des Stadtsyndikus oder Stadtschreibers bestehe, wünschte Opitz eine genauere Bestimmung über die Stimmberechtigung bei der Wahl der Vertreter der Magistrate und Stadträte durch folgende Fassung: „An der Wahl der von den Magistraten und Stadträthen zu wählenden Stände nehmen alle Mitglieder dieser städtischen Behörden Antheil, welchen in allgemeinen Angelegenheiten derselben eine Stimme der Verfassung gemäs zukommt.“

Die übrigen Vorschriften zum Wahlrecht sollten vereinfacht und präzisiert werden: „In den Städten entscheidet außer den algemeinen Erfordernissen ( . . . ) das erlangte Bürgerrecht verbunden mit wesentlicher Wohnung für die Theilnahme an der Ständewahl, doch sind die einwohnenden geist- u. weltlichen Staatsdiener, so wie Advocaten und Aerzte, Gelehrte u. Künstler, falls sie auch das Bürgerrecht entbehren, davon nicht auszuscheiden. ( . . . ) In den Dörfern bedingt auf gleiche Weise die Theilnahme an den Wahlen das Nachbarrecht u. der Besitz eines Haußes; es sind jedoch auch hier die Geistlichen und Schullehrer zur Theilnahme berechtigt. Bey der Theilnahme an der Ständewahl gilt aber durchgängig die Regel, daß ein Wähler bey der Wahl zu einer Landständ. Versammlung nur einmal seine Stimme zu geben hat, und hierunter niemals in doppelter oder mehrfacher Eigenschaft handeln darf.“

Um die Erfüllung des Anwesenheitsquorums überprüfen zu können, regte Opitz die Anlegung von Wählerverzeichnissen an. Verfassungsänderungen sollten nach dem Vorbild der bayerischen Verfassung nur vom Landesherrn initiiert werden dürfen und einer Zwei-Drittel-Mehrheit bei Anwesenheit von drei Vierteln der Stimmberechtigten bedürfen. Ebenfalls nach bayerischem Vorbild sollte die Unverletzlichkeit der einzelnen Stände nicht während des gesamten Landtages garantiert sein, sondern auf die Dauer der einzelnen Sitzungen beschränkt bleiben. Arzberger unterstützte in seinen Bemerkungen vom 25. Juni 1818213 die Vorschläge Opitz’ zur Neuformulierung der Bestimmungen über die Teilnahme an der Wahl. Den Ständen sollten seiner Ansicht nach auch Bemerkungen zu Mißbräuchen bei der Verwaltung der Domänenkasse erlaubt sein. Daher sollte ihnen auch ein Recht zur Einsichtnahme in die „Resultate“ der Domanialverwaltung eingeräumt werden. Die für Arzberger lediglich formale Trennung der beiden Kassen sollte in folgender Formulierung klargestellt werden: 213

StACo Min J 241 fol. 35 – 37.

398

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

„Sämtliche im Herzogthum zu erhebende Einkünfte vereinigen sich in zwei Haupt-Cassen, der Haupt-Domänen-Casse und der Landes-Casse.“

ff) Zusicherung einer Beteiligung der ehemaligen Stände Nachdem die vormaligen saalfeldischen Stände bereits am 12. August 1817 beim Ministerium um Mitteilung eines eventuell bereits erarbeiteten Verfassungsentwurfs ersucht hatten214, forderten die Deputierten der Ritterschaft am 8. Dezember 1818 den Saalfelder Polizeidirektor Wilhelm Rose auf, in Coburg auf eine Mitteilung und gemeinsame Beratung des Entwurfs zu dringen.215 Auf eine gemeinschaftliche Eingabe vom 28. Dezember 1818216 hin wurde den früheren Landständen durch ein Schreiben des Ministeriums unter dem 21. Februar 1819 zugesichert, „daß des nechsten eine Zusammenberufung von dazu zu ernennenden Herzogl. Dienern und Deputirten Statt finden, und diesen alsdann der Entwurf der Landständischen Verfaßung für das Herzogthum Coburg und Saalfeld mitgetheilt werden soll.“217

gg) Gutachten der Landesregierung als Justizkollegium Bereits durch Schreiben vom 27. Juni 1818218 hatte das Ministerium die Landesregierung als Justizkollegium mit der Erstellung eines Gutachtens über den veränderten Entwurf beauftragt.219 Dieses lief am 21. Januar 1819 beim Ministerium ein.220 Recht vorsichtig wurde zu Beginn der Bemerkungen festgestellt, daß der Entwurf „in Ansehung der Liberalität der Grundsätze sein Vorbild, das S. Weimar. Grundgesetz, nicht immer zu erreichen scheint.“221 Er erscheine insbesondere dahingehend als unvollständig, daß Regelungen über verschiedene Bereiche fehlten, beispielsweise über Religionsfreiheit, Duldung der Juden im Lande, Preßfreiheit, Sicherheit der Person und des Eigentums, Abschaffung der Vermögenskonfiskationen mit Ausnahme des Falles der Desertion im Militär, Ablösung der Feudalrechte, Rechtspflege sowie Bestimmungen über die Militärverfassung. Hierzu merkte Gruner am Rand an, daß der Entwurf lediglich die ständischen Verhältnisse und nicht die Staatsverfassung im Ganzen regeln solle, da diese zum Teil in den StACo Landtag 46 fol. 58, 58’. StACo Min J 241 fol. 41, 41’ = StACo Landtag 46 fol. 59, 59’. 216 StACo Min J 241 fol. 89 – 92 = StACo Landtag 46 fol. 61 – 64. 217 StACo Min J 241 fol. 93. 218 Nicht am 25. Juni 1818, wie Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 116 behauptet. 219 StACo Min J 241 fol. 38, 38’. 220 Anschreiben datiert 21. Dezember 1818 bei StACo Min J fol. 44 – 45, Gutachten datiert 12. Dezember 1818 bei StACo Min J fol. 46 – 88. 221 StACo Min J 241 fol. 46. 214 215

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

399

Besonderheiten der Hausverfassung gelagert sei. Auch die Verfassung SachsenWeimar-Eisenachs habe lediglich das Verhältnis zu den Ständen geregelt, so daß hinsichtlich der noch außerhalb der Konstitutionsurkunde zu regelnden Fragen keine zu große Diskrepanz vorliege. Das Gutachten empfahl zudem, vor einer Inkraftsetzung des Entwurfs als Verfassung denselben zunächst mit den ehemaligen Ständen sowie zusätzlich zu wählenden Bürgern und Bauern zu beraten. Hierfür wurde die Wahl von zwölf Rittergutsbesitzern, acht Deputierten der Magistrate und Stadträte sowie 21 Vertretern der Städte und Ämter vorgeschlagen. Nach Gruners Ansicht sei ebenfalls die Zusammenberufung der Stände nach den Grundsätzen der weimarischen Verordnung vom 30. Januar 1816222 vorzuziehen. Da Sachsen-Weimar-Eisenach aber nur über 31 Stände insgesamt verfüge, sei die vorgeschlagene Gesamtzahl von 41 zu groß. Bereits mit Gruners Genehmigung versehen war ein neuer Formulierungsvorschlag für § 1, da die bisherige Formulierung hinsichtlich der „Fürstentümer Coburg und Saalfeld“ unrichtig sei: „Die S. Coburgischen und S. Saalfeldischen Lande mit Inbegriff des Amtes Themar bilden von nun an ein Fürstenthum unter dem Nahmen Herzogthum S. Coburg Saalfeld.“

Die nunmehrigen Vorschriften, daß nur zwölf Vertreter der Ritterschaft auf Landtagen erscheinen dürfen und daß weibliche Rittergutsbesitzer auch von der indirekten Mitwirkung bei der Wahl der Vertreter der Rittergutsbesitzer ausgeschlossen sein sollten, seien nicht mit der Verordnung vom 16. März 1816 in Übereinkunft zu bringen, auch seien Probleme mit den vormaligen saalfeldischen Ständen aufgrund der Assekuranzurkunde für Saalfeld vom 31. Oktober 1805 zu befürchten. Zweifelhaft sei aufgrund wohl divergierender Interessen, ob es sinnvoll sei, die Bürger der Städte Neustadt, Rodach, Themar, Gräfenthal und Lehesten zusammen mit den Bauern der umliegenden Ämter wählen zu lassen, so daß auch diese Städte – wobei unklar ist, ob deren Stadträte oder Bürgerschaften gemeint waren – eigene Deputierte wählen sollten, damit die Bürger nicht mit den Bauern „amalgamirt“ würden. Das Justizkollegium plädierte zudem dafür, daß Grundeigentum die einzige Voraussetzung für das aktive Wahlrecht darstellen sollte, die als Alternative vorgeschlagene Ausübung eines Gewerbes dürfe nicht ausreichen. Gruner bemerkte dazu, daß dann auch Künstler und Gelehrte von der Wahl ausgeschlossen wären. Wiederum mit Zustimmung Gruners wurde angemerkt, nicht jede Bestrafung dürfe vom Wahlrecht ausschließen, sondern lediglich eine „infamirende Handlung“. Ebenso sollte der Verlust des Wahlrechts auch denjenigen Personen erspart werden, welche nach unverschuldetem Konkurs ihre Gläubiger vollständig befriedigt haben, wie es bereits in § 10 Verfassung Sachsen-Hildburghausen vorgesehen sei. 222 Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 751 ff. = Johann Ludwig Klüber, Staatsarchiv des teutschen Bundes, 1. Band, S. 144 ff. = Allgemeines Staatsverfassungs-Archiv, Erster Band, S. 266 ff.

400

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Hinsichtlich § 4 des Entwurfs erachtete das Justizkollegium die in der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach vorgesehene indirekte Wahl der Landstände durch Wahlmänner für vorteilhafter, da durch die große Menge der Wähler Organisation und Ablauf der Wahlhandlung erschwert werden dürfte. Gruner unterstützte auch diese Anregung. Die Möglichkeit einer Absprache vor der Wahl, wie sie § 43 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach bereithalte, sollte ebenfalls eröffnet werden. Für die Fälle der Stimmengleichheit bei der Wahl sollte ein Losentscheid vorgesehen werden. Im Falle eines außerordentlichen Landtages sollte keine erneute Wahl der Landstände erfolgen, vielmehr sollten die für den vorherigen ordentlichen Landtag gewählten Abgeordneten auf sämtlichen außerordentlichen Versammlungen erscheinen können. Um jedoch im Falle des Ausscheidens mehrerer Stände das Eintreten eines Ungleichgewichts der repräsentierten Klassen der Landstände zu vermeiden, sollte nach dem Vorbild des § 32 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach eine Wahl von Stellvertretern für die einzelnen Stände vorgesehen oder zumindest eine Regelung dahingehend getroffen werden, daß im Falle des Ausscheidens eines Repräsentanten derjenige nachrückt, der nach ihm die meisten Stimmen erhalten hat. Gruner bevorzugte hierbei den zweiten Vorschlag. Durch diese Anregung kam erstmals in der Verfassungsdiskussion Sachsen-Coburg-Saalfelds der Gedanke einer kontinuierlichen Abgeordneteneigenschaft außerhalb der Abhaltung der ordentlichen Landtage auf. Die Landstände sollten also nicht mehr für die Durchführung eines bestimmten Landtages, sondern für einen bestimmten Zeitabschnitt gewählt werden. Zudem sollte noch eine Regelung für den Fall des Auseinanderdriftens der Vertreter aus den beiden Landesteilen getroffen werden, wie es beispielsweise hinsichtlich der Curiat- und Provinzialstimmen in §§ 83 ff. der Verfassung SachsenWeimar-Eisenach – als Ausnahmefall – geschehen sei. Aufgrund der Hintergedanken, die mit dem Amte eines landschaftlichen Konsulenten stets verbunden würden, erscheine es sinnvoller, der Landschaft einen Berater unter der Bezeichnung „Syndikus“223 beizugeben, der auf Lebenszeit ernannt und regelmäßig besoldet werden sollte.224 Als Anwesenheitsquorum für die Wahl der Ausschußmitglieder sollte wegen der Wichtigkeit ihrer Aufgaben statt zwei Dritteln drei Viertel vorgesehen werden. Andererseits sollten Gesetzentwürfe zur Beratung regelmäßig den Ständen in ihrer Gesamtheit und nur in Ausnahmefällen oder zur Vorbereitung von Landtagen lediglich dem Engeren Ausschuß mitgeteilt werden, da letzterem ansonsten eine zu 223 Zur Identität der Begriffe vgl. oben B.I.4.d). – Offensichtlich falsch die Vertauschung der Begriffe bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 121. 224 Dies stellt eine weitergehende Annäherung an das Vorbild in §§ 27 f. Verfassung Sachsen-Hildburghausen dar.

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

401

große Macht in die Hände gelegt werde und der Erlaß neuer Gesetze im allgemeinen nicht als dringlich anzusehen sei. Auch das Mitspracherecht der Stände bei der Gesetzgebung sollte nach Auffassung des Justizkollegiums entsprechend § 5 Nr. 2 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach auf sämtliche allgemeinen Anordnungen, die auf Besteuerung und Belastung der Untertanen Einfluß haben könnten, ausgedehnt werden. Zudem sollten die Landstände auch bei allen Gesetzen mit Bezug auf allgemeinen Handel und Verkehr gutachtlich Stellung nehmen können. Nach dem Vorbild des § 5 Nr. 6 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach sollte den Ständen bei Gesetzen, die die landständische Verfassung oder die persönliche Freiheit betreffen, nicht nur ein Begutachtungsrecht zustehen, vielmehr sollten diese ihrer Zustimmung bedürfen, zumal da dies den Ständen in der Wiener Note vom 16. November 1814225 für alle neu zu erlassenden allgemeinen Gesetze zugesichert worden sei. Dazu äußerte Gruner, er sei nicht der Ansicht, daß eine derartige Ausweitung der landständischen Kompetenzen Nachteile zur Folge hätte. Dazu sollte auch das in § 117 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach vorgesehene System aufgenommen werden: die Stände müssen die Gründe der Verweigerung ihrer Zustimmung zu einem Gesetzesetwurf darlegen, während der Regent die Zustimmung zu einer Gesetzesinitiative der Stände jederzeit ohne Gründe verweigern kann. Auf diese Weise könne einem möglichen Mißbrauch der ständischen Rechte rechtzeitig entgegengetreten werden. Hinsichtlich der Formulierung solle man sich an § 117 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach und dem diesem nachgebildeten § 47 der Verfassung Sachsen-Hildburghausen halten und bestimmen: „Versagt der Regent einem von den Ständen ausgegangenen Gesetzvorschlag die Genehmigung, so kann derselbe zwar nicht in der gegenwärtigen Stände-Versammlung, wohl aber in den beiden nächstfolgenden und zwar entweder unverändert, oder mit etwa nöthig befunden werdenden Abänderungen zur nochmahligen höchsten Genehmigung vorgelegt werden.“226

Die Staatslasten sollten nach Ansicht des Justizkollegiums auch teilweise von den überrheinischen Besitzungen mit getragen werden. Insgesamt sei jedoch noch zu regeln, nach welchem Verhältnis die bisherigen Schulden, die Besoldungen und Pensionen der Staatsdiener sowie die vom Regenten zwischenzeitlich erworbenen Güter zwischen der Hauptdomänenkasse und der Landschaftskasse aufzuteilen seien. In jedem Falle bedürfe es einer Klarstellung, daß sich die allgemeine Steuerpflicht auch auf heimfallende oder vom Regenten angekaufte Lehen erstrecke. An der Verwaltung der Landeskasse sollte den Ständen ein bestimmter Einfluß zugestanden werden, dazu gehörte auch ein jederzeitiges Auskunfts- und umfassendes Akteneinsichtsrecht nicht nur des Landschaftsdirektors, sondern auch des Ausschusses und der Landstände in ihrer Gesamtheit. Bei Kassenverfügungen sollte ein Widerspruch des Landschaftsdirektors Berücksichtigung finden. Zum System der landschaftlichen Kassenführung wurde die Einführung einer dem § 102 Siehe dazu oben I.1.b). StACo Min J 241 fol. 62’. Die vorgeschlagene Formulierung ist dem Vorbild SachsenHildburghausen gegenüber deutlich eingeschränkt. 225 226

402

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach über die durch Landesherrn und Landtag festzusetzenden Etats entsprechenden Vorschrift angeregt; Gruner unterstützte diesen Vorschlag. Neben der Einflußnahme bei der Verwaltung der Landeskasse sollte den Ständen die Unterhaltung der Schulen sowie des Waisenhauses vorbehalten bleiben. Zudem sollten die aufgestellten Haushaltspläne jährlich unter Mitwirkung des Ausschusses überprüft werden und bei der Aufstellung eine Mitwirkung der Stände in Betracht gezogen werden. Im Rahmen der Mitwirkung der Stände bei der Gesetzgebung sollte auf eine Fristsetzung zur Erstattung des Gutachtens verzichtet werden, um Mißbräuche zu vermeiden, ausgenommen sollte der Fall einer Säumnis der Landstände bleiben. In jedem Falle müsse – wie in §§ 109, 117 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach – näher bestimmt werden, inwieweit eine Gesetzesinitiative nur vom Landtag oder auch vom Ausschuß ausgehen könne. Ebenso sollte – wie in § 5 Nr. 6 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach – ausdrücklich festgesetzt werden, daß das Mitwirkungsrecht der Landstände sich auch auf Gesetze erstreckt, welche nicht das gesamte „Herzogtum“, aber einen ganzen Landesteil betreffen. Im Militärbereich sollte eine landesherrliche Versicherung erreichen, daß Beförderungen nur nach dem „wahren Verdienst“ ohne Rücksicht auf Geburtsadel vorgenommen werden. Staatsverträge bedurften nach Auffassung des Justizkollegiums, soweit ihnen wie z. B. Ländertausch unmittelbarer Einfluß auf das allgemeine Wohl zukommen sollte, aufgrund allgemeiner staatsrechtlicher Grundsätze nicht nur der gutachtlichen Mitwirkung, sondern auch der Zustimmung der Landstände in ihrer Gesamtheit. Da auch Bauern die Mitwirkung in der landständischen Versammlung nicht mehr verwehrt sein sollte, wurde als Zeitpunkt für die Einberufung der Stände der auch in § 54 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach vorgesehene Monat Januar dem vorgeschlagenen Monat März vorgezogen. Zudem sollte nach dem Beispiel dieser Vorschrift ermöglicht werden, daß zumindest alle zwölf Jahre ein Landtag gehalten wird, indem dem Herzog die Aussetzung des Landtags nur höchstens einmal ermöglicht wurde. Insbesondere sollte der Zeitraum für die Landtage nach dem Vorbild Sachsen-Weimar-Eisenachs auf drei Jahre beschränkt werden, wozu Gruner anmerkte, dies sei zu häufig. Auch für die Einberufung des Ausschusses sollten bestimmte Termine festgesetzt werden. Zudem sollte dem Landschaftsdirektor die Möglichkeit gegeben werden, Abstimmungen im Umlaufverfahren herbeizuführen. Sollte, wie im Entwurf vorgesehen, detailliert vorgeschrieben werden, daß sich die Stände zunächst mit den landesherrlichen Propositionen zu befassen haben, bevor andere Themen zur Sprache kommen dürften, so könnten diese zu Recht befürchten, daß zur Erörterung anderer Gegenstände keine Möglichkeit bestehe, da der Landesherr jederzeit, wenn er es für gut erachte, den Land- oder Ausschußtag schließen oder vertagen könnte. Hier könne man an die altständischen Gebräuche anknüpfen, wonach unmittelbar nach der Eröffnung des Landtags zunächst die

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

403

Stände ihre Beschwerden übergeben konnten. Zudem sollte eine Teilnahme der Bevölkerung durch die Stellung von Anträgen auf den Landtagen ermöglicht werden. Gruner sah in einer Anmerkung hierzu jedoch kein Ende bei einem Antragsrecht für jedermann – Vorschläge aus dem Volk könnten ja den Landständen mitgeteilt werden. Auch sollte wie in § 96 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach sowie in Tit. VII § 13 der Verfassung Bayern227 das Verhältnis zwischen Schließen und Auflösung des Landtags genauer bestimmt werden. Am Ende des Landtages sollte ein förmlicher Landtagsabschied stehen, was auch Gruner als nicht unnütz erschien. Die Unverletzlichkeit der Stände sollte nicht nur auf die Dauer der Sitzungen, sondern der landständischen Verhandlungen insgesamt ausgedehnt werden. Als bedenklich erschien dem Justizkollegium das Recht des Ausschusses, neue Abgaben oder Steuern für die Zeit bis zum nächsten Landtag zu verwilligen. Stattdessen wurde angeregt, die Vorschrift des § 104 der Verfassung Sachsen-WeimarEisenach zu übernehmen, wonach in dringlichen Fällen ein außerordentlicher Landtag einzuberufen war. Beschwerden der Landstände über Landesbehörden und einzelne Staatsdiener sollten nicht vor dem Justizkollegium, sondern beim gemeinschaftlichen Oberappellationsgericht in Jena verhandelt werden. Hinsichtlich des Schutzes der Verfassung wurde ausgeführt: „Damit pflichtvergeßenen Staatsbeamten der Kitzel vergehe, dieses Grundgeset allmählig zu unter graben und unwirksam zu machen, finden Wir die in dem Weimarischen Grundgesetz §. 125. enthaltene Androhung höchst zweckmäßig.“228

Diese angeführte Vorschrift enthielt den – bereits in § 119 des Lotzschen Verfassungsentwurfs vorgesehenen – Passus, daß jede absichtliche Verletzung der Verfassung im Staatsdienste als Verbrechen bestraft und jede Handlung in der Absicht, die Verfassung heimlich zu untergraben, als Hochverrat angesehen werden sollte. hh) Anmerkungen von Prinz Leopold Im einem Schreiben vom 3. April 1819 äußerte sich Prinz Leopold, dem der aktuelle Verfassungsentwurf sowie das Gutachten des Justizkollegiums auf Befehl von Herzog Ernst mitgeteilt worden waren229, hierzu.230 Die meisten Ausführungen des Justizkollegiums unterstützte er ausdrücklich. Die landschaftliche Vertre227 Verfassungs-Urkunde des Königreichs Baiern vom 26. Mai 1818; GBl. 1818, Sp. 101 ff. = Joseph Pözl, Sammlung der bayerischen Verfassungs-Gesetze, S. 1 ff. = Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 105 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 134 ff. = Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 155 ff. 228 StACo Min J 241 fol. 87’. 229 So Gruner in einem Schreiben vom 10. Mai 1819, StACo Min J 241 fol. 128. 230 Schreiben bei StACo Min J 241 fol. 103 – 105’.

404

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

tung sah er – ebenso wie dieses – ähnlich wie Justus Möser231 wie in England nach allgemeinem feudalen Grundsatz auf das Grundeigentum beschränkt: „Würklich und mit dem Staate, nichts unzertrennlicher verbunden ist nur das Grundeigenthum, wahres bleibendes Interesse am Wohle des Staats hat daher auch nur der Grundbesitzer. Nach diesem einfachen unumstößlichen Grundsatze sollte die Zahl der Deputirten der verschiedenen Klaßen, nicht nach der Volksmenge in den verschiedenen Districten überhaupt, sonden nach der Zahl der Grundeigenthümer festgesetzt werden. So ist es in England und trotz allen Versuchen das Stimmenrecht allgemeiner zu machen, hat man das Alte stets als das Beßere hierinn befunden.“232

Personen ohne Grundbesitz sei daher bereits die Qualifikation zu Wählmannern zu verwehren, während ein Wohnsitz im Ausland dem Gutsbesitzer das Stimmrecht nicht nehmen dürfe. Der Vorsitz der Landstände sollte nach altem Vorbild dem Adel eingeräumt werden, da nur eine Kammer bestehen sollte. Bei der Gesetzgebung bedürfte es jedoch nicht nur eines Gutachtens, sondern stets auch der Zustimmung der Stände. Die Mitaufsicht der Stände über die Landeskasse billigte Leopold ebenfalls nicht, da dies eine Vermengung der exekutiven Gewalt mit der legislativen darstelle. Eine genaue Trennung zwischen dem Staatsvermögen und dem Domänenbereich sei zwar notwendig, um die gefährliche Zivilliste zu vermeiden, jedoch sei eine bestimmte Abgabe des Regenten von den Domänen zur Landeskasse notwendig. ii) Abermaliger Umlauf im Ministerium Gruner ließ den Vorentwurf zusammen mit dem Gutachten des Justizkollegiums und der Stellungnahme Prinz Leopolds mit Schreiben vom 10. Mai 1819 abermals den Mitgliedern des Ministeriums sowie Landesregierungsrat Lotz und Landesregierungspräsident Hofmann zukommen.233 (1) Anmerkungen Lotz’ Landesregierungsrat Lotz stimmte in seinen Anmerkungen vom 19. Mai 1819234 grundsätzlich den Bemerkungen des Justizkollegiums hinsichtlich des Regelungsumfangs des Entwurfs zu, entgegnete jedoch, der Auftrag des Ministeriums an den Verfasser habe nicht einen Konstitutionsentwurf, sondern einen Entwurf lediglich für die ständische Verfassung zum Objekt gehabt. Die zur Regelung angemahnten Sachfragen sollten einer näheren Erörterung mit den Ständen vorbehalten bleiben. Das Feudalrecht betreffende Fragen hingegen berührten die Konstitution 231 Siehe dazu Rupert Pfeffer, Die Verfassungen der Rheinbundstaaten, S. 4 sowie Judith Hilker, Grundrechte im deutschen Frühkonstitutionalismus, S. 233. 232 StACo Min J 241 fol. 103. 233 StACo Min J 241 fol. 128 – 129. 234 StACo Min J 241 fol. 106 – 112’.

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

405

überhaupt nicht, so daß man beim bisherigen Umfang verbleiben sollte. Lotz hielt auch eine Beratschlagung des gesamten Entwurfs mit einer ständischen Kommission für notwendig, zumal die Verordnung vom 16. März 1816235 einen solchen Weg bereits vorgezeichnet habe. Um die Mitgliederzahl einer solchen Kommission jedoch nicht zu groß werden zu lassen, schlug er vor, zunächst die landständische Versammlung nach der im Entwurf vorgesehenen Verfahrensweise wählen zu lassen, diese sollte dann einen Ausschuß zur Verhandlung über die Verfassung bestimmen. Sollte auch dies zu umständlich erscheinen, könnte man von vornherein nur einen sechsköpfigen Ausschuß wählen lassen, in den jeweils ein Mitglied durch die coburgische Ritterschaft unter Einschluß Themars, die saalfeldische Ritterschaft, die coburgischen Städte einschließlich Themars, die saalfeldischen Städte, die coburgischen Bauern einschließlich Themars sowie die saalfeldischen Bauern entsandt werden sollte. Hinsichtlich § 1 solle es bei der alten Fassung bleiben, denn nur diese habe entgegen dem Vorschlag des Justizkollegiums klargestellt, daß die gesamten Lande künftig eine staatsrechtliche Einheit bilden sollten. Lotz forderte zudem, daß die Verfassung nach weimarischem Vorbild statt der Ausdrücke „Vasall“ oder „Unterthan“ den Begriff des „Angehörigen“ gebrauchen sollte. Die von ihm vorgesehene „Amalgamierung“ der kleinen Landstädte mit den Ämtern sei zum Wohle der Allgemeinheit notwendig, da hierdurch klar werde, daß der einzelne Landstand weder sein Privat- noch ein Genossenschaftsinteresse, sondern lediglich dasjenige des gesamten Landes zu vertreten habe. Entgegen den Einwendungen des Justizkollegiums sollte auch die bisherige Formulierung, wonach der Herzog ohne Mitwirkung der Landstände über die Landstandschaft neuer Güter entscheiden könne, beibehalten werden, da auch in Frankreich, England und wohl auch in Bayern236 allein der König die „Pairs“ ernenne. Damit ist klar, daß diese Weichenstellung Lotz’ gerade keine ständische Gliederung der Landstände in Rittergutsbesitzer, Bürger und Bauern bei Drittelparität nach dem Vorbild Sachsen-Weimar-Eisenachs beabsichtigte, wie jedoch Detlef Sandern behauptet.237 Da die Stände vom Prinzip her kein kontinuierlich arbeitendes Gremium darstellen sollten, sei ein außerordentlicher Landtag unter Einberufung der für einen früheren Landtag gewählten Landstände nicht möglich. Wenn der Landesherr das Mandat der Gewählten erhalten wolle, so brauche er den Landtag nicht zu schließen, sondern lediglich zu vertagen. Gegen die Wahl von Stellvertretern sei nichts einzuwenden, wenngleich es schon schwierig genug sein dürfte, 37 taugliche Siehe oben 2. Außer den aus den früheren reichsständischen Familien stammenden Mitgliedern der Kammer der Reichsräte (§ 2 Nr. 4 Verfassung Bayern) war die Mitgliedschaft dieses Corpus mit einem Amt verbunden (§ 2 Nrn. 1 – 3, 5), übrige Mitglieder konnten erblich oder auf Lebenszeit vom König ernannt werden (§ 2 Nr. 6). 237 Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha, S. 26. 235 236

406

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Landstände zu finden. Lotz trat aber entschieden jeder Trennung zwischen den coburgischen und saalfeldischen Ständen bei Abstimmungen entgegen, denn alle Landstände sollten stets auf das allgemeine Wohl und nicht nur auf dasjenige einzelner Landesteile bedacht sein. Zwischen einem landständischen „Syndikus“ und einem „Konsulenten“ bestehe allein aufgrund der Bezeichnung seiner Ansicht nach kein Unterschied. In beiden Fällen handle es sich ebenso wie bei einer Ernennung auf Lebenszeit lediglich um altständische Relikte, daher müsse der Syndikus künftig aus der Mitte der landständischen Versammlung gewählt werden. Eine Unterhaltung von Schulen und Waisenhäusern durch die Stände sei strikt abzulehnen, da dies bereits eine direkte Teilnahme an der Regierung darstelle, allenfalls eine Aufsicht über die Wirtschaftsführung dieser Einrichtungen könne ihnen zugestanden werden. Auch eine direkte Beteiligung der Stände an der Finanzverwaltung sei als anomal anzusehen. Die Möglichkeit der Kassenrevision sollte zunächst der Regierung, erst dann dem Landschaftsdirektor gegeben werden. Ein Landtagsabschied sei zwar durchaus als möglich anzusehen, keinesfalls jedoch notwendig. (2) Ansichten Opitz’ Auch Opitz forderte in seinen Anmerkungen vom 27. Mai 1819238, den bisherigen Umfang des Entwurfs beizubehalten, da dessen Regelungsinhalt bereits durch die Verordnung vom 16. März 1816239 vorgezeichnet sei. Zur Verhandlung mit den Ständen sollte dem Vorschlag Lotz’ gefolgt werden, wobei jedoch das Amt Themar einer besseren Berücksichtigung, beispielsweise durch Hinzuziehung eines von der themarischen Ritterschaft gewählten siebten ritterschaftlichen Mitglieds, bedürfte. Jedoch sei die von Lotz vorgeschlagene Verwendung der Bezeichnung „Angehörige“ abzulehnen, da dies weniger bestimmt sei als „Unterthanen“. Eine Beschränkung des Wahlrechts auf Grundeigentümer könne dazu führen, daß gerade gebildeten Staatsbürgern die Teilnahme an der Wahl versagt werde. Hinsichtlich möglicher Unterredungen vor der Wahlhandlung schlug Opitz die Einfügung des folgenden Wortlauts vor: „Die Wähler können sich vor der Wahlversammlung über das von ihnen zu wählende Mitglied der Ständeversammlung in ihren Privatwohnungen freundschaftlich besprechen, aber dieses an öffentlichen Orten zu tun ist jedem bei Verlust seines Stimmrechts verboten.“240

Für die Frage der Zulassung zur Wahl erscheine sowohl die Forderung nach der deutschen als auch nach der „ehrlichen“ Geburt als der liberalen Denkungsart des Zeitalters widersprechend. Ebenso müsse die Stelle eines landständischen Konsu238 239 240

StACo Min J 241 fol. 113 – 125’. Siehe dazu oben 2. StACo Min J 241 fol. 115’, 116.

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

407

lenten entfallen, vor allem, da diese Funktion auch ein gewisses Mißtrauen gegen die persönlichen Fähigkeiten der einzelnen Stände ausdrücke. Die Landstände benötigten für ihre laufenden Geschäfte lediglich einen Sekretär, zumal da auch § 71 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach dem dortigen Konsulenten ausschließlich Sekretärsgeschäfte zugewiesen habe. Den Ständen insgesamt sollten durch die Verfassung diejenigen Rechte überlassen werden, die ihnen bereits in der Verordnung vom 16. März 1816 zugesichert worden waren. Die vom Justizkollegium in den Raum gestellte landständische Mitwirkung bei der Verwaltung bedürfte jedoch einer Permanenz der Stände, was jedoch dem vorgesehenen landständischen System entgegenstehe, anders verhalte es sich nur bei einer ständischen Mitwirkung im Rahmen der Verwaltung der Landeskasse. Hier liege nahe, bei den Landtagen Etats aufstellen zu lassen, deren Einhaltung durch den Landschaftsdirektor zusammen mit einem Regierungsmitglied überwacht werden sollte. Überschreitungen der jeweiligen Etats seien zu verbieten. An Stelle der beabsichtigten sporadischen Kassenvisitationen sollte als feste Institution die bereits früher bestehende „Kassen-Curatel“ treten, die, gebildet aus einem Mitglied der Landesregierung und einem in Coburg ansässigen Landstand, zwischen den Landtagen in eigener Verantwortlichkeit die Kassenaufsicht wahrnehmen sollte. Im Rahmen von Staatsverträgen sollte den Landständen das Recht der Beiziehung bzw. der Ratifikation nach dem Vorbild der Verfassung Sachsen-Hildburghausens zugestanden werden, soweit der Landesumfang, die Landeseinkünfte oder die Regierungsverfassung des herzoglichen Hauses betroffen werden. Hinsichtlich der Immunität schlug Opitz folgende Regelung vor: „Die Mitglieder der ständischen Versammlung sind wegen ihrer Aeußerungen bei den landschaftlichen Verhandlungen nicht verantwortlich, wenn dabei die Rechte anderer unverletzt bleiben. Doch kann kein Mitglied wegen solcher Rechtsverletzungen früher als acht Tage nach dem Schluß des Landtags auf dem Rechts-Weg zur Verantwortung gezogen werden.“241

Dazu führte er aus: „Ich habe die Einschränkung der Unverletzlichkeit der Person der Stände auf die Zeit der Sitzungen nach dem Muster der Bayerischen Constitution um deswillen vorgeschlagen, weil es mir mit der Würde einer ständischen Versammlung nicht vereinbar dünckt, zugleich Verbrechern oder bösen Schuldnern zum Asyl zu dienen. Ich sollte meinen, daß jedem Mitglied der Stände daran liegen müsse, eine solche Person je eher je leichter aus ihrer Mitte entfernt zu wissen.“242

Auch sollte zur Beschlußfassung statt der wohl vorgesehenen umständlichen Verfahrensregelung einfach ebenso wie in § 82 der Verfassung Sachsen-WeimarEisenach der Grundsatz der absoluten Stimmenmehrheit festgeschrieben werden. Auch ein allgemein vorgesehener Landtagsabschied sei unbedenklich, da der Inhalt eines solchen allein vom Herzog abhängig sei. 241 242

StACo Min J 241 fol. 124. StACo Min J 241 fol. 125, 125’.

408

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Zur Sicherung der Verfassung gegen Verletzung durch Staatsdiener schlug er noch folgende Formulierung vor: „Alle Staatsdiener werden auf den Inhalt des gegenwärtigen Grundgesetzes und seine Festhaltung verpflichtet, und jede Verletzung dieser Pflicht soll als Hochverrath angesehen und bestraft werden.“243

Viele dieser Vorschläge Opitz’ sollten im endgültigen Verfassungstext ihren Niederschlag finden. (3) Detailfragen und weitere Vorgehensweise Am 22. Juni 1819244 erklärte Hohnbaum, man komme im Ministerium aufgrund früherer Großzügigkeit derzeit zu keiner Lösung, denn das „erlassene Publicandum scheint zu viel eingeräumt zu haben und geniert nun in mehreren Punkten.“245 Nach dem Beispiel Sachsen-Hildburghausens sollten sogleich „die gesammten Stände“ zusammenberufen und mit ihnen der Entwurf erörtert werden. Eine Beachtung der saalfeldischen Assekuranzurkunde von 1805 sei dabei nicht mehr notwendig, da diese schon durch den Rheinbund hinfällig geworden sei. Zudem sollte auch das Fürstentum Lichtenberg in Verfassung und Volksvertretung mit einbezogen werden. Arzberger erklärte sich am 17. Juli 1819 mit Gruners Randbemerkungen am Gutachten des Justizkollegiums246 sowie mit den Anmerkungen Lotz’ und Opitz’ einverstanden, forderte aber für die Stände „noch etwas mehr Mitwirkung bei der eigentlichen Landes-Casse“.247 Einer Aktennotiz Gruners vom 2. August248 – wohl 1819 – zufolge forderte Herzog Ernst eine Klarstellung im Verfassungstext dahingehend, daß die Verwaltung der Landeskasse ausschließlich dem Landesherrn vorbehalten bleiben sollte. Zudem sollten die auf den Domänengütern verbleibenden Schulden genauer bezeichnet werden. Röpert schlug zum Verhältnis der Etats zu den Einzelausgaben am 7. Oktober 1819 folgende Formulierung eines § 87 vor: „Der auf diese Weise vollkommen richtig hergestellte Etat wird dem Cassen-Offizianten durch die Landes-Regierung zugefertigt, und ist die von derselben zugleich ergehende Weisung zu dessen Nachachtung, nach dem Geiste der allgemeinen Cassen- und Rechnungs-Instruktion dergestalt zu befolgen, daß zwar die beständigen, nach Quantität und Zeit bestimten Ausgaben, wie z. B. Besoldungen, Pensionen, u.s.w. keiner besonderen StACo Min J 241 fol. 125’. StACo Min J 241 fol. 126, 126’. 245 StACo Min J 241 fol. 126. 246 Nicht „mit den Bemerkungen des Justiz-Kollegiums“, wie Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 129 behauptet. 247 StACo Min J 241 fol. 126’, 127. 248 StACo Min J 242 fol. 2, 2’. 243 244

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

409

Zahlungs-Decretiv bedürfen weil diese schon in der Genehmigung und Hinausgabe des Etats selbst liegt; jede würkliche Zahlung für die übrigen nach Quantität und Zeit von Zufälligkeiten oder Umständen abhängigen Ausgaben aber bei persönlicher Verantwortlichkeit stets durch eine specielle Zahlungs-Decretiv begründet seyn muß. Es ist hinsichtlich dieser letztgedachten Etatspositionen auch die Pflicht des Cassen-Officianten, die LandesRegierung in Zeiten auf die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer Überschreitung berichtlich aufmerksam zu machen.“249

Arzberger unterstützte diesen Vorschlag sowie die Ansicht Opitz’ in einer Anmerkung vom 14. Oktober 1819.250 Hinsichtlich der Vorgehensweise bei Erlaß der Verfassung zeigte er sich mit Hohnbaum einverstanden, meinte jedoch, daß dem Fürstentum Lichtenberg eine eigenständige Verfassung gegeben werden sollte. jj) Vergleich mit Hessen-Darmstadt Unter dem 26. April – wohl 1820 – erstellte Opitz einen Vergleich zwischen dem coburgischen Entwurf und dem Edikt über die landständische Verfassung des Großherzogtums Hessen-Darmstadt vom 18. März 1819. In diesem Vergleich fiel erstmals auf, daß in Hessen-Darmstadt die Wahl der Landstände nicht in der Verfassung, sondern in einer besonderen Verordnung geregelt wurde, und auch über Einberufung und Geschäftsgang der Ständeversammlung besondere Reglements erlassen werden sollten. Bei der Organisation des landständischen Corpus’ sei bemerkenswert, daß Hessen-Darmstadt zwar zwei Kammern vorsehe, jedoch keinen Ausschuß. Als wesentliche Unterschiede wurden festgehalten: Die für Sachsen-Coburg-Saalfeld diskutierte Trennung zwischen Abgeordneten der städtischen Bürger und der Stadtobrigkeiten bestehe nicht; die beiden Residenzstädte Mainz und Darmstadt entsandten jeweils nur zwei, die übrigen Städte einen Landstand. Zu den Tagungen der Kammern hatten die Mitglieder des Ministeriums freien Zutritt, wenngleich ohne Stimmrecht. Das Mindestalter für Landstände in Hessen-Darmstadt lag bei 36 Jahren, dort waren im Rahmen der Adelsvertretung nur adlige Grundeigentümer statt aller Rittergutsbesitzer zugelassen. In Hessen-Darmstadt bestand ein doppelt indirektes Wahlverfahren für die Abgesandten der Städte und Dörfer, wobei zu Wahlmännern nur die 60 am höchsten besteuerten Staatsbürger in jedem Wahlbezirk wählbar waren. Der Abtrag der bisherigen hessischen Staatsverschuldung sollte durch ein besonderes Gesetz mit Zustimmung der Stände einer besonderen Staatsschuldentilgungsanstalt übertragen werden. Zudem enthielt die Verfassung von Hessen-Darmstadt den Wortlaut des von den Ständen abzulegenden Eides.

249 250

StACo Min J 241 fol. 131, 131’. StACo Min J 241 fol. 132, 132’.

410

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

5. Überarbeitung des Verfassungsentwurfs und Erarbeitung weiterer Entwürfe a) Stagnation aufgrund Änderung der Rahmenbedingungen Wohl aufgrund der Karlsbader und Wiener Konferenzen und der damit veränderten Rahmenbedingungen für eine Verfassunggebung der deutschen Staaten251 ruhte die coburgische Verfassungsdiskussion für mehr als ein Jahr.

b) Ausarbeitung eines herzoglichen Verfassungsmanifests Vom 20. Juni 1820 datiert ein Entwurf Gruners für ein Manifest des Herzogs, in dem die künftige Verfassunggebung detaillierter skizziert werden sollte.252 Damit lief die Entwicklung in Sachsen-Coburg-Saalfeld ähnlich wie in Württemberg, wo – ebenfalls nach der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs! – ein Verfassungsmanifest den weiteren Gang des Verfassungsprozesses aufzeigen sollte.253 Unter Bezugnahme auf die Verordnung vom 16. März 1816254 sollte das Manifest erläutern, daß der zu diesem Zeitpunkt schon geltende Grundsatz des Art. 13 der Bundesakte255 nunmehr durch die Konferenzen von Karlsbad und Wien256 seine endgültige Ausformung gefunden habe. Wie bereits 1816 angekündigt, sollten den Ständen neben weiteren Rechten Einfluß auf die allgemeine Gesetzgebung, das Recht der Steuerbewilligung sowie eine Beschwerdemöglichkeit gegen Staatsdiener eingeräumt werden. Die beabsichtigte Abschaffung der Virilstimme der noch in der Verordnung vom 16. März 1816 als „geborene Landstände“ bezeichneten Rittergutsbesitzer wurde nur durch einen Hinweis, daß nur in wenigen Punkten eine Änderung der Ansicht des Jahres 1816 notwendig geworden sei, vage angedeutet. Gleichzeitig wurde angekündigt, daß die Verfassung aus vier getrennten „Verordnungen“, nämlich dem Grundgesetz für die landständische Verfassung, einer Wahlordnung, einer Landtagsordnung und der Verordnung über die Verhältnisse der Zivilstaatsdiener bestehen sollte, die zusammen mit dem vorliegenden Manifest veröffentlicht werden sollten. Damit kann man von einer geplanten Vierteilung des Verfassungsentwurfs in diesem Verfahrensstadium sprechen.257 Siehe dazu oben I.2. Textanhang Nr. 21 = StACo Min J 242 fol. 42 – 45. 253 Vgl. dazu Joachim Gerner, Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung, S. 14 ff. 254 Siehe dazu oben 2. 255 Siehe dazu oben I.1.b). 256 Siehe dazu oben I.2. 257 Jedenfalls nicht von einer Dreiteilung, wie dies Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 180 unterstellt, da dieser offensichtlich die 251 252

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

411

c) „Vierteilung“ des Verfassungsentwurfs Im Verlaufe der ersten Hälfte des Jahres 1820 wurden die aktuellen Änderungen des Verfassungsentwurfs in einem neuen Entwurf zusammengefaßt, wobei jedoch sowohl Datum als auch Verfasser desselben nicht zu ermitteln sind.258 Dieser Entwurf beinhaltete, wie in Gruners Manifest-Entwurf vom 20. Juni 1820259 bereits angekündigt, als selbständige Bestandteile ein „Grundgesetz“ als eigentliche Verfassung, eine Wahlordnung für die Ständeversammlung260, eine verfahrensregelnde Landtagsordnung sowie eine Verordnung über die Verhältnisse der Zivilstaatsdiener.261 aa) Entwurf des Grundgesetzes Der Grundgesetz-Entwurf selbst bestand aus 48 Paragraphen und verfügte über keine äußere Gliederung mehr. § 1 wollte „die Fürstenthümer Coburg und Saalfeld mit Inbegriff des Amtes Themar“ zu einem einzigen Fürstentum mit dem Namen „Herzogtum SachsenCoburg-Saalfeld“ verschmelzen. Detailliertere Bestimmungen wie die von Lotz noch vorgesehene förmliche Aufteilung der Landstände in geborene und gewählte entfielen. Da nunmehr nicht mehr alle Rittergutsbesitzer als geborene Landstände galten, sondern nur noch sechs Vertreter der Ritterschaft zu Landständen zu wählen waren, wurde gleichzeitig die Zahl der von den Bürgern der Städte und Gemeinden zu wählenden Landstände deutlich reduziert (§ 3). Mit einer Gesamtzahl von 20 Personen hatte man sich noch unterhalb der von Lotz vorgeschlagenen Zahl 25262 eingefunden. Die Voraussetzungen für das passive Wahlrecht wurden sprachlich zusammengefaßt und auf christliches Bekenntnis, ein Mindestalter von 30 Jahren, persönliche Unabhängigkeit von väterlicher Gewalt oder vormundschaftlicher Aufsicht und „Verordnung über die Civilstaatsdiener“ außer Acht läßt, die – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt – noch als Verfassungsbestandteil angesehen wurde. Harald Bachmann (Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 80) folgt diesem Fehler. 258 Die Angaben bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 180, wonach der Entwurf von Lotz stamme und auf den 1. Mai 1820 datiert sei, lassen sich aufgrund des Aktenmaterials nicht bestätigen. 259 Siehe dazu soeben b). 260 Eine besondere Wahlordnung zur Verfassungsurkunde existierte in Nassau („Patent, die Wahl der Landstände betreffend“ vom 3. / 4. November 1815, abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 1015 f.) und im Großherzogtum Baden (Wahlordnung vom 23. Dezember 1818, abgedruckt ebd. S. 470 ff.) und war – zusammen mit einer Landtagsordnung – ebenfalls im kurhessischen Entwurf vorgesehen. 261 Textanhang Nr. 22; im einzelnen: „Grundgesetz“ bei StACo Min J 240 fol. 39 – 60; Wahlordnung ebd. fol. 61 – 77’; Landtagsordnung bei StACo Min J 242 fol. 57 – 70; Entwurf der „Verordnung über die Civilstaatsdiener“ ebd. fol. 71 – 74’. 262 Oben 4.c)cc)(5).

412

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Unbescholtenheit des Rufs (§ 4) sowie ein schuldenfreies Vermögen von mindestens 5000 fl. rh. bzw. ein unabhängiges schuldenfreies reines Einkommen von zumindest 400 fl. rh. (§ 6) reduziert. Bei den Rechten der Landstände (§ 13) wurde das Recht zur Einsichtnahme in die Rechnungen gestrichen. Gleichzeitig wurden die Regelungen für die Aufstellung der Etats komprimiert (§§ 22 ff.). Verboten wurde das unmittelbare Ansprechen des Landesherrn durch einzelne Stände (§ 12). Im Gegensatz zu § 34 des Lotzschen Entwurfs bestimmte § 14 eine weitere Trennung von Hauptdomänenkasse und Landeskasse, §§ 15 bis 19 wiesen den beiden Kassen verschiedene Einkunfts- und Ausgabearten zu. Gleichzeitig verschwand die von Lotz noch vorgesehene Zivilliste. Die Finanzverwaltung wurde nunmehr der alleinigen Zuständigkeit des Landesherrn und seiner Behörden zugewiesen (§ 20), während § 43 des Lotzschen Entwurfs dies nur für die Verwaltung der Kammergüter vorsah. Das Domänenveräußerungsverbot wurde insoweit aufgeweicht, als Veräußerungen der Domänen zum Zwecke des Abtrages der auf ihnen haftenden Schulden erlaubt und die Pflicht zur Einziehung heimgefallener Lehen zugunsten des Domänenbestandes abgeschafft wurde (§ 21). Neu war ebenfalls das Recht des Landesherrn, die Landtags- und Etatperiode von sechs Jahren zu verlängern, „falls die Lage der Umstände dieses gestatten sollte“ (§ 36). Die von Lotz noch beabsichtigte Übertragung der Sicherung der Verfassung auf den deutschen Bund entfiel genauso wie abermals die Strafandrohung für Verfassungsverletzungen im öffentlichen Dienst. bb) Entwurf der Wahlordnung Die 36 Paragraphen umfassende Wahlordnung bekam in §§ 2 bis 4 neue Detailvorschriften, die durch die Wahl der Vertreter der Rittergutsbesitzer bedingt waren. Gleichzeitig wurde das Anwesenheitsquorum für die Stimmberechtigten zur Gültigkeit der Wahl von zwei Dritteln auf ein Drittel gesenkt (§ 12). Den Rittergutsbesitzern war auch eine schriftliche Stimmabgabe erlaubt (§ 15). Gleichzeitig wurde klargestellt, daß auch Besitzer mehrerer Rittergüter oder mehrerer Häuser nur über eine einzige Stimme verfügten263; mehrere Besitzer eines einzigen Ritterguts hatten sich auf einen Stimmführer zu einigen, dem allein das aktive und passive Wahlrecht zustehen sollte (§ 17).264 Genauere Vorschriften über die Prüfung der Wahl und des Gewählten (§§ 25 ff.), über die Beschwerde gegen die Nichtbestätigung der Wahl (§ 29) und über die Berechnung des notwendigen Vermögens und Einkommens (§§ 30 f.) traten hinzu.

263 264

Anders § 15 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach. Anders § 11 Verfassung Sachsen-Hildburghausen.

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

413

cc) Entwurf der Landtagsordnung Ebenso wie die Verfassung erwähnte die 34 Paragraphen zählende Landtagsordnung weder Ausschüsse noch das landschaftliche Direktorium mehr; die Aufgaben des mehrköpfigen Direktoriums wurden nunmehr dem Landschaftsdirektor allein übertragen. Damit entfielen nicht nur die Vorschriften über das Verhältnis von Landschaftsdirektor, Engerem und Weiterem Ausschuß, sondern auch sämtliche Normen über die Geschäftsführung der ständischen Angelegenheiten zwischen den Landtagen. dd) Entwurf der Verordnung über die Staatsbeamten Durch die neue „Verordnung über die Verhältnisse der Civil-Staatsdiener“ sollte in 26 Paragraphen eine weit über den Inhalt der §§ 50 ff. der Lotzschen Entwurfs hinausgehende allgemeine Regelung, die mit ihrem Kodifikationscharakter an die bayerische Hauptdienstpragmatik vom 1. Januar 1805 erinnerte, geschaffen werden. Über diese hinaus enthielt die Verordnung auch Vorschriften über die Anstellung der Beamten. So sah § 1 für die Vergabe eines öffentlichen Amtes bereits eine staatliche Prüfung bzw. die vorherige Bekleidung eines Staatsamtes im Ausland vor. Ebenso wie in der bayerischen Pragmatik waren neben einer allgemeinen Statusgarantie (§ 23) auch Richtlinien für Pensionszahlungen nach dem Verlassen des Dienstes und freiwilliger Amtsniederlegung vorgesehen (§§ 8 ff.). Staatsdiener durften jederzeit unter Belassung eines Teils ihrer Bezüge in den Ruhestand versetzt werden (§§ 13 f.), für Richter bedurfte die Ruhestandsversetzung gegen den Willen des Betroffenen eines Urteils (§ 18). Eine Dienstentsetzung durfte bei jedem Bediensteten nur durch Urteil erfolgen (§ 23).265 Detailliert geregelt wurden Disziplinarstrafen (§ 25). Die Besoldungen der Beamten durften von Gläubigern nur zu einem Drittel in Anspruch genommen werden (§ 5); Nebentätigkeiten bedurften einer gesonderten Genehmigung (§ 7). Vorschriften über Pensionszahlungen an Hinterbliebene, wie sie Nr. XXIV der bayerischen Pragmatik in einem umfassenden System bereits seit 1805 vorsah, fehlten jedoch noch. d) Begutachtung des Verfassungsentwurfs durch Metternich und Lindenau Am 3. Juli 1820 wandte sich der gothaische Minister Bernhard August von Lindenau mit folgendem Schreiben an das Ministerium: „Ew. Hochwohlgeboren soll ich ( . . . ) ersuchen mir den Entwurf des neuen Constitution gefälligst mitzutheilen, um solchen theils selbst zu lesen theils heute Morgen nach Rosenau zu bringen, wo selbiger dem Fürsten Metternich vorgelegt werden soll.“266 265 266

Ähnlich bereits Kapitel 10 Nr. 2 des kurhessischen Verfassungsentwurfs. StACo Min J 242 fol. 78.

414

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Metternichs direkte Einflußnahme auf das Verfassungsmanifest ist einem Schreiben vom 23. Juli 1820 zu entnehmen: „E. D. erhalten in der Anlage, den Entwurf Ihres Verfaßungs-Edicktes so wie ich dasselbe geben würde. Ich bitte Sie hauptsächlich auf den Unterschied aufmerksam zu sein, den ich zwischen dem Grundgesetzlichen Theile und den Verordnungen in Beziehung auf deßen Ausführung, mache.“267

Eine weitergehende direkte Beteiligung des österreichischen Staatskanzlers, insbesondere hinsichtlich des Verfassungsentwurfs, kann nach einem Aktenvermerk Gruners vom 15. August 1820 ausgeschlossen werden: „In Ansehung der Landschaftlichen Angelegenheite habe ich dem Herrn p von Lindenau das von Fürst Metternich zum Theil abgeänderte Manifest unter der Bitte mitgetheilt, mir solches baldigst zurückzusenden.“268

Auch Metternich selbst stellte in einem Brief an Herzog Ernst vom 30. Oktober 1820 fest: „Von Ihrem Verfaßungs-Geschäfte, habe ich lange nichts mehr vernommen. Ich baue nicht minder auf E. D. eigenes Gefühl und Umsicht.“269

Lindenau hatte seine Vorschläge bereits mit Schreiben vom 11. August 1820 unterbreitet.270 Er befürwortete die Einrichtung zweier getrennter Kammern, einer der Deputierten der Städte und einer der Deputierten der Grundbesitzer, mit folgender Zielsetzung: „Das Interesse der Stände wird auf diese Art getheilt, die Discussionen werden mehr unter sich als mit dem Gouvernement statt finden, und der Landesherr tritt dann als Vermittler und Schiedsrichter weit würdevoller und einflußreicher auf.“271

Andererseits sollte – entgegen der Ansicht Herzog Ernsts272 – klargestellt werden, daß es sich bei den Domänen um Staatsgut handle, da sich der Herzog durch die Qualifikation als Privateigentum zu stark den Verhältnissen des Privatmannes nähere.

267 Kunstsammlungen der Veste Coburg, Autographensammlung I.A.2. Metternich 0 / 6, unpag (die Hervorhebungen entstammen dem Original). Die von Metternich erwähnten Anlagen sind nicht mehr erhalten. 268 Abschrift bei StACo Min J 242 fol. 111. 269 Kunstsammlungen der Veste Coburg, Autographensammlung I.A.2. Metternich 0 / 8, unpag. 270 Abschrift bei StACo Min J 242 fol. 110 – 111. 271 StACo Min J 242 fol. 110. 272 Siehe dazu unter anderem sogleich e).

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

415

e) Komprimierung des Grundgesetz-Entwurfs Mit Schreiben vom 9. Juli 1820273 legte Opitz Herzog Ernst den von ihm und Arzberger nochmals abgeänderten Entwurf des Grundgesetzes unter der Bezeichnung „Abgekürzter Entwurf des Grundgesetzes“274 vor. Im wesentlichen unter Verzicht auf Detail- und Verfahrensregelungen wurden in einer verkürzten Formulierung in 30 Paragraphen die zentralen Bestimmungen zusammengefaßt. Zu den wenigen inhaltlichen Veränderungen führte bereits Opitz lediglich aus: „Der 1. §. ist nach der höchsten Weisung im Ausdruck vereinfacht, im 3. §. ist die Bestimmung über die Wahlfähigkeit der Staatsdiener etwas erweitert, der 5. §. ist abgekürzt, und der 6. §. hinsichtlich der Rittergutsbesitzer etwas beschränkt worden. Im 14. §. ist wie in 21. die Erwähnung der Domainen in Gefolg der im 22. §. ausgesprochenen Eigenschaft derselben weggelassen. Im 16. §. ist die Einnahme der Landes-Casse nach der höchsten Bemerkung auf die Regalien p. erweitert, dagegen aber im 17. §. die Verbindlichkeit derselben zur Leistung einer angemessenen Civilliste bestimmt. Im 22. §. sind die Domainen in ihrer Eigenschaft als Familien-Eigenthum des regierenden Herzoglichen Hauses von aller Concurrenz der Stände außer der Besteuerung für exemt erklärt, und ihrer Bestimmung ist kürzlich gedacht. Endlich ist im 24. §. bestimmt, daß Beschwerden gegen Staatsdiener jedesmal zuerst bei dem Landesherrn anzubringen sind.“275

Für Herzog Ernst blieb ausschließlich die Domänenfrage von Interesse, er merkte bei § 22 an: „Hier wünschte ich ausgedruck zu sehn, daß die Domainen als Herzogliches FamilienEigenthum ausgesprochen werden, und alles was zu einner endgegengesetzten Auslegung führen könnte, zu meiden wird. Die Regalien so wie Alle aus der Landesherrlichkeit abzuleitenten Einnahmen sind der Landeskasse zu überlassen, so wie die Domainen selbst der Allgemeinen Besteuerung zu unterwerfen. Dafür hat aber die Landeskasse einem Zuschuß zu alle den hier angeführten für die Domainenkasse bestimten Ausgaben zu leisten.“276

Durch diese Komprimierung kam es jedoch zu einigen richtungsweisenden Änderungen. Neben einer Verkleinerung der Ständeversammlung – die Stadt Coburg hatte ebenso wie die Ämter nur noch einen statt zwei Landstände zu entsenden – sah § 2 auch als weitere Wählbarkeitsvoraussetzung die Ansässigkeit des nunmehr wieder häufiger als „Abgeordneter“ bezeichneten Landstands im zu repräsentierenden Gebiet vor, womit ein weiterer Schritt hin zu einer Repräsentation auf territorialer 273 Falsch die Datierung des Schreibens auf den 1. Juni 1820 bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 134. 274 Textanhang Nr. 23 = StACo Min J 242 fol. 51 – 56’. Unrichtig die Darstellung bei Karl Bohley, nach dem der folgende Entwurf (Textanhang Nr. 24, dazu sogleich g)cc)) beigelegt worden sei (Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 134). 275 StACo Min J 242 fol. 50, 50’. 276 StACo Min J 242 fol. 55.

416

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Grundlage getan war. Die Wählbarkeit wurde zugleich auf „Staatsbürger“ beschränkt, Staatsdiener waren nur als Angehörige der Unterbehörden außerhalb des Zuständigkeitssprengels ihrer Behörde wählbar (§ 3). § 9 reduzierte die ständischen Rechte ausdrücklich auf einen numerus clausus aus Gesetzgebung, Finanzverwaltung und gemeinschaftlichen Anträgen und Beschwerden. § 11 schloß nunmehr die provisorische Vollziehung von Gesetzen, die die iura quaesita betrafen, ohne vorheriges ständisches Gutachten aus. § 13 stellte klar, daß die Gesetzesinitiative ausschließlich von Landesherrn ausging, räumte aber den Landständen das Recht der Legislativpetition ein. § 15 bestimmte ein umfassendes Rechnungslegungsrecht der Ständeversammlung. § 21 sah erstmals – wohl nach dem Vorbild Hessen-Darmstadts277 – ein besonderes Gesetz über die Staatsschulden und die Einrichtung einer besonderen Staatsschuldentilgungsanstalt 278 vor und setzte für die Aufnahme neuer Schulden die Notwendigkeit der ständischen Zustimmung fest.

f) Weitergehende Beratung Am 28. Juni 1820 teilte Arzberger seine Bedenken gegen den „abgekürzten Entwurf“ mit.279 In Hessen-Darmstadt habe es Widerstand gegen die Einführung einer nach identischen Grundsätzen aufgebauten Verfassung gegeben.280 Daher sollte über den vorgelegten Entwurf besser zuvor mit Vertretern der vormaligen Landschaften verhandelt werden. 277 Art. 18 des Edikts über die landständische Verfassung (später Art. 78 Verfassung Hessen-Darmstadt); siehe dazu bereits Opitz’ Vergleich oben 4.c)jj). Die Behörde wurde dort durch das Staatsschuldentilgungsgesetz vom 29. Juni 1821 errichtet, siehe dazu Dagobert Karenberg, Die Entwicklung der Verwaltung in Hessen-Darmstadt, S. 120 f. 278 Ähnliche Behörden nach englischem und französischem Vorbild bestanden bereits in Baden (Badische Amortisationskasse seit 1808), Bayern (Staatsschulden-tilgungskommission seit 1. Oktober 1811 gemäß Verordnung vom 20. August 1811, RBl 1811, Sp. 1063 ff. = Rolf Kiessling / Anton Schmid, Regierungssystem und Finanzverfassung, S. 322 ff.), Württemberg (General-Staatsschulden-zahlungskasse infolge Verordnung vom 6. Juni 1816; Statut abgedruckt bei Johann Ludwig Klüber, Staatsarchiv des teutschen Bundes, 1. Band, S. 258 ff.; später aufgenommen in § 120 Verfassung Württemberg; vgl. auch das württembergische Staatsschuldenstatut vom 22. Juni 1820, abgedruckt bei August Ludwig Reyscher, Sammlung der württembergischen Gesetze, 3. Band, S. 555 ff.), Sachsen-Weimar-Eisenach (seit 1817 bei der Kammer, siehe Fritz Hartung, Das Großherzogtum Sachsen, S. 342) und Österreich (Tilgungsanstalt errichtet durch Patent vom 21. März 1818); siehe allgemein Hans-Peter Ullmann, Überlegungen zur Entstehung des öffentlichen, verfassungsmäßigen Kredits in den Rheinbundstaaten, S. 114 f. und Nikolaus Thaddäus Ritter von Gönner, Von Staats-Schulden, deren Tilgungs-Anstalten und vom Handel mit Staatspapieren, S. 107 ff. Vorgesehen waren derartige Einrichtungen auch im 9. Kapitel des kurhessischen Entwurfs sowie in § 50 Verfassung Sachsen-Hildburghausen. 279 StACo Min J 242 fol. 75 – 77’. 280 Vgl. dazu unten V.1.

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

417

g) Abermalige Überarbeitung aa) Beratung im Ministerium Eine Konferenz über die Verfassungsfrage, an der Gruner, Arzberger, Röpert, Hofmann, Hohnbaum, Lotz und Opitz teilnahmen, fand vom 26. August 1820 bis zum 2. September 1820 statt.281 Im Mittelpunkt dabei stand die Verabschiedung des bereits auf den 30. Oktober datierten Manifests über die Verfassunggebung.282 Diskutiert wurde zunächst, ob das Manifest nebst Wahl- und Landtagsordnung vorher mit den alten Ständen und weiteren geeigneten Personen durchzusprechen sei oder ob diese Rechtsnormen zunächst veröffentlicht werden sollten, das Grundgesetz und die Verordnung über die Zivilstaatsdiener aber erst nach Abschluß der Wahl und Beratungen mit den Ständen folgen sollten. Für die letztgenannte Vorgehensweise spreche die Möglichkeit, jetzt schon einzelne Vorhaben abzuschließen und sich dadurch im weiteren Verfahren freie Hand zu verschaffen. Die endgültige Entscheidung sollte Herzog Ernst vorbehalten bleiben. Zudem erscheine die Anzahl der Landstände zu gering, denkbar sei jedoch, für jeden einen besonderen Stellvertreter zu wählen.283 In jedem Fall müßten noch zwei von den Stadtobrigkeiten der Residenzstädte Coburg und Saalfeld zu wählende Stände hinzukommen, womit das 1818 verworfene altständische Element der „amtlichen Landstände“ wieder auftauchte.284 Die Beschränkungen hinsichtlich der Wählbarkeit der Staatsdiener sollten ganz fortfallen. Bei den Abgeordneten der Ritterschaft müßte noch bestimmt werden, daß zumindest vier von diesen ihren wesentlichen Wohnsitz im Lande haben müßten. Im Falle einer Vertagung des Landtags sollte das Mandat der gewählten Stände fortdauern. Nach – wiederum nur – redaktionellen Änderungen von Grundgesetz und Verordnungen kam es Anfang September 1820 zu einem Umlauf im Ministerium mit weiteren unbedeutenden Veränderungen.285 Auf einer weiteren Konferenz am 16. September 1820286 einigten sich die Anwesenden darauf, einen Stellvertreter für den Abgeordneten dann in einem besonderen Wahlgang wählen zu lassen, wenn alle Stimmen der Wähler auf dieselbe Person gefallen sein sollten. Wegen der verschiedenen Voraussetzungen für die Volljährigkeit in den Landesteilen Coburg und Saalfeld wurde nunmehr in § 1 der Wahlordnung das Mindestalter für das aktive Wahlrecht auf 25 Jahre festgelegt. Protokolle bei StACo Min J 242 fol. 138 – 147’. Siehe dazu oben b) und unten IV.1. 283 § 9 Verfassung Sachsen-Hildburghausen sah nur zwei Stellvertreter der ritterschaftlichen Deputierten insgesamt, aber ebenfalls für jeden der übrigen Deputierten jeweils einen Stellvertreter vor. 284 Siehe oben 4.c)dd). 285 Schreiben Gruners vom 5. September 1820 bei StACo Min J 242 fol. 150, 150’. 286 Protokoll bei StACo Min J 242 fol. 153 – 156’. 281 282

418

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Der Verfassungsentwurf sollte den Landständen bereits vor der förmlichen Eröffnung des Landtags mitgeteilt werden, so daß das Manifest auch dahingehend abzuändern sei. Dem fügte Herzog Ernst jedoch handschriftlich hinzu, daß dem Manifest ausschließlich Wahlordnung und Landtagsordnung beigefügt werden sollten. Auch der einvernehmliche Vorschlag der Konferenz, auf eine ausdrückliche Erklärung der Domänen zum Eigentum des Herzogshauses, wie sie in § 22 des Entwurfs vorgesehen war, zu verzichten, dies vielmehr als selbstverständlich vorauszusetzen und das allgemeine Veräußerungsverbot durch eine allgemeine Wertbestandsgarantie zu ersetzen, wurde vom Herzog nach einem ursprünglichen Veto schließlich akzeptiert. Arzberger schlug in einem Schreiben vom 25. September 1820287 an Gruner vor, nach einer Verfassunggebung für das Fürstentum Lichtenberg vom dortigen Ständecorpus einen oder zwei Deputierte zum coburgischen Landtag zur Beratung der alle Untertanen des Landesherrn gemeinschaftlich angehenden Themen entsenden zu lassen. Gruner führte in einem Schreiben vom 27. September 1820 sowie einem zusätzlichen Gutachten aus, daß jede ständische Verbindung zwischen SachsenCoburg-Saalfeld und Lichtenberg für Herzog Ernst nur als schädlich zu betrachten sei, auch seien die Verhältnisse der beiden Länder zu unterschiedlich.288 Am 6. Oktober 1820 antwortete Herzog Ernst: „Es war auch nicht meine Ansicht, beide Landschaften von Coburg und Lichtenberg zu vereinigen; wohl aber ebenfalls jetze der Landesportion Lichtenberg ihre LandschaftlicheVerfassung zu geben.“289

bb) Gutachten Roses zur Verfassungsfrage Bereits am 25. September 1820 war bei Arzberger ein Schreiben Roses mit einem Gutachten zum Verfassungsentwurf eingegangen.290 Rose schlug zu § 2 vor, auch Pößneck zusätzlich zu Coburg und Saalfeld mit in die Zahl derjenigen Städte, deren Stadtobrigkeiten ständische Deputierte entsenden konnten, aufzunehmen, um eine Gleichstellung der beiden schriftsässigen Städte Saalfeld und Pößneck zu erreichen, was Gruner in einem Randvermerk befürwortete. § 3 sei aus der Verfassung in die Wahlordnung zu verschieben, wenn die Verfassung nicht zugleich mit der Wahlordnung veröffentlicht werden sollte, da bei der Wahl auch die Voraussetzungen für das passive Wahlrecht bestimmt sein müssen. Diese Notwendigkeit wurde von Gruner ebenfalls anerkannt. Auch Rose schlug nunmehr die Wahl von Stellvertretern der Landstände vor. Der provisorische Vollzug von Gesetzen ohne vorherige Anhörung der Stände (§ 11) sollte einer besondeStACo Min J 242 fol. 157 – 160’. Schreiben bei StACo Min J 242 fol. 161, 161’, Gutachten ebd. fol. 162 – 167. 289 StACo Min J 242 fol. 168. 290 StACo Min J 242 fol. 171 – 176’. Irrig die Datierung auf den 1. Oktober 1820 bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 139. 287 288

III. Verfassungsvorhaben in Sachsen-Coburg-Saalfeld ab 1815

419

ren Begründung durch das Ministerium bedürfen. In § 12 sollte anstelle des Begriffs der „speciellen Gesetze“ derjenige der „besonderen Anordnungen für einzelne Fälle, oder Personen“ gesetzt werden, welchem Gruner wiederum zustimmte. Der Begriff der „Polizeiverordnungen“ im gleichen Paragraphen müsse dahingehend eingeschränkt werden, daß hierunter nicht solche fallen dürften, „wodurch ( . . . ) das Eigenthum und die verfassungsmäßige Freiheit der Staatsbürger in Anspruch genommen wird.“291 In § 16 sollte anstelle der dortigen Aufzählung eine allgemeinere Formulierung treten, dem Gruner nicht entgegentrat. Auf dessen Widerspruch stieß jedoch die Forderung Roses, auch die Leistungen an den Deutschen Bund (§ 20) durch die Ständeversammlung beraten zu lassen, da eine ständische Zustimmung zu diesen Forderungen eine Erleichterung für die Verwaltung darstellen dürfte. Gruner wandte ein, daß Beschlüssen des Bundes kein Hindernis entgegengestellt werden könne. Hinsichtlich der Offizianten von Landeskasse und Schuldentilgungskasse (§ 21) wurde vorgeschlagen, von den Ständen mehrere Personen für diese Positionen vorschlagen und Herzog Ernst hiervon dann jeweils eine auswählen zu lassen. Diese Auswahl könne nach Gruners Ansicht auch durch die Landesregierung erfolgen. cc) Abschluß der Vorbereitungen In einer weiteren Konferenz des Ministeriums mit Herzog Ernst am 11. Oktober 1820292 wurde das Manifest endredigiert und beschlossen, dieses zusammen mit Wahl- und Landtagsordnung zu publizieren. In das Manifest sollte noch eingefügt werden, daß den Ständen unmittelbar nach ihrer Versammlung die Verfassungsurkunde vorgelegt werde und daß ihnen unbenommen sei, innerhalb einer Woche ihre Anmerkungen dem Landesherrn gegenüber zu erklären. Die Eröffnung des Landtages sollte auf den 2. Januar 1821 anberaumt werden. Die Vorschläge Roses wurden im Sinne Gruners genehmigt. Die bis dato erfolgten Änderungen wurden nunmehr in neue Entwürfe für Grundgesetz – diese Bezeichnung hatte sich nunmehr verfestigt –, Wahlordnung und die Verordnung über die Staatsbeamten eingearbeitet. 293 Bereits § 1 des Entwurfs wurde bedeutend vereinfacht. Statt der (Neu-)Bildung des „Herzogthums Sachsen-Coburg-Saalfeld“ durch die Verfassung stand nunmehr die Schöpfung einer Gesamtheit von Landständen für „alle in dem Herzogthum Coburg-Saalfeld vereinte Landestheile“ im Vordergrund. StACo Min J 242 fol. 173. Protokoll bei StACo Min J 242 fol. 178 – 181. 293 Textanhang Nr. 24; Grundgesetz-Entwurf bei StACo Min J 242 fol. 118 – 124; Entwurf der Wahlordnung ebd. fol. 125 – 128; Entwurf der Verordnung über die Verhältnisse der Zivilstaatsdiener ebd. fol. 131 – 136. – Die Datierung des Entwurfs auf den 1. Juli 1820 bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 180, findet im Aktenmaterial keine Stütze. Auch seine Zuordnung eines nachweislich am 21. November (wohl 1820) kanzleiten Entwurfs der Landtagsordnung zu diesen Entwürfen für Grundgesetz und Wahlordnung ebd. erscheint nicht nachvollziehbar. 291 292

420

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Bei der Zusammensetzung der Landstände war neu, daß auf Wunsch von Herzog Ernst294 nunmehr auch die Stadtobrigkeiten von Coburg, Saalfeld und Pößneck jeweils einen Abgeordneten aus ihrer Mitte zu entsenden hatten. Gleichzeitig wurden die Voraussetzungen für das passive Wahlrecht aus dem Grundgesetz (bislang §§ 3 bis 6) in die Wahlordnung (§§ 6 bis 9) verschoben und die Beschränkung der Wählbarkeit der höheren Staatsdiener (bislang § 3 Verfassungsentwurf) gestrichen. Im Rahmen der Wählbarkeit der Rittergutsbesitzer (§ 9 Wahlordnung) wurde nunmehr von vier zu wählenden Vertretern der Hauptwohnsitz im Inland verlangt. Zudem wurde die Wahl von Staatsdienern anderer Länder von einer herzoglichen Genehmigung abhängig gemacht. Für die gewählten Abgeordneten wurden Stellvertreter eingeführt (§ 3 Verfassungsentwurf). § 7 sah eine Verpflichtung des Ministeriums vor, für den Fall der provisorischen Vollziehung eines Gesetzes vor Erstattung des ständischen Gutachtens den Landständen schriftlich die Gründe mitzuteilen. Die Polizeiverordnungen, die ohne ständische Mitwirkung erlassen werden durften, wurden auf solche beschränkt, die Eigentum und „verfassungsmäßige Freiheit“ nicht tangierten (§ 8). §§ 10, 13 und 17 erwähnten im Gegensatz zu §§ 14, 17 und 21 des vorigen Entwurfs den Begriff „Domänenkasse“ nicht mehr, was zur Folge hatte, daß deren Verwaltung ausschließlich dem Landesherrn und seinen Behörden zustand. Der Landeskasse wies § 12 zusätzlich die Einkünfte aus den Regalien und sonstigen aus der landesherrlichen Gewalt entspringenden Quellen zu, während § 13 ihr einen angemessenen Zuschuß zu den Kosten des Hofstaats sowie die Ausgaben für Kirchen und Schulen auferlegte. Regelungen über die Domänen wurden in § 18 konzentriert und dort – entgegen des bislang in § 21 enthaltenen Hypothekierungsverbots – nur noch eine unverbindliche Hinzuziehung der Stände zur Beratung durch den Herzog versichert. Der „abgekürzte Entwurf der Wahlordnung“ stellte im wesentlichen eine redaktionelle Vereinfachung des letzten Entwurfs295 dar. Als maßgeblich für den weiteren Weg zur Repräsentation auf territorialer Grundlage war die Neuformulierung des § 5 anzusehen, wonach die Abgeordneten aus der Mitte der Wähler zu wählen waren. Als Stellvertreter galt unter Beibehaltung des bisher schon befürworteten Prinzips der relativen Mehrheitswahl derjenige, der nach dem Abgeordneten die meisten Stimmen erhalten hatte; fielen alle Stimmen auf nur eine Person, so war der Stellvertreter in einem gesonderten Wahlgang zu wählen (§ 19). Eine Beschränkung der Wählbarkeit von Blutsverwandten, wie sie noch § 34 des früheren Entwurfs vorgesehen hatte, war nicht mehr enthalten. Im übrigen sollte – mit Ausnahme des noch entfallenden Vertreters des Pößnecker Stadtrats – die nunmehr vorgesehene Zusammensetzung der Landschaft für die Verfassung von 1821 richtungweisend bleiben. 294 295

Zu diesem Vorschlag bereits oben aa). Dazu oben c)bb).

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

421

Die Verordnung über die Staatsbeamten beinhaltete in ihrer neuesten Entwurfsfassung ebenfalls im wesentlichen redaktionelle Kürzungen. Lediglich Herzog Ernst selbst hatte die Vorschrift des § 19, wonach die Dienstjahre in anderen Staaten für den coburgischen Staatsdienst anzurechnen seien, eigenhändig gestrichen. Gruner gab die neuen Entwürfe am 26. Oktober 1820 in Umlauf im Ministerium.296 Mit Schreiben vom 28. Oktober 1820 wandte sich Opitz gegen einen besonderen Abgeordneten der Stadtobrigkeit von Pößneck, da Saalfeld und Pößneck auch früher nicht gleich behandelt worden seien, zudem sei Saalfeld Residenzstadt und verfüge über einen organisierten Magistrat.297 Herzog Ernst hatte bereits auf einen dahingehenden Bericht Opitz’ an ihn vom 17. Oktober 1820 geäußert, daß besondere Deputierte der Stadtobrigkeit lediglich durch die Stadt Coburg entsandt werden sollten.298 Lediglich der Pößnecker Vertreter sollte daraufhin entfallen. In einem undatierten Notandum verfügte Gruner daraufhin, Manifest, Wahlordnung und Landtagsordnung seien in Druck zu erlassen, Wahl und Einberufung der Stände seien nunmehr vom Landesherrn genehmigt.299 Durch diese Entscheidung wurde nunmehr Kurs auf eine „verschleierte Verfassungsvereinbarung“300 genommen.

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen 1. Das Manifest über Verfassunggebung vom 30. Oktober 1820 mit Wahlordnung und Landtagsordnung Das im wesentlichen mit Gruners Entwurf301 inhaltsgleiche auf den 30. Oktober 1820 datierte Manifest kündigte die Eröffnung des ersten coburgischen Landtages für den 1. März 1821 an. Der Entwurf der Landtagsordnung stellte eine redaktionelle Vereinfachung des vormaligen Entwurfs302 dar. Lediglich die im früheren § 10 vorgesehene Beschränkung des herzoglichen Refusationsrechts bei der Wahl von Landschaftsdirektor, Sekretär und deren Stellvertretern auf höchstens zwei Ablehnungen verschiedener Personen wurde gestrichen, außerdem erkannte § 8 dem Landschaftsdirektor in bezug auf den Geschäftsgang ausdrücklich die Rechte und Obliegenheiten eines Kollegialpräsidenten zu. 296 297 298 299 300 301 302

StACo Min J 242 fol. 213. StACo Min J 242 fol. 214’. StACo Min J 242 fol. 216’. StACo Min J 242 fol. 177. Siehe dazu unten V.1. Siehe dazu oben III.5.b). Siehe dazu oben c)cc).

422

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Die – nach wie vor auf den 30. Oktober 1820 datierte – Wahlordnung war im November oder Anfang Dezember 1820303 noch dahingehend geändert worden, daß das Wahlrecht in jedem Falle an das Bürger- oder Nachbarrecht geknüpft wurde und die bisherigen Sonderregelungen für Geistliche, Staatsdiener und Freiberufler ohne Bürger- und Nachbarrecht in § 3 ersatzlos wegfielen. Ebenso war der Abgeordnete der Pößnecker Stadtobrigkeit entfallen. Die drei Normtexte wurden unter Beibehaltung des Datums unter dem 8. Dezember 1820 zur Veröffentlichung an die Landesregierung weitergeleitet304, die Veröffentlichung im Regierungs- und Intelligenzblatt erfolgte erst am 16. Dezember 1820.305 Durch verschiedene Schreiben der Landesregierung vom 13. Dezember 1820 wurde den Rittergutsbesitzern, Justizämtern und den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck das Publikationspatent mit Manifest, Wahlordnung und Landtagsordnung mitgeteilt. 306 2. Wahl der Landstände307 a) Durchführungsfragen Das Landesministerium beauftragte die Landesregierung mit Schreiben vom 8. Dezember 1820 mit der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen.308 Die Landesregierung ernannte sodann am 16. Dezember 1820 Regierungsrat Lotz zum Kommissar zur Durchführung der Wahlen der Rittergutsbesitzer, des Magistrats und der Bürgerschaft zu Coburg sowie Regierungsrat Johann Gottfried Gruner zum Kommissar für die Wahlen des Magistrats und der Bürgerschaft zu Saalfeld und der Bürgerschaft zu Pößneck.309 Durch Publikandum vom gleichen Tag setzte 303 StACo Min J 242 fol. 235 – 237’. Daraus ist ebenso wie aus der Weiterleitung am 8. Dezember 1820 erkennbar, daß die Datierung auf den 30. Oktober 1820 fingiert war. 304 StACo LReg. 256 fol. 2, 2’ = StACo Min J 243 fol. 1, 1’. 305 Textanhang Nr. 25; im einzelnen: Manifest bei StACo LReg. 256 fol. 3 – 4 = StACo Min J 242 fol. 114 – 116’ = ibid. fol. 229 – 230’ = StACo LA F 5056 = RIBl. Nr. 51 vom 16. Dezember 1820, Beylage = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band 1 S. 14 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 798 f.; Landtagsordnung bei StACo LReg. 256 fol. 5 – 7’ = StACo Min J 242 fol. 200 – 203’ = ebd. fol. 238 – 241 = StACo LA F 5055 = RIBl. Nr. 51 vom 16. Dezember 1820, Beylage = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band 1 S. 23 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 803 ff.; Wahlordnung bei StACo LReg. 256 fol. 8 – 11 = StACo LA F 5054 = RIBl. Nr. 51 vom 16. Dezember 1820, Beylage = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band 1 S. 16 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 800 ff. 306 StACo LReg. 256 fol. 14 – 15 = ebd. fol. 32, 32’, 44 – 45, 74, 74’. 307 Von einer „Wahl des Landtages“ (so Gerhard Müller, Nachbemerkung, S. XXIII) sollte aus terminologischen Gründen nicht gesprochen werden. 308 StACo LReg. 256 fol. 2, 2’ = StACo Min J 243 fol. 1, 1’. 309 StACo LReg. 256 fol. 19 – 20.

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

423

die Landesregierung die Wahlen auf detailliert für die Wahlkörper der Rittergutsbesitzer, Magistrate und Bürgerschaften bestimmte Tage innerhalb eines Zeitraumes vom 25. Januar bis zum 31. Januar 1821 fest.310 Auf eine Anfrage Lotz’ vom 2. Januar 1821 nach dem Inhalt des Begriffs der absoluten Stimmenmehrheit in § 19 der Wahlordnung311 erläuterte das Ministerium unter dem 7. Januar 1821, „daß unter der ( . . . ) absoluten Stimmen-Mehrheit diejenige verstanden wirde, welche sich ohne alle Rücksicht auf die Zahl der Wahlberechtigten überhaupt und der zum Abstimmen Erschienenen insbesondere beym Zusammenzählen der Stimmen für jeden in die Wahl gekommenen als Mehrheit darstellt, so daß derjenige als der Gewählte anzusehen ist, welcher die meisten Stimmen der Anwesenden für sich hat, ohne daß man vorerst zu berechnen braucht, wie viele der Stimmberechtigten überhaupt im Ganzen vorhanden sind und wie viele derselben bey der Wahlhandlung anwesend sind.“312

Damit verblieb es – entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Verfassung – bei einem Verfahren der relativen Mehrheitswahl. Eine Eingabe saalfeldischer Rittergutsbesitzer vom 30. Dezember 1820313 bat um eine Ausführungsbestimmung zu § 16 der Wahlordnung mit dem Inhalt, „daß wenigstens für den ersten Landtag und bis zur Ausgleichung des gegenseitigen Interesse eine gleiche Anzahl Abgeordneter unt Stellvertreter, aus den Ritterschaften beyder Fürstenthümer gewählt werden müßen, diese also bey der ersten Wahl getrennt bleiben“314

sollten, da die Zahl der Rittergutsbesitzer in Coburg fast dreimal so hoch wie in Saalfeld sei. Herzog Ernst wies daraufhin die Landesregierung am 11. Januar 1821 an, die saalfeldischen Rittergutsbesitzer dahingehend zu verbescheiden, daß von den sechs Vertretern der Rittergutsbesitzer drei aus den Reihen der coburgischen, zwei aus den Reihen der saalfeldischen und einer aus den Reihen der themarischen Rittergutsbesitzer stammen müßten.315 Eingaben, die die Wahl eigenständiger Deputierter für das 1802 mit dem Amt Gräfenthal vereinigte Amt Probstzella316 sowie für die vormals landständische Stadt Gräfenthal317 erbaten, wurden jedoch abschlägig verbeschieden.318 StACo LReg. 256 fol. 24 – 26’ = RIBl. Nr. 52 vom 23. Dezember 1820 Sp. 631 ff. StACo LReg. 256 fol. 82 – 83. 312 StACo LReg. 256 fol. 89 = StACo Min J 243 fol. 28. 313 StACo Min J 243 fol. 29 – 30’ = StACo LReg. 256 fol. 92 – 94 = ThStAMgn Landtag 1374 fol. 31 – 34. 314 StACo Min J 243 fol. 30 = StACo LReg. 256 fol. 93’ = ThStAMgn Landtag 1374 fol. 33. 315 StACo LReg. 256 fol. 90 = StACo Min J 243 fol. 31, 31’ = ThStAMgn Landtag 1374 fol. 37, 37’. Schreiben der Landesregierung vom 16. Januar 1821 bei ThStAMgn Landtag 1374 fol. 33. 316 Schreiben des Justizamts Gräfenthal vom 25. Dezember 1820 bei StACo LReg. 256 fol. 64 – 66’. 317 Schreiben des Bürgerausschusses der Stadt Gräfenthal vom 26. Januar 1821 bei StACo Min J 243 fol. 41 – 43’ = StACo LReg. 256 fol. 131 – 133’. 310 311

424

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

b) Wahlergebnisse Die Wahlen brachten folgende Ergebnisse:319 Stimmen320 Ritterschaft – Abgeordnete – Ernst Anton Carl von Imhoff – Christian Ferdinand von Könitz (Geheimrat in Meiningen) – Anton von Könitz (Rittergutsbesitzer auf Wickersdorf) – Ernst August von Donop – von Holleben – von Hanstein – Stellvertreter – Albrecht Gottlieb Andreas Bergner – Engelhardt – Johann Ernst Gotthelf Stockmar – Haubold Hans Carl Wilhelm von Speßhardt (Rittergutsbesitzer auf Birkig) – Friedrich Wilhelm von Speßhardt (Rittergutsbesitzer auf Mupperg) – Heinrich von Bünau – Johann Carl Schöner Stadt Coburg321 (Magistrat) – Abgeordneter: Polizeidirektor Johann Andreas Ortloff – Stellvertreter: Justizdirektor Carl Christian Christoph Sartorius Stadt Coburg (Bürgerschaft) – Abgeordneter: Johann Andreas Fischer – Stellvertreter: Carl Friedrich August Briegleb

Landesteil

22 22

Coburg Coburg

20

Saalfeld

18 18 17

Coburg Saalfeld Amt Themar

12 12 10 9

Coburg Coburg Coburg Saalfeld

9

Coburg

8 8

Amt Themar Coburg Coburg

10 8 296

318 Antwort an das Justizamt Gräfenthal vom 29. Dezember 1820 bei StACo LReg. 256 fol. 68, an den Bürgerausschuß der Stadt Gräfenthal vom 31. Januar 1821 ebd. fol. 130 = StACo Min J 243 fol. 44. 319 Insgesamt enthalten im Bericht der Landesregierung an das Ministerium vom 7. Februar 1821 bei StACo Min J 243 fol. 51’ – 53 = StACo LReg. 256 fol. 155 – 156. 320 Die Stimmenzahl ist nur von den Vertretern der Ritterschaft und der Stadt Coburg überliefert. 321 Berichte des Kommissars Lotz vom 25. / 27. Januar 1821, 4. und 22. Februar 1821 bei StACo Min J 243 fol. 38 – 40, 47 – 48’ sowie bei StACo LReg. 256 fol. 145 – 146.

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen Stimmen Stadt Saalfeld322 (Magistrat) – Abgeordneter: Polizei- und Stadtdirektor Rose – Stellvertreter: Stadtschreiber Friedrich Wilhelm Reimann

425 Landesteil

Saalfeld

Stadt Saalfeld (Bürgerschaft) – Abgeordneter: Stadtsyndikus Helmershausen – Stellvertreter: Seifensieder Heinrich Gottlob Schmidt Stadt Pößneck (Bürgerschaft)323 – Abgeordneter: Johann Volkmar Gebhardt – Stellvertreter: Friedrich Wilhelm Schmidt

Saalfeld

Amt Coburg324 – Abgeordneter: Johann Andreas Göckel – Stellvertreter: Ehrhardt Klug

Coburg

Amt Neustadt325 – Abgeordneter: Johann Georg Truckenbrodt (Fürth am Berg) – Stellvertreter: Balthasar Müller326 (Neustadt)

Coburg

Amt Rodach327 – Abgeordneter: Johann Nicolaus Flohrschütz328 (Elsa) – Stellvertreter: Heinrich Andreas Strecker (Rodach)

Coburg

Amt Saalfeld 329 – Abgeordneter: Johann Michael Franz sen – Stellvertreter: Johann Georg Franz

Saalfeld

(Fortsetzung nächste Seite)

322

Bericht des Kommissars Gruner vom 6. Februar 1821 bei StACo LReg. 256 fol. 147 –

151’. 323

Bericht des Kommissars Gruner vom 6. Februar 1821 bei StACo LReg. 256 fol. 147 –

151’. 324

Bericht des Justizamts Coburg vom 28. Januar 1821 bei StACo LReg. 256 fol. 120 –

125. 325

Bericht des Justizamts Neustadt vom 3. Februar 1821 bei StACo LReg. 256 fol. 138 –

142. 326 327

Schreibweise nach Autograph bei StACo LReg. 257 fol. 117. Bericht des Justizamts Rodach vom 30. Januar 1821 bei StACo LReg. 256 fol. 126 –

128’. 328 329

119.

Schreibweise nach Autograph bei StACo LReg. 257 fol. 92. Bericht des Justizamts Saalfeld vom 27. Januar 1821 bei StACo LReg. 256 fol. 114 –

426

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

(Fortsetzung) Stimmen 330

Landesteil

Amt Gräfenthal – Abgeordneter: Georg Tobias Rosenthal (Gräfenthal) – Stellvertreter: Christoph Heinrich Jahn (Probstzella)

Saalfeld

Amt Themar331 – Abgeordneter: Karl Siegmund Hedenus – Stellvertreter: Siegmund Gräf

Amt Themar

Im Bericht vom 7. Februar 1821 an das Ministerium332 äußerte die Landesregierung Bedenken hinsichtlich der Wahl Helmershausens, da gegen diesen noch disziplinarische Untersuchungen beim Justizkollegium anhängig seien. Der von den Rittergutsbesitzern gewählte Hanstein sei jedenfalls nicht wählbar, da er bei seinem Konkurs seine Gläubiger nicht habe völlig befriedigen können, für diesen müsse der im Amt Themar nächstgewählte Bünau eintreten. Für die Wahl Donops fehle noch die Erklärung der Gebrüder Donop hinsichtlich der Stimmführereigenschaft für das Rittergut. Die Untersuchungen gegen Geheimrat Könitz sowie die Rittergutsbesitzer Imhoff und Fischer aus der Zeit Minister Kretschmanns seien wohl inzwischen erledigt. Problematisch sei, daß entgegen der Wahlordnung nur drei Abgeordnete der Rittergutsbesitzer ihren Wohnsitz im Inland hatten und folglich der an dritter Stelle gewählte Auswärtige Holleben ausscheiden und für diesen als nächstgewählter Saalfelder Speßhardt eintreten müsse. Nähme dieser die Wahl nicht an, müßte Bergner nachrücken. Die Vollmacht für Donop wurde innerhalb weniger Tage nachgereicht.333 Gegen Helmershausen wandte die Landesregierung zusätzlich ein, daß nicht gleichzeitig Saalfelds Polizei- und Stadtdirektor und der Stadtsyndicus die Stadt während des Landtags verlassen sollten.334 Mangels ausreichenden Vermögens erscheine die Wahl seines Stellvertreters Schmidt als unzulässig335, ebenso die Wahl Rosenthals.336 Für Saalfeld müßten nunmehr Johann Philipp Knoch als Abgeordneter und Echtermeyer als Stellvertreter nachfolgen.337 330 Bericht des Justizamts Gräfenthal vom 10. Februar 1821 bei StACo LReg. 256 fol. 159 – 162’. 331 Bericht des Justizamts Themar vom 3. Februar 1821 bei StACo LReg. 256 fol. 136 –137. 332 StACo Min J 243 fol. 49 – 58’ = StACo LReg. 256 fol. 154 – 158’. 333 Bericht der Landesregierung vom 10. Februar 1821 bei StACo Min J 243 fol. 63, 63’. 334 StACo LReg. 257 fol. 17’. Die bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 146 angeführten Bedenken wegen zu geringen Vermögens sind aus den Akten nicht nachweisbar. 335 StACo LReg. 257 fol. 21. 336 StACo LReg. 257 fol. 18’. 337 StACo LReg. 257 fol. 23.

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

427

Durch herzogliches Reskript vom 26. Februar 1821338 wurden folgende Personen als gewählt bestätigt:339 Anmerkung Ritterschaft – Abgeordnete – Ernst Anton Carl von Imhoff – Christian Ferdinand von Könitz (Geheimrat in Meiningen) – Anton von Könitz (Rittergutsbesitzer auf Wickersdorf) – Ernst August von Donop

– von Holleben – Heinrich von Bünau

Landesteil

Coburg Coburg Saalfeld unter Dispensation vom Erfordernis Coburg der wesentlichen Wohnung im Lande nach § 9 der Wahlordnung unter Dispensation vom vorgeschriebe- Saalfeld nen Mindestalter nachgerückt Amt Themar

– Stellvertreter – Albrecht Gottlieb Andreas Bergner – Friedrich Wilhelm von Speßhardt (Rittergutsbesitzer auf Mupperg) – Carl Magnus Hamann – Johann Carl Schöner

Coburg Coburg nachgerückt

Saalfeld Coburg

Stadt Coburg (Magistrat) – Abgeordneter Johann Andreas Ortloff – Stellvertreter: Justizdirektor Carl Christian Christoph Sartorius Stadt Coburg (Bürgerschaft) – Abgeordneter: Johann Andreas Fischer – Stellvertreter: Carl Friedrich August Briegleb

Coburg

Stadt Saalfeld (Magistrat) – Abgeordneter: Polizei- und Stadtdirektor Rose – Stellvertreter: Stadtschreiber Friedrich Wilhelm Reimann

Saalfeld

(Fortsetzung nächste Seite) 338 339

StACo LReg. 257 fol. 50 – 51’ = StACo Min J 243 fol. 98 – 100’. StACo LReg. 257 fol. 50 – 51’ = StACo Min J 243 fol. 98 – 100’.

428

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

(Fortsetzung) Anmerkung Stadt Saalfeld (Bürgerschaft) – Abgeordneter: Seifensieder Heinrich Gottlob Schmidt – Stellvertreter: Carl Schmidt Stadt Pößneck – Abgeordneter: Johann Friedrich Trautmann340 – Stellvertreter: Wilhelm Schmidt

Landesteil

nachgerückt nachgerückt Saalfeld wohl nachgerückt, erschien bislang in den Akten nicht entweder nachgerückt (erschien so bislang in den Akten nicht) oder identisch mit dem gewählten Stellvertreter Johann Wilhelm Schmidt

Amt Coburg – Abgeordneter: Johann Andreas Göckei – Stellvertreter: Ehrhardt Klug

Coburg

Amt Neustadt – Abgeordneter: Johann Georg Truckenbrodt (Fürth am Berg) – Stellvertreter: Balthasar Müller (Neustadt)

Coburg

Amt Rodach – Abgeordneter: Johann Nicolaus Flohrschütz (Elsa) – Stellvertreter: Heinrich Andreas Strecker (Rodach)

Coburg

Amt Saalfeld – Abgeordneter: Johann Michael Franz sen. – Stellvertreter: Johann Georg Franz

Saalfeld

Amt Gräfenthal – Abgeordneter: Georg Tobias Rosenthal (Gräfenthal) – Stellvertreter: Christoph Heinrich Jahn (Probstzella)

Saalfeld

Amt Themar – Abgeordneter: Karl Siegmund Hedenus – Stellvertreter: Siegmund Gräf (Exdorf)

Amt Themar

Den Bedenken der Landesregierung wurde also nur in fünf Fällen Folge geleistet. 340

Vollständiger Name nach Autograph bei StACo LReg. 257 fol. 151.

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

429

c) Einberufung der Stände Am 1. März 1821 – also an dem Tag, für den das Manifest vom 30. Oktober 1820 den Beginn des Landtages ursprünglich vorgesehen hatte341 – teilte Lotz Gruner mit, ihm sei zwar die bislang in Coburg verwendete Formel zur Landtagseinberufung nicht bekannt, er wolle sich jedoch auf die englische stützen, welche lautete, die Stände sollten sich „mit dem Landesherrn berathen“.342 In einer Randnotiz äußerte Gruner zwar Bedenken dagegen, er könne aber keinen Alternativvorschlag unterbreiten. Für die Einberufung des Landtages war mittlerweile zunächst der 19., später der 20. März 1821 vorgesehen, wobei sich die gewählten Stände jedoch bereits drei Tage vorher zur Abnahme der vorgesehenen Verpflichtungserklärung und zur Wahl des Landschaftsdirektors, des Sekretärs und deren Stellvertreter in Coburg einfinden sollten. Zu Mitgliedern der landesherrlichen Kommission wurden Landesregierungspräsident Hofmann und die Landesregierungsräte Gruner und Lotz ernannt.343 Unter dem 4. März 1821 schließlich machte die Landesregierung neben den Namen der bis auf weiteres genehmigten Stände bekannt, daß die landständische Versammlung am 20. März 1821 beginnen solle und die gewählten Abgeordneten bereits am gleichen Tage hierzu geladen worden seien.344 Dabei kam es noch zu folgenden Veränderungen: Anmerkung Ritterschaft – Abgeordnete – Ernst Anton Carl von Imhoff – Christian Ferdinand von Könitz (Geheimrat in Meiningen)

Landesteil

Coburg Könitz erklärte mit Schreiben vom Coburg 8. März 1821 seinen Rücktritt von dieser Position aus dienstlichen Gründen.345 Zum Ersatz wurde Carl Magnus Hamann bestellt. (Fortsetzung nächste Seite)

Siehe dazu oben 1. StACo Min J 243 fol. 128. 343 Reskript des Ministeriums an die Landesregierung unter dem 2. März 1821, StACo LReg. 257 fol. 54 – 55 = StACo Min J 243 fol. 129 – 130’; Nachricht Gruners von der Verschiebung durch den Herzog am 3. März 1821 bei StACo Min J 243 fol. 132; Nachricht hiervon an die Landesregierung vom 4. März bei StACo LReg. 257 fol. 80 = StACo Min J 243 fol. 134; Ernennungs- und Auftragsreskript an die Kommissionsmitglieder vom 6. März 1821 bei StACo Min J 243 fol. 135, 135’ = StACo Landtag 77, unfol. 344 StACo LReg. 257 fol. 74 – 75 = RIBl. Nr. 9 vom 3. März 1821, Beilage; die Konzepte zu den Einberufungen bei StACo LReg. 257 fol. 58 – 73’. 345 StACo LReg. 257 fol. 175. Offensichtlich falsch ist die Behauptung von Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 145 Fußnote 2, Könitz’ Entschuldigungsbrief sei nicht erhalten. 341 342

430

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

(Fortsetzung) Anmerkung Ritterschaft – Abgeordnete – Anton von Könitz (Rittergutsbesitzer auf Wickersdorf) – Ernst August von Donop – von Holleben

– Heinrich von Bünau – Stellvertreter – Albrecht Gottlieb Andreas Bergner

Landesteil

Saalfeld Coburg Holleben erklärte mit Schreiben vom Saalfeld 8. März 1821 seine Verhinderung an der Teilnahme nur beim aktuellen Landtag.346 An seiner Stelle sollte Stellvertreter Bergner einberufen werden (siehe dort). Amt Themar

Bergner erklärte mit Schreiben vom Coburg 13. März 1821 seinen Rücktritt von dieser Position aus beruflichen Gründen.347 Zum Ersatz wurde Schöner bestellt. Coburg – Friedrich Wilhelm von Speßhardt Speßhardt erklärte mit Schreiben (Rittergutsbesitzer auf Mupperg) vom 6. März 1821 seinen Rücktritt von dieser Position aufgrund seines mit 60 Jahren schon fortgeschrittenen Alters.348 – Carl Magnus Hamann Rückte als Abgeordneter für Saalfeld Christian Ferdinand von Könitz nach. – Johann Carl Schöner Wurde anstelle des ausgeschiedeCoburg nen Bergner für den verhinderten Holleben einberufen. Stadt Coburg (Magistrat) Coburg – Abgeordneter: Polizeidirektor Johann Andreas Ortloff – Stellvertreter: Justizdirektor Carl Christian Christoph Sartorius Stadt Coburg (Bürgerschaft) – Abgeordneter: Johann Andreas Fischer – Stellvertreter: Carl Friedrich August Briegleb Stadt Saalfeld (Magistrat) – Abgeordneter: Polizei- und Stadtdirektor Rose 346 347 348

StACo LReg. 257 fol. 164, 164’. StACo Min J 243 fol. 156 – 157’. StACo LReg. 257 fol. 148, 148’.

Saalfeld

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen Anmerkung

431 Landesteil

– Stellvertreter: Stadtschreiber Friedrich Wilhelm Reimann Stadt Saalfeld (Bürgerschaft) – Abgeordneter: Seifensieder Heinrich Gottlob Schmidt

– Stellvertreter: Carl Schmidt

Stadt Pößneck – Abgeordneter: Johann Friedrich Trautmann

Abgeordneter Schmidt erklärte mit Schreiben vom 6. März 1821 seinen Rücktritt von dieser Position aus beruflichen Gründen.349 Der nach Rückzug des Stellvertreters Schmidt zum Stellvertreter Nächst berufene Johann Friedrich Echtermeyer erklärte mit Schreiben vom 3. April 1821 ebenfalls seinen Rücktritt.350 Zum neuen Abgeordneten wurde Knoch, zum neuen Stellvertreter Lederhändler Zech bestimmt.351 Saalfeld Trautmann erklärte mit Schreiben vom 7. März 1821 seinen Rücktritt von dieser Position aufgrund seiner „häuslichen und bürgerlichen Lage“.352 Als Ersatz wurde – anstelle des Stellvertreters, wofür ein Grund aus den Akten nicht ersichtlich ist – Johann Volkmar Gebhardt berufen.353

– Stellvertreter: Wilhelm Schmidt Amt Coburg – Abgeordneter: Johann Andreas Göckel – Stellvertreter: Ehrhardt Klug

Coburg

Amt Neustadt – Abgeordneter: Johann Georg Truckenbrodt (Fürth am Berg) – Stellvertreter: Balthasar Müller (Neustadt)354

Coburg

(Fortsetzung nächste Seite) StACo LReg. 257 fol. 143 – 145. StACo LReg. 258 fol. 35 – 36. 351 StACo LReg. 258 fol. 40. 352 StACo LReg. 257 fol. 150 – 151. Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 228 Fußnote 116 übersieht dieses Rücktrittsschreiben offensichtlich. 353 StACo LReg. 257 fol. 156’. 354 Nicht verständlich ist die Darstellung bei Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 109, wonach nicht nachvollziehbar sei, für wen Kaufmann Balthasar Müller aus Neustadt in die Ständeversammlung später nachrückte. 349 350

432

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

(Fortsetzung) Anmerkung

Landesteil

Amt Rodach – Abgeordneter: Johann Nicolaus Flohrschütz (Elsa) – Stellvertreter: Heinrich Andreas Strecker (Rodach)

Coburg

Amt Saalfeld – Abgeordneter: Johann Michael Franz sen. – Stellvertreter: Johann Georg Franz

Saalfeld

Amt Gräfenthal Saalfeld – Abgeordneter: Georg Tobias Rosenthal (Gräfenthal) – Stellvertreter: Christoph Heinrich Jahn erklärte mit Schreiben vom Jahn (Probstzella) 13. März 1821 seinen Rücktritt von dieser Position, die Ludwig Mylius übernehmen sollte355, doch auch dieser trat aus beruflichen Gründen mit Schreiben vom 30. März 1821 zurück.356 Amt Themar Amt Themar – Abgeordneter: Karl Siegmund Hedenus (Themar) – Stellvertreter: Siegmund Gräf (Exdorf)357

Durch Schreiben vom 13. März 1821 teilte das Ministerium der Landesregierung mit, es sei in einer unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften bei einem Advokaten in Rudolstadt gefertigten Eingabe von Saalfelder Bürgern gefordert worden, Stadtsyndikus Helmershausen als gewählten Abgeordneten der Saalfelder Bürgerschaft noch eiligst zum Landtag zu laden.358 Im Antwortschreiben vom 14. März 1821 bestätigte die Landesregierung abermals die Unzulässigkeit der Wahl Helmershausens.359 Im Vergleich zum Wahlergebnis wurden zwei Rittergutsbesitzer durch ihre Stellvertreter vertreten, zudem wurden noch die Vertreter der Bürgerschaften von Saalfeld und Pößneck vollständig ausgewechselt. StACo LReg. 257 fol. 158 – 159. StACo LReg. 258 fol. 25 – 26. 357 Nicht verständlich ist die Darstellung bei Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 109, wonach nicht nachvollziehbar sei, für wen Schultheiß Gräf aus Exdorf in die Ständeversammlung später nachrückte. 358 StACo LReg. 257 fol. 182 = StACo Min J 243 fol. 154, Eingabe vom 10. März 1821 bei StACo Min J 243 fol. 162 – 166’. 359 StACo Min J 243 fol. 167 – 170 = StACo LReg. 257 fol. 183 – 184’. 355 356

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

433

Am 9. März 1821 schlug Lotz vor, die Stände nicht wie beabsichtigt360 auf die „Treue zur Verfassung“ schwören zu lassen, da die Verfassung gerade erst durch das entworfene Grundgesetz hergestellt werden solle, und eine Vereidigung auf die bisherige Verfassung nicht vertretbar sei.361 Nachdem auch Gruner diese Bedenken teilte362, ließ Landesregierungspräsident Hofmann sowohl die Worte „genaue Beobachtung der Verfassung“ als auch „Gehorsam der Gesetze“ streichen, da letzteres für alle Untertanen selbstverständlich zu sein habe, und schlug als endgültige Eidesformel vor: „Ich schwöre Treue dem Herzog und in der Stände-Versammlung das allgemeine Wohl nach bester eigener durch keinen Auftrag geleiteter Überzeugung berathen zu wollen, so wahr mir Gott helfe.“363

Im Antwortschreiben vom 10. März 1821 versagte das Landesministerium dieser Eidesformel jedoch die Genehmigung, da es sich bei diesen beiden weggelassenen Punkten um den zentralen Bestandteil der Eidesformel handle und außerdem offensichtlich sei, daß das Wort Verfassung nicht eine frühere, sodern die herzustellende Verfassung meine.364 Nach einer weiteren Eingabe der Kommission vom 12. März 1821365 antwortete das Ministerium am 13. März 1821, man könne beim nunmehr stattfindenden ersten Landtag die Worte „Beobachtung der Verfassung“ wie vorgeschlagen weglassen, jedoch könne in einem Eid auch eine ohnehin bestehende Verpflichtung wie der Gehorsam gegenüber den Gesetzen wiederholt werden, so daß diese Formulierung zu verbleiben habe.366 3. Vorläufig letzte Fortschreibung des Verfassungsentwurfs durch die Exekutive Auch bayerischer Rat wurde für die Ausarbeitung des coburgischen Verfassungsentwurfs eingeholt. Am 4. Februar 1821 berichtete von Fischler von Treuberg an Gruner: „Dem Herrn Minister von Zentner habe ich die, auf Errichtung der Landstände bezug habenden Aktenstücke mitgetheilt: Er war ganz mit denselben einverstanden, nur Eines bat er mich bemerken zu wollen: daß die Konstitution von dem Souverain ausgehe, daß dieselbe, nicht paktirt, sondern vor Einberufung der Landstände promulgirt werde. 360 Die in den Verfassungsentwürfen ursprünglich vorgesehene Eidesformel scheint dem Art. 88 Verfassung Hessen-Darmstadt (Textstufe zu Tit. VII § 25 Verfassung Bayern und zu § 69 Verfassung Baden) entnommen worden zu sein. 361 StACo Min J 243 fol. 140. 362 StACo Min J 243 fol. 140’. 363 StACo Min J 243 fol. 140’, 141. 364 StACo Min J 243 fol. 142, 142’. 365 StACo Min J 243 fol. 148 – 150’. 366 StACo Min J 243 fol. 151, 151’.

434

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Dieser modus procedendi sei durch die Carlsbader Unterhandlungen beliebt worden, und man wurde vorzüglich bei Oesterreich sehr – anstossen, wenn man anderst verfahren würde; so wie das Benehmen in Darmstadt mancher höheren Kritik unterliege, und zum Theil nur darinn eine Entschuldigung finde, daß das Ministerium gleich Anfangs nicht den rechten Mittelweg eingeschlagen und Mißgriffe gemacht habe, wodurch man von der vorgeschriebenen Norm habe abgehen müssen.“367

Die Änderungen im letzten Grundgesetz-Entwurf368, den Opitz am 8. März 1821 fertiggestellt hatte und den Gruner, Arzberger und Hohnbaum am 14. März 1821 unterzeichneten, waren ausschließlich auf persönliche Wünsche von Herzog Ernst zurückzuführen. In Anpassung an die zwischenzeitlich erfolgte Wahl der Landstände wurde der in § 2 Nr. 2 ursprünglich vorgesehene Abgeordnete der Pößnecker Stadtobrigkeit auch im Grundgesetz-Entwurf gestrichen. Die in der letzten Fassung noch in §§ 7 f. neu aufgenommenen Einschränkungen hinsichtlich der vorläufigen Vollziehung mitwirkungsbedürftiger Gesetze sowie der Mitwirkung der Landstände bei Polizeiverordnungen wurden wieder zurückgenommen. Der Zuschuß der Landeskasse zu den Kosten des Hofstaats in § 13 sollte aus dem gesamten Ertrag der Regalien bestehen. § 14 stellte die Grundsteuerpflicht auch der herzoglichen Domänen dar. § 18 bezeichnete die Stände – ohne Ausweitung ihrer geringen Rechte! – als Garanten des Domanialvermögens. Die Unverantwortlichkeit der einzelnen Landstände hinsichtlich ihrer Abstimmungen in § 24 wurde auf Fälle beschränkt, die nicht von einer dem Staatswohl nachteiligen Tendenz zeugten. In der gleichzeitig geänderten Verordnung über die Staatsbeamten strich Herzog Ernst die ehemalige Vorschrift des § 16, wonach die zur Ausübung der streitigen Gerichtsbarkeit angestellten Staatsdiener nur durch Gerichtsentscheidung in den Ruhestand versetzt und ohne Einwilligung nur innerhalb ihres Bereichs versetzt werden konnten. § 23 setzte noch die allgemeine Dienstaufsicht der Präsidenten der Behörden über ihre Untergebenen fest.

StACo Min F 1394 fol. 25’, 26. Textanhang Nr. 26 = StACo Min J 242 fol. 182 – 187’ = fol. 188 – 193’ (diese Abschrift wird von Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 180 fälschlicherweise als selbständiger Entwurf bezeichnet) = StACo LReg. 258 fol. 99 – 103 = StACo Landtag 12 / 1 fol. 1 – 6 = StACo Landtag 77, unfol. 367 368

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

435

4. Ständische Beratungen in Verfassungsfragen a) Konstituierung der Ständeversammlung Nach der Vereidigung der Mitglieder durch die herzogliche Kommission am 15. März 1821369 wählten die versammelten Stände am gleichen Tage Feldobrist von Donop auf Neuhof mit 14 Stimmen zum Landschaftsdirektor, Geheimen Hofrat Rose mit 15 Stimmen zum Landschaftssekretär, Major von Könitz auf Wickersdorf mit elf Stimmen zum Vertreter des Landschaftsdirektors sowie Hofadvokat Fischer mit neun Stimmen zum Vertreter des Landschaftssekretärs.370 Hinsichtlich Donops wurde ein herzoglicher Dispens vom vorgeschriebenen Wohnsitz im Lande beantragt, seine Wahl jedoch nur unter der Voraussetzung, daß er wesentliche Wohnung im Lande nimmt, ebenso wie alle anderen Wahlen vom Herzog genehmigt.371 Die Gewählten wurden am 19. März 1821 verpflichtet.372 Am 20. März 1821 wurde der Landtag, zu dem alle geladenen Landstände anwesend waren, feierlich eröffnet.373 Bereits in der Sitzung vom 21. März 1821 kündigte der Deputierte Fischer einen Antrag auf Öffentlichkeit der ständischen Verhandlungen und Druck der Protokolle an374, wie es in den süddeutschen Staaten bereits praktiziert wurde.375 Ein derartiger Antrag wurde von den Deputierten Fischer und Ortloff376 in der Sitzung vom 26. März 1821 gestellt.377 Eine Behandlung dieses Antrages war zwar für die Sitzung des folgenden Tages vorgesehen, Protokoll bei StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 10 – 13’ = StACo Landtag 77, unfol. Kommissionsbericht vom 16. März 1821 bei StACo Min J 243 fol. 172 – 173’, Protokoll bei StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 14 – 17 = StACo Landtag 77, unfol. 371 Schriftwechsel zwischen Ministerium und Herzog bei StACo Min J 243 fol. 174 – 176’; Reskript an die Kommission vom 17. März 1821 ebd. fol. 177 – 178’ = StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 18 – 19’ = StACo LReg. 258 fol. 8, 8’ = StACo Landtag 77, unfol.; Schreiben des Ministeriums an die Landesregierung ebd. fol. 7 = StACo Min J 243 fol. 178’. 372 Kommissionsbericht bei StACo Min J 243 fol. 179, 179’, Protokoll bei StACo Landtag 77, unfol. 373 Protokoll bei StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 3 ff. – Zur Vorgehensweise vgl. das „Reglement für das Ceremoniell bey der Eröffnung des Landtags“ vom 27. Februar 1821, gedruckt bei StACo Min J 258 fol. 2 – 5. – Die Eröffnungsrede des Ministeriums (ebd. fol. 6 – 11’) sollte nach diesem zwar von Gruner gehalten werden, wurde tatsächlich (entgegen der Darstellung bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 147 ff.) nach dem Protokoll (StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 5) aber infolge Krankheit Gruners von Konferenzrat Arzberger vorgetragen. 374 Protokoll bei StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 48’; StACo Landtag 77, unfol. 375 § 78 Verfassung Baden, §§ 167 f. Verfassung Württemberg, Art. 99 f. Verfassung Hessen-Darmstadt; zu Bayern siehe Wilhelm Mößle, Restauration und Repräsentativverfassung, S. 67. 376 Bei StACo Landtag 47 ist ein schriftlicher Antrag nur von Fischer erhalten, was Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 92 und Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha, S. 52 dazu brachte, den zweiten Antragsteller Ortloff zu übersehen. 377 Protokoll bei StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 55’, 56; StACo Landtag 77, unfol. 369 370

436

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

ist in den Protokollen jedoch nicht auffindbar, so daß anzunehmen ist, daß dieser Antrag entweder stillschweigend verschwand oder im Rahmen der Verfassungsberatungen ohne Festhaltung im Protokoll behandelt wurde. b) Ständische Bemerkungen zum vorgelegten Verfassungsentwurf aa) Auffassung des Plenums Das Ergebnis der Beratungen vom 22. und 23. März 1821378 wurde in den „Bemerkungen der Stände-Versammlung, zu dem Entwurf des Grundgesetzes“379 festgehalten.380 Gefordert wurde hierin ein verhältnismäßiger Beitrag des Fürstentums Lichtenberg zu den Bundes- und Staatslasten Sachsen-Coburg-Saalfelds, damit verbunden auch die Entsendung von Abgeordneten zum Landtag durch dessen Bewohner. Auch sei die Zahl der Abgeordneten insgesamt zu klein, vielmehr solle jeder Stadt ein eigener Deputierter zustehen, wobei die Zahl der Bauern ebenfalls verhältnismäßig anzuheben sei. Einer willkürlichen Auflösung des Landtags durch den Herzog solle durch Publizitätsbestimmungen vorgebeugt werden. Hinsichtlich § 7 wurde angemerkt, daß eine gutachtliche Äußerung der Stände nicht ausreiche, vielmehr müsse klargestellt werden, daß allgemeine Gesetze ohne ständische Zustimmung nicht erlassen werden können. Die Verwaltung der Landeskasse sollte den Ständen unter der Oberaufsicht des Herzogs zustehen, auch müßten weitergehende ständische Prüfungsrechte vorgesehen werden. Der Landeskassierer sollte auf Vorschlag der Stände bestimmt und ebenso wie die Bediensteten der Staatsschuldentilgungsanstalt auch ihnen mit verpflichtet werden. Notwendig sei zudem die Ausarbeitung von Etats. Die Wahl der Deputierten sollte grundsätzlich für einen Zeitraum von sechs Jahren erfolgen. Für die Zeit zwischen den Landtagen sollte ein Ausschuß eingesetzt werden, der aus dem Landschaftsdirektor, sechs Abgeordneten – zwei aus jedem Stand – und einem Sekretär bestehen sollte. Die Beratungen zur Wahl- und Landtagsordnung am 23., 24. und 26. März 1821381 ergaben weitere ständische „Bemerkungen“ zur Wahl- und Landtagsordnung.382 Die Stände forderten hierbei eine Erweiterung der Wählbarkeit bei den Protokoll bei StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 48’ – 49’; StACo Landtag 77, unfol. StACo Landtag 12 / 1 fol. 9 – 14 = StACo Landtag 77, unfol. – Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 150 Fußnote 6 setzt diese „Bemerkungen“ fälschlicherweise mit dem später erarbeiteten Verfassungsentwurf und mit der „Erklärungsschrift“ vom 4. Juni 1821 gleich. 380 Eine ähnliche Bezeichnung, nämlich „Bemerkungen über die Grundzüge einer neuen ständischen Verfassung in Württemberg“, trug die Antwort der württembergischen Ständeversammlung auf den dortigen königlichen Verfassungsentwurf, siehe Joachim Gerner, Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung, S. 37. 381 Protokoll bei StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 49’, 53, 55; StACo Landtag 77, unfol. 382 StACo Landtag 12 / 1 fol. 23 – 24’, 29, 29’. 378 379

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

437

Vertretern der Rittergüter auch auf die nicht stimmführenden Mitbesitzer, wobei diese nur dadurch beschränkt sein sollte, daß jeweils nur einer der Mitbesitzer eines Ritterguts Abgeordneter sein dürfte. Die Rechte einer Rittergutsbesitzerin sollten ohne Einschränkung durch ihren Vormund ausgeübt werden dürfen. Auch im Rahmen der Wahlordnung wurde die Stellung je eines zusätzlichen Deputierten durch die Stadtobrigkeit in Pößneck sowie der Bevölkerung der übrigen Landstädte gefordert. Die Einschränkungen des passiven Wahlrechts in § 6 Nr. 5 der Wahlordnung (ein Ständemitglied durfte nicht unter väterlicher Gewalt, Vormundschaft oder Privatdienstherrschaft stehen) sollten entfallen, ebenso wie das Erfordernis des wesentlichen Wohnsitzes im Inland bei vier Rittergutsbesitzern (§ 9 Wahlordnung bzw. § 5 Landtagsordnung). Der Inhalt des § 10 der Wahlordnung über die Bekanntmachung der Ständewahl sei modifiziert in die Verfassung aufzunehmen. In § 12 der Landtagsordnung sollte ein Anspruch der Ständeversammlung auf Erledigung der angebrachten Beschwerden noch während des Landtags oder dahingehende Resolution im Landtagsabschied verbürgt werden. bb) Aufzeichnungen des Landschaftssekretärs Rose Richtungweisend für die spätere Entwicklung waren ebenfalls die undatierten „Notaten“ des Landschaftssekretärs Rose zum Grundgesetz383 sowie zur Landtags- und Wahlordnung384, bei denen die Handschrift Roses einwandfrei zu identifizieren ist und die den Umständen nach in Ergänzung zu den Bemerkungen des Plenums wohl in Vorgriff auf den späteren eigenen Verfassungsentwurf385 entstanden sind. Rose forderte, bei einer Vermehrung der Abgeordneten der Landstädte aus Sparsamkeitsgründen auf eine zu starke Vergrößerung der Zahl der Deputierten aus den Ämtern zu verzichten, da beide Gruppierungen die identischen Interessen der Ökonomie vertreten. Für den Fall der vorzeitigen Auflösung des Landtages (§ 3) sollte eine Verpflichtung geschaffen werden, binnen dreier Monate einen neuen Landtag zu berufen, andernfalls sollte die aufgelöste Ständeversammlung als wiederhergestellt gelten. In die Zuständigkeit der Stände bei der Gesetzgebung (§ 6) sollte zumindest auch die Zustimmung bei Maßnahmen, die die Integrität des Landes und das aus diesem zu beziehende Einkommen betreffen, fallen. Zudem sollte der Grundsatz der Kontrasignatur herzoglicher Erlasse und der Verantwortungsübernahme durch Beamte in § 20 (Beschwerdeführung der Stände gegen Staatsdiener) aufgenommen werden. In Roses Notizen ist erstmals der Wunsch enthalten, „daß die allgemeinen Bestimmungen die Rechte der Staatsbürger pp. betr. nach dem Beyspiele anderer 383 384 385

StACo Landtag 12 / 1 fol. 15 – 18. StACo Landtag 12 / 1 fol. 61 – 64. Siehe dazu unten c)bb).

438

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Staaten eine Stelle in der Constitution finden.“386 Damit wurde erstmals in Sachsen-Coburg-Saalfeld die Aufnahme eines Grundrechtskataloges in die Verfassung gefordert, was für den endgültigen Verfassungstext richtungweisend sein sollte. Hinsichtlich des Inhalts verwies Rose auf die Verfassung Hessen-Darmstadts. Aus dieser wollte er ebenso wie aus der Verfassung Sachsen-Hildburghausens auch weitere Textabschnitte übernommen wissen: Anstelle der Regelung über die gutachtliche Mitwirkung der Ständeversammlung bei allen Gesetzen und den Vollzug derselben ohne ständische Anhörung nur in dringlichen Fällen (§ 7) sollte durch die Formulierung der Art.387 72 und 75 der Verfassung Hessen-Darmstadts ein umfassendes Zustimmungserfordernis der Stände für alle Gesetze mit Einschluß der Polizeigesetze treten, eine allgemeine Verfahrensregel bei Auslegungsproblemen aufgestellt und eine Vorgehensweise bei Ablehnung eines Gesetzentwurfs festgesetzt werden. Die bisherige Vorschrift über eine Gesetzgebung ohne Mitwirkung der Stände (§ 8) sollte durch ein mitwirkungsfreies Verordnungsrecht des Landesherrn im Rahmen der Ausführung der Gesetze und eine Befugnis für Maßnahmen zur Sicherheit des Landes in dringenden Fällen ersetzt werden; ferner sollte die Erteilung von Privilegien ausgeschlossen sein (Art. 73, 104 Verfassung Hessen-Darmstadt). Der Formulierung des § 9, der die beim Landesherrn monopolisierte Gesetzesinitiative und das Gesetzespetitionsrecht der Stände regelte, zog Rose den Wortlaut des Art. 76 Verfassung Hessen-Darmstadt vor. Bei Differenzen zwischen den Ständen und dem Herzog über die Steuerbewilligung (§ 15) sollte der bisherige Zeitraum zur Forterhebung der Steuern nach dem Vorbild von Art. 69 Verfassung Hessen-Darmstadt von einem auf ein halbes Jahr reduziert werden. Die Vorschrift über die Erfüllung finanzieller Verpflichtungen gegenüber dem Deutschen Bund (§ 16) sollte durch genauere Regelungen über das Militär und insbesondere über Aushebungen von Truppen, wie sie in Art. 74, 77 Verfassung Hessen-Darmstadt enthalten waren, ergänzt werden. Die Regelungen über die Domänen (§ 18) sollten eine Konkretisierung durch Auszüge aus der Verfassung Hessen-Darmstadt (Art. 6, 7, 9 und 11) erfahren, was eine Bestimmung der Ausgaben für die Hofhaltung nach den Einnahmen aus den Domänen und ein Verschuldungs- und Veräußerungsverbot ohne ständische Einwilligung zur Folge gehabt hätte. Ferner befürwortete Rose die Einrichtung eines Ausschusses mit einem Aufgabenkreis wie in § 30 Verfassung Sachsen-Hildburghausen. Am Ende des Verfassungstextes sollten noch Vorschriften über die Versicherung des Herzogs und seiner Regierungsnachfolger zur Einhaltung der Verfassung, der Vereidigung eines Regenten auf die Einhaltung der Verfassung für den Fall der StACo Landtag 12 / 1 fol. 15. Die hessen-darmstädtische Verfassung ist in Artikel untergliedert, Roses unrichtige Bezeichnung „Paragraphen“ wird hier übergangen. 386 387

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

439

Regentschaft und den Untertaneneid nach dem Vorbild der Art. 106 – 108 Verfassung Hessen-Darmstadt bzw. § 56 Verfassung Sachsen-Hildburghausen sowie die Verpflichtung zur schiedsrichterlichen Entscheidung bei Differenzen über die Auslegung der Verfassung und eine Garantieübernahme durch den deutschen Bund hinzutreten. Im Rahmen der Wahlordnung wünschte Rose eine ausdrückliche Aufteilung der sechs Vertreter der Rittergutsbesitzer auf Coburg (drei Abgeordnete), Saalfeld (zwei Abgeordnete) und Themar (ein Abgeordneter). Ebenso wie das Justizkollegium befürwortete er eine indirekte Wahl der Abgeordneten der Städte und Ämter durch Wahlmänner.388 Die Entscheidung über die Zugehörigkeit eines Gewählten zur Ständeversammlung sollte nach der Wahl entsprechend dem Vorbild des Art. 87 Verfassung Hessen-Darmstadt dieser selbst überlassen bleiben. Der Landtagsordnung sollten noch Bestimmungen über ein Verbot der Wiederholung abgelehnter Anträge sowie über ein Verbot der Verhandlung der Stände mit Behörden außer dem Ministerium angefügt werden, wie sie auch in Art. 91, 96 der Verfassung Hessen-Darmstadt enthalten waren.

c) Einsetzung eines Ausschusses zur Verfassungsberatung Am 27. März 1821 wählten die Stände auf Antrag von Landschaftsdirektor Donop ein „Comittee zur Bearbeitung des Grundgesetzes“, das aus Landschaftsdirektor Donop, Landschaftssekretär Rose und den Abgeordneten Rosenthal, Ortloff, Fischer und Knoch bestand.389 Nach dahingehender Anregung der Landschaft390 wurden die dem Komitee nicht angehörenden Stände am 8. April 1821 bis auf weiteres entlassen391, so daß ab 9. April nur noch das Komitee tagte392, das sich neben Verfassungsfragen vor allem detailliert Haushalts- und Steuerfragen zuwandte. Diese Vorgehensweise erinnert sehr an die Situation in Württemberg, wo der Landtag 1819 zwei Wochen nach seiner Einberufung eine Kommission mit Verfassungsverhandlungen beauftragte und sich sodann vertagte.393 Der Abstand zwischen Eröffnung der Ständeversammlung und Entlassung der dem Komitee nicht 388 Ähnlich wurde auch in Württemberg von (alt-)ständischer Seite vor der ersten Wahl einer Ständeversammlung argumentiert, doch später auf die direkte Wahl umgestellt, siehe dazu Joachim Gerner, Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung, S. 21 f. 389 Stimmzettel bei StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 57 – 71; Ergebnisse ebd. fol. 72’, 73. – Auf Knoch war nur eine Stimme entfallen, so daß das Ergebnis bei StACo Landtag 77, unfol., das auch diesen als ursprüngliches Mitglied aufzählt, unrichtig ist. Er wurde erst am 31. März 1821 als Rechnungssachverständiger hinzugewählt. 390 Im Schreiben vom 30. März 1821 an das Ministerium, StACo Min J 258 fol. 21’ – 23. 391 StACo Min J 258 fol. 32’. 392 Protokoll bei StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 88’; StACo Landtag 77 unfol. 393 Wilhelm Mößle, Restauration und Repräsentativverfassung, S. 73.

440

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

angehörenden Mitglieder war in Sachsen-Coburg-Saalfeld mit einer Woche zwar nur halb so lang, andererseits wurde durch die ständischen Bemerkungen zum vorgelegten Verfassungsentwurf bereits eine Orientierungslinie für die weiteren Verfassungsverhandlungen gegeben. aa) Ständischer Vorschlag zur Verwaltungsreform Am 14. April 1821 forderte das Komitee eine veränderte Organisation der Behörden zur Vereinfachung des Geschäftsgangs und zur Vermeidung überflüssiger Finanzaufwendungen für die Verwaltung.394 Das Ministerium sollte aus einem dirigierenden Minister und den Leitern der Landeskollegien bestehen, die Landesregierung als Landeshoheits- und Polizeikollegium aus einem Präsidenten, zwei Räten und einem „Landrat“395, die Landesregierung als Finanzkollegium aus einem Präsidenten und zwei Räten, das Justizkollegium aus einem Präsidenten und vier Räten sowie das Konsistorium aus einem Präsidenten und zwei Räten. bb) Erarbeitung eines eigenen Verfassungsentwurfs durch Rose (1) Verfassungsvergleich In der Komiteesitzung vom 18. April 1821 wurde ein Vergleich zwischen dem vorgelegten Verfassungsentwurf und den Verfassungen von Baden396, Bayern, Hessen-Darmstadt, Sachsen-Hildburghausen, Sachsen-Weimar-Eisenach sowie den früheren landschaftlichen Verhältnissen durchgeführt, der jedoch nicht überliefert ist. Rose erstellte daraufhin einen „der Stände-Versammlung vorzulegender Entwurf eines Grund-Gesetzes“397 – ebenso, wie auch die württembergische Ständeversammlung 1815 einen Gegenentwurf zum königlichen Verfassungsentwurf erarbeitet hatte.398 StACo Landtag 77, unfol. Damit nahm das ständische Komitee wohl Bezug auf die Situation in Sachsen-WeimarEisenach, wo § 118 der Verfassung die Wahl von „Landraethen“ vorsah, die in Landschaftskollegium und Landesdirektion Sitz und Stimme hatten. Auch in Sachsen-Hildburghausen bestand seit dem Edikt vom 28. April 1810 eine Beteiligung der Landstände an der Regierung durch einen von den Ständen nominierten „Landrath“ mit Sitz und Stimme im Regierungskollegium; Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 247. 396 Verfassungsurkunde vom 22. August 1818, abgedruckt bei Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 6. Band, S. 151 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 461 ff. = Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 331 ff. = Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 172 ff. 397 StACo Landtag 77, unfol. 398 Siehe dazu Joachim Gerner, Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung, S. 301 ff. 394 395

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

441

(2) Roses Entwurf von Grundgesetz und Wahlordnung Roses Verfassungsentwurf399 zielte im Gegensatz zum Entwurf des Ministeriums nicht nur auf den engen Begriff einer ständischen Verfassung und die bloße Regelung des Verhältnisses zwischen Landständen und Landesherrn hin, sondern beabsichtigte ganz im Sinne einer modernen Verfassung eine umfassende Regelung grundlegender Prinzipien des verfaßten Staatswesens. Infolgedessen wuchs der Umfang des Grundgesetz-Textes auf 92 Paragraphen in sechs Titeln an, wobei die durch Rose neu eingefügten Vorschriften entweder wörtlich aus anderen Verfassungen stammten oder eine Weiterentwicklung zu diesen bildeten. Durch diesen Entwurf war der Verfassungsprozeß in Sachsen-CoburgSaalfeld wieder bei den Überlegungen Kretschmanns angelangt, der bereits in seinem Entwurf von 1807 ein derartig umfangreiches Verfassungswerk geplant hatte.400 Bei der Erarbeitung des Entwurfs setzte Rose vor den bisherigen Entwurfstext, der den grundlegenden Teil des Titels VI „Von den Landständen“ bildete, fünf weitere Titel, deren Inhalt dem der Titel 1, 2, 3, 4 und 6 der Verfassung Hessen-Darmstadts entsprach. Der fünf Paragraphen umfassende erste Titel befaßte sich mit „dem Herzogthum und deßen Regierung im Allgemeinen“. § 1 erklärte erstmals entsprechend Art. 1 der Verfassung Hessen-Darmstadt das „Herzogthum Coburg-Saalfeld mit Einschluß des Amtes Themar“ ausdrücklich zu einem Bestandteil des deutschen Bundes – eine Vorschrift, wie sie auch in § 1 des endgültigen Verfassungstextes enthalten war und an die modernen Verfassungen der deutschen Länder erinnert. Gleichzeitig wurden die Beschlüsse der Bundesversammlung als Teil des coburgischen Staatsrechts ausdrücklich anerkannt (§ 2, Art. 2 Verfassung Hessen-Darmstadt). § 3 erweiterte entsprechend Art. 3 Verfassung Hessen-Darmstadt den Geltungsumfang des bisherigen § 1, so daß nicht mehr nur eine einheitliche Gesamtheit von Landständen für das „Herzogtum“, sondern auch eine einheitliche Verfassung für einen Gesamtstaat geschaffen werden sollte. § 4 (nach dem Vorbild von Art. 4 Verfassung Hessen-Darmstadt, § 4 Verfassung Württemberg, § 5 Verfassung Baden, Tit. II § 1 Verfassung Bayern) enthielt die durch die Wiener Schlußakte401 schon vorgegebene Bestimmung des monarchischen Prinzips, während § 5 nach dem inhaltlichen Vorbild von Art. 5 Verfassung Hessen-Darmstadt und ähnlich zu § 7 Verfassung Württemberg, § 4 Verfassung Baden und Tit. II § 2 Verfassung Bayern Vorschriften über die Sukzession in der herzoglichen Würde traf. 399 Textanhang Nr. 27, zu erschließen aus StACo Landtag 12 / 1 fol. 30 – 58’. – Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 150 Fußnote 6 setzt diesen Verfassungsentwurf fälschlicherweise mit den „Bemerkungen“ vom März 1821 bzw. mit der „Erklärungsschrift“ vom 4. Juni 1821 gleich. 400 Siehe dazu oben C.II.4. 401 Siehe dazu oben I.2.b).

442

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Der zweite Titel beinhaltete in vier Paragraphen die Regelungen über die Domänen (Tit. 2 Verfassung Hessen-Darmstadt). Im Gegensatz zur verkürzten und nebulösen Formulierung des vorgelegten Entwurfs402 bezeichnete § 6 (ähnlich Art. 6 Verfassung Hessen-Darmstadt) die Domänen nunmehr als unveränderliches Familiengut des Herzogshauses, deren Einkünfte in den Etats aufgeführt und zu den Staatsausgaben verwendet werden sollten. Gleichzeitig sollten die Kosten der Hofhaltung durch die Domäneneinkünfte nach oben hin begrenzt werden. Jede Veräußerung oder Verpfändung sollte ständischer Einwilligung bedürfen, wobei Regierungsverhandlungen mit anderen Staaten nicht ausgeschlossen waren und bei künftigen Erwerbungen noch festzusetzen war, ob diese zum Familiengut oder zum Privatvermögen zu rechnen waren (§ 7 f. nach Art. 7 f. Verfassung Hessen-Darmstadt). Dem Herzog wurde das Recht zur Wiederverleihung heimgefallener Lehen ausdrücklich zugestanden (§ 9 nach Art. 11 Verfassung Hessen-Darmstadt). Die Grundrechte und Grundpflichten der Untertanen – die aus der Verfassung Hessen-Darmstadt modifiziert übernommene Formulierung „Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Untertanen“ war wohl Titel IV der Verfassung Bayern („Von allgemeinen Rechten und Pflichten“) nachempfunden – waren im 23 Paragraphen umfassenden dritten Titel enthalten. § 10 (Art. 12 Verfassung Hessen-Darmstadt) beschränkte den Genuß sämtlicher bürgerlicher Rechte auf Inländer, wobei nach § 11 (Art. 13 Verfassung HessenDarmstadt; ähnlich bereits Tit. IV § 2 Verfassung Bayern in Verbindung mit dem „Edict über das Inigenat“ als Beilage 1 zur Verfassung403) das Inländerrecht (Indigenat) durch Abstammung von Inländern, Heirat eines Inländers, Verleihung eines öffentlichen Amtes oder besondere Aufnahme erfolgen konnte. Nichtchristen erhielten das Indigenat ausschließlich durch ausdrückliche Verleihung durch den Landesherrn (§ 13 stellt eine deutliche Einschränkung gegenüber Art. 15 Verfassung Hessen-Darmstadt dar). Das Staatsbürgerrecht stand nach § 12 (entsprach Art. 14 Verfassung Hessen-Darmstadt unter Weglassung der Regelungen über die Standesherren) den mindestens drei Jahre im Inland wohnenden und in keinem fremden Untertanenverband stehenden Personen zu. Es ging durch Verurteilung zu einer peinlichen Strafe, durch Auswanderung oder Heirat mit einem Ausländer verloren (§ 14; Art. 17 Verfassung Hessen-Darmstadt) und wurde durch Anklageerhebung, Konkurs, Kuratel sowie die Anstellung als Hausbediensteter suspendiert (§ 15; Art. 16 Verfassung Hessen-Darmstadt). § 16 garantierte unter Ausweitung der auf dem Herkommen aus dem französischen Verfassungsraum stammenden Formulierung404 des Art. 18 Verfassung HesSiehe dazu soeben 3. GBl. 1818, Sp. 141 ff. 404 Bereits Art. 3 der Déclaration der Verfassung vom 24. Juni 1793 (zit. nach Jacques Godechot, Les constitutions de la France, S. 79 ff. ; deutsche Übersetzung bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Zweiter Band, S. 21 ff.) enthielt die Formulierung „Tous les hommes sont égaux par la nature et devant la loi.“, Art. 1 der Charte con402 403

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

443

sen-Darmstadt ähnlich wie § 11 der Verfassung des Großherzogtums Frankfurt vom 16. August 1810405 und Art. 8 der Verfassung Anhalt-Köthen vom 28. Dezember 1810406 die Gleichheit aller Einwohner vor dem Gesetz. Unter Aufnahme des Gedankens aus Art. 6 Satz 3 der französischen Déclaration des droits de l’homme et du citoyen von 1789407 ermöglichte § 17 in der Formulierung des Art. 19 Verfassung Hessen-Darmstadt (wohl nach dem Vorbild von § 22 Verfassung Württemberg und Tit. IV § 5 Verfassung Bayern) gleichen Zugang zu allen Staatsämtern ohne Rücksicht auf die Geburt. § 18 enthielt als weiteren speziellen Gleichheitssatz zudem noch den aus Art. 16 der Deutschen Bundesakte408 stammenden Grundsatz der interkonfessionellen Gleichbehandlung in der Formulierung des Art. 20 der Verfassung Hessen-Darmstadt, die wohl aus § 53 des württembergischen Entwurfs von 1817 und Tit. IV § 9 Abs. 2 Verfassung Bayern bzw. § 9 Verfassung Baden von 1818 stammte.409 Den Konfessionen wiederum gestattete § 19 nach dem Vorbild des Art. 21 Verfassung Hessen-Darmstadt ähnlich wie § 11 der Verfassung des Großherzogtums Frankfurt ebenso wie bereits Art. 5 der Charte constitutionelle 410 und Art. 7 der Déclaration der Verfassung von 1793 die freie und öffentliche Ausübung ihres Kultes. § 20 enthielt in der gleichen Formulierung wie Art. 22 Verfassung HessenDarmstadt die Zusicherung der Gewissensfreiheit (ähnlich bereits Tit. I § 7 Verfassung Bayern 1808 sowie Tit. IV § 9 Abs. 1 Verfassung Bayern, § 27 Verfassung Württemberg, § 18 Verfassung Baden), jedoch mit der bereits aus Art. 11 der Déclaration des droits de l’homme et du citoyen bekannten Einschränkung, daß diese nicht als Einwand dienen dürfe, sich gesetzlichen Verpflichtungen zu entziehen.411 stitutionelle vom 4. Juni 1814 formulierte schließlich richtungsweisend „Les Français sont égaux devant la loi ( . . . ).“ 405 Abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 45 ff. sowie bei Michael Hecker, Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, S. 179 ff. 406 Abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 1057. 407 „Tous les citoyens étant égaux à ses yeux sont également admissibles à toutes dignités, places et emplois publics, selon leur capacité, et sans autre distinction que celle de leurs vertus et de leurs talents.“, zit. nach Stéphane Rials, La déclaration des droits de l’homme et du citoyen. – Ähnlich auch die Formulierung in Titre I der Verfassung von 1791: „Que tous les citoyens sont admissibles aux places et emplois, sans autre distinction que celle des vertus et des talens.“ – Art. 5 der Déclaration der Verfassung von 1793 formulierte schließlich: „Tous les citoyens sont également admissibles aux emplois publics. Les peuples libres ne connaissent d’autres motifs de préférence, dans leurs élections, que les vertus et les talents.“ 408 Siehe dazu oben D.IV.4. sowie Judith Hilker, Grundrechte im deutschen Frühkonstitutionalismus, S. 157 f. 409 Ähnlich ebenfalls Kapitel 10 Nr. 1 des kurhessischen Entwurfs. 410 „Chacun professe sa religion avec une égale liberté, et obtient pour son culte la même protection.“ 411 „La libre communisation des pensées et des opinions est un des droits les plus précieux de l’homme: tout citoyen peut donc parler, écrire, imprimer librement, sauf à répondre de l’abus de cette liberté dans les cas déterminés par la loi.“ , zit. nach Stéphane Rials, La déclaration des droits de l’homme et du citoyen.

444

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Persönliche Freiheit und Eigentum durften nach § 21 (Art. 23 Verfassung Hessen-Darmstadt, wohl entwickelt aus § 24 Verfassung Württemberg und § 59 des württembergischen Entwurfs von 1817) nur durch „Recht und Gesetz“ eingeschränkt werden, wobei das Eigentum für öffentliche Zwecke nur nach vorheriger, durch Gesetz bestimmter Entschädigung in Anspruch genommen werden konnte (§ 24, Art. 27 Verfassung Hessen-Darmstadt, § 30 Verfassung Württemberg, ähnlich Tit. IV § 8 Abs. 4 Verfassung Bayern und § 14 Verfassung Baden). Dieses Normsystem entsprach den bereits in Art. 17 der Déclaration des droits de l’homme et du citoyen412 und Tit. I der französischen Verfassung von 1791 normierten Vorstellungen.413 § 22 normierte entsprechend Art. 24 Verfassung Hessen-Darmstadt, Tit. IV § 14 Verfassung Bayern, § 32 Verfassung Württemberg und § 12 Verfassung Baden die in Art. 18 lit. b der Deutschen Bundesakte 414 vorgesehene allgemeine Auswanderungsfreiheit. § 23 (Art. 26 Verfassung Hessen-Darmstadt; Tit. IV § 7 Verfassung Bayern) verbot ungemessene Fronen und erklärte die gemessenen für ablösbar. §§ 25 f. (Art. 28 f. Verfassung Hessen-Darmstadt; § 63 des württembergischen Entwurfs von 1817) normierten die allgemeine Kriegs- und Wehrdienstpflicht für Staatsbürger und Einwohner. § 29 (Art. 33 Verfassung Hessen-Darmstadt; § 26 Verfassung Württemberg; § 15 S. 2 Verfassung Baden; Tit. IV § 8 Abs. 1 Verfassung Bayern) bestimmte habeas-corpus-Rechte dahingehend, daß Verhaftungen und Bestrafungen bedurften einer durch „Recht und Gesetz“ geschaffenen Grundlage und der Grund einer Verhaftung dem Verhafteten binnen 48 Stunden mitzuteilen war. Der erste Satz dieser Vorschrift stellt dabei eine nahezu wörtliche Übersetzung des Art. 7 Satz 1 der Déclaration des droits de l’homme et du citoyen415 dar. Preßfreiheit – wie in Art. 11 der Déclaration des droits de l’homme et du citoyen bereits enthalten – und Freiheit des Buchhandels „unter Befolgung der gegen den Mißbrauch bestehenden oder künftigen Gesetze“ wurden durch § 31 identisch mit Art. 35 Verfassung Hessen-Darmstadt, § 28 des württembergischen Entwurfs von 1817, Tit. IV § 11 Verfassung Bayern in Verbindung mit dem „Edict über die Frey-

412 „La propriété étant un droit inviolable et sacré, nul ne peut en être privé, si ce n’est lorsque la nécessité publique, légalement constatée, l’exige évidemment, et sous la condition d’une juste et préalable indemnité.“, zit. nach Stéphane Rials, La déclaration des droits de l’homme et du citoyen. 413 „La Constitution garantit l’inviolabilité des propriétés ou la juste et préalable indemnité de celles dont la nécessité publique, légalement constatée, exigerait le sacrifice.“ 414 Siehe dazu oben I.1.b). 415 „Nul homme ne peut être accusé, arrêté ni detenu que dans les cas déterminés par la loi, et selon les formes qu’elle a prescrites.“ , zit. nach Stéphane Rials, La déclaration des droits de l’homme et du citoyen.

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

445

heit der Presse und des Buchhandels“416 und § 17 Verfassung Baden normiert. § 32 (Art. 36 Verfassung Hessen-Darmstadt; § 29 Verfassung Württemberg) gewährte eine allgemeine Berufswahl- und Ausbildungsfreiheit.417 In einer an Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland erinnernden Formulierung „Niemand soll seinem gesetzl. Richter entzogen werden.“ enthielt § 27 (entsprechend Art. 31 Verfassung Hessen-Darmstadt; Art. 62 Charte constitutionelle 418; Kapitel 8 Nr. 3 des kurhessischen Entwurfs, § 26 Verfassung Württemberg; Tit. IV § 8 Abs. 2 Verfassung Bayern; § 15 S. 1 Verfassung Baden) eine Garantie des gesetzlichen Richters. Dabei entzog § 28 (Art. 32 Verfassung Hessen-Darmstadt; mit ähnlicher Zielsetzung bereits Tit. VIII § 3 Verfassung Bayern, § 14 S. 1 Verfassung Baden, § 93 Verfassung Württemberg) das gerichtliche Verfahren dem Einfluß der Exekutive. Den Richtern selbst sprach § 30 (Art. 34 Verfassung Hessen-Darmstadt; Tit. VIII § 3 Verfassung Bayern, § 46 Verfassung Württemberg) diejenige Garantie zu, die früher in § 16 des Entwurfs der Verordnung über die Zivilstaatsdiener enthalten und von Herzog Ernst selbst gestrichen worden war.419 Titel IV über die Kirchen, Unterrichts- und Wohltätigkeitsanstalten garantierte der inneren Kirchenverfassung den Schutz der politischen (§ 33; Art. 39 Verfassung Hessen-Darmstadt), setze als Inhaber der Kirchengewalt nach wie vor den Herzog fest (§ 34; Art. 40 Verfassung Hessen-Darmstadt). Die Geistlichen wurden ausdrücklich der Aufsicht der Staatsbehörden unterworfen (§§ 35 f.; Art. 41 f. Verfassung Hessen-Darmstadt). Kirchen- und Stiftungsvermögen waren – nicht etwa eine Reaktion auf die Einziehung der Stiftungskapitalien durch Minister Kretschmann420, sondern übernommen aus Art. 43 Verfassung Hessen-Darmstadt – vom allgemeinen Staatsvermögen getrennt zu halten (§ 37; Tit. IV § 10 Verfassung Bayern; § 20 Verfassung Baden; Tit. I § 6 Verfassung Bayern 1808), eine Zweckentfremdung der Stiftungsmittel bedurfte der ständischen Zustimmung (§ 38; Art. 44 Verfassung Hessen-Darmstadt). Im drei Paragraphen umfassenden Titel V, der dem sechsten Titel der Verfassung Hessen-Darmstadt entsprach, wurde die Regelung der Gemeindeangelegenheiten mit dem Ziel der selbständigen Vermögensverwaltung durch Gewählte unter staatlicher Aufsicht durch ein Gesetz, das nach § 40 einen Bestandteil der Verfassung bilden sollte, zu regeln (§ 39). Auch das Gemeindevermögen wurde vor staatlichem Zugriff geschützt (§ 41; ähnlich § 66 Verfassung Württemberg).

GBl. 1818, Sp. 181 ff. Trotz der Formulierung enthielt die später in die Verfassung eingegangene Vorschrift wohl noch keine Gewährleistung einer allgemeinen Gewerbefreiheit, da auch die Zünfte und die dahingehenden Vorschriften weiter existierten, siehe dazu unten F.II.2. 418 „Nul pourra être distrait de ses juges naturels.“ 419 Siehe dazu soeben 3. 420 Siehe dazu oben B.III.5.m), B.IV.3.d) und B.IV.3.g)bb). 416 417

446

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Der sechste Titel „Von den Landständen“ entsprach vom Regelungsumfang her den bisherigen Grundgesetz-Entwürfen und machte mit 50 Paragraphen immer noch den Schwerpunkt des Verfassungstextes aus. Leicht variiert wurde die Zusammensetzung der Landstände (§ 43): Bei den sechs von den Rittergutsbesitzern zu entsendenden Abgeordneten waren drei aus dem „Fürstenthum Coburg“, zwei aus dem „Fürstenthum Saalfeld“ und einer aus dem Amt Themar zu wählen. Wieder aufgenommen wurde ein Abgeordneter der Stadtobrigkeit von Pößneck, ferner traten noch weitere Abgeordnete der Bürgerschaften der Städte Rodach, Neustadt, Themar, Gräfenthal und Lehesten hinzu. Damit entsprach die Zusammensetzung der Landstände dem System des Art. 53 Verfassung Hessen-Darmstadt. § 44 sollte den Landtag vor willkürlicher Auflösung schützen, indem bestimmt wurde, daß die Gründe der Landtagsauflösung öffentlich bekanntzumachen waren und eine neu zu wählende Ständeversammlung binnen dreier Monate zusammenzurufen war; sollte dies nicht erfolgen, galt die vorige Ständeversammlung als wiederhergestellt. § 45 ermöglichte dem einzelnen Abgeordneten der Vortrag der Beschwerden einzelner in der Ständeversammlung. § 48 beinhaltete ein Zustimmungsbedürfnis der Stände zu allen Gesetzen mit Bezug auf Freiheit und Eigentum (ebenso Art. 72 Verfassung Hessen-Darmstadt); auch durften im Ablehnungsfall zwar provisorische Maßnahmen getroffen, jedoch kein Gesetz erlassen werden. Das landesherrliche Recht zur Erteilung von Privilegien, Dispensationen und Abolitionen wurde durch § 49 zugunsten des Staatswohls, wohlerworbener Rechte, Gesetz und Sittlichkeit beschränkt (Art. 104 Verfassung Hessen-Darmstadt; § 31 Verfassung Württemberg). Die Gesetzesinitiative wurde dem Landesherrn vorbehalten; der Ständeversammlung verblieb das Recht der Legislativpetition (§ 50; § 2 Nr. 2 des nassauischen Edikts; § 67 Verfassung Baden; Art. 76 Verfassung Hessen-Darmstadt, § 172 Verfassung Württemberg). Zur Verwaltung der Landeskasse war nicht mehr, wie noch in § 10 des vorgelegten Entwurfs, der Herzog, sondern die Ständeversammlung berechtigt (§ 51), wenngleich sie insoweit unter der Aufsicht des Landesherrn stehen sollte. § 54 ermöglichte Zuschüsse an den Landesherrn zur Hofhaltung im Einzelfall. § 55 stellte die Domänen im Gegensatz zu § 14 des vorgelegten Entwurfs von der Entrichtung der Grundsteuern frei, sah außer den Domänen jedoch im Gegensatz zu Art. 67 f. Verfassung Hessen-Darmstadt und § 21 Verfassung Württemberg keine Ausnahmen zur allgemeinen Steuerpflicht vor. § 56 ermöglichte ebenso wie Art. 69 Verfassung Hessen-Darmstadt und ähnlich wie § 114 Verfassung Württemberg die Forterhebung der Steuern für sechs Monate nach Ablauf des Bewilligungszeitraums. § 58 sah die Errichtung einer Staatsschuldentilgungsanstalt vor und setzte für die Aufnahme neuer Schulden die Notwendigkeit der ständischen Zustimmung fest.

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

447

Trotz des zweiten Titels enthielt auch der sechste Titel mit § 49 noch eine dem bisherigen § 18 ähnliche Vorschrift über die Domänen, die die Stände nach wie vor als Garanten des Domanialvermögens bezeichnete, ihnen aber das Recht einräumte, zweckwidrige Behandlung, Verminderung oder Veräußerung der Domänen zu verhindern. §§ 60 f. garantierten nach dem Vorbild von Art. 79 f. Verfassung Hessen-Darmstadt das allgemeine ständische Beschwerderecht, in § 62 (entsprechend Art. 85 Verfassung Hessen-Darmstadt) zudem ein allgemeines Petitionsrecht an die Ständeversammlung. Dabei enthielt § 61 Abs. 3 nach dem Vorbild von § 53 Abs. 1 Verfassung Sachsen-Hildburghausen eine Verpflichtung der höheren Staatsdiener zur Kontrasignatur der herzoglichen Erlasse. § 63 normierte eine ausdrückliche sechsjährige Amtszeit der ständischen Deputierten. §§ 67 f. führten den bislang in die Landtagsordnung (§§ 7 ff.) gleichsam verbannten und wieder so benannten Ausschuß nach dem Vorbild von § 29 Verfassung Sachsen-Hildburghausen wieder in das Grundgesetz ein. Er bestand nunmehr neben dem Landschaftsdirektor aus einem Abgeordneten „aus dem Herzogthum Coburg“, einem Abgeordneten „aus dem Herzogthum Saalfeld“ und dem auf sechs Jahre oder nach Ablauf der ersten Amtszeit auf Lebenszeit zu wählenden (§ 75; ähnlich bereits § 27 Verfassung Sachsen-Hildburghausen) Sekretär ohne Stimmrecht (§ 76; ähnlich bereits § 28 Verfassung Sachsen-Hildburghausen), für den auch die Bezeichnungen Syndikus und Konsulent verwendet wurden. Die Aufgaben des Ausschusses wurden – weg von der Reduktion auf Geschäftsordnungsfragen in der Landtagsordnung – nunmehr durch § 68 (Fortentwicklung von § 30 Verfassung Sachsen-Hildburghausen) auf die Vorbereitung der ständischen Sitzungen – auch in bezug auf die Etats (§ 79; ähnlich bereits § 48 Verfassung SachsenHildburghausen) –, die Vertretung der Landstände außerhalb der Sitzungszeiten sowie die Wahrnehmung laufender Angelegenheiten erweitert. Der Ausschuß war gemäß § 73 (entsprach § 44 Verfassung Sachsen-Hildburghausen) durch den Landschaftsdirektor ohne besondere Erlaubnis einzuberufen. In dieser Vorschrift wurde für den Ausschuß richtungsweisend erstmals die Bezeichnung „Deputation der Stände des Herzogthums Coburg-Saalfeld“ verwendet.421 Aus § 31 der Verfassung Sachsen-Hildburghausen wurde die Einrichtung der Landeskassenkuratel übernommen, die aus dem Landschaftsdirektor und einem Landesregierungsmitglied bestand und Anweisungsbehörde für die Landeskasse sein sollte (§ 69). Dieser Behörde war der auch den Ständen zu verpflichtende Landeskassierer (§ 70; ähnlich § 32 Verfassung Sachsen-Hildburghausen) unmittelbar nachgeordnet. Die Haushaltsperiode sollte durch §§ 79 ff. auf drei Jahre verkürzt werden (diese – deutschlandweit am meisten verbreitete422 – Zeitspanne Ähnlich § 22 Verfassung Waldeck. Reinhard Mußgnug, Die rechtlichen und pragmatischen Beziehungen zwischen Regierung, Parlament und Verwaltung, S. 101. 421 422

448

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

hatte ihre Vorbilder in Art. 64 Verfassung Hessen-Darmstadt und § 36 Verfassung Sachsen-Hildburghausen), wobei jährlich durch den Ausschuß die Abschlußprüfung der Landeskasse vorzunehmen war (§ 85). Bisherigen ständischen Vorschlägen423 entsprach die wohl aus §§ 3 Abs. 3, 33 f. Verfassung Sachsen-Hildburghausen übernommene und in § 71 geregelte Position des Landrats. Dieser sollte von der Ständeversammlung auf die Dauer von sechs Jahren gewählt werden und Sitz und Stimme in der Landesregierung haben. Seine Funktion sollte sowohl die eines Mittelsmanns zwischen Ständeversammlung und Landesregierung sowie die eines vollwertigen Landesregierungsmitgliedes sein. § 92 sah die Einholung der Garantie des Bundestages für die Verfassung vor. Die Wahlordnung enthielt neben redaktionellen Änderungen wieder die in der in Kraft gesetzten Fassung gestrichene424 Regelung, daß auch Geistliche und Staatsdiener ohne Nachbarrecht in den Dörfern wahlberechtigt waren (§ 4 a). Die Voraussetzung des inländischen Wohnsitzes für das passive Wahlrecht der Rittergutsbesitzer sollte entfallen (§ 9). Zentral war jedoch die Neuformulierung des § 4 b, nach dem die Wahl der Vertreter der städtischen Bürgerschaften und der Dörfer nicht mehr direkt, sondern indirekt durch Wahlmänner erfolgte, wobei in den Städten zwei Wahlmänner pro Stadtviertel, in den Dörfern eine von der Einwohnerzahl abhängende Zahl zu wählen war.425 Damit kam auch in den Reihen der direkt Gewählten der Wunsch nach einer indirekten Wahl auf. (3) Verfahrensfortgang Der Entwurf wurde in einer Komiteesitzung vom 23. Mai 1821 abschließend behandelt.426 Die Mehrheit des Gremiums wandte sich dabei gegen den aus dem Landesteil Saalfeld geäußerten Wunsch einer Bezugnahme auf die AssekuranzUrkunde vom 31. Oktober 1805 in der Verfassungsurkunde, da deren § 10 eine schuldenfreie Rückübertragung des Saalfelder Landesteils an Altenburg vorsah und daher die im betreffenden Zeitpunkt bestehende Schuldenlast lediglich das Fürstentum Coburg belastet hätte.

Siehe dazu soeben aa). Siehe dazu oben 1. 425 Bis zu 100 Einwohnern ein Wahlmann, darüber zwei, pro vollendeter weiterer 100 Einwohner ein weiterer Wahlmann. 426 StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 94 – 95. – Unrichtig ist die bereits bei StACo Landtag 77, unfol. aufgestellte und bei Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 150 wiederholte Behauptung, von diesen Beratungen seien keine Protokolle mehr erhalten; von den betreffenden Protokollen fehlen nur einzelne. 423 424

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

449

d) Haushaltsfragen Bereits am 23. März 1821 hatte die Ständeversammlung das Ministerium um Mitteilung genauer Etats sowie des geplanten Schuldenedikts zur besseren Prüfung der §§ 10 bis 18 des Verfassungsentwurfs gebeten.427 Arzberger stellte hierzu am 28. März 1821 fest, daß sich der Entwurf für das Schuldenedikt noch in Entstehung befinde, andererseits wohl schon feststehe, daß das Land sämtliche vorhandenen Schulden als Landesschulden übernehmen solle, der entsprechende Fonds zum Etat der Landeskasse zu schlagen sei, weder Landesherr noch Landesregierung weitere Schulden, insbesondere Domänenschulden, aufnehmen dürften, die Landesschulden als Landeskreditanstalt behandelt werden und eine aus Landständen und Regierungsmitgliedern bestehende Kommission für das Schuldenwesen unter dem Vorsitz eines Mitglieds des Ministeriums eingesetzt werden sollten.428 Dies wurde den Ständen am 28. März 1821 unter gleichzeitiger Übersendung der Etatentwürfe mitgeteilt. 429 Am 30. März 1821 forderten die Landstände die Übersendung detaillierter Etats sämtlicher Spezialkassen, deren Rechnungsabschlüsse der letzten zehn Jahre sowie gleiches von der Landes- und der Hauptdomänenkasse, erklärten sich jedoch zur Schuldenübernahme gegen Nachweis der Deckungsmöglichkeiten insbesondere für einen Amortisationsfonds bereit und beurteilten die Erklärung, keine weiteren Schulden mehr aufnehmen zu wollen, sowie das Angebot einer gemeinschaftlichen Kommission für das Schuldentilgungswesen als positiv.430 Am 8. April 1821 wurden die Etats und Rechnungsabschlüsse der Jahre 1808 bis 1820 den Ständen dem Wunsch entsprechend übermittelt.431 In der Sitzung vom 13. April 1821 forderte das Komitee, die Lottoeinnahmen sowie weitere Einnahmen durch Münzprägung und durch öffentliche Gebühren an den Schuldentilgungsfonds zu verweisen.432 Am 1. Juni 1821 wünschte die Ständeversammlung zudem die Wiederherstellung der früheren Form der Steuersubkollektur433, was dem Ministerium mit Schreiben vom 7. Juni 1821 mitgeteilt wurde434, dort aber auf strikte Ablehnung stieß.435 Ein Bericht der Landesregierung an das Ministerium vom 19. August 1821 hielt die Einrichtung von Steuersubkollekturen zwar für zweckmäßig, jedoch nicht in der althergebrachten Form, sondern empfahl eine Steuererhebung durch die Gemeindeschulthei427 428 429 430 431 432 433 434 435

StACo Min J 258 fol. 13, 13’ = StACo Landtag 12 / 1 fol. 7 – 8. StACo Min J 258 fol. 14 – 15’. StACo Min J 258 fol. 16 – 17. StACo Min J 258 fol. 18 – 21. StACo Min J 258 fol. 31 – 32. StACo Landtag 77, unfol. StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 105, 105’; StACo Landtag 77, unfol. StACo Min J 258 fol. 48. StACo Min J 258 fol. 53.

450

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

ßen.436 Nach einer abermaligen Bitte der Ständeversammlung vom 1. September 1821437 erging schließlich am 11. November 1821 ein herzogliches Reskript an die Stände, in der die Einrichtung einer Subkollektur in Aussicht gestellt wurde: Sie sollte in den ausschließlich einer einzigen Patrimonialgerichtsbarkeit unterworfenen Orten den Patrimonialgerichten, ansonsten den Dorfschultheißen überlassen werden.438 Ein Entwurf der Landesregierung vom 14. November 1821439, der dies detaillierter regeln sollte, wurde mit Änderungen in Detailfragen schließlich unter dem 24. Februar 1822 in Kraft gesetzt.440 e) Beratung des Verfassungsentwurfs durch das Plenum Nach Anfrage vom 7. Mai 1822441 beschloß das Komitee infolge Genehmigung vom 9. Mai 1822442 mit Einverständnis Arzbergers am 16. Mai 1822443 die Einberufung des Landtages auf den 27. Mai 1822.444 Die Dauer der Arbeit des Komitees war also ungefähr doppelt so lang wie 1819 in Württemberg.445 Der vorgelegte Verfassungsentwurf wurde sodann in den Plenarsitzungen vom 29. und 30. Mai 1821 beraten.446 Dabei wurden § 3 (einheitliche Verfassung für sämtliche Landesteile) und § 31 (Preßfreiheit) gestrichen. § 6 ermöglichte den Erwerb der Staatsangehörigkeit auch durch den Erwerb von Grundeigentum. Eine konkludente Verleihung der Staatsangehörigkeit sollte auch durch eine zehnjährige Duldung erfolgen. § 7 knüpfte die Staatsbürgerschaft nur noch an die Leistung des Huldigungseides. In § 17 (nunmehr § 11) wurde eine Bevorzugung von Inländern gegenüber Ausländern und von Personen aus den übrigen sächsischen Ländern gegenüber anderen Ausländern hinsichtlich der Vergabe öffentlicher Stellen eingefügt. Titel II über die Domänen entfiel ganz. In § 23 sollte die Ablösbarkeit sämtlicher bestehender Feudallasten nach einem zu erstellenden besonderen Gesetz vorgesehen werden. StACo Min E 2883 fol. 125, 125’ = StACo LReg. 9200 fol. 136 – 138. StACo Min E 2883 fol. 130 – 137’. 438 StACo Min E 2883 fol. 138 – 139’ = StACo LReg. 9200 fol. 140 – 141. 439 StACo Min E 2883 fol. 142 – 146 = StACo LReg. 9200 fol. 145 – 146’. 440 StACo LReg. 9200 fol. 153 – 154’ = RIBl. Nr. 10 vom 9. März 1822 Sp. 173 ff. = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 171 ff. 441 StACo Min J 258 fol. 38, 38’ = StACo Landtag 67 fol. 8 – 9. 442 StACo Landtag 67 fol. 10 = StACo Min J 258 fol. 39. 443 StACo Landtag 79 Vol. I b fol. 29 = StACo Landtag 77, unfol. 444 StACo Landtag 67 fol. 11 – 12’. 445 Dazu siehe Wilhelm Mößle, Restauration und Repräsentativverfassung, S. 73. 446 StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 100 – 104; StACo Landtag 77, unfol. 436 437

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

451

§ 24 garantierte über den Inhalt des früheren § 30 hinaus nicht mehr nur den Richtern, sondern allen Staatsdienern ihren Status gegen Entlassung und Versetzung. § 43 (Zusammensetzung der Landstände) wurde marginal geändert, wobei auch vorgeschlagen war, die Zahl der städtischen Deputierten zu vermehren447, was auf deutlichen Widerstand der bäuerlichen Abgeordneten stieß, die daraufhin eine Aufstockung der von den Ämtern entsandten Mitglieder forderten.448 Die Kompromißlösung des § 36 beinhaltete gegenüber der früheren Regelung in § 43 jeweils einen gemeinschaftlichen Vertreter der Stadtobrigkeiten von Neustadt, Rodach und Themar sowie von Gräfenthal und Lehesten und beschränkte die Vertreter der städtischen Bürgerschaften wieder auf Coburg, das jetzt zwei Landstände entsenden sollte, Saalfeld und Pößneck. § 60 vergrößerte den Ausschuß um jeweils einen Abgeordneten aus den Landesteilen Coburg und Saalfeld. § 56 sah eine Landtagsperiode von drei Jahren, § 65 (vormals § 73) mindestens zwei Ausschußtagungen pro Jahr vor. § 61 erweiterte die Rechte des Ausschusses auf die Einberufung des Landtages auf Weisung des Landesherrn, die Revision der ohne ständische Mitwirkung bislang erlassenen Gesetze und die provisorische Besetzung freiwerdender Stellen. Die Position des Landrats entfiel ersatzlos. § 31 setzte eine Mitwirkung des Ausschusses bei der Verwaltung des Scholarchats, der Scheres-Zieritz-Stiftung und des Zucht- und Waisenhauses fest. Die Formulierung des § 44 wies die Verwaltung der Landeskasse nicht mehr ausdrücklich der Ständeversammlung zu. Sämtliche Kassenüberschüsse sollten nach § 51 der Schuldentilgung dienen. In Fällen außerordentlichen Finanzbedarfs war nach § 76 auf Antrag der Mehrheit der Stände ein außerordentlicher Landtag einzuberufen. § 89 enthielt eine Verpflichtung des Thronfolgers, vor der Thronbesteigung einen außerordentlichen Landtag zur Abnahme der schriftlichen Versicherung zur Aufrechterhaltung der Verfassung einberufen zu lassen, sowie eine Eidesformel für den Verweser im Falle der Vormundschaft. Bei § 32 entfiel die bislang vorgeschriebene Verwaltung der Gemeinden durch Gewählte. § 35 beinhaltete eine Vorschrift, nach der auch das Fürstentum Lichtenberg einen Anteil an Bundespflichten und Staatslasten zu tragen hatte. Mit diesen Änderungen sowie weiteren redaktionellen Korrekturen und Verschiebungen genehmigte die Ständeversammlung den Entwurf am 30. Mai 1821 einstimmig. 447 Im einzelnen ein Abgeordneter der Stadtobrigkeit zu Pößneck, je ein Abgeordneter der Städte Neustadt, Rodach, Themar, Gräfenthal und Lehesten, wegen der hohen Einwohnerzahl ein zusätzlicher Abgeordneter der Stadt Coburg; StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 101’, 102. 448 StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 102’, 103.

452

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Hinsichtlich des – eigentlich als fortschrittlich anzusehenden – Grundrechtskatalogs war für die Ständeversammlung klar, daß dessen Bestimmungen nur für Christen Geltung haben sollten. In einem Schreiben vom 7. Juni 1821 forderte sie noch ausdrücklich die „Beibehaltung der altsächsischen Verfassung, wonach den Juden der Ankauf von Grundeigenthum nicht gestattet werden konnte; successive Aufhebung der den Juden ertheilten Handels-Concessionen, ( . . . ) Nichtertheilung neuer Concessionen, selbst nicht für den Viehhandel.“449

Gruner antwortete darauf am 13. Juni 1821: „In Betreff der gegen die Juden aufzustellenden Grundsätze ist zu bemerken, daß sie in der angegebenen Strenge nicht angenommen werden können. Nicht nur müßen gegen Nachbarstaaten gleiche Grundsätze in Rücksicht des Verkehrs beobachtet werden, sondern es muß auch der Art. 16. der deutschen Bundesacte berücksichtigt werden, nach welchem die bürgerliche Verbeßerung der Bekenner des jüdischen Glaubens bewirkt werden soll.“450

Am 4. Juni 1821 beschloß der Landtag die ebenfalls von Rose entworfene „Unterthänigste Erklärungsschrift der getreuen Stände des Herzogthums CoburgSaalfeld das Grundgesetz für die Landständische Verfassung betreffend“451, die am gleichen Tage zusammen mit den redigierten Entwürfen für Grundgesetz, Wahl- und Landtagsordnung452 an das Ministerium gesandt wurde.453 In der Erklärungsschrift wurde als Vorbild für eine Verfassunggebung die Verfassung von Hessen-Darmstadt ausdrücklich genannt, von welcher man sich auch hinsichtlich der Festsetzung und Abfassung der Rechte der Staatsbürger habe inspirieren lassen. Auf Antrag der Stände wurde der Landtag durch Herzog Ernst am 9. Juni 1821 bis zum 9. Juli 1821 ausgesetzt454; diese Aussetzung wurde am 21. Juni 1821 um weitere zwei Wochen verlängert.455

StACo Min J 258 fol. 49’, 50. StACo Min J 258 fol. 56. 451 StACo Min J 258 fol. 61 – 68’ = StACo Landtag 12 / 1 fol. 74 – 86 = StACo LReg. 258 fol. 54 – 58’ = StACo Landtag 77, unfol. – Karl Bohley setzt diese fälschlicherweise mit den „Bemerkungen“ vom März 1821 sowie mit dem ursprünglichen ständischen Verfassungsentwurf gleich (Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld, S. 150 Fußnote 6). 452 Entwürfe bei Textanhang Nr. 28 = StACo Min J 258 fol. 69 – 98’ = StACo LReg. 258 fol. 65 – 70; 84 – 88; 89 – 94 = StACo Landtag 77, unfol. 453 Protokoll bei StACo Landtag 79 Vol. I a fol. 109 = StACo Landtag 77, unfol. 454 Antrag des Landschaftsdirektors vom 8. Juni 1821 bei StACo Min J 258 fol. 43; Antwortreskript bei StACo Landtag 67 fol. 19 = StACo Min J 258 fol. 46’. 455 StACo LReg. 258 fol. 21 = StACo Min J 258 fol. 124. 449 450

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

453

5. Weitere Verfassungsvorbereitungen der Exekutive a) Begutachtung des ständischen Entwurfs Unterdessen wandte sich das Ministerium mit Schreiben vom 15. Juni 1821 an Herzog Ernst und schlug als weitere Vorgehensweise eine gesonderte Berichterstattung durch die Landesregierung, gefolgt von einer Anpassung der bestehenden Entwürfe von Landtag und Exekutive vor, was so genehmigt wurde.456 Gleichzeitig wurden Vergleiche der beiden Entwürfe zu Verfassung, Wahl- und Landtagsordnung angestellt.457 Der Bericht der Landesregierung wurde mit Schreiben vom 20. Juni 1821 abgefordert.458 Beruhend auf Überlegungen von Landesregierungsrat Lotz459 kam die Landesregierung auf Sitzungen am 3., 4. und 5. Juli 1821460 zu folgenden Ergebnissen: § 2 (Bestimmung des monarchischen Prinzips) sollte nach dem Vorbild des § 3 Verfassung Württemberg klarer gefaßt werden. Zum Erwerb des Indigenats (§ 6) sollte nicht der Erwerb von Grundeigentum, sondern der wesentliche Wohnsitz im Lande erforderlich sein. Gegen die uneingeschränkte öffentliche Religionsausübung (§ 13) spreche, daß katholische Prozessionen außerhalb der katholischen Kirche aus polizeilichen Gründen nicht zu gestatten seien. Die in § 31 vorgeschlagene ständische Verwaltungsteilnahme in Stiftungsangelegenheiten sowie die Teilnahme an der Landeskassenkuratel (§ 44) seien ebenso wie die Mitverpflichtung der Kassenoffizianten auf die Stände (§§ 51, 63) anerkanntermaßen nicht zulässig. Ausführungen zum Fürstentum Lichtenberg wie in § 35 vorgesehen seien ebenfalls zu streichen, da dieses Territorium nicht zu Sachsen-Coburg-Saalfeld gehöre. Hinsichtlich der Zahl der Abgeordneten (§ 36) sollte es bei der bisherigen Situation verbleiben, sollte Herzog Ernst jedoch eine Veränderung genehmigen wollen, so sollten weitere Deputierte eher von der Bürgerschaft als von den Stadtobrigkeiten entsandt werden. Einberufung und Auflösung des Landtages (§ 37) seien ausschließlich dem Ermessen des Landesherrn zu überlassen, auch die Abhaltung von Ausschußtagen (§§ 64 f.) bedürfte der Genehmigung des Herzogs. § 39 (Rechte der Landstände) sei zu unbestimmt gefaßt und müsse daher geändert oder gestrichen werden. Sollte die Einrichtung eines Ausschusses (§§ 60 ff.) vom Herzog genehmigt werden, so sei andererseits ein Landtag im Rhythmus von drei Jahren, wie in § 56 vorgesehen, nicht notwendig. Die vorgesehene Wahl und Anstellung eines Sekretärs auf Lebenszeit (§§ 67 f.) dürfe so nicht genehmigt werden, die Wahl solle lediglich auf eine Landtagsperiode möglich sein, auch dürfte nur ein Mitglied der Ständeversammlung gewählt werden. 456 457 458 459 460

Schreiben mit Randbemerkung des Herzogs bei StACo Min J 258 fol. 99 – 100’. StACo Min J 258 fol. 101 – 120. StACo LReg. 258 fol. 53, 53’ = StACo Min J 258 fol. 121 – 122. StACo LReg. 258 fol. 107 – 108’. Protokolle bei StACo LReg. 258 fol. 109 – 117.

454

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

§ 2 der Wahlordnung sollte die bisherige Fassung beibehalten, da eine genaue Verteilung der Abgeordneten der Rittergüter auf die einzelnen Landesteile nicht möglich sei und eine Stimmberechtigung der Vormünder „unschicklich“ erscheine. Damit setzte bei der Wahl der Vertreter der Ritterschaft eine Abkehr vom Territorialprinzip ein. Die Wahl durch Wahlmänner (§ 4 b) sei zwar nicht unzulässig, verkompliziere jedoch den Wahlvorgang, in jedem Falle aber sei die vorgesehene Zahl der Wahlmänner zu klein. Die Bestimmung des § 12 der Landtagsordnung, die die Wiederholung abgelehnter Anträge betraf, müsse gestrichen werden, da dem Landesherrn die abermalige Antragstellung nicht verboten werden könne. Insgesamt seien Verfassung, Wahl- und Landtagsordnung nach dem Vorbild Württembergs in einer einheitliche Urkunde zusammenzufassen, „indem dadurch das Ganze an Harmonie und übersichtlichkeit gewinnt.“461

b) Schaffung des „Herzogtums Sachsen-Coburg-Saalfeld“ Bereits seit Erhalt des linksrheinischen Territoriums im Jahre 1817462 wurde – aus Gründen des Wappens und der Titulatur! – eine Veränderung der Bezeichnung auch für das bisherige Staatsgebiet angestrebt.463 Ein Entwurf einer Verordnung „wegen des neuen Herzoglichen Titels und Wappens“ vom 4. Juli 1818464 sah in § 1 die Vereinigung der „Fürstentümer Coburg und Saalfeld“ sowie des Amtes Themar zu einem Staat unter dem Namen „Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld“ vor. Durch Verordnung vom 20. Juni 1821465 wurde statuiert, daß Herzog Ernst „als Grundlage der demnechst zu publicirenden neuen ständischen Verfaßung die Vereinigung“ der „sämmtlichen ältern Besitzungen in einen Staat beschloßen“ habe (Präambel). § 1 der Verordnung faßte die „Fürstentümer Coburg und Saalfeld“ und das Amt Themar in einen Staat mit der Bezeichnung „Herzogthum Coburg-Saalfeld“ zusammen; der Landesherr führte von nun an den Titel „Herzog zu Sachsen-CoburgSaalfeld“ (§ 3). Offenkundig wurde erst durch diese Verordnung die Vereinigung der Landesteile erreicht und die Benennung „Herzogtum“ eingeführt.466 Damit blieb Sachsen-Coburg-Saalfeld mehrere Jahre hinter Sachsen-Weimar-Eisenach StACo LReg. 258 fol. 117’. Siehe dazu oben I.1.c). 463 ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1. Nr. 24 fol. 1. 464 ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1. Nr. 24 fol. 16 – 17’. 465 Textanhang Nr. 29 = ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1. Nr. 24 fol. 56 – 57 = ebd. fol. 61 – 62 = RIBl. Nr. 28 vom 14. Juli 1821, Sp. 365 ff. 466 Ungenau Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 88, und Tobias C. Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 362, die von der „Herstellung einer Realunion zwischen Coburg und Saalfeld“ (Bachmann) bzw. von der Begründung eines „ordentlichen Herzogtums“ (Bringmann) durch die Verfassung von 1821 ausgehen. 461 462

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

455

zurück, wo eine derartige Vereinheitlichung bereits durch die Inbesitznahmepatente vom 15. November 1815 und vom 24. Januar 1816 erreicht wurde.467

c) Neuer Verfassungsentwurf Opitz’ Die Landesregierung teilte dem Ministerium die Ergebnisse ihrer Begutachtung468 mit Schreiben vom 6. Juli 1821 mit.469 Daraufhin erstellte Opitz nach eigenen Überlegungen470 am 20. Juli 1821 auf der Basis des von der Ständeversammlung vorgelegten Entwurfs einen „Neuen Entwurf der Verfaßungsurkunde des Herzogthums Coburg-Saalfeld mit Berücksichtigung der von Herzogl. Landesregierung dazu gemachten Bemerkungen.“471

In diesem berücksichtigte er sämtliche Anregungen der Landesregierung. Auch Wahlordnung (als Titel VI „Von der Wahl der Landstände“, §§ 39 bis 62, unter Beibehaltung der vorgeschlagenen indirekten Wahl) und Landtagsordnung (als Titel VIII „Von der Geschäftsordnung bey den Landtägen“, §§ 84 bis 103) wurden in den Verfassungstext implementiert, ferner wurde der äußeren Gliederung noch Titel VII „Von den Befugnißen der Landstände“, Titel IX „Von dem ständischen Ausschuß“ und Titel X „Von der Gewähr der Verfaßung“ hinzugefügt. § 4 über die Sukzession in der herzoglichen Würde nahm nunmehr wiederum auf die Primogeniturkonstitution und die zwischen den sächsischen Häusern abgeschlossenen Verträge Bezug. Das Recht zur öffentlichen Religionsausübung (§ 13) wurde unter Gesetzesvorbehalt gestellt. Das durch § 42 des ständischen Entwurfs beschränkte landesherrliche Recht zur Erteilung von Privilegien, Abolitionen und Dispensationen wurde in § 66 wieder in vollem Umfang gewährt. § 68 über die ständischen Rechte im Finanzwesen enthielt eine völlige Neufassung. Dieser zählte nunmehr auch diese Beteiligungsrechte enumerativ auf und sah statt einer Rechnungsprüfung durch die Landstände die Mitteilung des Kassenrapporte an die Ständeversammlung sowie das Recht auf Durchführung von Kassenstürzen in Gegenwart eines ständischen Vertreters vor. Neben der Landtagsperiode (§ 80) wurde auch die Haushaltsperiode (§ 112) wieder auf sechs Jahre verlängert.

467 So die Präambel der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach vom 5. Mai 1816. – Unrichtig insoweit Reinhard Jonscher (Thüringische Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, S. 9), der von einer Vereinigung erst durch die Verfassungsurkunde ausgeht. 468 Siehe soeben a). 469 StACo Min J 258 fol. 126 – 135’ = StACo LReg. 258 fol. 119 – 124. 470 Synopse mit Anmerkungen bei StACo Min J 258 fol. 137’ – 158’. 471 Textanhang Nr. 30 = StACo Min J 258 fol. 160 – 187’.

456

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

d) Beratung in Behörden und mit Herzog Ernst Zum Entwurf Opitz’ erstattete Lotz am 24. Juli 1821 ein Gutachten, dem weitere Anmerkungen Opitz’ vom 27. Juli 1821 folgten.472 Beide Schreiben hatten in wesentlichen redaktionelle Änderungen, Vereinheitlichungen und Verkürzungen zum Inhalt. Eine Unterredung des Herzogs mit Arzberger und Opitz am 25. Juli 1821 ergab neben weiteren redaktionellen Änderungen folgende Anweisungen von Herzog Ernst: § 1 erhielt die ebenfalls an Formulierungen der modernen deutschen Länderverfassungen erinnernde Fassung, daß Sachsen-Coburg-Saalfeld einen deutschen Bundesstaat bildete. Der Landeskinderbonus bei öffentlichen Anstellungen in § 11 wurde gestrichen. Die „von den Ständen gewünschte Wahl durch Wahlmänner“473 wurde ausdrücklich genehmigt. Damit war endgültig – und zwar auf Wunsch der durch Direktwahl legitimierten Stände! – der indirekte Wahlmodus in SachsenCoburg-Saalfeld durchgesetzt. Die Verantwortung der gegenzeichnenden Beamten, die in § 78 ursprünglich gegenüber dem Landesherrn und dem Lande vorgesehen war, wurde auf die Position gegenüber dem Herzog beschränkt. Ebenfalls gestrichen wurde die in § 104 vorgesehene paritätische Aufteilung der vier in den Ausschuß zu entsendenden sonstigen Abgeordneten auf die Landesteile Coburg und Saalfeld. In § 108 wurde die Höchstdauer der Ausschußtage auf drei Wochen festgesetzt. Die bisherigen §§ 123 und 124 über schiedsrichterliche Einigung bei Zweifeln über die Auslegung der Verfassung und die Bestrafung der absichtlichen Verfassungsverletzung im Staatsdienst wurden gestrichen. 6. Der abschließende Verfassungsentwurf vom 8. August 1821 a) Inhaltliche Änderungen durch die Exekutive Unter dem 8. August 1821 wurde schließlich aus den Ergebnissen der vorigen Gutachten und Konferenzen der abschließende Entwurf gefertigt474 und der Ständeversammlung mit Schreiben vom gleichen Tage als „Verfaßungsurkunde des Herzogthums Coburg-Saalfeld“ mitgeteilt.475 Dessen Präambel erwähnte erstmals ausdrücklich die Berücksichtigung der Wünsche der Ständeversammlung. In der äußeren Gliederung wurde der Titel über StACo Min J 258 fol. 190 – 195. StACo Min J 258 fol. 196’. 474 Textanhang Nr. 31 = StACo Landtag 12 / 2 nach fol. 1, unfol. = ebd. fol. 2 – 26 = StACo Min J 259 fol. 4 (Präambel, datiert 8. August 1821), 5 – 34 (§§ 1 bis 121, signiert 3. und 4. August 1821, mit handschriftlichen Änderungen durch Herzog Ernst), 35 (Schlußformel, signiert 11. August 1821) = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 806 ff. 475 Schreiben bei StACo Landtag 12 / 2 fol. 1 = StACo Min J 259 fol. 4. 472 473

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

457

die Wahl der Landstände mit demjenigen über die Landstände allgemein zusammengeführt und ein neunter Titel „Von dem Rechnungswesen bey der Landeskaße“ neu eingefügt. § 24 über die Statusgarantie der Richter und Staatsbeamten wurde wieder gestrichen, dafür sah § 23 erstmals die Verordnung über die Rechtsverhältnisse der Staatsbeamten als gesonderten Verfassungsbestandteil vor. Die in § 78 vorgesehene Gegenzeichnung der herzoglichen Erlasse entfiel ebenfalls. Das aktive Wahlrecht wurde anstelle des in § 39 vorgesehenen vollendeten 25. Lebensjahres in § 7 ebenso wie das Staatsbürgerrecht an die Volljährigkeit geknüpft. § 42 beinhaltete einen neuen Wahlmännerschlüssel für die Landgemeinden: ein Dorf von bis zu 50 Häusern hatte einen Wahlmann zu stellen, pro vollendeter weiterer 25 Häuser war ein weiterer Wahlmann zu bevollmächtigen, wobei nach § 44 die Anforderungen für das passive Wahlrecht auch für die Wahlmänner galten. Die Regelung über die persönliche Verantwortlichkeit der Abgeordneten für ihre Abstimmung wurde wieder auf den Stand des letzten Entwurfs der Exekutive zurückgefahren. § 68 sah erstmals die Form des förmlichen Gesetzes für den Haushaltsplan vor.476 Auch wurde den Landständen wieder das Recht zur Abnahme und Prüfung der Rechnung der Landeskasse zugestanden.477 Die Verwaltung der Landeskasse blieb nach dem System der Norm offensichtlich aber in den Händen des Landesherrn, von einer „Wiedereinführung der ständischen Steuerverwaltung“478 kann keine Rede sein. § 71 sah wiederum wie schon gehabt einen gesetzlichen Zuschuß des Landeskasse an den Landesherrn in Höhe des Gesamtertrags der Regalien vor. In § 76 wurde die Zweckbestimmung der Überschüsse aus den Domänen zugunsten des Schuldenabtrages gestrichen und die Domänen als dem Herzogshaus 476 Nach Karl Heinrich Friauf ist der Ursprung dieser Finanzverfassungsvorschrift nicht näher nachweisbar (Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 45 f.), sie scheint ihre Quelle im Rahmen der Unterhandlungen mit der Ständeversammlung zu haben. Hierfür finden sich jedoch keine Anhaltspunkte in den Akten, so daß ebenso vermutet werden kann, daß es sich bei der Aufnahme der Formulierung „als Gesetz ausgesprochen“ um eine schlichte redaktionelle Änderung handelte. 477 Die Kritik von Reinhard Mußgnug, der hier – ähnlich wie in § 5 Verfassung SachsenWeimar-Eisenach – einen Rückfall in den altständischen Kassendualismus sieht (Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 98), überzeugt nicht. Im Gegensatz zu Sachsen-Coburg-Saalfeld ernannte nämlich die Ständeversammlung Sachsen-Weimar-Eisenachs nach § 5 Nr. 7 d den Kassier bei der Hauptlandeskasse, während der coburgischen Ständeversammlung lediglich ein Präsentationsrecht für den Leiter der unter landesherrlicher Verwaltung stehenden Landeskasse zustand. 478 Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 91, 98. – Auch die von ihm behauptete Ähnlichkeit zu Art. 47 der Verfassung Sachsen-Meiningen von 23. August 1829 (abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 833 = Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 536 ff.) besteht nicht, da dort der Landeskassier von der Ständeversammlung gewählt und nicht nur vorgeschlagen wurde.

458

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

eigentümlich zustehend bezeichnet.479 Dieses Vorschriftenkonglomerat hatte in erster Linie finanzielle Vorteile für den Herzog zur Folge.

b) Weitere Änderungsvorschläge der Ständeversammlung aa) Fortbestehender Dissens nach den Veränderungen Auf den Sitzungen der Ständeversammlung vom 15. – 17. August 1821480 erklärte diese sich mit den vorgenommenen Veränderungen in §§ 2, 6, 8, 11 und 62 einstimmig einverstanden. Der aus der Verfassung entfallene Grundsatz der Inländerbevorzugung bei der Vergabe öffentlicher Ämter sollte in die Verordnung über das Verhältnis der Zivilstaatsdiener aufgenommen werden. Mehrheitlich wurden die Veränderungen bei § 35 – damit nahmen die Landstände Abschied von der Forderung nach weiteren Deputierten für die Stadtobrigkeiten – sowie bei den §§ 38 und 44 akzeptiert. In § 36 (Amtsdauer der Abgeordneten) sollte es bei der Formulierung des landständischen Entwurfs bleiben. In § 46 sollten die Worte „unabhängiges und reines“ hinsichtlich der Einkommensermittlung wegfallen. § 39 des ständischen Entwurfs sei § 63 des überarbeiteten Entwurfs vorzuziehen, da nur dort die ständischen Rechte klar und eindeutig dargestellt seien. Die Befugnis zur Einzelfallgesetzgebung in § 66 sollte als „die ganze Verfassung zur Willkühr umwandelnd“ ebenfalls gestrichen werden. Bei § 68 Nr. 5 sollte klargestellt werden, daß ein Kassensturz auf mündlichen Antrag des ständischen Vertreters sofort vorgenommen werden müsse, da längere vorhergehende Verhandlungen kontraproduktiv seien. Gegenüber § 71 des Entwurfs sei § 47 des ständischen Entwurfs vorzuziehen, da die Zuweisung der Einkünfte aus den Regalien außer Verhältnis zu den gleichzeitig zugewiesenen Ausgaben stehe. Hinsichtlich § 72 wurde die Formulierung „Die Steuern sind nur zur Bestreitung der Landesbedürfnisse bestimmt.“ bevorzugt. Im Vergleich mit der Neufassung der Vorschrift über die Schuldentilgungskasse (§ 75) sei § 51 des ständischen Entwurfs, wonach die Mitarbeiter auch den Ständen zu verpflichten waren, zu bevorzugen. Auch bei den Domänen (§ 76) sollte klargestellt bleiben, daß es sich hierbei nicht um Privateigentum des Herzogs oder seiner Familie handelte. In § 78 dürfe die von den Ständen bereits vorgeschlagene Gegenzeichnungspflicht nicht wegfallen. Auch § 80 sollte neu formuliert werden: „Nach Verlauf von 6 Jahren erlischt die Function der auf diese Zeit gewählten ständischen Deputirten, mit Ausnahme der den Auschuß bildenden Landständischen Mitglieder, deren Function erst, nach der Wiedereröffnung eines neuen Landtags erlischt.“ 479 Nach Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 93 war eine derartige Lösung nur in kleinen Staaten noch möglich. Die Bezeichnung als „Fideikommiß“ ist zumindest im Zusammenhang mit der Verfassung unrichtig. 480 Protokolle bei StACo Landtag 79 Vol. I b fol. 78 – 91.

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

459

Klarer zu fassen seien zudem die Vorschriften über Immunität und Indemnität (§ 82), die Kompetenzen des Ausschusses (§ 105), die Landeskassenkuratel (§ 106), die Ausschußtage (§ 109) sowie Landeskasse und Etats (§§ 112, 114). Entgegen § 119 (Domänenvermögen) sollte § 80 des ständischen Entwurfs beibehalten werden, in § 120 noch § 82 des ständischen Entwurfs hinsichtlich einer schiedsrichterlichen Entscheidung eingefügt werden. Unter dem 18. August 1821481 übermittelte die Ständeversammlung dem Herzog die nunmehr zweite „Unterthänigste Erklärungsschrift der getreuen Stände des Herzogthums Coburg-Saalfeld“ über die Verfassungsfrage mit den Ergebnissen der ständischen Beratungen.482 Die Änderungswünsche wurden darin in politisch geschickter Weise begründet: „Wir hätten nichts sehnlicher gewünscht, als dieser ganzen neuesten Fassung der grundgesetzlichen Bestimmungen unbedingt und einstimmend beytreten zu können; aber Eure Herzogliche Durchlaucht höchstselbst haben uns zur Pflicht gemacht, und wir haben, mittelst feierlichen Eides, geschworen: nach eigener freyer Ueberzeugung als freye Männer das Wohl des Landes zu berathen. Wir würden diesem Eid entgegen handeln, wir würden – eidbrüchig werden, folglich Eurer Herzoglichen Durchlaucht, dem Land und uns verächtlich erscheinen müssen, wenn wir unsere Ueberzeugung unterdrücken und, im Widerspruch mit dieser, uns zu erklären fähig seyn könnten.“483

bb) Konsensbemühungen der Exekutive Arzberger ließ nach Rücksprache mit Herzog Ernst im Ministerium ein Gutachten unter dem 24. August 1821 zirkulieren, das folgende Entscheidungsvorschläge bezüglich der Differenzen mit der Ständeversammlung in der Verfassungsfrage enthielt:484 Der ursprüngliche ständischen Vorschlag hinsichtlich eines Vorzuges der Inländer vor den Ausländern und unter diesen wiederum für Angehörige der ernestinischen Staaten soll in § 11 der Verfassungsurkunde aufgenommen werden, ebenso könnte § 72 den ständischen Anregungen gemäß geändert werden. Auch einer Änderung des § 71 widersetze er sich nicht, doch der Herzog bevorzuge wegen der Sicherung der Zuflüsse zur Hofhaltung die bisherige Formulierung. 481 Die letzte Besprechung der Erklärungsschrift durch den Landtag fand am 21. August 1821 statt (Protokoll bei StACo Landtag 79 Vol. I b fol. 94), als Eingang des Schriftstücks ist der 22. August 1821 vermerkt (StACo Min J 259 fol. 51). 482 Schreiben bei StACo Min J 259 fol. 51 – 53’ = StACo Landtag 12 / 2 fol. 34 – 37; dazugehörige „Desiderien“ bei StACo Min J 259 fol. 54 – 60 = StACo Landtag 12 / 2 fol. 27 – 33’. 483 StACo Min J 259 fol. 51’, 52 = StACo Landtag 12 / 2 fol. 34’, 35; jetzt auch abgedruckt bei Carl-Christian H. Dressel, Die Verfassung des Herzogtums Sachsen-Coburg-Saalfeld von 1821, S. 32. 484 StACo Min J 259 fol. 61 – 68’.

460

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Die ständische Forderung nach einer Gegenzeichnung der herzoglichen Erlasse könne wunschgemäß in die Verordnung über die Stellung der Zivilstaatsdiener aufgenommen werden. Überzogen sei jedoch die ständische Forderung in § 63, den Landeskassierer auch gegenüber der Ständeversammlung zu verpflichten. Auch die Forderung nach Fortdauer der Amtszeit des Ausschusses sei unstatthaft, da die Amtszeit des Ausschusses als Organ der Ständeversammlung an deren Bestehen gebunden sei. Nach Ansicht Arzbergers seien die ständischen Rechte ohnehin sehr weit gefaßt: „In anderen Stellen ist die Mitwirkung der Stände bei der Gesetzgebung sehr umständlich aufs liberalste bestimmt. Sie können sich daher auch mit der dermaligen Faßung begnügen, wenn ihnen der Sinn davon gerhörig entwikkelt wird. Aber auch die Faßung, wie sie die Stände vorschlagen sichert die Regentenrechte nun würde ich den in § 57 gebrauchten Ausdruck der obersten Staatsgewalt dabei aufzunehmen vorschlagen.“485

Einzelne Forderungen nach Klarstellungen könnten nach Maßgabe näherer Verhandlung mit den Ständen noch erfüllt werden. Die übrigen Einwände schienen nach Arzbergers Ansicht auf Mißverständnissen zu beruhen und sollten durch eine Erklärung der Regelungsinhalte den Ständen verständlich gemacht werden. Das auch in §§ 55 und 57 der Wiener Schlußakte486 festgelegte monarchische Prinzip dürfe keinesfalls berührt werden. Nach Ansicht Opitz’ in seiner Stellungnahme vom 26. August 1821487 sei auch der Landeskinderbonus statt in § 11 der Verfassung besser in die Verordnung über die Zivilstaatsdiener aufzunehmen. Eine Veränderung des § 63 im gewünschten Sinne bedeute eine Ausdehnung der Befugnisse der Ständeversammlung, wie sie weder die weimarische noch die darmstädtische Verfassung vorsehen. Hinsichtlich der Haushaltsperiode in § 71 verwies er auf frühere eigene Gedanken. Die Amtszeit des Ausschusses müsse entsprechend Arzbergers Ansicht mit der Wahlperiode der Ständeversammlung enden. Der geplanten Änderung des § 72 stimme er zu. Detailliertere Klarstellungen sollten auch seiner Auffassung nach weiteren Verhandlungen mit den Ständen vorbehalten bleiben. Bezüglich der übrigen Einwendungen stellte Opitz wie bereits Arzberger auf eine „Beruhigung der Stände“ durch weitergehende Erläuterung der Vorschriften ab. cc) Einsetzung einer Deputation durch Herzog Ernst Auf einer Konferenz am 26. August 1821 ordnete Herzog Ernst an, daß der Landeskinderbonus ebenso wie die Gegenzeichnung herzoglicher Erlasse in die Verordnung über die Verhältnisse der Zivilstaatsdiener aufgenommen werden sollten. Die bisherigen Formulierungen in den §§ 46, 63, 72, 75, 76, 80, 105, 112, 114, 119 485 486 487

StACo Min J 259 fol. 62. Siehe dazu oben I.2.b). StACo Min J 259 fol. 72 – 78.

IV. Beratung des Verfassungsprojekts mit den Landständen

461

und 120 sollten jedoch beibehalten werden. Die restlichen kritisierten Regelungen sollten der Ständeversammlung abermals erläutert werden. In einem Schreiben vom gleichen Tage teilte das Ministerium der Ständeversammlung mit, „daß Serenissimus eine Deputation ernannt hat, welche die annoch vorwaltenden Misverständniße hinsichtlich der Constitutions-Urkunde zu entfernen befehligt ist.“488

Die Bildung einer derartigen Kommission zur Verhandlung mit den Ständen über die Verfassungsfrage erfolgte damit im Gegensatz zu Württemberg489 erst relativ spät. c) Konferenz der Stände mit der landesherrlichen Deputation Die von Herzog Ernst eingesetzte Deputation, die aus Arzberger und Opitz bestand, trat sodann vom 28. bis zum 31. August 1821 zu einer Konferenz mit der Ständeversammlung zusammen.490 Folgende Ergebnisse wurden – neben zahlreichen Erläuterungen – erreicht: Bei § 36 habe der Herzog die Einführung einer sechs Jahre bzw. bis zur Neuwahl der Ständeversammlung dauernden Amtszeit genehmigt. In § 63 werde als Kompromiß lediglich ein Recht der Ständeversammlung mit aufgenommen, auf die Erhaltung des Landes- und Domanialvermögens zu achten. Die in § 66 aufgeführten Rechte des Landesherrn, welche ohne ständische Mitwirkung wahrgenommen werden sollten, seien lediglich eine Ausführung des in § 65 niedergelegten Grundsatzes, jedoch sei die Befugnis des Landesherrn zur Einzelfallgesetzgebung nicht auf Gesetze, sondern nur auf den Erlaß dringlicher Anordnungen ausgerichtet. Der Forderung der Stände zur Festlegung in § 72, daß die Steuern nur subsidiarisch zur Bestreitung der Staatslasten dienten, könne seitens der Deputation wegen der modernen Entwicklung nicht nachgegeben werden, ebensowenig der bei §§ 75 und 76 gewünschten Mitwirkung der Stände bei anderen Kassen außer der Landeskasse, da vor allem eine ständische Einflußnahme auf die Domänenverwaltung unzulässig sei. Als Kompromiß sollten künftig auftretende reine Überschüsse der Hauptdomänenkasse an die Schuldentilgungskasse weitergeleitet werden. Diese Vorschrift sollte jedoch aus der Verfassungsurkunde gestrichen und dem Gesetz über die Schuldentilgungskasse hinzugefügt werden. StACo Landtag 12 / 2 fol. 38 = StACo Min J 259 fol. 81. Siehe dazu Joachim Gerner, Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung, S. 122 ff. 490 Protokoll bei StACo Min J 259 fol. 82 – 85, 86 – 94’ = StACo Landtag 12 / 2 fol. 39 – 61. – Unrichtig folglich die Darstellung bei Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 46, wonach keine Protokolle existierten. 488 489

462

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Die für § 78 durch Einführung der Gegenzeichnungspflicht gewünschte persönliche Verantwortlichkeit eines Mitglieds des Landesministeriums für die ergehenden Erlasse sei nach Ansicht der Kommission nur für diejenigen Staaten passend, in denen mehrere eigenständige Ministerien bestehen, in Sachsen-Coburg-Saalfeld ergehe jedoch kein herzoglicher Erlaß ohne Kontrasignatur eines Mitglieds des Landesministeriums, wobei diese Behörde in ihrer Gesamtheit verantwortlich sei. Die Funktion der Ausschußmitglieder (§ 80) dürfe nunmehr bis zur Wiedereröffnung eines neuen Landtages fortdauern. Eine Beschlußfassung der Ständeversammlung im Umlaufverfahren sollte mit herzoglicher Genehmigung ermöglicht werden (§ 105). d) Letzte Anordnungen des Herzogs Nach Beendigung der Konferenzen wandten sich die beiden Kommissare, unterstützt von Gruner und Hohnbaum, an Herzog Ernst, um die Ergebnisse der Verhandlungen von ihm genehmigen zu lassen, wobei zentraler Punkt ausschließlich die Frage der Verwendung der Domanialüberschüsse war.491 Dazu ordnete der Herzog an: „Wg. der heute mit einem Ausschuß der Landes-Deputirten gehabten Besprechung über dem Streittigen Punkt der Domanial-Überschüsse als Zahlungs-Leistung zur Landeskasse, haben wir uns dahin vereinigt. Der Ganze Satz wird aus der Constitutions-Acte herausbleiben und dafür in die SchuldOrdnung oder dem Schuldentilligungs-Plan auf genommen werden. Diese aber der Gestallt, daß so sich das Hauptprinziept der Freien eigenthümlichen verwaltung und Benutzung des Domanialvermögens nirgens beschränkt noch beeintrechtigt wird; ferner daß nur von Steuer-Überschüsse die Rede ist welche nur dann geleistet werden wenn alle und alle Art von Ausgaben gedeckt sind. Diese Bewilligung der Überschüsse (welche nie eintreten werden) ist übrig als eine besond. landesherrliche Milde und Begünstigung auf unbestimmte Zeit auszusprechen.“492

Durch diese Anmerkung wird Ernsts zynische Einstellung gegenüber dem Verfassungsprojekt und einer Beteiligung der Volksvertretung an den Staatsgeschäften insgesamt deutlich. Auf einer Ministerialkonferenz am 2. September 1821 wurde schließlich ein landesherrliches Erläuterungspatent (mit Datum vom 1. September 1821) entworfen.493 In diesem sollte der Großteil der ständischen Änderungsansinnen genehmigt werden, da der Herzog seine Zustimmung bereits mündlich zugesichert habe. Herzog Ernst unterzeichnete das Reskript auch in dieser Fassung.494 Neben den Schreiben bei StACo Min J 259 fol. 95 – 98’. StACo Min J 259 fol. 99, 99’ (die Hervorhebungen entstammen dem Original); jetzt auch abgedruckt bei Carl-Christian H. Dressel, Die Verfassung des Herzogtums SachsenCoburg-Saalfeld von 1821, S. 32. 493 Ergebnisprotokoll bei StACo Min J 259 fol. 102, 102’. 494 StACo Landtag 12 / 2 fol. 65 – 68 = StACo Min J 259 fol. 103 – 109. 491 492

V. Die Verfassungsurkunde für Sachsen-Coburg-Saalfeld

463

an der Verfassungsurkunde vorgenommenen Änderungen (§§ 36, 63, 65 f., 68, 71 f.495, 74 f., 80, 82, 105 f., 109, 111 f. und 114) wurden auch die Vorschriften der §§ 46 (liberale Handhabung des Begriffs des „unabhängigen und reinen Einkommens“) und 74 („notwendig“ als im Sinne einer „absoluten“ Notwendigkeit zu verstehen) erläutert und eine Berücksichtigung weiterer ständischer Forderungen (zu §§ 11 und 78) durch deren Aufnahme in die Verordnung über die Verhältnisse der Zivilstaatsdiener angekündigt, weitere Wünsche des Landtages hinsichtlich der Wahl des Sekretärs (§ 111) jedoch abgelehnt.

V. Die Verfassungsurkunde für Sachsen-Coburg-Saalfeld 1. „Verschleierte Verfassungsvereinbarung“ als Geneseprozeß sui generis Wohl im zeitlichen Zusammenhang mit dem Änderungsreskript wurde den Ständen die nunmehrige Verfassungsurkunde zugesandt496, die – ebenso wie in Hessen-Darmstadt! – noch das Datum der „ursprünglichen“ den Ständen vorgelegten Verfassung, nämlich den 8. August 1821, trug. Offensichtlich unrichtig ist Erich Keerls Ansicht, 1821 sei die „noch von Kretschmann 1808 ausgearbeitete“ Verfassung erlassen worden.497 Die Ständeversammlung erklärte daraufhin in einer auf den 4. August 1821 datierten, aber erst am 6. September 1821 beim Ministerium eingegangenen Dankadresse, darüber erfreut zu sein, „die nächsten Zeugen zu seyn des schönen Vereins der Gerechtigkeit und Milde, womit Euer Herzogliche Durchlaucht die Rechte des Volks erkennt, ihm die Wohlthaten einer liberalen Regierung nach festen Normen sichern.“498

Am 5. September 1821 wurden – neben Landschaftsdirektor Donop und Sekretär Rose – Fischer, Ortloff, Bünau und Rosenthal zu Mitgliedern der Ständedeputation gewählt.499 Infolge Antrags der Ständeversammlung vom 13. September 1821500 Der Zuschuß zu den Kosten des Hofstaats in Höhe des Ertrags der Regalien entfiel. Textanhang Nr. 32 = StACo Landtag Urk 2 = StACo LA F 5057 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band I S. 28 ff. 497 Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 275. 498 StACo Min J 259 fol. 116 – 117 = StACo Landtag 12 / 2 fol. 69 – 70’. 499 Wahlprotokoll bei StACo Landtag 79 Vol. I b fol. 100, 100’; Bericht an das Ministerium bei StACo Min J 259 fol. 112 – 113 = StACo Landtag 66 fol. 1 – 2; Genehmigungsschreiben des Ministeriums vom 8. September 1821 bei StACo Landtag 66 fol. 3 = StACo Min J 259 fol. 113, 113’; wiederholte Genehmigung im Landtagsabschied vom 18. November 1821, siehe dazu näher unten 4. 500 StACo Min J 259 fol. 126 – 127 = StACo Landtag 67 fol. 46 – 47, Könitz’ Vorschlag dazu bei StACo Landtag 67 fol. 44 – 45. 495 496

464

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

wurde der Landtag schließlich durch herzogliches Reskript vom 15. September 1821501 aufgehoben. Der Prozeß der Verfassunggebung in Sachsen-Coburg-Saalfeld verlief damit ähnlich wie in Hannover und in Hessen-Darmstadt502: In Hessen-Darmstadt wurde das oktroyierte Edikt über die landständische Verfassung vom 18. März 1819503 von der zweiten Kammer abgelehnt; 27 der gewählten 50 Mitglieder blieben der Vereidigung und der Eröffnung des Landtages am 17. Juni 1820 fern. Nachdem Ergänzungs- und Verbesserungspetitionen der Stände zugelassen und berücksichtigt worden waren, setzte der Großherzog die Verfassung am 17. Dezember 1820504 einseitig505 endgültig in Kraft.506 Dieses Vorgehen entspricht durchweg dem coburgischen, wobei dies in Sachsen-Coburg-Saalfeld noch insoweit als modifizierte Form der „verschleierten Verfassungsvereinbarung“507 anzusehen ist, als über längere Zeit über den Inhalt der Verfassungsurkunde mit den Landständen verhandelt wurde und es dabei sogar zu einem eigenen ständischen Verfassungsentwurf kam. Insbesondere Peter Michael Ehrle ist entgegenzutreten, wenn er Sachsen-Coburg-Saalfeld – ebenso wie die hannoversche Verfassung von 1819 – zu den oktroyierten Verfassungen zählt.508 Nicht zuletzt aufgrund von Inhalt und Entstehungsgeschichte ist die Ansicht Eugen Bornhausers, daß die Verfassung eine Ergänzung des Entwurfs vom 20. Juli 1808509 darstelle510, nicht haltbar. Aufgrund dieser veränderten Vorgehensweise ist offenkundig, daß der Zeitrahmen vom Ende der Verhandlungen des Verfassungskomitees im April bis zum Erlaß der Verfassung deutlich länger gestreckt war als beispielsweise in Württemberg.511 Im Gegensatz zur dortigen Vorgehensweise war in Sachsen-Coburg-Saalfeld allerdings das Plenum der Ständeversammlung stärker an der AusformulieStACo Landtag 67 fol. 48 = StACo Min J 259 fol. 127’. In der Aufstellung bei Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 49 Fußnote 27 fehlt Sachsen-Coburg-Saalfeld ebenso wie in derjenigen bei Christian Hermann Schmidt, Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Monarchie, S. 45 Fußnote 89. 503 Anlage bei StACo Min J 242 fol. 82 – 96. 504 RBl. 1820, S. 535 ff., abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 677 ff. = Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 400 ff. = Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 221 ff. 505 Heinrich Albert Zachariä irrt, wenn er die Verfassung als paktiert ansieht (Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 397). 506 Zur Vorgehensweise insgesamt siehe Karl Heinz Acker, Verwaltungskontrolle in Hessen-Darmstadt, S. 192 f.; Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 98. 507 So Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 336 über die Verfassung Hessen-Darmstadt von 1820. 508 Volksvertretung im Vormärz, S. 51 Fußnote 30. 509 Siehe dazu oben C.III.3. 510 Die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, S. 77. 511 Dazu siehe Wilhelm Mößle, Restauration und Repräsentativverfassung, S. 73. 501 502

V. Die Verfassungsurkunde für Sachsen-Coburg-Saalfeld

465

rung der ständischen Positionen beteiligt worden. Ähnlich wie in Sachsen-CoburgSaalfeld verhielt es sich in Hannover, wo das „Patent, die allgemeine Ständeversammlung des Königreichs Hannover betreffend“ vom 7. Dezember 1819 (als inhaltliche Reduktionsvariante einer Verfassung) nach Beratung mit einer „provisorischen allgemeinen Ständeversammlung“ verkündet wurde.512 Diese „verschleierte Verfassungsvereinbarung“ war – entgegen der restaurativen Grundeinstellung des Landesherrn – im verbliebenen, durch bundesrechtliche Normen abgesteckten Verfassungsrahmen die liberalste und offenste Möglichkeit der Beteiligung einer Volksvertretung an der Verfassunggebung. Eine förmlich paktierte Verfassung, wie sie noch in Sachsen-Weimar-Eisenach, Waldeck, Sachsen-Hildburghausen und Württemberg möglich war, kam nach der Wiener Schlußakte513 nicht mehr in Betracht.514 Die Verfassung des benachbarten Sachsen-Meiningen wurde drei Jahre später ohne jegliche Beratungen mit Volksvertretern oktroyiert.515 Aufgrund der „schweren Geburt“, nämlich der langwierigen Erarbeitung und der Verhandlungen mit den gewählten Mitgliedern der Ständeversammlung, läßt sich die Verfassung von 1821 sicherlich nicht – wie bei Gertraud Frühwald geschehen516 – als „Geschenk einer schwachen Stunde“ bezeichnen.

2. Vergleichende Einordnung a) Grundrechtskatalog Den wohl einschneidendsten Unterschied zwischen der Verfassung SachsenCoburg-Saalfelds und den meisten anderen zeitgenössischen – insbesondere kleinstaatlichen – Verfassungen stellt der auf Initiative der Ständeversammlung und insbesondere Roses aufgenommene Grundrechtskatalog517 dar, da auch Verfassungen wie Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Hildburghausen sowie die Verfassung Sachsen-Meiningens vom 4. September 1824 Reduktionsmodelle waren, die lediglich Rechte und Zusammensetzung der Landstände beinhalteten. Damit ist die Verfassung Sachsen-Coburg-Saalfelds vor allem im Zusammenhang mit den Verfassungen Bayerns, Badens, Württembergs und Hessen-Darmstadts zu sehen, wobei vor allem die beiden letztgenannten während der Verfassungsdiskussion als Vorbild- und Vergleichsmaterial herangezogen worden waren. 512 Abgedruckt bei Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 257 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 263 ff. 513 Siehe dazu oben I.2.b). 514 Dies verkennt offensichtlich Christian Hermann Schmidt, Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Monarchie, S. 45 f. 515 Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die Geschichte der Staaten des Ernestinischen Hauses Sachsen, S. 87. 516 Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha, S. 19. 517 Siehe dazu oben IV.4.c)bb), e).

466

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Dieser Rezeptionsprozeß wird im Rahmen eines Vergleichs offenkundig. Trotz der Änderungen seit der erstmaligen Aufnahme des Grundrechtskatalogs aus der Verfassung Hessen-Darmstadts in den ständischen Verfassungsentwurf bestand noch immer eine nahezu wortgleiche Ähnlichkeit zwischen den coburgischen Grundrechten und den Gewährleistungen in Hessen-Darmstadt.518 Lediglich § 7 über das Staatsbürgerrecht stellte eine textliche Fortentwicklung zu Art. 14 Verfassung Hessen-Darmstadt dar. Auffällig bleibt lediglich das Fehlen der in Art. 15 Verfassung Hessen-Darmstadt enthaltenen Regelung über das Staatsbürgerrecht nichtchristlicher Staatsangehöriger sowie die in Sachsen-Coburg-Saalfeld ursprünglich noch vorgesehene Garantie des Richteramts (Art. 34 Verfassung Hessen-Darmstadt), wobei an die Stelle der letzteren Vorschrift der Verweis auf des Gesetz über die Verhältnisse der Zivilstaatsdiener519, das einen Bestandteil der Verfassung bilden sollte, trat. Zu den für die Bestreitung der Landesbedürfnisse vorgesehenen Steuern waren in Sachsen-Coburg-Saalfeld alle Landeseinwohner heranzuziehen (§ 72)520, die in anderen Verfassungen noch vorgesehenen Ausnahmen521 existierten in SachsenCoburg-Saalfeld nicht mehr. Insbesondere ist für eine im Zeitraum nach Karlsbader Beschlüssen und Wiener Schlußakte erlassene Verfassung nicht verwunderlich, daß sie keinerlei Gewährleistung der Preßfreiheit vorsah, wie sie noch in Tit. IV § 11 Verfassung Bayern, § 17 Verfassung Baden, § 28 Verfassung Württemberg und Art. 35 Verfassung Hessen-Darmstadt enthalten war.522 b) Organisation der Landstände Wie bei den Verfassungen der Kleinstaaten im Vormärz üblich523, blieb die Ständeversammlung in Sachsen-Coburg-Saalfeld im Einkammersystem organisiert. Dabei blieb das Prinzip der altständischen Gliederung lediglich hinsichtlich der Abgeordneten von Ritterschaft und Magistraten der Residenzstädte gewahrt.524 Im Gegensatz zu den Verfassungen anderer Staaten525 war eine Aufteilung der 518 Insoweit ist nicht verständlich, warum Reinhard Jonscher von einer „Reduktionsvariante“ – statt von einer Textstufe spricht (Thüringische Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, S. 16 f.). 519 Dazu sogleich 3.d). 520 Ebenso Tit. IV § 13 Verfassung Bayern, § 8 Verfassung Baden. 521 So noch § 21 Verfassung Württemberg und Art. 30 Verfassung Hessen-Darmstadt. 522 Zu diesem Themenkomplex siehe oben I.2.a), b). 523 Anders war es nur bei den größeren Staaten, siehe § 1 des nassauischen Edikts vom 1. / 2. September 1814; Tit. VI § 1 Verfassung Bayern; § 26 Verfassung Baden; § 128 Verfassung Württemberg; Art. 51 Verfassung Hessen-Darmstadt. 524 Nach Franz Alexander von Campe, Die Lehre von den Landständen, S. 286 habe eine solche Aufnahme altständischer Elemente den Charakter des Zweikammersystems auch im Einkammersystem gesichert.

V. Die Verfassungsurkunde für Sachsen-Coburg-Saalfeld

467

Volksvertretung insgesamt nach altständischen Prinzipien nicht mehr vorgesehen.526 An ihre Stelle trat der Territorialgrundsatz, wobei nach dem süddeutschen Prinzip527 zwischen den Bürgern der kleineren Städte und den Einwohnern der Dörfer nicht differiert wurde.528 Der Vorwurf, in Sachsen-Coburg-Saalfeld eine habe eine besondere Vertretung des Bauernstandes gefehlt529, beruht mithin auf mangelnder Durchdringung der Normen. In logischer Konsequenz hieraus bestand keine Möglichkeit für Separatvoten einzelner Stände oder Landesteile, wie sie noch §§ 83 ff. Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach vorsahen.530 Die gewöhnliche Landtagsperiode wurde ebenso wie die Amtszeit der gewählten Landstände auf sechs Jahre (§ 80) festgesetzt531, wobei die Ständeversammlung klassischerweise532 nur durch den Landesherrn einberufen werden konnte (§ 81). Der einzelne Abgeordnete, der vor Eröffnung des Landtages zu vereidigen war533, wurde als Vertreter des gesamten Volkes, weder seiner Wähler noch in seiner territorialen oder ständischen Gliederung, angesehen.534 Das indirekte Wahlsystem, das auf Wunsch der ersten, gewählten Ständeversammlung eingeführt wurde535, entsprach der Regelung Sachsen-Weimar-Eisen525 § 2 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach; § 11 Verfassung Waldeck; § 2 Verfassung Lippe-Detmold; § 6 Verfassung Sachsen-Hildburghausen; § 2 Verfassung Sachsen-Meiningen; ähnlich Tit. VI § 9 Verfassung Bayern. 526 Die Behauptung von Gerhard Müller, auch das sachsen-coburgische „Einkammerparlament“ habe sich „zu je einem Drittel aus Ritterschaft, Städtevertretern und Bauern“ zusammengesetzt (Kleinstaatlicher Parlamentarismus in Thüringen, S. 150), findet im Verfassungstext keine Grundlage. Ebensowenig kann von einer Rückkehr „zur alten Ständevertretung“ gesprochen werden (so aber Manfred Firnkes, „Restauration“ und „Vormärz“, S. 37). 527 § 33 Verfassung Baden; § 133 Nr. 6 Verfassung Württemberg; § 53 Nr. 3 Verfassung Hessen-Darmstadt. 528 Nicht gefolgt werden kann der Ansicht Peter Michael Ehrles, der aus der Formulierung „aus ihrer Wahlklasse“ in § 43 einen altständischen Einfluß konstruiert und eine „strenge Klassenwahl“ vermutet (Volksvertretung im Vormärz, S. 615 f.). 529 Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die Geschichte der Staaten des Ernestinischen Hauses Sachsen, S. 98; Reinhard Jonscher, Thüringische Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, S. 17. 530 Vgl. dazu Peter Michael Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, S. 488 ff. 531 Ebenso § 38 Verfassung Baden, § 157 Verfassung Württemberg (dort Periode von acht Jahren), § 30 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach, Tit. VI § 13 Verfassung Bayern, Art. 59 Verfassung Hessen-Darmstadt, § 16 Verfassung Sachsen-Hildburghausen. 532 Formulierung weitgehend wortgleich in Art. 63 Verfassung Hessen-Darmstadt; vgl. auch Tit. VII § 31 Verfassung Bayern, § 45 Verfassung Sachsen-Hildburghausen, § 52 Verfassung Baden und § 192 Verfassung Württemberg. 533 Die gleiche Situation bestand in Bayern (Tit. VIII § 25), Baden (§ 69) und HessenDarmstadt (§ 88), so daß die faktische Kritik bei Reinhard Jonscher (Thüringische Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, S. 17) verwundert. 534 Ebenso § 155 Verfassung Württemberg und §§ 6, 19 Verfassung Sachsen-Hildburghausen, in Ansätzen Tit. VII § 25 Verfassung Bayern. 535 Vgl. oben III.5.d).

468

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

achs (§ 13). Dies erscheint dennoch fortschrittlicher als das in einigen Staaten bestehende dreigestufte Wahlverfahren.536 Im Gegensatz zur Situation in Sachsen-Weimar-Eisenach, wo der Landmarschall auch auf Lebenszeit gewählt werden konnte (§ 58), war die Position des auf Zeit gewählten537 Landschaftsdirektors kein altständisches Relikt (ebenso § 25 Verfassung Sachsen-Hildburghausen), an die Stelle des in Sachsen-Hildburghausen (§ 27) noch auf altständische Weise auf Lebenszeit angestellten landschaftlichen Syndicus war der Sekretär der Ständeversammlung getreten (§ 87). Das im System der §§ 60 – 62 enthaltene Refusationsrecht des Landesherrn, zu dem das ansonsten übliche Wahlprüfungsrecht538 ausgeweitet worden war, stellte jedoch unzweifelhaft ein altständisches Relikt dar, das in späteren Auseinandersetzungen zwischen Ständeversammlung und Herzog Ernst eine maßgebliche Rolle spielen sollte.539 c) Rechte der Ständeversammlung Die Rechte der Ständeversammlung in toto waren in verbreiteter Weise540 in der Verfassungsurkunde enumeriert und bezogen sich auf Gesetzgebung, Finanzverwaltung und Beschwerdeführung (§ 63). Neben Änderungen der Verfassungsurkunde selbst (§ 64)541 bedurften Gesetze mit Auswirkungen auf Eigentum und persönliche Freiheit der Zustimmung der Landstände (§ 65).542 Die finanzverfassungsrechtlichen Regelungen stellten den „bedeutsamste(n) Meilenstein in der Entwicklung eines selbständigen Budgetrechts der Landesvertretungen in den deutschen Staaten“543 dar. Neben der erstmals in DeutschSiehe dazu Dieter Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 126. Ungenau Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha, S. 50, nach dessen Ansicht die Entscheidung über die Ernennung des Landschaftsdirektors auf Vorschlag der Stände durch den Herzog erfolgte. 538 Wie beispielsweise in §§ 48 ff. Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach, § 18 Verfassung Sachsen-Hildburghausen. 539 Siehe dazu Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha, S. 86 ff. 540 § 25 Verfassung Waldeck, § 5 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach, Tit. VII § 1 Verfassung Bayern, Art. 66 Verfassung Hessen-Darmstadt. 541 Ebenso § 64 Verfassung Baden, § 174 Verfassung Württemberg, Tit. X § 7 Abs. 1 Verfassung Bayern, Art. 110 Verfassung Hessen-Darmstadt, § 53 Verfassung Sachsen-Hildburghausen. 542 Ebenso § 2 Nr. 1 des nassauischen Patents vom 1. / 2. September 1814, ähnlich § 25 lit. c Verfassung Waldeck, § 5 Nr. 6 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach, Tit. VII § 2 Verfassung Bayern und § 85 Verfassung Sachsen-Meiningen. 543 Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 44. In jedem Falle sei die coburgische Regelung weitaus fortschrittlicher als die aller Groß- und Mittelstaaten (S. 55). 536 537

V. Die Verfassungsurkunde für Sachsen-Coburg-Saalfeld

469

land544 vorgesehenen Gesetzesform des Haushaltsplanes (§ 68) und der ständischen Mitwirkung bei jeder Kreditaufnahme (§ 75)545 stand der Ständeversammlung nicht nur das in § 70 eher versteckt enthaltene Steuerbewilligungsrecht546 zu, sondern auch eine Ausgabenkontrolle durch die Etatbewilligung (§ 68 Nr. 1)547 in Verbindung mit der Verpflichtung der Behörden zur Einhaltung dieser Etats (§ 115548) und dem Recht zur Überwachung derselben (§ 68 Nrn. 2 ff.) sowie eine Beteiligung an der Verwaltung der Landeskasse durch die Landeskassenkuratel (§ 106). Letztere kann aber nicht mehr als Fortwirken des altständischen Dualismus angesehen werden549: Zwar erinnert sie infolge der paritätischen Zusammensetzung aus einem Vertreter der Landesregierung und einem Ausschußmitglied an eine altständische Deputation, andererseits oblag im Streitfall die letzte Entscheidung dem Landesherrn, was eher den Charakter einer regulären Verwaltungsbehörde mit ständischer Beteiligung nahelegt. Der Abschnitt über das landständische Beschwerderecht (§§ 77 ff.) stellte hinwiederum lediglich eine minimal geänderte Textstufe der Art. 79 ff. Verfassung Hessen-Darmstadt dar. d) Bewertung Durch Zeit und Raum vergleichender Eklektizismus der Behörden – insbesondere des Regierungsrats Lotz – und der Landstände – insbesondere des Sekretärs Rose – ermöglichten eine vom Text her fortschrittliche Verfassung für SachsenCoburg-Saalfeld. Neben dem Grundrechtskatalog fällt die weitgehende Beschneidung ständischer Privilegien wie der Steuerfreiheit ins Auge; als altständisches Relikt verblieb lediglich die besondere Repräsentation von Ritterschaft und Stadtverwaltungen in der (ansonsten) nicht altständisch gegliederten Ständeversammlung. Eher durch Zufall entstanden bedeutende Regelungen im Bereich des Finanzverfassungsrechts, deren genauer Ursprung leider nicht mehr ermittelt werden kann.

544 Die überholte Auffassung, die gesetzliche Festsetzung von Haushaltsplänen sei in Deutschland ein Ergebnis der durch die Revolution von 1848 in Gang gesetzten Ereignisse, wurde bereits von Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 44 f. widerlegt. 545 Ähnlich § 5 Nr. 2 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach und § 14 Nr. 2 Verfassung Sachsen-Meiningen. 546 Deutlicher waren § 2 Nr. 3 des nassauischen Patents vom 1. / 2. September 1814, § 25 lit. a Verfassung Waldeck, § 5 Nr. 2 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach, § 53 Verfassung Baden, § 109 Verfassung Württemberg, Tit. VII § 3 Verfassung Bayern; Art. 67 Verfassung Hessen-Darmstadt und § 2 lit. d Verfassung Sachsen-Hildburghausen. 547 Ähnlich § 5 Nr. 1 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach, § 25 lit. b Verfassung Waldeck, § 11 Verfassung Württemberg und Tit. VII §§ 4 ff. Verfassung Bayern. 548 Dieser stellt eine Textstufe zu § 102 Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach dar. 549 So offenbar aber Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 100 f.

470

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

3. Ergänzungen zur Verfassung a) Errichtung der Staatsschuldentilgungskasse Am 2. September 1821 wurde der Ständeversammlung der Entwurf eines „Edicts über die Staatsschulden“ übersandt.550 Nach einer kurzen Aussprache551 trugen die Stände in ihrer Erklärungsschrift vom 7. September 1821552 nur wenige Änderungsansinnen vor, denen im „Schulden-Edict“ vom 13. September 1821553 entsprochen wurde. Unter Bezugnahme auf § 75 der Verfassung errichtete § 1 die Staatsschuldentilgungskasse als besondere Finanzverwaltungsbehörde für Tilgung und Verzinsung der bislang bestehenden Landes- und Domanialschulden unter der Leitung des Rendanten der Landeskasse (§ 4 S. 2), für die nach § 4 S. 1 ein eigener Etat herzustellen war. Als Einnahmen wurden der Schuldentilgungskasse neben einem jährlichen Fixum von 132.231 fl. 30 3/4 xr. aus dem allgemeinen Haushalt sowie den Überschüssen und Ersparnissen aller Kassen auch außerplanmäßige Forderungen und die Erlöse aus der Ablösung von Feudallasten und dem Austausch von Domänengütern zugewiesen. Damit unterschied sich das coburgische System vom preußischen, wo das „Edikt über die Finanzen des Staats und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben“ vom 27. Oktober 1810 den Grundsatz aufgestellt hatte, daß die Staatsschulden durch Verkauf der Domänen zu tilgen seien. Bis zum Abtrag der Schulden auf die Hälfte, nämlich eine Million fl. rh., wies § 6 der Schuldentilgungskasse zudem die Überschüsse der Hauptdomänenkasse zu. Die Situation des Schuldenwesens war zu Beginn jeder Haushaltsperiode unter Mitwirkung der Ständeversammlung zu prüfen und der Etat herzustellen, dem ebenso wie dem allgemeinen Haushaltsplan Gesetzeskraft zukam (§ 7). Die Verwaltung der Schuldentilgungskasse (§ 9) oblag einer eigenen Kommission unter der Aufsicht des Landesministeriums, die aus Mitgliedern der Landesregierung und des Ausschusses zusammengesetzt war (§ 8). § 10 wies dieser Kommission den gleichen Status, der der Landeskassenkuratel nach der Verfassung zustand, zu. § 2 wiederholte zudem den bereits in § 75 der Verfassung enthaltenen Grundsatz, daß die Aufnahme neuer Kredite der Zustimmung der Ständeversammlung bedurfte.

StACo Min E 3639 fol. 10 – 11’ = StACo Landtag 1465 fol. 2 – 4. StACo Landtag 79 Vol. II fol. 102 – 103. 552 StACo Min E 3639 fol. 14 – 15’ = StACo Landtag 1465 fol. 5 – 8. 553 Textanhang Nr. 34 = StACo Landtag 1465 fol. 10 – 11’ = StACo Min E 3639 fol. 18 – 20’ = StACo LA F 5058 = StACo LA L 438. Die Errichtung der Behörde erfolgte damit nur drei Monate später als im „Vorbild“ Hessen-Darmstadt (dazu oben III.5.e)), wo die Tilgungsanstalt durch das Staatsschuldentilgungsgesetz vom 29. Juni 1821 ins Leben gerufen wurde (siehe dazu Dagobert Karenberg, Die Entwicklung der Verwaltung in Hessen-Darmstadt, S. 120 f.). 550 551

V. Die Verfassungsurkunde für Sachsen-Coburg-Saalfeld

471

b) Instruktion für die Landeskassenkuratel Die Instruktion für die Landeskassenkuratel vom 12. Dezember 1821554 regelte unter Berufung auf § 106 der Verfassung in erster Linie Verfahrensfragen und setzte in § 2 fest, daß das in die Landeskassenkuratel zu entsendende Ausschußmitglied von der Ständeversammlung zu nominieren und die Entscheidung dem Landesherrn zur Bestätigung vorzulegen war. Wieder einmal wurde der Grundsatz festgehalten, daß die im Etat vorgesehenen Positionen in keinem Fall überschritten werden durften (§ 17).

c) Verfassungsgarantie durch den deutschen Bund Mit Schreiben vom 27. November 1821 wurde der gemeinschaftliche ernestinische Gesandte beim Bundestag, Carl Leopold Graf von Beust, beauftragt, die in § 121 der Verfassung vorgesehene Garantie des Bundes einzuholen.555 Ein Antrag darauf wurde in der 33. Sitzung der Bundesversammlung am 13. Dezember 1821 gestellt.556 Die Garantieübernahme wurde unter Bezugnahme auf Art. 58 und 60 der Wiener Schlußakte in der 5. Sitzung am 7. Februar 1822 – unter Vorbehalt der übrigen ernestinischen Häuser hinsichtlich der gesamternestinischen Hausverfassung557 – sowie in der 20. Sitzung am 15. Juni 1822 beschlossen.558 Dieser Beschluß wurde zur letzten Garantieübernahme einer Landesverfassung durch den deutschen Bund und damit zur einzigen derartigen Übernahmeerklärung nach der Zuweisung der Kompetenz hierfür durch Art. 60 der Wiener Schlußakte.559 Zuvor hatte der Bund die Garantie für die Verfassungen von Sachsen-WeimarEisenach am 13. März 1817560, das mecklenburgische Staatsgesetz über die Entscheidung von Verfassungsstreitigkeiten am 25. Mai 1818561 und die Verfassung StACo Landtag 229 fol. 11 – 16. StACo Min J 259 fol. 191. 556 Abschriften bei StACo Landtag 12 / 2 fol. 114 = StACo Landtag 79 Vol. II Tit. 2 Loc. 1 Nr. 1 S. 112 = Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 12. Band, S. 311. 557 Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 13. Band, S. 12 f. 558 Schreiben Beusts an Herzog Ernst abschriftlich bei StACo Min J 259 fol. 210; Protokoll der 20. Sitzung der Bundesversammlung am 15. Juni 1822, Abschriften bei StACo Landtag 12 / 2 fol. 113 = StACo Landtag 79 Vol. II Tit. 2 Loc. 1 Nr. 1 S. 112 = Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 14. Band, S. 60 = Heinrich Zoepfl (Hrsg.), Corpus Iuris Confoederationis Germanicae, Zweiter Theil, S. 147. 559 Weitere Anträge wurden nur noch dilatorisch behandelt, siehe Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 650. 560 Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 1. Band, S. 113 ff., § 35; S. 162 f., § 42; 2. Band S. 103 ff., § 93 = Heinrich Zoepfl (Hrsg.), Corpus Iuris Confoederationis Germanicae, Zweiter Theil, S. 39 f. 561 Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 5. Band, S. 263 ff., § 127 = Heinrich Zoepfl (Hrsg.), Corpus Iuris Confoederationis Germanicae, Zweiter Theil, S. 64 ff. 554 555

472

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

von Sachsen-Hildburghausen am 1. Oktober 1818562 übernommen. Eine Garantieübernahme für spätere Verfassungen wurde abgelehnt.563 Eine förmliche Mitteilung der Garantieübernahme an die Ständeversammlung erfolgte erst mit Schreiben Herzog Ernsts vom 23. April 1840.564

d) Die Verordnung über die Rechtsstellung der Zivilstaatsdiener vom 20. August 1821 Mit Schreiben vom 18. Juli 1821565 übermittelte die Landesregierung der Ständeversammlung den neuesten Entwurf der „Verordnung über die Verhältniße der Civil-Staatsdiener“.566 Die Stände zeigten sich in ihrer Erklärungsschrift vom 2. August 1821567 mit dessen Regelungen grundsätzlich einverstanden und forderten, zusätzlich Regelungen über Pensionszahlungen an Witwen und Waisen einzufügen. Nach Aufnahme einer solchen Vorschrift wurde die Verordnung sodann unter dem Datum des 20. August 1821 ausgefertigt.568 Auch diese Änderung blieb noch hinter dem Regelungsstandard Bayerns zurück: Während § 25 der Verordnung Witwen 1 / 6 der Bezüge des verstorbenen Beamten als Pension gewährte, setzte Nr. XXIV §§ 2 f. der bayerischen Hauptlandespragmatik bereits 1 / 5 fest. § 26 enthielt lediglich einen Pensionsanspruch für Vollwaise, allerdings in Höhe von 3 / 10 der Bezüge des Verstorbenen, während Nr. XXIV § 4 der bayerischen Hauptlandespragmatik auch Halbwaisen einen Pensionsanspruch von 1 / 5 zusprach. In Preußen existierten derartige Regelungen über Pensionen noch nicht, §§ 68 ff. ALR II 10 enthielt jedoch schon Regelungen über „Civilbediente“, wobei auch schon Schutzmaßnahmen in §§ 94 ff. enthalten waren. Kodifikationen des Beamtenrechts ließen jedoch insbesondere in den anderen Kleinstaaten noch Jahrzehnte auf sich warten. 562 Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 5. Band, S. 251 ff., § 115; 6. Band, S. 134 f., § 209; S. 143, § 213; S. 181, § 223; S. 196 f., § 228 = Heinrich Zoepfl (Hrsg.), Corpus Iuris Confoederationis Germanicae, Zweiter Theil, S. 69. 563 Christian Hermann Schmidt, Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Monarchie, S. 84. 564 StACo Landtag 12 / 2 fol. 112. 565 StACo Landtag 768 fol. 1. 566 StACo Min J 242 fol. 204 – 208’ = StACo Landtag 768 fol. 2 – 6’. Die bei Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 107 verwendete Bezeichnung „Verordnung den Civilstaatsdienst der Beamten betreffend“ ist unrichtig, ebenso die Behauptung, die Rechtsnorm sei „von den Abgeordneten erarbeitet und im Zusammenwirkung mit der Regierung in entsprechende Gesetzesform gebracht“ worden. 567 StACo Landtag 768 fol. 13 – 18. 568 Textanhang Nr. 33 = StACo Landtag 768 fol. 20 – 24 = StACo LA F 5338 = StACo LA L 557 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 151 ff.

V. Die Verfassungsurkunde für Sachsen-Coburg-Saalfeld

473

Mit der Einführung der Kontrasignatur landesherrlicher Erlasse durch verantwortliche Staatsdiener in § 24 der Verordnung lag Sachsen-Coburg-Saalfeld zeitlich vor mehreren bedeutenden deutschen Staaten.569

e) Vorzeichnung eines weiteren Gesetzgebungsprogrammes Die Verfassung sah ferner noch in § 17 ein Gesetz über Ablösung der Feudallasten sowie in § 31 eine umfassende Regelung der Gemeindeangelegenheiten vor, worauf auch im Landtagsabschied vom 18. November 1821 hingewiesen wurde.570 Diese beiden Themen waren als Gegenstände für Gesetzgebungsaufträge zeitgenössisch weit verbreitet.571 Ihre umfassende gesetzgeberische Verwirklichung sollte jedoch noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen.572

f) Planung weiterer Verwaltungsreformen während der Verfassunggebung Ein Entwurf vom 1. März 1819573 sah eine Verschmelzung der Landesregierung mit dem Ministerium unter der Bezeichnung „Herzogliches Landesministerium“ vor, wie sie ab 1858 auch bestehen sollte.574 Diese Behörde sollte trotz einer im Prinzip kollegialen Organisation in fünf Sektionen (Auswärtige Angelegenheiten unter Leitung Gruners, Finanzen, Polizei / Industrie / Nationalökonomie, Kultus / Unterricht / Kirchenfragen, Militär) aufgeteilt werden. Das Präsidium der Behörde 569 Während Sachsen-Weimar-Eisenach die Kontrasignatur bereits durch Verordnung vom 15. Dezember 1815 mit Wirkung vom 1. Januar 1816 eingeführt hatte (Hermann Ortloff, Die Verfassungsentwicklung im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 14 f.; Reinhard Jonscher, Thüringische Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, S. 14 f.) und HessenDarmstadt derartige Bestimmungen in Art. 109 der Verfassungsurkunde enthielt (zum Ausführungsgesetz vom 5. Juli 1821 vgl. Dagobert Karenberg, Die Entwicklung der Verwaltung in Hessen-Darmstadt, S. 103), folgte das Königreich Hannover erst mit dem Staatsgrundgesetz von 1837 (Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 82), Baden sogar erst mit Art. IV des Gesetzes vom 20. Februar 1868 (Dieter C. Umbach, Parlamentsauflösung in Deutschland, S. 62). 570 Siehe dazu sogleich 4. 571 Vgl. Rolf Grawert, Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang konstitutioneller Regierung, S. 125. 572 Zur endgültigen Umsetzung unten H.II.3. und H.III.2.d). 573 StACo LA F 5795. Bei diesem Schriftstück handelte es sich erkennbar nur um einen Entwurf und nicht etwa, wie Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 238 (dort in Fußnote 35 unrichtig als LA F 5797 zitiert) meint, um eine tatsächlich „erfolgte Neugliederung“ der Verwaltung, da die in diesem Entwurf vorgesehene Auflösung der Landesregierung erst 1858 erfolgte, siehe dazu unten H.III.2.c). Mithin bestehen nicht „Zweifel an der Umsetzung“, wie Heß selbst a. a. O. ausführt, sondern es lag nicht einmal eine umsetzbare Norm vor. 574 Siehe dazu unten H.III.2.c).

474

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

sollte der Herzog selbst führen, als organisatorischer Leiter des Kollegiums sollte Gruner fungieren. Dem Landesministerium sollten die Landesregierung als Justizkollegium, die Ämter (Oberämter in Coburg und Saalfeld, Ämter in Gräfenthal, Neustadt und Themar), Kammerämter, Magistrate und die Landeskommission in St. Wendel unmittelbar nachgeordnet sein. Die Gegenzeichnung herzoglicher Schreiben sollte ausschließlich durch den Chef des Landesministeriums vorgenommen werden. In einem Konzept zu einem landesherrlichen Reskript an das Landesministerium vom 18. Juni 1820575 wurde bereits von einer mangelnden Leistungsfähigkeit der Landesregierung infolge ihrer eigenen inneren Organisation gesprochen. Problematisch sei vor allem, daß keine klaren Grenzen zwischen den Zuständigkeitsbereichen des Landesministeriums und der Mittel- und Unterbehörden bestünden, so daß sich die Tätigkeit der Landesregierung häufig nur auf die Weiterleitung der Entwürfe der Unterbehörden an das Landesministerium bzw. der Entschlüsse des Ministeriums an erstere beschränkte. Ein weiterer Nachteil sei der kollegiale Geschäftsverlauf der Landesregierung in allen Angelegenheiten. Damit hatte die Grundeinstellung hinsichtlich der Verwaltungsreform wieder Kretschmanns hierarchisches Prinzip erreicht. Nunmehr sollten die Landeshoheitssachen mit der Landesregierung als Justizkollegium und die übrigen Geschäftsbereichte mit dem Landesministerium vereinigt werden, wobei – inkonsequenterweise – die Behördenbezeichnung Landesregierung erhalten bleiben sollte. 4. Der Landtagsabschied von 1821 Der unter dem 18. November 1821 signierte Landtagsabschied576 führte aus, daß das in § 74 der Verfassung angesprochene Konskriptionsreglement bereits unter Berücksichtigung der ständischen Wünsche fertiggestellt wurden sei, ebenso seien mit Beteiligung der Ständeversammlung die Verordnung über die Verhältnisse der Beamten (§ 23 der Verfassung) und das Schuldenedikt (§ 75 der Verfassung) ergangen. Die übrigen in der Verfassung enthaltenen Gesetzgebungsaufträge seien an die Landesregierung weitergeleitet worden. Zudem seien eine Verbesserung des Zunftwesens, der Erlaß eines Regulativs über die Aufteilung (Vereinzelung) von Rittergütern, genauere Bestimmungen über die Rechtsverhältnisse der Juden und die Vereinfachung des Geschäftsgangs bei den Landesbehörden beabsichtigt.

StACo LA F 5796. August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band I S. 66 ff. = StACo LA L 439. 575 576

V. Die Verfassungsurkunde für Sachsen-Coburg-Saalfeld

475

5. Reaktionen auf die Verfassung Sachsen-Coburg-Saalfelds Am 7. Oktober 1821 berichtete der Regierungspräsident des Obermainkreises an den bayerischen König von der coburgischen Verfassung, sie sei „größtentheils Kopie der baierischen Staats-Verfassung, doch dürfte dieses neue Verfassungs-Produkt in so weit nicht uninteressant seyn, als man hierinn auch in diesem kleinen Nachbarstaate und bey einer Stände-Versammlung von sechzen Köpfen – dennoch das gleiche Streben nach Einmischung in Regierungs-Rechte des Fürsten, und nach Bevormundung desselben in seinem Finanz-Haushalte, wie in größeren Staaten, wahrnimmt.“577

Dem Vorbild der coburgischen Verfassung folgten nach Günther Engelbert nunmehr die meisten kleinstaatlichen Verfassungsurkunden578; der Meinung von Peter Michael Ehrle zufolge treffe dies jedoch nur für die Verfassungen von SachsenMeiningen579, Sachsen-Altenburg580 und Schwarzburg-Sondershausen581 zu.582 Inwieweit die Ähnlichkeiten zu diesen Verfassungen auf eine Verwendung der Verfassungsurkunde Sachsen-Coburg-Saalfelds bei den dortigen Verfassungsarbeiten beruhen, kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht beurteilt werden. Im Rahmen eines reinen Textvergleichs läßt sich jedoch folgendes feststellen: ➢ Der Grundrechtskatalog Sachsen-Coburg-Saalfelds erscheint umfassender als derjenige Sachsen-Meiningens, andererseits waren die Regelungen u¨ber die Gemeinden in der sachsen-meiningischen Verfassung ausfu¨hrlicher. SachsenMeiningens Verfassung verfu¨gte zudem u¨ber eine detailliertere Regelung des o¨ffentlichen Vermo¨gens und der Doma¨nenfrage. Die a¨ußere Gliederung der beiden Texte stimmte weitgehend u¨berein. Im Gegensatz zu Sachsen-CoburgSaalfeld bestand die meiningische Sta¨ndeversammlung jedoch noch aus den drei Klassen der Rittergutsbesitzer, Sta¨dte und Bauern; auch war der Landmarschall aus der Klasse der Rittergutsbesitzer zu wa¨hlen. ➢ Die Verfassung Sachsen-Altenburgs verfu¨gte u¨ber eine weitgehend vergleichbare a¨ußere Gliederung des Textes, wobei diese – ausweislich der Pra¨ambel mit Zustimmung der dortigen Landschaft erlassen – mit u¨ber 200 Paragraphen weitgehend ausfu¨hrlicher gefaßt bzw. ausschweifender formuliert war. Die altenburgische Norm erscheint jedoch durchweg restriktiver als die Verfassung 577 BayHStA MA 89885, unfol.; jetzt auch abgedruckt bei Carl-Christian H. Dressel, Die Verfassung des Herzogtums Sachsen-Coburg-Saalfeld von 1821, S. 33. 578 Der Konstitutionalismus in den deutschen Kleinstaaten, S. 114 („Coburger Muster“). 579 Verfassung vom 23. August 1829, abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 833 ff. 580 Verfassung vom 29. April 1831, abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 856 ff. = Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 574 ff. 581 Wohl den Verfassungsentwurf vom 28. Dezember 1830, abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 1067 ff. 582 Volksvertretung im Vormärz, S. 136.

476

D. Verfassung und Verwaltung in der frühkonstitutionellen Periode

Sachsen-Coburg-Saalfelds, da sie durchga¨ngig von Untertanen sprach, u¨ber einen eigenen Abschnitt „Pflichten der Untertanen“ verfu¨gte, Grundrechte in eingeschra¨nkterem Umfang garantierte und – trotz aller Ausfu¨hrlichkeit – bedeutend weniger Ausfu¨hrungen u¨ber das Finanzwesen enthielt. ➢ Der Verfassungsentwurf Schwarzburg-Sondershausens stellt nicht zuletzt auch aufgrund seiner Ku¨rze (13 knappe Paragraphen bei vergleichbarer a¨ußerer Gliederung) eine reine Reduktionsvariante eines Grundgesetzes dar, da dieser u¨ber keinerlei Grundrechtsgarantien verfu¨gte und die dortige Sta¨ndeversammlung noch sta¨ndisch strukturiert sein sollte. ¨ hnlichkeit mit der Verfassung Sachsen-Coburg-Saalfelds weisen ➢ Die meiste A jedoch der Verfassungsentwurf Hohenzollern-Sigmaringens aus dem Jahr 1832583 und die Verfassung vom 11. Juli 1833584 auf, die beide insoweit von Peter Michael Ehrle nicht beachtet wurden. Die a¨ußere Gliederung des Verfassungstextes ist vo¨llig (Entwurf) bzw. teilweise (Verfassungsurkunde) identisch mit derjenigen der sachsen-coburgischen Verfassung, in weiten Teilen sind diese Normen als reine Textstufe zu dieser anzusehen. ➢ Ebenso a¨hnlich weisen die Verfassung Hannovers vom 26. September 1833585 und der dazugeho¨rige Verfassungsentwurf vom 15. November 1831586 – freilich modifiziert durch die Bedu¨rfnisse eines großen Fla¨chenstaates – deutliche Parallelen in Inhalt und a¨ußerer Gliederung zur Verfassung Sachsen-CoburgSaalfelds sowie zur Verfassung Sachsen-Altenburgs auf. Eine weitere Aufarbeitung dieser Frage muß den Forschungen zur Verfassungsgeschichte dieser Staaten vorbehalten bleiben.

583 Abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 1072 ff. 584 Abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Dritter Band, S. 532 ff. 585 Grundgesetz des Königreichs Hannover, abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Dritter Band, S. 571 ff. = Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 338 ff. 586 Abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 317 ff.

E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs Nach Erlaß der Verfassung kam es in den zwanziger Jahren des XIX. Jahrhunderts trotz der territorialen Veränderungen infolge des gothaischen Erbvergleichs lediglich zu Veränderungen im Verwaltungsbereich. Verfassungsreformen blieben ebenso wie die Erfüllung der Gesetzgebungsaufträge der Verfassung aus.

I. Reformen in zeitlichem Zusammenhang mit der Verfassung 1. Versuch einer Reform der Verwaltung der Stadt Coburg a) Initiative von Bürgerschaft und Magistrat Unter Bezugnahme auf die Einführung der landständischen Verfassung baten 300 Bürger der Stadt Coburg in einer Eingabe vom 6. September 1821 um eine Reform der Verwaltungsorganisation in den Kommunen mit dem Ziel, auch dort eine Mitwirkung des Volkes zu ermöglichen.1 Als Vorbild wurde ausdrücklich die Situation in Bayern genannt. Nach der Vorstellung der Unterzeichneten sollte die Wahl der Viertelsmeister2 nicht mehr durch den Magistrat, sondern durch die Bürger selbst erfolgen. Die gewählten Viertelsmeister sollten dem Magistrat zusammen mit weiteren gewählten Vertretern als Bürgerrepräsentation zur Seite stehen. Dieses neue Gremium sollte auch über einen Vorsteher und einen Sekretär verfügen. Seine Zuständigkeit sollte die Wahl der Mitglieder des Magistrats, eine Mitwirkung bei der Besetzung der Pfarrer- und Schulstellen und die Überwachung des Finanzgebarens des Magistrats umfassen. Der Magistrat der Stadt unterstützte mit Bericht vom 10. September 1821 die Forderung der Bürger nach der „Herstellung einer ordentl. Communal-Verfaßung nach dem Muster anderer Städte“.3 Die Landesregierung teilte diese Einschätzung, da somit erstmals der Bürgerschaft der Stadt Coburg eine Mitwirkung in städtischen Angelegenheiten ermöglicht werden konnte, und sah die Regelungen der bayerischen Verordnung über 1 2 3

StACo Min D 4151 fol. 2 – 15. Zur Funktion der Viertelsmeister siehe oben B.II.2.b)aa)(2). Stadtarchiv Coburg A 6218 fol. 1 – 2’.

478 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

die Verfassung und Verwaltung der Gemeinden vom 17. Mai 18184 als vorbildlich an.5 Die künftige Stadtverwaltung sollte aus einem Magistrat, der sich aus einem Bürgermeister, ein oder zwei rechtskundigen Stadträten, einem Stadtschreiber sowie acht bis zehn Bürgern zusammensetzen sollte, und einem Gemeindeausschuß bestehen. Dessen Mitgliederzahl sollte das Dreifache der Mitglieder des Magistrats umfassen und von den Bürgern auf neun Jahre gewählt werden. Er sollte die Mitglieder des Magistrats nach Stimmenmehrheit wählen und bei der Verwaltung der Stadt Coburg mitwirken. An die Stelle der Viertelsmeister sollten Distriktsvorsteher6 treten, die vom Magistrat auf drei Jahre gewählt wurden. b) Entwurf einer Stadtordnung durch Magistrat und Bürgerrepräsentanten Die Landesregierung genehmigte am 27. Oktober 18217 das Zusammentreten des Magistrats mit einem indirekt gewählten Bürgerausschuß zum Zwecke der Ausarbeitung eines Entwurfs für die zukünftige Stadtverfassung nach dem Vorbild der bayerischen Verordnung vom 17. Mai 1818, jedoch mit der Maßgabe, daß die bisherigen städtischen Beamten auf Lebenszeit in ihren Stellen bleiben sollten und die Bürgerdeputierten nur im Falle des Ausscheidens mitwirken könnten. Jede Wahl müsse auf Lebenszeit geschehen und bedurfte einer herzoglichen Bestätigung. Der vom Magistrat erarbeitete Entwurf für die Stadtordnung wurde mit dem Wahlaufruf unter dem 27. November 1821 veröffentlicht.8 In diesem wurde die bisherige Aufteilung der Einwohner in Bürger und Schutzverwandte9 beibehalten. Die Rechte der Bürger, deren Wohnsitz in der Stadt oder deren „Weichbild“ belegen sein mußte, sollten in der Teilnahme an der indirekten Wahl der Repräsentanten der Bürgerschaft sowie der Wahl der Bezirksaufseher bzw. Viertelsmeister und einem Anwesenheitsrecht bei Beratungen des Magistrats über die Verwaltung des städtischen Vermögens bestehen. Der Magistrat selbst sollte aus den beiden Bürgermeistern mit der Bezeichnung „Polizeidirektor“ und „Justizdirektor“, dem Polizeikommissar, dem Stadtkämmerer, dem rechtskundigen Magistrats- und 4 GBl. 1818, Sp. 49 ff. = Rolf Kiessling / Anton Schmid, Das staatliche Gewaltmonopol, S. 160 ff. = Franz-Ludwig Knemeyer, Die bayerischen Gemeindeordnungen 1808 – 1945, S. 32 ff. 5 StACo Min D 4151 fol. 29 – 39’. 6 Eine ähnliche Bezeichnung („Bezirksvorsteher“) führte § 13 der preußischen Städteordnung vom 19. November 1808 (PrGS 1806 – 1810, S. 324 ff.) ein. 7 Stadtarchiv Coburg A 6218 fol. 55 – 56 = StACo Min D 4151 fol. 20, 20’; Ermächtigung durch das Landesministerium mit Schreiben vom 20. Oktober 1821 bei StACo Min D 4151 fol. 39’, 40. 8 Stadtarchiv Coburg A 6218 fol. 58 – 65; Entwurf ebd. fol. 38 – 52; Druck bei StACo Min D 4151 fol. 22 – 27’ = Stadtarchiv Coburg A 6218 fol. 68 – 77’. 9 Vgl. zur hergebrachten Situation in Preußen ALR II 8 §§ 13, 72 ff.

I. Reformen in zeitlichem Zusammenhang mit der Verfassung

479

Justizsekretär, dem Bauinspektor, dem Rechnungsbeamten der Stadtkasse und sechs Senatoren bestehen und kollegial organisiert sein. Der dienstältere der beiden Bürgermeister hatte als „erster Bürgermeister“ repräsentative Vorrechte wie den Vorsitz bei den Magistratssitzungen. Die auf sechs Jahre gewählte Bürgerrepräsentation sollte aus 18 Mitgliedern bestehen und das Recht zur Wahl eines Vorstehers und eines Protokollführers haben. Die Mitglieder des Magistrats sollten von ihr auf Vorschlag des Magistratsvorstandes aus einer Dreierliste auf Lebenszeit gewählt werden. Ferner sollte sie die Jahresrechnungen prüfen und bei allen Angelegenheiten von finanzieller Bedeutung zu Rate gezogen werden. Die Wahl der Wahlmänner wurde vom 10. – 12. Dezember 1821 durchgeführt10, die Wahl der Bürgerrepräsentanten erfolgte sodann am 14. Dezember 182111; dieser Ausschuß befaßte sich umgehend mit dem vorgelegten Entwurf der Stadtordnung.12 Die geänderte Fassung wurde der Landesregierung mit Schreiben des Magistrats vom 23. Februar 1822 vorgelegt.13 c) Ergebnislose Änderungen des Entwurfs aa) Änderungsvorschläge der Exekutive (1) Landesregierung Die Landesregierung empfahl in ihrem Bericht an das Landesministerium vom 23. März 182214, Veränderungen an dem veröffentlichten Entwurf vorzunehmen, da dieser vom Aufbau her „unsystematisch und fehlerhaft“ sei. Die neue Stadtordnung müsse vom Herzog selbst erlassen werden, da das Recht zur Regelung der Angelegenheiten der Kommunen im landesherrlichen Gesetzgebungsrecht enthalten sei. Der Abschnitt „Von der Bürgerschaft“ solle nach dem Vorbild der bayerischen Verordnung vom 17. Mai 1818 umformuliert werden. Dabei sollten zur Teilnahme an den Repräsentantenwahlen nur diejenigen – in der Bürgerrolle der Stadt Coburg eingetragenen – Bürger berechtigt sein, die ihren Wohnsitz in der Stadt Coburg hatten und im Stadtgebiet über besteuerte Häuser oder Grundstücke verfügten oder besteuerte Gewerbe ausübten. Das passive Wahlrecht sollte an ein Grundeigentum im Mindestwert von 2.000 fl. rh. und an ein Mindestalter von dreißig Jahren gebunden sein. Die Landesregierung wandte sich zudem gegen die Übertragung eines ideellen Anteils am Stadtvermögen an die einzelnen Bürger, da sie dem Begriff von dem der Gemeinde als solcher zustehenden Vermögen widerspreche.15 10 11 12 13 14

Ergebnisse bei Stadtarchiv Coburg A 6218 fol. 79, 79’. Ergebnisse bei Stadtarchiv Coburg A 6218 fol. 80. Stadtarchiv Coburg A 6218 fol. 93 – 146. Stadtarchiv Coburg A 6219 fol. 1, 1’. StACo Min D 4151 fol. 44 – 71.

480 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

Die Bürgerrepräsentation sollte aus fünfzehn Personen bestehen und von den Bürgern auf sechs Jahre gewählt werden, wobei alle drei Jahre die Hälfte der Repräsentanten ausscheiden sollte. Die vorgeschlagenen zwei Bürgermeister seien mehr als ausreichend, der zusätzlich vorgeschlagene rechtskundige Magistratsrat und der Polizeikommissar könnten entfallen. Ebenfalls nicht notwendig sei eine kollegiale Organisation des Magistrats. Die Justiz- und Polizeisachen sollten den Direktoren gemeinschaftlich vorbehalten bleiben. Diesen sollte auch die Leitung der Wahl der Wahlmänner obliegen. Die Wahl der Bürgermeister sollte unter Leitung eines Regierungskommissars durch die Repräsentanten und Senatoren erfolgen und eher den Charakter eines Vorschlags an den Herzog haben. Von der Ansicht des Magistrats abwiechende Beschlüsse der Bürgerrepräsentation sollten nur in Anwesenheit sämtlicher Repräsentanten möglich sein. (2) Konferenz bei Herzog Ernst Auf einer Konferenz am 1. März 182216, an der neben Herzog Ernst die Konferenzräte Gruner, Arzberger, Hohnbaum, Regierungsrat Lotz und Hofrat Rose teilnahmen, wurden folgende Grundsätze für die künftige coburgische Stadtordnung festgelegt: Die Rechtspflege sollte ausschließlich dem Justizdirektor übertragen werden, wobei auf die Anstellung eines zusätzlichen Stadtsyndikus verzichtet werden könnte. Die städtischen Etats sollten zur Wirksamkeit einer herzoglichen Genehmigung bedürfen. Entscheidungen der Repräsentanten sollten stärker vom Magistrat abhängig sein. (3) Justizkollegium Das Justizkollegium erklärte in seinem Bericht vom 15. Juli 182217 eine weitgehende Übereinstimmung mit der Ansicht der Landesregierung. Es sah jedoch keinerlei Bedenken, die Stadtordnung als Übereinkunft zwischen Magistrat und Bürgerschaft zu gestalten, da davon ausgegangen werden könne, daß der Landesherr einer anerkannten Körperschaft das Recht zur eigenen inneren Organisation im Rahmen seiner Genehmigung übertragen habe. In die Rechtsnorm aufzunehmen seien genaue Regelungen, unter welchen Voraussetzungen das Bürgerrecht der Stadt erlangt werden könne. Voraussetzung für die Wahl zum Repräsentanten sollte ein Wohnsitz im Gebiet der Stadt Coburg sein, ein Wohnsitz in deren Weichbild sollte nicht ausreichen. Das Wahlalter sollte auf 30 Jahre festgesetzt werden, wobei der Landesherr einen Dispens hiervon für das passive Wahlrecht einräumen 15 Ähnlich die Gesetzesformulierung in § 46 der preußischen Städteordnung vom 19. November 1808. 16 Protokoll bei StACo Min D 4151 fol. 78 – 79’. 17 StACo Min D 4151 fol. 92 – 112’.

I. Reformen in zeitlichem Zusammenhang mit der Verfassung

481

dürfe. Ein Teil der Formulierungen sei „allzu wörtlich“ aus der bayerischen Städteordnung übernommen worden. Im Gegensatz zur Meinung der Landesregierung reiche ein einziger Bürgermeister für die Geschäftsführung nicht aus, da dies einerseits infolge der dann eintretenden Überlastung zu Oberflächlichkeit in der Handhabung der Amtsgeschäfte, andererseits zu einer Machtkonzentration in den Händen eines einzelnen führe. Ein Magistratsvorstand aus drei hauptamtlichen Personen sei in jedem Falle zu empfehlen. Die von der Landesregierung vorgeschlagene Absicherung des Magistratseinflusses bei der Beschlußfassung sei überflüssig. bb) Entwurf der Landesregierung Am 16. August 1822 legte die Landesregierung neue Entwürfe für die Stadtordnung und für eine Geschäftsordnung des Bürgerausschusses der Stadt Coburg vor.18 In der umfangreichen Präambel der „Stadtordnung für die Herzogl. Sächß. Residenz-Stadt Coburg“, die als landesherrliche Verordnung entworfen war, wurde der gesamte Verlauf der Revision der Stadtordnung umfassend dargestellt. Der 81 Paragraphen umfassende Entwurf war in sieben Titel gegliedert. Der erste Titel (§§ 1 – 21) umfaßte die Bestimmung des Bürgerbegriffs und der den Bürgern zukommenden Rechte und Pflichten. Das Bürgerrecht wurde durch die eheliche Geburt als Kind Coburger Bürger mit wesentlichem Wohnsitz in der Stadt Coburg, durch uneheliche Geburt in der Stadt Coburg als Kind einer Bürgerin oder durch Verleihung erworben. Das Bürgerrecht konnte nur an Christen von unbescholtenem Ruf mit wesentlichem Wohnsitz in der Stadt Coburg nach Ableistung des Bürgereides verliehen werden. Hinsichtlich der Ausübung des Bürgerrechtes war ohne Einfluß, ob der Bürger innerhalb der Stadtmauern, in den Vorstädten oder im Weichbild der Stadt wohnte. Die übrigen Einwohner ohne Bürgerrecht wurden als bloße Schutzverwandte angesehen, ihr Aufenthalt bedurfte der Genehmigung der Landesregierung. Der Betrieb eines bürgerlichen Gewerbes war Bürgern vorbehalten. Alle Einwohner waren zu persönlichen Dienstleistungen zur Sicherheit der Stadt verpflichtet, wobei Stellvertretung möglich war. Das Bürgerrecht ging im Falle des Wegzuges verloren, sobald eventuell vorhandenes Grundeigentum veräußert wurde, sowie im Falle der Verurteilung zu Zuchthausstrafe. Der zweite Titel (§§ 22 – 48) regelte die Verwaltung der Stadt durch Magistrat und Bürgerausschuß. Für die Verwaltung von Justiz, Polizei und Stadtvermögen war grundsätzlich der Magistrat zuständig, dem der Bürgerausschuß „zur Seite stehen“ sollte. Der Magistrat sollte aus zwei Bürgermeistern, zwölf Senatoren, einem Polizeikommissar, einem Stadtsekretär, dem Kämmerer und dem Kontrolleur der Stadtkasse bestehen. Mitglieder des Magistrats durften ausschließlich coburgische Bürger sein. Für die Bürgermeister und Senatoren sollte ein Mindestalter von drei18

Vorlageschreiben bei StACo Min D 4151 fol. 157, Entwurf ebd. fol. 113 – 156’.

482 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

ßig Jahren, für die übrigen Mitglieder des Magistrats eines von fünfundzwanzig Jahren festgesetzt werden. Voraussetzung für das Amt als Bürgermeister, Polizeikommissar und Stadtsekretär war zudem ein Studium der Rechtswissenschaft und ein abgeschlossenes Examen vor dem Justizkollegium. Stadtkämmerer und Stadtkassenkontrolleur benötigten den Abschluß des Gymnasiums und berufliche Erfahrung in Rechnungsgeschäften. Die Senatoren mußten über unbelasteten Grundbesitz in der Stadt oder deren Weichbild im Wert von mindestens 2000 fl. rh. verfügen oder ein schuldenfreies Vermögen in mindestens dieser Höhe nachweisen. Verwandte und Verschwägerte waren bis zum zweiten Grad von der gleichzeitigen Ausübung von Magistratsfunktionen sowie von der gleichzeitigen Wahl zu Repräsentanten ausgeschlossen. Lediglich für die Senatoren, die ihr Gewerbe während der Amtszeit weiterführen durften, wurde eine Wahlperiode von sechs Jahren vorgesehen, die übrigen Mitglieder des Magistrats waren hauptamtlich tätig und wurden auf Lebenszeit gewählt. Die Senatoren wurden ausschließlich durch die Repräsentanten mit Stimmenmehrheit gewählt, an der Wahl der weiteren Mitglieder des Magistrats nahmen auch die übrigen Magistratsmitglieder stimmberechtigt teil. Alle Wahlen benötigten eine landesherrliche Bestätigung. Für die Bürgermeisterstellen sollten jeweils drei Personen gewählt und dem Landesherrn zur Auswahl präsentiert werden. Die Bürgermeister waren für Rechtspflege, Polizei und die laufende Finanzverwaltung im Rahmen der Etats unter Zuziehung eines von den Repräsentanten aus den Reihen der Senatoren gewählten Kassenkurators sowie die Besetzung der übrigen städtischen Stellen außerhalb des Magistrats allein zuständig. Alle übrigen Gegenstände, insbesondere die städtische Vermögensverwaltung, waren vom Magistrat in seiner Gesamtheit wahrzunehmen. Der dritte Titel (§§ 49 – 66) regelte die Rechtsverhältnisse des aus fünfzehn Bürgerrepräsentanten bestehenden „Ausschusses der Bürgerschaft“. Von der Teilnahme an der indirekten Wahl der Repräsentanten waren neben den Einwohnern ohne Bürgerrecht zudem diejenigen Bürger ausgeschlossen, die unter Vormundschaft standen, in einem Konkurs ihre Gläubiger nicht vollständig befriedigen konnten, ohne anschließende vollständige Freisprechung Strafermittlungen ausgesetzt waren oder ohne ausreichende Entschuldigung einmal die Annahme einer auf sie gefallenen Wahl zum Senator oder Repräsentanten abgelehnt hatten. Die Wahlmänner waren nach Stadtvierteln im Verhältnis 1:20 aus der Mitte der dort angesessenen Bürger in relativer Mehrheitswahl auf sechs Jahre zu wählen. Diese wählten wiederum für die Dauer von sechs Jahren die Mitglieder des Bürgerausschusses nach relativer Mehrheit, wobei die Nichtgewählten in der Reihenfolge der auf sie entfallenen Stimmen als Stellvertreter und Nachrücker im Ausscheidensfalle für die Dauer der verbleibenden Amtszeit angesehen wurden. Alle drei Jahre war die Hälfte der Repräsentanten zu ersetzen. Ihre Wahl bedurfte der landesherrlichen Ge-

I. Reformen in zeitlichem Zusammenhang mit der Verfassung

483

nehmigung. Die Regelung des passiven Wahlrechts erfolgte nach dem Vorschlag des Justizkollegiums.19 Der vierte Titel (§§ 67 – 77) grenzte nochmals die Zuständigkeiten von Magistrat und Bürgerrepräsentation voneinander ab. Dem Magistrat blieben die Handhabung der städtischen Gerichtsbarkeit und Polizei, Kirchen-, Schul- und Gewerbeaufsicht, Annahme von Bürgern und Schutzverwandten, Ausstellung von Trauscheinen, Leitung städtischer Wahlen, Anstellung der übrigen städtischen Bediensteten, Ausführung der Etats sowie die Verwaltung im Militärbereich vorbehalten. Die Repräsentanten sollten bei Etatsaufstellung, Rechnungslegung, Änderungen der Struktur der laufenden Finanzverwaltung, Gutsverpachtungen, Prozeßangelegenheiten, Veränderungen der Steuerliste, Anfertigung der Einquartierungsliste sowie beim Abschluß von Lieferverträgen zu Rate gezogen werden. Der Zustimmung der Repräsentanten sollten Veräußerungen und Verpfändungen städtischer Immobilien, der Erwerb besonderer Rechte, Besoldungsfragen, außerordentliche Ausgaben in Höhe von über 100 fl. rh., Neubauten und kostspielige Reparaturen von städtischen Gebäuden sowie die Aufnahme von Schulden und die Erstellung von Schuldentilgungsplänen bedürfen. Gemeinsame Beschlüsse bedurften ferner noch der Genehmigung der Landesregierung, soweit Immobilien, laufende Einnahmequellen, Besoldungsfragen, Neubauten und Reparaturen, Schuldenaufnahme und -tilgungspläne, Etataufstellung und Rechnungslegung betroffen waren. Bürgerversammlungen durfte nur der Magistrat nach Genehmigung durch die Landesregierung einberufen. Dem Magistrat oblag auch Bekanntmachung, Prüfung und Vollzug der Beschlüsse der Repräsentanten. Der fünfte Titel (§§ 78 – 80) regelte die Rechtsverhältnisse der von Magistrat und Repräsentanten gemeinsam zu wählenden Bezirksaufseher oder Viertelsmeister, deren Aufgaben neben Brunnen- und Straßenaufsicht auch Feuerpolizei und Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung waren, während der sechste Teil (§ 81) einen Bestandsschutz für den Status der derzeitigen städtischen Beschäftigten normierte. Die 37 Paragraphen der Geschäftsordnung enthielten Detailregelungen zu Einladung, Vorsitz und Geschäftsgang der Repräsentanten. Die Repräsentanten sollten zudem noch eine aus fünf Personen bestehende Deputation zur Vorbereitung der Sitzungen aus ihrer Mitte wählen. cc) Ablehnung des städtischen Entwurfs durch die Exekutive Das Landesministerium teilte den neuen Entwurf am 21. September 1822 dem Geheimen Hofrat Rose in Saalfeld zur Begutachtung mit.20 Dieser stimmte in seinem Gutachten vom 14. November 182221 im wesentlichen mit den Ausführungen 19 20 21

Siehe dazu soeben aa)(3). StACo Min D 4151 fol. 158’. Vorlageschreiben bei StACo Min D 4151 fol. 181, 181’; Gutachten ebd. fol. 182 – 193’.

484 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

der Landesregierung überein, schlug jedoch die Bezeichnung „Bürgervorsteher“ anstelle von „Repräsentanten“ vor. Auch seien zwölf Bürgervorsteher ausreichend. Am 23. Januar 182322 bemerkte Opitz, daß an die Stelle der Worte „Bürgerausschuß“ und „Repräsentanten“ die Begriffe „Berathungsausschuß“ und „Stadtdeputirte“ zu setzen seien. Der Magistrat solle auf neun Personen reduziert werden und künftig aus einem Stadtpräsidenten, einem Bürgermeister, einem Stadtrichter und sechs Senatoren bestehen. Die übrigen städtischen Bediensteten wie Polizeikommissar und Kassenbeamte m1\ten keine Mitglieder des Magistrats sein. Der Einfluß der Deputierten bei der Wahl des Magistrats sei zu groß, dieses Recht sollte auf die Unterbreitung gutachterlicher Vorschläge beschränkt werden. Der Beratungsausschuß müsse auf sechs bis neun Mitglieder reduziert, seine Mitwirkung auf Gutachten zu den kommunalen Finanzangelegenheiten beschränkt werden. Die Verzögerung des Vorhabens führte zu einer Eingabe des Magistrats der Stadt Coburg vom 17. Januar 182323 an das Landesministerium: „Die gesetzliche Regulirung der Gemeindeangelegenheiten in Bezug auf die selbstständige Verwaltung des Gemeindevermögens ist durch die Landes-Constitution vom 8ten Aug. 1821 öffentlich ausgesprochen und zugesichert. Die hies. Bürgerschaft hat sonach ein gegründetes Recht auf die endliche Erfüllung dieser Zusicherung. Sie kann, da sie bey der Verwaltung des städt. Vermögens so sehr interressirt ist, über alles was die Vermehrung oder Verminderung desselben betrift, Auskunft verlangen. Dieses liegt in der Natur der Sache. Daß die landesherrl. Versprechungen und Vertröstungen geehrt u. aufrecht erhalten werden, ist Pflicht aller derjenigen, welche die Verfassung beschworen haben. Von diesem Gesichtspunct betrachtet, glauben wir keine Unbescheidenheit zu begehen, wenn wir auf Veranlassung des am 31ten Dec. v.J. an uns ergangenen hohen Rescripts wiederholt um schleunige Bestätigung der von uns und den Bürger-Repräsentanten gemeinschaftl. berathenen und in Entwurf, bereits am 23ten Februar 1822 höchsten Orts vorgelegten, den Wünschen und Bedürfnissen der hiesigen Bürgerschaft zusagenden Stadt-Verfassung unterthänigst nachsuchen.“24

Zu dieser Eingabe merkte Hohnbaum lediglich an: „Der Magistrat hat nach den Regeln der Geschäftsordnung nicht unmittelbar an das Landes-Ministerium, sondern an die ihm zunächst vorgesetzte H. LReg. zu berichten.“25

Auch die Landesregierung hielt in einem Bericht vom 21. Januar 182326 die baldige Einführung der von ihr entworfenen Stadtordnung für geboten, da die Ver22 23 24 25 26

StACo Min D 4151 fol. 195 – 201’. StACo Min D 4151 fol. 159 – 160’ = Stadtarchiv Coburg A 6220 fol. 32 – 33’. StACo Min D 4151 fol. 159. StACo Min D 4151 fol. 159. StACo Min D 4151 fol. 169 – 170.

I. Reformen in zeitlichem Zusammenhang mit der Verfassung

485

waltung derzeit gelähmt sei, denn der Magistrat lasse sich durch die vorläufig gewählten Repräsentanten einschüchtern und unter Druck setzen. Das Landesministerium antwortete der Landesregierung am 27. Januar 182327, daß die Stadtordnung für die Stadt Coburg in engem Zusammenhang mit der in der Verfassung vorgesehenen allgemeinen Gemeindeordnung28 stehe und demzufolge die Stadtordnung als besonderes Gesetz erst nach Erlaß der Gemeindeordnung anstehe. Die „Zudringlichkeit“ des Magistrats und die „Ordnungswidrigkeit“ der direkten Eingabe an das Landesministerium sollten von der Landesregierung deutlich gerügt werden, da Inhalt und Erlaß der Stadtordnung allein vom Willen des Herzogs abhingen. Am 4. Februar 1823 wies das Ministerium die Landesregierung an, den städtischen Entwurf der Stadtordnung als kassiert zurückgehen zu lassen.29 dd) Neuer Entwurf der Landesregierung Eine auf den 13. August 1822 rückdatierte Fortschreibung des Entwurfs der Landesregierung30 behielt die bisherige äußere Gliederung bei. An die Stelle des Bürgerausschusses trat ein neunköpfiger Beratungsausschuß, dessen Mitglieder nunmehr als „Deputierte“ bezeichnet wurden. Der Magistrat bestand nunmehr aus zwei Bürgermeistern, einem Stadtrichter und sechs Senatoren, als untergeordnete Mitarbeiter waren ein Polizeikommissar, ein Gerichtsaktuar, ein Bauinspektor und ein Kassenbeamter vorgesehen. Die Position des zweiten Bürgermeisters war nicht mehr hauptamtlich und erforderte daher keine juristische Ausbildung und besondere Prüfung mehr, sondern stand jedem Bürger, der einmal Senator oder „erfolgreich“ Deputierter war, offen. Die Wahl der Mitglieder des Magistrats erfolgte durch Kooptation, die Deputierten konnten gutachtliche Vorschläge unterbreiten. Die Führung der laufenden Geschäfte oblag den beiden Bürgermeistern und dem Stadtrichter. Die Mitwirkung der Deputierten blieb auf die Verwaltung des Gemeindevermögens und die Einführung neuer Gemeindelasten beschränkt. Als Vorsteher und dessen Stellvertreter sollten die beiden ältesten Deputierten fungieren, ein Protokollführer konnte beim Magistrat angefordert werden. Dem Magistrat blieb ausdrücklich die Wahl des von diesem zu stellenden Abgeordneten der Ständeversammlung sowie das laufende städtische Bauwesen vorbehalten. Den Viertelsmeistern wurde auch die Aufsicht über die Nachtwächter und die Anzeige von Ordnungswidrigkeiten zugewiesen.

27 28 29 30

StACo Min D 4151 fol. 170’ – 171’. Siehe dazu sogleich 3. StACo Min D 4151 fol. 177. StACo Min D 4151 fol. 202 – 233’.

486 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

ee) Weitere Verzögerung des Vorhabens Aufgrund einer weiteren Mahnung durch Vertreter der Repräsentanten am 19. September 182331 warnte die Landesregierung mit Bericht vom 22. September 182332: „Augenfällig ist es zwar, daß nach den zeitherigen Erfahrungen und dem vorgekommenen auffallenden Benehmen der zur Mitbearbeitung einer städtischen Verfaßungs-Urkunde erwählten Bürger-Repräsentanten eine solche Verfaßung, wenn sie ins Leben treten sollte, nichts Ersprießliches erzeugen wird, daß diese Erwählten anmaßlich sich in Alles mischen werden, daß sie durch ungebührliches Eingreifen in Dinge, die sie nichts angehen, Irrungen, Beschwerden und Schreibereyen genug veranlaßen, sich zu einer dirigirenden Behörde über den Magistrat aufwerfen, Regierungs-Anordnungen nicht unbetastet laßen, die Bürger dadurch auf einen Stand-Punct zu stellen gedenken, der ihnen nicht gebührt, und so den Magistrat als ein herunter gewürdigtes Organ ihrer eingebildeten Oberherrlichkeit in allen städtischen Angelegenheiten gebrauchen wollen und werden.“33

Gleichzeitig regte sie an, das Projekt einer repräsentativen Verfassung für die Stadt Coburg nicht mehr weiter zu verfolgen, stattdessen sollte dem Magistrat die Möglichkeit gegeben werden, die Viertelsmeister zu Unterredungen heranzuziehen. Dem widersprach das Landesministerium mit Schreiben vom 30. September 182334, da nach dessen Zielsetzung die städtische Verfassung eine Verbesserung der städtischen Verwaltung ermöglichen sollte. Dennoch fehlte es an weiteren Arbeiten an der Stadtordnung, auch der überlieferte Akt des Landesministeriums wurde erst im Jahre 1831 weitergeführt. Wohl als Surrogat für die vorgesehene Stadtordnung wurde das Organisationspatent für den Magistrat der Stadt Coburg vom 27. Juli 1829 erlassen.35

2. Versuch der Wiedereinführung einer Beteiligung der Landstände an der Verwaltung Unter Berufung auf § 30 der Verfassungsurkunde bat die Ständedeputation mit Schreiben vom 16. November 1821 Herzog Ernst um die Wiedereinräumung der bis 1801 ausgeübten36 Mitwirkungsrechte im Rahmen der Verwaltung des Gymnasiums, der Scheres-Zieritz-Stiftung sowie von Zucht- und Waisenhaus.37 Nachdem das Landesministerium mit Schreiben vom 24. Februar 182238 Landesregierung und Konsistorium zur Stellungnahme aufgefordert hatte, lehnten 31 32 33 34 35 36 37 38

StACo Min D 4152 fol. 2 – 3’ = Stadtarchiv Coburg A 6220, unfol. StACo Min D 4152 fol. 4 – 6’. StACo Min D 4152 fol. 4’ – 5’. StACo Min D 4152 fol. 7, 7’. Siehe dazu unten E.II.2.c). Siehe dazu oben B.II.5. StACo Min J 251 fol. 2 – 4. StACo Min J 251 fol. 6’.

I. Reformen in zeitlichem Zusammenhang mit der Verfassung

487

beide Behörden überwiegend das Ansinnen der Landstände ab.39 Grundlegendes Argument beider Behörden war, daß durch die Verfassung nicht die vormalige coburgische Landschaft wiederhergestellt worden sei und altständische Berechtigungen nunmehr fehl am Platze seien. Lediglich die ebenfalls befragte Verwaltung der Scheres-Zieritz-Stiftung stand dem Ansinnen der Ständedeputation positiv gegenüber.40 Erst durch herzogliches Reskript vom 31. Mai 182841 wurde den Landständen die Befugnis zur Mitwirkung bei der Verwaltung der Scheres-Zieritz-Stiftung durch Benennung eines vom Herzog zu ernennenden Mitglieds des Kollegiums eingeräumt. Im Rahmen eines Vergleichs vom 22. August 183642 einigten sich Herzog Ernst und die Ständedeputation schließlich darauf, daß der jeweilige Landschaftsdirektor, wenn er im Lande wohnen sollte, stets als zweites von drei Mitgliedern in die Stiftungsverwaltung mit aufgenommen werden sollte. Eine herzogliche Anweisung an die Stiftungsverwaltung, den Landschaftsdirektor als zweites Mitglied aufzunehmen, datiert wiederum erst vom 29. Januar 1838.43 Die Umsetzung der Zusicherung nahm also einen Zeitraum von knapp zehn Jahren ein.

3. Abermaliger Versuch der Einführung einer allgemeinen Gemeindeordnung Mit Schreiben vom 10. April 1823 legte das Landesministerium der Ständedeputation unter Berufung auf § 32 der Verfassung einen von der Landesregierung erstellten und bereits vom Justizkollegium begutachteten Entwurf einer allgemeinen Gemeindeordnung zur Beratung vor.44 Aus dem erhaltenen Gutachten Roses45 sowie der zum Entwurf abgegebenen Erklärungsschrift der Ständedeputation vom 14. Oktober 182446 kann entnommen werden, daß der nicht mehr erhaltene Entwurf Regelungen für Städte und Dörfer gleichermaßen enthielt, wie das Landesministerium bereits im Zusammenhang mit der coburgischen Stadtordnung behauptet hatte.47 In der Erklärungsschrift wandten sich die Landstände hiergegen, da dies dazu geführt habe, daß die für Städte und Dörfer gleichermaßen bestimmte Norm zu allgemein gehalten sei, statt dessen sollten voneinander ge39 Die Landesregierung äußerte sich in ihrem Bericht vom 1. März 1822 (StACo Min J 251 fol. 7 – 10) zu Zuchthaus und Waisenhaus, das Konsistorium in seinem Bericht vom 20. März 1822 bei StACo Min J 251 fol. 11 – 22 zum Gymnasium. 40 Bericht vom 18. April 1822 (StACo Min J 251 fol. 23 – 25). 41 StACo Min J 251 fol. 47 – 49’. 42 StACo Min J 349 fol. 4 – 11 = StACo Min J 251 fol. 72, 72’. 43 StACo Min J 251 fol. 76. 44 StACo Landtag 790 fol. 1. 45 StACo Landtag 790 fol. 2, 2’. 46 StACo Landtag 790 fol. 3 – 4’. 47 Siehe oben 1.c)cc).

488 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

trennte Normen als allgemeine Städteordnung und allgemeine Dorfsordnung erlassen werden. Hierüber entwickelte sich eine im wesentlichen ergebnislose Korrespondenz zwischen Landesministerium und Ständedeputation, die schließlich in die Vorlage eines Entwurfs zur Gemeindeordnung am 22. Mai 1834 mündete.48 4. Versuchte Reform der Feudalverfassung Bereits seit 1811 hatte das Ministerium nachweislich Genehmigungen zur Ablösung einzelner Naturalabgaben auf Ansuchen von Tributpflichtigen durch Zahlung eines jährlichen fixen Geldbetrages erteilt.49 Für die Höhe des Betrages existierten keine allgemeinen Grundsätze, deren Festsetzung erfolgte nach den Umständen des Einzelfalles. Mit Schreiben vom 27. September 1821 brachte die Landesregierung beim Landesministerium in Erinnerung, daß bereits 1810 die Umwandlung des Handlohns in einen Laudemialzins angeregt wurde50, hierauf jedoch noch keine Anweisung ergangen sei.51 Das Landesministerium antwortete am 4. November 1821 unter Berufung auf § 17 der Verfassung, daß zur Ablösung der Feudallasten ein allgemeines Gesetz erlassen werden solle, zu dem der vorgelegte Bericht der Landesregierung eine Vorarbeit ausmache, und forderte die Landesregierung zur Vorbereitung eines derartigen Gesetzes auf.52 Am 15. Mai 1822 forderte die Kammer53 unter Berufung auf § 17 der Verfassung infolge eines Schreibens des Landesministeriums vom 5. Mai 182254 von den Kammerämtern eine Berichterstattung über die Erträge und die leichteste Art der Ablösbarkeit des (nur im coburgischen Landesteil existierenden55) Zehnten ab.56 Siehe dazu unten F.I.2.a). StACo Min E 2784 fol. 3 – 26. 50 Siehe dazu oben C.IV.1.e). 51 StACo Min E 2154 fol. 65 – 67’ = StACo LReg. 3518 fol. 27 – 28’. 52 StACo LReg. 3518 fol. 29 = StACo Min E 2154 fol. 68, 68’. Die Darstellung von Dieter Heins (Die Ablösung der Grundlasten im Coburger Land, S. 131), Grundlage für diese Anfrage sei ein Antrag der Rittergutsbesitzerin Katharina Miedel auf Wildenheid gewesen (siehe dazu StACo Landtag 1397 seit 15. April 1822), ist offensichtlich falsch; zudem hält Heins die beantragte Rittergutsallodifikation fälschlicherweise für einen Ablösungsantrag. 53 Nicht die Landesregierung, wie Dieter Heins behauptet (Die Ablösung der Grundlasten im Coburger Land, S. 131), wenngleich diese Forderung auf ein Schreiben der Landesregierung vom 8. Mai 1822 (StACo Kammerarchiv 2416 fol. 1b, 1b’) an die Kammer (zu deren Errichtung sogleich 6.b)) zurückzuführen ist. 54 StACo Kammerarchiv 2416 fol. 2 = StACo Min E 2784 fol. 31’ = StACo Min E 2154 fol. 102. 55 Kammeramt Gräfenthal in einem Schreiben vom 27. Mai 1822, StACo Kammerarchiv 2416 fol. 3. 56 StACo Kammerarchiv 2416 fol. 1. 48 49

I. Reformen in zeitlichem Zusammenhang mit der Verfassung

489

In einem Gutachten erörterte die Ökonomiedirektion Mönchröden57, ob die Ablösung durch Gesetz ohne weiteres oder nur aufgrund eines Gesetzes bei Einwilligung von Zehntberechtigtem und Zehntpflichtigem vorzunehmen sei. Anstelle einer einmaligen Geldzahlung sollte den Zehntpflichtigen eine Ratenzahlung ermöglicht werden, da diese nicht über ausreichende Mittel zur Zahlung des Ablösungsbetrages verfügten. Von einer finanziellen Belastung des Bodens sollte abgesehen werden, da eine derartige neue Geldauflage sich ebenfalls zum Nachteil der Ablösenden auswirken werde. Der Bericht der Kammer an das Landesministerium vom 6. Dezember 1822 enthielt den Vorschlag, durch Gesetz die Zehnten bei Einverständnis von Berechtigtem und Verpflichtetem für insgesamt ablösbar zu erklären.58 Diese Ablösung sollte regulär gegen Zahlung eines jährlichen unveränderlichen Betrages, ausnahmsweise durch Zahlung eines einmaligen Betrages erfolgen. Die Stände wurden bereits am 13. Mai 1823 über den aktuellen Stand der Planung informiert.59 Die Ständedeputation reagierte jedoch erst durch Schreiben vom 24. November 1823 und stimmte der Vorgehensweise der Verwaltung grundsätzlich zu.60 Prinzipiell sollten alle Feudallasten zunächst auf jährliche fixe Leistungen umgestellt werden und dann gegebenenfalls auf Antrag des Pflichtigen durch eine einmalige Zahlung abgelöst werden können. Die Kammer forderte in ihrem Bericht vom 6. August 1824 die Ablösung durch eine jährliche Geldabgabe, da die Zahlung einer einmaligen Ablösung die Staatseinnahmen mindere.61 Auszunehmen von jeglicher Ablösung seien die Jagdfronen, da sie dem Hoheitsrecht des Staatsoberhaupts entsprängen, die Fronen der Hofbauern, da diese nicht dem Lehnsverband entsprungen, sondern vertraglich normiert worden seien, die Huten und Triften, da es sich bei ihnen nicht um Reallasten, sondern um römischrechtliche Servituten handle, sowie das Jagdrecht, da es sich bei diesem um ein landesherrliches Regal handle. Die landesherrliche Proposition vom 10. August 182462 teilte der Ständeversammlung mit, daß bereits ein Entwurf eines Gesetzes zur Ablösung der Feudallasten auf der Grundlage eines Gutachtens der Kammer erarbeitet worden sei. Durch Schreiben vom 20. August 1824 teilte das Landesministerium den Ständen abermals den aktuellen Planungsstand mit und forderte gleichzeitig die Landesregierung zum Entwurf des Gesetzes auf.63 StACo Kammerarchiv 2416 fol. 31 – 40’. StACo Min E 2784 fol. 32 – 47. 59 StACo Landtag 1396 fol. 1, 1’ = StACo Min E 2154 fol. 105’ – 106’. 60 StACo Min E 2154 fol. 107 – 110’ = StACo Landtag 1396 fol. 13 – 16 = StACo Kammerarchiv 2416 fol. 48 – 50’ = StACo LReg. 3518 fol. 145 – 148. 61 StACo Min E 2154 = StACo Kammerarchiv 2146 fol. 128 – 137’ = StACo LReg. 3518 fol. 149 – 157. 62 StACo Landtag 60 fol. 1 – 6’. 63 StACo LReg. 3518 fol. 144 = StACo Min E 2154 fol. 125’. 57 58

490 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

Die Ständeversammlung verwies in ihrem Bericht vom 3. September 182464 auf die Nachteile der coburgischen Bevölkerung an den Grenzen zu Preußen und Sachsen-Weimar-Eisenach, da in diesen Staaten die besagten Feudallasten, insbesondere die Huten und Triften, bereits abgeschafft worden waren. Bereits am 7. September 1824 wies das Landesministerium die Landesregierung an, bei der Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs der ständischen Definition der Feudallasten zu folgen, mithin Huten und Triften, jedoch nicht die vertragsmäßigen Hofbauernfuhren, das Jagdrecht und die Jagdfronen als Feudallasten im Sinne der Verfassung anzusehen.65 Der von Regierungsrat Lotz erarbeitete 34 Paragraphen umfassende Gesetzesentwurf wurde dem Landesministerium mit Schreiben vom 27. September 1824 vorgelegt.66 Nach § 1 waren Feudallasten und damit ablösbar ➢ alle Fronen 67, Hand- und Spannfronen unabha¨ngig von Rechtsgrund, egal ob gemessen und ungemessen68, ausgenommen blieben lediglich die auf besonderen Titeln beruhenden Hofbauernfronen sowie die Jagdfronen; ➢ alle Zehnten, unabha¨ngig von der Gestalt, ausgenommen nur diejenigen, die Geistlichen oder Lehrern als Besoldung zugewiesen waren; ➢ alle Getreidegu¨lten69 mit der gleichen Einschra¨nkung wie bei den Zehnten; ➢ alle weiteren Zinsen, welche nicht in Getreide bestehen; ➢ der Handlohn; ➢ das Hauptrecht oder Besthaupt; ➢ sowie alle Triften und Huten. Andere Pflichten blieben unberührt. Antragsberechtigt waren beide Seiten, wobei die Ablösung auch durch privatrechtliche Vereinbarung erfolgen konnte (§ 3). Der Antrag mußte Berechtigten, Verpflichteten, Rechtsgrund, Art und Umfang der Verpflichtung, deren jährlichen Ertrag sowie den angebotenen Preis der Ablösung bezeichnen (§ 6). Zuständig für die Entscheidung über die Ablösung von Gerechtigkeiten der Domänen, Kammergüter, Rittergüter, Magistrate, Stadträte, Kirchen, Schulen, öffent64 StACo Min E 2154 fol. 128 – 129 = StACo Landtag 1396 fol. 17 – 18 = StACo LReg. 3518 fol. 196 – 197 = StACo Landtag 60 fol. 7 – 23. 65 StACo LReg. 3518 fol. 192. = StACo Min E 2154 fol. 127’. 66 Schreiben bei StACo Min E 2154 fol. 131 = StACo LReg. 3518 fol. 213’; Entwurf bei StACo Min E 2154 fol. 164 – 197 = StACo LReg. 3518 fol. 198 – 213’. 67 In Hessen-Darmstadt waren die Fronen bereits am 13. Mai 1812 für ablösbar erklärt worden, Christof Dipper, Bauernbefreiung in Deutschland, S. 80. 68 Zur Problematik von Gemessenheit und Ungemessenheit von Fronen siehe Friedrich Lütge, Die mitteldeutsche Grundherrschaft, S. 119 ff. 69 Zum Begriff siehe Friedrich Lütge, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S. 214.

I. Reformen in zeitlichem Zusammenhang mit der Verfassung

491

licher Stiftungen, Kommunen und der Personen mit privilegiertem Gerichtsstand sollte die Landesregierung sein, welche durch ein Mitglied oder einen Beauftragten als Kommissar zu entscheiden hatte, für alle anderen Fälle die zuständige Justizbehörde (§ 5). Ziel der Verhandlungen sollte stets eine gütliche Einigung sein (§§ 9, 30), andernfalls hatte die zuständige Behörde von Amts wegen über die Feststellung des Ablösungsbetrages zu entscheiden (§§ 12, 31). Naturalabgaben waren nach dem zehnjährigen Durchschnittspreis zu vergüten (§ 14), ungemessene Fronen waren dabei hinsichtlich ihres Ertrags der vergangenen Zeit auszumitteln (§ 16). Die Ablösung sollte durch jährliche Zahlung eines bestimmten Geldbetrages oder durch eine einmalige Geldzahlung erfolgen, wobei dem Pflichtigen die Wahl der Zahlungsart zustand und er nach Ablauf von zehn Jahren die Geldrente wiederum durch eine einmalige Zahlung ablösen konnte (§ 26). Der zu zahlende einmalige Betrag sollte auf das Fünfundzwanzigfache des jährlichen Ertrages festgesetzt werden (§ 27), womit Lotz’ Vorschlag der Situation in Baden entsprach70 und unterhalb des in Westfalen71 erlangten Betrages blieb. Der Entwurf wurde am 10. Oktober 1824 der Landesregierung als Justizkollegium zur Begutachtung mitgeteilt.72 Die Ständedeputation drängte mit Schreiben vom 31. Mai 1825 auf die möglichst baldige Verwirklichung der zugesicherten Gesetzgebung73, ohne daß ihr jedoch ein Gesetzentwurf vorgelegt wurde.74 Erst ein Antrag des Abgeordneten Johann Nicolaus Flohrschütz, der am 11. Dezember 1828 vorgelegt wurde, erinnerte wieder an den in § 17 der Verfassung enthaltenen Gesetzgebungsauftrag.75

70 Ein badischer Erlaß vom 25. Juli 1785 erlaubte die Ablösung der Bodenzinse zum 25fachen Jahresbetrag, Christof Dipper, Bauernbefreiung in Deutschland, S. 83. 71 Im Königreich Westfalen konnten ab 1808 Naturalzinsen und Zehnten mit dem 25fachen Betrag ihres in 30 Jahren ermittelten Durchschnittswertes abgelöst werden, der Geldzins war mit dem 20fachen Betrag ablösbar, Werner Wittich, Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, S. 426 f. 72 Vgl. Mahnschreiben des Landesministeriums vom 31. Mai 1825 bei StACo Min E 2154 fol. 132. 73 StACo Min E 2154 fol. 134 – 135 = StACo Landtag 1396 fol. 20, 20’. 74 Offensichtlich falsch Dieter Heins, der daraus eine bewußte Verzögerung der Gesetzgebung durch die Ständeversammlung konstruiert und hierfür irrigerweise eine Dominanz der Gutsbesitzer in ebendieser annimmt (Die Ablösung der Grundlasten im Coburger Land, S. 132). Die darauf beruhende Würdigung angeblicher Interessen Herzog Ernsts als „hochherzig“ und „liberal“ kann folglich ebenfalls nicht nachvollzogen werden. 75 Siehe dazu unten II.4.

492 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

5. Stagnation im Grundrechtsbereich a) Eingeschränkte konfessionelle Gleichberechtigung In einer Eingabe aus dem Jahr 1825 baten die Coburger Katholiken um die Zuteilung ihrer Pfarrei zur Erzdiözese Bamberg.76 Daraufhin warnte das Konsistorium in einem Bericht vom 14. Januar 1826 vor den „immerdar wachsenden Ansprüchen“ der katholischen Gemeinde „seit dem ersten Anfange ihrer Bildung“ und vor einer möglichen Beeinträchtigung der landesherrlichen Rechte77, so daß auf Anweisung des Landesministeriums die Bitte am 16. Februar 1826 abschlägig verbeschieden wurde.78 Auch später noch kritisierte das Konsistorium in einem Schreiben vom 16. Oktober 1826, daß die Katholiken nicht nur die Einräumung von Gewissensfreiheit, sondern „vollkommene Gleichstellung“ mit den evangelischen Gemeinden erstrebten.79 Anhand dieser Stellungnahmen wird ersichtlich, daß die katholischen Einwohner für die coburgischen Behörden trotz des 1806 gewährten Freiheitsbriefes80 immer noch ein Sicherheitsrisiko darstellten. Im Vergleich mit der Situation im traditionell katholischen Bayern, wo das Religionsedikt vom 26. Mai 181881 Gewissens- und Religionsfreiheit gewährleistete und dies faktisch auch ausgeführt wurde82, war Sachsen-Coburg-Saalfeld zu diesem Zeitpunkt wieder in die hergebrachte Abwehrhaltung zurückgefallen. b) Versuchte Aufhebung des Zunftzwangs Bereits 1810 hatte Herzog Ernst erwogen, den in Sachsen-Coburg-Saalfeld durchweg bestehenden Zunftzwang zumindest für bestimmte Gebiete aufzuheben.83 Erst im Jahre 1824 legte die Landesregierung einen Entwurf für eine Verordnung über die Beschränkung des Zunftzwangs vor.84 Dieser begründete in seiner Präambel die Notwendigkeit einer Liberalisierung nicht mit dem numerus clausus der zünftigen Meister, sondern mit der BeschränktStACo LReg. 4309 fol. 2 – 6. StACo LReg. 4309 fol. 9 – 12. 78 StACo LReg. 4309 fol. 13, 14. 79 StACo LReg. 4309 fol. 42 – 43. 80 Siehe dazu oben B.VII.3. 81 GBl. 1818, Sp. 149 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 148 ff. = Rolf Kiessling / Anton Schmid, Kultur und Kirchen, S. 391 ff., zum Inhalt vgl. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I, S. 427 ff. 82 Zu Vorgeschichte, Entwicklung und Hintergründen des bayerischen Religionsedikts siehe Wilhelm August Patin, Das bayerische Religionsedikt vom 26. Mai 1818, in toto, insbesondere S. 61 ff. 83 Vgl. StACo Min D 2931 fol. 2. 84 StACo Min D 2931 fol. 19 – 22’. 76 77

I. Reformen in zeitlichem Zusammenhang mit der Verfassung

493

heit der Zunftdistrikte und dem mit einem Zunftwechsel verbundenen Kostenaufwand. Geregelt werden sollte daher auch, daß der Wechsel eines Meisters von einer distriktmäßig beschränkten Zunft in eine andere ohne die Zahlung der Meisterrechtsgebühren erfolgen könne. Die Ständeversammlung erklärte hierzu jedoch am 20. Juni 1825, daß es bei der bisherigen Regelung nach der Handwerksordnung aus dem Jahre 180385, nach der bereits die zweite Fertigung des Meisterstücks erlassen sei, sein Bewenden haben sollte.86 Das Vorhaben ruhte daraufhin bis 1830.87 6. Personelle und organisatorische Veränderungen in der Verwaltung a) Mangelnde Stabilität bei der Militärverwaltung Durch Patent vom 4. Oktober 1821 wurde die 1809 begründete88 Militärkommission aufgelöst und an ihre Stelle ein für ganz Sachsen-Coburg-Saalfeld sowie Lichtenberg zuständiges Kriegskollegium unter Leitung Szymborskis errichtet.89 Eine weitere Verordnung vom 19. Dezember 1821 errichtete beim Landesministerium zudem noch eine besondere Militärsektion, ebenfalls unter Leitung Szymborskis.90 Diese wurde bereits durch Schreiben vom 15. Mai 1825 wieder aufgelöst91 und an ihrer Stelle die „Landesregierung als Kriegskommission“ unter Vorsitz des Präsidenten der Landesregierung begründet.92 b) „Wiederherstellung“ des Kammerkollegiums In einem Vortrag vom 16. Dezember 1821 schlug Arzberger die bereits seit längerem beabsichtigte 93 Errichtung eines eigenen Kammerkollegiums, das für die Domänenfinanzen zuständig sein sollte, in der Form einer Sektion des Landesministeriums vor.94 Durch Edikt vom 31. Januar 182295 wurde die Kammer als Oberbehörde ausdrücklich wiederhergestellt. Siehe dazu oben B.III.3.g)bb). StACo Min D 2931 fol. 24 – 25. 87 Siehe dazu unten F.II.2. 88 Siehe oben C.II.5.e)ff)(2). 89 ThStAGo Staatsministerium Departement I Militär D Nr. 4 fol. 1 – 4. 90 ThStAGo Staatsministerium Departement I Militär D Nr. 4 fol. 23 – 26’ = RIBl. Nr. 3 vom 19. Januar 1822, Sp. 41 ff. 91 ThStAGo Staatsministerium Departement I Militär D Nr. 4 fol. 91 = ebd. fol. 62, 62’. 92 ThStAGo Staatsministerium Departement I Militär D Nr. 4 fol. 63 – 65’. 93 Wohl erstmals in einem Bericht Arzbergers vom 18. November 1817, StACo LA F 7355 fol. 31, 31’, dort als „Finanzdirection“ bezeichnet. 94 StACo Min F 259 fol. 3 – 4’. 85 86

494 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

Die kollegial organisierte Behörde bestand aus einem Präsidenten, vier Räten (Technik, Forst, Rechnungswesen und Recht) und einem Assessor. Der Geschäftsbereich war auf die Verwaltung der Domäneneinkünfte und damit auf die dem Etat der Hauptdomänenkasse zugehörigen Haushaltspositionen beschränkt, wobei gleichzeitig die General-Forstadministration aufgelöst und ihr Zuständigkeitsbereich der Kammer zugewiesen wurde. Trotz der ausdrücklichen Bezeichnung „Wiedererrichtung“ war die Kompetenz der Kammer aber gegenüber derjenigen der früheren Behörde gleichen Namens96 sehr eingeengt, was insbesondere aus dem zwischenzeitlichen Erlaß der Verfassung resultierte, da seither sämtliche Steuern der Landeskasse zuflossen. Ihr verblieben aber mehr Kompetenzen als der Kammer in Hannover, die mit der Reorganisation vom 15. Mai 1823 auch Teile der Domanialsachen verloren hatte und damit nur noch für Fragen der Domänen, Forsten und Landbausachen zuständig war.97 Bereits durch Patent vom 19. Dezember 1821 war der Leiter des Finanzdepartements des Ministeriums, Christoph Arzberger, zum Präsidenten der Kammer ernannt worden98, was nach Nr. 4 des Edikts auf eine Vereinfachung des Geschäftsgangs abzielte. Der Kammer, die gleichberechtigt neben Landesregierung und Konsistorium stehen sollte, wurden die Hauptkammerkasse, die Bauinspektion, sämtliche Kammerämter hinsichtlich der Domanialeinnahmen, die Forstmeistereien, die Justizämter hinsichtlich des Forst- und Domänenwesens, die Ökonomiedirektion, die Bergverwaltung sowie das Berg- und Münzamt Saalfeld nachgeordnet. Die Modalitäten der Einrichtung dieser Behörde stießen jedoch nicht auf positive Resonanz bei der Ständedeputation. In einem Bericht vom 31. August 182299 verwahrten sich die Ausschußmitglieder unter Verweis auf §§ 64, 70 und 120 der Verfassung gegen jegliche einseitige Änderung der Etats. Die Verfahrensweise bei der Einrichtung des Kammerkollegiums verstoße gegen die Verfassung, da entgegen § 64 der Verfassung die Stände vor Erlaß der Verordnung nicht angehört wurden und die Stände außerdem nach § 76 ihr besonderes Augenmerk auf die Domänen zu richten hätten. Unter Verstoß gegen § 24 der Verordnung über den Civilstaatsdienst fehlte zudem die Gegenzeichnung durch den verantwortlichen Beamten. Inhaltlich sei die Errichtung der Kammer „mit dem Prinzip der Reinheit, richtigen Begrenzung und Abscheidung der Ressorts in der Staatsverwaltung nicht zu vereinbaren“.100 95 Textanhang Nr. 35 = StACo Kammerarchiv 3781 fol. 1 – 3 = StACo Min F 259 fol. 9 – 13 = RIBl. Nr. 17 vom 27. April 1822, Sp. 269 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 169 ff. 96 Siehe dazu oben B.II.4. 97 Vgl. dazu Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 28. 98 StACo Min F 585 fol. 25, 25’. 99 StACo Min F 259 fol. 42 – 46’ = StACo Landtag 233 fol. 20 – 27 = StACo Kammerarchiv 3781 fol. 40 – 42. 100 StACo Min F 259 fol. 44’ = StACo Landtag 233 fol. 24 = StACo Kammerarchiv 3781 fol. 41.

I. Reformen in zeitlichem Zusammenhang mit der Verfassung

495

Die Landesregierung befand in ihrem Bericht vom 20. September 1822 die ständischen Beschwerden für begründet.101 Die Kammer selbst bemängelte mit Bericht vom 12. Oktober 1822102 ebenfalls ausdrücklich die fehlende Kontrasignatur und schloß sich der Ansicht der Landesregierung an. Das Landesministerium teilte der Ständedeputation mit Schreiben vom 26. Oktober 1822 schließlich mit, daß die Errichtung der Kammer auf Vorschlag der Stände erfolgt sei, die übrigen Anordnungen aber zu den Regierungsrechten des Landesherrn gehörten; die Gegenzeichnung durch den verantwortlichen Beamten sei nur versehentlich unterblieben und werde nachgeholt.103 In ihrer Antwort vom 29. April 1823 fragte die Ständedeputation an, inwieweit die Unterschrift der inzwischen verstorbenen Mitglieder des Landesministeriums104 nachgeholt werden könne.105 Eine Antwort hierauf ist nicht überliefert. Durch diese selbstherrliche Organisationsentscheidung wurde abermals offenbar, daß Herzog Ernst und die landesherrlichen Behörden ständische Einflüsse weitestmöglich beschränken wollten und die Ständedeputation teilweise offen mißachteten. c) Personelle Veränderungen in der Verwaltungsspitze Im Zeitraum von 1822 bis 1824 wurden nahezu alle Schlüsselpositionen der coburgischen Verwaltung neu besetzt. Am 29. Mai 1822106 wurde die Geschäftsleitung des Landesministeriums an Landesregierungspräsident Hofmann übertragen.107 Nach Gruner verstarb 1822 auch Christoph Arzberger.108 Hohnbaum verließ das Landesministerium ebenfalls 1822109 und wurde durch Johann Heinrich Theodor Opitz ersetzt.110 Adolph Friedrich von Röpert wurde am 5. Oktober 1823 aus dem Landesministerium entlassen und wechselte ab 1825 als Regierungspräsident in das Fürstentum Lichtenberg.111 1824 traten der neue LandesregieStACo Min F 259 fol. 48 – 51’ = StACo Kammerarchiv 3781 fol. 43 – 45’. StACo Min F 259 fol. 52 – 55 = StACo Kammerarchiv 3781 fol. 59 – 60’. 103 StACo Landtag 233 fol. 28, 28’ = StACo Min F 259 fol. 56 – 57 = StACo Kammerarchiv 3781 fol. 61’, 62. 104 Siehe dazu sogleich c). 105 StACo Min F 259 fol. 70’, 71 = StACo Landtag 233 fol. 35, 35’. 106 Nicht erst nach Gruners Tod (in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 1822, StACo Min F 563 fol. 22), wie Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 238 behauptet. 107 ThStAGo Staatsministerium Departement I Loc. 3 Nr. 2 Vol. VI fol. 58, 58’ = StACo Min F 763 fol. 30. 108 Arzberger starb am 11. Juli 1822 in St. Wendel, StACo Min F 585 fol. 36 – 39; ebd. Min F 563 fol. 32. 109 Entlassungspatent bei StACo Min F 765 fol. 36; Ernennungspatent zum Konsistorialpräsidenten bei StACo Min F 765 fol. 28 – 29. 110 Patent vom 2. Oktober 1822 bei StACo Min F 926, fol. 62, 62’. 111 Thomas Klein, Thüringen, S. 99. 101 102

496 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

rungspräsident Emil von Coburg als Mitglied112 und der Geheime Regierungsrat Johann Friedrich Eusebius Lotz als Geheimer Assistenzrat113 hinzu. Ihnen folgte am 1. November 1825 der vormalige sächsische Geheime Kriegskammerrat Christoph Anton Ferdinand von Carlowitz als Wirklich Geheimer Rat und Kammerpräsident.114 Damit wurden kurz nach Erlaß der Verfassung die maßgeblichen Entscheidungsträger der Exekutive ausgewechselt – mit diesem verjüngten Personal sollte die coburgische Administration in die gothaischen Erbauseinandersetzungen115 gehen. d) Gedanken zu weiteren Veränderungen In einer Denkschrift vom 3. Dezember 1824 äußerte sich Prinz Leopold zur Frage der Verwaltungsreform.116 Die baldige Bildung eines „Ministerial-Conseils“ erschien ihm am zweckmäßigsten, wobei dieses die wichtigsten Geschäfte unter Vorsitz des Herzogs erledigen sollte, während laufende Angelegenheiten vom Herzog und dem dirigierenden Geheimen Rat, der die Bezeichnung „Président du conseil des ministres“ oder „Premier ministre“ erhalten sollte, allein erledigt werden sollten. Die Isolation des Ministeriums von Zwischen- und Unterbehörden sollte beendet und durch die Aufteilung desselben in die vier „klassischen“ Sektionen Finanzen, Auswärtige Angelegenheiten (unter Leitung des Chefs des MinisterialConseils), Inneres und Justiz ersetzt werden. Dem neuen Ministerium sollte ein Staatssekretär zuarbeiten. In jedem Falle müsse die Landesregierung entfallen.117 e) Errichtung einer Obersteuerkommission In einem unsignierten Schriftstück von 1825118 wurden erstmals Vorschläge zur Reform der durch die Verfassung von 1821 geschaffenen Kassencuratel unterbreitet. Diese Einrichtung habe in der Vergangenheit nämlich „Mißverständnisse“ zwischen der Landesregierung und den Landständen verursacht. Nunmehr solle angestrebt werden, ein neues, paritätisch aus Mitgliedern der Landesregierung und der Ständedeputation zusammengesetztes Gremium zu schaffen. Der Zuständigkeitsbereich dieser kollegial organisierten Behörde, die an die Stelle der bisherigen Kassenkuratel und der bisherigen Staatsschuldentilgungskasse treten sollte, sollte sich auf die Bereiche der Steuern und Abgaben sowie der Beratung allgemeiner 112 Patent vom 12. Mai 1824 bei StACo Min F 645 fol. 112 – 113’ = StACo Kammerarchiv 3732, unfol. 113 Patent vom 20. Dezember 1824 bei StACo Min F 854 fol. 20, 20’. 114 Ernennungsschreiben und Patente bei StACo Min F 778 fol. 2 – 3’; StACo Min F 779 fol. 1 – 3’. 115 Siehe dazu sogleich II. 116 StACo LA F 5797 / I. 117 Dies wurde 1858 Realität, siehe dazu unten H.III.2.c). 118 StACo Min F 435 fol. 2 – 7.

I. Reformen in zeitlichem Zusammenhang mit der Verfassung

497

Finanzfragen, der Überwachung der Etats und der Revision der Kassenführung von Hauptlandeskasse und Schuldentilgungskasse erstrecken. Auf diesen Vorschlag beruhten weitere undatierte, schon in Verordnungsform formulierte Vorstellungen Carlowitz’.119 Diese Planung wurde den Landständen mit Schreiben vom 20. Juni 1825 bekanntgegeben.120 Die Ständeversammlung stimmte dem Vorhaben mit Schreiben vom 26. Juni 1825121 und dem am 4. Juli 1825 vorgelegten Verordnungsentwurf122 bei unbedeutenden Änderungswünschen mit Erklärungsschrift vom 6. Juli 1825123 zu. Durch Verordnung vom 8. Juli 1825124 wurde die Obersteuerkommission ausdrücklich anstelle der aufgelösten bisherigen, in § 106 der Verfassung vorgesehenen Landeskassenkuratel errichtet. Das neue Kollegium bestand aus dem Präsidenten der Landesregierung als Leiter, zwei Mitgliedern der Landesregierung, dem Landschaftsdirektor und den beiden ständischen Mitgliedern der Schuldentilgungskommission, wobei letztere ebenfalls aufgelöst wurde.125 Es sollte die Aufsicht über Steuererhebung, Ausgabenwesen und Schuldentilgung führen, wofür ihm auf den monatlichen Sitzungen die Kassenrapporte aller Landeskassen vorzulegen waren. Zudem konnte es sich jederzeit mit Berichten über finanzielle Fragen an das Ministerium wenden und regelmäßig unangekündigte Überprüfungen des Geldbestandes vornehmen. Die Kommission war dem Landesministerium unmittelbar nachgeordnet, wobei ihr keine Unterbehörden nachgeordnet wurden, Verfügungen an diese erfolgten lediglich durch die Landesregierung. Lediglich Anweisungen im Bereich des Reservefonds und der Staatsschuldentilgungskasse hatten im Namen der Obersteuerkommission zu ergehen und waren vom Präsidenten der Landesregierung und dem Landschaftsdirektor gemeinschaftlich zu unterschreiben. Auch nach dieser Reorganisation blieb die Mitverwaltung der Ständeversammlung im finanziellen Bereich erhalten.

StACo Min F 435 fol. 8 – 11’. StACo Landtag 236 fol. 13, 13’ = StACo Min F 435 fol. 21, 21’. 121 StACo Min F 435 fol. 22 – 23 = StACo Landtag 236 fol. 14, 14’. 122 StACo Landtag 236 fol. 15 – 24 = StACo Min F 435 fol. 24 – 31’. 123 StACo Min F 435 fol. 38 – 39 = StACo Landtag 236 fol. 25 – 26, siehe auch Landtagsabschied vom 2. Juli 1825 StACo Landtag 61 fol. 1 – 5 = RIBl. Nr. 35 vom 27. August 1825, Beylage. 124 Textanhang Nr. 37 = StACo Landtag 236 fol. 28 – 33’ = StACo Kammerarchiv 5688 fol. 1 – 6’ = StACo LA L 558 / II = RIBl. Nr. 35 vom 27. August 1825, Beylage = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 180 ff. 125 Dies übersieht offensichtlich Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-CoburgGotha, S. 44, der die Ansicht vertritt, die Staatsschuldentilgungskommission habe bis 1852 bestanden. 119 120

498 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

f) Neue Regelungen in der Verwaltung aa) Geschäftsordnung für das Landesministerium Durch das Geschäftsregulativ vom 25. Januar 1825126, das nach einem Entwurf Carlowitz’ vom 2. Januar 1825127 entstand, wurde die Rolle des Landesministeriums als oberster Behörde des Staates bestätigt und seine Organisation neu geregelt. Das Landesministerium sollte künftig aus einem Geheimen Rat und den Leitern der Landesregierung, des Justizkollegiums und der Kammer sowie einem Geheimen Assistenzrat bestehen. Die drei Behördenleiter und der Geheime Rat sollten jeweils eine Abteilung des Landesministeriums leiten, wobei der Herzog sich stets Weisungen im Einzelfall vorbehielt. Der Assistenzrat diente als Verhinderungs- und Abwesenheitsvertreter für die vier Ministeriumsmitglieder, hatte diese zu unterstützen und stand der Behördenkanzlei vor. Die sechs Departements waren auf vier Referate aufzuteilen, wobei in seit Beginn des XIX. Jahrhunderts klassischer Art und Weise128 getrennte Departements für Finanzen, Inneres und Justiz zu bilden waren. Das Präsidium der Behörde behielt Herzog Ernst sich wiederum selbst vor, wobei die Behörde bei Sitzungen, denen der Landesherr präsidierte, als „Conseil“ fungierte.129 bb) Auflösung der Chausseebaukommission Durch Reskript vom 17. April 1825 wurde die 1808 errichtete Chausseebaukommission130 aufgelöst. Ihre Aufgaben wurden der Landesregierung übertragen, sie sollte dafür ein technisches Mitglied zugeteilt bekommen.131

126 Textanhang Nr. 36 = ThStAGo Staatsministerium Departement I Loc. 3 Nr. 2 Vol. VI fol. 67 – 74. 127 StACo LA F 5797 / II fol. 13 – 18. 128 Siehe dazu Hermann Schulze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechtes, Erstes Buch, S. 295 ff. 129 Zur Geschäftsverteilung im übrigen vgl. ThStAGo Staatsministerium Departement I Loc. 3 Nr. 2 Vol. VI fol. 75 – 78. 130 Siehe dazu oben C.II.5.g)ff)(1). 131 StACo Min F 429 fol. 24.

II. Die gothaische Sukzession von 1826 und die Folgen

499

II. Die gothaische Sukzession von 1826 und die Folgen 1. Hintergründe der Sukzession in Sachsen-Gotha-Altenburg Infolge Aussterbens der Linie Sachsen-Gotha-Altenburg im Mannesstamm durch den Tod Herzog Friedrichs IV. am 11. Februar 1825132 kam es zur letzten Erbteilung der sächsischen Häuser.133 Bereits 1819 hatte sich – wohl wegen des gesundheitlichen Zustandes des unverheirateten damaligen Erbprinzen – der gothaische Minister Bernhard August von Lindenau mit den drei erbberechtigten Häusern Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-Coburg-Saalfeld zu Verhandlungen in Verbindung gesetzt.134 An 7. Oktober 1821 wurde eine Konferenz in Arnstadt abgehalten135, der langwierige Verhandlungen folgten.136 Sachsen-Meiningen forderte in der Erbangelegenheit die Anwendung der Gradualerbfolge anstelle der Linearerbfolge137 – dies hätte dazu geführt, daß das gesamte Territorium Sachsen-Gotha-Altenburgs an Sachsen-Meiningen als „nächste Verwandte“ unter den Nachkommen Herzog Ernsts des Frommen138 gefallen wäre. Unter dem 11. Februar 1825 – dem Todestag des letzten gothaischen Landesherrn – publizierte Herzog Bernhard Erich Freund von Sachsen-Meiningen ein erstes Besitzergreifungspatent, wonach das gotha-altenburgische Territorium unter der Autorität der drei übrigen gothaischen Linien von den bisherigen Behörden weiter verwaltet werden sollte.139 Durch Patent vom 13. Februar 1825 protestierten Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Saalfeld und Herzog Friedrich von SachsenHildburghausen gegen die damit offen verbreiteten meiningischen Erbansprüche und bestanden auf einer gemeinschaftlichen Verwaltung Sachsen-Gotha-Altenburgs bis zum Abschluß einer endgültigen Vereinbarung.140 Durch ein auf den 11. Februar 1825 rückdatiertes Patent nahmen schließlich Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-Coburg-Saalfeld vom Gebiet Sachsen-GoThStAMgn GA V.O.19; Mitteilung bei StACo Min J 54 fol. 2, 2’. Zu simplifiziert die Darstellung bei Kristin Wiedau, Eine adlige Kindheit in Coburg, S. 17, wonach „das Herzogtum Gotha nach dem Tod ihres Vaters an Herzogin Luise als rechtmäßige Erbin“ gefallen sei. 134 StACo Min J 43 fol. 2. 135 Siehe dazu Ernst II., Aus meinem Leben und meiner Zeit, Erster Band, S. 36 f. und Ulrich Heß, Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Meiningen, S. 89 f. 136 Vgl. StACo Min J 43 – 47, 51 und 53; ThStAMgn GA V.O.4 sowie die Zusammenfassung bei StACo Min J 56 fol. 3 – 25. – Auch mehrere Schreiben von Fürst Metternich an Herzog Ernst beschäftigen sich mit der gothaischen Sukzession, siehe Veste Coburg, Autographensammlung I.A.2. Metternich 0 / 9 ff., jeweils unpag. 137 Siehe Ernst II., Aus meinem Leben und meiner Zeit, Erster Band, S. 37. 138 Siehe dazu oben A.I. 139 StACo Urk LA C 151. 140 StACo Urk LA C 153. 132 133

500 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

tha-Altenburgs zunächst gemeinschaftlich Besitz.141 Herzog Ernst von SachsenCoburg-Saalfeld benachrichtigte das gothaische Gesamtministerium mit Schreiben vom 17. Februar 1825142 sodann von der Wiederinbesitznahme der elf 1805 an Sachsen-Gotha-Altenburg bis zu einem Aussterben dieser Linie abgetretenen Ortschaften.143 In der Folge kam es zu intensiven Verhandlungen und Auseinandersetzungen144, wobei schließlich – trotz eines Vermittlungsangebotes Metternichs vom 27. Februar 1825 mit dem Hinweis, die Sache gegebenenfalls der Bundesversammlung zur Schlichtung vorzutragen145, – König Friedrich August von Sachsen mit schiedsrichterlichen Aufgaben betraut wurde.146 Zwar war zunächst beabsichtigt gewesen, drei territorial geschlossene Herzogtümer zu bilden, doch nicht zuletzt aufgrund der dringenden Empfehlung des gothaischen Ministers Bernhard August von Lindenau an Herzog Ernst, nach Möglichkeit Gotha zu wählen147, optierte dieser dafür, neben dem bisherigen coburgischen Territorium den gothaischen Teil Sachsen-Gotha-Altenburgs zu übernehmen. Im Liebensteiner Präliminarvertrag vom 11. August 1826148 wurde ebenso wie im Hildburghäuser Hauptteilungsvertrag vom 12. November 1826149 folgendes festgesetzt: Sachsen-Hildburghausen tritt sein gesamtes Territorium an SachsenMeiningen und Sachsen-Coburg-Saalfeld ab und erhält dafür das „Fürstentum Altenburg“ mit geringen territorialen Einbußen einschließlich der 1805 von Sachsen-Coburg-Saalfeld abgetretenen Ortschaften. Sachsen-Coburg-Saalfeld tritt an Sachsen-Meiningen das Amt Themar, das „Fürstentum Saalfeld“ sowie die auf dem linken Ufer der Steinach gelegenen Ortschaften ohne Horb und Fürth am Berg ab. Sachsen-Coburg erhält dafür die bislang meiningischen Kammergüter Callenberg und Gauerstadt, das „Herzogtum Gotha“ mit Ausnahme des Amtes Kranichfeld und des gothaischen Anteils am Amt Römhild sowie die bislang hildburghäusischen Ämter Sonnefeld und Königsberg. Sachsen-Meiningen erhält das StACo Min J 54 fol. 16 = StACo LA F 4909 = StACo LA L 295. ThStAGo Geheimes Archiv E.IX. Nr. 6 fol 17, 17’; id. mit Schreiben an Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-Meiningen StACo Min J 51 fol. 18 – 19’. – Im übrigen siehe oben B.V.3. 143 Siehe dazu oben B.IV.3. 144 StACo Min J 54. 145 StACo Urk LA C 154 = Ernst II., Aus meinem Leben und meiner Zeit, Erster Band, S. 41 f. 146 Siehe dazu im einzelnen StACo Min J 55 – 58, 79 – 81; ThStAMgn GA V.O.33 sowie Ulrich Heß, Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Meiningen, S. 91 f. und Erich Keerl, Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 237 ff. 147 Schreiben vom 27. Mai 1826 bei StACo LA A 6244 fol. 73’; jetzt auch abgedruckt bei Heinz Wiegand, Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha-Altenburg, S. 57. 148 StACo Urk LA C 156 = StACo Min J 74 fol. 2 – 15 = StACo Min J 90 fol. 59 – 69’. 149 StACo Urk 8 = ThStAMgn GA V.O.33 fol. 236 – 257’; Ratifikationsurkunden bei StACo Urk LA C 165, 166. 141 142

II. Die gothaische Sukzession von 1826 und die Folgen

501

„Fürstentum Saalfeld“, das verbleibende hildburghäusische Territorium, die Ämter Römhild und Themar, die von Sachsen-Coburg abgetretenen Ortschaften links der Steinach und die verbleibenden Ämter.150 Diese Vereinbarung wurde durch ein gemeinschaftliches Abgabe- und Inbesitznahmepatent vom 15. November 1826 vollzogen.151 Durch Patent Herzog Ernsts vom 16. November 1826152 wurde die Besitzergreifung des „Herzogtums Gotha“ bekanntgemacht, wobei von einem Fortbestehen der bisherigen gothaischen Behörden ausgegangen wurde. Durch Patent vom 18. November 1826153 wurde schließlich die Übergabe des „Fürstentums Saalfeld“ an Sachsen-Meiningen publiziert. Bereits zeitgenössisch stieß diese Vorgehensweise auf scharfe Kritik und galt als „rein dynastischer Länderschacher alten Stils“.154 Dieser Wertung kann nur vollumfänglich gefolgt werden, der Wechsel der Landeszugehörigkeit ohne jegliche parlamentarische (oder ständische) Mitbestimmung ist im XIX. Jahrhundert mit Ausnahme von Kriegsfällen als deutliche Ausnahme anzusehen. Die Teile des neuen Staatengebildes „Sachsen-Coburg und Gotha“ mußten umgehend in der Verwaltungsstruktur angenähert werden. Nach der Abtretung des Landesteils Saalfeld blieb die Verfassung von 1821 nur noch im verbleibenden Landesteil Coburg gültig, so daß auch insoweit Änderungen nahelagen.

2. Sukzessionsbedingte Änderungen der Verwaltungsstruktur a) Sofortige Reorganisation des Ministeriums 1826 Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die „Vergrößerung Unserer Lande“ und die dadurch bedingte „Vermehrung der Geschäfte Unsers Landes-Ministeriums“ wurde das seit 1808 bestehende Landesministerium 155 durch Verordnung vom 30. November 1826 nunmehr unter der Bezeichnung „Herzoglich Sachsen-Coburg und Gothaisches Ministerium“ als oberste Verwaltungsbehörde nicht nur für das neue Staatengebilde Sachsen-Coburg und Gotha, sondern ausdrücklich auch für 150 Nicht zu halten ist die Darstellung von Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 9, wonach 1826 „das Fürstentum Gotha in seinem geschlossenen Bestand blieb und mit dem aus Teilen des Fürstentums SachsenCoburg-Saalfeld und Hildburghausen neugebildeten Herzogtum Coburg vereinigt wurde“. – Weitere Details finden sich bei Ulrich Heß, Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Meiningen, S. 93 f. 151 StACo Urk LA C 164 = StACo LA L 297. 152 StACo Min J 82 fol. 2 – 3. 153 StACo Min J 99 fol. 3 – 4. 154 Siehe dazu Peter Mast, Schrullen eines unbeschäftigten Kleinfürstenstandes, S. 203. 155 Siehe dazu oben C.II.5.e)cc).

502 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

das Gebiet des Fürstentums Lichtenberg eingesetzt156 und dies den nachgeordneten Behörden am gleichen Tage mitgeteilt.157 Der Zuständigkeitsbereich der Behörde – die achtzehn Jahre nach Kretschmanns Zeit wieder allein „Ministerium“ benannt wurde – bezog sich ausdrücklich auf die bisherigen Geschäftskreise der früheren Ministerien von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Hildburghausen und wurde detailliert dargestellt. Neu im Vergleich zum Publikandum über die innere Organisation des Landesministeriums vom 4. Juni 1808158 war die Zuweisung aller Verfassungsangelegenheiten einschließlich der Verhandlungen mit den Landständen an das Ministerium und neben der ausdrücklichen Zuständigkeit für „die oberste Leitung der gesammten Staatsverwaltung“ auch „die oberste Leitung der Gesetzgebung“. Das Ministerium hatte ausdrücklich im Namen des Herzogs zu handeln, auch die Eingaben an das Ministerium waren an den Herzog zu adressieren. Die Behörde war im Gegensatz zum früheren Landesministerium nicht mehr kollegial, sondern hierarchisch organisiert. Als Behördenleiter fungierte der – in seiner Bezeichnung wiederum an Kretschmanns Terminologie159 erinnernde – „dirigierende Geheime Rat“, der durch einen zweiten geheimen Rat und mehrere Geheime Assistenzräte unterstützt wurde. Bei herzoglichen Erlassen hatte der dirigierende Geheime Rat gegenzuzeichnen. Die vom Ministerium selbst zu zeichnenden Reskripte waren mit der Formel „Vermöge Sr. Herzogl. Durchlaucht Höchsten Special-Befehls“ vor der Unterschrift zu versehen – wiederum eine ähnliche Formel wie das Kretschmannsche „A.S.B.“.160 Zur Beratung wichtiger Angelegenheiten wie Gesetzgebung, Haushaltsfragen, Landtagspropositionen, Staatsverträge und Hausangelegenheiten wurde ein besonderes Geheimes Ratskollegium gebildet, das neben den Mitgliedern des Ministeriums aus den bisherigen Mitgliedern des Landesministeriums und gesondert von Herzog zu berufenden Präsidenten der Landeskollegien bestand. Ähnlich verhielt es sich in Preußen seit 1817, wo durch die „Verordnung zur Einführung des Staatsraths“ vom 20. März 1817161 neben dem hierarchisch organisierten Staatsministerium unter dem Vorsitz des Staatskanzlers ein – auch teilweise unter dem Vorsitz des Königs tagender – Staatsrat als beratende Behörde ohne Einfluß auf die Verwaltung errichtet wurde. Im Gegensatz beispielsweise zu Sachsen-Meiningen, das mittlerweile über ein räumlich zusammenhängendes Territorium verfügte und durch ein Patent vom 156 Textanhang Nr. 38 = ThStAGo Staatsministerium Departement I Loc. 3 Nr. 2 Vol. VI fol. 115 – 120 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 197. 157 StACo Kammerarchiv 3741 fol. 1 – 3’ = StACo Kammerarchiv 5691 fol. 1 – 4 = StACo Kons 1193 fol. 1 – 3’ = StACo Min F 566 fol. 47 – 49’. 158 Siehe dazu oben C.II.5.e)cc). 159 Siehe dazu oben B.III.1.d). 160 Siehe dazu oben B.III.1.b). 161 PrGS 1817, S. 67 ff. = Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 158 ff.

II. Die gothaische Sukzession von 1826 und die Folgen

503

18. November 1826162 durchgehende Vereinfachungen der Behördenstruktur vornahm163, versäumten Sachsen-Coburg und Gotha eine Vereinheitlichung der Verwaltung der beiden Herzogtümer im Jahre 1826. Spätere Maßnahmen164 konnten dieses Versäumnis nur minimal korrigieren. b) Reform des Behördenaufbaus 1828 Mit Datum vom 30. Oktober 1828 wurde die „Verordnung über den Landesverwaltungsorganismus der Herzoglich Sachsen-Coburg und Gothaischen Lande“ publiziert.165 § 1 bestimmte als dem Landesherrn und seinem Ministerium unmittelbar nachgeordnete Kollegialbehörden: jeweils ein Justizkollegium, eine Landesregierung und ein Kammerkollegium in Coburg und Gotha, eine Obersteuerkommission in Coburg, ein Obersteuerkollegium in Gotha sowie ein Oberkonsistorium und eine Militärverwaltungskammer in Gotha. Dies zeugte ebenso wie das Zahlenverhältnis des in § 2 zugewiesenen Personals von einer wachsenden Bedeutung Gothas, was nicht nur auf die größere Einwohnerzahl des Landesteils Gotha zurückzuführen war. Gleichzeitig begann hiermit die bis zum Ende des Staatsgebildes SachsenCoburg-Saalfeld charakteristische Duplizität der Verwaltung: In beiden Residenzstädten existierten nahezu sämtliche Behörden parallel zueinander, wobei das Coburger Kollegium stets zahlenmäßig kleiner war. Mit der Reorganisation wurde zudem weitgehend das jeweilige Gebiet eines Landesteils als Verwaltungssprengel von Mittelbehörden festgeschrieben – eine Situation, wie sie Sachsen-CoburgSaalfeld für mehr als zwei Jahrzehnte nicht gekannt hatte. § 14 ging – mittlerweile aber beschränkt auf das rangmäßige Verhältnis der Bediensteten untereinander – immer noch von einem Fortbestand einer einheitlichen, nur aus mehreren Sektionen bestehenden und damit alle Mittelbehörden umfassenden Landesregierungskollegiums aus. Weitere Vorschriften regelten detailliert Fragen des Subalternpersonals (§§ 3 ff.) und der Vereinfachung der schriftlichen Kommunikation mit den Behörden (§ 8), ebenso die Form der behördlichen Schriftstücke (§§ 9 f.). §§ 11 ff. beschränkte den Rechtsweg gegen behördliche Entscheidungen – ausgenommen solche der Gerichte – auf Petitionen an den Herzog. StACo Min J 97 fol. 31 – 33’. Die Unterbehörden Sachsen-Meiningens blieben ebenso wie diejenigen der übernommenen Gebiete bestehen, die Zuständigkeit der meiningischen Landesbehörden wurde auf die neuen Lande ausgeweitet, die Landesregierung in Hildburghausen bestand als Oberbehörde, deren Zuständigkeitsbereich auf Saalfeld ausgedehnt wurde, fort. Auch eine Vereinigung der Landschaften wurde projektiert. 164 Beispielsweise die Verordnung über den Landesverwaltungsorganismus vom 30. Oktober 1828, siehe dazu sogleich b). 165 StACo Kammerarchiv 3742 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 206 ff. 162 163

504 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

In insgesamt sechs in ihrem Aufbau annähernd gleichen Anlagen wurden detailliert Zuständigkeit, innere Organisation und Geschäftsgang bei den Behörden geregelt. Bei den jeweils in Coburg und Gotha bestehenden Behörden erfolgte dies durch eine einzige Verordnung. Die Zuständigkeit des Oberkonsistoriums wurde durch § 2 der Verordnung auf die Verwaltung der evangelischen Kirche beschränkt, während katholische Kirchenfragen Sache der jeweiligen Landesregierung sein sollten. Für den Coburger Landesteil trat das Oberkonsistorium in Gotha ohnehin nie in Wirksamkeit166, hier bestand das bisherige Konsistorium bis 1835 fort.167

c) Keine allgemeine Reorganisation städtischer Behörden Bereits § 31 der Verfassungsurkunde sah den Erlaß einer allgemeinen Städteordnung vor. Ständeversammlung und Ständedeputation forderten wiederholt die Erfüllung dieser Zusage. In einem herzoglichen Reskript vom 6. Juni 1828 wurde hinsichtlich einer wiederholten Anfrage der Stände hinsichtlich der allgemeinen Städteordnung ausgeführt, daß deren Ausarbeitung bereits angeordnet sei.168 Die Regelungen des „Organisationspatent für den Magistrat der Residenz-Stadt Coburg“ vom 27. Juli 1829 169, das wohl als Surrogat an die Stelle der von Magistrat und Bürgerschaft geforderten allgemeinen Coburger Stadtordnung170 trat, galten allein für die Residenzstadt Coburg. Neben eine detaillierte Zuständigkeitsauflistung in Verwaltungs- und Justizsachen trat die Festsetzung, daß alle Beamten und sonstigen Mitarbeiter durch den Magistrat zu wählen waren. Dieser bestand aus dem Stadtdirektor als Leiter des Kollegiums in allen Geschäftsbereichen, aus mehreren (wohl im allgemeinen zwei) Magistratsräten, darunter einem Kassenverwalter und einem Stadtrichter, sowie aus sechs auf sechs Jahre gewählten Senatoren als Beisitzern. Die bisherigen Viertelsmeister werden nunmehr Distriktsaufseher genannt171 und von den Bürgern des Distrikts aus ihrer Mitte gewählt, wobei sie Bürger christlichen Glaubens mit 166 Karl Friedrich von Strenge / Gustav Rudloff / Franz Claus, Die Grundsätze des Kirchenrechts, S. 11. 167 Siehe dazu unten F.I.1.b)aa). 168 StACo Min D 4157 fol. 2. 169 Stadtarchiv Coburg A 96 I = StACo LReg. 4773 fol. 21 – 62’ = Stadtarchiv Coburg A 95 (dortige Abschrift falsch auf 1. Juli 1829 datiert) = ebd. A 96 II fol. 4 – 49; vorige Entwürfe bei StACo LReg. 4772. 170 Siehe dazu oben I.1. 171 Ähnliche Begriffe bestanden in Preußen („Bezirksvorsteher“, Conrad Bornhak, Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Dritter Band, S. 18) und in Hannover („Bürgervorsteher“, Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 569 ff.).

II. Die gothaische Sukzession von 1826 und die Folgen

505

einem Mindestalter von 25 Jahren sein mußten. Zu weiteren Entwicklungen im Gemeindewesen kam es erst 1834.172

3. Verfassungsrechtliche Situation in „Sachsen-Coburg und Gotha“ a) Verhältnis zwischen Sachsen-Coburg und Sachsen-Gotha Die „Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha“173 waren bis zum gemeinschaftlichen Staatsgrundgesetz von 1852174 lediglich in Personalunion175 unter dem gleichen Landesherrn verbunden, die Verfassungen der beiden selbständigen Staatsgebilde bestanden unabhängig voneinander fort.176 Die zunächst einzige gemeinschaftliche Einrichtung der beiden Staaten, deren Bevölkerung deutlich differierte177, war das – naturgemäß – an die Person des Herzogs gekoppelte Ministerium.178

b) Faktische Verfassungsänderungen im verbleibenden Sachsen-Coburg Der Wegfall des Landesteils Saalfeld aus dem Geltungsbereich der coburgischen Verfassung und damit aus dem Repräsentationsbereich der coburgischen Ständeversammlung hatte ebenso wie der Anfall der Ämter Sonnefeld und Königsberg faktische Änderungen zur Folge. Siehe dazu unten F.I.2.a). So die korrekte Bezeichnung nach dem Hildburghäuser Vertrag von 1826. – Häufig verwendet, aber historisch und juristisch nicht korrekt ist der Ausdruck „Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha“, z. B. bei Peter Claus Hartmann, Die Stellung Coburgs im Alten Reich, S. 33, bei Thomas Klein, Thüringen, S. 200 ff. sowie bei Hans Tümmler, Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 544. – Falsch ist ebenfalls die – im wesentlichen nach 1871 infolge der Formulierung in Art. 1 der Verfassung vom 16. April 1871 (RGBl. 1871, S. 63 ff. = Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 456 ff.) aufgekommene – Bezeichnung „Sachsen-Coburg-Gotha“, wie sie auch Erich Keerl (Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg, S. 1, 3), Gertraud Frühwald (Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha) und Heinz-Jürgen Böhme (Politische Rechte des einzelnen, S. 143) verwenden. 174 Siehe dazu unten H.II.2.b). 175 So auch Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 647. 176 Dies verkennt Heinz-Jürgen Böhme, Politische Rechte des einzelnen, S. 143 f. – Zu Änderungen in Sachsen-Coburg siehe sogleich b); in Sachsen-Gotha blieb die erhaltene altständische Struktur bestehen, siehe Reinhard Jonscher, Thüringische Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, S. 19. 177 Zu Auseinandersetzungen siehe Gertraud Frühwald, Herzog Ernst II. von SachsenCoburg-Gotha, S. 18. 178 Siehe dazu oben 2.a). 172 173

506 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs

In einem Reskript von Herzog Ernst an die Landesregierung vom 31. März 1827179 hieß es hinsichtlich der künftigen Zusammensetzung der Ständeversammlung: „Die ( . . . ) Abtretung des Fürstenthums Saalfeld hat einen bedeutenden Einfluß auf die formelle Bildung der künftigen Stände-Versammlung, die in Folge nicht mehr, nach den Bestimmungen des §. 35 des Gesetzes vom 8. Aug. 1821 wird bestehen können, sondern nun ad 1) aus drey Abgeordneten, welche die Ritterguthsbesitzer in dem Fürstenthum Coburg, ad 2) aus einem Abgeordneten, welche die Stadtobrigkeit der Residenz Coburg, ad 3) aus einem Abgeordneten, welche die Bürgerschaft der Residenzstadt Coburg, aus ihrer Mitte zu wählen haben, und ad 4) aus drey Abgeordneten der übrigen Städte und sämmtlicher Dorfgemeinden, so daß aus jedem Amt mit Inbegriff der einbezirkten Städte ( . . . ) einer der Eingesessenen gewählt wird. Hiernach würde sich für die nächste Stände-Versammlung die Zahl von acht Landesabgeordneten statt der früheren 17 herausstellen. Da jedoch in der ältern Zeit die Städte Neustadt und Rodach besondere Abgeordnete zu den Landtägen forderten, – wo ferner die Vereinigung von Städte-Bewohnern und Dorfbewohnern zu gleichem Vertrauen in der Wahl gemeinschaftlicher Deputirten, schon nach der Verschiedenheit der Interessen, schwierig zu seyn scheint und da zu erwarten ist, daß die Deputirten der Städte in der Regel aus obrigkeitlichen an die Behandlung öffentlicher Geschäfte gewohnten, gebildeten und wohlgesinnten Personen bestehen, die Erfahrung über dem bey der vorigen Stände-Versammlung gelehrt hat, daß es unter den Deputirten der Bürger und Dorfbewohner gewöhnlichen an geübten Arbeitern für die Geschäftsbehandlung mangelt, so würden Wir nicht abgeneigt seyn, einer jeden der beiden Städte Neustadt und Rodach, wieder wie ehedem die Abordnung besonderer Deputirter zu den Landtägen zu gestatten, wodurch die Zahl der Landesabgeordneten auf 10 sich erhöhen würde. Auch erscheint bey einer Vergleichung des Amts Coburg, nach seinem Umfang an Areal und Population, mit den übrigen Aemtern, ein allzugroßes Misverhältniß, welches nur durch Gestattung der Wahl zweyer Deputirter für das Amt Coburg gehoben werden könte. Hiernach würde sich die Zahl von Eilf Landesabgeordneten ergeben.“180

Über diese – an die altständische Situation181 anknüpfenden – Überlegungen sowie über die Frage einer möglichen Einbeziehungen der Ämter Sonnefeld und Königsberg sollten Landesregierung und Ständedeputation Bericht erstatten. Die Ständedeputation teilte am 9. Juni 1827 mit, daß sie besonderen Abgeordneten für Neustadt und Rodach zwar zustimme, aber eine Ausweitung der Stimmen beispielsweise auch durch Aufnahme eines zweiten Deputierten des Amtes Coburg die Stimmberechtigung der Vertreter der Rittergutsbesitzer zu stark einschränke.182 179 180 181 182

StACo Min J 261 fol. 2 – 9. StACo Min J 261 fol. 3’ – 6. Siehe dazu insbesondere B.I.3.c)ee). StACo Min J 261 fol. 11 – 14’ = StACo Landtag 62 fol. 5 – 6’.

II. Die gothaische Sukzession von 1826 und die Folgen

507

In ihrem Bericht vom 10. Januar 1828183 unterstützte die Landesregierung die Vorschläge zur Erweiterung der Ständeversammlung. Das Vorhaben wurde schließlich durch herzogliches Reskript vom 23. Februar 1828 zumindest für die laufende Ständewahl abgelehnt, da es nicht im Einklang mit dem Wortlaut der Verfassungsurkunde stehe.184 Demzufolge wurde bei der laufenden Wahl nur eine aus acht Abgeordneten bestehende Ständeversammlung gewählt.185 In der Landtagsproposition vom 31. Mai 1828186 wurde als erster Punkt die Aufnahme der Deputierten von Sonnefeld und Königsberg durch die Landschaft angesprochen. Durch eine Verordnung vom gleichen Tage wurde bestimmt, daß ein Vertreter der Rittergutsbesitzer aus den beiden Ämtern sowie je ein aus dem Amt Sonnefeld sowie ein von Stadt und Amt Königsberg gewählter Abgeordneter an den Verhandlungen des laufenden Landtages teilnehmen sollte, ferner daß das Grundgesetz und die als Bestandteile desselben ergangenen Verordnungen in den beiden Ämtern eingeführt wurden.187 In einer Erklärungsschrift vom 3. Juni 1828188 empfanden die Stände die beabsichtigte Benennung eines zusätzlichen Vertreters der Rittergutsbesitzer als eine verfassungswidrige Verletzung der Rechte der bereits für das gesamte Land gewählten ritterschaftlichen Abgeordneten, wenngleich sie sich der Einführung eines weiteren ritterschaftlichen Deputierten nicht widersetzten. Hinsichtlich Königsbergs wurde beantragt, getrennt zwei Vertreter für Stadt und Amt wählen zu lassen. Diese Bedenken wurden jedoch durch eine weitere ständische Erklärungsschrift vom 10. Juni 1828 für erledigt erklärt.189 So konnte schließlich durch Gesetz vom 1. Juli 1828 der Geltungsbereich der coburgischen Verfassung auf die Ämter Sonnefeld und Königsberg ausgedehnt werden.190 Nach der durch das Ministerium genehmigten Niederlegung der Ämter verschiedener Ausschußmitglieder wandte sich die Ständeversammlung am 10. Juni 1828 an den Herzog mit der Bitte, zur Vermeidung des Eintretens von Stimmengleichheit bei den Abstimmungen die Gesamtzahl der Ausschußmitglieder auf fünf zu reduzieren.191 Durch herzogliches Reskript vom 16. Juni 1828 wurde wohl gemäß den Gedanken des Ministers Carlowitz192 bestimmt: StACo Min J 261 fol. 25 – 26. StACo Min J 261 fol. 27, 27’. 185 Genehmigungsschreiben zur Wahl vom 16. Mai 1828 bei StACo Min J 261 fol. 51 – 52. 186 StACo Landtag 65 = StACo Min J 261 fol. 69 – 74. 187 StACo Min J 261 fol. 75 – 76’. 188 StACo Min J 261 fol. 79 – 84’. 189 StACo Min J 261 fol. 110 – 111. 190 August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band I S. 87 f. – Proposition vom 31. Mai 1828 bei StACo Min J 261 fol. 69 – 76’; „völlig unbedingte Zustimmung“ in Erklärungsschrift der Ständeversammlung vom 3. Juli 1828 ebd. fol. 79 – 84’. 191 StACo Min J 261 fol. 112 – 113 = StACo Landtag 66 fol. 35 – 36’. 183 184

508 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs „Wir ( . . . ) sehen ( . . . ) für hinreichend an, daß der in dem Verfaßungsgesetz vom 8. August 1821. §. 104. verordnete ständische Ausschuß, von nun an, nur aus 3. Personen, nemlich aus dem Landschaftsdirector aus dem Secretair und einem hierzu erwählten Deputirten bestehe, wobey jedoch für jeden bey deßen Wahl, sogleich die Wahl eines Stellvertreters für denselben vorgesehen werden muß.“193

In der Erklärungsschrift dazu vom 18. Juni 1828 hielt die Ständeversammlung die beabsichtigte Verminderung für zu weitgehend und wiederholte ihren Antrag vom 10. Juni.194 Am 23. Juni 1828 resolvierte Herzog Ernst daraufhin: „Da Wir jedoch ( . . . ) Uns für überzeugt halten, daß die, in Unserem vorgedachten Rescripte festgesetzte Anzahl der ständischen Ausschußmitglieder, für die Erledigung der gewöhnlichen Geschäfte ausreichend erscheint: so wollen Wir es zwar in dieser Beziehung bey Unserer Verfügung vom 16. d.M. bewenden laßen, jedoch zugleich Unseren getreuen Ständen nachlaßen, daß in besonderen Fällen von Wichtigkeit und größerem Umfange ( . . . ) noch 2. Stellvertreter der Ausschuß-Mitglieder zu den Geschäften des Ausschußes beigezogen werden, wodurch die Anzahl der Mitglieder deßelben auf fünf Personen sich erhöhen würde.“195

Durch Erklärungsschrift vom 27. Juni 1828 teilte die Ständeversammlung ihre Zustimmung dazu und das Ergebnis der bereits durchgeführten Wahl mit.196 c) Versuch einer Revision der Verfassung Sachsen-Coburgs Ohne weitere Hinweise auf dessen Entstehung ist ein Entwurf einer revidierten Verfassungsurkunde aus dem Jahre 1827 erhalten.197 Da er in den Protokollen der Ständeversammlung nicht erwähnt wird, kann jedoch davon ausgegangen werden, daß er – allenfalls – verwaltungsintern verbreitet wurde. Die Präambel des auf den 21. April 1827 datierten Entwurfs nahm Bezug auf die Gebietsveränderungen des Vorjahres198 und ging von einer Zustimmung der Ständeversammlung zur (formellen) Totalrevision aus. Materiell stellte der Verfassungsentwurf jedoch nur eine Teilrevision dar, der die Verfassung von 1821 an die zwischenzeitliche Gesetzgebung anpassen sollte.199 Vgl. dessen Anmerkungen zu ständischen Eingabe bei StACo Min J 261 fol. 112. StACo Landtag 66 fol. 37 = StACo Min J 261 fol. 114. 194 StACo Min J 261 fol. 115 – 119’ = StACo Landtag 66 fol. 38 – 42’. 195 StACo Landtag 66 fol. 43 = StACo Min J 261 fol. 120 – 121. 196 StACo Min J 261 fol. 128 – 130 = StACo Landtag 66 fol. 44 – 46’. 197 Textanhang Nr. 39 = StACo Min J 339 fol. 3 – 33. 198 Vgl. dazu soeben 1. 199 Vgl. die „Bemerkungen“ Roses, in welchen die beabsichtigten Änderungen zusammengestellt wurden. 192 193

II. Die gothaische Sukzession von 1826 und die Folgen

509

Zur wesentlichen Vorschrift wurde § 1, der eine enumerative Aufzählung der „coburgischen Landesteile“ unter Einschluß einiger Neuerwerbungen, die nunmehr das „Herzogthum Coburg“ bilden sollten, enthielt. Die meisten Vorschriften wurden jedoch allenfalls als Textstufe ohne inhaltliche Änderungen fortgeschrieben. § 16 enthielt eine Klarstellung dahingehend, daß dem Landesherrn die Aufsicht über sämtliche Religionsgemeinschaften zukam. Die Ständeversammlung schrumpfte von 17 auf neun Abgeordnete (§ 22), der Ausschuß von sechs auf vier Mitglieder (§ 90). Wohl aufgrund der dilatorischen Gesetzgebung in diesen Bereichen200 entfielen sämtliche Gesetzgebungsaufträge hinsichtlich gemeinderechtlicher und feudalrechtlicher Bestimmungen. Ferner wurden sämtliche Bezugnahmen auf Staatsschuldentilgungskasse und Landeskassenkuratel durch solche auf die 1825 gebildete201 Obersteuerkommission ersetzt. Interessant erscheint lediglich die Formulierung des § 10, der getrennte Zuständigkeiten für Enteignungs- und Entschädigungsmaßnahmen konstituierte. Wohl aufgrund der bis dahin schon ausgebrochenen Auseinandersetzungen zwischen Herzog Ernst und der Ständeversammlung202 wurde dieses Projekt nicht mehr weiterverfolgt.

4. Erfolglose Gesetzesinitiative zur Reform der Feudalverfassung Nach dreijähriger Pause drängte erst der Abgeordnete Johann Nicolaus Flohrschütz mit einem Antrag vom 11. Dezember 1828 wieder auf eine Umsetzung des Gesetzgebungsauftrages aus § 17 der Verfassung: „Nach der mit Zustimmung der getreuen Stände des Herzogthums Coburg, und von Serenissimo volzogenen Verfassungs-Uhrkunde von 8ten August 1821. sind nach §. 17. Alle aus den Lehnsverband herrührenten Frohnen ablösbar, so wie alle Feudal-Lasten überhaupt, nach einen darüber nächstens erfolgenten allgemeinen Gesetz. Dieses Gesetzes, und der Erledigung dieses Gegenstandes, ist durch den Landtagsabschied von 2ten July 1825 getacht, und ausdrücklich versprochen, daß dieser Gegenstand baltmöglichst Erlediget werden sollte. Die Bekantmachung der Verfaßungs-Uhrkunde, und insbesondere die versprochene Ablösbarkeit der Feudallasten, sezte die Einwohner des Landes, und insbesonter den Bauernstand in frohe Hoffnung, weil sie glaubten es würde diesen versprechungen bis zum jetzigen Landtag genüge geleistet werden, und ich selbst glaubte, es würde bey den jetzigen Landtag ein Gesetzes-Entwurf zur Begutachtung vorgeleget werden, allein es ist dieses bis jezo noch nicht geschehen, und ist zu befürchten, das solches ohne besondere Veranlassung der Gesamtheit der Stände noch lange nicht geschehen wird. Da es nun aber der gerechte und allgemeine Wunsch des Landes ist, daß diese versprochene Gesetz nunmehro ins Leben dreten möge, da es ferner sehr nothwendig erscheint, das den Staatsbürgern bey den ausserortendlichen Leistungen Mittel in die Hände gegeben 200 201 202

Siehe dazu I.1., I.3. und I.4. Details bei I.6.e). Vgl. dazu unten F.II.2.

510 E. Verwaltungsreformen infolge der Verfassung und des gothaischen Erbvergleichs werden, wodurch es ihnen möglich gemacht wird diese Leistungen zu erfüllen, und da diese Mittel einzig und allein in der Ablösbarkeit der Feudallasten liegen, weil daturch eine freye Benutzung des Eigenthums herbey geführt werden kann, so sehe ich mich veranlast, bey einer hohen Ständeversamlung Ehrerbiedigst darauf anzutragen, das daß Herzogl. Minnisterium durch einen besontern Bericht von der gesammtheit der Stände, dazu veranlast werden möge, diesen Gegenstand baltmöglichst zu Erledigen.“203

Daraufhin wandte sich die Ständeversammlung ebenfalls unter Berufung auf § 17 der Verfassung und den Landtagsabschied von 1825 204 unter dem 14. Dezember 1828 an das Ministerium und bat um Übermittlung des 1825 erarbeiteten Gesetzentwurfs.205 Offensichtlich ist die Verzögerung bei der Erfüllung dieses Gesetzgebungsauftrages nicht, wie Dieter Heins behauptet206, auf die Ständeversammlung, sondern auf die landesherrlichen Behörden zurückzuführen. Der Landtagsabschied vom 4. Juli 1829207 führte schließlich aus, daß Herzog Ernst bereits alles Notwendige an die zuständigen Behörden verfügt habe, jedoch die Vorarbeiten noch zu keinem Abschluß gekommen seien. Den Wünschen der Stände solle jedoch Folge geleistet werden. Eine weitere Arbeit an diesem Gesetz ist allerdings erst 1833 zu bemerken.208

5. Änderung der Verwaltungssprengel der Ämter Eine unüberblickbare Situation bestand hinsichtlich des Verwaltungssprengels der Ämter in Sachsen-Coburg. Am 6. April 1827 wies die Kammer das Kammeramt Coburg auf eine beabsichtigte Umstrukturierung der Zuständigkeiten hin, wonach „die zu dem Amte Coburg gehörigen Ortschaften Gestungshausen, Zedersdorf, Firbelsdorf, Weischau, Mödlitz, Hof an der Steinach und Horb an der Steinach, so wie die zum Amte Neustadt gehörigen Orte Großgarnstadt, Oberwasungen und Plesten mit dem Amt Sonnenfeld, dagegen die Sonnenfeld’schen Orte Seidmannsdorf, Löbelstein, Rohrbach, Zeickhorn und Roth a.F. ( . . . ) mit dem Amte Coburg, der Ort Horb bey Fürth aber ( . . . ) mit dem Amte Neustadt zu vereinigen wäre.“209

In Angriff genommen wurde eine derartige Reorganisation allerdings erst zehn Jahre später.210 StACo Landtag 1396 fol. 24 – 25. Im Landtagsabschied vom 2. Juli 1825 (StACo Landtag 61 fol. 1 – 5 = RIBl. Nr. 35 vom 27. August 1825, Beylage) wurde ausgeführt, ein Gesetz über die Ablösung der Feudallasten werde derzeit ausgearbeitet. 205 StACo Min E 2154 fol. 138 – 140 = StACo Landtag 1396 fol. 26 – 27’. 206 Die Ablösung der Grundlasten im Coburger Land, S. 130 ff. 207 StACo Min J 262 fol. 22 – 25 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band I S. 88 ff. 208 Siehe dazu unten F.II.3. 209 StACo KA Coburg 13 fol. 1, 1’. 210 Siehe dazu sogleich F.I.1.c)cc). 203 204

F. Ausblick: Dilatorische Gesetzgebung in den letzten Regierungsjahren von Herzog Ernst Neben Veränderungen im Verwaltungsbereich wurde auch in den dreißiger Jahren im Verfassungsbereich nichts unternommen, um in Zusammenarbeit mit der Ständeversammlung den Gesetzgebungsaufträgen der Verfassung nachzukommen. Beim Erlaß einer Gemeindeordnung und eines Gesetzes über die Reform der Feudalverfassung ohne Mitwirkung der Stände zeigte sich eine Mißachtung der ständischen Institutionen durch Herzog und Verwaltung, die in weitere Konflikte münden sollte.

I. Verwaltungsfragen 1. Behördenorganisation a) Einführung einer Patrimonialgerichtsordnung 1830 Am 17. Juni 1828 wurde der Ständeversammlung ein Entwurf einer Patrimonialgerichtsordnung zur Beratung vorgelegt1, der mit nur geringfügigen Änderungen unter dem 30. August 1830 erlassen wurde.2 Diese Vorschrift sah die Einteilung der Patrimonialgerichte in zwei Klassen vor, wobei Patrimonialgerichte erster Klasse nur diejenigen sein sollten, denen die Kriminaljustiz zustand und Aufsicht über mindestens fünfzig häusliche Lehen führten (§§ 2 f.). Der Benennung des Gerichts war künftig die Bezeichnung „Herzogl. S. Coburg-Gothaisch“ voranzusetzen (§ 6). Verpflichtung und Einsetzung des Gerichtsbeamten erfolgte durch das Justizkollegium auf Vorschlag des Gerichtsinhabers (§ 7). Für eine Entlassung desselben galten die gleichen Grundsätze wie für die Staatsbeamten (§ 25). Damit wurde in Sachsen-Coburg ein Übergang der Patrimonialgerichtsbarkeit von einer iurisdictio propria zu einer iurisdictio delegata ermöglicht, wie es Kretschmann bereits 1804 beabsichtigt hatte3 und in anderen Staaten bereits erfolgt war.4 Manche Staaten folgten erst bedeutend später, so Preußen 1848, Schleswig StACo Landtag 282 fol. 1 – 17’. StACo Landtag 282 fol. 42 – 49’. 3 Siehe dazu oben B.IV.2.e). 4 Im Großherzogtum Toskana bereits 1770 (Harry Siegmund, Der französische Einfluß auf die deutsche Verfassungsentwicklung, S. 15); in Bayern durch das Organische Edikt über die Patrimonialgerichtsbarkeit vom 8. September 1808 (RBl. 1808, Sp. 2245 ff. = Peter Adolph 1 2

512

F. Ausblick: Gesetzgebung in den letzten Regierungsjahren von Herzog Ernst

1853, Sachsen 1855 und Holstein 1867.5 In Mecklenburg bestand das System der Patrimonialgerichtsbarkeit in streitigen Sachen bis 1879, in nichtstreitigen Zivilsachen sogar bis 1919 / 20 fort.6 b) Kirchenverwaltung aa) Vereinigung des Konsistoriums mit der Landesregierung Die Landstände äußerten in der Erklärungsschrift über den Hauptlandeskassenetat vom 25. April 1835 den Wunsch, zur Ersparung des Gehalts für den Konsistorialsekretär sowie „zur Beförderung der durch die dermalige Besetzung des Consistoriums unmöglich gemachten collegialischen Berathung“ das Konsistorium mit der Landesregierung – als eine Sektion derselben – zu vereinigen.7 Das Konsistorium widersetzte sich diesem Ansinnen in Schreiben vom 30. Juli 1835 unter Berufung darauf, daß seit der Verordnung von 18088 kein eigenes Subalternpersonal mehr beschäftigt werde.9 Dennoch wurde der Ständeversammlung im Landtagsabschied vom 11. August 1835 zugesichert, „diesen sonst wohlgemeinten Antrag in nähere Erwägung ziehen zu lassen und Uns darüber weitere Entschließung vorzubehalten, müssen jedoch, hinsichtlich des Kostenpunkts, die Möglichkeit der von Unsern getreuen Ständen hierbei ins Auge gefaßten Ersparnisse um deswillen bezweifeln, weil der für das Consistorium functionirende Actuar als solcher bei der Landes-Regierung ist.“10

Die „Verordnung die Vereinigung des Herzogl. Consistoriums mit der Herzogl Landes-Regierung betreffend“ vom 19. August 183511 verwies zunächst darauf, daß die ursprüngliche Planung von 1828 hinsichtlich einer Vereinigung der Konsistoriums mit dem Oberkonsistorium in Gotha „aus mehreren Gründen“ noch nicht umgesetzt worden sei. Bis zu dieser Maßnahme, die nach wie vor als Ziel fortbestehen sollte, wurde die Landesregierung mit Wirkung vom 1. September 1835 als einheitliches Kollegium mit den beiden Sektionen „Landesregierung“ und „Landesregierung als Konsistorium“ umgestaltet. Die zweite Sektion bestand aus Winkopp (Hrsg.), Der Rheinische Bund, 8. Band, S. 350 ff.); in Württemberg durch das Generalreskript vom 10. Mai 1809 (abgedruckt bei Friedrich Kappler, Sammlung der württembergischen Gerichts-Geseze, Vierter Theil, Erste Abtheilung, S. 203 ff.). 5 Sabine Werthmann, Vom Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit, S. 56 f., 64. 6 Sabine Werthmann, Vom Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit, S. 56 f. 7 Darstellung in einem Schreiben des Ministers Carlowiz vom 5. Juli 1835, StACo Kons. 1130 fol. 41; falsche Datierung auf 1834 bei StACo Min F 439 fol. 2. 8 Siehe dazu oben C.II.5.e)bb). 9 StACo Min F 439 fol. 10 – 14 = StACo Kons 1130 fol. 42 – 44’. 10 August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band I S. 110 ff., 131. 11 StACo Kons 1130 fol. 46 – 48’ = StACo Min F 439 fol. 19 – 20’ = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 499 ff.

I. Verwaltungsfragen

513

den Mitgliedern der Landesregierung, dem Coburger Generalsuperintendenten sowie dem Gymnasialdirektor in Coburg und übernahm den bisherigen Geschäftskreis des Konsistoriums. bb) Errichtung von Geistlichen Untergerichten Im Zusammenhang mit der Neuorganisation der Ämter12 hob die Verordnung vom 28. Juli 183713 die noch für die Amtsbezirke Coburg und Rodach bestehenden Kirchenkommissionen auf und bildete für jeden Amtsbezirk ein geistliches Untergericht, das aus Justizamtmann und Ephorus bestand. Eine weitere Verordnung vom 22. Februar 183814 grenzte die Zuständigkeit dieser Behörden von derjenigen der Ephorien dahingehend ab, daß den geistlichen Untergerichten die Finanzverwaltung, die Finanzaufsicht und die allgemeine Verwaltung im kirchlichen und schulischen Bereich oblag, während die Ephorien für die materielle Kontrolle der Geistlichen und Lehrer zuständig waren. c) Sonstiges aa) Rechnungsdepartement des Ministeriums Zu den bisherigen sechs Departements im Ministerium15 kam durch Verordnung vom 2. November 1830 noch ein gesondertes Rechnungsdepartement.16 bb) Auflösung der Landesregierung als Kriegskommission Die 1825 gegründete „Landesregierung als Kriegskommission“17 wurde – nicht zuletzt mangels besonderer Tätigkeit – durch Verordnung vom 18. November 1833 wieder aufgelöst. cc) Gebietsbereinigung bei den Ämtern Elf Jahre nach dem Erwerb des vormals hildburghäusischen Amtes Sonnefeld18 und nach über zehnjährigem Vorlauf19 wurden die zwar historisch überlieferten, Siehe dazu unten c)cc). StACo GUG Co 1 fol. 1 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 507. 14 August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 529 ff. 15 Siehe dazu oben E.I.6.f)aa). 16 ThStAGo Staatsministerium Departement I Loc. 3 Nr. 2 Vol. VI fol. 178 – 183’. 17 Siehe dazu oben E.I.6.a). 18 Siehe dazu oben E.II.1. 19 Siehe dazu oben E.II.5. 12 13

514

F. Ausblick: Gesetzgebung in den letzten Regierungsjahren von Herzog Ernst

sich aber vielfach überschneidenden und mit mehreren En- und Exklaven versehenen Bezirke der Ämter Coburg, Neustadt und Sonnefeld durch eine Verordnung vom 28. Juli 1837 neu abgegrenzt.20

2. Städte- und Gemeindeordnungen a) Erlaß einer Landgemeindeordnung 1834 / 1835 Nach längeren Auseinandersetzungen21 wurde der Ständeversammlung mit Schreiben vom 22. Mai 1834 schließlich ein Entwurf einer Gemeindeordnung übermittelt.22 Dieser Entwurf ohne äußere Gliederung bestand aus 96 Paragraphen und verhieß bereits in seiner Präambel die Erfüllung des Gesetzgebungsauftrages aus § 31 der Verfassung. Als zentrales Organ jeder Gemeinde sollte ein Gemeindeausschuß aus (besoldetem) Schultheiß und zwei bis sechs (ehrenamtlich tätigen) Gemeindebevollmächtigten bestehen. Die Mitglieder des Ausschusses sollten bei mündlicher Abstimmung in relativer Mehrheitswahl für die Dauer von fünf Jahren gewählt werden; die zweiter Wiederwahl des Schultheißen aber auf Lebenszeit gelten, wobei die Wahl in jedem Falle der Bestätigung durch die vorgesetzte Behörde bedurfte. Wahlberechtigt sollten die männlichen Einwohner mit wesentlichem Wohnsitz im Ort sein, für das passive Wahlrecht kam noch ein Mindestalter von 25 Jahren hinzu. Dem Schultheiß oblag neben der Führung der laufenden Geschäfte und der Ortspolizei auch der Vorsitz im Gemeindeausschuß. Die Gemeindebevollmächtigten hatten in erster Linie eine beratende Funktion und wirkten bei der Finanzkontrolle mit, eine entscheidende Stimme kam ihnen bei der Verwaltung des gemeindlichen Grundeigentums, der Herstellung des Haushalts, bei Einstellungen, im Gemeindebauwesen und bei der Armenpflege zu. Die Zustimmung einer Gemeindeversammlung war zur Einführung neuer Gemeindeabgaben, bei Erwerb und Veräußerung von Gütern und Rechten durch die Gemeinde, zur Aufnahme neuer Schulden und bei Rechtsstreitigkeiten notwendig. In einer Erklärungsschrift vom 8. Oktober 183423 führte die Ständeversammlung aus, daß sich § 31 der Verfassung nicht nur auf die Land-, sondern auch auf die Stadtgemeinden beziehe. Entgegen dem Vorspruch werde lediglich durch die vorgelegte Dorfsordnung der Verfassung nicht Genüge getan, vielmehr sei noch eine allgemeine Städteordnung, möglichst nach Vorbild der preußischen, zu erarbeiten. 20 StACo GUG Co 1 fol. 1 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VI S. 507. 21 Siehe dazu oben E.I.3. 22 Schreiben bei StACo Landtag 790 fol. 9; Entwurf ebd. fol. 10 – 38’. 23 StACo Min D 4152 fol. 51’ – 52’ = StACo Landtag 790 fol. 61 – 63’.

I. Verwaltungsfragen

515

Zudem sollte noch das Verfahren bei der Aufnahme von Gemeindegliedern und Schutzverwandten geregelt werden. Durch herzogliches Reskript vom 19. November 183424 wurde hierauf geantwortet, daß ein Entwurf für eine gemeinsame Ordnung für Städte und Dörfer der Ständedeputation am 10. April 1823 der Deputation der Stände mitgeteilt, von dieser aber unter dem 14. Oktober 1824 als für die Städte nicht passend zurückgewiesen worden sei. Am 23. Mai 1832 sei die Landesregierung angewiesen worden, unter Vorbild der von Herzog Ernst nach dem Vorbild der preußischen Städteordnung vom 17. März 183125 erlassenen Verordnung über die Verwaltung der Stadt Gotha eine allgemeine Städteordnung zu entwerfen, was inzwischen noch nicht geschehen sei. Der Erlaß von Regelungen über Aufnahme von Gliedern und Schutzverwandten in die Dorfsordnung sei bereits beabsichtigt.26 In einer erneuten Erklärungsschrift vom 20. März 183527 unterbreitete die Ständeversammlung weitere Änderungsvorschläge. In § 2 sollte eine genaue Festlegung der Zahlenverhältnisses zwischen Einwohnerzahl und Bevollmächtigten erfolgen. Bei § 64 sollten auch Stellvertreter für die Gemeindebevollmächtigten vorgesehen werden. Die „Verordnung, die Verwaltung des Gemeindewesens betreffend“ vom 10. August 183528 setzte schließlich in § 2 eine Abhängigkeit der Zahl der Bevollmächtigten „nach der Seelenzahl des Orts“ dahingehend fest, daß bei einer Einwohnerzahl bis 100 zwei, bis 300 vier und darüber sechs Bevollmächtigte zu wählen waren. Für ausscheidende Bevollmächtigte sollten diejenigen nachrücken, die bei der letzten Wahl nach den Gewählten die meisten Stimmen erhalten hatten (§ 65). Eine Normierung über die Ansässigmachung in der Gemeinde fehlte jedoch nach wie vor, dies wurde durch eine gesonderte „Verordnung das Wohnorts- oder Heimathsrecht der Unterthanen betreffend“ vom 12. August 1835 geregelt.29 Der Erlaß dieser in §§ 31 f. der Verfassung ausdrücklich als „Gesetz, das einen Bestandteil der Verfassung bildet“ bezeichneten Rechtsnorm führte ebenso wie der Erlaß des Gesetzes über die Ablösung der Feudallasten30 zu Auseinandersetzungen mit der Ständeversammlung. Erst eine Übereinkunft vom 22. August 1836 ermöglichte der Ständedeputation, zu diesem Gesetz nachträglich eine Erklärung abzuStACo Landtag 790 fol. 64 – 65. PrGS 1831, S. 9 ff. 26 Beispielsweise bereits enthalten in § 2 des badischen Gesetzes über die Verfassung und Verwaltung der Gemeinden vom 31. Dezember 1831, abgedruckt bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Erster Band, S. 511 ff. 27 StACo Landtag 790 fol. 66 – 79’. 28 StACo Landtag 790 fol. 80 - ff. = StACo LReg. 3587 fol. 2 – 23 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band IX S. 48 ff. 29 August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band IX S. 97 ff. 30 Weiteres bei II.3. 24 25

516

F. Ausblick: Gesetzgebung in den letzten Regierungsjahren von Herzog Ernst

geben; ferner wurde den Abgeordneten zugesichert, daß die Erarbeitung einer Städteordnung nach preußischem Vorbild31 beschleunigt wurde.32 Aus dem Folgejahr ist zwar ein weiterer Entwurf einer Gemeindeordnung33 überliefert, eine weitere Gesetzgebungstätigkeit ließ jedoch bis 1867 auf sich warten.34

b) Fortführung der Diskussion über die Coburger Stadtordnung Bereits in einer Eingabe vom 18. Oktober 1830 hatten die Distriktsvorsteher der Stadt Coburg namens der Bürgerschaft die Einführung einer Stadtordnung nach dem Vorbild der preußischen Kommunalverfassung gefordert.35 Dies hatte lediglich Korrespondenz zwischen Ministerium und Landesregierung zur Folge36, jedoch keine gesetzgeberischen Aktivitäten. Erst im Rahmen der Beratung der Gemeindeordnung 1834 forderte die Ständeversammlung die Einlösung des Gesetzgebungsauftrages in § 31 der Verfassung auch hinsichtlich der Stadtgemeinden nach dem Vorbild der preußischen Städteordnung.37 Am 27. September 1835 legte die Landesregierung einen Entwurf eines Organisationspatents für den Coburger Magistrat vor.38 Die auf 125 Paragraphen angewachsene Vorschrift setzte wiederum mit einer längeren Präambel ein, die die Arbeiten zu Beginn der zwanziger Jahre39 außer Acht ließ. Der Entwurf sah 18 „Stadtverordnete“ und neun Stellvertreter vor, die auf drei Jahre direkt von der Bürgerschaft zu wählen waren. Die Stadtverordneten sollten zur Mitwirkung in allen kommunalen Angelegenheiten berechtigt sein und nur von der Ausübung der landesherrlichen Gewalt, insbesondere Justiz und Polizei, ausgeschlossen bleiben. Der Magistrat, der aus einem Stadtdirektor, mehreren Magistratsräten und Senatoren bestehen sollte, sollte ebenso wie anzustellende Kirchen- und Schuldiener in gemeinsamer Sitzung von Magistrat und Stadtverordneten mit absoluter Stimmenmehrheit gewählt werden. Wieder vorgesehen waren Vorstand und Protokollführer der Stadtverordneten, die für den Zeitraum eines Jahres zu wählen waren. 31 32 33 34 35 36 37 38 39

Siehe dazu sogleich b). StACo Min J 349 fol. 4 – 11 = StACo Min J 251 fol. 72, 72’. Stadtarchiv Coburg A 6215 in toto. Siehe dazu unten H.III.2.d). StACo Min D 4162 fol. 4’, 5. StACo Min D 4162 fol. 16 – 21. Siehe dazu soeben a). StACo Min D 4152 fol. 76 – 125’. Zu diesen siehe E.I.1.

I. Verwaltungsfragen

517

Das Verfahren ruhte sodann, bis die Landesregierung 1837 einen weiteren Entwurf ausarbeitete, der der Ständedeputation am 25. Januar 1838 vorgelegt wurde.40 In ihrem ablehnenden Votum vom 17. Februar 1841 kritisierten die Abgeordneten insbesondere, daß eine Stadtverordnetenversammlung nicht notwendig sei, zwölf durch die Bürgerschaft gewählte Senatoren reichten aus.41 Bereits am 2. Juli 1841 wies die Landesregierung den Magistrat zur Durchführung der Wahl von Bürgervertretern an42; bis diese 1842 schließlich durchgeführt wurde, kam es noch zu zahlreichen weiteren Entwürfen und Diskussionen mit der Ständeversammlung.43 Nach längeren Unterhandlungen zwischen dem herzoglichen Kommissar und der durch die Wahl gebildeten Bürgerdeputation von 1842 bis 184444 kam es erst 1845 zu Fortschritten.45

c) Vergebliche Forderung nach einer allgemeinen Städteordnung Nach der Mitteilung des Entwurfs einer Stadtordnung für Coburg46 forderte die Ständedeputation in einer Erklärungsschrift vom 26. April 1838 die baldige Vorlage einer allgemeinen Städteordnung.47 Das Ministerium beauftragte daraufhin die Landesregierung mit Schreiben vom 30. April 1838 mit der Erarbeitung einer solchen Rechtsnorm.48 Nach der Vorlage eines Entwurfs erklärte die Ständeversammlung jedoch am 6. April 1840, zunächst solle eine Stadtordnung für Coburg erlassen werden und erst danach eine allgemeine Ordnung für die Landstädte folgen.49 Damit stellte sich die Situation in Sachsen-Coburg-Saalfeld anders dar als in Preußen, wo zwar ebenfalls die Entwicklung von Stadt- und Landgemeinden auseinanderlief, dort jedoch eine Landgemeindeordnung nicht zustandegekommen war.50

StACo Landtag 792 fol. 2 – 104. StACo Landtag 792 fol. 157 – 160. 42 StACo LReg. 4774 fol. 1 – 2’. 43 StACo Min D 4153 – 4155; StACo LReg. 4774 fol. 19 – 22. 44 Siehe StACo Min D 4164, 4165; Stadtarchiv Coburg A 6221 fol. 1 – 91. 45 Siehe dazu unten G.II.2. 46 Siehe dazu soeben b). 47 StACo Min D 4157 fol. 3, 3’ = StACo Landtag 791 fol. 2. 48 StACo Landtag 791 fol. 3 = StACo Min D 4157 fol. 4. 49 StACo Min D 4157 fol. 18 – 19’ = StACo LReg. 4767 fol. 8 – 9. 50 Siehe Hans-Peter Ullmann, Staatsverwaltung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, S. 133. 40 41

518

F. Ausblick: Gesetzgebung in den letzten Regierungsjahren von Herzog Ernst

II. Verfassungsfragen 1. Verfassungskrisen in Sachsen-Coburg Die ausgehende Regierungszeit des Herzogs Ernst wurde von einer durchgehenden Mißachtung der ständischen Vertretung geprägt. Beim Verkauf des Herzogtums Lichtenberg51 unter Bezugnahme auf § 50 der Schlußakte des Wiener Kongresses durch Staatsverträge vom 26. Juli 183352 und vom 31. Mai 183453 wurde die Ständeversammlung nicht beteiligt, da der Landesherr die auswärtige Herrschaft gleichsam als Privateigentum ansah. Im Jahre 1834 kam es zum ersten größeren Konflikt, der sich auf die Besteuerung der Domänen, Veräußerung derselben durch den Landesherrn und über den Inhalt der Etats bezog.54 Dabei konnte sich der Herzog zwar gegenüber der Ständeversammlung durchsetzen, die Differenzen waren aber nicht bereinigt. 1836 setzte Herzog Ernst durch einen einseitigen Akt an die Stelle der Domänenbesteuerung eine Jahrespauschale von 8.000 fl.rh.55 Bei dem im gleichen Jahr begonnenen Neubau des Hoftheaters war sogar eine größere Zahl von Verfassungsverstößen festzustellen: Die Stiftung des Waisenhauses wurde aufgelöst und sein Gebäude von der Landesregierung zu einem geringen Preis an die Kammer veräußert, damit der Theaterbau an dieser Stelle errichtet werden konnte. Nach der Übergabe einer Beschwerdeschrift der Ständeversammlung am 21. Mai 1838 löste Herzog Ernst diese kurzerhand am 1. Juli 1839 auf.56 Mit der neu gewählten Ständeversammlung ergaben sich bereits im folgenden Jahr Konflikte aufgrund der wiederholten Ausübung des herzoglichen Recusationsrechts57 sowie hinsichtlich der Öffentlichkeit der ständischen Verhandlungen58 und der Prüfung der Etats; schließlich verkündete Herzog Ernst das Finanzgesetz ohne ständische Mitwirkung59 und löste die Ständeversammlung 1843 ein weiteres Mal auf.60 51 Proklamation bei August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band III S. 101. 52 StACo LA A 936 – 938. 53 StACo LA A 942 – 944. 54 Zum gesamten Problemkreis siehe Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 149 – 167. 55 Vgl. Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 170 f. 56 Siehe dazu Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha, S. 76 f.; Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 171 ff. 57 Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha, S. 85 ff.; Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 182 ff. 58 Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 184. – Zu diesem Thema vgl. bereits oben D.IV.4.a). 59 Siehe dazu Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha, S. 78 ff. 60 Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 190.

II. Verfassungsfragen

519

Mit derartigen Differenzen stand Sachsen-Coburg bei weitem nicht allein: Konflikte insbesondere aufgrund finanzieller Fragen waren seit Erlaß der ständischen Verfassungen verbreitet.61 Auch das Mittel der Landtagsauflösung wurde von auswärtigen Landesherren – auch in den „liberaleren“ süddeutschen Staaten – häufig praktiziert.62 2. Lockerung des Zunftzwangs Nach Überlegungen von 1810 und 1825 über die Aufhebung des Zunftzwanges63 wies das Ministerium die Landesregierung am 20. August 1830 an, in eine neu zu entwerfenden Verordnung die Bestimmung aufzunehmen, „daß jeder im hiesigen Lande wohnende Handwerksmeister, der bey irgend einer im Lande bestehenden Zunft das Meisterrecht in seinem Gewerbe auf ordnungsmäßige Weise erworben habe, berechtigt sey, sein Gewerbe auch außerhalb des Innungsbezirks der Zunft bey welcher er Meister ist, ohne Einzünftung bey der Zunft eines andern Districts in jedem Theile des Landes betreiben kann.“64

Am 14. April 1837 wurde schließlich ein Gesetzesentwurf vorgelegt65, der diese Bestimmung enthielt und nach längeren Verhandlungen mit der Ständeversammlung durch Erklärungsschrift vom 12. Oktober 1840 gebilligt wurde.66 Dies stellte zwar immer noch keine Einführung einer Gewerbefreiheit dar, was für Süddeutschland faktisch als üblich angesehen werden kann67, jedoch wurde der strikte Zunftzwang – dreißig Jahre nach den preußischen Edikten über den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums vom 9. Oktober 1807 und über die Einführung einer allgemeinen Gewerbe-Steuer vom 28. Oktober 181068 – erstmals deutlich gelockert.69

61 Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, S. 93 ff. (Ausgabenbewilligungsrechte der Stände); S. 238 ff. (allgemein); S. 230 ff. (Kurhessen); S. 235 ff. (Preußen). 62 Zu Württemberg und Baden siehe Dieter C. Umbach, Parlamentsauflösung in Deutschland, S. 36 ff., 46 ff. 63 Siehe dazu oben E.I.5.b). 64 StACo Min D 2931 fol. 31. 65 StACo Min D 2931 fol. 35 – 36’. 66 StACo Min D 2931 fol. 77, 77’. 67 So Wolfgang von Rimscha, Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus, S. 151 ff. 68 Auszugsweise abgedruckt bei Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 47. 69 Gewerbefreiheit herrschte in den meisten Kleinstaaten erst ab etwa 1859, so Friedrich Lütge, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S. 450.

520

F. Ausblick: Gesetzgebung in den letzten Regierungsjahren von Herzog Ernst

3. Scheinbarer Fortschritt bei der Reform der Feudalverfassung a) Erlaß eines Ablösungsgesetzes Mehr als vier Jahre nach der letzten Erwähnung in einem Landtagsabschied70 mahnte das Ministerium am 12. Dezember 1833 beim Justizkollegium in Coburg die Erstattung des am 10. Oktober 1824 in Auftrag gegebenen Gutachtens an.71 Das Justizkollegium antwortete am 21. Dezember 1833 hierauf, daß dies nicht möglich sei, da der seinerzeit übersandte Entwurf vom Ministerium umgehend wieder zurückverlangt worden sei, andererseits wegen der veränderten Umstände nach zehn Jahren ein solch alter Entwurf nicht mehr beachtet werden könne.72 Dem widersetzte sich die Landesregierung in ihrem Bericht vom 26. April 183473, da ihre seinerzeitige Ansicht nicht auf einer umfassenden Beurteilung beruht habe. Der Entwurf wurde sodann überarbeitet und unter dem 17. Mai 1834 erneut vorgelegt.74 Er umfaßte mittlerweile 40 Paragraphen. Neben zahlreichen redaktionellen Änderungen wie der Ersetzung von Saalfeld und Themar durch Sonnefeld und Königsberg sowie der Änderung von weniger bedeutsamen Verfahrensregelungen setzte § 10 nunmehr ein summarisches Verfahren für den Vollzug fest, damit die Ablösung zeitnah ermöglicht werden konnte, und § 14 bezog sich nunmehr auf den zwanzigjährigen Durchschnittspreis. In einer Eingabe vom 18. Oktober 1830 forderten die Distriktsvorsteher der Stadt Coburg im Namen der Bürgerschaft die Einführung des in § 17 der Verfassung bereits zugesagten Ablösungsgesetzes.75 Daraufhin wurde der Ständeversammlung mit Schreiben vom 17. Mai 183476 das Gutachten des Justizkollegiums mitgeteilt. Diese bildete sodann eine Kommission77, auf deren Beratungen im wesentlichen die Erklärungsschrift der Ständeversammlung vom 2. April 183578 beruhte, in der sich die Ständeversammlung deutlich für eine Beschleunigung der Gesetzgebung in dieser Angelegenheit aussprach. Darüber hinaus sollten in der Überschrift neben der „Ablösung der Feudallasten“ auch alle anderen „das Siehe dazu oben E.II.4. StACo Min E 2154 fol. 146. Von einem Eingreifen Herzog Ernsts, wie Dieter Heins, Die Ablösung der Grundlasten im Coburger Land, S. 133 behauptet, läßt die Aktenlage nichts erkennen. Daher läßt sich auch eine Verbindung, wie sie Harald Bachmann zu den Reformen Steins zieht (Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 145 f.), realistischerweise nicht herleiten. 72 StACo Min E 2154 fol. 147 – 151. 73 StACo Min E 2154 fol. 152 – 158’ = StACo LReg. 3518 fol. 214 – 217’. 74 StACo Min E 2154 fol. 164 – 197 = StACo Landtag 1396 fol. 43 – 78’. 75 StACo Min D 4162 fol. 11’, 12. 76 StACo Landtag 1396 fol. 38 = StACo Min E 2154 fol. 163. 77 StACo Landtag 1396 fol. 79 – 127’. 78 StACo Min E 2155 fol. 3 – 16. 70 71

II. Verfassungsfragen

521

Grundeigentum beschränkende Lasten“ mit aufgenommen werden. In § 1 sollte die Ausnahme für Hofbauern- und Jagdfronen entfallen, da gerade die Hofbauernfronen als drückendste Eigentumsbeschränkungen empfunden werden. Die Jagdfron sei zudem eine Feudallast, wie sie in der Verfassung zur Ablösung vorgesehen war. Auch die Abschaffung der Lasten zugunsten Geistlicher und Lehrer wurde gefordert, da dies eine verfassungswidrige Ungleichheit darstelle. Für die Wertberechnung des § 14 sollte statt des zwanzigjährigen durchschnittlichen Marktpreises ein ermäßigter hundertjähriger durchschnittlicher Marktpreis in Ansatz kommen, da ansonsten den „teuren Jahren“ ein zu hoher Einfluß zukomme. Ferner sollte noch bestimmt werden, daß künftig alle Vereinbarungen über neuzubegründende Feudallasten nichtig sein sollten. Schließlich „ertheilen wir in der Voraussetzung und unter der Bedingung der Genehmigung resp. Berücksichtigung unserer vorstehenden ehrfurchtsvollen Erinnerungen und Anträge, hiermit zu dem proponirten Gesetzes-Entwurfe unsere verfassungsmäsige Zustimmung.“79

Das „Gesetz, die Ablösung der Feudallasten betreffend“ vom 16. August 183580 enthielt vor allem redaktionelle Änderungen. Dem Ständewunsch entsprechend bestimmte § 1 Nr. 2 zusätzlich, daß bei der Ablösung von Zehnten, deren Ertrag zur Besoldung von Geistlichen und Lehrern bestimmt waren, die Ablösungskapitalien an die Landeskasse darlehensweise zu zahlen waren, von wo aus sie an die Begünstigten verzinst wurden. Ablösbar blieben nach § 1 alle aus dem Lehensverband entsprungenen Fronen, alle toten und lebendigen Zehnten, Getreide-Gülten aller Art, Geld- und Naturalzinsen, Handlohn, Besthaupt, Triften und Huten, die zur Hofhaltung geleisteten Aufsätze aller Art einschließlich des Aushubschafes. Damit kam es erst vierzehn Jahre nach der Zusicherung einer Gesetzgebung in § 17 der Verfassung zum (erstmaligen) Erlaß einer derartigen Rechtsnorm. Der identische Prozeß hatte in Sachsen-Weimar-Eisenach lediglich fünf Jahre in Anspruch genommen.81 b) Außerkraftsetzung des Gesetzes Durch herzogliche Anordnung vom 24. Oktober 1835 wurden die den Handlohn betreffenden §§ 20a, 20b, 21a, 21b und 22 des Gesetzes jedoch wieder außer Vollzug gesetzt82, was mit eingetretenen Schwierigkeiten bei deren Vollzug beStACo Min E 2155 fol. 16. StACo LReg. 3519 fol. 4 – 19 = StACo Min E 2155 fol. 21 – 65 = StACo Landtag 1396 fol. 128 – 138’ = StACo Landtag 1398 fol. 1 – 10’ = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, Band VII S. 374 ff. 81 Zur dortigen Vorgehensweise vgl. – wenngleich marxistisch interpretiert – Rosalinde Gothe, Untersuchungen zur Agrargeschichte des Weimarer Territoriums, S. 198 f. 82 StACo LReg. 3519 fol. 31, 31’ = StACo Kammerarchiv 2418 fol. 43 = StACo Min E 2155 fol. 114 – 115 = August Rückert, Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen, 79 80

522

F. Ausblick: Gesetzgebung in den letzten Regierungsjahren von Herzog Ernst

gründet wurde.83 Gegen diese einseitige Aufhebung84 wandte sich die Ständedeputation in ihrer Erklärungsschrift vom 13. Dezember 1835.85 Im herzoglichen Reskript vom 21. Dezember 1835 wurde dieses Vorgehen dagegen auf § 65 der Verfassung, der herzogliche Einzelverfügungen in dringenden Fällen erlaubte, gestützt.86 Eine Übereinkunft mit der Ständedeputation vom 22. August 1836 setzte schließlich fest, daß die Abgeordneten zu dem ohne ständische Zustimmung erlassenen Gesetz nachträglich eine Erklärung abgeben konnten.87 In der folgenden Erklärungsschrift vom 31. Mai 183788 wurde auf frühere Wünsche und Bedenken Bezug genommen. Wiederholt forderte die Ständedeputation die Abordnung eines herzoglichen Kommissars89, wurde jedoch durch Reskript vom 23. Mai 1839 bis zu einer Berichterstattung durch die Kammer und die Landesregierung vertröstet.90 In der Erklärungsschrift vom 22. Juli 1840 bat die Ständeversammlung um eine Suspension des Gesetzes bis zu einer Überarbeitung, da die Ablösung des Handlohns für die Berechtigten, die Ablösung von Huten, Triften und Zehnten für die Verpflichteten nach dem vorgesehenen Modus bei Antrag der jeweils anderen Seite eine unzumutbare Härte beinhalte.91 Band VII S. 403 ff.; Mitteilung an die Ständedeputation vom 31. Oktober 1835 bei StACo Landtag 1398 fol. 13, 13’ = StACo Min E 2155 fol. 123, 123’.– Falsch ist die Datierung auf den 21. Dezember 1835 bei Dieter Heins, Die Ablösung der Grundlasten im Coburger Land, S. 133, und bei Harald Bachmann, Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 147. – Die Bezeichnung dieser Außervollzugsetzung als „Nachtrag“, wie bei Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha, S. 126 geschehen, erscheint aufgrund des Inhalts als verfehlt. 83 Vgl. a. Schreiben des Ministeriums vom 12. Oktober 1835 bei StACo Min E 2155 fol. 111 – 112’. 84 Dies verdeutlicht, daß nicht die Ständeversammlung die Aufhebung gerade der bezeichneten Vorschriften verfolgte (so aber Dieter Heins, Die Ablösung der Grundlasten im Coburger Land, S. 133), wobei andererseits auch fraglich bleibt, warum ausgerechnet diese „den Bauern ( . . . ) sehr günstig gesonnen“ (ebd.) gewesen sein sollen. Darstellung und Wertung von Heins erscheinen insoweit eher als hagiographisch denn als zutreffend. 85 StACo Min E 2155 fol. 135, 135’ = StACo Landtag 1398 fol. 15, 15’. 86 StACo Landtag 1398 fol. 16, 16’ = StACo Min E 2155 fol. 136, 136’. – Harald Bachmann (Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag, S. 147) irrt ebenfalls, wenn er dieses Reskript als Aufhebung des Gesetzes aufgrund eines Wunsches der Ständeversammlung ansieht. 87 StACo Min J 349 fol. 4 – 11 = StACo Min J 251 fol. 72, 72’. 88 StACo Min E 2156 fol. 27 – 58’ = StACo Landtag 1398 fol. 83 – 108 = StACo Kammerarchiv 2418 fol. 161 – 178’. 89 Erinnerung in Erklärungsschrift vom 16. Mai 1839; StACo Min E 2156 fol. 136 – 137 = StACo Landtag 1398 fol. 111, 111’. 90 StACo Landtag 1398 fol. 112 = StACo Min E 2156 fol. 138, 138’. 91 StACo Min E 2157 fol. 11 – 12’ = StACo Landtag 1398 fol. 133 – 136 = StACo LReg. 3519 fol. 136 – 137 = StACo Kammerarchiv 2419 fol. 104 – 105.

II. Verfassungsfragen

523

Obwohl die Landesregierung in ihrem Bericht vom 4. August 184092 eine Aufhebung des Gesetzes, insbesondere des „zur Beförderung der Landwirtschaft“ dienenden § 19, für unpassend hielt, wurde durch Reskript vom 19. August 184093 dessen weiterer Vollzug unterbunden. Auch die Kammer konnte in ihrem Bericht vom 29. August 1840 lediglich einer vorläufigen Aufhebung der Vorschriften über die Huten, nicht jedoch einer Aufhebung des gesamten Gesetzes zustimmen.94 Auf Nachfrage der Ständeversammlung in der Erklärungsschrift vom 10. Oktober 184095 erläuterte das herzogliche Reskript vom 13. Oktober 184096, daß eine Aufhebung des Gesetzes bis auf weiteres nicht zu verantworten sei. In einem weiteren Bericht vom 27. Oktober 1840 hielt die Kammer ebenfalls eine Aufhebung der §§ 18 a bis 18 c wegen erwiesener Undurchführbarkeit für ratsam, riet aber weiterhin von einer Aufhebung des gesamten Gesetzes ab.97 Dennoch wurde am 2. November 1840 die Ausführung des Gesetzes bis zu dessen Revision98 suspendiert.99 c) Überarbeitungsversuche Nach verschiedenen Erinnerungen der Stände legte die Kammer am 18. Dezember 1841 einen neuen Gesetzesentwurf vor.100 Dieser beruhte inhaltlich auf der bisherigen Rechtslage, lediglich Jagd und Hofbauernfronen waren nicht mehr genannt. Für die Ablösung von Fronen und Erbzinsen war nur noch der Berechtigte antragsberechtigt (§ 3). § 6 schloß die Hinzuziehung von Anwälten bei den Ablösungsverhandlungen aus. Die Ablösung von Huten und Triften sollte bis zum Erlaß eines besonderen Gesetzes aufgeschoben werden. § 63 enthielt nun zudem ein Verbot der Einführung neuer Feudallasten, die den nunmehr für ablösbar erklärten ähnelten. Der dazu am 14. Januar 1842 von der Landesregierung abge92 StACo Min E 2157 fol. 13 – 19’ = StACo LReg. 3519 fol. 138 – 147’ = StACo Kammerarchiv 2419 fol. 151 – 184. 93 StACo LReg. 3519 fol. 155, 155’ = StACo Min E 2157 fol. 29, 29’; Mitteilung an die Kammer vom gleichen Tage bei StACo Kammerarchiv 2419 fol. 121 = StACo Min E 2157 fol. 29’, 30. 94 StACo Min E 2157 fol. 32 – 37’ = StACo Kammerarchiv 2419 fol. 112 – 118’. 95 StACo Min E 2157 fol. 41= StACo Landtag 1398 fol. 137. 96 StACo Landtag 1398 fol. 138, 138’ = StACo Min E 2157 fol. 41, 41’. 97 StACo Min E 2157 fol. 48 – 53 = StACo Kammerarchiv 2419 fol. 161 – 169. 98 Siehe dazu unten H.II.3. 99 StACo LReg. 3519 fol. 156 = StACo Kammerarchiv 2419 fol. 170 = StACo Min E 2157 fol. 54; Mitteilung an die Stände vom gleichen Tage bei StACo Landtag 1398 fol. 139 = StACo Min E 2157 fol. 54, 54’ = GS XV, S. 81 ff.; Publikation vom 11. November 1840 in RIBl. Nr. 46 vom 14. November 1840, Sp. 881 f. 100 Vorlageschreiben bei StACo Min E 2157 fol. 99 – 106 = StACo Kammerarchiv 2420 fol. 65 – 74 = StACo LReg. 3520 fol. 64 – 71’; Entwurf bei StACo Min E 2157 fol. 109 – 155 = StACo Kammerarchiv 2420 fol. 7 – 50 = StACo LReg. 3520 fol. 6 – 49’.

524

F. Ausblick: Gesetzgebung in den letzten Regierungsjahren von Herzog Ernst

forderte Bericht101 wurde nach zahlreichen Mahnungen des Ministeriums erst am 10. Oktober 1844 erstattet.102 Die Landesregierung setzte sich insbesondere gegen den Aufschub der Ablösungsmöglichkeit von Huten und Triften ein. Zu weiteren Handlungen kam es erst 1848.103

StACo LReg. 3520 fol. 2, 2’ = StACo Min E 2157 fol. 107, 107’. StACo Min E 2158 fol. 13 – 39 = StACo LReg. 3521 fol. 79 – 107. 103 Siehe dazu unten H.II.3. – Damit verlief die Ablösungsgesetzgebung in Sachsen-Coburg in den dreißiger und vierziger Jahren nicht ähnlich verzögert wie in Sachsen-Altenburg, siehe dazu Otto H. Brandt, Der Bauer und die bäuerlichen Lasten im Herzogtum SachsenAltenburg, S. 130 ff. 101 102

G. Perspektiven: Aktivitäten zu Beginn der Regierungszeit von Herzog Ernst II. Der Übergang der Regierung vom konservativen Herzog Ernst zu seinem eher liberalen Sohn Herzog Ernst II. beendete den über lange Zeit andauernden Reformund Gesetzgebungsstau. Bereits in der verbleibenden vormärzlichen Zeit wurden maßgebliche Projekte umgesetzt.

I. Verfassungsfragen 1. Erwartungen der Ständeversammlung Nach Regierungsübernahme durch Herzog Ernst II. führte die Ständeversammlung in ihrer Erklärungsschrift vom 10. Dezember 1844 aus: „Der Regierung des höchstselihen Herzogs Durchlaucht ist es nicht gelungen, das Verfassungsgesetz, welches der höchstselige dem Lande verliehen, zu allen Zeiten zum Vollzug zu bringen. Außer der ersten Ständeversammlung ist keine gewesen, die nicht Ueberschreitungen jenes Staatsgrundgesetzes beklagt hätte, und im Jahre 1839 ist eine Versammlung berufen worden, die in ihrer unterthänigsten Erklärungsschrift vom 4. Merz 1841 selbst ihren Rechtsbestand in Zweifel gestellt hat, und die unterm 28. Febr. 1843 aufgelöst worden ist, nachdem sie unterm 15. desselben Monats dem hohen Gouvernement erklärt hatte, daß jene Zweifel so dringen geworden seien, daß sie vor deren Beseitigung irgend eine weitere ständische Handlung nicht vornehmen dürfe. Auch der Auflösung jener Versammlung sind verschiedene Ereignisse gefolgt, deren Vereinbarkeit mit dem Staatsgrundgesetz in Zweifel steht ( . . . ).“1

Diese Zusammenfassung beschrieb passend zwei Jahrzehnte beständigen Verfassungsbruchs durch Herzog Ernst. Daraus resultierte ein Wunsch der Abgeordneten, „daß Eure Hoheit gnädigst erwähen wollen, ob nicht die Vorschriften der Verfassungsurkunde über die Wahlen der Ständemitglieder und die Prüfung dieser Wahlen einer Revision bedürfen ( . . . ).“2

1 2

StACo Min J 244 fol. 11’, 12. StACo Min J 244 fol. 13’, 14.

526

G. Perspektiven

2. Wiedereinsetzen der Gesetzgebung a) Öffentlichkeit der Landtagssitzungen Das „Gesetz, die Oeffentlichkeit der Landtagssitzungen betreffend“ vom 1. November 18453 ermöglichte schließlich die schon 18214 und 18405 angeregte Öffentlichkeit der Verhandlungen der coburgischen Ständeversammlung (§ 1). Auf Antrag der Regierungsvertreter oder infolge Beschlusses auf Antrag von mindestens drei Ständemitgliedern waren die Verhandlungen vertraulich zu führen (§ 3), die Regierungsvertreter waren zu diesen jedoch ebenfalls zugelassen (§ 7). § 12 erkannte dabei ausdrücklich an, daß das vorliegende Gesetz eine (materielle) Änderung der Bestimmungen des 7. Titels der Verfassungsurkunde darstellte, ohne jedoch formell Einfluß auf den Text der Konstitution zu nehmen. Im Gegensatz zum Vorgehen Herzog Ernsts, der 1827 entgegen dem Wortlaut der Verfassung die in dieser vorgesehene Zusammensetzung der Ständeversammlung durch Reskript änderte6, wurden derartige Änderungen7 nunmehr ausschließlich mit Zustimmung der Ständeversammlung durchgeführt. b) Neues Landtagswahlrecht Unter Aufhebung der §§ 38 bis 62 der Verfassung reformierte das „Gesetz, die Wahl der Landtagsabgeordneten für das Herzogthum Coburg betreffend“ vom 8. Dezember 18468 das Wahlsystem.9 Dabei war die äußere Gliederung dieser Vorschrift weitgehend an die aufgehobenen Paragraphen der Verfassung angelehnt, in weiten Teilen bestand das neue Gesetz aus Umformulierungen der früheren Bestimmungen. Darüber hinaus knüpften §§ 3 f. in ihrem jeweiligen zweiten Satz das aktive Wahlrecht über die bisherigen Einkommens- bzw. Vermögenssätze (§ 9 bzw. § 46 der Verfassung) explizit an die Entrichtung direkter Steuern. Für die Wählbarkeit zum Wahlmann setzte § 7 im Gegensatz zum aufgehobenen § 44 der Verfassung nur noch das Staatsbürgerrecht und ein Mindestalter von 30 Jahren fest. § 26 enthielt die weitreichendste Änderung, da dieser aus der mündlichen Mitteilung der 3 Textanhang Nr. 40 = StACo LReg. 291 = RIBl. 1845, S. 85 ff.; zu den Hintergründen siehe Gertraud Frühwald, Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha, S. 34. 4 Dazu D.IV.4.a). 5 Kurz bei F.II.1. 6 Oben E.II.3.b). 7 Vgl. auch sogleich b) bis d). 8 Textanhang Nr. 41 = StACo Min J 245 fol. 120 ff. = RIBl. 1847, S. 297 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Vierter Band, S. 281 ff. 9 Zu einer ständischen Initiative siehe Gertraud Frühwald, Herzog Ernst II. von SachsenCoburg-Gotha, S. 34.

I. Verfassungsfragen

527

Stimme (§ 55 der Verfassung) eine schriftliche und geheime Wahlhandlung machte. In ihrem letzten Satz enthielt die Vorschrift auch bereits Ansätze für eine Öffentlichkeit der Stimmauszählung, indem Vertretern der Wahlversammlung das Recht zur Einsichtnahme in die Stimmzettel gewährt wurde. Den Gewählten wurde nunmehr erlaubt, die erlangte Position ohne Angabe von Gründen abzulehnen (§ 32). Im übrigen wurde auch das Wahlverfahren einigen Änderungen im Detail unterworfen (§§ 34 – 37), wobei die Wahlprüfung nicht mehr den landesherrlichen Behörden, sondern der Ständeversammlung oblag (§§ 38 ff.). Bemerkenswert erscheint zudem, daß zwar der Begriff der Ständeversammlung aufrechterhalten wurde, in weiten Teilen der Vorschrift aber nicht mehr von (Land-) Ständen, sondern von (Landtags-)Abgeordneten die Rede war. Im Gegensatz zu der von der Formulierung her interessanten Rolle dieser Textstufe spielte das Gesetz in der Praxis jedoch keine Rolle, da vor der nächsten Wahl bereits das verfassungsändernde Gesetz vom 22. April 184810 erlassen wurde.

c) Verantwortlichkeit der Staatsbeamten Nach Verhandlungen mit der Ständeversammlung11 wurde das „Gesetz, die Verantwortlichkeit der Staatsbeamten wegen Verfassungsverletzung betreffend“ vom 23. Dezember 184612 in Kraft gesetzt. An die Stelle von § 78 S. 2 und 3 der Verfassungsurkunde trat ein aus 18 Artikeln bestehendes Regelungswerk „als integrirender Theil der Verfassung“ (Art. 18). Im Gegensatz zur einschränkenden Regelung der vormaligen Verfassungsbestimmung wurde nunmehr allgemein die Verletzung der Verfassung mit Strafe bedroht (Art. 1), die bis zur Dienstentsetzung reichen konnte (Art. 2). Durch Verweis auf konkrete Anordnungen der vorgesetzten Stelle konnte sich der betroffene Beamte jedoch exkulpieren (Art. 4). Zu diesem Zweck waren sämtliche Erlasse des Landesherrn von einem Mitglied des Staatsministeriums zu kontrasignieren, das damit die Verantwortung für diesen Akt übernahm (Art. 5 f.). Eine Entscheidung sollte nicht mehr dem Oberappellationsgericht in Jena obliegen, sondern einem besonderen neuzugründenden Staatsgerichtshof (Art. 8). Art. 14 hinderte den Landesherrn an Begnadigungen und Abolitionen aufgrund von Verfassungsverletzungen. Damit wurden die Formulierungen der Verfassungsurkunde hinsichtlich der Gewährleistung der Verfassung auch gegenüber Eingriffen der Exekutive bedeutend Siehe dazu unten H.II.2.a). Zur Vorgeschichte siehe Gertraud Frühwald, Herzog Ernst II. von Sachsen-CoburgGotha, S. 34. 12 StACo Min J 245 fol. 152 – 155’ = StACo Min J 244 fol. 243 – 249 = RIBl. 1847, S. 289 ff. = Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Vierter Band, S. 292 ff. 10 11

528

G. Perspektiven

konkreter gefaßt. Sachsen-Coburg lag bei diesem Thema drei Jahre vor SachsenWeimar-Eisenach, wo die Ministerverantwortlichkeit erst 1849 eingeführt wurde.13 d) Neue Zusammensetzung des Ausschusses Mit Beirat und Zustimmung der Ständeversammlung erhielt der Ausschuß unter ausdrücklicher Änderung des § 104 der Verfassung durch Gesetz vom 6. Juli 184714 eine neue Zusammensetzung: Neben Landschaftsdirektor und Sekretär entsandte die Ständeversammlung statt wie bislang – de lege lata – vier nur noch drei weitere Mitglieder. Damit wurde einerseits die faktische Reduktion infolge der gothaischen Sukzession durch Erlaß Herzog Ernsts15 anerkannt, andererseits jedoch sämtlichen gewählten weiteren Mitgliedern Gleichberechtigung zugesprochen.

II. Verwaltungsfragen 1. Änderungen auf der Ebene des Ministeriums a) Neue Bezeichnung Durch Verordnung vom 24. Juli 1844 erhielt das bisherige „Herzoglich Sachsen-Coburg und Gothaische Ministerium“ die neue Bezeichnung „Herzoglich Sächsisches Staatsministerium“.16 b) Neue Organisation Die „Verordnung, die Organisation des Herzoglichen Staatsministeriums und eines Geheimeraths-Collegiums betreffend“ vom 25. Februar 184617 hob die Verordnung vom 30. November 1826 über die Organisation des Ministeriums18 explizit auf und bestimmte, daß das Staatsministerium oberste Verwaltungsbehörde für die Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha „nach Maaßgabe deren Verfassungen“ blieb. Es sollte nunmehr aus „mehreren Mitgliedern“ bestehen, eine Rangfolge war in der Vorschrift nicht vorgesehen. Für die laufenden Angelegenheiten bestanden drei Abteilungen (Departements) mit einem jeweiligen Abteilungsvorstand. 13 Über die „Allerhöchste Verordnung vom 25. September 1849, die Aufhebung der Verwaltungs-Mittel-Behörden und die neue Organisation des Staatsministeriums betreffend“ vgl. Jochen Grass, Sachsen-Wiemar-Eisenachs Verwaltungsreform, S. 218 f. 14 StACo LReg. 3643 fol. 2, 2’ = RIBl. Nr. 29 vom 17. Juli 1847, Beilage. 15 Siehe dazu oben E.II.3.b). 16 StACo Kammerarchiv 3741 fol. 5 = StACo Kons 1193 fol. 7. 17 GS XVI, S. 117 ff. 18 Siehe dazu oben E.II.2.a).

II. Verwaltungsfragen

529

Bedeutende und departementsübergreifende Sachen waren kollegial zu behandeln. Ausfertigungen waren vom Herzog selbst mit Kontrasignatur eines Mitgliedes des Ministeriums oder mit der Formel „Auf höchsten Befehl“ durch das Ministerium vorzunehmen. Wie schon 1826 wurde wiederum ein „Geheimeraths-Collegium“ als beratende Behörde errichtet, wenngleich dieses organisatorisch weiter vom Ministerium gelöst wurde. Insbesondere sollte die Möglichkeit bestehen, einen eigenen Präsidenten zu ernennen. Die Zusammensetzung blieb wie bisher, das Gremium sollte sich jedoch über den bisherigen Geschäftskreis hinaus mit größeren Hausund Landesgesetzen, wesentlichen Änderungen im Verwaltungsaufbau oder im Staatshaushalt, wichtigen Verfassungsfragen und allen grundsätzlichen Angelegenheiten befassen.

2. Die „provisorische“ Coburger Stadtordnung von 1846 a) Entwurf der Bürgerdeputation Im Anschluß an die vorangegangenen Auseinandersetzungen zwischen der gewählten Coburger Bürgerdeputation und der Landesregierung wurde ein Entwurf einer Kommission der Bürgerdeputation für eine Coburger Stadtordnung vom 6. Oktober 184419 unter dem 25. Januar 1845 gedruckt und publiziert. Das fünf Titel mit insgesamt 211 Paragraphen umfassende Regelungswerk definierte als Stadtgebiet die Stadt mit ihrem Weichbild. Die Rechte der Stadt sollte die Bürgerschaft durch Magistrat und Stadtverordnetenversammlung ausüben. Der Magistrat sollte aus einem Bürgermeister, einem Stadtrichter, einem Stadtkämmerer und sechs Magistratsräten bestehen, das verselbständigte Stadtgericht aus dem Bürgermeister, dem Stadtrichter und einem rechtskundigem Beisitzer. Die Mitglieder des Magistrats sollten auf Lebenszeit, die ehrenamtlichen Magistratsräte auf sechs Jahre durch die Stadtverordnetenversammlung gewählt werden. Für jeden Distrikt waren zwei ehrenamtliche Distriktsvorsteher vorgesehen. Die Stadtverordnetenversammlung sollte nach wie vor aus 18 Personen bestehen und von einem jährlich wechselnden Vorsteher geleitet werden; ferner waren noch ein Protokollführer sowie Stellvertreter vorgesehen. Ihr stand ein Auskunftsrecht über alle Gemeindeangelegenheiten zu, wozu nicht Justiz- und Polizeisachen zählten; in diesen Bereichen konnte der Magistrat nach Ermessen Auskünfte erteilen. Vertreter der Stadtverordnetenversammlung sollten Kassenstürzen beiwohnen und die monatlichen Kassenrapporte überprüfen. Die Etats bedurften der Zustimmung der Stadtverordneten ebenso wie Vertragsangelegenheiten, die Ausgabe von Anleihen, die Verleihung des Ehrenbürgerrechts und jede Veränderung der städtischen Abgaben. 19

StACo Min D 4166 fol. 8 – 43’ = Stadtarchiv Coburg A 6221, Beilage.

530

G. Perspektiven

Dem Bürgermeister oblag die Geschäftsleitung im Magistrat und im Stadtgericht. Monatlich sollte eine gemeinsame Sitzung von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung unter gemeinsamen Vorsitz von Bürgermeister und Vorsteher stattfinden. Dieses Gremium sollte die Bezeichnung „großer Gemeinderat“ tragen und unter Vorsitz des Bürgermeisters tagen, wenn die Stadtverordnetenversammlung ihre Zustimmung versagt und der Magistrat auf seinem Antrag beharrt, wenn die Stadtverordnetenversammlung Einspruch gegen die Wahl eines städtischen Bediensteten erhebt und der Magistrat auf der Entscheidung beharrt, wenn der Magistrat ein neugewähltes Magistratsmitglied zurückweisen will und die Stadtverordnetenversammlung auf der Wahl beharrt sowie wenn Magistrat und Stadtverordnetenversammlung eine Meinungsverschiedenheit dem großen Gemeinderat zur Entscheidung vorlegen. Bürgermeister, Richter und Kämmerer mußten eine besondere Prüfung vor der Landesregierung bzw. dem Justizkollegium ablegen und vor ihrem Amtsantritt das Bürgerrecht der Stadt Coburg erwerben. Die Wahl der Distriktsvorsteher und der Stadtverordnetenversammlung sollte auf vier Jahre distriktsweise in absoluter Mehrheitswahl erfolgen. Für das aktive Wahlrecht sollte ein Mindestalter von 30 Jahren gelten, das passive Wahlrecht stand darüber hinaus den Mitgliedern des Magistrats und städtischen Bediensteten nicht zu. Als Aufsichtsbehörde sollte nach wie vor die Landesregierung fungieren, die jederzeit die Stadtverordnetenversammlung auflösen konnte.

b) Erlaß der Stadtordnung Nach weiteren Diskussionen20 wurde schließlich die „Verordnung über die Einführung einer Stadtordnung“ vom 15. Dezember 184621 publiziert, die die Coburger Stadtordnung aber immer noch als „provisorisch“ bezeichnete. Das auf 215 Paragraphen erweiterte Regelungswerk basierte auf dem Entwurf der Bürgerdeputation von 1844.22 Über deren Regelungsgehalt hinaus enthielt die Norm nunmehr auch die Bestimmung der Zuständigkeit des Magistrats, die aus der Einstellung der städtischen Mitarbeiter, der Vorbereitung der Beratungen der Stadtverordnetenversammlung, der Schuldenaufnahme, der Kirchen- und Schulsachen, der Verwaltung der öffentlichen Anstalten und Stiftungen sowie der Aufnahme und Verpflichtung neuer Bürger bestand. Der Bürgermeister allein war für die VerwalStACo Min D 4166 fol. 101 ff.; StACo Min D 4167 in toto. StACo LReg. 4775 fol. 2 – 35 = StACo Min D 4155 fol. 87 – 114 = RIBl. Nr. 1 vom 2. Januar 1847, Beilage. 22 Siehe dazu soeben a). 20 21

II. Verwaltungsfragen

531

tung (Polizei) im allgemeinen zuständig. Der Genehmigung der Landesregierung bedurften Veräußerung von Grundvermögen, Aufnahme von Anleihen, Erhebung von Abgaben und die jährlichen Etats. Bürgermeister und Stadtrichter vertraten sich gegenseitig. Neu war ferner die Bestimmung, daß Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung stets öffentlich abzuhalten waren. Eine erste Stadtverordnetenversammlung nach dieser Stadtordnung wurde 1847 gewählt.23 Damit kam es 26 Jahre nach Erlaß der Verfassung und einer dahin zielenden Initiative von Bürgern24 erstmals zu einer Mitwirkung gewählter Volksvertreter an der Verwaltung der Stadt Coburg.

23 24

Stadtarchiv Coburg A 142. Oben E.I.1.a).

H. Notanda: Anmerkungen zur Entwicklung nach 1848 Die Märzrevolution verlief in Sachsen-Coburg und Gotha vergleichsweise ruhig. Zahlreiche Reformen blieben über die folgende Zeit der Reaktion in Kraft. Erst in der vierziger und fünfziger Jahren wurden Grundentlastung, Gemeindegesetzgebung und im Verwaltungsbereich einige – teilweise schon von Kretschmann angeregte – Reformen abgeschlossen und Grundlagen für einen quasiföderalen Einheitsstaat Sachsen-Coburg und Gotha geschaffen.

I. „1848“ in Sachsen-Coburg Zumindest im coburgischen Landesteil der Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha1 verliefen das Revolutionsjahr 1848 und die Folgejahre in weitgehend geordneten Bahnen.2 Wegen der großen Popularität des regierenden Herzogs Ernst II.3, der einzelne Reformen bereits vor 1848 unternommen hatte4, und seiner aktiven Unterstützung der Nationalversammlung5 kam es weder zu Erhebungen gegen den Souverän noch zu bedeutenden Aufständen. Nach dem Scheitern der Revolution blieb Herzog Ernst II. als jüngster und liberalster thüringischer Landesherr auch der nationalen Bewegung gegenüber am aufgeschlossensten.6 Seine liberale Haltung äußerte sich nicht nur in seinem aktiven Eintreten gegen die Reaktion7, sondern auch in der coburgischen Verfassungspolitik: ➢ In Sachsen-Coburg und Gotha wurden die Grundrechte des deutschen Volkes in das Staatsgrundgesetz von 1852 leicht modifiziert implementiert.8 1 Zum gothaischen Landesteil vgl. Heinz Wiegand, Verfassungs- und Domänenfragen im Herzogtum Sachsen-Gotha, S. 169 ff. 2 Siehe Ernst II., Aus meinem Leben und meiner Zeit, Erster Band, S. 197 ff. und Gertraud Frühwald, Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha, S. 76 ff. 3 Gerhard Müller, Kleinstaatlicher Parlamentarismus in Thüringen, S. 159 f. 4 Siehe dazu vor allem G.I.2. und G.II.2. 5 Frank Möller, Die Reichsverfassungskampagne in Thüringen, S. 95; Jürgen Müller, Monarchische Revolutionserfahrungen und ihre Folgen, S. 621. 6 Jürgen Müller, Monarchische Revolutionserfahrungen und ihre Folgen, S. 607 ff., 610, 617 f. 7 Jürgen Müller, Monarchische Revolutionserfahrungen und ihre Folgen, S. 622 f. 8 Dazu sogleich II.2.b).

II. Verfassungsfragen

533

➢ Im Gegensatz zu anderen Staaten blieb das allgemeine und gleiche Wahlrecht erhalten, eine Umsetzung des „Bundesreaktionsbeschlusses“9 erfolgte nicht.10

II. Verfassungsfragen 1. Grundrechtsbereich a) Petitions- und Versammlungsfreiheit § 79 der Verfassung wurde wegen der darin enthaltenen Beschränkungen des allgemeinen Petitionsrechts durch Art. 1 des Gesetzes vom 6. April 184811, das einen „integrirenden Theil der Verfassung“ bildete (Art. 3), aufgehoben, gleichzeitig gewährleistete das Gesetz die allgemeine Versammlungsfreiheit (Art. 2). b) Preßfreiheit Durch das „Gesetz über die Polizei der Presse und über die Bestrafung der Preßvergehen“ vom 8. April 184812 wurde – ausweislich des Vorlageschreibens des Ministeriums13 nach dem Vorbild des badischen Pressegesetzes vom 28. Dezember 1831 – infolge Aufhebung der Zensur die allgemeine Preßfreiheit gewährt.14 c) Gleichstellung der Juden Im Jahre 1850 wurde erstmals – ausgesprochen spät im Vergleich zu manchen anderen Staaten15 – der Versuch eines Gesetzes zur Gleichstellung der Juden unternommen.16 Der Landtag lehnte dieses Projekt jedoch mit der Begründung ab, daß 9 Abgedruckt bei Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 50 ff. 10 Reinhard Jonscher, Verfassungen, Wahlrechte, Bürgerrechte, S. 139 f. 11 GS XVI, S. 491 ff. = RIBl. Nr. 15 vom 8. April 1848, Beilage. 12 StACo LReg. 3644 fol. 14 – 25’ = GS XVI, S. 499 ff. = RIBl. Nr. 16 vom 15. April 1848, Beilage. 13 StACo Landtag 304 fol. 1. 14 Zu den Hintergründen siehe Gertraud Frühwald, Herzog Ernst II. von Sachsen-CoburgGotha, S. 60 ff. 15 Das „Edikt über die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem Preußischen Staate“ datiert vom 11. März 1812 (abgedruckt bei Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 49 ff.). Restriktiv erscheinen noch das sachsen-meiningische Toleranzpatent vom 5. Januar 1811 (abgedruckt bei Franz Levi / Rainer Liedtke / Stephan Wendehorst, Die Frühphase der Judenemanzipation in Sachsen-Meiningen, S. 49 ff.) und die Judenordnung Sachsen-Weimar-Eisenachs vom 20. Juni 1823 (RBl. 1823, S. 95 ff.; vgl. dazu auch Thomas Bahr, Die Emanzipation der Juden in Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 107 f.). 16 Entwurf bei StACo Landtag 306 fol. 2 – 3.

534

H. Notanda: Anmerkungen zur Entwicklung nach 1848

eine gesonderte Behandlung der Juden durch die Einführung der – in SachsenCoburg materiell niemals aufgehobenen17 – Grundrechte des deutschen Volkes18 obsolet und alle die rechtlichen Verhältnisse der Juden besonders regelnden Gesetze durch diese außer Kraft gesetzt wurden.19 Im Gegensatz dazu setzte Sachsen-Weimar-Eisenach seine restriktive Judenordnung von 1823 durch ein Gesetz vom 6. März 1850 auf der Grundlage der Grundrechte des deutschen Volkes förmlich außer Kraft.20 Ähnlich spät wie in Sachsen-Coburg-Saalfeld setzten Bestrebungen zur Judenemanzipation im „liberalen Musterland“21 Baden ein.22

2. Staatsorganisation a) Letzte Verfassungsänderung 1848 Am 22. April 1848 folgte ein letztes Gesetz zur Änderung der Verfassung von 182123, das in erster Linie auf eine Reform des Wahlrechts abzielte. Unter Aufhebung von § 9 und des verbleibenden Titels V der Verfassung sowie des Wahlgesetzes vom 8. Dezember 184624 (Art. 27) statuierte das Gesetz, das als Teil der Verfassung galt (Art. 28), über die Situation des Wahlgesetzes von 1846 hinaus insgesamt eine neue Position der Ständeversammlung und ihrer (nunmehr durchweg so bezeichneten) Abgeordneten. Dieses Programm spiegelte sich bereits in Art. 1 Abs. 1 wider, der der Ständeversammlung ausdrücklich die Rolle einer „Vertreterin der Volksrechte im Herzogthum“ zuwies. Art. 2 erhöhte die Zahl der Abgeordneten auf achtzehn, die zusammen mit ihren persönlichen Ersatzmännern in ebensovielen Wahlbezirken indirekt (Art. 3 f.) schriftlich und geheim (Art. 18) auf die Dauer von sechs Jahren (Art. 5) zu wählen waren. Damit kamen die wichtigsten Relikte altständisch orientierter Repräsentation – nämlich die gesonderte Vertretung der Rittergutsbesitzer und der Stadtobrigkeiten – zu ihrem Ende. Ebenso wurde die Ständeversammlung nunmehr zu einem 17 Mißverständlich Reinhard Jonscher, Verfassungen, Wahlrechte, Bürgerrechte, S. 138 f.; siehe oben I. 18 In Sachsen-Coburg publiziert in GS XVII, S. 683 ff. = RIBl. Nr. 2 vom 13. Januar 1849, Beilage. 19 StACo Landtag 306 fol. 4 – 10’. 20 Siehe dazu Thomas Bahr, Die Emanzipation der Juden in Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 109. 21 So Reinhard Jonscher, Verfassungen, Wahlrechte, Bürgerrechte, S. 139. 22 Eberhard Büssem, Die Karlsbader Beschlüsse, S. 301, siehe allgemein auch Wolfgang von Rimscha, Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus, S. 149. 23 Textanhang Nr. 43 = StACo LReg 3646 fol. 2 – 10 = StACo Min J 245 fol. 250 – 253 = GS XVI, S. 555 ff. = RIBl. Nr. 18 vom 29. April 1848, Beilage. 24 Siehe dazu oben G.I.2.b).

II. Verfassungsfragen

535

ständigen Gremium. Im Falle der Auflösung der Ständeversammlung war binnen dreier Monate eine neue zu berufen (Art. 6). Das aktive Wahlrecht und die Wählbarkeit zum Wahlmann waren nur noch an Volljährigkeit und „Selbständigkeit“ – nämlich Freiheit von Vormundschaft, väterlicher oder Dienstherrschaft – gebunden; vom früheren Katalog der die Ausübung des Staatsbürgerrechts in toto hindernden Gründe (§ 9 der Verfassung) war lediglich die Verurteilung „wegen eines nach allgemeiner Annahme als entehrend zu betrachtenden Vergehens oder Verbrechens“ (Art. 8) als Wahlrechtshindernis verblieben. Insbesondere die Entrichtung direkter Steuern, wie sie noch §§ 3 f. des Wahlgesetzes von 1846 vorsah, wurde nicht mehr vorausgesetzt. Auch für die Wählbarkeit zum Abgeordneten war gegenüber § 9 des Wahlgesetzes von 1846 nur noch das Mindestalter von 30 Jahren verblieben (Art. 10). Das Wahlverfahren selbst wurde in Art. 12 – 24 umfassend neu geregelt, wobei in erster Linie Vereinfachungen vorgenommen wurden. Dadurch ergaben sich weniger Restriktionen und mehr Möglichkeiten für die Wahlberechtigten, so daß die Wahlregelungen unter besonderer Berücksichtigung des erweiterten aktiven und passiven Wahlrechts insgesamt als liberal anzusehen sind.

b) Das Staatsgrundgesetz von 1852 als Grundlage eines Einheitsstaates Herzog Ernst II. hatte stets ein beträchtliches Interesse an einer Schaffung eines Einheitsstaates aus den „Herzogtümern Sachsen-Coburg und Gotha“.25 Wegen verschiedener Begehrlichkeiten des größeren gothaischen Landesteils und der größeren Residenzstadt Gotha26 stand die coburgische Ständeversammlung dem jedoch stets skeptisch gegenüber.27 1848 wurde als bevorzugte Lösung eine Bereinigung der „thüringischen Frage“ insgesamt genannt28, eine beginnende Verfassungsdiskussion mündete in das Staatsgrundgesetz vom 3. Mai 185229, das als Surrogat 25 Siehe dazu StACo Min J 246 in toto und die eigene Darstellung bei Ernst II., Aus meinem Leben und meiner Zeit, Zweiter Band, S. 104 ff.; eine Denkschrift „Vereinigung und Verfassung von Coburg-Gotha“ findet sich abgedruckt im Dritten Band, S. 677 ff. 26 Die wesentlichsten Unterschiede zwischen Sachsen-Coburg und Sachsen-Gotha beschreibt Ulrich Heß, Das Sachsen-Coburg und Gothaische Staatsministerium 1858 – 1918, S. 13 ff. 27 Zur Ablehnung von Verfassungsinitiativen des jeweils anderen Landesteils siehe Gertraud Frühwald, Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha, S. 79 f.; zur Ablehnung einer förmlichen Vereinigung ebd. S. 105 ff. 28 Zu derartigen Bestrebungen siehe Gertraud Frühwald, Herzog Ernst II. von SachsenCoburg-Gotha, S. 229 ff. 29 GS XIX, S. 7 ff.; kommentiert bei Hans-Bartold von Bassewitz, Das Staatsgrundgesetz für die Herzogtümer Coburg und Gotha; abgedruckt bei Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 652 ff. – Zu den Hintergründen siehe jetzt insbesondere aus gothaischer Perspektive detaillierter Reinhard Jonscher, Aspekte der Verfassungsentwicklung in Sachsen-Coburg und Gotha, S. 38 – 49.

536

H. Notanda: Anmerkungen zur Entwicklung nach 1848

für all diese Vorstellungen in seinen 177 Paragraphen aus den Herzogtümern „ein unter der Regierung des Herzoglichen Hauses von Sachsen-Coburg und Gotha vereinigtes, untrennbares Ganzes“ (§ 1) – und damit den langersehnten Einheitsstaat, jedoch nicht in der vom Landesherrn gewünschten Art und Weise30, unter weitgehender Selbständigkeit der beiden Landesteile31 – bildete. Neben breiten Regelungen über die Sukzession im Zusammenhang mit der Situation in England32 springen ein den Grundrechten des deutschen Volkes weitgehend nachgebildeter umfassender Grundrechtsteil33 ebenso wie detaillierte Regelungen über die Gemeinden ins Auge. § 70 sah zwei Landtage für Coburg (7 Mitglieder) und Gotha (14 Mitglieder) sowie einen gemeinschaftlichen Landtag vor, wobei letzterer lediglich bei den in § 71 aufgezählten „gemeinschaftlichen Angelegenheiten“ mitwirkte. Das Recht zur Gesetzesinitiative lag nach § 105 beim Herzog ebenso wie bei den Landtagen. Ein Gesetz bedurfte eines Beschlusses des jeweiligen Landtages und einer Genehmigung des Herzogs (§ 107). Zur Teilnahme an der nach § 143 indirekten Wahl waren alle direkt steuerpflichtigen unbescholtenen Männer über 25 Jahren berechtigt (§ 146). Das Einführungsgesetz zum Staatsgrundgesetz vom 1. Juni 185234 hob neben der Verfassung von 1821 und der Bekanntmachung der Grundrechte des deutschen Volkes35 zahlreiche Einzelgesetze 36 auf und machte dadurch das Staatsgrundgesetz zur umfassenden Kodifikation.

So Ernst II., Aus meinem Leben und meiner Zeit, Zweiter Band, S. 110. Zur Klassifikation als Einheitsstaat vgl. bereits Georg Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 208 ff. 32 Das englische Königshaus bildete durch Heirat einen Bestandteil des coburgischen Herzogshauses. Durch die Verfassung wurden der englische König und sein präsumptiver Nachfolger ebenso wie sonstige Inhaber außerdeutscher Throne von der Thronfolge in SachsenCoburg und Gotha ausgeschlossen. 33 Vgl. dazu Peter Mast, Schwerpunkte, Ergebnisse und Charakter der Volksbewegung, S. 112. – Dies übersieht Judith Hilker, Grundrechte im deutschen Frühkonstitutionalismus, S. 363 f., die eine Rezeption auf den Grundrechtsteil der revidierten preußischen Verfassung von 1850 beschränkt. 34 GS XIX, S. 1 ff. = Heinrich Albert Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, S. 649 ff. 35 Die Darstellung von Reinhard Jonscher, wonach diese in Sachsen-Coburg wohl nicht aufgehoben worden seien (Verfassungen, Wahlrechte, Bürgerrechte, S. 138 f.), ist mithin zumindest formell unrichtig. 36 Insbesondere das Gesetz vom 1. Juli 1828 über die Ausdehnung der Verfassung auf die neuerworbenen Landesteile (siehe oben E.II.3.b)), das Gesetz vom 1. November 1845 über die Öffentlichkeit der Landtagssitzungen (siehe oben G.I.2.a)), das Gesetz vom 23. Dezember 1846 über die Verantwortlichkeit der Staatsbeamten (siehe oben G.I.2.b)), das Gesetz vom 6. Juli 1847 über die Zusammensetzung des Ausschusses (siehe oben G.I.2.d), das Gesetz vom 6. April 1848 über Petitions- und Versammlungsfreiheit (siehe oben 1.a)), das Gesetz vom 22. April 1848 über die Wahl der Landtagsabgeordneten (siehe soeben a)) und die Verordnung vom 4. Dezember 1849 über das Ministerium (siehe sogleich III.1.c)). 30 31

II. Verfassungsfragen

537

3. Befreiung von den Grundlasten Nach längerer Pause37 wurde unter dem 22. März 1848 ein neuer Entwurf eines Gesetzes über „die Feststellung, Verwandlung und Ablösung der Grundlasten“ vorgelegt.38 Diese insgesamt 78 Artikel umfassende und im Gegensatz zu seinen Vorgängern deutlicher strukturierte Rechtsnorm sah zum Schutz der Pflichtigen eingeschränkte Regelungen der Antragsberechtigung und die Errichtung eine besondere Ablösungskommission vor, gegen deren Entscheidung die Beschwerde an die Landesregierung möglich sein sollte. Der mittlerweile durch eine eigene Kommission erarbeitete 39 nächste Entwurf40 sah den entschädigungslosen Wegfall aller Fronen und des Besthaupt mit Ausnahme der Hofbauernfronen und der im Staats-, Gemeinde-, Kirchen- oder Schulverband begründeten Fronen vor, wobei hierüber bereits geschlossene Ablösungsverträge weiterhin in Kraft bleiben sollten. Die übrigen Grundlasten (Zehnten, sonstige Geld- und Naturalabgaben, Schafhuten und Handlohn) wurden wiederum, falls sich auf Privatrechtsverhältnissen beruhten, für ablösbar erklärt. Die erstinstanzliche Zuständigkeit für die Ablösung sollte nunmehr den Justizämtern bzw. dem Magistrat der Stadt Coburg obliegen. Dieser Entwurf wurde den Ständen am 22. September 1848 übersandt.41 In ihrer Erklärungsschrift vom 12. Dezember 184842 sprach sich die Ständeversammlung gegen den entschädigungslosen Entzug von Besthaupt und einigen Fronen aus, da dies gegen die in der Verfassung ausgesprochene Eigentumsgarantie verstoße, diese Feudallasten sollten vielmehr ebenfalls für ablösbar bzw. im Fall der persönlichen Fronen als Überbleibsel der Leibeigenschaft in einem besonderen Gesetz für aufgehoben erklärt werden.43

37 Vgl. F.II.3.c). – Die Behauptung von Friedrich Lütge, wonach Sachsen-Coburg erst nach 1848 „den Weg zu der nun einmal unausweichbar gewordenen Reform“ gefunden habe (Geschichte der deutschen Agrarverfassung, S. 267), ist offensichtlich unrichtig. Ebenso kann die Darstellung von Peter Mast, die Revolution von 1848 habe in Sachsen-Coburg und Gotha die Grundentlastung erst in Gang gesetzt (Schwerpunkte, Ergebnisse und Charakter der Volksbewegung, S. 112), in dieser Allgemeinheit zumindest für den coburgischen Landesteil nicht nachvollzogen werden. 38 StACo Min E 2158 fol. 50 – 77’. 39 Vgl. StACo Kammerarchiv 2425. 40 StACo Landtag 1399 fol. 3 – 26 = StACo Min E 2158 fol. 109 – 122’. 41 StACo Landtag 1399 fol. 2, 2’ = StACo Min E 2158 fol. 123 – 124’. 42 StACo Min E 2158 fol. 165 – 180’ = StACo Landtag 1399 fol. 125 – 143’. Falsch ist die Datierung auf den 12. Januar 1848 bei Dieter Heins, Die Ablösung der Grundlasten im Coburger Land, S. 135. 43 Nicht nachvollzogen werden kann daher die Behauptung von Detlef Sandern, daß der Gesetzentwurf „einstimmig angenommen“ worden sei (Parlamentarismus in SachsenCoburg-Gotha, S. 126).

538

H. Notanda: Anmerkungen zur Entwicklung nach 1848

Die Antwort Herzog Ernsts II. vom 13. Januar 1849 wies die Einwände zurück und verwies darauf, daß persönliche Abgaben und Leistungen bereits durch § 35 der Grundrechte des deutschen Volkes aufgehoben worden seien.44 Nachdem die Ständeversammlung in ihrer Erklärungsschrift vom 23. Januar 184945 ihre früheren Forderungen teilweise zurückgenommen und das herzogliche Antwortschreiben vom 1. Februar 1849 den verbliebenen Änderungsanträgen zugestimmt hatte46, wurde das nunmehr 95 Artikel umfassende Gesetz unter dem 25. Januar 1849 publiziert.47 Das „Gesetz, die Einführung mehrerer auf die Grundentlastung abzweckender Gesetze betreffend“ vom 21. Dezember 185048 nahm schon die ersten Änderungen an diesem Gesetz vor49, gleichzeitig errichtete es zur Durchführung der Ablösung eine der Landesregierung nachgeordnete Ablösungskommission50 und eine Ablösungskasse51. Das „Gesetz, die Aufhebung der Ablösungscasse und die Vereinigung derselben mit der Staatscasse betreffend“ vom 22. Juni 185852 übertrug die Aufgaben der Ablösungskasse auf die Staatskasse. Damit endete die Gesetzgebung im Bereich der Grundentlastung in SachsenCoburg. Bemerkenswert hieran ist vor allem, daß Gesetzentwürfe und Gesetze in diesem Bereich der Ständeversammlung deutlich wichtiger waren als die Aktivitäten der Verfassunggebung. Ähnlich wie in Sachsen-Weimar-Eisenach53 läßt sich dabei der Gesetzgebungsprozeß in Sachsen-Coburg in drei Phasen einteilen: Beginn einer geregelten Grundentlastung infolge der Verfassunggebung bis zum erstmaligen Erlaß eines Gesetzes (Sachsen-Weimar-Eisenach 1816 – 1821, Sachsen-Coburg 1821 – 1835), Reformüberlegungen (Sachsen-Weimar-Eisenach zu Beginn der 30er Jahre, Sachsen-Coburg zehn Jahre später) und schließlich das endgültige Inkraftsetzen eines Ablösungsgesetzes nach 1848. Wie in den meisten anderen Staaten bedurfte es hier nach frühen (aber erfolglosen) Ansätzen erst des Anstoßes StACo Landtag 1399 fol. 151 – 157’ = StACo Min E 2158 fol. 199 – 206’. StACo Min E 2158 fol. 245 – 254 = StACo Landtag 1399 fol. 181 – 189. 46 StACo Landtag 1399 fol. 192 = StACo Min E 2158 fol. 244’. 47 StACo LReg. 3656 fol. 4 – 21 = GS XVII, S. 719 ff. = RIBl. Nr. 5 vom 3. Februar 1849, Beilage. – Eine „rückwirkende Verkündung“ (so Dieter Heins, Die Ablösung der Grundlasten im Coburger Land, S. 135), was der Autor darunter auch immer verstanden sehen will, kann aus den Akten nicht ersehen werden. Ebensowenig wurde das Gesetz am 25. Januar 1849 „verabschiedet“ (so Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha, S. 126). 48 GS XVIII, S. 93 ff. 49 „Nachtrag zu dem Gesetz vom 25. Januar 1849“, GS XVIII, S. 96 ff. 50 „Gesetz, die Errichtung einer Ablösungs-Commission betreffend“, GS XVIII, S. 98 ff. 51 „Gesetz, die Errichtung einer Ablösungs-Kasse betreffend“, GS XVIII, S. 100 ff. 52 GS XXI, 573 ff. 53 Siehe dazu Rosalinde Gothe, Untersuchungen zur Agrargeschichte des Weimarer Territoriums, S. 199. 44 45

III. Verwaltungsfragen

539

der Revolutionen von 1830 und 1848, um die Ablösung entscheidend in Gang zu bringen.54

III. Verwaltungsfragen 1. Reformen im unmittelbaren Zusammenhang mit 1848 a) Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit In einer Initiative vom 6. April 1848 regte die Ständeversammlung zum wiederholten Male55 die Aufhebung der Patrimonialgerichte und des eximierten Gerichtsstandes an.56 Durch Gesetz vom 7. Februar 1849 wurde die Gerichtsbarkeit der Patrimonialgerichte sowie die Dorfsherrschaft in Ausführung der §§ 35, 41 des Reichsgesetzes vom 27. Dezember 1848 mit Wirkung vom 31. März 1849 entschädigungslos auf den Staat „zurückübertragen“.57 Gleichzeitig wurde angekündigt, auch den Städten Gerichtsbarkeit und Polizei spätestens bis zum 30. Juni 1849 entziehen zu wollen; die wurde jedoch durch Gesetz vom 27. Juni 1849 bis zur „bevorstehenden allgemeinen Justizreform“58 aufgeschoben.59 b) Reorganisation des Ministeriums Da laut Präambel infolge der Veränderung der Verhältnisse schnell eine neue Regelung habe getroffen werden müssen, traf die „Provisorische Verordnung, die Organisation des Ministeriums und des Geheimeraths-Collegiums betreffend“ vom 4. Dezember 184960 bis zu einem mit Zustimmung der Repräsentanten der beiden Länder zu erlassenden Gesetz in sieben Paragraphen kurzfristig Regelungen zur inneren Organisation des Ministeriums. Die Behörde bestand nunmehr aus einem Staatsminister und mehreren Räten. Während dem Minister selbst die Leitung der gesamten Staatsverwaltung oblag, waren die Räte für die Haus- und Familienangelegenheiten sowie das Hofwesen zuständig. 54 Friedrich Lütge, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S. 436. – Vergleichbar erscheint ebenfalls die Gesetzgebungstätigkeit in Baden, die 1820 begann; während der Umsetzung der gesetzlichen Regelungen wurden in den dreißiger Jahren weitere Gesetze erlassen, bis die Entwicklung schließlich in das Gesetz über die Aufhebung des Feudalrechts vom 10. April 1848 mündete; siehe dazu insbesondere Adolf Kohler, Die Bauernbefreiung und Grundentlastung in Baden, S. 98, 105, 112). – Zur vergleichbaren Situation in Württemberg Friedrich Lütge, Geschichte der deutschen Agrarverfassung, S. 256 f.; in Kurhessen ebd. S. 258 f. und in Sachsen ebd. S. 259 f. 55 Zu früheren Initiativen siehe Gertraud Frühwald, Herzog Ernst II. von Sachsen-CoburgGotha, S. 91. 56 StACo Landtag 303 fol. 1, 1’. 57 StACo LReg. 3655 fol. 2, 2’ = RIBl. Nr. 7 vom 17. Februar 1849, Beilage. 58 Siehe dazu sogleich 2.a), c). 59 StACo LReg. 3655 fol. 17 = RIBl. Nr. 26 vom 30. Juni 1849, Beilage. 60 GS XVII, S. 1019 ff.

540

H. Notanda: Anmerkungen zur Entwicklung nach 1848

Das mit Zustimmung der jeweiligen Volksvertretungen zustandegekommene „Gesetz, die Organisation des Staatsministeriums betreffend“ vom 3. Mai 185261 beinhaltete weitgehend identische Bestimmungen. Darüber hinaus wurde das Geheime Ratskollegium explizit aufgehoben und innerhalb des Ministeriums zwei Abteilungen geschaffen, wobei die Abteilung I für sämtliche Aufgaben und die besonderen Coburger Angelegenheiten, die Abteilung II für die besonderen Gothaer Angelegenheiten zuständig war. c) Änderungen im Bereich der Mittelbehörden Bereits im Jahr 1847 plante das Ministerium mit dem Ziel weitgehender Einsparungen eine Vereinigung von Landesregierung und Kammer bei Aufrechterhaltung der Trennung von Kammerkasse und Hauptlandeskasse.62 Dem widersetzte sich die Kammer mit Bericht vom 14. Mai 184763: Nach Verfassung und Schuldenedikt sei das Kammervermögen durch von der allgemeinen Staatsverwaltung getrennte Behörden zu verwalten. Die Errichtung der Kammer sei zudem auf Wunsch der Stände erfolgt, da die Verwaltung der Domänen von der Landeshoheitsverwaltung getrennt werden sollte. Außerdem bestehe die Gefahr, daß die Auflösung der Kammer der erste Schritt zur Überführung der Domanialverwaltung in die Verwaltung des Landes und der Abfindung des Herzogs mit einer Zivilliste wäre. Zunächst wandte sich die Reform daraufhin den übrigen Finanzbehörden zu. Das „Gesetz, die Aufhebung der Staatsschuldentilgungskasse und der Obersteuerkommission betreffend“ vom 1. Juni 185264 wies in seinen 10 Artikeln die Zuständigkeiten der Staatsschuldentilgungskasse einer der Landesregierung angegliederten Staatskasse zu, wobei die Überwachung durch Abgeordnete möglich blieb. Die Zuständigkeiten der Obersteuerkasse wurden der Landesregierung übertragen, wobei der Vorsitzende des Ausschusses und ein weiterer Vertreter des Landtages mitzuwirken hatte. Die „Verordnung, die Aufhebung des Kammer-Collegiums, der Landes-Regierung als Consistoriums und der Forstmeisterei und die Vereinigung dieser Behörden mit der Landesregierung betreffend“ vom 29. Juni 185265 vereinigte Kammer, Konsistorium und Forstmeisterei mit der Landesregierung. Damit war Kretschmanns ursprüngliche Vorstellung aus dem Jahr 1801 verwirklicht, denn Art. 4 der Verordnung bestimmte: „Hiernach und nach dem Gesetz vom 1. Juni d.J., die Aufhebung der Staatsschulden-Tilgungscasse und der Ober-Steuercommission betreffend, umfaßt der Geschäftskreis der neu GS XIX, S. 125. Schreiben des Staatsministeriums vom 21. April 1847 bei StACo Kammerarchiv 3803 fol. 1. 63 StACo Kammerarchiv 3803, unfol. 64 GS XIX, S. 131 ff. 65 GS XIX, S. 159 ff. 61 62

III. Verwaltungsfragen

541

organisirten Landes-Regierung zu Coburg deren bisherige Functionen in Beziehung auf Wahrung und Ausführung der Landeshoheitsrechte, die gesammte innere, auf dem Regierungsrecht, namentlich dem Oberaufsichtsrecht und der Polizeigewalt des Staats beruhende Verwaltung des Landes in allen ihren Zweigen und Beziehungen, mit alleiniger Ausnahme der Justizverwaltung und der Militär- und Militärwirthschafts-Angelegenheiten, dagegen mit Inbegriff der obern Leitung des Kirchen- und Schulwesens in dessen ganzem Umfang und des gesammten Staats-Finanz-, Rechnungs- und Cassenwesens, ferner die gesammte obere Verwaltung des Domanialvermögens, mit alleinigem Ausschluß der im Artikel 1 gedachten Ablösungsangelegenheiten, und die bisher von der Forstmeisterei als Unterbehörde in Forstsachen auszuführen gewesenen Verrichtungen.“66

Die nachgeordneten Forstämter wurden durch die „Verordnung, die Aufhebung der Forstämter betreffend“ vom 6. Juli 1852 ebenfalls aufgehoben.67 d) Auseinandersetzungen über die Coburger Stadtordnung Anstelle von der Stadt Coburg verlangter Änderungen der Stadtordnung genehmigte Herzog Ernst II. lediglich isoliert ein neues Wahlgesetz für die Stadtverordnetenversammlung, worüber sich Bürgermeister Theodor Oberländer am 25. Januar 1851 beim Ministerium beschwerte.68 Das – aus Gotha datierte – Genehmigungsreskript vom 5. Februar 185169 enthielt nur allgemeine Ausführungen, die neue Stadtordnung selbst wurde erst als Verordnung vom 5. August 1851 publiziert.70 Weitere Auseinandersetzungen über den Inhalt der Stadtordnung gipfelten am 1. März 1852 in einer Auflösung der Stadtverordnetenversammlung.71 Zu weiteren Änderungen sollte es erst nach 1871 kommen.72 e) Aufgabe des Projekts einer allgemeinen Städteordnung Das Ministerium teilte der Landesregierung am 24. April 1850 mit, daß der Erlaß einer allgemeinen Städteordnung für Sachsen-Coburg nicht mehr beabsichtigt sei, da der Entwurf für eine gemeinschaftliche thüringische Gemeindeordnung 66 Ähnliche Veränderungen wurden auch in anderen Staaten durchgeführt: Ab 1848 wurden in fast allen thüringischen Ländern die Konsistorien aufgehoben (Rudolf Herrmann, Thüringische Kirchengeschichte, Band 2, S. 534); in Hannover wurde die dortige Kammer mit Wirkung vom 1. Juli 1858 aufgehoben (Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Zweiter Band, S. 38 f.). 67 GS XIX, S. 181 ff. 68 StACo Min D 4155 fol. 249. 69 StACo LReg. 4776 fol. 11 – 12’ = StACo Min D 4155 fol. 251 – 253. 70 Stadtarchiv Coburg U 301 = StACo LReg. 4777 fol. 4 – 40’ (mit beigelegtem Änderungsheft) = StACo Min D 4155 fol. 325 – 350’ = RIBl. Nr. 50 vom 10. September 1851, Beilage = GS XVIII, 267 ff. 71 StACo Min D 4155 fol. 355 – 357’ = Stadtarchiv Coburg A 144 fol. 3, 3’. 72 Siehe dazu Stadtarchiv Coburg A 6224.

542

H. Notanda: Anmerkungen zur Entwicklung nach 1848

vom 15. Juni 184973 nach Art. 68 f. auch die Städte nicht ausnehme.74 Im weiteren Verlauf des Jahres 1850 wurden die Arbeiten – allerdings ergebnislos – schon wieder aufgenommen75, lediglich für die einzelnen Städte wurden in den Folgejahren besondere Stadtordnungen erlassen.76 Damit erreichte Sachsen-Coburg nicht die Situation des Königreichs Hannover, dem es 1851 / 1852 gelang, eine Städteordnung und ein Gesetz über die Landgemeinden zu erlassen.77

2. Verwaltungsreformen nach 1857 a) Reform der Gerichtsbarkeit Das zehn Paragraphen umfassende „Gesetz über die Organisation der Gerichtsbehörden in den Herzogthümern Coburg und Gotha“ vom 21. September 185778 hob die Justizkollegien auf und bildete als untere Justiz- und Verwaltungsbehörden Justizämter und Stadtgerichte, in Coburg und Gotha bestanden kollegiale Kreisgerichte sowie in Gotha ein Appellationsgericht. Vom gleichen Tag datiert das „Gesetz über die Aufhebung des privilegierten Gerichtsstandes der Personen und Güter in den Herzogthümern Coburg und Gotha“79, das mit Ausnahme des Herzogshauses anderer regierender Familien, der Fideikommisse und der Militärangehörigen die privilegierten Gerichtsstände beendete. b) Reorganisation des Staatsministeriums Das elf Paragraphen umfassende „Gesetz, die Organisation des Staatsministeriums betreffend“ vom 17. Dezember 185780 hob das Organisationsgesetz vom 3. Mai 185281 ausdrücklich auf und behielt die bisherige Gliederung des Ministeriums in zwei Abteilungen – jeweils eine für die beiden Landesteile Coburg und Gotha – bei, wobei Haus-, Hof- und Ordenssachen nunmehr mit einer der beiden Abteilungen zu verbinden waren. An der Spitze der Behörde stand ein StaatsminiStACo Min D 4688 fol. 62 – 77’ = StACo LReg. 3654 fol. 97 – 112’. Abschrift bei StACo Min D 4157 fol. 34. 75 Schreiben der Landesregierung an das Ministerium, StACo Min D 4157 fol. 39 – 40. 76 Stadtordnung für Königsberg vom 12. Februar 1849; Stadtordnung für Coburg vom 5. August 1851 (siehe dazu soeben d)); Stadtordnung für Neustadt vom 12. Mai 1852; Stadtordnung für Rodach vom 21. Februar 1862.) 77 Siehe dazu Rolf Grawert, Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang konstitutioneller Regierung, S. 138. 78 GS XXI, S. 289 ff. 79 GS XXI, S. 301 ff. 80 GS XXI, S. 333 ff. = Hans-Bartold von Bassewitz, Das Staatsgrundgesetz für die Herzogtümer Coburg und Gotha, S. 5 ff. 81 Siehe dazu soeben 1.c). 73 74

III. Verwaltungsfragen

543

ster, der zugleich Vorstand einer der beiden Abteilungen war. Die andere Abteilung verfügte über einen besonderen Leiter, ferner waren auch weitere Räte vorgesehen. Mindestens fünf Personen bildeten das „Gesamtministerium“, das kollegial über Gesetz- und Verordnungsentwürfe, Staatsverträge, Entlassungen und wichtigere Hausangelegenheiten sowie über Grundsatzfragen zu beraten hatte. Die Angehörigen der Behörde zeichneten anstelle der bisherigen umständlichen Formel nur noch „Im Auftrage“. c) Umfassende Organisationsreform 1858 Eine völlig neue Struktur gab schließlich das „Gesetz über die Organisation der Verwaltungsbehörden im Herzogthum Coburg“ vom 17. Juni 185882 der inneren Verwaltung. Als Behörden der inneren Verwaltung bestanden nunmehr die Gemeindevorstände, das neugeschaffene Landratsamt und das Staatsministerium, die bisherige Landesregierung wurde aufgehoben (§ 3). Die Rechtspflege wurde von der Verwaltung auch in der unteren Instanz getrennt, die bisherige Zuständigkeit der Justizämter im Bereich der inneren Verwaltung endete (§ 14). Damit erreichte SachsenCoburg einen Zustand der völligen Trennung von Justiz und Verwaltung, wie er in Preußen bereits seit der Verordnung vom 26. Dezember 1808 bestand, in Sachsen jedoch erst mit der Reichsjustizgesetzgebung 1877 eingeführt werden sollte.83 Das neue Landratsamt hatte seinen Sitz in Coburg, seine örtliche Zuständigkeit umfaßte das Gebiet der Städte Coburg, Neustadt und Rodach sowie der Justizämter Coburg, Neustadt, Rodach und Sonnefeld. Die sachliche Zuständigkeit des Landratsamts in den Städten war jedoch beschränkt (§ 21). In der geistlichen Verwaltung traten neben den sechs Ephorien (§ 38) sechs Kirchen- und Schulämter (§ 41) an die Stelle der Geistlichen Untergerichte84, wobei die Kirchen- und Schulämter aus Landrat und Ephorus, in den Städten aus Bürgermeister, Ephorus und einem Magistratsrat bestanden. Die Zuständigkeiten der Behörden regulierte die „Verordnung, den Geschäftskreis der Behörden im Bereiche der inneren Verwaltung sowie der geistlichen und Schul-Verwaltung betreffend“ vom 19. Juni 1858.85 Die bisherigen Aufgaben der Landesregierung übernahm überwiegend das Staatsministerium, Teile gingen ebenso wie die Verwaltungsaufgaben der Justizämter an das Landratsamt bzw. die Städte. Das „Gesetz, die Uebertragung der städtischen Gerichtsbarkeit auf das 82 GS XXI, S. 509 ff. Vorherige Entwürfe und Gesetzgebungsverhandlungen siehe bei StACo Min F 449; zu den Hintergründen vgl. Ulrich Heß, Das Sachsen-Coburg und Gothaische Staatsministerium 1858 – 1918, S. 18 f. 83 Siehe Bodo Dennewitz, Die Systeme des Verwaltungsrechts, S. 38, 98. 84 Zu diesen siehe oben F.I.1.b)bb). 85 GS XXI, S. 549 ff.

544

H. Notanda: Anmerkungen zur Entwicklung nach 1848

Kreisgericht und die Justizämter und die Entschädigung der städtischen Gerichtsbeamten und Diener betreffend“ vom 20. Juni 185886 hob endgültig die städtische Gerichtsbarkeit auf und verfügte die Übergabe der Akten sowie teilweise eine Übernahme des gerichtlichen Personals. Die „Verordnung, die Aufhebung der Ablösungs-Commission betreffend“ vom 28. Juni 185887 übertrug ebenfalls die Aufgaben der früheren Ablösungskommission88 auf das Landratsamt übertragen.

d) Das allgemeine Gemeindegesetz von 1867 Das „Gemeindegesetz für das Herzogthum Coburg“ vom 22. Februar 186789 enthielt in 182 Artikeln allgemeine und umfassende Regelungen über die Rechtsverhältnisse in den Kommunen. In den Städten galten die Vorschriften des Gesetzes neben den jeweiligen Stadtordnungen (Art. 60). Damit wurde 46 Jahre, nachdem § 31 der Verfassung die Einführung eines Gesetzes über die rechtlichen Angelegenheiten der Gemeinden zugesichert hatte, diese Zusage erfüllt und in Sachsen-Coburg – ebenso wie in Preußen durch die Gemeindeordnung vom 11. März 185090 – das Kommunalverfassungsrecht des gesamten Staates einheitlich geregelt.91

GS XXI, S. 561 ff. GS XXI, S. 577 ff. 88 Siehe dazu oben II.3. 89 GS XXV, S. 681 ff. 90 PrGS 1850, S. 213 ff. 91 Zur kurzen Geltung dieses Gesetzes siehe Rolf Grawert, Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang konstitutioneller Regierung, S. 139. 86 87

I. Schlußbemerkung Nach mehr als einem Jahrhundert war es dem Reformminister Kretschmann gelungen, die Renaissanceverwaltung Sachsen-Coburg-Saalfelds grundlegend umzugestalten: in Sachsen-Coburg-Saalfeld wurde – wie später in den Rheinbundstaaten – „zentralisiert, bürokratisiert und hierarchisiert“.1 Die Radikalität seiner Vorgehensweise entsprach dabei derjenigen in Preußen.2 Im Gegensatz zu anderen Staaten3 unterstützte die altständische Landschaft den Reformprozeß nicht (und auch einsetzende Verfassungsinitiativen nach kurzer Zeit nicht mehr), sondern lähmte den Reformprozeß – ebenso wie Differenzen mit Vertretern der „althergebrachten“ Verwaltung4 – durch öffentliche, publizistische und juristische Auseinandersetzungen, so daß erst mit der Souveränität (und dem Verschwinden des Einflusses der Landstände) 1806 Raum für die Durchsetzung der Reformen war. Als Meilensteine auf dem Weg dorthin verblieben die Herstellung der Landeshoheit über das gesamte Gebiet von Sachsen-Coburg-Saalfeld 1805 und der Freiheitsbrief für die Angehörigen des katholischen Bekenntnisses 1806. Nach Abzug der französischen Besatzung infolge des Friedens von Tilsit und Regierungsantritt des ehrgeizigen Herzogs Ernst kam es zwar zu weiteren Reformund Verfassungsüberlegungen, jedoch infolge persönlicher Differenzen zwischen Minister und Landesherr zur Ablösung Kretschmanns und zur Abkehr von seinem System. Damit setzte sich der „Wechsel zwischen der bürokratisch oder monokratisch geführten Verwaltung und der Kollegialorganisation“ fort, vor allem trifft auch für Sachsen-Coburg-Saalfeld Kurt Dülfers Feststellung zu: „Häufig, wenn die Gewalt eines einzelnen Mannes zu stark geworden war, ersetzte man ihn durch mehrere Beamte oder Berater.“5 1 Elisabeth Fehrenbach, Verfassungs- und sozialpolitische Reformen und Reformprojekte in Deutschland, S. 78. 2 Auch das preußische Organisationsedikt vom 24. November 1808 („Verordnung die veränderte Verfassung der obersten Verwaltungs-Behörden in der Preußischen Monarchie betreffend“, abgedruckt bei Georg Heinrich Pertz, Das Leben des Ministers Frhr. vom Stein, 2. Band, S. 689 ff.) löste sämtliche bestehenden obersten Behörden auf. 3 Beispielsweise Bayern in der Anfangszeit der Reformen, siehe dazu Walter Demel, Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus, S. 67 f. 4 Zu ähnlichen Widerständen von seiten der Landschaft und der alten Kollegien kam es später in Sachsen-Meiningen, siehe dazu Ulrich Heß, Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Meiningen, S. 80 f. 5 Das fürstliche Regierungssystem, S. 239 f.

546

I. Schlußbemerkung

Dieser Systemwechsel hatte auch eine weitergehende Umgestaltung bei den Oberbehörden zur Folge. Von 1808 bis 1815 wurden trotz eines Verfassungsprojekts des Geheimen Konferenzrats Gruner nur wenige bedeutende Vorhaben – wie die Aufhebung der Steuerfreiheiten – verwirklicht. Auch in Sachsen-Coburg-Saalfeld kam es zum kleinstaatentypischen „politischen Immobilismus“.6 Nach den Befreiungskriegen wurden Herzog Ernsts durchgängig bestehende Hoffnungen auf territorialen Zugewinn wiederum enttäuscht. Im Inneren kam es jedoch ziemlich schnell zu einer ersten Verfassungsinitiative und 1816 zu einer öffentlichen Verfassungsankündigung. Bei den nun folgenden Verfassungsarbeiten arbeitete der Hauptverantwortliche, Regierungsrat Lotz, in europaweiter Rezeption und in europaweitem Vergleich. Zudem zog er für seine Arbeiten auch die einheimischen Verfassungsentwürfe seit 1804 heran, so daß er durch Zeit und Raum rechtsvergleichend arbeitete. Die Umsetzung des Verfassungsversprechens wurde in der Folgezeit über 1819 hinaus verzögert. Damit wurden auch die Karlsbader Beschlüsse und die Wiener Schlußakte für die weitere Entwicklung maßgeblich. Nach einem weiteren Manifest über die Verfassunggebung wurde 1820 zum ersten Mal eine Ständeversammlung – direkt – gewählt. Maßgeblich war in dieser der Landschaftssekretär Rose, dessen vergleichende Rezeption vor allem der Verfassung Hessen-Darmstadts vor allem das Einfließen eines Grundrechtskataloges in die Verfassung Sachsen-Coburg-Saalfelds zur Folge hatte. Sowohl behördlicherals auch ständischerseits wurde im Wege eines vergleichenden Eklektizismus rezipiert, was wohl auch auf den Problem- und Zeitdruck7 für beide Seiten zurückzuführen war. Die Interessen des Souveräns an der Verfassunggebung beschränkten sich auf die Fragen der Domänen und der Finanzen, wobei gerade im Bereich der Finanzverfassung wohl eher durch Zufall richtungweisende Bestimmungen – wie die Gesetzesform des Haushaltsplanes – gefunden wurden. Die normative Verfassung Sachsen-Coburg-Saalfelds stellte sich im Vergleich mit übrigen deutschen Verfassungen – vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sie erst nach der Wiener Schlußakte in Kraft gesetzt wurde – als vergleichsweise fortschrittlich dar. Nach dem Verfassungsoktroi infolge einer „verschleierten Verfassungsvereinbarung“ erschienen die Gesetzgebungsenergien ziemlich schnell verbraucht.8 Außer den in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Verfassunggebung erlassenen Gesetzen wurde insbesondere die Umsetzung der Gesetzgebungsaufträge verzögert. In den zwanziger und dreißiger Jahren sollte es – vor allem nach 6 Allgemein Walter Demel, Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus, S. 67 f. 7 Zu Problem- und Zeitdruck als Ursache vergleichender Rezeption vgl. Peter Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, S. 461. 8 Vgl. Rolf Grawert, Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang konstitutioneller Regierung, S. 133.

I. Schlußbemerkung

547

der gothaischen Sukzession – zu keinen bedeutenderen Reformen im (verbleibenden) sachsen-coburgischen Staatsgebilde mehr kommen. Erst nach dem Regierungsantritt Herzog Ernsts II. setzte die Gesetzgebung wieder ein. Doch erst nach dem Staatsgrundgesetz von 1852 sollte es auch zu einem Abschluß der Verwaltungsreformen und damit des von Kretschmann 1801 angestoßenen Prozesses der materialen Rationalisierung9 kommen, so daß das Verfassungs- und Verwaltungssystem Sachsen-Coburgs ein zweites Mal von einem statischen Zustand aus dynamisiert wurde und der coburgische Kleinstaat abermals als Experimentierfeld dienen konnte.

9 Begriff nach Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 468; vgl. dazu auch Thomas Vesting, Absolutismus und materiale Rationalisierung, S. 373.

Textanhang 1. Instruktion für Minister Kretschmann vom 15. Mai 1801 (StACo Min F 426 fol. 2 – 8’) Instruction für Unser Geheimes Departement der Coburg- und Saalfeldischen Lande. p. Franz p. Da Wir es vor zwekmäsig gefunden haben in Unsern Landen eine neue und bessere Organisation der verschiedenen Landes-Collegien und Unterbehörden zu veranstalten, das bisherige geheimde Raths-Collegium aufzuheben und die Leitung Unserer gesammten Staatsgeschäfte Unsern geheimden Rath und dirigirenden Minister Kretschmann ausschlüßlich zu übertragen; so ist nothwendig denselben zu seiner Nachacht und zu seinem Benehmen mit einer eigenen Instruktion zu versehen welche Wir ihm in folgenden Kraft dieses ertheilen. § 1.) Das geheime Departement besteht aus Unsern geheimen Rath Kretschmann, aus dem geheimen Aßistenzrath von Wangenheim, dem Wir dem p. Kretschmann beygeben, aus einem geheimen Archivar, einem geheimen Secretair, einem geheimen Revisor, einem – oder nach Befinden zwey Canzlisten und einem Bothenmeister. § 2.) Unser geheime Rath und dirigirender Minister hat die Leitung sämtlicher Reichs-, Creyß-, Staats-, Policey-, Finanz-, Justiz-, Lehn-, Kirchen- und Militär-Sachen, welche in Unsern Coburg-Saalfeldischen Landen vorkommen können, er bearbeitet die Differenzien mit den Nachbarn, ist perpetuirlicher Commißarius auf den Landtag zu Altenburg und besorgt die Familien-Angelegenheiten Unsers Herzogl. Haußes, soweit sie Haus-Verträge, Eheberedungen, Witthums-Verhältniße, Testamente, Verlöbnisse u.s.w. betreffen, und muß dabey vorzüglich zum Zwek haben, daß durch dergleichen Verträge der Verfall des Haußes verhindert, die Würde desselben gesichert und der Einfluß bey andern teutschen Fürstenhäusern erweitert werde. § 3.) In Hinsicht auf die Staats-Sachen machen Wir ihm zur Pflicht, dahin zu sehen, daß jede günstige Gelegenheit in Obacht genommen werde, Unsere Territorien zu erweitern, daß die im Lande gelegenen Ritter-Güter, Zehenden und solche Besizzungen welche nicht gemeines

550

Textanhang

Erbzinslehen sind, von dem Staate erkauft und mit ihm vereiniget werden, daß wenn die Kräfte des Landes und Unsere Caßen es erlauben, man auch auf den Ankauf freyer StandesHerrschaften in Schlesien und Böhmen Bedacht nehme welche dann nach dem Ankauf in die fideicommißarische Verbindung Unserer übrigen Lande zu bringen sind. § 4.) In Hinsicht auf die Policey-Sachen muß Unser geheimer Rath dafür Sorge tragen, vor allen Dingen eine genaue Kenntnis Unserer Lande, durch Vermeßung, Aufnehmung statistischer Tabellen, Herstellung von Flur- und Lagerbüchern und Anfertigung von Flur-Karten dann selbst eigene Land-Visitationen zu erhalten und wenn er den wahren Zustand des Landes kennt, hat er von jeder Policey-Branche nach und nach die nöthigen Verbeßerungs-Anstalten auszumitteln, vor den Entwurf der erforderlichen Gesezze und Verordnungen durch die Regierung Sorge zu tragen und Uns dann das Ganze zu Unserer Prüfung und Bestättigung vorzulegen, nach derselben aber alles zur Bekanntmachung an Unser Landes-Regierungs-Collegium zu befördern. § 5.) Damit Wir aber auch versichert seyn mögen, daß die von Uns genehmigten PoliceyAnstalten pünktlich und genau nach den ergangenen Verordnungen besorgt und aufrecht erhalten werden, so hat er durch eigene Controlar-Anstalten darüber zu wachen, das LandesCollegium von Zeit zu Zeit über den Zustand der Anstalten und den Fortgang derselben berichtlich zu vernehmen und da wo Lükken oder Nachläßigkeit sich hervorthun, abzuhelfen und die deshalb nöthigen Verfügungen zu erlaßen. § 6.) Die Justiz ist bis jetzt in Unseren Landen noch in einem Zustande welcher den Erwartungen, welche Unsere getreuen Unterthanen deshalb zu machen berechtigt sind und den Forderungen, welche Wir als Regent machen müssen, keineswegs entsprechen. Hier ist einer genaue und strenge Reforme vor allen Dingen nothwendig. Eben des wegen tragen Wir Unserm geheimen Rath Kretschmann auf, sämtl. Gesezze, welche bis jetzt in Unsern Coburgischen Landen für die Justiz bestehen, genau durchzusehen, die Mängel, welche ihnen eigen sind, aufzusuchen, ein für Unsere Coburgischen Lande paßendes Gesezbuch sowohl im allgemeinen als besonders in Hinsicht auf Statuten und Observanzen und Gewohnheiten durch Unser Landes-Collegium entwerfen zu lassen, mit diesem eine neue Gerichts- und Prozeßordnung zu verbinden alles genau nochmals zu prüfen und den Entwurf von beyden dann wenn vorhero die Landschaft darüber gehört worden ist, zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen. § 7.) In Unserer Landes-Portion Saalfeld sind Wir zwar in Hinsicht auf Justiz nicht so ungebunden als Wir es zum Besten des Ganzen wünschen müssen. Indeßen steht Uns dennoch nach den bestehenden Verträgen die Oberaufsicht über die Regierung zu Altenburg soweit sie die Saalfeldischen Angelegenheiten mit verwaltet, zu. Und deshalb machen wir Unserm geheimen Rath zur Pflicht, dafür zu sorgen, daß im Saalfeldischen so gut als im Coburgischen schnelle unpartheyische Justiz verwaltet werde und die Justiz-Behörden allenthalben ihre Schuldigkeit thun.

Textanhang

551

§ 8.) Die Finanzen sind bis jezt in Unsern Landen leider noch in der traurigsten Verwirrung und Unordnung und hier erwarten Wir am meisten, daß Unser geheimer Rath alle Kräfte anwenden werde, sie empor zu heben, eine zweckmäsige Ordnung herzustellen und sämtliche Finanz-Quellen vollkommen zu nuzzen. Wir wollen aber dabey ausdrücklich, daß das Emporheben der Finanzen überall nur mit dem Wohle Unserer Unterthanen in Verbindung stehe, weil nur daraus Seegen entspringen kann. Eben des wegen wünschen Wir keine Einrichtungen, welche diesem Zweck entgegen sind und Wir erwarten von den guten Gesinnungen Unsers geheimen Raths, daß er diesen Wünschen allenthalben entspreche. § 9.) Die Direktion des ganzen Finanz-Rechnungs-Wesens und die General-Controle über alle im Lande befindlichen Caßen, die Domainen, Landschaftl. Caße, Caßen der Kirchen, Stiftungen und Gemeinden bleibt ausschließlich Unserm geheimen Rath überlaßen. Er muß dafür sorgen, daß allenthalben gründliche vollständige und dauerhafte Etats angefertiget, die Rechnungen ordentlich geführt, belegt und richtig eingesendet, die Revision gründlich vollzogen, die Cassen redlich und treu verwaltet und controlirt werden. § 10.) Alle Etats und Dechargen werden unter seiner Namens-Unterschrift vollzogen nur behalten Wir Uns vor, den Haupt-Domainen- und den Etat Unsers Hofstaats selbst zu vollziehen und sollen Uns diese Etats jährlich im Monat Merz von Unserm geheimen Rath vorgelegt werden. Die specielle Revision der Rechnung über den Hofstaats-Etat bleibt aber Unsern geheimen Departement vorbehalten. § 11.) Unser geheime Rath hat die Befugniße, alle Ausgabe-Dekrete zu erlaßen, wenn die Positionen Etats mäsig sind, aber neue Besoldungen und Besoldungs-Zulagen könen nur mit Unserer unmittelbaren Genehmigung geschehen. § 12.) Übrigens hat sich Unser geheimer Rath in Rechnungs-Sachen lediglich nach der Rechnungs-Instruktion zu richten, welche Wir noch besonders ertheilen werden. § 13.) Die Kirchen-Sachen sind nicht minder ein Gegenstand, welcher Unsere ganze Aufmerksamkeit verdient. Je reiner die Religion ist, welche Unsere Unterthanen verehren, je moralischer diese durch die Religion werden, je glücklicher wird Unsere Regierung seyn und je mehr Wohlstand wird sich unter den Unterthanen selbst verbreiten. Wir machen daher Unsern geheimen Rath zu seinen heiligsten Pflichten, darauf zu sehen, daß Unsere Unterthanen durch Neuerungssucht in ihrem Glauben nicht gestört und irre ge-

552

Textanhang

führt werden, daß die Religions-Lehrer eines moralischen und reinen Lebenswandels sich befleisigen, alle Aergerniße vermeiden und sich so betragen, wie es den Lehrern der Religion gebührt. So wenig Wir gemeint sind Uns einer vernünftigen Aufklärung entgegen zu stellen, und so wenig Wir dem Geiste der Zeit entgegen arbeiten können, so liegt es dennoch in Unsern Pflichten, dahin zu arbeiten, daß man Unsern Unterthanen nicht eine für ihr FaßungsVermögen unpaßende Aufklärung aufdringe und statt zu beßern durch Entziehung aller Stützen für ihren Verstand, sie zur Unsittlichkeit verleite. Eben deswegen muß die Wahl der Religions-Lehrer mit groser Vorsicht geschehen und es darf Niemand in ein geistliches Amt gelassen werden, der nicht hinlängliche Proben von seinem moralischen Charakter, seinen reinen Religions-Begriffen und von seinem Bestreben wahrhaft gute Menschen zu bilden, an den Tag gelegt hat. § 14.) Mit den Kirchen sind die Schulen innigst verbunden, in ihnen sollen die ersten Keime der Sittlichkeit für Unsere Unterthanen gelegt werden. Auch sie sind also ein Haupt-Gegenstand Unserer Landesväterlichen Vorsorge. Unser geheimer Rath wird daher darauf Bedacht seyn, daß sowohl die Stadt- als Landschulen in Unsern Landen eine zweckmäsige Einrichtung bekommen und mit tüchtigen Kenntnisvollen und moralischen Lehrern besezt werden. § 15.) Was Unser Landes-Militär anbetrift, so geht Unsere Absicht dahin, daß wo möglich das Landregiment aufgehoben und Unsere Contingents-Compagnie so verstärkt werde, daß damit so wohl der Dienst in Unserer Residenz gethan als die Sicherheits-Anstalten auf dem platten Lande versehen werden. Auserdem gehört in das Reßort Unsers geheimen Raths die Direktion der Marsch-Sachen, die Verpflegung, Montirung und Lehnung des Lands-Militärs. § 16.) In Hinsicht auf den Geschäftsgang bey Unsern geheimen Departement bestimmen Wir, daß Unser geheime Rath a.) alle Generalia ausschließlich und allein bearbeite b.) daß Unser geheime Assistenz-Rath die Bearbeitung der Special-Sachen über sich nehme, ein Votum habe und sämtliche Expeditionen zur Oberrevision Unsern geheimen Rath vorgelegt werden. c.) daß Unser geheime Rath alle Expeditionen, welche nicht neue Gesezze, Bestallungen, Titel-Ertheilungen, Bestättigungen von Lehen, Innungen, Corporationen, Stiftungen, Gemeinheiten, Privilegien, Begnadigungen, Abolitionen betreffen, wo Wir Uns die unmittelbare Vollziehung der Ausfertigung vorbehalten, unter seiner Namens-Unterschrift an alle Ober- und Unterbehörden erlaße und sich dabey der Firma: „Auf Seiner Herzogl. Durchlaucht höchsten Special-Befehl“ bediene. d.) damit Wir aber genau von den Verfügungen immer unterrichtet sind, welche von Unsern geheimen Departement ausfliesen, so muß Uns monatlich ein Auszug aus dem Vortrags-Journal vorgelegt und darinnen ganz genau der Inhalt der eingegangenen und expedirten Sachen bemerkt werden. e.) alle wüchtigen Sachen werden Uns wenn sie vollständig bearbeitet sind von Unsern geheimen Rath in Beyseyn Unsers Assistenz-Raths in eigenen von Uns zu bestimmenden

Textanhang

553

Conferenzen vorgetragen und Unsere Entschliesung zu den Akten unter Unserer Names-Unterschrift bemerkt. f.) wenn der geheime Assistenz-Rath die Special-Sachen bearbeitet hat und durch Unsern geheimen Rath der Beschluß darauf gefaßt ist, so hat der Secretair für die Expeditionen zu sorgen, der geheime Assistenz-Rath solche selbst noch einmal genau durch zu sehen und sie dann zur Ober-Revision an Unsern geheimen Rath zu befördern. g.) am Ende eines jeden Etats-Jahrs erwarten Wir von Unsern geheimen Rath einen General-Bericht über seine Geschäfts-Führung und mus er Uns darinnen genaue Rechenschaft geben von dem was zum Besten des Staats, zum Wohl Unserer einzelnen Unterthanen geschehen ist, wie sicht die Justiz, die Policey und die Finanzen verbessert haben, was noch für diese einzelnen Staats-Gewalten zu thun übrig ist und welche Mittel zu ergreifen sind um zu einer höheren Vollkommenheit empor zu kommen. Mit dieser Übericht muß er eine Bilance verbinden über den Zustand Unserer Regierung in vorher verflossenen Etats-Jahren, und Wir machen ihm zur heiligsten Pflicht, nicht blos Uns Unser Land und dessen Zustand von der schönen Seite zu zeigen, sondern Uns aufrichtig mit den Mängeln bekannt zu machen, welche Unser Land noch drükken und welche Wir zu entfernen aus allen Kräften bemüht sind. § 17.) Die Geschäfts-Vertheilung unter dem Subalternen Personal Unseres geheimen Departements bleibt Unsern geheimen Rath ausschließlich überlassen. § 18.) Damit auch alle Unsere Geschäfte schnell von statten gehen und nirgends ein Ressort in seiner Würksamkeit gestört werde, so werden Wir annoch eine eigene Verordnung ergehen lassen, worinnen Wir klar bestimmen in welchen Fällen nur allein der unmittelbare Rekurs an Unsere höchste Person statt findet. An sich haben Wir schon Uns zum Gesez gemacht, in keiner Sache eine Decisiv-Entscheidung zu geben, ehe und bevor Uns die Sache selbst aus den Akten klar und vollständig vorgetragen worden ist. Und eben deswegen wollen Wir alle Reclamationen Unserer Unterthanen, welche Uns unmittelbar übergeben werden so lange an die treffenden Behörden abgeben, so lange sie sich nicht zu Unsern eigenen Einsehen eignen. Wenn aber Klagen gegen das Verfahren Unserer obersten Behörde vorkommen und die Sache worüber sie entstanden sind, alle Instanzen schon durchlaufen haben; so wollen Wir nach vorheriger genauer und vollständiger Untersuchung der Thatsache selbst entscheiden. Urkundlich haben Wir diese Instruktion für Unsern geheimen Rath eigenhändig unterschrieben und besiegeln laßen. Coburg, den 15. May 1801. FHzSCS

554

Textanhang

2. Hausgesetz vom 1. April 1802 (ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1 Nr. 2, fol. 6 b – 6 e’) Herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldisches Hausgesetz über die Nichtverbindlichkeit der Regierungs-Nachfolger die Schulden und Veräußerungen der Regierungs-Vorfahren anzuerkennen. Wir Fr a n z, von GOTTes Gnaden, Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Marggraf zu Meissen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc. etc. haben aus einer langen traurigen Erfahrung die unglücklichen Folgen kennen lernen, welche eine Sequestration der Domainen-Einkünfte für Unser Land, für Unsere Familie und für jeden Unserer getreuen Unterthanen gehabt hat, und Wir halten es jezt, da Wir durch Zahlung sämmtlicher Cammer-Schulden die Kaiserl. Debit-Commission überflüssig gemacht haben, für Unsere wichtigste Pflicht, in Unserem Hauße solche Einrichtungen und Verfügungen zu treffen, daß ein solcher Zustand, wie er zeither statt hatte, nie und zu keiner Zeit wieder eintrete. Zu dem Ende empfehlen Wir I. allen Unsern Nachfolgern in der Regierung höchstmögliche Sparsamkeit und damit diese um so weniger irgend jemals verlezt werden könne; so bestimmen Wir als unumstößlich, daß die Etats für die Bedürfnisse der Hofhaltung und der Person des jedesmal regierenden Fürsten von nun an immer von dem Landes-Ministerio lediglich nach dem Verhältniße der sichern Landes-Einkünfte, der daraus zu bestreitenden Administrations-Kosten und des unbedingt nothwendigen Aufwands, welchen die Verbesserung des Landes fordert, gemacht, und die Ausgaben darinnen nie höher gestellt werden sollen, als es die übrigen Bedürfnisse der Landes-Administration und das Wohl des Ganzen zulassen. Der Entwurf des HofstaatsEtats ist dem Regenten dann mit ausreichenden Erläuterungen über die Zulänglichkeit oder Unzulänglichkeit der Fonds vorzulegen und über diesen geprüften und von dem regierenden Landesherrn anerkannten Etat dürfen bey der Hofhaltung die Ausgaben nie und unter keiner Bedingung, erhöht werden, das Hofmarschall-Amt hat nach diesem ihm mitzutheilenden Etat sich streng und unverbrüchlich zu richten. Die Haupt-Domainen-Casse wird zu allen Zeiten eydlich darauf verpflichtet und angewiesen, die gegen den Etat eingehenden Zeddel, oder ausgegebenen Summen, nicht zu bezahlen. Und damit zu keiner Zeit der Aufwand für den Hof unverhältnißmässig gegen die Landes-Einkünfte erhöht werden kann; so soll jeder Minister zu allen Zeiten eydlich verpflichtet werden, dem jedesmal regierenden Landesherrn die nachtheiligen Folgen dringend vorzustellen, wenn er darauf bestehen wollte, daß die Ausgaben für den Hof unverhältnißmäßig gegen die Landes-Einkünfte bestimmt werden sollten. Und damit dieses um so weniger geschehen könne; so setzen Wir als eine unverbrüchliche Norm fest, daß

Textanhang

555

II. keiner Unserer Nachfolger in der Regierung je verbunden seyn solle, die Schulden seiner Vorfahren zu bezahlen. Denn jeder Regent hat die unbedingte Verbindlichkeit auf sich, seine Ausgaben nach seinen Landes-Einkünften einzurichten, mit diesen auszukommen, und wo möglich noch zu Verbesserung des Landes und auf unvorhergesehen Fälle zu sparen. Wir nehmen aber von dieser Bestimmung aus: a.) diejenigen Schulden, welche in Cautions-Capitalien aller Art bestehen, in der Regel aber auch immer von dem Dienst- und Pacht-Nachfolger bezahlt werden, b.) diejenigen, welche wegen Ausstattung zu vermählender Prinzeßinnen haben gewürkt werden müssen; obgleich dieses in der Zukunft nicht mehr vorkommen darf, weil jährlich aus den Landes-Einkünften so viel zurück gelegt werden muß, daß diese Ausgaben leicht bestritten werden können. c.) diejenigen wenigen Schulden, welche Wir als Erbprinz bis zum Antritte Unserer Regierung unter sehr traurigen Verhältnißen haben würcken müssen und zu deren schleunigen Tilgung Wir bereits einen sichern Zahlungsfond angewiesen haben. d.) diejenigen Schulden, welche Unsers Herrn Vaters Gnaden während der Dauer der Debit-Commission nothgedrungen machen muste; welche Wir übernommen und deren Zahlung Wir schon jezt die nöthigen Verfügungen getroffen haben, e.) diejenigen wenigen Schulden, welche Wir von Unserer Frau Mutter Gnaden nach einem besonderen Vertrage übernahmen, f.) diejenigen Schulden, welche Unsere errichtete Staats-Leyhbank, deren Gesetze, Verfaßung und Einrichtung Wir des nächsten durch den Druck bekannt machen werden, allenfalls nach ihrer eigenen Organisation und nach dem Verhältniße ihres Fonds zu machen befugt ist. g.) diejenigen Schulden, welche zu Verbesserung der Landes-Einkünfte, wegen unverschuldeter Unglüks-Fälle, wegen Ankauf von Gütern, Emporhebung der Landes-Industrie, Errichtung allgemeiner gemeinnütziger Anstalten und überhaupt zum LandesBesten und wovon ein bleibender Nutzen für das Land nachgewiesen werden kann, sind gewürkt worden. Endlich h.) eigentliche Altväterliche Schulden, oder welche zu Abtragung der bis jezt vorhandenen gewesenen alten Cammerschulden nothwendig waren. Alle diese Schulden sind die jedesmaligen Regierungs-Nachfolger anzuerkennen und zu bezahlen verbunden. Wir werden aber, wenn Uns die Vorsehung noch einige Jahre das Leben schenckt dafür sorgen, daß weder die wenigen Schulden, welche Wir als Erbprinz würckten, noch diejenigen, welche Wir von Unsers Herrn Vaters und Frau Mutter Gnaden, übernommen haben, noch endlich diejenigen, welche zu Befriedigung alter Cammer-Gläubiger nöthig waren, auf Unsere Nachfolger übergehen können, weil zu Zahlung derselben bestimmte Fonds bereits angewiesen und schon sehr viele davon bezahlt sind. III. Damit aber nicht unter dem Vorwande des allgemeinen Landes-Besten oder der Erhöhung der Landes-Einkünfte für die Zukunft Schulden gewürckt werden können, die nichts weniger als diesen Zweck haben, sondern vielmehr zur Befriedigung der Privat-Neigung des regierenden Landesherrn bestimmt sind; so soll von nun an kein Schuld-Document und keine Schuld,

556

Textanhang

sie mag Nahmen haben, wie sie will, mit Ausnahme derjenigen, welche im vorhergehenden §pho aufgeführet sind, als für den Nachfolger, gültig und zahlbar angesehen werden, wenn nicht von unserer Landes-Regierung das Zeugniß, bekräftigt durch das Regierungs-Innsiegel und die Namens-Unterschrift sämmtlicher Regierungs-Mitglieder, darunter steht: daß sie würklich zum Besten des Landes verwendet worden ist. Alle Schuld-Documente und Schuldforderungen, welche dieses Zeugniß nicht haben, sind von dem Nachfolger als unverbindlich und Zahlungsunfähig zu verwerfen. IV. Damit aber auch Unsere Landes-Regierung nie und zu keiner Zeit sich gegen den Landesherrn, welcher etwa Schulden zu seinem Privat-Gebrauch, oder Vergnügen würken wollte, mit Ausstellung obigen Zeugnisses nachgiebig erzeigen könne; so soll jedes Mitglied der Landes-Regierung in seinem Dienst-Eyde dahin ausdrücklich mit verpflichtet werden, nie in Schulden zu willigen, welche zu einem anderen Zwecke als dem des allgemeinen Landes-Besten und zu Erhöhung der Staats-Einkünfte gemacht worden sind. Ließe sich zu irgend einer Zeit die Landes-Regierung beigehen, einem regierenden Landesherrn ein Zeugniß auszustellen, welches diesen Grundsätzen nicht gemäß wäre, und sie könnte von dem Nachfolger davon überwiesen werden; so sollen außer der Strafe der Cassation, alle Mitglieder, oder wenn sie nicht mehr leben, deren Erben, für die auf diese Art gesezwidrig gemachte Schuld auf immer haften, und die Regierungs-Mitglieder sollen beym Antritte ihres Amtes sich dazu ausdrücklich mit verbindlich machen. V. Damit aber Unsere Landes-Regierung sich in vorkommenden Fällen und wenn neue Schulden contrahirt werden sollen, sich immer gründlich und hinlänglich überzeugen könne, daß die Schuld zu des Landes Besten, zu Ankaufung von Gütern und zu Vermehrung der LandesEinkünfte nothwendig sey, um dann um so gewissenhafter das Zeugniß darüber den Gläubigern auszustellen; so soll der regierende Landesherr jedesmal, wenn er eine neue Schuld für nothwendig hält, die Regierung umständlich mit den Ursachen und dem Zwecke derselben bekannt machen, und ihr gründliches und gewissenhaftes Gutachten darüber hören, und wenn dieses nicht beifällig ist, nicht weiter in sie dringen. VI. Unserer Landes-Regierung aber machen Wir dabey zur Pflicht, bey Behandlung eines solchen Gegenstandes mit der größten Vorsicht, aber auch mit der nothwendigen Gründlichkeit zu Werke zu gehen und das Zeugniß durch unnöthige Subtilitäten alsdann nicht zu erschweren, wenn zwar der Vortheil der gewürkten Schuld nicht gleich in den ersten Jahren sichtbar, aber doch zu erwarten ist, daß dadurch für die Zukunft dem Lande ein bleibender Nutzen geschafft werde. VII. Sollte es einem unter Unseren Nachfolgern gefallen, die Regierung zu Ausstellung eines diesem Haußgesetze entgegen laufenden Zeugnißes zwingen zu wollen; So soll die Regierung eingedenk ihres theuern Eydes Anfangs bescheidene Vorstellungen dagegen machen,

Textanhang

557

und wenn diese fruchtlos sind, ihren Rekurs an das Reichs-Oberhaupt nehmen und daselbst Hülfe suchen. VIII. Von diesen in den §. III. IV. V. VI. VII. aufgetragenen Bestimmungen ist aber Unsere errichtete Leyhbank, vermöge ihrer ganz eigenen Organisation und da der Fond derselben unveräußerlich ist, als Fideicommiss feststeht und nie angegriffen werden darf, gänzlich ausgenommen. Sie besorgt ihre Geschäfte nach besondern in dem Organisations-Patente derselben enthaltenen Gesetzen, und darf ohnedem keine Schulden machen, welche dem Bank-Fond nicht angemessen sind. IX. Sollte aber irgend einer Unserer Nachfolger den Fond dieser von Uns errichteten Bank über lang oder kurz angreifen und dadurch die aufgestellten Bankgesetze verletzen wollen; So soll die Bank-Direction und der Banquier davon Unserer Landes-Regierung ungesäumt Nachricht geben und die Bank-Direction und die Landes-Regierung sind gemeinschaftlich zu Aufrechterhaltung des öffentlichen Credits verpflichtet, gegen dieses Ansinnen oder diesen Landesherrlichen Eingriff Anfangs bescheidene Vorstellungen zu machen, wenn aber diese fruchtlos sind, dem Publikum die Größe der Verminderung sogleich in öffentlichen Blättern anzuzeigen, damit dasselbe sein Intereße dabey wahren könne. X. Alle Etats-Ueberschüsse, welche sich von nun an nach den gemachten Ersparungen und nach einer zweckmäsig eingerichteten Administration ergeben müssen, sollen ausschließlich zu Bezahlung der vorhandenen Schulden an Unsere Bank bezahlt werden, der Wir das Schulden-Tilgungswesen übertragen haben, und es soll sich kein regierender Herr einer andern Disposition darüber anmaßen, als zu diesem bestimmten Zwecke und zu Erhöhung der Landes-Einkünfte, Ankaufung von Güthern und zum allgemeinen Landes-Besten, auch auf den Fall, wenn sämmtliche Schulden bezahlt sind. XI. Um Unser Hauß und Unser Land auch vor unvorhergesehenen Unglücks-Fällen und ungünstigen Ereignissen sicher zu stellen; so haben Wir die Einleitung getroffen, daß von einem Theile Unserer jährlichen Etats-Ueberschüsse, so weit es nach den vorhergehenden §phen möglich ist, nach und nach ein eiserner Fond von Z we y m a l h u n d e r t Ta u s e n d G u l d e n R h e i n l . gesammelt werden soll. Auch diese Summe soll die Qualität eines Fideicommisses haben, und keinem Unserer Nachfolger soll es erlaubt seyn, darüber nach Willkühr zu disponiren, sondern es soll nur dann angegriffen werden können, wenn es das Landes-Beste unbedingt erfordert, wenn Unserm Hauße ein bleibender Nutzen damit geschaft werden kann, und wenn die Staats-Leyhbank einzelne Vorschüsse, welche aber von daher, immer wieder erstattet werden müssen, zu ihren Geschäften braucht. Es muß aber aus den Etats-Ueberschüssen das Fehlende an der Summe der 200.000 fl. Rhnl., nach und nach wieder ergänzt, und diese Summe immer vollzählig erhalten werden.

558

Textanhang XII.

Der Beschluß dieses eisernen Fonds von 200.000 fl. Rheinl. ist dem jedesmaligen dirigirenden Minister und dem Präsidenten der Landes-Regierung anvertraut. Er kann nur gemeinschaftlich geöfnet werden, und ieder von diesen Dienern hat dazu einen verschiedenen Schlüssel. XIII. Werden Rittergüther heimfällig; So sollen dieselben blos das Fideicommiss Unserer Lande vermehren, und dem regierenden Herrn steht es unter keinem Vorwande frey, darüber nach Eigenthums-Recht zu disponiren, sondern sie müssen den Aemtern und in Hinsicht auf die Einkünfte den Amts-Einnahmen auf immer incorporirt werden. Veräußerung derselben findet gar nicht statt. Wäre es aber zweckmäsig die Hofbaustücke und die Oekonomie davon zu veräußern; so soll es dennoch nur in der Maase geschehen, daß die veräusserten Grundstücke mit Verhältnißmäsigen Grundzinnsen belegt, handlohnbar gemacht und das daraus gelöste Kaufgeld zu Ankaufung anderer Güther oder Zehenden oder Waldungen verwendet werden. Denn auch dieses Kaufgeld bleibt fideicommiss und wenn Unsere Landes-Regierung wahrnimmt, daß damit dem Hauß-Gesezze gemäß, nicht umgegangen wird; so soll sie die Befugniß haben, das Kaufgeld so lange ad depositum zu nehmen, bis sich eine schickliche Gelegenheit findet, es nuzbar auf Grundstücke anzulegen. Auch diejenigen Güther, welche während der Regierungszeit eines hiesigen Fürsten gekauft worden sind, werden fideicommiss und müssen dem Lande incorporirt werden. Zerschlagungen schon vorhandener CammerGüther und Domainen sind nur in so weit zulässig, als das daraus erlößte Geld zu Abtragung von Schulden, oder zu Anstalten verwendet wird, wodurch die Einkünfte des Landes erhöht werden. XIV. Schließlich wollen Wir, daß diese Bestimmungen als ein immerwährendes Haußgesez gelten und von keinem Unserer Nachfolger dagegen gehandelt werde, und damit dieses um so weniger statt habe; so haben Wir dasselbe nicht nur eigenhändig vollzogen, sondern auch von Unsers Herrn Oncle Friedrich, Herrn Bruders Ludwig, und Herrn Erbprinzen Ernst Liebden, Liebden, Liebden eigenhändig vollziehen lassen, und wollen, daß alle appanagirten Prinzen sich zur Aufrechterhaltung dieses Gesezes, nachdem sie das Achtzehende Jahr zurückgelegt haben, und volljährig geworden sind, durch einen eydlichen Revers verbindlich machen. Auch soll diese Anordnung in öffentlichen Zeitungen zur Sicherheit des Publikums bekannt gemacht und die Bestätigung derselben bey Sr. Maiestät dem Kaiser nachgesucht werden. Coburg den 1. April 1802.

Textanhang

559

3. Organisationspatent vom 1. Mai 1802 (StACo Min F 240 fol. 178 – 184) Wir Franz, von GOTTes Gnaden Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Marggraf zu Meissen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein pp. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß bisher die Regierungs-Geschäfte nicht mit derjenigen Zweckmäsigkeit behandelt worden sind, wie sie hätten behandelt werden sollen, daß die Landes-Polizey in mehreren Zweigen gelehmt und ohne Unterstüzung war, daß die Justiz nicht den raschen Gang gieng, der ihr eigen seyn muß, daß die Finanzen ohne vollkommene Uebersicht des Ganzen und ohne genaue Kenntniß ihrer Quellen verwaltet worden sind, daß das Militär-Wesen, vorzüglich die Kriegsfrohnen und Einquartierungen auf eine Art behandelt wurde, wodurch ungleiche Belästigungen von mehreren Seiten unvermeidlich waren, daß es im Ganzen an einem Centralpunct fehlte, von wo aus sämmtliche Regierungs-Geschäfte mit gleicher Sorgfalt betrieben werden müßen. Diese Erfahrung hat Uns veranlaßt, Unsern verschiedenen Landes-Collegien eine bessere und zweckmäsigere Organisation zu geben die Geschäfte zu vereinfachen und die bisher bestandenen mannigfaltigen Ressorte zu vereinigen. Nach dieser Organisation sind 1.) die zeitherigen Collegien der Regierung, des Consistorii und der Cammer, dann die verschiedenen Deputationen, nemlich die Zuchthauß- und Waisenhauß-Deputation, die PolizeiCommißion, die Rechnungs-Commißion u.s.w. aufgehoben worden, und sie vereinigen sich in ein Collegium, unter dem Namen Landes-Regierung, welche aller Verfügungen in Unsern höchsten Namen erläßt und Repräsentativen Character hat, und an welche alle Eingaben in der nemlichen Form gelangen müßen, wie sie an Uns unmittelbar eingegeben werden. 2.) Damit aber die Verwaltung der Civil- und Criminal-Justiz mit den übrigen Zweigen Unserer Regierungsgeschäfte nie in Collision kommen und um so unpartheyischer geschehen könne; so haben Wir bey Unserer Landes-Regierung eine eigene Justiz-Deputation unter dem Vorsitze Unsers Canzlers errichtet, welche in eigenen von dem Pleno abgesonderten Seßionen sämmtliche vorkommende streitige Rechtssachen durch eigends dazu verpflichtete und auf die Justiz besonders vereydete Rechtsgelehrte verhandelt und entscheidet; so daß dabey die übrigen auf die Justiz nicht vereydete Mitglieder der Landes-Regierung keine Stimme haben. §. 3.) Die Bestimmung Unserer Landes-Regierung und der damit verbundenen Justiz-Deputation ist: a.) die Landes-Polizey nach richtigen Maximen zu verwalten, allgemeine Sicherheit im Lande aufrecht zu erhalten, für die Gesundheit und eine moralische Erziehung Unserer getreuen Unterthanen allenthalben durch Anwendung der zweckmäsigsten Mittel Sorge zu tragen, die Bevölkerung zu befördern, auf Verbeßerung der Sitten hinzuwürcken, den

560

Textanhang

Gewerbfleiß zu beleben und ihm neue Quellen zu verschaffen, der Theurung der unentbehrlichsten Lebensmittel entgegen zu würcken und Anstalten zu treffen, daß höchstmögliche Wohlfeilheit derselben statt finde, den Handwerckern in den Städten und ihrer Nahrung aufzuhelfen, den Landbau zu vervollkommen, den Handel zu befördern und so im Ganzen für das Beste und die Wohlfarth Unserer getreuen Unterthanen nach allen Kräften zu sorgen. b.) den ihrer Gerichtsbarkeit unmittelbar unterworfenen Personen und in den an sie gewiesenen Sachen unpartheyische Justiz zu administriren, die Aufsicht über über sämmtliche Untergerichte zu führen auf eine ordnungsmäsige Rechtspflege zu halten und um sich davon zu versichern, fleißig Justizvisitationen bey den Untergerichten anzustellen, dagegen die Mißbräuche derselben, wenn sie entweder auf dem Wege der Appellation, oder des blosen Rekurses an sie gelangen, zu untersuchen und denselben, wenn die Beschwerden gegründet sind, abzuhelfen, die ihr besonders angewiesenen Geschäfte in Vormundschafts-, Hypotheken- und andern zu nicht streitiger Gerichtsbarkeit gehörigen Angelegenheiten zu leiten und zu betreiben. c.) die Landes-Religion zu schützen und darauf zu sehen, daß bey Ausübung derselben von den Religions-Lehrern keine solche Neuerungen eingeführt werden, welche von der Religionsgesellschaft nicht entweder stillschweigend oder ausdrücklich genehmigt sind. Denn so wenig Wir den Gewißenszwang lieben, so wenig können Wir gestatten, daß irgendeiner Unserer getreuen Unterthanen in seinen religiösen Meynungen gewaltsam gestört werde. d.) die Finanzen des Landes getreulich zu verwalten und zu verrechnen, dabey aber immer das Wohl Unserer getreuen Unterthanen vor Augen zu haben, und nur diejenigen Abgaben zu begünstigen, welche unmittelbar mit jenen bestehen können, für schnelle Einbringung der Gefälle Sorge zu tragen, sich aber dabey aller Eigenmacht zu enthalten. Begünstigungen und Bevortheilungen abzustellen und dahin zu würcken, daß jeder Unterthan in Unsern Landen so viel möglich nach gleichen Maasstabe zu Bestreitung der Landesabgaben beitrage, für Abzahlung der Landesschulden thätig zu seyn, und eifrigst sich zu bemühen, daß keine neuen gewürckt werden, eben deswegen aber sich der strengsten Oekonomie zu befleißigen, unnöthige Ausgaben zu vermeiden, und dahin zu sehen, daß die Staats-Bedürfniße ohne neue Auflagen bestritten werden können. e.) Die Angelegenheiten der Militär-Einquartirungen, der Kriegsfuhren und des Proviantwesens so zu leiten, daß alle Vergünstigungen und Prägravationen vermieden werden. §. 4.) Damit aber Unsere Landes-Regierung im Stande seyn möge ihren Pflichten und Verrichtungen nachzukommen; so befehlen Wir jedermann ohne Ausnahme den Verordnungen und Verfügungen des ihm vorgesetzten Landes-Collegiums in den zu dessen Amte gehörigen Angelegenheiten, eben die willige promte und gehorsame Folge zu leisten, wozu er Uns selbst als Landes-Herrn verpflichtet ist; Wir wollen auch dieses Collegium bey der ihm ertheilten Macht und Ansehen nachdrücklich schüzzen und den gegen daßelbe bewiesenen Ungehorsam und Widersezlichkeit auf das strengste gestraft und geahndet wißen. Daher authorisiren Wir Unsere Landes-Regierung, den auf die Geseze und erhaltene Vorschriften gegründeten Verfügungen nöthigen Falls durch rechtliche Zwangsmittel, Gehorsam und Folge zu verschaffen, die Widerspenstigen durch den Fiscal zur Verantwortung ziehen zu laßen und mit den in den Gesetzen geordneten Strafen wider sie zu verfahren.

Textanhang

561

§. 5.) Damit aber auch das Collegium die im anvertraute Macht und Gewalt nicht misbrauche; so soll es nicht allein unter beständiger ununterbrochener Aufsicht des Landesministerii stehen, sondern auch durch unvermuthete Visitationen von seinem Betragen bey Verrichtung seines Amtes zuverläßige Kenntnis eingezogen, und es soll auch den Partheyen mit ihren Beschwerden wider daßelbe das erforderliche Gehör nie versagt werden. §. 6.) Wenn Beschwerden der Partheyen gegen würckliche Urtheile oder mit derselben gleiche Kraft habende Resolutionen gerichtet sind; so müßen sie durch die in der Prozeßordnung vorgeschriebenen Rechtsmittel eingebracht werden. Betrift aber die Beschwerde irgend eine andere Verfügung, so muß sie, wenn sie gegen eine Unterbehörde erhoben wird, bey der Landesregierung, und wenn sie gegen diese gerichtet ist, bey dem Landesministerio angebracht werden. Und dann bleibt einem jedem, welcher sich bey den Verfügungen dieser obersten Landesstelle nicht beruhigen zu können glaubt, der Zutritt zu Unserer höchsten Person unverschloßen. §. 7.) Es muß aber ein jeder welcher dergleichen Beschwerden anbringen will die Sache deutlich der Wahrheit gemäs und mit gebührender Bescheidenheit vorbringen. §. 8.) Wer die vorgeschriebene Ordnung in Anbringung seiner Beschwerden nicht beobachtet, sondern mit Uebergehung der Landesregierung, das Landesministerium, oder mit Uebergehung des letztern Uns unmittelbar behelliget, oder seine Vorstellung nicht bescheiden einrichtet, der hat zu gewärtigen, daß er ohne weitere Verfügung sofort abgewiesen werde. §. 9.) Damit aber niemand über Mangel an Gelegenheit seine Gesuche oder Beschwerden gehörigen Orts anzubringen mit Grunde klagen darf; so machen Wir den Advocaten zur unbedingten Pflicht den Partheyen, welche sich über widerrechtliche Verfügungen und Bedrückungen der Ober- und Unterbehörden beschweren wollen; sobald sie nach mehrerer Prüfung des Anliegens die Beschwerde nicht ungegründet, widerrechtlich oder unerheblich finden, mit ihrem Rathe und Amte ohne alle Menschenfurcht und Ansehen der Person an die Hand zu gehn; Es muß auch bey der Landes-Regierung und dem Landesministerio die Veranstaltung getroffen werden, daß Leute vom gemeinen Stande welche sich des Beystands eines Advocaten aus Unvermögen nicht bedienen können, in den Canzleyen jemanden finden, bey dem sie ihre Gesuche oder Beschwerden mündlich zum Protokolle vortragen können, und müßen von den dazu ein für allemal bestellten Personen die Anträge solcher Partheyen unweigerlich und unentgeldlich aufgenommen werden. Wenn auch eine Parthey gegen die Landes-Regierung selbst Beschwerden hätte, und weder einen Advocaten zu deren schriftlichem Anbringen finden, noch eine der von Zeit zu Zeit bey diesem Collegio anzustellenden Visitationen abwarten könnte; so soll derselben freyste-

562

Textanhang

hen, sich bey dem Landesministerio zu melden und um Aufnehmung ihrer Beschwerden zum Protocolle zu bitten. §. 10.) Die Landes-Regierung muß die bey ihr gegen Unterbehörden angebrachten Beschwerden unweigerlich annehmen und sorgfältig prüfen, denenselben in so fern sie gegründet sind, mit Nachdruck abhelfen; wenn aber das Anbringen ungegründet befunden wird, den Supplicanten mit Glimpf, Mäßigung und Herablaßung zu seinen Fähigkeiten und Begriffen zu bedeuten und zurecht zu weisen, sich unermüdet angelegen seyn laßen. §. 11.) Beschwerden gegen Militär-Gerichte gehören an sich lediglich für das Landesministerium. §. 12.) Beschwerden welche nicht blos den Innhalt einer getroffenen Verfügung angehn, sondern zugleich persöhnliche Anschuldigungen wegen verletzter oder vernachläßigter Amtspflichten enthalten, sind entweder gegen einzelne Mitglieder oder Subalternen des Collegii oder sie sind gegen ein ganzes Collegium, oder den Chef desselben gerichtet. §. 13.) Beschwerden gegen einzelne Mitglieder und Subalternen der Landesregierung in Sachen, welche die Amtsführung desselben betreffen, müßen, der Regel nach, bey dem Chef des Collegii angebracht werden. §. 14.) Dieser muß dieselben allenfalls mit Zuziehung des Directoris oder vorsitzenden Raths genau und sorgfältig untersuchen, den Denuncianten oder Querulanten zum Protokolle umständlich hören, den denuncirten Rath, oder Subalternen über die Beschuldigung gleichergestalt zum Protokolle vernehmen, alle dabey vorkommenden Thatsachen oder Umstände genau erörtern; und hiernächst von der Sache, mit Beischluß des Protokolls und Beifügung seines Gutachtens an das Landesministerium pflichtmäßig berichten. §. 15.) Von diesem wird alsdann das weitere verfügt, und entweder der beschwerdeführende Theil beschieden, oder wenn aus dieser vorläufigen Untersuchung hinlängliche Anzeigen von wircklichen pflichtwidrigen Betragen gegen einen solchen Staatsbedienten hervorgehen, die förmliche Inquisition wider ihn nebst der etwa erforderlichen Suspension von seinem Amte, veranlaßt. §. 16.) Beschwerden in Amtssachen gegen das ganze Collegium oder deren Präsidenten müßen unmittelbar bey dem Landes-Ministerio zum Vortrage an Unsere höchste Person angebracht, und zugleich jedesmal gehörig bescheinigt werden.

Textanhang

563

§. 17.) Wenn bey diesen Untersuchungen sich geoffenbaret, daß ein solcher Staatsbedienter wirklich seine Pflicht vernachläßiget, oder aus den Augen gesezt, eine Ungerechtigkeit verübt, den Vorschriften der Gesetze und den Obliegenheiten seines Amtes zuwider gehandelt habe; so soll derselbe zuvörderst allen der Parthey dadurch verursachten Schaden sofort zu ersetzen, ohne proceßualische Weitläufigkeiten, mittelst Execution angehalten, auserdem aber mit den nach Beschaffenheit und Größe des Vergehens und der dabey zum Grunde liegenden Absicht, in den Criminalgesetzen bestimmten scharfen und unerläßlichen Strafen belegt werden. §. 18.) Wir wollen daher alle und jede höhere und niedere Staatsbedienten hierdurch ernstlich warnen, sich nach vorstehenden Anweisungen und Bedeutungen auf das genaueste zu achten; nicht nur für allen groben und vorsetzlichen Ungerechtigkeiten sich sorgfältig zu hüten, sondern auch bey Besorgung der ihnen aufgetragenen Amtsgeschäfte alle und iede Leidenschaften von sich entfernt seyn zu laßen; selbst den Schein der Partheylichkeit und Animositaet mit gewisssenhafter Aufmercksamkeit zu vermeiden, von keiner Parthey, welche bey dem Collegio einen Prozeß oder sonst etwas zu suchen hat, etwas an Gelde oder Geldeswerth, es habe Namen wie es wolle unter keinerley Vorwand weder selbst anzunehmen, noch durch angehörige Dienstboten, oder andere annehmen zu laßen, allen familiaeren Umgang und Verbindungen mit solchen Partheyen gänzlich zu vermeiden, und mit einem Worte, keine Rücksicht oder Betrachtung in der Welt, es sey Menschenfurcht, Vorurtheil des Ansehens, Freundschaft, Feindschaft, Haß, Neid, oder irgend sonst aus Leidenschaften, Privatintereße, oder andern Nebenabsichten herfliesende unlautere Bewegungsgründe sich von der genauen Beobachtung ihrer, Gott, dem Staate und der Gerechtigkeit so theuer angelobten Pflichten abwendig machen, oder zurückhalten zu laßen. §. 19.) Wenn ein Staatsbedienter überführt wird, von einer Parthey Geschencke angenommen zu haben; so soll dies allein schon hinreichend seyn, ihn zur Caßation und weitern Bestrafung zu qualifiziren; gesezt auch, daß er um dieser Geschencke willen, das Recht selbst gebeugt zu haben nicht überwiesen werden könnte. §. 20.) Wenn eine Parthey sich beikommen läßt, einem Staatsbedienten Geschenke zu versprechen, oder wirklich anzubieten, so soll ein solcher Staatsbedienter bey schwerer Verantwortung schuldig seyn, dergleichen Ansinnen dem Präsidenten oder Chef des Collegii sofort anzuzeigen; und dieser soll den Fiscal gegen einen solchen Menschen unverzüglich excitiren; damit derselbe dieses seines Unternehmens halber, zur gebührenden Verantwortung gezogen und nach Befinden der Umstände nachdrücklich bestraft werden möge. §. 21.) Wer durch Geschenke und Bestechungen bey den Behörden eine ungerechte Verfügung oder Erkenntniß erschlichen hat; ingleichen derjenige, welcher sich dazu auf irgend eine Art als Unterhändler gebrauchen laßen, soll zur Inquisition gezogen; und wenn er der Beschul-

564

Textanhang

digung überführt wird, ihm nicht allein in allen seinen künftigen gerichtlichen Verhandlungen alle Glaubwürdigkeit und alle Fähigkeit zur Ableistung eines nothwendigen oder Zeugeneides abgesprochen, sondern er soll auch noch über alles dieses an Leibe oder Gütern empfíndlich bestraft werden, und zwar 1.) wenn er einer Gerichtsperson Geschenke oder Vortheile anbot, um sich dieselbe in seinen Amtsangelegenheiten überhaupt geneigt zu machen, so soll er um den vierfachen Betrag des Angebotenen bestraft werden. 2.) wenn das Gebot zu einer gewissen bestimmten Angelegenheit geschah, so soll er eben so viel an Strafe erlegen, als der Vortheil beträgt, den er dadurch hat erlangen wollen und können. 3.) Läßt sich aber der angebotene Vortheil nicht im Gelde schätzen; so soll der Anbietende mit verhältnismäsiger Gefängnisstrafe angesehen werden. Uebrigens bleibt derselbe, wie es sich schon von selbst versteht, dem Gegentheile, wegen alles durch die bewirckte Ungerechtigkeit entstandenen Schadens mit dem strafbaren Staatsbedienten zugleich und in solidum verhaftet. §. 22.) So wie Wir aber sämmtlichen Unterthanen gegen alle unrechtmäsigen Bedrückungen und Beeinträchtigungen nachdrücklich Schutz verschaffen, und die dahin abzielenden Vergehungen aller und jeder Staatsbedienten mit Ernst und Strenge geahndet wissen wollen; so sind Wir jedoch auf der andern Seite eben so wenig gemeint, denjenigen, welche sich über die Verfügungen ihrer Obrigkeit ohne Grund und Ursach beschweren, und sich ihres Unrechts nicht bedeuten, oder belehren laßen, in ihrem Ungehorsam nachzusehen, oder wohl gar die Behörden den Verleumdungen boshafter, aufgebrachter und mißvergnügter Partheyen, Preis zu geben; vielmehr soll denselben gegen dergleichen ungegründete Beschuldigungen eben so nachdrücklicher Schutz widerfahren und Genugthuung verschaft werden. §. 23.) Da einem jeden sonach hinlängliche Gelegenheit angewiesen ist, seine Beschwerden und Gesuche auf eine gesez- und regelmäsige Art anzubringen; so haben diejenigen, welche davon keine Gebrauch machen, sondern dennoch zu Winckelschriftstellern und unbefugten Consulenten ihre Zuflucht nehmen, zu gewärtigen, daß auf ihre schriftlichen Vorstellungen, die von keinem Advokaten unterschrieben und legalisirt, oder nicht gehörig zu Protokoll gegeben sind, gar keine Rücksicht genommen, sondern ihnen dieselben ohne weitere Verfügung zurückgegeben werden. §. 24.) Diejenigen Partheyen welche sich der vorgeschriebenen Ordnung nicht unterwerfen, sondern entweder das Collegium und deren Vorgesezte mit offenbar grundlosen und widerrechtlichen Beschwerden gegen bessere Wissenschaft und Ueberzeugung belästigen, oder nachdem sie ihren Unrechts gehörig bedeutet worden, mit ihren Klagen dennoch fortfahren und durch wiederholtes ungestümmes Suppliciren, etwas, so gegen Recht und Ordnung ist, durchzusetzen und zu erzwingen suchen; oder sie endlich das Landesministerium, oder gar Unsere höchste Person mit falschen und unrichtigen Darstellungen ihrer Angelegenheiten, oder mit unwahren und erdichteten Beschuldigungen und Verunglimpfungen des Collegii und der Ge-

Textanhang

565

richte zu behelligen sich unterfangen, sollen als muthwillige oder boshafte Querulanten angesehen, ihnen der Prozeß gemacht, und über ihre Bestrafung rechtlich erkannt werden. §. 25.) Gegen eine solchen unbefugten Querulanten soll, nach Beschaffenheit der Umstände des mehr oder minder offenbaren Ungrunds seiner Beschwerden und des dabey erwiesenen Grades von Bosheit und Hartnäckigkeit Gefängniß- oder Zuchthaußstrafe von 14. Tagen bis zu 6. Monaten stattfinden. §. 26.) Personliche Anschuldigungen gegen Staats-Diener wegen verletzten oder vernachläßigten Amtspflichten, wenn sie bey gehöriger Untersuchung ungegründet befunden werden, sollen mit dem Doppelten, der Hälfte und dem Drittheil der auf die Injurie gesetzten Strafe angesehen werden, je nachdem die Injurien gegen einen der ersten Staats-Diener oder gegen Mitglieder der Landes-Collegii, oder gegen einen Unterbedienten gerichtet war. Die Strafe kann bis zu zweyjähriger Zuchthaußstrafe geschärft werden, wenn Justiz-Collegia und Bediente der Bestechung oder einer aus Animosität oder Privatleidenschaft vorsezlich begangenen Ungerechtigkeit ohne Grund beschuldigt werden. §. 27.) Wenn unruhige und unbedeutsame Partheyen sich an Winkelschriftsteller und Consulenten wenden, die sich auserhalb Landes an den Gränzen aufhalten, und denen daher durch die einländischen Gerichte unmittelbar nicht Einhalt geschehen kann; so soll die Landesregierung, wenn dergleichen Fälle zu ihrer Kenntniß gelangen, die auswärtige Behörde sofort requiriren, daß einem solchen Menschen aller fernere Verkehr dieser Art mit hiesigen Unterthanen ernstlich, und bey verhältnismäsiger Bestrafung untersagt; auch diese Strafe bey erfolgender Uebertretung des Verbots wirklich vollzogen werde. Geschieht dieser Requisition kein Genüge, so muß davon an das Landes-Ministerium zur weiteren Rücksprache mit den auswärtigen Behörden berichtet werden. Wäre aber auch auf diesem Wege dem fernern unbefugten Einmischen solcher fremden Consulenten in hiesige Rechtssachen nicht Einhalt zu thun, so hat die innländische Parthey, welche sich derselben bedient, schon dadurch allein verhältnismäsige Geld- oder Gefängnisstrafe verwirckt. §. 28.) Urkundlich haben Wir dieses Organisations-Patent eigenhändig vollzogen, mit Unserem größern Cabinets-Insiegel bedrucken und zu jedermanns Wissenschaft zum Druck befördern lassen. Coburg, den 1ten May 1802. Franz HzSCS.

566

Textanhang

4. Der erste coburgische Verfassungsentwurf vom 18. Januar 1804 (StACo LA F 258 fol. 8 – 52) Entwurf der Landschaftlichen Verfassung. Cap. I Von der Verfassung der Landschaft als Corporation §. 1 Landschaft Die Landschaft ist eine aus Ritterguthsbesitzern und Städten zusammengesetzte der Landeshoheit des Fürstenthums unterworfene Corporation, ohne deren in der Verfassung bestimmte Concurrenz einzelne bestimmte Hoheitsrechte nicht willkührlich vom Landesherrn ausgeübt werden können. §. 2 Ritterschaftliches Landstandschaftsrecht Das ritterschaftliche Landstandschafts-Recht haftet auf gewissen Gütern, welche theils Lehn, theils Allodien sind, und wer als Besitzer dieser Güther den Lehns- und Homagial-Eid geleistet hat, ist Mitglied der Ritterschaft, er sey übrigens adelichen oder bürgerlichen Standes; nur von denjenigen Rittergüthern kann das Landstandschaftsrecht nicht ausgeübt werden, welche in dem Besitz der Personen aus dem Bauernstande sind. §. 3 Städtisches Landstandschaftsrecht Das städtische Landschaftsrecht haftet auf den Städten Coburg, Neustadt an der Heide und Rodach, unter welchen Coburg den ersten Rang einnimmt. §. 4 Landtag Ein Coburgischer Landtag ist diejenige Landständische Zusammenkunft, wozu die sämtlichen ständischen Glieder des Fürstenthums ausdrücklich von dem Landesherrn berufen werden. Es ist keine feste Zeit bestimmt, binnen welcher er gehalten werden muß. Es hängt von dem Landesherrn ab, denselben, nach dem Verhältniße der Nothwendigkeit zu berufen, jedoch haben auch die Stände das Recht, auf der Berufung eines allgemeinen Landtags zu bestehen, wenn die Erledigung allgemeiner Landesgebrechen, die Einberufung sämtlicher Landstände nothwendig machen sollte, und diese Angelegenheiten nicht durch blose Vorstellungen, und Landesherrliche Resolutionen zu erledigen wären. §. 5 Mit Genehmigung des Landesherrn Ohne Landesherrliche Genehmigung und Vorwissen kan die Landschaft keine Versamlungen oder Convente halten.

Textanhang

567

§. 6 Einberufung Zu den Landtägen wird jedes Landständische Mitglied, mittelst eines Umlaufs, worin die Ursache des abzuhaltenden Landtags deutlich herausgesezt ist, einberufen. §. 7 Wer erscheinen kan. Von den bürgerlichen Ritterguthsbesitzern können nur diejenigen auf allgemeinen Landschaftlichen Versamlungen erscheinen, welche wirkliche Herzogl. Räthe sind. Die übrigen erscheinen durch Bevollmächtigte, welches ebenfalls solche Landstände seyn müssen, die das Recht des persönlichen Erscheinens haben. Auch Landtagsfähige Stände können durch Landtagsfähige Bevollmächtigte erscheinen. §. 8 Erscheinen der Städte Die Städte erscheinen durch den Chef des Magistrats bey der Residenzstadt Coburg, bey den übrigen Städten durch den Syndicus. §. 9 Anmelden der Stände Die erschienenen Landstände melden sich bey ihrer Ankunft bey dem Commissair, welchen der Landesherr besonders dazu beauftragt und übergeben denselben die ihnen ertheilten Vollmachten. §. 10 Es hängt vom Landesherrn ab, den Landtag entweder persönlich oder durch Commissairs abzuhalten. §. 11 Wenn der Landtag, wie gewöhnlich durch die beauftragte Landesregierung abgehalten wird; so werden die versammelten Stände, wenn sie vorher durch den Secretair des engern Ausschußes der Landesregierung von ihrem Beysammenseyn Nachricht gegeben haben, durch einen Regierungs-Secretair auf das Regierungs-Sessionszimmer eingeladen. Sie nehmen auf der linken Seite des Präsidenten in der Maaße Platz: 1) der Landschaftsdirector 2) die Ausschußmitglieder nach ihrem zeitherigen Rang 3) die adelichen Mitglieder der Ritterschaft nach ihrem Alter 4) die bürgerlichen Mitglieder nach dem Alter ihrer Patente. §. 12 Nach sachgemäßem Vortrag des Präsidenten wird den versammelten Ständen die Landtags-Proposition von dem Landesherrn eigenhändig vollzogen ausgehändigt und die Stände begeben sich hinweg, um ihre Berathschlagung über die Proposition anzufangen.

568

Textanhang §. 13

Nach vollendeten Landständ. Berathschlagungen wobey die Mehrheit der Stimmen entscheidet, und wo abwesende, welche gehörig vorgeladen sind und keine Vollmacht ertheilt haben nicht gezählt werden, wird der versammelten Landesregierung die ständische Präliminar-Schrift wenigstens sechs Tage nach Eröfnung des Landtags übergeben, und in derselben sind zugleich die ständischen Beschwerden und Wünsche gehörig und bescheiden auseinanderzusetzen. §. 14 Die von dem Landesherrn hierauf gefaßten Resolutionen werden den versammelten Ständen schriftlich zugefertigt. Die Stände übergeben dann ihre Hauptverwilligungsschrift, und von dem Landesregierung wird der Landtags-Abschied den versammelten Ständen unter eigenhändiger Unterschrift des Landesherrn zugefertigt, dann aber der Landtag aufgehoben. Während der Dauer des Landtags erhält jedes erschienene Landständische Mitglied vier Thaler täglich Diäten. §. 15 Der engere Auschuß ist ein beständiges mit unwiederruflicher Landesherrlicher Genehmigung aus drey Ritterschaftlichen Deputirten, wovon der erste den Namen Director führt und dreyen Städtischen Deputirten, bestehendes Collegium, welches die gesamte Landschaft vorstellt und deren Angelegenheiten besorgt. §. 16 Die Deputirten der Ritterschaft, wozu auch Herzogl. wirkliche Räthe genommen werden können, werden von sämtlichen Landständen der Ritterschaft und der Städte gewählt und dem Landesherrn zur Genehmigung vorgeschlagen. Der Landesherr kan die Genehmigung aus Gründen verweigern und die Landschaft muß dann anderweit wählen und anderweit vorschlagen. §. 17 Auch der Landschafts-Director wird von sämtlichen Ständen gewählt, dem Landesherrn vorgeschlagen und erhält, nach dessen Genehmigung, ein Landesherrliches Patent. Seine Besoldung bestehet in vierhundert Thalern, welche aus den Steuer-Einkünften bezahlt werden. Er darf aber nicht auserhalb Landes, sondern muß in der Stadt Coburg oder im Lande wohnen. §. 18 Der Director hat bey den Conventen des Ausschußes den Vorsitz. Er erbricht alle eingegangenen Sachen, präsentirt sie, macht an die übrigen Ausschußdeputirten den Vortrag, läßt darüber entweder mündlich in Conventen, oder schriftlich durch Umläufe abstimmen, die durch Mehrheit der Stimmen festgesetzte Entscheidung von dem Secretair entwerfen, befördert das Concept anderweit zur Unterschrift der Ausschuß-Mitglieder und sorgt für dessen Ausfertigung, welche ebenfalls von sämtlichen Auschuß-Mitgliedern unterschrieben werden muß.

Textanhang

569

§. 19 Ohne Genehmigung der Ausschußmitglieder durch Mehrheit der Stimmen kan der Director in Landschaftlichen Angelegenheiten nichts verbindlich verfügen. §. 20 Alles, was aber der engere Ausschuß im Namen der Landschaft verfügt, daran ist dieselbe in sofern gebunden, in so fern die Verfügung Angelegenheiten betrift, welche in der Verfassung schon bestimmt sind, oder wozu sämmtliche Landstände durch die Mehrheit der Stimmen ihre Einwilligung schon gegeben haben. §. 21 Sind die Stimmen der Landstände oder die Stimmen des Ausschußes über irgend eine Angelegenheit gleich, so muß sich über eine schickliche Art der Entscheidung vereinigt werden. Der Landschafts-Director hat auser der ihm zugehörigen einen Stimme keine entscheidende zweyte Stimme. Dem engern Ausschuß ist zwar nachgelassen, zur Behandlung der Landschaftlichen Angelegenheiten Convente zu halten, diese sind aber nur denn zur Ersparung der Kosten zulässig, wenn die Angelegenheit nicht durch eine schriftliche Umfrage berichtigt werden kan. §. 22 Während eines Landschaftlichen Convents erhalten die Landschaftlichen Deputirten aber während der Dauer des Convents täglich vier Thaler Diäten. §. 23 Der engere Auschuß ist schuldig, die von ihm und der Landschaft verhandelten Acten auf Erfordern der Landesregierung vorzulegen. §. 24 Er hat seine eigene Registratur welche zugleich mit von dem bey dem Auschuß angestellten Secretair versehen wird; auch ist ein Copist und ein Bote angestellt. Bey vorfallenden Conventen, werden die Sitzungen auf dem hiesigen Rathhause gehalten. Zu seinem Bedürfniß für Schreibmaterialien, Post- und Bothenlohn werden bestimmte Summen auf dem Etat der Haupt-Casse ausgeworfen. §. 25 Der engere Auschuß führt ein eigenes Siegel für seine Expedition: das Sächßische Wapen mit den Emblemen der Ritterschaft und des Gewerbfleißes, welches in der Verwahrung des Directors ist. §. 26 Die Landschaft kan nur dann einen Consulenten wählen und zuziehen, wenn sie Prozeße zu führen hat.

570

Textanhang §. 27

Alle Expeditionen, welche an die Landschaft in eigentlichen Landschaftlichen Angelegenheiten ergehen, werden von allen Behörden sportelfrey ausgefertigt. §. 28 Wenn die Landschaft entweder auf dem Landtag oder durch den Auschuß Beschwerden vorbringen will; so ist sie nur in sofern durch Landtagsabschied von 1613 dazu berechtigt, in so fern diese Beschwerden das ganze Land betreffen und der Landesherr ist verpflichtet in diesem Falle die Beschwerden von der Landschaft anzuhören und zu erledigen. Diejenigen Beschwerden, welche nur einzelne Rittergüther oder einzelne Stände zu haben glauben, dürfen aber durchaus nicht durch die Landschaft vorgebracht werden, sondern sie gehören vor die constituirten Landesbehörden wo das rechtliche Gehör darüber nie versagt werden soll. §. 29 Weder der Landschaft im allgemeinen, noch dem engern Auschuße steht eine Gerichtsbarkeit über ihre Mitglieder und über die Landschaftlichen Diener zu. Diese gebührt lediglich der Landesregierung, wo auch der Landschaftsdirector und die Landschaftlichen Diener in vorkommenden Fällen Urlaub suchen müßen. §. 30 Tritt der Fall ein, daß die Landschaft sich vermüssigt glaubte, gegen den Landesherrn und dessen nachgesetzte Collegien Klage zu führen; so können sie diese Klage gegen den ReichsAbschied von 1654 §. 180 und die neueste Wahlkapitulation Art. 19 §. 6. 7. nicht bey den Reichsgerichten anbringen, sondern sie ist nach dem Landtags-Abschied vom Jahr 1613 bey der Justiz-Deputation Unserer Landesregierung einzureichen. Diese muß in Hinsicht auf die Sache ihres Eides gegen Uns entlassen werden und hat die Pflicht, nach vollendetem Verfahren, die Acten an zwey Juristen-Facultäten wovon der Landesherr und die Landschaft jeder Theil besonders eine vorschlaegt zum Spruch zu versenden. Erfolgt das Urtheil gleichstimmig, so ist es ohne weiteres rechtskräftig; fallen die Urtheile verschieden aus, so muß jeder Theil noch in zwey Sätzen zu den Acten verfahren und nach geschlossenem Verfahren werden die Acten anderweit an ein drittes Spruchcollegium welches nach dem Vorschlag der Landesregierung und der Landschaft von dreyen durchs Loos entschieden wird versendet. Was hierauf erkant wird, erhält ohne weiteres die Rechtskraft. §. 31 Nur in den Fällen, wo von dem Landesherrn der Landschaft das rechtliche Gehör versagt wird, ist es unverwahrt, ihren Weg an die Reichsgerichte zu nehmen.

Textanhang

571

Cap. II Von dem Antheil, welcher der Landschaft bey der Ausübung einzelner Hoheitsrechte als Corpus, und den einzelnen Ständen als Guthsbesitzern oder Gemeinheiten zukommmen Tit. I Von der gesetzgebenden Gewalt §. 32 Das Recht der Gesetzgebung steht dem Landesherrn unstreitig zu und begreift das Recht, neue Gesetze zu geben, fremde einzuführen, die schon geltenden zu verändern, authentisch auszulegen und abzuschaffen. Sind die Gesetze von der Art, daß sie auf Aufhebung wohlerworbener Rechte der Landschaft als Landschaft abzwecken, oder eine Veränderung der Landschaftlichen Verfassung beabsichtigen; so können sie nicht anders, als mit ausdrücklicher Bewilligung der Landschaft erlassen werden. §. 33 Diejenigen Verordnungen, welche blos die Landesherrl. Domainen, Aemter und Einkünfte betreffen und blos auf die Landesherrl. Finanz-Verwaltung und deren einzelne Zweige Bezug haben, können von dem Landesherrn ohne Rücksprache mit den Ständen willkührlich erlassen werden. §. 34 Polizey- und Justiz-Gesetze, welche das ganze Land umfaßen, eine andauernde Norm enthalten, und bey deren Erlassung nicht Gefahr auf dem Verzug haftet auch an den Rechten der Landschaft nichts ändern werden dem engern Auschuß der Landschaft vor der Publication zum unzielsetzlichen Gutachten mitgetheilt. Es muß aber der Auschuß sein Gutachten ohne Nachsicht binnen sechs Wochen nach der Einhändigung bey Unserer Landesregierung einreichen und er muß mit solchen Mitgliedern besezt seyn, welche wissenschaftliche Bildung haben und das Gesetz beurtheilen können. §. 35 Wenn aber das Gutachten des engern Auschußes gegen die Bekantmachung des Gesetzes ist, und der Landesherr sich von den Gründen des Landschaftlichen Auschußes nicht überzeugen kan, so kan das Gesetz auch gegen das Gutachten des engern Auschußes publiciret werden. §. 36 Unter die Gesetzen in Polizey- und Justiz-Sachen, worüber der Landesherr das Gutachten des engern Auschusses zu hören sich verpflichtet, sind diejenigen Polizey- und Justiz-Anordnungen nicht zu begreifen, welche blos einzelne Gemeinheiten, einzelne Stände, und die Verhältniße einzelner Ortschaften betreffen.

572

Textanhang §. 37

Die Publication der Gesetze geschieht in jedem Orte durch diejenige Behörde, welche die Ortspolizey hat, wenn derselben das Gesetz unmittelbar durch die Landesregierung mitgetheilt ist. §. 38 Das Recht, Privilegien, Abolitionen und Dispensationen zu ertheilen steht dem Landesherrn ohne Concurrenz der Landstände zu; nur darf das Privilegium kein Monopol begreifen, wodurch der allgemeine Gewerbfleiß des Landes gehemmt wird. In der Dispensation darf keine Veranlassung zu einem öffentlichen Aergerniß liegen unfd die Abolition darf nicht so beschaffen seyn, daß dadurch zur Unsicherheit des Landes schwere Verbrechen unbestraft bleiben. §. 39 Ereigneten sich dergleichen Fälle, so hat der engere Ausschuß das Recht, dem Landesherrn bescheidene Vorstellungen deswegen zu machen, die Nachtheile für das Land auseinander zu setzen und wenn diese Vorstellungen nicht fruchten solten, auf rechtliches Gehör und Versendung der Acten an auswärtige unpartheyische Richter zu dringen. Wird das rechtliche Gehör versagt, so steht der Landschaft der Weg an die Reichsgerichte offen. §. 40 Uebrigens steht es dem Landesherrn frey, bereits gegebene Privilegien, wenn sie nicht fortdauernd sind, nach Befinden der Umstände zu ändern und aufzuheben.

Tit. II. Von der Polizey-Gewalt §. 41 Die Polizeygewalt steht dem Landesherrn, mit Ausnahme dessen, was oben von der Polizey-Gesetzgebung gesagt ist, ohne Concurrenz der Stände zu. Er hat Kraft derselben die Oberaufsicht über alle Gemeinheiten, Corporationen, Gesellschaften, Kirchen, Schulen und milden Stiftungen im Lande, und hat Kraft dieser Oberaufsicht das Recht über das Vermögen derselben zu wachen. §. 42 Der Landesregierung ist erlaubt die Capitalien der Corporationen, Gemeinheiten, Kirchen und milden Stiftungen gegen hinlängliche hypothecarische Sicherheit bey den Landesherrlichen Cassen anzulegen und diese haben vor den Privatpersonen beym Ausleyhen der Capitalien den Vorzug. §. 43 Die Landstände als Guthsbesitzer und Gemeinheiten und deren Gerichte sind so wie die Städte unbedingt verpflichtet, den Landespolizey-Verordnungen, welche von der Landesregierung ausgehen, bey Vermeidung fiscalischer Ahndung Folge zu leisten.

Textanhang

573

§. 44 Die Anstellung öffentlicher Staatsdiener ist ausschließlich dem Landesherrn überlassen, er darf aber dabey nicht blos nach Neigung handeln, sondern muß auf die Tauglichkeit des Subjects für die zu ertheilende Staatsbedienung sehen, und bey gleichen Kenntnißen dem Innlaender vor dem Auslaender den Vorzug geben. §. 45 Dienstverkäufe sind unbedingt ungültig, sie mögen bey geistlichen oder weltlichen Stellen vorkommen, und Wir ertheilen Unserer getreuen Landschaft das Recht, im Fall jemals ein Dienstverkauf zu ihrer Kenntniß kommen sollte, auf die Entfernung des Dienstkäufers aus der Dienststelle dringen zu dürfen. §. 46 Das Gymnasium zu Coburg mußte wegen seines Verfalls aus Unsern Cassen eine neue Stiftung erhalten, wenn dieses gemeinnützige Institut nicht ganz eingehen solte und daher kam es, daß das ehemalige Scholarchat nach der Casimirianischen Stiftung von selbst aufhörte. Wir können zwar nach der neuen Organisation des Gymnasiums Unserer Landschaft keine unmittelbare Concurrenz dabey gestatten; Wir wollen aber recht gern dem engern Landschaftlichen Ausschuße an jedem Ende eines Etatsjahres den Final-Abschluß der GymnasienCasse mittheilen lassen. Wir wollen ihm nachlassen, daß bey den öffentlichen Feierlichkeiten des Gymnasiums zwey Mitglieder des engern Ausschußes und der Polizeydirektor von Coburg als Deputirte erscheinen und von der fortschreitenden Bildung der Zöglinge sich überzeugen. Wir werden endlich von selbst darauf bedacht seyn, die annoch vorhandenen wenigen Capitalien des Gymnasiums mit der höchstmöglichen Sicherheit anzulegen. §. 47 Die Scheres-Zieritzische Stiftungs-Commission bleibt ganz in statu quo und Wir behalten Uns lediglich die Oberaufsicht über diese Stiftung vor. §. 48 Die Polizey-, Zuchthauß- und Waisenhauß-Commission ist als eine interimistische Commission bey Organisation Unserer Landes-Collegien gänzlich aufgehoben worden und Unsere Landschaft hat dabey um so weniger auf eine dauernde Concurrenz Anspruch, weil ehedem die Landschaftl. Mitglieder blos vermöge Landesherrlichen Auftrags dabey mitwirkten. §. 49 Da Wir bey Ausübung der Polizeygewalt lediglich die höchstmögliche Cultur der Landesbewohner vor Augen haben und nur die möglichst sichere Erreichung dieses Zwecks, mit Entfernung aller Nebenabsichten, wünschen; so wollen Wir auch, daß für die Zukunft alle kleinliche Irrungen und Streitigkeiten zwischen den Staedten, den einzelnen Guthsbesitzern und deren Gerichten mit Unsern Ämtern über die Ausübung der Polizey entfernt werden. Wir wollen daher nicht nur den Städten, welche die Orts-Polizey noch nicht in ihrem ganzem Umfange verliehen ist, sondern auch den Ritterguthsbesitzern, welche die Dorfs- und Gemeindeherrschaft hergebracht haben, nicht nur in ihren geschloßenen Ritterguthsbezirken

574

Textanhang

in einem erweiterten Umfang des Begriffs diese Orts-Polizey-Ausübung gestatten, sondern Wir wollen auch daß über solche vermischte Orte, wo theils Amtslehne, theils Ritterguthslehne und Untersassen sich befinden, die grösere Zahl wegen der Polizey-Ausübung in der Maaße entscheide, daß über vermischte Orte, welche einem Ritterguthsbesitzer zum größten Theil gehören und worüber Uns ausschließlich oder in Gemeinschaft mit dem Guthsherrn die Dorfs- und Gemeindeherrschaft bisher zustand, künftig dieselbe und die Ausübung der Ortspolizey überhaupt allein überlassen werden soll. Dagegen wird in solche Orte, welche Uns zum grösern Theil zugehören, die Dorfs- und Gemeindeherrschaft und die Orts-Polizey überhaupt von Unsern Ämtern nach wie vor ausgeübt. §. 50 Da aber alle Polizeybehörden im Lande sich zu gleichen Zwecken vereinigen müssen, so stehen sie sämtlich unter Unserer Landesregierung und müssen derselben unbedingte Folge leisten. §. 51 Die den Städten und Riterguthsbesizzern gestattete Polizey-Ausübung umfaßt alle Gegenstände der Polizey in Rücksicht ihrer örtlichen Anordnung, und zwar: 1) Gebote und Verbote in Dorfs- und Gemeinde-Sachen, oder Verordnungen und Verfügungen, welche die Stadt- und Dorf-Polizey, und das Gemeindewesen betreffen, in wiefern sie nach schon bestehenden Gesetzen erlaßen werden. 2) Die Publication Landesherrlicher Verordnungen. 3) Die Besetzung der polizeylichen und Gemeinde-Aemter in der Maaße, daß die dazu ausersehenen Personen der Landesregierung angezeigt und nach deren erfolgter Genehmigung von der Unterpolizeybehörde des Orts verpflichtet und bestellt werden. 4) Aufsicht über die Benutzung der Gemeindehölzer, über die Dorfs- und Markungsgränzen, deren Erhaltung und Berichtigung, Unterhaltung der Wege, Stege und Zäune. 5) Aufsicht über das Medicinal-Wesen, Märkte, Wirthshäuser, Schenken, Mühlen, Maaß und Gewicht. 6) Feuerpolizey des Orts und Feuerschau. 7) Abhaltung und Entfernung der Bettler, Vagabunden und liederlichen Gesindels. 8) Aufsicht über das Gemeinde-Vermögen und Rechnungswesen. 9) Aufsicht über Huthen, Triften und Gemeindeplätze. 10) Mitwirkung und Aufsicht bey Einquartierungen und Märschen unter der Direction des Herzogl. Marsch-Commissairs. 11) Ausschreibung der Gemeinde-Frohnen. 12) Regulirung der Gemeinde-Anlagen zur Bestreitung des gemeinen Aufwands. 13) Handhabung der Stadt-Polizey, Dorfs- und Gemeinde-Ordnung. 14) Aufsicht bey Kirchweihen und andern Volksfesten. 15) Aufnahme der Bürger und Schutzverwandten, insofern hierbey nicht die Lehnsgerichtsbarkeit concurrirt. 16) Aufsicht über Errichtung der Tropfhäußer ebenfalls unter der Verbindlichkeit der jedesmaligen Berichtserstattung an die Landesregierung und deren einzuhohlenden Genehmigung. 17) Aufsicht über Bauten mit der Verbindlichkeit der Berichtserstattung.

Textanhang

575

18) Die Concessionen zu Krämereyen, Brauereyen, Brandweinbrennereyen, Wirthshäuser und Schankstätten werden von dem Landesherrn ertheilt, aber der Ortspolizeybehörde steht die Aufsicht über die Concessionirten zu. 19) Das Recht Innungen zu ertheilen steht lediglich dem Landesherrn zu, aber die Aufsicht über die Handwerke des Orts, so wie die Verhinderung der Pfuschereyen ist Sache der Ortspolizey-Behörde, jedoch, wie sich von selbst versteht, alles unter der Oberaufsicht der Landesregierung. Tit. III Von der Justiz-Gewalt §. 52 Der Landesherr ist die Quelle der Gerichtsbarkeit, er kan aber dieselbe nicht selbst ausüben, sondern muß deshalb eigne Ober- und Unter-Justizbehörden constituiren. CabinetsJustiz ist für immer unerlaubt. Die Landesherrschaft kann weder selbst, noch durch ihre Collegien bey den Landesgerichten, in der Justiz Aufenthalt machen. So sehr es ihre Pflicht ist, die Justiz zu befördern; so wenig darf sie die constituirten Justizbehörden durch besondere Befehle belästigen, oder gar ihnen vorschreiben, wie sie sprechen sollen. Erfolgen dergleichen Cabinets-Befehle, so sollen sie als erschlichen angesehen werden und die Sache ihren rechtlichen Lauf behalten. §. 53 Werden Beschwerden bey der Landesherrschaft gegen die Justizbehörden angebracht; so sollen zwar dieselben genau untersucht der Sache selbst aber kein Aufenthalt gegeben werden. §. 54 Zur Vertheidigung seines Rechts ist es jedem Landeseingesessenen erlaubt, selbst gegen die Landesherrlichen Fiscale auswärtige Sachwalter zu gebrauchen und auch die einheimischen sollen auf keine Art gehindert werden, den Eingesessenen in ihren Angelegenheiten zu dienen. §. 55 Da Unsere Absicht lediglich auf schnelle und unpartheyische Justizpflege gerichtet ist, so müssen Uns die häufigen Differenzen zwischen Unsern Aemtern und den Vasallen-Gerichten auch Magistraeten und Stadtraethen höchst unangenehm seyn und es ist Uns zu deren Abstellung daran gelegen, daß die Ressortverhältnisse genau bestimmt werden mögen. Eingriffe Unserer Justizbehörden in die Rechte der Patrimonialgerichtsbarkeit werden Wir durchaus nicht mehr gestatten, Wir wollen vielmehr Unsere Landstände durch mehrere Ausdehnung ihrer zeitherigen Gerichtsbarkeit noch besonders begnadigen. §. 56 Die Untergerichtsbarkeit soll künftig ale Civil-Sachen der Gerichtsuntersassen umfassen und der Unterschied zwischen Vogteyen und Gerichten aufhören. Alle Untergerichtsstellen der Ritterguthsbesitzer werden: Patrimonial-Gerichte genannt und diejenigen Ritterguthsbesitzer und Staedte, welche bisher noch keine vollständige Civil- und Criminalgerichtsbarkeit hatten, wollen Wir dieselbe wenn sie darum nachsuchen verleihen.

576

Textanhang

Die Criminal-Gerichtsbarkeit kann aber nur den Guthsbesizzern auf diejenigen Orte ertheilt werden, wo sie die Polizey haben, dann erstreckt sie sich aber auch über alle Einwohner ohne Rücksicht auf Lehnsverhältniße. §. 57 Uebrigens versteht es sich von selbst, daß alle Patrimonial-Gerichte überal sich pünktlich nach den Landes-Gesetzen richten, die Gerichtsbarkeit nur innerhalb Landes ausüben dürfen und unter der Oberaufsicht der Justizdeputation Unserer Landesregierung und deren Revision und Visitation stehen. §. 58 Die Civil-Patrimonial-Gerichtsbarkeit umfaßt auser den Civil-Sachen auch kleinere Vergehen, weshalb nicht über eintägiges Gefängniß oder über eine Geldstrafe von drey Gulden frk. erkant werden kan. In Civilsachen kan das Landesherrl. Justizamt keinen Gerichts-Untersassen eines Vasallen unmittelbar citiren, sondern die Patrimonialgerichte müssen um die Sistirung desselben ersucht werden. §. 59 Eben das gilt in Criminal-Sachen wo wenn es auf Abhörung eines Zeugen ankomt, der unter Patrimonial-Gerichten stehet, das Amt vor dem die eigentliche Untersuchung anhängig ist, um Sistirung desselben requiriren muß, die von dem Patrimonialgericht nicht verweigert werden darf. Zwischen dem Justiz-Amt und den mit Criminalgerichtsbarkeit versehenen Gerichten entscheidet bey einer anzugehenden Untersuchung das forum delicti, und sowohl die Behörde des Wohnorts als die der Ergreifung des Verbrechers ist verbunden denselben an das forum delicti auszuliefern. §. 60 Wenn bey einem Ritterguthe oder einer Stadt blos die Civilgerichtsbarkeit ist, und die Criminalgerichtsbarkeit Unserm Justizamt zustehet, so ist gleichwohl das Civilgericht befugt, den Angeschuldigten zur Haft zu bringen, und ihn summarisch zu vernehmen, jedoch verbunden, ihn auf Verlangen sofort, oder auserdem längstens nach zwey Tagen freywillig an das Justizamt, gegen Bezahlung der Atzungs- und anderer Kosten mit dem Protocoll abzuliefern. §. 61 Unsere Landesherrl. Collegien und die von denselben bestellten Commissarien citiren in allen Fällen unmittelbar und geben dem Patrimonial-Gericht nur Kenntniß davon. Wir wollen aber streng darüber halten, daß unter der Form einer Commission, die Rechte der Landstände nicht beeinträchtigt werden und perpetuirliche Aemter-Commissionen sollen gar nicht statt finden. §. 62 Amtsunterthanen werden in Civil-Sachen nicht vor die Vasallengerichte gestellt, sondern die Vernehmung derselben geschieht auf Requisition der Gerichte vor dem Amt. In CriminalSachen aber werden auch Amtsunterthanen zur Vernehmung vor den Gerichten, auf vorgängige Requisition von dem Amt gestellt.

Textanhang

577

§. 63 Komt es in Criminal-Sachen auf die Ladung eines Mitbeschuldigten an, welcher unter die Criminalgerichtsbarkeit eines Patrimonial-Gerichts oder des Justizamts sich befindet; so muß derselbe auf vorherige Requisition unweigerlich ausgeliefert werden. §. 64 Ist die Sache bey dem Justizamte in diesem Falle anhängig und der Angeschuldigte sizt unter einem Patrimonial-Gericht ohne Criminal-Gerichtsbarkeit; so findet an dieses keine Requisition, sondern blose Anzeige statt. Ist aber die Sache an einem mit Criminal-Gerichtsbarkeit versehenen Patrimonial-Gericht anhängig und der Mitschuldige sizt unter der Gerichtsbarkeit des Justiz-Amts oder eines Patrimonial-Gerichts; so soll auch nicht requirirt werden. §. 65 Vor Einsendung der Criminal-Urtheile durch die Patrimonial-Gerichte an die LandesRegierung, dürfen dieselben nicht publicirt werden, und überhaupt sind die PatrimonialGerichte in Criminal-Sachen an die Leitung der Landes-Regierung als Justizdeputation gebunden. §. 66 Unsere Aemter und Gerichtsstellen sind schuldig auf Requisition und gegen Erlegung der gesezlichen Schließ-, Siz- und Azungs-Gelder die Angeschuldigten von den PatrimonialGerichten aufzunehmen und in gute Verwahrung halten zu laßen, wodurch jedoch die Patrimonial-Gerichts-Berechtigten die Verbindlichkeit für eigne Gefängniße zu sorgen um so weniger enthoben werden da ihnen der Vortheil der Gerichtsbarkeit überlaßen bleibt. §. 67 Wo die Patrimonial-Gerichte die Orts-Polizey haben, haben sie auch die Polizey-Gerichtsbarkeit. Geld-Strafen über 3 fl. frk. und Gefängnis-Strafen über einen Tag koennen aber nur mit Genehmigung Unserer Landes-Regierung erkannt werden. §. 68 Alle Ritterguthsbesitzer sind schriftsäßig und stehen unmittelbar unter Unserer Landesregierung. §. 69 Hat die Guthsherrschaft Klagen wider einzelne Gerichts-Eingesessene oder wider die ganze Gemeinde die aus lauter Gerichtseingesessenen besteht anzubringen; so geschieht solches vor den Ritterguthsgerichten. §. 70 Die Gerichtshalter wählen die Ritterguthsbesitzer, aus den bey Unserer Landesregierung examinirten und immatriculirten Advocaten, der gewählte Gerichtshalter muß aber Unserer Landesregierung präsentirt und die Bestätigung derselben eingehohlt werden, die nur aus triftigen Gründen verweigert werden kan.

578

Textanhang §. 71

Die Gerichtsbarkeit auf den Land- und Heerstraßen hat Unser Justizamt; auf den Communicationswegen von einem Orte zum andern oder auf den sogenanten Feldwegen steht die Gerichtsbarkeit entweder dem Ritterguthsbesitzer oder der Stadt, welche die Ortspolizey hat oder dem Patrimonial-Gerichte zu, je nachdem diese Wege ein Eigenthum der gesammten Gemeinde oder einzelner Orts-Einwohner sind. §. 72 Wer in einem Orte die Polizey-Gerichtsbarkeit hat, dem steht auch die Gerichtsbarkeit über die sich darinnen aufhaltenden Fremden zu. §. 73 Die Gerichtsbarkeit über alle Pfarrer und Schullehrer, so wie über Herrschaftliche Diener sie mögen sitzen wo sie wollen verbleibt der Regierung. §. 74 In Ansehung ihrer eigenen Forste haben die Vasallen und Staedte auch die Forst- und JagdGerichtsbarkeit; sie dürfen aber nicht über 3 fl. frk. am Gelde und nicht über 1 Tag Gefängniß strafen. In Ansehung der Jagd jedoch nur inwiefern es die Handhabung der ihnen zustehenden Gerechtsame betrift, haben sie die Bestrafung der in ihren Revieren vorfallenden Forstund Jagd-Excesse. §. 75 Forst- und Jagd- Contraventionen gegen Unsere Domainen-, Jagd- und Forstgerechtsame und gegen allgemeine Jagd- und Forstpolizey-Gesetze, wobey eine fiscalische Rüge eintritt sind kein Gegenstand der Gerichtsbarkeit der Patrimonial-Gerichte. §. 76 Eben so haben die Guthsbesitzer in Ansehung der Contraventionen und Defraudationen gegen Landesherrliche Abgaben, Gefälle und Anlagen, keine Untersuchung und Bestrafung, sondern diese gehört lediglich vor die Fürstlichen Behörden. §. 77 Um jedes Patrimonial-Gericht in den Stand zu setzen, die ihm zuständige Gerichtsbarkeit auf die kräftigste und bequemste Art auszuüben; so geben Wir hiermit, allen Ritterguthsbesitzern und Städten die Erlaubniß, sich durch Umtausch ihrer zerstreuten Hintersassen in Herzogl. Dörfern gegen Herzogl. Unterthanen in ihren Dörfern geschlossene Gerichtsbezirke zu verschaffen und Wir werden Unserer Landesregierung zu diesem Geschäfte die ausreichenden Instructionen zugehen lassen. §. 78 Bis dieser Austausch wirklich geschehen ist, bleibt, wie es sich von selbst versteht, die Lehnsgerichtsbarkeit des Justizamts und der Patrimonial-Gerichte in statu quo.

Textanhang

579

Tit. IV Von der Militairgewalt §. 79 Dem Landesherrn steht vermöge der Militairgewalt, das Recht zu, die zum Reichs-Contingent und zur Sicherheit des Landes nöthigen Truppen zu halten und aus den Landesunterthanen zu recrutiren, jedoch darf das Militair für die Zukunft über die gegenwärtig bestehende Anzahl zum Nachtheil des Landes nicht vermehrt werden, in so fern neue Landesanfälle die Vermehrung nicht nothwendig machen, und es soll deshalb dem engern Auschuß der gegenwärtige effective Stand des Militairs mitgetheilt werden. Auser den angesessenen Unterthanen ist die ganze Dienstfähige Mannschaft im Lande, sie mag unmittelbar unter das Amt oder zu den Städten und Rittergüthern gehören, zum Militairdienst verpflichtet, jedoch mit der Einschränkung, daß nur diejenigen Unterthanen-Söhne zu Soldaten ausgehoben werden können, welche in dem Hause ihrer Eltern entbehrlich sind, oder auf ihre eigne Hand arbeiten und nicht schon ein bestimmtes Gewerbe als Meister ergriffen haben. §. 80 Um alle Beschwerden deshalb für die Zukunft gänzlich abzuschneiden, soll von einer eigenen Regierungs-Commission mit Zuziehung einer Militair-Person und eines Deputirten vom engern Landschaftlichen Auschuß alle Jahre mit Zuziehung eines Militair-Deputirten die dienstfähige Mannschaft gehörig aufgezeichnet und die entbehrlichen angemerkt werden. §. 81 Jeder in Reihe und Glied stehende Soldat hat das Recht, seinen Abschied nach einer Dienstzeit von zehn Jahren zu verlangen, und dieser darf ihm auch vor diesem Zeitraum nicht verweigert werden, wenn er nachweiset, daß er durch Heirath oder durch Erbschaft ein Gut von zwölf Acker Land oder ein sonst einträgliches bürgerliches Gewerbe erhalten hat. §. 82 Dem Landesherrn steht, vermöge der Militairgewalt, ohne Concurrenz der Landschaft das Recht der Einquartierung fremder und einheimischer Truppen, so wie das platte Land insbesondere zu Leistung der Kriegsfuhren, Vorspann und Proviantlieferung zu. Alle Unterthanen des Landes sind zur Tragung dieser Last verpflichtet. §. 83 Um aber für die Zukunft alle Prägravationen einzelner Dörfer und Unterthanen, sowohl in Kriegs- als Friedenszeiten zu entfernen; so werden Wir eine eigne Marsch- und MolestienCasse errichten lassen, in welche alle Unsere begüterten Unterthanen im Lande, nach einem bestimmten Maasstabe in Friedenszeiten Beyträge liefern und aus welchen hinwiederum aller Kriegsaufwand, welchen Durchmärsche und Einquartierungen nothwendig machen, nach landläufigen Preisen vergütet werden sollen.

580

Textanhang Tit. V Von der Finanzverwaltung §. 84

Dem Landesherrn stehet, vermöge der Landeshoheit und vermöge der deutschen Reichsverfassung W.F. Art. VIII § 4 N.W.C. Art. XV § 2, Art. XIX § 6 und vermöge der den Churund Fürsten von Sachsen verliehenen Gerechtigkeiten, das Recht zu, seine Unterthanen mit Steuern zu belegen. Nach der hiesigen Verfassung waren die Landstände von jeher verbunden, diejenigen Steuern zu verwilligen, welche a) zur Bestreitung der ordentlichen und außerordentlichen Reichs- und Kreissteuern b) zu den Cammerzielern c) zu den Unkosten, welche zur Anlegung und Erhaltung der Vestung und Garnison erforderlich werden d) zu den Kosten der Gesandschaften bey Reichs-Deputationen und Kreistagen e) bey Vermählungen der Prinzessinnen f) zur Unterhaltung des Reichs-Contingents und Landes-Militairs g) zur Unterhaltung der Landes-Collegien h) Unterstützung der Schulen i) Abtragung der Landesschulden erfordert werden, auserdem aber hat die Landschaft seit Jahrhunderten beträchtliche Summen für einzelne Bedürfnisse des Hofs und namentlich: a) für Vermählungen der Erbprinzen b) für die Erziehung der Fürstl. Familie c) für Reisen einzelner Mitglieder aus dem Fürstl. Hause d) für Pathengeschenke und dergl. bezahlt. §. 85 Für die Zukunft soll, nachdem die Landschaft die für Uns bereits bezahlten Schulden und diejenigen, welche Unsers Herrn Vaters Gnaden und Wir bey derselben aufgenommen haben, als getilgt ansieht a) zur Ausstattung der Prinzeßinnen b) zur Verzinsung oder Abtragung Landesherrlicher Cammer-Schulden c) für die Reisen einzelner Familienglieder d) für die Erziehung Herzogl. Prinzen e) für andere blos die Privatverhältnisse der Fürstlichen Familie betreffende Bedürfniße, welcher Name ihnen auch gegeben werden möchte, außer den bereits zur DomainenCasse fließenden ordinairen Steuern und Tranksteuern keine Beyträge zu liefern verbunden seyn. §. 86 Sie ist aber verbunden, a) die ordentlichen und auserordentlichen Reichs- und Kreissteuern zu entrichten b) das Reichs-Contingent und Normalmäßig festgesetzte Landesmilitair in Kriegs- und Friedenszeiten zu erhalten c) die Cammerzieler zu entrichten

Textanhang

581

d) für die Erhaltung der Festung und deren Garnison zu sorgen, oder, wenn diese einginge, den Betrag zu andern nützlichen Landesanstalten zu verwenden e) die Besoldungen der Justiz- und Medicinal-Deputation und der öffentlich im Lande anzustellenden Physiker, Chirurgen und Hebammen zu bestreiten f) für die Errichtung der Landarmen-, Kranken- und Arbeitshäuser, wie auch einer Hebammen-Schule die erforderlichen Fonds herbeyzuschaffen und auszumitteln g) zur Verbesserung der Landschulen durch angemessene Beyträge mitzuwirken h) den raschen Fortbau der Chausseen durch eine kräftige Beyhülfe zu befördern i) endlich muß sie die vorhandenen Landschaftlichen Schulden entweder durch Ersparniße oder besondere Auflagen nach und nach abtragen. §. 87 Um die Gröse dieser Beyträge bestimmen zu können, sollen dem engern Auschuße der Landschaft über alle diese gemeinsamen Landesbedürfniße vollständige und gründliche Etats vorgelegt werden und dieser soll alsdann die Pflicht haben, Unserer Landesregierung die Fonds bestimmt und gehörig vorzuschlagen. §. 88 Damit aber Unsere getreuen Unterthanen nicht ohne Noth mit neuen Steuern belastet werden, so wollen Wir, so schleunig als möglich eine aus Mitgliedern Unserer Landesregierung zusammengesezte Steuer-Revisions-Commission ernennen, von derselben eine gründliche und umfassende Steuer-Revisions-Instruction entwerfen lassen, darüber den landschaftlichen engern Auschuß mit seinem Gutachten hören und wenn dieselbe von Uns genehmigt und vollzogen seyn wird, die Revision des steuerbaren Vermögens selbst vornehmen lassen. §. 89 Wir bestimmen aber schon im voraus, mit Einstimmung Unserer getreuen Landschaft, daß nicht nur die Grundstücke der Bürger und Bauern, sondern auch alle sogenanten Freygüther, Canzley-Lehne, die Güther Unserer Städte und Ritterschaft, die Güther auswärtiger Stiftungen und Privatpersonen im Lande, die Güther der ehemahligen Clöster und ihre Renten, diejenigen Rittergüther, welche nach Absterben eines Lehnsmannes Cammergüther geworden sind, sie mögen Uns oder einem auswärtigen Fürsten gehören, nicht minder alle Zehnden und Gülten, in sofern solche nicht zum Complex einer Stadt, eines Ritterguths oder Unserer Aemter gehören, nach der bestehenden ältern Landesverfassung besteuert werden sollen, in so fern solche aus Vernachlässigung nicht schon in Steuer liegen sollten. §. 90 Die Ritterschaft bleibt nach der Besteuerung ihrer Hofbaustücke von Entrichtung der Ritterpferde befreyt, obschon diese ehedem neben der Besteuerung entrichtet wurden. §. 91 Wenn der Ritterguthsbesitzer auf dem Ritterguthe wohnt, so ist er von allen Getränken, welche er zu seinem Hausbedürfen braucht, tranksteuerfrey. Er muß sich aber der gesetzlichen Controle in Hinsicht auf die Tranksteuer unterwerfen.

582

Textanhang §. 92

Unsere Landstände als Ritterguthsbesitzer und Städte haben das Recht Abzuggeld von den aus ihren Lehn exportirten Vermögen nur dann, wenn sie solches durch eine von Uns ertheilte Concession oder durch unvordenkliche Verjährung hergebracht haben und da allen Unsern Landständen durch die Resolutionen von 1758 eine jährliche präclusivische Frist zum Beweis des Abzuggeldes ertheilt worden ist; so sollen auch alle diejenigen, welche binnen dieser Frist das Recht nachgewiesen haben, dasselbe ferner behalten. §. 93 Alle Landschaftliche Gefälle an extraordinairen Steuern und Accis oder wie solche sonst noch in der Zukunft nach der Bewilligung Unserer Stände entstehen möchten, werden durch die einzelnen Untersteuer-Einnehmer welche von Uns bestellt werden an die Landschaftliche Casse abgeliefert. Die Landschaftliche Casse entrichtet alsdann diejenige Summe welche für die gemeinnützigen Anstalten und für sonstige Militair- und andere Bedürfnisse des Landes verwilliget worden sind, im Ganzen entweder durch Assignationen an den Untersteuer-Einnehmer oder baar in Quartal-Actis an die Hauptdomainen-Casse. Uebrigens steht die Landschaftl. Casse unter der Contrôle der Landes-Regierung und sie kann ohne justificirte Belege nichts gültig auszahlen. Auf dem Rathhauß wird der Landschaftl. Caße ein AufbewahrungsOrt angewiesen, wo auch der Rendant die Landschaftl. Caße arbeiten muß. §. 94 Allen Unsern Landständen, welche zeither das jus subcollectandi ausgeübt haben, bleibt dasselbe ferner gelassen. §. 95 Von den verwilligten Steuergeldern darf nichts zu irgend einem andern Zweck verwendet werden als wozu es verwilligt worden ist und damit Unsere getreue Landschaft deshalb um so gewisser die vollste Sicherheit erhalte, so soll dem engern Auschuße jährlich, vor Ablauf des Etatsjahrs, welches vom 1sten Juni des einen bis zum lezten May des andern Jahrs gewöhnlich läuft, ein vollständiger und gründlich belegter Etat über die Verwendung der Landschaftlichen Verwilligungen vorgelegt und derselbe mit seinem gründlichen Gutachten darüber gehört werden. §. 96 Nach Ablauf des Etatsjahrs wird dem engern Auschuße anderweit der Final-Abschluß über die Rechnung der verwilligten Steuergelder, und sodann ein Auszug aus der HauptdomainenCasse-Rechnung nicht nur zu seinen Erinnerungen vorgelegt, sondern demselben auch diejenigen Rechnungen durch eine eigends zu ernennende Commission von Räthen aus der Regierung und einem Mitgliede des Landschaftlichen engern Auschußes gemeinschaftlich abgenommen, welche über die Landschaftlichen Verwilligungen einzelner gemeinnützigen Institute, z. b. der Arbeits-, Armen- und Krankenhäuser etc. geführt worden sind. Nach vollzogener Abnahme werden diese Rechnungen vorerst zur Oberrevision und Decharge des Landesministerii eingesendet.

Textanhang

583

§. 97 Könte die Landschaft, nach genommener Einsicht der ihr mitgetheilten Extracte und Rechnungen nachweisen, daß die verwilligten Landschaftlichen Abgaben zu andern Zwecken, als wozu sie verwilligt wurden, verwendet worden sind, so soll der engere Auschuß das Recht haben, durch eine öffentliche Bekantmachung die fernere Steuerzahlung zu sistiren. Dieses darf aber nur dann eintreten, wenn die unzweckmäßige Verwendung der Mittel liquid nachgewiesen ist. Tit. VI Von der Kirchengewalt §. 98 Das Recht der Kirchenaufsicht und Kirchendirektion steht Uns als Landesherrn im weitesten Sinne zu. §. 99 Wir versichern aber den Ritterguthsbesitzern und Städten das Patronatrecht, in wiefern sie dasselbe rechtlich hergebracht oder überhaupt rechtlich erworben haben, auch ferner ungekränkt zu belassen, jedoch stehen sie deshalb unter Unserer Landesherrlichen Oberaufsicht. Die Ehrenrechte des Kirchenpatrons sind: 1) Die Präsentation des neuen Pfarrers bey Erledigung der Pfarrerstelle. 2) Die Befugniß des Patrons seinen Kirchenstuhl an einem ausgezeichneten Ort der Kirche zu haben. 3) Die besondere Erwähnung des Patrons im Kirchengebethe. Die Ritterguthsbesitzer, welche das Patronatrecht nicht haben, werden nicht namentlich mit ihren Familien, sondern unter der Benennung der Guthsherrschaft erwähnt. 4) Die Errichtung von Ehrendenkmälern für den Patron und s. Familie in den Kirchen. Bürgerliche Besitzer von Rittergüthern haben diese Ehrenrechte sub 3 und 4 aber nur vermöge eines besondern von dem Landesherrn deshalb zu suchenden Concession. §. 100 Dem Kirchenpatron steht das Recht zu den Pfarrer zu berufen, er muß aber denselben Unserer Landesregierung gehörig präsentiren, welche sodann das präsentirte Subject einer Prüfung unterwirft, und wenn dasselbe tüchtig und annehmbar gefunden worden Unsere Genehmigung einhohlt, worauf sodann von der Landesregierung wegen der Installation desselben das erforderliche angeordnet wird. Wird das präsentirte Subject bey der Prüfung untüchtig gefunden; so muß ein anderes von dem Patron präsentiret werden. §. 101 Die Einweisung des Patronatgeistlichen geschieht durch den Superintendenten, gemeinschaftlich mit dem Patrimonial-Gerichtshalter der Ritterguthsbesitzer und in den Städten mit Zuziehung der von dem Magistrat oder Stadträthen dazu beauftragten Person.

584

Textanhang §. 102

Wo die Ritterguthsbesitzer und Städte das Recht hergebracht haben, Schullehrer und Küster zu bestellen und zu verpflichten, wollen Wir sie dabey schützen. Jedoch sind die Schullehrer den von Uns angeordneten Behörden zur Prüfung vorzustellen und nur wenn sie von diesen Behörden für tüchtig anerkant worden sind, kan die Bestellung und Verpflichtung erfolgen. In Ansehung ihrer Amtsführung stehen sie unter der Aufsicht Unserer Behörden. §. 103 Die Aufsicht über die Amtsführung der Pfarrer, so wie nöthigenfalls die Anordnung einer Untersuchung, Suspension und Entsetzung steht Unsern Landesbehörden zu. §. 104 Die Pfarrer und Kirchenvorsteher sollen keine neuen Gebäude errichten und keine Reparaturen vornehmen lassen, ohne davon dem Kirchenpatron Anzeige zuvor zu machen. Soll ein neues Gebäude aufgeführt oder eine beträchtliche Reparatur, deren Aufwand über zehn Gulden geht vorgenommen werden, so ist von den Patrimonial-Gerichten mit Einsendung der Risse und Kosten-Anschläge Bericht an Unsere Landesregierung vor Anordnung des Baues zu erstatten. §. 105 Ohne Vorwissen und Genehmigung des Patrons darf in den Kirchen- und Pfarrwaldungen kein Holz geschlagen oder verkauft und es muß forstmäßig angewiesen werden. Unsere Landesherrliche Oberforstpolizey erstreckt sich übrigens, auch über die in diesem § gedachten Waldungen. §. 106 Die Abhörung, Untersuchung und Justificatur der Patronat-Kirchen-Rechnungen geschieht von dem Superintendenten und dem Patrimonialgerichtsverwalter des Patrons oder in den Städten von dem Superintendenten und dem Magistrat oder Stadtrath. Uns aber steht frey durch Unsere Landesregierung davon Kenntniß zu nehmen, so oft Wir es für gut finden, und deshalb Verordnungen ergehen zu lassen.

Textanhang

585

5. Der geänderte Verfassungsentwurf nach Abschluß der Kommissionsverhandlungen (StACo LA F 243 fol. 50 – 80’) Entwurf der landschaftlichen Verfassung Cap. I. Von der Verfassung der Landschaft als Corporation §. 1. Landschaft. Die Landschaft ist eine aus Ritterguthsbesitzern und Städten zusammengesetzte, der Landeshoheit des Fürstenthums unterworfene Corporation, ohne deren in der Verfassung bestimmte Concurrenz einzelne bestimmte Hoheitsrechte nicht willkührlich vom Landesherrn ausgeübt werden können. §. 2. Ritterschaftliches Landschaftsrecht. Das ritterschaftliche Landschaftsrecht haftet auf gewissen Gütern, welche theils Lehn, theils Allodien sind, und wer als Besitzer dieser Güther den Lehns- und Homagial-Eyd geleistet hat, ist Mitglied der Ritterschaft, er sey übrigens adelichen oder bürgerlichen Standes; nur von denjenigen Rittergüthern kann das Landstandschaftsrecht nicht ausgeübt werden, welche in dem Besitz der Personen aus dem Bauernstande sind. §. 3. Städtisches Landschaftsrecht. Das städtische Landschaftsrecht haftet auf den Städten Coburg, Neustadt an der Heyde, und Rodach, unter welchen Coburg den ersten Rang einnimmt. §. 4. Landtag. Ein Coburgischer Landtag ist diejenige Landständische Zusammenkunft, wozu die sämmtlichen ständischen Glieder des Fürstenthums ausdrücklich von dem Landesherrn berufen werden, und dieser wird von zehn Jahren zu zehn Jahren gehalten. §. 5. Versamlung und Convente. Die Landschaft hat das Recht, für sich Versamlungen oder Convente zu halten, jedoch versteht es sich, daß dadurch der landesherrlichen Oberaufsicht keine Schranken gesezt werden können. §. 6. Einberufung. Zu den eigentlichen Landtägen wird jedes Landständische Mitglied, mittelst eines Umlaufs, worin die Ursache des abzuhaltenden Landtags deutlich herausgesezt ist, einberufen.

586

Textanhang §. 7. Wer erscheinen kann.

Von den bürgerlichen Ritterguthsbesitzern können nur diejenigen auf allgemeinen Landschaftlichen Versammlungen erscheinen, welche den Character als Rath vom Landesherrn erhalten haben. Die übrigen erscheinen durch Bevollmächtigte, welches ebenfalls solche Landstände seyn müßen, die das Recht des persönlichen Erscheinens haben. Auch Landtagsfähige Stände können durch Landtagsfähige Bevollmächtigte erscheinen. §. 8. Erscheinen der Städte. Die Städte erscheinen durch den Chef und den Syndicus ihres Collegii. §. 9. Anmelden der Stände. Die erschienenen Landstände melden sich bey ihrer Ankunft bey dem Commissair, welchen der Landesherr besonders dazu beauftragt, und übergeben denselben die ihnen ertheilten Vollmachten der abwesenden Landstände. §. 10. Es hängt vom Landesherrn ab, den Landtag entweder persönlich, oder durch Commissairs abzuhalten. §. 11. Wenn der Landtag wie gewöhnlich durch die beauftragte Landesregierung abgehalten wird; so werden die versammelten Stände, wenn sie vorher durch ihren Consulenten der Landesregierung von ihrem Beysammenseyn Nachricht gegeben haben, durch einen Regierungssecretair auf das Regierungs-Sessions-Zimmer eingeladen; sie nahmen auf der linken Seite des Präsidenten in der Maaße Platz: 1) der Landschaftsdirektor 2) die Ausschußmitglieder nach ihrem zeitherigen Rang 3) die adelichen Mitglieder der Ritterschaft nach ihrem Alter 4) die bürgerlichen Mitglieder nach dem Alter ihrer Patente. §. 12. Nach sachgemäßem Vortrag des Präsidenten wird den versammelten Ständen die Landtags-Proposition von dem Landesherrn eigenhändig vollzogen ausgehändigt, und die Stände begeben sich hinweg, um ihre Berathschlagung über die Proposition anzufangen. §. 13. Nach vollendeten Landständ. Berathschlagungen, wobey die Mehrheit der Stimmen entscheidet, und wo Abwesende, welche gehörig vorgeladen sind, und keine Vollmachten ertheilt haben, nicht gezählt werden, wird der versammelten Landesregierung die ständische Präliminar-Schrift spätestens sechs Tage nach Eröffnung des Landtags übergeben, und in der-

Textanhang

587

selben sind zugleich die ständischen Beschwerden und Wünsche gehörig und bescheiden auseinander zu setzen. §. 14. Die von dem Landesherrn hierauf gefaßten Resolutionen werden den versammelten Ständen schriftlich zugefertigt. Die Stände übergeben dann ihre Hauptverwilligungsschrift, und von der Landesregierung wird der Landtagsabschied den versammelten Ständen unter eigenhändiger Unterschrift des Landesherrn zugefertigt, dann aber der Landtag aufgehoben. Während der Dauer des Landtags erhält jedes erschienene Landständische Mitglied vier Thaler täglich Diäten. §. 15. Der engere Auschuß ist ein beständiges mit unwiederruflicher Landesherrlicher Genehmigung aus drey Ritterschaftlichen Deputierten, wovon der erste den Namen Direktor führt, und dreyen städtischen Deputirten, als welche von jeder der drey Städte Coburg, Neustadt und Rodach immer der erste Bürgermeister mit dem Syndicus erscheint, bestehendes Collegium, welches die gesammte Landschaft vorstellt, und deren Angelegenheiten besorgt. §. 16. Die Deputirten der Ritterschaft, wozu auch Herzogl. Räthe, welche in einem Landescollegio Sitz und Stimme haben, genommen werden können, werden von sämmtlichen Landständen, der Ritterschaft und der Städte gewählt, und dem Landesherrn zur Genehmigung vorgeschlagen. Der Landesherr kann die Genehmigung aus hinlänglichen Gründen verweigern, und die Landschaft muß dann anderweit wählen und anderweit vorschlagen. §. 17. Auch der Landschafts-Direktor wird von sämmtlichen Ständen gewählt, dem Landesherrn vorgeschlagen, und erhält nach dessen Genehmigung ein Landesherrliches Patent. Seine Besoldung bestehet in vierhundert Thalern, welche aus den Steuer-Einkünften bezahlt werden. Er darf aber nicht außerhalb Landes, sondern muß in der Stadt Coburg oder im Lande wohnen. §. 18. Der Direktor hat bey den Conventen des Ausschußes den Vorsitz. Er erbricht alle eingegangene Sachen, präsentirt sie, macht an die übrigen Ausschußdeputirten den Vortrag, läßt darüber entweder mündlich in Conventen, oder schriftlich durch Umläufe abstimmen, die durch Mehrheit der Stimmen festgesetzte Entscheidung von dem Consulenten entwerfen, befördert das Concept anderweit zur Signatur der Ausschußmitglieder und sorgt für dessen Ausfertigung welche ebenfalls von sämtlichen Auschuß-Mitgliedern zu unterschreiben ist. §. 19. Ohne Genehmigung der Ausschußmitglieder durch Mehrheit der Stimmen kann der Direktor in Landschaftlichen Angelegenheiten nichts verbindlich verfügen.

588

Textanhang §. 20.

Alles was aber der engere Ausschuß im Namen der Landschaft verfügt, daran ist dieselbe insofern gebunden, insofern die Verfügung Angelegenheiten betrift, welche in der Verfassung schon bestimmt sind, oder wozu sämmtliche Landstände durch die Mehrheit der Stimmen ihre Einwilligung schon gegeben haben. §. 21. Sind die Stimmen der Landstände oder die Stimmen des Ausschußes über irgend eine Angelegenheit gleich, so muß sich über eine schickliche Art der Entscheidung vereinigt werden. Der Landschaftsdirektor hat außer der ihm zugehörigen einen Stimme keine entscheidende zweyte Stimme. Dem engern Ausschuß ist zwar nachgelaßen, zur Behandlung der Landschaftlichen Angelegenheiten Convente zu halten, diese sind aber zur Ersparung der Kosten nur dann zuläßig, wenn die Angelegenheit nicht durch eine schriftliche Umfrage berichtigt werden kann. §. 22. Während eines Landschaftlichen Convents erhalten die Landschaftlichen Deputirten täglich vier Thaler Diäten so wie bey einem Landtag cf. §. 14. §. 23. Der engere Auschuß ist schuldig, über die von ihm und der Landschaft in Acten verhandelten Geschäfte dem Landesherrn Aufschluß zu geben, auch die Resultate davon einer abgeordneten Landesherrlichen Commission in Original vorzulegen. §. 24. Er hat seine eigene Registratur, welche zugleich mit von dem bey dem Auschuß angestellten Consulenten versehen wird; auch ist ein Copist und ein Bote angestellt. Bey vorfallenden Conventen werden die Sitzungen, auf dem hiesigen Rathhause mit Genehmigung des Magistrats gehalten. Zu seinem Bedürfniß für Schreibmaterialien, Post- und Botenlohn, werden bestimmte Summen auf dem Etat der Haupt-Casse ausgeworfen. §. 25. Der engere Auschuß führt ein eigenes Siegel für seine Expedition: das Sächßische Wapen mit den Emblemen der Ritterschaft und des Gewerbfleißes, welches in der Verwahrung des Direktors ist. §. 26. Alle Expeditionen, welche an die Landschaft in eigentlichen Landschaftlichen Angelegenheiten ergehen, werden von allen Behörden sportelfrey ausgefertigt. §. 27. Wenn die Landschaft, entweder auf dem Landtag oder durch den Auschuß, Beschwerden vorbringen will; so ist sie nur in sofern durch den Landtagsabschied von 1613 dazu berech-

Textanhang

589

tigt, in so fern diese Beschwerden das ganze Land betreffen, und der Landesherr ist verpflichtet, in diesem Fall die Beschwerden von der Landschaft anzuhören und zu erledigen. Diejenigen Beschwerden, welche nur einzelne Rittergüther oder einzelne Stände zu haben glauben, dürfen aber durchaus nicht durch die Landschaft vorgebracht werden, sondern sie gehören vor die constituirten Landes-Behörden, wo das rechtliche Gehör darüber nie versagt werden soll. §. 28. Weder der Landschaft im Allgemeinen, noch dem engern Auschuße steht eine Gerichtsbarkeit über ihre Mitglieder und über die Landschaftl. Diener zu. Diese gebührt lediglich der Landesregierung, wo auch der Landschaftsdirektor und die Landschaftlichen Diener in vorkommenden Fällen Urlaub suchen müssen. §. 29. Tritt der Fall ein, daß die Landschaft sich vermüßigt glaubt, gegen den Landesherrn und dessen nachgesetzte Collegien Klage zu führen; so können sie diese Klage gegen den Reichsabschied von 1654 §. 180 und die neueste Wahlkapitulation Art. 19 §. 6. 7. nicht bey den Reichsgerichten anbringen, sondern sie ist nach dem Landtagsabschied vom Jahr 1613 bey der Justizdeputation Unserer Landesregierung einzureichen. Diese muß in Hinsicht auf die Sache ihres Eides gegen Uns entlassen werden und hat die Pflicht, nach vollendetem Verfahren die Acten an zwey Juristen-Facultäten, wovon der Landesherr und die Landschaft jeder Theil besonders eine vorschlägt, zum Spruch zu versenden. Erfolgt das Urtheil gleichstimmig, so ist es ohne weiteres rechtskräftig; fallen die Urtheile verschieden aus, so muß jeder Theil noch in zwey Säzzen zu den Acten verfahren, und nach geschlossenem Verfahren werden die Acten anderweit an ein drittes Spruch-Collegium, welches nach dem Vorschlag der Landesregierung und der Landschaft von dreyen durchs Loos entschieden wird, versendet. Was hierauf erkannt wird, erhält ohne weiteres die Rechtskraft. §. 30. Nur in den Fällen, wo von dem Landesherrn der Landschaft das rechtliche Gehör versagt oder ohne rechtliche Entscheidung in Sachen, wo der Landschaft eine Concurrenz zusteht, factisch vorgeschritten wird, ist es unverwahrt, ihren Weg an die Reichsgerichte zu nehmen. Cap. II. Von dem Antheil, welcher der Landschaft bey der Ausübung einzelner Hoheitsrechte als Corpus und den einzelnen Ständen als Guthsbesitzern oder Gemeinheiten zukommt. Tit. I. Von der gesetzgebenden Gewalt. §. 31. Das Recht der Gesetzgebung stehet dem Landesherrn unstreitig zu, und begreift das Recht: neue Gesetze zu geben, fremde einzuführen, die schon geltenden zu verändern, authentisch auszulegen und abzuschaffen. Sind die Gesetze von der Art, daß sie auf Aufhebung oder Veränderung der im Lande durch rechtsgültiges Herkommen und Gesetze bestehenden Staatsver-

590

Textanhang

fassung beabsichtigen; so können sie nicht anders, als mit ausdrücklicher Bewilligung der Landschaft erlaßen werden. §. 32. Diejenigen Verordnungen, welche blos die Landesherrl. Domainen, Aemter und Einkünfte betreffen, und blos auf die Landesherrl. Finanz-Verwaltung und deren einzelne Zweige Bezug haben, können von dem Landesherrn ohne Rücksprache mit den Ständen erlaßen werden. §. 33. Polizey- und Justiz-Gesetze, welche das ganze Land umfassen, eine andauernde Norm enthalten, und bey deren Erlassung nicht Gefahr auf dem Verzug haftet, auch an den Rechten der Landschaft nichts ändern, werden dem engern Auschuß der Landschaft vor der Publication zum Gutachten mitgetheilt. Es muß aber der Auschuß sein Gutachten ohne Nachsicht binnen sechs Wochen nach der Einhändigung bey Unserer Landesregierung einreichen. §. 34. Wenn aber das Gutachten des engern Auschußes gegen die Bekanntmachung des Gesetzes ist, und der Landesherr sich von den Gründen des Landschaftlichen Auschußes nicht überzeugen kann; so kann ein solches Gesetz auch gegen das Gutachten des engern Auschußes als im Lande vollkommen gültig publicirt werden. §. 35. Unter die Gesetzen in Polizey- und Justizsachen, worüber der Landesherr das Gutachten des engern Auschußes zu hören sich verpflichtet, sind diejenigen Polizey- und Justiz-Anordnungen nicht begriffen, welche nicht das ganze Land, sondern blos einzelne Gemeinheiten, einzelne Stände, Personen, und die Verhältniße einzelner Ortschaften betreffen und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Beförderung des allgemeinen Wohls in dringenden Fällen gegeben werden. §. 36. Die Publication der Gesetze geschieht in jedem Orte durch diejenige Behörde, welche die Ortspolizey hat, wenn derselben das Gesetz unmittelbar durch die Landesregierung mitgetheilt worden ist. §. 37. Das Recht, Privilegien, Abolitionen und Dispensationen zu ertheilen steht dem Landesherrn ohne Concurrenz der Landstände zu, nur darf das Privilegium kein Monopol begreifen, wodurch der allgemeine Gewerbfleiß des Landes gehemmt wird. In der Dispensation darf keine Veranlassung zu einem öffentlichen Aergerniß liegen, und die Abolition darf nicht so beschaffen seyn, daß dadurch zur Unsicherheit des Landes schwere Verbrechen unbestraft bleiben. §. 38. Ereigneten sich dergleichen Fälle, so hat der engere Ausschuß das Recht, dem Landesherrn bescheidene Vorstellungen deswegen zu machen, die Nachtheile für das Land auseinander zu setzen, und wenn diese Vorstellungen nicht fruchten sollten, auf rechtliches Gehör und Ver-

Textanhang

591

sendung der Akten an auswärtige unpartheyische Richter zu dringen. Wird das rechtliche Gehör versagt, so steht der Landschaft der Weg an die Reichsgerichte offen. §. 39. Uebrigens steht es dem Landesherrn frey, bereits gegebene Privilegien, wenn sie nicht fortdauernd sind, nach Befinden der Umstände zu ändern und aufzuheben. Tit. II. Von der Polizeygewalt. §. 40. Die Polizeygewalt steht dem Landesherrn, mit Ausnahme dessen, was eben von der Polizeygesetzgebung gesagt ist, ohne Concurrenz der Stände zu. Er hat Kraft derselben die OberAufsicht über alle Gemeinheiten, Corporationen, Gesellschaften, Kirchen, Schulen und milden Stiftungen im Lande, und hat Kraft dieser Ober-Aufsicht das Recht, über das Vermögen derselben zu wachen, kann aber eben deshalb zum Nachtheil der Sicherheit weder etwas selbst vornehmen noch vornehmen lassen, weil die Oberaufsicht gerade in der Aufrechterhaltung dieser Sicherheit besteht. §. 41. Die Landstände als Guthsbesitzer und Gemeinheiten und deren Gerichte sind, so wie die Städte, unbedingt verpflichtet, den Landespolizey-Verordnungen, welche von der Landesregierung ausgehen, bey Vermeidung fiscalischer Ahndung, Folge zu leisten. §. 42. Die Anstellung öffentlicher Staatsdiener und die Bestätigung der bey Städten und Gemeinheiten, denen ein Wahlrecht zustehet von diesen gewählten Officianten ist ausschließlich dem Landesherrn überlassen, er darf aber dabey nicht blos nach Neigung handeln, sondern muß auf die Tauglichkeit des Subjects für die zu ertheilende Staatsbedienung sehen, und bey gleichen Kenntnißen dem Innländer vor dem Ausländer dem Vorzug geben. §. 43. Dienstverkäufe sind unbedingt ungültig, sie mögen bey geistlichen oder weltlichen Stellen vorkommen, und Wir ertheilen Unserer getreuen Landschaft das Recht, im Fall jemals ein Dienstverkauf zu ihrer Kenntniß kommen sollte, auf die Entfernung des Dienstkäufers aus der Dienststelle dringen zu dürfen. §. 44. Die Concurrenz der Landschaft bey dem Gymnasium bleibt in statu quo, in wiefern solches nach der erfolgten Organisation des Gymnasiums möglich ist, jedoch muß die Landschaft in Ermangelung des Fonds zur Bezahlung der Besoldungen das Fehlende beyschießen. §. 45. Die Scheres-Zieritzische Stiftungs-Commission bleibt ganz in statu quo, und Wir behalten Uns lediglich die Oberaufsicht über diese Stiftung vor.

592

Textanhang §. 46.

Die Polizey-, Zucht- und Waysenhauß-Commission ist als eine interimistische Commission bey Organisation Unserer Landes-Collegien gänzlich aufgehoben worden, und Unsere Landschaft hat dabey um so weniger auf eine dauernde Concurrenz Anspruch, weil ehedem die Landschaftl. Mitglieder blos vermöge Landesherrlichen Auftrags dabey mitwirkten. §. 47. Da Wir bey Ausübung der Polizeygewalt, lediglich die höchstmögliche Cultur der Landesbewohner vor Augen haben, und nur die möglichst sichere Erreichung dieses Zweks mit Entfernung aller Nebenabsichten wünschen; so wollen Wir auch, daß für die Zukunft alle kleinliche Irrungen und Streitigkeiten zwischen den Städten, den einzelnen Guthsbesitzern und deren Gerichten mit Unsern Aemtern, über die Ausübung der Polizey entfernt werden. Wir wollen daher nicht nur den Städten, welche die Orts-Polizey noch nicht in ihrem ganzem Umfange verliehen ist, sondern auch den Ritterguthsbesitzern, welche die Dorfs- und Gemeindeherrschaft hergebracht haben, nicht nur in ihren geschloßenen Ritterguthsbezirken in einem erweiterten Umfang des Begriffs diese Orts-Polizey-Ausübung gestatten, sondern Wir wollen auch, daß über solche vermischte Orte, wo theils Amtslehne theils Ritterguthslehne und Untersassen sich befinden, die grösere Zahl wegen der Polizey-Ausübung in der Maaße entscheide, daß über vermischte Orte, welche einem Ritterguthsbesitzer zum größten Theil gehören, und worüber Uns ausschließlich oder in Gemeinschaft mit dem Guthsherrn die Dorfs- und Gemeindeherrschaft bisher zustand, künftig dieselbe und die Ausübung der Ortspolizey überhaupt allein überlaßen werden soll. Dagegen wird in solche Orte, welche Uns zum grösern Theil zugehören, die Dorfs- und Gemeindeherrschaft und die Ortspolizey überhaupt von Unsern Aemtern nach wie vor ausgeübt. §. 48. Da aber alle Polizeybehörden im Lande sich zu gleiche Zwecke vereinigen müßen, so stehen sie sämtlich unter Unserer Landesregierung, und müssen derselben unbedingte Folge leisten. §. 49. Die den Städten und Riterguthsbesizzern gestattete Polizey-Ausübung, umfaßt alle Gegenstände der Polizey, in Rücksicht ihrer örtlichen Anordnung und zwar: 1.) Gebote und Verbote in Dorfs- und Gemeindesachen, oder Verordnungen und Verfügungen, welche die Stadt- und Dorf-Polizey, und das Gemeindewesen betreffen, in wiefern sie nach schon bestehenden Gesetzen erlaßen werden. 2.) Die Publication Landesherrlicher Verordnungen; 3.) Die Besetzung der polizeylichen und der Gemeinde-Aemter in der Maaße, daß die dazu ausersehenen Personen der Landesregierung angezeigt, und nach deren unentgeldlich erfolgten Genehmigung von der Unterpolizey-Behörde des Orts verpflichtet und bestellt werden. 4.) Aufsicht über die Benutzung der Gemeindehölzer, über die Dorfs- und Markungsgränzen, deren Erhaltung und Berichtigung, Unterhaltung der Wege, Stege und Zäune. 5.) Aufsicht über das Medicinalwesen, Markt, Wirthshäuser, Schenken, Mühlen, Maaß und Gewicht. 6.) Feuerpolizey des Orts und Feuerschau.

Textanhang 7.) 8.) 9.) 10.) 11.) 12.) 13.) 14.) 15.) 16.)

17.)

18.)

19.)

593

Abhaltung und Entfernung der Bettler, Vagabunden und liederlichen Gesindels; Aufsicht über das Gemeindevermögen und Rechnungswesen; Aufsicht über Huthen, Triften und Gemeindeplätze; Mitwirkung und Aufsicht bey Einquartierungen und Märschen unter der Direction des Herzogl. Marsch-Commissairs; Ausschreibung der Gemeinde-Frohn, Regulirung der Gemeindeanlagen zur Bestreitung des gemeinen Aufwands; Handhabung der Stadtpolizey, Dorfs- und Gemeinde-Ordnung; Aufsicht bey Kirchweyh und andern Volksfesten; Aufnahme der Bürger und Schutzverwandten, insofern hierbey nicht die Lehnsgerichtsbarkeit concurrirt; Aufsicht über Errichtung der Tropfhäußer ebenfalls unter der Verbindlichkeit der jedesmaligen Berichtserstattung an die Landesregierung und deren einzuhohlende Genehmigung; Aufsicht über die Bauten mit der Verbindlichkeit der Berichtserstattung bey Neubauten und Reparaturen, welche Neubauten gleich kommen. Die Expeditionen werden aber den vorhandenen Verordnungen gemäß nicht taxiret. Die Concessionen zu Krämereyen, Brauereyen, Brandweinbrauereyen, Wirthshäußer und Schenkstätten werden von dem Landesherrn ertheilt, aber der Ortspolizeybehörde steht die Aufsicht über die Concessionirten zu. Das Recht Innungen zu ertheilen steht lediglich dem Landesherrn zu; aber die Aufsicht über die Handwerke des Orts, so wie die Verhinderung der Pfuschereyen ist Sache der Orts-Polizey-Behörde, jedoch wie sich von selbst versteht, alles unter der Oberaufsicht der Landesregierung. Tit. III. Von der Justizgewalt. §. 50.

Der Landesherr ist die Quelle der Gerichtsbarkeit, er kann aber dieselbe nicht selbst ausüben, sondern muß deshalb eigne Ober- und Unterjustizbehörden constituiren. CabinetsJustiz ist für immer unerlaubt. Die Landesherrschaft kann weder selbst, noch durch ihre Collegien bey den Landesgerichten, in der Justiz Aufenthalt machen; So sehr es ihre Pflicht ist, die Justiz zu befördern; so wenig darf sie die constituirten Justizbehörden durch besondere Befehle belästigen, oder gar ihnen vorschreiben, wie sie sprechen sollen. Erfolgen dergleichen Cabinetsbefehle; so sollen sie als erschlichen angesehen werden, und die Sahe ihren rechtlichen Lauf behalten. §. 51. Werden Beschwerden bey der Landesherrschaft gegen die Justizbehörden angebracht; so sollen zwar dieselben genau untersucht, der Sache selbst aber kein Aufenthalt gegeben werden. §. 52. Zur Vertheidigung seines Rechts ist es jedem Landeseingesessenen erlaubt, selbst gegen die Landesherrlichen Fiscale auswärtige Sachwalter zu gebrauchen, und auch die einheimischen sollen auf keine Art gehindert werden, den Eingesessenen in ihren Angelegenheiten zu dienen.

594

Textanhang §. 53.

Da Unsere Absicht lediglich auf schnelle und unpartheiische Justizpflege gerichtet ist; so müßen Uns die häufigen Differenzen zwischen Unsern Aemtern und den Vasallen-Gerichten auch Magisträten und Stadträthen höchst unangenehm seyn, und es ist Uns zu deren Abstellung daran gelegen, daß die Ressort-Verhältnisse genau bestimmt werden mögen. Eingriffe Unserer Justizbehörden in die Rechte der Patrimonial-Gerichtsbarkeit werden Wir durchaus nicht mehr gestatten, Wir wollen vielmehr Unsere Landstände durch mehrere Ausdehnung ihrer zeitherigen Gerichtsbarkeit, noch besonders begnadigen. §. 54. Die Untergerichtsbarkeit soll künftig ale Civilsachen der Gerichtsuntersassen umfassen, und der Unterschied zwischen Voigteyen und Gerichten aufhören. Alle Untergerichsstellen der Ritterguthsbesitzer werden Patrimonial-Gerichte genannt, und diejenigen Ritterguthsbesitzer und Städte, welche bisher noch keine vollständige Civil- und Criminalgerichtsbarkeit hatten, wollen Wir dieselbe, wenn sie darum nachsuchen, verleihen. Die Criminal-Gerichtsbarkeit kann aber nur den Guthsbesitzern auf diejenigen Orte ertheilt werden, wo sie die Orts-Polizey haben, dann erstreckt sie sich aber auch über alle Einwohner ohne Rücksicht auf Lehnsverhältnisse. §. 55. Uebrigens versteht es sich von selbst, daß alle Patrimonialgerichte überall sich pünktlich nach den Landesgesetzen richten, die Gerichtsbarkeit nur innerhalb Landes ausüben dürfen, und unter der Oberaufsicht der Justizdeputation Unserer Landesregierung, und deren Revision und Visitation stehen. §. 56. Die Civil-Patrimonial-Gerichtsbarkeit umfaßt außer den Civilsachen auch kleinere Vergehen, weshalb nicht über dreytägiges Gefängniß oder über eine Geldstrafe von fünf Gulden Fränk. erkannt werden kann. §. 57. Eben das gilt in Criminalsachen, wo, wenn es auf Abhörung eines Zeugen ankommt, der unter Patrimonialgerichten stehet, das Amt, vor dem die eigentliche Untersuchung anhängig ist, um Sistirung desselben requiriren muß, die von dem Patrimonialgericht nicht verweigert werden darf. Zwischen dem Justiz-Amt, und den mit Criminal-Gerichtsbarkeit versehenen Gerichten entscheidet bey einer anzugehenden Untersuchung das forum delicti, und sowohl die Behörde des Wohnorts, als die der Ergreifung des Verbrechers ist verbunden, denselben an das forum delicti auszuliefern. §. 58. Wenn bey einem Ritterguthe oder einer Stadt blos die Civilgerichtsbarkeit ist, und die Criminalgerichtsbarkeit Unserm Justizamt zustehet; so ist gleichwohl das Civilgericht befugt, den Angeschuldigten zur Haft zu bringen, und ihn summarisch zu vernehmen, jedoch ist sie

Textanhang

595

verbunden, ihn auf Verlangen sofort, oder außerdem längstens nach zwey Tagen freywillig an das Justizamt, gegen Bezahlung der Atzungs- und anderer Kosten, mit dem Protocoll abzuliefern. §. 59. Unsere Landesherrl. Collegien, und die von denselben bestellten Commissarien citiren in allen Fällen unmittelbar, und geben dem Patrimonial-Gericht nur Kenntniß davon. Wir wollen aber streng darüber halten, daß unter der Form einer Commission die Rechte der Landstände nicht beeinträchtigt werden, und perpetuirliche Aemter-Commissionen sollen gar nicht statt finden. §. 60. Da Wir ganz vorzüglich wünschen, daß die Justizpflege in Unsern Landen befördert, und alles, was den Geschäftsgang erschweren kann, entfernt werde, so wollen wir mit Hintansetzung jeder andern Rücksicht geschehen lassen, daß in Civilsachen Amtsunterthanen vor den Patrimonialgerichten und Patrimonialgerichtsuntersassen vor dem Justizamte gegenseitig auf vorgängige gehörige Requisition sistirt werden und es soll diese gegenseitige Stellung der Amtsgerichtsunterthanen und Patrimonialgerichtsuntersassen auch in Criminalsachen auf vorgängige gehörige Requisition insofern statt finden, als die Patrimonialgerichtsbehörde die Criminaljurisdiction hergebracht hat, und auszuüben berechtigt ist, indem es sich von selbst versteht, dass, wenn die Patrimonialgerichtsbehörde keine Criminaljurisdiction hat, sondern diese Unserm Amte zustehet, die Patrimonialgerichtsbehörde weder in Criminalsachen requiriren, noch eine Requisition von Unserm Amte erwarten kann, das in solchen Fällen unmittelbar citiret. §. 61. Vor Einsendung der Criminal-Urtheile durch die Patrimonial-Gerichte an die Landesregierung, dürfen dieselben nicht publicirt werden, und überhaupt sind die Patrimonial-Gerichte in Criminalsachen an die proceßordnungsmäßige Leitung der Landesregierung als Justizdeputation gebunden. §. 62. Unsere Aemter und Gerichtsstellen sind schuldig, auf Requisition und gegen Erlegung der gesetzlichen Schließ-, Sitz- und Atzungs-Gelder, die Angeschuldigten von den PatrimonialGerichten aufzunehmen und in gute Verwahrung halten zu laßen, wodurch jedoch die Patrimonial-Gerichts-Berechtigten der Verbindlichkeit, für eigne Gefängniße zu sorgen, um so weniger enthoben werden, da ihnen der Vortheil der Gerichtsbarkeit überlassen bleibt. §. 63. Wo die Patrimonial-Gerichte die Orts-Polizey haben, haben sie auch die Polizeygerichtsbarkeit. Geldstrafen über 5 fl. Frk. und Gefängnisstrafen über drey Tage können aber nur mit Genehmigung Unserer Landesregierung erkannt werden. §. 64. Alle Ritterguthsbesitzer sind schriftsäßig, und stehen unmittelbar unter Unserer Landesregierung.

596

Textanhang §. 65.

Hat die Guthsherrschaft Klagen wider einzelne Gerichts-Eingesessene oder wider die ganze Gemeinde, die aus lauter Gerichtseingesessenen besteht, anzubringen; so geschieht solches vor den Ritterguthsgerichten. §. 66. Die Gerichtshalter wählen die Ritterguthsbesitzer, aus den bey Unserer Landesregierung examinirten, und immatriculirten Advocaten. Der einmal bestellte Gerichtshalter kan aber nicht willkührlich von den Guthsbesitzern abgedankt werden, sondern er muß so lang in seiner Stelle bleiben, bis er entweder freywillig resigniret, oder Umstände eintreten, die nach dem Urtheil der Justiz-Deputation zu seiner Entlassung berechtigen. §. 67. Die Gerichtsbarkeit auf den Land- und Heerstraßen hat Unser Justiz-Amt; auf den Communicationswegen von einem Orte zum andern, oder auf den sogenannten Feldwegen steht die Gerichtsbarkeit entweder dem Ritterguthsbesitzer, oder der Stadt, welche die Ortspolizey hat, oder dem Patrimonialgerichte zu, je nachdem diese Wege ein Eigenthum der gesammten Gemeinde, oder einzelner Orts-Einwohner sind. §. 68. Wer in einem Orte die Polizeygerichtsbarkeit hat, dem steht auch die Gerichtsbarkeit, über die sich darinnen aufhaltenden Fremden zu. §. 69. Die Gerichtsbarkeit über alle Pfarrer und Schullehrer, so wie über Herrschaftliche Diener sie mögen sitzen wo sie wollen verbleibt der Regierung. §. 70. In Ansehung ihrer eigenen Foerste haben die Vasallen und Städte auch die Forst- und Jagdgerichtsbarkeit; sie dürfen aber nicht über 5 fl. frk. am Gelde, und nicht über drey Tage Gefängniß strafen. In Ansehung der Jagd, jedoch nur, in wiefern es die Handhabung der ihnen zustehenden Gerechtsame betrift, haben sie die Bestrafung der in ihren Revieren vorfallenden Forst- und Jagd-Excesse. §. 71. Forst- und Jagd- Contraventionen gegen Unsere Domainen- Jagd- und Forstgerechtsame, und gegen allgemeine Jagd- und Forstpolizey-Gesetze, wobey eine fiscalische Rüge eintritt, sind kein Gegenstand der Gerichtsbarkeit der Patrimonialgerichte. §. 72. Eben so haben die Guthsbesitzer in Ansehung der Contraventionen und Defraudationen gegen Landesherrliche Abgaben, Gefälle und Anlagen, keine Untersuchung und Bestrafung, sondern diese gehört lediglich vor die Fürstlichen Behörden.

Textanhang

597

§. 73. Um jedes Patrimonial-Gericht in den Stand zu setzen, die ihm zuständige Gerichtsbarkeit auf die kräftigste und bequemste Art auszuüben; so geben Wir hiermit allen Ritterguthsbesitzern und Städten die Erlaubniß, sich durch Umtausch ihrer zerstreuten Hintersassen in Herzogl. Dörfern gegen Herzogl. Unterthanen in ihren Dörfern, geschloßene Gerichtsbezirke zu verschaffen, und Wir werden Unserer Landesregierung zu diesem Geschäfte die ausreichenden Instructionen zugehen laßen. §. 74. Bis dieser Austausch wirklich geschehen ist, bleibt, wie es sich von selbst versteht, die Lehnsgerichtsbarkeit des Justiz-Amts und der Patrimonial-Gerichte in statu quo. Tit. IV. Von der Militairgewalt. §. 75. Dem Landesherrn steht vermöge der Militairgewalt, das Recht zu, die zum Reichs-Contingent und zur Sicherheit des Landes nöthigen Truppen zu halten, und aus den Landesunterthanen zu recrutiren, jedoch darf das Militair für die Zukunft über die gegenwärtig bestehende Anzahl zum Nachtheil des Landes nicht vermehrt werden, insofern neue Landesanfälle die Vermehrung nicht nothwendig machen, und es soll deshalb dem engern Auschuß, der gegenwärtige effective Stand des Militairs mitgetheilt werden. Außer den angesessenen Unterthanen, ist die ganze Dienstfähige Mannschaft im Lande, sie mag unmittelbar unter das Amt oder zu den Städten und Rittergüthern gehören mit Ausnahme der Bürger der Stadt Coburg zum Militair-Dienst verpflichtet, jedoch mit der Einschränkung, daß nur diejenigen Unterthanen-Söhne zu Soldaten ausgehoben werden können, welche in dem Hauße ihrer Eltern entbehrlich sind, oder auf ihre eigne Hand arbeiten, und nicht schon ein bestimmtes Gewerbe als Meister ergriffen haben. §. 76. Um alle Beschwerden deshalb für die Zukunft gänzlich abzuschneiden, soll von einer eigenen Regierungs-Commission mit Zuziehung einer Militair-Person, und eines Deputirten vom engern Landschaftlichen Ausschuß, die dienstfähige Mannschaft alle Jahre gehörig aufgezeichnet, und die entbehrlichen angemerkt werden. §. 77. Jeder in Reihe und Glied stehende Soldat, hat das Recht, seinen Abschied nach einer Dienstzeit von zehn Jahren zu verlangen, und dieser darf ihm auch vor diesem Zeitraum nicht verweigert werden, wenn er nachweiset, daß er durch Heirath oder durch Erbschaft ein Gut von zwölf Acker Land, oder ein sonst einträgliches Gewerbe erhalten hat. §. 78. Dem Landesherrn steht, vermöge der Militairgewalt, ohne Concurrenz der Landschaft, das Recht der Einquartierung fremder und einheimischer Truppen zu. Alle Unterthanen des Landes, insofern sie nicht rechtsgültige Exemtions-Privilegien haben, wie dies in Ansehung der

598

Textanhang

Einquartierung fremder Truppen bey der Stadt Coburg der Fall ist, sind zur Tragung dieser Last verpflichtet, so wie das platte Land insbesondere zur Leistung der Kriegsfuhren, Vorspann und Proviantlieferung. Tit. V. Von der Finanzverwaltung. §. 79. Dem Landesherrn stehet, vermöge der Landeshoheit, und vermöge der deutschen Reichsverfassung W.F. Art. VIII §. 4 N.W.C. Art. XV §. 2, Art. XIX §. 6 und vermöge der den Chur- und Fürsten von Sachsen verliehenen Gerechtigkeiten, das Recht zu, seine Unterthanen mit Bewilligung der Landstände mit directen und indirecten Steuern nach der bestehenden Verfassung zu belegen. Nach der hiesigen Verfassung waren die Landstände verbunden, diejenigen Steuern zu verwilligen, welche: a) zur Bestreitung der ordentlichen und außerordentlichen Reichs- und Kreissteuern; b) zu den Kammerzielern; c) zu den Unkosten, welche zur Anlegung und Erhaltung der Vestung und Garnison erforderlich werden; d) zu den Kosten der Gesandschaften bey Reichsdeputationen und Kreistagen; e) bey Vermählungen der Prinzeßinnen; f) zur Unterhaltung des Reichs-Contingents und Landes-Militairs; g) zur Unterhaltung der Landescollegien; h) Unterstützung der Schulen; i) Abtragung der mit Genehmigung der Landschaft contrahirten Landesschulden, erfordert werden; außerdem aber hat die Landschaft seit Jahrhunderten beträchtliche Summen für einzelne Bedürfniße des Hofs, und namentlich: a) für Vermählungen der Erbprinzen; b) für die Erziehung der Fürstl. Familie; c) für Reisen einzelner Mitglieder aus dem Fürstl. Hauße; d) für Pathengeschenke und dergl. bezahlt. §. 80. Für die Zukunft soll, nachdem die Landschaft die für Uns bereits bezahlten Schulden, und diejenigen, welche Unsers Herrn Vaters Gnaden und Wir bey derselben aufgenommen haben, als getilgt ansieht: a.) zur Ausstattung der Prinzeßinnen; b.) zur Verzinsung oder Abtragung Landesherrlicher Cammerschulden; c.) für die Reisen einzelner Familien-Glieder; d.) für die Erziehung Herzogl. Prinzen; e.) für andere, die Privatverhältnisse der Fürstlichen Familie betreffende Bedürfniße, welcher Name ihnen auch gegeben werden möchte, außer den bereits zur Domainen-Casse fliessenden ordinairen Steuern und Tranksteuern, keine Beyträge zu liefern verbunden seyn. Die Ordinair-Land-Tranksteuern, welche dem Landesherrn zur Cammerhülfe seit Jahrhunderten gezahlt worden sind, bleiben demselben ferner.

Textanhang

599

§. 81. Die Landschaft ist verbunden a.) die ordentlichen und außerordentlichen Reichs- und Kreissteuern zu entrichten; b.) das Reichs-Contingent und Normalmäßig festzusetzende Landesmilitair in Kriegs- und Friedenszeiten zu erhalten; c.) die Cammerzieler zu entrichten; d.) für die Erhaltung der Vestung und deren Garnison zu sorgen, oder wenn diese einginge, den Betrag zu andern nützlichen Landesanstalten zu verwenden; e.) die Besoldungen der Landesregierung, in wiefern sie Justiz- und Polizeycollegium ist und in soweit die dabey angestellten Officianten für das hiesige Land erforderlich sind, ferner die Besoldungen der öffentlich im Lande anzustellenden Physiker, Chirurgen und Hebammen zu bestreiten; f.) für die Errichtung der Landarmen-, Kranken- und Arbeitshäuser, auch einer Hebammenschule, die erforderlichen Fonds herbeyzuschaffen, und auszumitteln; g.) den raschen Fortbau der Chausseen durch eine kräftige Beyhülfe zu befördern; h.) zur Verbeßerung der Landschulen durch gemessene Beyträge mitzuwirken; i.) endlich muß sie die vorhandenen Landschaftlichen Schulden entweder durch Ersparniße, oder besondere Auflagen nach und nach abtragen. §. 82. Um die Größe dieser Beyträge bestimmen zu können, sollen dem engern Auschuße der Landschaft, über alle diese gemeinsamen Landesbedürfniße vollständige und gründliche Etats vorgelegt werden, und dieser soll alsdann die Pflicht haben, Unserer Landesregierung die Fonds bestimmt und gehörig vorzuschlagen. §. 83. Damit aber Unsere getreuen Unterthanen nicht ohne Noth mit neuen Steuern belastet werden, so wollen Wir so schleunig als möglich eine aus Mitgliedern Unserer Landesregierung zusammengesetze Steuer-Revisions-Commission ernennen, von derselben eine gründliche und umfassende Steuer-Revisions-Instruction entwerfen lassen, darüber den Landschaftlichen engern Auschuß mit seinem Gutachten hören, und wenn dieselbe von Uns genehmigt und vollzogen seyn wird, die Revision des steuerbaren Vermögens selbst vornehmen laßen. §. 84. Wir bestimmen aber schon im Voraus, mit Einstimmung Unserer getreuen Landschaft, daß nicht nur die Grundstücke der Bürger und Bauern, sondern auch alle sogenannten Freygüther, Canzleylehne, die Güther Unserer Städte und Ritterschaft, die Güther auswärtiger Stiftungen und Privatpersonen im Lande, die Güther der ehemaligen Klöster und ihre Renten, diejenigen Rittergüther, welche nach Absterben eines Lehnsmannes Cammergüther geworden sind, sie mögen Uns oder einem auswärtigen Fürsten gehören, nicht minder alle Zehnden und Gülten, insofern solche nicht zum Complex einer Stadt, eines Ritterguths oder Unserer Aemter gehören, nach der bestehenden ältern Landesverfassung besteuert werden sollen, insofern solche nicht schon in Steuern liegen sollten. Die daraus der Revision entstehende Mehr-Einnahme der Landschaftlichen Casse, mit Ausschluß der in etwas dadurch sich erhöhenden Ordinair-Steuer, kann nur zur Erleichterung

600

Textanhang

der übrigen Steuerpflichtigen gereichen, und lediglich zu gemeinnützigen Zwecken, nach vorheriger Verwilligung der Landschaft, verwendet werden. §. 85. Die Ritterschaft bleibt nach der Besteuerung ihrer Hofbaustücke von Entrichtung der Ritterpferde befreyt, obschon diese ehedem neben der Besteuerung entrichtet wurden. §. 86. Wenn der Ritterguthsbesitzer auf dem Ritterguthe wohnt, so ist er von allen Getränken, welche er zu seinem Hausbedürfen braucht, tranksteuerfrey. Er muß sich aber der gesetzlichen Contrôle, in Hinsicht auf die Tranksteuer unterwerfen. §. 87. Unsere Landesstände als Ritterguthsbesitzer und Städte haben das Recht, Abzuggeld von dem aus ihren Lehn exportirten Vermögen nur dann, wenn sie solches durch eine von Uns ertheilte Concession oder durch unvordenkliche Verjährung hergebracht haben, und da allen Unsern Landständen durch die Resolutionen von 1758 eine jährliche präclusivische Frist zum Beweis des Abzuggeldes ertheilt worden ist; so sollen auch alle diejenigen, welche binnen dieser Frist das Recht nachgewiesen haben, daßelbe ferner behalten. §. 88. Alle Landschaftliche Gefälle an extraordinairen Steuern und Accis, oder wie solche sonst noch in der Zukunft nach der Bewilligung Unserer Stände entstehen möchten, werden durch die einzelnen Untersteuer-Einnehmer, welche von Uns bestellt werden, an die Landschaftliche Casse entweder baar oder durch Abrechnung abgeliefert; die Landschaftliche Casse entrichtet alsdann diejenigen Summen, welche für gemeinnützige Anstalten, und für sonstige Militair- und andere Bedürfnisse des Landes verwilligt worden sind, im Ganzen entweder durch Assignationen an die Untersteuereinnehmer, oder baar in Quartal-Ratis an die Hauptdomainen-Casse. Uebrigens steht die Landschaftliche Casse unter der Contrôle der Landesregierung, und sie kann ohne justificirte Belege außer den beständigen etatsmäßigen Ausgaben nichts gültig auszahlen. Auf dem Rathhause wird der Landschaftlichen Casse ein Aufbewahrungsort angewiesen, wo auch der Rendant der Landschaftlichen Casse arbeiten muß. Der Landschaft bleibt die Wahl ihres Einnehmers überlassen, der wie bisher präsentirt und verpflichtet wird. Die Abnahme der Landschaftlichen Rechnung geschieht in Gegenwart und mit Zuziehung der dazu von den Landständen beauftragten Auschußmitglieder, welche in der Regel der Landschaftsdirektor und ein Mitglied des Magistrats der Residenzstadt Coburg sind. Es steht aber auch jedem Landstande frei, auf seine Kosten der Rechnungsabhörung beyzuwohnen, und jeder Landstand kann die Rechnungen selbst einsehen. §. 89. Allen Unsern Landständen, welche zeither das jus subcollectandi ausgeübt haben, bleibt dasselbe ferner gelaßen.

Textanhang

601

§. 90. Von den verwilligten Steuergeldern darf nichts zu irgend einem andern Zweck verwendet werden, als wozu es verwilligt worden ist, und damit Unsere getreue Landschaft deshalb um so gewisser die vollste Sicherheit erhalte, so soll dem engern Auschuß jährlich vor Ablauf des Etatsjahrs, welches vom 1ten Juny des einen bis zum letzten May des andern Jahres gewöhnlich läuft, ein vollständiger und gründlich belegter Etat über die Verwendung der Landschaftlichen Verwilligungen vorgelegt, und derselbe mit seinem gründlichen Gutachten darüber gehört werden. §. 91. Nach Ablauf des Etatsjahrs wird dem engern Auschuße anderweit der Final-Abschluß über die Rechnung der verwilligten Steuergelder, und sodann ein Auszug aus der HauptdomainenCasse-Rechnung nicht nur zu seinen Erinnerungen vorgelegt, sondern demselben auch diejenigen Rechnungen durch eine eigends zu ernennende Commission von Räthen aus der Regierung und zwey Mitgliedern des Landschaftlichen engern Auschußes gemeinschaftlich abgenommen, welche über die Landschaftlichen Verwilligungen einzelner gemeinnützigen Institute, zum Beyspiel der Arbeits-, Armen- und Krankenhäuser etc. geführt worden sind. Nach vollzogener Abnahme werden diese Rechnungen vorerst zur Ober-Revision und Decharge des Landes-Ministerii eingesendet. §. 92. Könnte die Landschaft nach genommener Einsicht der ihr mitgetheilten Extracte und Rechnungen nachweisen, daß die verwilligten Landschaftlichen Abgaben zu andern Zwekken, als wozu sie verwilligt wurden, verwendet worden sind; so soll der engere Auschuß das Recht haben, durch eine öffentliche Bekanntmachung die fernere Steuerzahlung zu sistieren. Dieses darf aber nur dann eintreten, wenn die unzwekmäsige Verwendung der Mittel liquid nachgewiesen ist. Tit. VI. Von der Kirchengewalt. §. 93. Das Recht der Kirchenaufsicht und Kirchendirektion steht Uns als Landesherrn im weitesten Sinne zu. §. 94. Wir versichern aber den Ritterguthsbesitzern und Städten das Patronat-Recht, in wiefern sie daßelbe rechtlich hergebracht, oder überhaupt rechtlich erworben haben, auch ferner ungekränkt zu belaßen, jedoch stehen sie deshalb unter Unserer Landesherrlichen Ober-Aufsicht. Die Ehrenrechte des Kirchenpatrons sind: 1.) Die Präsentation des neuen Pfarrers bey Erledigung der Pfarrerstelle; 2.) Die Befugniß des Patrons, seinen Kirchenstuhl an einem ausgezeichneten Ort der Kirche zu haben.

602

Textanhang

3.) Die besondere Erwähnung des Patrons im Kirchengebete. Die Ritterguthsbesitzer welche das Patronat-Recht nicht haben, werden nicht namentlich mit ihren Familien, sondern unter der Benennung der Guthsherrschaft erwähnt. 4.) Die Errichtung von Ehrendenkmälern für den Patron und seine Familie in den Kirchen. Bürgerliche Besitzer von Rittergüthern haben diese Ehrenrechte sub 3 und 4 aber nur vermöge eines besondern, von dem Landesherrn deshalb zu suchenden Concession. §. 95. Dem Kirchenpatron steht das Recht zu, den Pfarrer zu berufen, er muß aber denselben Unserer Landesregierung gehörig präsentiren, welche sodann das präsentirte Subject einer Prüfung unterwirft, und wenn dasselbe für tüchtig und annehmbar gefunden worden, Unsere Genehmigung einhohlt, worauf sodann von der Landesregierung wegen der Installation deßelben das Erforderliche angeordnet wird. Wird das präsentirte Subject bey der Prüfung untüchtig gefunden; so muß ein andres von dem Patron präsentirt werden. §. 96. Die Einweisung des Patronalgeistlichen geschieht durch den Superintendenten, gemeinschaftlich mit dem Patrimonialgerichtshalter der Ritterguthsbesitzer, und in den Städten mit Zuziehung der von dem Magistrat oder Stadträthen dazu beauftragten Personen. §. 97. Wo die Ritterguthsbesitzer und Städte das Recht hergebracht haben, Schullehrer und Küster zu bestellen und zu verpflichten, wollen Wir sie dabey schützen. Jedoch sind die Schullehrer den von Uns angeordneten Behörden zur Prüfung vorzustellen, und nur wann sie von diesen Behörden für tüchtig anerkannt worden sind, kann die Bestellung und Verpflichtung erfolgen. In Ansehung ihrer Amtsführung stehen sie unter der Aufsicht Unserer Behörden. §. 98. Die Aufsicht über die Amtsführung der Pfarrer, so wie nöthigenfalls die Anordnung einer Untersuchung, Suspension und Entsetzung steht Unsern Landesbehörden zu. §. 99. Ohne Vorwissen und Genehmigung des Patrons darf in den Kirchen- und Pfarr-Waldungen kein Holz geschlagen oder verkauft, und es muß Forstmäßig angewiesen werden. Unsere Landesherrliche Oberforstpolizey erstreckt sich übrigens, auch über die in diesem § gedachten Waldungen. §. 100. Die Abhörung, Untersuchung und Justificatur der Patronatlichen-Rechnungen geschieht von dem Superintendenten und dem Patrimonial-Gerichtsverwalter des Patrons, oder in den Städten von den Superintendenten, und dem Magistrat oder Stadtrath. Uns aber steht frey, durch Unsere Landesregierung davon Kenntniß zu nehmen, so oft Wir es für gut finden, und deshalb Verordnungen ergehen zu laßen.

Textanhang

603

6. Publikandum über die Souveränität des herzoglichen Hauses vom 6. Januar 1807 (StACo LReg. 1718 fol. 7 – 11’) Publicandum Die Souverainetät des hiesigen Herzogl. Hauses Ernst p. Von G. G. Herzog von Sachsen p. Es war bisher Unser größtes und einziges Streben, unsern getreuen Unterthanen, welche Uns zur Leitung anvertrauet sind, Ruhe, Selbstständigkeit und kraftvollen Schutz zu bewirken. Unsere rastlosen Bemühungen sind durch den glüklichen Erfolg belohnt; Wir können Unsern Unterthanen versichern, daß Wir durch den Beytritt zum Rheinisch. Bund Unsern Coburg-Saalfeldischen Landen die vollkommenste und fortdauernste Selbstständigkeit erhalten haben. Um aber Unsere Unterthanen mit der größten Offenheit über die Verhältnisse zu unterrichten, welche auf Sie als Staatsbürger einen Einfluß haben, theilen Wir ihnen öffentlich den Vertrag mit, welchen S. Maj. d. Kaiser von Frankreich und König von Italien über den Beytritt der Sächs. Herzogthümer zum Rhein. Bund mit Uns abgeschlossen haben, und dessen Ratificationen unter dem dreyßigsten December vor. J. bereits ausgewechselt sind. Er lautet wie folgt: Wir Napoléon durch die Gnade Gottes und die Constitution des Reichs Kaiser der Franzosen und König von Italien, nachdem Wir den am 15. December 1806 zwischen den Divisions-General Duroc Großkreutz der Ehren-Legion, Groß-Marschall des Pallastes u.s.w. in Folge der unbeschränkten Vollmachten, welche Wir demselben zu diesem Behufe ertheilt haben, und den gleichfalls mit den gehörigen Vollmachten versehenen, Herrn Geheimen Rath von Müller, Freiherr von Studnitz, Freiherr von Erffa, Freiherr von Lichtenstein und Freiherr Adolph von Dankelmann; beschlossen, abgefaßten und unterzeichneten Vertrag gesehen, und in Erwägung gezogen haben und welcher folgendermassen lautet: Se. Majestät der Kaiser der Franzosen, König von Italien und Protector des rheinischen Bundes, und I.F.D.D. die Herzöge zu Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-Coburg haben, indem Sie die Bedingungen des Beitritts gedachter Herren Herzoge Durchlaucht, Durchlaucht, zum rheinischen Bunde festsetzen wollen, zu diesem Endzweck zu Ihren bevollmächtigten Ministern ernannt, nehmlich: Se. Majestät der Kaiser der Franzosen, König von Italien den Divisionsgeneral Michael Duroc, Groß-Marschall des Pallastes, Großkreutz der Ehren-Legion, des Königl. Preußischen rothen und schwarzen Adler-Ordens, und des Großherzoglich Badischen Fideliti-Ordens Ritter. Se. Durchlaucht der Herzog zu Sachsen-Weimar und Eisenach den Geheimen Regierungs-Rath Friedrich von Müller. Se. Durchlaucht der Herzog zu Sachsen-Gotha und Altenburg den Kammerherrn und bevollmächtigten Minister August, Freiherrn von Studnitz. Ihro Durchlaucht die verwittwete und regirende Frau Herzogin zu Sachsen-Meiningen den Oberstallmeister, Freiherrn von Erffa.

604

Textanhang

Se. Durchlaucht der Herzog von Sachsen-Hildburghausen den Freiherrn Carl August von Lichtenstein. Se. Durchlaucht der Herzog von Sachsen-Coburg den Ober-Bergrath, Adolph Freiherrn von Dankelmann. welche nach vorheriger Auswechselung der gegenseitigen Vollmachten, über folgende Puncte überein gekommen sind. Artikel 1. Ihro Durchlauchten die Herzoge zu Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-Coburg treten den am 12. Julius dieses Jahres zu Paris geschlossenen Bundes- und Allianz-Vertrage bei, und erwerben durch diesen Beitritt alle aus diesem Bundes- und Allianz-Vertrage entspringenden Rechte und Verpflichtungen, eben so als wenn Sie selbst Theilnehmer an dem Abschlusse dieses Vertrags gewesen wären. Artikel 2. Ihro Durchlauchten die Herren Herzoge werden Ihren Sitz in dem Collegio der Fürsten haben, Ihr Rang in demselben wird durch die Bundesversammlung bestimmt werden. Artikel 3. Ohne die vorherige Genehmigung des gesammten rheinischen Bundes darf in keinen Falle, und auf keine Veranlaßung, welche es auch seyn möge, Truppen, einzelnen Corps oder Detaschments irgend einer auswärtigen, nicht zu gedachten Bunde gehörigen Macht, die Betretung der Staaten Ihro Durchlauchten der Herren Herzöge zu Sachsen gestattet werden. Artikel 4. Die Bekenner des Catholischen Glaubens werden in der Ausübung ihres Gottesdienstes in allen Staaten der Herren Herzoge zu Sachsen durchaus den Lutherischen Glaubens-Verwandten gleich gestellt, und die Unterthanen beiderley Glaubens werden sich ohne Ausnahme gleicher bürgerlicher und öffentlich-rechtlicher Verhältnisse zu erfreuen haben; jedoch wird durch diese Bestimmungen in dem gegenwärtigen Besitzstande der geistlichen Güther durchaus keine Veränderung bewirkt. Artikel 5. Das Militair-Contingent welches die Herren Herzoge zu Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-Coburg im Falle eines Krieges stellen werden, wird aus 2800 Mann Infantrie bestehen, welche auf die Art vertheilt sind, daß Sachsen-Weimar 800, Sachsen-Gotha 1100, Sachsen-Meiningen 300, Sachsen-Hildburghausen 200, und Sachsen-Coburg 400 Mann stellt. Diese 2800 Mann werden ein Infantrie-Regiment von 3 Bataillons bilden, dessn Oberbefehl und Ober-Inspection unter den zwei Hauptlinien des Hauses abwechseln wird. Artikel 6. Die Ratification gegenwärtigen Tractats, und die Auswechselung der Ratificationen wird zu Berlin binnen 15 Tagen von der Unterzeichnung dieses Vertrags an gerechnet, oder wo möglich noch früher geschehen.

Textanhang

605

So geschehen und unterzeichnet zu Posen den 15ten December 1806. (L.S.) Unterzeichnet: Duroc. (L.S.) Unterzeichnet: D. F. Müller. (L.S.) Unterzeichnet: August, Freiherr von Studnitz. (L.S.) Unterzeichnet: G.F.H. von Erffa. (L.S.) Unterzeichnet: Carl August Freiherr von Lichtenstein. (L.S.) Freiherr Adolph von Dankelmann haben Wir genehmigt, und genehmigen hiermit vorstehenden Tractat in allen und jeden Artikeln welche in demselben enthalten sind, erklären daß derselbe angenommen, genehmigt und bestätigt sey, und versprechen dessen unverbrüchliche Beobachtung. Urkund dessen haben Wir gegenwärtiges mit Unserer eigenhändigen Unterschrift und mit Unserm Kaiserlichen Siegel versehen. Posen den 16ten December 1806. Unterzeichnet: N a p o l é o n . Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten; Unterzeichnet: Charl. Maur. Talleyrand Prince de Benevent

Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs der Minister Staats-Secretair Unterzeichnet: Hugues B. Maret

Die Rheinische Bundesacte vom 12. Jul. 1806 erklärt wie folgt: Die Souverainetäts-Rechte bestehen in dem Rechte der Gesezgebung, der höchsten Gerichtsbarkeit, der hohen Polizey, der militärischen Conscription und Recruten-Aushebung, und endlich in dem Rechte, Auflagen zu verfügen. Wir werden Uns immer bemühen, diese Rechte, welche Uns die Souverainetät verleiht, einzig zur Beförderung des Besten Unserer Unterthanen zu gebrauchen. Wir erwarten aber auch von ihnen unverbrüchlichen Gehorsam gegen alle Gesetze und Befehle, welche Wir als souverainer Fürst und Herr zu erlassen für nöthig finden. Höchst ungern werden Wir Uns in dem Zustande sehen, gegen ungehorsame die Kräfte zu gebrauchen, welche die neuen Regierungs-Verhältnisse Uns verliehen haben. Zu gleicher Zeit machen Wir allen Unsern Beamten, Magistraeten und Vasallen bekannt, daß Wir in Gemäßheit der neuen politischen Veränderungen folgenden Titel angenommen haben: Ernst von Gott. Gnaden Herzog zu Sachsen, Marggraf zu Meissen, Landgraf in Thuringen, souverainer Fürst zu Coburg-Saalfeld, gefürsteter Graf zu Henneberg. Gegeben Coburg den 6. Jenner 1806 Herzogl. Sächs. Landesregierung von Kretschmann.

606

Textanhang

7. Publikandum vom 6. Januar 1807 (StACo LReg. 3866 fol. 68) Publikandum. In Erwägung, daß sich in einigen Theilen der Herzoglichen Lande eigennützige oder durch die bisherige Nachsicht tollkühn gewordene Menschen unterstehen, durch falsche Vorstellungen die Bürger zu Protestationen gegen allgemeine Gesetze zu reitzen, daß es keinem Unterthan ziemet, Verordnungen, welche die höchste Landesstelle reif überdacht und für das Gesamtwohl berechnet hat, nach Belieben anzunehmen oder auszuschlagen, daß sich wegen Gesetze oder öffentlichen Anstalten der souveraine Landesherr und die Höchstdemselben repräsentirende Landesregierung mit einzelnen Gemeinden in Unterhandlungen über beliebige Modificationen nicht einlassen kann und darf, daß es ferner ganz den Absichten der rheinischen Bundesakte zuwider ist, irgend eine Korporation oder Gemeinde an Ausübung der Souveränitätsrechte einen Antheil nehmen oder sich im Vollzug der hieraus entspringenden Verbindlichkeiten auf die vermessenste, die Unterthanspflichten verletzende Art hindern zu lassen, beschließt Herzogliches Landesministerium wie folgt: I. Wer gegen eine von dem souveränen Landesherrn oder dessen Landesregierung ergangene allgemein verbindliche Verordnung, welche nicht die wechselseitigen persönlichen Rechtsverhältnisse der einzelnen Bürger betrifft, protestiret, die Beobachtung derselben verweigert, oder andere zur Verweigerung verleitet, wird als Ruhestörer und den Unterthaneneid brechender Bürger nach erhobenen Thatbestande militärisch gerichtet. II. Oeffentliche Beamte, welche solche Aufwiegler gegen die Gesetze entweder durch Rathschläge oder zweydeutiges Benehmen unterstützen, und sie nicht sogleich zum Vollzug der gebührenden Strafe ergreifen lassen, verlieren nicht nur ihre Dienststelle, sondern werden überdieß nach Befinden der Umstände des Landes verwiesen. III. Sachwalter, die den Gemeinden gegen allgemeine Landesverordnungen mit Rathschlägen an die Hand gehen, die Gemeinden zu Protestationen reitzen, oder in ihren Schriften die Landesgesetze tadeln, und im Namen der Gemeinden den Gehorsam gegen Verfügungen, die nicht auf dem Rechtswege ergangen sind, versagen, verlieren als Theilnehmer an der Volksverführung nicht nur die erlaubte Praxis, sondern werden zu allen Diensten im Staate unfähig erklärt. Wornach sich zu achten. Coburg den 6ten Jänner 1807. H e r z og l . S ä c h s . L a n d e s m i n i s t e r i u m . von Kretschmann.

Textanhang

607

8. Proklamation über die französische Besetzung vom 27. Januar 1807 (StACo LReg. 52 fol. 6’) P ro c l a m a t i o n . Grande Armée AUG. PARIGOT, Chef de Bataillon, Membre de la Légion d’honneur et Commandant pour S. M. l’Empereur et Roi la Principauté de Cobourg. PIERRE FRANÇOIS VILLAIN, Sous-Inspecteur aux revuës. Membre de la Légion d’honneur, Intendant du Pays de Cobourg pour Sa Majesté.

Augustin Parigot, Bataillons-Chef, Mitglied der Ehrenlegion und Commendant im Namen Sr. Majestät des Kaisers und Königs von dem Fürstenthum Coburg. Peter Franz Villain, Unter-Revü-Inspector, Mitglied der Ehrenlegion, im Namen Sr. Majestät, Intendant des Fürstenthums Coburg.

Habitans de Cobourg,

Bewohner des Coburger Landes,

Votre dernier Souverain vous avoit laissé le gage le plus précieux de son amour pour vous, en procurant à ce pays l’inestimable avantage d’être compté parmi les Etats confédérés sous la toute-puissante protection du grand NAPOLEON.

Euer letzter Regent hatte Euch den kostbarsten Beweis seiner Liebe dadurch gegeben, daß Er diesem Lande des unschätzbaren Vortheil verschafte, daß es unter die conföderirten Staaten und den mächtigen Schutz N a p o l e o n s d e s G r o s e n aufgenommen wurde. Ihr habt Euch dieses Vortheils nicht lange zu erfreuen gehabt: der Fürst, den Ihm die Geburt zum Nachfolger bestimmte, ist im Dienste Rußlands; und da Er gegenwärtig, in Hinsicht seiner Person, Unser Feind ist, so befindet Er sich im Kriegsstand mit Frankreich und dessen conföderirten Staaten. Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs, Unseres erhabenen Monarchen haben Wir von Eurem Lande Besitz genommen; welches im Namen Sr. Majestät regiert und verwaltet wird. Eure Personen und Euer Eigenthum sind gesichert. Eure Obrigkeiten setzen ihre Amtsverrichtungen fort. Einigkeit und Polizey werden erhalten. Die väterliche Administration behält ihren regelmäßigen Gang, und die Gerichtsbehörden bleiben ungestört. Wir rechnen darauf, daß die constituirten Gewalten Uns mit Eifer, und die Bürger mit guten Willen an die Hand gehen werden.

Vous n’avez pas joui longtemps de son bienfait: le Prince, que la naissance appelloit à lui succéder étant au service de la Russie, et maintenant, de sa Personne, dans les rangs ennemis, se trouve par là en état de guerre avec la France et les Etats confédérés. Par ordre de S. M. l’Empereur et Roi, notre Auguste Souverain, Nous avons pris possession de Votre pays, qui sera commandé et administré au Nom de S. M. Vos personnes et vos propriétés seront respectées. Vos Magistrats continueront leurs fonctions. L’Union et la Police seront maintenues. L’administration sera régulière et paternelle, et les tribunaux indépendans. Nous comptons sur le zèle des Autorités, sur le bon esprit des citoyens, pour nous séconder.

608

Textanhang

Tout perturbateur sera arrêté et puni suivant le rigueur des loix militaires.

Jeder Ruhestörer wird eingezogen, und nach der Strenge der Militär-Gesetze bestrafet.

Coburg, den 27. Januar 1807. Augustin Parigot. Vi l l a i n .

9. Einzige Erwähnung eines „Herzogthums Sachsen-Coburg-Saalfeld“ vor 1821 in einer herzoglichen Anordnung vom 12. Juli 1807 (StACo LA A 6193 fol. 17) Wir E r n s t von Gottes Gnaden Souvrainer Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld ppp. haben Uns bewogen gefunden hierdurch zu bestimen und Kund zu thun daß im Fall während Unserer dermaligen Abwesenheit Unser unter Kaiserl. französ. Administration befindliches Herzogthum Sachsen-Coburg-Saalfeld wieder frey und zu Unserer Disposition anheim gegeben werden sollte, Wir die Regierungs-Geschäfte Unseres Fürstenthums ganz nach der bisherigen Verfaßung Unserer Frau Mutter Liebden der verwittibten Herzogin Auguste unter Direction Unseres Ministers von Kretschmann ausdrücklich übertragen haben. So geschehen Karlsbad den 12 July 1807 Ernst HzSCS.

10. Publikandum über das Ende der französischen Besetzung vom 24. Juli 1807 (StACo LReg. 52 fol. 12) Im Namen Sr. Durchlaucht des Herrn Herzog Ernst, souverainen Fürsten von Coburg-Saalfeld etc. etc. Es ist Uns der Befehl officiel mitgetheilt worden, welche Se. Kaiserl. Majestät der Kaiser von Frankreich und König von Italien unter den 1. Julii an den hiesigen Commandanten, Herrn Parigot nachfolgend erlassen haben. Tilsit le 1. Juillet 1807.

Tilsit am 1. Julius 1807.

A Monsieur l’Adjudant Commandant Parigot, commandant le pays de Saxe-Cobourg.

An Herrn Adjudant Commandant Parigot, Landes-Commandanten von SachsenCoburg.

L’Empereur, Monsieur, ordonne, qu’aussitôt la reception de cette lettre Vous ayez à rétablir le Prince de Saxe-Cobourg dans ses

Auf Befehl des Kaisers haben Sie, mein Herr, sogleich nach Empfang des Gegenwärtigen den Herzog von Sachsen-Coburg in

Textanhang états; Vous ferez lever le séquestre, qui pourroit avoir été mis sur ses biens ou propriétés, ou sur celle de ses sujets. Ordonnez à l’Intendant, au Commandant d’armes et à tout autre fonctionnaire soit civil, soit militair, de cesser leurs fonctions dans le pays de Saxe-Cobourg, l’intention de l’Empereur étant que ce Prince rentre dans la possession pleine et entiere de ses états, et qu’à l’avenir il soit considéré comme un Souverain, auquel l’Empereur porte un intérêt particulier. Signé: Le Prince de Neufchâtel, Major-Général, Maréchal ALEXANDRE BERTHIER.

609

seine Staaten wieder einzusetzen. Sie werden den Sequester aufheben, der auf seine Güter, oder sein Eigenthum, oder auf das seiner Unterthanen gelegt seyn könnte. Veranlassen Sie den Intendanten, den Platzcommandanten und jeden andern Civiloder Militairbeamten, ihre bisherigen Functionen im S. Coburgischen Gebiete niederzulegen. Der Wille des Kaisers ist, daß dieser Fürst in den vollständigen und gänzlichen Besitz seiner Staaten wieder eintrete, und für die Zukunft als ein Souverain beachtet werde, für welchen der Kaiser ein besonderes Interesse hegt. Unterzeichnet: Der Fürst von Neufchatel, Major-General, Marschall Alexander Berthier.

Dieser höchste Befehl wurde hierauf von der ehemaligen K. K. Franz. Commandantenschaft nach seinem Innhalte vollzogen und der Beschlag auf das hiesige Land mit allen seinen Würkungen förmlich aufgehoben. Wir eilen, dieses frohe Ereigniß zur Kenntniß des ganzen Landes zu bringen, mit der Versicherung, daß Se. Herzogl. Durchlaucht den Antritt Höchstdero Regierung bereits durch Bevollmächtigte haben bewürken lassen, und daß Ihre persönliche Ankunft in den nächsten Tagen statt haben wird. Zu gleicher Zeit weisen Wir alle öffentliche Behörden an, den nach den Herzogl. Geschäftsinstructionen vorgeschriebenen Geschäftsgang wiederum einzuhalten. Coburg, den 24. Julius 1807. H e r z og l . S . C o b u r g - S a a l f e l d i s c h e L a n d e s r e g i e r u n g . Arzberger.

11. Zweiter Verfassungsentwurf Kretschmanns vom 26. Juli 1807 (StACo Min J 228 fol. 4 – 16’, Klammerzusätze StACo LA F 259 fol. 13 – 24’) Oeffentliche Verfaßung der Coburg-Saalfeldischen Lande Wir Ernst pp. tot. tit. Die Aufhebung der teutschen Reichsverfassung, die Errichtung des Rheinischen Bundes, der Eintritt des Herzogthums Coburg in diesen Bund, die Unserm Lande zutheil gewordene vollkommene Souverainité, Unser Wunsch und die Uns aufliegenden Pflichten für die Zukunft Unseren Landen eine solche Verfaßung zu geben, wodurch der Willkühr auf Seiten der Regierung und der Willkühr auf Seiten der Unterthanen bey Befolgung der Geseze gleich starcke Schranken gesetzt werden, wodurch das Land auf immer von möglichen Despotisen

610

Textanhang

befreyt und der Fürst in den Stand gesetzt wird, ungehindert zum Besten des Landes zu würcken, wodurch überhaupt die Verhältniße zwischen Fürst und Unterthanen auf das genaueste bestimmt werden. Wir sezzen demnach folgendes fest: Erstes Capitel. Von dem Umfange des Landes, der Person des Herzogs und dem Verhältniß der Herzogl. Familie Art. 1 Die Coburg. Saalfeld. Lande mit Einschluß des Amtes Themar bestehen für die Zukunft als untheilbares Fürstenthum, welches nach ganz gleichen Gesezen regiert wird. Jeder Zuwachs an Land und Leuten welcher Uns zu Theil werden könnte, er geschehe durch Erbschaft oder Abrundung wird diesem Fürstenthum einverleibt. Art. 2 Die Herzogliche Würde ist erblich in Unserer directen leiblichen und gesezmäßigen Nachkommenschaft nach dem Erstgeburts-Rechte in männlicher Linie. Art. 3 Der Herzog ist minderjährig bis zum vollendeten Achtzehnden Jahr. Während seiner Minderjährigkeit wird die Regentschaft von dem ältesten Agnaten Unseres Haußes geführt. Die Weiber sind von der Regentschaft ausgeschloßen. Der Regent muß Ein und zwanzig Jahr (25) vollendet haben. Art. 4 Der Regent kann auch von dem regierenden Herzog in Voraus bestimmt werden. Ist aber kein Regent in Voraus bestimmt und unter den Agnaten des Haußes kein Prinz vorhanden, welcher 21. Jahr alt ist; So erhält derjenige Sächß. Herzog die Regentschaft, welcher unter den Sächß. Häusern Ernestinischer jüngerer Linie, der Aelteste ist. (so lange bis ein Prinz des Haußes 25 Jahre alt wird.) Art. 5 Der Regent setzt seine Amtsverrichtungen bis zur Volljährigkeit des Herzogs fort, bleibt aber für die Handlungen seiner Staats-Verwaltung persönlich verantwortlich. Alle Ausfertigungen in Geschäften geschehen im Namen des Minderjährigen Herzogs. Art. 6 Die Regentschaft tritt auch dann ein, wenn der Herzog durch temporaire, physische oder moralische Hinderniße außer Stand ist die Regierung zu leiten. Blose Abwesenheit gehört nicht unter diese Hinderniße. Der oberste Hrzl. Gerichtshof entscheidet, ob der Fall des Unvermögens wirklich eintritt. Art. 7 Während der Regentschaft bilden der jedesmalige dirigierende Minister der Präsident des Appellations-Gerichts und der Kanzler des Justiz-Collegiums den Regentschafts-Rath.

Textanhang

611

Art. 8 Ohne Berathschlagung im Regentschafts-Rath kann der Regent kein Gesetz vorschlagen, keine neuen Anordnungen in der Staats-Verwaltung vornehmen keine neuen Lehen vergeben, keine Begnadigungen vornehmen und keine Verträge mit auswärtigen Mächten schließen. Auch in der Finanz-Verwaltung können ale Regierungs-Acte nur auf vorherige Berathschlagung des Regentschafts-Raths vollzogen werden. Art. 9 Die Berathungen geschehen nach der Stimmen-Mehrheit und wenn die Stimmen gleich sind, entscheidet der Regent. Art. 10 Ueber die Person des Minderjährigen Herzogs hat der Regent kein Recht. Die Aufsicht über denselben hat die Mutter. Ist die Mutter nicht mehr vorhanden; so erhält die Aufsicht derjenige Prinz welcher vom verstorbenen Herzog dazu bestimmt worden ist. Ist kein Prinz vom verstorbenen Herzog dazu bestimmt worden, und keine Mutter vorhanden; so wird vom Regentschafts-Rath unter den Prinzen des Sächsischen Haußes ein Aufseher gewählt. Weder der Regent noch seine Nachkommen, noch Frauen können dazu gewählt werden. Art. 11 Die Einkünfte des regierenden Herzogs bestehen in dem Ertrage seiner Domanial-Güther an Lehens-Gefällen, Jagd- und Forst-Einkünften, Zehnden, Gülden, Erbzinßen Fabrick- und Banck-Ertrag auch dem Ertrag des Bergregals. Von den Staats-Einkünften darf er sich ohne Genehmigung der Landschaft nichts anmaßen. Die Ihm gehörigen Einkünfte erhält derselbe ganz Schuldenfrey und hat davon nichts zu bestreiten als den Aufwand seines Hofes. Art. 12 Der Regent erhält während der Regentschaft die Hälfte von den Einkünften welche dem Herzoge zugehören. Art. 13 Der Staat ist nicht schuldig die nachgebornen Prinzen des Haußes, die Wittwen verstorbener Herzöge und die nicht verheiratheten Prinzeßinnen zu unterhalten, nur für die Ausstattung der Prinzeßinnen hat er zu sorgen. Das Heyrathsguth besteht in einer Summe von Dreyßigtausend Gulden Rhl. für die Aussattung werden Fünfzehn Tausend Gulden Rhl. bezahlt. Und mit Einwilligung der Landschaft können diese Summen erhöht werden. Zweytes Capitel. Von der Gesetzgebenden Gewalt. Art. 1 Die Gesetzgebende Gewalt kann nur mit Zurathziehung des Volcks oder deßen Repräsentanten ausgeübt werden.

612

Textanhang Art. 2

Es soll die Repräsentantenschaft des Volcks auf folgende Art hergestellt werden. Art. 3 Jede Stadt wählt durch die Stimmen Mehrheit ihrer Bürger auf den Stadthauße Vier Deputirte mit der vollkommenen Vollmacht zur Repräsentanten-Wahl der Stadt. Art. 4 Jede Gemeinde in Lande wählt einen Deputirten zur Repräsentanten-Wahl. Art. 5 Zehen Gemeind-Deputirte treten zusammen und wählen vor Ihrer competenten GerichtsStelle einen Repraesentanten. Art. 6 Fünf Ritterguths-Besizzer treten immer zusammen um aus Ihrer Mitte einen Repräsentanten zu wählen. Ein Repräsentant der Rittergüther darf durchaus keine Vollmacht von mehrern als fünf annehmen. Art. 7 Ueber die Wahlen der Deputirten und über die Wahlen der Repräsentanten müßen gerichtliche Protocolle vor dem competenten Gerichts-Stande aufgenommen und die Vollmachten müßen gerichtl. ausgefertigt werden. Art. 8 Die Vollmacht für die Deputirten kann sich blos auf die Wahl eines Repräsentanten erstrecken. Die Vollmacht für die Repräsentanten muß aber ausdrücklich auf die Wahl der landschaftlichen Mitglieder und dahin gerichtet seyn, daß das landschaftliche Mitglied im Namen seiner Gewaltgeber über das angelegte Gesetz vollständig abstimmen, die Rechnungen der Staatscasse einsehen u. neue Verwilligungen machen könne. Art. 9 Herzogl. Diener, Vorsteher u. Officianten der Magistraete u. Stadträthe, Personen welche in fiscalische oder Criminal-Untersuchungen genommen worden sind, können weder zu Deputirten noch Repraesentanten noch zu Mitgliedern der Landschaft gewählt werden. Art. 10 So lange das Land keine Vergrößerung erhält wählen die Repräsentanten der Städte des platten Landes und der Ritterguthsbesizzer die Mit-Glieder der Landschaft, in der Art, daß drey von den Städten, Sechs von dem platten Lande und drey von den Ritterguthsbesizzern bestimmt werden.

Textanhang

613

Art. 11 Auch diese Wahl (der Mitglieder der Landschaft) muß vor dem Justiz-Collegio vorgenommen durch ein besonderes Protocoll beglaubigt und diese Mitglieder müßen vom Landesherrn bestätigt werden. Art. 12 Der Präsident der Landschaft wird von dem Herzog gewählt. Sein Amt dauert nur Ein Jahr. Nach Verfluß eines Jahres kann ihm sein Amt noch auf ein Jahr übertragen werden. Er darf aber nicht dreymal aus dem nehmlichen Stande gewählt werden. Das Amt der Mitglieder dauert fünf Jahre nach deren Ablauf eine neue Wahl vorgenommen werden muß. Der Präsident hat blos die Leitung der Geschäfte aber keine Stimme. Art. 13 Nur der Herzog kann die Landschaft einberufen, von ihm hängt es aber auch ab, dieselbe auf Willkühr aufzulösen. (Sie dürfen Ihre Berathschlagungen nie auf andere Gegenstaende ausdehnen als welche ihnen vom Herzog zur Berathschlagung gegeben sind.) Art. 14 Es kann Niemand Mitglied der Landschaft seyn, wer nicht mit Grundeigenthum in Staate angeseßen ist. Art. 15 Während der Dauer der Landschaftl. Versammlung erhalten die Mitglieder derselben Taggelder. Art. 16 Die Gesezzes-Entwürffe läßt der Landesherr fertigen. Art. 17 Sobald die Landschaftl. Versammlung von dem Herzoge zusammen berufen worden ist, und sich gebildet hat, werden die Entwürfe der Gesetze durch eine eigene Bottschaft eines Landes-Collegii oder einer besonderen Landesherrlichen Commißion der Landschaftl. Versammlung mitgetheilt und darüber ein Protocoll aufgenommen. Art. 18 Sogleich nach der Mittheilung fängt der Berathschlagung über den Entwurf an und sie muß binnen Acht (14) Tagen vollendet seyn. Art. 19 Sollte die Versammlung für nöthig erachten länger als 8. Tage darüber zu Berathschlagen, so muß die Genehmigung des Herzogs dazu eingeholt werden. Art. 20 Die Landschaft hat bey allen Gesezzen nur eine consulative Stimme, wenn die neuen Gesezze nicht eine Aenderung der nunmehro festgesetzten Staats-Verfaßung enthalten, oder

614

Textanhang

in das Eigenthum des Staates eingreifen, oder das angenommene System der öffentlichen Abgaben ändern. In diesem Falle kann sie die Annahme des Gesezzes decisiv verweigern. Art. 21 Ueber die Berathschlagungen sind feyerliche Protocolle aufzunehmen, deren Einsicht dem Landesherrn nie verweigert werden kann. Art. 22 Das Gutachten über den Gesezzes-Entwurf, so wie die Annahme oder Verwerfung des Gesezzes wird durch eine Bothschaft der Landschaftl. Versammlung der von dem Landesherrn dazu beauftragten Behörde mitgetheilt, welche dann darüber dem Landesherrn Vortrag macht. Art. 23 Justiz-Verordnungen und Polizey-Verordnungen welche ihren Grund nur in vorüber gehenden Ereignißen haben, eignen sich nicht zur Berathschlagung der Landschaftl. Versammlung. Art. 24 Sobald über den Gesezzes-Entwurf das Gutachten der Landschaftl. Versammlung übergeben worden ist, wird das Gesez von dem Herzog durch die Landesbehörden feyerlich bekannt gemacht. Drittes Capitel. Von der vollziehenden Gewalt. Art. 1 Der Herzog hat die Vollziehende Gewalt in ihrem weiteren Umfange ohne Concurrenz des Landschaftl. Cörpers und läßt dieselbe durch sein Ministerium und die übrigen Behörden des Landes ausüben. Art. 2 Er kann nach der Rheinischen Bundes-Acte Krieg erklären und Frieden schließen. Art. 3 Der Herzog hat das Recht ganz unbeschränckt Staats-Aemter und Würden zu ertheilen, Besoldungen zu bestimmen und Pensionen für Staatsdiener auf die Staats-Caße anzuweisen. Art. 4 Die Ausübung der Polizey-Gewalt steht dem Herzog ganz uneingeschränkt zu. Er hat das Recht den Aufwand welchen die Ausübung der Polizey im weitesten Umfang fordert auf die Staatscaße anzuweißen. Art. 5 Die Verwaltung der Justiz muß von allem fremden Einfluße unabhängig seyn. Das LandesMinisterium hat bey allen Gerichtshöfen bloss das Recht dahin zu würcken, daß die Justiz schnell verwaltet und nicht verweigert werde.

Textanhang

615

Art. 6 Die Gerichtshöfe dürfen die Urtheile in Rechtssachen nicht von ausländischen Behörden fällen laßen. Der Herzog ist aber verpflichtet die erforderlichen Gerichts-Instanzen einzurichten. Für alle Stände sind nicht mehr als drey Instanzen zuläßig. Die Kosten der Justiz werden von dem Herzog auf die Staats-Caßen angewiesen. Art. 7 Ein oberster Herzogl. Gerichtshof erkennt 1.) über die persönlichen Vergehen welcher sich die Mitglieder der Herzogl. Familie, der Minister die ersten Hofbeamten, die Präsidenten in Collegien der Chef des Militairs schuldig machen. 2.) über Verbrechen Anschläge und Complotte gegen die innere und äußere Sicherheit des Staats, die Person der Herzogs und die präsumtiven Erben desselben und die öffentl. Gewalten. 3.) über Vergehen in Amtssachen welcher sich der Minister die Chefs des Militairs die ersten Hofbeamten und die Präsidenten der Collegien schuldig machen. Art. 8 Der Hohe Herzogl. Gerichtshof besteht aus den Prinzen des Haußes, aus dem Minister, dem ersten Hofbeamten, dem Chef des Militairs, sämtl. Präsidenten der Collegien und allen Räthen der hohen Gerichtshöfe. Der Herzog ist Präsident. (Der Präsident der Landschaft ist Präsident des hohen Gerichtshofs.) Art. 9 Die Urtheil welche der hohe Gerichtshof ergehen läßt, sind keinem Recurs unterworfen. Art. 10 Das Recht der Conscription und Rekruten-Aushebung übt der Herzog unbeschränckt aus. Den Aufwand welchen die Bekleidung, Verpflegung, Bewachung, Wohnung, Uebung der Marsch und die Löhnung des Militairs nothwendig macht, wird von dem Herzog auf die Staats-Caße angewiesen. In Ausübung der Militair-Gewalt ist der Herzog ganz unbeschränkt. Art. 11 Der Herzog hat das Recht alls Religions-Verwandte im Lande aufzunehmen und Ihnen Unterthanen-Rechte und freye Religions-Uebung einzuräumen. Art. 12 Für die öffentl. Abgaben steht als unabänderliches Grund-Gesez fest, daß Niemand im Staate persönliche oder reelle Steuerbefreyung erhalten kann, und daß kein Stück die herzoglichen Domainen ausgenommen Steuerfrey sein darf. Dagegen hört aber auch von der Zeit an, wo die allgemeine Besteuerung entrit die Lehnsverbindung in Unserm Lande in der Art auf, daß jeder Vasall freye Disposition über seine Güter erhält, unbeschadet der Verträge welche zwischen ihm u. seinem Mitbelehnten statt finden. (Erwirbt der Herzog nach Bekant-

616

Textanhang

machung der Constitution neue Rittergüther u. Domainen, so sind diese der Besteuerung unterworfen.) Zur Zeit des Kriegs müßen alle Kriegslasten nach einem richtigen Maas-Staabe vertheilt werden. Der Maas-Staab wird durch ein Gesetz bestimmt und die Vertheilung geschieht von der vollziehenden Gewalt. Art. 13 Alle öffentliche Abgaben und Einkünfte, sie mögen Namen haben wie sie wollen, insofern sie nicht aus Domainial-Gütern, Domainial-Forsten, dem Herzogl. Zehenden, dem LehnsVerbande, den Jagden dem Berg- und Hüttenwercken aus der Banck und Herzogl. Fabricken komen, müßen zur Staats-Caße fließen. Art. 14 Die Staats-Caße wird von einem Rendanten, einem Controlleur und den erforderlichen Gehülfen verwaltet. Sämmtliche Staats-Caße-Officianten werden nächst dem Herzog der Landschaftl. Versammlung eydlich verpflichtet. Art. 15 Die Staats-Caße hat den Aufwand für das Heyraths-Guth und die Ausstattung der Prinzeßinnen des Hauses, der Besoldungen für die Staatsbeamten, den Polizey- und Justiz-Kosten, den Militair- Aufwand in Kriegs- und Friedenszeiten, die Gesandschafts-Kosten, den Aufwand welchen die öffentlichen Sicherheits- und Armenanstalten, das Medicinal-Wesen die öffentlichen Schulanstalten und die Land- und Heerstraßen nothwendig machen, zu tragen. Art. 16 Sie übernimmt die Tilgung und Verzinßung sämmtl. Landesschulden und der Schulden des jetzigen Herzogs welche bey seinem Regierungsantritt vorhenden waren. Für die Zukunft können keine Schulden auf die Staatskaßen anders gemacht werden als mit Genehmigung der Landschaftl. Versammlung. Der Herzog darf außer den bereits angewiesenen Schulden künftig von seinen Schulden keine dahin anweisen. Art. 17 Es soll binnen Sechs Monathen das Finanz-Gesetz bekannt gemacht werden nach welchem die Aufbringung und Vertheilung der öffentlichen Lasten gleichheitlich unter die Unterthanen geschehen soll. Art. 18 Ohne Genehmigung der Landschaftl. Versammlung dürfen von den Staats- und DomainialGütern keine Veräußerungen und Verpfändungen geschehen. Art. 19 Die Landschaftl. Versammlung kann unter keinem Vorwande die Fonds verweigern welche zu Bezahlung der (Zinsen der) Schulden (zu Herstellung eines wirklichen Schulden-Tilgungs-Fonds) und zu Bestreitung der Staatsausgaben Art. 17 erforderlich sind. Weigerte sich dieselbe die erforderlichen Fonds aufzubringen, so greift der Herzog unmittelbar ein.

Textanhang

617

Art. 20 Die Verwilligungen zu den Staatslasten geschehen immer auf Ein Jahr. Art. 21 Alle Jahre im Monat May wird der Landschaftl. Versammlung ein hinlänglich begründeter Etat der Staatsbedürfniße für das nächste Jahr vorgelegt und sie bestimmt und verwilligt dazu die nöthigen Fonds. Art. 22 Damit unter keinem Vorwand Ausgaben, auf die Staats-Caße geworfen werden können, welche sich nicht dazu eignen; so muß die Jahres-Rechnung über die Staats-Caße der Landschaftl. Versammlung alle Jahre sobald sie geschloßen werden kann zur Einsicht vorgelegt werden. Sie hat aber auch das Recht Ihr freymüthiges Gutachten über die gemachten Ausgaben dem Herzog vorzulegen. Art. 23 Nachdem die Verwilligung für die Staatsausgaben geschehen sind oder nachdem das Finanz-Gesez bekannt gemacht sein wird, bewürckt der Herzog durch die treffenden Ober- u. Unterbehörden die Leitung und die Controlle des Finanzwesens und die Beytreibung und Verrechnung der Staats-Einnahmen, vermöge der Vollziehenden Gewalt ohne Concurrenz der Landschaftlichen Versammlung. Art. 24 Es hängt lediglich vom Herzog ab, nach welchen Formen derselbe den öffentlichen Geschäfts-Gang einrichten will. Hiebey hat die Landschaftl. Versammlung keine Concurrenz. Urkundlich pp. Coburg, den . . . 1807.

12. Fortschreibung des Verfassungsentwurfs in französischer Sprache StACo LA F 256 fol. 7 – 28’ (StACo LA F 256 fol. 2 – 6’) = () Constitution du Duché de Saxe Cobourg Ernest par la grace de Dieu Duc de Saxe, Margrave de Misnie, Langrave de Thuringe, Prince Souverain de Cobourg, Prince de Henneberg etc. Savoir faisons à tous ceux qu’il appartiendra que nous avons arrêté les dispositions suivantes pour servir de Loi fondamentale à nos Etats et les avons en conséquence proclamées et proclamons ainsi qu’il suit:

618

Textanhang Titre I. De la Consistance du Pays de Cobourg. De la Personne du Duc et de la famille ducale. Art. 1.

Les Pays de Cobourg et de Saalfeld, y compris le Baillage de Themar, composent le Duché de Cobourg qui sera régi par une loi commune. Art. 2. La Dignité Ducale est héréditaire dans la Descendance directe, naturelle et légitime du Duc, de Mâle en Mâle par ordre de primogéniture. À défaut d’héritier naturel et légitime du Duc, la dignité Ducale est dévolue et deferée à la ligne collatérale dans l’ordre établi par la Constitution de Primogéniture du 12 May 1747. À défaut de descendants mâles de la maison de Cobourg, l’héridité est dévolue aux autres Branches de la maison ducale de Saxe, suivant l’ordre de Succession de la Branche cadette de la ligne Ernestine. Art. 3. Le Duc est mineur jusqu’à l’âge de dixhuit ans accomplis; pendant Sa minorité la Régence est exercée par le Prince le plus âgé de la maison. Le Régent doit être âgé au moins de vingt cinq ans accomplis. Il est tenu de résider dans le pays. Art. 4. Le Régent peut être designé par le Duc régnant. À défaut de désignation de la part du Duc régnant et si aucun des Princes de la maison n’est âgé de vingt cinq ans, la Régence est déferée au Prince de Saxe le plus âgé de la ligne Ernestine, lequel exercera jusqu’à ce qu’un Prince de la maison ait atteint l’âge réquis de vingt cinq ans. Art. 5. Le Régent a le Gouvernement de l’Etat jusqu’à la majorité du Duc. Il est responsable de Son administration. Tous les Actes de la Régence sont rendus au nom du Duc mineur. Art. 6. La Régence a lieu aussi lorsque par des empêchements physiques ou moraux, le Duc est hors d’Etat de gouverner: l’absence n’est point considerée comme un empêchement suffisant à moins qu’elle ne dure plus de deux ans. La haute Cour de Justice ducale (Les Etats) détermine(nt) le cas où la Régence a lieu. Art. 7. Pendant la Régence le conseil d’Etat (le conseil intime) forme le conseil de Régence.

Textanhang

619

Art. 8. Le Régent ne peut proposer aucun projet de Loi, adopter aucun réglement d’administration publique, accorder aucune grace, faire aucune inféodation, consentir à aucun traité avec des puissances étrangères, sans en avoir déliberé en Conseil de Régence. De même il doit prendre l’avis du Conseil de Régence pour toutes les disposition rélatives à l’administration des finances. Art. 9. Les délibérations du Conseil de régence ont lieu à la majorité des voix, en cas de partage le Régent a voix prépondérante. Art. 10. La Régence ne confère aucun droit sur la personne du Duc mineur. La Garde du Duc et celle des Princes cadets et des Princesses est confiée à leur mère et à son défaut au Prince désigné par le prédécesseur du Duc mineur. À défaut de la mère et d’un Prince designé par le Duc la Garde du Duc mineur est confiée au Prince de la maison de Saxe designé par le Conseil de Régence. Ne peuvent être élus pour la Garde du Duc mineur, ni le Régent et ses descendants, ni les Femmes. Art. 11. Les Revenus du Duc se composent du produit des Domaines – Kammergüter-, des droits féodaux de toutes natures, des revenus de la chasse et des forêts, des Dixmes, des rentes foncières de tous genre, du produit de la Banque et des Fabriques domaniales, des droits régalieurs sur les monnaies et mines. Le Duc ne peut disposer d’aucune partie du surplus des recettes de l’Etat sans le Consentement des Etats du Pays. Ces Biens et Revenus ci dessus rappellés lui sont remis francs et quittes de toutes dettes et hypothèques et libres de toutes charges publiques: leur produit est spécialement et exclusivement affecté aux dépenses personnelles et particulières du Duc, à l’entretien de Sa maison, au douaire des duchesses douairières, à l’éducation et à l’entretien des Princes et des Princesses jusqu’à l’âge de vingt ans accomplis, conformément à l’article 15. du présent titre. Art. 12. Dans le cas où par l’effet d’un évenement imprévu et de force supérieure, les dépenses ordinaires de la Cour se trouveraient augmentées ou les revenus du Duc diminués de manière à ne pouvoir plus couvrir les dépenses à Sa charge, les Etats seront tenus d’accorder les subsides nécessaires pour remplir le deficit; ils en établiront la quotité sur le vû du compte des dépenses de la Cour. Art. 13. Aucune proprieté de l’Etat ou du domaine ne pourra être alienée où hypothéquée sans le consentement des Etats, excepté pour arrondir le territoire. Art. 14. Cinquante mille florins du Rhin seront annuellement et à perpétuité pris sur les revenus du Duc pour fournir aux douaires, à l’education des Princes et Princesses et à l’appanage des Princes puinés: la distribution en est faite par le Duc conformément au Pacte de Famille. Les

620

Textanhang

duchesses douairières les princes cadets de la maison, et les Princesses, à cause des prétentions résultantes du Pacte de Famille ont, sur ces fonds, un droit réel et imprescriptible. Le Duc peut augmenter les douaires et appanages. Art. 15. Le Régent pendant l’exercice de ses fonctions jouit du quart des revenus du Duc. En conséquence toutes Ses dépenses privées et celles de Sa maison sont à Sa charge. Les traitemens et salaires des officiers et serviteurs de la Cour, dont les services continueront après la mort du Duc seront en outre payés par la caisse des domaines. Art. 16. L’Etat pourvoit à la dotation des Princesses: la dot d’une Princesse est fixée à Trente Mille florins du Rhin et le Trousseau à Dix mille. Dans le cas où Elle ne se marieroit pas, l’Etat lui payera, lorsqu’elle aura atteinte l’âge de Vingt ans accomplis une somme de Dix mille florins comptant et l’a fera jouir en outre d’une pension viagère de quinxe cents florins représentant un Capital de 30,000 florins à 5 p.ct. Cette pension sera éteinte au profit de l’Etat par la mort de la Princesse titulaire. Ces differentes sommes ne peuvent être augmentées que du Consentement des Etats. Titre II. De l’Autorité Législative. Art. 1. L’autorité législative ne peut être exercée que par le Peuple ou par ses Représentans. Le Code Napoléon sera adopté pour la Loi civile du Pays. (gesamter Artikel gestrichen) Art. 2. La représentation du Pays aura lieu dans les formes suivantes: Art. 3. Les Citoyens de chaque ville éliront à la majeure partie des voix quatre députés avec pleins pouvoirs de représenter la Ville. Art. 4. Chaque commune rurale élira devant le Bailli de l’arrondissement un député domicilié dans le Baillage dont elle dépend pour représenter les Communes. Art. 5. Les députés des Communes du même Baillage s’assembleront pour nommer parmi les Citoyens domiciliés dans l’arrondissement un Représentant du Baillage. Art. 6. Les propriétaires – Ritterschaft – des terres nobles – Ritterguth – de chaque baillage se réuniront pour choisir un Représentant dans leur sein. Un Représentant des Terres nobles ne peut être chargé des pouvoirs des propriétaires de terres nobles que d’un seul Baillage.

Textanhang

621

Art. 7. Les villes de Cobourg, Saalfeld, Poessneck chacune en particulier, nomme par ses Députés, un représentant. Les villes de Neustadt sur la heyde, Rodach et Themar nomment en commun par leurs députés, un Représentant. Les villes de Graefenthal et Lehsten nomment de même un representant en commun. Art. 8. Les représentants des terres nobles nomment deux membres des Etats; les représentans des Villes en nomment également deux; les Représentants des communes en nomment trois. Art. 9. Il sera dressé des procès verbaux authentiques du choix des députés et de L’Election des représentans. Ces procès verbaux seront rédigés dans les villes par le Magistrat désigné par le Duc; dans les Campagnes par les Baillis respectifs et pour les proprietaires des terres nobles par le Tribunal de Justice. Les Procurations et pouvoirs seront aussi delivrés en forme authentique. Art. 10. Les pouvoirs des députés se borneront au choix d’un Représentant. Les pouvoirs des Représentants doivent exprimer la faculté d’élire les membres des Etats et d’autoriser ceux ci à voter dans l’assemblée des Etats au nom de leurs Commettans, de sanctionner ou de rejetter les projets de Loi qui leur seront présentés, de verifier les comptes des recettes et dépenses publiques et d’accorder de nouveaux subsides. Art. 11. Tout individu qui a subi un jugement emportant peine afflictive ou infamante ou qui est impliqué dans une procedure fiscale ou criminelle ne peut être élu Député, Réprésentant ou membre des Etats. Art. 12. L’Election des membres des Etats a lieu devant le Tribunal de Justice qui en dresse procès verbal. Elle doit être confirmée par le Gouvernement. Art. 13. Le Président des Etats est nommé par le Duc. Ses fonctions durent un an: à leur expiration elles peuvent être continuées toujours pour un an. Les fonctions des membres des Etats durent Cinq ans, après lesquelles il est procedé à une nouvelle Election de Députés, de Représentants et de membres des Etats. Art. 14. Les états ne peuvent se réunir que sur la Convocation du Duc qui prononce à volonté la fin de leur Session. Art. 15. Chaque propriétaire, foncier, homme de lettres, négociant, artiste, et en général tout citoyen (outre la noblesse) qui se distingue par sa probité et ses talents, peut être membre des Etats.

622

Textanhang Art. 16.

Pendant la durée des Séances des Etats leurs membres reçoivent une indemnité pécuniaire. Art. 17. Les projets de loi sont discutés et preparés au Conseil d’Etat (Conseil du Duc). Lorsque les Etats se sont assemblés sur la Convocation du Duc, les projets de Loi leur sont communiqués par un message du conseil d’Etat (conseil ); le Président des Etats donne acte de cette Communication. Art. 18. Immédiatement après la communication, la discussion est ouverte sur le projet, et elle doit etre terminée dans le délai de quinxe jours. Art. 19. Toutes les loix civiles et criminelles, celles qui apporteroient quelque atteinte à la Constitution, celles qui touchent aux finances de l’Etat, et celles qui tendent à introduire des innovations dans le systême des impôts publics, ne peuvent etre rendus que par les Etats. Art. 20. Le projet de loi est sanctionné ou rejetté par les Etats; il ne peut recevoir aucune modification; la sanction ou le rejet est communiqué par un message des Etats au Conseil d’Etat (Conseil ) qui en fait rapport au Duc. Art. 21. Les Etats ne délibèrent que sur les matières qui leur sont soumises par le Gouvernement. Dans le cas où ils s’occuperoient d’autres objets, le Gouvernement a le droit de les dissoudre. La dissolution des Etats entraine le renouvellement de tous leurs membres. Art. 22. Il est dressé des procès verbaux réguliers et authentiques des séances des Etats. La Communication n’en pourra jamais être refusée au Duc. Art. 23. La loi sanctionnée par les Etats n’est executoire qu’après que le Duc l’a fait revêtir du sceau de l’Etat et solenellement proclamer. Titre III. Du Pouvoir Ecécutif. Art. 1. Le pouvoir exécutif, dans toute son étendue est entre les mains du Duc: il l’exerce sans le concours des Etats, par les agents qu’il institue à cet effet.

Textanhang

623

Art. 2. Le Duc a le droit exclusif de nommer à tout les Emplois, de fixer les Traitemens et Pensions des Employés publics et de les assigner sur la caisse publique; il est entendu que les nominations de fonctionaires n’auront lieu que suivant les besoins de l’administration et qu’il ne sera accordé de Pensions que conformément à un réglement spécial qui sera fait sur cet objet. Art. 3. Le Duc est chargé de la haute Police, il en assigne les dépenses sur la caisse publique. Art. 4. L’autorité judiciaire est entièrement indépendant; le gouvernement a seulement le droit de veiller à ce qu’il ne se fasse aucun Deni de Justice, et à ce qu’elle soit rendue d’une manière prompte et impartiale. Art. 5. Les Justices Seigneurables sont supprimées dans tout le Pays, et la Justice ne peut être rendue qu’au nom du Duc. (gestrichen) Art. 6. Les tribunaux ne peuvent renvoyer les causes qui leur sont portées à des tribunaux étrangers, ni sous peine de forfaiture se dispenser de prononcer sous prétexte d’insuffisance ou d’obscurité de la loi. Le Duc établit les instances judiciaires nécessaires pour rendre inutile le recours étranger. Trois instances suffisent pour la prompte expédition des affaires. Le Duc assigne les dépenses de l’ordre judiciaire sur la caisse publique. Art. 7. Il sera établi un Conseil d’Etat dont le Duc est Président et le Ministre actuel Vice-Président. (Il sera établi un Conseil intime qui rédige les projets de loi dont le Duc est Président. . . ) Art. 8. Le Conseil d’Etat rédige les projets de Loi, arrête les Réglemens d’administration publique, entretient les rélations extérieures, il délibère sur la demande en Concession de Privilèges d’une grande importance, il verifie et fixe les dépenses annuelles de l’Etat et communique à cet effet avec les Etats, et délibère généralement sur tous les objets qui lui sont soumis par le Duc. Art. 9. Aucun menbre du département de la Justice ne pourra être Conseiller d’Etat (membre du Conseil intime). Art. 10. La direction de toutes les Branches de l’administration est confiée à un Ministre; il reçoit, a cet effet, directement et immédiatement les ordres du Duc, envers lequel il reste responsable de Sa Gestion.

624

Textanhang Art. 11.

Une haute Cour Ducale connoit: 1er des délits personnels commis par les membres de la famille ducale, par le Ministre, par les membres du Conseil d’Etat, par les grands officiers de la cour, par les Présidents des premiers corps de l’Etat, par le chef militaire. e 2 des Crimes, attentats et complôts contre la surêté intérieure et extérieure de l’Etat, la personne du Duc et celle de l’heritié presomptif. 3e des délits de responsabilité d’office commis par le Ministre, les Conseillers d’Etat, le chef militaire, les grands officiers de la cour, et les Présidents des premiers corps de L’Etat. (gesamter Absatz gestrichen) Art. 12. La haute Cour ducale est composée des Princes de la maison, du Ministre, des Conseillers d’Etat, des grands officiers de la cour, du chef militaire, des Présidens des premiers corps de l’Etat et de tous les Juges des tribunaux supérieurs. Le Président est nommé par le Duc chaque fois que la haute Cour ducale est convoquée. (gesamter Absatz gestrichen) Art. 13. Les arrêts rendus par la haute Cour ducale ne sont soumis à aucun recours si ce n’est directement au duc. (gestrichen) Art. 14. Le droit de conscription militaire et de recruer est exercé par le Duc jusqu’à concurrence du Contingent à fournir: nul individu qui a atteint l’âge de 18 ans accomplis n’est de droit exempt de la Conscription. (letzter Halbsatz gestrichen) La dépense nécessaire pour l’habillement, l’armement, la nourriture, le logement et l’entretien du militaire est assignée par le Duc sur la caisse publique. L’autorité du Duc sur l’Etat militaire est illimitée. Art. 15. Le libre exercice de tous les Cultes, est toléré et protégé par le Gouvernement. Art. 16. Pour la répartition des impôts publics, il est établi en principe immuable que nul ne peut etre dispensé d’acquitter les Taxes personnelles ou la Contribution foncière à laquelle il seroit imposé a raison de ses Biens. D’un autre côté tout Propriétaire de Terres nobles ou féodales aura la jouissance pleine et entière de sa propriété de manière que chaque Vasall pourra disposer librement de ses Biens, sans préjudice neaumoins aux droits des Agnats. Les Domaines et Biens qui pourroient advenir au Duc posterieurement à la publication de la présente Constitution, soit par héritage, acquêt ou autrement seront de même passibles de l’Impôt. En cas de Guerre, les charges extraordinaires qui en résulteront et qui seront susceptibles de répartition, seront réparties dans une juste proportion sur tout le pays. Cette proportion sera établie par une loi des Etats, et la Répartition sera faite par le pouvoir exécutif.

Textanhang

625

Art. 17. Le duc peut supprimer les droits féodaux dans tout le Pays, à charge d’une juste et suffisante indemnité. (gestrichen) Art. 18. Tous les impôts et revenus publics qu’elle qu’en soit la dénomination, autres que ceux compris en l’art. 11 Tit. I. de la présente Constitution qui sont assignés au Duc, seront versés dans la caisse publique. Art. 19. La caisse publique est administrée par un Receveur, un Contrôleur, et un nombre suffisant d’employés subalternes. Art. 20. Les Etats ne peuvent, sous aucun prétexte, refuser de voter les subsides nécessaires pour l’acquit des interêts de la dette, pour la création d’un fond d’amortissement et pour le payement des dépenses de l’Etat, y compris les melioriations nécessaires. Art. 21. Ce fond d’amortissement est destiné à éteindre successivement la dette dont a caisse générale des domaines et de la guerre étoit grevée au 1er Juillet de la présente année et un Remboursement des avances que la banque a faites pour les besoins du pays et le Payement de dettes anciennes. A l’avenir, le duc ne pourra hypothéquer aucun Emprunt sur la Caisse publique. Art. 22. Un tableau général des besoins de l’Etat pendant l’exercice suivant, sera le 1er Mai de chaque année, présenté à l’assemblée des Etats qui d’après son Examen, votera les subsides nécessaires. Les Etats ont le droit d’exprimer au Duc leur sentiment sur le Contenu de ce Budget. Art. 23. Afin qu’il ne puisse, sous aucun prétexte etre assigné sur la caisse publique des dépenses qui ne sont point à sa charge, le compte annuel, aussitôt qu’il pourra être terminé en sera présenté à l’examen et à la vérification des Etats. Art. 24. Après que les impôts auront été decrétés ou fixés par une loi sur les finances, le duc en vertu du pouvoir exécutif qui lui en délégue en fera opérer le recouvrement par les agens qu’il établit à cet effet en surveillera la rentrée et en dirigerea l’Emploi sans le Concours et la participation des Etats. Art. 25. Le Duc peut établir les Réglements d’administration qu’il juge les plus convenables. Cet objet n’est point dans les attributions des Etats.

626

Textanhang

13. Entwurf eines Publikandums über neue Regierungsgrundsätze von 1807 (StACo LA F 5931 fol. 17 – 19’) Patent über die künftige Art zu regieren Ernst pp. Wir haben mit Bedauern aus den Uns vorgelegten Akten wahrgenommen, welche GreuelScenen in Unserer Abwesenheit in Unserem Lande statt hatten, daß man Faktionen stiftete um Gesezlosigkeit herbeyzuführen, daß Unterthanen Ihren Obrigkeiten den Gehorsam versagten daß obrigkeitliche Behörden selbst das strafliche Beyspiel von Widerspenstigkeit gegen Verordnungen Unserer Landes-Regierung gegeben haben, daß man treulos die Unterthans-Pflichten verläugnete und sich fremden Regierungen aufdrengen wollte, daß sogar mehrere Gemeinden in die Residenz zogen um von Unserer zurükgelassenen Familie und Unserm Landes-Ministerium Gelder abzudringen, welche nicht in Ihrer Gewalt waren und den Lauf der Criminal-Justiz gewaltsam zu stoeren, daß sogar Volkslehrer sich nicht gescheut haben Ihren Gemeinden Mistrauen und Widerspenstigkeit gegen die Regierung anzustoßen. Unter Unserer Regierung werden Wir öffentliche Auftritte mit aller der Strenge behandeln, welche der Ruf des Staats, die Unverlezlichkeit der Gesezze das Ansehen der Regierung und das Wohl des Ganzen nothwendig macht. Wir machen aber auch Unsere Unterthanen mit den Grundsezzen und den Maximen bekannt, nach welchen nunmehro die Staatsverwaltung geschehen soll. In der hoechstmoeglich erleichterten Ausbildung der menschlichen Kraefte und Fähigkeiten sehen Wir den Zwek des Staats. In einer zwanglosen Beförderung des Gewerbfleißes, aller Art, durch consequente Policey, in einer strengen, schnellen und unpartheyischen Justizpflege, in gleichheitlich vertheilten Staatslasten, in einer offenen, rechtlichen und sparsamen Finanz-Verwaltung finden Wir die Mittel Unseren Staat diesem Zwekk näher zu bringen. Unsere Regenten-Handlungen bey Ertheilung und Vollziehung der Gesezze, werden sich derenthalben nur nach dem Maaßstabe der Gerechtigkeit richten. Wir werden von Unseren Landen keine Auflagen fordern, als welche unmittelbar zur Bestreitung der Staats-Ausgaben nothwendig sind. Von Unserm Domainial-Vermoegen werden Wir ausschließlich die Ausgaben Unseres Hofes bestreiten, Wir werden Unserem Lande eine Verfaßung geben, welche daßelbe auf immer vor Willkührlichen Auflagen schüzt. Wir werden aufrichtig verfügen, daß für Hof-Bedürfniße und für Vergnügen des Regenten nie Schulden auf das Land gemacht werden koennen. Unsere Staatsdiener werden Wir nach Verdiensten besolden und belohnen, die im Dienst arbeitsunfähig gewordenen Staatsdiener sowie Ihre hinterlassenen Witwen und Kinder werden Wir durch Pensions-Anstalten versorgen. Aber bey diesen Grundsaezzen der Regierung verlangen Wir auch von Seiten Unserer Unterthanen und Diener, Treue, Gehorsam gegen die Gesezze und überhaupt gegen die gesamten Anordnungen der Obrigkeiten, insbesondere Ordnung, Pünktlichkeit und Aufmerksamkeit und treue Befolgung der Befehle im Dienste. Eben deswegen sind Wir verpflichtet jede Verlezzung dieser Pflichten streng und unerbittlich zu ahnden. Wir sezzen fest:

Textanhang

627

1.) Unterthanen, sowohl Gemeinden und einzelne, welche sich gegen allgemein verbindliche Polizey- und Finanz-Gesezze und Anordnungen der Verfaßungsmaeßigen Gewalten auflehnen, denselben den Gehorsam verweigern oder andere zur Verweigerung verleiten, werden auf der Stelle als Aufwiegler und Ruhestoerer auf den Antrag der obersten Polizey-Stelle nach erhobenem Thatbestande militairisch gerichtet. Die Civil-Justizpflege kann nur bey Parthey-Sachen wirksam seyn, und der Criminal-Richter kann nur bey solchen Verbrechen sein Amt verwalten, wo die öffentliche Ruhe des Staates nicht in Gefahr ist. Alle Angelegenheiten welche die wechselseitigen persoenlichen Rechtsverhaeltnisse der einzelnen Bürger oder Gnaden-Sachen, Privilegien und d. gl. betreffen, sind von dieser Bestimmung ausgeschloßen. 2.) Oeffentliche Beamte, welche Aufwiegler und Ruhestoerer entweder durch Rathschlaege oder zweydeutiges Benehmen unterstüzzen, oder sie nicht sogleich zum Vollzug der gebührenden Strafe ergreifen laßen, werden auf der Stelle Ihres Dienstes entsezt. 3.) Sachwalter, welche den Gemeinden oder einzelnen Unterthanen gegen allgemein verbindliche Landes-Gesezze und Verordnungen mit Rathschlaegen an die Hand gehen dieselben zu Widersprüchen reizen, oder Schriften gegen die Verbindlichkeit allgemeiner Landesgesezze im Namen der Partheyen fertigen und diese dadurch zum Ungehorsam gegen dieselben verleiten, werden als Theilnehmer an Volks-Verführung der Praxis und aller Staatsdienste verlustig. 4.) Jeder Beamte, er sey in Staatlichen, Adelichen oder Unseren unmittelbaren Diensten, welcher die Befehle seiner Oberbehörde nicht schnell mit der genauesten Pünktlichkeit und dem eigentlichen Inhalte gemäß vollziehet, oder bey der Vollziehung durch sein Benehmen den Unterthanen wohl gar Mistrauen einfloeßt und sich gegen dieselben Bemerkungen über die Verordnung erlaubt wird auf der Stelle des Dienstes entsezt. 5.) Alle öffentlichen Diener überhaupt ohne Unterschied des Standes und Ranges und des Dienstes worinnen sie sich befinden welche sich gegen Ihre Obern des Ungehorsams einer Beleidigung oder einer Unbescheidenheit im Dienste schuldig machen oder die Ihnen übertragenen Geschefte vernachlaeßigen oder den Dienst-Reglements nicht gemäß handeln, werden nach erhobenem Thatbestande ohne weiteres verabschiedet. Jeder oefentliche Diener, welche die Ihnen anvertrauten Dienst-Sachen ausplaudern, sich darüber mit Personen welche davon nicht unbedingt unterrichtet seyn müßen unterhält, wird entlaßen und die Ursache seiner Entlaßung öffentlich bekannt gemacht. Urkundlich haben Wir dieses Patent eigenhaendig vollzogen und besiegeln laßen.

628

Textanhang

14. Instruktionsreskript für das Konsistorium vom 2. Juni 1808 (StACo Kons. 1130 fol. 2 – 4’) Instructions-Rescript für das Consistorium Wir E r n s t, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen etc. etc. haben bey der Prüfung, welcher Wir die seither bestandene Einrichtung Unserer LandesCollegien unterworfen haben, gefunden, daß die Verbindung der Kirchen- und Schulwesens mit der Landesregierung als demjenigen Collegium, welchem die Verwaltung der Landeshoheits-Angelegenheiten, der Policey, der Finanzen und eines Theils der Militär-Sachen anvertraut war, nicht vortheilhaft gewesen ist. Es konnte da auf diese Gegenstände unmöglich diejenige große Aufmerksamkeit gewendet werden, die sie so sehr erfordern. Wir haben daher beschloßen, die Oberaufsicht über das Kirchen- und Schulwesen von jenem Collegium wieder zu trennen, und solche einem eigenen Collegium, dem dazu bestellten Consistorium anzuvertrauen. Wir setzen und ordnen demnach, wie folget. 1.) Collegium. Unser Consistorium macht die zweite Abtheilung Unserer Landesregierung aus, und es haben der Präsident, die Räthe und Aßeßoren u.s.w. deßelben mit den übrigen Präsidenten, Räthen und Aßeßoren u.s.w. gleichen Rang, welcher sich jedoch bey den einzelnen Gliedern nach dem Alter der Dienstanstellung bestimmt. 2.) Personale. Unser Consistorium besteht aus einem Präsidenten, den erforderlichen geist- und weltlichen Räthen und Aßeßoren, sodann dem nöthigen Canzley-Personale, wozu sich daßelbe das Personale Unserer Landesregierung als Landeshoheits-, Finanz- und Policey-Collegium in Ansehung des Secretairs, des Registrators, der Revision, der Sportelkaße-Officianten, der Canzlisten und Boten zu bedienen hat. 3.) Geschäftsbezirck. Was den Geschäftsbezirck betrift, welchen Wir Unserm Consistorium anweisen, so besteht derselbe in nachfolgenden Gegenständen: a.) die Prüfungen derjenigen, welche sich dem Kirchen- und Schulstande widmen wollen; b.) die Besetzung der Kirchen- und Schulstellen; c.) die Oberaufsicht über die Amtsführung der Kirchen- und Schullehrer; In weltlichen und bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, wie auch in Criminal-Fällen stehen sie unter dem

Textanhang

629

Justiz-Collegium. Es muß jedoch in solchen vorkommenden Fällen, bey welchen der Dienst in Rücksicht des nöthigen Ansehens oder der Besorgung leiden würde, sogleich von jenem Collegio Nachricht an Unser Consistorium ertheilt werden; damit dieses Collegium die nöthigen Verfügungen treffen kann; d.) die Oberaufsicht und Anordnung der Liturgie, Visitationen, Kirchen- und Schulgesetze, Festtage, Kirchengebete u.s.w. e.) die Ertheilung der Dispensationen von kirchlichen Vorschriften bey der Taufe, Abendmahl, Trauung, Verheyrathung, Begräbniß u.s.w. f.) die Oberaufsicht über Kirchen- und Schulgüter, Besoldungen, Stiftungen, Stipendien, Freytische u.s.w. g.) die Oberaufsicht über das Litteratur-Wesen, Bücher-Censur, Lesegesellschaften u.s.w. h.) die Wahrung der Kraft der Kirchengewalt zuständigen Rechte und Befugniße. i.) Dagegen werden Eheverspruchssachen, Schwängerungssachen, Unehesachen, wenn zuvörderst die Güte vor dem treffenden Geistlichen versucht worden, aber nicht stattgefunden hat, und andere ähnliche Gegenstände, welche ehedem aus sehr mittelbaren Beziehungen für kirchlich angesehen wurden, von der treffenden Justizstelle verhandelt. 4.) Verwaltung im Allgemeinen. Um die wohlthätigen, großen Folgen für das Ganze zu erhalten, welche aus wohleingerichteten Kirchen- und Schulanstalten hervorgehen, hat Unser Consistorium vorzüglich dahin zu sehen, daß die Stellen der Kirchen- und Schullehrer nur mit solchen Personen besezt werden, die die zu Stelle nöthigen Kenntniße vollkommen und gründlich besitzen, daß diese Lehrer einen solchen Lebenswandel führen, welcher den besten Beweis von der Güte der Lehre, die sie empfehlen, abgeben kann, daß bey den Kirchen und Schulen Unserer Lande solche Anstalten getroffen, solche Vorschriften und Gesetze gegeben werden, welche ein vernunftmäßiges Christenthum möglich machen, und in dem Unterricht der Jugend den Grund zu einem künftigen glücklichen und brauchbaren Bürger im Staate legen. Kirchen und Schulen müßen Uns heilig seyn, und Wir wollen daher, daß kein Unwürdiger zu einem Kirchen- oder Schuldienst in Unsern Landen gelange, und machen deshalben Unser Consistorium verantwortlich; es muß bey der Besetzung dieser Stellen durchaus keine Rücksicht auf Personen und Verhältniße genommen werden, sondern lediglich die Kenntniße und der moralische Character der um eine Stelle sich Bewerbenden müßen entscheiden. 5.) Insonderheit in Rücksicht der Diener. Unser Consistorium hat daher besonders dahin zu sehen, daß kein unfähiger Kopf sich den Wißenschaften widme, arm kann er seyn; daß nur der geschickte und sittlich gute Mann in Dienst gelange; daß während des Dienstes derselbe nicht rückwärts gehe. Dazu hat sich nun Unser Consistorium folgender Mittel zu bedienen: a.) zweckmäßiger Prüfungen. Die Zweckmäßigkeit derselben begreift auch in sich, daß sie frühe und zu der Zeit angestellt werden müßen, zu welcher es noch Zeit ist, den Jüngling von der vergeblichen Verwendung der Zeit und der Kosten für einen Stand, dem er nicht nützlich werden kann, abzuhalten. Außer den in den Schulen anzustellenden jährlichen Prüfungen, welchen besonders die Glieder Unsers Consistoriums beizuwohnen haben,

630

Textanhang

soll kein auf Unserm Gymnasium studirender die Academie besuchen, bevor er von Unserm Consistorium geprüft worden ist, ob er sich dazu tüchtig befinde. Wer sich dieser Prüfung entzieht, kann keinen Anspruch auf künftige Beförderung in Unsern Landen machen. Dem Fremden entgeht das Attestat, daß er seine Zeit auf dem hiesigen Gymnasium nützlich verwendet habe. Demjenigen, welcher für untüchtig befunden worden, soll Unser Consistorium nachdrücklichst anrathen, ein anderes Geschäft zu ergreifen, jedoch wollen Wir keinen Zwang eintreten, und einen solchen mit Gewalt vom Studiren abhalten laßen. Wenn er jedoch von der Universität zurück kommt, und bey der mit ihm alsdann anzustellenden weitern Prüfung ebenfalls als untüchtig für den Kirchen- und Schuldienst befunden wird, so ist er nicht in die Zahl der Candidaten aufzunehmen, und er hat sich alsdann lediglich es selbst zuzuschreiben, daß er dem ihm von Unserm Consistorium ertheilten Rath kein Gehör gegeben hat. Bey den Prüfungen, die vor Unserm Consistorium mit denjenigen, welche als Candidaten des Predigt- oder Schul-Amtes aufgenommen werden wollen, vorzunehmen sind, ist nicht blos auf Kenntniße, sondern auch auf Zeugniße über den vorher geführten Lebenswandel zu sehen. Die Kenntniße müßen gründlich und die Sitten rein seyn. Diejenigen, welche als Candidaten des Predigtamtes aufgenommen worden sind, hat das hiesige Stadtministerium entweder durch schriftliche Aufsätze, wenn sie zu weit von hier entfernt sind, oder mündlich unter der Direction Unsers General-Superintendenten zu verschiedenen malen im Jahre durch die sogenannten colloquia zu prüfen, um beurtheilen zu können, in wiefern sie Fortschritte in der Wißenschaft machen; und darüber ist jährlich ein Bericht an Unser Consistorium zu erstatten. Diejenigen, welche als Candidaten oder Präceptoren für die Landschulen angenommen sind, haben sich ehe sie durch Unser Consistorium eine Schulstelle erhalten können, im Baggeschen Institute als Lehrer zu üben, und die nöthigen Zeugniße deshalben sich zu erwerben. Ebenso zweckmäßig und gewißenhaft sind von Unserm Consistorium die Prüfungen zu leiten, wenn ein Candidat des Predigtamtes oder des Schulstandes eine wirckliche Kirchen- oder Schulstelle erhalten soll; und Unser Consistorium bleibt Uns verantwortlich, wenn es einen an Kenntnißen und sittlichem Betragen Untüchtigen zu einer solchen Stelle empfiehlt. Damit aber auch während der Dienstzeit ein angestellter Kirchen- oder Schuldiener in seinen Kenntnißen nicht stehen bleibe, oder wohl gar zurückgehe, so befehlen Wir Unserm Consistorium, daß daßelbe jährlich einmal mehrere zweckmäßige Materien zu Bearbeitung angebe, aus welchen sich die Kirchen- und Schuldiener eine oder mehrere zu wählen haben. Diese Aufsätze sind von den Geistlichen und Landschullehrern, an den treffenden Ephorus, von den Lehrern der sogenannten lateinischen Schulen an die Synode Unsers Gymnasiums einzusenden, und die Ephorie und die Synode haben solche alsdann mit raisonnirenden Berichten zur weitern Beurtheilung an Unser Consistorium jährlich einzusenden. Wir hoffen dadurch Gelegenheit zur nähern Kenntniß des Kirchen- und Schulpersonals zu erhalten, um hiernach Uns bey weitern Beförderungen bestimmen zu können. b.) Der Conduitenlisten. Wir beziehen Uns hierbei auf dasjenige, was Wir deshalben in dem Instructions-Rescript an Unser Justiz-Collegium bemerckt haben. Wir wollen keine heimlichen Denunciationen und dergleichen damit bezwecken, aber Wir wollen wißen, ob Unsere Geistlichen und Schullehrer selbst in öffentlicher Unehe leben, ob sie verschuldet sind, ob sie ihr Amt gewißenhaft verwalten, ob der Schullehrer die Schulen ordentlich

Textanhang

631

und fleißig hält, und ob der Geistliche gehörig die Schulen besucht, u.s.w. Jeder Ephorus hat hierüber Aufsicht zu halten, und jährlich an Unser Consistorium Bericht zu erstatten. 6.) In Rücksicht der Kirchenordnungen und Gesetze. In Ansehung der in Unsern Landen noch statt habenden Kirchenordnungen und Gesetze, so sind solche zum großen Theil veraltet, und nicht mehr zu einer zweckmäßigen Anwendung geeignet. Wir tragen daher Unserm Consistorium auf, eine Revision der sämmtlichen Kirchengesetze vorzunehmen, und Uns Vorschläge und Entwürfe zu deren Verbeßerung und Einführung neuer einzureichen. 7.) Geschäftsgang. Der Geschäftsgang bey Unserm Consistorium kann in der Regel nur der collegialische seyn. Unsere geistlichen und weltlichen Räthe haben sich gemeinschaftlich über das Beste Unserer Kirchen und Schulen jederzeit zu vereinigen. Da an manchen Orten bey Unsern Kirchen und Schulen besondere Verhältniße und Herkommen eintreten, so ist darüber ein eigenes Prinzipienbuch anzulegen, damit stets eine gleiche Verfahrungsart statt findet. Nicht weniger sind die über die Prediger, Schullehrer und Candidaten zu führenden Verzeichniße genau zu halten, und da sie bis jetzt nicht ganz zweckmäßig eingerichtet sind, in einer beßern Form herzustellen. 8.) Generalbericht. Am Schluße eines jeden Jahres hat der Präsident Unsers Consistoriums einen Generalbericht über den Kirchen- und Schulzustand in Unsern Landen an Uns zu erstatten. In demselben erwarten Wir angegeben, was zum Besten derselben geschehen ist, und was noch zu thun ist mit den nöthigen Entwürfen dazu. 9.) Schluß. Endlich verweisen Wir Unser Consistorium auf das Geschäftreglement vom 17. April 1802, welches Wir, insofern es durch dieses Rescript nicht aufgehoben oder abgeändert ist, bestätigen. Die an Unsere Landesregierung und an das Justiz-Collegium erlaßenen Instructions-Rescripte theilen Wir Unserm Consistorium anliegend ebenfalls in beglaubter Anschrift mit, um sich seiner Seits so viel sie daßelbe angehen, darnach achten zu können. Coburg zur Ehrenburg, den 2. Juni 1808. Ernst HzSCS Gruner

632

Textanhang

15. Publikandum über die Organisation des Landesministeriums vom 4. Juni 1808 (StACo LA K 409, fol. 4 – 7’) Publicandum die neue Organisation des Landes-Ministerii betreffend Wir Ernst tot. tit. haben bei genauer Prüfung der zeitherigen administrativen Staats-Einrichtungen Uns veranlaßt gesehen zuförderst Unserm Landes-Ministerio folgende neue Einrichtung zu geben welche Wir hiermit zur öffentlichen Kenntniß und Nachachtung gebracht wißen wollen. §. 1. Geschaeftskreis. In dem Geschäftskreis des Landes-Ministeriums liegt 1.) Die Besorgung der Familien-Angelegenheiten Unsers Herzogl. Hauses, soweit sie Hausverträge, Ehepacten, Witthumsverträge, Testamente u.s.w. betreffen. 2.) die Besorgung der auswärtigen Verhältniße und Staatsrechtlichen Angelegenheiten. 3.) die oberste Leitung der Staatswirthschaft in allen Policey- Justiz- Finanz- Lehn- und Kirchensachen. 4.) die General-Controle über alle Staatsämter. 5.) das Militärwesen so weit es in diesen Geschäftskreiß eingreift. §. 2. Personaletat. Zur Besorgung dieser Geschäfte bestimmen Wir folgendes Personale. 1) Drey geheime Conferenzräthe, unter denen der erste den Vorsitz und die Direction des Geschäftsgangs hat. 2) Einen geheimen Archivar. 3) Einen Oberrevisor, der zugleich in Rechnungssachen die Expeditionen abzufaßen hat. 4) Zwei expedirende Secretär. 5) Zwei Registratoren. 6) Einen Botenmeister. 7) Zwei Canzlisten und 1 Boten. Wir werden jedoch zur Bildung in den Geschäften auch Referendarien zuziehen und Wir behalten Uns vor, nach den Fähigkeiten derselben und nach ihrer Anzahl den Antheil, welchen sie an den Geschäften nehmen sollen besonders zu bestimmen. §. 3. Pflichten der geheimen Conferenzräthe. Allgemeine Attribute derselben. Die Attribute der geheimen Conferenzräthe bestehen in Sitz und Stimme bei Unserm Landesministerium. Dieses hat dem nach einen collegialische Verfaßung und steht unter Unserm eignen Praesidio. Das ganze Collegium ist Uns verantwortlich und das einzelne Mitglied dem Collegio.

Textanhang

633

§. 4. Departements-Vertheilung. Um dieser Verantwortlichkeit den Character der Würklichkeit aufzuprägen haben Wir die Vertheilung der Departements auf folgende Weise beschloßen. Gegenwärtig ist einem Rathe das Landeshoheits- und Staatsrechtliche Departement nebst Besorgung Unserer Hausangelegenheiten und Handhabung der General-Dienst-Controle, einem andern das Finanzdepartement, einem andern das Departement der Policey und der National-Oeconomie zu übertragen. §. 5. Wesen der Departements-Vertheilung. Das Wesentliche der Departementsvertheilung besteht darinnen daß jedes Mitglied des Landesministeriums seinen eigenthümlichen Würkungskreis kennt. Die Branche, wodurch er bezeichnet ist, bezeichnet den Gegenstand seiner Curatel und seiner Verantwortlichkeit. Es ist Sache des Departementsraths, seinen Würkungskreis mit Pünktlichkeit und Ordnung zu beherschen und Uns und dem Collegio über jeden einzelnen Theil deßelben zu jeder Zeit Red und Antwort geben zu können. Hierdurch ist jedoch die collegialische Berathung keineswegs ausgeschloßen. Sollte jedoch ein Departementsrath sich durch das Resultat einer collegialischen Berathung beschränkt erachten; so steht es ihm frey sich darüber ein Conferenz-Protocoll zu erbitten. Es hat sich jeder Einzelne durch Lesung der Acten, so wie durch die Vorträge in den Conferenzen beständig in Uebersicht des Ganzen zu erhalten. Vorzüglich müßen sich die andern Departements-Chefs eine stete allgemeine Uebersicht der Finanzen zu erwerben beflißen seyn. §. 6. Wißenschaftliche Cultur des Departements. Zur speciellen Pflege des Departements ist auch die wißenschaftliche Bearbeitung deßelben besonders erforderlich. Es gehört zu den Pflichten des Departementsrath, bei seinen Vorschlägen über den jährlichen Zuwachs der Geschäfts-Bibliothek dafür zu sorgen, daß ihm nichts unbekannt bleibe, was die wißenschaftliche Cultur des einen oder des andern staatswirthschaftlichen Zweiges Wesentliches zu Tag gefördert hat. Die Leitung zur Anfertigung der Principienbücher ist ein wesentlicher Theil dieser wißenschaftlichen Beschäftigung. §. 7. Modificationen der Departements-Vertheilung. Nach den Grundsätzen §. 5. kann die Geschäftsvertheilung nie in einem so strengen Sinn genommen werden, der ihr Wesen vernichtete. Vielmehr giebt es Modificationen, welche die Natur der Sache an die Hand giebt. Rücksicht auf die persönlichen Neigungen und Fertigkeiten laßen kleine Abänderungen zu, durch welche der Dienst gewinnt. Eben so kann öfters die Rücksicht auf den Gegenstand eine Modification anrathen. Die Allgemeinheit deßelben läßt mehrere Ansichten nach dem Gesichtspunct des Staatsrechts, der Finanzen und der National-Oeconomie zu. Die überwiegende Ansicht und das Resultat geht dann aus dem Zusammenwürken mehrerer Departementsräthe hervor. Es versteht sich daher von selbst, daß jeder Rath befugt ist in andern ihm nicht besonders zugewiesenen Departements schriftliche und mündliche Anträge zu thun, und dadurch geeignete Motiven zu unterstützen.

634

Textanhang §. 8. Geschaeftsgang. Direction des Geschäftsgangs.

Die eingehenden Sachen werden wenn sie nicht zu Unserer höchsteigenen Erbrechung addreßirt sind, von dem vorsitzenden Rathe erbrochen, präsentirt und nach Maasgabe der Departementsvertheilung zugetheilt. Die Sorgfalt des vorsizzenden Raths muß auch dahin gerichtet seyn, daß jede Expedition bei allen Bureaux bis zu ihrem Abgang eine rasche Förderung finde. In Abwesenheitsfällen hat der nächste im Dienstalter diese für den Dienst höchst wesentliche Aufsicht zu führen. §. 9. Conferenzen. Zur Förderung der collegialischen Berathung werden wöchentlich zwey Conferenzen jedesmal am Mittwoch und am Sonnabend gehalten. Wenn es die Geschäfte erfordern, so werden Wir die Räthe auch an andern Tagen zusammen berufen. §. 10. Vollziehung der Ausfertigungen. Da Wir Uns der Regierungsgeschäfte im vollen Umfange annehmen; so darf ohne Unsere Kenntniß und ohne Unsere Entscheidung durchaus nichts geschehen. Zur Controle dient Uns hierüber der Vortrag in den Conferenzen und die Zeichnung der Concepte so wie die Unterschrift der Reinschriften. Um jedoch dem Geschäftsgang denjenigen raschen Gang zu verschaffen auf welchen Wir durchaus dringen müßen; so wollen Wir alle unnöthigen Vorlegungen vermieden wißen und theilen deshalb die Verfügungen ein a.) in solche, von denen nicht nur der Entwurf von Uns gezeichnet, sondern auch die Reinschrift von Uns vollzogen seyn muß. b.) in solche, deren Concept von Uns gezeichnet seyn muß, ohne daß jedoch das mundum von Uns unmittelbar vollzogen wird. c.) in solche die Unserer Zeichnung gar nicht bedürfen. Die Bestimmungen, bei welchen Verfügungen der eine oder der andere dieser Fälle eintritt, setzen Wir in folgendem fest. §. 11. Fortsetzung. Es werden alle Verfügungen im Concepte von Uns gezeichnet und im mundo von Uns vollzogen, welche Bestätigung von Criminalurtheilen, von Lehen, von Innungen, Corporationen, Stiftungen und Gemeinheiten enthalten, ferner alle neue Justiz- Policey- und Finanzgesetze, Verordnungen, Mandate und Publicanda, Acta der unmittelbaren Correspondenz mit auswärtigen Souverains, Begnadigungen aller Art, Bestallungen, Titelertheilungen, Remiße, Instructions-Rescripte über neue Prinzipien in allen Zweigen der Staatswirthschaft, neue Etats für die General- und Special-Staats-Caßen, Dechargen über Rechnungsführung, über Mehrausgaben und über ungewöhnliche Ausgaben. Hierher gehören auch die Ausfertigungen an das Obermarschallamt und an die Commandantenschaft, jedoch mit Ausnahme derjenigen Communicationen welche das Ministerial-Collegium in Form der Anschreiben an diese Behörden erläßt.

Textanhang

635

§. 12. Fortsetzung. Alle übrigen Verfügungen sind entweder anordnenden oder vorbereitenden Innhalts. Zur ersten Claß gehören alle Rescripte, Decrete und Erlasse, auf deren Veranlaßung irgend eine würkliche in der Staatsadministration sichtbare Handlung geschiehet oder geschehen soll. Wenn eine anordnende Verfügung nicht auf der unzweideutigsten Anwendung eines vorliegenden Gesetzes, oder eines von Uns ausdrücklich genehmigten Princips beruht, so kann sie ehe das Concept von Uns gezeichnet ist, nicht ausgefertigt werden. Vorbereitende Verfügungen aber, welche keinen Act anordnen, sonder nur auf Abforderung von Auskunft, von Acten, auf Einleitung wißenschaftlicher Erörterungen und Untersuchungen, auf Leitung derselben durch Subsidien und Winke beschränkt sind, nicht activ in die Staatswirthschaft am wenigsten in die Caßenzustände eingreifen bedürfen auch im Concept Unserer Zeichnung nicht. Hierher gehören auch diejenigen anordnenden Verfügungen welche auf vorliegenden Dienstinstructionen, Reglements, Gesetzen und ausdrücklich von Uns genehmigten Principien beruhn. §. 13. Fortsetzung. Alle § 11 bezeichneten Ausfertigungen werden vor Unserer Vollziehung von demjenigen geheimen Conferenzrath, in deßen Departement die Sache gehört, contrasignirt. Alle Dienstanstellungspatente, Verfügungen über Staatsdiener, Geschäftsregelments für die Behörden, welche eigentlich alle Departements gemeinschaftlich angehen, werden von dem vorsitzenden geheimen Conferenzrath contrasignirt. Diejenigen Communicationen, welche das Ministerial-Collegium an auswärtige Landesministerien und andere Behörden erläßt werden von sämtlichen Mitgliedern deßelben in der Reinschrift unterzeichnet. Alle diejenigen Erlaße welche in der Reinschrift von Uns nicht unterzeichnet werden, sind von dem vorsitzenden geheimen Conferenzrath und dem Departementsrath zu unterzeichnen. Treffen beide Personen in einer zusammen, so geschieht die Mitunterschrift von dem in Rücksicht des Dienstalters nachfolgenden Mitgliede. In Gegenständen der Dienstpolicey vollzieht und contrasignirt der vorsitzende geheime Conferenzrath ganz allein. §. 14. Nähere Bestimmung wegen der Conferenzen. Die Mittwochs-Conferenz wird unter Unserm unmittelbaren Vorsitz gehalten. Diejenigen Vorträge, welche zu den beiden erstern und wichtigern Verfügungen führen, sind die Hauptgegenstände dieser Conferenz. Die Sonnabends-Conferenz ist für die Versammlung der Räthe bestimmt. Sie machen die letzte Claße der Ausfertigungen ab und bereiten die übrigen zum Finalvortrag in der nächsten Mittwochs-Conferenz vor. Ueber alle im Laufe der Woche ohne Unsere Kenntniß ausgefertigten Verfügungen muß Uns mit Vorlegung des Tagzettels in der nächsten Mittwochs-Conferenz Vortrag gemacht werden. §. 15. Fortsetzung. In der Regel werden zu den unter Unserm Vorsitz zu haltenden Sitzungen nur die 3 Mitglieder des Landes-Ministeriums zugezogen. Wir werden jedoch nach Maßgabe der Veranlaßungen auch den Vorsteher des geheimen Archivs zum Vortrag wichtiger diplomatischer

636

Textanhang

Angelegenheiten, die Chefs der Landescollegien zur Berathung wichtiger Gegenstände, die ersten Militärs zur Abmachung der Landes-Militär-Gegenstände, die Referendärs zur Erprobung ihrer Fähigkeiten zu den Conferenzen vorbescheiden. Auch hat der vorsitzende Rath hiezu so oft es erforderlich ist, Uns Anlaß zu geben. In Fällen wo die Führung eines Protocolls über die Verhandlungen in den Ministerial-Conferenzen nothwendig wird, liegt selbige Unserm geheimen Cabinets-Secretär ob. §. 16. Fortsetzung. Die Secretarien haben zwar eigentlich nur nach der Decretur und nach den Abstimmungen zu arbeiten. Damit sie sich jedoch im Dienste zu bilden Gelegenheit haben, so können ihnen auch die Departementsräthe Vorarbeiten und Vorträge zu machen aufgeben. Der Rath, der sie zum Vortrag bringt, steht aber für dieselben ein. Die Art, wie Referendarien gebildet und beschäftigt werden, beruht vorzüglich auf einer sachgemäßen Anwendung dieser Bestimmung. Dieselbe Bemerkung greift auch in Rücksicht des Oberrevisors Platz. Alle Verantwortung beruht auf dem Departementsrath, unter dessen Leitung und Prüfung er arbeitet. §. 17. Dienstcontrole. Damit Wir immer darauf rechnen können, daß dieser Geschäftsgang in dem angeordneten Maase eingeleitet und erhalten werde; so setzen Wir noch folgende Bestimmungen fest: 1. Der vorsitzende geheime Conferenzrath hat darauf Bedacht zu nehmen, daß von den einzelnen Räthen von Woche zu Woche aufgearbeitet und wo durch zufälliges Zusammentreffen sich übermäßige Anhäufungen zeigen sollten, durch Vertheilung Aushülfe geschafft werde. 2. Die Restenverzeichniße sind Uns pünctlich in der ersten Conferenz jeden Monats vorzulegen. Diese beyden Puncte sind besonders strenge zu behandeln und machen Wir den vorsitzenden Rath deshalb besonders verantwortlich. 3. Jeder Departementsrath hat zwar für den raschen Gang der treffenden Expeditionen nächst dem vorsitzenden Rath mit besorgt zu seyn, und hiernach seine Curatel auf die ihn zunächst angehenden Theile der Secretärs-, Registratur- und Canzleyarbeiten mit zu erstrecken. Damit aber die Bureaux in beständiger Thätigkeit erhalten werden; so sollen diese von dem vorsitzenden Rath nach Befinden, und so oft es für nöthig erachtet wird, unvermuthet, von den beiden übrigen aber regelmäßig wöchentlich einmal abwechselnd visitirt werden. 4. Ueberhaupt machen Wir Unserm Landes-Ministerio und insbesondere dem vorsitzenden Rathe desselben die allgemeine Dienstcontrole, die Einreichung gewißenhafter DienerConduitenlisten, die Entfernung der Mißbräuche und des Schlendrians, die Belebung des Diensteifers, so wie die Einwürkung auf die Moralität des gesammten Dienstpersonals zur strengen Pflicht. §. 18. Generalberichte. Vierteljährig muß Uns jeder Departementsrath einen umfaßenden Vortrag über die Lage seines Departements unter Vorweisung der Principienbücher abstatten. Am Ende des Etatsjahres ist Uns aber ein Generalbericht über das ganze Ministerial-Reßort vorzulegen. Es ver-

Textanhang

637

steht sich, daß zwar ein jeder Departementsrath den treffenden Theil speciell bearbeitet, daß aber wegen der allgemeinen Uebersicht der ganze Bericht vom Collegio erstattet wird. Ueber die Art, wie die oberste Leitung der Geschäfte in Unserer Abwesenheit besorgt werden soll, werden Wir noch ein besonderes Rescript erlaßen. §. 19. Wir befehlen demnach, daß allen in Obigem enthaltenen Vorschriften aufs genaueste nachgelebt werden, so wie Wir es Uns stets vorzüglich angemeßen seyn laßen werden Talente, Fleiß, Geschicklichkeit und Treue bei Unsern Dienern auszuzeichnen und nach Kräften zu belohnen; so kündigen Wir zugleich denjenigen, welche in der Beobachtung ihrer Dienstpflichten einige Nachläßigkeit oder wohl gar bösen Willen sich zu Schulden kommen laßen würden hiermit an daß sie mit Entsetzung von ihrem Dienste, und nach Befinden mit andern harten Strafen belegt werden sollen. Coburg, zur Ehrenburg, den 4. Juni 1808. Ernst H.z.S.C.S.

16. Instruktionsreskript für die Landesregierung vom 15. Juni 1808 (StACo Min F 430 fol. 20 – 28’) Coburg am 15 / 6 08. Instructions- und Constitutions-Rescript für die Landes-Regierung als Landeshoheits-, Finanz- und Polizei-Collegium Wir Ernst pp. haben die bisher bestandene Verfaßung Unserer Landes-Collegien einer Prüfung unterworfen und Uns überzeugt gefunden, daß verschiedene Aenderungen der Dienstverfaßung höchst dringend seyen und daß insbesondere die bei Unserer Landes-Regierung eingeführte Absonderung der Departements und Bureaumäsige Geschäftsbehandlung keines weges den Zwecke einer geordneten und wohlthätigen Landesverwaltung erreicht hat. Wir haben Uns daher bewogen gefunden die Bureaumäsige Verfaßung Unserer Landesregierung hiermit aufzuheben und schreiben für den künftigen Geschäftsbetrieb folgende Formen vor: I. Landes-Collegien Es bestehen von iezt an folgende Landes-Collegien 1.) Die Landes-Regierung als Landeshoheits-, Finanz- und Polizei-Collegium 2.) Die Landes-Regierung in Kirchen- und Schulsachen oder das Consistorium 3.) Die Landes-Regierung als Justiz-Collegium, als Lehenhof, u. als Pupillen-Collegium.

638

Textanhang II. Ressort der Landes-Regierung

Zum Geschäftskreis der Landes-Regierung gehören unter unmittelbarer Leitung Unsers Landes-Collegii 1.) alle Landeshoheitssachen im weitesten Umfange, mithin Landes-Gränzsachen, die Differenzen mit Nachbarn, Jurisdictionsstreitigkeiten, landschaftliche Angelegenheiten u.s.w. Nur diejenigen Gegenstände der Landeshoheit, welche in Kirchen- und Schulsachen eingreifen und zum Geschäftskreis Unsers Consistoriums gehören, sind hievon ausgenommen. 2.) Die Verwaltung des Finanzwesens, und zwar a.) Die Verwaltung sämtlicher Domänen, Herrschaftlichen Güter, Gerechtigkeit und Gefälle b.) Die Ausübung und Verwaltung der Regalien, des Münz- und Bergwesens, der Zölle, Jagden, Zehnden u.s.w. c.) Die Ausübung und Verwaltung des gesammten Besteuerungs-Rechts, und aller übrigen directen und indirecten Abgaben. d.) Die Aufsicht über die Verwaltung des städtischen Cämmerey- und Gemeinde-Vermögens; e.) Das Rechnungswesen und die Caßen-Aufsicht in betreff aller der Landes-Regierung untergeordneten Caßen. 3.) Die allgemeine Landes-Polizei und die Aufsicht über die Polizei-Verwaltung in Städten und auf dem platten Lande. 4.) die Militär-Angelegenheiten, so weit sie nicht unter Unserer unmittelbaren Leitung stehen, als Einquartierung fremder Truppen, Durchmärsche und Verpflegung. III. Personaletat Das Personale der Landesregierung besteht 1.) aus einem Präsidenten 2.) einem Director 3.) aus Räthen und Assessoren 4.) aus einem vortragenden Rechnungsrath 5.) aus den übrigen zum Betrieb der Geschäfte nothwendigen Subalternen, als a.) Secretarien, b.) Revisoren, c.) Registratoren, d.) Canzlisten und e.) Boten. IV. Functionen des Personals Was die Pflichten und Functionen der einzelnen Diener betrift; so verweisen Wir auf das Geschäfts-Reglement vom 17. April 1802, welches überhaupt, so weit es durch die Bestimmungen des gegenwärtigen Rescripts nicht abgeändert oder aufgehoben wird, in seiner Würkung verbleibt.

Textanhang

639

Wir bestimmen iedoch in Rücksicht des Directors, daß derselbe gleich den übrigen Räthen in Collegio arbeitet, was ihm von dem Präsidenten zugetheilt wird, und daß er in Fällen der Abwesenheit oder der Krankheit des Präsidenten dessen Functionen nach ihrem ganzen Umfang zu verrichten hat. Der Rechnungsrath hat den Vortrag in allen Cassen- und Rechnungssachen, wohnt in dieser Eigenschaft den Sizzungen des Collegiums bei. Die Direction der Revision liegt ihm ferner ob. V. Subordinationsverhältniß bei der Revision Die Revisoren und neben diesen angestellten Assistenten und Accessisten stehen zunächst unter dem Rechnungsrath, welcher mit der Direction der Revisionsstube beauftragt ist. Da derselbe zur Bearbeitung der ihm obliegenden Vorträge nicht immer in der Revision zu gegen seyn kann; so wird das Journal über die bei der Revision eingehenden Sachen von dem jüngsten Revisor und die nöthige Aufsicht sowie die Präsenzlisten vom ältesten Revisor geführt. Uebrigens stehet die Revision zwar unter den Befehlen der Landes-Regierung, iedoch dergestalt daß dieselbe auch gehalten ist, die Decreturen der andern Landes-Collegien in betreff der Vormundschafts- und anderer Rechnungen zu befolgen. Die Revisoren stehen zwar in den speciellen Geschäften in Rücksicht dieser unter dem Collegio, von welchem das specielle Geschäft aufgetragen worden ist. In Ansehung der allgemeinen Dienstpflichten z. B. der Förderung der Geschäfte u.s.w. stehen sie lediglich unter der Landes-Regierung und können in dieser Hinsicht nur von dieser Behörde Verweise erhalten. VI. Hauptdomänen-Casse Die Hauptdomänen-Casse, deren Personale aus einem Rendanten und einem Controleur besteht, hat nun von der Landes-Regierung Befehle anzunehmen. VII. Sportel-Casse Die Sportel-Casse steht zwar zunächst under der Landes-Regierung und hat, was Ausgaben betrift lediglich von dieser Befehle anzunehmen. In Rücksicht der Einnahme haben die Verfügungen und Decreturen der andern LandesCollegien, sie mögen Sporteln oder Strafen betreffen, ebenfalls volle Würkung. In Ansehung der in Partheysachen deponirten Gelder steht die Sportel-Casse unter demjenigen Collegium, welches die Gelder deponirt hat. Von diesem Collegium haben sie dann auch Zahlungsbefehle anzunehmen, sofern diese aus dem deposito zu leisten decretirt sind. VIII. Geschäftsgang Die bisherigen Erfahrungen haben Uns überzeugt, daß der bisherige Geschäftsgang mannichfaltiger Verbeßerungen fähig ist. Wir erwarten darüber in den nächsten drey Monathen ein detaillirtes Reglement, dessen Grundlage auf Vereinigung eines raschen Fortgangs der

640

Textanhang

Geschäfte mit Gründlichkeit in der Bearbeitung derselben berechnet seyn muß. Um iedoch zum Voraus auf diesen Zweck hinzuarbeiten, machen Wir der Landes-Regierung, besonders dem Präsidenten derselben folgende Instructions-Puncte besonders zur Pflicht. IX. Departementsvertheilung Jedem Mitgliede des Collegiums ist ein besonderes Departement oder ein besonderer Theil desselben zur Bearbeitung und zur speciellen Pflege zuzuweisen. Diese Departements-Vertheilung muß möglichst detaillirt und wissenschaftlich bearbeitet und die Gränzlinien so scharf gezogen werden, daß iedem einzelnen nicht nur der Umfang seiner Verantwortlichkeit bezeichnet, sondern auch das lohnende Bewußtseyn des guten Standpuncts auf den er die Gegenstände seiner Bearbeitung gebracht hat, verschaft werden kann. X. Verantwortlichkeit der einzelnen Departementsräthe Jeder Departementsrath ist Uns nebst dem Präsidenten für die gute Ordnung und für den guten Erfolg, den seine Anordnungen im Ganzen genommen haben, verantwortlich. Da es Uns aber durchaus an einer wörtlichen Verantwortung nicht genügt; so bestimmen Wir ausdrücklich, daß Handlungen und Anstalten, nicht aber Actenbände zur Nachweisung der treuen Diensterfüllung erforderlich sind. Die Anträge auf Erweiterung des Wirkungskreißes, so wie ihn der Grad der Verantwortlichkeit erfordert, werden Wir nie unbeachtet laßen. XI. Schnelligkeit im Geschäftsgang. Für die Schnelligkeit im Geschäftsgang ist Uns der Präsident verantwortlich. Es ist seine Sache, seine Untergebenen hiezu gehörig anzuhalten. Um aber auch in die Dienstverfassung selbst die Möglichkeit einer schnellen Geschäftsführung zu legen, bestimmen Wir hierdurch ausdrücklich, daß nicht alle Gegenstände collegialisch behandelt sondern zum Theil en bureau bearbeitet werden sollen. XII. Collegialische Geschäftsbehandlung Collegialisch werden bearbeitet a.) alle Gegenstände, zu deren Behandlung es erst der Aufstellung eines Prinzips bedarf, dessen Anwendung noch nicht von Uns ausdrücklich genehmigt ist. b.) alle Gegenstände, wo die Anwendung eines schon vorhandenen Prinzips die Rechte eines Dritten berührt und zu processualischen Weitläufigkeiten führen könnte, c.) alle Gegenstände, wo die Anwendung eines schon vorhandenen und in der Staatsverwaltung angenommenen Princips überhaupt bedenklich scheint. Uebrigens ist die collegialische Behandlung der Geschäfte nicht blos auf die Sessionen eingeschränkt, sondern sie wird auch durchs Circuliren der Abstimmungen erreicht. Dieses Circuliren muß iedesmal eintreten, wenn entweder die Dringlichkeit der Sache den Verschub bis zur nächsten Sitzung verbietet, oder ihre Wichtigkeit es erforderlich macht, daß die Mit-

Textanhang

641

glieder des Collegiums erst durch Mittheilung schriftlicher Abstimmung zur endlichen Berathung in der Sitzung vorbereitet werden. XIII. Geschäftsbehandlung en bureau Die bureaumäsige Geschäftsbehandlung findet auf zweierlei Weise Statt, durch den Referenten allein, und durch den Referenten unter Vollziehung des Präsidenten. Der Referent kann einleitende Vorkehrungen ohne Zuthun des Präsidenten treffen. Decreturen zur Revision, oder zu sonst einer Behörde an Ort und Stelle, bedürfen, wenn sie blos die Einholung einer Auskunft betreffen, der Zeichnung des Präsidenten nicht. Der Referent kann auf gleiche Weise Protocolle veranlassen, wenn sie Auskünfte bezwecken, welche zu einer ihm zugetheilten oder sonst obliegenden Arbeit erforderlich sind. Regierungs-Verfügungen kann er iedoch nicht erlassen, leztere werden vielmehr, wenn sie sich anders zur Behandlung en bureau eignen, immer unter Zuziehung, Zeichnung und Unterschrift des Präsidenten abgethan. XIV. Fortsezzung Zur Bearbeitung en bureau eignen sich a.) alle Verfügungen der Regierung in Polizei-, Finanz- und Landeshoheits-, auch KaßenSachen, welche entweder auf einem vorliegenden speciellen Befehle von Uns, oder auf der entschiedenen Anwendung einer bereits bestehenden Norm oder von Uns genehmigten Princips beruhn b.) alle Anzeige- und Erläuterungsberichte, deren Tendenz die Abgabe eines Gutachtens überflüßig macht. Anfrageberichte können aber nie en bureau decretirt werden, sie müssen auf einem collegialischen Beschluße beruhen. XVIII. Dienstcontrole Wenn einzelne Diener ihre Schuldigkeit nicht thun; so ist der Schade, welcher für den Staat daraus entsteht, unabsehbar. Um diesen Fall zu verhüten, machen Wir die Landesregierung darüber verantwortlich, daß alle ihre Untergebenen, so wohl die Subalternen der Regierung als auch das Aemter- und Cassen-Personale ihre Pflichten erfüllen. Für ieden Zweig des Dienstes müssen Curatelen angeordnet werden, dergestalt daß das eine Mitglied der LandesRegierung für die gute Dienstordnung auf der Registratur, ein anderes für die in der Canzlei, in der Secretarie, in der Chartenkammer pp. übrigens aber ein jeder in seinem Departement dafür verantwortlich sey, daß die Aemter- und Cassen-Officianten nicht etwa blos geschäftige Müßiggänger oder Actenfabricanten sind, sondern den Zweck des Dienstes erfüllen. Es ist Uns anzuzeigen, wie die Vertheilung dieser Curatelen von Euch bewirkt worden ist. Die einzelnen Räthe mit Einschluß des Directors sind hierüber dem Präsidenten, dieser Uns verantwortlich. Wir erklären zugleich ausdrücklich, daß Wir, wenn irgend iemand zur Verantwortung gezogen wird, nie die Ausflucht annehmen, daß die Untergebenen zwar angehalten worden seyen, aber das Nöthige nicht geleistet haben. Wir erweitern ausdrücklich den Wirkungskreiß der Vorgesetzten in der Art, wie es diesem Grade von Verantwortlichkeit entspricht.

642

Textanhang XIX. Abstellung der gegenwärtigen Gebrechen

Es haben sich in dem Geschäftskreiß der Landes-Regierung bereits sehr bedeutende Gebrechen sichtbar gemacht. Es ist Unsere ernstliche Willensmeynung, daß die baldigest Abstellung derselben zum ersten Geschäft der Landes-Regierung gemacht werde. Wir machen diese daher auf die wesentlichsten aufmerksam. 1.) Die Instructionen für den Dienst in formeller und materieller Hinsicht sind zum todten Buchstaben geworden. Es ist seit 1802 kein General-Bericht erstattet worden, es unterblieben die Einsendungen der Taxtabellen, der Geburts- und Sterbelisten, der Restenverzeichnisse, die Präsenzlisten sind eingeschloßen, mit einem Worte alle Dienstinstructionen sind zum todten Buchstaben geworden. Der erste Blick giebt die Beobachtung an die Hand, daß die Schwierigkeit bei Leistung des Unmöglichen u. die Unlust zur Leistung des Zwecklosen diese Dienstanarchie hervorgebracht hat, bei welcher auch das Gute und Zweckmäsige nicht mehr zur Erfüllung gedieh. Die Dienst-Instructionen aller Art sind daher einer allgemeinen Revision zu unterwerfen, die Restenverzeichniße und Präsenzlisten sind aber ohne Verzug wieder einzuführen, und die erstern monatl. an Uns einzusenden. 2.) Die mannichfaltigen Gesezze, vorzüglich in Gegenständen der Polizei haben dasselbe Schicksal gehabt. Die Unterthanen wissen nicht, welche Gesezze gelten und welche – nach traurigen Erfahrungen über ihre Unzweckmäsigkeit – der willkührlichen Befolgung Preiß gegeben worden. Nur eine gründliche Revision derselben kann die Achtung der öffentlichen Gesezze wiederherstellen. Die Landes-Regierung muß das Resultat dieser Revision durch folgende Aufgaben darstellen a.) Welche alten und neuen Gesezze sollen iezt noch verbindliche Gesezzes-Kraft haben b.) Welche Gesezze, Verordnungen und Mandate sind für aufgehoben zu erachten? c.) Bei welchen öffentlichen Gesezzen ist noch die Bekanntmachung derjenigen Modification nachzutragen, welche theils schon in der Geschäftspraxis, oder sogar schon durch Normal-Rescript aufgenommen sind, theils nach genommener Revision aufs neue für nöthig erachtet werden. d.) Auf gleiche Weise sind die unvermutheten Visitationen u. Revisionen der Aemter u. Stadträthe, der Caße u. Magazine ganz ins Stocken gerathen. Wir erinnern in Rücksicht derselben an die §. XVIII. ausgesprochene Verantwortlichkeit. XX. Wir verweisen die Landes-Regierung nochmals auf die Wichtigkeit ihrer Dienstbestimmung, und auf Unserer desselbigen ernstlichen Willensmeinung. Wir werden Uns nicht nur durch Anstellung öfterer Visitationen von dem Gange des Dienstes zu überzeugen wissen sondern erwarten bei dem nächsten Generalbericht, deßen Erstattung nie wieder unterbleiben darf, die umständliche Auseinandersezzung; wie alle Instructions-Puncte befolgt worden sind. Coburg Serenissimus E. Gr. 15 / 6 A. 15 / 6 08 vR. 15 / 6

Textanhang

643

17. Instrukrionsreskript für das Justizkollegium vom 20. Juni 1808 (StACo Min F 430 fol. 32 – 41) Coburg 20 / 6 1808 Instructions-Rescript für das Justiz-Collegium Wir Ernst p. haben bey der von Uns angestellten Prüfung der seitherigen Einrichtung Unserer LandesCollegien und den hierauf beschlossenen Abänderungen, auch für nöthig befunden in Ansehung Unsers Justiz-Collegiums nach folgendes zu verordnen und festzusetzen: 1. Collegium. Unser Justiz-Collegium macht die Dritte Abtheilung Unserer Landes-Regierung aus. Der Canzler, die Räthe und Assessoren u.s.w. stehen übrigens mit den Praesidenten, Räthen und Assessoren u.s.w. Unserer andern Landes-Collegien an sich in gleichem Range, und diesen entscheidet hier lediglich das Alter des Patents. 2. Ressort. Zu dem Geschäftsbezirk des Justiz-Collegiums gehören: a) sämmtliche Justiz-Sachen, sowohl Civil- als Criminal-Sachen, sowohl insofern deren Untersuchung und Erkenntniß unmittelbar vor dasselbe gehören, als auch insofern die durch eingewandte Rechtsmittel gegen die Erkenntnisse der Unterbehörden an dasselbe gelangen; b) Die Ausübung der willkührlichen Gerichtsbarkeit, insofern es besonders Personen betrifft, die in erster Instanz unter dem Justiz-Collegio stehen, und mithin einen befreyten Gerichtsstand haben; c) Dienstpolizei in Ansehung der Justizbedienten; d) Die sämmtlichen Geschäfte des Lehnhofs; e) Das Hypothekenwesen; f) Das Vormundschaftswesen und g) Das Depositalwesen. 3. Personaletat. Das Justiz-Collegium besteht a) aus einem Canzler, b) aus Räthen und Assessoren, c) aus den nöthigen Subalternen als Secretair, Registrator, Canzleyinspector, Canzlisten und Boten; d) aus den Officianten bei der Revision und der Sportelkasse nach den §. V. und VII. in dem für die Landes-Regierung ergangenen Instructions-Rescript festgesetzten Bestimmungen.

644

Textanhang 4. Justizpflege im Allgemeinen.

Wir sind Unsern Unterthanen eine schnelle und durchaus unpartheyische und unbestechliche Justiz-Verwaltung schuldig, und Wir erwarten von Unserer obersten Justizstelle, daß sie alles anwenden wird, um stets dieser großen Pflicht zu entsprechen. Zu einer richtigen Justizpflege ist aber erforderlich a) Vertrauen zu den Justizbedienten, b) zweckmäßiger Geschäftsgang c) Bestimmtheit der Gesetze. 5. Insonderheit in Rücksicht der Justizbedienten. Vertrauen zu den Dienern der Justiz ist durchaus erforderlich, und es kann solches nicht fehlen, wenn in ihnen die nöthigen Rechtskenntniße mit einem sittlich guten Character verbunden sind. Der Justizbediente muß ein geschickter, fleißiger und rechtlicher Mann seyn. Unser Canzler hat darauf bey den Räthen und Subalternen des Justiz-Collegiums, das Collegium selbst aber darauf bey den Justiz-Amtmännern, Gerichtshaltern, Actuarien, Advocaten und Notarien zu sehen. Die Mittel immer mehr ein untadelhaftes Justiz-Personale in Unsern Landen zu erhalten, setzen Wir in a) zweckmäßigere Prüfungen vor der Annahme. Besonders ist bei denen, die sich zur Erlangung der Advocatur melden, die Prüfung in der Theorie und Praxis so zu leiten, daß man sich nicht sowohl von dem guten Gedächtniß, sondern vielmehr von der richtigen Beurtheilungkraft des jungen Rechtsgelehrten überzeugen kann. Wir wollen, daß Unser Justiz-Collegium seine Aufmerksamkeit besonders auch auf den Stand der Advocaten in Unsern Landen richte, und dahin wirke, daß dieser Stand als eine Pflanzschule künftiger tüchtiger Staatsdiener gebraucht werde. Um in diesen Stand leichter aufgenommen zu werden, und sich darin vervollkommnen zu können, heben Wir auch die zeither bestandene Verordnung, daß derjenige, welcher zur Advocatur gelangen will, vorher einige Jahre in Unsern Canzleyen ohne Besoldung gearbeitet haben muß, hiermit wieder auf. In Ansehung der Notarien, die in einigen rechtlichen Angelegenheiten nicht ganz zu entbehren sind, erwarten Wir von Unserm Justiz-Collegium binnen vier Wochen den Entwurf einer Notarienordnung; indeßen aber hat diese Behörde durch eine öffentliche Bekanntmachung alle diejenigen, welche sich diesem Geschäfte ferner unterziehen wollen, vor sich zu laden, sie erforderlichen Falls zu prüfen, und sodann sie in ein eignes Verzeichniß einzutragen, und mit einem Decret zu ihrer Legitimation zu versehen. b) Conduitenlisten, welche vom Canzler gewissenhaft zu führen, und am Schluße des Jahres an Uns einzusenden sind. Diese Conduitenlisten sollen sich aber nicht nur auf das Personale bey Unserm Justiz-Collegio, sondern ebenfalls auf die übrigen Justizbedienten in Unsern Landen, auf Justizamtmänner, Gerichtshalter, Actuarien, Advocaten und Notarien beziehen. Wir sind jedoch keineswegs gemeynt, daß durch diese Conduitenlisten in das

Textanhang

645

Innere der häußlichen Angelegenheiten gedrungen, oder die Anzeige und das Urtheil auf bloße Wahrscheinlichkeit begründet werde. Wir verlangen, daß nur öffentliche, zur Kenntniß des Justiz-Collegiums gediehene Handlungen, sie mögen Lob oder Tadel verdienen, bemerkt und Uns vorgelegt werden. Wir wünschen, daß diese Conduitenlisten Uns mehr dazu dienen mögen, um den sonst vielleicht verkannten und Uns unbemerkt gebliebenen Mann hervorzuziehen und bey erledigten Diensten belohnen und gebrauchen zu können. Aber wißen wollen Wir, ob der Richter geschickt, fleißig und rechtlich ist, und nicht selbst wegen Ehedissidien, Schulden, Bestechungen u.s.w. in Klage genommen worden, ob der Advocat mit Kenntniß, mit Gewißenhaftigkeit, Thätigkeit u.s.w. die Angelegenheiten seiner Parthey führt. c) Unvorhergesehene Visitationen der untergebenen Justizstellen. 6. In Rücksicht des Geschäftsganges. Was den Geschäftsgang bey dem Justiz-Collegio betrifft, so ist solcher zwar schon in besondern Instructionen meistens ausreichend bestimmt; Wir finden jedoch noch folgende nähere Bestimmungen nöthig, und erwarten von Unserm Canzler, daß auf die genaueste Befolgung derselben werde gesehen werden. a) Der Geschäftsgang bey Justizsachen soll stets schnell, aber nicht übereilt seyn; alle eingehenden Sachen müßen in der Regel collegialisch behandelt werden, und die BüreauArbeit findet nicht statt. Jedoch kann von dieser Regel abgegangen werden in Ansehung der blos vorbereitenden Verfügungen. Mithin können diejenigen Sachen, auf welche blos Berichtsabforderung, Anberaumung eines Termins und Vorladung u.s.w. zu decretiren sind, sofort zwischen dem Referenten und Canzler abgethan werden, um auch dadurch mehr Schnelligkeit in die Geschäfte zu bringen. Es ist aber der Canzler alsdann verbunden, in der nächsten Session dem Collegium einen kurzen Vortrag über die außer der Session expedirten Sachen zu machen. b) Eine streng gezogene Geschäftsvertheilung können Wir bey einem Justiz-Collegium keineswegs für vortheilhaft erkennen. Ein vollkommener Rath in einem solchen Collegium muß alle Theile der Rechtsgelehrsamkeit kennen und fähig seyn, darin richtig zu erkennen. In der Wirklichkeit beschränken sich die Rechtsfälle nicht immer bloß für einen Rechtstheil, sondern veranlaßen mehrere Rücksichten. Daher muß Unser Canzler auch die Räthe des Collegiums abwechselnd mit Fällen aus verschiedenen Rechtstheilen beschäftigen. Besonders ist dieses bei den Assessoren und Referendarien erforderlich, um diesen zeitig eine vielfältige Bildung zu geben. c) Während den Sessionen hat der Canzler durchaus nicht zu gestatten, daß Subalternen ohne vorgeruft zu seyn, das Sessionszimmer betreten, und bloß zu ihrer Bequemlichkeit Sachen vorlegen und anfragen; Ebensowenig darf aber auch die Aufmerksamkeit auf die Vorträge dadurch gemindert oder gestört werden, daß einzelne Räthe indessen auf ihre eigenen Nummern decretiren und expediren. d) Obgleich die den Aemtern ertheilten Instructionen und die Proceßordnungen für sämmtliche Justizstellen den Rechtsgang bestimmen, so hat doch Unser Justiz-Collegium vorzüglich dahin zu wirken, daß die Proceß-Sachen nicht durch Richter oder Advocaten verschleift, und dadurch die Partheyen benachtheiliget werden. Es ist daher in Proceßsachen nicht auf das Excitiren der Parthey zu warten, sondern dieses von den Justizstellen selbst nach kurzen Fristen zu bewirken.

646

Textanhang

Da nun e) bey Criminal-Untersuchungen es ganz besonders drückend wird, wenn der Gang der Untersuchung nicht ununterbrochen fortgesetzt und dadurch der Arrest verlängert wird, Unser Justiz-Collegium aber den Anfang einer Criminal-Untersuchung und Arresterkennung nicht sogleich biß jetzt erfahren hat, so befehlen Wir, daß die Untergerichte, sobald sie Jemanden zu Arrest haben bringen laßen, solches mit der Ursache des beschloßenen Arrestes an Unser Justiz-Collegium einberichten sollen, worauf alsdann diese Behörde die nöthige Aufsicht über den Gang der Sache zu führen wissen wird. Die Mittel den Geschäftsgang beym Justiz-Collegium stets behörig zu controlliren sind: a) Die Praesenztabellen, welche nachweisen, ob die Subalternen in den vorgeschriebenen Stunden sich an der Arbeit befinden; b) Die Journale, welche nachweisen, was eingekommen, und in wie weit darauf expedirt worden ist; c) Die Proceßtabellen, welche nachweisen, welche Proceße anhängig sind, und in welchem Stande sie sich befinden; d) Die Vormundschaftstabellen, welche nachweisen, welche Vormundschafts-Rechnungen vor dem Justiz-Collegium zu legen sind, und in wieweit sie wirklich gelegt und abgenommen worden sind; e) Das richtige Eintragen der vorgekommenen Fälle und Handlungen in die Lehns- und Consensbücher. Ueber die richtige Einführung aller dieser Bücher hat Unser Canzler genaue Aufsicht zu halten. 7. In Rücksicht der Bestimmtheit der Gesetze. Was die Bestimmtheit der Gesetze anbelangt, so ist solche in Unsern Landen, so wie noch in mehrern Deutschen Landen bekanntlich um deswillen nicht in dem Grade, den Wir wohl wünschen, zu erlangen, weil ein fremdes, das Römische Recht vorzüglich als Hülfs-Recht da eintritt, wo keine Landesgesetze vorliegen, diese selbst aber oft so manche, zum Theil nicht in Druck erlaßene Abänderungen erhalten haben, daß die nöthige Bestimmtheit abgeht. In Unsern Coburgischen Landen gilt vorzüglich die alte S. Ernestinische Proceßordnung und die Landes-Ordnung v. J. 1580; in Unsern Saalfeldischen Landen gelten die altenburgsche Proceß- und Landesordnung nebst den beyden Sammlungen von Beyfugen, in Unserm Amte Themar endlich gelten in bürgerlichen Sachen die Hennebergsche Landesordnung, in Policeysachen die S. Gothaische Landesordnung v. J. 1653. und in den Formalien des Proceßes ebenso wie in Unsern Coburgschen Landen die alte Ernestinische Proceßordnung. Außer diesen Landesgesetzen sind mehrere einzelne die Justiz betreffende Gesetze im Laufe der Zeit erlaßen worden, die theils Gegenstände betreffen, die in jenen allgemeinen Gesetzen nicht gedacht worden waren, theils aber Aufhebungen oder Abänderungen der ältern Gesetze enthalten; nicht weniger sind Gesetze, wie z. B. die Provisional-Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm v. J. 1652 fast ganz außer Anwendung gekommen, auch nicht wohl mehr anzuwenden. Wir werden nun zwar nicht unterlaßen, darauf bedacht zu seyn, Unsern Unterthanen künftig ein zweckmäßiges Gesetzbuch, es mag nun dieses ein fremdes, unter den nöthigen Modificationen auf die besondere Landes-Verfaßung angenommenes, oder mit mehreren Regenten übereingekommenes seyn, bekannt zu machen: Indessen und biß dieses aber erfolgt, wollen Wir daß die so nothwendige, möglichst genaue Bestimmtheit deßen, was als Recht gilt, erhal-

Textanhang

647

ten werde. Zur Erlangung dieses Zwecks geben wir Unserm Justiz-Collegium auf, sofort eine genaue Revision derjenigen Gesetze, welche über Gegenstände gegeben sind, die zum Ressort dieses Collegiums gehören, vorzunehmen, und zu bemerken a) welche Gesetze als aufgehoben angesehen werden, und keine gesetzliche Verbindlichkeit haben sollen; b) welche Gesetze dagegen ferner im Ganzen, oder c) unter welchen nähern Modificationen u. Abänderungen gelten sollen. Diese Revision ist jedoch systematisch zu behandeln, und wollen Wir solche alsdann durch das Regierungsblatt zur allgemeinen Kenntniß des Landes kommen laßen. Nach Ablauf von drey Monaten erwarten Wir die erste berichtliche Anzeige über das, was hierinn geschehen ist. Um sofort den Anfang mit diesem wohlthätigen Werke zu machen, wollen Wir daß die alte S. Ernestinische Proceßordnung, welche in Unsern coburgschen Landen und in Unserm Amte Themar nur in den Formalien bis jetzt gegolten, und dadurch zu manchen unnützen, den Partheyen nur Geld kostende Disceptationen Gelegenheit so oft gegeben hat, von nun auch in den darinn mit vorkommenden meritis causarum sine decisoriis, mithin ihrem ganzen Inhalte nach, insofern jedoch solche nicht durch besondere Gesetze abgeändert und aufgehoben worden, gelten soll. Da es auch nicht fehlen kann, daß das Collegium über besondere Gegenstände z. B. beym Lehnwesen eigene oder herkömmliche Grundsätze befolgt, so sind solche genau in dem Principienbuch zu verzeichnen, damit einmal wie das anderemal stets verfahren werde. 8. Generalbericht. Am Schluße eines jeden Jahres hat Uns Unser Canzler einen General-Bericht über den Zustand des Justizwesens in Unsern Landen zu erstatten. In demselben erwarten Wir, daß a) Uns die zu führenden Journale und Tabellen nicht nur vorgelegt, sondern auch b) daß nach den vorgekommenen Fällen zusammengestellt werde, welche Verbrechen, in welcher Anzahl und wo? dem Orte und dem Amte nach, begangen worden sind; wie sich der Schuldenzustand der Unterthanen nach den statt gefundenen Klagen verhält? welche und wieviel Klagen unter Eheleuten statt gefunden, wie viel wieder zur Fortsetzung der Ehe versöhnt, und wie viel getrennt worden sind? u.s.w. Dadurch wird außer der rechtlichen Ansicht, auch die moralische Ansicht über den Zustand der Unterthanen erhalten. c) Bey den Conduitenlisten, zu welchen die Praesenztabellen ebenfalls Data liefern, ist zwar zuvörderst nur auf das Justiz-Personale zu sehen; da aber Unsere meisten Diener vor dem Justiz-Collegium wegen Schulden und Verbrechen aller Art belangt werden, so wollen Wir daß auch diese Ansicht im General-Bericht nicht übergangen sondern berücksichtigt werde, um immer von dem Betragen Unserer Dienerschaft in genauer Kenntniß erhalten zu werden. d) Eben so wenig sind in diesem General-Bericht die beym Justizwesen bemerkten Fehler, die Mittel, wie diesen abzuhelfen, und die Entwürfe zu nöthig befundenen neuen Gesetzen unbeachtet zu laßen. 9. Schluß. Schlüßlich verweisen Wir Unser Justiz-Collegium auch auf das Geschäfts-Reglement vom 17ten April 1802, welches Wir hierdurch in allen den Punkten, in welchen es durch das gegenwärtige Rescript nicht abgeändert oder aufgehoben worden, bestätigen.

648

Textanhang

Die an Unsere Landes-Regierung und an Unser Consistorium erlaßenen InstructionsRescripte theilen Wir in beglaubter Abschrift anliegend Unserm Justiz-Collegium zu seiner Kenntniß und Nachachtung ebenfalls mit. Coburg zur Ehrenburg Serenissimus E. Gr A 27 / 6 08 vR 27 / 6

18. Verfassungsentwurf Gruners vom 20. Juli 1808 (StACo Min J 232 fol. 21 – 24’ i.V. m. StACo LA F 257 fol. 1 – 11) Entwurf zur Constitution der Coburg-Saalfeldischen Stände. §. 1. Die Landschaften oder jetzigen Stände der Coburgischen und Saalfeldischen Lande werden in eine Versammlung vereinigt, und dazu auch die quiescirenden vom Amte Themar aufgenommen. §. 2. Die Landstandschaft beruht auf a) den Rittergütern b) den Städten Coburg, Rodach, Neustadt, Saalfeld, Pößneck, Gräfenthal, Lehesten und Themar. §. 3. Den Landtag schreibt der Landesherr aus, die Stände müßen entweder in Person oder durch hinlängliche Gevollmächtigte erscheinen, sich anmelden, und den Landtag behörig nach der statt findenden Form beywohnen und abstimmen. §. 4. Die bürgerlichen Ritterguthsbesitzer können auch auf den Landtägen erscheinen. Die Landtagsfähigen Stände können auch nur durch Landtagsfähige Bevollmächtigte erscheinen. §. 5. Der Engere Ausschuß vertritt zur Erleichterung der Geschäfte fortwährend das ganze Corpus der Stände. Er besteht aus vier Deputirten der Coburgischen, Saalfeldischen, und Themarischen Ritterschaft, und vier städtischen Deputirten. §. 6. Der Director wird aus den adlichen Deputirten gewählt, und Serenissimo praesentirt; die Deputirten der Ritterschaft und der Städte werden nach einer noch anzuordnenden Form gewählt und praesentirt. §. 7. Zu Deputirten der Ritterschaft, können auch Herrschaftl. Diener die Sitz und Stimme im Landes-Collegium haben, gewählt werden.

Textanhang

649

§. 8. Der Director und die Glieder des engern Ausschusses müßen sich im Lande aufhalten; und Landschaftl. Umläufe, und sonstige Landschaftl. Acten dürfen nicht außer Landes an Landstände geschikt werden. Wenn ein Landstand sich außer Landes aufhält, so mus er sich unter den Landständen einen bleibenden Bevollmächtigten wählen, der in seinen Namen abstimmt, hat er einen solchen nicht aufgestellt, so ruht seine Stimme, in seiner Abwesenheit. §. 9. Bey den Conventen des Ausschußes, hat der Director den Vorsitz, den Vortrag, das Erbrechen der eingehenden Sachen. Aber er kann nicht für sich entscheiden, dazu ist die Mehrheit der Stimmen der Ausschuß-Mitglieder erforderlich. Die Convente sind auf eine bestimmte Anzahl fest zu setzen, in welchen die ordinairen Landschaftl. Geschäfte zu besorgen sind. Trete außerordentliche Geschäfte ein, so treten auch außerordentl. Convente ein. Die herkömmlichen Diäten werden dem engeren Ausschuß bey Conventen gezahlt. §. 10. Die Verhandlungen der Landschaft und auch des Engern Ausschußes dürfen keine Geheimniß vor dem Regenten, und seinen Ministerium heegen. Es mus über alles Aufschluß gegeben werden. §. 11. Die Landschaft hat an Dienern einen Consulenten oder Secretair, einen Copisten, einen Bothen. Sie hat eine Registratur zu führen. Diese Diener besonders der Consulent, müßen vom Regenten genehmigt, und von der Landesregierung verpflichtet werden; Sie müßen den Eyd der Treue auch dem Landes-Herrn schwören. Die Landschaft erhält ein eigenes Siegel. Die Landschaft hat keine Jurisdiction, diese steht über die Glieder und Diener der Landschaft, lediglich dem Justiz-Collegium zu. Der Landschafts-Director und die Landschaftlichen Diener müßen in eintretenden Fall Urlaub bey der Regierung nehmen. §. 12. Was die Concurrenz bey der Gesetzgebung betrifft, so ist hier fest zu setzen: a.) der Umfang der Gesetzgebung; b.) die Bestimmung der Art der Mittheilung des Gesetz-Entwurfs; c.) die Landschaftl. Abstimmung und die Kraft derselben. ad a.) Die Gesetzgebende Gewalt, ist im Umfang die weiteste unter allen übrigen Staatsgewalten. Die Justiz-, die Kirchen-, die Polizey-, die Militair- und Finanzgewalten, bedürfen Gesetzgebung. Es giebt allgemeine und besondere Gesetze; Bestimmungen für einzelne Fälle; z. B. Dispensationen, Befreyungen, Privilegien etc. gehören unter diese Landschaftl. Concurrenz, die Verordnungen, welche blos die Domainen, Landesherrliche Aemter und Einkünfte betreffen? Es ist nicht zu leugnen, daß durch Verordnungen über Domainen, Aemter und Einkünfte etc. das Intereße des ganzen Landes allerdings sehr in Frage kommen kann; Allein es ist auch nicht zu leugnen, daß oft, z. B. Verordnungen die Verwaltung der Domainen betreffen, gar nicht unter die

650

Textanhang allgemeine Landesgesetzgebung gerechnet werden können, denn die Domainen sind den Fürsten zur destentation (wohl: Destination) der Landesregierungscaßen im allgemeinen überlaßen, er muß sie auf das Beste zu verwalten suchen, und würde, wenn immer erst die Landschaft gefragt werden müßte, oft die Anordnung, schon wegen des langsamen Ganges, unterlaßen müßen. Daher würde die Bestimmung dahin zu treffen seyn: Alle allgemeinen Justiz- und Polizey-Gesetze, die nicht von vorübergehenden, sondern von bleibendem Gebrauche seyn sollen, werden der Landschaft zum Gutachten mitgetheilt. Es gehören also unter diese Cathegorien nicht: a.) Alle Verordnungen, die nur einzellne Städte, einzellne Dörfer, einzellne Stände oder Corporationen betreffen. b.) Alle Verordnungen, die nur auf kurze unbestimmte Zeit gegeben werden, z. B. bey Getraidemangel, Viehseuchen, Blatterimpfung etc. c.) Alle Ausnahme und Befreyung von bestehenden Gesetzen, z. B. Privilegien, Abolitionen, Conceßionen, Dispensationen; Nur muß der Regent kein ewiges Monopol zum Nachtheil des Landes ertheilen; Er darf nicht Abolitionen bey Verbrechen statt finden lassen, die der allgemeinen Sicherheit nachtheilig sind, z. B. Diebstahl, Mord, Brand etc. Er darf nicht Dispensationen statt finden laßen durch welche die nöthige Kentnis des Gegenstandes entzogen würde, z. B. Befreyung von der Prüfung anzustellender Diener etc.

ad b.) Die Mittheilung kann nicht der ganzen Landschaft geschehen, da dieses viel zu lange aufhalten würde, sondern dem engern Ausschuß, und dieser ist gehalten, den Entwurf des Gesetzes, längstens binnen 4 Wochen, mit seinem Gutachten an die Regierung zurückzugeben, diese sendet es mit anderweiten gutachtlichen Bericht an das Ministerium, und hierauf erfolgt Serenissimi endliche Entscheidung. ad c.) Die Landschaftliche Abstimmung ist ein Gutachten und keine Decision, mithin kein Veto. Wenn der Regent Landschaftl. Gutachten nicht für gegründet erkennt, so erhält das Gesetz demohngeachtet verbindende Kraft. §. 13. Concurrenz bey der Polizey-Gewalt. In Ansehung der Polizey-Gewalt, kann der Landschaft keine Concurrenz weiters, als diejenige, die sie bey der Polizeygesetzgebung hat, eingeräumet werden. Denn der Theil den Einzellne der Landschaft an der executiven Polizey-Gewalt haben, haben sie nicht als Landstände, sondern als Güterbesitzer und vi Concessionis principis. In eine reine Landschaftl. Constitution, kann also dasjenige, was diesen verwilligt werden durchaus nicht aufgenommen werden, wenn die Begriffe nicht verwirrt werden sollen. Nur die Mitaufsicht in Ansehung des Vermögens und der Administration beym Gymnasio, und bey der Scheres-Zieritzischen Stiftung, könnte hierher gerechnet werden. §. 14. Concurrenz bey der Justiz.Gewalt. Hier verhält es sich nach meiner Überzeugung gerade so, wie bey der Polizeygewalt. Die allgemeine Justiz-Gesetzgebung gehört mit für die Landschaft und nimmt in Ansehung der bestimmten Concurrenz seinen Platz in der Landschaftl. Constitution. Alles aber, was einzellne Ritterguthsbesitzer von der executiven Justizgewalt besitzen gehört in ein besonderes zu entwerfendes Jurisdictions-Reglement, in welchen auch die Polizeigerichtsbarkeit ihre Bestimmung zu erhalten hat.

Textanhang

651

§. 15. Concurrenz bey der Militair-Gewalt. Bey der Militair-Gewalt giebt es allerdings auch allgemeine Gesetze, die nicht von vorübergehenden, sondern bleibenden Gebrauch seyn sollen; Und diese gehören alsdann immer, entweder unter die Militairpolizey, oder die Militair-Justiz. Auch über diese allgemeine Militair-Geseze wird sie mit ihren Gutachten gehört. Sie braucht freylich nicht über ein ExercierReglement gehört zu werden; Allein z. B. bey einen allgemeinen Conscriptions-Reglement, würde sie unbedencklich zu hören seyn. §. 16. Concurrenz bey der Kirchen-Gewalt. Einige Städte und Ritterguthsbesitzer haben Patronat-Rechte; diese aber haben sie eben so wenig, wie die Handhabung der Polizey und Justiz, als Landstände, sondern kraft besonderer Ertheilung; Daher gehört auch dieses nicht in die Landschaftl. Constitution, sondern in das allgemeine Jurisdictions-Reglement. Allgemeine Kirchliche Gesetze können nicht leicht andere Gegenstände, als Kirchenrecht, oder Justiz- und Kirchen-Polizey treffen, und gehören also wieder zu denjenigen Gesetzen, über welche die Landschaft eine consultative Stimme hat. §. 17. Concurrenz bey der Finanzverwaltung. Bey der Finanzverwaltung kann nach den veränderten politischen Verhältnißen, wo dem Souverain vergrößerte Staatsausgaben abverlangt sind, nicht mehr gefragt und die StaatsRechnung nicht mehr dahin eingerichtet werden; Wie hoch sind die Einnahmen? und wie ist also die Ausgabe nach der Höhe der Einnahme zu bestimmen; sondern die Sache hat umgewandelt statt; Die Ausgabe muß gewißenhaft und nach rechtlichen Grundsätzen aufgetragen, und sodann ausgemittelt werden; wie die Einnahme die Ausgabe decken soll. §. 18. Der Staat hat zur Bestreitung der Unterhaltungskosten des Hofes und des Staates drey Quellen des Einkommens, Domainen, Regalien und Steuern. Wenn die beyden ersten Quellen nicht zureichen, so tritt die dritte ein, sie ist die Hülfsquelle; die beyden ersten Quellen erlauben auch nicht wie die dritte eine willkührliche Vermehrung. §. 19. Besonders in Rücksicht der Bestimmung der Steuern, und der den Steuern ähnlichen Abgaben, ist die Stimme der Stände zu hören; sie sollen aussagen nach ihrem besten Wissen und Gewissen, wie am schnellsten und am wenigsten drückend für die Unterthanen diese Art der Einnahme zu bestimmen und zu erheben sey. §. 20. Zu dieser Absicht ist dem Engern Ausschuß der Stände der Etat der Einnahmen und Ausgaben mitzutheilen, um ihre Bemerkungen darüber machen und vorlegen zu können. Ebenso ist demselben der Finalabschluß über die Verwendung der ausgeschriebenen Steuern vorzulegen.

652

Textanhang §. 21.

Die jährliche Ausgabe in der Staats-Rechnung theilt sich in a) auf Intereße stehende Capitalien; b) auf bestimmte laufende Ansätze für Hof und Staat, an Besoldung etc. Die Landes-Regierung ist verpflichtet und verantwortlich, daß die bestimmten laufenden Ausgabe-Ansätze durch die Einnahme berichtigt werden, und die Landschaft übernimmt die Sicherheit der jetzt vorhandenen alten und neuen Schulden; bey künftigen neuen Schulden muß derselben die Nothwendigkeit derselben jedesmal vorher nachgewiesen werden. §. 22. Der Natur des jetzigen Staatsverhältnißes nach, kann nur eine Staatskasse seyn; der Controleur wird besonders auf die Landschaft verpflichtet. Solltern aber zwey Kassen errichtet werden, nämlich eine Domainen-Kasse und eine Landes-Kasse, so würde bey der Domainenkasse der ganze Ausgabe-Etat gerade so verbleiben, wie er jetzt ist, mit der einzigen Ausnahme, daß die Intereßen von den Schulden derart abgesetzt, und auf den Ausgabe-Etat der Landeskasse gebracht würden. Dagegen würde der Ausgabe-Etat der Landeskasse bestehen in 1) Intereßen von den Schulden 2) Abtragung der Schulden 3) Besoldung der Landschaftlichen Diener 4) Die Beyträge an die Domainenkasse zu Besoldungen, Militair pp. Der Einnahme-Etat der Domainenkase bestünde in den Domanial-Revenüen, Regalien, Ordinair-Steuern, Tranksteuer, Ergäntzungsbeyträgen aus der Landeskasse. Die Einnahmen der Landeskasse bestünde in den Extrasteuern, dem Accis, dem Lotto, der neuzuorganisierenden Bank und in den neu zu eröffnenden Quellen nämlich in 1) der Besteuerung der Rittergüter, 2) in der auf 6 Jahre zur Tilgung der Kriegslasten auszuschreibenden vier Extrasteuern; 3) im Stempelpapier. §. 23. Bey der Errichtung der Landeskasse wird die Controlar-Anstalt und die Rechnungslegung bey der Regierung nothwendig. Offenbahr ist und bleibt, daß eine Staatskasse das sicherste, zweckmäßigste und vortheilhafteste ist, und es kann bey dieser so gut als wenn eine besondere Landeskasse existirt, die Garantie der Schulden von den Ständen übernommen werden; so wie dagegen bey zwey Cassen, die Staatsausgaben durch die aus der Landeskasse an die Domainenkasse zu zahlenden runden Summen ihre Deckung erhalten.

Textanhang

653

19. Verordnung über die Errichtung einer ständischen Verfassung vom 16. März 1816 (StACo LReg. 254 fol. 130 – 133) W i r E r n s t , vo n G o t t e s G n a d e n H e r z o g z u S a c h s e n , J ü l i c h , K l e ve und B e r g auch E n g e r n und We s t p h a l e n , Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, souverainer Fürst von Koburg und Saalfeld, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc. etc. Wir haben mit Unsern getreuen Unterthanen eine unglückliche Zeit überstanden. Denn unglücklich muß wohl die Zeit genannt werden, in welcher eine fremde Macht alle Mittel anwandte, auch die deutschen Lande sich zu unterwerfen, an die Stelle deutscher Sitten und Rechte die ihrigen zu setzen, und alles aufzulösen, was auf Wiedererweckung deutschen Sinnes und deutscher Verfaßung hinzuwirken vermochte. Solche Zeiten prüfen; Wir können Unsern Unterthanen aber das Zeugniß nicht versagen, daß sie auch in diesen Zeiten an ihrer Treue und ihrem Vertrauen gegen Uns sich durch fremde Einflüße nicht haben irre führen laßen. Wir selbst versuchten in jenen stürmischen Zeiten dasjenige zur Wohlfahrt Unserer Lande zu thun, was irgend möglich war. In dieser Hinsicht haben Wir Uns bemüht den Lauf der Justiz, als die erste gerechte Forderung des Unterthan an seinen Fürsten, ungestört zu erhalten; Um die Betriebsamkeit Unserer Unterthanen nicht durch Monopole zu hemmen, haben Wir diese aufgehoben; um den freyen Verkehr möglichst zu unterstützen, haben Wir die Ausübung des Näherrechts für unstatthaft erklärt, und Unsern Vasallen, unter gewißen in dem Mandat vom 11. December 1809. bestimmten Bedingungen, die Versicherung ertheilt, daß Wir Uns stets geneigt finden laßen würden, das Lehn in freyes Eigenthum zu verwandeln, das Guth von der Belehnung, wie auch vom Heimfallsrecht zu befreyen, und solchergestalt den Lehnsverband zum Vortheil der Lehnsbesitzer aufzulösen; In gleicher Absicht haben Wir die Vertheilung der Gemeindebesitzungen eingeführt und dadurch die beßere Benutzung dieser Güter Unsern Unterthanen möglich gemacht. Als, durch langwierigen Krieg und durch die gänzliche Umänderung der Staatsverhältniße die Bedürfniße und Staatsausgaben größtentheils fortwährend vermehrt wurden, mußten Wir es als Pflicht ansehen, eine möglichst gleiche Vertheilung der Staatslasten herzustellen, und zu solchem Ende, da die steuerpflichtigen Unterthanen die Last allein zu tragen, nicht ferner vermochten, auch die bisher unbesteuerten Grund-Eigenthümer in die Steuer zu legen; Wir haben aber auch dabey die Beruhigung genoßen, daß von diesen die Nothwendigkeit dieser Verfügung nicht verkannt worden ist. Stets überzeugt, daß eine wohleingerichtete ständische Verfaßung großen Vortheil einem Lande bringe, haben Wir selbst im Jahre 1808 den Versuch gemacht, solche wieder herzustellen; allein die immer aufs Neue ausbrechenden Kriege gestatteten keine ruhige Berathung und Festsetzung wohlthätiger Verhältniße. Als aber endlich für Deutschland sich beßere Aussichten zeigten, als überall die Kräfte zur Rettung der deutschen Vaterlandes sich regten, glaubten Wir, daß es Unsere Pflicht sey, als deutscher Fürst an dem großen Bunde Theil zum nehmen. Unsere Unterthanen haben diese Gesinnungen mit Uns getheilt, und immer willig theils persönlich, theils durch Kostenbeiträge für die große und heilige Sache zu wirken gesucht. Dieses Unser und der Unsrigen Bestreben ist der Aufmerksamkeit der hohen, verbündeten Mächte nicht entgangen; und Wir haben darüber die unzweydeutigsten Beweise erhalten. Von Unsern Nachkommen können

654

Textanhang

Wir den Vorwurf nicht befürchten, als ob Wir und die Unsrigen in der Zeit das nicht gethan hätten, was in ihr geschehen mußte. Nunmehr da das düstere Gewölk verderblicher Kriege und nicht minder verderblicher politischer Meinungen sich verzogen, da der Friede bleibend zurückgekehrt, so kann dem Fürsten nichts angelegentlicher erscheinen, als seinem Lande eine solche Verfaßung zu geben, welche Sicherheit des Eigenthums und vernünftige Freyheit im Handeln, Reden und Schreiben gewährt, und somit die Bande zwischen Fürsten und Unterthanen fester knüpft. Die Bundesacte spricht im 13ten Artikel den allgemeinen Willen der Fürsten dahin aus, daß in allen Bundesstaaten eine landständische Verfaßung statt finden werde. Daher sind die nähern Grundsätze und Bestimmungen, auf welche die ständische Verfaßung der deutschen Staaten im Allgemeinen errichtet werden soll, noch zu erwarten, damit das Besondere dem Allgemeinen nicht widerspreche, sondern überall, soweit es möglich ist, eine Gleichförmigkeit statt finde. Indeßen wollen Wir Uns dadurch nicht abhalten laßen, Unsern getreuen Unterthanen hierüber vorläufig Unsere Gesinnungen und Ansichten im Allgemeinen über diesen so wichtigen Gegenstand mitzutheilen. Wir haben nach der Zurückkunft in Unsere Lande eines Unserer ersten Geschäfte seyn laßen, Uns das früher abgeforderte Gutachten Unserer Landesregierung zum Vortrag bringen zu laßen, und dieser Angelegenheit Unsere ganze Aufmerksamkeit zu widmen. Wir erklären daher Unsern Unterthanen, daß Wir eine ständische Verfaßung zu begründen, und zwar dergestalt besorgt seyn werden, daß die Stände als Vertreter der sämmtlichen Unterthanen und als Bürgen der Aufrechterhaltung der herzustellenden Verfaßung angesehen und gehalten werden sollen. Bei diesem ehrenvollen und hochgewichtigen Auftrag spricht sich von selbst aus, daß zu landschaftlichen Stellen nur die unzweydeutigste Würdigkeit führen und gelangen kann. Da im Staate nicht Alle reden und nicht Alle rathen können über das, was dem Lande Noth ist; und über das beste Mittel, wie ihm zu helfen ist, wenn nicht Verwirrung statt Ordnung, leidenschaftlich aufgegriffene Ansicht statt reifer Ueberlegung Platz gewinnen soll; so wird eine sorgfältige Bestimmung hierbei nothwendig. Besitz des Grundeigenthums, Rechtlichkeit und Einsicht sind die Eigenschaften, die Anspruch auf Landstandschaft geben. Was besonders in Ansehung des Grundeigenthums, die Rittergüter betrift, auf welchen von alten Zeiten her die Landstandschaft geruhet, so sind Wir gemeynet, solchen Vorzug bei denselben zu belaßen. Wir nehmen an, daß schon der Gedanke, daß auf einem solchen Gute von den Altvordern zum Besten des Vaterlandes gerathen worden ist, einen Reiz auf den Besitzer bringen muß, ferner nach bester Einsicht für das gemeine Wohl mitzuwirken. Und darum theilen Wir Unsere Stände in gebohrne und gewaehlte. Zu den erstern rechnen Wir diejenigen, welche mit einem Rittergute begabt sind, und überdies diejenigen Eigenschaften in sich vereinigen, die überhaupt zu der Würdigkeit eines Landstandes erforderlich sind. Gelangt ein solches Guth auf Frauen oder Unmündige, so wird die Landstandschaft durch dazu geeigenschaftete Vormünder und Bevollmächtigte ausgeübt. Die gewählten Stände bestehen theils aus den Gliedern der Magisträte und Stadträthe, theils aus dem Bürger- und Bauern-Stand. Wer in diesen Ständen berechtigt ist, den Stellvertreter zu wählen, und wer zu diesem gewählt werden kann, darüber wird künftig die nähere Bestimmung erfolgen. Indeßen muß in jeder Rücksicht ein Verhältniß zwischen den gebohrnen und den gewählten Ständen Statt finden. Eben so zweckmäßig und nothwendig muß es erscheinen, daß nur Eine und nicht besondere Landschaften für Unsere verschiedenen Lande hergestellt werden. Es muß kein Theil von dem Gedanken beunruhigt werden, daß er schwerere Lasten zu tragen habe, als der andere; Das Einzelne und das Ganze müßen zusammengreifen; kein Theil darf dem andern fremd seyn. Was die Rechte und Pflichten Unserer Landstände anbelangt, so setzen wir verbindlich fest:

Textanhang

655

1.) Allgemeine Gesetze, welche die Verfaßung, die persönliche Freyheit und das Eigenthum betreffen, sollen den Ständen zum Gutachten mitgetheilt werden, und bevor dieses geschehen und die Erklärung der Stände binnen der zu setzenden Zeit eingegangen, keine verbindliche Kraft haben; 2.) Die frühern, unter die obige Categorie gehörigen Gesetze, welche in der Zwischenzeit, wo die ständische Verfaßung ruhete, ausgefloßen, und daher zur Berathung nicht mitgetheilt worden sind, sollen, wenn die Stände über dieselben hier und da Bedenken finden, und solche Uns anzeigen, in nochmalige Prüfung gezogen, und solche hiernach entweder abgeändert oder aufgehoben werden; 3.) In gleicher Rücksicht können die Stände bey Uns die Beschwerden des Landes gegen Druck oder unerlaubte Eingriffe der Staatsdiener in die Rechte der Unterthanen anzeigen, wo Wir alsdann die nöthigen Untersuchungen verfügen werden; Sie können 4.) ferner bey Uns Vorschläge übergeben, nach welchen auf die anzugebenden Thatsachen entweder alte Gesetze abzuschaffen oder neue Gesetze einzuführen seyn möchten; 5.) Ohne der Stände Bewilligung sollen keine neuen Steuern ausgeschrieben werden; Uebrigens wollen Wir daß bei der allgemeinen Steuerpflichtigkeit und da Uns die Wohlfarth des Adels und des Bürger- und Bauern-Standes gleich nahe liegen muß, eine möglichst verhältnißmäßig gleichheitliche Vertheilung der Staatslasten beobachtet und hergestellt und sonach kein Stand vor dem andern beschwert werde welches bei dem gebietenden Drange der Umstände nicht immer zu bewirken möglich war; 6.) Die Stände wählen sich einen Director, die Ausschußglieder, den Consulenten, Copisten und Cassirer, und suchen bei Uns die Bestätigung derselben; 7.) Die Rechte welche den Rittergutsbesitzern, den Patronatsherren u.s.w. als solchen zustehen, werden Wir zur Aufhebung aller Willkühr und möglichen Eingriffe in besondern Verordnungen bestimmen, und solche vor ihrer Bekanntmachung den Ständen zur Prüfung und Berathung mittheilen; Dagegen 8.) erwarten wir nun auch von den künftigen Vertretern Unserer Unterthanen, daß sie bemüht seyn werden, Unsere wohlmeynenden Absichten zu unterstützen, um das Gemeinwohl immer mehr empor zu bringen und zu befestigen, die Abgaben nach verhältnißmäßger Gleichheit zu tragen; aber die von allen zu entrichtenden Steuern und Abgaben als eine unverletzliche Sache anzusehen, die nicht zu etwas anders, als dazu, wozu sie von Uns und den Ständen bestimmt worden, verwendet werden darf. Deshalb wird eine genau unter der Aufsicht Unserer Landesregierung stehende Rechnungsverwaltung nothwendig. Indem Wir nun auf solche Weise Unsern getreuen Unterthanen nicht nur die Zusicherung der Erlangung einer ständischen Verfaßung, sondern zugleich auch die Grundlinien gegeben haben, nach welchen die künftige Verfaßungsurkunde zu begreifen seyn soll; so erklären Wir annoch weiter, daß Wir den vollständigen Entwurf sothaner Urkunde des nächsten einer eigenen Commißion, welche Wir aus einigen Unserer Staatsdiener und aus einigen Unserer vormaligen Stände zusammen setzen werden, zur Prüfung übergeben werden. Sobald diese sich über die Grundsätze wird vereinigt haben, werden Wir, wegen der anzutretenden Wahlen und den sodann zu bestimmenden Landtag, das weiter Erforderliche zu erlaßen unvergeßen seyn. Nur soll kein Theil vergeßen, daß die Form des Geringere ist, und daß der gute Geist hineingelegt und damit das Ganze belebt werden muß. Coburg zur Ehrenburg den 16. Merz 1816. Ernst HzSCS. Gruner.

656

Textanhang

20. Verfassungsentwurf Lotz’ vom 26. Juni 1817 (Exzerpt aus StACo LReg. 255 fol. 5 – 98) Entwurf eines Grundgesetzes der Landschaftlichen Verfassung für das Fürstenthum Coburg und Saalfeld Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen. §. 1.) Die zu den Herzogl. S. Coburgischen Landen gehörigen Bestandtheile der ehemaligen Pflege Coburg, die Saalfeldische Landesportion, und die bisher zur Grafschaft Henneberg gehörigen Themarischen Lande, bilden von nun an nur Ein Fürstenthum unter dem Namen Coburg-Saalfeld. Alle Angehörige dieses oder jenes Landes-Bezirks haben ohne Rücksicht auf ihre früheren Verhältnisse, und die in jedem Bezirke bestandene eigene Landschaftliche Verfassung, gleiche staatsbürgerliche Rechte und Pflichten, und Allen steht an den Wohlthaten der Verfassung und der darauf gegründeten Staatsverwaltung gleicher Antheil zu. §. 2.) In dem Fürstenthum S. Coburg Saalfeld besteht nur Eine Landschaftl. Verfassung, welche allen Theilen des Fürstenthums als Einem Ganzen gemeinschaftlich ist. §. 3.) Die Landstände sind die Vertreter der ganzen Masse der Unterthanen des gesammten Fürstenthums. Sie bilden Ein Ganzes, welches die gesammten Unterthanen in ihrem Verhältnisse zum Regenten verfassungsmäßig zu vertreten hat, ohne Rücksicht auf die in dem folgenden (§ 4) bestimmte Art und Weise der Berufung zu dieser Vertretung. §. 4.) Die Landstände selbst theilen sich in gebohrne und gewählte. Zu den Erstern gehören diejenigen, welche im Besitze eines Ritterguts sind, dem früherhin die Landstandschaft zustand, vorausgesetzt, daß sie diejenigen Eigenschaften in sich vereinigen, welche überhaupt zu der Würdigkeit eines Landstandes erforderlich sind. Die Letztern, die gewählten Stände, hingegen bestehen aus den von den Städten u. Dorfgemeinden gewählten Volksvertretern. Beyde, die gebohrnen und die gewählten Stände, bilden nur Eine ständische Gesammtheit, sie können nur als solche vereint handeln; und überhaupt können alle den Landständen zukommende Rechte nur von diesen gesetzlichen Vertreter in Gesammtheit in der Art und unter den Bedingungen ausgeübt werden, welche in dieser Verfassungsurkunde der Art und Weise des Handelns der Stände vorgezeichnet sind. §. 5.) Insbesondere kan weder die Klasse der gebohrnen, noch die Klasse der gewählten Landstände je etwas für sich und getrennt von den Andern in Landesangelegenheiten verhandeln,

Textanhang

657

sondern alles, was zwischen dem Regenten und den Landständen zu verhandeln seyn mag, kan nur stets an die ganze Gesammtheit der Stände und von diesen zu den Regenten gebracht werden, und alle Beschlüsse der Landstände sind nur in so fern gültig und verbindlich, als die Gesammtheit, der gebohrnen und gewählten Stände, daran verfassungsmäßig Theil genommen hat. Zweyter Abschnitt. Von der Anzahl und Wahl der Landstände, und den nothwendigen Eigenschaften derselben. §. 6.) Zu den gebohrnen Landständen gehören dermahlen nach den eben aufgestellten Bestimmungen (§. 5.) die Besitzer der Rittergüter zu Ahorn, Scheuerfeld, Eichhof, Hohenstein, Scherneck, Ober- und Untersiemau etc. pp. und ausser diesen alle diejenigen, welche in der Folge noch von der Landesherrschaft die Aufnahme ihrer Besitzungen unter die Zahl der Rittergüter erlangen werden. Diese Aufnahme und Verleihung selbst steht bis zum ersten Landtage der Landesherrschaft allein und ausschließlich zu, in der Folge aber ist dazu der Beyrath und die Einwilligung der Landstände erforderlich. §. 7.) Von den gewählten Landständen hingegen haben zu wählen: a.) die Bürgerschaft der Stadt Coburg – acht Repräsentanten, b.) die Bürgerschaft der Stadt Saalfeld – fünf Repräsentanten, c.) die Bürgerschaft der Stadt Pösnek vier Repräsentanten, d.) die Dorfsgemeinden des Amts Coburg, neun Repräsentanten, e.) die Dorfsgemeinden des Amts Saalfeld, sieben Repräsentanten, f.) die Bürgerschaft der Stadt Neustadt und die Dorfsgemeinden des dasigen Amtsbezirks, sechs Repräsentanten, g.) die Bürgerschaft der Stadt und die Dorfsgemeinden des Amtsbezirks Rodach, sechs Repräsentanten, h.) die Bürgerschaft der Stadt und die Dorfsgemeinden des Amtsbezirks Gräfenthal mit Lehesten, acht Repräsentanten, i.) die Bürgerschaft der Stadt und die Dorfsgemeinden des Amtsbezirks Themar, fünf Repräsentanten, und haben übrigens, was die Wahl der von den Ämtern u. Dorfsgemeinden zu wählenden Landstände betrifft, die unter Patrimonialgerichts-Jurisdiction stehenden Unterthanen hieran nicht weniger Theil, als die der Amtsgerichtsbarkeit untergeordneten. §. 8.) Die Bedingungen, unter welchen die gebornen Stände zur Uebung des ihnen auf den Grund ihres Güterbesitzes zuständigen Landstandschaftsrechts zugelassen werden mögen, ingleichen die der Wahlfähigkeit der gewählten Volksvertreter, sind für beyde gleichförmig: a.) Bekenntniß zur christlichen Religion, jedoch ohne Unterschied der verschiedenen Confessionen;

658

Textanhang

b.) Teutsche Geburt, mit der nähern Bestimmung, daß das Individuum welches durch GutsBesitz oder Wahl zur Stelle eines Volksvertreters berufen seyn möchte, von einem Vater abstammt, der selbst in Teutschland geboren war, oder seinen wesentlichen gesetzmäßigen Wohnsitz (domicilium) in Teutschland gehabt hat; c.) christliche Geburt (Geburt von Eltern, welche sich ebenfalls zur christlichen Religion bekannt haben); d.) eheliche Geburt, doch sind legitimierte Kinder den ehelich gebornen für gleich zu achten; e.) dreyßig jähriges Alter; f.) wesentliche gesetzmäßige Wohnung (domicilium) im Lande, und g.) Unbescholtenheit des Rufs. Aus dem letztern Grunde insbesondere kan niemand zur Uebung des Landstandschaftsrechts zugelassen werden, der in eine Criminal-Untersuchung verflochten ist, oder durch rechtliches Erkenntniß der competenten Gerichtsbehörde eines Verbrechens für schuldig erkannt wurde, welche die Gesetze mit Zuchthaus- oder Festungsgefängnißstrafe bedrohen, gesetzt auch er sollte diese Strafe nicht wirklich erduldet haben, sondern ihm solche aus Gnaden erlassen oder in eine Geldstrafe oder gelindere Gefängnißstrafe verwandelt worden seyn; ferner niemand der Bankerott gemacht, oder auch nur überhaupt je in Concurs gerathen, so wie auch endlich niemand der je ein Mahl wegen eines ihm zur Last gelegten Verbrechens in Criminaluntersuchung befangen war, wenn er nicht durch rechtliches Erkenntniß für völlig unschuldig erklärt worden, gesetzt auch er sollte wegen Unzulänglichkeit der Beweise von der Instanz Absolution erhalten, oder durch Abolition begnadiget wurden seyn. §. 9. Ausser diesen allgemeinen Bedingungen ist es aber auch weiter für gebohrne Stände noch erforderlich, daß dieselben das Gut, durch dessen Besitz sie zu Volksvertretern berufen werden, wenigstens seit drey Jahren besitzen, wenn sie solches nicht in absteigender Linie durch Erbgangsrecht, sondern auf eine andere Weise erworben haben, und nächstdem sind auch nur mänliche Besitzer zur Uebung des durch den Guts-Besitz begründeten Landstandsrechts fähig. Frauenspersonen können weder durch sich noch durch Andere an den auf diesem Titel beruhenden Volksvertretungsrechte Theil nehmen. §. 10. Ob der Besitzer eines Gutes, dessen Besitz seinen Besitzer zur Theilnahme an der Volksvertretung berechtiget, von Adel sey, oder zum Bürger- oder Bauernstande gehöre, hat auf seine Befähigung zur Uebung des Landstandsrechts keinen Einfluß, nur muß derjenige der dieses Recht üben will, die dazu nöthige intellektuelle Bildung besitzen. Gemeine Bürgersund Bauersleute, welche diese Bildung gewöhnlich nicht besitzen, können daher auf die Übung dieses Rechts erst dann Anspruch machen, wenn sie den gehörigen Grad dieser Bildung zu besitzen nachgewiesen haben, und auf diesen Nachweis vom Regenten und den übrigen Ständen zur wirklichen Uebung des auf ihrem Gute haftenden Volksvertretungsrechts für fähig erklärt worden sind. §. 11. Jeder durch Gutsbesitz zur Volksvertretung berufener Landstand hat jedoch stets nur Eine Stimme in den Landesversammlungen, auch wenn er mehrere Güter besitzen sollte, auf welchen die Berechtigung zur Theilnahme an den Landesangelegenheten ruht. Auch hat jeder

Textanhang

659

dem diese Berechtigung zusteht, sein Volksvertretungsrecht stets selbst in Person zu üben. Kein Mitglied der Landstände, es mag durch Gutsbesitz oder durch Wahl zur Volksvertretung berufen seyn, kann seine Stimme einem Andern übertragen, und jemanden zur Ausübung seines Rechts bevollmächtigen. Nur wenn mehrere Personen ein zur Landstandschaft berechtigtes Gut gemeinschaftlich besitzen, können sämmtliche Besitzer die ihnen zukommende Stimme Einem aus ihrer Mitte übertragen, der dann die auf dem Gute haftende Stimme zu führen hat, so lange als die Gutstheilhaber ihre Wahl nicht zurüknehmen; welche Zurücknahme jedoch während der Dauer eines Landtags nie statt findet. §. 12. Von Gütern, welche Frauenspersonen oder Minderjährige oder auch Großjährige, welche das dreyssigste Jahr noch nicht zurück gelegt haben, besitzen, oder deren Besitzer wegen der ihnen abgehenden allgemeinen Bedingungen zur Übung des Volksvertretungsrechts, oder aus Mangel an der nöthigen intellektuellen Bildung, das ihnen zustehende Recht nicht üben können, so wie bey denjenigen, deren Besitzer solches aus irgend einem Grunde nicht in Person üben wollen oder zu üben vermögen, ruht dieses Recht so lange, bis die Güter wieder einen Besitzer erhalten, der die zur Volksvertretung nöthigen Eigenschaften in sich vereinigt, oder im letztern Falle bis der zwar an sich geeignete Besitzer der sein Recht aber zur Zeit zu üben behindert ist, nach Beseitigung dieser Hindernisse sich zu dessen Uebung bereit erklärt. Doch hat die Länge der Zeitdauer dieses Ruhens auf die Berechtigung an sich keinen Einfluß. Die Berechtigung selbst bleibt in ihrer vollen Stärke, auch wenn das Stimmrecht über Verjährungszeit hinaus von dem Besitzer des berechtigten Gutes aus einem oder dem anderen Grunde nicht geübt worden seyn sollte. §. 13. Bey den gewählten Ständen ist ausser den oben (§. 8.) angedeuteten allgemeinen Bedingungen noch weiter erforderlich, daß diese Volksvertreter, entweder den Besitz eines irgendwo im hiesigen Lande gelegenen schuldenfreyen Wohnhauses von 6000 fl. rh. von Werth, oder so viel an Grundstücken, oder ein unabhängiges schuldenfreyes Einkommen von wenigstens 400 fl.rhein. nachweisen. Doch wird bey der Berechnung des Einkommens und Vermögens der gewählten Stände dasjenige Vermögen und Einkommen mit eingerechnet, welches einem solchen gewählten Volksvertreter als gesetzlichen Nutznieser des Vermögens seiner Ehefrau oder vermöge der zwischen ihm und derselben bestehenden ehelichen Gütergemeinschaft zusteht; und bey dem Einkommen der Abgeordneten der Städte Coburg u. Saalfeld wird auch die Rente des von ihnen zu besitzenden Wohnhauses bey der Berechnung der Normal-Summe ihres Einkommens mit in Anrechnung zu bringen gestattet. Als unabhängiges Einkommen aber kan ein Diensteinkommen begründet durch irgend ein öffentliche oder von öffentlicher Verleihung herrührendes Amt, es bestehe in seiner Besoldung oder in Accidenzien, es werde vom Staate oder Privatpersonen bezogen, nicht angesehen werden; und dasselbe gilt auch von Pensionen. §. 14. Die gewählten Volksvertreter, welche die Städte und Amtsbezirke zu wählen haben, brauchen nicht gerade Eingesessene der Stadt oder des Bezirks zu seyn, welche sie wählen mag; genug nur, wenn sie hiesige Landesunterthanen sind, und den Bedingungen ihrer Zulässigkeit (§. 8. und 13.) überhaupt entsprechen. Auch Ritterguts-Besitzer können von Städten oder Amtsbezirken gewählt werden, nur nicht in diesem Falle das ihn als Güterbesitzern zustehen-

660

Textanhang

de Landstandschaftsrecht so lange als sie die Stelle eines gewählten Repräsentanten bekleiden mögen. Blutsverwandte in auf- und absteigender Linie und Brüder können übrigens zu gleicher Zeit nie zu Landständen gewählt werden. Sollte der Fall eintreten, daß sie dennoch gewählt würden, so muß der Sohn und Enckel gegen den Vater oder Großvater, und der jüngere von zwey gewählten Brüdern gegen den ältern zurückstehen, und an die Stelle des Zurückgetretenen ist Jemand anders zu wählen. Wird Eine und dieselbe Person von zwey Wahlbezirken gewählt, so kan er nur für eine einzige Stelle die auf ihn gefallene Wahl annehmen; für die zweyte Stelle aber ist eine anderweite Wahl erforderlich. Ist endlich die Wahl auf einen Untüchtigen gefallen, oder nimmt der Gewählte die Stelle nicht an, so ist gleichfalls von dem Wahlbezirk, welcher ihn gewählt hat, eine neue Wahl vorzunehmen. §. 15. Da alle Volksvertreter als Eine Gesammtheit die ganze Masse der Unterthanen zu vertreten haben, und keiner etwa nur denjenigen Bezirk vertritt, von dem er gewählt wurde, so kan für die Gewählten keine Instruction von Seiten ihres Wahlbezirks statt finden, sondern jeder hat bey der Uebung seines Landständischen Stimmrechts stets nur das Interesse des Ganzen ins Auge zu fassen, und dem zu folgen, was ihm für das Ganze nach seiner individuellen Ueberzeugung und seinem Gewissen Recht und Gut erscheint. Alle Instructionen wodurch die Stimmfreyheit eines gewählten Standes auf irgend eine Weise beschränkt werden soll, sind gesetzwidrig und ungültig. §. 16. Jeder gewählte Volksvertreter wird nur für den ordentlichen oder ausserordentlichen Landtag gewählt, der die Wahl nöthig machen mag. Nach dem Ende dieses Landtags ist, der unten (§. 63.) angegebene Fall ausgenommen, seine Berechtigung zur Theilnahme an den Landständischen Verhandlungen ohne Weiteres und für sich selbst erloschen; doch ist derjenige der zu einem früheren Landtage als Volksvertreter gewählt wurde, bey einer neuen Wahl der Volksvertreter zu einem folgenden Landtag wieder wahlfähig. Stirbt während der angedeuteten Periode ein Gewählter oder tritt er von seiner Stelle ab, wozu allerdings jeder berechtiget ist, oder wird er wegen Verlusts der oben (§. 8 und 13.) nöthigen Eigenschaften seiner Stelle verlustig, so ruht die ihm durch Wahl übertragene Stelle bis zum Eintritt einer neuen Wahlzeit. §. 17. Ob derjenige der zu einem Landstande gewählt wurde, die auf ihn gefallene Wahl annehmen will oder nicht, hängt von den Willen des Gewählten ab, ohne daß er desfalls Entschuldigungsgründe anzuführen und nachzuweisen nothwendig hat. Doch läßt die Wichtigkeit des Gegenstandes mit Recht verwarten, daß Niemand ohne Noth und blos nur aus Eigenwillen sich dem Amte entziehen werde, zu den ihm die Wahl seiner Mitbürger berufen haben mag. §. 18. Die Wahl der zu wählenden Volksvertreter erfolgt vor der Eröffnung jedes ordentlichen oder ausserordentlichen Landtags auf die Weisungen, welche desfalls auf Befehl des regirrenden Landesfürsten von der Regierung an die zur Leitung der Wahlen beauftragte Behörden ergehen werden, innerhalb der in diesen Weisungen vorgeschriebenen Termine. Ohne solche Weisungen und Aufforderungen vorgenommene Wahlen sind ungültig.

Textanhang

661

§. 19. Die Wahlen selbst geschehen a.) in den Städten Coburg, Saalfeld und Pösnek, unter der Leitung u. Aufsicht des Directoriums der Magisträte und des Stadtraths jeder Stadt, b.) in den Bezirken der Ämter, unter der Leitung und Aufsicht des Justizamts. Doch können diejenigen Personen, welche das Wahlgeschäfte zu leiten haben, von dem Bezirke, wo ihnen dieses zukommt und obliegt, nie selbst gewählt werden; für jeden anderen Bezirk aber sind sie, wenn sie sonst die nöthigen Eigenschaften (§. 8. u. 13.) haben, wählbar. §. 20. Ohne Unterschied der Religion, zu der sich jemand bekennt, nur Bekenner der jüdischen Religion ausgeschlossen, nimmt jeder Einwohner einer Stadt, oder eines Dorfs, der darin ein Haus besitzt, oder daselbst das Bürger- oder Nachbarrecht erworben hat, oder auch ohne Erwerb des Bürger- oder Nachbarrechts ein öffentliches Amt bekleidet, in der Stadt oder dem Bezirk zu dem er gehört, Antheil an der Wahl, jedoch stets nur mit Einer Stimme. Der Besitz mehrerer Häuser oder Güter giebt kein Recht zu mehreren Stimmen. Kleine oder Tropfhäusler auf den Dörfern sind von dieser Befugniß keineswegs ausgeschlossen, blos nur Schutzbürger in den Städten und Hintersassen auf den Dörfern sind zur Theilnahme nicht berechtiget. Auch können die Besitzer derjenigen Güter, auf welchen das Landstandschaftsrecht ruht, an diesen Wahlen nicht Theil nehmen. §. 21. Auch steht die Theilnahme an der wirklichen Uebung des Wahlrechts blos Personen männlichen Geschlechts zu, welche die Jahre der Großjährigkeit erreicht haben auch nicht mehr unter der väterlichen Gewalt eines Familienvaters stehen. Minderjährige u. Frauenspersonen auch unter der väterlichen Gewalt stehende Söhne, auch wenn sie schon die Jahre der Großjährigkeit erreicht haben sollten, und wer überhaupt unter Vormundschaft steht, oder noch nicht die nöthige Selbstständigkeit durch Einrichtung und Führung einer eigenen Wirtschaft erlangt hat, kan weder selbst an der Wahl Theil nehmen noch durch seinen Vormund oder sonst Jemanden vertreten werden. §. 22. Auch solche Häuser und Güterbesitzer und Bürger und Nachbarn einer Stadt oder eines Dorfs können nicht Theil an der Wahl nehmen, welche nicht im Innlande wohnen, oder nicht diejenige Unbescholtenheit des Rufes für sich haben, welche diejenigen bedürfen, die (§. 8.) zu Volksvertretern gewählt werden mögen. §. 23. Jeder zur Theilnahme an solchen Wahlen berechtigte, muß seine Stimme in Person selbst bey der Wahlversammlung abgeben; schriftliches Abgeben der Stimmen, oder durch Bevollmächtigte ist nicht gestattet. §. 24. Die Wahl der Volksvertreter muß hervorgehen aus der unbefangenen Ansicht und Ueberzeugung der Wählenden von der Würdigkeit derjenigen, welchen sie ihre Stimmen geben

662

Textanhang

mögen. Es kan daher weder von Seiten der Behörden, welche die Wahl zu leiten haben, noch von Seiten eines oder des Andern der Wählenden selbst, Jemand der Wahlversammlung zur Wahl empfohlen werden. Erlaubt sich die zur Wahl bestimmte Behörde eine solche Empfehlung, gleichviel vor oder bey der Wahlversammlung, so ist ihre Befähigung zur Leitung des Wahlgeschäftes erloschen, und der Wahlakt ungültig, vielmehr die Anordnung eines anderweiten Wahlakts unter Leitung eines von der Regierung zu bestellenden besonderen Commissarius nothwendig. Erlaubt sich aber einer der Wählenden eine solche Empfehlung bey der Wahlversammlung, so ist er seines Stimmrechts bey der instehenden Wahl verlustig, und durch die Wahlversammlung leitende Behörde sofort von dieser Ver sammlung zu entfernen. Sollte sich Jemand so weit vergessen bey der Wahlversammlung oder auch nur vor derselben für sich selbst um die Stimmen der Wählenden zu werben, so ist falls ihn die Wahl treffen sollte, diese nicht nur ungültig, sondern derjenige, dem ein solches Werben nachgewiesen werden kann, ist in jedem Falle, die Wahl mag ihn getroffen haben, oder nicht, für immer unfähig zum Volksvertreter gewählt zu werden, und kan überhaupt an keiner Wahlversammlung je wieder als Stimmgeber Theil nehmen. Daß sich die Wählenden vor der Wahlversammlung über das von ihnen zu wählende Individuum unter sich besprechen, kan ihnen zwar nachgelassen werden, doch darf dieses nie in öffentlichen Versammlungen, und nie an öffentlichen Orten, am wenigsten in Gasthäußern und Schencken geschehen; ausserdem sind diejenigen, welchen die Theilnahme an einer solchen Vereinigung nachgewiesen werden kan, ihres Stimmrechts bey der innstehenden Wahl verlustig. §. 25. Weder von der Regierung noch von den zur Leitung des Wahlgeschäftes selbst (§. 19) bestimmten Behörden, sollen für die ihnen hieraus erwachsenen Arbeiten einige Kosten oder Gebühren berechnet werden, sondern alle mit diesem Wahlgeschäfte verbundenen Arbeiten sind von denjenigen Behörden, welche das Wahlgeschäft zu leiten haben, als Amtsobliegenheiten unentgeldlich zu leisten, blos den einzigen unten (§. 28.) näher bestimmten Fall ausgenommen. §. 26. Den Tag, an welchem die Wahlversammlungen zu halten sind, bestimmt in den desfalls zu erlassenden Weisungen die Regierung oder bestimmte diese desfalls nichts, so steht diese Bestimmung den zur Leitung des Wahlgeschäfts (§. 19.) bestimmten Behörden zu. In jedem Falle aber muß der Tag der Versammlung von der zur Leitung des Wahlgeschäfts bestimmten Behörde wenigstens acht Tage vorher durch öffentliche Anschläge in jedem Orte bekannt gemacht werden, mit der Andeutung, daß jeder Stimmberechtigte sich an dem Orte, wo die Wahlversammlung gehalten werden soll, zu der zum Beginnen derselben bestimten Stunde einzufinden habe. §. 27. Die Wahlversammlung selbst wird in den Städten Coburg, Saalfeld u. Pösnek auf dem Rathhause, für die Amtsbezirke aber in dem Amts-Locale gehalten; doch bleibt den zur Leitung der Wahl bestimmten Behörden nachgelassen, die Wahl auch in einem andern schiklichen Locale vorzunehmen, wenn das Rathhaus oder Amts-Locale aus Mangel an Raum zu einer solchen Versammlung nicht geeignet scheinen sollte. Der Ort der Versammlung muß daher stets in der öffentlichen Bekanntmachung des Wahltages bestimmt angegeben seyn.

Textanhang

663

§. 28. Wenigstens zwey Drittheile der stimmberechtigten Einwohner des Wahlbezirks müssen bey der Wahlversammlung erscheinen und ihr Stimmen abgeben, wenn die Wahl gültig seyn soll. Sollten sich weniger einfinden, so kan der Wahlakt nicht vor sich gehen, sondern es ist die Anordnung einer anderweiten Wahlversammlung nothwendig, und haben die dadurch erwachsenden Kosten diejenigen zu tragen, welche bey der ersten Wahlversammlung nicht erschienen sind. Sollten wider Vermuthen auch bey der zweyten Wahlversammlung sich keine zwey Drittheile der Stimmberechtigten einfinden, so geht hier die Wahl dennoch vor sich. Die Erschienenen wählen allein, und die Nichterschienenen sind, nächstdem, daß sie die Kosten des anderweiten Wahlaktes zu tragen haben, ihres Stimmrechts bey solchen Wahlen als dessen unwürdig, für immer verlustig, und daher bey keiner künftigen Wahl mehr zuzulassen, es sey denn daß einer oder der Andere sein Nichterscheinen durch Krankheit oder andere ausreichende Entschuldigungsgründe zu rechtfertigen vermöchte. Wer gleich bey dem ersten Wahlversammlungstage sein Nichterscheinen durch solche Gründe gerechtfertiget hat, ist hiernächst auch von der Theilnahme an den Kosten der anderweiten Versammlung frey zu sprechen. §. 29. Bey der Abstimmung selbst werden in den Städten die Erschienenen viertelweise, in den Amtsbezirken aber Dorfschaftenweise vorgenommen, jedoch so daß jeder Stimmberechtigte allein seine Stimme dem zur Leitung des Wahlgeschäfts Beauftragten im Stillen abgiebt. Laut seine Stimme abzugeben ist nicht gestattet, bey Verlust des Stimmrechts bey der innstehenden Wahl. §. 30. Über die Abstimmung selbst ist in den Städten Coburg, Saalfeld u. Pösnek von dem Syndicus, in den Amts-Bezirken aber von dem zweyten Justiz-Beamten, oder verpflichteten Actuarius ein genaues Protokoll zu führen, in welchem bey jedem Stimmenden der Name desjenigen dem er seine Stimme gegeben, deutlich geschrieben angegeben seyn muß. Ist die Wahl vollendet, so ist sofort bekannt zu machen, auf wen die Wahl gefallen sey. Nächstdem aber sind die über den Wahlakt aufgenommenen Protocolle in den Städten von den MagistratsDirectoren, und in den Amts-Bezirken vom ersten Justiz-Beamten mit zu unterschreiben und nach beendigter Wahl mit Bemerkung derjenigen Individuen, auf welche die Wahl zum Volksvertreter gefallen ist, einzusenden. Die Regierung hat hierauf die Zulässigkeit der Gewählten sofort zu prüfen, und die die Wahl leitenden Behörden desfalls mit Resolution zu versehen, worauf diese diejenigen, deren Wahl für zulässig geachtet worden ist, hiervon Nachricht zu geben haben, damit, falls der Eine oder der Andere wider Vermuthen die Wahl nicht annehmen sollte, sie desfalls in Zeiten bey der Regierung die nöthige Anzeige machen mögen. Für diejenigen, welche die Wahl annehmen, ist eine desfallsige Annahmserklärung nicht nothwendig. Daß die Regierung bey der Prüfung der Zulässigkeit mit möglichster Umsicht verfahren müsse, und wenn sie dieses oder jenes Individuum für unzulässig erklären sollte, in ihrer desfallsigen Resolution die Gründe hiervon nach den oben angegebenen Bestimmungen (§. 8. u. 13.) anzugeben hat, versteht sich von selbst. Auf eine gar nicht oder nicht ausreichend motivirte Unzulässigkeits-Erklärung ist keine Rücksicht zu nehmen. Sollte wider Vermuthen ein von der Regierung für unzulässig erklärtes Individuum wegen Unzulässigkeit der Motive Beschwerde zu führen vermeinen, so ist diese der Landständischen Versammlung zu der das fragliche Individuum mit gewählt wurde, zur Entscheidung vorzulegen,

664

Textanhang

und wird hier nach der Mehrheit der Stimmen über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Beschwerdeführers abgestimmt. Bey der Resultate dieser Abstimmung hat es sein unabänderliches Bewenden. §. 31. Bey der Wahl entscheidet die relative Stimmenmehrheit in dem Maße, daß diejenigen als gewählt anzusehen sind, welche unter denjenigen, welche überhaupt Stimmen erhalten haben, bis zu der von der Stadt oder dem Amts-Bezirke zu wählenden Zahl die meisten Stimmen haben. Daß wegen jedes zu wählenden einzelnen Abgeordneten eine eigene Abstimmung erfolge, ist daher nicht erforderlich. Sollte einer oder der Andere der nach dem Verhältnisse der Mehrzahl der Stimmen zur Landstandschaft berufenen aus Mangel an den dazu nöthigen Fähigkeiten (§. 8. u. 13.) nicht zulässig seyn, oder Einer oder der Andere die ihn durch die Wahl beschiedene Stelle nicht annehmen wollen, so tritt derjenige ein, der nach ihm die meisten Stimmen hat. Eine neue Wahl eines andern Volksvertreters, statt des unzulässigen oder abgetretenen, ist blos dann nöthig, wenn die Wahlstimmen nur auf die für den Wahl-Bezirk nöthige Zahl gefallen seyn sollte; und in diesem Falle hat solche die die Wahl leitende Behörde denn auch sofort anzuordnen, als ihr die Unzulässigkeit oder der Abtritt des Einen oder des Andern Gewählten bekannt wird. §. 32. Diejenigen, welche bey den Wahlversammlungen zu Volksvertretern gewählt worden sind, ist übrigens nach erfolgter Prüfung der Zulässigkeit ihrer Wahl zugleich mit der Bekanntmachung ihrer Zulassung von der die Wahl leitenden Behörde zu ihrer Rechtfertigung eine Urkunde nach einer bestimmten Form zuzufertigen, mit der sie sich bei den Landständischen Versammlungen als gewählte Volksvertreter zu legitimiren haben. Dritter Abschnitt. Von den den Landständen zustehenden Rechten und Befugnissen. §. 33. Den Landständen sind folgende Rechte zuständig: 1.) Das Recht, gemeinschaftlich mit dem Regenten und den von diesem dazu beauftragten Behörden, die Staatsbedürfnisse zu prüfen, und die zu ihrer Deckung erforderlichen Einnahmen und Ausgaben festzusetzen (Bestimmungen des Etats). 2.) Das Recht, über jede Besteuerung oder andere Belastung der Unterthanen, so wie über jede allgemeine Anordnung, welche darauf Einfluß haben könnte, ehe solche zur Ausführung kommt, gehört zu werden; dergestalt, daß ohne dieses Gehör, und ohne ihre, der Landstände, vorhergegangene ausdrükliche Verwilligung, weder Steuern oder andere Abgaben und Leistungen im Lande ausgeschrieben und erhoben, noch Anleihen auf die öffentlichen Cassen und das Vermögen der Staatsbürger und die im Lande befindlichen Gemeinheiten gemacht, noch sonst Finanzmaasregeln ergriffen werden dürfen, welche das Landeseigenthum, oder das Eigenthum der einzelnen Unterthanen oder Landesgemeinden in Anspruch nehmen, oder überhaupt eine Gefährdung des Interesse des Landes nach sich ziehen könnten. 3.) Das Recht, über alle zur Bestreitung der Staatsbedürfnisse erhobenen Summen, sie mögen aus irgendeiner Quelle in die öffentlichen Cassen geflossen seyn, die Rechnungen

Textanhang

665

zur Einsicht zu verlangen, solche zu prüfen, und sowohl über die darin bemerkten Gegenstände Auskunft, als überhaupt über die Verwendung der öffentlichen Einkünfte Rechenschaft zu verlangen. 4.) Das Recht, dem Regenten Vortrag zu thun, über Mängel und Mißbräuche in der Gesetzgebung und in der Verwaltung des Landes, mit gutachtlichen Vorschlägen zur Abstellung derselben. 5.) Das Recht, bey dem Regenten Beschwerde und Klage zu erheben gegen die Minister und andere Staatsdiener oder Behörden, über derselben Willkür, und über derselben Eingriffe in die Freyheit, die Ehre, und das Eigenthum der Unterthanen, so wie in die Verfassung des Landes. 6.) Das Recht, an der Gesetzgebung in der Art Theil zu nehmen, daß neue Gesetze, welche entweder die Landesverfassung betreffen, oder die persönliche Freyheit, die Sicherheit, und das Eigenthum der Unterthanen des ganzen Landes oder eines Theil desselben zum Gegenstande haben, und eben deshalb das Allgemeine angehen, keine verbindliche Kraft haben, wenn solche nicht vorher den Landständen, und zwar entweder der Gesammtheit derselben auf Landtagen, oder, nach Befinden des Regenten, auch nur den Gliedern des weitern Ausschusses auf Ausschußtagen (§. 81.) zur Begutachtung mitgetheilt, diese Begutachtung erfolgt, und die Erklärung der Stände, binnen der ihnen dazu zu setzenden Zeit, eingegangen ist; ingleichen 7.) das Recht, dem Regenten Vorschläge zu übergeben, nach welchen, auf die anzugebenden Thatsachen, entweder alte Gesetze abzuschaffen oder neue einzuführen seyn möchten. Insbesondere aber sollen 8.) die frühern unter die obige Kategorie (6.) gehörige Gesetze, welche in der Zwischenzeit, wo die ständische Verfassung in den hiesigen Landen ruhte, ausgeflossen, und daher den Ständen zur Berathung nicht mitgetheilt werden konnten, wenn die Stände bey deren Inhalte hie und das Bedenken finden und gegründete Erinnerungen zu machen haben sollten, und solche anzeigen, in nochmalige Prüfung genommen, und die ergangenen Gesetze hiernach entweder abgeändert oder aufgehoben werden. §. 34. Um den Gang der Geschäfte, bey welchen den Ständen ein Theilnahms- oder Mitwirkungsrecht zusteht, behörig zu regeln, und ihnen insbesondere stets klare Ansichten über die Verwaltung und Verwendung des öffentlichen Einkommens zu verschaffen, sollen die beyde bisher getrennt gewesenen obere Landes-Cassen, die Haupt-Domainen- und die LandesCasse, mit einander zu Einer Casse unter dem Namen: allgemeine Landes-Casse vereiniget, und über beyde nur Eine Rechnung geführt, zur Casseverwaltung und Rechnungsführung aber Ein Cassirer und Ein Controleur als Officianten angestellt werden. Die Ernennung und Bestellung des Cassirers und Controleurs dieser Casse geschieht durch den Regenten; doch sind vorher die Stände über die Zulässigkeit der anzustellenden Individuen mit ihrem Beyrath zu hören, und haben sie gegen die ausersehenen Subjecte gegründete, durch Thatsachen zu belegende, Bedenklichkeiten, so haben sie solche binnen der ihnen zur Erklärung über den Anstellungs-Beschluß bestimmten Zeitfrist vorzubringen, und ist darauf möglichst Rücksicht zu nehmen, auch vor deren Erledigung entweder die Bestellung dieser Casseofficianten zu unterlassen oder es sind statt der ausersehenen Individuen andere auszuwählen. Unmotivirte und nicht mit Thatsachen belegte Widersprüche gegen solche Anstellungen aber – falls wider Vermuthen dergleichen vorkommen sollten, können nicht berücksichtiget

666

Textanhang

werden. Die Verpflichtung dieser Casseofficianten geschieht übrigens in jedem Falle von der Regierung in Beyseyn des Landschaftsdirektors und seiner beyden Beystände, als Abgeordneten der Stände, und die den Officianten abzunehmende Verpflichtung selbst, ist darauf mit zu richten, daß sich diese Officianten bey der Casseverwaltung und Rechnungsführung durchaus verfassungsmäßig benehmen sollen. Eine besondere Verpflichtung derselben für die Stände ist nicht nöthig. §. 35. Alljährlich sind über die Landesbedürfnisse und die zur Deckung derselben erforderlichen Summen des öffentlichen Einkommens von der Regierung ausführliche und umständliche Etats zu fertigen, und wenn diese vom Landesministerium geprüft, und da wo es nöthig seyn möchte, berichtigt worden sind, so sind solche den Ständen zur Einsicht und Prüfung vorzulegen. Erst dann wenn sie hier eingesehen und geprüft, auch nach den etwaigen Erinnerungen der Stände abgeändert oder diese Erinnerung durch behörige Verständigung der Stände beseitigt worden sind, sind dieselben an die Casse-Verwaltung zur Vollziehung hinauszugeben. Die Erledigung der von den Ständen etwa gemachten Erinnerungen selbst erfolgt in einer gemeinschaftlichen Sitzung des Ministeriums, der Regierung und des weitern Ausschusses der Stände (§. 79), und kan auf keinen Fall auf Ausgabeposten, gegen welche die Stände Erinnerungen gemacht haben, von der Casse-Verwaltung etwas gezahlt werden, so lange die Stände von jenen Erinnerungen nicht abgegangen sind. §. 36. Damit sich hiernächst auch die Stände im Laufe des Etatsjahres in der nöthigen Uebersicht des Cassen- und Rechnungswesens der Landes-Casse erhalten mögen, sind die monatlichen Cassenraporte, welche bisher von den Hauptcassen bey dem Landesministerium und der Regierung übergeben worden sind, von den Casseofficianten am Schlusse jedes Monats auch an das ständische Directorium abzugeben. §. 37. Das Ministerium, die Landes-Regierung, und insbesondere das Präsidium u.Cassen- und Rechnungsdepartement des letztern, so wie die Cassenofficianten sind persönlich dafür verantwortlich, daß die Etats überall behörig eingehalten und auf nicht etatisirte Posten nichts, auf etatisirte aber nicht mehr, als der Etat gestattet, verausgabt und gezahlt werde. Nur in dringenden, ausserordentlichen Fällen kan auf nicht etatisirte Posten von dem Ministerium oder der Regierung eine Zahlung verfügtwerden; jedoch stets nur vorschußweise. Über alle solche Vorschüsse ist aber am Schlusse jedes Monats eine Zusammenstellung herzustellen, und diese von der Regierung, dem Landschaftlichen Directorium mitzutheilen, um sich über die definitive Eintragung dieser Posten in die Rechnung vernehmen zu lassen. Macht das Directorium bis zu Ende des nächsten Monats keine Erinnerung, so steht dieser definitiven Eintragung nichts weiter im Wege, und dem Ministerium oder der Regierung bleibt desfalls das Nöthige an die Casse zu verfügen ohnbenommen. Im Falle aber daß Erinnerungen gemacht würden, welche sich durch wechselseitiges Verständniß nicht beseitigen liesen, ist der Schluß des Jahres abzuwarten, und zuzusehen, ob diese Ausgaben durch das Jahres-Einkommen gedeckt erscheinen, oder nicht. Im ersten Falle können solche Posten auch ohne Rücksicht auf die gemachten Erinnerungen in die Ausgabe gebracht und müssen hier ohne Rücksicht auf die Erinnerungen und den Widerspruch der Stände anerkannt werden. Im Letzten Falle hingegen fällt deren Erstattung derjenigen Behörde zur Last, welche deren Auszahlung

Textanhang

667

angeordnet hat. Über nicht dringende ausserordentliche Ausgaben ist vor deren Zahlung stets vorhero von der Regierung mit dem ständischen Directorium zu communiciren, und solches mit seinen Ansichten darüber zu hören. Sind solche Ausgaben aus dem gewöhnlichen Einkommen zu bestreiten, ohne daß dazu neue Auflagen oder Anleihen nöthig sind, so kan das Ministerium oder die Regierung die Zahlung solcher Posten auch gegen die etwaige Erinnerungen des ständischen Directoriums verfügen. Sind aber dazu neue Auflagen oder Anleihen erforderlich, so ist die Zulässigkeit der Zahlung durch die Einwilligung des Directoriums bedingt. Uebrigens müssen alle Zahlungsverfügungen wegen nicht etatisirter Posten, die Zahlung mag vom Ministerium oder blos von der Regierung beschlossen worden seyn, durch die Regierung an die Casseofficianten gelangen. Zahlten diese ohene solche Verfügungen etwas, so geschieht es auf ihre eigene Verantwortlichkeit, bey Strafe des sofortigen Ersatzes zur Casse, und nach Befinden auch Entsetzung von ihren Stellen. §. 38. Nach dem Schlusse des Etatsjahres haben die Cassenofficianten sofort zur Rechnungslegung zu schreiten, und diese längstens bis zum Schlusse der ersten drey Monate des begonnenen Jahres bey der Regierung zu übergeben, welche diese Rechnung dann sofort zu prüfen, nach ihrer Prüfung an das Ministerium zur Oberrevision einzusenden, und wenn diese Oberrevision erfolgt, solche nebst ihren und den Oberrevisionserinnerungen dem ständischen Directorium zur ebenmäßigen Einsicht u. Prüfung vorzulegen hat. Sind diese Prüfungen vollendet, wozu der Regierung zwey Monate, der Ober-Revision Ein Monat, und eben so dem Landschaftlichen Direktorium Ein Monat verstattet seyn soll, so sind von der Regierung die Erinnerungen den Rechnern zuzufertigen und dabes zugleich ein bestimmter Tag zur Beschlußfassung über die geschehenen Erinnerungen u. deren Beantwortung, so wie zur Justification anzusetzen, an dem in Beyseyn sämmtlicher Glieder des Ministeriums, der Regierung, und der Mitglieder des ständischen Direktoriums, die sämmtlichen Erinnerungen durchzugehen sind, u. desfalls das Nöthige zu beschließen, hierauf aber mit der Justification dieser Rechnung zu verfahren ist. §. 39. Die dem Fürstlichen Hause gehörigen Cammergüter, und was zu den Landesherrlichen Domainen gehörig ist, bleibt zwar ein Eigenthum des Fürstlichen Hauses, und geht nach den in den Hausgesetzen desselben befindlichen Regeln, und insbesondere nach den in dem hiesigen fürstlichen Hause bestehenden Primogeniturgesetze, von dem früheren Besitzer auf den Nachfolger über, es haftet aber auf diesen Cammergütern und Domanial-Besitzungen die Verbindlichkeit, aus den Einkünften desselben neben den persönlichen Bedürfnissen des Regenten und der Mitglieder des Fürstl. Hauses, auch den mit der Staatsverwaltung verbundenen Aufwand, in so weit es möglich ist, zu bestreiten, und insofern haben diese Güter zugleich die Eigenschaft eines dem Lande zugehörigen Staatsguts. §. 40. Für den Aufwand, welche die persönlichen Bedürfnisse des Regenten und der Mitglieder des Fürstlichen Hauses, und der Fürstliche Hofstaat mit seinen verschiedenen Zweigen erfordert, wird eine eigene Civilliste ausgesetzt und auf den Ertrag der Cammergüter und Fürstlichen Domänen fundiert.

668

Textanhang §. 41.

Diese Civilliste selbst zerfällt in zwey Abtheilungen. Die Erste umfaßt die Bedürfnisse des Regenten und den ganzen Hofaufwand, und ist theils in Gelde, theils in Naturalien zu bestimmen. Die zweyte Abtheilung hingegen bildet sicht durch die an die Mitglieder des Fürstlichen Hauses abzureichenden Appanagen und Witthümer, die Sustentations- und Nadelgelder, die Heyrathsgüter und Aussteuer der Prinzessinnen. Die Letztere Abtheilung der Civilliste verändert sich nach den persönlichen Verhältnissen des Fürstlichen Hauses, und der Betrag der hierzu auszusetzenden Summen wird nach den jedesmahl eintretenden Bedürfnissen auf so lange bestimmt, als es der Zweck fordert. Die Civilliste des Regenten hingegen wird bey dem Antritt der Regierung des jedesmaligen Regenten für seine Regierungszeit bestimmt. Sollte in dessen diese Summe im Laufe der Zeit unzulänglich erscheinen, oder zur Deckung aussergewöhnlicher Bedürfnisse eine weitere Beyhülfe nöthig werden, so ist hierzu ein besonderes diesfallsiges Abkommen mit den Ständen erforderlich. Der Betrag der Civil-Liste wird übrigens in der Regel in monatlichen Raten abgetragen, und geschieht der Abtrag selbst in Ansehung der Civilliste für den Regenten und den Hofstaat an die von dem Regenten desfalls zu bestimmende Verwaltungs-Behörde. Die Mitglieder des Fürstlichen Hauses aber beziehen ihr Gebührniß unmittelbar aus der allgemeinen Landes-Casse. §. 42. Die Cammergüter und Domänen sind in Gemäßheit der Haußgesetze in ihrem dermaligen wesentlichen Bestande zu erhalten. Es sind daher alle und jede Veräusserungen und Verpfändungen derselben ohne Vorwissen und Einwilligung der Stände unzulässig und ungültig. Auch künftig heimfallende Lehen sind von dem Regenten ohne Einwilligung der Stände nicht weiter zu vergeben, sondern den Cammer- und Domänengütern einzuverleiben. §. 43. Die Verwaltung der Fürstlichen Cammergüter steht ohne Concurrenz der Stände dem Regenten und den von ihm dazu bestellten Behörden ausschließlich zu. Sollten jedoch die Stände die angenommene Verwaltungsweise nicht ganz angemessen finden, so bleibt ihnen unbenommen, desfalls Erinnerungen zu machen, welche falls sie würklich begründet erscheinen, nicht unberücksichtiget gelassen werden werden. Der Ertrag von Cammergütern oder anderen Domänen, welche der Regent selbst zu bewirthschaften für gut befinden sollte, wird Ihm auf die Civilliste angerechnet. §. 44. Die dermahlen auf der Landes- und Hauptdomänen-Casse haftenden Schulden, über deren Betrag den Ständen bey dem ersten ordentlichen Landtage ein genauer Etat vorgelegt werden wird, sind als Landesschulden anzusehen, und werden von den Ständen, als solche anerkannt, unbedingt sie mögen zur Bestreitung eigentlicher Landesbedürfnisse gemacht worden seyn, oder zur Bestreitung von Bedürfnissen des Regenten und des Fürstlichen Hauses. Künftighin aber können als eigentliche Landesschulden nur diejenigen anerkannt, und aus der allgemeinen Landes-Casse verzinßet, oder abgetragen werden, zu deren Aufnahme die Stände ihre Einwilligung gegeben haben.

Textanhang

669

§. 45. Um deswillen sind in allen Fällen, wo künftighin neue Anlehn zur Last der allgemeinen Landes-Casse aufgenommen werden sollen, gleichviel die Bestimmung dieser neuen Anlehen sey der Abtrag älterer Schulden, oder die Erreichung eines andern von der Landesverwaltung beabsichtigten Zweks, die Stände stets desfalls vorher über die Nothwendigkeit einer solchen Anlehnsaufnahme, die Art und Weise, wie die aufgenommene Summen zum allgemeinen Besten zu verwenden, wie die Zinßen derselben zuu decken, und aus welchen Quellen der Abtrag der Anlehne selbst zu seiner Zeit minder zu bewirken seyn mag, behörig zu unterrichten, und ist mit der wirklichen Aufnahme nie eher zu verfahren, als bis man sich über alle diese Punkte behörig verständiget hat, und von Seiten der Stände nach der in dem folgenden Abschnitte (§ 79 f.) desfalls enthaltenen nähern Bestimmungen die erforderliche Einwilligung beygekommen ist. Auch sind die ausgestellten Schuld-Documente nur dann für gültig und für die LandesCasse für verbindlich zu achten, wenn solche nächst dem Regenten noch von dem Director des Herzogl. Landesministeriums, dem Präsidenten der Herzogl. Landes-Regierung und dem Landschaftsdirector mit unterschrieben sind. §. 46. Was die Theilnahme der Stände an der Gesetzgebung betrifft, beschränket sich ihre desfallsige Berechtigung bey allen Gesetzen, welche nicht die eigentliche Landesverfassung und die wechselseitigen Rechte des Regenten als solche und der Stände als solche betreffen, blos nur auf Ertheilung ihres Gutachtens, ohne daß dem Regenten die Verbindlichkeit obläge, dieses Gutachten und die darin ausgedrückten Wünsche und Anträge der Stände zu berücksichtigen, falls sie Ihm diese Berücksichtigung weniger zu verdienen scheinen mögen; und haben die Stände das ihnen abverlangte Gutachten binnen der ihnen dazu zugestandenen Frist nicht abgegeben, so kan ohne Weiteres mit der Erlassung und Publication des Gesetzes verfahren werden, ohne den Eingang des Gutachtens der Stände abzuwarten. Gesetze, welche die eigentliche Landesverfassung betreffen, hingegen können in keinem Fall erlassen werden, ohne vorherige Einwilligung der Stände. §. 47. Die Grundsätze, nach welchen sich das Recht der Stände zur Theilnahme bey der Erlassung neuer Gesetze bestimmt, finden auch bey der Abänderung oder authentischen Erklärung früher ergangener Gesetze ihre Anwendung. Bey Abänderungen oder authentischen Erklärungen von Gesetzen über die eigentliche Landes-Verfassung ist zu ihrer verbindlichen Kraft die Einwilligung der Stände gleichfalls erforderlich. Bey Gesetzen anderer Art hingegen steht den Ständen nur in der oben (§. 46) angegebenen Maaße die Begutachtung zu. §. 48. Doch hat der Regent in allen Fällen, wo die Stände mit ihrem Gutachten zu hören sind, das Recht, die zur Vorbereitung und Vollstreckung der Gesetze nothwendigen Verordnungen zu erlassen und die zu gleicher Absicht erforderlichen Anstalten zu treffen, ohne desfalls vorerst den Beyrath der Stände einholen zu müssen. Insbesondere hat jede Verordnung, welche blos zur Vorbereitung und zur Handhabung der Gesetze dient, oder aus der Natur des Verwaltungsund Aufsichtsrechts fließt, sogleich nach ihrer Bekanntmachung verbindliche Kraft.

670

Textanhang §. 49.

Auch sind unter den Gesetzen, worüber der Regent das Gutachten der Stände einzuholen hat, diejenigen Justiz- und Polizeyanordnungen nicht begriffen, welche nicht das ganze Land, sondern blos einzelne Gemeinheiten, einzelne Stände, Personen und die Verhältnisse einzelner Ortschaften betreffen, ingleichen auch nicht die Dienstreglements und Instructionen für einzelne Behörden, so wie überhaupt solche Verordnungen, welche die Aufrechterhaltung des regelmäßigen Ganges der Verfassungsmäßigen Landesverwaltung, oder der Drang vorübergehender Ereignisse nöthig machen mag. Und gleichergestalt steht auch dem Regenten das Recht zu, Privilegien, Abolitionen und Dispensationen ohne Concurrenz der Stände zu ertheilen, nur darf das Privilegium kein Monopol begreifen, wodurch der allgemeine Gewerbfleiß des Landes gehemmt würde, auch keine Befreyung von allgemeinen Unterthanen-Lasten, welche der gleichheitlichen Vertheilung derselben widerstreben würde. In den Dispensationen darf keine Veranlassung zu einem öffentlichen Ärgernisse liegen, und die Abolition darf nicht so beschaffen seyn, daß dadurch zur Unsicherheit des Landes schwere Verbrechen unbestraft blieben. Endlich steht es auch dem Regenten frey, bereits gegebene Privilegien nach Befinden der Umstände zu ändern und aufzuheben. §. 50.a In Ansehung der Gerechtigkeitspflege steht den Ständen zwar zu, darüber zu wachen u. darauf zu halten, daß die freye Wirksamkeit der obersten Justizbehörden niemals beschränkt werde, daß willkührliche Verhaftungen, ohne rechtliches Verfahren nach den bestehenden Gesetzen nie u. auf keine Weise statt finden, auch daß keiner der hiesigen Landesunterthanen jemals seinem gewöhnlichen Gerichtsstande u. durch die Gesetze vorher bestimmten ordentlichen Richter durch ausserordentliche Maasregeln entzogen werde, zu einer Mitwirkung bey der Justizverwaltung, zu einer weiteren Aufsicht darüber oder zu irgend einer den Gang des Justizwesens selbst betreffenden Einmischung aber sind sie nicht berechtigt, sondern entdecken sie Gebrechen der oben angedeuteten Art so haben sie solche dem Regenten mit Bitte um Abhülfe anzuzeigen. §. 50.b Die Wahl der anzustellenden öffentlichen Beamten aller Classen hängt ferner auch gleichfalls nur von dem Ermessen des Regenten ab. Zu einer desfallsigen auch nur beyräthlichen Theilnahme sind die Stände nicht berechtiget, den einzigen oben (§. 34.) angedeuteten Fall ausgenommen. Das Einzige, was den Ständen in Rüksicht auf die von den Regenten angestellte öffentliche Beamte zusteht, ist die Befugniß, gegen solche Beamte die nach der Ansicht der Stände ihre Pflichten nicht behörig erfüllen, mit Thatsachen belegte Beschwerde zu führen. §. 51. Was hier von der Anstellung der öffentlichen Beamten (§. 50.) gesagt ist, gilt auch von der Entlassung und Entsetzung derselben. Auch hier bleibt alles dem Ermessen des Regenten überlassen, ohne Verbindlichkeit hierüber die Stände mit ihrem Beyrathe zu hören. Doch kann kein Staatsdiener ohne seine Zustimmung vom Regenten eigenmächtig aus seinem Dienste entfernt, entlassen, oder zurückgesetzt werden, sondern in jedem Falle, wo ein Diener entsetzt, entlassen oder zurückgesetzt werden soll, ist stets erst eine gerichtliche Erörterung seiner Schuld erforderlich, und die Entsetzung, Entlassung, oder Herabsetzung kan erst

Textanhang

671

dann eintreten, wenn seine Unbrauchbarkeit und Unfähigkeit zur Erfüllung seiner Amtspflichten oder ihm zur Last fallende Vergehen, nach vorhergegangener Untersuchung behörig nachgewiesen, er mit seiner Vertheidigung gehört und hierauf durch ein erforderliches Erkenntniss der treffenden Justizbehörde auf seine Absetzung, Entlassung, oder Zurücksetzung rechtskräftig erkannt worden ist. §. 52. Die nemlichen Bestimmungen treten auch bey Suspensionen ein, welche mit Verlust des Amtsgehaltes verbunden sind. Bey Versetzungen, welche überhaupt nicht ohne erhebliche Gründe vorzunehmen sind, erhalten die Beamten, welche eine solche Versetzung trifft, die Umzugskosten als Entschädigung, es sey denn, daß die Versetzung auf ihr Ansuchen, oder wegen Vergehen, oder verschuldeter Unfähigkeit erfolgt sey. Ohne ihr Verschulden durch Alter, Krankheit, u. Körper- oder Geistesschweche unbrauchbar gewordene Diener behalten ihre Gehalt auf Lebenszeit unverkürzt. §. 53. Die zur Ergänzung oder Vermehrung des zu unterhaltenden Militärs erforderliche Mannschaft, in so weit sie nicht durch freywillig sich stellende innländische Recruten entbehrlich gemacht wird, wird auf dem Wege der Auswahl durch das Loos unter der Dienstpflichtigen Mannschaft ausgehoben. Die Zahl der zu haltenden Truppen aber bestimmt sich, so lange und insoweit die Verhältnisse des Landes zum deutschen Bunde hierüber nichts bestimmtes gebieten, durch Uebereinkunft zwischen dem Regenten und den Stände, und hiernach ist auch die Summe zu regulieren, die zur Unterhaltung des Militairs jährlich in dem Etat der allgemeinen Landescasse auszuwerfen seyn wird. Ohne vorherige Aufnahme in den Etat können Steuern zur Unterhaltung des Militärs von dem Regenten eben so wenig ohne Einwilligung der Stände ausgeschrieben und erhoben werden, als dieses in Rüksicht auf Steuern für irgend einen andern öffentlichen Zwek geschehen mag. §. 54. Endlich in Rücksicht auf die auswärtigen Verhältnisse des Landes vertritt der Regent ohne Concurrenz der Stände das Land in allen seinen Verhältnissen gegen auswärtige Staaten. Er hat in dieser Hinsicht das Recht Gesandte an auswärtige Regierungen abzusenden und daselbst zu unterhalten, Gesandte fremder Regierungen anzunehmen, und über alles, was sich auf die wechselseitigen Verhältnisse des Landes und seiner Angehörigen gegen fremde Staaten bezieht, sich in Unterhandlungen einzulassen und Verträge darüber abzuschließen. Doch kan durch Verträge mit Auswärtigen nichts von dem dermaligen Staatsgebiete oder Staatseigenthume veräussert, keine neue Last auf das Land und dessen Angehörige gewälzt, kein Unterthan in seinen Rechten beeinträchtiget werden, ohne daß die Stände desfalls gehört, und ihre Einwilligung zu solchen Verträgen ertheilt hätten. Namentlich kann kein Ländertausch, kein Handelsvertrag, wenn er neue gesetzliche Einrichtung zur Folge hat, und kein Subsidienvertrag zur Verwendung des Militärs in einen Deutschland nicht betreffenden Kriege ohne Einwilligung der Stände eingegangen werden; und Subsidien, welche der Regent von einem verbündeten Staate zieht, oder Contributionen und andere solche Entschädigungsgelder, werden jederzeit zum Besten des Landes und zwar zunächst zur Bestreitung der Unterhaltungs-Kosten des Militärs verwendet werden und gehören in jedem Falle zur allgemeinen Landes-Casse.

672

Textanhang §. 55.

Diejenigen Verbindlichkeiten aber, welche dem Lande als einem Bestandtheile des deutschen Bundes vermöge der Bundesgesetze oder Bundestagsbeschlüsse obliegen, sind von der ständischen Einwilligung unabhängig. Nur wenn die Erfüllung dieser Verbindlichkeiten die Anwendung von Staatskräften erfordert, tritt die verfassungsmäßige Mitwirkung der Stände bey der Herbeyschaffung der nöthigen Mittel ein. Vierter Abschnitt. Von der Art und Weise wie die Stände die ihnen zukommenden Rechte zu üben haben. §. 56. Die den Ständen zukommenden Rechte üben diese auf dreyerley Weise; einmahl als Gesammtheit auf den Landtagen, dann wieder zweytens auf Ausschußtagen durch Einen aus ihrer Mitte gewählten weiteren Ausschuß und wieder drittens durch einen engeren Ausschuß derselben. Einzelne Stände können sich in dieser Eigenschaft weder auf den Versammlungen noch ausser denselben mit etwa zu machenden Beschwerden oder anderen Anträgen jemals an den Regenten wenden, sondern dergleichen ist unerlaubt und verboten. §. 57. Die Versammlung der stimmfähigen gebornen Volksrepräsentanten und der durch Verfassungsmäßige Wahl gewählten, zusammen, bildet die allgemeine ständische Versammlung, oder den Landtag. Ausschußtage aber bilden sich durch die Versammlung der zu dem weitern Ausschusse gehörigen Glieder. Diese Glieder selbst werden nach den unten (§. 65.) folgenden Bestimmungen bey jedem Landtage für die Zeit bis zum folgenden aus der Zahl der Stände gewählt. §. 58. Beyde, die Landtag so wie die Ausschußtage, theilen sich in ordentliche und ausserordentliche. Zu den ordentlichen Landtagen werden die sämmtlichen Stände von sechs Jahren zu sechs Jahren und zwar regelmäßig in der ersten Woche des Monats März zusammen berufen. Zu ordentlichen Ausschußtagen aber versammelt sich der weitere Ausschuß auf vorhergegangene Landesherrliche Zusammenberufung in der ersten Woche des Monats März jedes Jahres. Ordentliche Ausschußtage für den engern Ausschuß giebt es nicht. Dieser kommt zusammen, so oft dessen Zusammenberufung nothwendig seyn mag. Zu einem ausserordentlichen Land- oder Ausschußtag kan der Regent die sämmtlichen Stände oder den Ausschuß so oft zusammen berufen, als er es für das allgemeine Beste nöthig findet. §. 59. Ausser den Land- oder Ausschußtagen (§ 57) giebt es keine ständische Versammlungen, weder unter den gebohrnen noch unter den gewählten Ständen; vielmehr sind alle solche Versammlungen für gesetzwidrig, und alle auf denselben gefaßte Beschlüsse für nichtig erklärt. Doch schließt dieses keineswegs aus, daß in den einzelnen Aemtern die Rittergutsbesitzer, oder die Vorsteher der einzelnen Orte sich zur Berathung über gemeinsame Angelegenheiten ihres Privatinteresse mit Vorwissen und Genehmigung der Landesregierung hie und da ver-

Textanhang

673

sammeln mögen. Auch steht es den engern Ausschusse frey sich zur Berathung über Landschaftliche Angelegenheiten so oft zu versammeln, als ihm dies nöthig scheinen mag. Doch dürfen zu solchen Berathungen andere Stände nie zugezogen werden. §. 60. Die Zusammenberufung der Stände zu Land- und Ausschußtagen geschieht nach beendigter Wahl der gewählten Stände (§. 30) durch ein an sie ergehendes Ausschreiben der Regierung im Regierungs-Blatte, oder auch nach Befinden durch ein von der Regierung zu erlassendes Rundschreiben. Eine förmliche u. ausdrükliche Einladung jedes einzelnen Mitgliedes der Landschaft ist nicht erforderlich. Auf die ergangene Einladung selbst haben sich alle zur bestimmten Zeit am Versammlungsorte einzufinden, oder diejenigen welche nicht kommen können, sich desfalls bey dem zur Einleitung der Landtagsgeschäfte bestelten Fürstl. Commissarius (§ 66) in Zeiten zu entschuldigen. §. 61. Der Ort, wo die Land- und Ausschußtage zu halten, hängt von der Bestimmung des Regenten ab, doch muß derselbe nothwendig in dem Fürstenthume liegen. In der Regel und wenn das Ausschreiben keinen andern Ort bezeichnet, wird die Residenz-Stadt Coburg als der Versammlungsort angesehen. §. 62. Die ständischen Versammlungen bey Land- und Ausschußtagen sind geschlossen, sobald der Regent solche zu schliessen oder zu vertagen für nöthig finden mag, und dieses den versammelten Ständen durch die Regierung kund thun läßt. Ob dem Schlusse ein förmlicher Landtagsabschied voran gehen soll, hängt von dem Ermessen des Regenten ab; auch ohne diesen Abschied ist dasjenige verbindlich, worüber sich der Regent und die Stände, während der Dauer der Versammlungen vereiniget haben. Wenn übrigens den Ständen die Vertagung oder Entlassung angekündiget ist, so hat keine weitere Sitzung oder gemeinschaftliche Berathung unter ihnen mehr statt, so wäre sie gesetzwidrig und das darauf beschlossene ungültig und nichtig. §. 63. Wird die Landtagsversammlung blos vertagt, so bedarf es bey der Wiederaufnahme der Verhandlungen keiner neuen Wahl der gewählten Volksvertreter. Wird aber die Versammlung entlassen und der Landtag gänzlich aufgelöset, so ist bey einer neuen Versammlung eine neue vorhergegangene Wahl nothwendig. Nur diejenigen gebohrnen und gewählten Stände bleiben während der Periode von einem ordentlichen oder ausserordentlichen Landtage bis zu dem nächstfolgenden in Würksamkeit, welche zu dem weitern oder engern Ausschusse gewählt worden sind. Mit dem Eintritt eines neuen ordentlichen oder ausserordentlichen Landtags ist aber auch deren Wirksamkeit erloschen. §. 64. Zur Leitung der Landständischen Geschäfte sowohl auf den ordentlichen und ausserordentlichen Landtägen, als in der Zwischenzeit von einem Landtage zum Andern werden von den sämmtlichen auf dem Landtage versammelten Ständen durch Stimmenmehrheit ein Landschaftsdirector und zwey Gehülfen gewählt, aus welchen drey Personen zusammen das Land-

674

Textanhang

schaftliche Directorium und der engere Landschaftliche Ausschuß besteht. Ausser diesen werden weiter noch zehen Mitglieder der Versammlung gewählt, welche nebst den Mitgliedern des engern Ausschusses oder Direktoriums den weitern Ausschuß bilden. Von den Mitgliedern des engern Ausschusses hat übrigens Einer der beyden Beystände des Directors die Stelle des Landschafts-Consulenten zu versehen, und in dieser Qualität die Protocolle bey den Sitzungen der ständischen Gesammtheit so wohl als der Ausschüsse zu führen, so wie die Expeditionen anzufertigen, welche in Landschaftlichen Angelegenheiten sonsten anzufertigen seyn mögen. Die Wahl der den Ständen nöthigen Copisten hängt von dem Director ab, der diese daher auch mit Zuziehung seiner beyden Beystände zu verpflichten hat, aber auch für deren Treue und Verschwiegenheit verantwortlich seyn muß. §. 65. Bey den auf den Landtagen vorzunehmenden Wahlen der Mitglieder des engern und weitern Ausschusses sind alle Glieder einzeln, eines nach dem Andern zu wählen, und zwar mittelst geheimen Stimmgebens. Auch ist nun die absolute Stimmenmehrheit der anwesenden Stände entscheident. Sollte daher bey der ersten Abstimmung sich keine solche Mehrheit ergeben, so muß die Stimmensammlung erneuert werden. Haben bey wiederholter Wahl zweyer Glieder eine gleiche Zahl Stimmen, so entscheidet unter ihnen das Loos. Übrigens ist auf gleiche Weise für jedes Glied der Ausschüsse auch noch ein Stellvertreter zu wählen, der dasselbe auf die unten näher bezeichnete Weise (§. 77) ersetzt, falls es die Wahl nicht annehmen, oder in der Periode der Dauer seiner Functionen dazu unfähig werden oder versterben sollte. §. 66. Das Wahlgeschäfte selbst geschieht unter der Leitung eines Landesherrlichen Commissarius, der in der Einberufung der Stände zum Landtage (§. 59.) alle Mahl zu benennen ist, und bey dem sich die erschienenen Stände anzumelden und zu legitimiren haben. Sollte über die Zulässigkeit eines sich anmeldenden Bedenken obwalten, so entscheidet hierüber nach geschehener Eröffnung des Landtags die Gesammtheit der zulässigen Glieder nach der Stimmenmehrheit. §. 67. So lange nicht wenigstens zwey Drittheile der gebohrnen stimmfähigen und gewählten Stände bey der Versammlung anwesend sind, kan weder zur Wahl der Ausschußglieder noch zu irgend einer Landtagsverhandlung geschritten werden. Jede Wahl und jeder Beschluß, die mit Vernachlässigung dieser Bestimmung vorgenommen oder gefaßt seyn mögen, haben keine verbindliche Kraft. §. 68. Beyde, die Mitglieder der ständischen Versammlung aus der Classe der gebornen Stände und die aus der Classe der gewählten, sind zu den Ausschußstellen gleichmäßig wahlfähig, und hat keine Classe desfalls vor der andern einen Vorzug. Nur kan niemand zum Director und zu einem Gliede des engern Ausschusses gewählt werden, der im hiesigen Fürstenthum wirklicher Staatsdiener ist, oder aus einer Landesherrl. Casse eine Besoldung oder Pension bezieht. §. 69. Die geschehene Wahl des Directors u. seiner beyden Beystände ist dem Regenten zur Bestätigung vorzutragen. Die Wahl der Glieder des weitern Ausschusses aber wird dem Regen-

Textanhang

675

ten nur angezeigt. Früher als die Landesherrliche Bestätigung erfolgt ist, könen die von dem Landschaftlichen Directorium zu leitende Landschaftliche Verhandlung und die eigentliche Landtags-Verhandlungen nicht beginnen. Versagt der Regent die Bestätigung der zum engern Ausschusse gewählten Glieder oder Eines derselben, so ist zur anderweiten Wahl zu schreiten, und wenn auch die hier gewählten Individuen nicht genehmiget werden sollten, zur Dritten. Doch wer bey der dritten Wahl gewählt wird, bedarf die Bestätigung nicht. Nur darf dieses kein Glied seyn, das schon bey einer der ersten Wahlen gewählt und nicht bestätiget wurde. §. 70. Den von dem Landschaftsdirektor und seinen beyden Beyständen, so wie den von den Mitgliedern, vor dem wirklichen Eintritt in ihre Functionen, zu leistenden Eid, hat diesen der Landesherrliche Commissarius abzunehmen, unter dessen Leitung ihre Wahl erfolgt ist (§. 67.) Die Vereidung der übrigen Glieder der ständischen Versammlung aber liegt dem Direktor mit Zuziehung seiner Beystände ob, und hat derselbe sofort nach der erfolgten Bestätigung der Mitglieder des engern Ausschusses mit dieser Vereidung zu verfahren. Der Eid selbst ist von jedem Mitgliede der ständischen Versammlung bey jedem Landtage abzulegen, gesetzt dasselbe schon früherhin Mitglied der ständischen Versammlung u. bey einem Landtage gegenwärtig gewesen sey. §. 71. Ausser dieser dem Director und seinen Beyständen obliegenden Verpflichtung der übrigen Stände (§. 70.) bestehen deren Hauptobliegenheiten bey den Landtagen darin, die Sitzungszeit für die versammelten Stände zu bestimmen, die Sitzungen selbst zu eröffnen und zu schließen, den Gang der Verhandlungen zu leiten und dafür zu sorgen, daß in diesem Gange immer die nöthige Ordnung herrsche, und daß insbesondere immer die dringendsten und wichtigsten Gegenstände zuerst zum Vortrage und zur Abstimmung gebracht werden. §. 72. Ueberdies liegt dem Directorium ob, die Ordnung im Innern bey den ständischen Versammlungen zu handhaben, und jede Verletzung derselben zur Rüge zu bringen. Auch hat daßelbige in den Sitzungen auf den Gang der Verhandlungen selbst seine Aufmerksamkeit zu richten, durch Bestimmung und Festhaltung des Punkts, worauf es bey jeder Verhandlung vorzüglich ankommt, den Gang derselben zu leiten, alle Abschweifungen zu verhüten, die Fragen, über welche abzustimmen ist, in umfassende, jedoch möglichst einfache, gedrängte und bestimmte Sätze zu bringen, die Stimmen zu sammeln, und dafür zu sorgen, daß die Beschlüsse behörig und richtig aufgenommen und im Protocolle bemerkt werden. Auch unterzeichnet der Direktor mit seinen beyden Beyständen alle diese Protokolle und alle sonstige schriftliche Ausfertigungen der Ständeversammlung, und sorgt für deren Abgang an die Behörde. §. 73. Sollten bey einer Sitzung der ständischen Versammlung die Gesetze des Anstandes oder der Disciplin, oder die für die Geschäftsführung ertheilten Vorschriften verlezt werden; so ist das Directorium nicht nur berechtiget, sondern selbst bey eigener Verantwortlichkeit verpflichtet auf die Ordnung zu verweisen. In bedeutenden Fällen hat es die Meinung des wei-

676

Textanhang

tern Ausschusses darüber einzuhohlen, und dann nach den hier durch die Stimmenmehrheit gefaßt werdenden Beschlüssen das Nöthige zur Herstellung der Ordnung zu verfügen. Das Directorium kan nach diesen Beschlüssen dem Mitgliede, das sich eine Ordnungswidrigkeit hat zu Schulden kommen lassen, seine Mißbilligung zu erkennen geben, Verweise ertheilen, und selbst Widerruf verlangen. Würde übrigens eine solche Rüge, nach dem Grade der von dem, der sie veranlaßt hat, verschuldeten Ungebühr, nicht für hinreichend zu achten seyn, oder würde das gerügte Glied der ständischen Versammlung sich in den Schluß des Direktoriums oder des weitern Ausschusses, da wo dieser zugezogen worden ist, nicht fügen, so hat das Direktorium desfalls bey Herzogl. Justizcollegium Klage zu erheben; und Lezteres kann auch von Seite der Regierung durch den Fiscal geschehen, wenn dieselbe durch eine Anzeige der Stände oder auf einem andern Wege von einem solchen Vorgange glaubwürdige Nachricht erhält. §. 74. Ausser dem Landtage, und in der Zwischenzeit zwischen einem Landtage zum andern, besteht das Geschäfte und die Obliegenheit des Directoriums darin, den Gang der Staats-Verwaltung stets zu beobachten, und dabey vorzüglich darauf zu sehen, daß die von dem Landtage oder dem weitern Ausschusse und dem Regenten verfassungsmäßig gefaßten Beschlüsse wirklich zur Ausführung kommen, Dann hat das Directorium in Beziehung auf die Verwaltung der Staats-Cassen die den Ständen durch die Verfassung (§. 34 – 38. und 45.) eingeräumten Rechte zu üben, in dringenden Fällen Vorstellungen und Verwahrungen gegen etwaige den ständischen Gerechtsamen nicht zusagende Verfügungen des Gouvernements bey der Regierung einzureichen, auch daferner ihm ein das allgemeine Beste betreffender Gegenstand, dessen Ausführung auf einem bereits vorhandenen Gesetze beruht, so dringend erscheint, daß solcher nicht bis zum nächsten Land- oder Ausschußtage ausgesetzt werden möchte, davon sofort bey dem Regenten Anzeige zu machen, oder, wenn sich die Anordnung eines ausserordentlichen Land- oder Ausschußtages nothwendig machen sollte, mit vollständiger Anführung aller desfallsigen Gründe darauf anzutragen, und bey dem Regenten um Einberufung der Stände zu bitten. Weiter hat dasselbe die für die ständische Versammlung bey den vorherigen Land- oder Ausschußtagen gebrachten, aber dort nicht erledigten Gegenstände, namentlich die Erörterungen über Gesetzentwürfe oder was ihm als Gegenstand der künftigen Berathung der Landes-Versammlung oder des Ausschusses von der Regierung zur vorläufigen Erörterung mitgetheilt wird, in weitere Berathung zu nehmen, und so die Erledigung dieser Gegenstände auf dem nächsten Land- oder Ausschußtage vorzubereiten. Endlich komme auch dem Directorium auch zu, die Aufnahme von Anleihen zum Abtrag von bereits anerkannten Landes-Schulden zu bewilligen, und die Vertauschung von Fürstlichen Cammergütern und Domainen gegen andere Güter und Besitzungen gleichen Werths zu genehmigen. Aber auf Zugeständnisse neuer Schuldenwirkung für die Landes-Cassen, oder die Veräusserung von Fürstl. Cammergütern und Domanialstücken, sey es auch zum Abtrag vorhandener Landesschulden, oder Erwerb neuer Cammergüter oder einen andern nicht zu mißbilligenden Zwek, kann und darf sich das Directorium nie einlassen, und eben so wenig auf Steuerverwilligungen, neue Militäraushebungen, oder Ausarbeitung von Entwürfen zu neuen Gesetzen und deren Vorlegung bey dem Regenten, so wie überhaupt auf nichts, wozu eine Verabschiedung zwischen dem Regenten und den Ständen verfassungsmäßig erfordert wird. Uebrigens aber hat das ständische Directorium bey jeder Versammlung der Stände im Ganzen, oder des weitern Ausschusses derselben, Rechenschaft über alles dasjenige abzulegen, was von ihm in der Zwischenzeit von einem Land- oder Ausschußtage zum Andern geschehen, oder verhandelt ist.

Textanhang

677

§. 75. Was das Verhältniß des Landschaftsdirectors und seiner beyden Beystände zu einander betrifft, so hat der Erstere nicht blos den Vorsitz, sondern auch den Vortrag bey den Landtagen und übrigen ständischen Zusammenkünften. Nur in persönlichen Verhinderungsfällen des Directors geht die persönliche Leitung des Ganzen auf den ersten, und wenn auch dieser verhindert wäre, auf den zweyten Beystand über. Ausserdem kann in ständischen Angelegenheiten, sowohl bey den Land- und Ausschußtagen, als ausser denselben, der Director nie für sich allein handeln, sondern nur mit Zustimmung seiner Beystände, wo, wenn diese mit ihm, oder unter sich, verschiedener Meinung seyn sollten nur allein wie in allen ständischen Angelegenheiten, die absolute Mehrheit der Stimmen entscheidet. Die von dem Directorium ausgehenden Erlasse aller Art unterschreibt hiernächst zwar der Director allein, indess die Concepte sind vorher den beyden Beyständen vorzulegen und von diesen zu zeichnen. §. 76. Sollte in der Zeit von einem Landtage zum andern der Director, oder einer der beyden Beystände versterben, oder sonst austreten, so tritt beym Abgange des Directors der erste Beystand, und beym Abgange des ersten Beystands der zweite an die Stelle des Abgegangenen. In die durch dieses Verändern erledigte Stelle des Directoriums aber tritt dann der Stellvertreter des Directors (§. 66.), und wenn dieser schon eingetreten wäre, der des ersten Bey-standes, so daß der eintretende Stellvertreter immer die unterste durch das Vorüken erledigte Stelle erhält. §. 77. Der Landschaftsdirektor und seine beyden Gehülfen ziehen jährlich eine Besoldung aus der allgemeinen Landes-Casse, welche in der Folge bestimmt werden soll. Die diesen beygegebenen Stellvertreter hingegen haben, so lange sie nicht wirklich in die Arbeiten des Directoriums einrüken, keinen Gehalt. §. 78. Die Hauptobliegenheit des weitern Ausschusses der Stände ist die Aufrechterhaltung derjenigen Grundsätze des öffentlichen Verwaltungswesens, worüber sich der Regent und die Stände bey dem letzten Landtage vereiniget haben, so wie überhaupt Aufrechterhaltung der Landesverfassung in allen ihren Theilen. §. 79. Insbesondere aber liegt dem weitern Ausschusse ob, die Prüfung und Genehmigung des jährlichen Finanzetats der ihm bey den jährlich zu haltenden Ausschußtagen vorgelegt werden wird, wobey vorzüglich darauf zu sehen ist, daß die Finanzverwaltung ihren regelmäßigen Gang habe, die öffentlichen Lasten behörig und möglichst gleichmäßig auf alle Pflichtige vertheilt und das Einkommen der öffentlichen Cassen wirklich zwekmäßig zum Besten des gemeinen Wesens verwendet werde. (§. 35.) Ergiebt sich bey der Prüfung der jährlichen Etats die Unzulänglichkeit der öffentlichen Cassen für den einen oder den andern Punkt des öffentlichen Bedarfs, so liegt dem weitern Ausschusse ob, dahin zu wirken, daß das hier und dort etwa fehlende durch Ersparnisse in andern Punkten, und durch sonstige Verbesserung der Finanzwirthschaft gedeckt werde.

678

Textanhang

Aber neue Steuern oder überhaupt neue Auflagen, ingleichen Aufnahmen von Anleihen zur Dekung des durch das Einkommen der öffentlichen Cassen vielleicht nicht gedekten Ausgaben dieser Cassen, kan der weitere Ausschuß in der Regel so wenig verwilligen, als das den engern Ausschuß bildende Landschaftliche Directorium. Auch steht dem weitern Ausschusse keineswegs das Recht zu, zum Behuf eines solchen Uebermaßes des öffentlichen Bedürfnisse etwa die Veräusserung von Cammergütern und Domänen-Besitzungen zu gestatten; sondern alle diese Dinge gehören für das Corpus der auf Landtagen versammelten gesammten Stände, welche in solchen Fällen falls sich die Sache nicht bis zum nechsten ordentlichen Landtag verschieben leßt, auf Befinden des Regenten zu einer Berathung hierüber zu einem ausserordentlichen Landtage zusammen zu berufen sind. Nur in äusserst dringenden Fällen, wo die Länge der Zeit die Zusammenberufung der sämmtlichen Stände nicht gestattet, mag der Ausschuß sich solche Verwilligungen, Schuldenaufnahmen, und Veräusserungen erlauben. Was die Veräusserungen von Fürstl. Cammergütern und Domanialstücken betrifft, kann solche der weitere Ausschuß, ausser solchen dringenden Fällen überhaupt nur dann gestatten, wenn der Erlös zum Ankauf anderer Güter oder zum Abtrag anerkannter dringender Landesschulden verwendet werden soll. Uebrigens aber liegt ihm in allen solchen Fällen die Verbindlichkeit ob, darauf zu sehen, daß bey solchen Verwilligungen und Zugeständnissen, die Verwilligten, erborgten oder aus dem Verkauf erlöseten Summen wirklich zum allgemeinen Besten und ihrer Bestimmung gemäß verwendet werden, und dauert hiernächst rücksichtlich der in dringenden Fällen geschehenen Steuer-Verwilligungen die Verbindlichkeit der Unterthanen die von dem Ausschusse im Drange der Zeit verwilligten Steuern und sonstigen Auflagen zu zahlen, nur bis zum nächsten ordentlichen oder ausserordentlichen Landtage, wo die Stände, falls sie für die von weiteren Ausschusse verwilligten Steuern nicht fort bestehen lassen wollen, nach Befinden entweder desfalls neue Quellen eröffnen, oder auf andere Weise für die Deckung des öffentlichen Bedarfs Fürsehung treffen mögen. §. 80. Demnächst gehört zu den Obliegenheiten des weitern Ausschusses die Prüfung der ihm von der Regierung zur Begutachtung mitgetheilten Gesetzentwürfe, in allen den Fällen wo die Regierung wegen Minderwichtigkeit des Gegenstandes desfalls das gesammte Corpus der Stände auf den Landtägen zu hören nicht nöthig, oder eine vorläufige Berathung mit dem weitern Ausschusse zu dem Ende gut finden sollte, um dadurch die Verhandlung solcher Angelegenheiten auf den Landtägen vorzubereiten oder zu erleichtern. Insbesondere aber sind dem weitern Ausschusse die jährlichen Militärergänzungsplane vorzulegen und nie eher zu vollziehen, als bis derselbe desfalls sein Gutachten abgegeben, oder die ihm dazu bestimmte Frist verlaufen ist. §. 81. Ferner hat der weitere Ausschuß alle dem seine Aufmerksamkeit zu widmen, was ihm die Förderung des allgemeinen Besten zu erfordern scheint. In dieser Hinsicht steht es ihm insbesondere zu, auf die etwaigen Gebrechen der Gesetzgebung der Regierung aufmerksam zu machen, der Regierung seine Ansichten über nun zu erlassende Gesetze oder Gesetzreformen vorzulegen, in wichtigen Fällen auf die Zusammenberufung der gesammten Stände zu einem Landtage anzutragen, und insbesondere dem Fürsten die Beschwerden vorzulegen, welche ausser den Landtagen von Seiten der Stände über diesen oder jenen öffentlichen Beamten anzubringen seyn mögen, und zu bitten, daß darauf nach den desfalls in der Folge (§. 112) vorkommenden nähern Bestimmungen das Geeignete verfüget werden möge. Endlich hat auch

Textanhang

679

der weitere Ausschuß das Benehmen des Directoriums oder engern Ausschusses zu controliren, und darauf zu sehen, daß dieses theils die ihm obliegenden Pflichten behörig erfülle, theils bey den ihm ausser den Landtägen sowohl als bey diesen selbst (§. 72 – 75.) zugestandenen Berechtigungen sich innerhalb seiner Verfassungsmäßigen Grenzen halte. Nur da jedoch, wo dieses als Nichtgeschehen überzeugend nachgewiesen wäre, kann die Gesammtheit der Stände den Handlungen des Ausschusses seine Genehmigung versagen, ausserdem aber sind solche für die Gesammtheit verbindlich. §. 82. Bey den ausgeschriebenen Ausschußtägen müssen sich alle Glieder des weitern Ausschusses persönlich einfinden. Diejenigen, welche verhindert sind, haben dies beym Directorium in Zeiten zu melden, damit die Stelle des nicht erscheinenden durch einen einzuberufenden Stellvertreter ersetzt werden kann. (§. 86.) Die Sitze der einzelnen Glieder richtet sich nach der Ordnung, in welcher die einzelnen Glieder aus der Wahl beym Landtage hervorgegangen sind. Der zuerst gewählte hat den ersten Sitz nach den Gliedern des Direktoriums. §. 83. Was die Verhältnisse des Directoriums oder engern Ausschusses zum weitern Ausschusse betrifft, so haben die Mitglieder des engern Ausschusses auch bey den Berathungen des weitern, so gut eine Stimme, wie die Glieder des weitern. Nächstdem stehen aber auch dem Erstern in der Regel bey den Ausschußtagen und in Bezug auf die hier zu behandelnden Gegenstände dieselbe Gerechtsamen zu, welche nach den oben (§. 72 – 74) enthaltenen Bestimmungen dem ständischen Directorium bey Landtagen zukommen. Nur dann und nur in so weit kan das Directorium bey den Ausschußtagen diese Gerechtsame nicht üben, als der weitere Ausschuß die Aufsicht auf das Benehmen des engern zu führen hat, und in Gemäßheit dieser Berechtigung in vorkommenden Fällen das Directorium über seine Handlungsweise zur Rede zu stellen sich veranlaßt finden möchte. In Fällen der Art können die Glieder des Directoriums bey den Berathungen des weitern Ausschusses weder eine Stimme führen, noch von den ihnen zukommenden Vorstandsrechten Gebrauch machen, sondern die Leitung solcher Angelegenheiten steht nach demselben Verhältnisse wie der Director zu seinen beyden Beyständen steht (§. 76) dem ersten Gliede des weitern Ausschusses und den nach ihm folgenden beyden nächsten zu, von welchen Einer die Stelle des Consulenten in solchen Fällen zu versehen hat. §. 84. Die Beschlüsse des weitern Ausschusses werden stets nach der absoluten Mehrheit der Stimmen gefaßt. Diese gefaßten Beschlüsse aber, und was überhaupt im Namen des weitern Ausschusses ergehen mag, unterschreiben, den oben (§. 84) angedeuteten Fall des Aufsichtsverhältnisses abgerechnet, der Landschaftsdirektor und die drey vordersten Glieder des weitern Ausschusses allein; doch sind alle Ausfertigungen von sämmtlichen Ausschußgliedern zu zeichnen. Die Protocollführung und Anfertigung der Expeditionen liegt auch hier dem die Stelle des Consulenten versehenden Gliede des engern Ausschusses (§. 65.) ob, und nur in dem Falle, wo der weitere Ausschuß wegen seiner Verhältnisse zum engern allein wirksam erscheint, liegt diese Protocollführung so wie die Entwerfung der Ausfertigungen dem die Stelle des Consulenten beym weitern Ausschusse versehenden Mitgliede desselben ob.

680

Textanhang §. 85.

Geht das Eine oder das andere Mitglied des Ausschusses in der Zeit von einem ordentlichen oder ausserordentlichen Landtage zum andern durch Tod oder andere Weise ab, so rüken die Stellvertreter auf die oben für das Einrüken der Stellvertreter der Glieder des engern Ausschusses (§. 77) angegebene Weise in die Stelle des Abgegangenen. §. 86. Die Mitglieder des weitern Ausschusses erhalten bey den Ausschußtagen jedes täglich . . . . . . Gulden rheinl. Tagegelder aus der allgemeinen Landes-Casse. Auf einen stehenden Gehalt aber haben dieselben keinen Anspruch zu machen. §. 87. Haben sich an dem in der Einberufung (§. 58.) bestimmten Tage alle Mitglieder der ständischen Versammlung, oder wenigstens zwey Drittheile der geborenen stimmfähigen u. gewählten Glieder derselben (§ 67) eingefunden, und ist von denjenigen, welche sich eingefunden haben, die Wahl der Glieder des engern und weitern Ausschusses bewirkt, auch die Landesherrliche Genehmigung des Glieder des engern Ausschusses erfolgt (§. 65 – 70.), so geschieht auf vorher gegangene Anzeige des Directoriums bey dem Regenten die Eröffnung des Landtags unter den vom Regenten zu bestimmenden Förmlichkeiten, entweder von dem Regenten selbst, oder durch eine zu diesem Zwecke anzuordnende Commission. §. 88. Bey der Versammlung selbst sitzen a.) oben an der Director u. neben ihm zur rechten u. linken Seite seine beyden Beystände, dann b.) gleichfalls rechts u. links fortlaufend die Mitglieder des weitern Ausschusses nach der oben angedeuteten Ordnung (§. 83.) und dann folgen c.) die übrigen Stände nach der Ordnung des natürlichen Alters. §. 89. Der Regent läßt dem Landtage seine Anträge stets schriftlich und zwar durch die Regierung, oder eine zur Verhandlung mit den Ständen anzuordnende Commission mittheilen, entweder auf Ein Mahl oder nach und nach. Sollten indess bey neuen Gesetzesvorschlägen oder andern wichtigen Anträgen mündliche Erörterungen den Gang der Geschäfte befördern können, so wird der Regent, Mitglieder des Herzogl. Landes-Ministeriums oder der Regierung, oder nach Befinden auch andere Staats-Beamte, als seine Commissarien zu einzelnen Sitzungen abordnen, welche den Gegenstand nach seinen Beweggründen zu entwickeln, jedoch der Landständischen Berathung und Abstimmung darüber nicht beyzuwohnen haben. §. 90. Will ein Mitglied der Versammlung über irgend einen wichtigen Gegenstand, welcher nicht in den Fürstlichen Anträgen enthalten ist, Vortrag thun, so hat es seine Absicht dem Directorium anzuzeigen, das dazu dann einen gewissen Tag bestimmt. Doch darf das Directorium über solche von einzelnen Mitgliedern oder auch von ihm selbst zur Sprache gebrachten Ge-

Textanhang

681

genstände die Verhandlung und Berathung nie eher einleiten, als wenn sämmtliche von Seiten des Regenten bey der Eröffnung des Landtags oder nachher vorgelegte Berathungspunkte von den Ständen in Berathung gezogen und die desfalls nöthigen Beschlüsse von der Versammlung gefaßt worden sind. Sollte indessen eine nicht gleich bey der Eröffnung des Landtags vorgekommene Fürstl. Proposition zu einer Zeit eingehen, wo von ständischen Gliedern vorgebrachte Berathungspunkte bereits in Berathung sind, so kan vorerst der Schluß der darüber eingeleiteten Berathung abgewartet werden. Anträge, welche von andern Seiten als von der Seite eines Mitglieds der Versammlung durch Schriften oder persönliches Anbringen an die ständische Versammlung kommen mögen, dürfen bey der Versammlung überhaupt gar nicht angenommen werden. §. 91. Die von dem Regenten vorgelegten Berathungspunkte sind übrigens in der Ordnung in Berathung zu ziehen, in der sie die Landesfürstl. Proposition den Ständen vorgelegt hat. Eine Abweichung von dieser Ordnung kan sich das Directorium nicht erlauben. Blos bey Berathungspunkten, welche ständische Glieder in Vorschlag bringen mögen, ist die Ordnung der Reihenfolge der Berathungsgegenstände dem Ermessen des Directoriums überlassen. §. 92. Nur derjenige, welcher einen Antrag macht, und die etwa aufgestellte Berichterstatter (§. 109) sind zu Vorlesung schriftlicher Aufsätze berechtigt; den übrigen Mitgliedern hingegen ist zwar freygestellt, ihre Meinung über die vorkommenden Berathschlagungspunkte ausführlich zu äussern, sie haben sich aber auf mündliche Vorträge zu beschränken. §. 93. Findet das Direktorium die Sache zur Abstimmung reif, so hat solches die Verhandlungen zu schließen und daß dieses geschehe zu erklären, auch dann weitere Discussionen nicht mehr zuzulassen, sondern ohne Weiters zur Aufnahme der Abstimmung zu schreiten. §. 94. Zum Behuf der Abstimmung selbst ist der Antrag im einzelne einfache Fragen aufzulösen, so daß jeder Abstimmende sich auf unbedingte Bejahung oder Verneinung der festgesetzten Fragen zu beschränken hat, und kan übrigens jedes Mitglied verlangen, daß eine zusammengesetzte Frage in einzelne einfache zertheilt werde. §. 95. Wenn die Stimmen gesammelt werden, so erheben sich zuerst die Bejahenden, und wenn diese abgezählt sind, die verneinenden Stimmgeber, welche Letztere gleichfalls abgezählt werden. Im Protocolle wird dann nur die Zahl, nicht aber der Name der bejahend oder verneinend stimmenden bemerkt. §. 96. Wo das Abstimmen durch einfache Bejahung oder Verneinung der vorgelegten Frage nicht statt findet, namentlich bey Wahlen durch geheimes Stimmgeben, bestimmt sich die Ordnung der Abstimmung nach der Ordnung der Sitzens der Stimmgeber.

682

Textanhang §. 97.

Alle zu fassenden Landtagsbeschlüsse werden nach der absoluten Mehrheit der Stimmen der bey der Fassung in gesetzlicher Zahl (§. 67.) anwesenden Stände gefaßt. Nur dann kann diese Mehrheit nicht entscheiden, wenn die Frage worüber abgestimmt wird in einer Aenderung irgend eines Punkts der in dem gegenwärtigen Grundgesetze festgesetzten Verfassung zum Gegenstande haben sollte; In diesem Falle kann die Majorität nur durch die Bejahung von drey Vierteln der in gesetzlicher Zahl anwesenden Glieder gebildet werden. §. 98. Sind in solchen Fällen, wo die absolute Mehrheit entscheiden mag, die Stimmen der Stimmgeber sich in der Anzahl gleich, so hat der Director keine entscheidende Stimme (votum decisivum), sondern die Sache ist nochmals in voller Sitzung zum Vortrag und zur Abstimmung zu bringen, und wird auf dieser Sitzung die Gleichheit der Stimmen nicht gehoben, so sind die beyderseitigen Abstimmungen dem Regenten zur Entscheidung vorzulegen. §. 99. Ein in der angedeuteten Weise gefaßter Beschluß des Landtags kan weder durch Protestation, noch durch Berufung auf die Entscheidung des Regenten, noch auf andere Weise, an seiner Vollziehung gehindert werden, vielmehr wird jeder Versuch der Art schon im Voraus für gesetzwidrig und ungültig erklärt. Die Minderzahl muß sich der Mehrheit unbedingt unterwerfen. Nur das steht jedem Abgeordneten frey, eine schriftliche Verwahrung gegen den Beschluß zu den Acten zu geben, falls er denselben dem wahren Wohle des Landes nicht zusagend finden sollte. Protestationen auf den Grund eines vorwaltenden Privatinteresses einzelner Stände, oder des Landesbezirks, in dem die Volksvertreter angesessen sind, oder der sie gewählt hat, sind, als ganz unzulässig, nicht ein Mahl zu den Acten zu nehmen. §. 100. Die über die ständischen Berathschlagungen und Schlüsse zu führenden Protocolle führt auf den Landtagen dasjenige Glied des engern Ausschusses, das die Functionen des Consulenten zu versehen hat. Auch entwirft dasselbe alle von dem Landtag ausgehenden Ausfertigungen aller Art. Die Unterschrift hingegen besorgen der Landschaftsdirector und die nach den Gliedern des engern und weitern Ausschusses zuerst sitzenden sechs Glieder der ständischen Gesammtheit; welche auch alle diese Ausfertigungen und Protocolle, nächst den Gliedern des engern und weitern Ausschusses nur allein zu zeichnen haben. §. 101. Sobald der Beschluß der ständischen Versammlung über einen zu ihrer Berathung gediehenen Punkt zu Stande gekommen ist, ist derselbe unter der Aufschrift: Erklärungsschrift der getreuen Landstände des Fürstenthums Coburg-Saalfeld, und auf die vorbestimmte Weise (§ 100) unterzeichnet, in Schriften dem Regenten zu übergeben. Die Miteinsendung oder Vorlegung der Akten über die ständische Berathschlagung kan der Regent nicht fordern.

Textanhang

683

§. 102. Mündliche Erklärungen der Stände über vorgekommene Berathungspunkte oder beym Regenten zu machende mündliche Anträge finden dagegen nicht statt. Ueberhaupt sind persönliche Abordnungen von den Ständen an den Regenten nicht zulässig, wenn die Stände nicht vorher um die Erlaubniß darzu nachgesucht und solche erhalten haben. §. 103. Die von den Ständen zu übergebenden Erklärungsschriften selbst sind zur weiteren Beförderung an den Regenten bey der Regierung oder der zur Verhandlung mit den Ständen niedergesetzten Fürstl. Commission zu übergeben, und durch dieselbe Behörde erhält auch die ständische Versammlung die auf ihre Beschlüsse vom Regenten ausgehende Erklärung oder Verfügungen mitgetheilt. §. 104. Die auf Landesfürstliche Anträge erfolgenden Landschaftlichen Erklärungen müssen übrigens stets so gefaßt seyn, daß diejenigen Punkte, welche die Stände annehmen, oder nicht annehmen, bestimmt und deutlich daraus herforgehen. Glauben die Stände einen Antragspunkt nicht annehmen zu können, so müssen sie die Gründe ihrer Weigerung bestimmt und deutlich auseinander gesetzt mit angeben. Unmotivirte verneinende Erklärungen aber sind unzulässig, und nächstdem kan auch bey bejahenden Erklärungen die Bejahung nie durch Modification oder angehängte Bedingungen, die im Antrage selbst nicht liegen, bedingt werden. Insbesondere darf die Verwilligung von Steuern nicht an Bedingungen geknüpft werden, welche die Verwendung dieser Steuern nicht selbst betreffen. Glaubt die Landschaft irgend ein Zugeständniß vom Regenten verlangen zu dürfen, so hat sie solches in einem bestimmten Antrag unbedingt zu suchen, daß sie aber Landesherrliche Abträge zugestehe unter der Bedingung, daß ihr von Seiten des Landesherrn etwas dagegen zugestanden werde, ist gesetzwidrig und unzulässig. §. 105. Niemand kan wegen seiner Aeusserungen in der ständischen Versammlung über die dort zur Berathung gekommenen Gegenstände, so wie wegen seiner Abstimmung hierüber, verantwortlich gemacht werden. Doch versteht es sich von selbst, daß allezeit der gehörige Anstand beobachtet, und jede Verunglimpfung der höchsten Person des Landes-Fürsten, oder eine Beleidigung des Ministeriums oder der Regierung, des Landtags, oder Einzelner strafbar ist. Auf welche Art solche Ungebührnisse und Vergehen zur Rüge zu bringen sind ist bereits oben (§. 73) bestimmt. §. 106. Sämmtliche auf dem Landtage oder bey Ausschußtagen versammelte Stände genießen während der Dauer ihrer Versammlung völlige Unverlezlichkeit der Person, sie können nicht wegen Schulden, und nicht wegen ihnen zur Last gelegter gemeiner Vergehen oder Verbrechen belangt, und von den Justizbehörden verfolgt werden, nur den einzigen Fall abgerechnet, daß sie bey dem zu Schulden gebrachten Verbrechen auf der That betreten würden oder die Versammlung in die gerichtliche Verfolgung eines ihrer Mitglieder, das wegen verschuldeter Vergehen oder Verbrechen in Anspruch genommen wird, willigte. In diesem Falle kan ihre Verfolgung und nach Befinden Verhaftung verfügt werden; nur ist die Landes-Versamm-

684

Textanhang

lung davon in Kenntniß zu setzen. Ausser den Land- und Ausschußtagen sind sämmtliche ständische Glieder, wie jeder Andere den allgemeinen Gesetzen, und ihren sonstigen ordentlichen Gerichten unbedingt unterworfen. §. 107. Sämmtliche zu Folge der Einberufung erschienenen und für stimmfähig u. zulässig anerkannte Mitglieder der Stände haben die Verpflichtung jeder Sitzung beyzuwohnen, und sich zur bestimmten Sitzungszeit pünktlich einzufinden, oder im Verhinderungsfalle sich wegen ihres Nichterscheinens beym Director zeitig zu entschuldigen. Findet sich ein Mitglied der Versammlung veranlaßt, den Versammlungsort auf einige Zeit zu verlassen, oder sich ganz zu entfernen, so liegt ihm ob, dazu die Bewilligung des Directors einzuhohlen, welcher bey einer länger als acht Tage dauernden Urlaubszeit, oder beabsichtigten gänzlichen Entfernung die Sache bey der Versammlung in Vortrag zu bringen hat. Auch ist in diesen beyden letzten Fällen von der Beurlaubung oder dem völligen Abgange des Beurlaubten oder Abgegangenen, höchsten Orts Anzeige zu thun. §. 108. Alle Mitglieder der Ständeversammlung, blos nur die besoldeten Mitglieder des engern Ausschusses ausgenommen, genießen für die Zeit ihres Aufenthalts auf dem Landtage vor und mit dem Tage, auf welchen sie zusammenberufen sind, bis und mit dem Tage nach dem Schlusse des Landtags eine ohne Rücksicht auf Stand und Rang, für alle gleichmäßig zu bestimmende tägliche Auslösung, deren Betrag in der Folge bestimmt werden wird, ingleichen für jede Meile der Entfernung ihres innländischen Wohnorts oder Gutes von dem Orte des Landtags eine Vergütung für Reise- und Zehrungskosten aus der allgemeinen Landeskasse. §. 109. Findet bey Land- oder Ausschußtagen es die Versammlung für zuträglich zur Bearbeitung einzelner Gegenstände einige Glieder aus ihrer Mitte zu beauftragen, so ist derselben die Einschlagung dieses Wegs gestattet, und sind die zu beauftragenden Glieder nach der relativen Mehrheit der Stimmen (§. 31) durch die Wahl zu bestimmen. Bey den Verhandlungen der Commission, führt Ein Mitglied das Protocoll, die Beschlüsse werden hier nach der absoluten Mehrheit der Stimmen gefaßt, und kommen dann als mündliche oder schriftliche Berichte bey dem Landtage durch eines der Mitglieder der Commission, dessen Auswahl ihr selbst überlassen bleibt, zum Vortrage. Bey der Landtäglichen Berathung hierüber selbst hat jedes Mitglied der Commission seine Stimme so gut, wie die übrigen Stände. §. 110. Eben so haben auch die Mitglieder des engern und weitern Ausschusses, welche als gebohrne oder gewählte Volksvertreter auf dem folgenden Landtage als Stände erscheinen mögen, die ihre in dieser Eigenschaft zukommende Stimme in allen den Angelegenheiten, welche früherhin bey den engern Ausschußtagen verhandelt und später an die allgemeine Landesversammlung gediehen sind, nur die beyden Fälle ausgenommen, wenn die Regierung oder die allgemeine Versammlung über das Benehmen dieser Ausschüsse während ihrer ständischen Geschäftsführung Beschwerde zu führen Anlaß haben sollten und desfalls bey der allgemeinen Versammlung etwas zu verhandeln wäre.

Textanhang

685

§. 111. In allen den Fällen, wo die Landtagsversammlung oder die Regierung Anlaß haben mögen, über die Geschäftsführung der auf dem früheren Landtage gewählten und während der Dauer der Zeit von einem Landtage zum andern mit den Obliegenheiten und Berechtigungen der Ausschüsse bekleidet gewesenen Individuen Beschwerde zu führen, haben sich diese über diese Beschwerden bey der Landtags-Versammlung, oder vor einer von derselben zur Erörterung solcher Punkte anzuordnenden Commission zu verantworten, und ist nach dem Ertrag dieser Verantwortung der Unterschied der Fälle zu berücksichtigen, einmahl ob die Landesversammlung die Verantwortung ausreichend findet, und von den Ansprüchen, welche sie aus dem gerügten Benehmen der Ausschüsse an deren Glieder machen zu können vermeint hat, abgeht, und wenn die Regierung solche Ansprüche gemacht haben sollte, die Glieder der Ausschüsse hiervon frey spricht; oder dann wieder ob sie auf diesen Ansprüchen aus Unzulänglichkeit der Verantwortung beharret, oder die von der Regierung gemachten Ansprüche für gegründet achtet. Im ersten Falle ist durch den desfallsigen Beschluß der Versammlung die Sache erlediget, gleichviel sie mag die von den Ausschüssen getroffenen Anordnungen und Verwilligungen fort bestehen lassen, oder nicht. Im zweiten Falle, der vorzüglich dann eintritt, wenn den Ausschußgliedern strafwürdige Vergehen, oder solche Handlungen, welche eine Entschädigungsforderung begründen, zur Last gelegt werden, hingegen gehört die weitere Verfolgung der Ansprüche für die Justiz, und hat die Landesversammlung oder die Regierung, nach Verschiedenheit der Fälle die desfalls nöthigen Anträge an das Herzogl. JustizCollegium zu stellen und hier das Weitere im Wege Rechtens zu gewärtigen.

§. 112. Was endlich das den Ständen (§. 33.) nachgelassene Recht der Beschwerdeführung über angestellte Staatsbeamte betrift, so kann dieses von den Ständen nie anders geübt werden, als auf den Grund eines Beschlusses des Landtags oder der Versammlung des weitern Ausschusses, und giebt es zu dessen Ausübung zwey Wege. Ein Mahl Beschwerdeführung bey dem Regenten, und dann wieder bey der Justiz, auf dem Wege der förmlichen Klage. Es haben aber solche Beschwerdeführungen allemahl nur die Amtsführung der Mitglieder des Ministeriums und der höhern Landes-Collegien, wie sie dermalen bestehen, oder künftig hergestellt werden mögen, zum Gegenstande. Unerlaubte Handlungen, oder Versehen und Nachlässigkeiten der unteren Staatsdiener können der Landes-Versammlung und dem weitern Ausschusse nur erst dann Veranlassung zur Ausübung dieses Rechts geben, wenn der dadurch unmittelbar Gekränkte bey der zuständigen höhern Behörde vergebens Klage geführt, oder sonst die gesetzlichen Voschritte gethan, und eben, weil solches vergeblich gewesen, die höhere Behörde sich der Pflichtwidrigkeit des Untergeordneten Theilhaftig gemacht hat.

§. 113. Nur Beschwerdeführung, nicht förmliche Klage ist zulässig, wenn die Unzwekmäßigkeit einer Verordnung oder einer andern Maasregel, die Stände zum Gebrauche ihres Rechts auffordert. Förmliche Klage aber darf erhoben werden, wenn Unterschleife bei öffentlichen Cassen, Bestechlichkeit, absichtlich verweigerte oder verzögerte Rechtspflege, absichtliche Verzögerung in der Verwaltung, oder andre willkührliche Eingriffe in die Verfassung oder in die gesetzliche Freyheit, die Ehre, oder das Eigenthum der Unterthanen zur Kenntniß des Landtags oder des weitern Ausschusses gekommen sind.

686

Textanhang §. 114.

Ist nun Beschwerde erhoben worden, so geschieht deren Erörterung durch den Regenten, in dem von ihm dazu ausgewählten, seinem Ermessen anheim gegebenen, schiklichsten Wege. In jedem Falle aber wird der dadurch getroffene Staatsdiener, oder die getroffene Behörde mit ihrer Verantwortung gehört, um sich zu rechtfertigen. Ist diese Verantwortung nicht ausreichend, sondern die von den Ständen angebrachte Rüge ganz oder zum Theil begründet, so erfolgt von Seiten des Regenten die Anweisung zur Verbesserung des Fehlers, zur Abstellung des Mangels, zur Aufhebung des Mißbrauchs, vorbehältlich des dem Regenten zustehenden Rechtes, auch auf die bloße Beschwerdeführung, wenn sich beym weitern Eingehen in der Sache gröbere Ungebührnisse offenbaren sollten, die förmliche Untersuchung anzuordnen, und sollen die Stände jedesmahl von dem Erfolg ihrer Beschwerdeführung in Kenntniß gesetzt werden. §. 115. Ist aber förmliche Klage erhoben und auf rechtliches Verfahren der Antrag gestellet worden, so soll diese Klage von dem Regenten an das großherzogl. und Herzogl. Sächs. gemeinsame Appellationsgericht zu Jena abgegeben werden, welches vorausgesetzt, daß dieselbe hinlänglich begründet und durch Angabe der Beweismittel behörig unterstüzt ist, nach den gesetzlichen Formen das Verfahren einzuleiten, das Erkenntniß im Namen des Regenten mit Gründen begleitet zu ertheilen, und auf die dagegen eingelegten Rechtsmittel dasselbe Verfahren, wie in Sachen welche durch Compromiss in erster Instanz dahin gediehen, zu beobachten hat. §. 116. Uebrigens ist von der Abgabe dieser Sachen an das Appellationsgericht den Ständen Nachricht zu geben, damit sie jemanden zur Wahrung ihres Interesse bey der Verhandlung der Sache beauftragen mögen. Die dadurch erwachsenden Kosten sind aus der allgemeinen Landescasse zu bestreiten. Fünfter Abschnitt. Von der Gewähr der Verfassung. §. 117. An diesem Grundgesetze des Fürstenthums Coburg-Saalfeld und der durch solches gestifteten Verfassung darf in keinem Punkte, weder mittelbar noch unmittelbar, weder durch Aufhebung noch durch Zusätze etwas geändert werden, ohne Übereinstimmung des Regenten und der Stände nach vorheriger Berathung auf einer Landtagsversammlung. §. 118. Künftig sind alls Staatsdiener vor ihrer Anstellung auf den Inhalt des gegenwärtigen Grundgesetzes und seine Festhaltung mit zu verpflichten. §. 119. Jede absichtliche Verletzung der Verfassung im Staatsdienste soll als Verbrechen angesehen und bestraft werden, und jede Handlung eines Staatsdieners, welche in der Absicht unternommen wird um diese Verfassung heimlich zu untergraben, oder gewaltsam umzustürzen, ist Hochverrath.

Textanhang

687

§. 120. Tritt der Fall eines Regierungswechsels ein, so soll der neue Landes-Fürst beym Antritte der Regierung sich schriftlich bey Fürstlichen Ehren und Worten verbinden, die Verfassung, so wie sie die gegenwärtige Urkunde bestimmt, während seiner Regierung nach ihrem ganzen Inhalt zu beobachten, aufrecht zu erhalten, und zu schützen. §. 121. Um diese schriftliche Versicherung noch vor der Huldigung zu empfangen, ist ein ausserordentlicher Landtag anzuberaumen, wo die Stände nach erhaltener Versicherung Namens des Landes den Huldigungseid abzuleisten haben. §. 122. Im Fall der Unmündigkeit des Regenten oder einer anderen Verhinderung des Regierungsantritts ist dieselbe Versicherung von dem Regierungsverweser für die Zeit seiner Verwaltung auszustellen. §. 123. Ausserdem wird die Sicherung dieser Verfassung dem deutschen Bunde übertragen werden, und an diesen dürfen die Stände sich wenden, wenn einem Erkenntnisse das Appellationsgericht zu Jena auf eine von den Ständen erhobene Anklage (§. 115) falls dieses Erkenntniß die Rechtskraft beschritten hat, die Vollziehung verweigert würde. Coburg, am 26sten Juni 1817

21. Gruners Entwurf eines Manifests über Verfassunggebung vom 20. Juni 1820 (StACo Min J 242 fol. 42 – 45) Wir Ernst p. Nachdem Wir mit mehreren deutschen Fürsten im Jahr 1815 Uns zu Wien freywillig dazu bekannten, Unsern Unterthanen eine ständische Verfaßung zu geben; So haben Wir auch nicht unterlaßen, Unsern getreuen Unterthanen unter dem 16ten März 1816 vorläufig nicht nur die Versicherung zur Herstellung einer ständischen Verfaßung zu geben, sondern Wir haben auch zugleich die allgemeinen Umriße und Ansichten davor mitgetheilt. Wir haben dabey daran erinert, daß nach Unserer Ueberzeugung sowohl von Uns als auch von Unsern Unterthanen in jenen stürmischen Zeiten dasjenige gewirkt und geleistet worden ist, was nach den Umständen zur Landeswohlfarth noch zu thun möglich geblieben war. Mit dem Eintritt friedlicher Zeiten war für den inneren Zustand der deutschen Staaten, und besonders auch für die Einführung und für die anzunehmenden Verhältniße der ständischen Verfaßungen eine Erste allgemeine Gestaltung zu erwarten. Die Bundesacte bestimmte nur im Allgemeinen in Art. 13, daß in allen deutschen Staaten eine ständische Verfaßung stattfinden würde. Das Verlangen nach einer näheren Bestimmung dieses Articels war nunmehr natürlich, alß auch vorauszusehen war, daß diesem Wunsche vom Bunde gewillfahrt werden würde.

688

Textanhang

Wir waren deßen bey der Erlaßung Unßerer Verordnung v. J. 1816 eingedenk, indem Wir darin ausdrücklich bemerkten, daß die nähern Grundsätze und Bestimmungen, auf welche die ständische Verfaßung der deutschen Staaten im Allgemeinen errichtet werden soll, noch zu erwarten, damit das Besondere dem Allgemeinen nicht widerspreche, sondern überall, so weit es möglich ist, eine Gleichförmigkeit statt finde. Die patriotischen Bemühungen, diesen Gegenstand in sein wahres Licht zu setzen, erreichten ihren Zweck auf die beruhigendste Weise in den Conferenzen zu Carlsbad und Wien. Die Schlußakte bestimmt in dem Art. ___ die Grundsätze und spricht damit den wahren Sinn und Geist des Gegenstandes aus. Und so haben auch Wir Unser wegen Herstellung einer ständischen Verfaßung gegebenes Fürstenwort nunmehr zu erfüllen beschloßen. Wir haben indeßen die nöthigen Vorarbeiten besorgen laßen, Wir haben den von Unserer Landes-Regierung gefertigten Entwurf sowohl Unsern Landes-Collegien als einigen der vormaligen Stände zur Begutachtung mitgetheilt, und solches alles zu Unserer Entscheidung Uns vorlegen laßen. Wir haben dabey keine andere Rücksicht stattfinden laßen, als Unsern getreuen Unterthanen eine solche ständische Verfaßung zu ertheilen, die den Zeitverhältnißen angemeßen und der wahren Wohlfarth Unserer Lande beförderlich ist. Wir glauben Uns überzeugt halten zu können, daß Wir auch diese unsere ernstliche Absicht erreicht haben. Wir haben die in der Schlußakte gemachten Bestimmungen zu berücksichtigen gesucht; Wir haben, wie auch von Uns schon in dem Entwurf v. J. 1816 geschehen ist, den Ständen den Antheil und den Einfluß auf die allgemeine Gesetzgebung, auf die Steuerverwilligung, auf die Befugniß die Beschwerde des Landes gegen Staatsdiener u.s.w. anzubringen, nicht erschweren, sondern wohl begründen wollen. Nur in wenigen Punkten wurden Abänderungen in den Ansichten der Verordnung v. J. 1816 nöthig. Wir haben die in Unsern Landen einzuführende Verfaßung in vier besondern Verordnungen abfaßen laßen, nämlich: 1) Grundgesetz für die landständische Verfaßung des Herzogthums Coburg-Saalfeld; 2) Wahlordnung; 3) Landtagsordnung; 4) Verordnung über die Verhältniße der Civil-Staatsdiener. Indem Wir diese, die künftige ständische Verfaßung begründen sollenden vier Verordnungen hinausgeben, hofen und wünschen Wir, daß Unsere getreuen Unterthanen darinen einen neuen Beweis Unserer Liebe gegen sie und Unseres steten Bemühens sie glücklich und zufrieden zu machen, nicht verkennen, sondern mit Dank und Vertrauen erwidern werden. Bey gegenseitigen, redlichen Absichten wird die göttliche Vorsehung gewiß auch den gehofften Seegen für Uns, Unser Herzogliches Hauß und Unsere sämmtlichen Unterthanen nicht unerfüllt laßen. Um nun dieses alles in gedeihliche Wirkung und Ausführung zu setze, gedenken Wir den ersten Landtag im ____ eintreten zu laßen, Unsere getreuen Stände um Uns zu versammeln, und sodann für das Beste des Landes gemeinschaftlich zu denken und zu handeln. Gegeben Coburg den ___ Serenissimus.

Textanhang

689

22. Aufteilung und Überarbeitung des Verfassungsentwurfs in der ersten Hälfte des Jahres 1820 a) Entwurf des Grundgesetzes (StACo Min J 240 fol. 39 – 60) Grundgesetz für die Landständische Verfassung im Herzogthume Coburg-Saalfeld §: 1. Die zu den Herzogl. S. Coburgischen Landen gehörigen Fürstenthümer Coburg und Saalfeld mit Inbegriff des Amtes Themar bilden von nun an nur Ein Fürstenthum unter dem Namen Herzogthum Coburg-Saalfeld. §: 2. In dem Herzogthum Coburg-Saalfeld besteht von nun an nur Eine Gesamtheit von Landständen, welche allen Theilen des Landes als Einem Ganzen gemeinschaftlich ist. §: 3. Diese Landstände werden von den verschiedenen Klassen der Landesangehörigen gewählt, und zwar: Sechs Mitglieder derselben von den sämmtlichen Ritter-Guths-Besitzern, Zwey Mitglieder von der Bürgerschaft der Stadt Coburg, Ein Mitglied von der Bürgerschaft der Stadt Saalfeld, Ein Mitglied von der Bürgerschaft der Stadt Poeßneck, Zwey Mitglieder von den Dorfsgemeinden des Amts-Bezirks Coburg, Zwey Mitglieder von der Bürgerschaft der Stadt Neustadt, und den Dorfsgemeinden des Amtes Neustadt gemeinschaftlich, Zwey Mitglieder von der Bürgerschaft der Stadt Rodach, und den Dorfsgemeinden des Amts Rodach, gemeinschaftlich, Zwey Mitglieder von der Bürgerschaft der Stadt Themar und den Dorfs-Gemeinden des Amtes Themar, gemeinschaftlich, Zwey Mitglieder von der Bürgerschaft der Städte Gräfenthal und Lehesten, und den DorfsGemeinden des Amts Gräfenthal in Gemeinschaft. Die Bedingungen des Wahl-Rechtes für die Wähler, und die Art der Ausübung desselben werden sowohl für den Adel als für die Städte und Amtsbezirke durch eine besondere Verordnung bestimmt werden. §: 4. Nothwendige Eigenschaften aller Stände, ohne Unterschied, sie mögen von dieser oder jener Klasse der Landesangehörigen gewählt worden seyn, sind 1.) Bekenntniß zur christlichen Religion, jedoch ohne Unterschied der verschiedenen Confessionen, 2.) dreyssigjähriges Alter, 3.) Unabhängigkeit von väterlicher Gewalt oder Aufsicht eines Vormundes.

690

Textanhang

4.) Unbescholtenheit des Rufs. Niemand kan zu einem Land-Stande gewählt werden, der wegen eines gesetzlich mit Zuchthauß oder Festungsgefängniß-Strafe bedroheten Verbrechens je in Untersuchung war, und nicht unbedingt freygesprochen worden ist. Auch sind Personen welche Bankerott gemacht oder in Concurs gerathen sind, stets unzulässig, so lange ihre Gläubiger von ihnen nicht vollständig, ohne irgend einen Nachlasse bezahlt sind. §: 5. Nächstdem müssen die von der Klasse der Ritterguths-Besitzer zu wählenden Stände Besitzer eines Ritterguths in eigenem Namen seyn, und von mehreren Besitzern eines Ritterguts ist blos nur derjenige Wählbar, der die den sämtlichen Besitzern dieses Gutes zukommende Wahlberechtigung übt. Wesentliche Wohnung der zu Ständen gewählten Rittergutsbesitzer im Lande ist nicht erforderlich. Auch sind Rittergutsbesitzer vom Bürger- und Bauern-Stande wahlfähig. §: 6. Die von den Bürgerschaften der Städte Coburg, Saalfeld und Poeßneck, ingleichen die von der Bürgerschaft der übrigen Städte und den Dorfs-Gemeinden der Amtsbezirke gewählten Stände aber müssen entweder den Besitz eines irgendwo im hiesigen Lande gelegenen schuldenfreyen Vermögens von 5000. fl. rh. an Immobilien oder ein unabhängiges schuldenfreies reines Einkommen von wenigstens 400. fl. rh. nachweisen und nöthigen Falls mittelst Handschlags an Eidesstatt bestärken. Auch ist die wesentliche Wohnung derselben im Lande erforderlich. §: 7. Jeder Gewählte wird für den Zeitraum von einem ordentlichen oder ausserordentlichen Landtag zum andern gewählt. Doch ist derjenige, der zu einem früheren Landtage gewählt wurde, vorausgesetzt, daß er die nothwendigen Eigenschaften eines Standes noch besitzt, bey einer eintretenden neuen Wahl zu einem folgenden Landtage wieder wahlfähig. §: 8. Stirbt während der (§: 7.) angedeuteten Zeit ein Gewählter oder tritt er von seiner Stelle ab, oder wird er wegen des vielleicht immittelst eingetretenen Verlustes der nöthigen Eigenschaften zu seiner Stelle unfähig, so ruht die ihm übertragene Stelle bis zum Eintritt einer neuen Ständewahl. §: 9. Weder die aus der Klasse der Ritterguthsbesitzer, noch die von den Bürgerschaften der Städte und der Dorfs-Gemeinden gewählten Mitglieder der Ständeversammlung können jemals etwas für sich und ihre Wähler getrennt von den Andern in Landesangelegenheiten verhandeln, sondern alles, was die Stände thun oder verhandeln mögen, kan nur von ihnen nach vorhergegangener gesetzmäßiger Versammlung derselben als Gesammtheit oder in dem Namen Aller gethan und verhandelt werden. §: 10. Jedes Mitglied der ständischen Versammlung hat bey seiner Theilnahme an der Verhandlung von Landesangelegenheiten stets nur das Ganze des Gemeindewesens ins Auge zu fas-

Textanhang

691

sen, und nur dem zu folgen, was ihm für dieses Ganze nach seiner individuellen Ueberzeugung und seinen Gewissen zuträglich und recht zu seyn scheint. Instructionen der Wähler, sowie überhaupt alle Anweisungen und Aufträge, wodurch die Stimmen-Freyheit eines gewählten Standes auf irgend eine Weise beschränkt werden soll, sind gesezwidrig und ungültig. §: 11. Ehe die Stände bey irgend einer Versammlung zur Uebung ihrer verfassungsmäßigen Obliegenheiten schreiten, haben solche anförderst in Beyseyn eines landesherrlichen Commissarius folgenden Eid abzulegen: Ich p. p. schwöre Treue dem Herzog, Gehorsam dem Gesetze, genaue Beobachtung der Verfassung und in der Stände-Versammlung das allgemeine Wohl nach bester eigener durch keinen Auftrag geleiteter Ueberzeugung berathen zu wollen. §: 12. Einzelne Stände können sich in dieser Eigenschaft von der bey den ständischen Versammlungen, noch ausser denselben, mit etwa zu machenden Beschwerden, oder anderen Anträgen, jemals an den Regenten wenden, sondern dergleichen ist unerlaubt und verboten. §: 13. Den Landständen sind folgende Rechte zuständig: 1.) das Recht über jede neue Besteuerung, ehe solche zur Ausführung kommt, gehört zu werden, dergestalt daß ohne dieses Gehör und ohne ihre der Landstände vorhergegangene ausdrückliche Verwilligung keine neue Steuer im Lande ausgeschrieben oder erhoben werden dürfen. Sollte jedoch in irgend einem Falle keine Vereinbarung zwischen dem Landesherrn und den Ständen über eine in Vorschlag gekomene neue Steuer zu Stande kommen, so dauert das bisherige Steuergesetz, in so fern die darin bestimten Steuern nicht für einen vorübergehenden und bereits erreichten Zweck bestimmt waren, von selbst für das folgende Jahr, binnen dessen Laufe eine neue ständische Versammlung mit neuen Wahlen ausgeschrieben werden soll, fort. Auch ist der Landesherr in dem Falle, wo die Stände die nothwendige Verwilligung für die Erfüllung neuer durch Verpflichtung gegen den deutschen Bund begründete Verbindlichkeiten verweigern sollten, zur Ausschreibung der zur Erfüllung dieser Verbindlichkeiten erforderten Summen, worüber von ihm öffentliche Rechenschaft abgelegt werden wird, berechtiget. Bis zu dem nächsten Landtage bewendet es übrigens bey den bisher ausgeschriebenen Steuern. 2.) das Recht, an der Gesetzgebung in der Art Theil zu nehmen, daß neue Gesetze, welche entweder die Landesverfassung betreffen oder die persönliche Freiheit, die Sicherheit und das Eigenthum der Unterthanen des ganzen Landes oder eines Theils desselben zum Gegenstande haben, keine verbindliche Kraft haben, wenn solche nicht vorher den Landständen zur Begutachtung mitgetheilt, diese Begutachtung erfolgt, oder die Erklärung der Stände binnen der ihnen dazu zu setzenden Frist nicht eingegangen ist. 3.) das Recht, dem Regenten Vorschläge zu übergeben, nach welchen auf die anzugebenden Thatsachen entweder alte Gesetze abzuschaffen oder neue einzuführen seyn möchten. 4.) das Recht, dem Regenten Vortrag zu thun über Mängel und Mißbräuche in der Verwaltung des Landes, mit gutachtlichen Vorschlägen zur Abstellung derselben.

692

Textanhang

5.) das Recht, bey dem Regenten Beschwerde und Klage zu erheben gegen die Minister und andere Staatsdiener oder Behörden, über derselben Willkür und Eingriffe in die Freyheit, die Ehre und das Eigenthum der Unterthanen so wie in die Verfassung des Landes. §: 14. Die bisher getrennt gewesenen beyden Hauptkassen, die Herzogliche Domainencasse, und die Landeskasse, bleiben fernerhin getrennt. §: 15. In die Domainencasse fließen der Ertrag der Herzogl. Domainen, das Einkommen aus den Regalien, und überhaupt alle aus der Uebung der Landesherrlichen Gewalt entspringende Renten, in soweit solche in den folgenden Bestimmungen der Landeskasse nicht ausdrücklich zugewiesen sind. §: 16. Zur Landeskasse dagegen gehören sämmtliche Grund- Gewerbs- und Consumtionssteuern, welche die Unterthanen dermahlen zahlen, ohne Unterschied sie mögen früherhin in die Domainen- oder in die Landes-Casse geflossen seyn, ingleichen auch alle und jede allgemeine Abgabe, welche in Zukunft von den Ständen zur Deckung der Landesbedürfnisse etwa verwilliget werden möchte. Namentlich gehören von nun an zu den Fonds der Landes-Casse die ehehin zu der Herzogl. Cammer- und nachher zur Domainen-Casse geflossenen OrdinairTrank- und Supplementsteuern, nebst der späterhin nöthig gewordenen Fleischsteuer. Auch fließen von den frühern Zuflüssen der Kammer und Domainen-Casse von nun an noch weiter zur Landes-Casse, der Ertrag der Chaussee- und Wegegelder-Einnahmen, die Militairreluitionsgelder, die Zahlungen der Unterthanen für Abschiede, die Billeten-Gelder, der Ertrag der Coburger Stadtwachkasse, und die von Hintersassen zu zahlenden Schutz-Gelder. §: 17. Die Herzogliche Domainen-Casse und deren Einkommen sind ihrem Wesen nach bestimmt zur Unterhaltung des Regenten der Fürstlichen Familie und sämmtlicher dazu gehörigen Glieder, zur Bestreitung der Appanagen der nachgeborenen Prinzen des Fürstlichen Haußes und des Witthums Fürstl. Wittwen, ferner zur Deckung der Kosten des Hofstaats des Landesherrn in allen seinen Zweigen, Besoldung der Hofdienerschaft, Bedarf für Küche, Keller, Marstall und Unterhaltung der Fürstl. Residenzen und Nebengebäude, und endlich zur Verzinnssung und Abtrag der auf den Herzogl. Domainengute verbleibenden Schulden. §: 18. Der Landeskasse hingegen liegt ob, die Bestreitung sämmtlicher Kosten der Staatsverwaltung, namentlich die Besoldung der Mitglieder des Herzogl. Landesministeriums, der Landes-Regierung, des Justiz-Collegiums, des Consistoriums und der dabey angestellten Subalternen, die Zahlung der hier nöthigen Büreau-Kosten, die Unterhaltung des Regierungsgebäudes, der Vestung, des Militairs, die Besoldung der untern Justiz- und Polizeibehörden, die Unterhaltung der den Justiz- und Polizei-Dienste gewidmeten öffentlichen Gebäude, so wie überhaupt aller Aufwand für Justiz- und Polizeianstalten, der Bedarf zur Unterstützung der Unterthanen und zur öffentlichen Armenpflege, dann der Aufwand zur Förderung des

Textanhang

693

Verkehrs und der allgemeinen Betriebsamkeit, insbesondere die Ausgaben für Wege und Chausseebauten, kurz der Aufwand für Alles, was zur Erhaltung und Förderung des gemeinen Wesens in allen seinen Theilen nöthig seyn mag, und zulezt die Verzinssung und der Abtrag aller nicht auf der Domainen-Casse haftenden Landes-Schulden. §: 19. Zur näheren Bestimmung der nach diesen allgemeinen Grundsätzen zu bewürkenden Trennung des Einkommens und der Ausgaben der Domainen- und der Landeskaße, und der einer jeden dieser beyden Kaassen zukommenden Fonds und obliegenden Leistungen soll den Ständen bey dem nächsten Landtage ein genauer Etat der Einnahme und Ausgabe für jede Kase vorgelegt werden. §: 20. Die Verwaltung der Domainen-Kasse sowohl als der Landeskasse und der zu beyden gehörigen Einkommensquellen steht dem Landesherrn und den von ihn dazu bestellten Behörden ausschließlich zu, ohne irgend eine Theilnahme der Stände. §: 21. Doch sind die Herzogl. Kammer-Güter und Domainen in ihrem dermaligen wesentlichen Bestande zu erhalten, und daher von nun an alle und jede Veräußerungen und Verpfändungen derselben, oder irgend eines der Domainen-Casse gewidmeten Fonds, ohne Vorwissen und Einwilligung der Stände unzulässig und ungültig, der einzigen Fall ausgenommen, daß der Erlös zum Abtrag der auf den Domainen haftenden Schulden, oder zum Erwerb neuer Domanial-Stücke verwenden würde. §: 22. Damit übrigens Irrungen möglichst vermieden werden, und das Domainen- und Landescasse-Verwahrungswesen stets möglichst geregelt seyn möge, ist von Seiten der bey den öffentlichen Cassen bestelten Behörden, namentlich vom Herzogl. Landesministerium und der Landes-Regierung mit möglichster Sorgfalt darauf zu sehen, daß bey der Landes-Cassenverwaltung stets die nach der Verwilligung der von den Ständen zu verwilligenden Abgaben herzustellenden und den Ständen auf dem Landtage vorzulegenden Etats eingehalten werden. §: 23. Diese Etats werden in der Regel auf die Zeit von einem Landtage zum andern hergestellt, und zwar so daß sie alle Zweige des Bedürfnis der Domainen- und Landes-Cassen in diesem Zeitraum umfassen und in der Zwischenzeit Abänderungen sowenig als möglich nöthig seyn mögen. §: 24. Alle Anlehen, welche künftig so wohl für die Domänen- als für die Landes-Casse aufgenommen und hieraus verzinnset werden sollen, und zwar ohne Unterschied die Aufnahme des Anlehns mag den Abtrag älterer Domainen- oder Landes-Casse-Schulden oder einen zu den Staatsbedürfnissen etwa neuerdings dringend nothwendig gewordenen, auf keine andere Weise zu bewirkenden Zuschuß bezwecken werden, zwar vom Landesherrn ohne Zuthun der

694

Textanhang

Stände aufgenommen, doch wird deren Verwendung für die öffentlichen Zwecke den Ständen bey dem nächsten Landtage immer nachgewiesen werden. §: 25. Auch sind die ausgestellten Schuld-Documente nur dann für gültig und für die Domainenund Landes-Casse zahlbar zu achten, wenn solche nächst dem Landes-Herrn, nach von dem Director des Herzogl. Landes-Ministeriums, dem Präsidenten der Landes-Regierung unterschrieben sind. §: 26. Gesetze, welche die eigentliche Landes-Verfassung, das heißt, die Bestimmung der Rechte des Regenten als solche, und der Stände, als solcher betreffen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit die Zustimmung und Einwilligung der Stände. §: 27. Bey andern Landesgesetzen hingegen beschränkt sich die Theilnahme der Stände an der Landesherrlichen Gesetzgebung blos nur auf Ertheilung ihres Gutachtens, und dem Landesherrn liegt keineswegs die Verbindlichkeit ob, dieses Gutachten und die darinn ausgedrückten Wünsche und Anträge der Stände zu berücksichtigen. §: 28. Dieselben Grundsätze, welche hier über die Theilnahme der Stände bey dem Erlasse neuer Gesetze ausgesprochen sind, finden auch bey Abänderungen oder authentischen Erklärungen früherhin ergangener Landesgesetze ihre Anwendung. §: 29. Doch hat der Landesherr in allen Fällen, wo die Stände mit ihrem Gutachten zu hören sind, das Recht, die zur Vorbereitung und Vollstreckung der Gesetze nothwendigen Verordnungen zu erlassen, und die u gleicher Absicht erforderlichen Anstalte zu treffen, ohne desfalls vorerst den Beyrath der Stände einhohlen zu müssen. Insbesondere hat jede Verordnung, welche bloszur Vorbereitung und zur Handhabung der Gesetze dient, oder aus der Natur des Verwaltungs- oder Aufsichts-Rechts fließt, so gleich nach ihrer Bekanntmachung verbindliche Kraft. §: 30. Auch sind unter den Gesetzen, worüber der Regent das Gutachten der Stände einzuhohlen hat, diejenigen nicht begriffen, welche nicht das ganze Land, sondern blos nur einzelne Gemeinheiten, einzelne Stände, Personen und die Verhaltnisse einzelner Vereine und Ortschaften betreffen, ingleichen auch nicht die Dienstreglements und Instructionen für einzelne Behörden, so wie überhaupt solche Verordnungen, welche die Aufrechterhaltung des regelmäßigen Ganges der Landes-Verwaltung oder der Drang vorübergehender Ereignisse nöthig machen mögen. Und gleichergestalt steht auch dem Regenten das Recht zu, Privilegien, Abolitionen und Dispensationen ohne Concurrenz der Stände zu ertheilen, nur darf das Privilegium kein Monopol begreifen, wodurch der allgemeine Gewerbfleiß der Landesangehörigen gehemmt würde, auch keine Befreyungen von allgemeinen Unterthanenlasten, welche der

Textanhang

695

gleichheitlichen Vertheilung derselben widerstreben würden. Endlich steht es auch dem Regenten frey ohne vorherigen Beyrath der Stände bereits gegebene Privilegien nach Befinden der Umstände zu ändern und aufzuheben. §: 31. Das den Ständen nachgelassene Recht der Beschwerdeführung über angestellte StaatsBeamte kan von den Ständen nie anders geübt werden, als auf den Grund eines Beschlusses einer Versammlung der ständischen Gesammtheit auf Landtagen. §: 32. Zur Ausübung dieses Rechts giebt es zwey Wege. Einmahl Beschwerdeführung bey dem Regenten, und dann wieder Verfolgung desselben bey der Justiz auf dem Wege der förmlichen Klage. §: 33. In einem wie in dem andern Falle aber haben solche Beschwerdeführungen immer nur die Amtsführung die Mitglieder des Ministeriums, oder die höhern Landes-Collegien, wie sie dermalen bestehen, oder in Zukunft hergestellt werden mögen, zum Gegenstande. Unerlaubte Handlungen oder Versehen und Nachlässigkeiten der untern Staats-Diener können der Landesversammlung und dem Ausschusse derselben nur erst dann Veranlassung zur Ausübung dieses Rechts geben, wenn der dadurch unmittelbar Gekränkte bey der zuständigen höhern Behörde vergebens Klage geführt, oder sonst die gesetzlichen Vorschritte gethan und diese vergeblich gewesen, dadurch aber die höhere Behörde der Pflichtwidrigkeit des Untergeordneten sich theilhaftig gemacht hätte. §: 34. Nur Beschwerdeführung nicht förmliche Klage ist zulässig, wenn die Unzweckmäßigkeit einer Verordnung oder einer anderen Maasregel, die Stände zum Gebrauch ihres Rechts auffordern sollte. Förmliche Klage aber darf erhoben werden, wenn Unterschleife bey öffentlichen Kassen, Bestechlichkeit, absichtlich verweigerter oder verzögerter Rechtspflege, absichtliche Verzögerung in der Verwaltung oder andere willkürliche Eingriffe in die Verfassung, oder in die gesezliche Freyheit, die Ehre und das Eigenthum der Unterthanen zur Kenntniß des Landtags gekommen seyn sollten. §: 35. Ist nur Beschwerde erhoben worden, so geschieht deren Erörterung durch den Regenten, in dem von ihm dazu ausgewählten, seinem Ermessen anheim gegebenen, schicklichsten Wege. In jedem Falle aber wird der dadurch getroffene Staatsdiener, oder die getroffene Behörde mit ihrer Verantwortung gehört, um sich zu rechtfertigen. Ist diese Verantwortung nicht ausreichend, sondern die von den Ständen angebrachte Rüge ganz oder zum Theil begründet, so erfolgt von Seiten des Landesherrn die Anweisung zur Verbesserung des Fehlers, zur Abstellung des Mangels, zur Aufhebung des Mißbrauchs, vorbehältlich des dem Landesherrn zustehenden Rechts, auch auf bloße Beschwerdeführung, wenn sich beym weitern Eingehen in die Sache gröbere Ungebührnisse offenbaren sollten, die förmliche Untersuchung anzuordnen,

696

Textanhang

und sollen die Stände jedes Mahl von dem Erfolge ihrer Beschwerdeführung in Kenntniß gesetzt werden. §: 36. Ist aber förmliche Klage erhoben und auf rechtliches Verfahren der Antrag gestellt worden, so ist dieselbe an das Herzogl. Justiz-Collegium abzugeben, und hier im Wege der Ordnung zu behandeln und zu entscheiden, und steht dem einen oder dem andern durch das Erkenntniss des Justizcollegiums sich beschwert achtenden Theile die Appellation an das gemeinschaftl. großherzogl. und Herzogl. Sächß. Appellationsgericht zu Jena zu. Sollte indess die Klage gegen das Justiz-Collegium selbst gerichtet seyn, so ist solche sofort an das Appellationsgericht abzugeben, und daselbst in dem Prozesse zu verhandeln, welcher bey solchen Sachen eintritt, welche durch Compromiss erster Instanz an das Appellations-Gericht gekommen sind. §: 37. Ordentliche Landtage werden alle sechs Jahre und zwar regelmäßig in der ersten Woche des Monat März des treffenden Jahres beginnend gehalten werden. Doch bleibt es dem Regenten unbenommen diesen Zeitraum zu verlängern, falls die Lage der Umstände dieses gestattensollte u. bleiben die auf dem letzten Landtage von den Ständen verwilligten Abgaben in diesem Falle bis zur nächsten Ständeversammlung im Gange. Ausserordentliche Landtage finden statt, so oft der Regent eine solche Versammlung der Stände nöthig findet und anordnet. §: 38. Ständische Versammlungen ohne landesherrliche Zusammenberufung oder ohne Vorwissen und Genehmigung des Landesherrn sind unzulässig und gesezwidrig, und alle auf solchen Versammlungen gefaßten Beschlüsse nichtig. §: 39. Wegen seiner Aeusserungen in der ständischen Versammlung, ingleichen wegen seiner Abstimmung über die dort zur Berathung gekommenen Gegenstände kan niemand zur Verantwortung gezogen werden. Doch versteht es sich von selbst daß allezeit bey allen Erklärungen und Aeusserungen der Stände in der Versammlung der gehörige Anstand beobachtet werden muß, und daß jede hier vielleicht vorkommende Verunglimpfung der höchsten Person des Landesherrn oder eine Beleidigung der Mitglieder des Ministeriums, der Regierung, des Landtags oder Einzelner, strafbar ist. §: 40. Die auf die Landesfürstlichen Anträge erfolgende ständische Erklärungen müssen stets schriftlich verfaßt und so gefaßt seyn, daß diejenige Punkte, welche die Stände annehmen oder nicht annehmen, bestimmt und deutlich daraus hervorgehen. Glauben die Stände einen Antrags-Punkt nicht annehmen zu können, so müssen sie die Gründe ihrer Weigerung bestimmt und deutlich auseinander gesetzt, zugleich mit ihrer abfälligen Erklärung angeben. Unmotivirte verneinende Erklärungen sind unzulässig. Auch kan bey der bejahenden Erklärung die Bejahung nie durch Modificationen oder angehängte Bedingungen, welche in dem Antrage nicht selbst liegen, bedingt werden. Insbesondere darf die Verwilligung von Abgaben nicht an Bedingungen geknüpft werden, welche die Verwendung

Textanhang

697

dieser Steuern nicht selbst betreffen. Glaubt die Landschaft irgend ein Zugeständniß vom Regenten verlangen zu dürfen, so hat sie solches in einem bestimmten Antrage unbedingt zu suchen. Unzulässig und gesezwidrig aber ist es, daß sie Landesherrliche Anträge zugestehe, unter der Bedingung, daß ihr von Seiten des Landesherrn etwas dagegen zugestanden werde. Solche etwa vorkommende bedingte Zugeständnisse sind für unbedingt zu achten. §: 41. Die ständische Versammlungen sind geschlossen, sobald der Landesherr den Landtag zu schließen, oder auch nur zu vertagen, für gut findet, und dieses entweder selbst, oder durch das Herzogl. Ministerium oder die sonst zur Unterhandlung mit den Ständen bestimmte Behörde, den versammelten Ständen Kund thut. §: 42. Sobald den Ständen die Vertagung oder der Schluß des Landtages Kund gethan ist, kan keine gemeinschaftliche Berathung oder Sitzung unter ihnen mehr statt finden, und fände sie dennoch statt, so wäre solche gesetzwidrig und das darauf beschlossene ungültig und nichtig. §: 43. Von dem Landesherrlichen Ermessen hängt es ab, ob de Schlusse des Landtags die Publication eines förmlichen, die hier gefaßten Beschlüße, und die Bekanntmachung der höchsten Entschließung darüber enthaltenden Abschieds vorangehen soll, oder ob der Schluß ohne eine solche Abschieds-Ertheilung erfolgen mag. Auch ohne einen förmlichen Abschied sind alle diejenigen Punkte verbindlich, worüber sich der Regent und die Stände während der Dauer der Versammlung vereinniget haben. Auf keinen Fall bedarf die bejahende Erklärung der Stände auf einen Landesherrlichen Antrag einer förmlichen Annahme dieser Erklärung von Seiten des Landesherrn zu ihrer Gültigkeit und verbindender Kraft. §: 44. Sämmtliche auf Land- oder Ausschußtagen versammelte Stände genießen während der Dauer ihrer Versammlung völlige Unverlezlichkeit der Person. Sie können nicht wegen Schulden, auch nicht wegen ihnen zur Last gelegter gemeiner Vergehen oder Verbrechen belangt und von den Justiz-Behörden verfolgt werden, nur den einzigen Fall ausgenommen, daß sie bey einem von ihnen zu Schulden gebrachten Verbrechen auf der That betreten würden oder ihre Theilnahme daran offenkundig wäre. Trift sie ein weniger naher Verdacht eines Verbrechens, das ihre Verhaftung nothwendig macht, so ist die Versammlung von dem gegen jene zu ergreifenden Maasregeln fördersamst in Kenntnis zu setzen. §: 45. An diesem Grundgeseze der landschaftlichen Verfassung des Herzogthums Coburg-Saalfeld soll in keinem Punkte weder mittelbar noch unmittelbar, weder durch Aufhebung noch durch Zusätze etwas geändert werden, ohne Uebereinstimmung des Regenten und der Stände nach vorheriger Berathung auf einer Landtagsversammlung. §: 46. Künftig sind alle Staats-Diener vor ihrer Anstellung auf den Inhalt des gegenwärtigen Grundgesetzes und seine Festhaltung mit zu verpflichten.

698

Textanhang §: 47.

Tritt der Fall eines Regierungs-Wechsels ein, so soll der neue Landesfürst beym Antritt der Regierung sich schriftlich bey fürstlichen Ehren und Worten verbinden, die Verfassung so wie sie die gegenwärtige Urkunde bestimmt während seiner ganzen Regierung ihrem ganzen Inhalte nach zu beobachten und aufrecht zu erhalten, jedoch vorbehältlich des Rechts einer Verbesserung derselben auf dem vorhin angedeuteten Wege. §: 48. Im Falle der Unmündigkeit des Regenten oder einer andern Verhinderung des RegierungsAntritts ist dieselbe Versicherung von dem Regierungsverweser für die Zeit seiner Verwaltung auszustellen.

b) Wahlordnung (StACo Min J 240 fol. 61 – 77’) Verordnung die Art und Weise der Wahl der Landstände betr. §: 1. Zur Theilnahme an der Wahl der Stände sind im Allgemeinen nur berechtiget: 1.) Personen männlichen Geschlechts von fünf und zwanzigjährigem Alter, welche nicht mehr unter der väterlichen Gewalt oder unter der Aufsicht eines Vormundes stehen; Vormünder können das Wahlrecht für ihre Pflegebefohlenen nicht üben. 2.) Bekenner der christlichen Religion, jedoch ohne Unterschied der Konfessionen, 3.) Personen von unbescholtenem Rufe. Um des letztern Erfordernisses willen kan niemand an der Wahl Theil nehmen, der in eine Kriminal-Untersuchung verflochten oder durch rechtliches Erkenntniß der kompetenten Gerichtsbehörde eines Verbrechens für schuldig erkannt worden ist, welches die Gesetze mit Zuchthaus- oder Festungs-Gefängniß-Strafe bedrohen, Ferner Niemand der Bankerott gemacht oder in Concurs befangen ist, so lange seine Gläubiger nicht befriediget sind. §: 2. An der Wahl der von den Ritterguths-Besitzern zu wählenden Mitglieder können vorausgesetzt, daß ihnen keine der allgemeinen Theilnahme-Bedingungen (§: 1.) abgeht, nur die Besizer derjenigen Güter Theil nehmen, welchen dermahlen die Eigenschaft eines Rittergutes zusteht, und ausser diesen alle diejenigen, welche in der Folge noch von dem Landesherrn die Aufnahme ihrer Güter unter die Zahl der Rittergüter erlangen werden. §: 3. Befindet sich der Besitz eines Ritterguts in der Hand einer verehelichten Frauensperson, so mag das auf dem Gute haftende Recht zur Theilnahme an der Wahl nur dann von ihrem Ehemann geübt werden, wenn aus dieser Ehe Kinder vorhanden sind. Nach dem Tode der Besizerin übt der Ehemann in diesem Falle das aus dem Guthsbesitze entspringenden Wahlrecht so lange fort, als ihm vermöge der väterlichen Gewalt der Nießbrauch des von der Ehefrau den Kindern hinterlassenen Gutes zu kommt.

Textanhang

699

§: 4. Dem Rittergutsbesitzer, der überhaupt zur Theilnahme an der Wahl geeignet ist (§: 1.), steht das Wahl-Recht ohne Einschränkung zu, gleichviel er mag auf dem Rittergute seinen Wohnsitz haben oder nicht, er mag im Innlande oder im Auslande seine wesentliche Wohnung haben, er mag von Adel oder zum Bürger- oder Bauernstande gehören. – Auch sind in einheimischen oder fremden Staatsdiensten stehende Rittergutsbesitzer zur Theilnahme an der Wahl berechtigt. §: 5. Zur Theilnahme an der Wahl der von der Bürgerschaft der Städte Coburg, Saalfeld und Poeßneck zu wählenden Stände sind alle Einwohner dieser Städte berechtiget, welchen das Bürgerrecht der Stadt zusteht, vorausgesetzt, daß sie in der Stadt ihre wesentliche Wohnung haben, und sonst die zur Theilnahme an der Wahl erforderlichen Eigenschaften besitzen. Der Besitz eines Haußes in der Stadt ist zur Theilnahme eines Bürgers an der Wahl nicht nothwendig. Blose städtische Schutz-Verwandte sind von der Theilnahme an der Wahl ausgeschlossen. Wohl aber können die in der Stadt wohnenden Landesherrliche Beamte, geistlichen und weltlichen Standes mit Einschluß der approbirten Aerzte, Advocaten und graduirten Privatgelehrten in so weit alle diese Personen einen privilegirten Gerichtsstand haben, an die Ständewahl der Bürgerschaft Theil nehmen, wenn sie auch das Bürgerrecht in der Stadt nicht erlangt haben sollten. §: 6. Was die von der Bürgerschaft der übrigen Städte und den Dorfsgemeinden der Aemter zu wählenden Mit-Glieder der Ständeversammlung betrift, steht jedem Einwohner dieser Städte und der zu den Aemtern gehörigen Dorfschaften das Recht zur Theilnahme an der Wahl zu, der in den Städten das Bürger- und in den Dörfern das Nachbarrecht besizt, ohne Unterschied er mag mehr oder minder begütert seyn. In den Städten können auch solche Bürger daran Theil nehmen, welche kein Hauß besitzen, und auf den Dörfern sind auch bloße Klein- oder Tropfhäußler zuzulassen. Bloße Schutzverwandte und Hintersaßen, welchen das Bürger- oder Nachbarrecht nicht zusteht, sind hingegen auch hier und dorten von der Theilnahme an der Wahl ausgeschlossen. Was von der Theilnahme Landesherrlicher Beamten, Aerzte, Advocaten und graduirter Gelehrten an der Wahl in den Städten Coburg, Saalfeld und Poesneck (§: 5.) verordnet ist, gilt auch bey den in den übrigen Städten oder auf Dörfern wohnenden Personen der Art; Geistliche und Schullehrer auf den Dörfern insbesondere sind zur Theilnahme an der Wahl berechtiget. §: 7. Die Einwohner der Patrimonialgerichts-Orte nehmen an der Wahl der von den Dorfsgemeinden zu wählenden Stände eben so gut Antheil, wie die Einwohner derjenigen Ortschaften, die unter der Gerichtsbarkeit oder Dorfsherrschaft der Herzoglichen Ämter stehen. Nur Rittergutsbesitzer und Bürger der Städte, welche an Patrimonialgerichts- oder Amtsorten vielleicht das Nachbarrecht wegen dort innhabender Güter besitzen mögen, sind zur Theilnahme an der Wahl der von den Dorfsgemeinen zu wählenden Stände nicht berechtiget. §: 8. Die Wahl der von den verschiedenen Klassen der Landesangehörigen zu wählenden Stände geschieht jedesmal vor Eröffnung eines ordentlichen oder ausserordentlichen Landtags auf

700

Textanhang

desfallsige Anordnung des Landesherrn und die in Gemäßheit derselben von der Regierung hierüber erlassene Bekanntmachungen Ohne solche Weisungen und Aufforderungen von den Unterthanen eigenmächtiger Weise vorgenommene Wahlen sind ungültig, und derjenige ist in Untersuchung und Strafe zu nehmen, der solche Wahlen veranlaßt oder vorgenommen haben mag. §: 9. Die von Seiten des Landesherrn angeordnete Wahl der Stände selbst geschieht 1.) in Rücksicht auf die von den Ritterguts-Besitzern zu wählenden Stände, unter der Leitung und Aufsicht eines dazu von der Regierung zu ernennenden Commissarius; 2.) in Hinsicht auf die von der Bürgerschaft der Städte Coburg, Saalfeld und Poesneck zu wählenden Stände, gleichfalls unter der Aufsicht und Leitung eines Regierungs-Commissarius, 3.) in Beziehung auf die von der Bürgerschaft der übrigen Städte und von den DorfsGemeinden zu wählenden Stände, aber unter Leitung und Aufsicht des ersten Beamten des treffenden Amtsbezirks. §: 10. Den Tag, an welchen die Wahl-Versammlungen zu halten sind, bestimmt in den desfalls zu erlassenden Weisungen die Landes-Regierung, oder bestimmte diese hierüber nichts, so steht diese Bestimmung den zur Leitung des Wahlakts ernannten Commissarien oder Behörden zu. Sollten diese den Zeitraum Eines Tages zur Beendigung des Wahlgeschäfts nicht ausreichend finden, so ist ihnen die Zugabe mehrerer Tage gestattet. Doch ist bey einem solchen Verfahren stets darauf zu achten, daß die Wahltage nach einander fortlaufen und durch andere Geschäfte nicht unterbrochen werden. In jedem Falle aber muß bey der Wahl der von der Bürgerschaft der Städte Coburg, Saalfeld und Poesneck ingleichen der von der Bürgerschaft der übrigen Städte und den Dorfsgemeinden zu wählenden Glieder der ständischen Versammlung der Tag, an welchem der Wahlakt und die Wahlversammlung beginnen soll, von der zur Leitung des Wahlgeschäfts bestimmten Behörde wenigstens vier Wochen vorher durch öffentliche Anschläge in jedem Orte bekannt gemacht werden, mit der Andeutung daß jeder Stimmberechtigte, sich an dem Orte, wo die Wahlversammlung gehalten werden soll, zu der zum Beginnen derselben für ihn bestimmten Zeit einfinden solle. Für die Ritterguts-Besitzer geschieht die Einladung zur Wahl der von diesen zu wählenden Stände mittelst einer wenigstens vier Wochen vor dem Wahltage im Regierungsblatte einzurückenden Bekanntmachung des zur Wahl bestimmten Tages von Seiten der Regierung, und ist in dieser Bekanntmachung zugleich der zur Leitung des Wahlgeschäftes bestellte Commissarius zu benennen. §: 11. Die Wahlversammlung selbst wird für die von den Ritterguts-Besitzern zu wählenden Stände in der Regel zu Coburg im Regierungsgebäude gehalten, doch steht der Regierung auch die Bestimmung eines andern geeigneten Wahl-Orts zu. Für die Wahl der Stände von den Städten Coburg, Saalfeld und Poeßneck, sind die Rathhäuser jeder Stadt zum Ort der Wahlversammlung zu bestimmen. Für die von den übrigen Städten und den Dorfs-Gemeinden der Amtsbezirke zu wählenden Stände aber, und die desfalls nöthigen Wahlversammlungen sind die Wahl-Orte die Justizamts-Lokale jedes Amtes. Doch bleibt es den hier zur Leitung des Wahlakts bestimmten Behörden nachgelassen, die Wahl auch in einem andern schicklichen

Textanhang

701

Lokale vorzunehmen, wenn das Rathhauß oder Amts-Lokale irgendwo zu einer solchen Versammlung nicht geeignet scheinen sollte. Der Ort der Wahl-Versammlung muß daher stets in der öffentlichen Bekanntmachung des Wahltags bestimmt angegeben werden. §: 12. Wenigstens Ein Drittheil der stimmberechtigten Einwohner des Wahlbezirks muß bey der Wahlversammlung erscheinen, und seine Stimme abgeben, wenn die Wahl gültig seyn soll. Sollten sich weniger einfinden, so kann der Wahlakt nicht vor sich gehen, sondern es ist die Anordnung einer anderweiten Wahlversammlung auf einen von der die Wahleitenden Behörde zu bestimmenden kurzen Termin nothwendig. Sollten auch bey der zweiten Wahlversammlung sich ein Drittheil der Wahlberechtigten nicht einfinden, so geht hier die Wahl hier dennoch vor sich. Die Erschienenen wählen allein, und die Nichterschienenen sind ihres Stimmrechts für die innstehende Wahl verlustig. §: 13. Sollten sich bey der Wahlversammlung Personen eingefunden haben, welche nach den oben angegebenen Bestimmungen (§: 1. – 7.) für stimmberechtiget nicht zu achten sind, so hat diese die zur Leitung des Wahlgeschäftes bestellte Behörde ab- und zurückzuweisen. Der Zurückgewiesene aber hat dieser Weisung unbedingt Folge zu leisten. Doch bleibt ihm nachgelassen, desfalls gegen die Behörde, welche ihn zurückgewiesen haben mag, bey dem Herzogl. Justiz-Collegium mit einer Beschwerde einzukommen, und desfalls auf Ehrenerklärung und Genugthung im Wege Rechtens, anzutragen, worauf das Justiz-Collegium nach vorheriger Erörterung der Sache im Wege Rechtens, das Nöthige zu erkennen und zu verfügen hat. §: 14. Die erschienenen Stimmberechtigte werden, was die Ritterguts-Besitzer in Ansehung der von diesen zu wählenden Stände betrift, zur Abstimmung gelassen, in der Ordnung, wie sie sich dazu bey dem Wahlcommissarius anmelden. Bey der Abstimmung der Bürgerschaften der Städte und der Dorfsgemeinden aber ist die Einrichtung zu treffen, daß die Bürgerschaften Viertelweise, die Gemeinden aber Dorfschaften weise vorgenommen werden, jedoch so, daß jeder Stimmberechtigte allein seine Stimme dem zur Leitung des Wahlgeschäfts Beauftragten im Stillen abgiebt. Laut seine Stimme abzugeben, ist nicht gestattet, bey Verlust des Stimmrechts bey der innstehenden Wahl. §: 15. Blos nur den Rittergutsbesitzern ist bey der Wahl der von ihnen zu wählenden Stände schriftliches Abgeben ihrer Stimme gestattet. Alle übrige Stimm-Berechtigte aber haben persönlich sich einzufinden, und mündlich zu stimmen. Uebrigens aber haben selbst die zur schriftlichen Abstimmung befähigten Rittergutsbesitzer, wenn sie schriftlich stimmen wollen, ihre Abstimmung bis zum Wahltage einzusenden, und solche stets selbst eigenhändig zu schreiben und mit ihrem vollen Namen zu unterzeichnen. Durch Andere ge- oder unterschriebene Abstimmungen abzugeben, ist auch ihnen nicht gestattet, und solche so wie nach dem Wahltag etwa noch eingekommene schriftliche Abstimmungen sind nicht zu berücksichtigen.

702

Textanhang §: 16.

Durch einen Bevollmächtigten seine Stimme abzugeben ist niemanden gestattet, er mag zu dieser oder jener Classe von Stimmberechtigten gehören. §: 17. Rittergutsbesitzer welche mehrere Rittergüter, und Mit-Glieder von Stadt- oder DorfsGemeinden, welche mehrere Häußer oder Güer besitzen, haben nur Eine Stimme. Mehrere Theilhaber eines Ritter-Guts haben sich über die von ihnen zu gebende Stimme unter sich zu vereinigen, und Einen von ihnen zum Stimmführer zu bevollmächtigen. Auch ist der Stimmführer nur allein als Rittergutsbesitzer fähig zum Landstande gewählt zu werden. §: 18. Ueber die Abstimmungen ist da, wo die Wahl der Stände durch einen Regierungs-Commissarius geleitet wird, durch diesen selbst oder einen von ihm beyzuziehenden verpflichteten Secretair, da aber, wo die Leitung des Wahl-Geschäftes durch den ersten Justiz-Beamten besorgt wird, durch den zweyten Justiz-Beamten oder einen verpflichteten Actuarius, ein genaues Protocoll zu führen, in welchem der Name jedes Stimmenden eben so wie der Name desjenigen, dem er seine Stimme gegeben hat, deutlich geschrieben angegeben seyn muß. Das geführte Wahlprotocoll hat der Commissarius oder erste Justizbeamte in jedem Falle mit zu unterschreiben. §: 19. Weder von Seiten der Behörden, welche das Wahlgeschäfte zu leiten haben, noch von der Seite eines oder des andern der Wähler selbst, kan jemand der Wahlversammlung zur Wahl empfohlen werden. Erlaubte sich die zur Wahl bestimmte Behörde eine solche Empfehlung, gleichviel vor oder bey der Wahlversammlung, so ist ihre Befähigung zur Leitung des Wahlgeschäftes erloschen. Die auf den Grund einer solchen Empfehlung erfolgte Wahl ist ungültig, und die Anordnung eines anderweiten Wahlakts unter Leitung eines Regierungs-Commissarius nothwendig. Erlaubt sich aber einer von den Wählern eine solche Empfehlung bey der Wahlversammlung, so ist er seines Stimmrechts bey der instehenden Wahl verlustig, und durch die den Wahlakt leitende Behörde sofort von dieser Versammlung zu entfernen. §: 20. Um die Stimmen der Wählenden zu werben, ist weder bey der Wahlversammlung selbst noch vorher gestattet. Wer so etwas thut ist von der Wahl zu entfernen, sobald diese seine Werbung der die Wahlhandlung leitenden Behörde kund wird. Hätte diese Behörde aber bey der Wahlhandlung von diesem Werben keine Kunde bekommen, so ist die Wahl, falls die den Werbenden getroffen haben sollte ungültig und tritt entweder der Nächstgewählte (§: 21.) an dessen Stelle, oder wenn kein solcher Nächstgewählter vorhanden seyn sollte, so ist eine anderweite Wahl nothwendig. §: 21. Bey der Wahl selbst entscheidet die relative Stimmenmehrheit in der Maße, daß diejenigen als gewählt anzusehen sind, welche unter denjenigen, welche überhaupt Stimmen erhalten haben, bis zu der von der Wahl-Versammlung zu wählenden Zahl die meisten Stimmen

Textanhang

703

haben. Es ist daher nicht erforderlich, daß wegen jedes zu wählenden einzelnen Mitglieds der Stände eine eigene Abstimmung erfolge. Sollte einer oder der andere Gewählte aus Mangel an den einem Stande nöthigen Fähigkeiten nicht zulässig seyn, oder die ihm beschiedene Stelle nicht annehmen, so tritt der Nächstgewählte, d. h.: derjenige ein, der nach ihm die meisten Stimmen hat. Eine neue Wahl eines andern Individuums ist blos dann nothwendig, wenn die Wahlstimmen nur auf die von den Wählern zu wählende Zahl gefallen seyn sollte. §: 22. Die zur Leitung des Wahlgeschäftes bestellte Commissarien und Behörden können für diese Arbeit keine Gebühren fordern. Blos auf Erstattung ihrer gehabten Auslagen haben sie Ansprüche, und diese Kosten sind ihnen aus der Landes-Casse zu erstatten. §: 23. Ist die Wahlhandlung vollendet, so haben die zur Leitung derselben bestellten Commissarien und Beamte die darüber aufgenommenen Protocolle und Acten mit der Bemerkung aller Individuen auf welche Stimmern gefallen sind, an die Regierung einzusenden. §: 24. Die Regierung hat hierauf die Zulässigkeit der Gewählten ohne Zeitverlust zu prüfen, und wegen deren Genehmigung oder Nichtgenehmigung mit bestimmten Anträgen Bericht an Herzogl. Landes-Ministerium zu erstatten, und nach der hierauf ihr zugehenden höchsten Resolution die die Wahl leitenden Behörden auf ihre Berichte mit der nöthige Weisung zu versehen. §: 25. In Gemäßheit dieser Weisungen haben hierauf die zur Leitung der Wahlhandlung bestellte Commissarien und Beamte die Weitere Bekanntmachung über die höchste Genehmigung der Wahl sowohl an die Wähler als den Gewählten zu erlassen; auch falls vielleicht hie und da eine neue Wahl erforderlich seyn sollte, hierzu die nöthigen Vorschritte und Einleitungen zu treffen, die Wahl dann fernerweit vornehmen zu lassen, und über das Resultat derselben zu weiterer Beschlußfassung anderweit zu berichten. §: 26. Diejenigen, deren Wahl die landesherrliche Genehmigung erhalten hat, haben die Commissarien und Beamte diese Genehmigung fördersamst schriftlich Kund zu thun, damit falls der Eine oder der Andere der Gewählten, wie ihm allerdings nachzulassen ist, die auf ihen gefallene Wahl nicht annehmen sollte, er desfalls in Zeiten bey der Landes-Regierung die nöthige Anzeige machen, und diese dann das weiter nöthige verfügen möge. §: 27. Für diejenigen, welche die Wahl annehmen, ist eine desfallsige Annahmserklärung nicht nothwendig, auch bedarf es ausser der ihnen von dem Commissarius oder Beamten zu ertheilenden Nachricht von der Genehmigung ihrer Wahl, für sie keiner weitern Ausfertigung einer Legitimations-Urkunde.

704

Textanhang §: 28.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der zu Ständen gewählten Individuen liegt der Regierung und dem Herzogl. Landes-Ministerium die möglichste Umsicht ob. Finden dieselben dieses oder jenes Individuum unzulässig, so versteht es sich von selbst, daß in der die Nichtgenehmigung aussprechenden Weisung die Gründe dieser Nichtgenehmigung bestimmt angegeben seyn müssen. Eine gar nicht oder nicht ausreichend motivirte Unzulässigkeits-Erklärung findet nicht statt. §: 29. Sollte wider Vermuthen ein von der Regierung und dem Herzogl. Landes-Ministerium für unzulässig erklärtes Individuum wegen Unzulässigkeit der Motive Beschwerde führen zu können vermeinen, so ist mit dem Eintritt des Nächstgewählten oder einer neuen Wahl bis zur Entscheidung der Sache Anstand zu nehmen. Zum Behuf dieser Entscheidung aber ist die geführte Beschwerde der Landständischen Versammlung, zu der das nicht genehmigte und beschwerde führende Individuum mit gewählt wurde, vorzulegen, und diese hat dann nach der Mehrheit der Stimmen über die Zulässigkeit des Beschwerdeführenden zu sprechen. Bey dem Resultate dieses Spruchs hat es aber ein für allemahl sein Bewenden. Wird hier der Beschwerdeführer für zuläsig erklärt, so nimmt er an den von nun an vorkommenden ständischen Verhandlungen ohne Weiteres Antheil. Wird er aber für unzulässig erkannt, so tritt entweder der Nächstgewählte ein, oder es ist falls kein Nächstgewählter vorhanden seyn sollte, ein anderes Individuum zu wählen, das nach seiner Genehmigung an den dann vorkommenden Verhandlungen, Theil nimmt. §: 30. Bey der Berechnung des Einkommens und Vermögens der von den Städten in Dorfsgemeinden zu wählenden Mit-Glieder der ständischen Versammlung wird dasjenige Vermögen und Einkommen mit eingerechnet, welches einem solchen Individuum, als gesetzlichen Nutznieser des Vermögens seiner Ehefrau, oder vermöge der zwischen ihm und derselben bestehenden ehelichen Gütergemeinschaft zusteht. Alles Diensteinkommen aber bleibt ausser Ansatz, es mag von einem eigentlichen öffentlichen Amte herrühren oder von einer Function, welche jemand vermöge öffentlicher Verleyhung bekleidet, es mag in einem ständigen Gehalte bestehen, oder in Accidenzien, es mag vom Staate bezogen werden oder von PrivatPersonen, und dasselbe gilt auch von Pensionen. §: 31. Treffen im Vermögen eines solchen Gewählten Grund-Vermögen und Einkommen zusammen, so ist beydes bey der Berechnung verhältnißmäßig zu berücksichtigen, in der Art, daß Achtzig Gulden Einkommen für Tausend Gulden Grundvermögen angenommen werden. §: 32. Die von der Bürgerschaft der Städte und den Dorfsgemeinden gewählten Individuen brauchen nicht gerade Eingesessene des Bezirks zu seyn, welcher sie gewählt haben mag; genug nur, wenn sie zu dem Bürgerlichen- oder Bauernstande gehören, Landesunterthanen sind, und im Lande irgendwo ihre wesentliche Wohnung haben.

Textanhang

705

§: 33. Auch Staatsdiener geist- und weltlichen Standes können von den Bürgerschaften der Städte und den Dorfsgemeinden gewählt werden. Nur die die Wahlversammlung leitenden Commissarien und Beamten und deren Sekretair und Actuar sind für den Wahlbezirk nicht wahlfähig, wo sie die Wahl zu leiten haben. §: 34. Blutsverwandte in auf- und absteigender Linie und Brüder können zu gleicher Zeit nie zugleich gewählt werden. Im Falle ihrer Wahl tritt der Sohn und Enkel gegen den Vater oder Großvater, und der jüngere von zwey gewählten Brüdern gegen den Aeltern zurück, und statt des Zurückgetretenen tritt entweder der Nächstgewählte (§: 21.) ein, oder es ist, falls kein solcher Nächstgewählter vorhanden seyn sollte, Jemand anders zu wählen. §: 35. Wird eine und dieselbe Person von zwey Wahlbezirken gewählt, so kan er nur für eine einzige Stelle die auf ihn gefallene Wahl annehmen, und zwar zunächst für den Bezirk indem er seine wesentliche Wohnung hat. Für die zweite nicht anzunehmende Stelle ist er entweder durch den Nächstgewählten zu ersetzen (§: 21.) oder es ist eine neue Wahl eines andern Individuums erforderlich. §: 36. Diese letzte Bestimmung tritt auch dann ein, wenn die Wahl auf ein Individuum gefallen seyn sollte, das die erforderlichen Eigenschaften nicht hat.

c) Entwurf der Landtagsordnung (StACo Min J 242 fol. 57 – 70) Landtags-Ordnung für die Stände des Herzogthums Sachsen-Coburg-Saalfeld. §: 1. Zur Behandlung der den Ständen obliegenden Geschäfte sind die Landtage bestimmt; und sind hier in der Regel alle ständische Angelegenheiten von der Gesammtheit zu behandeln, nur mit Ausnahme derjenigen, welche nach den unten folgenden Bestimmungen durch besondere Commissionen behandelt werden mögen oder dem Landschafts-Director ausdrücklich zur Behandlung zugetheilt und nachgelassen sind. §: 2. Die Zusammenberufung der Stände zu ordentlichen und ausserordentlichen Landtagen geschieht auf folgende Weise: Ist die Wahl der Stände beendigt, so bestimmt der Regent den Ort des Landtags und den Tag der Zusammenkunft der Glieder der ständischen Versammlung in einem an die Regierung zu erlassenden Rescripte, und ermächtiget diese zur Bekanntmachung desselben an die Gewälten. Die Regierung aber erläßt hierauf in höchstem Auftrag unter abschriftlichem Beyschluß des höchsten Rescripts die nöthige Einladung an jeden der

706

Textanhang

Gewählten. Auf diese Einladung haben sich Alle zur bestimmten Zeit im Versammlungs-Orte einzufinden, oder diejenigen, welche zu Erscheinen verhindert seyn sollten, dieses in Zeiten der Regierung zu melden, und sich zu entschuldigen. §: 3. Der Ort, wo die Land- und Ausschußtage zu halten sind, hängt von der Bestimmung des Regenten ab, doch muß derselbe nothwendig innerhalb des Herzogthums liegen. In der Regel, und wenn das landesherrliche Ausschreiben keinen andern Ort bezeichnet, wird die Residenz-Stadt Coburg als der Versammlungsort angesehen. §: 4. Sämmtliche zu Folge die Einberufung erschienenen Stände haben sich bey der Einberufung zu Landtagen beym Präsidenten der Regierung, bey ihrer Ankunft zu melden, und hierauf jeder Sitzung persönlich beyzuwohnen, oder im Verhinderungsfalle sich wegen ihres Nichterscheinens zeitig zu entschuldigen. Findet sich ein Mitglied der Versammlung veranlaßt, während der Dauer des Landtags den Versammlungsort auf einige Zeit zu verlassen, oder sich ganz zu entfernen, so liegt ihm ob, dazu die Bewilligung des Directors einzuhohlen, welcher bey einer längeren als vier Tage dauernden Urlaubs-Zeit oder einer beabsichtigten gänzlichen Entfernung die Sache bey der Versammlung in Vortrag zu bringen hat. Auch ist in beyden letzten Fällen von der Beurlaubung oder dem völligen Abgange des Beurlaubten oder Abgagengenen höchsten Orts Anzeige zu machen, und wenn der Beurlaubte ein Mitglied einer ständischen Commission seyn sollte, dafür Sorge zu tragen, daß ihn sein Stellvertreter während der Abwesenheit ersetze. §: 5. So lange nicht wenigstens zwey Drittheile der Stände bay der Versammlung anwesend sind, kann weder der Land-Tag eröffnet, noch zu irgend einer Landtags-Verhandlung geschritten werden. Jeder Landtags-Beschluß ist ungültig, bey dessen Fassung obige Anzahl nicht gegenwärtig gewesen seyn sollte. §: 6. Zur Leitung der Geschäfte auf dem Landtage, hat die gesammte ständische Versammlung auf die in der Folge bestimmte Weise eines ihrer Mitglieder zum Director und zur Führung der Landtagsprotocolle und sonst hier ankommenden schriftlichen Ausfertigungen ein anderes Mitglied zum Secretair zu wählen. Auch wird zugleich für jeden derselben ein Stellvertreter gewählt, der in die Functionen des zu vertretenden einrückt, wenn dieser behindert seyn sollte. §: 7. Diese Wahl des Directors und des Secretairs und der Stellvertreter von beyden geschieht unter Leitung eines landesherrlichen Commissarius noch vor der förmlichen Eröfnung des Landtags mittelst geheimen Stimmgebens nach der absoluten Stimmenmehrheit der anwesenden Stände, doch kan so lange nicht wenigstens zwey Drittheile der Stände anwesend sind zu dieser Wahl nicht geschritten werden, ausserdem ist solche ungültig. Sollte bey der ersten Abstimmung sich keine absolute Mehrheit für die Gewählten ergeben, so muß die Stimmen-

Textanhang

707

Sammlung erneuert werden. Haben bey wiederholter Wahl zwey Glieder eine gleiche Stimmenzahl, so entscheidet unter ihnen das Loos. §: 8. Alle Mitglieder der Stände-Versammlung, sie mögen von dieser oder jener Klasse der Wähler gewählt seyn, sind zu der Landschafts-Directors- und -Secretair-Stelle gleichermaßen wahlfähig. Nur müssen die Gewählten ihre wesentliche Wohnung im Lande haben. §: 9. Die geschehene Wahl des Directors und Secretairs und ihrer Vertreter ist durch den die Wahl leitenden Landesherrlichen Commissarius dem Landesherrn zur Bestätigung vorzutragen. §: 10. Versagt der Landesherr die Bestätigung der Gewählten oder Eines derselben, so ist zur anderweiten Wahl zu schreiten, und wenn auch die hier gewählten Individuen die landesherrliche Genehmigung ihrer Wahl nicht erhalten sollten, zur Dritten. Doch wer bey der dritten Wahl gewählt wird, bedarf der landesherrlichen Bestätigung nicht. Nur darf dieses kein Individuum seyn, das schon bey einer der ersten Wahlen gewählt und nicht bestätiget wurde. §: 11. Daß der Landesherr die Gründe der Nichtgenehmigung einer von ihm nicht bestätigten Wahl anführe, ist nicht erforderlich. §: 12. Ist die landesherrliche Bestätigung erfolgt, so sind beyde der Director und der Sekretair so wie deren Stellvertreter zu ihren Stellen mittelst Eides von den landesherrlichen Commissarius zur Leitung ihres Wahlgeschäfts, und zwar in voller Versammlung der anwesenden Stände, zu verpflichten. Vor dieser Verpflichtung können sie ihre Functionen nicht beginnen. §: 13. Nach geschehener Wahl und Verpflichtung des Direktors und Sekretairs erfolgt die Eröffnung des Landtags unter den vom Regenten zu bestimmenden Förmlichkeiten entweder von dem Regenten selbst, oder durch eine zu diesem Zwecke anzuordnende landesherrliche Commission. §: 14. Bey der Versammlung der Stände bey Landtagen sitzen a) oben an der Director u. neben ihm zur linken der Sekretair, und b) dann die Stellvertreter von beyden; c) die übrigen Stände sitzen nach der Ordnung des natürlichen Alters. §: 15. Die Ordnung im Innern bey ständischen Versammlungen zu handhaben und jede Verletzung dieser Ordnung zu rügen, ist eine der Hauptpflichten des Landschaftsdirektors. Auch

708

Textanhang

hat derselbe in den Sitzungen auf den Gang der Verhandlungen selbst seine Aufmerksamkeit zu richten, durch Bestimmung und Festhaltung des eigentlichen Punkts der Berathung, den Gang derselben zu leiten, alle Abschweifungen zu verhüten, die Fragen über welche abzustimmen ist, in umfassende jedoch möglichst einfache Sätze zu bringen, die Stimmen zu sammeln, und dafür zu sorgen, daß die Beschlüsse gehörig und richtig aufgenommen und im Protocolle bemerkt werden. Auch unterzeichnet der Direktor nebst dem Secretair alle diese Protocolle und sonstige schriftliche Ausfertigungen der Ständeversammlung und sorgt für deren Abgang an die Behörde. §: 16. Die Mittheilung der Anträge des Regenten geschieht stets schriftlich, und zwar entweder durch das Ministerium, oder durch eine zur Verhandlung mit den Ständen angeordnete besondere landesherrliche Commission. Sollten bey neuen Gesetzesvorschlägen oder andern wichtigen Angelegenheiten mündliche Erörterungen den Gang der Geschäfte befördern können, so wird der Regent einen oder etliche Mitglieder des Herzogl. Ministeriums oder der Regierung, oder, nach Befinden, auch andere Staatsbeamte, als seine Commissarien zu einzelnen Sitzungen der ständischen Versammlung abordnen, und hier den Gegenstand nach seinen That-Umständen und Beweggründen entwickeln laßen.

§: 17. Will ein Mitglied der Versammlung über irgend einen wichtigen Gegenstand, welcher nicht in den Landesherrlichen Anträgen enthalten ist, Vortrag thun, so hat es seine Absicht dem Direktor anzuzeigen, der dann dazu einen Tag zu bestimmen hat. Doch darf der LandschaftsDirector über solche von einzelnen Mitgliedern oder auch von ihm selbst, zur Sprache gebrachten Gegenstände die Verhandlung und Berathung nie eher einleiten, als wenn sämtliche von Seiten des Landesherrn bey der Eröffnung des Landtags, oder nachher, vorgelegte Berathungspunkte von den Ständen in Berathung gezogen, und die desfalls nöthigen Beschlüsse von der Versammlung gefaßt worden sind. Sollte jedoch ein nicht gleich bei der Eröffnung des Land-Tags vorgelegter landesherrlichen Antrag erst zu einer Zeit eingehen, wo von Mitgliedern der ständischen Versammlung vorgebrachte Anträge bereits in Berathung sind, so kan vorerst der Schluß der darüber eingeleiteten Berathung abgewartet werden. Anträge, welche von andern Seiten, als von der Seite eines Mitglieds der Versammlung durch Schriften oder persönliches Anbringen an die ständische Versammlung kommen mögen, dürfen bey der Versammlung nie in Berathung gebracht, und überhaupt gar nicht angenommen werden. Auch sind schriftliche Verhandlungen zwischen der Versammlung mit andern Behörden oder Individuen ausser dem Herzogl. Ministerium nicht gestattet.

§: 18. Die von dem Landesherrn den Ständen vorgelegten Berathungs-Punkte sind von der Versammlung, stets in der Ordnung in Berathung zu ziehen, in der sie in deen landesherrlichen Anträgen den Ständen vorgetragen sind. Eine Abweichung von dieser Ordnung kan der Landschafts-Direktor oder auch die gesammte ständische Versammlung sich nicht erlauben. Blos bey solchen Berathungspunkten, welche Glieder der ständischen Versammlung in Antrag bringen mögen, ist die Anordnung der Reihenfolge dem Ermessen des Landschafts-Direktors überlassen.

Textanhang

709

§: 19. Zur Bearbeitung einzelner Gegenstände kan die Versammlung einige Mitglieder aus ihrer Mitte beauftragen, und sind die zu beauftragenden Glieder nach der relativen Mehrheit der Stimmen durch die Wahl zu bestimmen, Bey den Verhandlungen einer solchen Commission führt Ein Mitglied das Protocoll; die Beschlüsse werden nach der absoluten Mehrheit der Stimmen gefaßt, und kommen dann als mündliche oder schriftliche Berichte bey der Versammlung durch eines der Mitglieder der Commission, dessen Auswahl ihr selbst überlassen bleibt, zum Vortrag in der ständischen Versammlung. Bey der Berathung hierüber hat jedes Mitglied der Commission seine Stimmen so gut wie die übrigen Stände. §: 20. Nur derjenige, welcher einen Antrag macht, und die etwa aufgestellte Berichtserstatter einer ständischen Commission sind zur Vorlesung schriftlicher Aufsätze berechtiget; den übrigen Mitgliedern hingegen ist es zwar freygestellt, ihre Meinung über die vorgekommenen Berathschlagungspunkte ausführlich zu äussern, sie haben sich aber auf mündliche Vorträge zu beschränken. §: 21. Sollten bey einer Sitzung der ständischen Versammlung die Gesetze des Anstandes oder die für die Geschäfts-Ordnung ertheilten Vorschriften von einem oder dem andern Mitgliede verlezt werden, so ist der Landschafts-Director nicht nur berechtiget, sondern bey eigener Verantwortlichkeit selbst verpflichtet, auf die Ordnung zu verweisen. Der Director kan dem Mitgliede, dem die Ordnungswidrigkeit zur Last fällt, seine Mißbilligung zu erkennen geben, Verweise ertheilen, auch Zurücknahme der gerügten Aeusserungen verlangen. Würde indeß eine solche Rüge, nach dem Grade der verschuldeten Ungebühr nicht für hinreichend zu achten seyn, oder würde das in Anspruch genommene Glied der ständischen Versammlung in den Schluß des Direktors sich nicht fügen, so hat der Direktor desfalls bey dem Herzogl. Justiz-Collegium Klage zu erheben, und Lezteres kan auch von Seiten des Herzogl. Ministeriums oder der Regierung durch den Fiskal geschehen, wenn dieselben durch eine Anzeige der Stände oder auf einem andern Wege von einem solchen Vorgange glaubhafte Nachricht erhalten hätten. §: 22. Findet der Landschafts-Director die in Berathung gekomene Punkte zur Fassung der nöthigen Beschlüsse genügsam vorbereitet, so hat er die ständischen Verhandlungen zu schließen, und daß dieses geschehen, zu erklären, auch dann weitere Discussionen nicht mehr zuzulassen, sondern ohne Weiteres zur Aufnahme der Abstimung zu schreiten. Ob sofort abgestimmt werden soll, oder bey einer der folgenden Sitzungen, hängt vom Ermessen des Landschaftsdirektors ab. Doch kan über Antraege welche von Gliedern der Versammlung herrühren, nie in der Sitzung abgestimmt werden, wo diese Antraege vorkamen u. darüber gesprochen wurde; sondern in solchen Fällen ist die Abstimmung wenigstens auf den nächstfolgenden Tag zu verschieben. §: 23. Zum Behuf der Abstimmung ist jeder in der Versammlung behandelte Antrag in einzelne einfache Fragen aufzulösen, so daß jeder Abstimmende sich auf unbedingte Bejahung oder

710

Textanhang

Verneinung der festgesetzten Fragen zu beschränken hat; und kan jedes Mitglied verlangen, daß eine zusammengesetzte Frage in einzelne einfache zerlegt werde. §: 24. Die Abstimmung selbst geschieht dadurch, daß sich die Bejahenden alle zusammen erheben, die Verneinenden aber auf ihren Sitzen verbleiben. Ist die Abzählung der Stimmen hiernach erfolgt, so wird die Zahl, nicht aber der Name der bejahend und verneinend Stimmenden im Protocolle bemerkt. §: 25. In solchen Fällen, wo das Abstimmen durch einfache Bejahung oder Verneinung der vorgelegten Fragen nicht statt findet, namentlich bey den durch geheimes Stimmgeben zu bewürkenden Wahlen des Direktors und des Sekretärs bestimmt sich die Ordnung der Abstimmung nach der Ordnung wie die Stimmgeber in der Versammlung sitzen. §: 26. Bey allen Beschlüssen, welche auf Landtagen gefaßt werden mögen, entscheidet die absolute Mehrheit der Stimmen, der in gesezlicher Anzahl (§: 5.) anwesenden Stände. Nur dann ist diese Mehrheit nicht ausreichend, wenn die Frage, über welche abgestimmt wird, eine Abänderung eines Punktes des gegenwärtigen Grundgesetzes zum Gegenstande haben sollte. In diesem Falle kann die Majorität nur durch die Bejahung von drey Vierteln der in gesetzlicher Zahl anwesenden Stände gebildet werden. §: 27. Sind in solchen Fällen, wo die absolute Mehrheit entscheiden mag, die Stimmen der Stimmgeber sich in der Anzahl gleich, so ist die Sache nochmals in voller Sitzung zum Vortrag und zur Abstimmung zu bringen, und wird auch in dieser Sitzung die Gleichheit der Stimmen nicht gehoben, so sind die beyderseitigen Abstimmungen dem Regenten zur Entscheidung vorzulegen; in keinem Falle aber steht dem Director hier oder sonsten in den ständischen Versammlungen eine entscheidende Stimme zu. §: 28. Ein auf die angedeutete Weise gefaßter Beschluß des Land-Tags kan von Seiten einzelner Stände weder durch Protestation noch durch Berufung auf die Entscheidung des Regenten, noch auf irgendeine andere Weise an seiner Vollziehung gehindert werden, vielmehr ist jeder Versuch der Art gesezwidrig und alles dadurch bewirkte ungültig. Die Minderzahl muß sich der Mehrheit unbedingt unterwerfen. §: 29. Sobald ein Beschluß der ständischen Versammlung über einen bey ihr in Berathung gezogenen Punkt zu Stande gekommen ist, ist derselbe unter der Aufschrift: Erklärungsschrift der getreuen Landstände des Herzogthums Coburg-Saalfeld, vom Director und Secretair unterschrieben in Schriften bey dem Herzogl. Ministerium zu übergeben.

Textanhang

711

§: 30. Die Beschlüsse des Regenten auf übergebene Erklärungs-Schrift erhält die Ständeversammlung gleichfalls in Schriften durch das Herzogl. Ministerium. §: 31. Mündliche Erklärungen der Stände über vorgekommene Berathungs-Punkte, oder beym Regenten zu machende mündliche Anträge, finden nicht statt. Ueberhaupt sind persönliche Abordnungen der Stände an den Regenten nicht zulässig, wenn die Stände nicht vorher um die Erlaubniß dazu nachgesucht und solche erhalten haben. §: 32. Werden die Stände nur wegen Vertagung des Landtags entlassen, so bedarf es zu ihrer Wiederversammlung weiter nichts, als daß dem Landschafts-Direktor mittelst eines landesherrlichen Reskripts die Wiederversammlung der Stände angedeutet wird. Auf den Grund dieses Rescripts hat dieser die einzelnen Stände wieder zusammen zu berufen. §: 33. Von der landesherrlichen Bestimmung hängt es ab, ob auf dem fortgesezten Land-Tage die bey dem vorherigen vertagten auf landesherrlichen Antrag behandelten Gegenstände zu fernerweiten Berathung gezogen werden sollen, oder ob die Berathung andere Gegenstände betreffen soll. Auch hier haben sich die Stände zuerst mit den landesherrlichen Anträgen zu beschäftigen, ehe auf andere Berathungs-Gegenstände übergegangen werden kan. §: 34. Alle Mitglieder der Ständeversammlung genießen für die Zeit ihres Aufenthaltes auf den Landtagen eine, ohne Rücksicht auf Stand und Rang für alle gleichmäßig zu bestimmende, tägliche Auslösung, deren Betrag in der Folge näher bestimmt werden wird. Auch erhalten dieselben für jede Meile der Entfernung ihres innländischen Wohnorts oder Gutes von dem Orte des Land-Tags eine Vergütung für Reisekosten aus der Landescasse.

d) Entwurf der Verordnung über die Staatsbeamten (StACo Min J 242 fol. 71 – 74’) Entwurf zur landesherrlichen Verordnung über die Verhaltnisse der Civil-Staats-Diener § 1. Niemand kan ein Staatsamt erhalten, ohne vorherige für ihn günstig ausgefallene Prüfung seiner dazu nothwendigen Fähigkeiten. Wer jedoch im Inn- oder Auslande bereits ein Staatsamt bekleidet hat, kann, nach Befinden, auch ohne vorhergegangene weitere Prüfung in den hiesigen Staatsdienst aufgenommen oder darin weiter befördert werden.

712

Textanhang § 2.

Anwartschaften auf Staatsämter finden nicht statt, und früherhin etwa ertheilte werden hiermit für ungültig erklärt. § 3. Kein Staatsdiener hat ein Recht auf die unmittelbar höhere Stelle in dem Collegium oder bey dem Geschäftszweug, wobey er angestellt ist. § 4. Die Besoldungen aller Staatsdiener werden ihnen in der Regel in baarem Gelde gereicht. Sind mit einer Stelle freye Wohnung, die Benutzung von Grundstücken oder Deputate von Naturalien oder andere Nebenemolumente verknüpft, so wird der Betrag hiervon jedoch unter Berücksichtigung der weiter unten desfalls (§ 20 u 21) folgenden Bestimmungen bey der Berrechnung des Gesammtbetrags der Besoldung zu baarem Gelde angeschlagen, und der Betrag dieses Anschlags wird bey der Bestimmung der Pensionen, da wo solche gerreicht werden, zur Norm. § 5. Besoldungen u Pensionen der Staatsdiener können von ihren Gläubigern nur zu Einem Dritheil in Anspruch genommen werden. § 6. Jeder Staatsdiener muß Nebenaufträge, wenn sie seinem Geschäftskreise nicht durchaus fremd sind, ohne besondere Vergütung übernehmen. § 7. Bey Versetzungen wirklicher Staatsdiener wird auf die Nebengeschäfte, welche sie in ihrem bisherigen Wohnorte als Grundeigenthümer oder Unternehmer von Handels- oder Fabrikgeschäften betrieben haben mögen, keine Rücksicht genommen. Handels- oder Fabrikgeschäfte darf überhaupt kein Staatsdiener ohne besondere Erlaubniß Unseres Ministeriums nie unternehmen. § 8. Jeder Staatsdiener kann nach fünfzig Dienstjahren sein Amt niederlegen, u. erhält den Titel und die volle Besoldung seiner bis dahin bekleideten Stelle. § 9. Auch nach vierzigjährigem Dienstalter, oder nach zurückgelegten siebenzigsten Lebensjahre kan jeder sein bis dahin bekleidetes Amt niederlegen u. behält den Titel u neun zehen Theile seiner vollen Besoldung. § 10. Bey einer hinlänglich erwiesenen Dienstesunfähigkeit als Folge physischer Gebrechlichkeit oder Geistesschwäche vermöge Dienstes-Anstrengung oder sonst unverschuldeten Un-

Textanhang

713

glücks, kan jeder Staatsdiener seine Stelle gleichfalls niederlegen, u. behält alsdann, wenn diese Niederlegung in den ersten zehen Jahren nach seinem Eintritt in den Dienst erfolgt, sieben zehen Theile, wenn solche in den zweiten zehen Jahren erfolgt, acht zehen Theile und bey späterem Austritt neun zehen Theile der Besoldung der zuletzt von ihm bekleideten Stelle. § 11. Die Niederlegung des Amtes mit Verzichtsleistung auf Gehalt und Titel wird zu keiner Zeit, Nothfälle ausgenommen, einem Staatsdiener verweigert werden. § 12. Bey jeder Niederlegung des Amts kan die Regierung aus Rücksicht auf den öffentlichen Dienst, den wirklichen Austritt aus dem Amte auf höchstens sechs Monate aufschieben. Auch setzt jede Niederlegung des Amtes voraus, daß der Beamte keine unverschuldeten Geschäftsrückstände habe. In jedem Falle müssen solche Rückstände mit billiger Rücksicht auf die bisherigen Verhältnisse des Austretenden beurtheilt werden. § 13. Jeder Staatsdiener kan vermöge Verfügung der obersten Staatsverwaltung zu jeder Zeit auf immer oder auf einige Zeit in Ruhestand versezt werden, jedoch stets nur mit Beybehaltung des Titels seiner bisher bekleideten Stelle, und mit Beybehaltung von acht zehen Theilen seiner vollen Besoldung in den ersten zehen Jahren nach seinem Eintritt in den Dienst angerechnet, und mit Beybehaltung seines vollen Gehalts wenn seine Versetzung in den Ruhestand nach zehen geleisteten Dienstjahren erfolgt. § 14. Diejenigen untergeordneten Staatsdiener, deren Verrichtungen nur mechanisch sind, oder vielleicht gar nur in koerperlichen Dienstleistungen bestehen, die daher zu ihrem Dienste keine wissenschaftliche Bildung nöthig haben, können stets unbedingt entlassen werden, vorausgesetzt, daß sie mit ausdrücklichem Vorbehalt des Widerrufs angestellt sind, unbedingt angestellte Diener der Art aber haben rücksichtlich der Beybehaltung ihres Titels u. ihrer Besoldung dieselben Berechtigungen, welche den in hohen Stellen rücksichtlich ihrer Versetzung in den Ruhestand (§ 13.) zu kommen. § 15. Was von der Versetzung der Staatsdiener in Ruhestand (§ 13 u. 14) gilt, findet auch dann seine Anwendung, wenn irgendeine von Jemanden bekleidete Dienststelle in Folge neuer Verwaltungsmaasregeln aufgehoben werden sollte. § 16. Jedem Staatsdiener, der in Ruhestand gesetzt ist, oder dessen Dienstesunfähigkeit, vermöge welcher er sein Amt niedergelegt hat, wieder gehoben ist, kan zu jeder Zeit ein seinen frühern Dienstverhaltnissen angemessenes Amt vorläufig oder definitiv übertragen werden, u. er hat bey Verlust der ihm für die Zeit seines Ruhestandes ausgesetzt gewesene Pension die Verbindlichkeit, diese neue Anstellung ohne Weigerung zu übernehmen. Doch erhält er

714

Textanhang

bey neuer Anstellung den ganzen Gehalt seiner frühre bekleideten Stelle unverkürzt, oder, wenn der Gehalt der neuen Stelle größer seyn sollte, diesen. Darum darf dann auch ein solcher Staatsdiener, bey Verlust der Pension u. des Titels, ohne besondere Erlaubniß, weder fremde Dienste annehmen, noch auf andere Weise sich in ein Verhältniß setzen, welches ihm die Erfüllung der vorgenannten Verbindlichkeit zum Wiedereintritt in den Dienst erschwert. Eintritt in fremde Dienste zieht ohne Weiteres den Verlust der bisher bezogenen Pension nach sich. § 17. Jeder Staatsdiener kan aus Gründen der Verwaltung versetzt werden, jedoch ohne Zurücksetzung in der Dienstclasse und in dem Gehalt. Wer ohne sein Nachsuchen versetzt wird, erhält vollständigen Ersatz der ihm durch die Versetzung erwachsenen Umzugskosten. § 18. Die zur Ausübung der streitigen Gerichtsbarkeit angestellten Staatsdiener konnen nur durch gerichtliches Erkenntniß in Ruhestand versetzt, und gegen ihren Willen nicht anders als dergestalt versetzt werden, daß sie in ihrer Dienstesparthie verbleiben. § 19. Bey Berechnung der Dienstjahre kommen die Vorbereitungsjahre des Referendariats, der Auditoren- oder Accessistengeschäfte, ingleichen die der advokatorischen Praxis gewidmete Zeit nicht in Anrechnung; wohl aber die in andern Staaten früher bekleideten Staatämter, und bey dem wieder angestellten Staatsdiener die Zeit, wo solche im Ruhestande u. pensionirt gewesen sind. § 20. Bey der Bestimmung der Größe der Pensionen, so wohl im Falle einer Niederlegung des Amts, als auch im Falle einer Versetzung in den Ruhestand, so wie bey der Bestimmung der Größe des Gehalts bey einer Wiederanstellung oder Versetzung, werden unter den Besoldungen alle besonders bestimmte Summen für Repräsentationskosten, den nöthigen Dienstaufwand für Dienstgehülfen, Pferdeunterhaltung pp. und die Gehalte für Commissionen, besonders diplomatische Sendungen, nicht mitbegriffen. § 21. In den im Vorhergehenden (§ 20) erwähnten Fällen können die jetzo angestellten Staatsdiener, deren Gehalte, ohne in Geld angeschlagen zu seyn, ganz oder zum Theil in Sporteln bestehen und mehr, als die mit ihrer Stelle jetzo oder künftig verbudene etetsmäßige Besoldung betragen, doch nur Pensionen ansprechen, bey deren Bestimmung, rücksichtlich ihrer Größe diese etatsmäßige Besoldung zur verhältnismäßigen Norm dienen. Die einzelnen Dienern verwilligten Tantiemen von Geldern, welche sie oder andere einehmen, bleiben überhaupt bey der Berechnung ihrer Besoldung auf den Fall ihrer Pensionirung immer ausser Ansatz. § 22. Ausserordentliche Dienste bey Staatsdienern, welche wegen Dienstalter oder Dienstesunfähigkeit ihr Amt niederlegen, oder welche in Ruhestand versetzt werden, werden Wir Ausnahmsweise mit Belassung des ganzen Gehalts zu belohnen suchen.

Textanhang

715

§ 23. Dienstentsetzung findet nur durch rechtskräftiges richterliches Erkenntniß, nach vorherigem ausreichendem rechtlichen Gehör des zu Entsetzenden, statt. Doch ist sie zugleich mit der Verurtheilung eines Staatsdieners zur Zuchthaus- oder Festungsgefaengnißstrafe wegen eines von ihm verschuldeten gemeinen Verbrechens verbunden; so wie die Suspension vom Dienste und einstweilige Einziehung des ganzen Gehalts gleichfalls von selbst eintritt, wenn gegen einen Staatsdiener wegen eines von ihm verschuldeten gemeinen Verbrechens auf Specialuntersuchung erkannt wird, ohne daß in einem solchen Falle während des weitern Verfahrens der suspendirte Staatsdiener auf einen Theil seines bisher bezogenen Gehalts zu seinem Unterhalt Anspruch zu machen berechtigt ist. § 24. Bey Anschuldigung oder Verdacht eines Amtsvergehens hat das dem Angeschuldigten oder Verdächtigen vorgesetzte Collegium, mit dem Recht zur einstweiligen Suspension vom Dienste, die vorläufige Untersuchung; und zum Behuf derselben sind auch Unsere Verwaltungscollegien berechtiget, eidliche Zeugenvernehmungen vorzunehmen. Der Erfolg dieser Untersuchung ist Erklärung der Unschuld oder Erkennung einer Disciplinarstrafe, oder wenn entweder eine höhere Strafe zu erkennen, oder Verweisung der Sache an die treffenden Gerichte erforderlich seyn sollte, Stellung vor Gericht, und ist mit dieser letztern Verfügung die Suspension des Angeschuldigten vom Dienste u. Gehalte stets verbunden. § 25. Diciplinarstrafen finden bey Fahrlässigkeit, Ungehorsam, u. Unfleiß und andern Dienstwidrigen oder das Subordinationsverhältniß im Dienste verletzenden Handlungen statt. Sie bestehen in schriftlichen und mündlichen Verweisen, in Geldstrafen welche Unser Ministerium bis auf Dreyhundert Gulden, die übrigen höhern Collegien aber bis auf hundert Gulden erkennen können, und in Suspension vom Dienste u. Gehalte, welche Unser Ministerium auf hoechstens sechs Monate, andere Collegien aber hoechstens auf drey Monate erkennen können. Soll übrigens die Suspension über einen zugleich zu Justiz- u. administrativen Geschäften angestellten Diener verhängt werden, so hat dasjenige höhere Collegium, welches solche verhängen will, vorher mit dem andern bey den Geschaeften des fraglichen Beamten betheiligten Collegium desfalls zu kommuniciren, u. dessen Beytritt zu dieser Maasregel zu veranlassen. Im Falle der Verschiedenheit der Gutachten beyder Collegien hat dasjenige, welches die Suspension erkennen will, Bericht an Unser Ministerium zu erstatten, u. bey diesem die Entscheidung der Sache zu erbitten. § 26. Bey einem solchen Benehmen eines Staatsdieners, welches das bey Ausübung seines Amtes erforderliche Ansehen u. Zutrauen schwächt, oder mit der besonderen bürgerlichen Dienstehre unvermeidlich ist, sind Ermahnungen u. Verweise von der vorgesetzten Behörde, u. nöthigen Falls, wenn diese Ermahnungen u. Verweise ein Mahl fruchtlos gegeben worden seyn sollten auch Suspension vom Dienste anzuwenden. Ein Diener oder der wegen solcher oder anderer von ihm zu Schulden gebrachter Dienstvergehen zweimals von seinem Amte suspendirt worden ist, ist bey Wiederhohlung ähnlicher die Suspension nach sich ziehender Dienstvergehen mit wirklicher Entsetzung vom Dienste zu bestrafen, u. steht in diesem Falle die Dienstentsetzung auf erstatteten Bericht an unser Ministerium diesem ohne weiteres Ver-

716

Textanhang

fahren u. Einleitung des sonst in Dienstentsetzungsfaellen (§ 23) erforderlichen rechtlichen Verfahrens zu. Doch kann in Fällen der Art nach Befinden auch vorerst nach der Stellung des zu entsetzenden Dieners vor Gericht verfügt werden, in welchem Falle jedoch während der Erörterung der Sache die Suspension des in Anspruch genommenen Dieners (§ 24) von selbst eintritt.

23. Verkürzter Entwurf des Grundgesetzes vom 9. Juli 1820 (StACo Min J 242 fol. 51 – 56’) Abgekürzter Entwurf des Grundgesetzes für die Landständische Verfaßung des Herzogthums Coburg-Saalfeld §. 1.) Die zu den Herzogl. S. Coburgischen Landen gehörigen Fürstenthümer Coburg und Saalfeld mit Inbegriff des Amtes Themar bilden von nun an einen Staat unter dem Namen Herzogthum Coburg-Saalfeld, und in diesem besteht eine Gesammtheit von Landständen, welche allen Theilen des Landes, als Einem Ganzen, gemeinschaftlich ist. §. 2.) Diese Gesammtheit von Landständen wird gebildet: 1) aus sechs Abgeordneten, welche die sämmtlichen Rittergutsbesitzer im Lande ohne Unterschied des Standes aus ihrer Mitte wählen, 2) aus drey Abgeordneten der Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck, von welchen jede einzeln von ihren Bürgern zu wählen hat, 3) aus sechs Abgeordneten der übrigen Städte und sämmtlichen Dorfsgemeinden, so daß aus jedem Amt mit Inbegriff der einbezirkten Städte einer der Eingeseßenen gewählt wird. Die Bedingungen des Wahlrechts für die Wähler und die Art der Ausübung deßelben sind in einer besonderen Verordnung enthalten. §. 3.) Die allgemeinen Erforderniße eines Mitglieds der Ständeversammlung sind: Bekenntniß zur christlichen Religion ohne Unterschied der Confeßion, das Staatsbürgerrecht, dreyßigjähriges Alter, Unbescholtenheit des Rufs, indem kein Mitglied der ständischen Versammlung wegen eines gesetzlich mit Gefängnißstrafe bedroheten Verbrechens ohne unbedingt erfolgte Freisprechung in Untersuchung gekommen, oder auch ohne vollständige Befriedigung seiner Gläubiger im Concurs befangen gewesen seyn darf. Endlich 5) kann ein Mitglied der Stände weder unter väterlicher Gewalt noch unter Vormundschaft, noch unter Privat-Dienstherrschaft stehen. Staatsdiener können zu Abgeordneten nur aus der Klaße der Unterbehörden, und auch diese nicht innerhalb des Bezirks ihrer Amtsverwaltung gewählt werden. 1) 2) 3) 4)

Textanhang

717

§. 4.) Nächstdem sollen die von der Klaße der Rittergutsbesitzer zu wählenden Stände Besitzer eines Ritterguts im eigenen Namen seyn, und von mehreren Besitzern eines Ritterguts ist nur derjenige wählbar, der die den sämmtlichen Besitzern dieses Guts zukommende Wahlberechtigung übt. §. 5.) Die Abzuordnenden von den Städten und Dorfsgemeinden sollen entweder den Besitz eines im Lande belegenen schuldenfreyen Vermögens von 5000. fl. rhein. oder ein unabhängiges reines Einkommen von jährlich 400 fl. rhein. nachweisen, oder eidlich versichern können. Beym Zusammentreffen von Grundvermögen und Einkommen werden 80 fl. vom leztern für 1000 fl. vom erstern gerechnet, und bey dieser Berechnung kann zwar das Vermögen der Ehefrau, in deßen gesetzlicher Nutznießung oder Gütergemeinschaft sich der Ehemann befindet, in Ansatz kommen, das etwaige Diensteinkommen des letztern aber bleibt, es sey von welcher Art es wolle, gänzlich davon ausgeschloßen. §. 6.) Bey den Abgeordneten aus den Städten und Dörfern ist außer obigen Erfordernißen noch wesentliche Wohnung im Lande, bey den aus den Rittergutsbesitzern aber, ist diese nicht erforderlich. §. 7.) Jeder Abgeordnete wird nur auf den Zeitraum vom Anfang einer ständischen Versammlung bis zur nächsten, gewählt, und bleibt für diese bey gleichen Eigenschaften von neuem wählbar. Die während dieses Zeitraums erledigten Stellen werden jedesmal erst beym Eintritt einer neuen Ständewahl wieder besetzt. Findet sich der Landesherr veranlaßt, eine ständische Versammlung vor dem Schluße ihrer Geschäfte aufzulösen und somit den Landtag auf ein Jahr zu vertagen; so erlöschen dadurch die bisherigen Wahlen, und tritt vor der Wiedereröfnung eine neue Ständewahl ein. §. 8.) Jedes Ständemitglied ist als Abgeordneter, nicht des einzelnen Wahlbezirks, sondern des ganzen Landes, anzusehen. Es können daher weder Einzelne derselben, noch Mehrere zusammen, etwas in Landes-Angelegenheiten unter sich verhandeln, und so Anträge oder Beschwerden an den Regenten bringen, sondern alles muß von der Gesammtheit der Stände bey deren gesetzmäßiger Versammlung ausgehen, und jedes einzelne Mitglied derselben soll bey seiner Theilnahme an den ständischen Verhandlungen nach seiner eigenen Ueberzeugung stets das Wohl des Ganzen beabsichtigen, weder Instructionen noch Aufträge von Andern annehmen, sein Stimmrecht nicht durch einen Bevollmächtigten, sondern selbst ausüben, und bey der Eröffnung der Landständischen Versammlung folgenden Eid leisten: „Ich schwöre Treue dem Herzog, Gehorsam dem Gesetze, genaue Beobachtung der Verfaßung, und in der Stände-Versammlung das allgemeine Wohl nach bester eigener durch keinen Auftrag geleiteter Ueberzeugung berathen zu wollen.“ §. 9.) Die Stände können sich nur mit denjenigen Gegenständen beschäftigen, welche ihnen zu ihrem Wirkungskreis ausdrücklich angewiesen sind. Dieser Wirkungskreis bezieht sich

718

Textanhang

a) auf die Gesetzgebung b) auf die Finanzverwaltung, insbesondere hinsichtlich der Steuerbewilligung, c) auf gemeinschaftliche Anträge und Beschwerden, und ist im folgenden näher bestimmt. §. 10.) Neue Gesetze, welche die eigentliche Landes-Verfaßung, das heißt, die Bestimmung der gegenseitigen Rechte des Regenten und der Stände betreffen, so wie Abänderungen und Erklärungen der hierunter bestehenden, bedürfen zu irer Gültigkeit die Zustimmung und Einwilligung der Stände. §. 11.) Auch bey allen andern neu zu erlaßenden allgemeinen Landesgesetzen, so wie bey Abänderungen schon bestehender, sollen die Stände vor deren Publication mit ihrem Gutachten vernommen, daßelbe dabey möglichst berücksichtiget, und Gesetze dieser Art vor den vernommenen Gutachten der Stände auch nicht provisorisch vollzogen werden, ausgenommen, wenn sie sich nicht direct auf das Eigenthum und die Freiheit der Personen beziehen, und dringende Verhältniße die provisorische Vollziehung als nothwendig oder räthlich darstellen. §. 12.) Dagegen bleiben von der Concurrenz der Stände ausgenommen, alle Verfügungen, welche die Vorbereitung und Vollziehung allgemeiner Landesgesetze betreffen, ferner specielle Gesetze, welche sich nur auf einzelne Gemeinheiten, Vereine und Personen, oder auf vorübergehende Ereigniße beziehen, dann alle Polizeyverordnungen, und alle Regulative, welche die Landes-Verwaltung und den Staatsdienst angehen. Auch bleiben die Landesherren Rechte hinsichtlich der Privilegien, Dispensationen und Abolitionen durchgängig unbeschränkt. §. 13.) Entwürfe zu Gesetzen, welche der Concurrenz der Stände unterliegen, können übrigens nur von dem Landesherrn an die Stände, nicht von den Ständen an den Landesherrn gebracht werden. Doch ist den Ständen unbenommen, auf neue Gesetze sowohl, als auf Abänderung oder Aufhebung der bestehenden anzutragen. §. 14.) In Ansehung des Finanzwesens steht die Verwaltung der Landeskaße, und der davon getrennt bleibenden Domainenkaße, zwar dem Regenten und den von ihm dazu bestellten Behörden ausschließlich, und ohne Concurrenz der Stände zu, doch soll dieselbe genau nach den dafür aufgestellten Etats erfolgen, welche von einem Landtage zum andern in möglichster Vollständigkeit angefertiget, und den Ständen jedesmal vorgelegt werden. §. 15.) Die Stände sind hiernächst befugt, nicht nur eine vollständige Uebersicht und Nachweisung der Staatsbedürfniße, sondern auch eine gnügende Auskunft über die Verwendung früherer Verwilligungen zu begehren.

Textanhang

719

§. 16.) Zur Landeskaße sollen nicht nur alle und jede Grund- Gewerbs- und Consumtionssteuern, so wie alle noch künftig von den Ständen zur Deckung der Landesbedürfniße verwilliget werdende Abgaben, sondern auch der gesammte Ertrag der Chaußee- und Weggelder aller Art, die Militair-Reluitions-, Abschieds- und Billettengelder, der Betrag der Coburger Stadtwachtkaße, und die von Hintersaßen zu zahlenden Schutzgelder fließen. §. 17.) Dagegen soll die Landeskasse sämmtliche Kosten der Staatsverwaltung, die Unterhaltung der dem Staatsdienst gewidmeten öffentlichen Gebäude, der Vestung, des Militairs, der Aufwand für Justiz-, Polizey- und Armenpflege, dann die Ausgaben für Chaußeen und Wege, und überhaupt für alles, was zur Erhaltung und Förderung des gemeinen Wesens in allen seinen Theilen nöthig ist, und endlich die Verzinsung und der Abtrag der nicht auf der Domainenkaße haftenden Landesschulden bestreiten. §. 18.) Die zur Bestreitung dieser Landesbedürfniße erforderlichen Steuern sollen niemals ohne vorhergängiges Gehör der Stände, und ohne deren ausdrückliche Verwilligung, ausgeschrieben oder erhoben werden, doch dürfen die Stände ihre Verwilligung nicht an Bedingungen knüpfen, welche die Verwendung derselben nicht selbst betreffen. §. 19.) Sollte jedoch in irgend einem Falle keine Vereinbarung zwischen dem Landesherrn und den Ständen über eine neue Steuer zu Stande kommen; so dauert das bisherige Steuergesetz, in sofern die darinnen bestimmten Steuern nicht für einen vorübergehenden und bereits erreichten Zweck bestimmt waren, von selbst für das folgende Jahr, in deßen Laufe eine neue ständische Versammlung mit neuen Wahlen ausgeschrieben werden soll, fort. §. 20.) Der Landesherr ist übrigens in dem Fall, wo die Stände die nothwendige Verwilligung für die Erfüllung neuer, durch Verpflichtung gegen den deutschen Bund begründeter, Verbindlichkeiten verweigern sollten, zur Ausschreibung der dazu erforderlichen Summen, worüber von ihm öffentliche Rechenschaft abgelegt wird, berechtigt. Bis zum nächsten Landtage bewendet es bey den bisher ausgeschriebenen Steuern. §. 21.) Die gesammte Staatsschuld soll durch ein besonderes den Ständen vorzulegendes Gesetz, und durch die Errichtung einer besonderen Staatsschulden-Tilgungsanstalt garantirt, auch eine Vermehrung der Staatsschulden so wenig, als eine deshalbige Verhypothecierung der Domainen ohne Einwilligung der Stände vorgenommen werden. §. 22.) Dagegen wird von Seiten des Regenten hinsichtlich der Domainen, wohin auch das Einkommen aus den Regalien, und überhaupt alle aus der Uebung der Landesherrlichen Gewalt

720

Textanhang

entspringenden Renten, so weit sie §. 16. der Landeskaße nicht ausdrücklich zugewiesen sind, und woraus die Erhaltung des Regentenhaußes der Herzogl. Residenzen und Nebengebäude, des gesammten Hofstaates, so wie der Abtrag und die Verzinnsung der auf dem Domainengute verbleibenden Schulden bestritten werden, keine Beschränkung durch ständische Concurrenz anerkannt, in so fern von Staats- und Regierungshandlungen mit auswärtigen Staaten, von Wiederverleihung heimgefallener Lehen, von dem Verkauf entbehrlicher Gebäude und auswärts gelegener Güter und Einkünfte, von Vergleichen zur Beendigung von Rechtsstreitigkeiten, oder von bloßen Austauschungen, von Ablösung des Lehnverbands, der Grundzinsen und Dienste die Rede ist. Auch bleibt dem Regenten nach Gutbefinden vorbehalten, von den Domainen zum Behufe der Staatsschulden-Tilgung in gesetzlicher Form veräußern zu lassen. §. 23.) Die Stände haben das Recht, dem Regenten alles dasjenige vorzutragen, was sie vermöge eines übereinstimmenden Beschlußes für geeignet halten. um an den Landesherrn als ein gemeinschaftlicher Wunsch, oder als eine gemeinschaftliche Beschwerde gebracht zu werden. Dergleichen Anträge sollen jederzeit eine willige Annahme finden, und nach vorgängiger Erwägung und Befinden, die erforderlichen Verfügungen zur Erfüllung solcher Wünsche, oder zur Abhilfe der Beschwerden, getroffen werden. §. 24.) Beschwerden gegen Staatsdiener können von den Ständen entweder bey dem Landesherrn oder wenn sie von besonderer Erheblichkeit sind, und Unterschleife bey öffentlichen Kaßen, Bestechungen, absichtlich verweigerte oder verzögerte Rechtspflege, Eingriffe in die Verfaßung, oder in die gesetzliche Freyheit, die Ehre und das Eigenthum der Unterthanen betreffen, auf dem Wege förmlicher Klage bey dem Justiz-Collegium, oder wenn sie gegen dieses gerichtet sind, bey dem gemeinschaftlichen Ober-Appellationsgericht in Jena angebracht werden. Ohne vorgängige Verantwortung des Angeschuldigten soll aber in keinem Fall etwas gegen denselben verfügt werden. §. 25.) Einzelne und Corporationen können sich nur dann an die Stände wenden, wenn sie hinsichtlich ihrer individuellen Intereßen sich auf eine unrechtliche oder unbillige Weise für verletzt oder gedrückt halten, und zugleich nachzuweisen vermögen, daß sie die gesetzlichen und verfaßungsmäßigen Wege bey den Landesbehörden zur Abhülfe ihrer Beschwerden vergeblich eingeschlagen haben. Solche Beschwerden können dann die Stände, falls sie nicht von ihnen, nach ertheilter Auskunft von den obersten Landesbehörden, sofort als unbegründet verworfen werden, auf die vorbemerkte Weise an den Regenten bringen. Anträge Einzelner und ganzer Corporationen hinsichtlich allgemeiner politischer Intereßen sind dagegen unzuläßig und straafbar, indem die Prüfung und Wahrung dieser Intereßen lediglich der Ständeversammlung als Gesammtheit zukommt. §. 26.) Ordentliche Landtage sollen alle sechs Jahre, jedesmal mit der ersten Woche im Monat Merz des treffenden Jahres anfangend, gehalten werden. Doch bleibt dem Landesherrn die Verlängerung dieses Zeitraums, so wie die Anordnung ausserordentlicher Landtäge in der

Textanhang

721

Zwischenzeit, unbenommen. Ueber die Einberufung der Stände, die Prüfung ihrer Legitimationen, und die Geschäftsbehandlung auf den Landtägen, enthält die Landtagsordnung die nöthigen Vorschriften. §. 27.) Ständische Versammlungen ohne Landesherrliche Zusammenberufung, oder nach bereits erfolgtem Schluß oder geschehene Vertagung des Landtags, sind unzuläßig und gesezwidrig, auch alle dabey gefaßten Beschlüße nichtig. §. 28.) Für den Inhalt ihrer freyen Abstimmung sind die Stände nicht verantwortlich, wenn sie nicht zugleich Verläumdungen Einzelner enthalten, wegen welcher diesen das Klagrecht nie entzogen werden kann. Für das Entferntbleiben unanständiger Aeußerungen hat der Landschaftsdirector zu sorgen. Uebrigens genießen die Stände während des Landtags eine völlige Unverletzlichkeit der Person, und können während dieser Zeit ohne Einwilligung der Ständeversammlung keiner Art von Arrest unterworfen werden, den Fall einer Ergreifung auf frischer That bey begangenen Verbrechen ausgenommen, wo aber der Ständeversammlung ungesäumt Anzeige des Vorfalls mit Entwickelung der Gründe gemacht werden soll. §. 29.) Die Eröffnung eines Landtags, so wie die Schließung deßelben geschieht von dem Landesherrn, entweder in eigener Person, oder durch einen besonders dazu beauftragten Commißär, und nach dem Schluße wird der, den Ständen bereits vorher mitgetheilite Landtagsabschied bekannt gemacht. §. 30.) An diesem Grundgesetz der ständ. Verfaßung des Herzogthums Coburg-Saalfeld soll, ohne Uebereinstimmung des Regenten und der Stände nach vorheriger Berathung auf einem Landtage, weder etwas aufgehoben, noch hinzugefügt, oder sonst verändert werden, jeder Staatsdiener wird bey seiner Anstellung auf deßen genaue Beachtung verpflichtet, und jeder Landesregent wird deren Aufrechthaltung schriftlich bey Fürstlichen Ehren und Worten versichern.

24. Verfassungsentwurf aus der zweiten Hälfte des Jahres 1820 a) Grundgesetz-Entwurf (StACo Min J 242 fol. 118 – 124) Grundgesetz für die Landständische Verfaßung des Herzogthums Coburg-Saalfeld §. 1.) Für alle in dem Herzogthum Coburg-Saalfeld vereinte Landestheile soll von jetzt an eine Gesammtheit von Landständen bestehen, welche allen Theilen des Landes, als einem Ganzen, gemeinschaftlich ist.

722

Textanhang §. 2.)

Diese Gesammtheit von Landständen wird gebildet: 1) aus sechs Abgeordneten, welche die sämmtlichen Rittergutsbesitzer im Lande ohne Unterschied des Standes aus ihrer Mitte wählen, 2) aus drei Abgeordneten der Stadtobrigkeiten zu Coburg, Saalfeld und Pößneck, von welchen jede einen aus ihrem Mittel, ferner 3) aus drey Abgeordneten der Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck, von welchen jede einzeln von ihren Bürgern zu wählen hat, 4) aus sechs Abgeordneten der übrigen Städte und sämmtlichen Dorfsgemeinden, so daß aus jedem Amt mit Inbegriff der einbezirkten Städte einer der Eingeseßenen gewählt wird. Die Bedingungen des Wahlrechts für die Wähler und die Art der Ausübung deßelben so wie die Eigenschaften der zu Wählenden sind in einer besonderen Verordnung enthalten. §. 3.) Jeder Abgeordnete und Stellvertreter wird nur auf den Zeitraum vom Anfang einer ständischen Versammlung bis zur nächsten, gewählt, und bleibt für diese bey gleichen Eigenschaften von neuem wählbar. Findet sich der Landesherr veranlaßt, eine ständische Versammlung vor dem Schluße ihrer Geschäfte aufzulösen; so erlöschen dadurch die bisherigen Wahlen, und es tritt vor der Wiedereröfnung eine neue Ständewahl ein. §. 4.) Jedes Ständemitglied ist als Abgeordneter, nicht des einzelnen Wahlbezirks, sondern des ganzen Landes, anzusehen. Es können daher weder Einzelne derselben, noch Mehrere zusammen, etwas in Landes-Angelegenheiten unter sich verhandeln, und so Anträge oder Beschwerden an den Regenten bringen, sondern alles muß von der Gesammtheit der Stände bey deren gesetzmäßiger Versammlung ausgehen, und jedes einzelne Mitglied derselben soll bey seiner Theilnahme an den ständischen Verhandlungen nach seiner eigenen Ueberzeugung stets das Wohl des Ganzen beabsichtigen, weder Instructionen noch Aufträge von Andern annehmen, sein Stimmrecht nicht durch einen Bevollmächtigten, sondern selbst ausüben, und bey der Eröffnung der Landständischen Versammlung folgenden Eid leisten: „Ich schwöre Treue dem Herzog, Gehorsam dem Gesetze, genaue Beobachtung der Verfaßung, und in der Stände-Versammlung das allgemeine Wohl nach bester eigener durch keinen Auftrag geleiteter Ueberzeugung berathen zu wollen.“ Die Stellvertreter sind, wenn sie im Laufe einer ständischen Versammlung einberufen werden, vor ihrer Theilnahme an den Berathungen auf gleiche Weise zu verpflichten. §. 5.) Die Stände können sich nur mit denjenigen Gegenständen beschäftigen, welche ihnen zu ihrem Wirkungskreis ausdrücklich angewiesen sind. Dieser Wirkungskreis bezieht sich a) auf die Gesetzgebung, b) auf die Finanz-Verwaltung, insbesondere hinsichtlich der Steuer-Verwilligung, c) auf gemeinschaftliche Anträge und Beschwerden, und ist im folgenden näher bestimmt.

Textanhang

723

§. 6.) Neue Gesetze, welche die eigentliche Landes-Verfaßung, das heißt, die Bestimmung der gegenseitigen Rechte des Regenten und der Stände betreffen, so wie Abänderungen und Erklärungen der hierunter bestehenden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit die Zustimmung und Einwilligung der Stände. §. 7.) Auch bey allen andern neu zu erlaßenden allgemeinen Landesgesetzen, so wie bey Abänderungen schon bestehender, sollen die Stände vor deren Publication mit ihrem Gutachten vernommen, daßelbe dabey möglichst berücksichtiget, und Gesetze dieser Art vor dem vernommenen Gutachten der Stände auch nicht provisorisch vollzogen werden, ausgenommen, wenn sie sich nicht direct auf das Eigenthum und die Freiheit der Personen beziehen, und dringende Verhältniße die provisorische Vollziehung als nothwendig oder räthlich darstellen, wovon jedoch den Landständen durch einen Umlauf von dem Ministerio die Motive angegeben werden sollen. §. 8.) Dagegen bleiben von der Concurrenz der Stände ausgenommen, alle Verfügungen, welche die Vorbereitung und Vollziehung allgemeiner Landesgesetze betreffen, ferner besondere Anordnungen, welche sich nur auf einzelne Güter, Gemeinheiten, Vereine und Personen, oder auf vorübergehende Ereigniße beziehen, dann alle Polizey-Verordnungen, wodurch nicht das Eigenthum und die verfassungsmäßige Freiheit der Staatsbürger in Anspruch genommen wird, so wie alle Regulative, welche die Landes-Verwaltung und den Staatsdienst angehen. Auch bleiben die Landesherrlichen Rechte hinsichtlich der Privilegien, Dispensationen und Abolitionen durchgängig unbeschränkt. §. 9.) Entwürfe zu Gesetzen, welche der Concurrenz der Stände unterliegen, können übrigens nur von dem Landesherrn an die Stände, nicht von den Ständen an den Landesherrn gebracht werden. Doch ist den Ständen unbenommen, auf neue Gesetze sowohl, als auf Abänderung oder Aufhebung der bestehenden anzutragen. §. 10.) In Ansehung des Finanzwesens steht die Verwaltung der Landeskaße zwar dem Regenten und den von ihm dazu bestellten Behörden ausschließlich, und ohne Concurrenz der Stände, zu, doch soll dieselbe genau nach den dafür aufgestellten Etats (Vorausbestimmung der jährlichen Einnahme und Ausgabe) erfolgen, welche von einem Landtage zum andern in möglichster Vollständigkeit angefertiget, und den Ständen jedesmal vorgelegt werden. §. 11.) Die Stände sind hiernächst befugt, nicht nur eine vollständige Uebersicht und Nachweisung der Staatsbedürfniße, sondern auch eine gnügende Auskunft über die Verwendung ihrer Verwilligungen zu begehren. §. 12.) Zur Landeskaße sollen nicht nur alle und jede Grund- Gewerbs- und Consumtionssteuern, so wie alle noch künftig von den Ständen zur Deckung der Landesbedürfniße verwilliget wer-

724

Textanhang

dende Abgaben, sondern auch das Einkommen aus den Regalien und aller aus der Uebung der Landesherrl. Gewalt entspringenden Renten, nicht minder der gesammte Ertrag der Chaußee- und Weggelder aller Art, die Militair-Reluitions-, Abschiedsgelder sowie alle zum Behufe des Militärs und mit Beziehung auf solches von den Unterthanen erfolgende Leistung, und die von Hintersaßen zu zahlenden Schutzgelder fließen. §. 13.) Dagegen soll die Landeskasse dem Landesherrn eine angemeßene Zuschuß zu den Kosten des Hofstaats gewähren, dann sämmtliche Kosten der Staatsverwaltung, die Unterhaltung der dem Staatsdienst gewidmeten öffentlichen Gebäude, der Vestung, des Militairs, der Aufwand für Justiz-, Polizey- und Armenpflege, dann die Ausgaben für Kirchen und Schulen, ingleichen für Chaußeen und Wege, und überhaupt für alles, was zur Erhaltung und Förderung des gemeinen Wesens in allen seinen Theilen nöthig ist, und endlich die Verzinsung und den Abtrag der Landesschulden bestreiten. §. 14.) Die zur Bestreitung dieser Landesbedürfniße erforderlichen Steuern sollen niemals ohne vorhergängiges Gehör der Stände, und ohne deren ausdrückliche Verwilligung, ausgeschrieben oder erhoben werden, doch dürfen die Stände ihre Verwilligung nicht an Bedingungen knüpfen, welche die Verwendung derselben nicht selbst betreffen. §. 15.) Sollte jedoch in irgend einem Falle keine Vereinbarung zwischen dem Landesherrn und den Ständen über eine neue Steuer zu Stande kommen; so dauert das bisherige Steuergesetz, in so fern die darinnen bestimmten Steuern nicht für einen vorübergehenden und bereits erreichten Zweck bestimmt waren, von selbst für das folgende Jahr, in deßen Laufe eine neue ständische Versammlung mit neuen Wahlen ausgeschrieben werden soll, fort. §. 16.) Der Landesherr ist übrigens in dem Fall, wo die Stände die nothwendige Verwilligung für die Erfüllung neuer, durch Verpflichtung gegen den deutschen Bund begründeter, Verbindlichkeiten verweigern sollten, zur Ausschreibung der dazu erforderlichen Summen, worüber von ihm öffentliche Rechenschaft abgelegt wird, berechtigt. Bis zum nächsten Landtage bewendet es bey den bisher ausgeschriebenen Steuern. §. 17.) Die gesammte Staatsschuld soll durch ein besonderes den Ständen vorzulegendes Gesetz, und durch die Errichtung einer besonderen Staatsschulden-Tilgungsanstalt garantirt, auch eine Vermehrung der Staatsschulden ohne Einwilligung der Stände nicht vorgenommen, auch sollen die Officianten der Staatsschuldentilgungs- sowie der Landeskasse, nachdem sie von dem Landesherrn aus den von den Ständen dazu vorgeschlagenen Personen gewählt worden, auf dieses Grundgesetz vor u. durch die Landesregierung in Gegenwarte des Landschaftsdirectors verpflichtet werden.

Textanhang

725

§. 18.) Die Herzoglichen Domainen sollen auf die Administrations-Kosten und auf den übrigen Bedarf für die Erhaltung des Regentenhaußes, so wie der Abtrag und die Verzinßung der auf dem Domainen-Gute verbleibenden Schulden verwendet werden. Die Stände können gegen Veränderungen in der Benutzungs-Art der Domainen und gegen Vertauschungen für beßer gelegene von gleichem Werthe keine Einwendungen machen. Was die Veräußerungen und Verpfändungen der Domanial-Güter betrifft, so wollen S. Herzogl. Durchl. zur Sicherheit und Erhaltung der Domainen für das Herzogl. Hauß auch die Stände zur Berathung und Beurtheilung inwiefern solches dem Herzogl. Domanial-Vermögen nützlich oder schädlich sey, mit zugezogen wißen. §. 19.) Die Stände haben das Recht, dem Regenten alles dasjenige vorzutragen, was sie vermöge eines übereinstimmenden Beschlußes für geeignet halten. um an den Landesherrn als ein gemeinschaftlicher Wunsch, oder als eine gemeinschaftliche Beschwerde gebracht zu werden. Dergleichen Anträge sollen jederzeit eine willige Annahme finden, und nach vorgängiger Erwägung und Befinden, die erforderlichen Verfügungen zur Erfüllung solcher Wünsche, oder zur Abhilfe der Beschwerden, getroffen werden. §. 20.) Beschwerden gegen Staatsdiener sollen von den Ständen jedesmal zuerst bey dem Landesherrn angebracht werden. Wenn sie von besonderer Erheblichkeit sind, und Unterschleife bey öffentlichen Kaßen, Bestechungen, absichtlich verweigerte oder verzögerte Rechtspflege, Eingriffe in die Verfaßung, oder in die gesetzliche Freyheit, die Ehre und das Eigenthum der Unterthanen betreffen, können sie sodann auf dem Wege förmlicher Klage an das JustizCollegium, oder wenn sie gegen dieses gerichtet sind, an das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Jena gelangen. Ohne vorgängige Verantwortung des Angeschuldigten soll aber in keinem Fall etwas gegen denselben verfügt werden. §. 21.) Einzelne und Corporationen können sich nur dann an die Stände wenden, wenn sie hinsichtlich ihrer individuellen Intereßen sich auf eine unrechtliche oder unbillige Weise für verletzt oder gedrückt halten, und zugleich nachzuweisen vermögen, daß sie die gesetzlichen und verfaßungsmäßigen Wege bey den Landesbehörden zur Abhülfe ihrer Beschwerden vergeblich eingeschlagen haben. Solche Beschwerden können dann die Stände, falls sie nicht von ihnen, nach ertheilter Auskunft von den obersten Landesbehörden, sofort als unbegründet verworfen werden, auf die vorbemerkte Weise an den Regenten bringen. Anträge Einzelner und ganzer Corporationen hinsichtlich allgemeiner politischer Intereßen sind dagegen unzuläßig und straafbar, indem die Prüfung und Wahrung dieser Intereßen lediglich der Ständeversammlung als Gesammtheit zukommt. §. 22.) Ordentliche Landtage sollen alle sechs Jahre, jedesmal mit der ersten Woche im Monat Merz des treffenden Jahres anfangend, gehalten werden. Doch bleibt dem Landesherrn die Verlängerung dieses Zeitraums, so wie die Anordnung außerordentlicher Landtäge in der

726

Textanhang

Zwischenzeit, unbenommen. Ueber die Einberufung der Stände, die Prüfung ihrer Legitimationen, und die Geschäftsbehandlung auf den Landtägen, enthält die Landtagsordnung die nöthigen Vorschriften. §. 23.) Ständische Versammlungen ohne Landesherrliche Zusammenberufung, oder nach bereits erfolgtem Schluß oder geschehene Vertagung des Landtags, sind unzuläßig und gesetzwidrig, auch alle dabey gefaßten Beschlüße nichtig. §. 24.) Für den Inhalt ihrer freyen Abstimmung sind die Stände nicht verantwortlich, wenn sie nicht zugleich Verläumdungen Einzelner enthalten, wegen welcher diesen das Klagrecht nie entzogen werden kann. Für das Entferntbleiben unanständiger Aeußerungen hat der Landschaftsdirector zu sorgen. Uebrigens genießen die Stände während des Landtags eine völlige Unverletzlichkeit der Person, und können während dieser Zeit ohne Einwilligung der Ständeversammlung keiner Art von Arrest unterworfen werden, den Fall einer Ergreifung auf frischer That bey begangenen Verbrechen ausgenommen, wo aber der Ständeversammlung ungesäumt Anzeige des Vorfalls mit Angabe der Gründe gemacht werden soll. §. 25.) Die Eröffnung eines Landtags, so wie die Schließung deßelben geschieht von dem Landesherrn, entweder in eigener Person, oder durch einen besonders dazu beauftragten Commißair, und nach dem Schluße wird der, den Ständen bereits vorher mitgetheilite Landtagsabschied bekannt gemacht. §. 26.) An diesem Grundgesetz der ständischen Verfaßung des Herzogthums Coburg-Saalfeld soll, ohne Uebereinstimmung des Regenten und der Stände nach vorheriger Berathung auf einem Landtage, weder etwas aufgehoben, noch hinzugefügt, oder sonst verändert werden, jeder Staatsdiener wird auf deßen genaue Beachtung verpflichtet, und jeder Landesregent wird deren Aufrechthaltung schriftlich bey Fürstlichen Ehren und Worten versichern.

b) Verkürzung der Wahlordnung (StACo Min J 242 fol. 125 – 128) Abgekürzter Entwurf der Wahlordnung §. 1.) Zur Theilnahme an der Ständewahl sind im Allgemeinen nur diejenigen Landes-Angehörigen männlichen Geschlechts und christlicher Religion berechtigt, welche das 25. Lebensjahr erreicht haben und im vollen Genuß des Staatsbürgerrechts sich befinden, auch die Ansäßigkeit im Lande entweder durch den Besitz besteuerter Obiecte, oder durch ein öffentliches Amt erlangt haben, und welche niemals wegen eines Verbrechens, wenigstens nicht ohne

Textanhang

727

nachher erfolgte gänzliche Lossprechung in Untersuchung, oder wegen Schulden nocht ohne völlige Befriedigung ihrer Gläubiger im Concurs befangen waren. §. 2.) An der Wahl der von den sämmtlichen Rittergutsbesitzern im Lande zu wählenden sechs Abgeordneten zur Ständeversammlung u. Stellvertreter soll jeder Besitzer eines im Lande gelegenen Ritterguts, dem keines der allgemeinen Erforderniße abgeht, ohne Rücksicht auf Stand, Dienstverhältniße und Wohnort, Theil nehmen, und mehrere Besitzer eines Ritterguts haben einen von ihnen zur Stimmführung zu bevollmächtigen, welcher zum Abgeordneten oder Stellvertreter allein wählbar ist. Eheweiber, welche ein Rittergut besitzen, können diese Theilnahme nur dann von ihrem Ehemann ausüben laßen, wenn aus der Ehe Kinder vorhanden sind, und dem Ehemann verbleibt diese Theilnahme auch nach dem Tode der Besitzerin so lange, als demselben vermöge der väterlichen Gewalt der Niesbrauch des von der Ehefrau den Kindern hinterlaßenen Gutes zukommt. §. 3.) In den Städten, von welchen Coburg, Saalfeld und Poesneck jedesmal einen Abgeordneten nebst Stellvertreter von der Stadtobrigkeit und einen aus der Bürgerschaft, die übrigen Städte aber in Vereinigung mit den Dorfschaften zusammen sechs Abgeordnete u. eben so viele Stellvertreter so zu wählen haben, daß auf jedes Amt mit Inbegriff der einbezirkten Städte ein Abgeordneter u. Stellvertreter kommt, wird zwar in der Regel zur Wahlberechtigung außer den allgemeinen Bedingnißen (§. 1.) das erlangte Bürgerrecht verbunden mit wesentlicher Wohnung erfordert, es sind jedoch davon die einwohnenden geistlichen und weltlichen Staatsdiener, so wie Advocaten und Aerzte, Gelehrte und Künstler, wenn sie auch das Bürgerrecht entbehren, nicht auszuschließen. §. 4.) In den Dörfern ist auf gleiche Weise zur Theilnahme an den Wahlen das Nachbarrecht und der Besitz eines Hauses nöthig; doch sollen auch hier die Geistlichen und Schullehrer zur Stimmgebung berechtigt seyn. §. 5.) Bey der Theilnahme an der Ständewahl gilt durchgängig die Regel, daß die Wähler die Abzuordnenden aus ihrer Mitte wählen, und daß ein Wähler bey der Wahl der Mitglieder einer ständischen Versammlung nur einmal seine Stimme geben, und hierinnen niemals in doppelter oder mehrfacher Eigenschaft handeln kann. §. 6.) Die allgemeinen Erforderniße eines Mitglieds der Ständeversammlung sind: 1.) Bekenntniß zur christlichen Religion ohne Unterschied der Confeßion, 2.) das Staatsbürgerrecht, 3.) dreyßigjähriges Alter, 4.) Unbescholtenheit des Rufs, indem kein Mitglied der ständischen Versammlung wegen eines gesetzlich mit Criminalstrafe bedroheten Vergehens ohne unbedingt erfolgte Frei-

728

Textanhang sprechung in Untersuchung gekommen, oder auch ohne vollständige Befriedigung seiner Gläubiger im Concurs befangen gewesen seyn darf. Endlich

5.) kann ein Mitglied der Stände weder unter väterlicher Gewalt, noch unter Vormundschaft, noch unter Privatdienstherrschaft stehen. §. 7.) Nächstdem sollen die von der Klaße der Rittergutsbesitzer zu wählenden Stände Besitzer eines Ritterguts im eigenen Namen seyn, und von mehreren Besitzern eines Ritterguts ist nur derjenige wählbar, der die den sämmtlichen Besitzern dieses Guts zukommende Wahlberechtigung übt. §. 8.) Die Abzuordnenden von den Städten und Dorfsgemeinden sollen entweder den Besitz eines im Lande belegenen schuldenfreyen Vermögens von 5000 fl. rhein. oder ein unabhängiges reines Einkommen von jährlich 400 fl. rhein. nachweisen, oder eidlich versichern können. §. 9.) Bey den Abgeordneten aus den Städten und Dörfern ist außer obigen Bedingungen noch wesentliche Wohnung im Lande erforderlich, bey den aus den Rittergutsbesitzern aber, wird diese nur von vier derselben verlangt. Personen, welche in wirklichen Diensten eines anderen Staats stehen, können ohne besondere Bewilligung des Landesherrn nicht zur Wahl gelangen. §. 10.) Die Wahl der Stände-Mitglieder und eines Stellvertreters für jedes derselben geschieht jedesmal vor Eröffnung eines neuen ordentlichen oder außerordentlichen Landtags auf vorgängige Anordnung des Landesherrn. Für die Rittergutsbesitzer u. die Abgeordneten von den drei Stadtobrigkeiten zu Coburg, Saalfeld u. Poesneck wird der Wahltag unmittelbar von der Landesregierung vier Wochen vorher im Regierungsblatt bekannt gemacht, und der zur Leitung des Wahlsgeschäfts bestimmte Commißarius (§. 12.) benannt. Für die übrigen Stände erfolgt diese Bekanntmachung ebenfalls vier Wochen vorher durch öffentliche Anschläge an jedem Orte von den das Wahlgeschäft leitenden Behörden (§. 12.). Die ohne solche Bekanntmachungen eigenmächtiger Weise vorgenommenen Wahlen sind ungültig und straafbar. Die Wahlen werden übrigens da, wo sie an einem Tage nicht beendigt werden können, jedesmal an den nächstfolgenden fortgesetzt, und so ohne Unterbrechung vollendet. §. 11.) In der Regel werden die Wahlversammlungen von den Rittergutsbesitzern in dem Regierungsgebäude zu Coburg, für die Abgeordneten aus den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck auf den dortigen Rathhäusern, und für die von den übrigen Städten und den Dorfsgemeinden zu wählenden Stände in den Localen der treffenden Justizämter gehalten. Die den Wahlakt leitenden Behörden können jedoch nach Befinden auch ein anderes schickliches Locale dazu wählnem, und haben den bestimmten Ort bey der Bekanntmachung des Wahltags jedesmal anzugeben.

Textanhang

729

§. 12.) Die Leitung des Wahlgeschäfts wird sowohl für die Rittergutsbesitzer als für die Stadtobrigkeiten und Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck ein besonderer Regierungs-Commißär ernannt, und die Wahlen der übrigen Stände sollen unter Aufsicht und Leitung des ersten Justizbeamten in ihrem Amtsbezirke geschehen. Die leitenden Behörden erhalten übrigens für diese Arbeit keine Gebühren, sondern nur ihre gehabten Auslagen aus der Landeskaße ersetzt. §. 13.) Vor jeder Wahlhandlung haben die leitenden Behörden such vollständige Verzeichniße der Wahlberechtigten ihres Bezirks zu verschaffen, und diejenigen, welche bey dem Wahlact ohne die dazu erforderlichen Eigenschaften erscheinen, von der Theilnahme daran auszuschließen. Etwaige Beschwerde über eine solche Ausschließung und deshalbige Anträge auf Ehren-Erklärung und Genugthuung können bey dem Justiz-Collegium zur rechtlichen Verhandlung und Entscheidung angebracht werden, doch kann dadurch der Wahlact selbst keine Störung leiden. §. 14.) Bey der Wahlversammlung muß wenigstens ein Drittheil der stimmberechtigten Einwohner des Wahlbezirks anwesend seyn, außerdem wird eine anderweite Versammlung auf einen nahen Tag anberaumt, wo dann die Wahl der Abgeordneten und ihrer Stellvertreter in jedem Fall vor sich geht. §. 15.) Die Wahlberechtigten können bey der Abstimmung nur in eigener Person, nicht durch Bevollmächtigte, handeln, und nicht sich selbst ihre Stimme geben. §. 16.) Den Rittergutsbesitzern ist nachgelaßen, ihre Abstimmung in eigenhändig geschriebenen und mit ihrem vollen Namen unterzeichneten Wahlzetteln abzugeben. Die Anwesenden stimmen in der Ordnung ab, sie sie sich zum Wahltage angemeldet haben, und die Abwesenden haben ihre Abstimmung bis zum Wahltag einzusenden. Die Eröffnung der Wahlzettel geschieht in Gegenwart des erschienenen, und die drey zunächst wohnenden Rittergutsbesitzer werden ausdrücklich dazu eingeladen. Jeder Rittergutsbesitzer hat übrigens seine Abstimmung auf sechs Abgeordnete und eben so viele Stellvertreter zu richten. §. 17.) Die Wahlberechtigten der übrigen Stände haben ihre Abstimmung dem zur Leitung des Wahlgeschäfts Beauftragten mündlich und einzeln zu eröfnen und haben das im folgenden §. bemerkte Handgelöbniß zu leisten. Sie werden in den Städten viertelsweise, und vom Lande nach Dorfschaften vorgenommen. §. 18.) Jeder Wahlberechtigte betheuert vorher durch Handgelöbniß, daß er nach eigener Ueberzeugung für das Beste des Landes seine Stimme abgeben werde, und daß er hierzu weder Anleitung noch sonst etwas erhalten habe, oder annehmen werde. Sollten dennoch Empfehlun-

730

Textanhang

gen oder Werbungen vorkommen; so wird die dadurch bewirkte Wahl ungültig, eine anderweite nöthig, und die Schuldigen verlieren mit Vorbehalt anderer gesetzlicher Strafe ihr Wahlrecht. §. 19.) Bey der Wahl selbst entscheidet die Stimmenmehrheit, und wenn der dadurch erkohrene die Stelle entweder nicht annehmen oder doch derselbe eine Zeitlang nicht versehen könnte; so tritt jedesmal derjenige als Stellvertreter an seiner Statt ein, der nach ihm die meisten Stimmen hatte. Sollten alle Stimmen auf eine Person gefallen seyn, so wird der Stellvertreter besonders gewählt. Bey Stimmengleichheit entscheidet das Loos. §. 20.) Ablehnen kann ein Gewählter die Stelle eines Abgeordneten nur, wenn er Staatsdiener ist, oder wegen ärztlich bescheinigter Krankheit, oder wegen häuslicher Unentbehrlichkeit, die seine obrigkeitliche Behörde zu beglaubigen hat. §. 21.) Ueber die Wahlhandlungen werden von den Commißarien entweder selbst oder durch beizuziehende verpflichtete Secretarien, und bey den Justizämtern durch den zweiten Beamten, oder einen verpflichteten Actuar, ausführliche Protocolle mit genauer Bemerkung jedes Stimmenden und seiner Abstimmung aufgenommen, von den Commißarien und ersten Beamten unterschrieben, und nebst den Acten mit einem die Namen der Gewählten und der Stellvertreter enthaltenden Bericht an die Landesregierung eingesendet. §. 22.) Die Landesregierung prüft dann ohne Zeitverlust die sämmtlichen Wahlen, und sendet die Acten mit ihren gutachtlichen Anträgen berichtlich an das Landes-Ministerium ein. §. 23.) Die hierauf eingehenden Resolutionen werden sowohl den leitenden Behörden als den genehmigten Gewählten u. ihren Stellvertretern bekannt gemacht, und wegen der etwa erforderlichen neuen Wahlen das Nöthige angeordnet. §. 24.) Abweisende Resolutionen werden jedesmal mit Gründen versehen, und dem Nichtgenehmigten steht es frey, sich dagegen an die Ständeversammlung zu wenden, welche darüber nach Stimmenmehrheit zu entscheiden hat, wobey es unbedingt bewendet. Beym Zurückweisen eines Gewählten tritt der Stellvertreter und für diesen aber derjenige ein, der nach ihm die meisten Stimmen hat, und wenn ein solcher nicht vorhanden ist, erfolgt eine neue Wahl.

Textanhang

731

c) Entwurf der Verordnung über die Staatsbeamten (StACo Min J 242 fol. 131 – 136) Verordnung über die Verhältnisse der Civil-Staatsdiener §. 1.) Niemand kann ein Staatsamt erhalten, ohne vorherige für ihn günstig ausgefallene Prüfung seiner dazu nothwendigen Fähigkeiten. Wer jedoch im Inn- oder Auslande bereits ein Staatsamt bekleidet hat, kann, nach Befinden, auch ohne vorhergegangene weitere Prüfung in den hiesigen Staatsdienst aufgenommen oder darin weiter befördert werden. §. 2.) Anwartschaften auf Staatsämter finden nicht statt, und früherhin etwa ertheilte werden hiermit für ungültig erklärt. §. 3.) Die Besoldungen aller Staatsdiener werden ihnen in der Regel in baarem Gelde gereicht. .Sind mit einer Stelle freye Wohnung, die Benutzung von Grundstücken oder Deputate von Naturalien oder andere Nebenemolumente verknüpft, so wird der Betrag hiervon, jedoch unter Berücksichtigung der weiter unten desfalls folgenden Bestimmungen bey der Berechnung des Gesammtbetrags der Besoldung zu baarem Gelde angeschlagen, und der Betrag dieses Anschlags wird bey der Bestimmung der Pensionen, da wo solche gerreicht werden, zur Norm. §. 4.) Besoldungen und Pensionen der Staatsdiener können von ihren Gläubigern nur zu Einem Dritheil in Anspruch genommen werden. §. 5.) Jeder Staatsdiener muß Nebenaufträge, wenn sie seinem Geschäftskreise nicht durchaus fremd sind, ohne besondere Vergütung ausschlieslich der Reisekosten und Diäten übernehmen. §. 6.) Bey Versetzungen wirklicher Staatsdiener wird auf die Nebengeschäfte, welche sie in ihrem bisherigen Wohnorte als Grundeigenthümer oder Unternehmer von Handels- oder Fabrikgeschäften betrieben haben mögen, keine Rücksicht genommen. Handels- oder Fabrikgeschäfte darf überhaupt kein Staatsdiener ohne höchste Erlaubniß unternehmen. §. 7.) Jeder Staatsdiener kann nach fünfzig Dienstjahren sein Amt niederlegen, und behält den Titel und Rang, auch die volle Besoldung seiner bis dahin bekleideten Stelle.

732

Textanhang §. 8.)

Auch nach vierzigjährigem Dienstalter, oder nach zurückgelegten siebenzigsten Lebensjahre kan jeder sein bis dahin bekleidetes Amt niederlegen und behält den Titel und neun zehen Theile seiner vollen Besoldung. §. 9.) Bey einer ganz offenbaren Dienstesunfähigkeit als Folge physischer Gebrechlichkeit oder Geistesschwäche vermöge erwiesener Dienstes-Anstrengung oder sonst unverschuldeter Unglücksfälle kann jeder Staatsdiener seine Stelle gleichfalls niederlegen, und behält alsdann, wenn diese Niederlegung in den ersten zehen Jahren nach seinem Eintritt in den Dienst erfolgt, vier zehen Theile, wenn solche in den zweiten zehen Jahren erfolgt, sechs zehen Theile und bey späterem Austritt acht zehen Theile der Besoldung der zuletzt von ihm bekleideten Stelle nach den demnächst erscheinenden fixirten Gehalts-Etat für alle Staatsdienststellen. §. 10.) Die Niederlegung des Amtes mit Verzichtsleistung auf den damit verbundenen Gehalt wird zu keiner Zeit, besondere Fälle ausgenommen, einem Staatsdiener verweigert werden. §. 11.) Bey jeder Niederlegung des Amts kann die Regierung aus Rücksicht auf den öffentlichen Dienst, den wirklichen Austritt aus dem Amte auf höchstens sechs Monate aufschieben. Auch setzt jede Niederlegung des Amtes voraus, daß der Beamte keine selbstverschuldeten Geschäftsrückstände habe. In jedem Falle müßen solche Rückstände mit billiger Rücksicht auf die bisherigen Verhältniße des Austretenden beurtheilt werden. §. 12.) Jeder Staatsdiener kan vermöge Verfügung der obersten Staatsverwaltung zu jeder Zeit auf immer oder auf einige Zeit in Ruhestand versezt werden, jedoch stets nur mit Beibehaltung des Titels seiner bisher bekleideten Stelle, und mit Beibehaltung von acht zehen Theilen seiner vollen Besoldung in den ersten zehen Jahren von seinem Eintritt in den Dienst angerechnet, und mit Beibehaltung seines vollen Gehalts wenn seine Versetzung in den Ruhestand nach zehen geleisteten Dienstjahren erfolgt. §. 13.) Was von der Versetzung der Staatsdiener in Ruhestand gilt, findet auch dann seine Anwendung, wenn irgendeine von Jemanden bekleidete Dienststelle in Folge neuer Verwaltungsmaasregeln aufgehoben werden sollte. §. 14.) Jedem Staatsdiener, der in Ruhestand gesetzt ist, oder deßen Dienstesunfähigkeit, vermöge welcher er sein Amt niedergelegt hat, wieder gehoben ist, kann zu jeder Zeit ein, seinen frühern Dienstverhältnißen angemeßenes Amt vorläufig oder definitiv übertragen werden, und er hat bey Verlust der ihm für die Zeit seines Ruhestandes ausgesetzt gewesenen Pension die Verbindlichkeit, diese neue Anstellung ohne Weigerung zu übernehmen. Doch erhält er bey

Textanhang

733

neuer Anstellung den ganzen Gehalt seiner frühre bekleideten Stelle unverkürzt, oder, wenn der Gehalt der neuen Stelle größer seyn sollte, diesen. Darum darf dann auch ein solcher Staatsdiener, bey Verlust der Pension und des Titels, ohne besondere Erlaubniß, weder fremde Dienste annehmen, noch auf andere Weise sich in ein Verhältniß setzen, welches ihm die Erfüllung der vorgenannten Verbindlichkeit zum Wiedereintritt in den Dienst erschwert. Eintritt in fremde Dienste zieht ohne Weiteres den Verlust der bisher bezogenen Pension nach sich. §. 15.) Jeder Staatsdiener kann aus Gründen der Verwaltung versetzt werden, jedoch ohne Zurücksetzung in der Dienstclaße und in dem Gehalt. Wer ohne sein Nachsuchen versetzt wird, erhält vollständigen Ersatz der ihm durch die Versetzung erwachsenen Umzugskosten nach einem darüber noch festzusetzenden Maßstab. §. 16.) Die zur Ausübung der streitigen Gerichtsbarkeit angestellten Staatsdiener konnen nur durch gerichtliches Erkenntniß in Ruhestand versetzt, und gegen ihren Willen nicht anders als dergestalt versetzt werden, daß sie in ihrer Dienstesparthie verbleiben. §. 17.) Bey der Bestimmung der Größe der Pensionen, so wohl im Falle einer Niederlegung des Amts, als auch im Falle einer Versetzung in den Ruhestand, so wie bey der Bestimmung der Größe des Gehalts bey einer Wiederanstellung oder Versetzung, werden unter den Besoldungen alle besonders bestimmte Summen für Repräsentationskosten, den nöthigen Dienstaufwand für Dienstgehülfen, Pferdeunterhaltung pp. und die Gehalte für Commißionen, besonders diplomatische Sendungen, nicht mitbegriffen. §. 18.) In den im Vorhergehenden erwähnten Fällen können die angestellten Staatsdiener nur Pensionen auf den Betrag ihrer etatsmäßig fixirten Besoldung ansprechen. Die einzelnen Dienern verwilligten Depositengelder, Zählgebühren, Tantiemen von Geldern, welche sie oder andere einehmen, und andere Accidenzien bleiben bey der Berechnung ihrer Besoldung auf den Fall ihrer Pensionirung immer außer Ansatz. §. 19.) Außerordentliche Dienste bey Staatsdienern, welche wegen Dienstalter oder Dienstesunfähigkeit ihr Amt niederlegen, oder welche in Ruhestand versetzt werden, werden Wir Ausnahmsweise mit Belaßung des ganzen Gehalts zu belohnen suchen. §. 20.) Dienstentsetzung findet nur durch rechtskräftiges richterliches Erkenntniß, nach vorherigem ausreichendem rechtlichen Gehör des zu Entsetzenden, statt. Doch ist sie zugleich mit der Verurtheilung eines Staatsdieners zur Zuchthaus- oder Festungsgefängnißstrafe wegen eines von ihm verschuldeten gemeinen Verbrechens verbunden; so wie die Suspension vom Dienste und einstweilige Einziehung des ganzen Gehalts gleichfalls von selbst eintritt, wenn

734

Textanhang

gegen einen Staatsdiener wegen eines von ihm verschuldeten gemeinen Verbrechens auf Specialuntersuchung erkannt wird, ohne daß in einem solchen Falle während des weitern Verfahrens der suspendirte Staatsdiener auf einen Theil seines bisher bezogenen Gehalts zu seinem Unterhalt Anspruch zu machen berechtiget ist. §. 21.) Bey Anschuldigung oder Verdacht eines Amtsvergehens hat das dem Angeschuldigten oder Verdächtigen vorgesetzte Collegium, mit dem Recht zur einstweiligen Suspension vom Dienste, die vorläufige Untersuchung; und zum Behuf derselben sind auch Unsere Verwaltung-Collegien berechtiget, eidliche Zeugenvernehmungen vorzunehmen. Der Erfolg dieser Untersuchung ist Erklärung der Unschuld oder Erkennung einer Disciplinarstrafe, oder wenn entweder eine höhere Strafe zu erkennen, oder Verweisung der Sache an die treffenden Gerichte erforderlich seyn sollte, Stellung vor Gericht, und ist mit dieser letztern Verfügung die Suspension des Angeschuldigten vom Dienste und Gehalte stets verbunden. §. 22.) Diciplinarstrafen finden bey Fahrläßigkeit, Ungehorsam, und Unfleiß und andern Dienstwidrigen oder das Subordinationsverhältniß im Dienste verletzenden Handlungen statt. Sie bestehen in schriftlichen und mündlichen Verweisen, in Geldstrafen welche Unser Ministerium bis auf drey Hundert Gulden, die übrigen höhern Collegien aber bis auf Hundert Gulden in Antrag bringen können, und in Suspension vom Dienste und Gehalte, welche Unser Ministerium auf höchstens sechs Monate, andere Collegien aber höchstens auf drey Monate erkennen können. Soll übrigens die Suspension über einen zugleich zu Justiz- und administrativen Geschäften angestellten Diener verhängt werden, so hat dasjenige höhere Collegium, welches solche verhängen will, vorher mit dem andern bey den Geschaeften des fraglichen Beamten betheiligten Collegium desfalls zu communiciren, und deßen Beytritt zu dieser Maasregel zu veranlaßen. Im Falle der Verschiedenheit der Gutachten beyder Collegien hat dasjenige, welches die Suspension erkennen will, Bericht an Unser Ministerium zu erstatten, und bey diesem die Entscheidung der Sache zu erbitten. §. 23.) Bey einem solchen Benehmen eines Staatsdieners, welches das bey Ausübung seines Amtes erforderliche Ansehen und Zutrauen schwächt, oder mit der besonderen bürgerlichen Dienstehre unvereinbarlich ist, sind Ermahnungen und Verweise von der vorgesetzten Behörde, und nöthigen Falls, wenn diese Ermahnungen und Verweise einmal fruchtlos gegeben worden seyn sollten, von derselben oder deren Commissarius auch prvisorische Suspension vom Dienste anzuwenden. Ein Diener oder der wegen solcher oder anderer von ihm zu Schulden gebrachter Dienstvergehen zweimals von seinem Amte suspendirt worden ist, ist bey Widerholung ähnlicher die Suspension nach sich ziehender Dienstvergehen mit wirklicher Entsetzung vom Dienste zu bestrafen, und steht in diesem Falle die Dienstentsetzung auf erstatteten Bericht an unser Ministerium diesem ohne weiteres Verfahren und Einleitung des sonst in Dienstentsetzungsfällen erforderlichen rechtlichen Verfahrens zu. Doch kann in Fällen der Art nach Befinden auch vorerst die Stellung des zu entsetzenden Dieners vor Gericht verfügt werden, in welchem Falle jedoch während der Erörterung der Sache die Suspension des in Anspruch genommenen Dieners von selbst eintritt.

Textanhang

735

25. Manifest zur Wahl der Landstände mit Wahlund Landtagsordnung vom 30. Oktober 1820 a) Verfassungsankündigung (StACo LReg. 256 fol. 3 – 4) Wir Ernst, von GOTTes Gnaden Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, souverainer Fürst von Coburg und Saalfeld, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc. etc. Nachdem Wir im Jahre 1815 gemeinschaftlich mit allen deutschen Fürsten den freywilligen Entschluß gefaßt, Unserm Staate eine ständische Verfaßung zu geben: so haben Wir unterm 16. März 1816 Unsern getreuen Unterthanen nicht nur die Zusicherung einer solchen Verfaßung erneuert, sondern auch die Umriße derselben mitgetheilt. In den vorhergegangenen stürmischen Zeiten hätte diesem wichtigen Gegenstande nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden können, ob Wir gleich mit Zufriedenheit daran erinnern dürfen, daß selbst damals von Uns und Unsern Unterthanen Alles eleistet wurde, was unter den obwaltenden Umständen für des Landes Wohlfahrt geschehen konnte. Nach Wiederherstellung und Befestigung des Friedens mußte der innere Zustand der deutschen Staaten, und die Regulirung der den Landständischen Verfaßungen zu Grunde liegenden Verhältniße ein Hauptobject der Sorgfalt der deutschen Regenten werden. Der 13te Artickel der Bundes-Acte hatte im Allgemeinen ausgesprochen, daß in allen deutschen Staaten ständische Verfaßungen bestehen würden. Eine genauere Bestimmung dieses Artickels nach möglichst gleichförmigen Grundsätzen, in so ferne solche mit den früheren Verhältnißen, und der dermaligen Lage der einzelnen Staaten vereinbar waren, schien uns ein wesentliches Bedürfniß zu seyn, und Wir hatten daher in Unserer Verordnung vom Jahr 1816. ausdrücklich bemerkt, daß eine solche nähere Bestimmung erwartet werden müße, damit sie in den einzelnen Staaten zur Richtschnur dienen könne. Dieser wichtige Gegenstand ist endlich, so weit als es mit gleichmäßiger Rücksicht auf das allgemeine Wohl Deutschlands und auf die Unabhängigkeit der einzelnen Staaten geschehen konnte, in den Conferenzen zu Carlsbad und Wien berichtiget worden. Die Schlußacte der leztern bestimmt im 57. und folgenden Artickeln die Grundsätze, nach welchen die ständischen Verfaßungen in Deutschland geduldet seyn sollen, und spricht den wahren Sinn und Charakter dieser Verfaßungen aus. Wir tragen nunmehr auch kein weiteres Bedenken zur wirklichen Ausführung der Ständtischen Verfaßung in Unserm Staate zu schreiten. Wir haben die zu dem Ende nöthigen Vorarbeiten besorgen, den von Unserer Landesregierung verfertigten Entwurf sowohl Unsern Landes-Collegien als einigen der vormaligen Stände zur Begutachtung mittheilen, und die gesammten Resultate dieser Arbeiten Uns zur endlichen Entscheidung vorlegen laßen. Es war Unser alleinige Absicht, Unsern getreuen Unterthanen eine ständische Verfaßung zu ertheilen, welche, ohne der Ausübung Unserer unverletzbaren Landesherrlichen Rechte Eintrag zu thun, den Zeitverhältnißen und der wahren Wohlfarth Unserer Lande angemeßen sey; und Wir glauben, diese Absicht erreicht zu haben.

736

Textanhang

Nur in wenigen Puncten sind die in der Verordnung vom Jahre 1816. aufgestellten Grundlagen abgeändert worden. Unser ganzes Bestreben aber war dahin gerichtet, mit beständiger Rücksicht auf die in der Schlußacte der Wiener Konferenzen aufgestellten Bestimmungen, den Ständen ihren rechtmäßigen Antheil an der allgemeinen Gesetzgebung, und an der Steuer-Verwilligung, so wie die Befugniß den Wünschen oder Beschwerden des Landes zum Organ zu dienen, auf alle Weise zu sichern. Die in Unsern Landen einzuführende Verfaßung begreift, außer dem Grundgesetz selbst noch drey specielle Verordnungen, wovon die eine die Wahlordnung, die andere die Landtagsordnung; die dritte das Verhältniß der Staatsdiener, zum Gegenstande hat. Indem wir jetzt vorerst die Wahl- und Landtagsordnung hinausgeben, gedenken Wir den nach denselben versammelten Ständen das Grundgesetz und die Verordnung über das Verhältniß der Staatsdiener unverweilt vorlegen zu laßen. Wir werden angemeßene Vorstellungen über etwaige erhebliche und gegründete Anstände dabey, die Uns auf den vorgeschriebenen Wege in den ersten Tagen der ständischen Versammlung vorzulegen sind, willig annehmen und nach Befinden berücksichtigen. Wir hoffen und wünschen, daß Unsere getreuen Unterthanen darinn einen neuen Beweis Unserer Liebe gegen sie, und Unsers steten Bemühens an ihrem Glück und ihrer Zufriedenheit zu arbeiten nicht verkennen, sondern mit Dank und Vertrauen erwidern werden. Bey gegenseitigen redlichen Absichten wird die göttliche Vorsehung gewiß auch Uns, Unserm Herzogl. Hause und Unsern sämmtlichen geliebten Unterthanen ihren Seegen angedeihen laßen. Um übrigens das Grundgesetz zur erwünschten Vollziehung zu bringen, und in Gemäßheit deßelben, gedenken Wir den ersten Landtag am ersten Merz künftigen Jahres eintreten zu laßen, Unsere getreuen Stände um Uns zu versammeln; und mit ihnen gemeinschaftlich die für das Beste des Landes erforderlichen Maasregeln, in ernste und gründliche Berathung zu nehmen. Coburg, zur Ehrenburg den 30sten October 1820. Ernst HzSCS von Gruner

b) Landtagsordnung (StACo LReg. 256 fol. 5 – 7’) Wir Ernst, von GOTTes Gnaden Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, souverainer Fürst von Coburg und Saalfeld, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc. etc. haben, um die Ordnung festzusetzen in welcher Unsere getreuen Stände die ihnen obliegenden Geschäfte zu besorgen haben, folgendes anzuordnen beschloßen: §. 1.) Zur Behandlung der den Ständen obliegenden Geschäfte sind die Landtage bestimmt. Auf diesen sind alle ständischen Angelegenheiten in der Regel von der Gesammtheit der Stände zu behandeln. Diejenigen, welche für besondere Commißionen oder den Landschaftsdirector allein gehören, sind unten angegeben.

Textanhang

737

§. 2.) Nach Beendigung der Wahlen erfolgt die Zusammenberufung der Stände von dem Regenten durch ein Rescript an die Landesregierung mit Bestimmung des Orts und der Zeit. Hierauf wird eine allgemeine Bekanntmachung im Regierungsblatt, und an jedes Ständemitglied ein besonderes Einberufungsschreiben erlaßen. §. 3.) Die Abgeordneten haben ihre Anwesenheit einer dazu ernannten Landesherrlichen Commißion zu melden, oder bey derselben ihr Nichterscheinen schriftlich und zeitig zu entschuldigen, um deren Stellvertreter noch einberufen zu können. Wenn nicht wenigstens zwey Drittheile der Abgeordneten anwesend sind, kann weder der Landtag eröfnet, noch sonst eine vorbereitende ständische Verhandlung mit Gültigkeit vorgenommen werden. §. 4.) Die Landesherrliche Commißion versammelt dann zuvörderst an einem dazu bestimmten Tage die Abgeordneten, um die Wahl eines Landschaftsdirectors und eines Secretairs, so wie eines Stellvertreters für den Landschaftsdirector und den Secretair von der Stände-Versammlung bewirken zu laßen. Die Wahl selbst geschiehet durch geheimes Stimmgeben an die Commißion nach der Ordnung des natürlichen Alters der einzelnen Abgeordneten. §. 5.) Zu diesen Stellen ist jedes Mitglied der ständischen Versammlung, welches seine wesentliche Wohnung im Lande hat, wählbar. Um die zu diesen Wahlen nöthige unbedingte Stimmen-Mehrheit zu erlangen, kann zweymal abgestimmt werden, bey wieder vorkommender Stimmen-Gleichheit entscheidet das Loos. §. 6.) Die geschehenen Wahlen werden dem Landesherrn von der Commißion zur Bestätigung vorgetragen. Erfolgt diese nicht durchgängig; so wird wegen der Nichtgenehmigten zu einer anderweiten Wahl geschritten, die ebenfalls vorzutragen ist. §. 7.) Nach eingegangener Landesherrlicher Bestätigung geschieht die Eröffnung der ständischen Versammlung, nachdem vorher der Landschaftsdirector, der Secretair und die Stellvertreter derselben von der Comißion verpflichtet worden sind. In der Stände-Versammlung sitzt der Landschaftsdirector oben an, und neben ihm zur linken Seite der Secretair und die Stellvertreter von beiden, die übrigen Stände aber nach der Ordnung ihres natürlichen Alters. Die Mitglieder des Landes-Ministeriums haben bey der Stände-Versammlung freyen Zutritt außer bey Abstimmungen. §. 8.) Der Landschaftsdirector hat zur Leitung der Geschäfte die Rechte und Obliegenheiten eines Collegial-Präsidenten. Er empfängt die Eingänge; bestimmt, eröffnet und schließt die Sitzungen; leitet die Berathungen, verhütet alle Abschweifungen, und stellt die Gegenstände

738

Textanhang

des Abstimmens in einzelne zur unbedingten Bejahung oder Verneinung geeigneten Fragen auf; er handhabt die Ordnung so wie die Gesetze des Anstands, dultet keine Persönlichkeiten oder beleidigende Aeußerungen, und kann falls ein Mitglied seine Verweisung zur Ordnung unbefolgt läßt, die Sitzung alsbald schließen, und die Gesammtheit der Stände darf dann in der nächsten Sitzung Mißbilligung und im Wiederholungsfall zeitige oder gänzliche Ausschließung aus der Stände-Versammlung erkennen. Der Landschaftsdirector erhält ferner die schriftlichen Anzeigen von dem Grund der Abwesenheit der im Orte sich befindenden Mitglieder, ertheilt den Anwesenden einen Urlaub bis vier Tagen, und bringt die Gesuche um einen längeren oder um gänzlichen Abgang bey der Stände-Versammlung zum Vortrag, von welchen sodann auch höchsten Orts Anzeige zu machen ist. §. 9.) Der Secretair führt die Protocolle in den allgemeinen Sitzungen, entwirft die schriftlichen Ausfertigungen und Beschlüße, und sorgt für Ordnung der Canzley, so wie für Aufbewahrung und Ordnung der Acten. §. 10.) Zu Anfang der Sitzung wird das Protocoll der vorhergehenden, um es mit Einverständniß der Ständeversammlung zu faßen, durch den Secretair vorgelesen, und von dem Präsidenten und dem Secretair unterschrieben. Nach Bekanntmachung des Inhalts der Eingänge seit der letzten Sitzung wird zur Tagesordnung geschritten. §. 11.) Zuerst sind nemlich die von dem Landesherrn den Ständen vorgelegten Anträge und zwar in der Ordnung, wie sie gefaßt und eingegangen sind, in Berathung zu ziehen. Die Mittheilung dieser Anträge geschieht schriftlich, entweder durch das Landes-Ministerium, oder eine besondere Commißion. Zur Beförderung des Gangs der Geschäfte können wichtige Angelegenheiten durch Mitglieder des Landes-Ministeriums oder besondere Commißionen in der Stände-Versammlung noch besonders mündlich erörtert und erläutert werden. §. 12.) Wenn die vorhandenen Landesherrlichen Anträge durch Beschlüße erledigt sind, dann werden diejenigen Gegenstände in der von dem Landschaftsdirector zu bestimmenden Ordnung vorgenommen, welche von den Mitgliedern der Stände-Versammlung in Antrag gebracht worden sind. Es steht nemlich jedem Mitgliede wie dem Landschaftsdirector frey, über irgend einen wichtigen Gegenstand, der nicht in den Landesherrlichen Anträgen enthalten ist, Vortrag thun, nachdem es seine Absicht dem Landschaftsdirector angezeigt, und dieser einen Tag dazu bestimmt hat. Schriftliche oder mündliche Anträge von andern, als Mitgliedern der Stände, sind unzuläßig. Auch sind schriftliche Verhandlungen der Stände mit andern Behörden oder Personen außer dem Landes-Ministerium nicht gestattet. §. 13.) Zur Bearbeitung einzelner Gegenstände kann die Versammlung einige aus ihrer Mitte durch die Wahl nach relativer Mehrheit der Stimmen ernennen. Bey den Verhandlungen einer solchen Commißion führt ein Mitglied das Protocoll, die Beschlüße werden nach absoluter

Textanhang

739

Stimmen-Mehrheit gefaßt, und durch ein von der Commißion selbst gewähltes Mitglied derselben entweder mündlich oder schriftlich in der ständischen Versammlung zum Vortrage gebracht. Bey der Berathung darüber hat jedes Mitglied der Commißion seine Stimme so gut, wie die übrigen Stände. §. 14.) Nur diejenigen, welche einen Antrag machen, oder den Beschluß einer Commißion vorzutragen haben, sind zur Vorlesung schriftlicher Aufsätze berechtigt; den übrigen Mitgliedern ist es zwar freygestellt, ihre Meynungen über die vorgekommenen Berathungspuncte ausführlich zu äußern, sie haben sich aber auf mündliche Vorträge zu beschränken. §. 15.) Findet der Landschaftsdirector die in Berathung gekommenen Gegenstände zur Faßung der nöthigen Beschlüße genugsam vorbereitet; so hat er die ständischen Verhandlungen darüber für geschlossen zu erklären, und einen Tag zur Abstimmung festzusetzen. Die Abstimmung erfolgt dann ohne weitere Erörterung. Jedes Mitglied stimmt auf die vorgelegten Fragen des Landschaftsdirectors (§. 8.) aufgerufen vom Jüngsten an nach der Reihe der Sitze, zulezt der Secretair und der Landschaftsdirector, durch Ja oder Nein. Der Secretair bemerkt das Resultat der Abstimmung der Zahl nach, und der Landschaftsdirector spricht am Ende den Beschluß der Stände aus. §. 16.) Zur Gültigkeit eines solchen Beschlußes ist die absolute Mehrheit der Stimmen bey Anwesenheit von wenigstens zwey Drittheilen der ständischen Gesammtheit nöthig, und zu Abänderungen der ständischen Verfaßung wird die Gleichstimmung von drey Viertheilen derselben erfordert. Tritt statt der absoluten Stimmen-Mehrheit im ersten Fall eine Gleichheit der Stimmen ein; und bleibt dieselbe auch nach nochmaliger Abstimmung; so entscheidet der Antrag der Regierung, bey anderen Gegenständen die Meinung für die bestehende Einrichtung, und bey Beschwerden gegen Einzelne die ihnen günstigere Ansicht. Gegen einen auf die vorgedachte Weise gefaßten Beschluß findet durchaus keine weitere Einwendung statt. §. 17.) Die Beschlüße der Stände-Versammlung werden mit der gehörigen Deutlichkeit und Bestimmtheit abgefaßt unter der Aufschrift: Erklärungsschrift der getreuen Landstände des Herzogthums Coburg-Saalfeld, vom Landschaftsdirector und Secretair unterschrieben, dem Landes-Ministerium übergeben, und von diesem werden die Resolutionen des Regenten den Ständen ebenfalls schriftlich eröfnet. §. 18.) Mündliche Erklärungen der Stände über vorgekommene Berathungspuncte finden eben so wenig, als mündliche Anträge bey dem Regenten statt, auch ist zu Deputationen der Stände an den Landesherrn jedesmal eine vorher dazu eingeholte Erlaubniß nöthig. §. 19.) Bey einem bloß vertagten Landtag geschieht die Wiederzusamenberufung der Stände durch den Landschaftsdirector auf den Grund eines Landesherrlichen Rescripts, und die Geschäfte werden dann in derselben Ordnung wie sonst auf den Landtägen behandelt.

740

Textanhang §. 20.)

Die nicht am Orte der Stände-Versammlung wohnenden Mitglieder derselben erhalten auf Begehren aus der Landeskaße sowohl Vergütung der Reisekosten, als auch eine für alle ganz gleichmäßige tägliche Auslösung für die Zeit ihres Aufenthalts, deren Bestimmung demnächst erfolgen wird. Coburg, zur Ehrenburg den 30. October 1820. Ernst HzSCS von Gruner

c) Wahlordnung (StACo LReg. 256 fol. 8 – 11) Wir Ernst, von GOTTes Gnaden Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, souverainer Fürst von Coburg und Saalfeld, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc. etc. haben, um die Art und Weise zu bestimmen, wie bey der Wahl Unserer getreuen Stände zu verfahren ist, folgendes zu verordnen Uns bewogen gesehen: §. 1.) Zur Theilnahme an der Ständewahl sind im Allgemeinen nur diejenigen Landes-Angehörigen männlichen Geschlechts und christlicher Religion berechtigt, welche das 25. Lebensjahr erreicht haben und im vollen Genuß des Staatsbürgerrechts sich befinden, auch die Ansäßigkeit im Lande entweder durch den Besitz besteuerter Objecte, oder durch die Ausübung besteuerter Gewerbe, oder durch ein öffentliches Amt erlangt haben, und welche niemals wegen eines Verbrechens, wenigstens nicht ohne nachher erfolgte gänzliche Lossprechung in Untersuchung, oder wegen Schulden, wenigstens nicht ohne völlige Befriedigung ihrer Gläubiger, im Concurs befangen waren. §. 2.) An der Wahl der von den sämmtlichen Rittergutsbesitzern im Lande zu wählenden sechs Abgeordneten zur Stände-Versammlung und eben so vielen Stellvertretern soll jeder Besitzer eines im Lande gelegenen Ritterguts, dem keines der allgemeinen Erforderniße abgeht, ohne Rücksicht auf Stand, Dienstverhältniße und Wohnort, Theil nehmen, und mehrere Besitzer eines Ritterguts haben einen von ihnen zur Stimmführung zu bevollmächtigen, welcher zum Abgeordneten oder Stellvertreter allein wählbar ist. Eheweiber, welche ein Rittergut besitzen, können diese Theilnahme nur dann von ihrem Ehemann ausüben laßen, wenn aus der Ehe Kinder vorhanden sind, und dem Ehemann verbleibt diese Theilnahme auch nach dem Tode der Besitzerin so lange, als demselben vermöge der väterlichen Gewalt der Niesbrauch des von der Ehefrau den Kindern hinterlaßenen Gutes zukommt. §. 3.) In den Städten, von welchen jede der beiden Residenzen Coburg und Saalfeld einen Abgeordneten nebst Stellvertreter von der Stadtobrigkeit und einen aus der Bürgerschaft, dann

Textanhang

741

die Stadt Pösneck einen aus der Bürgerschaft, die übrigen Städte aber in Vereinigung mit den Dorfschaften zusammen sechs Abgeordnete und eben so viele Stellvertreter so zu wählen haben, daß auf jedes Amt mit Inbegriff der einbezirkten Städte ein Abgeordneter und Stellvertreter kommt, wird zwar in der Regel zur Wahlberechtigung außer den allgemeinen Bedingnißen (§. 1.) das erlangte Bürgerrecht verbunden mit wesentlicher Wohnung erfordert. §. 4.) In den Dörfern ist auf gleiche Weise zur Theilnahme an den Wahlen das Nachbarrecht und der Besitz eines Haußes nöthig. §. 5.) Bey der Theilnahme an der Ständewahl gilt durchgängig die Regel, daß die Wähler die Abzuordnenden aus ihrer Mitte wählen, und daß ein Wähler bey der Wahl der Mitglieder einer ständischen Versammlung nur einmal seine Stimme geben, und hierinnen niemals in doppelter oder mehrfacher Eigenschaft handeln kann. §. 6.) Die allgemeinen Erforderniße eines Mitglieds der Stände-Versammlung sind: 1.) Bekenntniß zur christlichen Religion ohne Unterschied der Confeßion, 2.) das Staatsbürgerrecht, 3.) dreyßigjähriges Alter, 4.) Unbescholtenheit des Rufs, indem kein Mitglied der ständischen Versammlung wegen eines gesetzlich mit Criminalstrafe bedroheten Vergehens ohne unbedingt erfolgte Freysprechung in Untersuchung gekommen, oder auch ohne vollständige Befriedigung seiner Gläubiger im Concurs befangen gewesen seyn darf. Endlich 5.) kann ein Mitglied der Stände weder unter väterlicher Gewalt, noch unter Vormundschaft, noch unter Privatdienstherrschaft stehen. §. 7.) Nächstdem sollen die von der Klaße der Rittergutsbesitzer zu wählenden Stände, Besitzer eines Ritterguts im eigenen Namen seyn, und von mehreren Besitzern eines Ritterguts ist nur derjenige wählbar, der die den sämmtlichen Besitzern dieses Guts zukommende Wahlberechtigung übt. §. 8.) Die Abzuordnenden von den Städten und Dorfsgemeinden sollen entweder den Besitz eines im Lande belegenen schuldenfreyen Vermögens von 5000 fl. rhein. oder ein unabhängiges reines Einkommen von jährlich 400 fl. rhein. nachweisen, oder eidlich versichern können. §. 9.) Bey den Abgeordneten aus den Städten und Dörfern ist außer obigen Bedingungen noch wesentliche Wohnung im Lande erforderlich, bey den aus den Rittergutsbesitzern aber, wird diese nur von vier derselben verlangt. Personen, welche in wirklichen Diensten eines anderen Staats stehen, können ohne besondere Bewilligung des Landesherrn nicht zur Wahl gelangen.

742

Textanhang §. 10.)

Die Wahl der Ständemitglieder und eines Stellvertreters für jedes derselben geschieht jedesmal vor Eröffnung eines neuen ordentlichen oder außerordentlichen Landtags auf vorgängige Anordnung des Landesherrn. Für die Rittergutsbesitzer und die Abgeordneten von den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck wird der Wahltag unmittelbar von der Landesregierung vier Wochen vorher im Regierungsblatt bekannt gemacht, und der zur Leitung des Wahlgeschäfts bestimmte Commissarius (§. 12.) benannt. Für die übrigen Stände erfolgt diese Bekanntmachung ebenfalls vier Wochen vorher durch öffentliche Anschläge an jedem Orte von den das Wahlgeschäft leitenden Behörden (§. 12.). Die ohne solche Bekanntmachungen eigenmächtiger Weise vorgenommenen Wahlen sind ungültig und strafbar. Die Wahlen werden übrigens da, wo sie an einem Tage nicht beendigt werden können, jedesmal an den nächstfolgenden fortgesetzt, und so ohne Unterbrechung vollendet. §. 11.) In der Regel werden die Wahlversammlungen von den Rittergutsbesitzern in dem Regierungsgebäude zu Coburg, für die Abgeordneten aus den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck auf den dortigen Rathhäusern, und für die von den übrigen Städten und den Dorfsgemeinden zu wählenden Stände in den Localen der treffenden Justizämter gehalten. Die den Wahlakt leitenden Behörden können jedoch nach Befinden auch ein anderes schickliches Locale dazu wählen, und haben den bestimmten Ort bey der Bekanntmachung des Wahltags jedesmal anzugeben. §. 12.) Zur Leitung des Wahlgeschäfts wird sowohl für die Rittergutsbesitzer, als für die Stadtobrigkeiten und die Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck ein besonderer Regierungs-Commißär ernannt, und die Wahlen der übrigen Stände sollen unter Aufsicht und Leitung des ersten Justizbeamten in ihren Amtsbezirken geschehen. Die leitenden Behörden erhalten übrigens für diese Arbeit keine Gebühren, sondern nur ihre gehabten Auslagen aus der Landeskaße ersetzt. §. 13.) Vor jeder Wahlhandlung haben die leitenden Behörden sich vollständige Verzeichniße der Wahlberechtigten ihres Bezirks zu verschaffen, und diejenigen, welche bey dem Wahlact ohne die dazu erforderlichen Eigenschaften erscheinen, von der Theilnahme daran auszuschließen. Etwaige Beschwerde über eine solche Ausschließung und deshalbige Anträge auf Ehren-Erklärung und Genugthuung können bey dem Justiz-Collegium zur rechtlichen Verhandlung und Entscheidung angebracht werden, doch kann dadurch der Wahlact selbst keine Störung leiden. §. 14.) Bey der Wahlversammlung muß wenigstens ein Drittheil der stimmberechtigten Einwohner des Wahlbezirks anwesend seyn, außerdem wird eine anderweite Versammlung auf einen nahen Tag anberaumt, wo dann die Wahl der Abgeordneten und ihrer Stellvertreter in jedem Fall vor sich geht. §. 15.) Die Wahlberechtigten können bey der Abstimmung nur in eigener Person, nicht durch Bevollmächtigte, handeln, und nicht sich selbst ihre Stimme geben.

Textanhang

743

§. 16.) Den Rittergutsbesitzern ist nachgelaßen, ihre Abstimmung in eigenhändig geschriebenen und mit ihrem vollen Namen unterzeichneten Wahlzetteln abzugeben. Die Anwesenden stimmen in der Ordnung ab, wie sie sich zum Wahltage angemeldet haben, und die Abwesenden haben ihre Abstimmung bis zum Wahltag einzusenden. Die Eröffnung der Wahlzettel geschieht in Gegenwart der Erschienenen, und die drey zunächst wohnenden Rittergutsbesitzer werden ausdrücklich dazu eingeladen. Jeder Rittergutsbesitzer hat übrigens seine Abstimmung auf sechs Abgeordnete und eben so viele Stellvertreter zu richten. §. 17.) Die Wahlberechtigten der übrigen Stände haben ihre Abstimmung dem zur Leitung des Wahlgeschäfts Beauftragten mündlich und einzeln zu eröffnen, und dabey das im folgenden §. bemerkte Handgelöbniß zu leisten. Sie werden in den Städten viertelsweise, und vom Lande nach Dorfschaften vorgenommen. §. 18.) Jeder Wahlberechtigte betheuert vorher durch Handgelöbniß, daß er nach eigener Ueberzeugung für das Beste des Landes seine Stimme abgeben werde, und daß er hierzu weder Anleitung noch sonst etwas erhalten habe, oder annehmen werde. Sollten dennoch Empfehlungen oder Werbungen vorkommen; so wird die dadurch bewirkte Wahl ungültig, eine anderweite nöthig, und die Schuldigen verlieren mit Vorbehalt anderer gesetzlicher Strafe ihr Wahlrecht. §. 19.) Bey der Wahl selbst entscheidet die absolute Stimmenmehrheit, und wenn der dadurch Erkohrene die Stelle entweder nicht annehmen oder doch derselben eine Zeitlang nicht vorstehen könnte; so tritt jedesmal derjenige als Stellvertreter an seiner Statt ein, der nach ihm die meisten Stimmen hatte. Sollten alle Stimmen auf eine Person gefallen seyn, so wird der Stellvertreter besonders gewählt. Bey Stimmengleichheit entscheidet das Loos. §. 20.) Ablehnen kann ein Gewählter die Stelle eines Abgeordneten nur, wenn er Staatsdiener ist, oder wegen ärztlich bescheinigter Krankheit, oder wegen häuslicher Unentbehrlichkeit, die seine obrigkeitliche Behörde zu beglaubigen hat. §. 21.) Ueber die Wahlhandlungen werden von den Commißarien entweder selbst oder durch beyzuziehende verpflichtete Secretarien, und bey den Justizämtern durch den zweiten Beamten, oder einen verpflichteten Actuar, ausführliche Protocolle mit genauer Bemerkung jedes Stimmenden und seiner Abstimmung aufgenommen, von den Commißarien und ersten Beamten unterschrieben, und nebst den Acten mit einem die Namen der Gewählten und der Stellvertreter enthaltenden Bericht an die Landesregierung eingesendet. §. 22.) Die Landesregierung prüft dann ohne Zeitverlust die sämmtlichen Wahlen, und sendet die Acten mit ihren gutachtlichen Anträgen berichtlich an das Landes-Ministerium ein.

744

Textanhang §. 23.)

Die hierauf eingehenden Resolutionen werden sowohl den leitenden Behörden als den genehmigten Gewählten und ihren Stellvertretern bekannt gemacht, und wegen der etwa erforderlichen neuen Wahlen das Nöthige angeordnet. §. 24.) Abweisende Resolutionen werden jedesmal mit Gründen versehen, dem Nichtgenehmigten ist es aber noch verstattet, sich an die Stände-Versammlung um Interceßion bey dem Landesherrn zu wenden. Beym Zurückweisen eines Gewählten tritt der Stellvertreter, für diesen aber derjenige ein, der nach ihm die meisten Stimmen hat, und wenn ein solcher nicht vorhanden ist, erfolgt eine neue Wahl. Coburg, zur Ehrenburg den 30. October 1820.

Ernst HzSCS v. Gruner

26. Letzter Grundgesetz-Entwurf der Exekutive vom 14. März 1821 (StACo Min J 242 fol. 182 – 187’) Grundgesetz für die Landständische Verfaßung des Herzogthums Coburg-Saalfeld §. 1.) Für alle in dem Herzogthum Coburg-Saalfeld vereinte Landestheile soll von jetzt an eine Gesammtheit von Landständen bestehen, welche allen Theilen des Landes, als einem Ganzen, gemeinschaftlich ist. §. 2.) Diese Gesammtheit von Landständen wird gebildet: 1) aus sechs Abgeordneten, welche die sämmtlichen Rittergutsbesitzer im Lande aus ihrer Mitte wählen, 2) aus zwey Abgeordneten der Stadtobrigkeiten zu Coburg und Saalfeld, von welchen jede einen aus ihrem Mittel, ferner 3) aus drey Abgeordneten der Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck, von welchen jede einzeln von ihren Bürgern zu wählen hat, 4) aus sechs Abgeordneten der übrigen Städte und sämmtlichen Dorfsgemeinden, so daß aus jedem Amt mit Inbegriff der einbezirkten Städte einer der Eingeseßenen gewählt wird. Die Bedingungen des Wahlrechts für die Wähler und die Art der Ausübung deßelben so wie die Eigenschaften der zu Wählenden sind in einer besonderen Verordnung enthalten. §. 3.) Jeder Abgeordnete und Stellvertreter wird nur auf den Zeitraum vom Anfang einer ständischen Versammlung bis zur nächsten, gewählt, und bleibt für diese bey gleichen Eigenschaften von neuem wählbar. Findet sich der Landesherr veranlaßt, eine ständische Versammlung

Textanhang

745

vor dem Schluße ihrer Geschäfte aufzulösen; so erlöschen dadurch die bisherigen Wahlen, und es tritt vor der Wiedereröffnung eine neue Ständewahl ein. §. 4.) Jedes Ständemitglied ist als Abgeordneter, nicht des einzelnen Wahlbezirks, sondern des ganzen Landes, anzusehen. Es können daher weder Einzelne derselben, noch Mehrere zusammen, etwas in Landes-Angelegenheiten unter sich verhandeln, und so Anträge oder Beschwerden an den Regenten bringen, sondern alles muß von der Gesammtheit der Stände bey deren gesetzmäßiger Versammlung ausgehen, und jedes einzelne Mitglied derselben soll bey seiner Theilnahme an den ständischen Verhandlungen nach seiner eigenen Ueberzeugung stets das Wohl des Ganzen beabsichtigen, weder Instructionen noch Aufträge von Andern annehmen, sein Stimmrecht nicht durch einen Bevollmächtigten, sondern selbst ausüben, und bey der Eröffnung der Landständischen Versammlung folgenden Eid leisten: „Ich schwöre Treue dem Herzog, Gehorsam dem Gesetze, genaue Beobachtung der Verfaßung, und in der Ständeversammlung das allgemeine Wohl nach bester eigener durch keinen Auftrag geleiteter Ueberzeugung berathen zu wollen.“ Die Stellvertreter sind, wenn sie im Laufe einer ständischen Versammlung einberufen werden, vor ihrer Theilnahme an den Berathungen auf gleiche Weise zu verpflichten. §. 5.) Die Stände können sich nur mit denjenigen Gegenständen beschäftigen, welche ihnen zu ihrem Wirkungskreis ausdrücklich angewiesen sind. Dieser Wirkungskreis bezieht sich a) auf die Gesetzgebung, b) auf die Finanz-Verwaltung, insbesondere hinsichtlich der Steuer-Verwilligung, c) auf gemeinschaftliche Anträge und Beschwerden, und ist im folgenden näher bestimmt. §. 6.) Neue Gesetze, welche die eigentliche Landes-Verfaßung, das heißt, die Bestimmung der gegenseitigen Rechte des Regenten und der Stände betreffen, so wie Abänderungen und Erklärungen der hierunter bestehenden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit die Zustimmung der Stände. §. 7.) Auch bey allen andern neu zu erlaßenden allgemeinen Landesgesetzen, so wie bey Abänderungen schon bestehender, sollen die Stände vor deren Publication mit ihrem Gutachten vernommen, daßelbe dabey möglichst berücksichtiget, und Gesetze dieser Art sollen nur in dringenden Fällen provisorisch vollzogen werden, wovon jedoch den Landständen durch einen Umlauf von dem Ministerio die Motive angegeben werden sollen. §. 8.) Dagegen bleiben von der Concurrenz der Stände ausgenommen, alle Verfügungen, welche die Vorbereitung und Vollziehung allgemeiner Landesgesetze betreffen, ferner besondere Anordnungen, welche sich nur auf einzelne Fälle, Gemeinheiten, Vereine und Personen, oder

746

Textanhang

auf vorübergehende Ereigniße beziehen, dann alle Policey-Verordnungen, so wie alle Regulative, welche die Landes-Verwaltung und den Staatsdienst angehen. Auch bleiben die Landesherrlichen Rechte hinsichtlich der Privilegien, Dispensationen und Abolitionen durchgängig unbeschränkt. §. 9.) Entwürfe zu Gesetzen, welche der Concurrenz der Stände unterliegen, können übrigens nur von dem Landesherrn an die Stände, nicht von den Ständen an den Landesherrn gebracht werden. Doch ist den Ständen unbenommen, auf neue Gesetze sowohl, als auf Verbesserung der bestehenden anzutragen und solches zu höchster weitern Entscheidung des Landesherrn anheimzustellen. §. 10.) In Ansehung des Finanzwesens steht die Verwaltung der Landeskaße dem Regenten und den von ihm dazu bestellten Behörden ausschließlich, und ohne Concurrenz der Stände, zu, doch soll dieselbe genau nach den dafür aufgestellten Etats (Vorausbestimmung der jährlichen Einnahme und Ausgabe) erfolgen, welche von einem Landtage zum andern in möglichster Vollständigkeit angefertiget, und den Ständen jedesmal vorgelegt werden. §. 11.) Die Stände sind hiernächst befugt, nicht nur eine vollständige Uebersicht und Nachweisung der Staatsbedürfniße, sondern auch eine gnügende Auskunft über die Verwendung ihrer Verwilligungen im allgemeinen zu begehren. §. 12.) Zur Landeskaße sollen nicht nur alle und jede Grund- Gewerbs- und Consumtionssteuern, so wie alle noch künftig von den Ständen zur Deckung der Landesbedürfniße verwilliget werdende Abgaben, sondern auch das Einkommen aus den Regalien und aller aus der Uebung der Landesherrl. Gewalt entspringenden Renten, nicht minder der gesammte Ertrag der Chaußee- und Weggelder aller Art, die Militair-Reluitions-, Abschiedsgelder sowie alle zum Behuf des Militärs und mit Beziehung auf solches von den Unterthanen erfolgende Leistung, und die von Hintersaßen zu zahlenden Schutzgelder fließen. §. 13.) Dagegen soll die Landeskasse dem Landesherrn in dem gesamten Ertrag der ihr dazu überlassenen Regalien dem gesetzlichen Zuschuß zu den Kosten des Hofstaats gewähren, dann sämmtliche Kosten der Staatsverwaltung, die Unterhaltung der dem Staatsdienst gewidmeten öffentlichen Gebäude, der Vestung, des Militairs, der Aufwand für Justiz-, Polizey- und Armenpflege, dann die Ausgaben für Kirchen und Schulen, ingleichen für Chaußeen und Wege, und überhaupt für alles, was zur Erhaltung und Förderung des gemeinen Wesens in allen seinen Theilen nöthig ist, und endlich die Verzinsung und den Abtrag der Landesschulden bestreiten. §. 14.) Zur Bestreitung dieser Landesbedürfniße sind hauptsächlich die Grundsteuern bestimmt, zu welchen alles und jedes Grundeigenthum im Lande ohne alle Ausnahme beizutragen hat;

Textanhang

747

und welchen selbst die Herzogl. Domainen in vollster Ausdehnung des Begriffes unterliegen sollen. Diese Grundsteuern so wie die übrigen erforderlichen Steuern sollen niemals ohne vorhergängiges Gehör der Stände, und ohne deren ausdrückliche Verwilligung, ausgeschrieben oder erhoben werden, doch dürfen die Stände ihre Verwilligung nicht an Bedingungen knüpfen, welche die Verwendung derselben nicht selbst betreffen. §. 15.) Sollte jedoch in irgend einem Falle keine Vereinbarung zwischen dem Landesherrn und den Ständen über eine neue Steuer zu Stande kommen; so dauert das bisherige Steuergesetz, in so fern die darinnen bestimmten Steuern nicht für einen vorübergehenden und bereits erreichten Zweck bestimmt waren, von selbst für das folgende Jahr, in deßen Laufe eine neue ständische Versammlung mit neuen Wahlen ausgeschrieben werden soll, fort. §. 16.) Der Landesherr ist übrigens in dem Fall, wo die Stände die nothwendige Verwilligung für die Erfüllung neuer, durch Verpflichtung gegen den deutschen Bund begründeter, Verbindlichkeiten verweigern sollten, zur Ausschreibung der dazu erforderlichen Summen, worüber von ihm öffentliche Rechenschaft abgelegt wird, berechtigt. §. 17.) Die gesammte Staatsschuld soll durch ein besonderes den Ständen vorzulegendes Gesetz, und durch die Errichtung einer besonderen Staatsschulden-Tilgungsanstalt garantirt, auch eine Vermehrung der Staatsschulden ohne Einwilligung der Stände nicht vorgenommen, auch sollen die Officianten der Staatsschuldentilgungs- sowie der Landeskaße auf dieses Grundgesetz vor und durch die Landesregierung in Gegenwarte des Landschaftsdirectors verpflichtet werden. §. 18.) Die Herzoglichen Domainen sollen auf die Administrationskosten und auf den übrigen Bedarf für die Erhaltung des Regentenhaußes, so wie der Abtrag und die Verzinßung der auf dem Domainen-Gute verbleibenden Schulden verwendet werden. Die Stände können gegen Veränderungen in der Benutzungsart der Domainen so wie gegen Vertauschungen derselben keine Einwendungen machen. Was die Veräußerungen und Verpfändungen der Domanial-Güter betrift, so wollen Se. Herzogl. Durchlaucht zur Sicherheit und Erhaltung des Domanial-Eigenthums für das Herzogl. Hauß auch die Stände zur Berathung und Beurtheilung, in wiefern solches dem Herzogl. Domanial-Vermögen nützlich oder schädlich sey, mit zugezogen, und somit die Stände als Garants von dem DomanialVermögen angesehen wißen. §. 19.) Die Stände haben das Recht, dem Regenten alles dasjenige vorzutragen, was sie vermöge eines übereinstimmenden Beschlußes für geeignet halten. um an den Landesherrn als ein gemeinschaftlicher Wunsch, oder als eine gemeinschaftliche Beschwerde gebracht zu werden. Dergleichen Anträge sollen jederzeit eine willige Annahme finden, und nach vorgängiger Er-

748

Textanhang

wägung und Befinden, die erforderlichen Verfügungen zur Erfüllung solcher Wünsche, oder zur Abhülfe der Beschwerden, getroffen werden. §. 20.) Beschwerden gegen Staatsdiener sollen von den Ständen jedesmal zuerst bey dem Landesherrn angebracht werden. Wenn sie von besonderer Erheblichkeit sind, und Unterschleife bey öffentlichen Kaßen, Bestechungen, absichtlich verweigerte oder verzögerte Rechtspflege, Eingriffe in die Verfaßung, oder in die gesetzliche Freyheit, die Ehre und das Eigenthum der Unterthanen betreffen, können sie sodann auf dem Wege förmlicher Klage an das JustizCollegium, oder wenn sie gegen dieses gerichtet sind, an das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Jena gelangen. Ohne vorgängige Verantwortung des Angeschuldigten soll aber in keinem Fall etwas gegen denselben verfügt werden. §. 21.) Einzelne und Corporationen können sich nur dann an die Stände wenden, wenn sie hinsichtlich ihrer individuellen Intereßen sich auf eine unrechtliche oder unbillige Weise für verletzt oder gedrückt halten, und zugleich nachzuweisen vermögen, daß sie die gesetzlichen und verfaßungsmäßigen Wege bey den Landesbehörden zur Abhülfe ihrer Beschwerden vergeblich eingeschlagen haben. Solche Beschwerden können dann die Stände, falls sie nicht von ihnen, nach ertheilter Auskunft von den obersten Landesbehörden, sofort als unbegründet verworfen werden, auf die vorbemerkte Weise an den Regenten bringen. Anträge Einzelner und ganzer Corporationen hinsichtlich allgemeiner politischer Intereßen sind dagegen unzuläßig und straafbar, indem die Prüfung und Wahrung dieser Intereßen lediglich der Ständeversammlung als Gesammtheit zukommt. §. 22.) Ordentliche Landtage sollen alle sechs Jahre, jedesmal mit der ersten Woche im Monat Merz des treffenden Jahres anfangend, gehalten werden. Doch bleibt dem Landesherrn die Verlängerung dieses Zeitraums, so wie die Anordnung außerordentlicher Landtäge in der Zwischenzeit, unbenommen. Ueber die Einberufung der Stände, die Prüfung ihrer Legitimationen, und die Geschäftsbehandlung auf den Landtägen, enthält die Landtags-Ordnung die nöthigen Vorschriften. §. 23.) Ständische Versammlungen ohne Landesherrliche Zusammenberufung, oder nach bereits erfolgtem Schluß oder geschehene Vertagung des Landtags, sind unzuläßig und gesetzwidrig, auch alle dabey gefaßten Beschlüße nichtig. §. 24.) Für den Inhalt ihrer freyen Abstimmung sind die Stände nicht verantwortlich, wenn sie nicht von einer dem Wohl des Staats nachtheiligen Tendenz zeugen, oder nicht zugleich Verläumdungen Einzelner enthalten, wegen welcher diesen das Klagrecht nie entzogen werden kann. Für das Entferntbleiben unanständiger Aeußerungen hat der Landschaftsdirector zu sorgen. Uebrigens genießen die Stände während des Landtags eine völlige Unverletztheit der Person, und können während dieser Zeit ohne Einwilligung der Ständeversammlung keiner Art von Arrest unterworfen werden, den Fall einer Ergreifung auf frischer That bey begange-

Textanhang

749

nen Verbrechen ausgenommen, wo aber der Ständeversammlung ungesäumt Anzeige des Vorfalls mit Angabe der Gründe gemacht werden soll. §. 25.) Die Eröffnung eines Landtags, so wie die Schließung deßelben geschieht von dem Landesherrn, entweder in eigener Person, oder durch einen besonders dazu beauftragten Commißair, und nach dem Schluße wird der, den Ständen bereits vorher mitgetheilte Landtagsabschied bekannt gemacht. §. 26.) An diesem Grundgesetz der ständischen Verfaßung des Herzogthums Coburg-Saalfeld soll, ohne Uebereinstimmung des Regenten und der Stände nach vorheriger Berathung auf einem Landtage weder etwas aufgehoben, noch hinzugefügt, oder sonst verändert werden, jeder Staatsdiener wird auf deßen genaue Beachtung verpflichtet, und jeder Landesregent wird deren Aufrechthaltung schriftlich bey Fürstlichen Ehren und Worten versichern.

27. Verfassungsentwurf Roses von April / Mai 1821 a) Erweiterter Grundgesetz-Entwurf Verfassung des Herzogthums Coburg-Saalfeld (zu erschließen aus StACo Landtag 12 / 1 fol. 30 – 58’) Tit. I. Von dem Herzogthum und deßen Regierung im Allgemeinen § 1. Das Herzogthum Coburg-Saalfeld mit Einschluß des Amtes Themar bildet einen Bestandtheil des deutschen Bundes. § 2. Die Beschlüße der Bundes-Versammlung, welche die verfassungsmäßigen Verhältniße Deutschlands oder die Verhältniße deutscher Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, sind ein Theil des Staatsrechts für das Herzogthum und haben, wenn sie in demselben, vom Landesherrn verkündet worden sind, verbindl. Kraft. Hierdurch wird die Mitwirkung der Stände in Ansehung der Mittel zur Erfüllung der Bundesverbindlichkeiten, insoweit diese Mitwürkung verfassungsmäßig begründet ist, nicht ausgeschlossen. § 3. Das Herzogthum bildet in der Gesammt-Vereinigung aller Gebietstheile ein zu einer und derselben Verfassung verbundenes Ganze. § 4. Der Herzog ist das Oberhaupt des Staats, vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter den von ihm gegebenen in dieser Verfassungs-Urkunde festgesetzten Bestimmungen aus. Seine Person ist heilig und unverletzlich.

750

Textanhang § 5.

Die herzogliche Würde ist erblich in der directen leiblichen und gesetzmäßigen Nachkommenschaft des Herzogs nach dem Erstgeburts-Recht in männlicher Linie. Sollte sich der Fall ereignen, daß ein absteigender Linie kein rechtmäßiger Erbe vom männlichen Geschlechte vorhanden wäre, so geht die Erbfolge auf die Seitenlinie des Herzogl. Hauses nach den Erbverträgen des Herzogl. Ernestinischen Hauses jüngster Linie über. Die diesen Grundsätzen gemäßen nähern Bestimmungen, sowie die Bestimmung über die Regentschaft während der Minderjährigkeit oder anderer Verhinderungen des Herzogs werden durch ein Hausgesetz festgesetzt, welches dann einen Bestandtheil der Verfassung bildet. Tit. II. Von den Domainen. § 6. Die Domainen bilden das unveränderliche Familien-Eigenthum des Herzogl. Hauses. Die Einkünfte dieses Familienguts, worüber eine besondere Rechnung geführt wird, sollen jedoch in den Etats aufgeführt und zu den Staatsausgaben verwendet werden. Die zu den Bedürfnißen des Herzoglichen Hauses und Hofs erforderl. Ausgaben sind aber darauf vorzugsweise radizirt und ohne ständische Einwilligung soll von diesem Familiengut nichts veräußert oder verpfändet werden. § 7. Bey künftigen Erwerbungen wird, nach den Rechtstiteln des Erwerbs, festgesetzt werden, ob sie zu diesen Familiengut, oder zu den Privat-Vermögen eines Mitglieds des Herzogl. Hauses gehören. § 8. Das Veräußerungs-Verbot des § 6 bezieht sich nicht auf die Staats- und Regierungsverhandlungen mit auswärtigen Staaten. Auch sind darunter der Verkauf entbehrlicher Gebäude der in anderen Staaten gelegenen Güter und Einkünften, die Vergleiche zur Beendigung von Rechtsstreitigkeiten, die bloßen Austauschungen und die Ablösung des Lehns- und Erbteilgs.-Verbandes, der Grund-Zinßen und der Dienste nicht begriffen. In allen diesen Fällen wird aber den Ständen eine belegte Berechnung über den Erlös und deßen Wiederverwendung zum Grundstock vorgelegt werden. § 9. Dem Herzog steht das Recht zu, heimgefallene Lehen wieder zu verleihen. Tit. III. Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Unterthanen. § 10. Der Genuß aller bürgerl. Rechte sowohl der Privat-Rechte als der öffentlichen steht nur Inländern zu.

Textanhang

751

§ 11. Das Recht eines Inländers (Indigenat) wird erworben: a.) durch die Geburt für denjenigen, dessen Vater oder Mutter zur Zeit seiner Geburt Inländer war, b.) durch Verheirathung einer Ausländerin mit einem Inländer, c.) durch Verleihung eines Staats-Amts, d.) durch besondere Aufnahme. § 12. Staatsbürger sind diejenigen volljährigen Inländer, welche in keinem fremden persönl. Unterthans-Verband stehen und wenigstens 3 Jahre in dem Herzogthum wohnen. § 13. Nichtchristliche Glaubensgenossen können das Staatsbürgerrecht nur durch ausdrückliche Verleihung vom Landesherrn erhalten. § 14. Jede rechtskräftige Verurtheilung zu einer peinlichen Strafe zieht den Verlust des Staatsbürgerrechts nach sich. Außerdem wird es verloren: a.) durch Auswanderung, b.) durch Verheirathung an einen Ausländer. Und die in dem Herzogthum geborene Wittwe eines Ausländers kann nur mit Erlaubnis des Landesherrn dahin zurückgehen. § 15. Die Ausübung des Staatsbürgerrechts wird gehindert: a.) durch Versetzung in den peinlichen Anklagestand oder Verhängung der SpecialInquisition, b.) durch das Entstehen eines gerichtl. Concurs-Verfahrens über das Vermögen bis zur vollständigen Befriedigung der Gläubiger, c.) während der Dauer einer Curatel, d.) für diejenigen, welche für die Bedienung der Person oder der Haushaltung von andern Kost und Lohn erhalten. § 16. Alle Einwohner des Herzogthums Coburg-Saalfeld sind vor dem Gesetze gleich. § 17. Die Geburt gewährt keinem eine Vorzügliche Berechtigung zu irgend einem Staatsamt. § 18. Die Verschiedenheit der in dem Herzogthum anerkannten Geistl. Confeßionen hat keine Verschiedenheit in den politischen und bürgerlichen Rechten zur Folge.

752

Textanhang § 19.

Den anerkannden geistl. Confeßionen ist freye u. öffentliche Ausübung ihres ReligionsCultus gestattet. § 20. Jedem Einwohner des Herzogthums wird der Genuß vollkommener Gewissens-Freiheit zugesichert. Der Vorwand der Gewissensfreiheit darf jedoch nie ein Mittel werden, um sich irgendeinen nach den Gesetzen obliegenden Verbindlichkeiten zu entziehen. § 21. Die Freiheit der Person und des Eigenthums ist keiner anderen Beschränkung unterworfen, als welche Recht und Gesetz bestimmen. § 22. Jedem Einwohner steht das Recht der freien Auswanderung nach den Bestimmungen des Gesetzes zu. § 23. Ganz ungemessene Frohnen können nie statt finden und die gemessenen sind ablösbar. § 24. Das Eigenthum kann für öffentliche Zwecke nur gegen vorgängige Entschädigung nach dem Gesetze in Anspruch genommen werden. § 25. Jeder Staatsbürger, für welchen keine verfassungsmäßige Ausnahme besteht, ist verpflichtet, an der ordentl. Kriegsdienstpflicht Antheil zu nehmen. Bei dem Aufrufe zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit entscheidet unter den gleich Verpflichteten das Loos nach den bestehenden Losungslisten, mit Gestattung der Stellvertretung. § 26. In außerordentlichen Nothfällen ist jeder Einwohner zur Vertheidigung des Vaterlandes verpflichtet und kann für diesen Zweck zu den Waffen gerufen werden. § 27. Niemand soll seinem gesetzl. Richter entzogen werden. § 28. Das materielle der Justiz-Ertheilung und das gerichtliche Verfahren innerhalb der Gränzen seiner gesetzlichen Form und Würksamkeit sind von dem Einflusse der Regierung unabhängig.

Textanhang

753

§ 29. Kein Einwohner des Herzogthums darf anders, als in den durch das Recht und die Gesetze bestimmten Fällen und Formen verhaftet oder bestraft werden. Keiner darf länger als 48 Stunden über den Grund seiner Verhaftung in Ungewißheit gelaßen werden, und dem ordentlichen Richter soll, wenn die Verhaftung von einer andern Behörde geschehen ist, in möglichst kurzer Frist von dieser Verhaftung die erforderl. Nachricht gegeben werden. § 30. Die Richter können nur durch gerichtliches Erkenntnis entsetzt, sie können auch nicht wider ihren Willen entlassen und nur dergestalt versetzt werden, daß sie in derselben Dienstcathegorie verbleiben und weder im Gehalte noch in dem Dienstgrade zurückgesetzt werden. § 31. Die Preße und der Buchhandel sind in dem Herzogthum frei, jedoch unter Befolgung der gegen den Mißbrauch bestehenden oder künftig folgenden Gesetze. § 32. Jedem steht die Wahl seines Berufs und Gewerbs nach eigener Neigung frey. Unter Beobachtung der hinsichtlich der Vorbereitung zum Staatsdienste bestehenden Gesetze, ist es jeden überlassen, sich zu seiner Bestimmung im Inlande oder Auslande auszubilden.

Tit. IV. Von den Kirchen, den Unterrichts- und Wohlthätigkeits-Anstalten. § 33. Die innere Kirchenverfassung genießt auch den Schutz der politischen. § 34. Verordnungen der Kirchengewalt können nur vom Herzog ausgehen, daher nur mit seiner Genehmigung verkündet und vollzogen werden. § 35. Die Geistlichen sind in ihren bürgerlichen Verhältnissen und bei strafbaren Handlungen, welche nicht blose Dienstvergehen sind, der weltlichen Obrigkeit unterworfen. § 36. Die Beschwerden über Mißbrauch können jederzeit bei der geordneten, obern Landesstelle angebracht werden. § 37. Das Kirchengut, das Vermögen der vom Staate anerkannten Stiftungen, genießt des besondern Schutzes des Staats, und kann unter keiner Bedingung dem Finanz-Vermögen einverleibt werden.

754

Textanhang § 38.

Die Fonds der milden Stiftungen zur Beförderung der Gottes-Verehrung, des Unterrichts und der Wohlthätigkeit können nur mit ständischer Einwilligung zu einem fremdartigen Zweck verwendet werden. Tit. V. Von den Gemeinden. § 39. Die Angelegenheiten der Gemeinden sollen durch ein Gesetz geordnet werden welches als Grundlage die eigene selbstständige Verwaltung des Vermögens durch Personen die von der Gemeinde gewählt sind, unter der Oberaufsicht des Staats aussprechen wird. § 40. Die Grundbestimmungen dieses Gesetzes werden einen Bestandtheil der Verfaßung bilden. § 41. Das Vermögen der Gemeinden kann unter keiner Voraussetzung dem Finanz-Vermögen einverleibt werden. Tit. VI. Von den Landständen. § 42. Für alle in dem Herzogthum Coburg-Saalfeld vereinte Landestheile soll von jetzt an eine Gesammtheit von Landständen bestehen, welche allen Theilen des Landes als einem Ganzen gemeinschaftlich ist. § 43. Diese Gesammtheit von Landständen wird gebildet: 1.) aus sechs Abgeordneten welche die sämtlichen Rittergutsbesitzer im Lande aus ihrer Mitte in der Art wählen, daß drey aus dem Fürstenthum Coburg, 2 aus dem Fürstenthum Saalfeld und einer aus dem Amt Themar gewählt wird. 2.) aus drey Abgeordneten der Stadtobrigkeiten Coburg, Saalfeld und Pößneck, von welchen jede einen aus ihrem Mittel wählt, 3.) aus sechs Abgeordneten der Städte Coburg, Saalfeld, Pößneck, Rodach, Neustadt, Themar, Gräfenthal und Lehesten, von welchen Städten jede einen von ihren Bürgern zu wählen hat, 4.) aus sechs Abgeordneten der Dorfs-Gemeinden so daß aus jedem Amt einer der Eingeseßenen gewählt wird. Die Zahl der Deputirten aus den Dorfsgemeinden erscheint darum geringer, weil sie gleiches Intereße mit den Landstädten haben. Die Bedingungen des Wahlrechts für die Wähler und die Art der Ausübung derselben, sind in einer besonderen Verordnung enthalten.

Textanhang

755

§ 44. Jeder Abgeordnete wird nur auf den Zeitraum vom Anfang einer ständischen Versammlung bis zur nächsten gewählt, und bleibt bei gleichen Eigenschaften von neuem wählbar. Findet sich der Landesherr veranlaßt, eine ständische Versammlung vor dem Schluß ihrer Geschäfte aufzulösen; so erlöschen dadurch die bisherigen Wahlen, und es tritt vor der Wiedereröffnung eine neue Ständewahl ein. Der Landtag kann jedoch nicht willkührlich, sondern nur aus Gründen aufgelöst werden, die öffentlich bekannt zu machen sind, und es folgt dann binnen 3 Monaten die Zusammenberufung der neuen Ständeversammlung. Sollte diese Zusammenberufung binnen 3 Monaten nicht erfolgen, so ist die vorige von selbst wieder hergestellt. § 45. Jedes Ständemitglied ist als Abgeordneter nicht des einzelnen Wahlbezirks sondern des Ganzen Landes anzusehen. Es können daher weder Einzelne derselben, noch mehrere zusammen etwas in Landesangelegenheiten unter sich verhandeln, und so Anträge oder Beschwerden an den Regenten bringen, sondern alles muß von der Gesammtheit der Stände bey deren gesetzmäßiger Versammlung ausgehen, und jedes einzelne Mitglied derselben soll bey seiner Theilnahme an den ständischen Verhandlungen nach seiner eigenen Ueberzeugung stets das Wohl des Ganzen beabsichtigen, weder Instructionen noch Aufträge für seine Abstimmung von andern ebensowenig annehmen, als sein Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausüben, wobey ihm jedoch unbenommen bleibt, Beschwerden einzelner Staatsbürger oder ganzer Gemeinden über Verletzung constitutioneller Rechte in der Ständeversammlung vorzutragen. Vor Eröffnung der Landständischen Versammlung hat jeder Deputirte folgenden Eid zu leisten: „Ich schwöre Treue dem Herzog u. dem Vaterlande, Gehorsam dem Verfassungsmäßigen Gesetz und der vom Lande genehmigten Verfaßung, und daß ich in der Stände-Versammlung das allgemeine Wohl nach bester eigener, durch keinen fremden Einfluß geleiteter Ueberzeugung berathen will.“ Die Stellvertreter sind, wenn sie im Laufe einer ständischen Versammlung einberufen werden, vor ihrer Theilnahme an den Berathungen auf gleiche Weise zu verpflichten. § 46. Die Stände sind befugt, sich mit denjenigen Gegenständen zu beschäftigen, welche nachfolgende Artickel zu ihrem Würkungskreis anweisen, und welcher sich hauptsächlich a.) auf die Gesetzgebung, b.) auf die Finanz-Verwaltung, insbesondere hinsichtlich der Steuerverwilligung, c.) auf geeignete Anträge und Beschwerden, d.) auf den Beirath und die Zustimmung bey Verträgen u. Dispositionen, wodurch die Integrität des Landes verletzt, das Einkommen geschmälert, oder die Regierungs-Verfassung verändert wird, bezieht. § 47. Neue Gesetze, welche die eigentliche Landes-Verfaßung, das heißt, die Bestimmung der gegenseitigen Rechte des Regenten und der Stände betreffen, sowie die Abänderungen und

756

Textanhang

Erklärungen der hierunter bestehenden können als vertragsmäßige Bestimmungen ohnehin nicht einseitig erfolgen, und bedürfen zu ihrer Gültigkeit die Zustimmung der Stände. § 48. Ohne Zustimmung der Stände kann kein Gesetz, welches die persönliche Freiheit und das Eigenthum betrifft, auch in Bezug auf das Landes-Polizeywesen gegeben, abgeändert oder aufgehoben werden. Wenn bei bestehenden Gesetzen die doctrinelle Auslegung nicht hinreicht, so tritt nicht authentische Auslegung, sondern die Nothwendigkeit der Bestimmung durch einen Act der Gesetzgebung ein. Wenn die Versammlung gegen einen Gesetzvorschlag stimmt, so bleibt er ausgesetzt, kann jedoch bey dem nächsten Landtag wieder vorgelegt werden. Dagegen können einzelne Verfügungen in dringenden Fällen zwar ohne Zustimmung der Stände provisorisch getroffen werden, jedoch gelten diese Verfügungen nur für den besonderen dringenden Fall u. können nicht zur Consequenz als Gesetz angezogen werden. § 49. Der Landesherr ist befugt, ohne ständische Mitwürkung die zur Vollstreckung und Handhabung der Gesetze erforderlichen, sowie die aus dem Aufsichts- und Verwaltungs-Recht fließenden Verordnungen und Anstalten zu treffen und in dringenden Fällen das Nöthige zur Sicherheit des Staats vorzukehren. Auch bleiben die Landesherrlichen Privilegien, Dispensationen und Abolitionen unbeschränkt, jedoch dürfen die Privilegien nicht mit dem Wohl des Staats und mit wohlerworbenen Rechten, die Dispensationen im Widerspruch stehen, ebensowenig, als Dispensationen und Abolitionen im Widerspruch mit dem Landes-Gesetze, und mit der Sittlichkeit. § 50. Gesetzes-Entwürfe können nur von dem Landesherrn an die Stände, nicht von den Ständen an den Landesherrn gebracht werden. Die Stände können aber auf neue Gesetze sowie auf Abänderung oder Aufhebung der bestehenden antragen. § 51. Die Verwaltung der Landeskaße steht unter der Oberaufsicht des Regenten den Ständen zu und es ist nicht nur die Prüfung der jährl. Etats, sondern auch der Jahres-Rechnungen, unvermuthete Cassenstürze und Visitationen Sache der Stände, denen der Landes-Kassierer mitzuverpflichten ist. Die Bestellung des Landes-Cassierers geschieht von dem Landesherr, auf dem Vorschlag der Stände. Die Zahlungs-Anweisung an die Landes-Kaße, zu Ausgaben, die nicht ständig sind, ertheilt die aus dem Landschafts-Director, und einem Mitglied der Herzogl. LandesRegierung bestehende Landes-Caßen-Curatel. Die Verwaltung der Casse geschieht streng nach den dafür aufgestellten Etats, welche von dem Landes-Cassirer entworfen, von der Caße-Curatel geprüft, von der Stände-Versammlung genehmiget, u. auf deren Vorlage die Landesherrl. Bestätigung erhalten haben, und immer von einem Landtag zum andern gelten. § 52. Die Stände sind befugt, nicht nur eine vollständige Uebersicht und Nachweisung der Staatsbedürfniße, sondern auch eine gnügende Auskunft über die Verwendung ihrer Verwilli-

Textanhang

757

gung zu begehren. Es müßen daher die Rechnungen von jedem Jahr und zwar jedesmal innerhalb 5 Monaten nach Ablauf des Jahres dem Landständischen Ausschuß vorgelegt werden. § 53. Zur Landes-Kaße sollen nicht nur alle und jede dermalen bestehende directe und indirecte Steuern, sondern auch alle noch künftig von den Ständen zur Deckung der Landesbedürfniße verwilliget werdende Abgaben, sowie das Einkommen aus den Regalien und alle aus der Uebung der Landesherrl. Gewalt entspringenden Gefälle, nicht minder der gesammte Ertrag der Chaußee- und Weggelder aller Art, sowie die Militair-Reluitionsgelder, alle zum Behuf des Militairs u. in Beziehung auf solches von den Unterthanen erfolgende Leistungen und die von Hintersaßen zu zahlenden Schutzgelder, fließen. § 54. Dagegen soll die Landes-Kaße die sämmtl. Kosten der Staats-Verwaltung, die Unterhaltung der dem Staatsdienst gewidmeten öffentlichen Gebäude, des Militairs, der Aufwand für Landes-Collegien, für Chaußeen und Wege und überhaupt für alles, was zu Erhaltung und Förderung des gemeinen Wesens durch allgemeine Landes-Anstalten erforderlich ist, sowie die Verzinsung und den Abtrag der Landes-Schulden bestreiten. Die Ueberschüße sind zunächst zu den Schuldentilgungsfond zu verwenden, und inwiefern die nach § 60 zunächst auf die Domainen radizirten Bedürfniße des Herzogl. Hauses und Hofes nicht aus den Domanial-Einkünften so vollständig als die Würde des Landesherrn erfordert, bestritten werden können, treten Zuschüsse zu den Kosten des Hofstaats aus der Landes-Kaße ein. § 55. Zur Bestreitung der Landesbedürfniße sind subsidiarische Steuern bestimmt, zu welchen alles und jedes Grundeigenthum im Lande, mit Ausnahme der Domainen, übrigens nach Verhältnismäßiger Gleichheit beizutragen haben. Diese Grundsteuern, sowie die übrigen erforderlichen directen und indirecten Steuern sollen niemals ohne vorhergegangenes Gehör der Stände und ohne deren ausdrückliche Verwilligung ausgeschrieben oder erhoben werden. Doch dürfen die Stände ihre Verwilligungen nicht an Bedingungen knüpfen, welche den Zweck u. die Verwendung derselben nicht selbst betreffen. § 56. Die Auflagen, insofern sie nicht blos für einen vorübergehenden, oder bereits erreichten Zweck bestimmt waren, dürfen nach Ablauf der Verwilligungs-Zeit noch sechs Monate fort erhoben werden, wenn die Stände-Versammlung aufgelößt wird, ehe ein neues Finanzgesetz zu Stande kommt, oder wenn die ständischen Berathungen sich verzögern. Diese 6 Monate werden jedoch in die neue Finanzperiode eingerechnet. § 57. Der Landesherr ist übrigens dann, wenn die Stände in dem dringenden Fall der Noth die heilige Verpflichtung der Unterthanen Gut und Blut um Fürst und Vaterland zu opfern, verkennen u. die nothwendige Verwilligung für die Erfüllung neuer durch Verpflichtung gegen

758

Textanhang

den deutschen Bund gegründeter, Verbindlichkeiten verweigern sollten, zur Ausschreibung der dazu erforderlichen durch Ersparnisse nicht aufzubringenden Summe, berechtigt, und es wird über deren Verwendung öffentlich Rechenschaft abgelegt; auch steht dem Landesherrn die ausschließende Verfügung über das Militair, die Formation deßelben, die Disciplinar-Verwaltung und das Recht, alle den Kriegsdienst betreffende Verordnung zu erlassen, ohne ständische Mitwürkung zu. Dagegen gehört das Conscriptions-Reglement wegen seines nahen Bezugs auf die Freiheit u. das Vermögen des Staatsbürgers in die Cathegorie der mit ständischer Beratung u. Zustimmung zu erlassenden allgemeinen Landesgesetzen. Aushebungen zur Vermehrung der Truppen können auch nur durch ein solches Gesetz bestimmt werden; unbeschadet jedoch des Landesherrl. Rechts, in dringenden Fälen die zur Sicherheit und Erhaltung des Staats nothwendigen Vorkehrungen zu treffen. § 58. Die gesammte Staatsschuld soll durch ein besonderes Gesetz und durch die Errichtung einer besonderen Staatsschuldentilgungs-Anstalt garantirt, auch eine Vermehrung der Staatsschulden ohne Einwilligung der Stände nicht vorgenommen werden. Die Officianten der Staatsschulden-Tilgungs- sowie der Landes-Kaße, den die Garanti übernehmenden Ständen mit verpflichtet werden. § 59. Die Domainen sollen für die Erhaltung des Regentenhauses und auf die AdministrationsKosten und den übrigen Bedarf, so wie auf den Abtrag und Verzinsung der auf dem Domainen-Gute verbleibenden Schulden verwendet werden. Ueber die Modalität zweckmäsiger Benutzung werden die Stände sich keine Einsprache erlauben, wohl aber gegen zweckwidrige die Etats störende Behandlung. Zur Sicherheit und Erhaltung des Domanial-Vermögens wird der Landesherr die Stände zur Berathung und Beurtheilung, in Ansehung einer nützlichen oder schädlichen Behandlung oder Verwendung dieses Vermögens zugezogen und die Stände als als Garants von dem Domanial-Vermögen angesehen wissen, es dürfen daher die Stände, in solcher Eigenschaft der Garants, keine zwekwidrige Behandlung, Verminderung oder Veräuserung des DomanialVermögens gestatten. § 60. Die Stände haben das Recht, dem Regenten alles dasjenige vorzutragen, was sie vermöge eines von der absoluten Mehrheit der wenigstens zu 2 / 3 versammelten Abgeordneten des Landes bey der Stände-Versammlung gefaßten Beschlusses für geeignet halten, um an den Landesherrn als Bitte oder Beschwerde gebracht zu werden. Dergleichen Anträge sollen jederzeit eine willige Aufnahme finden und nach vorgängiger Erwägung die erforderlichen Verfügungen zur Erfüllung solcher Bitten oder zur Abhülfe der Beschwerden getroffen werden. § 61. Insbesondere haben auch die Stände das Recht, auf die in dem § 60 diejenigen Beschwerden an den Landesherrn zu bringen, welche sie sich gegen das Benehmen der Staatsdiener aufzustellen bewogen finden können. Solche Beschwerden sollen nemlich jedesmal zuerst bey dem Landesherrn angebracht werden, und nur dann auf dem Wege förmlicher Klage an das Justiz-Collegium oder wenn sie gegen deßen Mitglieder gerichtet sind, an das gemein-

Textanhang

759

schaftliche Oberappellations-Gericht in Jena gelangen können, wenn sie von besonderer Erheblichkeit sind, und Unterschleife bey öffentlichen Kaßen, Bestechungen, absichtlich verweigerte oder verzögerte Rechtspflege, Eingriffe in die Verfaßung, oder in die gesetzliche Freiheit, die Ehre, und das Eigenthum der Unterthanen oder verfaßungsmäßiger Behörden und Cammern betreffen, und durch die von dem Landesherrn auf die zuerst bey ihm angebrachte Beschwerde getroffene Verfügung und darauf erfolgte Verantwortung des angeschuldigten nicht erledigt wird. Ohne eine solche vorgängige Verantwortung des Angeschuldigten soll aber in keinem Falle eine förmliche Untersuchung gegen denselben verfügt werden. Das Recht der Beschwerde und Klage gegen die obersten Staatsdiener wird aber vorzüglich dadurch gesichert, daß alle Verfügungen des Regenten von denjenigen welche ihn dabey berathen haben, contrasignirt werden müßen und jeder solche Staatsdiener für die auf seinen Vortrag gefaßten Beschlüße dem Regenten u. dem Lande verantwortlich ist. § 62. Einzelne Staatsbürger und ganze Corporationen können sich zwar an die Stände wenden, wenn sie hinsichtlich ihrer individuellen Intereßen sich auf eine unrechtliche oder unbillige Weise für verletzt oder gedrückt halten. Die Stände-Versammlung kann aber nur dann die Beschwerde beachten, und zu ihrer Competenz geeignet ansehen, wenn die Beschwerdeführer zugleich nachzuweisen vermocht haben, daß sie die gesetzlichen und verfaßungsmäßigen Wege bey den Landesbehörden zur Abhülfe ihrer Beschwerden vergeblich eingeschlagen haben. Solche Beschwerden können dann die Stände, falls sie nicht von ihnen nach ertheilter Auskunft bey den obersten Landesbehörden, sofort als unbegründet verworfen werden, auf die vorbemerkte Weise an den Regenten bringen. Anträge Einzelner, hinsichtlich allgemeiner politischer Intereßen finden nicht Statt u. eine Vereinigung einzelner oder ganzer Corporationen für einen solchen Zweck sind gesetzwidrig und strafbar, indem die Prüfung u. Wahrung dieser Intereßen lediglich der Stände-Versammlung als Gesammtheit zukommt. § 63. Die Abgeordneten des Landes zu einer ordentlichen Stände-Versammlung werden auf 6 Jahre gewählt und zu Abhaltung des Landtags im März des treffenden Jahres zusammengerufen. Von dem Landesherrn hängt es ab, ob er mehrmals und wie oft, innerhalb dieser 6 Jahre die Abgeordneten des Landes zu ferneren Landtägen zusammenberufen will. Nach Verlauf der 6 Jahre erlischt die Function der auf diese Zeit gewählten Deputirten und die Verwilligung. Es ist daher Pflicht des Directors, vor Ablauf der sechsjährig. Zeitraums auf die Anordnung neuer Wahlen für die neu einzuberufende ständische Versammlung anzutragen. Ueber die Einberufung der Stände, die Prüfung ihrer Legitimationen, und die Geschäftsbehandlung auf den Landtägen enthält die Landtagsordnung die nöthigen Vorschriften. § 64. Ständische Versammlungen ohne Landesherrliche Zusammenberufung oder nach bereits erfolgtem Schluß oder geschehene Vertagung des Landtags sind unzuläßig und gesetzwidrig, und alle dabey gefaßten Beschlüße sind nichtig.

760

Textanhang § 65.

Für den Inhalt ihrer freyen Abstimmung sind die Stände nicht verantwortlich, wenn sie nicht zugleich Verläumdungen Einzelner enthalten, wegen welcher diesen das Klagerecht nie entzogen werden kann. Für das Entferntbleiben unanständiger Aeußerungen hat der Landschaftsdirector zu sorgen. Uebrigens genießen die Stände während des Landtags einer völligen Unverletztheit der Person und können während dieser Zeit ohne Einwilligung der Stände-Versammlung keiner Art von Arrest unterworfen werden, den Fall einer Ergreifung auf frischer That bey begangenen Verbrechen ausgenommen, wo aber der Stände-Versammlung ungesäumt Anzeige des Vorfalls mit Angabe der Gründe gemacht werden soll. § 66. Die Eröffnung eines Landtags, sowie die Schließung desselben geschieht von dem Landesherrn entweder in eigener Person oder durch einen besonders dazu beauftragten Commissair, und nach dem Schluße wird der den Ständen bereits vorher mitgetheilte Landtagsabschied bekannt gemacht. § 67. Von einem Landtag zum andern, innerhalb des einer Stände-Versammlung bestimmten sechsjährigen Zeitraums, werden die Landständischen Geschäfte durch einen Ausschuß besorgt, welcher aus a.) dem Landschaftsdirector b.) einem Abgeordneten aus dem Herzogthum Coburg c.) einem Abgeordneten aus dem Herzogthum Saalfeld u. d.) aus einem Secretair, der Syndicus oder Consulent genannt wird, besteht. § 68. Die Verrichtungen des Ausschußes sind: 1.) vorläufige Berathung und Bearbeitung der auf dem Landtage zum Vortrag kommenden Geschäfte, soweit sie nemlich schon vor deßen Eröffnung bekannt sind, z. B. vorläufige Prüfung der Etats, Berathung über vorgekommene Beschwerden, u.s.w. und versteht es sich von selbst, daß die Mitglieder der Stände-Versammlung in den Plenar-Sitzungen an das Gutachten des Ausschußes nicht gebunden sind. 2.) fortwährende Vertretung der Stände außer den Landtag. Der Ausschuß kann jedoch weder Steuern u. andere Belastungen des Staatsbürgers bewilligen, noch sich definitiv über Gesetzvorschläge oder andere zur unmittelbaren Cognition der Landschaft geeignete Gegenstände erklären, sondern er ist verbunden, dergl. Angelegenheiten, welche nicht bis zum nächsten Landtag ausgesetzt werden können, mit den über seine vorläufigen Berathung geführten Protocolle auf dem Wege schriftl. Circulation an sämtl. Landes-Deputirte zur Abstimmung zu bringen. Zu seiner vollen Competenz gehört a.) die fortwährende Controle über die Aufrechterhaltung der Verfaßung und Vollziehung der von dem Landesherrn genehmigten Beschlüße des Landtags und der festgesetzten Etats;

Textanhang

761

b.) die Befugnis, in dringenden Fällen Anzeigen an den Landesherrn zu erstatte oder Vorstellungen und Beschwerden anzubringen; c.) der Antrag auf Zusammenberufung außerordentlicher Landes-Versammlungen unter Anführung seiner Gründe; d.) die Unterzeichnung der Landschaftl. Schuldverschreibungen; e.) die Aufsicht über die Verwaltung der Landes-Kaße. § 69. Die Landes-Caße-Curatel wird von einem Mitglied des Ausschußes und einem Mitglied der Landes-Regierung besorgt. Diese Caßen-Curatel ist der Landes-Regierung und der gesammten Landschaft in der Art untergeordnet, daß alle zur Landes-Caße sich eignenden Zahlungen an die Curatel zuweisen und von dieser an die Landeskaße zu verfügen sind. Der Landes-Kassirer steht zunächst unter der Caßen-Curatel. § 70. Der Landes-Cassirer wird auf Lebenszeit ernannt und vor der Landes-Regierung dieser u. den Stände in Gegenwart des Landschaftsdirectors verpflichtet. Er muß eine angemeßene Caution stellen und kann nur aus denselben Gründen entlassen werden, wie jeder andere Staatsdiener. Ihm liegt die Verwaltung des Landes-Kaße nach den von den Ständen genehmigten und vom Landesherrn bestätigten Etats und in Ansehung der nicht Etatsmäßigen Leistungen nach den Anweisungen der Cassen-Curatel ob. § 71. Der Landrath wird aus der Stände-Versammlung gewählt, und hat Sitz und Stimme in der Landes-Regierung. Er ist a.) die Mittelsperson zwischen den Ständen und der Landes-Regierung zur Erleichterung der Communication und Erzielung größerer Gleichförmigkeit beyder Behörden und b.) er ist wirkliches Mitglied der Regierung um durch seine Theilnahme und Mitwirkung in Geschäften das Interesse u. die Rechte der Stände wahrzunehmen. Er kann zugleich Mitglied des Landschaftl. Ausschußes u. der Caße-Curatel seyn. Bei Abgabe seiner Stimme in Regierungs-Sachen folgt er seiner eigenen Ueberzeugung, ohne an eine besondere Instruction von der Landschaft gebunden zu seyn, ist aber derselben für das, was auf seinen Antrag geschiehet, besonders verantwortlich. Der Landrath wird von 6 zu 6 Jahren von der Stände-Versammlung gewählt, ist aber immer wieder wählbar, und kann nach Verlauf der ersten 6 Jahre auch auf Lebenszeit ernannt werden. Er muß die Eigenschaften eines Landes-Deputirten besitzen und wird bey der LandesRegierung in Gegenwart des Landschafts-Directors verpflichtet. Ist er auf Lebenszeit erwählt, so kann ihm seine Besoldung nur durch Urtheil u. Recht entzogen werden. § 72. Der Landschafts-Director, der Landrath, der Syndikus und der Kassirer beziehen fixe Besoldung aus der Landes-Kaße, die Ausschuß-Deputirten aber erhalten bey Conventen, welche jährl. wenigstens einmal gehalten werden, den Ersatz der Reisekosten, dieselbe Auslösung, wie bey den Landtagen.

762

Textanhang § 73.

Der Ausschuß versammelt sich zur Besorgung der ihm obliegenden Geschäfte so oft es die vorhandenen Arbeiten nöthig machen auf die Einladung des Directors, ohne dazu einer besonderen Erlaubnis zu bedürfen. In Ansehung der Form der Verhandlung gelten dieselben Bestimmungen, welche in der Landtags-Ordnung für den Landtag festgesetzt sind. Die Protocolle sind aber so zu faßen, daß die übrigen Landes-Deputirten den Gang der Verhandlungen u. die Gründe welche einem Beschluß oder ein Gutachten motivirt haben, daraus ersehen können. In dringenden und bey minder wichtigen Angelegenheiten können die Meinungen der Ausschuß-Deputirten auch außer der Versamlung schriftl. eingeholt werden. Die Berichte u. Expeditionen ergehen nicht im Namen der gesammten Landschaft, sondern unter der Unterschrift: Deputation der Stände des Herzogthums Coburg-Saalfeld, und Resolutionen werden auch an diese Deputation gerichtet. Die Ausfertigungen sind im Concept von dem Landschaftsdirector u. seinen Gehilfen zu zeichnen. Die Vollziehung der Reinschrift erfolgt aber von dem ersten allein. § 74. Sollte der Landschaftsdirector sterben oder sonst austreten, so geht seine Function sowie auch in andern Verhinderungsfällen auf den ältesten Deputirten über. Sollte aber nur noch ein Glied des Ausschußes übrig seyn, so ist die Zusammenberufung eines Landtags und die Wahl neuer Ausschußmitglieder möglichst zu beschleunigen. § 75. Der Landschafts-Sekretär oder Syndikus wird auf 6 Jahre gewählt und von der LandesRegierung in Gegenwart des Directors oder einer landschaftl. Deputation verpflichtet. Er darf kein unmittelbar vom Landesherrn besoldeter Diener seyn, kann nach Verlauf der 6 Jahre wieder auf 6 Jahre oder auch auf Lebenszeit gewählt, jedoch auch blos auf den Grund des verlohrnen Vertrauens wenn 2 / 3 der Landes-Deputirten dafür stimmen entlaßen werden. Seine Besoldung aber kann er gleich andere Staats-Diener, nur durch Urtel u. Recht verlieren. § 76. Der Syndikus ist dem Director zur Erhaltung der Ordnung u. Förderung der Landschaftl. Geschäfte beygegeben, er bereitet mit ihm bei Landtagen und Conventen die Geschäfte zum Vortrag vor, hat nur ein Berathungs-Gutachten, welches er auch unaufgefordert erstattet, aber kein Stimmrecht. Er ist der gewöhnl. Expedient und Protocollführer, der Archivar u. Führer der Geschäfts-Journale, er contrasignirt als Secretair alle Ausfertigungen. § 77. Sollte der Syndikus zu einer Zeit sterben, wo der nächste Landtag noch über 2 Monate entfernt ist, so hat der Ausschuß einstweilen Jemand in die ledige Stelle einzusetzen, also provisorisch mit Genehmigung des Landesherrn anzunehmen, nachher aber auf den Landtag darüber entscheiden zu laßen, ob diese Einsetzung zu bestätigen oder eine andere Wahl vorzunehmen ist. § 78. Während des Landtags steht dem Syndikus dieselbe Unverletzlichkeit der Person zu, welche den Abgeordneten zugesichert ist.

Textanhang

763

§ 79. Einige Zeit vor Eröffnung eines ordentl. Landtags entwirft die Finanzbehörde unter Concurrenz der gesammten Landes-Regierung die Etats welche immer auf 3 Jahre einzurichten sind und diese Etats-Entwerfung werden von dem Ministerio dem Ausschuß mitgetheilt, welcher sie prüft und der Stände-Versammlung auf dem Landtage vorlegt. Zu dieser Prüfung kann der Landschaftl. Ausschuß die Mittheilung aller Notizen von den Landesbehörden verlangen, welche nicht nur eine vollständige Uebersicht des Zustandes aller Kaßen geben, sondern auch die Beurtheilung der Mittel zur Aufbringung der erforderl. Bedürfnisse erleichtern. § 80. Der Landtag prüft nach dem Vortrag des Ausschusses die Etats und beräthet sich über deren Ausführung hinsichtlich deren Nothwendigkeit der darinn aufgeführten Bedürfniße und hinsichtlich der Ausführbarkeit der zu machenden Verwilligungen. Das Resultat dieser Berathung wird mut der Anzeige der gemachten Verwilligung in einer eigenen ErklärungsSchrift der Stände-Versammlung an den Landesherrn erbracht, worauf von Seiten des Landesherrn entweder sofort die Bestätigung der vom Landtage geschehenen Vorschläge erfolgt, oder eine nochmalige Prüfung und Erörterung der Sache bei solchem veranlaßt wird. § 81. Sind der Landesherr u. der Landtag über die sämtl. für die nächsten 3 Rechnungs-Jahre u. in denselben erforderlichen öffentl. Abgaben über deren Betrag, Art und Erhebungsweise einverstanden, so werden diese Abgaben als von den Landständen verwilligte und von dem Landesherrn genehmigte mittelst Patents ausgeschrieben. Der Entwurf dieses Patents geschieht von der Landes-Regierung mit Zustimmung des Landschaftl. Ausschußes. Die öffentl. Bekanntmachung aber geschieht von der Landes-Regierung allein. § 82. Auf die bei dem Landtage festgesetzten und von dem Fürsten genehmigten Etats ist von dem Landes-Cassirer, von der Caßen-Curatel, von dem Landschaftl. Ausschuß, von der Landes-Regierung u. von dem Landesministerio auf das strengste und unverbrüchlichste zu halten, wie denn der Landesherr selbst sich keine Anweisung an die Landes-Kaße, noch ehe deren Etat in irgend einem Puncte entgegenläuft erlauben wird. § 83. Die vorstehenden Bestimmungen, welche zunächst die Deckung der gewöhnl. Staatsbedürfnisse zum Gegenstand haben, gelten auch von dem Fall, wo entweder auf den Bericht eines Landes-Collegiums, oder ohne solchen nach eigenen Ermeßen des Landesherrn andere Finanzmasregeln, welche auf das Intereße des Landes Einfluß haben könne, ergriffen, oder andere außerordentl. Leistungen und Anstrengungen der Staatsbürger erfordert werden sollten. Der Antrag dazu geht von dem Landesherrn unmittelbar an den Landtag und erst wenn dieser seine Einwilligung ertheilt hat, erfolgt die endl. Bestätigung u. die Bekanntmachung derselben in dem gesetzlichen Wege. § 84. Sollten sich in der Zeit von einer der gewöhnlichen Landständischen Versammlungen zu der Andern solche außerordentliche nicht vorher zu sehen gewesene Ereigniße zutragen, wel-

764

Textanhang

che von der Landes-Kaße eine beträchtliche Zahlung auf die in dem Etat nicht gerechnet werden konnte, unabwendbar erfordern oder Anstrengungen u. Leistungen der Unterthanen unabwendbar nöthig machen, so wird in minder wichtigen und eiligen Fällen die Zusammenkunft des Ausschußes, in wichtigern Fällen eine ausserordentliche Versammlung der Landständ. Abgeordneten, also ein außerordentlicher Landtag verfügt werden. § 85. Die Durchsicht, Prüfung und Abnahme der Landes-Kasse u. Rechnung geschieht jährlich von der Landes-Regierung gemeinschaftl. mit dem Landschaftl. Ausschuß. Die LandesCaße-Curatel muß dieses Geschäft dadurch vorbereiten und erleichtern, daß sie außer der Nachweisung, wie bisher die von dem Landtage gebilligten Etats im allgemeinen ausgeführt worden sind, die Rechnung des vorigen Jahres, welche schon durchgesehen, monirt und durch die Beantwortung der dagegen aufgestellten Erinnerungen zur Abnahme vorbereitet seyn müssen, samt aller dazu gehörigen Belegen vorlegt. Es erfolgt nun eine nochmalige genaue Durchsicht und Prüfung wobey sofort von der Cassen-Curatel u. dem Landes-Kassirer die nöthigen Erläuterungen gegeben werden müssen und dann die Justificatur und Decherche des Rechnungsfürers, auf den Bericht der Landes-Regierung und des Landschaftl. Ausschußes, von dem Landesherrn. § 86. Dem Landschaftl. Ausschuß sowohl als der Stände-Versammlung sollen jederzeit alle erforderl. Rechnungen, Nachweisungen und Aufschlüße auf Verlangen mitgetheilt werden, um ihnen sowohl von der Nothwendigkeit der in den Etats oder Propositionen gemachten Anforderungen, als von der zweckmäßigen Verwendung der früheren Verwilligungen die vollständigste Ueberzeugung zu verschaffen. § 87. Die von dem Landes-Cassirer 4 Wochen nach dem Schluße des Rechnuns-Jahres bei dem Ausschuß zu übergebenden u. von diesem u. von der H. Landes-Regierung auf vorbeschriebene Art geprüfte sodann auch justificirte Rechnungen werden dem Landtage bey der nächstfolgenden Versamlung vorgelegt. Der Landschaftl. Ausschuß und die Caßen-Curatel sind der gesammten Landschaft zunächst dafür verantwortlich, daß die Etats nicht überschritten und keine unjustificirl. Ausgaben auf die Kaße angewiesen werden. § 88. Diejenigen Diener, welchen die Domainen-Verwaltung obliegt sind dafür verantwortlich, daß den Rechten der Landschaft, sowie den Verpflichtungen gegen die Agnaten Gnüge geleistet werden. Sollten denselben und dem Intereße des Landes entgegen Dispositionen über die Substanz des Domainen-Vermögens getroffen werden, so sind solche auf blose Einsprache der Landschaft als von Rechts wegen ungültig und selbst für den Landesherrn als unverbindlich zu erkennen. § 89. An diesem Grundgesetz und der dadurch gestifteten Verfaßung des Herzogthums CoburgSaalfeld soll ohne Uebereinstimmung des Regenten und der Stände nach vorheriger Berathung auf einem Landtag weder etwas aufgehoben, noch hinzugefügt werden. Jeder Staats-

Textanhang

765

diener wird auf deßen genaue Beobachtung verpflichtet, und jeder Landes-Regent wird bey dem Antritt der Regierung die Aufrechthaltung dieser Verfaßung durch eine schriftl. Urkunde bey Fürstl. Worten und Ehren versichern. Alle Staatsbürger sind bey der Ansässigmachung und bey der Huldigung verbunden, den Eyd abzulegen: Ich schwöre Treue dem Herzog, Gehorsam dem Gesetze u. Beobachtung der Staats-Verfaßung. § 90. Sollten über die Auslegung dieser Verfaßungs-Urkunde oder über die Anwendbarkeit ihrer Bestimmung auf vorkommende Fälle Zweifel entstehen, welche nicht im Wege der Güte beseitigt werden können, so soll den Ständen frey stehen, auf schiedsrichterliche Entscheidung anzutragen. § 91. Jede absichtl. Verletzung der Verfassung im Staatsdienste sol als Verbrechen angesehen und bestraft werden. § 92. Für diese Verfaßung soll die Garantie des Bundestags nachgesucht werden.

b) Wahlordnung (zu erschließen aus StACo Landtag 12 / 1 fol. 65 – 75’) Wahlordnung W i r E r n s t , vo n G o t t e s G n a d e n H e r z o g z u S a c h s e n, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, souverainer Fürst von Coburg und Saalfeld, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc. etc. haben, um die Art und Weise zu bestimmen, wie bey der Wahl Unserer getreuen Stände zu verfahren ist, mit Beirathung derselben, folgendes zu verordnen Uns bewogen gesehen: §. 1. Zur Theilnahme an der Ständewahl sind im Allgemeinen nur diejenigen Landes-Angehörigen männlichen Geschlechts und christlicher Religion berechtigt, welche das fünf und zwanzigste Lebensjahr erreicht haben, und durch Ableistung des Huldigungseids im vollen Genuß des Staatsbürger-Rechts sich befinden, auch niemals wegen eines Verbrechens, wohin auch das muthwillige Banqueroutiren gehört, wenigstens nicht ohne nachher erfolgte gänzliche Lossprechung in Untersuchung, befangen waren. §. 2. Aus den sämmtlichen Rittergutsbesitzern werden für die Ständeversammlung sechs Abgeordnete und sechs Stellvertreter und zwar drei aus dem Fürstenthum Coburg, zwei aus dem

766

Textanhang

Fürstenthum Saalfeld, einer aus dem Amte Themar gewählt. Zu dieser Wahl soll jeder Besitzer eines im Lande liegenden Ritterguts, dem keines der allgemeinen Erfordernisse abgeht, ohne Rücksicht auf Stand, Dienstverhältnisse und Wohnort Theil nehmen, und mehrere Besitzer eines Ritterguts haben einen von ihnen zur Stimmführung zu bevollmächtigen. Bey der Wahl zu Deputirten und Stellvertretern ist jedoch auch jeder der übrigen Mitbesitzer, in wie fern er sonst die gesetzlichen Eigenschaften hat, wählbar, nur mit der Beschränkung, daß aus den sämmtlichen Besitzern eines Ritterguths für einen und denselben Landtag nur einer als Deputirter oder Stellvertreter erscheinen kann. Eheweiber, welche ein Rittergut besitzen, können diese Theilnahme von ihrem Ehemann ausüben lassen. Die Theilnahme unmündiger Besitzer eines Ritterguts, übt der Vater so lange, als er den Nießbrauch hat, außerdem aber der Vormund, aus. §. 3. In den Städten wählen, in den beyden Residenzstädten Coburg und Saalfeld und in der Stadt Pößneck, die Stadt-Obrigkeiten ihren Abgeordneten und Stellvertreter aus ihrer Mitte. Gleiches geschieht auch bey den Abgeordneten aus dem Stande der Gelehrten in den Städten Coburg und Saalfeld. Bey den Wahlen der Abgeordneten und Stellvertreter der Städte Neustadt, Rodach, Themar, Gräfenthal und Lehesten wählt die Stadtobrigkeit und die Bürgerschaft zusammen ihren Deputirten und Stellvertreter, und es steht den Wahlberechtigten frei, dieselben aus der Stadtobrigkeit oder aus der Bürgerschaft zu wählen, welches auch sonst bey den Wahlen der übrigen Deputirten für die Bürgerschaft in den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck statt findet. Die Dorfschaften in den Amtsbezirken von Coburg, Saalfeld, Neustadt, Rodach, Themar u. Gräfenthal, haben sich sechs Abgeordnete u. ebensoviel Stellvertreter zu wählen. Zur Wahl sind in den Städten nur diejenigen berechtiget, welche (ausser den allgemeinen Bedingnißen §. 1.) als Bürger aufgenommen sind oder als Staatsdiener daselbst ihre wesentliche Wohnung haben. §. 4.a In den Dörfern ist auf gleiche Weise zur Theilnahme an den Wahlen das Nachbarrecht und der Besitz eines Hauses nöthig. Die Geistlichen auf dem Lande und die sonst daselbst sich befindenden Staatsdiener stimmen mit der Gemeinde ihres Orts. §. 4.b Die Wahl der Abgeordneten für die Ritterguthsbesitzer, Städte-Obrigkeiten und der Abgeordneten für den Gelehrten-Stand, geschieht unmittelbar durch die Wahlberechtigten aus der treffenden Klasse selbst. Die Wahl der Abgeordneten aber der Bürgerschaften in Coburg, Saalfeld und Pößneck, und der Städteobrigkeiten u. Bürgerschaften in Neustadt, Rodach, Themar, Gräfenthal u. Lehesten, sowie der Abgeordneten in den Amtsbezirken Coburg, Saalfeld, Neustadt, Rodach, Gräfenthal u. Themar geschieht durch Wahlmänner. In den Städten wählt, unter der Leitung der Stadtobrigkeit, jedes Stadtviertel zwey Wahlmänner; und die Wahlmänner jeder Stadt wählen aus ihrem Wahlbezirk die von ihnen zur Ständeversammlung abgeordneten Deputirten. In den Amtsbezirken wählt jedes Dorf unter der Leitung des Schultheisen und Dorfmeisters, jedes Dorf, welches weniger als 100 Häuser hat, einen Wahlmann. Dörfer von 100 Häusern wählen, unter gleicher Leitung, deren zwey u. so weiter in dem Verhältniß zu 50 Häusern.

Textanhang

767

§. 5. Bey der Theilnahme an der Ständewahl gilt durchgängig die Regel, daß die Wähler und Wahlmänner die Abzuordnenden aus ihrer Wahlklasse wählen, und daß ein Wähler oder Wahlmann bey der Wahl der Mitglieder einer ständischen Versammlung nur einmal seine Stimme geben, und hierin niemals in doppelter oder mehrfacher Eigenschaft handeln kann. §. 6. Die allgemeinen Erfordernisse eines Mitglieds der Ständeversammlung sind: 1) Bekenntniß zur christlichen Religion ohne Unterschied der Confession, 2) das Staatsbürgerrecht, 3) dreyßigjähriges Alter, 4) Unbescholtenheit des Rufs; indem kein Mitglied der ständischen Versammlung wegen eines gesetzlich mit Criminalstrafe bedroheten Vergehens, wohin auch muthwilliges Banqueroutiren gehört, ohne unbedingt erfolgte Freysprechung in Untersuchung gekommen seyn darf. §. 7.) Bey der Klasse der Ritterguthsbesitzer können auch die Väter, die den Nießbrauch an den Rittergüther ihrer Kinder haben, die Vormünder von Kinder, den Ritterguthsbesitzern und die Ehemänner von Weibern, denen Rittergüther eigenthümlich zugehören zu Abgeordneten gewählt werden. Gleiches gilt auch von jedem, der sich nicht im alleinigen Besitz eines Ritterguths, sondern nur im Mitbesitz eines solchen, mit einem oder mehreren befindet. §. 8. Die Abzuordnenden von den Städten und Dorfsgemeinden sollen entweder den Besitz eines im Lande belegenen schuldenfreyen Vermögens von 5000 fl. rhnl. oder ein Einkommen von jährlich 400 fl. rhnl. nachweisen, oder eidlich versichern können. §. 9. Bey den Abgeordneten aus den Städten und Dörfern ist außer obigen Bedingungen noch wesentliche Wohnung im Lande erforderlich, bey den aus den Rittergutsbesitzern aber, wird diese nicht verlangt. Personen, welche in wirklichen Diensten eines anderen Staats stehen, können ohne besondere Bewilligung des Landesherrn nicht zur Wahl gelangen. §. 10. Die Wahl der Ständemitglieder und Stellvertreter geschieht jedesmal vor Eröffnung einer neuen Ständeversammlung auf vorgängige Anordnung des Landesherrn. Für die Rittergutsbesitzer und die Abgeordneten von den Städten wird der Wahltag unmittelbar von der Landesregierung sechs Wochen vorher im Regierungsblatt bekannt gemacht, und der zur Leitung des Wahlgeschäfts bestimmte Commissarius (§. 12) benannt. Für die übrigen Stände erfolgt diese Bekanntmachung ebenfalls sechs Wochen vorher durch öffentliche Anschläge an jedem Orte von der das Wahlgeschäft leitenden Behörde (§. 12.). Die ohne solche Bekanntmachungen eigenmächtiger Weise vorgenommenen Wahlen sind ungültig und strafbar. Die Wahlen

768

Textanhang

werden übrigens da, wo sie an einem Tage nicht beendigt werden können, jedesmal an den nächstfolgenden fortgesetzt, und so ohne Unterbrechung vollendet. §. 11. In der Regel werden die Wahlversammlungen von den Rittergutsbesitzern und dem gelehrten Stande in dem Regierungsgebäude zu Coburg, für die Abgeordneten aus den Städten auf den dasigen Rathhäusern, und für die aus den Amtsbezirken und den Dorfsgemeinden zu wählenden Stände in den Localen der treffenden Justizämter gehalten. Die den Wahlact leitenden Behörden können jedoch nach Befinden auch ein anderes schickliches Locale dazu wählen, und haben den bestimmten Ort bey der Bekanntmachung des Wahltags jedesmal anzugeben. §. 12. Zur Leitung des Wahlgeschäfts wird sowohl für die Rittergutsbesitzer und den gelehrten Stand, als für die Stadtobrigkeiten ein besonderer Regierungs-Commißär ernannt. Die Leitung der Wahlen der Abgeordneten der Stadtobrigkeiten u. der Bürgerschaft wird aber den Magistraten u. Stadträthen überlaßen, und die Wahlen in den Dorfschaften der Amtsbezirke stehen unter der Leitung der treffenden Justizbeamten. Die leitenden Behörden erhalten übrigens für diese Arbeit keine Gebühren, sondern nur ihre gehabten Auslagen aus der Landeskasse ersetzt. §. 13. Vor jeder Wahlhandlung haben die leitenden Behörden sich vollständige Verzeichnisse der Wahlberechtigten ihres Bezirks zu verschaffen, und diejenigen, welche bey dem Wahlact ohne die dazu erforderlichen Eigenschaften erscheinen, von der Theilnahme daran auszuschließen. Etwaige Beschwerde über eine solche Ausschließung und deshalbige Anträge auf Ehrenerklärung und Genugthuung können bey dem Justiz-Collegium zur rechtlichen Verhandlung und Entscheidung angebracht werden, doch kann dadurch der Wahlact selbst keine Störung leiden. §. 14. Bey der Wahlversammlung muß wenigstens ein Drittheil der stimmberechtigten Einwohner des Wahlbezirks anwesend seyn, außerdem wird eine anderweite Versammlung auf einen nahen Tag anberaumt, wo dann die Wahl der Abgeordneten und ihrer Stellvertreter in jedem Falle vor sich geht. §. 15. Die Wahlberechtigten können bey der Abstimmung nur in eigener Person, nicht durch Bevollmächtigte (die § 2 u. 7 angeführten Fälle ausgenommen) handeln, und nicht sich selbst ihre Stimme geben. §. 16. Den Rittergutsbesitzern ist nachgelassen, ihre Abstimmung in eigenhändig geschriebenen und mit ihrem vollen Namen unterzeichneten Wahlzetteln abzugeben. Die Anwesenden stimmen in der Ordnung ab, wie sie sich zum Wahltage angemeldet haben, und die Abwesenden haben ihre Abstimmung bis zum Wahltag einzusenden. Die Eröffnung der Wahlzettel geschieht in Gegenwart der erschienenen, und die drey zunächst wohnenden Rittergutsbesitzer

Textanhang

769

werden ausdrücklich dazu eingeladen. Jeder Rittergutsbesitzer hat übrigens seine Abstimmung in Gemäßheit des § 14 einzurichten. §. 17. Die Wahlberechtigten der übrigen Stände haben ihre Abstimmung dem zur Leitung des Wahlgeschäfts Beauftragten schriftlich oder mündlich und einzeln zu eröffnen. §. 18. Jeder Wahlberechtigte leistet vorher Handgelöbniß, daß er nach inniger Ueberzeugung für das Beste des Landes seine Stimme abgeben werde, und daß er hierzu weder überredet worden noch sonst deshalb etwas erhalten habe, oder etwas annehmen werde. Sollten dennoch Empfehlungen oder Werbungen vorkommen; so wird die dadurch bewirkte Wahl ungültig, eine anderweite nöthig, und die Schuldigen verlieren mit Vorbehalt anderer gesetzlicher Strafe ihr Wahlrecht. §. 19. Bey der Wahl der Abzuordnenden u. Stellvertreter selbst, wird sowohl bey denjenigen, die unmittelbar durch die Wahlberechtigten geschieht, als bey der Wahl, die durch Wahlmänner vollzogen wird, von jedem Wählenden für die doppelte Zahl der Abzuordnenden, Candidaten nahmhaft gemacht, und wenn dieses geschehen ist, durch die das Wahlgeschäft leitende Behörde in Ordnung so zusammengestellt, daß derjenige, der die meisten Stimmen erhalten hat, als erwählter Deputirter für die Ständeversammlung und so, nach Mehrheit der Stimmen, die übrigen als Stellvertreter angesehen werden. Träfe sich es jedoch, daß die Wählenden oder Wahlmänner auf gleiche Personen gefallen seyn sollten, so geht derjenige als Deputirter oder Stellvertreter dem andern vor, der vor dem andern nahmhaft gemacht worden ist. Wenn aber auch die Ordnungszahl, in der die Candidaten nahmhaft gemacht wurden, gleich, so entscheidet das Loos. §. 20. Ablehnen kann ein Gewählter die Stelle eines Abgeordneten nur, wenn er Staatsdiener ist, oder wegen ärztlich bescheinigter Krankheit, oder wegen häuslicher Unentbehrlichkeit, die seine obrigkeitliche Behörde zu beglaubigen hat. §. 21. Ueber die Wahlhandlungen werden von den Commißarien entweder selbst oder durch beyzuziehende verpflichtete Secretarien, und bey den Justizämtern durch einen Beamten, oder einen verpflichteten Actuar, ausführliche Protocolle mit genauer Bemerkung jedes Stimmenden und seiner Abstimmung aufgenommen, von den Commissarien und Beamten unterschrieben, und nebst den Acten mit einem die Namen der Gewählten und der Stellvertreter enthaltenden Bericht an die Landesregierung eingesendet. §. 22. Die Landesregierung prüft dann ohne Zeitverlust die sämmtlichen Wahlen, und sendet die Acten mit ihren gutachtlichen Anträgen berichtlich an das Landes-Ministerium ein.

770

Textanhang §. 23.

Die hierauf eingehenden Resolutionen werden sowohl den leitenden Behörden als den genehmigten Gewählten und ihren Stellvertretern bekannt gemacht, und wegen der etwa erforderlichen neuen Wahlen wird das Nöthige angeordnet. Abweisende Resolutionen werden jedesmal mit Gründen versehen. §. 24. Zur Beurtheilung der Legalität des Wahlgeschäfts werden die Wahlacten alsbald nach eröfneter Versammlung den Landständen vorgelegt und die definitive Entscheidung über die Gültigkeit der Wahlen und über die Zulaßung und Abweisung der Mitglieder gehört, nach Eröfnung der Ständeversammlung, für dieselbe selbst.

c) Landtagsordnung (StACo Landtag 12 / 1 fol. 70 – 73’) Landtags-Ordnung W i r E r n s t , vo n G o t t e s G n a d e n H e r z o g z u S a c h s e n, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, souverainer Fürst von Coburg und Saalfeld, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc. etc. haben, um die Ordnung festzusetzen in welcher Unsere getreuen Stände die ihnen obliegenden Geschäfte zu besorgen haben, mit Beirathung derselben, folgendes anzuordnen beschlossen: §. 1. Zur Behandlung der den Ständen obliegenden Geschäfte sind die Landtage bestimmt. Auf diesen sind alle ständischen Angelegenheiten in der Regel von der Gesammtheit der Stände zu behandeln. Diejenigen, welche für besondere Commissionen oder den Landschaftsdirector allein gehören, sind unten angegeben. §. 2. Nach Beendigung der Wahlen erfolgt die Zusammenberufung der Stände von dem Regenten durch ein Rescript an die Landesregierung mit Bestimmung des Orts und der Zeit. Hierauf wird eine allgemeine Bekanntmachung im Regierungsblatt, und an jedes Ständemitglied ein besonderes Einberufungsschreiben erlassen. §. 3. Die Abgeordneten haben ihre Anwesenheit einer dazu ernannten Landesherrlichen Commission zu melden, oder bey derselben ihr Nichterscheinen schriftlich und zeitig zu entschuldigen, um deren Stellvertreter noch einberufen zu können. Wenn nicht wenigstens zwey Drittheile der Abgeordneten anwesend sind, kann weder der Landtag eröffnet, noch sonst eine vorbereitende ständische Verhandlung mit Gültigkeit vorgenommen werden.

Textanhang

771

§. 4. Die Landesherrliche Commission versammelt dann zuvörderst an einem dazu bestimmten Tage die Abgeordneten, um die Wahl eines Landschaftsdirectors und eines Secretairs, so wie eines Stellvertreters für den Landschaftsdirector und den Secretair, von der Stände-Versammlung bewirken zu laßen. Die Wahl selbst geschiehet durch Stimmgeben an die Commission nach der Ordnung des natürlichen Alters der einzelnen Abgeordneten. §. 5. Zu diesen Stellen ist jedes Mitglied der ständischen Versammlung, welches im Lande angesessen ist, wählbar. Um die zu diesen Wahlen nöthige unbedingte Stimmen-Mehrheit zu erlangen, kann zweymal abgestimmt werden, bey wieder vorkommender Stimmen-Gleichheit entscheidet das Loos. §. 6. Die geschehenen Wahlen werden dem Landesherrn von der Commission zur Bestätigung vorgetragen. Erfolgt diese aus anzugebenden Gründen nicht durchgängig; so wird wegen der im Einverständniß der Ständeversammlung Nichtgenehmigten zu einer anderweiten Wahl geschritten, die ebenfalls vorzutragen ist. §. 7. Nach eingegangener Landesherrlicher Bestätigung geschieht die Eröffnung der ständischen Versammlung, nachdem vorher der Landschaftsdirector, der Secretair und die Stellvertreter derselben von der Commission verpflichtet worden sind. In der Ständeversammlung sitzt der Landschaftsdirector oben an, und neben ihm zur linken Seite der Secretair und die Stellvertreter von beiden, die übrigen Stände aber nach der Ordnung ihres natürlichen Alters. Die Mitglieder des Landes-Ministeriums haben bey der Ständeversammlung freyen Zutritt außer bey Abstimmungen und vertraulichen Sitzungen. §. 8. Der Landschaftsdirector hat zur Leitung der Geschäfte die Rechte und Obliegenheiten eines Collegial-Präsidenten. Er empfängt die Eingänge; bestimmt, eröffnet und schließt die Sitzungen; leitet die Berathungen, verhütet alle Abschweifungen, und stellt die Gegenstände des Abstimmens in einzelne zur unbedingten Bejahung und Verneinung geeigneten Fragen auf; er handhabt die Ordnung so wie die Gesetze des Anstands, dultet keine Persönlichkeiten oder beleidigende Aeußerungen, und kann Falls ein Mitglied seine Verweisung zur Ordnung unbefolgt läßt, die Sitzung alsbald schließen, und die Gesammtheit der Stände darf dann in der nächsten Sitzung Mißbilligung und im Wiederholungsfall zeitige oder gänzliche Ausschließung aus der Stände-Versammlung erkennen. Der Landschaftsdirector erhält ferner die schriftlichen Anzeigen von dem Grund der Abwesenheit der im Orte sich befindenden Mitglieder, ertheilt den Anwesenden einen Urlaub bis vier Tagen, und bringt die Gesuche um einen längeren oder um gänzlichen Abgang bey der Stände-Versammlung zum Vortrag, von welchen sodann auch höchsten Orts Anzeige zu machen ist. §. 9. Der Secretair führt die Protocolle in den allgemeinen Sitzungen, entwirft die schriftlichen Ausfertigungen und Beschlüße, und sorgt für Ordnung der Canzley, so wie für Aufbewahrung und Ordnung der Acten.

772

Textanhang §. 10.

Zu Anfang der Sitzung wird das Protocoll der vorhergehenden, um es mit Einverständniß der Ständeversammlung zu faßen, durch den Secretair vorgelesen, und von dem Präsidenten und dem Secretair unterschrieben und sämmtlichen versammelten Deputirten signirt. Nach Bekanntmachung des Innhalts der Eingänge seit der letzten Sitzung wird zur Tagesordnung geschritten. §. 11. Zuerst sind nemlich die von dem Landesherrn den Ständen vorgelegten Anträge und zwar in der Ordnung, wie sie gefaßt und eingegangen sind, in Berathung zu ziehen. Die Mittheilung dieser Anträge geschieht schriftlich, entweder durch das Landesministerium oder eine besondere Commission. Zur Beförderung des Gangs der Geschäfte können wichtige Angelegenheiten durch Mitglieder des Landes-Ministeriums oder besondere Commissionen in der Stände-Versammlung noch besonders mündlich erörtert und erläutert werden. §. 12. Wenn die vorhandenen Landesherrlichen Anträge durch Beschlüsse erledigt sind, dann werden diejenigen Gegenstände in der von dem Landschaftsdirector zu bestimmenden Ordnung vorgenommen, welche von den Mitgliedern der Stände-Versammlung in Antrag gebracht worden sind. Es steht nemlich jedem Mitgliede wie dem Landschaftsdirector frey, über sonst irgend wichtige Gegenstande, die nicht in den Landesherrlichen Anträgen enthalten sind, Vortrag thun, nachdem es seine Absicht dem Landschaftsdirector angezeigt, und dieser einen Tag dazu bestimmt hat. Die von der Landschaft abgelehnten Anträge der Regierung, so wie die Anträge eines Mitglieds der Ständeversammlung, können auf dem selben Landtag nicht wiederholt werden. Schriftliche Verhandlungen der Stände mit andern Behörden oder Personen außer dem Landes-Ministerium sind nicht gestattet. §. 13. Zur Bearbeitung einzelner Gegenstände kann die Versammlung einige aus ihrer Mitte durch die Wahl nach relativer Mehrheit der Stimmen ernennen. Diese Commissionen haben sich mit den Mitgliedern des Ministeriums oder den Landtagscommissarien zu benehmen, um die erforderlichen Nachrichten zu erhalten, oder um zu einer Ausgleichung etwaiger abweichender Ansichten zu gelangen. Bey den Verhandlungen einer solchen Commission führt ein Mitglied das Protocoll, die Beschlüsse werden nach absoluter Stimmen-Mehrheit gefaßt, und durch ein von der Commission selbst gewähltes Mitglied derselben entweder mündlich oder schriftlich in der ständischen Versammlung zum Vortrage gebracht. Bey der Berathung darüber hat jedes Mitglied der Commission seine Stimme so gut, wie die übrigen Stände. §. 14. Nur diejenigen, welche einen Antrag machen, oder den Beschluß einer Commission vorzutragen haben, sind zur Vorlesung schriftlicher Aufsätze berechtigt; den übrigen Mitgliedern ist es zwar freygestellt, ihre Meinungen über die vorgekommenen Berathungspunkte ausführlich zu äußern, sie haben sich aber auf mündliche Vorträge zu beschränken.

Textanhang

773

§. 15. Findet der Landschaftsdirector die in Berathung gekommenen Gegenstände zur Faßung der nöthigen Beschlüße genugsam vorbereitet; so wird zur Stellung der Fragen, worüber abgestimmt werde soll, über gegangen und es steht jedem Mitgliede frei auf Abänderung anzutragen; ist hierüber die Discussion beendiget, so erklärt der Landschaftsdirector die ständischen Verhandlungen darüber für geschlossen, und setzt einen Tag zur Abstimmung fest. Die Abstimmung erfolgt dann ohne weitere Erörterung. Jedes Mitglied stimmt auf die vorgelegten Fragen des Landschaftsdirectors (§. 8.) aufgerufen vom Jüngsten an nach der Reihe der Sitze, zulezt der Secretair und der Landschaftsdirector, durch Ja oder Nein. Der Secretair bemerkt das Resultat der Abstimmung der Zahl nach, und der Landschaftsdirector spricht am Ende den Beschluß der Stände aus. §. 16. Zur Gültigkeit eines solchen Beschlusses ist die absolute Mehrheit der Stimmen bey Anwesenheit von wenigstens zwey Drittheilen der ständischen Gesammtheit nöthig, und zu Abänderungen der ständischen Verfaßung wird die Gleichstimmung von drey Viertheilen der ganzen jedesmaligen activen Gesammtheit, d. h. drey Viertheilen der sämmtlichen bey dem Landtage anwesenden Deputirten, erfordert. Tritt statt der absoluten Stimmen-Mehrheit im ersten Fall eine Gleichheit der Stimmen ein; und bleibt dieselbe auch nach nochmaliger Abstimmung; so entscheidet der Ausspruch des Regenten, bey anderen Gegenständen die Meinung für die bestehende Einrichtung, und bey Beschwerden gegen Einzelne die ihnen günstigere Ansicht. Gegen einen auf die vorgedachte Weise gefaßten Beschluß findet durchaus keine weitere Einwendung statt. §. 17. Die Beschlüsse der Stände-Versammlung werden mit der gehörigen Deutlichkeit und Bestimmtheit abgefasst und im Concept von sämmtlichen anwesenden Deputirten signirt, unter der Aufschrift: Erklärungsschrift der getreuen Stände des Herzogthums Coburg-Saalfeld, vom Landschaftsdirector und Secretair unterschrieben, dem Landes-Ministerium übergeben, und von diesem werden die Resolutionen des Regenten den Ständen ebenfalls schriftlich eröffnet. §. 18. Mündliche Erklärungen der Stände über vorgekommene Berathungspunkte finden eben so wenig, als mündliche Anträge bey dem Regenten statt, auch ist zu Deputationen der Stände an den Landesherrn jedesmal eine vorher dazu eingeholte Erlaubniß nöthig. §. 19. Bey einem blos vertagten Landtage geschieht die Wiederzusamenberufung der Stände durch den Landschaftsdirector auf den Grund eines Landesherrlichen Rescripts, und die Geschäfte werden dann in derselben Ordnung wie sonst auf den Landtägen behandelt. §. 20. Die Mitglieder der Stände-Versammlung erhalten auf Begehren aus der Landeskaße sowohl Vergütung der Reisekosten, als auch eine für alle ganz gleichmäßige tägliche Auslösung für die Zeit ihres Aufenthalts.

774

Textanhang

28. Ständischer Verfassungsentwurf vom 30. Mai 1821 (StACo Min J 258 fol. 69 – 93’) a) Grundgesetz-Entwurf Verfassung des Herzogthums Coburg-Saalfeld Tit. I. Von dem Herzogthum und deßen Regierung im Allgemeinen § 1. Das Herzogthum Coburg-Saalfeld, mit Einschluß des Amtes Themar, bildet einen Bestandtheil des deutschen Bundes. § 2. Die Beschlüsse der Bundes-Versammlung, welche die verfassungsmäßigen Verhältnisse Deutschlands oder die Verhältnisse deutscher Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, sind ein Theil des Staatsrechts des Herzogthums, und haben, wenn sie in demselben vom Landesherrn verkündet worden sind, verbindliche Kraft. Hierdurch wird die verfassungsmäßige Mitwirkung der Stände zur Erfüllung der Bundesverbindlichkeiten, nicht ausgeschlossen. § 3. Der Herzog ist das Oberhaupt des Staats, vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter den von ihm gegebenen in dieser Verfassungs-Urkunde festgesetzten Bestimmungen aus. Seine Person ist heilig und unverletzlich. § 4. Die Herzogliche Würde ist erblich in der directen leiblichen und gesetzmäßigen Nachkommenschaft des Herzogs nach dem Erstgeburts-Recht in männlicher Linie. Sollte sich der Fall ereignen, daß ein absteigender Linie kein rechtmäßiger Erbe vom männlichen Geschlechte vorhanden wäre, so geht die Erbfolge auf die Seitenlinie nach den Verträgen der Sächsischen Häuser über. Tit. II. Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Staatsbürger. § 5. Der Genuß aller bürgerlichen Rechte sowohl der Privat-Rechte als der öffentlichen steht nur Inländern zu. § 6. Das Recht eines Inländers (Indigenat) wird erworben: a.) durch die Geburt für denjenigen, dessen Vater oder Mutter zur Zeit seiner Geburt Inländer war, b.) durch Verheirathung einer Ausländerin mit einem Inländer, c.) durch Verleihung eines Staats-Amts oder Erwerbung von Grundeigethum,

Textanhang

775

d.) durch besondere Aufnahme, welche entweder ausdrücklich oder auch durch 10jährige Duldung geschieht. § 7. Staatsbürger sind diejenigen Inländer männlichen Geschlechts, welche den HuldigungsEid geschworen haben. § 8. Jede rechtskräftige Verurtheilung zu einer peinlichen Strafe zieht den Verlust des Staatsbürgerrechts nach sich. Außerdem wird es verloren: a.) durch Auswanderung, b.) durch Verheirathung an einen Ausländer. Und die in dem Herzogthum geborene Wittwe eines Ausländers kann nur mit Erlaubnis des Landesherrn dahin zurückkehren. § 9. Die Ausübung des Staatsbürgerrechts wird gehindert: a.) durch Versetzung in den peinlichen Anklagestand, oder Verhängung der Special-Inquisition; b.) durch das Entstehen eines gerichtlichen Concurs-Verfahrens über das Vermögen bis zur Befriedigung der Gläubiger; c.) während der Dauer einer Curatel; d.) für diejenigen, welche für die Bedienung der Person oder der Haushaltung von andern Kost und Wohnung erhalten. § 10. Alle Einwohner des Herzogthums Coburg-Saalfeld sind vor dem Gesetze gleich. § 11. Die Geburt gewährt bey sonst gleichen Eigenschaften keinen Vorzug zur Erlangung irgend eines Staatsamts, doch werden, bey gleichen Eigenschaften, bey Besetzung von Dienststellen Inländer den Ausländern, und unter diesen Personen aus den übrigen Sächsischen Ländern vorgezogen. § 12. Die Verschiedenheit der in dem Herzogthum anerkannten geistlichen Confessionen hat keine Verschiedenheit in den politischen und bürgerlichen Rechten zur Folge. § 13. Den anerkannten geistlichen Confessionen ist freye und öffentliche Ausübung ihres Religions-Cultus gestattet. § 14. Jedem Einwohner des Herzogthums wird der Genuß vollkommener Gewißensfreiheit zugesichert, der Vorwand der Gewissensfreiheit darf jedoch nie ein Mittel werden, um sich irgendeinen nach den Gesetzen obliegenden Verbindlichkeiten zu entziehen.

776

Textanhang § 15.

Die Freiheit der Person und des Eigenthums, ist keiner anderen Beschränkung unterworfen, als welche Recht und Gesetz bestimmen. § 16. Jedem Einwohner steht das Recht der freyen Auswanderung nach den Bestimmungen des Gesetzes zu. § 17. Ganz ungemessene Frohnen können nie Statt finden und die gemessenen sind ablösbar, sowie alle Feudallasten überhaupt, nach einem darüber des nächsten erfolgenden allgemeinen Gesetz. § 18. Das Eigenthum kann für öffentliche Zwecke nur gegen vorgängige Entschädigung nach dem Gesetze in Anspruch genommen werden. § 19. Jeder Staatsbürger für welchen keine verfassungsmäßige Ausnahme besteht, ist verpflichtet, an der ordentlichen Kriegsdienstpflicht Antheil zu nehmen. Bei dem Aufrufe zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit entscheidet unter den Gleichverpflichteten das Loos nach den bestehenden Losungslisten, mit Gestattung der Stellvertretung. § 20. In außerordentlichen Nothfällen ist jeder Einwohner zur Vertheidigung des Vaterlandes verpflichtet, und kann für diesen Zweck zu den Waffen gerufen werden. § 21. Niemand soll seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. § 22. Das materielle der Justiz-Ertheilung und das gerichtliche Verfahren innerhalb der Gränzen seiner gesetzlichen Form und Würksamkeit sind von dem Einflusse der Regierung ganz unabhängig. § 23. Kein Einwohner des Herzogthums darf anders, als in den durch das Recht und die Gesetze bestimmten Fällen und Formen verhaftet oder bestraft werden. Keiner darf länger als 24 Stunden über den Grund seiner Verhaftung in Ungewißheit gelassen werden, und dem ordentlichen Richter soll, wenn die Verhaftung von einer andern Behörde geschehen ist, in möglichst kurzer Frist von dieser Verhaftung die erforderliche Nachricht gegeben werden. § 24. Die Staatsdiener überhaupt, und die Richter insbesondere können nur durch gerichtliches Erkenntnis entsetzt, sie können auch nicht wider ihren Willen entlassen und nur dergestalt

Textanhang

777

versetzt werden, daß sie in derselben Dienstcathegorie verbleiben und weder im Gehalte noch in dem Dienstgrade zurückgesetzt werden. § 25. Jedem steht die Wahl seines Berufs und Gewerbes nach eigener Neigung frey. Unter Beobachtung der hinsichtlich der Vorbereitung zum Staatsdienst bestehenden Gesetze ist es jeden überlassen, sich zu seiner Bestimmung im Inlande oder Auslande auszubilden. Tit. III. Von den Kirchen, den Unterrichts- und Wohlthaetigkeits-Anstalten. § 26. Die innere Kirchenverfassung genießt auch den Schutz der politischen. § 27. Verordnungen der Kirchengewalt können nur vom Herzog ausgehen, daher nur mit seiner Genehmigung verkündet und vollzogen werden. § 28. Die Geistlichen sind in ihren bürgerlichen Verhältnissen und bey strafbaren Handlungen, welche nicht blose Dienstvergehen sind, der weltlichen Obrigkeit unterworfen. § 29. Die Beschwerden über Mißbrauch können jederzeit bey der geordneten oberen Landesstelle angebracht werden. § 30. Das Kirchengut, das Vermögen der vom Staate anerkannten Stiftungen, genießt des besondern Schutzes des Staats und kann unter keiner Bedingung dem Finanz-Vermögen einverleibt werden. § 31. Die Fonds der milden Stiftungen zur Beförderung der Gottes-Verehrung, des Unterrichts und der Wohlthätigkeit werden genau nach den darüber in den Stiftungsbriefen enthaltenen Verordnungen unter Mitaufsicht des Landschaftlichen Ausschußes verwaltet, welches namentlich bey dem Gymnasio Casimiriano, der Scheres-Zieritzischen Stiftung, dem Waisenhause und Zuchthaus der Fall ist. Eine Abänderung in der Verwaltung oder Verwendung, inwieferne eine solche Abänderung nach dem Sinne des Stifters zulässig ist, erheischt die Zustimmung der Stände-Versammlung bey einem Landtage.

778

Textanhang Tit. IIII. Von den Gemeinden. § 32.

Die Angelegenheiten der Gemeinden sollen durch ein Gesetz geordnet werden welches als Grundlage die eigene selbstständige Verwaltung des Vermögens, unter der Oberaufsicht des Staats aussprechen wird. § 33. Die Grundbestimmungen dieses Gesetzes werden einen Bestandtheil der Verfaßung bilden. § 34. Das Vermögen der Gemeinden kann unter keiner Voraussetzung dem Finanz-Vermögen einverleibt werden. Tit. V. Von den Landstaenden. § 35. Für alle in dem Herzogthum Coburg-Saalfeld vereinte Landestheile soll von jetzt an eine Gesammtheit von Landständen bestehen, welche allen Theilen des Landes als einem Ganzen gemeinschaftlich ist. Auch das Fürstenthum Lichtenberg wird zu allen Staatslasten überhaupt, und zu den Bundespflichten verhältnismäßig beitragen. § 36. Diese Gesammtheit von Landständen wird gebildet: 1.) aus sechs Abgeordneten, welche die sämmtlichen Rittergutsbesitzer im Lande aus ihrer Mitte wählen in der Art, daß drey aus dem Fürstenthum Coburg, zwey aus dem Fürstenthum Saalfeld, und einer aus dem Amte Themar auf dem Landtage erscheinen; 2.) aus fünf Abgeordneten der Stadtobrigkeiten, von welchen die zu Coburg einen, die zu Saalfeld einen, die zu Pößneck einen, die zu Neustadt, Rodach und Themar zusammen einen, die zu Gräfenthal und Lehesten zusammen einen, aus ihrer Mitte wählen; 3.) aus Vier Abgeordneten der Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck, von welchen die erste zwey, die zweite und dritte jede einen, aus ihren Bürgern zu wählen hat; 4.) aus sechs Abgeordneten der übrigen Städte und sämmtl. Dorfsgemeinden, so daß aus jedem Amt mit Inbegriff der einbezirkten Städte einer der Eingeseßenen gewählt wird. Die Bedingung des Wahlrechts für die Wähler und die Art der Ausübung derselben sind in einer besonderen Verordnung enthalten. § 37. Jeder Abgeordnete wird nur auf den Zeitraum vom Anfang einer ständischen Versammlung bis zur nächsten gewählt, und bleibt bei gleichen Eigenschaften von neuem wählbar. Findet sich der Landesherr veranlaßt, eine ständische Versammlung vor dem Schluß ihrer Geschäfte aufzulösen, so erlöschen dadurch die bisherigen Wahlen und es tritt vor der Wiedereröffnung eine neue Stände-Wahl ein. Der Landtag kann jedoch nicht willkührlich, sondern nur aus

Textanhang

779

Gründen aufgelößt werden, die öffentlich bekannt zu machen sind, und es folgt dann binnen 3 Monaten die Zusammenberufung der neuen Stände-Versammlung. Sollte diese Zusammenberufung binnen 3 Monaten nicht erfolgen, so ist die vorige von selbst wieder hergestellt. § 38. Jedes Ständemitglied ist als Abgeordneter nicht des einzelnen Wahlbezirks, sondern des ganzen Landes anzusehen. Es können daher weder einzelne derselben, noch mehrere zusammen etwas in Landes-Angelegenheiten unter sich verhandeln, und so Anträge oder Beschwerden an den Regenten bringen, sondern alles muß von der Gesammtheit der Stände bey deren gesetzmäßigen Versammlung ausgehen, und jedes einzelne Mitglied derselben soll bey seiner Theilnahme an den ständischen Verhandlungen nach seiner eigenen Ueberzeugung stets das Wohl des Ganzen beabsichtigen, weder Instructionen noch Aufträge für seine Abstimmung von andern ebensowenig annehmen, als sein Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausüben, wobey ihm jedoch unbenommen bleibt, Beschwerden einzelner Staatsbürger oder ganzer Gemeinden über Verletzung constitutioneller Rechte, in der Ständeversammlung vorzutragen. Vor Eröffnung der Landständischen Versammlung hat jeder Deputirte folgenden Eid zu leisten: „Ich schwöre Treue dem Herzog und dem Vaterlande, Gehorsam dem verfassungsmäßigen Gesetz und der vom Lande genehmigten Verfassung, und daß ich in der Stände-Versammlung das allgemeine Wohl nach bester eigener Ueberzeugung berathen will.“ Die Stellvertreter sind, wenn sie im Laufe einer ständischen Versammlung einberufen werden, vor ihrer Theilnahme an den Berathungen auf gleiche Weise zu verpflichten. § 39. Die Stände sind befugt, sich mit denjenigen Gegenständen zu beschäftigen, welche nachfolgende Artickel zu ihrem Würkungskreis anweisen, und welcher sich hauptsächlich a.) auf die Gesetzgebung, in Ansehung der ständischen Berathung und Zustimmung, b.) auf die Finanzverwaltung, insbesondere hinsichtlich der Steuerverwilligung, der Etats für die Staatsbedürfnisse, der Mitaufsicht über die Landeskasse, und c.) auf geeignete Anträge und Beschwerden bey bemerkten Mängeln in der Gesetzgebung und Mißbräuchen in der Verwaltung, sowie insbesondere bey Pflichtwidrigkeiten und Willkühr der Staatsdiener, d.) auf den Beyrath und die Zustimmung bey Verträgen und Dispositionen, wodurch die Substanz des Staatsvermögens gemindert, die Integrität des Landes verletzt, das Einkommen geschmälert, oder die Regierungs-Verfassung verändert wird, bezieht. § 40. Neue Gesetze, welche die eigentliche Landes-Verfassung, das heißt, die Bestimmung der gegenseitigen Rechte des Regenten und der Stände betreffen, sowie Abänderungen und Erklärungen der hierunter bestehenden, können als vertragsmäßige Bestimmungen ohnehin nicht einseitig erfolgen, und bedürfen daher zu ihrer Gültigkeit die Zustimmung der Stände. § 41. Ohne Beyrath und Zustimmung der Stände können Gesetze, welche die persönliche Freiheit und das Eigenthum betreffen, auch in Bezug auf das Landespolizeywesen nicht gegeben,

780

Textanhang

abgeändert oder aufgehoben werden. Wenn bei bestehenden Gesetzen die doctrinelle Auslegung nicht hinreicht, so tritt nicht authentische Auslegung, sondern die Nothwendigkeit der Bestimmung durch einen Act der Gesetzgebung ein. Wenn die Versammlung gegen einen Gesetzvorschlag stimmt, so bleibt er ausgesetzt, kann jedoch bey dem nächsten Landtag wieder vorgelegt werden. Dagegen können einzelne Verfügungen in dringenden Fällen zwar ohne Zustimmung der Stände provisorisch getroffen werden, jedoch gelten diese Verfügungen nur für den besonderen dringenden Fall, und können nicht zur Consequenz als Gesetz angezogen werden. § 42. Der Landesherr ist befugt, ohne ständische Mitwürkung, die zur Vollstreckung und Handhabung der Gesetze erforderlichen, sowie die aus dem Aufsichts- und Verwaltungs-Recht fließenden Verordnungen und Anstalten zu treffen, und in dringenden Fällen das Nöthige zur Sicherheit des Staats vorzukehren. Auch bleiben die Landesherrlichen Privilegien, Dispensationen und Abolitionen unbeschränkt, indem der Landesherr nie Privilegien ertheilen wird, welche mit dem Wohl des Staats und mit wohlerworbenen Rechten im Widerspruch stehen, ebensowenig, als Dispensationen und Abolitionen im Widerspruch mit dem Wohl des Landes, mit dem Zweck des Staats und mit der Sittlichkeit. Ausschließliche Handels- und Gewerbsprivilegien, solen daher nicht Statt finden, außer zufolge eines besonderen Gesetzes; Patente für Erfindungen können aber auf bestimmte Zeit ertheilet werden. § 43. Gesetzes-Entwürfe können nur von dem Landesherrn an die Stände, nicht von den Ständen an den Landesherrn gebracht werden. Die Stände können aber auf neue Gesetze, sowie auf Abänderung oder Aufhebung der bestehenden antragen. § 44. Die Verwaltung der Landeskasse steht unter der Oberaufsicht des Regenten, wird von der untenbestimmten Curatel geleitet, und es ist nicht nur die Prüfung der jährlichen Etats, sondern auch der Jahres-Rechnungen, unvermuthete Cassenstürze und Visitationen Sache der Stände, denen der Landes-Cassierer mit zu verpflichten ist. Die Bestellung des Landes-Kassierers geschieht von dem Landesherrn auf dem Vorschlag der Stände. Die Zahlungs-Anweisungen an die Landes-Kasse zu Ausgaben, die nicht ständig sind, ertheilt die aus einem Mitgliede des landschaftlichen Ausschusses und einem Mitgliede der Herzoglichen Landes-Regierungen bestehende Landes-Kaßen-Curatel. Die Verwaltung der Casse geschieht streng nach den dafür aufgestellten Etats, welche von der Finanz-Behörde und von der Landesregierung gemeinschaftlich entworfen, von der Stände-Versammlung geprüft und genehmiget, und auf deren Vorlage die Landesherrl. Bestätigung erhalten haben, mithin zum Finanzgesetz erhoben worden sind, und immer von einem Landtag zum andern gelten. § 45. Die Stände sind befugt, nicht nur eine vollständige Uebersicht und Nachweisung der Staatsbedürfnisse, sondern auch eine gnügende Auskunft über die Verwendung ihrer Verwilligung zu begehren. Es müssen daher die Rechnungen von jedem Jahr und zwar jedesmal innerhalb 3 Monaten nach Ablauf des Jahres dem Landständischen Ausschuß vorgelegt werden.

Textanhang

781

§ 46. Zur Landes-Kasse sollen nicht nur die mit Bewilligung der Stände fort bestehenden directen und indirecten Steuern, sondern auch alle noch künftig von den Ständen zur Deckung der Landesbedürfnisse verwilligt werdende Abgaben, sowie das Einkommen aus den Regalien und alle aus der Uebung der Landesherrl. Gewalt entspringenden Gefälle, nicht minder der gesammte Ertrag der Chaußee- und Weggelder aller Art, sowie alle zum Behuf des Militairs und in Beziehung auf solches von den Unterthanen erfolgende Leistungen und die von Hintersassen zu zahlenden Schutzgelder fließen. § 47. Dagegen soll die Landes-Kaße die sämmtlichen Kosten der Staats-Verwaltung, die Unterhaltung der dem Staatsdienst gewidmeten öffentlichen Gebäude, des Militairs, der Aufwand für Landes-Collegien, für Chaußeen und Wege und überhaupt für alles, was zu Erhaltung und Förderung des gemeinen Wesens durch allgemeine Landes-Anstalten erforderlich ist, bestreiten. Die Ueberschüsse sind nach Bestreitung der Zinnsen zunächst zu den Schuldentilgungsfond und zur Erhöhung des Fonds der Dienerpensionen zu verwenden, und inwiefern die nach § 52 auf die Domainen radicirten Bedürfnisse des Herzogl. Hauses und Hofs nicht aus den Domanial-Einkünften so vollständig als die Würde des Landesherrn erfordert, bestritten werden können, treten Zuschüsse aus der Landeskasse ein. § 48. Zur Bestreitung der Landesbedürfnisse sind subsidiarisch die Steuern bestimmt, zu welchen alle Staatsbürger nach verhältnismäßiger Gleichheit, und alles Grundeigenthum im Lande, ohne Ausnahme, also auch die Domainengüter und Renten ebenfalls nach verhältnismäßiger Gleichheit beizutragen haben. Diese sämmtlichen Steuern sollen niemals ohne vorhergegangenes Gehör der Stände und ohne deren ausdrückliche Verwilligung ausgeschrieben oder erhoben werden. Doch dürfen die Stände ihre Verwilligungen nicht an Bedingungen knüpfen, welche den Zweck und die Verwendung derselben nicht selbst betreffen. § 49. Die Auflagen, insofern sie nicht blos für einen vorübergehenden Zweck bestimmt waren, dürfen nach Ablauf der Verwilligungszeit noch sechs Monate forterhoben werden, wenn die Stände-Versammlung aufgelößt wird, ehe ein neues Finanzgesetz zu Stande kommt, oder wenn die ständischen Berathungen sich verzögern. Diese 6 Monate werden jedoch in die neue Finanzperiode eingerechnet. § 50. Der Landesherr ist übrigens dann, wenn die Stände in dem dringenden Fall der Noth die heilige Verpflichtung des Unterthanen, Gut und Blut dem Fürsten und Vaterlande zu opfern, verkennen, und die nothwendige Verwilligung für die Erfüllung neuer durch Verpflichtung gegen den deutschen Bund gegründeter Verbindlichkeiten verweigern sollten, zur Ausschreibung der dazu erforderlichen durch Ersparniße nicht aufzubringenden Summen, berechtigt, und es wird über deren Verwendung öffentliche Rechenschaft abgelegt; auch steht dem Lan-

782

Textanhang

desherrn die ausschließende Verfügung über das Militair, die Formation desselben, die Disciplinar-Verwaltung und das Recht, alle den Kriegsdienst betreffende Verordnungen zu erlassen, ohne ständische Mitwürkung zu. Dagegen gehört das Conscriptions-Reglement wegen seines nahen Bezugs auf die Freiheit und das Vermögen des Staatsbürgers in die Cathegorie der mit ständischer Berath- und Zustimmung zu erlassenden allgemeinen Landesgesetzen. Aushebungen zu Vermehrung der Truppen über die Bundespflicht hinaus, können auch nur durch ein solches Gesetz bestimmt werden; unbeschadet jedoch des Landesherrlichen Rechts, in dringenden Fällen die zur Sicherheit und Erhaltung des Staats nothwendigen Vorkehrungen zu treffen. § 51. Die gesammte Staatsschuld soll durch ein besonderes Gesetz und durch die Errichtung einer besonderen Staatsschuldentilgungs-Anstalt garantirt, auch eine Vermehrung der Staatsschulden ohne Einwilligung der Stände nicht vorgenommen werden. Zu der Schuldentilgungs-Casse fließen, auser den bestimmten ihr angewiesenen Fonds, auch alle EinnahmeUeberschüsse aller Cassen, nach Bestreitung der etatsmäßige Ausgaben. Auf diesen Punct der Constitution werden alle Cassen-Officianten von Herzogl. Landes-Regierung verpflichtet. Die Officianten der Staatsschuldentilgungs- sowie der Landes-Kasse sollen aber noch insbesondere den die Garantie übernehmenden Ständen mitverpflichtet werden. § 52. Die Domainen-Revenuen sollen für die Erhaltung des Regentenhauses und auf die Administrationskosten und den übrigen Bedarf, sowie auf den Abtrag und die Verzinsung der auf dem Domainen-Gute verbleibenden Schulden verwendet werden. Ueber die Modalität zweckmäßiger Benutzung werden die Stände sich keine Einsprache erlauben, wohl aber gegen zweckwidrige die Etats störende Behandlung. Zur Sicherheit und Erhaltung des Domanial-Vermögens will der Landesherr die Stände zur Berathung und Beurtheilung, in Ansehung einer nützlichen oder schädlichen Behandlung oder Verwendung dieses Vermögens zugezogen und die Stände als Garants von dem Domanial-Vermögen angesehen wissen, die Stände sind daher gehalten, in solcher Eigenschaft der Garants, keine zwekwidrige Behandlung, Verminderung oder Veräußerung des DomanialVermögens zu gestatten. § 53. Die Stände haben das Recht, dem Regenten alles dasjenige vorzutragen, was sie vermöge eines von der absoluten Mehrheit der wenigstens zu 2 / 3 versammelten Abgeordneten des Landes bey der Stände-Versammlung gefaßten Beschlusses für geeignet halten, um an den Landesherrn als Bitte oder Beschwerde gebracht zu werden. Dergleichen Anträge sollen jederzeit eine willige Aufnahme finden, und nach vorgängiger Erwägung die erforderlichen Verfügungen zur Erfüllung solcher Bitten oder zur Abhülfe der Beschwerden getroffen werden. § 54. Insbesondere haben auch die Stände das Recht, auf die in dem § 53 bestimmte Art diejenigen Beschwerden an den Landesherrn zu bringen, welche sie sich gegen das Benehmen der Staatsdiener aufzustellen bewogen finden können. Solche Beschwerden sollen nemlich jedes-

Textanhang

783

mal zuerst bey dem Landesherrn angebracht werden, und nur dann auf dem Wege förmlicher Klage an das Justiz-Collegium, oder wenn sie gegen dessen Mitglieder gerichtet sind, an das gemeinschaftliche Oberappellations-Gericht in Jena gelangen, wenn sie von besonderer Erheblichkeit sind, und Unterschleife bey öffentlichen Kassen, Bestechungen, absichtlich verweigerte oder verzögerte Rechtspflege, Eingriffe in die Verfassung, oder in die gesetzliche Freiheit, die Ehre und das Eigenthum der einzelnen Unterthanen oder verfassungsmäßiger Behörden und Cammern betreffen, und durch die von dem Landesherrn auf die zuerst bey ihm angebrachte Beschwerde getroffene Verfügung und darauf erfolgte Verantwortung des Angeschuldigten nicht erledigt sind. Ohne eine solche vorgängige Verantwortung des Angeschuldigten soll aber in keinem Falle eine förmliche Untersuchung gegen denselben verfügt werden. Das Recht der Beschwerde und Klage gegen die obersten Staatsdiener wird aber vorzüglich dadurch gesichert, daß alle Verfügungen des Regenten von denjenigen, welche ihn dabey berathen haben, contrasignirt werden müssen, und jeder solche Staatsdiener für die auf seinen Vortrag gefaßten Beschlüsse dem Regenten und dem Lande besonders persönlich verantwortlich ist. § 55. Einzelne Staatsbürger und ganze Corporationen können sich zwar an die Stände wenden, wenn sie glauben, denselben etwas gemeinnütziges mittheilen, oder ihre Aufmerksamkeit auf einen Mangel in der Gesetzgebung oder Mißbrauch in der Verwaltung richten zu können, oder wenn sie hinsichtlich ihrer individuellen Interessen sich auf eine unrechtliche oder unbillige Weise für verletzt oder gedrückt halten. Die Stände-Versammlung kann aber nur dann die Beschwerde beachten und zu ihrer Competenz geeignet ansehen, wenn die Beschwerdeführer zugleich nachzuweisen vermocht haben, daß sie die gesetzlichen und verfassungsmäßigen Wege bey den Landesbehörden zur Abhülfe ihrer Beschwerden vergeblich eingeschlagen haben. Solche Beschwerden können dann die Stände, falls sie nicht von ihnen nach gesuchter und erhaltener Auskunft bey den obersten Landesbehörden sofort als ungegründet verworfen werden, auf die vorbemerkte Weise an den Regenten bringen, und nachdem solches ohne Erfolg geschehen seyn sollte, auf rechtliches Gehör antragen. Anträge Einzelner, hinsichtlich allgemeiner politischer Interessen finden nicht statt und eine Vereinigung einzelner oder ganzer Corporationen für einen solchen Zweck sind gesetzwidrig und strafbar, indem die Prüfung und Wahrung dieser Interessen lediglich der StändeVersammlung als Gesammtheit zukommt. § 56. In der Regel sollen die ordentlichen Landtäge von 3 zu 3 Jahren und zwar jedesmal im Februar anfangend gehalten werden, und auf diese Zeit auch die Verwilligung geschehen. Es hängt jedoch von dem Landesherrn ab, ob er mehrmals und wie oft, die Abgeordneten des Landes zu ferneren Landtägen zusammenberufen will. Nach Verlauf von sechs Jahren erlischt die Function der auf diese Zeit gewählten Deputirten. Es ist daher Pflicht des Directors, vor Ablauf der sechsjährigen Zeitraums auf die Anordnung neuer Wahlen für die neu einzuberufende ständische Versammlung anzutragen. Ueber die Einberufung der Stände, die Prüfung ihrer Legitimationen und die Geschäftsbehandlung auf den Landtägen enthält die Landtagsordnung die nöthigen Vorschriften.

784

Textanhang § 57.

Der Landesherr allein hat das Recht, die Stände zu berufen und die ständische Versammlung zu vertagen, aufzulösen und zu schließen. Ständische Versammlungen ohne Landesherrl. Zusammenberufung oder nach bereits erfolgtem Schluß oder nach geschehener Vertagung des Landtags sind unzulässig und gesetzwidrig, und alle dabey gefaßten Beschlüsse sind nichtig. § 58. Für den Inhalt ihrer freyen Abstimmung sind die Stände nicht verantwortlich, wenn sie nicht zugleich Verläumdungen Einzelner enthalten, wegen welcher diesen das Klagerecht nie entzogen werden kann. Für das Entferntbleiben unanständiger Aeußerungen hat der Landschafts-Director zu sorgen. Uebrigens geniesen die Stände während des Landtags einer völligen Unverletzbarkeit der Person, und können während dieser Zeit ohne Einwilligung der Stände-Versammlung keiner Art von Arrest unterworfen werden, den Fall einer Ergreifung auf frischer That bey begangenen Verbrechen ausgenommen, wo aber der Stände-Versammlung ungesäumt Anzeige des Vorfalls mit Angabe der Gründe gemacht werden soll. § 59. Die Eröffnung eines Landtags, sowie die Schließung desselben geschieht von dem Landesherrn entweder in eigener hoher Person, oder durch einen besonders dazu beauftragten Commissair, und nach dem Schlusse wird der den Ständen bereits vorher mitgetheilite Landtagsabschied bekannt gemacht. § 60. Von einem Landtag zum andern, innerhalb des einer Stände-Versammlung bestimmten sechsjährigen Zeitraums, werden die Landständischen Geschäfte durch einen Ausschuß besorgt, welcher aus a.) dem Landschafts-Director, b.) zwey Abgeordneten aus dem Herzogthum Coburg c.) zwei Abgeordneten aus dem Herzogthum Saalfeld, d.) aus einem Secretair besteht, und mit Ausnahme des schon gewählten Landschafts-Directors, von der Stände-Versammlung durch absolute Stimmenmehrheit gewählt wird. § 61. Die Verrichtungen des Ausschusses sind: 1.) die Zusammenberufung der Landständischen Abgeordneten, wenn von dem Landesherrn entweder auf Antrag des Ausschusses oder aus eigener Bewegung ein Landtag angeordnet worden ist, 2.) vorläufige Berathung und Bearbeitung der auf dem Landtage zum Vortrag kommenden Geschäfte, soweit sie nemlich schon vor deßen Eröffnung bekannt sind, z. B. vorläufige Prüfung der Etats, Berathung über vorgekommene Beschwerden, Revision der früherhin ohne Landschaftl. Concurrenz erlassenen Verordnungen, Begutachtung der von dem Gouvernement mitgetheilten Gesetz-Entwürfe u.s.w. Uebrigens steht dem Ausschuß frey, in

Textanhang

785

Ansehung der ihn erforderlichen Nachrichten und Aufschlüsse sich unmitelbar an das Landes-Ministerium zu wenden, und versteht es sich von selbst, daß die Mitglieder der Stände-Versammlung in den Plenar-Sitzungen an das Gutachten des Ausschußes nicht gebunden sind. 3.) fortwährende Vertretung der Stände außer dem Landtag. Der Ausschuß kann jedoch weder Steuern und andere Belastungen des Staatsbürgers bewilligen, noch sich definitiv über Gesetz-Vorschläge oder andere zur unmittelbaren Cognition der Landschaft geeignete Gegenstände erklären, sondern er ist verbunden, dergleichen Angelegenheiten, welche nicht bis zum nächsten Landtag ausgesetzt werden können, mit den über seine vorläufige Berathung geführten Protocollen auf dem Wege schriftlicher Circulation an sämmtliche Landes-Deputirte zur Abstimmung zu bringen. Zu seiner vollen Competenz gehört a.) die fortwährende Controle über die Aufrechterhaltung der Verfassung und Vollziehung der von dem Landesherrn genehmigten Beschlüsse des Landtags und der festgesetzten Etats; b.) die Befugnis, in dringenden Fällen Anzeigen an den Landesherrn zu erstatten, oder Vorstellungen und Beschwerden anzubringen; c.) der Antrag auf Zusammenberufung außerordentlicher Landes-Versammlungen unter Anführung seiner Gründe; d.) die Unterzeichnung der Landschaftlichen Schuldverschreibungen; e.) die Aufsicht über die Verwaltung der Landes-Casse; f.) die einstweilige Besetzung solcher Landständischer Stellen zu veranlassen, welche bis zum nächsten Landtag nicht ausgesetzt bleiben können. § 62. Die Landes-Kasse-Curatel wird von einem Mitgliede des Ausschusses und einem Mitgliede der Landes-Regierung besorgt. Diese Cassen-Curatel ist der Landes-Regierung und der gesammten Landschaft, sowie dem engern Ausschuß in der Art untergeordnet, daß alle zur Landes-Kaße sich eignenden Zahlungen an die Curatel zuweisen und von dieser an die Landes-Kasse zu verfügen sind. Der Landes-Cassirer steht zunächst unter der Cassen-Curatel; diese unter der Herzogl. Landes-Regierung und dem Landschaftlichen Ausschuß in Beziehung auf den formellen Geschäftsgang; bey verschiedenartigen Ansichten der Herzogl. Landes-Regierung und des Landschaftl. Ausschußes entscheidet nach vorgängiger Communication des Herzogl. Landes-Ministerii und der Stände-Versammlung, der Landesherr. § 63. Der Landes-Cassierer wird auf Lebenszeit ernannt, und vor der Landes-Regierung dieser und den Ständen in Gegenwart des Landschafts-Directors verpflichtet. Er muß eine angemessene Caution stellen, und kann nur aus denselben Gründen entlassen werden, wie jeder andere Staatsdiener. Ihm liegt die Verwaltung des Landes-Casse nach den von den Ständen genehmigten und vom Landesherrn bestätigten Etats und in Ansehung der nicht etatsmäßigen Leistungen nach den Anweisungen der Cassencuratel, ob. § 64. Der Landschafts-Director, der Secretair und der Kassierer beziehen fixe Besoldungen aus der Landes-Caße, die Ausschuß-Deputirten aber erhalten bey Conventen, welche jährlich

786

Textanhang

wenigstens zweimal gehalten werden, den Ersatz der Reisekosten und dieselbe Auslösung, wie die Abgeordneten bey den Landtägen. § 65. Auser den regelmäßig jährlich zweimal, im Frühjahr und Herbst, stattfindenden Zusammenkünften versammelt sich der Ausschuß zur Besorgung der ihm obliegenden Geschäfte so oft es die vorhandenen Arbeiten nöthig machen, auf die Einladung des Directors, ohne dazu einer besonderen Erlaubnis zu bedürfen. In Ansehung der Form der Verhandlung gelten dieselben Bestimmungen, welche in der Landtags-Ordnung für den Landtag festgesetzt sind. Die Protocolle sind aber so zu fassen, daß die übrigen Landes-Deputirten den Gang der Verhandlungen, und die Gründe, welche einen Beschluß oder ein Gutachten motivirt haben, daraus ersehen werden können. In dringenden und bei minder wichtigen Angelegenheiten können die Meinungen der AusschußDeputirten auch außer der Versammlung schriftlich eingeholt werden. Die Berichte und Expeditionen ergehen nicht im Namen der gesammten Landschaft, sondern unter der Unterschrift: Deputation der Stände des Herzogthums Coburg-Saalfeld, und Resolutionen werden auch an diese Deputation gerichtet. Die Ausfertigungen sind im Concept von dem Landschafts-Director und den Deputirten zu zeichnen. Die Vollziehung der Reinschrift erfolgt aber von dem ersten allein. § 66. Sollte der Landschaftsdirector sterben, oder sonst austreten, so geht seine Function sowie auch in andern Verhinderungsfällen auf den ältesten Deputirten über. Sollte aber nur noch ein Glied des Ausschußes übrig seyn, so ist die Zusammenberufung eines Landtags und die Wahl neuer Ausschuß-Mitglieder möglichst zu beschleunigen. § 67. Der Landschafts-Secretair wird auf 6 Jahre von den Ständen gewählt und von der LandesRegierung in Gegenwart des Directors oder einer landschaftlichen Deputation verpflichtet. Er darf kein unmittelbar vom Landesherrn besoldeter Diener seyn, kann nach Verlauf der sechs Jahre wieder auf 6 Jahre oder auch auf Lebenszeit gewählt, jedoch auch blos auf den Grund des verlornen Vertrauens, wenn 2 / 3 der Landes-Deputirten dafür stimmen, entlassen werden. Seine Besoldung aber kann er, wenn er auf Lebenszeit gewählt ist, so wie andere Staats-Diener, nur durch Urtel und Recht verlieren. § 68. Der Secretair ist dem Director und den Ausschußmitgliedern zur Erhaltung der Ordnung und Förderung der Landschaftlichen Geschäfte beygegeben, er bereitet mit ihm bei Landtagen und Conventen die Geschäfte zum Vortrag vor, hat nur ein berathendes Gutachten, welches er auch unaufgefordert erstattet, aber kein Stimmrecht. Er ist der gewöhnliche Expedient und Protocollführer, der Archivar und Führer der Geschäfts-Journale, er contrasignirt alle Ausfertigungen. § 69. Sollte der Secretär zu einer Zeit sterben oder sonst abgehen, wo der nächste Landtag noch über 2 Monate entfernt ist, so hat der Ausschuß einstweilen Jemand in die ledige Stelle ein-

Textanhang

787

zusetzen, also provisorisch mit Genehmigung des Landesherrn anzunehmen, nachher aber auf den Landtag darüber entscheiden zu lassen, ob diese Einsetzung zu bestätigen oder eine andere Wahl vorzunehmen sey. § 70. Während des Landtags steht dem Secretair dieselbe Unverletzlichkeit der Person zu, welche den Abgeordneten zugesichert ist. § 71. Einige Zeit vor Eröffnung eines ordentlichen Landtags entwirft die Finanzbehörde unter Concurrenz der gesammten Landes-Regierung die Etats, welche immer auf drey Jahre einzurichten sind, und diese Etatsentwürfe werden von dem Ministerio dem Ausschuß mitgetheilt, welcher sie prüft und der Stände-Versammlung auf dem Landtage vorlegt. Zu dieser Prüfung kann der Landschaftl. Ausschuß die Mittheilung aller Notizen von den Landesbehörden verlangen, welche nicht nur eine vollständige Uebersicht des Zustandes aller Kassen geben, sondern auch die Beurtheilung der Mittel zur Aufbringung der erforderlichen Bedürfnisse erleichtern. § 72. Der Landtag prüft, nach dem Vortrag des Ausschusses, die Etats und berathet sich über deren Ausführung hinsichtlich deren Nothwendigkeit der darinn aufgeführten Bedürfniße und hinsichtlich der Ausführbarkeit der zu machenden Verwilligungen. Das Resultat dieser Berathung wird mit der Anzeige der gemachten Verwilligung in einer eigenen Erklärungsschrift der Stände-Versammlung an den Landesherrn gebracht, worauf von Seiten des Landesherrn entweder die Bestätigung der vom Landtag geschehenen Vorschläge erfolgt oder eine nochmalige Prüfung und Erörterung der Sache veranlaßt wird. § 73. Sind der Landesherr und der Landtag über die sämmtlichen für die nächsten 3 RechnungsJahre und in denselben erforderlichen öffentlichen Abgaben über deren Betrag, Art und Erhebungsweise einverstanden, so werden diese Abgaben als von den Landständen verwilligte und von dem Landesherrn genehmigte, mittelst Patents ausgeschrieben. Der Entwurf dieses Patents geschieht von der Landes-Regierung mit Zustimmung des Landschaftlichen Ausschußes. Die öffentl. Bekanntmachung aber geschieht von der Landes-Regierung allein jedoch mit Erwähnung dieser Zustimmung. § 74. Auf die bey dem Landtage festgesetzten und von dem Fürsten genehmigten Etats, ist von den treffenden Unterbehörden, nemlich von den Justiz- und Cammer-Aemtern ebenso wie von dem Landes-Cassirer, von der Cassen-Curatel von dem Landschaftlichen Ausschuß, von der Landes-Regierung und von dem Landes-Ministerio auf das strengste und unverbrüchlichste zu halten, wie denn der Landesherr selbst sich keine Anweisung an die Kassen erlauben wird, welche deren Etat in irgend einem Puncte entgegen läuft. § 75. Die vorstehenden Bestimmungen, welche zunächst die Deckung der gewöhnlichen Staatsbedürfniße zum Gegenstand haben, gelten auch von dem Fall, wo entweder auf den Bericht

788

Textanhang

eines Landes-Collegiums, oder ohne solchen nach eigenen Ermessen des Landesherrn, andere als die schon mit Zustimmung der Stände-Versammlung bestimmten Finanzmaasregeln, welche auf das Interesse des Landes Einfluß haben können, ergriffen, oder andere außerordentliche Leistungen und Anstrengungen der Staatsbürger erfordert werden sollten. Der Antrag dazu geht von dem Landesherrn unmittelbar an den Landtag, und erst wenn dieser seine Einwilligung ertheilt hat, erfolgt die endliche Bestätigung und die Bekanntmachung derselben in dem gesetzlichen Wege. § 76. Sollten sich in der Zeit von einer der gewöhnlichen Landständischen Versammlungen zu der Andern solche außerordentliche, nicht vorher zu sehen gewesene Ereignisse zutragen, welche von der Landes-Kasse eine beträchtliche Zahlung, auf die in dem Etat nicht gerechnet werden konnte, unabwendbar erfordern oder Anstrengungen und Leistungen nöthig machen, so wird in minder wichtigen und eiligen Fällen die Zusammenkunft des Ausschusses, in wichtigern Fällen, welche für solche von der absoluten Mehrheit der Deputirten bey der Circulation des von dem Ausschuß gemachten Antrags erklärt werden, eine außerordentliche Versammlung der Landständ. Abgeordneten, also ein außerordentlicher Landtag verfügt werden. § 77. Die Durchsicht, Prüfung und Abnahme der Landes-Kasse-Rechnung geschieht jährlich von der Landes-Regierung gemeinschaftlich mit dem Landschaftlichen Ausschuß. Die Landes-Casse-Curatel muß dieses Geschäft dadurch vorbereiten und erleichtern, daß sie außer der Nachweisung, wie bisher die von dem Landtage gebilligten Etats im Allgemeinen ausgeführt worden sind, die Rechnung des vorigen Jahres, welche schon durchgesehen, monirt und durch die Beantwortung der dagegen aufgestellten Erinnerungen zur Abnahme vorbereitet seyn müßen, samt allen dazu gehörigen Belegen vorlegt. Es erfolgt nun eine nochmalige genaue Durchsicht und Prüfung, wobey sofort von der Cassen-Curatel und dem Landes-Kassirer die nöthigen Erläuterungen gegeben werden müssen: und dann die Justificatur und Decherche des Rechnungsführers, auf den gemeinschaftl. Bericht der Landes-Regierung und des Landschaftlichen Ausschusses, von dem Landesherrn. § 78. Dem Landschaftlichen Ausschuß sowohl als der Stände-Versammlung sollen jederzeit alle erforderl. Rechnungen, Nachweisungen und Aufschlüsse auf Verlangen mitgetheilt werden, um ihnen sowohl von der Nothwendigkeit der in den Etats oder Propositionen gemachten Anforderungen als von der zweckmäßigen Verwendung der früheren Verwilligungen die vollständigste Ueberzeugung zu verschaffen. § 79. Die von dem Landes-Kassierer jedesmal 4 Wochen nach dem Schluß des Rechnungs-Jahres bei dem Ausschuß zu übergebende und von diesem und. von der Herzogl. Landes-Regierung auf vorbeschriebene Art geprüfte, sodann auch justificirte Rechnungen werden dem Landtage bey der nächstfolgenden Versammlung vorgelegt. Der Landschaftl. Ausschuß und die CassenCuratel sind der gesammten Landschaft zunächst dafür verantwortlich, daß die Etats nicht überschritten und keine unjustificirlichen Ausgaben auf die Kasse angewiesen werden.

Textanhang

789

§ 80. Diejenigen Diener, welchen die Domainen-Verwaltung obliegt, sind dafür verantwortlich, daß den Rechten der Landschaft Gnüge geleistet werde. Sollten dem Interesse des Landes entgegen Dispositionen über die Substanz des Domainen-Vermögens getroffen werden, so sind solche auf blose Einsprache der Landschaft als von Rechts wegen ungültig und selbst für den Landesherrn als unverbindlich zu erkennen. § 81. An diesem Grundgesetz und der dadurch gestifteten Verfassung des Herzogthums CoburgSaalfeld soll ohne Uebereinstimmung des Regenten und der Stände nach vorheriger Berathung auf einem Landtage weder etwas aufgehoben noch hinzugefügt werden. Jeder Staatsdiener wird auf dessen genaue Beobachtung verpflichtet, und jeder Landes-Regent wird bey dem Antritt der Regierung die Aufrechthaltung dieser Verfassung durch eine schriftliche Urkunde bey Fürstl. Worten und Ehren versichern; und diese schriftliche Versicherung noch vor der Huldigung von dem Fürsten in Empfang zu nehmen, ist ein außerordentlicher Landtag zusammenzuberufen. Im Falle einer Vormundschaft schwört der Verweser bey dem Antritt der Regentschaft in der deshalb zu veranstaltenden Stände-Versammlung, den Eid: Ich schwöre, den Staat in Gemäßheit der Verfassung und der bestehenden Gesetze zu verwalten, die Integrität des Landes und die Rechte des Herzoglichen Hauses zu erhalten, und dem Herzog die Gewalt, deren Ausübung mir anvertraut ist, getreu zu übergeben. Alle Staatsbürger sind bey der Ansässigmachung und bey der Huldigung verbunden, den Eid abzulegen: Ich schwöre Treue dem Herzog, Gehorsam dem Gesetze und Beobachtung der Staats-Verfassung. § 82. Sollten über die Auslegung dieser Verfassungs-Urkunde, oder über die Anwendbarkeit ihrer Bestimmung auf vorkommende Fälle Zweifel entstehen, welche nicht im Wege der Güte beseitigt werden können, so soll den Ständen frey stehen, auf schiedsrichterliche Entscheidung anzutragen. § 83. Jede absichtliche Verletzung der Verfassung im Staatsdienst soll als Verbrechen angesehen und bestraft werden. § 84. Für diese Verfassung soll die Garantie des Bundestags nachgesucht werden.

790

Textanhang

b) Entwurf der Wahlordnung W i r E r n s t , vo n G o t t e s G n a d e n H e r z o g z u S a c h s e n, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, souverainer Fürst von Coburg und Saalfeld, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc. etc. haben, um die Art und Weise zu bestimmen, wie bey der Wahl Unserer getreuen Stände zu verfahren ist, folgendes zu verordnen Uns bewogen gesehen: § 1. Zur Theilnahme an der Stände-Wahl sind im Allgemeinen nur diejenigen Landes-Angehörigen männlichen Geschlechts und christlicher Religion berechtigt, welche das fünf und zwanzigste Lebensjahr erreicht haben und durch Ableistung des Huldigungseids im vollen Genuß des Staatsbürgerrechts sich befinden, auch niemals wegen eines Verbrechens, wohin auch das muthwillige Banqueroutiren gehört, wenigstens nicht ohne nachher erfolgte gänzliche Lossprechung in Untersuchung, befangen waren. § 2. Aus den sämmtlichen Rittergutsbesitzern werden für die Ständeversammlung sechs Abgeordnete und sechs Stellvertreter, und zwar drey aus dem Fürstenthum Coburg zwey aus dem Fürstenthum Saalfeld einer aus dem Amte Themar gewählt. Zu dieser Wahl soll jeder Besitzer eines im Lande liegenden Ritterguts, dem keines der allgemeinen Erfordernisse abgeht, ohne Rücksicht auf Stand, Dienstverhältnisse und Wohnort Theil nehmen, und mehrere Besitzer eines Ritterguts haben einen von ihnen zur Stimmführung zu bevollmächtigen. Bey der Wahl zu Deputirten und Stellvertretern ist jedoch auch jeder der übrigen Mitbesitzer, inwiefern er sonst die gesetzlichen Eigenschaften hat, wählbar nur mit der Beschränkung, daß aus den sämmtlichen Besitzern eines Ritterguts für einen und denselben Landtag nur einer als Deputirter oder Stellvertreter erscheinen kann. Eheweiber, welche ein Rittergut besitzen, können diese Theilnahme von ihrem Ehemann ausüben lassen. Die Theilnahme unmündiger Besitzer eines Ritterguts übt der Vater so lange, als er den Nießbrauch hat, außerdem aber der Vormund, aus. § 3. In den Städten, von welchen die Stadtobrigkeiten der beiden Residenzen Coburg und Saalfeld und der Stadt Pößneck jede einen Abgeordneten nebst Stellvertreter, und die Stadtobrigkeiten zu Neustadt, Rodach und Themar zusammen einen Abgeordneten und Stellvertreter, sowie die Stadtobrigkeiten zu Gräfenthal und Lehesten ebenfalls zusammen einen Abgeordneten und Stellvertreter aus ihrer Mitte, die Bürgerschaften der Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck aber vier Abgeordnete, nemlich die erste zwey, die zweite und dritte jede einen Abgeordneten und Stellvertreter aus den übrigen nicht bey der Stadtobrigkeit angestellten Bürgern zu wählen hat, wird in der Regel zur Wahlberechtigung, außer den allgemeinen Bedingnissen (§ 1) das erlangte Bürgerrecht verbunden mit wesentlicher Wohnung erfordert. Dassel-

Textanhang

791

be gilt auch von den übrigen Städten, welche in Vereinigung mit den Dorfschaften zusammen sechs Abgeordnete und ebensoviel Stellvertreter zu wählen haben, so daß aus jedem Amt mit Inbegriff der einbezirkten Städte ein Abgeordneter und ein Stellvertreter kommt. § 4.a In den Dörfern ist auf gleiche Weise zur Theilnahme an den Wahlen das Nachbarrecht und der Besitz eines Hauses nöthig. Die Geistlichen auf dem Lande und die sonst daselbst sich befindenden Staatsdiener stimmen mit der Gemeinde ihres Orts. § 4.b Die Wahl der Abgeordneten für die Rittergutsbesitzer und Stadtobrigkeiten geschieht unmittelbar durch die Wahlberechtigten aus der treffenden Klasse selbst; die Wahl der Abgeordneten aber der Bürgerschaften in Coburg, Saalfeld und Pößneck und der Städteobrigkeiten und Bürgerschaften in Neustadt, Rodach, Themar, Gräfenthal und Lehesten, sowie der Abgeordneten in den Amtsbezirken Coburg, Saalfeld, Neustadt, Rodach, Gräfenthal und Themar geschieht durch Wahlmänner. In den Städten wählt unter der Leitung der Stadtobrigkeit, jedes Stadtviertel zwey Wahlmänner; in den Amtsbezirken wählt, unter der Leitung des Schultheißen und Dorfsmeisters, jedes Dorf, welches 50 oder auch weniger Häuser hat, einen Wahlmann; Dörfer von 100 Häusern wählen, unter gleicher Leitung, deren zwey, und so weiter in dem Verhältniß zu 50 Häusern. Die Wahlmänner in den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck wählen dann, unter der Leitung der Stadtobrigkeiten, die von den Bürgerschaften zur Ständeversammlung abzuordnenden Deputirten und deren Stellvertreter. Die Wahlmänner aus den Aemtern und einbezirkten Städten wählen unter Aufsicht des treffenden Amts, aus dessen Bezirk die Deputirten und Stellvertreter. § 5. Bey der Theilnahme an der Ständewahl gilt durchgängig die Regel, daß die Wähler und Wahlmänner die Abzuordnenden aus ihrer Wahlklasse wählen, und daß ein Wähler oder Wahlmann bey der Wahl der Mitglieder einer ständischen Versammlung nur einmal seine Stimme geben, und hierinn niemals in doppelter oder mehrfacher Eigenschaft handeln kann. § 6. Die allgemeinen Erfordernisse eines Mitglieds der Stände-Versammlung sind: 1.) Bekenntniß zur christlichen Religion ohne Unterschied der Confession, 2.) das Staatsbürgerrecht, 3.) dreyßigjähriges Alter, 4.) Unbescholtenheit des Rufs; indem kein Mitglied der ständischen Versammlung wegen eines gesetzlich mit Criminalstrafe bedrohten Vergehens, wohin auch muthwilliges Banqueroutiren gehört, ohne unbedingt erfolgte Freysprechung in Untersuchung gekommen seyn darf. § 7. Bey der Klasse der Rittergutsbesitzer können auch die Väter, die den Nießbrauch an den Gütern ihrer Kinder haben, die Vormünder von Kinden, die Rittergüter besitzen, und die Ehe-

792

Textanhang

männer von Weibern, denen Rittergüter eigenthümlich zugehören, zu Abgeordneten bey der Stände-Versammlung gewählt werden. Gleiches gilt auch von dem, der sich nicht im alleinigen Besitz eines Ritterguts, sondern nur im Mitbesitz eines solchen, mit einem oder mehreren befindet. § 8. Die Abgeordneten von den Städten und Dorfsgemeinden sollen entweder den Besitz eines im Lande belegenen schuldenfreyen Vermögens von 5000 fl. rhnl. oder ein Einkommen von jährlich 400 fl. rhnl. nachweisen oder eidlich versichern können. § 9. Bey den Abgeordneten aus den Städten und Dörfern ist außer obigen Bedingungen noch wesentliche Wohnung im Lande erforderlich, bey den aus den Rittergutsbesitzern aber wird diese nicht verlangt. Personen, welche in wirklichen Diensten eines anderen Staats stehen, können ohne besondere Bewilligung des Landesherrn nicht zur Wahl gelangen. § 10. Die Wahl der Stände-Mitglieder und Stellvertreter geschieht jedesmal vor Eröffnung einer neuen Stände-Versammlung auf vorgängige Anordnung des Landesherrn. Für die Rittergutsbesitzer und die Abgeordneten von den Städten wird der Wahltag unmittelbar von der Landesregierung sechs Wochen vorher im Regierungsblatt bekannt gemacht, und der zur Leitung des Wahlgeschäfts bestimmte Commissarius (§ 12) benannt. Für die übrigen Stände erfolgt diese Bekanntmachung ebenfalls sechs Wochen vorher durch öffentliche Anschläge an jedem Orte von der das Wahlgeschäft leitenden Behörde (§ 12). Die ohne solche Bekanntmachungen eigenmächtiger Weise vorgenommenen Wahlen sind ungültig und strafbar. Die Wahlen werden übrigens da, wo sie an einem Tage nicht beendigt werden können, jedesmal an den nächstfolgenden fortgesetzt, und so ohne Unterbrechung vollendet. § 11. In der Regel werden die Wahlversammlungen von den Rittergutsbesitzern in dem Regierungsgebäude zu Coburg, für die Abgeordneten aus den Städten auf den dasigen Rathhäusern und für die aus den Amtsbezirken und den Dorfsgemeinden zu wählenden Stände, in den Localen der treffenden Justiz-Aemter gehalten. Die den Wahlact leitenden Behörden können jedoch nach Befinden auch ein anderes schickliches Locale dazu wählen, und haben den bestimmten Ort bey der Bekanntmachung des Wahltags jedesmal anzugeben. § 12. Zur Leitung des Wahlgeschäfts wird sowohl für die Rittergutsbesitzer als für die Stadtobrigkeiten ein besonderer Regierungs-Commissair ernannt, und die Wahlen der übrigen Stände sollen unter der Aufsicht und Leitung der ersten Justiz-Beamten in ihren Amtsbezirken, und in den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck unter der Leitung der Stadtobrigkeiten geschehen. Die leitenden Behörden erhalten übrigens für diese Arbeit keine Gebühren, sondern nur ihre gehabten Auslagen aus der Landes-Kasse ersetzt.

Textanhang

793

§ 13. Vor jeder Wahlhandlung haben die leitenden Behörden sich vollständige Verzeichnisse der Wahlberechtigten ihres Bezirks zu verschaffen, und diejenigen, welche bey dem Wahlact ohne die dazu erforderlichen Eigenschaften erscheinen, von der Theilnahme daran auszuschließen. Etwaige Beschwerde über eine solche Ausschließung und deshalbige Anträge auf Ehrenerklärung und Genugthuung können bey dem Justiz-Collegium zur rechtlichen Verhandlung und Entscheidung angebracht werden, doch kann dadurch der Wahlact selbst keine Störung erleiden. § 14. Bey der Wahlversammlung muß wenigstens ein Drittheil der stimmberechtigten Einwohner des Wahlbezirks anwesend seyn, außerdem wird eine anderweite Versammlung auf einen nahen Tag anberaumt, wo dann die Wahl der Abgeordneten und ihrer Stellvertreter in jedem Falle vor sich geht. § 15. Die Wahlberechtigten können bey der Abstimmung nur in eigener Person, nicht durch Bevollmächtigte (die § 2 und 7 angeführten Fälle ausgenommen) handeln, und nicht sich selbst ihre Stimme geben. § 16. Den Rittergutsbesitzern ist nachgelassen, ihre Abstimmung in eigenhändig geschriebenen und mit ihrem vollen Namen unterzeichneten Wahlzetteln abzugeben. Die Anwesenden stimmen in der Ordnung ab, wie sie sich zum Wahltage angemeldet haben, und die Abwesenden haben ihre Abstimmung bis zum Wahltag einzusenden. Die Eröffnung der Wahlzettel geschieht in Gegenwart der Erschienenen, und die drey zunächst wohnenden Rittergutsbesitzer werden ausdrücklich dazu eingeladen. Jeder Rittergutsbesitzer hat übrigens seine Abstimmung in Gemäßheit des § 19 einzurichten. § 17. Die Wahlberechtigten der übrigen Stände haben ihre Abstimmung dem zur Leitung des Wahlgeschäfts Beauftragten schriftlich oder mündlich und einzeln zu eröffnen. § 18. Jeder Wahlberechtigte leistet vorher Handgelöbniß, daß er nach inniger Ueberzeugung für das Beste des Landes seine Stimme abgeben werde, und daß er hierzu weder überredet worden noch sonst deshalb etwas erhalten habe, oder etwas annehmen werde. Sollten dennoch Empfehlungen oder Werbungen vorkommen; so wird die dadurch bewirkte Wahl ungültig, eine anderweite nöthig, und die Schuldigen verlieren mit Vorbehalt anderer gesetzlicher Strafe ihr Wahlrecht. § 19. Bey der Wahl der Abzuordnenden und Stellvertreter selbst, wird sowohl bey denjenigen, die unmittelbar durch die Wahlberechtigten geschieht, als bey der Wahl, die durch Wahlmänner vollzogen wird, von jedem Wählenden für die doppelte Zahl der Abzuordnenden, Candidaten nahmhaft gemacht, und wenn dieses geschehen ist, durch die das Wahlgeschäft leitende

794

Textanhang

Behörde in Ordnung so zusammengestellt, daß derjenige, der die meisten Stimmen erhalten hat, als erwählter Deputirter für die Ständeversammlung, und so, nach Mehrheit der Stimmen, die übrigen als Stellvertreter angesehen werden. Träfe sich es jedoch, daß die Wählenden oder Wahlmanner auf gleiche Personen gefallen seyn sollten, so geht derjenige als Deputirter oder Stellvertreter dem andern vor, der vor dem andern nahmhaft gemacht worden ist; wäre aber auch die Ordnungszahl, in der die Candidaten nahmhaft gemacht wurden, gleich, so entscheidet das Loos. § 20. Ablehnen kann ein Gewählter die Stelle eines Abgeordneten nur, wenn er Staatsdiener ist, oder wegen ärztlich bescheinigter Krankheit, oder wegen häuslicher Unentbehrlichkeit, die seine obrigkeitliche Behörde zu beglaubigen hat. § 21. Ueber die Wahlhandlungen werden von den Commissairen entweder selbst, oder durch beizuziehende verpflichtete Secretarien, und bey den Justiz-Aemtern durch einen Beamten, oder einen verpflichteten Actuar, ausführliche Protocolle mit genauer Bemerkung jedes Stimmenden und seiner Abstimmung aufgenommen, von den Commissarien und Beamten unterschrieben, und nebst den Acten mit einem die Namen der gewählten und deren Stellvertreter enthaltenden Bericht an die Landes-Regierung eingesendet. § 22. Die Landes-Regierung prüft dann ohne Zeitverlust die sämmtlichen Wahlen, und sendet die Acten mit ihren gutachtlichen Anträgen berichtlich an das Landes-Ministerium ein. § 23. Die hierauf eingehenden Resolutionen werden sowohl den leitenden Behörden als den genehmigten Gewählten und ihren Stellvertretern bekannt gemacht, und wegen der etwa erforderlichen neuen Wahlen wird das Nöthige angeordnet. Abweisende Resolutionen werden jedesmal mit Gründen versehen. § 24. Zur Beurtheilung der Legalität des Wahlgeschäfts werden die Wahl-Acten alsbald nach eröffneter Versammlung den Landständen vorgelegt, und die definitive Entscheidung über die Gültigkeit der Wahlen und über die Zulassung und Abweisung der Mitglieder, gehört, nach Eröffnung der Stände-Versammlung, für dieselbe selbst.

Textanhang

795

29. Verordnung über die Bezeichnung „Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld“ vom 20. Juni 1821 (ThStAGo Staatsministerium Dep. C II. Loc. J Tit. 1. Nr. 24 fol. 56 – 57) W i r E r n s t , vo n G o t t e s G n a d e n H e r z o g z u S a c h s e n, Jülich, Cleve, Berg, Engern, Westphalen und Coburg-Saalfeld, Landgraf zu Thüringen, Marggraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Fürst zu Lichtenberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein. Nachdem Wir dem, durch die Beschlüße des Wiener Congreßes an Uns und Unser Herzogl. Haus gediehenen Landstriche auf dem linken Rheinufer die Benennung Fürstenthum Lichtenberg, von der uralten darinn gelegenen Veldenzischen Burg gleiches Namens zu ertheilen, und als Grundlage der demnechst zu publicirenden neuen ständischen Verfaßung die Vereinigung Unserer sämmtlichen ältern Besitzungen in einen Staat beschloßen haben, so finden Wir für nothwendig wegen Unsers Titels und Wappens folgendes festzusetzen und zu Jedermanns Wißenschaft zu bringen. §. 1.) Die sämmtlichen ältern Besitzungen Unsers Hauses, nemlich die Fürstenthümer Coburg und Saalfeld und das Hennebergische Amt Themar bilden in Zukunft einen Staat unter dem Namen „Herzogthum Coburg-Saalfeld“. Zum Wappen deßelben bestimmen Wir einen gespaltenen Schild rechts im schwarzen Felde einen goldnen doppelt geschwänzten Löwen, links im blauen Felde zwey silberne mit dem Rücken gegen einander gekrümmte Fische. §. 2.) In Betracht, daß die ältesten bekannten Besitzer des bey weitem größten Theils Unsers Fürstenthums Lichtenberg die Grafen zu Veldenz und Saarbrück waren, von deren Letzern einer Namens Johann, vor 1327 die Burg und Villa Sanct Wendel an den Erzbischof Balduin zu Trier verkaufte, wollen Wir daß das Wappen deßelben ein von Silber und Blau quer getheilter Schild, in der blauen Hälfte mit silbernen Kreutzen bestreuet, mit einem aufrechten goldgekrönten Löwen sey, der in der obern silbernen Hälfte blau, in der untern blauen Hälfte silbern ist, und solchergestalt die vereinten Wappenschilder von Veldenz und Saarbrück enthalte. §. 3.) In Gemäßheit der obigen Bestimmungen nehmen Wir für die Zukunft folgenden Titel an: „Herzog zu Sachsen Coburg-Saalfeld, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf zu Thüringen, Marggraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Fürst zu Lichtenberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein“ welcher jedoch nur da gebraucht wird, wo nach der zeitherigen Observanz der größere Titel üblich gewesen ist, namentlich bey allen von Uns eigenhändig vollzogenen Ausfertigungen. Der mittlere Titel, welcher bey allen in Unserm Namen ergehenden Verordnungen Unsers Ministeriums und der Landes-Collegien zu gebrauchen ist, soll seyn: „Herzog zu Sachsen Coburg-Saalfeld, Landgraf zu Thüringen, Marggraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Fürst zu Lichtenberg“

796

Textanhang

Der kleinere, bey allen Rescripten und Bescheiden Unsers Ministeriums und der LandesCollegien gebräuchliche aber: „Herzog zu Sachsen Coburg-Saalfeld, Fürst zu Lichtenberg“ lauten. §. 4. In allen Fällen wo Unser großer Titel in Anwendung kommt, wird mit Unserm großen Wappen gesiegelt, deßen heraldische Beschreibung in der Beilage A. zu ersehen ist, so wie gleichzeitig mit den mittleren Titel, und als größeres Siegel Unserer Landes-Collegien das mittlere in der Beilage B. beschriebene Wappen zu gebrauchen ist. Als gewöhnliches oder kleines Siegel Unserer Landes-Collegien, so wie als Siegel Unserer Justiz- und CammerAemter und übrigen Unterbehörden wird nach wie vor, blos das Sächsische Wappenschild mit der Herzogl. Krone bedeckt, geführt. Coburg, zur Ehrenburg den 20. Jun. 1821 Ernst HzSCS v. Gruner

30. Verfassungsentwurf Opitz’ vom 20. Juli 1821 (StACo Min J 258 fol. 160 – 187’) Neuer Entwurf der Verfaßungsurkunde des Herzogthums Coburg-Saalfeld mit Berücksichtigung der von Herzogl. Landesregierung dazu gemachten Bemerkungen. Tit. I. Von dem Herzogthum und deßen Regierung im Allgemeinen §. 1.) Das Herzogthum Coburg-Saalfeld mit Einschluß des Amtes Themar, bildet einen Bestandtheil des deutschen Bundes. §. 2.) Die Beschlüße der Bundes-Versammlung, welche die verfaßungsmäßigen Verhältniße Deutschlands oder die Verhältniße deutscher Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, sind ein Theil des Staatsrechts des Herzogthums, und haben in demselben, wenn sie vom Landesherrn verkündet worden sind, verbindliche Kraft. Jedoch tritt in Ansehung der Mittel zur Erfüllung der hierdurch begründeten Verbindlichkeiten die verfaßungsmäsige Mitwirkung der Stände ein. §. 3.) Der Herzog ist das Oberhaupt des Staats, vereinigt sich in alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter den von ihm gegebenen in dieser Verfaßungsurkunde festgesetzten Bestimmungen aus. Seine Person ist heilig und unverlezlich.

Textanhang

797

§. 4.) Die Herzogliche Würde ist erblich in der directen leiblichen und gesetzmäßigen Nachkommenschaft des Herzogs nach dem Erstgeburtsrecht in männlicher Linie, so wie sich überhaupt die Erbfolge in dem Herzogl. Hause nach der für daßelbe bestehenden Primogenitur-Constitution und weiter nach den Verträgen in den Sächsischen Häusern richtet. Tit. II. Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Staatsbürger. §. 5.) Der Genuß aller bürgerlichen Rechte steht nur Inländern zu. §. 6.) Das Recht eines Inländers (Indigenat) wird erworben: a) durch die Geburt für denjenigen, dessen Vater oder Mutter zur Zeit seiner Geburt Inländer waren, b) durch Verheyrathung einer Ausländerin mit einem Inländer, c) durch Verleihung eines Staatsamtes, oder Erwerbung von Grundeigenthum, verbunden mit wesentlicher Wohnung, d) durch besondere Aufnahme, welche entweder ausdrücklich oder auch durch 10jährige Duldung geschiehet. §. 7.) Staatsbürger sind diejenigen Inländer männlichen Geschlechts, welche den HuldigungsEid geschworen haben. §. 8.) Jede rechtskräftige Verurtheilung zu einer peinlichen Strafe zieht den Verlust des Staatsbürgerrechts nach sich. Außerdem wird es verloren: a.) durch Auswanderung, b.) durch Verheyrathung an einen Ausländer. Und die in dem Herzogthum gebohrne Wittwe eines Ausländers kann nur mit Erlaubniß des Landesherrn dahin zurückkehren. §. 9.) Die Ausübung des Staatsbürgerrechts wird gehindert: a) durch Versetzung in den peinlichen Anklagestand, oder Verhängung der Special-Inquisition; b) durch das Entstehen eines gerichtlichen Concurs-Verfahrens über das Vermögen bis zur Befriedigung der Gläubiger; c) während der Dauer einer Curatel; d) für diejenigen, welche für die Bedienung der Person oder der Haushaltung von andern Kost und Wohnung erhalten.

798

Textanhang §. 10.)

Alle Einwohner des Herzogthums Coburg-Saalfeld sind vor dem Gesetze gleich. §. 11.) Die Geburt gewährt bey sonst gleichen Eigenschaften keinen Vorzug zur Erlangung irgend eines Staatsamts, doch werden, bey gleichen Eigenschaften, bey Besetzung von Dienststellen Inländer den Ausländern, und unter diesen Personen aus den übrigen Sächsischen Ländern andern Ausländern vorgezogen. §. 12.) Die Verschiedenheit der in dem Herzogthum anerkannten christlichen Confeßionen hat keine Verschiedenheit in den politischen und bürgerlichen Rechten zur Folge. §. 13.) Den anerkannten christlichen Confeßionen ist die gesetzmäsige freye und öffentliche Ausübung ihres Religions-Cultus gestattet. §. 14.) Jedem Einwohner des Herzogthums wird der Genuß vollkommener Gewißensfreiheit zugesichert, der Vorwand der Gewißensfreiheit darf jedoch nie ein Mittel werden, um sich irgendeiner nach den Gesetzen obliegenden Verbindlichkeit zu entziehen. §. 15.) Die Freyheit der Person und des Eigenthums, ist keiner anderen Beschränkung unterworfen, als welche Recht und Gesetz bestimmen. §. 16.) Jedem Einwohner steht das Recht der freyen Auswanderung nach den Bestimmungen des Gesetzes zu. §. 17.) Ganz ungemeßene Frohnen können nie Statt finden und die gemeßenen sind ablösbar, sowie alle Feudallasten überhaupt, nach einem darüber des nächsten erfolgenden allgemeinen Gesetz. §. 18.) Das Eigenthum kann für öffentliche Zwecke nur gegen vorgängige Entschädigung nach dem Gesetze in Anspruch genommen werden. §. 19.) Jeder Staatsbürger, für welchen keine gesetzliche Ausnahme besteht, ist verpflichtet, an der ordentlichen Kriegsdienstpflicht Antheil zu nehmen. Bei dem Aufrufe zur Erfüllung die-

Textanhang

799

ser Verbindlichkeit entscheidet unter den Gleichverpflichteten das Loos nach den bestehenden Loosungslisten, mit Gestattung der Stellvertretung. §. 20.) In außerordentlichen Nothfällen ist jeder Einwohner zur Vertheidigung des Vaterlands verpflichtet, und kann für diesen Zweck zu den Waffen gerufen werden. §. 21.) Niemand soll seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. §. 22.) Das materielle der Justiz-Ertheilung und das gerichtliche Verfahren innerhalb der Grenzen seiner gesetzlichen Competenz, Form und Wirksamkeit sind von dem Einfluße der Regierung ganz unabhängig. §. 23.) Kein Einwohner des Herzogthums darf anders, als in den durch das Recht und die Gesetze bestimmten Fällen und Formen, verhaftet oder bestraft werden. Keiner darf länger als 24 Stunden über den Grund seiner Verhaftung in Ungewißheit gelaßen werden, und dem ordentlichen Richter soll, wenn die Verhaftung von einer andern Behörde geschehen ist, in möglichst kurzer Frist von dieser Verhaftung die erforderliche Nachricht gegeben werden. §. 24.) Die Civil-Staatsdiener überhaupt, und die Richter insbesondere können nur durch gerichtliches Erkenntniß entsetzt, sie können auch nicht wider ihren Willen entlaßen und nur dergestalt versetzt werden, daß sie in derselben Dienstcathegorie verbleiben, und weder im Gehalte noch im Dienstgrade zurückgesetzt werden. §. 25.) Jedem steht die Wahl seines Berufs und Gewerbes nach eigener Neigung frey. Unter Beobachtung der hinsichtlich der Vorbereitung zum Staatsdienst bestehenden Gesetze ist es jeden überlaßen, sich zu seiner Bestimmung im Inlande oder Auslande auszubilden. Tit. III. Von den Kirchen, den Unterrichts- und Wohlthaetigkeits-Anstalten. §. 26.) Die innere Kirchenverfaßung genießt auch den Schutz der politischen. §. 27.) Verordnungen der Kirchengewalt können nur vom Herzog ausgehen, daher nur mit seiner Genehmigung verkündet und vollzogen werden.

800

Textanhang §. 28.)

Die Geistlichen sind in ihren bürgerlichen Verhältnißen, und bey strafbaren Handlungen, welche nicht bloße Dienstvergehen sind, der weltlichen Obrigkeit unterworfen. §. 29.) Die Beschwerden über Misbrauch der Amtsbefugniße der Geistlichkeit können jederzeit bey der geordneten oberen Landesstelle angebracht werden. §. 30.) Das Kirchengut, das Vermögen der vom Staate anerkannten Stiftungen, der Wohlthätigkeits- und Unterrichts-Anstalten, genießen des besondern Schutzes des Staats und kann unter keiner Bedingung dem Finanz-Vermögen einverleibt werden. §. 31.) Die Fonds der milden Stiftungen zur Beförderung der Gottesverehrung, des Unterrichts und der Wohlthätigkeit werden genau nach den darüber in den Stiftungsbriefen enthaltenen Verordnungen verwaltet. Ueber Abänderung in der Verwaltung oder Verwendung, in soferne solche Abänderungen nach dem Sinne des Stifters zuläßig sind, sollen die Stände vorher jedesmal mit ihrem Gutachten gehört werden.

Tit. IV. Von den Gemeinden. §. 32.) Die Angelegenheiten der Gemeinden sollen durch ein Gesetz geordnet werden, welches als Grundlage die eigene selbstständige Verwaltung des Vermögens, unter der Oberaufsicht des Staats aussprechen wird. §. 33.) Die Grundbestimmungen dieses Gesetzes werden einen Bestandtheil der Verfaßung bilden. §. 34.) Das Vermögen der Gemeinden kann unter keiner Voraussetzung dem Finanz-Vermögen einverleibt werden. Tit. V. Von den Landstaenden überhaupt. §. 35.) Für alle in dem Herzogthum Coburg-Saalfeld vereinte Landestheile soll von jetzt an eine Gesammtheit von Landständen bestehen, welche allen Theilen des Landes als einem Ganzen gemeinschaftlich ist.

Textanhang

801

§. 36.) Diese Gesammtheit von Landständen wird gebildet: 1) aus sechs Abgeordneten, welche die sämmtlichen Rittergutsbesitzer im Lande aus ihrer Mitte wählen in der Art, daß drey aus dem Fürstenthum Coburg, zwey aus dem Fürstenthum Saalfeld, und einer aus dem Amte Themar auf dem Landtag erscheinen. 2) aus zwey Abgeordneten der Stadtobrigkeiten zu Coburg und Saalfeld, von welchen jede einen aus ihrer Mitte, ferner 3) aus drey Abgeordneten der Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck, von welchen jede einen aus ihren Bürgern zu wählen hat; 4) aus sechs Abgeordneten der übrigen Städte und sämmtlichen Dorfsgemeinden, so daß aus jedem Amt mit Inbegriff der einbezirkten Städte einer der Eingeseßenen gewählt wird. §. 37.) Jeder Abgeordnete wird nur auf den Zeitraum vom Anfang einer ständischen Versammlung bis zur nächsten gewählt, und bleibt bey gleichen Eigenschaften von neuem wählbar. Findet sich der Landesherr veranlaßt, eine ständische Versammlung vor dem Schluße ihrer Geschäfte aufzulösen, so erlöschen dadurch die bisherigen Wahlen und es tritt vor der Wiedereröffnung der neuen Ständeversammlung, welche binnen sechs Monaten geschehen soll, eine neue Ständewahl ein. §. 38.) Jedes Ständemitglied ist als Abgeordneter nicht des einzelnen Wahlbezirks, sondern des ganzen Landes anzusehen. Es können daher weder einzelne derselben, noch mehrere zusammen, etwas in Landes-Angelegenheiten unter sich verhandeln, und so Anträge oder Beschwerden an den Regenten bringen, sondern alles muß von der Gesammtheit der Stände bey deren gesetzmäßigen Versammlung ausgehen, und jedes einzelne Mitglied derselben soll bey seiner Theilnahme an den ständischen Verhandlungen nach seiner eigenen Ueberzeugung stets das Wohl des Ganzen beabsichtigen, weder Instructionen noch Aufträge für seine Abstimmung von Andern eben so wenig annehmen, als sein Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausüben, wobey ihm jedoch unbenommen bleibt, Beschwerden einzelner Staatsbürger oder ganzer Gemeinden über Verletzung constitutioneller Rechte, in der Ständeversammlung vorzutragen. Vor Eröffnung der Landständischen Versammlung hat jeder Deputirte folgenden Eid zu leisten: „Ich schwöre Treue dem Herzog und dem Vaterlande, treue Beobachtung der bestehenden Landesverfaßung, Gehorsam den Landesgesetzen, und in der Ständeversammlung das allgemeine Wohl nach bester eigener Ueberzeugung zu berathen.“ Die Stellvertreter sind, wenn sie im Laufe einer ständischen Versammlung einberufen werden, vor ihrer Theilnahme an den Berathungen auf gleiche Weise zu verpflichten.

802

Textanhang Tit. VI. Von der Wahl der Landstände. §. 39.)

Zur Theilnahme an der Ständewahl sind im Allgemeinen nur diejenigen Landes-Angehörigen männlichen Geschlechts und christlicher Religion berechtigt, welche das fünf und zwanzigste Lebensjahr erreicht und den Huldigungseid abgelegt haben, auch im vollen Genuße des Staatsbürgerrechts sich befinden, und welche niemals wegen eines Verbrechens, wenigstens nicht ohne nachher erfolgte gänzliche Lossprechung in Untersuchung, oder wegen Schulden, wenigstens nicht ohne völlige Befriedigung ihrer Gläubiger, in Concurs befangen waren. §. 40.) An der Wahl der von den Rittergutsbesitzern im Lande zu wählenden Abgeordneten und Stellvertreter zur Stände-Versammlung soll jeder Besitzer eines im Lande gelegenen Ritterguts, dem keines der allgemeinen Erforderniße abgeht, ohne Rücksicht auf Stand, Dienstverhältniße und Wohnort Theil nehmen, und mehrere Besitzer eines Ritterguts haben einen von ihnen zur Stimmführung zu bevollmächtigen. Bey der Wahl zu Deputirten und Stellvertretern ist jedoch auch jeder der übrigen Mitbesitzer, in wiefern er sonst die gesetzlichen Eigenschaften hat, wählbar, nur mit der Beschränkung, daß aus den sämmtlichen Besitzern eines Ritterguts für einen und denselben Landtag nur einer als Deputirter oder Stellvertreter erscheinen kann. Eheweiber, welche ein Rittergut besitzen, können diese Theilnahme von ihrem Ehemann aus üben laßen, und dem Ehemann verbleibt diese Theilnahme auch nach dem Tode der Besitzerin so lange, als demselben vermöge der väterlichen Gewalt der Niesbrauch des von der Ehefrau den Kindern hinterlaßenen Gutes zukommt. §. 41.) In den Städten wird in der Regel zur Wahlberechtigung außer den allgemeinen Bedingnissen (§. 39.) das erlangte Bürgerrecht verbunden mit wesentlicher Wohnung erfordert. §. 42.)a: In den Dörfern ist auf gleiche Weise zur Theilnahme an den Wahlen das Nachbarrecht und der Besitz eines Hauses nöthig. Die Geistlichen auf dem Lande und die sonst daselbst sich befindenden Staatsdiener stimmen mit der Gemeinde ihres Orts. §. 42.)b: Die Wahl der Abgeordneten für die Rittergutsbesitzer und Stadtobrigkeiten geschieht unmittelbar durch die Wahlberechtigten aus der treffenden Claße selbst; die Wahl der übrigen Abgeordneten aber geschieht durch Wahlmänner. In den Städten wählt unter der Leitung der Stadtobrigkeit jedes Viertel vier Wahlmänner; in den Amtsbezirken wählt unter Leitung des Schultheißen und Dorfsmeisters jedes Dorf, welches 50 oder weniger Häuser hat, 1 Wahlmann; Dörfer von 100 Häusern wählen unter gleicher Leitung deren 4 und so weiter in dem Verhältniß zu 25 Häusern. Die Wahlmänner in den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck wählen unter Leitung eines Regierungs-Commißairs die Abgeordneten aus der Bürgerschaft und die Wahlmänner aus

Textanhang

803

den Aemtern und einbezirkten Städten unter Aufsicht des treffenden Amts aus deßen Bezirk die Deputirten und Stellvertreter. §. 43.) Bey der Theilnahme an der Ständewahl gilt durchgängig die Regel, daß die Wähler und Wahlmänner die Abzuordnenden aus ihrer Wahlklaße wählen, und daß ein Wähler oder Wahlmann bey der Wahl der Mitglieder einer ständischen Versammlung nur einmal seine Stimme geben, und hierin niemals in doppelter oder mehrfacher Eigenschaft handeln kann. §. 44.) Die allgemeinen Erforderniße eines Mitglieds der Ständeversammlung sind: Bekenntniß zur christlichen Religion ohne Unterschied der Confeßion, das Staatsbürgerrecht, dreyßigjähriges Alter, Unbescholtenheit des Rufs, indem kein Mitglied der ständischen Versammlung wegen eines gesetzlich mit Criminalstrafe bedrohten Verbrechens ohne unbedingt erfolgte Freysprechung in Untersuchung gekommen, oder auch ohne vollständige Befriedigung seiner Gläubiger in Concurs befangen gewesen seyn darf. Endlich 5) kann ein Mitglied der Stände weder unter väterlicher Gewalt, noch unter Vormundschaft, noch unter Privatdienstherrschaft stehen. 1) 2) 3) 4)

§. 45.) Bey der Klaße der Rittergutsbesitzer können auch die Väter, die den Niesbrauch an den Gütern ihrer Kinder haben, und die Ehemänner von Weibern, denen Rittergüter eigenthümlich zugehören, zu Abgeordneten bey der Ständeversammlung gewählt werden. Gleiches gilt auch von dem, der sich nicht im alleinigen Besitz, sondern nur im Mitbesitz eines Ritterguts mit einem oder mehreren befindet. §. 46.) Die Abzuordnenden von den Städten und Dorfsgemeinden sollen entweder den Besitz eines im Lande belegenen schuldenfreyen Vermögens von 5000 fl. rhnl. oder ein unabhängiges reines Einkommen von jährlich 400 fl. rhnl. nachweisen, oder eidlich versichern können. §. 47.) Bey den Abgeordneten aus den Städten und Dörfern ist außer obigen Bedingungen noch wesentliche Wohnung im Lande erforderlich, bey den aus den Rittergutsbesitzern aber wird diese nicht verlangt. Personen, welche in wirklichen Diensten eines anderen Staats stehen, können ohne besondere Bewilligung des Landesherrn nicht zur Wahl gelangen. §. 48.) Die Wahl der Ständemitglieder und eines Stellvertreters für jedes derselben, geschieht jedesmal vor Eröffnung eines neuen Landtags auf vorgängige Anordnung des Landesherrn. Für die Rittergutsbesitzer und die Abgeordneten von den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck wird der Wahltag unmittelbar von der Landesregierung sechs Wochen vorher im Regierungs-

804

Textanhang

blatt bekannt gemacht, und der zur Leitung des Wahlgeschäfts bestimmte Commißarius (§. 52) benannt. Für die übrigen Stände erfolgt diese Bekanntmachung ebenfalls sechs Wochen vorher durch öffentliche Anschläge an jedem Orte von den das Wahlgeschäft leitenden Behörden (§. 52). Die ohne solche Bekanntmachungen eigenmächtiger Weise vorgenommenen Wahlen sind ungültig und strafbar. Die Wahlen werden übrigens da, wo sie an einem Tage nicht beendigt werden können, jedesmal an den nächstfolgenden fortgesetzt und so ohne Unterbrechung vollendet. §. 49.) In der Regel werden die Wahlversammlungen von den Rittergutsbesitzern in dem Regierungsgebäude zu Coburg, für die Abgeordneten aus den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck auf den dasigen Rathhäusern, und für die von den übrigen und den Dorfsgemeinden zu wählenden Stände in den Localen der treffenden Justizämter gehalten. Die den Wahlact leitenden Behörden können jedoch nach Befinden auch ein anderes schickliches Locale dazu wählen, und haben den bestimmten Ort bey der Bekanntmachung des Wahltags anzugeben. §. 50.) Vor jeder Wahl der Wahlmänner haben die leitenden Behörden sich vollständige Verzeichnisse der Wahlberechtigten ihres Bezirks zu verschaffen, und diejenigen, welche bey dem Wahlact ohne die dazu erforderlichen Eigenschaften erscheinen, von der Theilnahme daran auszuschließen. Etwaige Beschwerde über eine solche Ausschließung und deshalbige Anträge auf Ehrenerklärung und Genugthuung können bey dem Justiz-Collegium zur rechtlichen Verhandlung und Entscheidung angebracht werden, doch kann dadurch der Wahlact selbst keine Störung erleiden. §. 51.) Bey solchen Wahlversammlungen muß wenigstens ein Drittheil der stimmberechtigten Einwohner des Wahlbezirks anwesend seyn, außerdem wird eine anderweite Versammlung auf einen nahen Tag anberaumt, wo dann die Wahl der Wahlmänner in jedem Falle vor sich geht. Bey den Wahlen der Abgeordneten müßen sämmtliche Wahlmänner zugegen seyn. §. 52.) Zur Leitung der Wahl der Abgeordneten wird sowohl für die Rittergutsbesitzer, als für die Stadtobrigkeiten und die Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck ein besonderer RegierungsCommißair ernannt, und die Wahlen der übrigen Stände sollen unter Aufsicht und Leitung der ersten Justizbeamten in ihren Amtsbezirken geschehen. Die leitenden Behörden erhalten übrigens für diese Arbeit keine Gebühren, sondern nur ihre gehabten Auslagen aus der Landeskaße ersetzt. §. 53.) Die Wahlberechtigten können bey der Abstimmung nur in eigener Person, nicht durch Bevollmächtigte handeln, und nicht sich selbst ihre Stimme geben. §. 54.) Den Rittergutsbesitzern ist nachgelaßen, ihre Abstimmung in eigenhändig geschriebenen und mit ihrem vollen Namen unterzeichneten Wahlzetteln abzugeben. Die Anwesenden stimmen in der Ordnung ab, wie sie sich zum Wahltage angemeldet haben, und die Abwesenden

Textanhang

805

haben ihre Abstimmung bis zum Wahltage einzusenden. Die Eröffnung der Wahlzettel geschieht in Gegenwart der Erschienenen, und die drey zunächst wohnenden Rittergutsbesitzer werden ausdrücklich dazu eingeladen. Jeder Rittergutsbesitzer hat übrigens seine Abstimmung in Gemäßheit des §. 57 einzurichten. §. 55.) Die Wahlberechtigten der übrigen Stände haben ihre Abstimmung dem zur Leitung des Wahlgeschäfts Beauftragten mündlich und einzeln zu eröffnen. §. 56.) Jeder Wahlberechtigte leistet vorher das Handgelöbniß, daß er nach inniger Ueberzeugung für das Beste des Landes seine Stimme abgeben werde, und daß er hierzu weder überredet worden, noch sonst etwas erhalten habe, oder annehmen werde. Sollten dennoch Empfehlungen oder Werbungen vorkommen; so wird die dadurch bewirkte Wahl ungültig, eine anderweite nöthig, und die Schuldigen verlieren mit Vorbehalt anderer gesetzlicher Strafe ihr Wahlrecht. §. 57.) Bey der Wahl der Abzuordnenden und Stellvertreter selbst, wird sowohl bey denjenigen, die unmittelbar durch die Wahlberechtigten geschieht, als bey der Wahl, die durch Wahlmänner vollzogen wird, von jedem Wählenden für die doppelte Zahl der Abzuordnenden, Candidaten nahmhaft gemacht, und wenn dieses geschehen ist, durch die das Wahlgeschäft leitende Behörde in Ordnung so zusammen gestellt, daß derjenige, der die meisten Stimmen erhalten hat, als erwählter Deputirter für die Stände-Versammlung und so nach Mehrheit der Stimmen die übrigen als Stellvertreter angesehen werden. Träfe sich es jedoch, daß die Wählenden oder Wahlmanner auf gleiche Personen gefallen seyn sollten; so geht derjenige als Deputirter oder Stellvertreter dem andern vor, der vor dem andern nahmhaft gemacht worden ist; wäre aber auch die Ordnungszahl, in der die Candidaten nahmhaft gemacht wurden, gleich; so entscheidet das Loos. §. 58.) Ablehnen kann ein Gewählter die Stelle eines Abgeordneten nur, wenn er Staatsdiener ist, oder wegen ärztlich bescheinigter Krankheit, oder wegen häuslicher Unentbehrlichkeit, die seine obrigkeitliche Behörde zu beglaubigen hat. §. 59.) Ueber die Wahlhandlungen werden von den Commißairen entweder selbst, oder durch beizuziehende verpflichtete Secretarien, und bey den Justizämtern durch den zweiten Beamten, oder einen verpflichteten Actuar, ausführliche Protocolle mit genauer Bemerkung jedes Stimmenden und seiner Abstimmung aufgenommen, von den Commißarien und ersten Beamten unterschrieben, und nebst den Acten mit einem die Namen der Gewählten und deren Stellvertreter enthaltenden Bericht an die Landesregierung eingesendet. §. 60.) Die Landesregierung prüft dann ohne Zeitverlust die sämmtlichen Wahlen, und sendet die Acten mit ihren gutachtlichen Anträgen berichtlich an das Landes-Ministerium ein.

806

Textanhang §. 61).

Die hierauf eingehenden Resolutionen werden sowohl den leitenden Behörden als den genehmigten Gewählten und ihren Stellvertretern bekannt gemacht, und wegen der etwa erforderlichen neuen Wahlen wird das Nöthige angeordnet. §. 62.) Abweisende Resolutionen werden jedesmal mit Gründen versehen, dem Nichtgenehmigten aber ist es noch verstatet, sich an die Ständeversammlung um Interceßion bey dem Landesherrn zu wenden. Beym Zurückweisen eines Gewählten trit der Stellvertreter, für diesen aber derjenige ein, der nach ihm die meisten Stimmen hat, und wenn ein solcher nicht vorhanden ist, erfolgt eine neue Wahl. Tit. VII. Von den Befugnißen der Landstände. §. 63.) Die Stände sind befugt, sich mit denjenigen Gegenständen zu beschäftigen, welche im Nachfolgenden zu ihrem Wirkungskreis angewiesen sind, und welche sich a) auf die Gesetzgebung, b) auf die Finanzverwaltung, und c) auf gemeinschaftliche Anträge und Beschwerden beziehen, und im folgenden näher angegeben sind. §. 64.) Neue Gesetze, welche die eigentliche Landes-Verfaßung, das heißt, die Bestimmung der gegenseitigen Rechte des Regenten und der Stände betreffen, so wie Abänderungen und Erklärungen der hierunter bestehenden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit die Zustimmung der Stände. §. 65.) Ohne Beyrath und Zustimmung der Stände können Gesetze, welche die persönliche Freiheit und das Eigenthum betreffen, auch in Bezug auf das Landespolizeywesen nicht gegeben, abgeändert oder aufgehoben werden. Wenn bey bestehenden Gesetzen die doctrinelle Auslegung nicht hinreicht, so tritt nicht authentische Auslegung, sondern die Nothwendigkeit der Bestimmung durch einen Act der Gesetzgebung ein. Wenn die Versammlung gegen einen Gesetzvorschlag stimmt, so bleibt er ausgesetzt, kann jedoch bey dem nächsten Landtag wieder vorgelegt werden. Dagegen können einzelne Verfügungen in dringenden Fällen zwar ohne Beyrath der Stände provisorisch getroffen werden, jedoch gelten diese Verfügungen nur für den besonderen dringenden Fall, und können nicht zur Consequenz als Gesetz angezogen werden. §. 66.) Der Landesherr ist befugt ohne ständische Mitwürkung, die zur Vorbereitung, Vollstrekkung und Handhabung der Gesetze erforderlichen, so wie die aus dem Aufsichts- und Verwaltungsrecht fließenden Verordnungen und Anstalten ingleichen besondere Anordnung zu treffen, welche sich nur auf einzelne Fälle, Gemeinheiten, Vereine und Personen oder auf vor-

Textanhang

807

übergehende Ereigniße beziehen, und überhaupt in allen Fällen das Nöthige zur Sicherheit des Staats vorzukehren. Auch bleiben die Landesherrlichen Rechte hinsichtl. der Privilegien, Dispensationen und Abolitionen durchgängig unbeschränkt. §. 67.) Gesetzes-Entwürfe können nur vom Landesherrn an die Stände, nicht von den Ständen an den Landesherrn gebracht werden. Die Stände können aber auf neue Gesetze, so wie auf Abänderung oder Aufhebung der bestehenden antragen. §. 68.) In Ansehung des Finanzwesens steht den Ständen bey der Verwaltung der Landeskaße unter der Oberaufsicht des Regenten, folgende Concurrenz zu: 1) wird der Etat der Landeskaße mit Zustimmung der Stände hergestellt; 2) sind die Stände berechtigt zu verlangen, und darüber zu wachen, daß der immer von einem Landtage zum andern geltende Etat pünctlich beobachtet werde, und für diese pünctliche Beobachtung ist sowohl das Landes-Ministerium als die Regierung verantwortlich; 3) haben die Stände zu allen über den Etat gehenden und außerordentlichen Ausgaben ihre besondere Zustimmung zu ertheilen; 4) werden den Ständen die Kaßenrapporte mitgetheilt; 5) haben die Stände das Recht, bey der Regierung auf Kaßenstürze anzutragen, und die Regierung hat diesen Anträgen stets zu willfahren, auch ist bey diesen Kaßenstürzen stets ein Mitglied der Stände gegenwärtig und auf deßen Anträge dabey Rücksicht zu nehmen, endlich 6) haben die Stände zur Besetzung der Landeskaßirsstelle dem Landesherrn geeignete Personen zur Ausübung vorzuschlagen. §. 69.) Die Stände sind ferner befugt, nicht nur eine vollständige Uebersicht und Nachweisung der Staatsbedürfniße, sondern auch eine gnügende Auskunft über die Verwendung ihrer Verwilligung zu begehren. Es sollen daher die Rechnungen von jedem Jahr und zwar jedesmal innerhalb 3 Monaten nach Ablauf des Jahres dem Landständischen Ausschuß vorgelegt werden. §. 70.) Zur Landeskaße sollen nicht nur die mit Bewilligung der Stände fortbestehenden directen und indirecten Steuern, sondern auch alle noch künftig von den Ständen zur Deckung der Landesbedürfniße verwilligt werdende Abgaben, so wie das Einkommen aus den Regalien und alle aus der Uebung der Landesherrl. Gewalt entspringenden Gefälle, nicht minder der gesammte Ertrag der Chaußee- und Weggelder aller Art, so wie alle zum Behuf des Militairs und in Beziehung auf solches von den Unterthanen erfolgende Leistungen und die von Hintersaßen zu zahlenden Schutzgelder fließen. Ueber diese der Landeskaße zu überweisenden Fonds, so wie über die Errichtung einer Schuldentilgungskaße, wird eine besondere Bestim-

808

Textanhang

mung durch Etats getroffen werden, welche nach erfolgter Uebereinkunft als ein integrierende Theil der Verfaßung anzusehen ist. §. 71.) Dagegen soll die Landeskaße die sämmtlichen Kosten der Staatsverwaltung, die Unterhaltung der dem Staatsdienst gewidmeten öffentlichen Gebäude, des Militairs, den Aufwand für Landesbehörden, Kirchen und Schulen, für Chaußeen und Wege und überhaupt für alles, was zu Erhaltung und Förderung des gemeinen Wesens durch allgemeine Landes-Anstalten erforderlich ist, bestreiten. Die Ueberschüße sind nach Bestreitung der Zinnsen zunächst zu den Schuldentilgungsfonds und zur Erhöhung des Fonds der Dienerpensionen zu verwenden, und inwiefern die nach §. 76. auf die Domainen radicirten Bedürfniße des Herzogl. Hauses und Hofs nicht aus den Domanial-Einkünften so vollständig als die Würde des Landesherrn erfordert, bestritten werden können, treten Zuschüße aus der Landeskaße ein. §. 72.) Zur Bestreitung der Landesbedürfniße sind insbesondere die Steuern bestimmt, zu welchen alle Staatsbürger nach verhältnißmäsiger Gleichheit, und alles Grundeigenthum im Lande, ohne Ausnahme, also auch die Domainengüter und Renten ebenfalls nach verhältnißmäsiger Gleichheit, beizutragen haben. Diese sämmtlichen Steuern sollen niemals ohne vorher gegangenes Gehör der Stände und ohne deren ausdrückliche Verwilligung ausgeschrieben oder erhoben werden. Doch dürfen die Stände ihre Verwilligungen nicht an Bedingungen knüpfen, welche den Zweck und die Verwendung derselben nicht selbst betreffen. §. 73.) Die Auflagen, insofern sie nicht blos für einen vorübergehenden Zweck bestimmt waren, dürfen nach Ablauf der Verwilligungszeit noch ein Jahr forterhoben werden, wenn die Ständeversammlung aufgelößt wird, ehe ein neues Finanzgesetz zu Stande kommt, oder wenn die ständischen Berathungen sich verzögern. Dieses Jahr wird jedoch in die neue Finanzperiode eingerechnet. §. 74.) Der Landesherr ist übrigens dann, wenn die Stände in dem dringenden Fall der Noth die heilige Verpflichtung des Unterthanen, Gut und Blut dem Fürsten und Vaterlande zu opfern, verkennen, und die nothwendige Verwilligung für die Erfüllung neuer durch Verpflichtungen gegen den deutschen Bund gegründeter Verbindlichkeiten verweigern sollten, zur Ausschreibung der dazu erforderlichen durch Ersparniße nicht aufzubringenden Summen berechtigt, und es wird über deren Verwendung öffentliche Rechenschaft abgelegt; auch steht dem Landesherrn die ausschliesende Verfügung über das Militair, die Formation deßelben, die Disciplinar-Verwaltung und das Recht, alle den Kriegsdienst betreffende Verordnungen zu erlaßen, ohne ständische Mitwirkung zu. Dagegen gehört das Conscriptionsreglement wegen seines nahen Bezugs auf die Freiheit und das Vermögen des Staatsbürgers in die Cathegorie der mit ständischer Berath- und Zustimmung zu erlaßenden allgemeinen Landesgesetze.

Textanhang

809

Aushebungen zur Vermehrung der Truppen über die Bundespflicht hinaus, können auch nur durch ein solches Gesetz bestimmt werden; unbeschadet jedoch des Landesherrlichen Rechtes, in dringenden Fällen die zur Sicherheit und Erhaltung des Staats nothwendigen Vorkehrungen zu treffen. §. 75.) Die gesammte Staatsschuld soll durch ein besonderes Gesetz und durch die Errichtung einer besonderen Staatsschuldentilgungsanstalt garantirt, auch eine Vermehrung der Staatsschulden ohne Einwilligung der Stände nicht vorgenommen werden. Zu der Schuldentilgungskaße fließen, außer den bestimmten ihr angewiesenen Fonds, auch alle EinnahmeUeberschüße aller Kaßen, nach Bestreitung der etatsmäsigen Ausgaben. Auf diesen Punct der Constitution werden alle Kaßen-Officianten von Herzogl. Landesregierung verpflichtet. Die Officianten der Staatsschuldentilgungs- sowie der Landeskaße sollen aber noch insbesondere auf die genaueste Befolgung der Constitution und der ihnen in dieser Gemäßheit zu ertheilenden Instruction in Gegenwart des Landschaftsdirectors oder eines Ständemitglieds verpflichtet werden. §. 76.) Die Domainen-Revenuen sollen für die Erhaltung des Regentenhauses und auf die Administrationskosten, und den übrigen Bedarf, so wie auf den Abtrag und die Verzinsung der auf dem Domainengute verbleibenden Schulden verwendet werden. Ueber die Modalität zweckmäsiger Benutzung können die Stände sich keine Einsprache erlauben, wohl aber gegen zweckwidrige die Etats störende Behandlung. Zur Sicherheit und Erhaltung des Domanial-Vermögens will der Landesherr die Stände zur Berathung und Beurtheilung in Ansehung einer nützlichen oder schädlichen Behandlung oder Verwendung dieses Vermögens zugezogen und die Stände als Garants von dem Domanial-Vermögen angesehen wißen, die Stände sind daher gehalten, in solcher Eigenschaft der Garants, keine zweckwidrige Behandlung, Verminderung oder Veräußerung des DomanialVermögens zu gestatten. §. 77.) Die Stände haben das Recht alles dasjenige vorzutragen, was sie vermöge eines von der absoluten Mehrheit der wenigstens zu 2 / 3 versammelten Abgeordneten des Landes bey der Ständeversammlung gefaßten Beschlußes für geeignet halten, um an den Landesherrn als Bitte oder Beschwerde gebracht zu werden. Dergleichen Anträge sollen jederzeit eine willige Annahme finden, und nach vorgängiger Erwägung die erforderlichen Verfügungen zur Erfüllung solcher Bitten oder zur Abhülfe der Beschwerden getroffen werden. §. 78.) Insbesondere haben auch die Stände das Recht, auf die in dem §. 77. bestimmte Art diejenigen Beschwerden an den Landesherrn zu bringen, welche sie sich gegen das Benehmen der Staatsdiener aufzustellen bewogen finden können. Solche Beschwerden sollen nemlich jedesmal zuerst bey dem Landesherrn angebracht werden, und nur dann auf dem Wege förmlicher Klage an das Justiz-Collegium, oder wenn sie gegen deßen Mitglieder gerichtet sind, an das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Jena gelangen, wenn sie von besonderer Erheb-

810

Textanhang

lichkeit sind, und Unterschleife bey öffentlichen Kaßen, Bestechungen, absichtlich verweigerte oder verzögerte Rechtspflege, Eingriffe in die Verfaßung, oder in die gesetzliche Freyheit, die Ehre und das Eigenthum der einzelnen Unterthanen oder verfaßungsmäsiger Behörden und Communen betreffen, und durch die von dem Landesherrn auf die zuerst bey ihm angebrachte Beschwerde getroffene Verfügung und darauf erfolgte Verantwortung des Angeschuldigten nicht erlediget sind. Ohne eine solche vorgängige Verantwortung des Angeschuldigten soll aber in keinem Falle eine förmliche Untersuchung gegen denselben verfügt werden. Das Recht der Beschwerde und Klage gegen die obersten Staatsdiener wird aber vorzüglich dadurch gesichert, daß alle Verfügungen des Regenten von denjenigen, welche ihn dabey berathen haben, contrasignirt werden müßen, und jeder solche Staatsdiener für die auf seinen Vortrag gefaßten Beschlüße dem Regenten und dem Lande besonders persönlich verantwortlich ist. §. 79.) Einzelne Staatsbürger und ganze Corporationen können sich zwar an die Stände wenden, wenn sie glauben, denselben etwas gemeinnütziges mittheilen, oder ihre Aufmerksamkeit auf einen Mangel oder Mißbrauch in der Verwaltung richten zu können, oder wenn sie hinsichtlich ihrer individuellen Intereßen sich auf eine unrechtliche oder unbillige Weise für verletzt oder gedrückt halten. Die Ständeversammlung kann aber nur dann die Beschwerde beachten und zu ihrer Competenz geeignet ansehen, wenn die Beschwerdeführer zugleich nachzuweisen vermocht haben, daß sie die gesetzlichen und verfaßungsmäßigen Wege bey den Landesbehörden zur Abhülfe ihrer Beschwerden vergeblich eingeschlagen haben. Solche Beschwerden können dann die Stände, falls sie nicht von ihnen, nach gesuchter und erhaltener Auskunft bey den obersten Landesbehörden, sofort als ungegründet verworfen werden, auf die vorbemerkte Weise an den Regenten bringen, und nachdem solches ohne Erfolg geschehen seyn sollte, auf rechtliches Gehör antragen. Anträge Einzelner und ganzer Corporationen hinsichtlich allgemeiner politischer Intereßen finden nicht Statt, und eine Vereinigung einzelner oder ganzer Corporationen für einen solchen Zweck sind gesetzwidrig und strafbar, indem die Prüfung und Wahrung dieser Intereßen lediglich der Stände-Versammlung als Gesammtheit zukommt. §. 80.) In der Regel sollen die ordentlichen Landtäge von 6 zu 6 Jahren und zwar jedesmal im Februar anfangend gehalten werden, und auf diese Zeit auch die Verwilligung geschehen. Es hängt jedoch von dem Landesherrn ab, ob er mehrmals und wie oft er die Abgeordneten des Landes zu fernern Landtägen zusammen berufen will. Nach Verlauf von sechs Jahren erlischt die Function der auf diese Zeit gewählten Deputirten. §. 81.) Der Landesherr allein hat das Recht, die Stände zu berufen und die ständische Versammlung zu vertagen, aufzulösen und zu schließen. Ständische Versammlungen ohne Landesherrl. Zusammenberufung oder nach bereits erfolgtem Schluß oder nach geschehener Vertagung des Landtags sind unzuläßig und gesetzwidrig, und alle dabey gefaßten Beschlüße sind nichtig.

Textanhang

811

§. 82.) Für den Inhalt ihrer freyen Abstimmung sind die Stände nicht verantwortlich, wenn sie nicht zugleich Verläumdungen Einzelner enthalten, wegen welcher diesen das Klagrecht nie entzogen werden kann. Für das Entferntbleiben unanständiger Aeußerungen hat der Landschafts-Director zu sorgen. Uebrigens genießen die Stände während des Landtags einer völligen Unverletztheit der Person, und können während dieser Zeit ohne Einwilligung der Ständeversammlung keiner Art von Arrest unterworfen werden, den Fall einer Ergreifung auf frischer That bey begangenen Verbrechen ausgenommen, wo aber der Ständeversammlung ungesäumt Anzeige des Vorfalls mit Angabe der Gründe gemacht werden soll. §. 83.) Die Eröffnung eines Landtags, so wie die Schliessung deßelben geschieht von dem Landesherrn entweder in eigener hoher Person, oder durch einen besonders dazu beauftragten Commißair, und nach dem Schluße wird der den Ständen bereits vorher mitgetheilite Landtagsabschied bekannt gemacht. Tit. VIII. Von der Geschäftsordnung bey den Landtägen. §. 84.) Auf den Landtägen sind alle ständischen Angelegenheiten in der Regel von der Gesammtheit der Stände zu behandeln. Diejenigen, welche für besondere Commißionen oder den Landschaftsdirector allein gehören, sind unten angegeben. §. 85.) Nach Beendigung der Wahlen erfolgt die Zusammenberufung der Stände von dem Regenten durch ein Rescript an die Landesregierung mit Bestimmung des Orts und der Zeit. Hierauf wird eine allgemeine Bekanntmachung im Regierungsblatt, und an jedes Ständemitglied ein besonderes Einberufungs-Schreiben erlaßen. §. 86.) Die Abgeordneten haben ihre Anwesenheit einer dazu ernannten Landesherrlichen Commißion zu melden, oder bey derselben ihr Nichterscheinen schriftlich und zeitig zu entschuldigen, um deren Stellvertreter noch einberufen zu können. Wenn nicht wenigstens zwey Drittheile der Abgeordneten anwesend sind, kann weder der Landtag eröfnet, noch sonst eine vorbereitende ständische Verhandlung mit Gültigkeit vorgenommen werden. §. 87.) Die Landesherrliche Commißion versammelt dann zuvörderst an einem dazu bestimmten Tage die Abgeordneten, um die Wahl eines Landschaftsdirectors und eines Secretairs, so wie eines Stellvertreters für den Landschaftsdirector und den Secretair, von der Ständeversammlung bewirken zu laßen. Die Wahl selbst geschiehet durch schriftliches Stimmgeben an die Commißion nach der Ordnung des natürlichen Alters der einzelnen Abgeordneten.

812

Textanhang §. 88.)

Zu diesen Stellen ist jedes Mitglied der ständischen Versammlung, welches im Lande angeseßen ist, wählbar. Um die zu diesen Wahlen nöthige unbedingte Stimmen-Mehrheit zu erlangen, kann so lange abgestimmt werden, bis wenigstens Stimmengleichheit erfolgt, dann entscheidet das Loos. §. 89.) Die geschehenen Wahlen werden dem Landesherrn von der Commißion zur Bestätigung vorgetragen. Erfolgt diese aus anzugebenden Gründen nicht durchgängig; so wird wegen der Nichtgenehmigten zu einer anderweiten Wahl geschritten, die ebenfalls vorzutragen ist. §. 90.) Nach eingegangener Landesherrlicher Bestätigung geschieht die Eröffnung der ständischen Versammlung, nachdem vorher der Landschaftsdirector, der Secretair und die Stellvertreter derselben von der Commißion verpflichtet worden sind. In der Stände-Versammlung sitzt der Landschaftsdirector oben an, und neben ihm zur linken Seite der Secretair und die Stellvertreter von beiden, die übrigen Stände aber nach der Ordnung ihres natürlichen Alters. Die Mitglieder des Landes-Ministeriums haben bey der Ständeversammlung freyen Zutritt außer bey Abstimmungen und vertraulichen Sitzungen. §. 91.) Der Landschaftsdirector hat zur Leitung der Geschäfte die Rechte und Obliegenheiten eines Collegial-Präsidenten. Er empfängt die Eingänge, bestimmt, eröffnet und schließt die Sitzungen; leitet die Berathungen, verhüthet alle Abschweifungen, und stellt die Gegenstände des Abstimmens in einzelne zur unbedingten Bejahung und Verneinung geeigneten Fragen auf; er handhabt die Ordnung so wie die Gesetze des Anstands, duldet keine Persönlichkeiten oder beleidigende Aeußerungen, und kann Falls ein Mitglied seine Verweisung zur Ordnung unbefolgt läßt, die Sitzung alsbald schließen, und die Gesammtheit der Stände darf dann in der nächsten Sitzung Misbilligung und im Wiederholungsfalle zeitige oder gänzliche Ausschließung aus der Ständeversammlung erkennen. Der Landschaftsdirector erhält ferner die schriftlichen Anzeigen von dem Grund der Abwesenheit der im Orte sich befindenden Mitglieder, ertheilt den Anwesenden einen Urlaub bis zu vier Tagen, und bringt die Gesuche um einen längern oder um gänzlichen Abgang bey der Ständeversammlung zum Vortrag, von welchen sodann auch höchsten Orts Anzeige zu machen ist. §. 92.) Der Secretair führt die Protocolle in den allgemeinen Sitzungen, entwirft die schriftlichen Ausfertigungen und Beschlüße, und sorgt für Ordnung der Canzley, sowie für Aufbewahrung und Ordnung der Acten. §. 93.) Zu Anfang der Sitzung wird das Protocoll der vorhergehenden, um es mit Einverständniß der Ständeversammlung zu faßen, durch den Secretair vorgelesen, von dem Präsidenten und dem Secretair unterschrieben und von sämmtlichen anwesenden Deputirten signirt. Nach Be-

Textanhang

813

kanntmachung des Inhalts der Eingänge seit der letzten Sitzung wird zur Tagesordnung geschritten. §. 94.) Zuerst sind nemlich die von dem Landesherrn den Ständen vorgelegten Anträge und zwar in der Ordnung, wie sie gefaßet und eingegangen sind, in Berathung zu ziehen. Die Mittheilung dieser Anträge geschieht durch das Landes-Ministerium oder eine besondere Commißion. Zur Beförderung des Gangs der Geschäfte können wichtige Angelegenheiten durch Mitglieder des Landes-Ministeriums oder durch besondere Commißionen in der Stände-Versammlung noch besonders mündlich erörtert und erläutert werden. §. 95.) Wenn die vorhandenen Landesherrlichen Anträge durch Beschlüße erledigt sind, dann werden diejenigen Gegenstände in der von dem Landschaftsdirector zu bestimmenden Ordnung vorgenommen, welche von den Mitgliedern der Ständeversammlung in Antrag gebracht worden sind. Es steht nemlich jedem Mitgliede wie dem Landschaftsdirector frey, über sonst irgend wichtige Gegenstände, die nicht in den Landesherrlichen Anträgen enthalten sind, Vortrag zu thun, nachdem es seine Absicht dem Landschaftsdirector angezeigt, und dieser einen Tag dazu bestimmt hat. Schriftliche Verhandlungen der Stände mit andern Behörden oder Personen außer dem Landes-Ministerium sind nicht gestattet. §. 96.) Zur Bearbeitung einzelner Gegenstände kann die Versammlung einige aus ihrer Mitte durch die Wahl nach relativer Mehrheit der Stimmen ernennen. Diese Commißionen haben sich mit den Mitgliedern des Ministeriums oder den Landtags-Commißarien zu benehmen, um die erforderlichen Nachrichten zu erhalten, oder um zu einer Ausgleichung etwaiger abweichender Ansichten zu gelangen. Bey den Verhandlungen einer solchen Commißion führt ein Mitglied das Protocoll, die Beschlüße werden nach absoluter Stimmen-Mehrheit gefaßt, und durch ein von der Commißion selbst gewähltes Mitglied derselben entweder mündlich oder schriftlich in der ständischen Versammlung zum Vortrage gebracht. Bey der Berathung darüber hat jedes Mitglied der Commißion seine Stimme so gut, wie die übrigen Stände. §. 97.) Nur diejenigen, welche einen Antrag machen, oder den Beschluß einer Commißion vorzutragen haben, sind zur Vorlesung schriftlicher Aufsätze berechtigt; den übrigen Mitgliedern ist es zwar freygestellt, ihre Meynungen über die vorgekommenen Berathungspuncte ausführlich zu äußern, sie haben sich aber auf mündliche Vorträge zu beschränken. §. 98.) Findet der Landschaftsdirector die in Berathung gekommenen Gegenstände zur Faßung der nöthigen Beschlüße genugsam vorbereitet, so wird zur Stellung der Fragen, worüber abgestimmt werden soll, übergegangen, und es steht jedem Mitgliede frey, auf Abänderung dieser Stellung anzutragen; ist hierüber die Discußion beendigt, so erklärt der Landschaftsdirector die ständischen Verhandlungen darüber für geschloßen, und setzt einen Tag zur Abstimmung fest. Die Abstimmung erfolgt dann ohne weitere Erörterung. Jedes Mitglied stimmt auf die vorgelegten Fragen des Landschaftsdirectors (§. 91.) aufgerufen vom Jüngsten an nach der Reihe der Sitze, zuletzt der Secretair und der Landschaftsdirector, durch Ja oder Nein.

814

Textanhang

Der Secretair bemerkt das Resultat der Abstimmung der Zahl nach, und der Landschaftsdirector spricht am Ende den Beschluß der Stände aus. §. 99.) Zur Gültigkeit eines solchen Beschlußes ist die absolute Mehrheit der Stimmen bey Anwesenheit von wenigstens zwey Drittheilen der ständischen Gesammtheit nöthig, und zu Abänderung der ständischen Verfaßung wird die Gleichstimmung von drey Viertheilen derselben erfordert. Tritt statt der absoluten Stimmen-Mehrheit im erstern Fall eine Gleichheit der Stimmen ein, und bleibt dieselbe auch nach nochmaliger Abstimmung; so entscheidet der Ausspruch des Regenten, bey andern Gegenständen die Meinung für die bestehende Einrichtung, und bey Beschwerden gegen Einzelne die ihnen günstigere Ansicht. Gegen einen auf die vorgedachte Weise gefaßten Beschluß findet durchaus keine weitere Einwendung statt. §. 100.) Die Beschlüße der Stände-Versammlung werden, mit der gehörigen Deutlichkeit und Bestimmtheit abgefaßt, unter der Aufschrift: Erklärungsschrift der getreuen Stände des Herzogthums Coburg-Saalfeld, vom Landschaftsdirector und Secretair unterschrieben, dem LandesMinisterium übergeben, und von diesem werden die Resolutionen des Regenten den Ständen ebenfalls schriftlich eröffnet. §. 101.) Mündliche Erklärungen der Stände über vorgekommene Berathungspuncte finden ebensowenig, als mündliche Anträge bey dem Regenten statt, auch ist zu Deputationen der Stände an den Landesherrn jedesmal eine vorher dazu eingeholte Erlaubniß nöthig. §. 102.) Bey einem bloß vertagten Landtage geschieht die Zusammenberufung der Stände durch den Landschaftl. Ausschuß auf den Grund eines Landesherrlichen Rescripts, und die Geschäfte werden dann in derselben Ordnung wie sonst auf den Landtägen behandelt. §. 103.) Die Mitglieder der Ständeversammlung erhalten auf Begehren aus der Landeskaße sowohl Vergütung der Reisekosten, als auch eine für alle ganz gleichmäsige tägliche Auslösung für die Zeit ihres Aufenthalts. Tit. IX. Von dem ständischen Ausschuß. §. 104.) Von einem Landtag bis zum nächstfolgenden werden die Landständischen Geschäfte durch einen Ausschuß besorgt, welcher aus a) dem Landschaftsdirector und dem Secretair, b) zwey Abgeordneten aus dem Herzogthum Coburg und c) zwei Abgeordneten aus dem Herzogthum Saalfeld, besteht.

Textanhang

815

Dieses Personal wird mit Ausnahme des schon gewählten Landschaftsdirector und Secretairs von der Stände-Versammlung durch absolute Stimmen-Mehrheit gewählt, und dem Landesherrn zur Genehmigung angezeigt. Die Wirksamkeit dieses Ausschußes hört mit dem zunächst eintretenden Landtage auf, und die Mitglieder deßelben nehmen an den Geschäften dieses neuen Landtags nur in so ferne Theil, als sie entweder selbst zu Ständemitgliedern bey demselben gewählt und bestätigt werden, oder als die neue Ständeversammlung über ihre bisherige Geschäftsführung Auskunft oder Rechenschaft verlangt. §. 105.) Die Verrichtungen des Ausschußes sind: 1) die Zusammenberufung der Landständischen Abgeordneten, wenn von dem Landesherrn entweder auf Antrag des Ausschußes oder aus eigener Bewegung ein vertagter Landtag wieder in Thätigkeit gesetzt wird, 2) vorläufige Berathung und Bearbeitung der auf dem Landtage zum Vortrag kommenden Geschäfte, soweit sie nemlich schon vor deßen Eröffnung bekannt sind, z. B. vorläufige Prüfung der Etats, Berathung über vorgekommene Beschwerden, Revision der früherhin ohne Landschaftl. Concurrenz erlaßenen Verordnungen, Begutachtung der von dem Gouvernement mitgetheilten Gesetz-Entwürfe u.s.w. Uebrigens steht dem Ausschuß frey, in Ansehung der ihn erforderlichen Nachrichten und Aufschlüße sich unmitelbar an das Landes-Ministerium zu wenden, und versteht es sich von selbst, daß die Mitglieder der Stände-Versammlung in den Plenar-Sitzungen an das Gutachten des Ausschußes nicht gebunden sind. 3) fortwährende Vertretung der Stände außer dem Landtag während seiner Periode. Der Ausschuß kann jedoch weder Steuern und andere Belastungen des Staatsbürgers bewilligen, noch sich definitiv über Gesetzvorschläge oder andere zur unmittelbaren Cognition der Landschaft geeignete Gegenstände erklären, sondern er ist verbunden, bey Angelegenheiten, welche nicht länger ausgesetzt werden können, auf die Einberufung eines Landtags, wenn der vorhergegangene förmlich geschlossen ist, oder auf Wiedereinberufung der Stände bey nur vertagten Landtägen anzutragen. Zu seiner vollen Competenz gehört a) die fortwährende Controle über die Aufrechterhaltung der Verfaßung und Vollziehung der von dem Landesherrn genehmigten Beschlüße des Landtags und der festgesetzten Etats; b) die Befugniß, in dringenden Fällen Anzeigen an den Landesherrn zu erstatten, oder Vorstellungen und Beschwerden anzubringen; c) der Antrag auf Zusammenberufung außerordentlicher Landes-Versammlungen unter Anführung seiner Gründe; d) die Unterzeichnung der Landschaftlichen Schuldverschreibungen; e) die Aufsicht über die Verwaltung der Landeskaße; f) die einstweilige Besetzung solcher Landständischer Stellen zu veranlaßen, welche bis zum nächsten Landtag nicht ausgesetzt bleiben können. §. 106.) Die Aufsicht über die Verwaltung der Landeskaße wird von einem Mitgliede des Ausschußes und einem Mitgliede der Landesregierung besorgt. Diese Kaßen-Curatel ist der Landesregierung und der gesammten Landschaft, so wie dem engern Ausschuß in der Art unter-

816

Textanhang

geordnet, daß alle zur Landeskaße sich eignenden Zahlungen an die Curatel zu weisen und von dieser an die Landeskaße zu verfügen sind. Der Landes-Caßirer steht zunächst unter der Kaßen-Curatel; diese unter der Herzogl. Landesregierung und dem Landschaftlichen Ausschuß in Beziehung auf den formellen Geschäftsgang; bey verschiedenartigen Ansichten der Herzogl. Landesregierung und des Landschaftl. Ausschußes entscheidet nach vorgängiger Communication des Herzogl. Landes-Ministerii und der Ständeversammlung, der Landesherr. §. 107.) Der Landes-Caßierer wird auf Lebenszeit ernannt, und vor der Landesregierung nach §. 75. verpflichtet. Er muß eine angemeßene Caution stellen, und kann nur aus denselben Gründen entlaßen werden, wie jeder andere Staatsdiener. Ihm liegt die Verwaltung des Landeskaße nach den von den Ständen genehmigten und vom Landesherrn bestätigten Etats und in Ansehung der nicht etatsmäßigen Leistungen nach den Anweisungen der Kaßen-Curatel, ob. §. 108.) Der Landschaftsdirector, der Secretair und der Kaßierer beziehen fixe Besoldungen aus der Landeskaße, die Ausschußdeputirten aber erhalten bey ihren Versammlungen, welche jährlich wenigstens zweymal gehalten werden, den Ersatz der Reisekosten und dieselbe Auslösung, wie die Abgeordneten bey den Landtägen. §. 109.) Außer den regelmäßig jährlich zweymal, im Frühjahr und Herbst, nach vorgängiger Anzeige bey dem Landesherrn, statt findenden Zusammenkünften, kann sich der Ausschuß zur Besorgung der ihm obliegenden Geschäfte, nur nach vorgängiger Genehmigung und Einberufung des Landesherrn versammeln. In Ansehung der Form der Verhandlung gelten dieselben Bestimmungen, welche für die Geschäfte auf den Landtägen festgesetzt sind. Die Protocolle sind aber so zu faßen, daß die künftigen Landesdeputirten den Gang der Verhandlungen, und die Gründe, welche einen Beschluß oder ein Gutachten motivirt haben, daraus ersehen können. In dringenden und bey minder wichtigen Angelegenheiten können die Meinungen der Ausschuß-Deputirten auch außer der Versammlung schriftlich eingeholt werden. Die Berichte und Expeditionen ergehen nicht im Namen der gesammten Landschaft, sondern unter der Aufschrift: Deputation der Stände des Herzogthums Coburg-Saalfeld, und Resolutionen werden auch an diese Deputation gerichtet. Die Ausfertigungen sind im Concept von dem Landschaftsdirector und den Deputirten zu zeichnen. Die Vollziehung der Reinschrift erfolgt aber von dem ersten und dem Secretair. §. 110.) Sollte der Landschaftsdirector sterben, oder sonst austreten, so geht seine Function so wie auch in andern Verhinderungsfällen auf den ältesten Deputirten über. Sollte aber nur noch ein Glied des Ausschußes übrig seyn, so ist die Zusammenberufung eines Landtags und die Wahl neuer Ausschußmitglieder möglichst zu beschleunigen.

Textanhang

817

§. 111.) Sollte der Secretair zu einer Zeit sterben, oder sonst abgehen, wo der nächste Landtag noch über zwey Monate entfernt ist, so hat der Ausschuß bis zum nächsten Landtag ein anderes Ständemitglied zum Secretair zu wählen und provisorisch mit Genehmigung des Landesherrn anzunehmen. §. 112.) Einige Zeit vor Eröffnung eines ordentlichen Landtags entwirft die Finanzbehörde unter Concurrenz der gesammten Landesregierung die Etats, welche immer auf sechs Jahre einzurichten sind und diese Etatsentwürfe können von dem Ministerio dem bestehenden Ausschuß zur vorbereitenden Prüfung mitgetheilt werden. Zu dieser Prüfung kann der Landschaftl. Ausschuß die Mittheilung aller Notizen von dem Landes-Ministerium verlangen, welche nicht nur eine vollständige Uebersicht des Zustandes aller Kaßen geben, sondern auch die Beurtheilung der Mittel zur Aufbringung der erforderlichen Bedürfniße erleichtern. §. 113.) Die förmliche Prüfung der Etats erfolgt auf den Landtägen und die Ständeversammlung berathet sich über deren Ausführung hinsichtlich deren Nothwendigkeit der darinnen aufgeführten Bedürfniße und hinsichtlich der Ausführbarkeit der zu machenden Verwilligungen. Das Resultat dieser Berathung wird mit der Anzeige der gemachten Verwilligung in einer eigenen Erklärungsschrift der Stände-Versammlung an den Landesherrn gebracht, worauf von Seiten des Landesherrn entweder die Bestätigung der vom Landtag geschehenen Vorschläge erfolgt oder eine nochmalige Prüfung und Erörterung der Sache veranlaßt wird. §. 114.) Sind der Landesherr und der Landtag über die sämmtlichen, für die nächsten 6 Rechnungsjahre und in denselben erforderlichen öffentlichen Abgaben über deren Betrag, Art und Erhebungsweise einverstanden, so werden diese Abgaben als von den Landständen verwilligte und von dem Landesherrn genehmigte, mittelst Landesherrl. Patents ausgeschrieben. §. 115.) Auf die bey dem Landtage festgesetzten und von dem Landesherrn genehmigten Etats, ist von den treffenden Unterbehörden, nemlich von den Justiz- und Cammer-Aemtern eben so wie von dem Landeskaßierer, von der Kaßen-Curatel, von dem Landschaftlichen Ausschuß, von der Landesregierung und von dem Landes-Ministerium auf das strengste und unverbrüchlichste zu halten, wie denn der Landesherr selbst sich keine Anweisung an die Kaßen erlauben wird, welche deren Etat in irgend einem Puncte entgegen läuft. §. 116.) Die vorstehenden Bestimmungen, welche zunächst die Deckung der gewöhnlichen Staatsbedürfniße zum Gegenstand haben, gelten auch von dem Fall, wo entweder auf den Bericht eines Landes-Collegiums, oder ohne solchen, nach eigenen Ermeßen des Landesherrn, andere als die schon mit Zustimmung der Stände-Versammlung bestimmten Finanzmaasregeln, welche auf das Intereße des Landes Einfluß haben können, ergriffen, oder andere außerordent-

818

Textanhang

liche Leistungen und Anstrengungen der Staatsbürger erfordert werden sollten. Der Antrag dazu geht von dem Landesherrn unmittelbar an den Landtag, und erst wenn dieser seine Einwilligung ertheilt hat, erfolgt die endliche Bestätigung und die Bekanntmachung derselben in dem gesetzlichen Wege. §. 117.) Sollten sich in der Zeit von einer der gewöhnlichen Landständischen Versammlungen zu der Andern solche außerordentliche, nicht vorher zu sehen gewesene Ereigniße zutragen, welche von der Landeskaße eine beträchtliche Zahlung auf die in dem Etat nicht gerechnet werden konnte, unabwendbar erfordern oder Anstrengungen und Leistungen nöthig machen, so wird in minder wichtigen und eiligen Fällen die Zusammenkunft des Ausschußes, in wichtigern Fällen, welche für solche von der absoluten Mehrheit der Deputirten bey der Circulation des von dem Ausschuß gemachten Antrags erklärt werden, eine außerordentliche Versammlung der Landständ. Abgeordneten, vom Landesherrn verfügt werden. §. 118.) Die Durchsicht, Prüfung und Abnahme der Landeskasserechnung geschieht jährlich von der Landesregierung gemeinschaftlich mit dem Landschaftlichen Ausschuß. Die Landeskaße-Curatel hat dieses Geschäft dadurch vorzubereiten und zu erleichtern, daß sie ausser der Nachweisung, wie bisher die von dem Landtage gebilligten Etats im Allgemeinen ausgeführt worden sind, die Rechnung des vorigen Jahres, welche schon durchgesehen, monirt und durch die Beantwortung der dagegen aufgestellten Erinnerungen zur Abnahme vorbereitet seyn müßen, sammt allen dazu gehörigen Belegen vorlegt. Es erfolgt nun eine nochmalige genaue Durchsicht und Prüfung, wobey sofort von der Kaßen-Curatel und dem LandesKaßierer die nöthigen Erläuterungen zu geben sind: und dann die Justificatur und Decharge des Rechnungsführers, auf den gemeinschaftl. Bericht der Landesregierung und des Landschaftlichen Ausschußes, von dem Landesherrn. §. 119.) Dem Landschaftlichen Ausschuß sowohl als der Ständeversammlung sollen jederzeit alle erforderlichen Rechnungen, Nachweisungen und Aufschlüße auf Verlangen mitgetheilt werden, um ihnen sowohl von der Nothwendigkeit der in den Etats oder Propositionen gemachten Anforderungen als von der zweckmäßigen Verwendung der früheren Verwilligungen die vollständigste Ueberzeugung zu verschaffen. §. 120.) Die von dem Landes-Caßierer jedesmal 4 Wochen nach dem Schluß des Rechnungsjahres bey dem Ausschuß zu übergebende und von diesem und. von der Herzogl. Landesregierung auf vorbeschriebene Art geprüfte, sodann auch justificirte Rechnungen werden dem Landtage bey der nächstfolgenden Versammlung vorgelegt. Der Landschaftl. Ausschuß und die KaßenCuratel sind der gesammten Landschaft zunächst dafür verantwortlich, daß die Etats nicht überschritten und keine unjustificirlichen Ausgaben auf die Kaße angewiesen werden. §. 121.) Diejenigen Diener, welchen die Domainen-Verwaltung obliegt, sind dafür verantwortlich, daß den Rechten der Landschaft Gnüge geleistet werde. Sollten dem Intereße des Landes ent-

Textanhang

819

gegen Dispositionen über die Substanz des Domainen-Vermögens getroffen werden, so sind solche auf blose Einsprache der Landschaft als von rechtswegen ungültig und selbst für den Landesherrn als unverbindlich zu erkennen. Tit. X. Von der Gewähr der Verfaßung §. 122.) An diesem Grundgesetz und der dadurch gestifteten Verfaßung des Herzogthums CoburgSaalfeld soll ohne Uebereinstimmung des Regenten und der Stände nach vorheriger Berathung auf einem Landtage weder etwas aufgehoben noch hinzugefügt werden. Jeder Staatsdiener wird auf deßen genaue Beobachtung verpflichtet, und jeder Landesregent wird bey dem Antritt der Regierung die Aufrechthaltung dieser Verfaßung durch eine schriftliche Urkunde bey Fürstl. Worten und Ehren versichern; und diese schriftliche Versicherung noch vor der Huldigung von dem Fürsten in Empfang zu nehmen, ist ein außerordentlicher Landtag zusammen zu berufen. Im Falle einer Vormundschaft schwört der Verweser gleich bey dem Antritt der Regentschaft in der deshalb zu veranstaltenden Stände-Versammlung den Eid: Ich schwöre, den Staat in Gemäßheit der Verfaßung und der bestehenden Gesetze zu verwalten, die Integrität des Landes und die Rechte des Herzoglichen Hauses zu erhalten, und dem Herzog die Gewalt, deren Ausübung mir anvertraut ist, getreu zu übergeben. Alle Staatsbürger sind bey der Ansäßigmachung und bey der Huldigung verbunden, den Eid abzulegen: Ich schwöre Treue dem Herzog, Gehorsam dem Gesetze und Beobachtung der Staatsverfaßung. §. 123.) Sollten über die Auslegung dieser Verfassungsurkunde, oder über die Anwendbarkeit ihrer Bestimmung auf vorkommende Fälle Zweifel entstehen, welche nicht im Wege der Güte beseitigt werden können, so soll den Ständen frey stehen, auf schiedsrichterliche Entscheidung anzutragen. §. 124.) Jede absichtliche Verletzung der Verfaßung im Staatsdienst soll als Verbrechen angesehen und bestraft werden. §. 125.) Für diese Verfaßung soll die Garantie des Bundestags nachgesucht werden.

820

Textanhang

31. Revidierter Verfassungsentwurf vom 8. August 1821 (StACo Landtag 12 / 2 nach fol. 1, unfol.) Revidirter Entwurf der Verfaßungsurkunde. Verfaßungsurkunde des Herzogthums Coburg-Saalfeld Wir Ernst, von GOTTes Gnaden Herzog zu Sachsen-Coburg-Saalfeld, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meissen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Fürst zu Lichtenberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein, etc. etc. Nachdem Wir die Wünsche Unserer getreuen Stände über die landständische Verfaßung vernommen und in möglichster Berücksichtigung derselben Unsere Entschließung gefaßt haben; So sehen Wir Uns nunmehr bewogen, diese landständische Verfaßung verbunden mit den übrigen dahin gehörigen gesetzlichene Bestimmungen in eine Urkunde zusammen zu faßen, und verordnen daher Folgendes als die Verfaßung des Herzogthums Coburg-Saalfeld. Tit. I.) Von dem Herzogthum und deßen Regierung im Allgemeinen §. 1.) Das Herzogthum Coburg-Saalfeld mit Einschluß des Amtes Themar, bildet einen deutschen Bundesstaat. §. 2.) Die Beschlüße der Bundes-Versammlung, welche die verfaßungsmäßigen Verhältniße Deutschlands, oder die Verhältniße deutscher Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, sind ein Theil des Staatsrechts des Herzogthums, und haben in demselben, wenn sie vom Landesherrn verkündet worden sind, verbindliche Kraft. §. 3.) Der Herzog ist als Landesherr das Oberhaupt des Staats, vereinigt sich in alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter den von ihm gegebenen in dieser Verfaßungsurkunde festgesetzten Bestimmungen aus. Die Person des Landesherrn ist heilig und unverlezlich. §. 4.) Die Herzogliche Würde ist erblich in der directen leiblichen und gesetzmäßigen Nachkommenschaft des Herzogs nach dem Erstgeburtsrecht in männlicher Linie, so wie sich überhaupt die Erbfolge in dem Herzogl. Hause nach der für daßelbe bestehenden Primogenitur-Constitution und nach den Verträgen in den Sächsischen Häusern richtet.

Textanhang

821

Tit. II.) Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Staatsbürger. §. 5.) Der Genuß aller bürgerlichen Rechte steht nur Innländern zu. §. 6.) Das Recht eines Innländers (Indigenat) wird erworben: a) durch die Geburt für denjenigen, deßen Vater oder Mutter zur Zeit seiner Geburt Innländer waren, b) durch Verheyrathung einer Ausländerin mit einem Innländer, c) durch Verleihung eines Staatsamtes, oder Erwerbung von Grundeigenthum, verbunden mit wesentlicher Wohnung im Lande, d) durch besondere Aufnahme, welche entweder ausdrücklich oder auch durch 10jährige Duldung geschiehet. §. 7.) Staatsbürger sind diejenigen volljährigen Innländer männlichen Geschlechts, welche den Huldigungseid geschworen haben. §. 8.) Jede rechtskräftige Verurtheilung zu einer peinlichen Strafe zieht den Verlust des Staatsbürgerrechts nach sich. Außerdem wird es verloren durch Auswanderung. §. 9.) Die Ausübung des Staatsbürgerrechts wird gehindert: a) durch Versetzung in den peinlichen Anklagestand, oder Verhängung der Special-Inquisition; b) durch das Entstehen eines gerichtlichen Concurs-Verfahrens über das Vermögen bis zur Befriedigung der Gläubiger; c) während der Dauer einer Curatel; d) für diejenigen, welche für die Bedienung der Person oder der Haushaltung von andern Kost und Wohnung erhalten. §. 10.) Alle Einwohner des Herzogthums Coburg-Saalfeld sind vor dem Gesetze gleich. §. 11.) Die Geburt gewährt bey sonst gleichen Eigenschaften keinen Vorzug zur Erlangung irgend eines Staatsamts. §. 12.) Die Verschiedenheit der in dem Herzogthum anerkannten christlichen Confeßionen hat keine Verschiedenheit in den politischen und bürgerlichen Rechten zur Folge.

822

Textanhang §. 13.)

Den anerkannten christlichen Confeßionen ist die gesetzmäßige freye und öffentliche Ausübung ihres Religions-Cultus gestattet. §. 14.) Jedem Einwohner des Herzogthums wird der Genuß vollkommener Gewißensfreyheit zugesichert, der Vorwand der Gewißensfreyheit darf jedoch nie ein Mittel werden, um sich irgendeiner nach den Gesetzen obliegenden Verbindlichkeit zu entziehen. §. 15.) Die Freyheit der Person und des Eigenthums, ist keiner anderen Beschränkung unterworfen, als welche Recht und Gesetz bestimmen. §. 16.) Jedem Einwohner steht das Recht der freyen Auswanderung nach den Bestimmungen des Gesetzes zu. §. 17.) Alle aus dem Lehensverband herrührende Frohnen sind ablösbar, so wie alle Feudallasten überhaupt, nach einem darüber des nächsten erfolgenden allgemeinen Gesetz. §. 18.) Das Eigenthum kann für öffentliche Zwecke nur gegen vorgängige Entschädigung nach dem Gesetze in Anspruch genommen werden. §. 19.) Jeder Staatsbürger, für welchen keine gesetzliche Ausnahme besteht, ist verpflichtet, an der ordentlichen Kriegsdienstpflicht Antheil zu nehmen. Bei dem Aufrufe zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit entscheidet unter den Gleichverpflichteten das Loos nach den bestehenden Loosungslisten mit Gestattung der Stellvertretung. §. 20.) In außerordentlichen Nothfällen ist jeder Einwohner zur Vertheidigung des Vaterlands verpflichtet, und kann für diesen Zweck zu den Waffen gerufen werden. §. 21.) Das Materielle der Justiz-Ertheilung und das gerichtliche Verfahren innerhalb der Grenzen seiner gesetzlichen Competenz, Form und Wirksamkeit sind von dem Einfluße der Regierung ganz unabhängig, und es soll Niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. §. 22.) Kein Einwohner des Herzogthums darf anders, als in den durch das Recht und die Gesetze bestimmten Fällen und Formen, verhaftet oder bestraft werden. Keiner darf länger als

Textanhang

823

24 Stunden über den Grund seiner Verhaftung in Ungewißheit gelaßen werden, und dem ordentlichen Richter soll, wenn die Verhaftung von einer andern Behörde geschehen ist, in möglichst kurzer Frist von dieser Verhaftung die erforderliche Nachricht gegeben werden. §. 23.) Die Verhältnisse der Civil-Staatsdiener werden in einem besondern Gesetze, welches einen Bestandtheil der Verfaßungsurkund bildet, ausführlich bestimmt werden. §. 24.) Jedem steht die Wahl seines Berufs und Gewerbes nach eigener Neigung frey. Unter Beobachtung der hinsichtlich der Vorbereitung zum Staatsdienst bestehenden Gesetze ist es jedem überlaßen, sich zu seiner Bestimmung im Innlande oder Auslande auszubilden. Tit. III.) Von den Kirchen, den Unterrichts- und Wohlthätigkeits-Anstalten. §. 25.) Die innere Kirchenverfaßung genießt auch den Schutz der politischen Verfaßung. §. 26.) Verordnungen der Kirchengewalt können ohne vorgängige Einsicht und Genehmigung des Landesherrn weder verkündet noch vollzogen werden. §. 27.) Die Geistlichen sind in ihren bürgerlichen Verhältnißen, und bey strafbaren Handlungen, welche nicht bloße Dienstvergehen sind, der weltlichen Obrigkeit unterworfen. §. 28.) Die Beschwerden über Mißbrauch der Amtsbefugniße der Geistlichkeit können jederzeit bey der geordneten obern Landesstelle angebracht werden. §. 29.) Das Kirchengut, das Vermögen der vom Staate anerkannten Stiftungen der Wohlthätigkeits- und Unterrichts-Anstalten, genießen des besondern Schutzes des Staats und kann unter keiner Bedingung dem Staatsvermögen einverleibt werden. §. 30.) Die Fonds der milden Stiftungen zur Beförderung der Gottesverehrung, des Unterrichts und der Wohlthätigkeit werden genau nach den darüber in den Stiftungsbriefen enthaltenen Verordnungen verwaltet. Ueber Abänderungen in der Verwaltung oder Verwendung, in so ferne solche Abänderungen nach dem Sinne des Stifters zuläßig sind, sollen die Stände vorher jedesmal mit ihrem Gutachten gehört werden.

824

Textanhang Tit. IV.) Von den Gemeinden. §. 31.)

Die Angelegenheiten der Gemeinden sollen durch ein Gesetz geordnet werden, welches als Grundlage die eigene selbstständige Verwaltung des Vermögens, unter der Oberaufsicht des Staats aussprechen wird. §. 32.) Die Grundbestimmungen dieses Gesetzes werden einen Bestandtheil der Verfaßung bilden. §. 33.) Das Vermögen der Gemeinden kann unter keiner Voraussetzung dem Staatsvermögen einverleibt werden. Tit. V.) Von den Landständen. §. 34.) Für alle in dem Herzogthum Coburg-Saalfeld vereinte Landestheile soll von jetzt an eine Gesammtheit von Landständen bestehen, welche allen Theilen des Landes als einem Ganzen gemeinschaftlich ist. §. 35.) Diese Gesammtheit von Landständen wird gebildet: 1.) aus sechs Abgeordneten, welche die sämmtlichen Rittergutsbesitzer im Lande aus ihrer Mitte wählen in der Art, daß drey aus dem Fürstenthum Coburg, zwey aus dem Fürstenthum Saalfeld, und einer aus dem Amte Themar auf dem Landtag erscheinen. 2.) aus zwey Abgeordneten der Stadtobrigkeiten zu Coburg und Saalfeld, von welchen jede einen aus ihrer Mitte, ferner 3.) aus drey Abgeordneten der Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck, von welchen jede einen aus ihren Bürgern zu wählen hat, 4.) aus sechs Abgeordneten der übrigen Städte und sämmtlichen Dorfsgemeinden, so daß aus jedem Amt mit Inbegriff der einbezirkten Städte einer der Eingeseßenen gewählt wird. §. 36.) Jeder Abgeordnete wird nur auf den Zeitraum vom Anfang einer ständischen Versammlung bis zur nächsten gewählt, und bleibt bey gleichen Eigenschaften von neuem wählbar. Findet sich der Landesherr veranlaßt, eine ständische Versammlung vor dem Schluße ihrer Geschäfte aufzulösen, so erlöschen dadurch die bisherigen Wahlen und es tritt vor der Wiedereröffnung der neuen Ständeversammlung, welche binnen sechs Monaten geschehen soll, eine neue Ständewahl ein. §. 37.) Jedes Ständemitglied ist als Abgeordneter nicht des einzelnen Wahlbezirks, sondern des ganzen Landes anzusehen. Es können daher weder einzelne derselben, noch mehrere zusam-

Textanhang

825

men, etwas in Landes-Angelegenheiten unter sich verhandeln, und so Anträge oder Beschwerden an den Regenten bringen, sondern alles muß von der Gesammtheit der Stände bey deren gesetzmäßigen Versammlung ausgehen, und jedes einzelne Mitglied derselben soll bey seiner Theilnahme an den ständischen Verhandlungen nach seiner eigenen Ueberzeugung stets das Wohl des Ganzen beabsichtigen, weder Instructionen noch Aufträge für seine Abstimmung von Andern eben so wenig annehmen, als sein Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausüben, wobey ihm jedoch unbenommen bleibt, Beschwerden einzelner Staatsbürger oder ganzer Gemeinden über Verletzung constitutioneller Rechte, in der Ständeversammlung vorzutragen. Vor Eröffnung der Landständischen Versammlung hat jeder Deputirte folgenden Eid zu leisten: „Ich schwöre Treue dem Herzog, treue Beobachtung der bestehenden Landesverfaßung, Gehorsam den Landesgesetzen, und in der Stände-Versammlung das allgemeine Wohl nach bester eigener Ueberzeugung zu berathen.“ Die Stellvertreter sind, wenn sie im Laufe einer ständischen Versammlung einberufen werden, vor ihrer Theilnahme an den Berathungen auf gleiche Weise zu verpflichten. §. 38.) Zur Theilnahme an der Ständewahl sind im Allgemeinen nur diejenigen Staatsbürger berechtigt, welche im vollen Genuß des Staatsbürgerrechts sich befinden, und welche niemals wegen eines mit peinlicher Strafe gesetzlich bedrohten Verbrechens, wenigstens nicht ohne nachher erfolgte gänzliche Lossprechung, in Untersuchung, oder wegen Schulden, wenigstens nicht ohne völlige Befriedigung ihrer Gläubiger, in Concurs befangen waren. §. 39.) An der Wahl der von den Rittergutsbesitzern im Lande zu wählenden Abgeordneten und Stellvertretern zur Ständeversammlung soll jeder Besitzer eines im Lande gelegenen Ritterguts, dem keines der allgemeinen Erforderniße abgeht, ohne Rücksicht auf Stand, Dienstverhältniße und Wohnort Theil nehmen, und mehrere Besitzer eines Ritterguts haben einen von ihnen zur Stimmführung zu bevollmächtigen. Bey der Wahl zu Deputirten und Stellvertretern ist jedoch auch jeder der übrigen Mitbesitzer, in wiefern er sonst die gesetzlichen Eigenschaften hat, wählbar, nur mit der Beschränkung, daß aus den sämmtlichen Besitzern eines Ritterguts für einen und denselben Landtag nur einer als Deputirter oder Stellvertreter erscheinen kann. Eheweiber, welche ein Rittergut besitzen, können diese Theilnahme von ihrem Ehemann ausüben laßen, und dem Ehemann verbleibt diese Theilnahme auch nach dem Tode der Besitzerin so lange, als demselben vermöge der väterlichen Gewalt der Niesbrauch des von der Ehefrau den Kindern hinterlaßenen Gutes zukommt. §. 40.) In den Städten wird in der Regel zur Wahlberechtigung außer den allgemeinen Bedingnißen (§. 38.) das erlangte Bürgerrecht verbunden mit wesentlicher Wohnung erfordert. §. 41.) In den Dörfern ist auf gleiche Weise zur Theilnahme an den Wahlen das Nachbarrecht und der Besitz eines Hauses nöthig. Jedoch stimmen die Geistlichen auf dem Lande und die

826

Textanhang

sonst daselbst sich befindenden Staatsdiener auch ohne diese Bedingung mit der Gemeinde ihres Orts. §. 42.) Die Wahl der Abgeordneten für die Rittergutsbesitzer und Stadtobrigkeiten geschieht unmittelbar durch die Wahlberechtigten aus der treffenden Claße selbst; die Wahl der übrigen Abgeordneten aber geschieht durch Wahlmänner. In den Städten wählen unter der Leitung der Stadtobrigkeit jedes Viertel vier Wahlmänner, in den Amtsbezirken wählt unter Leitung einer Amtsperson jedes Dorf, welches unter 50 Häuser hat, einen Wahlmann; Dörfer von 50 – 74 Häusern wählen zwey, Dörfer von 75 – 99 Häusern wählen drey Wahlmänner und so weiter in dem Verhältniß zu 25 Häusern. Die Wahlmänner in den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck wählen unter Leitung eines Regierungs-Commißairs die Abgeordneten aus der Bürgerschaft und die Wahlmänner aus den Aemtern und einbezirkten Städten unter Aufsicht des treffenden Amtes aus deßen Bezirk die Deputirten und Stellvertreter. §. 43.) Bey der Theilnahme an der Ständewahl gilt durchgängig die Regel, daß die Wähler und Wahlmänner die Abzuordnenden aus ihrer Wahlklaße wählen, und daß ein Wähler oder Wahlmann bey der Wahl der Mitglieder einer ständischen Versammlung nur einmal seine Stimme geben, und hierin niemals in doppelter oder mehrfacher Eigenschaft handeln kann. §. 44.) Die allgemeinen Erforderniße eines Wahlmanns und eines Mitglieds der Stände-Versammlung sind: 1.) Bekenntniß zur christlichen Religion ohne Unterschied der Confeßion, 2.) das Staatsbürgerrecht, 3.) dreyßigjähriges Alter, 4.) Unbescholtenheit des Rufs, indem kein Mitglied der ständischen Versammlung wegen eines gesetzlich mit Criminalstrafe bedrohten Verbrechens ohne unbedingt erfolgte Freysprechung in Untersuchung gekommen, oder auch ohne vollständige Befriedigung seiner Gläubiger in Concurs befangen gewesen seyn darf. Endlich 5.) kann ein Mitglied der Stände weder unter väterlicher Gewalt, noch unter Vormundschaft, noch unter Privatdienstherrschaft stehen. §. 45.) Bey der Claße der Rittergutsbesitzer können auch die Väter, die den Niesbrauch an den Gütern ihrer Kinder haben, und die Ehemänner von Weibern, denen Rittergüter eigenthümlich zugehören, zu Abgeordneten bey der Ständeversammlung gewählt werden. Gleiches gilt auch von dem, der sich nicht im alleinigen Besitz, sondern nur im Mitbesitz eines Ritterguts mit einem oder mehreren befindet. §. 46.) Die Abzuordnenden von den Städten und Dorfsgemeinden sollen entweder den Besitz eines im Lande belegenen schuldenfreyen Vermögens von 5000 fl. rhnl. oder ein unabhängiges reines Einkommen von jährlich 400 fl. rhnl. nachweisen, oder eidlich versichern können.

Textanhang

827

§. 47.) Bey den Abgeordneten aus den Städten und Dörfern ist nach obigen Bedingungen wesentliche Wohnung im Lande erforderlich, bey den aus den Rittergutsbesitzern aber wird diese ausnahmsweise nicht verlangt. Personen, welche in wirklichen Diensten eines anderen Staats stehen, können ohne besondere Bewilligung des Landesherrn nicht zur Wahl gelangen. §. 48.) Die Wahl der Ständemitglieder und eines Stellvertreters für jedes derselben, geschieht jedesmal vor Eröffnung eines neuen Landtags auf vorgängige Anordnung des Landesherrn. Für die Rittergutsbesitzer und die Abgeordneten von den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck wird der Wahltag unmittelbar von der Landesregierung sechs Wochen vorher im Regierungsblatt bekannt gemacht, und der zur Leitung des Wahlgeschäfts bestimmte Commißarius (§. 52.) benannt. Für die übrigen Stände erfolgt diese Bekanntmachung ebenfalls sechs Wochen vorher durch öffentliche Anschläge an jedem Orte von den das Wahlgeschäft leitenden Behörden (§. 52.). Die ohne solche Bekanntmachungen eigenmächtigerweise vorgenommenen Wahlen sind ungültig und strafbar. Die Wahlen werden übrigens da, wo sie an einem Tage nicht beendigt werden können, jedesmal an den nächstfolgenden fortgesetzt und so ohne Unterbrechung vollendet. §. 49.) In der Regel werden die Wahlversammlungen von den Rittergutsbesitzern in dem Regierungsgebäude zu Coburg, für die Abgeordneten aus den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck auf den dasigen Rathhäusern, und für die von den übrigen und den Dorfsgemeinden zu wählenden Stände in den Localen der treffenden Justizämter gehalten. Die den Wahlact leitenden Behörden können jedoch nach Befinden auch ein anderes schickliches Locale dazu wählen, und haben den bestimmten Ort bey der Bekanntmachung des Wahltags jedesmal anzugeben. §. 50.) Vor jeder Wahl der Wahlmänner haben die leitenden Behörden sich vollständige Verzeichniße der Wahlberechtigten ihres Bezirks zu verschaffen, und diejenigen, welche bey dem Wahlact ohne die dazu erforderlichen Eigenschaften erscheinen, von der Theilnahme daran auszuschließen. Etwaige Beschwerden über eine solche Ausschließung und deshalbige Anträge auf Ehrenerklärung und Genugthuung können bey dem Justiz-Collegium zur rechtlichen Verhandlung und Entscheidung angebracht werden, doch kann dadurch der Wahlact selbst keine Störung erleiden. §. 51.) Bey solchen Wahlversammlungen muß wenigstens ein Drittheil der stimmberechtigten Einwohner des Wahlbezirks anwesend seyn, außerdem wird eine anderweite Versammlung auf einen nahen Tag anberaumt, wo dann die Wahl der Wahlmänner in jedem Falle vor sich geht. Bey den Wahlen der Abgeordneten müßen sämmtliche Wahlmänner zugegen seyn. Bloß Krankheit entschuldigt die nicht persönliche Theilnahme und berechtiget einen solchen Wahlmann zur schriftlichen Einsendung seiner Stimme, wobey die unter §. 57. folgenden Bestimmungen zu beachten sind.

828

Textanhang §. 52.)

Zur Leitung der Wahl der Abgeordneten wird sowohl für die Rittergutsbesitzer, als für die Stadtobrigkeiten und die Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck ein besonderer RegierungsCommißair ernannt, und die Wahlen der übrigen Stände sollen unter Aufsicht und Leitung der ersten Justizbeamten in ihren Amtsbezirken geschehen. Die leitenden Behörden erhalten übrigens für diese Arbeit keine Gebühren, sondern nur ihre gehabten Auslagen aus der Landeskaße ersetzt. §. 53.) Die Wahlberechtigten können bey der Abstimmung nur in eigener Person, nicht durch Bevollmächtigte handeln, und nicht sich selbst ihre Stimme geben. §. 54.) Den Rittergutsbesitzern ist nachgelaßen, ihre Abstimmung in eigenhändig geschriebenen und mit ihrem vollen Namen unterzeichneten Wahlzetteln abzugeben. Die Anwesenden stimmen in der Ordnung ab, wie sie sich zum Wahltag angemeldet haben, und die Abwesenden haben ihre Abstimmung bis zum Wahltage einzusenden. Die Eröffnung der Wahlzettel geschiehet in Gegenwart der Erschienenen, und die drey zunächst wohnenden Rittergutsbesitzer werden ausdrücklich dazu eingeladen. Jeder Rittergutsbesitzer hat übrigens seine Abstimmung in Gemäßheit des §. 57. einzurichten. §. 55.) Die Wahlberechtigten der übrigen Stände haben ihre Abstimmung dem zur Leitung des Wahlgeschäfts Beauftragten mündlich und einzeln zu eröffnen. §. 56.) Jeder Wahlberechtigte leistet vorher das Handgelöbniß, daß er nach inniger Ueberzeugung für das Beste des Landes seine Stimme abgeben werde, und daß er hierzu weder überredet worden, noch sonst etwas erhalten habe, oder annehmen werde. Sollten dennoch Empfehlungen oder Werbungen vorkommen; so wird die dadurch bewirkte Wahl ungültig, eine anderweite nöthig, und die Schuldigen verlieren mit Vorbehalt anderer gesetzlicher Strafe ihr Wahlrecht. §. 57.) Bey der Wahl der Abzuordnenden und Stellvertreter selbst, wird sowohl bey denjenigen, die unmittelbar durch die Wahlberechtigten geschieht, als bey der Wahl, die durch Wahlmänner vollzogen wird, von jedem Wählenden für die doppelte Zahl der Abzuordnenden Candidaten namhaft gemacht, und wenn dieses geschehen ist, durch die das Wahlgeschäft leitende Behörde die Namen in Ordnung so zusammengestellt, daß derjenige, welcher die meisten Stimmen erhalten hat, als erwählter Deputirter für die Stände-Versammlung und so nach Mehrheit der Stimmen die übrigen als Stellvertreter angesehen werden. Träfe sich es jedoch, daß die Wählenden oder Wahlmanner auf gleiche Personen gefallen seyn sollten; so geht derjenige als Deputirter oder Stellvertreter dem andern vor, der vor dem andern namhaft gemacht worden ist; wäre aber auch die Ordnungszahl, in der die Candidaten namhaft gemacht wurden, gleich; so entscheidet das Loos. Sollten alle Stimmen eine Person treffen; so wird der Stellvertreter besonders gewählt.

Textanhang

829

§. 58.) Ablehnen kann ein Gewählter die Stelle eines Abgeordneten nur, wenn er Staatsdiener ist, oder wegen ärztlich bescheinigter Krankheit, oder wegen häuslicher Unentbehrlichkeit, die seine obrigkeitliche Behörde zu beglaubigen hat. §. 59.) Ueber die Wahlhandlungen werden von den Commißairen entweder selbst, oder durch beizuziehende verpflichtete Secretarien, und bey den Justizämtern durch den zweiten Beamten, oder einen verpflichteten Actuar, ausführliche Protocolle mit genauer Bemerkung jedes Stimmenden und seiner Abstimmung aufgenommen, von den Commißarien und ersten Beamten unterschrieben, und nebst den Acten mit einem die Namen der Gewählten und deren Stellvertreter enthaltenden Bericht an die Landesregierung eingesendet. §. 60.) Die Landesregierung prüft dann ohne Zeitverlust die sämmtlichen Wahlen, und sendet die Acten mit ihren gutachtlichen Anträgen berichtlich an das Landes-Ministerium ein. §. 61). Die hierauf eingehenden Resolutionen werden sowohl den leitenden Behörden, als den genehmigten Gewählten und ihren Stellvertretern bekannt gemacht, und wegen der etwa erforderlichen neuen Wahlen wird das Nöthige angeordnet. §. 62.) Abweisende Resolutionen werden jedesmal mit Gründen versehen, dem Nichtgenehmigten aber ist es noch verstattet, sich an die Stände-Versammlung um Interceßion bey dem Landesherrn zu wenden. Beym Zurückweisen eines Gewählten tritt der Stellvertreter, für diesen aber derjenige ein, der nach ihm die meisten Stimmen hat, und wenn ein solcher nicht vorhanden ist, erfolgt eine neue Wahl. Tit. VI.) Von den Befugnißen der Landstände. §. 63.) Die Stände sind befugt, sich mit denjenigen Gegenständen zu beschäftigen, welche im Nachfolgenden zu ihrem Wirkungskreis angewiesen sind, und welche sich a) auf die Gesetzgebung, b) auf die Finanzverwaltung, und c) auf gemeinschaftliche Anträge und Beschwerden beziehen, und im folgenden näher angegeben sind. §. 64.) Neue Gesetze, welche die eigentliche Landes-Verfaßung, das heißt, die Bestimmung der gegenseitigen Rechte des Regenten und der Stände betreffen, so wie Abänderungen und Erklärungen der hierunter bestehenden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit die Zustimmung der Stände.

830

Textanhang §. 65.)

Ohne Beyrath und Zustimmung der Stände können Gesetze, welche die persönliche Freyheit und das Eigenthum betreffen, nicht gegeben, abgeändert oder aufgehoben werden. Wenn die Versammlung gegen einen Gesetzvorschlag stimmt; so bleibt er bis zum nächsten Landtag ausgesetzt. Dagegen können einzelne Verfügungen in dringenden Fällen zwar ohne Beyrath der Stände getroffen werden, jedoch gelten diese Verfügungen nur für den besondern dringenden Fall, und können nicht zur Consequenz als Gesetz angezogen werden. §. 66.) Der Regent ist befugt, ohne ständische Mitwirkung, die zur Vorbereitung, Vollstreckung und Handhabung der Gesetze erforderlichen, so wie die aus dem Landesherrlichen Recht fließenden Verordnungen und Anstalten, ingleichen diejenigen besondern Anordnung zu treffen, welche sich nur auf einzelne Fälle, Gemeinheiten, Vereine und Personen oder auf vorübergehende Ereigniße beziehen, und überhaupt in allen Fällen das Nöthige zur Sicherheit des Staats vorzukehren. Auch bleiben die Landesherrlichen Rechte hinsichtl. der Privilegien, Dispensationen und Abolitionen durchgängig unbeschränkt. §. 67.) Gesetzes-Entwürfe können nur vom Landesherrn an die Stände, nicht von den Ständen an den Landesherrn gebracht werden. Die Stände können aber auf neue Gesetze, so wie auf Abänderung oder Aufhebung der bestehenden antragen, und ist solches zur weitern höchsten Entschließung des Landesherrn anheimzustellen. §. 68.) In Ansehung des Finanzwesens steht den Ständen die Steuer-Verwilligung und bey der Verwaltung der Landeskaße folgende Concurrenz zu: 1.) wird der Etat der Landeskaße mit Zustimmung der Stände hergestellt; 2.) sind die Stände berechtigt, zu verlangen, und darüber zu wachen, daß der immer von einem Landtage zum andern geltende für diese Finanzperiode vom Landesherrn als Gesetz ausgesprochene Etat pünctlich beobachtet werde, und für diese pünctliche Beobachtung sind die obern Landes-Administrations-Behörden verantwortlich; 3.) haben die Stände zu allen über den Etat gehenden und außerordentlichen Ausgaben ihre besondere Zustimmung zu ertheilen; 4.) werden den Ständen die Kaßenrapporte mitgetheilt; 5.) haben die Stände das Recht, bey der Landesregierung auf Kaßenstürze anzutragen, und die Landesregierung hat diesen Anträgen stets zu willfahren, auch ist bey diesen Kaßenstürzen stets ein Mitglied der Stände zuzuziehen, und auf deßen Anträge dabey Rücksicht zu nehmen; 6.) haben die Stände die Abnahme, Prüfung und Justificatur der Landeskaße-Rechnungen gemeinschaftlich mit der Landesregierung zu besorgen, und 7.) zur Besetzung der Landeskaßirerstelle dem Landesherrn geeignete Personen zur Auswahl und Ernennung vorzuschlagen. §. 69.) Die Stände sind ferner befugt von dem Ministerium alle Subsidien zu verlangen, welche zu obigen Geschäften, insbesondere aber zur Prüfung der Etats und Rechnungen, so wie zur

Textanhang

831

Uebersicht der Verwendung ihrer Verwilligung und endlich zur Beurtheilung derjenigen Mittel erforderlich sind, durch welche die Staatsbedürfniße gedeckt werden sollen. §. 70.) Zur Landeskaße sollen nicht nur die mit Bewilligung der Stände fortbestehenden directen und indirecten Steuern, so wie alle noch künftig von den Ständen zur Deckung der Landesbedürfniße verwilligt werdende Abgaben, sondern auch das Einkommen aus den Regalien und alle aus Uebung der Landesherrlichen Gewalt entspringenden Gefälle, nicht minder der gesammte Ertrag der Chaußee- und Weggelder aller Art, so wie alle zum Behuf des Militairs und in Beziehung auf solches von den Unterthanen erfolgende Leistungen und die von Hintersaßen zu zahlenden Schutzgelder fließen. Ueber diese der Landeskaße zu überweisenden Fonds, so wie über die Errichtung einer Schuldentilgungskaße, wird eine besondere Bestimmung durch Etats getroffen werden, welche nach erfolgter Uebereinkunft als ein integrierender Theil der Verfaßung anzusehen ist. §. 71.) Dagegen soll die Landeskaße dem Landesherrn in dem gesammten Ertrag der ihr dazu überlaßenen Regalien den gesetzlichen Zuschuß zu den Kosten des Hofstaats gewähren, dann die sämmtlichen Kosten der Staatsverwaltung, die Unterhaltung der dem Staatsdienst gewidmeten öffentlichen Gebäude, des Militairs, den Aufwand für Landesbehörden, Kirchen und Schulen, für Chaußeen und Wege und überhaupt für alles, was zur Erhaltung und Förderung des gemeinen Wesens durch allgemeine Landes-Anstalten erforderlich ist, bestreiten. Die Ueberschüße sind nach Bestreitung der Zinsen zunächst zu den Schuldentilgungsfonds so wie auch zur Erhöhung des Fonds der Diener-Pensionen zu verwenden. §. 72.) Zur Bestreitung der Landesbedürfniße sind insbesondere die Steuern bestimmt, zu welchen alle Staatsbürger nach verhältnißmäsiger Gleichheit, und alles Grundeigenthum im Lande, ohne Ausnahme, also auch die Domainengüter und Renten ebenfalls nach verhältnißmäsiger Gleichheit, beizutragen haben. Diese sämmtlichen Steuern sollen niemals ohne vorher gegangenes Gehör der Stände und ohne deren ausdrückliche Verwilligung ausgeschrieben oder erhoben werden. Doch dürfen die Stände ihre Verwilligungen nicht an Bedingungen knüpfen, welche den Zweck und die Verwendung derselben nicht selbst betreffen. §. 73.) Die Auflagen, in sofern sie nicht blos für einen vorübergehenden Zweck bestimmt waren, dürfen nach Ablauf der Verwilligungszeit noch ein Jahr forterhoben werden, wenn die Ständeversammlung aufgelöst wird, ehe ein neues Finanzgesetz zu Stande kommt, oder wenn die ständischen Berathungen sich verzögern. Dieses Jahr wird jedoch in die neue Finanzperiode eingerechnet. §. 74.) Der Landesherr ist übrigens dann, wenn die Stände die nothwendige Verwilligung für die Erfüllung neuer durch Verpflichtungen gegen den deutschen Bund gegründeter Verbindlich-

832

Textanhang

keiten verweigern sollten, zur Ausschreibung der dazu erforderlichen durch Ersparniße nicht aufzubringenden Summen berechtigt, und es wird über deren Verwendung öffentliche Rechenschaft abgelegt; auch steht dem Landesherrn die ausschließende Verfügung über das Militair, die Formation deßelben, die Disciplinar-Verwaltung und das Recht, alle den Kriegsdienst betreffende Verordnungen zu erlaßen, ohne ständische Mitwirkung zu. Dagegen gehört das Conscriptionsreglement wegen seines nahen Bezugs auf die Freiheit und das Vermögen des Staatsbürgers in die Cathegorie der mit ständischer Berath- und Zustimmung zu erlaßenden allgemeinen Landesgesetze. Aushebungen zur Vermehrung der Truppen über die Bundespflicht hinaus, können auch nur durch ein solches Gesetz bestimmt werden, unbeschadet jedoch des Landesherrlichen Rechtes, in dringenden Fällen die zur Sicherheit und Erhaltung des Staats nothwendigen Vorkehrungen zu treffen. §. 75.) Die gesammte Staatsschuld soll durch ein besonderes Gesetz und durch die Errichtung einer besondern Staatsschulden-Tilgungsanstalt sichergestellt, auch eine Vermehrung der Staatsschulden ohne Einwilligung der Stände nicht vorgenommen werden. Zu der Schuldentilgungskaße fließen, die nach §. 71. derselben angewiesenen Fonds. Auf diesen Punct der Constitution werden alle Kaßen-Officianten von Herzogl. Landesregierung verpflichtet. Die Officianten der Staatsschuldentilgungs- so wie der Landeskaße sollen aber noch insbesondere auf die genaueste Befolgung der Constitution und der ihnen in dieser Gemäßheit zu ertheilenden Instruction in Gegenwart des Landschaftsdirectors oder eines Ständemitglieds verpflichtet werden. §. 76.) Die Domainen-Revenuen sollen für die Erhaltung des Regentenhauses, für die Administrationskosten, und den übrigen Bedarf verwendet werden. Zur Sicherheit und Erhaltung des dem regierenden Herzogl. Hause eigenthümlich zuständigen Domanial-Vermögens will der Landesherr die Stände zur Berathung und Beurtheilung in Ansehung einer nützlichen oder schädlichen Verwendung dieses Vermögens zugezogen und die Stände als Garants von dem Domanial-Vermögen angesehen wißen, die Stände sind daher gehalten, in solcher Eigenschaft der Garants, keine Verminderung oder Veräußerung des Domanial-Vermögens zu gestatten. §. 77.) Die Stände haben das Recht alles dasjenige vorzutragen, was sie vermöge eines von der absoluten Mehrheit der wenigstens zu 2 / 3 versammelten Abgeordneten des Landes bey der Ständeversammlung gefaßten Beschlußes für geeignet halten, um an den Landesherrn als Bitte oder Beschwerde gebracht zu werden. Dergleichen Anträge werden jederzeit eine willige Aufnahme finden, und nach vorgängiger Erwägung und Befinden die erforderlichen Verfügungen zur Erfüllung solcher Bitten oder zur Abhülfe der Beschwerden getroffen werden. §. 78.) Insbesondere haben auch die Stände das Recht, auf die in dem §. 77. bestimmte Art diejenigen Beschwerden an den Landesherrn zu bringen, welche sie sich gegen das Benehmen der Staatsdiener aufzustellen bewogen finden können. Solche Beschwerden sollen nemlich jedes-

Textanhang

833

mal zuerst bey dem Landesherrn angebracht werden, und nur dann auf dem Wege förmlicher Klage an das Justiz-Collegium, oder wenn sie gegen deßen Mitglieder gerichtet sind, an das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Jena gelangen, wenn sie von besonderer Erheblichkeit sind, und Unterschleife bey öffentlichen Kaßen, Bestechungen, absichtlich verweigerte oder verzögerte Rechtspflege, Eingriffe in die Verfaßung, oder in die gesetzliche Freyheit, die Ehre und das Eigenthum der einzelnen Unterthanen oder verfaßungsmäsiger Behörden und Communen betreffen, und durch die von dem Landesherrn auf die zuerst bey ihm angebrachte Beschwerde getroffene Verfügung und darauf erfolgte Verantwortung des Angeschuldigten nicht erledigt sind. Ohne eine solche vorgängige Verantwortung des Angeschuldigten soll aber in keinem Falle eine förmliche Untersuchung gegen denselben verfügt werden. §. 79.) Einzelne und Corporationen können sich nur dann an die Stände wenden, wenn sie hinsichtlich ihrer individuellen Intereßen sich auf eine unrechtliche Weise für verletzt oder gedrückt halten, und zugleich nachzuweisen vermögen, daß sie die gesetzlichen und verfaßungsmäßigen Wege bey den Landesbehörden zur Abhülfe ihrer Beschwerden vergeblich eingeschlagen haben. Solche Beschwerden können dann die Stände, falls sie nicht von ihnen, nach ertheilter Auskunft bey den obersten Landesbehörden, sofort als unbegründet verworfen werden, auf die vorbemerkte Weise an den Regenten bringen. Anträge Einzelner und ganzer Corporationen hinsichtlich allgemeiner politischer Intereßen sind dagegen unzuläßig und strafbar, indem die Prüfung und Wahrung dieser Intereßen lediglich der Ständeversammlung als Gesammtheit zukommt. §. 80.) In der Regel soll von 6 zu 6 Jahren ein ordentlicher Landtag und zwar jedesmal im Februar anfangend, gehalten werden, und auf diese Zeit auch die Verwilligung geschehen. Es hängt jedoch von dem Landesherrn ab, ob er mehrmals und wie oft er die Abgeordneten des Landes zu außerordentlichen Landtägen zusammen berufen will. Mit dem Schluße eines Landtags erlischt sowohl bey ordentlichen als außerordentlichen Landtägen die Function der dazu erwählten Deputirten. §. 81.) Der Landesherr allein hat das Recht, die Stände zu berufen und die ständische Versammlung zu vertagen, aufzulösen und zu schließen. Ständische Versammlungen ohne Landesherrliche Zusammenberufung oder nach bereits erfolgtem Schluß oder nach geschehener Vertagung des Landtags sind unzuläßig und gesetzwidrig, und alle dabey gefaßten Beschlüße sind nichtig. §. 82.) Für den Inhalt ihrer freyen Abstimmung sind die Stände nicht verantwortlich, wenn sie nicht von einer dem Wohl des Staats nachtheiligen Tendenz zeigen, oder nicht zugleich Verläumdungen Einzelner enthalten, wegen welcher diesen das Klagerecht nie entzogen werden kann. Für das Entferntbleiben unanständiger Aeußerungen hat der Landschaftsdirector zu sorgen. Uebrigens genießen die Stände während des Landtags einer völligen Unverletztheit der Person, und können während dieser Zeit ohne Einwilligung der Ständeversammlung keiner Art von Arrest unterworfen werden, den Fall einer Ergreifung auf frischer That bey begange-

834

Textanhang

nen Verbrechen ausgenommen, wo aber der Ständeversammlung ungesäumt Anzeige des Vorfalls mit Angabe der Gründe gemacht werden soll. §. 83.) Die Eröffnung eines Landtags, so wie die Schließung deßelben geschieht von dem Landesherrn entweder in eigener hoher Person, oder durch einen besonders dazu beauftragten Commißair, und nach dem Schluße wird der den Ständen bereits eröffnete Landtagsabschied bekannt gemacht. Tit. VII.) Von der Geschäftsordnung bey den Landtägen. §. 84.) Auf den Landtägen sind alle ständischen Angelegenheiten in der Regel von der Gesammtheit der Stände zu behandeln. Diejenigen, welche für besondere Commißionen oder den Landschaftsdirector allein gehören, sind unten angegeben. §. 85.) Nach Beendigung der Wahlen erfolgt die Zusammenberufung der Stände von dem Regenten durch ein Rescript an die Landesregierung mit Bestimmung des Orts und der Zeit. Hierauf wird eine allgemeine Bekanntmachung im Regierungsblatt, und an jedes Ständemitglied ein besonderes Einberufungsschreiben erlaßen. §. 86.) Die Abgeordneten haben ihre Anwesenheit einer dazu ernannten Landesherrlichen Commißion zu melden, oder bey derselben ihr Nichterscheinen schriftlich und zeitig zu entschuldigen, um deren Stellvertreter noch einberufen zu können. Wenn nicht wenigstens zwey Drittheile der Abgeordneten anwesend sind, kann weder der Landtag eröffnet, noch sonst eine vorbereitende ständische Verhandlung mit Gültigkeit vorgenommen werden. §. 87.) Die Landesherrliche Commißion versammelt dann zuvörderst an einem dazu bestimmten Tage die Abgeordneten, um die Wahl eines Landschaftsdirectors und eines Secretairs, so wie eines Stellvertreters für den Landschaftsdirector und den Secretair, von der Ständeversammlung bewirken zu laßen. Die Wahl selbst geschiehet durch geheimes Stimmgeben an die Commißion nach der Ordnung des natürlichen Alters der einzelnen Abgeordneten. §. 88.) Zu diesen Stellen ist jedes Mitglied der ständischen Versammlung, welches im Lande angeseßen ist, wählbar. Um die zu diesen Wahlen nöthige unbedingte Stimmen-Mehrheit zu erlangen, kann so lange abgestimmt werden, bis wenigstens Stimmen-Gleichheit erfolgt, dann entscheidet das Loos.

Textanhang

835

§. 89.) Die geschehenen Wahlen werden dem Landesherrn von der Commißion zur Bestätigung vorgetragen. Erfolgt diese aus anzugebenden Gründen nicht durchgängig; so wird wegen der Nichtgenehmigten zu einer anderweiten Wahl geschritten, die ebenfalls vorzutragen ist. §. 90.) Nach eingegangener Landesherrlicher Bestätigung geschieht die Eröffnung der ständischen Versammlung, nachdem vorher der Landschaftsdirector, der Secretair und die Stellvertreter derselben von der Commißion verpflichtet worden sind. In der Ständeversammlung sitzt der Landschaftsdirector oben an, und neben ihm zur linken Seite der Secretair und die Stellvertreter von beiden, die übrigen Stände aber nach der Ordnung ihres natürlichen Alters. Die Mitglieder des Landes-Ministeriums haben bey der Ständeversammlung freyen Zutritt außer bey Abstimmungen und vertraulichen Sitzungen. §. 91.) Der Landschaftsdirector hat zur Leitung der Geschäfte die Rechte und Obliegenheiten eines Collegial-Präsidenten. Er empfängt die Eingänge, bestimmt, eröffnet und schließt die Sitzungen; leitet die Berathungen, verhütet alle Abschweifungen, und stellt die Gegenstände des Abstimmens in einzelne zur unbedingten Bejahung und Verneinung geeigneten Fragen auf; er handhabt die Ordnung so wie die Gesetze des Anstands, duldet keine Persönlichkeiten oder beleidigende Aeußerungen, und kann, falls ein Mitglied seine Verweisung zur Ordnung unbefolgt läßt, die Sitzung alsbald schließen, und die Gesammtheit der Stände darf dann in der nächsten Sitzung Mißbilligung und im Wiederholungsfalle zeitige oder gänzliche Ausschließung aus der Ständeversammlung erkennen. Der Landschaftsdirector erhält ferner die schriftlichen Anzeigen von dem Grund der Abwesenheit der im Orte sich befindenden Mitglieder, ertheilt den Anwesenden einen Urlaub bis zu vier Tagen, und bringt die Gesuche um einen längern oder um gänzlichen Abgang bey der Ständeversammlung zum Vortrag, von welchen sodann auch höchsten Orts Anzeige zu machen ist. §. 92.) Der Secretair führt die Protocolle in den allgemeinen Sitzungen, entwirft die schriftlichen Ausfertigungen und Beschlüße, und sorgt für Ordnung der Canzley, sowie für Aufbewahrung und Ordnung der Acten. §. 93.) Zu Anfang der Sitzung wird das Protocoll der vorhergehenden, um es mit Einverständniß der Ständeversammlung zu faßen, durch den Secretair vorgelesen, von dem Präsidenten und dem Secretair unterschrieben und von sämmtlichen anwesenden Deputirten signirt. Nach Bekanntmachung des Inhalts der Eingänge seit der letzten Sitzung wird zur Tagesordnung geschritten. §. 94.) Zuerst sind nemlich die von dem Landesherrn den Ständen vorgelegten Anträge und zwar in der Ordnung, wie sie gefaßt und eingegangen sind, in Berathung zu ziehen. Die Mittheilung dieser Anträge geschieht schriftlich, entweder durch das Landes-Ministerium oder eine besondere Commißion. Zur Beförderung des Gangs der Geschäfte können wichtige Angele-

836

Textanhang

genheiten durch Mitglieder des Landes-Ministeriums oder durch besondere Commißionen in der Ständeversammlung noch besonders mündlich erörtert und erläutert werden. §. 95.) Wenn die vorhandenen Landesherrlichen Anträge durch Beschlüße erledigt sind, dann werden diejenigen Gegenstände in der von dem Landschaftsdirector zu bestimmenden Ordnung vorgenommen, welche von den Mitgliedern der Ständeversammlung in Antrag gebracht worden sind. Es steht nemlich jedem Mitgliede wie dem Landschaftsdirector frey, über sonst irgend wichtige Gegenstände, die nicht in den Landesherrlichen Anträgen enthalten sind, Vortrag zu thun, nachdem es seine Absicht dem Landschaftsdirector angezeigt, und dieser einen Tag dazu bestimmt hat. Schriftliche Verhandlungen der Stände mit andern Behörden oder Personen außer dem Landes-Ministerium sind nicht gestattet. §. 96.) Zur Bearbeitung einzelner Gegenstände kann die Versammlung einige aus ihrer Mitte durch die Wahl nach relativer Mehrheit der Stimmen ernennen. Diese Commißionen haben sich mit den Mitgliedern des Ministeriums oder den Landtags-Commißarien zu benehmen, um die erforderlichen Nachrichten zu erhalten, oder um zu einer Ausgleichung etwaiger abweichender Ansichten zu gelangen. Bey den Verhandlungen einer solchen Commißion führt ein Mitglied das Protocoll, die Beschlüße werden nach absoluter Stimmen-Mehrheit gefaßt, und durch ein von der Commißion selbst gewähltes Mitglied derselben entweder mündlich oder schriftlich in der ständischen Versammlung zum Vortrage gebracht. Bey der Berathung darüber hat jedes Mitglied der Commißion seine Stimme so gut, wie die übrigen Stände. §. 97.) Nur diejenigen, welche einen Antrag machen, oder den Beschluß einer Commißion vorzutragen haben, sind zur Vorlesung schriftlicher Aufsätze berechtigt; den übrigen Mitgliedern ist es zwar freygestellt, ihre Meynungen über die vorgekommenen Berathungspuncte ausführlich zu äußern, sie haben sich aber auf mündliche Vorträge zu beschränken. §. 98.) Findet der Landschaftsdirector die in Berathung gekommenen Gegenstände zur Faßung der nöthigen Beschlüße genugsam vorbereitet, so wird zur Stellung der Fragen, worüber abgestimmt werden soll, übergegangen, und es steht jedem Mitgliede frey, auf Abänderung dieser Stellung anzutragen; ist hierüber die Discußion beendigt; so erklärt der Landschaftsdirector die ständischen Verhandlungen darüber für geschloßen, und setzt einen Tag zur Abstimmung fest. Die Abstimmung erfolgt dann ohne weitere Erörterung. Jedes Mitglied stimmt auf die vorgelegten Fragen des Landschaftsdirectors (§. 91.) aufgerufen vom Jüngsten an nach der Reihe der Sitze, zuletzt der Secretair und der Landschaftsdirector, durch Ja oder Nein. Der Secretair bemerkt das Resultat der Abstimmung der Zahl nach, und der Landschaftsdirector spricht am Ende den Beschluß der Stände aus. §. 99.) Zur Gültigkeit eines solchen Beschlußes ist die absolute Mehrheit der Stimmen bey Anwesenheit von wenigstens zwey Drittheilen der ständischen Gesammtheit nöthig, und zu Ab-

Textanhang

837

änderung der ständischen Verfaßung wird die Gleichstimmung von drey Viertheilen derselben erfordert. Tritt statt der absoluten Stimmen-Mehrheit im erstern Fall eine Gleichheit der Stimmen ein, und bleibt dieselbe auch nach nochmaliger Abstimmung; so entscheidet der Ausspruch des Regenten, bey andern Gegenständen die Meynung für die bestehende Einrichtung, und bey Beschwerden gegen Einzelne die ihnen günstigere Ansicht. Gegen einen auf die vorgedachte Weise gefaßten Beschluß findet durchaus keine weitere Einwendung statt. §. 100.) Die Beschlüße der Stände-Versammlung werden mit der gehörigen Deutlichkeit und Bestimmtheit abgefaßt, und im Concept von sämmtlichen anwesenden Deputirten signirt, unter der Aufschrift: Erklärungsschrift der getreuen Stände des Herzogthums Coburg-Saalfeld, vom Landschaftsdirector und Secretair unterschrieben, dem Landes-Ministerium übergeben, und von diesem werden die Resolutionen des Regenten den Ständen ebenfalls schriftlich eröffnet. §. 101.) Mündliche Erklärungen der Stände über vorgekommene Berathungspuncte finden eben so wenig, als mündliche Anträge, bey dem Regenten statt, auch ist zu Deputationen der Stände an den Landesherrn jedesmal eine vorher dazu eingeholte Erlaubniß nöthig. §. 102.) Bey einem bloß vertagten Landtage geschieht die Zusammenberufung der Stände durch den Landschaftl. Ausschuß auf den Grund eines Landesherrlichen Rescripts, und die Geschäfte werden dann in derselben Ordnung wie sonst auf den Landtägen behandelt. §. 103.) Die Mitglieder der Ständeversammlung erhalten auf Begehren aus der Landeskaße sowohl Vergütung der Reisekosten, als auch eine für alle ganz gleichmäsige tägliche Auslösung für die Zeit ihres Aufenthalts. Tit. VIII.) Von dem ständischen Ausschuß. §. 104.) Während der Zeit, wo keine Ständeversammlung statt findet, werden die Landständischen Geschäfte durch einen Ausschuß besorgt, welcher aus a) dem Landschaftsdirector und dem Secretair, und b) vier andern Mitgliedern der ständischen Versammlung besteht. Dies vier Mitglieder werden von der Ständeversammlung iedesmal während des Landtags durch absolute Stimmen-Mehrheit gewählt, und dem Landesherrn zur Genehmigung angezeigt. Die Wirksamkeit dieses Ausschußes hört bey der wieder eintretenden Versammlung der ständischen Gesammtheit auf, und die Mitglieder deßelben nehmen an den Geschäften dieser Versammlung jedoch in dem Fall, daß der Landtag, wo der Ausschuß gewählt worden, geschloßen und nicht bloß vertagt seyn sollte, nur in so ferne Theil, als sie bey der jetzt neu auftretenden Stände-Versammlung entweder selbst zu Ständemitgliedern bey derselben ge-

838

Textanhang

wählt und bestätigt sind, oder als die neue Stände-Versammlung über ihre bisherige Geschäftsführung Auskunft oder Rechenschaft verlangt. §. 105.) Die Verrichtungen des Ausschußes sind: 1.) die Zusammenberufung der Landständischen Abgeordneten, wenn von dem Landesherrn entweder auf Antrag des Ausschußes oder aus eigener Bewegung ein vertagter Landtag wieder in Thätigkeit gesetzt wird, 2.) vorläufige Berathung und Bearbeitung der bey der ständischen Gesammtheit zum Vortrag kommenden Geschäfte, so weit sie nemlich schon vor der Zusammenkunft bekannt sind, z. B. vorläufige Prüfung der Etats, Berathung über vorgekommene Beschwerden, Revision der früherhin ohne Landschaftl. Concurrenz erlaßenen Verordnungen, Begutachtung der vom Gouvernement mitgetheilten Gesetz-Entwürfe u.s.w. Uebrigens steht dem Ausschuß während der Zeit, wo derselbe die ständischen Geschäfte allein zu besorgen hat, frey, in Ansehung der ihn erforderlichen Nachrichten und Aufschlüße sich unmitelbar an die oberste Landesbehörde zu wenden, und versteht es sich von selbst, daß die Mitglieder der Stände-Versammlung in den Plenar-Sitzungen an das Gutachten des Ausschußes nicht gebunden sind. 3.) fortwährende Vertretung der Stände außer dem Landtag während seiner Periode. Der Ausschuß kann jedoch weder Steuern und andere Belastungen des Staatsbürgers bewilligen, noch sich definitiv über Gesetzvorschläge oder andere zur unmittelbaren Cognition der Landschaft geeignete Gegenstände erklären, sondern er ist verbunden, bey Angelegenheiten, welche nicht länger ausgesetzt werden können, auf die Einberufung eines Landtags, wenn der vorher gegangene förmlich geschloßen ist, oder auf Wiedereinberufung der Stände bey nur vertagten Landtägen anzutragen. Zu seiner vollen Competenz gehört a) die fortwährende Aufsicht über die Aufrechterhaltung der Verfaßung und Vollziehung der von dem Landesherrn genehmigten Beschlüße des Landtags und der festgesetzten Etats; b) die Befugniß, in dringenden Fällen Anzeigen an den Landesherrn zu erstatten, oder Vorstellungen und Beschwerden anzubringen; c) der Antrag auf Zusammenberufung außerordentlicher Landes-Versammlungen unter Anführung seiner Gründe; d) die Unterzeichnung der Landschaftlichen Schuldverschreibungen; e) die Aufsicht über die Verwaltung der Landeskaße; f) die einstweilige Besetzung solcher Landständischen Stellen anzutragen, welche bis zum nächsten Landtag nicht ausgesetzt bleiben können. §. 106.) Die Aufsicht über die Verwaltung der Landeskaße wird von einem Mitgliede des Ausschußes und einem Mitgliede der Landesregierung besorgt. Diese Kaßen-Curatel ist der Landesregierung und der gesammten Landschaft, so wie dem Ausschuß in der Art untergeordnet, daß alle zur Landeskaße sich eignenden außerordentlichen Zahlungs-Anweisungen nur unter Mitwirkung der Curatel an die Landeskaße gelangen können. Der Landescaßier steht unter der Herzogl. Landesregierung und dem Landschaftlichen Ausschuß in Beziehung auf den formellen Geschäftsgang; bey verschiedenartigen Ansichten der Herzogl. Landesregierung und

Textanhang

839

des Landschaftlichen Ausschußes entscheidet nach vorgängiger Communication des Herzogl. Landes-Ministerii und der Stände-Versammlung oder des Ausschußes der Landesherr. §. 107.) Der Landeskaßierer wird auf Lebenszeit ernannt, und vor der Landesregierung nach §. 75. verpflichtet. Er muß eine angemeßene Caution stellen, und kann nur aus denselben Gründen entlaßen werden, wie jeder andere Staatsdiener. Ihm liegt die Verwaltung des Landeskaße nach den von den Ständen genehmigten und vom Landesherrn bestätigten Etats und in Ansehung der nicht etatsmäßigen Leistungen nach den Anweisungen der Kaßencuratel, ob. §. 108.) Der Landschaftsdirector, der Secretair und der Kaßierer beziehen fixe Besoldungen aus der Landeskaße, die Ausschußdeputirten aber erhalten bey ihren Versammlungen, welche jährlich wenigstens zweymal gehalten werden, und deren in der Regel auf drey Wochen bestimmte Dauer jedesmal von der Landesherrl. Bestimmung nach Einsicht der verwaltenden Geschäfte abhängt, den Ersatz der Reisekosten und dieselbe Auslösung, wie die Abgeordneten bey den Landtägen. §. 109.) Außer den regelmäßig iährlich zweymal, im Frühjahr und Herbst, nach vorgängiger Anzeige bey dem Landesherrn, statt findenden Zusammenkünften, kann sich der Ausschuß zur Besorgung der ihm obliegenden Geschäfte, nur nach vorgängiger Genehmigung und Einberufung des Landesherrn versammeln. In Ansehung der Form der Verhandlung gelten dieselben Bestimmungen, welche für die Geschäfte auf den Landtägen festgesetzt sind. Die Protocolle sind aber so zu faßen, daß die künftigen Landesdeputirten den Gang der Verhandlungen, und die Gründe, welche einen Beschluß oder ein Gutachten motivirt haben, daraus ersehen können. In dringenden und bey minder wichtigen Angelegenheiten können die Meinungen der Ausschuß-Deputirten auch außer der Versammlung durch den Director schriftlich eingeholt werden. Die Berichte und Expeditionen ergehen nicht im Namen der gesammten Landschaft, sondern unter der Aufschrift: Deputation der Stände des Herzogthums Coburg-Saalfeld, und Resolutionen werden auch an diese Deputation gerichtet. Die Ausfertigungen sind im Concept von dem Landschaftsdirector und den Deputirten zu zeichnen. Die Vollziehung der Reinschrift erfolgt aber von dem erstern und dem Secretair. §. 110.) Sollte der Landschaftsdirector sterben, oder sonst austreten, so geht seine Function so wie auch in andern Verhinderungsfällen auf den ältesten Deputirten über. Sollte aber nur noch ein Glied des Ausschußes übrig seyn, so ist die Zusammenberufung eines Landtags und die Wahl neuer Ausschußmitglieder möglichst zu beschleunigen. §. 111.) Sollte der Secretair zu einer Zeit sterben, oder sonst abgehen, wo der nächste Landtag noch über zwey Monate entfernt ist, so hat der Ausschuß bis zum nächsten Landtag ein ande-

840

Textanhang

res Mitglied des Ausschußes zum Secretair zu wählen und provisorisch mit Genehmigung des Landesherrn anzunehmen. Tit. IX.) Von dem Rechnungwesen bey der Landeskaße. §. 112.) Einige Zeit vor Eröffnung eines ordentlichen Landtags entwirft die Finanzbehörde unter Concurrenz der gesammten Landesregierung die Etats, welche immer auf sechs Jahre einzurichten sind, und diese Etatsentwürfe können von dem Ministerio dem bestehenden Ausschuß zur vorbereitenden Prüfung mitgetheilt werden. Zu dieser Prüfung kann der Landschaftl. Ausschuß die Mittheilung aller Notizen von dem Landes-Ministerium verlangen, welche nicht nur eine vollständige Uebersicht des Zustandes aller Kaßen geben, sondern auch die Beurtheilung der Mittel zur Aufbringung der erforderlichen Bedürfniße erleichtern. §. 113.) Die förmliche Prüfung der Etats erfolgt auf den Landtägen und die Ständeversammlung berathet sich über deren Ausführung hinsichtlich deren Nothwendigkeit der darinnen aufgeführten Bedürfniße und hinsichtlich der Ausführbarkeit der zu machenden Verwilligungen. Das Resultat dieser Berathung wird mit der Anzeige der gemachten Verwilligung in einer eigenen Erklärungsschrift der Stände-Versammlung an den Landesherrn gebracht, worauf von Seiten des Landesherrn entweder die Bestätigung der vom Landtag geschehenen Vorschläge erfolgt, oder eine nochmalige Prüfung und Erörterung der Sache veranlaßt wird. §. 114.) Sind der Landesherr und der Landtag über die sämmtlichen, für die nächsten 6 Rechnungsjahre und in denselben erforderlichen öffentlichen Abgaben über deren Betrag, Art und Erhebungsweise einverstanden, so werden diese Abgaben als von den Landständen verwilligte und von dem Landesherrn genehmigte, mittelst Landesherrl. Patents ausgeschrieben, und sind von einem Landtag zum andern als bestehend anzunehmen. §. 115.) Auf die bey dem Landtage festgesetzten und von dem Landesherrn genehmigten Etats, ist von den sämmtlichen treffenden Kaßenbehörden im Lande so wie von dem Landschaftlichen Ausschuß, der Landesregierung und dem Landes-Ministerium auf das strengste und unverbrüchlichste zu halten. §. 116.) Die vorstehenden Bestimmungen, welche zunächst die Deckung der gewöhnlichen Staatsbedürfniße zum Gegenstand haben, gelten auch von dem Fall, wo entweder nach eigenem Ermeßen des Landesherrn oder auf den Bericht eines Landes-Collegiums, andere als die schon mit Zustimmung der Ständeversammlung bestimmten Finanz-Maasregeln, welche auf das Intereße des Landes Einfluß haben können, ergriffen, oder andere außerordentliche Leistungen und Anstrengungen der Staatsbürger erfordert werden sollten. Der Antrag dazu geht von dem Landesherrn unmittelbar an den Landtag, und erst wenn dieser seine Einwilligung

Textanhang

841

ertheilt hat, erfolgt die endliche Bestätigung und die Bekanntmachung derselben in dem gesetzlichen Wege. §. 117.) Sollten sich in der Zeit von einer der gewöhnlichen Landständischen Versammlungen zu der Andern solche außerordentliche, nicht vorher zu sehen gewesene Ereigniße zutragen, welche von der Landeskaße eine beträchtliche Zahlung auf die in dem Etat nicht gerechnet werden konnte, unabwendbar erfordern oder Anstrengungen und Leistungen nöthig machen, so wird in minder wichtigen und eiligen Fällen die Zusammenkunft des Ausschußes, in wichtigern Fällen, welche für solche von der absoluten Mehrheit der Deputirten bey der Circulation des von dem Ausschuß gemachten Antrags erklärt werden, eine außerordentliche Versammlung der Landständischen Abgeordneten, vom Landesherrn verfügt werden. §. 118.) Die Legung der Landeskaßerechnungen erfolgt jedesmal innerhalb der ersten zwey Monate nach dem Schluße des Rechnungsjahres. Die Landesregierung nimmt hierauf gemeinschaftlich mit dem Landschaftlichen Ausschuß die Prüfung derselben vor, welche die Kaßen-Curatel zweckmäßig vorzubereiten und zu erleichtern hat, und dann folgt nach vorgängiger Justificatur die Decharge des Rechnungsführers, auf den gemeinschaftlichen Bericht der Landesregierung und des Landschaftlichen Ausschußes, von dem Landesherrn. §. 119.) Diejenigen Diener, welchen die Domainen-Verwaltung obliegt, sind dafür verantwortlich, daß die Stände im Stand gesetzt werden ihren Verpflichtungen hinsichtlich der Erhaltung des Domanial-Vermögens immer Gnüge zu leisten.

Tit. X.) Von der Gewähr der Verfaßung. §. 120.) An diesem Grundgesetz und der dadurch gestifteten Verfaßung des Herzogthums CoburgSaalfeld soll ohne Uebereinstimmung des Regenten und der Stände nach vorheriger Berathung auf einem Landtage weder etwas aufgehoben noch hinzugefügt werden. Jeder Staatsdiener wird auf deßen genaue Beobachtung verpflichtet, und jeder Landesregent wird bey dem Antritt der Regierung die Aufrechthaltung dieser Verfaßung durch eine schriftliche Urkunde bey Fürstlichen Worten und Ehren versichern; und diese schriftliche Versicherung noch vor der Huldigung von dem Fürsten in Empfang zu nehmen, ist ein außerordentlicher Landtag zusammen zu berufen. Im Falle einer Vormundschaft schwört der Verweser gleich bey dem Antritt der Regentschaft in der deshalb zu veranstaltenden Stände-Versammlung den Eid: Ich schwöre, den Staat in Gemäßheit der Verfaßung und der bestehenden Gesetze zu verwalten, die Rechte des Herzoglichen Hauses und die Integrität des Landes zu erhalten, und dem Herzog die Gewalt, deren Ausübung mir anvertraut ist, getreu zu übergeben.

842

Textanhang

Alle Staatsbürger sind bey der Ansäßigmachung und bey der Huldigung verbunden, den Eid abzulegen: Ich schwöre Treue dem Herzog, Gehorsam dem Gesetze und Beobachtung der Staatsverfaßung. §. 121.) Für diese Verfaßung soll die Garantie des Bundestags nachgesucht werden. Indem Wir die vorstehenden Bestimmungen für das Staatsgrundgesetz Unsers Herzogthums Coburg-Saalfeld hiermit erklären, ertheilen wir zugleich die Versicherung, die darinnen enthaltenen Zusagen nicht nur Selbst treulich zu erfüllen, sondern auch diese Verfaßung gegen alle Eingriffe und Verletzungen kräftigst zu schützen. Zu deßen Urkunde haben Wir dieses Verfaßungs- und Staatsgrundgesetz eigenhändig vollzogen und mit Unserm größern Herzoglichen Siegel bedrucken laßen. So geschehen Coburg, zur Ehrenburg den 8. August 1821. Ernst HzSCS von Gruner Arzberger

32. Verfassung des Herzogtums Sachsen-Coburg-Saalfeld unter dem 8. August 1821 (StACo Landtag Urk 2) Wir Ernst, von GOTTes Gnaden Herzog zu Sachsen-Coburg-Saalfeld, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meissen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Fürst zu Lichtenberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein, etc. etc. Nachdem Wir die Wünsche Unserer getreuen Stände über die landständische Verfaßung vernommen und in möglichster Berücksichtigung derselben Unsere Entschließung gefaßt haben; So sehen Wir Uns nunmehr bewogen, diese landständische Verfaßung, verbunden mit den übrigen dahin gehörigen gesetzlichen Bestimmungen, in eine Urkunde zusammen zu faßen, und verordnen daher Folgendes als die Verfaßung des Herzogthums Coburg-Saalfeld. Tit. I. Von dem Herzogthum und deßen Regierung im Allgemeinen §. 1.) Das Herzogthum Coburg-Saalfeld, mit Einschluß des Amtes Themar, bildet einen deutschen Bundesstaat. §. 2.) Die Beschlüße der Bundes-Versammlung, welche die verfaßungsmäßigen Verhältniße Deutschlands, oder die Verhältniße deutscher Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, sind ein Theil des Staatsrechts des Herzogthums, und haben in demselben, wenn sie vom Landesherrn verkündet worden sind, verbindliche Kraft.

Textanhang

843

§. 3.) Der Herzog ist als Landesherr das Oberhaupt des Staats, vereinigt sich in alle Rechte der Staatsgewalt, und übt sie in den von ihm gegebenen, in dieser Verfaßungsurkunde festgesetzten Bestimmungen aus. Die Person des Landesherrn ist heilig und unverlezlich. §. 4.) Die Herzogl. Würde ist erblich in der directen leiblichen und gesetzmäßigen Nachkommenschaft des Herzogs nach dem Erstgeburtsrecht in männlicher Linie, so wie sich überhaupt die Erbfolge in dem Herzogl. Hause nach der für daßelbe bestehenden Primogenitur-Constitution und nach den Verträgen in den Sächsischen Häusern richtet. Tit. II. Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Staatsbürger. §. 5.) Der Genuß aller bürgerlichen Rechte steht nur Inländern zu. §. 6.) Das Recht eines Inländers (Indigenat) wird erworben: a) durch die Geburt für denjenigen, deßen Vater oder Mutter zur Zeit seiner Geburt Inländer waren; b) durch Verheyrathung einer Ausländerin mit einem Inländer; c) durch Verleihung eines Staatsamtes, oder Erwerbung von Grundeigenthum verbunden mit wesentlicher Wohnung im Lande; d) durch besondere Aufnahme, welche entweder ausdrücklich oder auch durch zehnjährige Duldung geschiehet. §. 7.) Staatsbürger sind diejenigen volljährigen Inländer männlichen Geschlechts, welche den Huldigungseid geschworen haben. §. 8.) Jede rechtskräftige Verurtheilung zu einer peinlichen Strafe zieht den Verlust des Staatsbürgerrechts nach sich. Außerdem wird es verloren durch Auswanderung. §. 9.) Die Ausübung des Staatsbürgerrechts wird gehindert: a) durch Versetzung in den peinlichen Anklagestand, oder Verhängung der Special-Inquisition; b) durch das Entstehen eines gerichtlichen Concurs-Verfahrens über das Vermögen bis zur Befriedigung der Gläubiger; c) während der Dauer einer Curatel;

844

Textanhang

d) für diejenigen, welche für die Bedienung der Person oder der Haushaltung von Andern Kost und Wohnung erhalten. §. 10.) Alle Einwohner des Herzogthums Coburg-Saalfeld sind vor dem Gesetze gleich. §. 11.) Die Geburt gewährt bey sonst gleichen Eigenschaften keinen Vorzug zur Erlangung irgend eines Staatsamts. §. 12.) Die Verschiedenheit der in dem Herzogthum anerkannten christlichen Confeßionen hat keine Verschiedenheit in den politischen und bürgerlichen Rechten zur Folge. §. 13.) Den anerkannten christlichen Confeßionen ist die gesetzmäßige freye und öffentliche Ausübung ihres Religions-Cultus gestattet. §. 14.) Jedem Einwohner des Herzogthums wird der Genuß vollkommener Gewißensfreyheit zugesichert; der Vorwand der Gewißensfreyheit darf jedoch nie ein Mittel werden, um sich irgend einer nach den Gesetzen obliegenden Verbindlichkeit zu entziehen. §. 15.) Die Freyheit der Person und des Eigenthums ist keiner anderen Beschränkung unterworfen, als welche Recht und Gesetze bestimmen. §. 16.) Jedem Einwohner steht das Recht der freyen Auswanderung nach den Bestimmungen des Gesetzes zu. §. 17.) Alle aus dem Lehensverband herrührende Frohnen sind ablösbar, so wie alle Feudal-Lasten überhaupt, nach einem darüber des nächsten erfolgenden allgemeinen Gesetz. §. 18.) Das Eigenthum kann für öffentliche Zwecke nur gegen vorgängige Entschädigung nach dem Gesetze in Anspruch genommen werden. §. 19.) Jeder Staatsbürger, für welchen keine gesetzliche Ausnahme besteht, ist verpflichtet, an der ordentlichen Kriegsdienstpflicht Antheil zu nehmen. Bei dem Aufrufe zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit entscheidet unter den Gleichverpflichteten das Loos, nach den bestehenden Loosungslisten, mit Gestattung der Stellvertretung.

Textanhang

845

§. 20.) In außerordentlichen Nothfällen ist jeder Einwohner zur Vertheidigung des Vaterlands verpflichtet, und kann für diesen Zweck zu den Waffen gerufen werden. §. 21.) Das Materielle der Justiz-Ertheilung und das gerichtliche Verfahren innerhalb der Grenzen seiner gesetzlichen Competenz, Form und Wirksamkeit sind von dem Einfluße der Regierung ganz unabhängig, und es soll niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. §. 22.) Kein Einwohner des Herzogthums darf anders, als in den durch das Recht und die Gesetze bestimmten Fällen und Formen verhaftet oder bestraft werden. Keiner darf länger als vier und zwanzig Stunden über den Grund seiner Verhaftung in Ungewißheit gelaßen und dem ordentlichen Richter soll, wenn die Verhaftung von einer andern Behörde geschehen ist, in möglichst kurzer Frist von dieser Verhaftung die erforderliche Nachricht gegeben werden. §. 23.) Die Verhältnisse der Civilstaatsdiener werden in einem besondern Gesetze, welches einen Bestandtheil der Verfaßungsurkunde bildet, ausführlich bestimmt werden. §. 24.) Jedem steht die Wahl seines Berufs und Gewerbes nach eigener Neigung frey. Unter Beobachtung der hinsichtlich der Vorbereitung zum Staatsdienst bestehenden Gesetze ist es jedem überlaßen, sich zu seiner Bestimmung im Inlande oder Auslande auszubilden. Tit. III. Von den Kirchen, den Unterrichts- und Wohlthätigkeits-Anstalten. §. 25.) Die innere Kirchenverfaßung genießt auch den Schutz der politischen Verfaßung. §. 26.) Verordnungen der Kirchengewalt können ohne vorgängige Einsicht und Genehmigung des Landesherrn weder verkündet noch vollzogen werden. §. 27.) Die Geistlichen sind in ihren bürgerlichen Verhältnißen und bey strafbaren Handlungen, welche nicht bloße Dienstvergehen sind, der weltlichen Obrigkeit unterworfen. §. 28.) Die Beschwerden über Misbrauch der Amtsbefugniße der Geistlichkeit können jederzeit bey der geordneten obern Landesstelle angebracht werden.

846

Textanhang §. 29.)

Das Kirchengut, das Vermögen der vom Staate anerkannten Stiftungen der Wohlthätigkeits- und Unterrichts-Anstalten, genießen des besondern Schutzes des Staats und kann unter keiner Bedingung dem Staatsvermögen einverleibt werden. §. 30.) Die Fonds der milden Stiftungen zur Beförderung der Gottes-Verehrung, des Unterrichts und der Wohlthätigkeit werden genau nach den darüber in den Stiftungsbriefen enthaltenen Verordnungen verwaltet. Ueber Abänderungen in der Verwaltung oder Verwendung, in soferne solche Abänderungen nach dem Sinne des Stifters zuläßig sind, sollen die Stände vorher jedesmal mit ihrem Gutachten gehört werden. Tit. IV. Von den Gemeinden. §. 31.) Die Angelegenheiten der Gemeinden sollen durch ein Gesetz geordnet werden, welches als Grundlage die eigene selbstständige Verwaltung des Vermögens unter der Oberaufsicht des Staats aussprechen wird. §. 32.) Die Grundbestimmungen dieses Gesetzes werden einen Bestandtheil der Verfaßung bilden. §. 33.) Das Vermögen der Gemeinden kann unter keiner Voraussetzung dem Staatsvermögen einverleibt werden. Tit. V. Von den Landständen. §. 34.) Für alle in dem Herzogthum Coburg-Saalfeld vereinte Landestheile soll von jetzt an eine Gesammtheit von Landständen bestehen, welche allen Theilen des Landes als einem Ganzen gemeinschaftlich ist. §. 35.) Diese Gesammtheit von Landständen wird gebildet: 1) aus sechs Abgeordneten, welche die sämmtlichen Rittergutsbesitzer im Lande aus ihrer Mitte wählen, in der Art, daß drey aus dem Fürstenthum Coburg, zwey aus dem Fürstenthum Saalfeld und einer aus dem Amte Themar auf dem Landtag erscheint. 2) aus zwey Abgeordneten der Stadtobrigkeiten zu Coburg und Saalfeld, von welchen jede einen aus ihrer Mitte, ferner 3) aus drey Abgeordneten der Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck, von welchen jede einen aus ihren Bürgern zu wählen hat, und

Textanhang

847

4) aus sechs Abgeordneten der übrigen Städte und sämmtlichen Dorfsgemeinden, so daß aus jedem Amt mit Inbegriff der einbezirkten Städte einer der Eingeseßenen gewählt wird. §. 36.) Jeder Abgeordnete wird nur auf den Zeitraum vom Anfang einer ständischen Versammlung bis zur nächsten, mithin in der Regel auf sechs Jahre (§. 80) gewählt, und bleibt bey gleichen Eigenschaften von neuem wählbar. Findet sich der Landesherr veranlaßt, eine ständische Versammlung früher oder vor dem Schluße ihrer Geschäfte aufzulösen; so erlöschen dadurch die bisherigen Wahlen und es tritt vor der Wiedereröffnung der neuen Ständeversammlung, welche in diesem Fall binnen sechs Monaten geschehen soll, eine neue Ständewahl ein. §. 37.) Jedes Ständemitglied ist als Abgeordneter nicht des einzelnen Wahlbezirks sondern des ganzen Landes anzusehen. Es können daher weder einzelne derselben, noch mehrere zusammen, etwas in Landes-Angelegenheiten unter sich verhandeln, und so Anträge oder Beschwerden an den Regenten bringen, sondern alles muß von der Gesammtheit der Stände bey deren gesetzmäßigen Versammlung ausgehen, und jedes einzelne Mitglied derselben soll bey seiner Theilnahme an den ständischen Verhandlungen nach seiner eigenen Ueberzeugung stets das Wohl des Ganzen beabsichtigen, eben so wenig Instructionen noch Aufträge für seine Abstimmung von Andern annehmen, als sein Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausüben, wobey ihm jedoch unbenommen bleibt, Beschwerden einzelner Staatsbürger oder ganzer Gemeinden über Verletzung constitutioneller Rechte, in der Stände-Versammlung vorzutragen. Vor Eröffnung der landständischen Versammlung hat jeder Deputirte folgenden Eid zu leisten: „Ich schwöre Treue dem Herzog, treue Beobachtung der bestehenden Landes-Verfaßung, Gehorsam den Landesgesetzen, und in der Stände-Versammlung das allgemeine Wohl nach bester eigener Ueberzeugung zu berathen.“ Die Stellvertreter sind, wenn sie im Laufe einer ständischen Versammlung einberufen werden, vor ihrer Theilnahme an den Berathungen auf gleiche Weise zu verpflichten. §. 38.) Zur Theilnahme an der Ständewahl sind im Allgemeinen nur diejenigen Staatsbürger berechtigt, welche im vollen Genuß des Staatsbürgerrechts sich befinden, und welche niemals wegen eines mit peinlicher Strafe gesetzlich bedrohten Verbrechens, wenigstens nicht ohne nachher erfolgte gänzliche Lossprechung, in Untersuchung, oder wegen Schulden, wenigstens nicht ohne völlige Befriedigung ihrer Gläubiger, in Concurs befangen waren. §. 39.) An der Wahl der von den Rittergutsbesitzern im Lande zu wählenden Abgeordneten und Stellvertreter zur Ständeversammlung soll jeder Besitzer eines im Lande gelegenen Ritterguts, dem keines der allgemeinen Erforderniße abgeht, ohne Rücksicht auf Stand, Dienstverhältniße und Wohnort Theil nehmen, und mehrere Besitzer eines Ritterguts haben einen von ihnen zur Stimmführung zu bevollmächtigen. Bey der Wahl zu Deputirten und Stellvertretern ist jedoch auch jeder der übrigen Mitbesitzer, in wiefern er sonst die gesetzlichen Eigenschaf-

848

Textanhang

ten hat, wählbar, nur mit der Beschränkung, daß aus den sämmtlichen Besitzern eines Ritterguts für einen und denselben Landtag nur Einer als Deputirter oder Stellvertreter erscheinen kann. Eheweiber, welche ein Rittergut besitzen, können diese Theilnahme von ihrem Ehemann ausüben laßen, und dem Ehemann verbleibt diese Theilnahme auch nach dem Tode der Besitzerin so lange, als demselben vermöge der väterlichen Gewalt der Niesbrauch des von der Ehefrau den Kindern hinterlaßenen Gutes zukommt. §. 40.) In den Städten wird in der Regel zur Wahlberechtigung außer den allgemeinen Bedingnißen (§. 38) das erlangte Bürgerrecht verbunden mit wesentlicher Wohnung erfordert. §. 41.) In den Dörfern ist auf gleiche Weise zur Theilnahme an den Wahlen das Nachbarrecht und der Besitz eines Hauses nöthig. Jedoch stimmen die Geistlichen auf dem Lande und die sonst daselbst sich befindenden Staatsdiener auch ohne diese Bedingung mit der Gemeinde ihres Orts. §. 42.) Die Wahl der Abgeordneten für die Rittergutsbesitzer und Stadtobrigkeiten geschieht unmittelbar durch die Wahlberechtigten aus der treffenden Claße selbst; die Wahl der übrigen Abgeordneten aber geschieht durch Wahlmänner. In den Städten wählen unter der Leitung der Stadtobrigkeit jedes Viertel vier Wahlmänner, in den Amtsbezirken wählt unter Leitung einer Amtsperson jedes Dorf, welches unter 50. Häuser hat, einen Wahlmann; Dörfer von 50 – 74. Häusern wählen zwey, Dörfer von 75 – 99. Häusern wählen drey Wahlmänner und so weiter in dem Verhältniß zu 25. Häusern. Die Wahlmänner in den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck wählen unter Leitung eines Regierungs-Commißairs die Abgeordneten aus der Bürgerschaft, und die Wahlmänner aus den Aemtern und einbezirkten Städten unter Aufsicht des treffenden Amtes aus deßen Bezirk die Deputirten und Stellvertreter. §. 43.) Bey der Theilnahme an der Ständewahl gilt durchgängig die Regel, daß die Wähler und Wahlmänner die Abzuordnenden aus ihrer Wahlklaße wählen, und daß ein Wähler oder Wahlmann bey der Wahl der Mitglieder einer ständischen Versammlung nur einmal seine Stimme geben, und hierin niemals in doppelter oder mehrfacher Eigenschaft handeln kann. §. 44.) Die allgemeinen Erforderniße eines Wahlmanns und eines Mitglieds der Ständeversammlung sind: 1) Bekenntniß zur christlichen Religion ohne Unterschied der Confeßion, 2) das Staatsbürgerrecht, 3) dreyßigjähriges Alter, 4) Unbescholtenheit des Rufs, indem kein Mitglied der ständischen Versammlung wegen eines gesetzlich mit Criminalstrafe bedrohten Verbrechens ohne unbedingt erfolgte Frey-

Textanhang

849

sprechung in Untersuchung gekommen, oder auch ohne vollständige Befriedigung seiner Gläubiger in Concurs befangen gewesen seyn darf. Endlich 5) kann ein Mitglied der Stände weder unter väterlicher Gewalt, noch unter Vormundschaft, noch unter Privatdienstherrschaft stehen. §. 45.) Bey der Claße der Rittergutsbesitzer können auch die Väter, die den Niesbrauch an den Gütern ihrer Kinder haben, und die Ehemänner von Weibern, denen Rittergüter eigenthümlich zugehören, zu Abgeordneten bey der Ständeversammlung gewählt werden. Gleiches gilt auch von dem, der sich nicht im alleinigen Besitz, sondern nur im Mitbesitz eines Ritterguts mit einem oder mehreren befindet. §. 46.) Die Abzuordnenden von den Städten und Dorfsgemeinden sollen entweder den Besitz eines im Lande belegenen schuldenfreyen Vermögens von 5000 fl. rheinl. oder ein unabhängiges reines Einkommen von jährlich 400 fl. rheinl. nachweisen, oder eidlich versichern können. §. 47.) Bey den Abgeordneten aus den Städten und Dörfern ist nach obigen Bedingungen wesentliche Wohnung im Lande erforderlich, bey den aus den Rittergutsbesitzern aber wird diese ausnahmsweise nicht verlangt. Personen, welche in wirklichen Diensten eines anderen Staates stehen, können ohne besondere Bewilligung des Landesherrn nicht zur Wahl gelangen. §. 48.) Die Wahl der Ständemitglieder und eines Stellvertreters für jedes derselben geschieht jedesmal vor Eröffnung eines neuen Landtags auf vorgängige Anordnung des Landesherrn. Für die Rittergutsbesitzer und die Abgeordneten von den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck wird der Wahltag unmittelbar von der Landesregierung sechs Wochen vorher im Regierungsblatt bekannt gemacht, und der zur Leitung des Wahlgeschäfts bestimmte Commißarius (§. 52) benannt. Für die übrigen Stände erfolgt diese Bekanntmachung ebenfalls sechs Wochen vorher durch öffentliche Anschläge an jedem Orte von den das Wahlgeschäft leitenden Behörden (§. 52). Die ohne solche Bekanntmachung eigenmächtiger Weise vorgenommenen Wahlen sind ungültig und strafbar. Die Wahlen werden übrigens da, wo sie an einem Tage nicht beendigt werden können, jedesmal an den nächstfolgenden fortgesetzt und so ohne Unterbrechung vollendet. §. 49.) In der Regel werden die Wahlversammlungen von den Rittergutsbesitzern in dem Regierungsgebäude zu Coburg, für die Abgeordneten aus den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck auf den dasigen Rathhäusern, und für die von den übrigen und den Dorfsgemeinden zu wählenden Stände in den Localen der treffenden Justizämter gehalten. Die den Wahlact leitenden Behörden können jedoch nach Befinden auch ein anderes schickliches Locale dazu wählen, und haben den bestimmten Ort bey der Bekanntmachung des Wahltags jedesmal anzugeben.

850

Textanhang §. 50.)

Vor jeder Wahl der Wahlmänner haben die leitenden Behörden sich vollständige Verzeichniße der Wahlberechtigten ihres Bezirks zu verschaffen, und diejenigen, welche bey dem Wahlact ohne die dazu erforderlichen Eigenschaften erscheinen, von der Theilnahme daran auszuschließen. Etwaige Beschwerden über eine solche Ausschließung und deshalbige Anträge auf Ehrenerklärung und Genugthuung können bey dem Justiz-Collegium zur rechtlichen Verhandlung und Entscheidung angebracht werden, doch kann dadurch der Wahlact selbst keine Störung erleiden. §. 51.) Bey solchen Wahlversammlungen muß wenigstens ein Drittheil der stimmberechtigten Einwohner des Wahlbezirks anwesend seyn, außerdem wird eine anderweite Versammlung auf einen nahen Tag anberaumt, wo dann die Wahl der Wahlmänner in jedem Falle vor sich geht. Bey den Wahlen der Abgeordneten müßen sämmtliche Wahlmänner zugegen seyn. Blos Krankheit entschuldigt die nicht persönliche Theilnahme und berechtiget einen solchen Wahlmann zur schriftlichen Einsendung seiner Stimme, wobey die unter §. 57. folgenden Bestimmungen zu beachten sind. §. 52.) Zur Leitung der Wahl der Abgeordneten wird sowohl für die Rittergutsbesitzer, als für die Stadtobrigkeiten und die Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck ein besonderer RegierungsCommißair ernannt, und die Wahlen der übrigen Stände sollen unter Aufsicht und Leitung der ersten Justizbeamten in ihren Amtsbezirken geschehen. Die leitenden Behörden erhalten übrigens für diese Arbeit keine Gebühren, sondern nur ihre gehabten Auslagen aus der Landeskaße ersetzt. §. 53.) Die Wahlberechtigten können bey der Abstimmung nur in eigener Person, nicht durch Bevollmächtigte handeln, und nicht sich selbst ihre Stimme geben. §. 54.) Den Rittergutsbesitzern ist nachgelaßen, ihre Abstimmung in eigenhändig geschriebenen und mit ihrem vollen Namen unterzeichneten Wahlzetteln abzugeben. Die Anwesenden stimmen in der Ordnung ab, wie sie sich zum Wahltage angemeldet haben, und die Abwesenden haben ihre Abstimmung bis zum Wahltage einzusenden. Die Eröffnung der Wahlzettel geschiehet in Gegenwart der Erschienenen, und die drey zunächst wohnenden Rittergutsbesitzer werden ausdrücklich dazu eingeladen. Jeder Rittergutsbesitzer hat übrigens seine Abstimmung in Gemäßheit des §. 57. einzurichten. §. 55.) Die Wahlberechtigten der übrigen Stände haben ihre Abstimmung dem zur Leitung des Wahlgeschäfts Beauftragten mündlich und einzeln zu eröffnen. §. 56.) Jeder Wahlberechtigte leistet vorher das Handgelöbniß, daß er nach inniger Ueberzeugung für das Beste des Landes seine Stimme abgeben werde, und daß er hierzu weder überredet

Textanhang

851

worden, noch sonst etwas erhalten habe, oder annehmen werde. Sollten dennoch Empfehlungen oder Werbungen vorkommen; so wird die dadurch bewirkte Wahl ungültig, eine anderweite nöthig, und die Schuldigen verlieren mit Vorbehalt anderer gesetzlicher Strafe ihr Wahlrecht. §. 57.) Bey der Wahl der Abzuordnenden und Stellvertreter selbst werden sowohl bey derjenigen, die unmittelbar durch die Wahlberechtigten geschieht, als bey der Wahl, die durch Wahlmänner vollzogen wird, von jedem Wählenden für die doppelte Zahl der Abzuordnenden, Candidaten namhaft gemacht, und wenn dieses geschehen ist, durch die das Wahlgeschäft leitende Behörde die Namen in Ordnung so zusammengestellt, daß derjenige, welcher die meisten Stimmen erhalten hat, als erwählter Deputirter für die Stände-Versammlung und so nach Mehrheit der Stimmen die übrigen als Stellvertreter angesehen werden. Träfe sich es jedoch, daß die Wählenden oder Wahlmänner auf gleiche Personen gefallen seyn sollten; so geht derjenige als Deputirter oder Stellvertreter dem andern vor, der vor dem andern namhaft gemacht worden ist; wäre aber auch die Ordnungszahl, in der die Candidaten namhaft gemacht wurden, gleich; so entscheidet das Loos. Sollten alle Stimmen eine Person treffen; so wird der Stellvertreter besonders gewählt. §. 58.) Ablehnen kann ein Gewählter die Stelle eines Abgeordneten nur, wenn er Staatsdiener ist, oder wegen ärztlich bescheinigter Krankheit, oder wegen häuslicher Unentbehrlichkeit, die seine obrigkeitliche Behörde zu beglaubigen hat. §. 59.) Ueber die Wahlhandlungen werden von den Commißarien entweder selbst oder durch beizuziehende verpflichtete Secretarien, und bey den Justizämtern durch den zweiten Beamten, oder einen verpflichteten Actuar, ausführliche Protocolle mit genauer Bemerkung jedes Stimmenden und seiner Abstimmung aufgenommen, von den Commißarien und ersten Beamten unterschrieben, und nebst den Acten mit einem die Namen der Gewählten und deren Stellvertreter enthaltenden Bericht an die Landesregierung eingesendet. §. 60.) Die Landesregierung prüft dann ohne Zeitverlust die sämmtlichen Wahlen, und sendet die Acten mit ihren gutachtlichen Anträgen berichtlich an das Landes-Ministerium ein. §. 61). Die hierauf eingehenden Resolutionen werden sowohl den leitenden Behörden, als den genehmigten Gewählten und ihren Stellvertretern bekannt gemacht, und wegen der etwa erforderlichen neuen Wahlen wird das Nöthige angeordnet. §. 62.) Abweisende Resolutionen werden jedesmal mit Gründen versehen, dem Nichtgenehmigten aber ist es noch verstattet, sich an die Stände-Versammlung um Interceßion bey dem Landesherrn zu wenden. Beym Zurückweisen eines Gewählten tritt der Stellvertreter, für diesen aber

852

Textanhang

derjenige ein, der nach ihm die meisten Stimmen hat, und wenn ein solcher nicht vorhanden ist, erfolgt eine neue Wahl. Tit. VI. Von den Befugnißen der Landstände. §. 63.) Die Stände sind befugt, sich mit denjenigen Gegenständen zu beschäftigen, welche im Nachfolgenden zu ihrem Wirkungskreis angewiesen sind, und welche sich a) auf die Gesetzgebung, b) auf die Finanz-Verwaltung und auf Erhaltung des Landes- und Domanial-Eigenthums, und c) auf gemeinschaftliche Anträge und Beschwerden beziehen, und im folgenden näher angegeben sind. §. 64.) Neue Gesetze, welche die eigentliche Landes-Verfaßung, das heißt, die Bestimmung der gegenseitigen Rechte des Regenten und der Stände betreffen, so wie Abänderungen und Erklärungen der hierunter bestehenden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit die Zustimmung der Stände. §. 65.) Ohne Beyrath und Zustimmung der Stände können Gesetze, welche die persönliche Freyheit und das Eigenthum betreffen, nicht gegeben, abgeändert oder aufgehoben werden. Wenn die Versammlung gegen einen Vorschlag stimmt; so bleibt er bis zum nächsten Landtag ausgesetzt. Dagegen können einzelne Verfügungen in dringenden Fällen, so wie diejenigen besonderen Anordnungen ohne Beyrath der Stände getroffen werden, welche sich auf einzelne Fälle, Gemeinheiten, Vereine und Personen oder auf vorübergehende Ereigniße beziehen, jedoch gelten diese Verfügungen nur für den besondern dringenden oder einzelnen Fall, und können nicht zur Consequenz als Gesetz angezogen werden. §. 66.) Der Regent ist befugt, ohne ständische Mitwirkung, die zur Vorbereitung, Vollstreckung und Handhabung der Gesetze erforderlichen, so wie die aus den Landesherrlichen Rechten fließenden Verordnungen und Anstalten zu treffen, und überhaupt in allen Fällen das Nöthige zur Sicherheit des Staats vorzukehren. Auch bleiben die Landesherrlichen Rechte hinsichtl. der Privilegien, Dispensationen und Abolitionen durchgängig unbeschränkt. §. 67.) Gesetzesentwürfe können nur vom Landesherrn an die Stände, nicht von den Ständen an den Landesherrn gebracht werden. Die Stände können aber auf neue Gesetze, so wie auf Abänderung oder Aufhebung der bestehenden antragen, und ist solches zur weitern höchsten Entschließung des Landesherrn anheimstellen. §. 68.) In Ansehung des Finanzwesens steht den Ständen die Steuerverwilligung und bey der Verwaltung der Landeskaße unter der Aufsicht des Regenten folgende Concurrenz zu:

Textanhang

853

1) wird der Etat der Landeskaße mit Zustimmung der Stände hergestellt; 2) sind die Stände berechtigt, zu verlangen und darüber zu wachen, daß der immer von einem Landtage zum andern geltende, für diese Finanzperiode vom Landesherrn als Gesetz ausgesprochene; Etat pünctlich beobachtet werde, und für diese pünctliche Beobachtung sind die obern Landes-Administrations-Behörden verantwortlich; 3) haben die Stände zu allen über den Etat gehenden und außerordentlichen Ausgaben ihre besondere Zustimmung zu ertheilen; 4) werden den Ständen die Kaßenrapporte mitgetheilt; 5) haben die Stände das Recht, bey der Landesregierung auf Kaßenstürze mündlich oder schriftlich anzutragen, und die Landesregierung hat diesen Anträgen alsbald zu willfahren, auch ist bey diesen Kaßenstürzen stets ein Mitglied der Stände zuzuziehen, und auf deßen Anträge dabey Rücksicht zu nehmen; 6) haben die Stände die Abnahme, Prüfung und Justificatur der Landeskaßerechnungen gemeinschaftlich mit der Landesregierung zu besorgen, und 7) zur Besetzung der Landeskaßirerstelle dem Landesherrn geeignete Personen zur Auswahl und Ernennung vorzuschlagen. §. 69.) Die Stände sind ferner befugt, von dem Ministerium alle Subsidien zu verlangen, welche zu obigen Geschäften insbesondere aber zur Prüfung der Etats und Rechnungen, so wie zur Uebersicht der Verwendung ihrer Verwilligung und endlich zur Beurtheilung derjenigen Mittel erforderlich sind, durch welche die Staatsbedürfniße gedeckt werden sollen. §. 70.) Zur Landeskaße sollen nicht nur die mit Bewilligung der Stände fortbestehenden directen und indirecten Steuern, so wie alle noch künftig von den Ständen zur Deckung der Landesbedürfniße verwilligt werdende Abgaben, sondern auch das Einkommen aus den Regalien und alle aus Uebung der Landesherrlichen Gewalt entspringenden Gefälle, nicht minder der gesammte Ertrag der Chaußee- und Weggelder aller Art, so wie alle zum Behuf des Militairs und in Beziehung auf solches von den Unterthanen erfolgende Leistungen und die von Hintersaßen zu zahlenden Schutzgelder fließen. Ueber diese der Landeskaße zu überweisenden Fonds, so wie über die Errichtung einer Schuldentilgungskaße, wird eine besondere Bestimmung durch Etats getroffen werden, welche nach erfolgter Uebereinkunft als ein integrierender Theil der Verfaßung anzusehen ist. §. 71.) Dagegen soll die Landeskaße die sämmtlichen Kosten der Staatsverwaltung, die Unterhaltung der dem Staatsdienst gewidmeten öffentlichen Gebäude, des Militairs, den Aufwand für Landesbehörden, Kirchen und Schulen, für Chaußeen und Wege und überhaupt für alles, was zur Erhaltung und Förderung des gemeinen Wesens durch allgemeine Landes-Anstalten erforderlich ist, bestreiten. Die Ueberschüße sind nach Bestreitung der Zinsen zunächst zu den Schuldentilgungsfonds, so wie auch zur Erhöhung des Fonds der Diener-Pensionen zu verwenden, und in wiefern die zunächst auf die Domainen radicirten Bedürfniße des Herzogl. Hauses und Hofs nicht aus den Domanial-Einkünften so vollständig, als die Würde des Landesherrn erfordert,

854

Textanhang

bestritten werden können, treten Zuschüße zu den Kosten des Hofstaats aus der Landeskaße zur Hauptdomainenkaße ein. §. 72.) Die Steuern sind nur zur Bestreitung der Landesbedürfniße bestimmt, zu welchen alle Staatsbürger nach verhältnißmäsiger Gleichheit, und alles Grundeigenthum im Lande, ohne Ausnahme, also auch die Domainengüter und Renten ebenfalls nach verhältnißmäsiger Gleichheit, beizutragen haben. Diese sämmtlichen Steuern sollen niemals ohne vorher gegangenes Gehör der Stände und ohne deren ausdrückliche Verwilligung ausgeschrieben oder erhoben werden. Doch dürfen die Stände ihre Verwilligungen nicht an Bedingungen knüpfen, welche den Zweck und die Verwendung derselben nicht selbst betreffen. §. 73.) Die Auflagen, in sofern sie nicht blos für einen vorübergehenden Zweck bestimmt waren, dürfen nach Ablauf der Verwilligungszeit noch ein Jahr forterhoben werden, wenn die Ständeversammlung aufgelöst wird, ehe ein neues Finanzgesetz zu Stande kommt, oder wenn die ständischen Berathungen sich verzögern. Dieses Jahr wird jedoch in die neue Finanzperiode eingerechnet. §. 74.) Der Landesherr ist übrigens dann, wenn die Stände die nothwendige Verwilligung für die Erfüllung neuer durch Verpflichtungen gegen den deutschen Bund gegründeter Verbindlichkeiten verweigern sollten, zur Ausschreibung der dazu erforderlichen durch Ersparniße nicht aufzubringenden Summen berechtigt, und es wird über deren Verwendung öffentliche Rechenschaft abgelegt; auch steht dem Landesherrn die ausschließende Verfügung über das Militair, die Formation deßelben, die Disciplinar-Verwaltung und das Recht, alle den Kriegsdienst betreffende Verordnungen zu erlaßen, ohne ständische Mitwirkung zu. Aushebungen zur Vermehrung der Truppen über die Bundespflicht hinaus, können auch nur durch ein solches Gesetz bestimmt werden, welches, wie das Conscriptionsreglement, mit ständischer Concurrenz erlaßen ist, unbeschadet jedoch des des Landesherrlichen Rechtes, in dringenden Fällen die zur Sicherheit und Erhaltung des Staats nothwendigen Vorkehrungen zu treffen. §. 75.) Die gesammte Staatsschuld soll durch ein besonderes Gesetz und durch die Errichtung einer besondern Staatsschulden-Tilgungsanstalt sicher gestellt, auch eine Vermehrung der Staatsschulden ohne Einwilligung der Stände nicht vorgenommen werden. Die Officianten der Staatsschulden-Tilgungs- so wie der Landeskaße sollen auf die genaueste Befolgung der Constitution und der ihnen in dieser Gemäßheit zu ertheilenden Instruction in Gegenwart des Landschaftsdirectors, oder eines Stände-Mitglieds, verpflichtet werden. §. 76.) Die Domainen-Revenüen sollen für die Erhaltung des Regentenhauses, für die Administrationskosten, und den übrigen Bedarf verwendet werden.

Textanhang

855

Zur Sicherheit und Erhaltung des dem regierenden Herzogl. Hause eigenthümlich zuständigen Domanial-Vermögens will der Landesherr die Stände zur Berathung in Ansehung einer nützlichen oder schädlichen Verwendung dieses Vermögens zugezogen und die Stände als Garants von dem Domanial-Vermögen angesehen wißen, die Stände sind daher gehalten, in solcher Eigenschaft der Garants, keine Verminderung oder Veräußerung des DomanialVermögens zu gestatten. §. 77.) Die Stände haben das Recht, alles dasjenige vorzutragen, was sie vermöge eines, von der absoluten Mehrheit der wenigstens zu zwey Drittheilen versammelten Abgeordneten des Landes bey der Stände-Versammlung gefaßten Beschlußes für geeignet halten, um an den Landesherrn als Bitte oder Beschwerde gebracht zu werden. Dergleichen Anträge werden jederzeit eine willige Aufnahme finden, und nach vorgängiger Erwägung und Befinden die erforderlichen Verfügungen zur Erfüllung solcher Bitten oder zur Abhülfe der Beschwerden getroffen werden. §. 78.) Insbesondere haben auch die Stände das Recht, auf die in dem §. 77. bestimmte Art, diejenigen Beschwerden an den Landesherrn zu bringen, welche sie sich gegen das Benehmen der Staatsdiener aufzustellen bewogen finden können. Solche Beschwerden sollen nemlich jedesmal zuerst bey dem Landesherrn angebracht werden, und nur dann auf dem Wege förmlicher Klage an das Justiz-Collegium, oder wenn sie gegen deßen Mitglieder gerichtet sind, an das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Jena gelangen, wenn sie von besonderer Erheblichkeit sind, und Unterschleife bey öffentlichen Kaßen, Bestechungen, absichtlich verweigerte oder verzögerte Rechtspflege, Eingriffe in die Verfaßung, oder in die gesetzliche Freyheit, die Ehre und das Eigenthum der einzelnen Unterthanen oder verfaßungsmäßiger Behörden und Communen betreffen, und durch die von dem Landesherrn auf die zuerst bey ihm angebrachte Beschwerde getroffene Verfügung und darauf erfolgte Verantwortung des Angeschuldigten nicht erledigt sind. Ohne eine solche vorgängige Verantwortung des Angeschuldigten soll aber in keinem Falle eine förmliche Untersuchung gegen denselben verfügt werden. §. 79.) Einzelne und Corporationen können sich nur dann an die Stände wenden, wenn sie hinsichtlich ihrer individuellen Intereßen sich auf eine unrechtliche Weise für verletzt oder gedrückt halten, und zugleich nachzuweisen vermögen, daß sie die gesetzlichen und verfaßungsmäßigen Wege bey den Landesbehörden zur Abhülfe ihrer Beschwerden vergeblich eingeschlagen haben. Solche Beschwerden können dann die Stände, falls sie nicht von ihnen, nach ertheilter Auskunft von den obersten Landesbehörden, sofort als unbegründet verworfen werden, auf die vorbemerkte Weise an den Regenten bringen. Anträge Einzelner und ganzer Corporationen hinsichtlich allgemeiner politischer Intereßen sind dagegen unzuläßig und strafbar, indem die Prüfung und Wahrung dieser Intereßen lediglich der Stände-Versammlung als Gesammtheit zukommt. §. 80.) In der Regel soll von sechs zu sechs Jahren ein ordentlicher Landtag und zwar jedesmal im Februar anfangend, gehalten werden, und auf diese Zeit auch die Verwilligung geschehen. Es hängt jedoch von dem Landesherrn ab, ob er mehrmals und wie oft er die Abgeordneten des

856

Textanhang

Landes zu außerordentlichen Landtägen zusammen berufen will. Nach Verlauf von sechs Jahren erlischt die Function der auf diese Zeit gewählten ständischen Deputirten, eben so wie in dem Fall der von dem Landesherrn innerhalb dieser sechs Jahre geschehenen Auflösung der Ständeversammlung, in beiden Fällen aber mit Ausnahme der den Ausschuß bildenden Mitglieder, deren Function erst mit der Wiedereröffnung eines neuen Landtags erlischt. §. 81.) Der Landesherr allein hat das Recht, die Stände zu berufen und die ständischen Versammlungen zu vertagen, aufzulösen und zu schließen. Ständische Versammlungen ohne Landesherrliche Zusammenberufung, oder nach bereits erfolgtem Schluß, oder nach geschehener Vertagung des Landtags sind unzuläßig und gesetzwidrig, und alle dabey gefaßten Beschlüße sind nichtig. §. 82.) Die Stände genießen während des Landtags einer völligen Unverletztheit der Person, und können während dieser Zeit ohne Einwilligung der Ständeversammlung keiner Art von Arrest unterworfen werden, den Fall einer Ergreifung auf frischer That bey begangenen Verbrechen ausgenommen, wo aber der Ständeversammlung ungesäumt Anzeige des Vorfalls mit Angabe der Gründe gemacht werden soll. §. 83.) Die Eröffnung eines Landtags so wie die Schließung deßelben geschieht von dem Landesherrn entweder in eigener hoher Person, oder durch einen besonders dazu beauftragten Commißair, und nach dem Schluße wird der den Ständen bereits eröffnete Landtagsabschied bekannt gemacht. Tit. VII. Von der Geschäftsordnung bey den Landtägen. §. 84.) Auf den Landtägen sind alle ständischen Angelegenheiten in der Regel von der Gesammtheit der Stände zu behandeln. Diejenigen, welche für besondere Commißionen oder den Landschaftsdirector allein gehören, sind unten angegeben. §. 85.) Nach Beendigung der Wahlen erfolgt die Zusammenberufung der Stände von dem Regenten durch ein Rescript an die Landesregierung mit Bestimmung des Orts und der Zeit. Hierauf wird eine allgemeine Bekanntmachung im Regierungsblatt, und an jedes Ständemitglied ein besonderes Einberufungsschreiben erlaßen. §. 86.) Die Abgeordneten haben ihre Anwesenheit einer dazu ernannten Landesherrlichen Commißion zu melden, oder bey derselben ihr Nichterscheinen schriftlich und zeitig zu entschuldigen, um deren Stellvertreter noch einberufen zu können. Wenn nicht wenigstens zwey Drittheile der Abgeordneten anwesend sind, kann weder der Landtag eröffnet, noch sonst eine vorbereitende ständische Verhandlung mit Gültigkeit vorgenommen werden.

Textanhang

857

§. 87.) Die Landesherrliche Commißion versammelt dann zuvörderst an einem dazu bestimmten Tage die Abgeordneten, um die Wahl eines Landschaftsdirectors und eines Secretairs, so wie eines Stellvertreters für den Landschaftsdirector und den Secretair, von der Ständeversammlung bewirken zu laßen. Die Wahl selbst geschiehet durch geheimes Stimmgeben an die Commißion nach der Ordnung des natürlichen Alters der einzelnen Abgeordneten. §. 88.) Zu diesen Stellen ist jedes Mitglied der ständischen Versammlung, welches im Lande angeseßen ist, wählbar. Um die zu diesen Wahlen nöthige unbedingte Stimmen-Mehrheit zu erlangen, kann so lange abgestimmt werden, bis wenigstens Stimmen-Gleichheit erfolgt, dann entscheidet das Loos. §. 89.) Die geschehenen Wahlen werden dem Landesherrn von der Commißion zur Bestätigung vorgetragen. Erfolgt diese aus anzugebenden Gründen nicht durchgängig; so wird wegen der Nichtgenehmigten zu einer anderweiten Wahl geschritten, die ebenfalls vorzutragen ist. §. 90.) Nach eingegangener Landesherrlicher Bestätigung geschieht die Eröffnung der ständischen Versammlung, nachdem vorher der Landschaftsdirector, der Secretair und die Stellvertreter derselben von der Commißion verpflichtet worden sind. In der Stände-Versammlung sitzt der Landschaftsdirector oben an, und neben ihm zur linken Seite der Secretair und die Stellvertreter von beiden, die übrigen Stände aber nach der Ordnung ihres natürlichen Alters. Die Mitglieder des Landes-Ministeriums haben bey der Ständeversammlung freyen Zutritt außer bey Abstimmungen und vertraulichen Sitzungen. §. 91.) Der Landschaftsdirector hat zur Leitung der Geschäfte die Rechte und Obliegenheiten eines Collegial-Präsidenten. Er empfängt die Eingänge, bestimmt, eröffnet und schließt die Sitzungen; leitet die Berathungen, verhütet alle Abschweifungen, und stellt die Gegenstände des Abstimmens in einzelne zur unbedingten Bejahung und Verneinung geeigneten Fragen auf; er handhabt die Ordnung so wie die Gesetze des Anstands, duldet keine Persönlichkeiten oder beleidigende Aeußerungen, und kann falls ein Mitglied seine Verweisung zur Ordnung unbefolgt läßt, die Sitzung alsbald schließen, und die Gesammtheit der Stände darf dann in der nächsten Sitzung Misbilligung und im Wiederholungsfalle zeitige oder gänzliche Ausschließung aus der Stände-Versammlung erkennen. Der Landschaftsdirector erhält ferner die schriftlichen Anzeigen von dem Grund der Abwesenheit der im Orte sich befindenden Mitglieder, ertheilt den Anwesenden einen Urlaub bis zu vier Tagen, und bringt die Gesuche um einen längern oder um gänzlichen Abgang bey der Ständeversammlung zum Vortrag, von welchen sodann auch höchsten Orts Anzeige zu machen ist. §. 92.) Der Secretair führt die Protocolle in den allgemeinen Sitzungen, entwirft die schriftlichen Ausfertigungen und Beschlüße, und sorgt für Ordnung der Canzley, so wie für Aufbewahrung und Ordnung der Acten.

858

Textanhang §. 93.)

Zu Anfang der Sitzung wird das Protocoll der vorhergehenden, um es mit Einverständniß der Stände-Versammlung zu faßen, durch den Secretair vorgelesen, von dem Präsidenten und dem Secretair unterschrieben und von sämmtlichen anwesenden Deputirten signirt. Nach Bekanntmachung des Inhalts der Eingänge seit der letzten Sitzung wird zur Tages-Ordnung geschritten. §. 94.) Zuerst sind nemlich die von dem Landesherrn den Ständen vorgelegten Anträge und zwar in der Ordnung, wie sie gefaßt und eingegangen sind, in Berathung zu ziehen. Die Mittheilung dieser Anträge geschiehet schriftlich, entweder durch das Landes-Ministerium oder eine besondere Commißion. Zur Beförderung des Gangs der Geschäfte können wichtige Angelegenheiten durch Mitglieder des Landes-Ministeriums oder besondere Commißionen in der Stände-Versammlung noch besonders mündlich erörtert und erläutert werden. §. 95.) Wenn die vorhandenen Landesherrlichen Anträge durch Beschlüße erledigt sind, dann werden diejenigen Gegenstände in der von dem Landschaftsdirector zu bestimmenden Ordnung vorgenommen, welche von den Mitgliedern der Stände-Versammlung in Antrag gebracht worden sind. Es steht nemlich jedem Mitgliede wie dem Landschaftsdirector frey, über sonst irgend wichtige Gegenstände, die nicht in den Landesherrlichen Anträgen enthalten sind, Vortrag zu thun, nachdem es seine Absicht dem Landschaftsdirector angezeigt, und dieser einen Tag dazu bestimmt hat. Schriftliche Verhandlungen der Stände mit andern Behörden oder Personen außer dem Landes-Ministerium sind nicht gestattet. §. 96.) Zur Bearbeitung einzelner Gegenstände kann die Versammlung einige aus ihrer Mitte durch die Wahl nach relativer Mehrheit der Stimmen ernennen. Diese Commißionen haben sich mit den Mitgliedern des Ministeriums oder den Landtags-Commißarien zu benehmen, um die erforderlichen Nachrichten zu erhalten, oder um zu einer Ausgleichung etwaiger abweichender Ansichten zu gelangen. Bey den Verhandlungen einer solchen Commißion führt ein Mitglied das Protocoll, die Beschlüße werden nach absoluter Stimmen-Mehrheit gefaßt, und durch ein von der Commißion selbst gewähltes Mitglied derselben entweder mündlich oder schriftlich in der ständischen Versammlung zum Vortrage gebracht. Bey der Berathung darüber hat jedes Mitglied der Commißion seine Stimme so gut, wie die übrigen Stände. §. 97.) Nur diejenigen, welche einen Antrag machen, oder den Beschluß einer Commißion vorzutragen haben, sind zur Vorlesung schriftlicher Aufsätze berechtigt; den übrigen Mitgliedern ist es zwar freygestellt, ihre Meinungen über die vorgekommenen Berathungspuncte ausführlich zu äußern, sie haben sich aber auf mündliche Vorträge zu beschränken. §. 98.) Findet der Landschaftsdirector die in Berathung gekommenen Gegenstände zur Fassung der nöthigen Beschlüße genugsam vorbereitet; so wird zur Stellung der Fragen, worüber ab-

Textanhang

859

gestimmt werden soll, übergegangen, und es steht jedem Mitgliede frey, auf Abänderung dieser Stellung anzutragen; ist hierüber die Discußion beendigt; so erklärt der Landschaftsdirector die ständischen Verhandlungen darüber für geschloßen, und setzt einen Tag zur Abstimmung fest. Die Abstimmung erfolgt dann ohne weitere Erörterung. Jedes Mitglied stimmt auf die vorgelegten Fragen des Landschaftsdirectors (§. 91.) aufgerufen vom Jüngsten an nach der Reihe der Sitze, zuletzt der Secretair und der Landschaftsdirector, durch Ja oder Nein. Der Secretair bemerkt das Resultat der Abstimmung der Zahl nach, und der Landschaftsdirector spricht am Ende den Beschluß der Stände aus. §. 99.) Zur Gültigkeit eines solchen Beschlußes ist die absolute Mehrheit der Stimmen bey Anwesenheit von wenigstens zwey Drittheilen der ständischen Gesammtheit nöthig, und zu Abänderung der ständischen Verfaßung wird die Gleichstimmung von drey Viertheilen derselben erfordert. Tritt statt der absoluten Stimmen-Mehrheit im erstern Fall eine Gleichheit der Stimmen ein, und bleibt dieselbe auch nach nochmaliger Abstimmung; so entscheidet der Ausspruch des Regenten, bey andern Gegenständen die Meynung für die bestehende Einrichtung, und bey Beschwerden gegen Einzelne die ihnen günstigere Ansicht. Gegen einen auf die vorgedachte Weise gefaßten Beschluß findet durchaus keine weitere Einwendung statt. §. 100.) Die Beschlüße der Stände-Versammlung werden mit der gehörigen Deutlichkeit und Bestimmtheit abgefaßt, und im Concept von sämmtlichen anwesenden Deputirten signirt, unter der Aufschrift: Erklärungsschrift der getreuen Stände des Herzogthums Coburg-Saalfeld, vom Landschaftsdirector und Secretair unterschrieben, dem Landes-Ministerium übergeben, und von diesem werden die Resolutionen des Regenten den Ständen ebenfalls schriftlich eröffnet. §. 101.) Mündliche Erklärungen der Stände über vorgekommene Berathungspuncte finden eben so wenig, als mündliche Anträge, bey dem Regenten Statt, auch ist zu Deputationen der Stände an den Landesherrn jedesmal eine vorher dazu eingeholte Erlaubniß nöthig. §. 102.) Bey einem bloß vertagten Landtage geschieht die Zusammenberufung der Stände durch den Landschaftlichen Ausschuß auf den Grund eines Landesherrlichen Rescripts, und die Geschäfte werden dann in derselben Ordnung wie sonst auf den Landtägen behandelt. §. 103.) Die Mitglieder der Stände-Versammlung erhalten auf Begehren aus der Landeskaße sowohl Vergütung der Reisekosten, als auch eine für alle ganz gleichmäßige tägliche Auslösung für die Zeit ihres Aufenthalts.

860

Textanhang Tit. VIII. Von dem ständischen Ausschuß. §. 104.)

Während der Zeit, wo keine Stände-Versammlung Statt findet, werden die Landständischen Geschäfte durch einen Ausschuß besorgt, welcher aus a) dem Landschaftsdirector und dem Secretair, dann b) vier andern Mitgliedern der ständischen Versammlung bestehet. Dies vier Mitglieder werden von der Ständeversammlung jedesmal während des Landtags durch absolute Stimmen-Mehrheit gewählt, und dem Landesherrn zur Genehmigung angezeigt. Die Wirksamkeit dieses Ausschußes hört bey der wieder eintretenden Versammlung der ständischen Gesammtheit auf, und die Mitglieder deßelben nehmen an den Geschäften dieser Versammlung jedoch in dem Fall, daß der Landtag, wo der Ausschuß gewählt worden, geschloßen und nicht bloß vertagt seyn sollte, nur in so ferne Theil, als sie bey der jetzt neu auftretenden Stände-Versammlung entweder selbst zu Stände-Mitgliedern bey derselben gewählt und bestätigt sind, oder als die neue Stände-Versammlung über ihre bisherige Geschäftsführung Auskunft oder Rechenschaft verlangt. §. 105.) Die Verrichtungen des Ausschußes sind: 1) die Zusammenberufung der Landständischen Abgeordneten, wenn von dem Landesherrn entweder auf Antrag des Ausschußes oder aus eigener Bewegung ein vertagter Landtag wieder in Thätigkeit gesetzt wird; 2) vorläufige Berathung und Bearbeitung der bey der ständischen Gesammtheit zum Vortrag kommenden Geschäfte, so weit sie nemlich schon vor der Zusammenkunft bekannt sind, z. B. vorläufige Prüfung der Etats, Berathung über vorgekommene Beschwerden, Revision der früherhin ohne Landschaftl. Concurrenz erlaßenen Verordnungen, Begutachtung der vom Gouvernement mitgetheilten Gesetz-Entwürfe u.s.w. Uebrigens steht dem Ausschuß während der Zeit, wo derselbe die ständischen Geschäfte allein zu besorgen hat, frey, in Ansehung der ihm erforderlichen Nachrichten und Aufschlüße sich unmitelbar an die oberste Landesbehörde zu wenden, und versteht es sich von selbst, daß die Mitglieder der Stände-Versammlung in den Plenar-Sitzungen an das Gutachten des Ausschußes nicht gebunden sind; 3) fortwährende Vertretung der Stände außer dem Landtag während seiner Periode. Der Ausschuß kann jedoch weder Steuern und andere Belastungen des Staatsbürgers bewilligen, noch sich definitiv über Gesetzvorschläge oder andere zur unmittelbaren Cognition der Landschaft geeignete Gegenstände erklären. Angelegenheiten, welche nicht bis zum nächsten Landtag ausgesetzt werden können, sind nach vorgängiger Genehmigung des Landesherrn zur Ersparung der Kosten eines Landtags von dem Ausschuß mit den über seine vorläufige Berathung geführten Protocollen auf dem Wege schriftlicher Circulation an sämmtliche Landes-Deputirte zur Abstimmung zu bringen. Zu seiner vollen Competenz gehört a) die fortwährende Aufsicht über die Aufrechterhaltung der Verfaßung und Vollziehung der von dem Landesherrn genehmigten Beschlüße des Landtags und der festgesetzten Etats;

Textanhang

861

b) die Befugniß, in dringenden Fällen Anzeigen an den Landesherrn zu erstatten, oder Vorstellungen und Beschwerden anzubringen; c) der Antrag auf Zusammenberufung außerordentlicher Landes-Versammlungen, unter Anführung seiner Gründe; d) die Unterzeichnung der Landschaftlichen Schuldverschreibungen; e) die Aufsicht über die Verwaltung der Landeskaße; f) auf die einstweilige Besetzung solcher Landständischen Stellen anzutragen, welche bis zum nächsten Landtag nicht ausgesetzt bleiben können. §. 106.) Die Aufsicht über die Verwaltung der Landeskaße wird von einem Mitgliede des Ausschusses und einem Mitgliede der Landesregierung besorgt. Diese Kaßen-Curatel ist der Landesregierung und der gesammten Landschaft, so wie dem Ausschuß in der Art untergeordnet, daß alle zur Landeskaße sich eignenden Zahlungsanweisungen, welche nach der Kassenordnung einer Justificatur bedürfen, nur unter Mitwirkung der Curatel an die Landeskaße gelangen können. Der Landeskaßier steht unter der Landesregierung und dem Landschaftlichen Ausschuß in Beziehung auf den formellen Geschäftsgang; bey verschiedenartigen Ansichten der Herzogl. Landesregierung und des Landschaftlichen Ausschußes entscheidet nach vorgängiger Communication des Herzogl. Landes-Ministerii und der Stände-Versammlung oder des Ausschußes der Landesherr. §. 107.) Der Landeskaßierer wird auf Lebenszeit ernannt, und vor der Landesregierung nach §. 75. verpflichtet. Er muß eine angemeßene Caution stellen, und kann nur aus denselben Gründen entlaßen werden, wie jeder andere Staatsdiener. Ihm liegt die Verwaltung des Landeskaße nach den von den Ständen genehmigten und vom Landesherrn bestätigten Etats und in Ansehung der nicht etatsmäßigen Leistungen nach den Anweisungen der Ka ßen-Curatel, ob. §. 108.) Der Landschaftsdirector, der Secretair und der Kaßierer beziehen fixe Besoldungen aus der Landeskaße, die Ausschußdeputirten aber erhalten bey ihren Versammlungen, welche jährlich wenigstens zweymal gehalten werden, und deren in der Regel auf drey Wochen bestimmte Dauer jedesmal von der Landesherrl. Bestimmung nach Einsicht der vorwaltenden Geschäfte abhängt, den Ersatz der Reisekosten und dieselbe Auslösung, wie die Abgeordneten bey den Landtägen. §. 109.) Außer den regelmäßig iährlich zweymal, im Frühjahr und Herbst, nach vorgängiger Anzeige bey dem Landesherrn, Statt findenden Zusammenkünften, kann sich der Ausschuß zur Besorgung der ihm obliegenden Geschäfte, nur nach vorgängiger Genehmigung und Einberufung des Landesherrn versammeln. In Ansehung der Form der Verhandlung gelten dieselben Bestimmungen, welche für die Geschäfte auf den Landtägen festgesetzt sind. Die Protocolle sind aber so zu faßen, daß die künftigen Landes-Deputirten den Gang der Verhandlungen und die Gründe, welche einen Beschluß oder ein Gutachten motivirt haben, daraus ersehen können. In dringenden und bey

862

Textanhang

minderwichtigen Angelegenheiten können die Meinungen der Ausschuß-Deputirten auch außer der Versammlung durch den Director schriftlich eingeholt werden. Die Berichte und Expeditionen ergehen nicht im Namen der gesammten Landschaft, sondern unter der Aufschrift: Deputation der Stände des Herzogthums Coburg-Saalfeld, und Resolutionen werden auch an diese Deputation gerichtet. Die Ausfertigungen sind im Concept von dem Landschaftsdirector und den Deputirten zu zeichnen. Die Vollziehung der Reinschrift erfolgt aber von dem ersten und dem Secretair. §. 110.) Sollte der Landschaftsdirector sterben, oder sonst austreten, so geht seine Function so wie auch in andern Verhinderungsfällen, auf den ältesten Deputirten über. Sollte aber nur noch ein Glied des Ausschußes übrig seyn, so ist die Zusammenberufung eines Landtags und die Wahl neuer Ausschuß-Mitglieder möglichst zu beschleunigen. §. 111.) Sollte der Secretair zu einer Zeit sterben, oder sonst abgehen, wo der nächste Landtag noch über zwey Monate entfernt ist, so hat der Ausschuß bis zum nächsten Landtag ein anderes Mitglied des Ausschußes zum Secretair zu wählen, und ihm mit Genehmigung des Landesherrn die Geschäfte des Secretairs interimistisch zu übertragen. Tit. IX. Von dem Rechnungwesen bey der Landeskaße. §. 112.) Einige Zeit vor Eröffnung eines ordentlichen Landtags entwirft die Finanz-Behörde unter Concurrenz der gesammten Landesregierung die Etats, welche in der Regel auf sechs Jahre einzurichten sind, und diese Entwürfe werden von dem Ministerium dem bestehenden Ausschuß zur vorbereitenden Verfügung mitgetheilt. Zu dieser Prüfung kann der Landschaftl. Ausschuß die Mittheilung aller Notizen von dem Landes-Ministerium verlangen, welche nicht nur eine vollständige Uebersicht des Zustandes aller Kaßen geben, sondern auch die Beurtheilung der Mittel zur Aufbringung der erforderlichen Bedürfniße erleichtern. §. 113.) Die förmliche Prüfung der Etats erfolgt auf den Landtägen und die Stände-Versammlung berathet sich über deren Ausführung hinsichtlich deren Nothwendigkeit der darinnen aufgeführten Bedürfniße und hinsichtlich der Ausführbarkeit der zu machenden Verwilligungen. Das Resultat dieser Berathung wird mit der Anzeige der gemachten Verwilligung in einer eigenen Erklärungsschrift der Stände-Versammlung an den Landesherrn gebracht, worauf von Seiten des Landesherrn entweder die Bestätigung der vom Landtag geschehenen Vorschläge erfolgt, oder eine nochmalige Prüfung und Erörterung der Sache veranlaßt wird. §. 114.) Sind der Landesherr und der Landtag über die sämmtlichen, für die nächste Finanzperiode und in derselben erforderlichen öffentlichen Abgaben, über deren Betrag, Art und Erhebungs-

Textanhang

863

weise einverstanden, so werden diese Abgaben als von den Landständen verwilligte und von dem Landesherrn genehmigte mittelst Landesherrlichen Patents ausgeschrieben, und sind von einem Landtag zum andern als bestehend anzunehmen. §. 115.) Auf die bey dem Landtage festgesetzten und von dem Landesherrn genehmigten Etats ist von den sämmtlichen treffenden Kaßenbehörden im Lande so wie von dem Landschaftlichen Ausschuß, der Landesregierung und dem Landes-Ministerium bey eigner Vertretung auf das strengste und unverbrüchlichste zu halten. §. 116.) Die vorstehenden Bestimmungen, welche zunächst die Deckung der gewöhnlichen Staatsbedürfniße zum Gegenstand haben, gelten auch von dem Fall, wo entweder nach eigenem Ermeßen des Landesherrn, oder auf den Bericht eines Landes-Collegiums, andere als die schon mit Zustimmung der Stände-Versammlung bestimmten Finanz-Maasregeln, welche auf das Intereße des Landes Einfluß haben können, ergriffen, oder andere außerordentliche Leistungen und Anstrengungen der Staatsbürger erfordert werden sollten. Der Antrag dazu geht von dem Landesherrn unmittelbar an den Landtag, und erst wenn dieser seine Einwilligung ertheilt hat, erfolgt die endliche Bestätigung und die Bekanntmachung derselben in dem gesetzlichen Wege. §. 117.) Sollten sich in der Zeit von einer der gewöhnlichen Landständischen Versammlungen zu der andern solche außerordentliche, nicht vorher zu sehen gewesene Ereigniße zutragen, welche von der Landeskaße eine beträchtliche Zahlung, auf die in dem Etat nicht gerechnet werden konnte, unabwendbar erfordern, oder Anstrengungen und Leistungen nöthig machen, so wird in minderwichtigen und eiligen Fällen die Zusammenkunft des Ausschußes, in wichtigern Fällen, welche für solche von der absoluten Mehrheit der Deputirten bey der Circulation des von dem Ausschuß gemachten Antrags erklärt werden, eine außerordentliche Versammlung der Landständischen Abgeordneten vom Landesherrn verfügt werden. §. 118.) Die Legung der Landeskaßerechnungen erfolgt jedesmal innerhalb der ersten zwey Monate nach dem Schluße des Rechnungsjahres. Die Landesregierung nimmt hierauf gemeinschaftlich mit dem Landschaftlichen Ausschuß die Prüfung derselben vor, welche die Kaßen-Curatel zweckmäßig vorzubereiten und zu erleichtern hat, und dann folgt nach vorgängiger Justificatur die Decharge des Rechnungsführers, auf den gemeinschaftlichen Bericht der Landesregierung und des Landschaftlichen Ausschußes, von dem Landesherrn. §. 119.) Diejenigen Diener, welchen die Domainen-Verwaltung obliegt, sind dafür verantwortlich, daß die Stände in Stand gesetzt werden, ihren Verpflichtungen, hinsichtlich der Erhaltung des Domanial-Vermögens, immer Gnüge zu leisten.

864

Textanhang Tit. X. Von der Gewähr der Verfaßung. §. 120.)

An diesem Grundgesetz und der dadurch gestifteten Verfaßung des Herzogthums CoburgSaalfeld soll, ohne Uebereinstimmung des Regenten und der Stände nach vorheriger Berathung auf einem Landtage, weder etwas aufgehoben noch hinzugefügt werden. Jeder Staatsdiener wird auf deßen genaue Beobachtung verpflichtet, und jeder Landesregent wird bey dem Antritt der Regierung die Aufrechthaltung dieser Verfaßung durch eine schriftliche Urkunde bey Fürstlichen Worten und Ehren versichern; und diese schriftliche Versicherung noch vor der Huldigung von dem Fürsten in Empfang zu nehmen, ist ein außerordentlicher Landtag zusammen zu berufen. Im Falle einer Vormundschaft schwört der Verweser gleich bey dem Antritt der Regentschaft in der deshalb zu veranstaltenden Stände-Versammlung den Eid: Ich schwöre, den Staat in Gemäßheit der Verfaßung und der bestehenden Gesetze zu verwalten, die Rechte des Herzoglichen Hauses und die Integrität des Landes zu erhalten, und dem Herzog die Gewalt, deren Ausübung mir anvertraut ist, getreu zu übergeben. Alle Staatsbürger sind bey der Ansäßigmachung und bey der Huldigung verbunden, den Eid abzulegen: Ich schwöre Treue dem Herzog, Gehorsam dem Gesetze und Beobachtung der Staatsverfaßung. §. 121.) Für diese Verfaßung soll die Garantie des Bundestags nachgesucht werden. Indem Wir die vorstehenden Bestimmungen für das Staatsgrundgesetz Unsers Herzogthums Coburg-Saalfeld hiermit erklären, ertheilen wir zugleich die Versicherung, die darinnen enthaltenen Zusagen nicht nur Selbst treulich zu erfüllen, sondern auch diese Verfaßung gegen alle Eingriffe und Verletzungen kräftigst zu schützen. Zu deßen Urkund haben Wir dieses Verfaßungs- und Staatsgrundgesetz eigenhändig vollzogen und mit Unserm größern Herzoglichen Siegel bedrucken laßen. So geschehen Coburg, zur Ehrenburg den 8. August 1821. Ernst HzSCS Hofmann. Opitz.

Textanhang

865

33. Verordnung über die Zivilstaatsdiener vom 20. August 1821 (StACo Landtag 768 fol. 20 – 24) Verordnung über die Verhältniße der Civil-Staatsdiener Wir E r n s t, von GOTTes Gnaden Herzog zu Sachsen-Coburg-Saalfeld, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meissen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Fürst zu Lichtenberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein, etc. etc. haben für nöthig befunden, die öffentlichen Dienstverhältniße Unserer Civil-Staatsdiener gesetzlich zu bestimmen und verordnen in dieser Absicht folgendes: §. 1.) Niemand kann ein Staatsamt erhalten, ohne vorherige für ihn günstig ausgefallene Prüfung seiner dazu nothwendigen Fähigkeiten. Wer jedoch im Inn- oder Auslande bereits ein ähnliches Staatsamt bekleidet hat, kann, nach Befinden, auch ohne vorher gegangene weitere Prüfung in den hiesigen Staatsdienst aufgenommen oder darin weiter befördert werden. Bey Besetzung der Staatsämter sollen übrigens Innländer vor Ausländern bey gleichen Eigenschaften einen Vorzug genießen. §. 2.) Anwartschaften auf Staatsämter finden nicht Statt, und früherhin etwa ertheilte werden hiermit für ungültig erklärt. §. 3.) Die Besoldungen aller Staatsdiener werden ihnen in der Regel in baarem Gelde gereicht. Sind mit einer Stelle freye Wohnung, die Benutzung von Grundstücken oder Deputate von Naturalien oder andere Nebenemolumente verknüpft, so wird der Betrag hiervon, jedoch unter Berücksichtigung der weiter unten desfalls (§. 17 und 18.) folgenden Bestimmungen bey der Berechnung des Gesammtbetrags der Besoldung zu baarem Gelde angeschlagen, und der Betrag dieses Anschlags wird bey der Bestimmung der Pensionen, da wo solche gerreicht werden, zur Norm. §. 4.) Besoldungen und Pensionen der Staatsdiener können von ihren Gläubigern nur zu Einem Dritheil in Anspruch genommen werden. §. 5.) Jeder Staatsdiener muß Nebenaufträge, wenn sie seinem Geschäftskreise nicht durchaus fremd sind, ohne besondere Vergütung, ausschließlich der Reisekosten und Diäten, übernehmen. §. 6.) Bey Versetzungen wirklicher Staatsdiener wird auf die Nebengeschäfte, welche sie in ihrem bisherigen Wohnorte als Grundeigenthümer oder Unternehmer von Handels- oder

866

Textanhang

Fabrikgeschäften betrieben haben mögen, keine Rücksicht genommen. Handels- oder Fabrikgeschäfte darf überhaupt kein Staatsdiener ohne höchste Erlaubniß unternehmen. §. 7.) Jeder Staatsdiener kann nach funfzig Dienstjahren sein Amt niederlegen, und behält den Titel und Rang auch die volle Besoldung seiner bis dahin bekleideten Stelle. §. 8.) Auch nach vierzigjährigem Dienstalter, oder nach zurückgelegten siebenzigsten Lebensjahre kann jeder sein bis dahin bekleidetes Amt niederlegen und behält den Titel und neun Zehntheile seiner vollen Besoldung. §. 9.) Bey einer ganz offenbaren Dienstesunfähigkeit, als Folge physischer Gebrechlichkeit oder Geistesschwäche vermöge erwiesener Dienstes-Anstrengung oder sonst unverschuldeter Unglücksfälle, kann jeder Staatsdiener seine Stelle gleichfalls niederlegen, und behält alsdann, wenn diese Niederlegung in den ersten zehen Jahren nach seinem Eintritt in den Dienst erfolgt, vier Zehntheile, wenn solche in den zweiten zehen Jahren erfolgt, sechs Zehntheile und bey späterem Austritt acht Zehntheile der Besoldung der zuletzt von ihm bekleideten Stelle nach den demnächst erscheindenden fixirten Gehalts-Etat für alle Staatsdienststellen. §. 10.) Die Niederlegung des Amtes mit Verzichtsleistung auf den damit verbundenen Gehalt wird zu keiner Zeit einem Staatsdiener verweigert werden. §. 11.) Bey jeder Niederlegung des Amts kann die Regierung aus Rücksicht auf den öffentlichen Dienst, den wirklichen Austritt aus dem Amte auf höchstens sechs Monate aufschieben. Auch setzt jede Niederlegung des Amts voraus, daß der Beamte keine selbstverschuldeten Geschäftsrückstände habe. In jedem Falle müßen solche Rückstände mit billiger Rücksicht auf die bisherigen Verhältniße des Austretenden beurtheilt werden. §. 12.) Jeder Staatsdiener kann vermöge Verfügung der obersten Staatsverwaltung zu jeder Zeit auf immer oder auf einige Zeit in Ruhestand versezt werden, jedoch stets nur mit Beibehaltung des Titels seiner bisher bekleideten Stelle, und mit Beibehaltung von acht Zehntheilen seiner vollen Besoldung in den ersten zehn Jahren von seinem Eintritt in den Dienst an gerechnet, und mit Beibehaltung seines vollen Gehalts wenn seine Versetzung in den Ruhestand nach zehn geleisteten Dienstjahren erfolgt. §. 13.) Was von der Versetzung der Staatsdiener in Ruhestand (§. 12) gilt, findet auch dann seine Anwendung, wenn irgend eine von Jemanden bekleidete Dienststelle in Folge neuer Verwaltungs-Maasregeln aufgehoben werden sollte.

Textanhang

867

§. 14.) Jedem Staatsdiener, der in Ruhestand gesetzt ist, oder deßen Dienstesunfähigkeit, vermöge welcher er sein Amt niedergelegt hat, wieder gehoben ist, kann zu jeder Zeit ein, seinen frühern Dienstverhältnißen angemeßenes Amt vorläufig oder definitiv übertragen werden, und er hat bey Verlust der ihm für die Zeit seines Ruhestandes ausgesetzt gewesenen Pension die Verbindlichkeit, diese neue Anstellung ohne Weigerung zu übernehmen. Doch erhält er bey neuer Anstellung den ganzen Gehalt seiner früher bekleideten Stelle unverkürzt, oder, wenn der Gehalt der neuen Stelle größer seyn sollte, diesen. Darum darf dann auch ein solcher Staatsdiener, bey Verlust der Pension und des Titels, ohne besondere Erlaubniß, weder fremde Dienste annehmen, noch auf andere Weise sich in ein Verhältniß setzen, welches ihm die Erfüllung der vorgenannten Verbindlichkeit zum Wiedereintritt in den Dienst erschwert. Eintritt in fremde Dienste zieht ohne Weiteres den Verlust der bisher bezogenen Pension nach sich. §. 15.) Jeder Staatsdiener kann aus Gründen der Verwaltung versetzt werden, jedoch ohne Zurücksetzung in der Dienstclaße und in dem Gehalt. Wer ohne sein Nachsuchen versetzt wird, erhält Ersatz der ihm durch die Versetzung erwachsenen Umzugskosten nach einem darüber noch festzusetzenden Maasstab. §. 16.) Bey Berechnung der Dienstjahre kommen die Vorbereitungsjahre des Referendariats, der Auditoren- oder Acceßisten-Geschäfte, ingleichen die der advocatorischen Praxis gewidmete Zeit, nicht in Anrechnung; auch keineswegs die in andern Staaten früher bekleideten Staatsämter. §. 17.) Bey der Bestimmung der Größe der Pensionen, sowohl im Falle einer Niederlegung des Amtes, als auch im Falle einer Versetzung in den Ruhestand, so wie bey der Bestimmung der Größe des Gehalts bey einer Wiederanstellung oder Versetzung, werden unter den Besoldungen alle besonders bestimmte Summen für Repräsentationskosten, den nöthigen Dienstaufwand für Dienstgehülfen, Pferdeunterhaltung pp. und die Gehalte für Commißionen, besonders diplomatische Sendungen, nicht mit begriffen. §. 18.) In den im Vorhergehenden (§. 17.) erwähnten Fällen können die angestellten Staatsdiener nur Pensionen nach dem Betrag ihrer etatsmäsig fixirten Besoldung ansprechen. Die einzelnen Dienern verwilligten Depositengelder, Zählgebühren, Tantiemen von Geldern, welche sie oder andere einehmen, und andere Accidenzien bleiben bey der Berechnung ihrer Besoldung auf den Fall ihrer Pensionirung immer außer Ansatz. §. 19.) Außerordentliche Dienste bey Staatsdienern, welche wegen Dienstalter oder Dienstesunfähigkeit ihr Amt niederlegen, oder welche in Ruhestand versetzt werden, werden Wir Ausnahmsweise mit Belaßung des ganzen Gehalts zu belohnen suchen.

868

Textanhang §. 20.)

Dienstentsetzung findet nur durch rechtskräftiges richterliches Erkenntniß, nach vorherigem ausreichendem rechtlichen Gehör des zu Entsetzenden Statt. Doch ist sie zugleich mit der Verurtheilung eines Staatsdieners zur Zuchthaus- oder Festungs-Gefängnißstrafe wegen eines von ihm verschuldeten gemeinen Verbrechens verbunden; so wie die Suspension vom Dienste und einstweilige Einziehung des ganzen Gehalts gleichfalls von selbst eintritt, wenn gegen einen Staatsdiener wegen eines von ihm verschuldeten gemeinen Verbrechens auf Specialuntersuchung erkannt wird, ohne daß in einem solchen Falle während des weitern Verfahrens der suspendirte Staatsdiener auf einen Theil seines bisher bezogenen Gehalts zu seinem Unterhalt Anspruch zu machen berechtigt ist. §. 21.) Bey Anschuldigung oder Verdacht einer Verfälschung oder Bestechung im Dienste oder eines andern Amtsvergehens, welche nach dem Organisations-Patent vom 1. May 1802. streng bestraft werden sollen, hat das dem Angeschuldigten oder Verdächtigen vorgesetzte Collegium, mit dem Rechte zur einstweiligen Suspension vom Dienste, die vorläufige Untersuchung; und zum Behuf derselben sind auch Unsere Verwaltung-Collegien berechtigt, eidliche Zeugen-Vernehmungen vorzunehmen. Der Erfolg dieser Untersuchung ist Erklärung der Unschuld oder Erkennung einer Disciplinarstrafe, oder wenn entweder eine höhere Strafe zu erkennen, oder Verweisung der Sache an die treffenden Gerichte erforderlich seyn sollte, Stellung vor Gericht, und ist mit dieser letztern Verfügung die Suspension des Angeschuldigten vom Dienste und Gehalte stets verbunden. §. 22.) Diciplinarstrafen finden bey Unsittlichkeit, Leichtsinn, Fahrläßigkeit, Ungehorsam, Widerspenstigkeit, Unfleiß, und andern dienstwidrigen oder das Subordinationsverhältniß im Dienste verletzenden Handlungen Statt. Sie bestehen in schriftlichen und mündlichen Verweisen, in Geldstrafen welche Unser Ministerium bis auf funfzig Thaler, die übrigen höhern Collegien aber bis auf fünf und zwanzig Thaler erkennen können, und in Suspension vom Dienste und Gehalte, welche Unser Ministerium auf höchstens drey Monate, andere Collegien aber höchstens auf einen Monat erkennen können. Diese Disciplinarstrafen werden jedesmal nach vorgängiger Vernehmung und Verantwortung des Fehlenden und auf den Grund collegialischer Berathung erkannt, auch findet gegen solche Erkenntniße der Recurs an das LandesMinisterium Statt, welches binnen acht Tagen ergriffen und eingeführt werden muß. Soll übrigens die Suspension über einen zugleich zu Justiz- und administrativen Geschäften angestellten Diener verhängt werden, so hat dasjenige höhere Collegium, welches solche verhängen will, vorher mit dem andern bey den Geschäften des fraglichen Beamten betheiligten Collegium desfalls zu communiciren, und deßen Beytritt zu dieser Maasregel zu veranlaßen. Im Falle der Verschiedenheit der Gutachten beider Collegien hat dasjenige welches die Suspension erkennen will, Bericht an Unser Ministerium zu erstatten, und bey diesem die Entscheidung der Sache zu erbitten. §. 23.) Den Präsidenten und Dirigenten der Behörden ist die genaueste Aufsicht auf ihre Untergebenen hinsichtlich des untadelhaft zu führenden bürgerlichen Lebens besonders zur Pflicht gemacht. Bey einem solchen Benehmen eines Staatsdieners, welches hiermit im Widerspruch

Textanhang

869

stehet, und entweder das bey Ausübung seines Amtes erforderliche Ansehen und Zutrauen schwächt, oder mit der besonderen bürgerlichen Dienstehre unvereinbar ist, wohin insbesondere auch der Fall gehört, wenn sich ein Diener durch eine unregelmäßige häußliche Wirthschaft und einem seinem Dienst-Einkommen unangemeßenen Aufwand in einen verschuldeten Zustand bringt, sind Ermahnungen und Verweise von der vorgesetzten Behörde, und nöthigen Falls, wenn diese Ermahnungen und Verweise einmal fruchtlos gegeben worden seyn sollten, von derselben oder deren Commißarius auch provisorische Suspension vom Dienste anzuwenden. Ein Diener aber der wegen solcher oder anderer von ihm zu Schulden gebrachter Dienstvergehen zweymal von seinem Amte suspendirt worden ist, ist bey Widerholung ähnlicher die Suspension nach sich ziehender Dienstvergehen mit wirklicher Entsetzung vom Dienste zu bestrafen, und steht in diesem Falle die Dienstentsetzung auf erstatteten Bericht an Unser Ministerium diesem ohne weiteres Verfahren und Einleitung des sonst in Dienstentsetzungsfällen (§. 20.) erforderlichen rechtlichen Verfahrens zu. Doch kann in Fällen der Art nach Befinden auch vorerst die Stellung des zu entsetzenden Dieners vor Gericht verfügt werden, in welchem Falle jedoch während der Erörterung der Sache die Suspension des in Anspruch genommenen Dieners (§. 21.) von selbst eintritt. §. 24.) Was übrigens in dem §. 78 der Verfaßungs-Urkunde den Landständen bewilligte Recht zu Beschwerden gegen das Benehmen der Statsdiener betrift; so wird daßelbe hinsichtlich der obersten Staatsdiener vorzüglich dadurch gesichert, daß alle Verfügungen des Regenten von denjenigen, welche ihn dabey berathen haben, contrasignirt werden, und daß jeder solcher Staatsdiener für die auf seinen Vortrag und in Gemäßheit deßelben gefaßten Beschlüße dem Regenten besonders persönlich verantwortlich ist. §. 25.) Wenn der Staatsdiener im activen Dienst stirbt, so erhält die Wittwe von dem Gehalt ihres Ehegatten den sechste Theil als Pension (§. 18.) und eben so erhält die Wittwe des nach §. 7. 8 und 9 im Ruhestand versetzten Dieners den sechsten Theil des ihren Ehegatten im Ruhestand verbliebenen Gehalts. §. 26.) Jedem vaterlosen Waisen eines Staatsdieners werden drey Zehntheile der Wittwenpension als Unterhaltungs- oder Erziehungs-Beitrag verwilliget. Dieser Beitrag wird bis zum Schluß des sechzehnten Lebensjahrs verabreicht, kann aber bey einer frühern Versorgung des Kindes von selbst wegfallen. Eine fortdauernde Verabreichung über das sechzehnte Lebensjahr hinaus findet als Ausnahme von der Regel dann Statt, wenn durch legale Zeugniße nachgewiesen wird, daß das Kind der Fähigkeit, durch Selbsterwerb sich fortzubringen, physisch beraubt ist. §. 27.) Wittwen behalten ihre Pension so lange, als sie in ihrem Wittwenstand bleiben, und durch Unsittlichkeit oder Verbrechen sich der Wohlthat nicht unwürdig machen. §. 28.) Die Pension der Staatsdiener und ihrer Wittwen, so wie die Erziehungs- und Unterhaltungsbeiträge für die Kinder werden aus denselben Kaßen geleistet, woraus der Staatsdiener

870

Textanhang

bis zur Zeit seiner Pensionirung oder der verstorbene Ehegatte oder Vater zur Zeit des Todes seine Besoldung bezogen hat. Jeder Statsdiener, er sey Ehegatte und Vater oder nicht, hat zum Besten des Pensionsfonds der Staatskaße oder der Kaße, aus welcher er seine Besoldung bezieht, jährlich ein Procent seines Dienstgehaltes sich abkürzen zu laßen, damit diese für den Staatsdienst eben so nothwendige als wohlwollende Anordnung hierdurch und durch Ersparniße ihr Bestehen erhalte, und so wenig als möglich durch Zuschüße aus neuen Auflagen das Land belästige. Urkundlich haben Wir diese Verordnung höchsteigenhändig unterschrieben und mit Unserm größern Herzogl. Insiegel bedrucken und ausfertigen laßen. So geschehen Coburg, zur Ehrenburg den 20. August 1821. Ernst HzSCS v. Gruner. Arzberger. Hohnbaum.

34. Staatsschuldentilgungsedikt vom 13. September 1821 (StACo Landtag 1465 fol. 10 – 11’) Schulden-Edict Wir Ernst, von GOTTes Gnaden Herzog zu Sachsen-Coburg-Saalfeld, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meissen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Fürst zu Lichtenberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein, etc. etc. haben, um den §. 75. der Verfaßungs-Urkunde in Betreff die Schuldentilgung und Verzinsung in Vollziehung zu setzen, mit Zustimmung Unserer getreuen Stände nachfolgende gesetzliche Anordnungen zu treffen beschloßen. §. 1.) Für die Verzinsung und Tilgung aller bisherigen Landes- und Domanial-Schulden, wie solche nach dem gegenwärtigen Stand mit Zuziehung Unserer getreuen Stände aufgenommen und festgestellt worden sind, wird eine besondere Kaße errichtet, welche den Namen: Staatsschuldentilgungskaße, führt. §. 2.) Ohne Zustimmung Unserer getreuen Stände können keine neuen Schulden gewürkt werden. §. 3.) Wenn eine nach Grundsätzen der Staatswirthschaft vortheilhaft befundene Veränderung oder Umrundung des Grundvermögens durch Tausch oder sonst ohne einige Schuldenwirkung nicht erfolgen könnte; so können Unsere getreuen Stände ihre Zustimmung versagen, wofern nicht, nächst dem Vortheil der Unternehmung ein baldiger Abtrag, längstens binnen zehn Jahren, auf eine den Kaßen nicht beschwerliche Art nachgewiesen werden kann.

Textanhang

871

§. 4.) Für das gesammte Schuldenwesen wird ein eigener Etat hergestellt, und danach die Verzinsung und die Schuldentilgung verwaltet. In der Regel wird der Rendant der Landeskaße zugleich als Kassierer der Staatsschuldentilgungskaße eingesetzt. §. 5.) Die Fonds dieser Kaße bestehen aus: a) 132.231 fl. 30 3/4 xr. rhein. als den Summen, welche mit Zustimmung Unserer getreuen Stände bereits dem Schulden-Etat als regelmäßige jährliche Eingänge zugewiesen worden sind; b) aus den Ueberschüßen und Ersparnißen der Kaßen; c) aus den außerordentlichen der Staatschuldentilgungskaße zu überweisenden Fonds an Activforderungen der Staatskaßen, neuen Dienst- und Pachtcautionen u.s.w. d) aus dem Erlöß bei der Ablösung von Feudallasten oder Eingängen ähnlicher Art, bey Vertauschungen von Domainen oder sonstigen Verträgen, indem solche Gelder bey der Staatsschuldentilgungskaße bis zur Verwendung zum Wiederankauf von Domainen, Gütern oder Renten, mit vier Procent zur Hauptdomainenkaße verzinslich anzulegen sind. §. 6.) Da Wir zur Förderung des Zwecks auch die Ueberschüße Unserer Hauptdomainenkaße auf den Zeitraum bis die Schuldensumme durch einen planmäßigen Abtrag auf die Hälfte, nämlich: auf eine Million rheinischer Gulden, herabgebracht seyn wird, dem Schuldentilgungsfonds zugedacht haben; so setzen Wir solches in der Maaße fest a) daß sich diese Unsere Landesväterliche Verwilligung nur von wirklichen und reinen Ueberschüßen, d. i. von solchen versteht, welche sich nach Deckung aller erforderlichen Ausgaben ergeben, b) daß diejenigen zufälligen Defecte und Mindereinnahmen der Hauptdomainenkaße, welche sonst ordnungsmäßig durch Ueberschüße zu decken waren, von der Landeskaße gedeckt werden. c) daß die Hauptdomainenkaße-Ueberschüße jedesmal auf den Grund der von der Administrationsbehörde auszustellenden Atteste in die Schuldentilgungskaße eingezahlt werden, und daß d) überhaupt die freye eigenthümliche Verwaltung und Benutzung Unsers Domanial-Vermögens dadurch auf keine Weise beschränkt und beeinträchtigt wird. §. 7.) Zu Anfang jeder Finanzperiode wird der Schuldenzustand unter Mitwürkung Unserer getreuen Stände aufs neue geprüft, der Gesammtbetrag in allen seinen Einzelheiten festgesezt, die Verzinsungs- und Tilgungs-Summe etatisirt, und der Plan, nach deßen Maasgabe innerhalb der Finanzperiode zu verfahren ist, entworfen, Uns zur Vollziehung vorgelegt, und zur gesetzlichen Bestimmung auf die Dauer der Finanzperiode erhoben.

872

Textanhang §. 8.)

Das Schuldentilgungs- und Verzinsungs-Institut wird durch eine eigene aus den Mitgliedern Unserer Regierung und des Landschaftlichen Ausschußes zusammengesezten Commißion unter der Leitung Unsers Landes-Ministeriums verwaltet. §. 9.) Der Geschäftskreis der Schuldentilgungs- und Verzinsungs-Commißion besteht im Allgemeinen in Handhabung des Schulden-Etats überhaupt, in Verbeßerung deßelben theils durch niedrigere Zinsen, theils durch Realisirung der planmäßigen Abträge, dann in der Aufsicht über die Führung der Kaße und der Bücher. Sie hat Vorschläge zur Benutzung derjenigen Momente zu machen, welche in dem nach §. 7 für die Finanzperiode festgesetzten Verfahrungsplan nicht vorausgesehen werden konnten, die jährlichen Veränderungen nachzuweisen, und am Ende der Finanzperiode einen Hauptbericht mit Vorschlägen zu künftigen Maasregeln zu erstatten. §. 10.) Die Stellung der Commißion gegen den Landschaftlichen Ausschuß und die Stände-Versammlung ist im Wesentlichen dieselbe, welche in der Verfaßungsurkunde der gemeinschaftlichen Kaßencuratel angewiesen ist, so wie sich aus derselben ebenfalls die Verpflichtungen der dabei mitwirkenden Diener und Stände-Mitglieder ergeben. Wir versehen Uns zu Unsern getreuen Ständen und zu Unsern Landesbehörden einer sorgfältigen und gewissenhaften Beachtung dieser gesetzlichen Bestimmung, wie sie die Wichtigkeit des Gegenstandes erheischt, und bringen dieses Unser Landesherrliches Edict hiermit zu Jedermanns Kenntniß, nachdem Wir solches mit Unserm Siegel versehen, und eigenhändig unterschrieben haben. Coburg, zur Ehrenburg den 13. September 1821. Ernst HzSCS von Gruner. Arzberger. Hohnbaum.

35. Edikt über die Errichtung der Kammer vom 31. Januar 1822 (StACo Kammerarchiv 3781 fol. 1 – 3) Edict über Herstellung der Cammer Wir Ernst von GOTTes Gnaden Herzog zu Sachsen-Coburg-Saalfeld, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meissen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Fürst zu Lichtenberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein, etc. etc. Nachdem Unsere getreuen Stände in ihrem Bericht vom 24. October v. J. den einstimmigen Wunsch zu erkennen gegeben haben, daß die Verwaltung der Domanial-Revenüen von dem Landeshoheits-Collegium abgeschieden werden möge, und Wir mit der Erfüllung dieses Wunsches zugleich eine Vereinfachung in dem Geschäftsbetrieb zu verbinden die Absicht

Textanhang

873

hegen; so haben Wir beschloßen, das Cammer-Collegium zur Verwaltung der DomanialRevenüen wieder herzustellen und nachfolgende Bestimmungen deshalb festzusetzen. 1.) Personal-Etat. Das Cammer-Collegium besteht aus einem Präsidenten, aus einem technischen Rath, mit der Function des vorsitzenden Raths, aus einem Forstrath, aus einem rechnungskundigen Rath, aus einem rechtskundigen Rath und aus einem Aßeßor, welchen sämmtlich Sitz und Stimme zukommt. Zum subalternen Personale gehört ein Secreair, ein Registrator, ein Revisor, zwey Ingenieurs, zwey Canzlisten, ein Bote. Der Kammersecretair wohnt den Sitzungen bei mit consultativer Stimme. 2.) Geschaeftskreis. Der Hauptdomainenkaße-Etat bezeichnet die Gegenstände, welche den Geschäftskreiß der Cammer ausmachen. Die technische und rechnungsmäßige Verwaltung derselben nach den Grundsätzen und Regeln der Oeconomie und nach den Bestimmungen der Landes-Verfaßung, so wie die Aufsicht über die ihr untergeordneten Dienststellen machen den Umriß ihrer Geschäftsaufgabe aus. Die General-Forstadministration wird aufgelöst und Unserer Kammer einverleibt und zwar bis eine neue Forstordnung gesetzlich verkündet wird nach ihrem gesammten bisherigen Reßort. Die Communicationen, welche bisher von der General-Forstadmininstration mit der Landesregierung über Gegenstände des Forsthaushalts gepflogen worden sind, fallen nach dieser Erweiterung des Geschäftskreises in Forstsachen weg, finden aber auch künftig in solchen Fällen Statt, wo es an einer durch Gesetz oder Herkommen festgesezten Bestimmung fehlt. 3.) Geschäftsgang. a.) im Allgemeinen. Die Geschäftsführung ist collegialisch nach Maasgabe der Bestimmungen, welche in Unserm Organisations-Edict vom 15. Junius 1808. enthalten sind mit den daselbst nachgelaßenen Modificationen. Technische Erörterungen werden in der Regel zwischen dem Referenten und dem Präsidenten abgethan, welchem leztern es obliegt und zukommt, solche, wenn es deren Einfluß auf das Ganze der Domanial-Verwaltung oder eine sonstige Rücksicht erfordert, zur Collegialsache zu machen. Erörterungen über rechtliche Befugniße oder Obliegenheiten der Domanialverwaltung müßen jederzeit collegialisch verhandelt werden. Darüber ob es mündlich oder durch schriftliche Abstimmung geschehen soll, steht dem Referenten der Antrag, dem Präsidenten die Entscheidung zu.

874

Textanhang 4.) Geschäftsgang. b.) in Bezug auf das Landesministerium

Wir haben das Praesidium der Cammer dem Finanzdepartementsrath bei Unserm LandesMinisterium theils deswegen übertragen, weil dieses der einfachste Weg ist, die Geschäfte der Cammer nach den im Staatsgrundgesetz ausgesprochenen Bestimmungen zu leiten, theils aber auch, um durch Abschneidung überflüßiger Weitläuftigkeit in schriftlichen Vorträgen die Geschäfte zu vereinfachen. Hiernach erscheint die Domanial-Verwaltung als eine Ministerial-Section, wie es die General-Forstadministration nach Unserm Edict vom 1. November 1809 gewesen ist. Diejenigen Geschäftsgegenstände, welche in Folge Unsers Organisations-Edicts vom 15. Junius 1808 sich zur Berichtserstattung an Uns oder an Unser Ministerium eignen, müßen fernerhin vor ihrer Entscheidung vorgetragen werden und zwar entweder in eigenen Vorträgen, oder mittelst Vorlegung der mit dem Cammergutachten bezeichneten Eingänge, oder der darauf entworfenen Verfügungen im Concept, je nachdem es der Sache selbst oder der Anordnung Unsers Landes-Ministeriums angemeßen erscheint. Dieser Bestimmung auf die faßlichste und förderlichste Weise zu entsprechen ist eine besondere Obliegenheit des Praesidii, welches Wir näher deshalb zu instruiren Uns noch vorbehalten. 5.) c.) in Bezug auf die Mitglieder des Cammer-Collegiums unter sich. Die den Referenten zugetheilten Eingänge werden, nachdem die nöthigen Acten beigegeben worden sind, sogleich mit einer Decretur versehen und, ohne erst eine Sitzung abzuwarten, dem Präsidenten zugesendet, worauf derselbe bemerkt, ob sie zur Sitzung verwiesen oder weiter circuliren, oder ohne weiteres expedirt werden soll. Zu Anfang der Sitzungen wird das Journal als Geschäfts-Bülletin verlesen, damit die übrigen Räthe in der Uebersicht des Geschehenen verbleiben. Verrechnungs-Decreturen, sie mögen Einnahmen oder Ausgaben betreffen, ordnet jeder Referent in seinem speciellen Departement, in deßen finanzieller Uebersicht er sich zu erhalten hat. Solche Verfügungen werden jedoch jederzeit dem rechnungskundigen Rath zur Mitunterzeichnung des Concepts vorgelegt. Die Beiordnung des mit der Oberrevision bey Unserm Landes-Ministerium beauftragten Geheimen Rechnungsraths hat übrigens zunächst den Zweck, daß schon in der ersten Anlage das Rechnungswesen seinen geregelten Gang gehe und insbesondere die allgemeinen Uebersichten nicht erst einer Bearbeitung bedürfen, sondern bey ihrer ersten Anlage schon geordnete zum Abschluß reife Stoffe erhalten. 6.) d.) in Bezug auf die übrigen Landesstellen. Die Cammer steht mit den übrigen Landes-Administrations-Collegien in gleicher Cathegorie und die Räthe derselben haben mit den Räthen der Landesregierung und des Consistoriums gleichen Rang nach dem Dienstalter. Sie macht ihre Rücksprache mit diesen Collegien auf dem Weg der schriftlichen Communication ab, wo solches nicht durch schlechthin mitzutheilende mit Gutachten versehene Actenstücke erledigt werden kann.

Textanhang

875

7.) e.) in Bezug auf die untergeordneten Stellen. An die untergeordneten Stellen verfügt die Cammer in Form der Decrete und Rescripte in Unserm Namen. Die untergeordneten Stellen sind 1.) die Hauptkammerkaße, 2.) die Bauinspection in Betreff der Cameralbauten, 3.) sämmtliche Cammerämter in Betreff der Domanialgefälle, 4.) die Fostmeistereyen, 5.) die Justizämter, in Betreff ihrer Concurrenz bei den Lehnsgefällen, bei der Forstpolizey, in Bezug auf Executiv-Mittel u.s.w. 6.) die Oeconomiedirection, 7.) die Bergverwaltung, 8.) das Berg- und Münzamt Saalfeld. Nachdem Wir das Cammer-Präsidium mit der Vollstreckung dieser Anordnung besonders befehligt und solches mit besonderer Instruction deshalb versehen haben, dergestalt, daß vom 1sten May dieses Jahres an die Wirksamkeit der Cammer eintritt, so bringen Wir solches Alles zur öffentlichen Kunde, um sich allenthalben darnach zu achten. Gegeben Coburg zur Ehrenburg, den 31. Januar 1822. Ernst HzSCS.

36. Geschäftsordnung für das Landesministerium vom 25. Januar 1825 (ThStAGo Staatsministerium Dep. I. Loc. 3 Nr. 2 Vol. VI fol. 67 – 74) Wir Ernst, von GOTTes Gnaden Herzog zu Sachsen-Coburg-Saalfeld, Fürst zu Lichtenberg, etc. etc. haben Uns aus mehreren Rücksichten bewogen gefunden, über die Geschäftsführung bey Unserm Landes-Ministerium erneuerte Anordnungen zu treffen, um dadurch dem Betrieb dieser Geschäfte eine feste Regelmäßigkeit zu geben, die Gründlichkeit der Bearbeitung derselben zu befördern und den Geschäftsgang selbst möglichst zu vereinfachen und zu beschleunigen. In dieser Absicht haben Wir Unserm Landes-Ministerium folgendes Geschäfts-Regulativ zu ertheilen resolviret: I.) Ressort des Landes-Ministerii. §. 1.) Das Landes-Ministerium ist dasjenige Collegium, welches Wir Uns zur Berathung in allen Landes-Angelegenheiten an die Seite gestellt haben, und durch welches alle Landesherrliche Beschlüße unt Entscheidungen zur Vollziehung gebracht werden sollen.

876

Textanhang §. 2.)

Hiernach sind alle Angelegenheiten in höchster Instanz an Unser Landes-Ministerium zu bringen, und die dießfallsigen Anordnungen nur durch Unser Landes-Ministerium an die betreffenden Behörden zu erlaßen. §. 3.) Auch steht Unserm Landes-Ministerium die Oberaufsicht über die Dienstleistung aller Behörden des Landes zu. §. 4.) Die Mitglieder Unsers Landes-Ministeriums sind Uns persönlich verantwortlich. II.) Personal §. 5.) Unser Landes-Ministerium soll künftig bestehen A.) Aus vier geheimen Räthen als den Chefs der Departements und zwar 1) aus einem geheimen Rathe 2) aus dem Präsidenten der Landes-Regierung, 3) aus dem Directorio des Justiz-Collegii und 4) aus dem Directorio der Cammer. B.) Aus einem geheimen Aßistenzrathe. C.) Auch soll das erforderliche jetzige Canzley-Personal verbleiben. §. 6.) Die Direction der Geschäftsführung wird von Uns jedesmal einem der geheimen Räthe übertragen werden. §. 7.) In Fällen, wenn dieses dirigirende Mitglied nicht anwesend oder sonst abgehalten seyn sollte, wird von Uns wegen der Direction Unsers Landes-Ministerii jedesmal besondere Verfügung geschehen. Auch behalten Wir Uns vor, über einzelne Theile des Direktions-Geschäftes besonders zu verfügen. III.) Dienst-Pflichten des zum Landes-Ministerium bestimmten Personals. §. 8.) Das Directorium Unsers Landes-Ministeriums umfaßt folgende Geschäfts-Verichtungen. a.) Die Erbrechung und Präsentierung der eingegangenen Sachen. b.) Die Vertheilung derselben nach der von Uns getroffenen Departements-Bestimmung. c.) Den Vorsitz und die Geschäftsleitung bey den Conferenzen Unsers Landes-Ministerii. d.) Die Revision und Signatur aller Concepte, bevor selbige an Uns gelangen. e.) Die Oberaufsicht über die schnelle Beförderung der Geschäfte, und über die Disciplin bey der geheimen Canzley.

Textanhang

877

§. 9.) Diese Oberaufsicht hat sich zu erstrecken, in Betreff der Beförderung der Geschäfte, α) über die baldige Gelangung der Sachen zum Vortrage oder zur Decretur; β) über die sofortige und vollständige Expedirung der von Uns angeordneten außerordentlichen Verfügungen; γ) über die schnelle Expedirung der übrigen Angelegenheiten, und δ) über den ungesäumten und richtigen Abgang aller Expeditionen. §. 10.) Zur bündigen und regelmäßigen Vollziehung dieser Oberaufsicht wollen Wir, a) daß jedesmal am Schluße der Woche das Journal aus der geheimen Canzley vorgelegt und von dem das Directorium führenden geheimen Rathe durchgegangen, hierbey aber mündlich die nöthige Auskunft sofort verlangt oder die erforderliche Anweisung gegeben werden soll. b) Am Schluße eines jeden Monats sind Resten-Verzeichniße von der geheimen Canzley anzufertigen und dem das Directorium führenden geheimen Rathe vorzulegen. Derselbe hat eigenhändig die nöthigen Bemerkungen ad marginem zu bringen und sodann dieß RestenVerzeichniß Uns vorzulegen. Diese Vorlegung muß spätestens bis zum 10. des nachfolgenden Monats geschehen. c) Eine jede von Uns angeordnete außerordentliche Verfügung muß sofort, wenn nicht Höchsteigenhändige Anweisungen unterliegen, in ein Decret von dem dirigirenden geheimen Rathe unter der Ueberschrift ,ad mandatum specialissimum Serenissimi‘ gebracht und in dem Journale mit einer Nummer eingetragen werden. In diesem Journale ist sodann bey solchen Sachen in der geeigneten Columne die Bemerkung ,ad mandatum specialissimum Serenissimi‘ ebenfalls nachzutragen. §. 11.) In Betreff der Disciplin in der Canzley hat der dirigirende geheime Rath im Allgemeinen nur die oberste Aufsicht zu führen. Die besondere Aufsicht ist dem geheimen Aßistenz-Rathe hauptsächlich übertragen. §. 12.) Die vortragenden geheimen Räthe als Departements-Chefs sind verpflichtet, a) alle ihnen zugetheilten Sachen vollständig zu bearbeiten und baldigst in Vortrag zu bringen; b) Bey dem Vortrage ihr Gutachten pflichtmäßig und mit Bemerkung der Gründe zu eröffnen; c) Die getroffenen Entscheidungen vollständig der geschehenen Entschließung gemäß auf die betreffenden Sachen zu decretiren; d) Die Concepte ihres Departements zuvörderst zu revidiren, bevor selbige an die übrigen geheimen Räthe gelangen; e) für einen planmäßigen Gang der Geschäfte des ihnen anvertrauten Departements zu sorgen; f) zu dem Ende Principienbücher für jedes Departement besonders zu halten;

878

Textanhang

g) dahin zu wirken, daß die Verwaltung in den Hauptgrundsätzen übereinstimmend mit den Grundsätzen der übrigen Ministerial-Departements bleibe; h) in den Fällen, wenn Principien zu bestimmen oder in mehreren Einklang zu bringen sind, in besonderern Vorträgen schriftlich ihre Ansicht dem Landes-Ministerium vorzulegen; i) im übrigen dem Vortrage aus den andern Departements alle Aufmerksamkeit zu schenken, k) und alle Concepte der Expeditionen im Landes-Ministerium durchzugehen und zu zeichnen und nach Befinden die Munda zu vollziehen. l) Ferner haben diejenigen geheimen Räthe, welche zugleich Directoren von Collegien sind, dafür hauptsächlich zu sorgen, daß die aus dem Landes-Ministerium erlaßenen Verfügungen ohne Verzug in Vollziehung gebracht werden. m) Auch behalten Wir Uns ausdrücklich vor, in vorkommenden Fällen ebenfalls Unsern geheimen Räthen schriftliche Ausarbeitungen aufzutragen, und namentlich soll mit dem Referate der innern Familien-Angelegenheiten des Herzogl. Haußes auch die Obliegenheit verbunden bleiben, in allen geheimen Familien-Sachen zu expediren. §. 13.) Der geheime Aßistenzrath ist zu den nachstehenden Geschäften bestimmt. a) Derselbe hat diejenigen Sachen welche ihm von Uns zugetheilt oder von den Departements-Chefs überlaßen werden, zu bearbeiten und im Landes-Ministerium vorzutragen, auch in solchen Sachen sein Votum zu eröffnen. b) Bey eintretender Abhaltung oder bey Vacanzen von Departements-Chefs hat derselbe in dem betreffenden Departement zu vicariren, und alle dießfallsigen Geschäfte zu besorgen. c) Zur nöthigen Kenntniß der sämmtlichen Geschäfte aller Departements hat derselbe alls Concepte mit zu zeichnen. d) Diejenigen Sachen, welche selbigem von Uns zur Expedition besonders übertragen werden sollten, hat derselbe zu expediren und in dieser Beziehung auch sich der Sachen außer dem Reßort des Landes-Ministerii zu unterziehen. e) Bey wichtigern Sachen in den Departements hat derselbe die Aßistenz der geheimen Räthe auf Verlangen zu übernehmen und nach Befinden auch die Expedirung derselben zu besorgen. f) Die unmittelbare Direction der geheimen Canzley ist demselben insbesondere übertragen. In dieser Hinsicht ist selbigen das gesammte Secretariats-, Revisions-, Archiv-, Registratur-, Kanzlisten- und Dienerpersonal unmittelbar untergeordnet. Diese Direction hat sich auf alle Gegenstände der Disciplin, der Ordnung und Schnelligkeit im Geschäftsbetriebe und des Betragens der Canzley-Beamten zu erstrecken. In vorkommenden Fällen ist auf Verlangen der dirigirende geheime Rath, den Anordnungen des geheimen Aßistenzraths in der Canzley den erforderlichen Nachdruck zu verschaffen, angewiesen. §. 14.) Das Personal der geheimen Canzley betreffend, so bleibt dermalen deßen GeschäftsInstruction sowie deßen Geschäfts-Vertheilung bis auf weitere Anordnung unverändert. Es sollen jedoch diese Angelegenheiten unter besonderer Begutachtung des geheimen AßistenzRaths einer speciellen Prüfung unterworfen werden.

Textanhang

879

Für jetzt wird bestimmt, daß die gesammte Dienstleistung und das Verhalten des geheimen Canzley-Personals unter die unmittelbare Aufsicht des geheimen Aßistenzraths gestellt seyn soll. IV.) Geschäfts-Vertheilung. §. 15.) Sämmtliche Geschäfts Unsers Landes-Ministeriums sind in Departements unter den folgenden Bestimmungen vertheilt: 1.) Departement der staatsrechtlichen Angelegenheiten. a.) Die Haußsachen im Innern der Herzogl. Familie. b.) Die auswärtigen Hauß-Angelegenheiten. c.) Die Angelegehnheiten mit den fremden Höfen. d.) Die Bundestags-Sachen. e.) Die Landes-Verfaßungs-Sachen. f.) Die Landtagssachen im Allgemeinen. g.) Die Kirchen- und geistlichen Sachen. h.) Die Schulsachen und geistlichen Stiftungen. i.) Die Anstellungssachen der obersten Staatsbeamten und des Personals im LandesMinisterio k.) Die Hof-Disciplinar-Sachen. l.) Die Controle des Staatsdienstes. m.) Die Gnadensachen in besondern Fällen. 2.) Departement der Finanz-Angelegenheiten. a.) Die Kammersachen. b.) Die Berg- und Münzsachen. c.) Die Landtagssachen in Betreff des Finanz-Wesens, ingleichen die betreffende Gesetzgebung. d.) Die Verwaltungssachen der Hauptlandeskaße. e.)Die Schuldensachen des Landes. f.) Die Lottosachen. g.) Die Militair-Wirtschaftssachen. h.) Die Hofwirthschaftssachen. i.) Die Rechnungssachen. 3.) Departement der Angelegenheiten des Innern. a.) Die Hoheitssachen. b.) Die Landes-Polizeysachen. c.) Die Verwaltungssachen der weltlichen Stifungen. d.) Die Angelegenheiten wegen Handel und Gewerbe. e.) Die Conscriptionssachen. f.) Die Landtags- und Gesetzgebungssachen in Betreff der Verwaltung des Innern. g.) Die statistischen und Landes-Vermeßungssachen. h.) Die Postsachen. i.) Die Einquartirungs- und Verpflegungssachen des in- und ausländischen Militairs.

880

Textanhang

4.) Departement der Justiz a.) Die Justizsachen. b.) Die Lehnssachen. c.) Die Landtags- und Gesetzgebungssachen in Betreff des Justiz- und Lehns-Wesens. d.) Die Vormundschafts- und Depositesachen. 5.) Departement der Militair-Angelegenheiten. a.) Die Militairsachen, welche in die Landes-Verfaßung eingreifen. b.) Die Militairsachen in Beziehung auf die Bundes-Verpflichtungen. c.) Die Ausfertigung der Militair-Patente. d.) Die Entlaßungssachen von Militair-Personen. e.) Die Versorgungs- oder Unterstützungssachen von Militairs. 6.) Departement der Angelegenheiten des Fürstenthums Lichtenberg a.) Die dasigen Landes-Verfaßungs-, Landes-Verwaltungs- und Landtags-Angelegenheiten. b.) Die dasigen Justizsachen. c.) Die dasigen Finanzsachen. §. 16.) Die sämmtlichen obgedachten Geschäfte sollen in vier Referaten bearbeitet werden. §. 17.) Die Vertheilung der Geschäftszweige für die Referate ist von Uns in der Beilage sub / besonders bestimmt und es ist hierbey der Grundsatz befolgt worden, daß das 2.te Departement der Finanzen, das 3.te Departement des Innern, und das 4.te Departement der Justiz unzertrennt bleiben und als ein geschloßenes Ganze einem Referenten zugetheilt werden. Die Geschäftszweige des 1.sten , 5.ten und 6.ten Departements sind dagegen nach Unserm Ermeßen in die Referate einzeln vertheilt. §. 18.) Zur Führung eines jeden Referates ist von Uns ein geheimer Rath bestimmt oder sonstige Verfügung getroffen und hiernach sollen bey der Vertheilung der eingehenden Sachen alle diejenigen Sachen dem betreffenden Referenten zugetheilt werden, welche in die zu deßen Reßort gehörenden Geschäftszweige eingreifen. §. 19.) Ausnahmen hiervon finden nur Statt a) wenn Beschwerden gegen die Verwaltung der einem geheimen Rathe übertragenen Geschäftsführung oder gegen das von demselben dirigirte Collegium eingehen und b) wenn ein Referent aus pflichtmäßigen Gründen der Persönlichkeit Bedenken finden sollte, das Referat einer Sache seines Departements zu übernehmen. Im ersteren Falle sind solche Beschwerden vor deren Vertheilung Uns vorzulegen, und es ist sodann Unsere Höchsteigene Bestimmung des anderweiten Referenten zu erwarten.

Textanhang

881

Im leztern Falle hat der betroffene Referent die Bewandniß der Sache dem dirigirenden geheimen Rathe mitzutheilen, und die Bestimmung eines andern Referenten dessen fernern Ermeßen zu überlaßen. Sollte dieser Fall den dirigirenden geheimen Rath in deßen Referate selbst betreffen, so hat derselbe die Bestimmung der anderweiten Referenten sich von Uns zu erbitten. V.) Geschäftsführung. §. 20.) Die Sitzungen Unsers Landes-Ministerii finden entweder unter Unsern Höchsteigenen Vorsitze oder in Ministerial-Conferenzen Statt. §. 21.) Bey denjenigen Sitzungen in welchen Wir Höchstselbst den Vorsitz nehmen bildet das Landes-Ministerium Unser Conseil. §. 22.) Die Bestimmung dieser Sitzungen beruht auf Unserer jedesmaligen Höchsten Anordnung. §. 23.) In diesen Conseil-Sitzungen werden zuvörderst Unsere mündlichen Anordnungen ertheilt und von dem geheimen Aßistenz-Rathe zum Protocoll gebracht. §. 24.) Sodann erfolgt der Vortrag derjenigen Sachen, welche sich zum Vortrage im Conseil eignen, unter jedesmaliger Vorlegung des Journals. §. 25.) Zu dem Vortrage im Conseil eignen sich, a) alle innere und äußere Hauß- und Familien-Sachen, b) alle auswärtige Sachen, c) alle Bundestagssachen, d) alls Landes-Verfaßungssachen, e) alle Sachen der Gesetzgebung, f) alle Landtagssachen, g) alle Dienstbesetzungen, h) alle Besoldungssachen, i) alle Entlaßungssachen, k) die Hauptgegenstände der Dienstcontrole, l) alle Hofsachen, m) alle Gnadensachen, n) alle Pensions- und Unterstützungssachen,

882

Textanhang

o) diejenigen Sachen, welche im Justiz-, Kirchen- und Polizey-Wesen durch gesetzliche Bestimmungen nicht normirt sind, p) ale Käufe, Verkäufe, Vererbungen und Verpachtungen von Domainen, q) alle Finanz-Etatssachen, r) alls Finanzsachen, in welchen der festgesetzte Etat überschritten werden könnte, s) alle Staatsschuldensachen, t) alle Jagdsachen, u) alle Sachen des Fürstenthums Lichtenberg, welche unter die obigen Cathegorien gehören, v) alle wichtigen Fälle im Kirchen-, Polizey-. Justiz- und Lehns-Wesen, w) alle Reßortstreitigkeiten der Behörden, x) alle diejenigen Sachen, welche in den Ministerial-Conferenzen als zum besondern Vortrage im Conseil geeignet, ausgesetzt werden. §. 26.) Alle Sachen, welche im Conseil vorgetragen werden, müßen bis zur Entscheidung vorbearbeitet seyn. §. 27.) Der Vortrag der Sachen im Conseil muß vollständig geschehen und die geheimen Räthe haben dabey ihr Gutachten pflichtmäßig zu erstatten. §. 28.) Die Entscheidung der Sachen geschiehet durch Uns. §. 29.) Ueberdem finden wöchentlich um Landes-Ministerium eine und nach Befinden zwey Ministerial-Conferenzen statt. §. 30.) Für diese Conferenzen sind bestimmt, a) alle Sachen, welche zur Prädeliberation für die Vorträge im Conseil geeignet sind, b) alle Sachen, welche die nähere Ausführung Unserer geschehenen außerordentlichen Anordnungen betreffen; c) diejenigen zur Entscheidung zu bringenden Sachen, welche im Justiz-, Kirchen-, Polizeyund Lehnswesen durch gesetzliche Normen entschieden werden können, d) diejenigen Finanz-Sachen, welche die Etats nicht überschreiten. §. 32.) Sollte in den Ministerial-Conferenzen eine Vereinigung der Meinungen nicht zu bewirken gewesen seyn, so sind die betreffenden Sachen anderweit im Conseil vorzutragen. §. 33.) B. Der Geschäftsbetrieb bey Unsern Landes-Ministerium wird im Allgemeinen folgendergestalt bestimmt.

Textanhang

883

§. 34.) Die Erbrechung und Vertheilung der eingehenden Sachen geschiehet durch den dirigirenden geheimen Rath nach dem Bestimmungen der Departements-Vertheilung und der Referate. §. 35.) Sobald diese Sachen im Journal eingetragen, werden selbige mit den gehörig präparirten Acten dem betreffenden Referenten zugestellt. §. 36.) Derselbe hat vom Empfange der Sachen bis zur Signatur des Conceptes der getroffenen Verfügung für die vollständige und schnelle Bearbeitung derselben insbesondere besorgt zu seyn. §. 37.) Die eingehenden Sachen, welche noch einer vorbereitenden Verfügung bedürfen, sind zuvörderst in Gang zu bringen. §. 38.) Dergleichen vorbereitende Verfügungen können durch die Referenten sogleich ohne weitern Vortrag decretirt und zur Expedition gebracht werden. §. 39.) Alle Sachen dagegen, welche zu einer Entscheidung geeignet, sollen nach Befinden der Umstände und der bestehenden Vorschriften, zum Vortrage im Conseil oder in der Ministerial-Conferenz gebracht werden. §. 40.) Sobald der Vortrag geschehen, ist die gefaßte Resolution auf den Sachen zu bemerken und die baldige Expedition derselben zu bewirken. §. 41.) Die Concepte sind zuvörderst von dem Referenten zu revidiren und sodann erst den übrigen Mitgliedern Unsers Landes-Ministeriums zur Zeichnung vorzulegen. §. 42.) Eben so müßen sich auch alle Resolutionen ad acte oder ad colligendum von den sämmtlichen Mitgliedern Unsers Landes-Ministeriums gezeichnet seyn. §. 43.) Alle und jede Concepte werden Uns vorgelegt.

884

Textanhang §. 44.)

Für die Unterzeichnung der Reinschriften verbleibt es für jetzt bey den bisherigen Bestimmungen, und bey den von Uns höchstselbst zu vollziehenden ist vorher die Contrasignatur nach den bestehenden Vorschriften zu bewirken. Indem Wir nun das vorstehende Geschäfts-Regulativ ertheilt und in der Beilage zugleich über die Vertheilung der gesammten Ministerial-Geschäfte unter die bey Unserm LandesMinisterium bestehenden vier Referenten das Nöthige bestimmt haben, eröffnen Wir Unserm Landes-Ministerium, wie es Unsere Höchste Willensmeynung ist, daß vom 1.sten künftigen Monats an die Geschäftsführung bey Unserm Landes-Ministerium nach diesen Anordnungen beginne, und wie Wir erwarten, daß daßelbe auch ferner stets befleißen seyn werde, sich nach den ertheilten Vorschriften pflichtmäßig zu achten. Coburg, zur Ehrenburg den 25.sten Januar 1825. Ernst HzSCS

37. Verordnung über die Errichtung der Obersteuerkommission vom 8. Juli 1825 (StACo Landtag 236 fol. 28 – 33‘) Verordnung die Errichtung einer Ober-Steuer-Commißion betr. Wir Ernst von GOTTes Gnaden Herzog zu Sachsen-Coburg-Saalfeld, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Fürst zu Lichtenberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein, etc. etc. haben Uns überzeugt, daß die nach den Bestimmungen des Grundgesetzes für die ständische Verfaßung Unsers Herzogthums Coburg-Saalfeld (§. 106.) hergestellte, und bisher bestandene Caßen-Curatel, theils zu Mißverständnißen zwischen Unserer Landes-Regierung und Unsern getreuen Ständen Anlaß geben könne, theils auch den Zweck einer fortwährenden gemeinschaftl. Fürsorge der Regierung und Stände für die Einbringung der zur Deckung des Bedarfs der öffentlichen Kaßen bewilligten Mittel, nicht erreiche. Aus diesem Grunde haben Wir, mit Zustimmung Unserer getreuen Stände, beschloßen, diese Curatel – wie hiermit geschiehet – aufzuheben, und an deren Stelle eine Ober-Steuer-Commißion anzuordnen, über deren Zusammenstellung, Geschäftskreis und Geschäftsführung, Wir, nach erfolgter Zustimmung Unserer getreuen Stände, hiermit Folgendes verordnen: 1.) Die Mitglieder dieser Ober-Steuer-Commißion sind die jedesmalige Präsident der Landesregierung und von den Gliedern dieses Collegiums, die beiden Departements-Räthe für Hoheitssachen und Rechnungssachen; dann von Seiten Unserer getreuen Stände, der Landschaftsdirector und die ständischen Mitglieder der Schuldentilgungs-Commißion. 2.) Die Zusammenkünfte der Commißion werden in dem Sitzungszimmer der Landesregierung gehalten, und nehmen bey diesen Zusammenkünften der Präsident und die Mitglieder

Textanhang

885

Unsers Landesregierungs-Collegiums die Sitze am Sitzungstische rechter, der Landschaftsdirector und die beiden andern ständischen Glieder die Sitze linker Hand ein. 3.) Zu den Seßionen sind regelmäßig der 15. jeden Monats, oder, wenn solcher ein Sonn- oder Feiertag seyn sollte, der darauf folgende Arbeitstag bestimmt. Sollte es nicht möglich seyn, in einem Tage die vorliegenden Geschäfte zu erledigen, so werden die nächste, oder nach Befinden, mehrere darauf folgende Tage dazu genommen. 4.) Der Präsident der Landesregierung hat bey diesen Sitzungen, so wie überhaupt bey allen der Ober-Steuer-Commißion zur Verhandlung zugewiesenen Geschäften, die Leitung des Geschäftsgangs und die Vertheilung der zu bearbeitenden Materialien zum Vortrag. Treten dringende Fälle ein, so kann derselbe nach vorherigem Vernehmen mit dem Landschaftsdirector, zu einer außerordentlichen Sitzung einladen. Alle Eingänge werden von dem Regierungspräsidenten präsentirt, und mit der Benennung des Referenten versehen, sodann aber zuvörderst dem Landschaftsdirector zur nöthigen Kenntnißnahme vorgelegt, und der Landschaftsdirector bemerkt diese Kenntnißnahme durch den Beysatz des Wortes: Vidi. 5.) Bey eintretenden Verschiedenheiten der Meinungen wird nach den Lateribus gestimmt. Der Präsident der Landesregierung sammelt die Stimmen der Mitglieder der Landesregierung, der Landschaftsdirector die des ständischen Lateris. Dem Präsidenten der Landesregierung steht ein Votum decisivum nicht zu. 6.) Die Geschäfte, welche in den Sitzungen der Ober-Steuer-Commißion, und überhaupt durch diese verhandelt werden, sind folgende: a) Berathung über diejenigen Gegenstände, welche das Herzogl. Landes-Ministerium entweder aus eigener Bewegung oder veranlaßt durch einen Antrag von Seiten der Ständedeputation zur Begutachtung, vorläufigen Erörterung oder Erläuterung, oder Anstellung von Recherchen in Betreff von Steuern, Abgaben überhaupt, oder von sonstigen allgemeinen Angelegenheiten der Landeskaßen vorlegen wird; und können die Resultate der Berathung der Ober-Steuer-Commißion für künftige Anträge an die Stände-Versammlung die nöthigen Unterlagen gewähren. Auch stehet sowohl den Regierungs- als ständischen Mitgliedern der Commißion frey, eigene Anträge über dergleichen Gegenstände zu machen und dadurch eine Berichts-Erstattung an Herzogl. Landes-Ministerium zu veranlaßen. b) Alle Stundungs-, Minderungs- und Erlaßgesuche in Ansehung der in die Landeskaßen fließenden directen und indirecten Steuer-Abgaben werden an die Ober-Steuer-Commißion mit den darüber von den Unterbehörden entweder aus eigener Bewegung erstatteten, oder von Herzogl. Landes-Regierung erforderten Berichten abgegeben; indem der Herzogl. Landes-Regierung zustehet, über die bey ihr angebrachten Gesuche der Art die Unterbehörden mit Bericht zu vernehmen, damit die Sache schon gehörig vorbereitet an die Ober-Steuer-Commißion gelangen kann.

886

Textanhang

Ueber Gesuche der Art, wenn sie blos Stundungen betreffen, oder der Betrag der zu mindernden oder zu erlaßenden Summe Zehen Gulden rheinl. nicht übersteigt, bedarf es einer Berichts-Erstattung an Herzogl. Landes-Ministerium nicht, sondern die Ober-SteuerCommißion faßt sofort den nöthigen Beschluß und theilt solchen der Herzogl. Landesregierung mit, welche hiernach die Verfügungen an die Kaßen und Unterbehörden erläßt. Entscheidungen über Stundungen, Minderungen oder Erläße von directen oder indirecten in die Landeskaße fließenden Steuer-Abgaben können ohne Vorwißen der Ober-SteuerCommißion nicht geschehen, und nur diejenigen Erlaß-, Moderations- und StundungsGesuche, welche aus Rechtsgründen gesucht werden, sollen nach wie vor, der verfaßungsmäßigen Beschlußnahme der betreffenden Behörden, ohne Concurrenz der OberSteuer-Commißion, überlaßen seyn. Jedoch ist der Obersteuer-Commission von solchen Erläßen durch eine brevi manu geschehende Vorlage immer Nachricht zu geben. In allen Fällen, wo eine Minderung oder Erlaß statt finden soll, wovon der Betrag die Summe von Zehen Gulden rheinl. übersteigt, erstattet die Ober-Steuer-Commißion Bericht an Herzogl. Landes-Ministerium und überläßt die hierauf eingegangenen Resolutionen der Herzogl. Landes-Regierung, um darnach die Verfügung an die Kaßen und Unterbehörden zu bewirken. Statt förmlicher Berichterstattung an Herzogl. Landes-Ministerium können in dringenden Fällen zur Ersparung der Zeit brevi manu geschehende Vorlagen statt finden. c) Die Verordnungen, welche an die Landeskaßen ergehen, betreffen entweder 1.) solche Ausgaben, welche als in quali et quanto ständige Ausgaben in dem Etat besondere Capitel haben, oder 2.) solche Ausgaben, welche zwar auch etatsmäsig, doch nicht ständig und nur hinsichtlich des Zwecks ihrer Verwendung bestimmt sind, in Ansehung der Summe aber lediglich in einem wahrscheinlichen durch Fraction bestimmten Betrag im Etat aufgenommen werden konnten, oder 3.) solche Ausgaben, auf welche in dem Etat keine specielle Rücksicht genommen werden konnte, sondern die als außerordentliche vom Zufall abhängige, daher nicht voraus zu bestimmende Ausgaben anzusehen sind, denen daher der Etat nur eine Stelle zur Verrechnung unter der Rubrick: ad Extraordinaria anweisen konnte. Ueberschreitungen der Capitalsummen für die sub 1) gedachten ständigen Ausgaben können niemals statt finden, und daher auch selbst von der Ober-Steuer-Commißion niemals auf den Fonds ad Extraordinaria angewiesen werden. Ueberschreitungen der Etatspositionen sub 2. können ohne die sorgfältigste Berathung der Ober-Steuer-Commißion über die Möglichkeit der Vermeidung der Mehrausgabe und ohne die aus dieser Berathung der Ober-Steuer-Commißion hervorgegangene Ueberzeugung von den unbedingten Nothwendigkeit des zu verausgabenden Mehrbetrags und ohne die darüber an Herzogl. Landes-Ministerium erfolgte Berichts-Erstattung und deßen Genehmigung, ebenfalls nicht Statt finden. Die Kaßen-Verfügungen in Ansehung der sub 1. und 2. benannten etatsmäsigen Ausgaben, in wiefern sie die festgesetzten Capital-Summen des Etats in quali et quanto nicht überschreiten, geschehen von Herzogl. Landes-Regierung ohne Concurrenz der OberSteuer-Commißion, und der Präsident der Landes-Regierung ist persönlich verantwortlich dafür, nur solche Zahlungs-Verfügungen an die Landeskaßen ohne vorgängigen Vortrag bey der Ober-Steuer-Commißion gelangen zu laßen. Doch werden bey jeder monatlichen Sitzung der Ober-Steuer-Commißion dem Landschaftsdirector und den übrigen ständischen Mitgliedern der Commißion die monatlichen Kaßenrapporte aller Einnahmestellen für die Landeskaßen-Einkünfte vorgelegt, um sich

Textanhang

887

schon während dem Laufe des Jahres und zwar von Monat zu Monat von der geschehenen Beachtung dieser Vorschrift zu überzeugen. Die Kaßen-Verfügungen in Ansehung der extraordinairen Ausgaben sub 3. können nur von der Ober-Steuer-Commißion beschlossen werden. d) Die Position ad Extraordinaria hat zugleich den Zweck der völligen Sicherstellung der verschiedenen sub 1. und 2. benannten Ausgabepositionen der Landeskaße-Etats, und die Bestimmung über die Verwendung dieses Fonds ad Extraordinaria geschieht durch die Ober-Steuer-Commißion in der Art, daß ihr die Befugniß zusteht, für unständige Ausgaben den ordnungsmäsig nachgewiesenen Mehrbedarf über die Etatspositionen auf den Fonds für Extraordinaria bis auf deßen etatsmäßigen Betrag anzuweisen. Sollte aber sogar eine Ueberschreitung des auf den Etat gebrachten Betrags ad Extraordinaria nöthig werden, so ist die ausdrückliche Landesherrliche Genehmigung und ausdrückliche ständische Zustimmung erforderlich, weshalb von der Ober-Steuer-Commißion an Herzogl. LandesMinisterium zu berichten ist, welches dann mit der Ständedeputation communiciren wird, die nach Befinden darüber Vortrag an die Gesammtheit der Stände zu erstatten hat. Wird eine solche Ueberschreitung von dem Landesherrn und von den Ständen genehmigt, so ergeht auch hierüber die Verfügung, an die Kaße durch die Ober-Steuer-Commißion mit der Unterschrift des Regierungs-Präsidenten und des Landschaftsdirectors. Endlich hat auch e) die Obersteuer-Commißion, nächst den ihr zugewiesenen Geschäften, auch noch diejenigen zu besorgen, welche in Gemäsheit der Bestimmungen des Schulden-Edicts vom 13. Sept. 1821. (8 u. 9.) von der dort angeordneten bisher bestandenen, aber von jetzo an mit der Obersteuer-Commißion verbundenen Schuldentilgungs-Commißion zu besorgen waren, und hierbey sich nach der der leztern Commißion für ihre Geschäftsführung ertheilten Instruction vom 9. August 1822. zu achten. 7. Der Ober-Steuer-Commißion liegt ob, sich bey ihren monatlichen Sitzungen die genaueste Uebersicht vom Zustande der Haupt- und Special-Landeskaßen durch die Rapporte des verfloßenen Monats, durch deren Vergleichung mit den vorliegenden Quartal-Abschlüßen der Special-Landeskaßen, durch die Journale der Hauptkaßen von dem laufenden Monat und durch eine Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben des kommenden Monats zu verschaffen, und hierbey haben a) der Landschaftsdirector und die ständischen Mitglieder der Ober-Steuer-Commißion insbesondere von der richtigen Begründung der statt gehabten Einnahmen und Ausgaben sich zuvörderst zu unterrichten, und in Fällen von Bedenken die nöthige Auskunft oder Berichts-Erstattung zum Herzogl. Landes-Ministerium zu verlangen. b) Eine Prüfung der Abschlüße und Rapporte vorzunehmen mit besonderer Rücksicht auf zurückgebliebene Einnahme und auf zu früh die Etatsposition erfüllende Ausgabe oder ohne vorheriges Benehmen mit der Ober-Steuer-Commißion von der Regierung etwa angeordnete Vorauszahlungen – welche jedoch nie auf den Fond ad Extraordinaria oder auf den Reservefond angeordnet werden können, sondern auf gewöhnliche Etatsmäsige Zahlungen beschränkt, und auch hierbey möglichst zu vermeiden sind. Außerdem hat aber c) die gesammte Commißion die Deckung des Bedarfs für den kommenden Monat zu erwägen und bey anscheinendem Mangel der Mittel entweder die nöthige Einleitung zu

888

Textanhang

deren Herbeyschaffung zu bewirken, oder Anzeige mit gutachtlichen Vorschlägen zum Herzogl. Landes-Ministerium zu erstatten. 8. Nächstdem allen hat die Ober-Steuer-Commißion über die ordnungsmäßige Steuer-Einhebung durch die Unterbehörden zu wachen, damit die Unterthanen nicht über die Gebühr mit Steuerabforderungen überlegt, zugleich aber auch Reste nicht gedultet werden. Die ständischen Deputirten haben hierbey die ihnen nothwendig scheinenden Maasregeln an Antrag zu bringen, im Falle der Nichtvereinigung aber auf Berichts-Erstattung zum Herzogl. LandesMinisterium anzutragen. 9. Zuweilen sind unvermuthete Revisionen der Haupt-Landeskaße und zugleich jedesmal der Staatsschulden-Tilgungskaße in Gemeinschaft von den Landesherr-lichen und ständischen Mitgliedern der Commißion zu veranstalten. Ueberdem sind die monatlichen Kaßenstürze bey den Hauptkaßen und der Lottokaße, in Beyseyn eines Mitgliedes Herzogl. Landes-Regierung und eines ständischen Mitgliedes vorzunehmen. Auch kann die Commißion, wenn sie es für nöthig findet, dergleichen gemeinschaftliche Revisionen und Kaßenstürze bey den Special-Landeskaßen anordnen. 10. Ferner findet eine Aufsicht der Commißion über das gesammte Rechnungswesen sämmtlicher Haupt- und Special-Landeskaßen, über die gehörige Beobachtung der Instructionen von Seiten der Kaßen- und Rechnungs-Beamten und über die gehörige auf die Verfaßung und auf die allgemeine Kaßen- und Rechnungs-Instruction geschehende Verpflichtung und auf die Cautionsleistung der Kaßen-Officianten, so wie auf möglichste Vermeidung temporärer Entfernung der Kaßen-Beamten von ihren Geschäften und die Sicherung der Kaßen in solchen Fällen statt. Die Herzogl Landes-Regierung hat daher in dieser Beziehung alle Acten, Rechnungen und Papiere den ständischen Deputirten auf Verlangen vorzulegen. Namentlicht hat auch die Commißion a) mit Vorbereitung der neuen, zwey Monate vor dem Ablauf der Finanzperiode von den Haupt- und Special-Landeskaßen-Beamten vorzulegenden, Etats-Entwürfe sich zu beschäftigen, dabey die eingetretenen Veränderungen und die hiernach, ohne Bedrückung des Landes in der Einnahme zuläßigen Erhöhungen und die bey den Ausgabepositionen ohne Nachtheil der Staatsverwaltung zuläßigen Ersparniße zu berücksichtigen. b) Die Aufsicht über pünctliche und vorschriftsmäßige Rechnungslegung aller LandeskaßeBeamten, so wie über die Gründlichkeit in den Revisionsbemerkungen müßen Gegenstände besonderer Aufmerksamkeit für die Mitglieder der Commißion seyn. Die von der Revision gestellten Notaten zu den Rechnungen sind nemlich immer zuvörderst der Commißion vorzulegen, bey dieser zu berichtigen und zu vervollständigen, ehe solche der Standedeputation und dem Herzogl. Landes-Ministerium vorgelegt werden. Auch sind die bey der Revision entworfenen Resolutionen auf die Notatenbeantwortungen vor deren Mittheilung an die Ständedeputation von der Commißion zu prüfen und nach Befinden zu vervollständigen.

Textanhang

889

11. Alle und jede Kaßen- und Rechnungs-Verfügungen für den Reservefonds können nur in den Sitzungen der Commißion beschlossen und unter der gemeinschaftlichen Unterschrift des Landesregierungs-Präsidenten und des Landschaftsdirectors erlaßen werden. Die Verfügungen wegen der Beitreibung der dem Reservefonds zugewiesenen Reste hingegen werden, nach den in diesen Sitzungen gefaßten Beschlüßen, durch die Landes-Regierung allein in Expedition gesetzt. Sollten in Beziehung auf den Reservefonds die Mitglieder der Herzogl. Landes-Regierung mit den ständischen Mitgliedern der Commißion sich nicht vereinigen können, so ist an das Herzogl. Landes-Ministerium Bericht zu erstatten, welches die erforderliche Entscheidung geben wird, nachdem es in solchen Fällen, in welchen über die Disposition von Summen die Sprache ist, mit der ständischen Deputation sich benommen hat. 12. Was übrigens den Standpunct der Ober-Steuer-Commißion zu Unserm Landes-Ministerium, zu der Landes-Regierung und den übrigen höhern Landesstellen so wie gegen die untern Verwaltungsstellen angeht, ist a) die Ober-Steuer-Commißion verbunden in allen Gegenständen, welche sie nach den vorhergehenden Bestimmungen nicht selbst zu erledigen vermag, Bericht an Unser LandesMinisterium zu erstatten, von welchem letztern dann die weitere Erledigung solcher Gegenstände auf geeignetem verfaßungsmäßigem Wege zu bewürken ist; b) Zur Vereinfachung des Geschäftsganges sollen schriftliche Communicationen zwischen der Landes-Regierung und der Ober-Steuer-Commißion nie eingeleitet werden, sondern was die Landes-Regierung an die Ober-Steuer-Commißion abzugeben hat, hat diese unter kürzlicher Bemerkung ihrer etwa zu stellenden Anträge von der Hand dahin abzugeben. c) Verfügungen an die Unterbehörden von Seiten der Ober-Steuer-Commißion oder Mittheilungen an andere Collegien außer dem Landes-Regierungs-Collegium finden gleichfalls durch sie selbst nicht statt, sondern was auf die von ihr gefaßten Beschlüsse an Unterbehörden zu verfügen oder andern Collegien mitzutheilen ist, wird durch die LandesRegierung und in deren Namen erlassen. d) Die bey der Ober-Steuer-Commißion vorkommenden Canzley-Arbeiten werden von dem Secretairs- und Canzleypersonale der Landes-Regierung, unter Zuziehung des für die ständischen Geschäfte angestellten Canzlisten mit besorgt. Zur möglichsten Erleichterung dieser Arbeiten aber ist e) die Einrichtung zu treffen, daß für die bey der Ober-Steuer-Commißion vorkommenden schriftlichen Eingänge und Ausfertigungen eine eigene Registrande und zwar in duplo, ein Exemplar für den Regierungs-Präsidenten, das Andere für den Landschaftsdirector geführt werde, worin jeder die bey den Sitzungen gefaßten Beschlüße zu vermerken hat. f) Diese Resolutionen sind durch den Secretair auf den resolvirten Eingängen zu vermerken, diese Vermerkungen dann von dem Präsidenten der Landes-Regierung und dem Landschaftsdirector zu zeichnen, und so die Eingänge mit den Resolutionen an die Regierung abzugeben, welche dann unter ihrem Namen das Nöthige hierauf an die Behörde verfügt. g) Sämmtliche Verfügungen, welche Einnahmen und Ausgaben des Reservefonds (§. 11.) und der Staatsschulden-Tilgungskaße (§. 6.e) betreffen, ergehen im Namen der OberSteuer-Commißion und sind von dem Präsidenten der Regierung und dem Landschaftsdirector gemeinschaftlich zu unterschreiben. Alle übrigen Verfügungen an die Haupt- und

890

Textanhang

Special-Landeskaßen auf Beschlüße der Ober-Steuer-Commißion werden im Namen der Regierung ausgefertigt und von dem Regierungspräsidenten allein unterschrieben. Doch hat solche Verfügungen, welche Ausgaben aus dem Fonds ad Extraordinaria oder Etatsüberschreitungen zum Gegenstande haben der Landschaftsdirector im Concept mit zu zeichnen. h) Die auf Beschlüße der Ober-Steuer-Commißion an Herzogl. Landes-Ministerium erstatteten Berichte unterschreiben unter die Firma Ober-Steuer-Commißion sämmtliche anwesende Regierungs- und ständischen Mitglieder der Commißion. Carlsbad, den 8. Juli 1825 Ernst, H.z.S. Hofmann.

38. Verordnung zur Neuorganisation des Landesministeriums vom 30. November 1826 (ThStAGo Staatsministerium Departement I Loc. 3 Nr. 2 Vol. VI fol. 115 – 120) WIR ERNST von GOTTES Gnaden Herzog zu Sachsen-Coburg und Gotha, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Fürst zu Lichtenberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein und Tonna, etc. etc. haben Uns überzeugt, daß bei der Vergrößerung Unserer Lande durch das, mittelst des über die Gotha-Altenburgische Succeßions-Angelegenheit am 12. dieses Monats abgeschloßenen und am 15. dieses Monats von allen Theilen ratificirten Theilungs-Vertrags, an Uns und Unser Herzogliches Haus gediehene Herzogthum Gotha, die ehhin zu dem Herzogthum Hildburghausen gehörigen Aemter Sonnenfeld und Königsberg und die beiden Meiningischen Kammergüter Kahlenberg und Gauerstadt, und bei der aus diesem Länder-Erwerbe hervorgegangenen Vermehrung der Geschäfte Unseres Landes-Ministeriums, einer näheren Bestimmung über den Umfang des dieser Stelle zukommenden Geschäftskreises, so wie über die Art und Weise der Behandlung der ihr zugewiesenen Geschäfte überhaupt, unverläßlich nöthig sey, und haben, nach sattsamer ruhiger und reiflicher Erwägung aller hierbei zu beachtenden Verhältniße und Umstände, folgendes desfalls zu verordnen beschloßen, und verordnen hiermit: 1.) Unser, bisher für Unsere früherhin beseßene Coburg-Saalfeldische Lande und Unser Fürstenthum Lichtenberg bestandenes, Landes-Ministerium wird nunmehr unter dem Titel: Herzoglich Sachsen-Coburg und Gothaisches Ministerium zur obersten Landes-Verwaltungsbehörde für Unsere sämmtlichen, im Eingange bemerkte, sächsischen Lande, und Unser Fürstenthum Lichtenberg bestellt, und erhält hiermit alle diejenigen Geschäfte zugewiesen und übertragen, welche bisher sowohl zum Geschäftskreise Unseres Landes-Ministeriums für Unsere früher beseßenen Lande, als rücksichtlich das an Uns gediehenen Herzogthums Gotha dem Herzoglichen Ministerium zu Gotha, in Ansehung

Textanhang

891

der Aemter Sonnenfeld und Königsberg und der Kammergüter Kahlenberg und Gauerstadt aber den Herzoglichen Ministerien zu Hildburghausen und Meiningen zuständig waren. 2.) Namentlich gehören insbesondere zu deßen Geschäftskreise 1.) alle auf die Staatsverfaßung Unserer Lande Bezug habende Gegenstände, und unter diesen vorzüglich, alle Verhandlungen mit den getreuen Ständen, über alle Puncte, worin diesen verfaßungsmäßig eine Berechtigung zur Mitwirkung bei allgemeinen Landesangelegenheiten zukommt; 2.) die oberste Leitung der gesammten Staatsverwaltung Unserer sämmtlichen Lande, und in dieser Beziehung a) die oberste Leitung der Gesetzgebung in allen ihren Zweigen; b) die oberste Aufsicht auf den gesetzmäßigen Gang der Justiz, und die richtige und angemeßene Verwaltung der Polizey in ihrem ganzen Umfange; c) die oberste Aufsicht auf dem richtigen und dem Wohle Unserer Lande angemeßenen Gang des Staatshaushaltes, und des gesammten Finanzwesens; d) die oberste Aufsicht auf das Militärwesen, und deßen zweckmäßige Gestaltung und Leitung, in der bisherigen Weise; e) die oberste Aufsicht auf Unsere Hofwirthschaft und deren zweckmäßige Einrichtung und Verwaltung; f) die Leitung des Dienstbestellungswesens, und daher der Uns zu machende Vortrag bei allen Diener-Anstellungen, und die Vollstreckung aller desfalls von Uns gefaßten Beschlüße und gegebenen Weisungen, verbunden mit der obersten Aufsicht über Unser gesammtes dem Staatsdienste gewidmete Personale. g) der Uns zu machende Vortrag in allen Gnadensachen und über von Uns zu ertheilende Privilegien, Ortsstatuten, Innungen, und sonstige Gnaden-Verleihungen; h) der Vortrag in allen deutschen Bundes-Angelegenheiten und die Bearbeitung der desfallsigen Geschäfte, in Rücksicht auf alle Uns, als Mitglied des deutschen Bundes, zukommende Berechtigungen und obliegende Verbindlichkeiten; i) die Verhandlung aller auswärtigen Angelegenheiten mit andern Staaten und Regierungen, und die desfalls Unsern auswärtigern Geschäftsträgern zu ertheilenden Weisungen; 3.) die Bearbeitung der Uns und Unser Herzogliches Haus angehenden Haus- und FamilienAngelegenheiten. 3.) In allen diesen Geschäften, und in dem, was Wir Unserm Ministerium noch außerdem an Geschäften irgend einer Art zuweisen werden, handelt es jedoch nie für sich in eigenem Namen, sondern stets nur Kraft Unserer Entschließungen und Befehle in Unserm Namen, als diejenige Landes-Verwaltungsstelle, welche Wir Uns zur Berathung in allen Unsern Herzoglichen Haus- und Familiensachen und Landes-Angelegenheiten an die Seite gestellt haben, und durch welche alle Unsere Landesherrliche Beschlüße und Anordnungen von der obersten Instanz aus zur Vollziehung gefördert werden sollen. Und sind die Mitglieder Unsers Ministeriums für diese Vollziehung Unserer Beschlüße und Anordnungen Unserer Person verantwortlich.

892

Textanhang 4.)

Unser Ministerium wird gebildet a) durch einen dirigirenden Geheimenrath, b) durch einen zweiten Geheimenrath, und c) einige Geheime Aßistenzräthe, unter welche die Bearbeitung der einzelnen Geschäfte nach verschiedenen Departements zu ertheilen sind. 5.) Doch sind bei wichtigern Angelegenheiten, wohin insbesondere alle unter §. 7 angeführte gehören, zu den Ministerial-Verhandlungen und Berathungen, und zu den Uns desfalls zu machenden Vorträgen, noch außerdem zuzuziehen, die übrigen Mitglieder Unsers bisherigen Landes-Ministeriums, und außerdem noch diejenigen Präsidenten Unserer Landes-Kollegien zu Coburg und Gotha, welche Wir hierzu zu berufen für gut finden. Und haben diese und jene die Berechtigung und Verbindlichkeit, in diesen Sachen ihre Stimme und ihren Beyrath Uns eben so wie die obenbenannten Mitglieder des Ministeriums ihrer Pflicht gemäß zu ertheilen. 6.) In diesen Fällen hat Unser Ministerium den Titel Geheimeraths-Collegium zu führen, und sind hier in den über deßen Gutachten und Vorträge ergehenden Ausfertigungen, diese Gutachten und Vorträge Uns mit dieser Bezeichnung vorzulegen. 7.) Zu denjenigen Geschäften, welche nicht blos von den §. 4 vorbenannten Gliedern des Ministerium, de beiden Geheimen Räthen und den Geheimen Aßistenzräthen, zu bearbeiten, und bei Uns zur Beschlußfaßung in Vortrag zu bringen sind, sondern, wo die Zuziehung der übrigen bisherigen Mitglieder Unsers Landes-Ministeriums, und einiger dazu von Uns berufenen Präsidenten Unserer Landes-Kollegien zu Coburg und Gotha erforderlich ist, gehören 1.) alle eigentliche Gesetzgebungssachen, d. h. diejenigen, welche Grundgesetze für die Verfaßung Unserer Lande, organische Einrichtungen in der Verwaltung, und umfaßende neue Gestaltungen des bürgerlichen Rechtszustandes Unserer Lande, und der Justizpflege oder polizeylichen Verwaltung zum Gegenstande haben; 2.) alle Anstalten zu wesentlichen Veränderungen in dem bestehenden Staatshaushalte und Finanzwesen, und insbesondere die zu fertigenden Etats für alle öffentlichen Kaßen, die der Kammern und Domainen-Verwaltung sowohl als die der Landes- und Steuerkaßen; 3.) die Unsern getreuen Landständen bei Land- und Ausschußtägen vorzulegende Propositionspuncte, und die auf die darauf folgende ständischen Erklärungen zu ertheilende Abschiede; 4.) Staatsverträge mit andern Staaten und Regierungen; 5.) Hausgesetze und Familien-Statute für Unser Herzogliches Haus; und 6.) überhaupt alle Sachen, über welche Wir wegen ihrer Wichtigkeit oder aus einem andern Grunde das Gutachten und den Beirath Unsers Geheimenraths-Collegiums zu hören für gut und nöthig finden.

Textanhang

893

8.) Damit in allen solchen Fällen, wo hiernach Unser Geheimeraths-Collegium sich mit seinem Gutachten und Beirath vernehmen zu laßen hat, daßelbe im Stande seyn möge, die ihm vorgelegten Gegenstände mit der nöthigen Gründlichkeit und Vollständigkeit begutachten zu können, sind die dazu nöthigen Vorarbeiten von den Geheimen Räthen und den Geheimen Aßistenzräthen in möglichster Vollständigkeit zu liefern. Diese Vorarbeiten, nebst den etwa dazu gehörigen Acten, sind den übrigen Mitgliedern des Geheimenraths-Collegiums durch den dirigirenden Geheimenrath vorzulegen, und haben alle Glieder des Geheimenraths-Collegiums, nach Einsicht dieser Vorlagen, dann ihre Ansichten und Gutachten entweder schriftlich vorzulegen, oder in den von Uns angeordneten Sitzungen dieser Geheimenraths-Versammlung Uns mündlich vorzutragen. 9.) Alle Sachen, welche nicht unter die in dem vorhergehenen §. 7 angedeuteten Klaßen gehören, haben die beiden Geheimen Räthe, nebst den Geheimen Aßistenzräthen allein zu bearbeiten, und darüber etweder in von Uns bestimmten regelmäßigen Sitzunge, oder, bei dringenden Geschäften, auch außer solchen Sitzungen, Uns zum Behuf Unserer Beschlußfassung Vortrag zu thun. 10.) Was die Theilung der zu bearbeitenden Geschäfte unter diese Ministerialglieder angeht, so gehört a) zum Geschäftskreise des ersten Geheimenraths das Directorium, und zwar sowohl bei den von den Geheimen Räthen und Geheimen Aßistenzräthen allein zu bearbeitenden Gegenständen, als bei denjenigen, wo die Theilnahme des gesammten Geheimenraths-Collegiums erforderlich ist. In Folge dieses Directoriums empfängt derselbe alle an das Ministerium so wie an das Geheimeraths-Collegium gerichtete Eingaben, vertheilt dieselben zur Bearbeitung unter die Geheimen-Räthe und Geheimen Aßistenzräthe, setzt solche da, wo dieses nach den §. 7 enthaltenen Bestimmungen erforderlich ist, bei den Mitgliedern des Geheimen-Raths-Collegiums zur Begutachtung in Umlauf, thut hierüber Uns die nöthigen mündlichen Vorträge, und sorgt dafür daß Unsere hierauf gefaßten Beschlüße von den Secretären und Expedienten zur Ausfertigung gebracht werden. b) Dem zweiten Geheimen Rathe legt dagegen zunächst ob, sich von dem durch den ersten eingeleiteten Geschäftsgang stets in gehöriger Kenntniß zu erhalten. Außerdem aber hat derselbe in Abwesenheit des Ersten alle diejenigen Geschäfte zu besorgen, welche nach den eben vorhandenen Bestimmungen (a.) dem Ersten zukommen, wobei derselbe übrigens auch noch diejenigen Arbeiten zu übernehmen hat, welche bei der Geschäfts-Vertheilung ihm von dem ersten Geheimen Rathe, vermöge des diesem zustehenden Directoriums, zugetheilt werden. c) Die Geheimen Aßistenzräthe haben die Arbeiten, welche ihnen vom dirigirenden Geheimen Rathe zugetheilt werden, umfaßend zu bearbeiten, so daß solche dadurch zum Vortrage bei Uns gehörig instruirt und vorbereitet sind, und Uns, entweder bei förmlichen Sitzungen von ihnen selbst, oder außerdem durch den dirigirenden Geheimenrath, vorgetragen werden können. Die auf solche Vorträge von Uns ertheilten Resolutionen haben dieselben in wichtigern Sachen selbst zu expediren, in minder wichtigern aber, durch Abfaßung der nöthigen Decreturen zur Expedition zuzubereiten.

894

Textanhang 11.)

Bei wichtigern Sachen ist über alle und jede an Unser Ministerium gelangende Eingaben, ehe darauf etwas zugefertigt werden kann, stets vorerst in ordentlichen Sitzungen – welche bei Gegenständen, welche für Unser gesammtes Geheimeraths-Collegium gehören, die anwesenden oder dazu besonders einberufenen Mitglieder dieses Collegiums, bei andern Gegenständen aber die beide Geheimen Räthe nebst den Geheimen Aßistenzräthen beizuwohnen haben – oder bei dringenden Angelegenheiten außer solchen Sitzungen, durch den dirigirenden Geheimemrath entweder allein, oder auch nach Befinden mit Zuziehung des den treffenden Gegenstand bearbeitenden Geheimen Aßistenzraths, Uns Vortrag zu thun. Bei minderwichtigen Sachen hingegen mögen nach einer vorhergegangenen collegialischen Berathung zwischen den beiden Geheimenräthen und dem die Sache bearbeitenden Geheimen Aßistenzrathe, die erforderlichen Ausfertigungen auf die Eingabe ohne Weiteres entworfen werden. Auch können blose interlocutorische, oder sonst nur zur Vorbereitung der definitiven Etscheidung einer Angelegenheit zu erlaßende Verfügungen zur Beschleunigung des Geschäftsganges selbst ohne eine solche Berathung auf den Antrag des Referenten vom dirigirenden Geheimenrathe erlaßen werden. 12.) Die auf Gegenstände aller Art an inländische Behörden aus Unserm Ministerium ergehende Verfügungen ergehen an die Oberbehörden in Rescriptsform, an Unterbehörden und einzelne Personen aber nur in Decretsform, unter Andeutung daß diese Decrete vermöge Unserer Beschlüße und Befehle also ergehen. Die in solchen Fällen, wo Wir Unser gesammtes Geheimeraths-Collegium mit seinem Gutachten gehört haben, zu erlaßende Rescripte werden, nach vorheriger Contrasigatur des dirigirenden Geheimenraths, stets von Uns selbst unterzeichnet. Rescripte in solchen Sachen, deren Erledigung blos den beiden Geheimen Räthen mit Zuziehung der Geheimen Aßistenz-Räthe zukommt, hingegen werden mit der Formel: Vermöge Sr. Herzogl. Durchlaucht Höchsten Special-Befehls versehen, von dem jedesmal dirigirenden Geheimenrathe unterschrieben. Bei Communicationen mit auswärtigen Ministerien und Regierung führt Unser Ministerium den oben (§. 1.) bemerkten Titel blos unter Unterzeichnung des dirigirenden Geheimen Raths. 13.) Alle Concepte zu Erlaßen in Gegenständen, bei deren Behandlung Unser Geheim-RathsCollegium wirksam gewesen ist, sind von den sämmtlichen an der Behandlung der Sache Theil nehmenden Mitgliedern deßelben, Concepte zu Erlaßen in andern Sachen aber nur von den beiden Geheimen Räthen und dem treffenden Geheimen Aßistenzrathe, und zwar von diesem stets zuerst, zu zeichnen. Ist dieses geschehen, so sind die Concepte Uns selbst zur eigenen Zeichnung vorzulegen, und erst dann zur Ausfertigung zu befördern, wenn sie Unsere Zeichnung erhalten haben. Blos ausgenommen hiervon sind die Concepte für interlocutorische oder sonst nur vorbereitende Verfügungen. Diese können blos bei erfolgter Zeichnung der beiden Geheimen Räthe und des treffenden Geheimen Aßistenzraths ausgefertigt werden; und ist übrigens bei allen zur Ausfertigung kommenden Concepten mit Genauigkeit darauf zu sehen, daß solche in der Kanzley ohne Aufenthalt mundiert und dann an die Behörde gefördert werden; in Bezug auf welche Puncte, es bei der bisherigen Kanzleyordnung bewendet, als auf deren Aufrechthaltung der dirigirende Geheimrath, die Geheimen Aßistenzräthe, zunächst aber der Kanzleydirector zu sehen haben.

Textanhang

895

14.) Was die Form der von Unsern Unterthanen oder Landesbehörden an Unser Ministerium gerichteten Eingaben, Vorstellungn und zu erstattenden Berichte betrift, bewendet es zwar bei der bisher üblichen Weise der Auf- und Darstellung des Vortrags und insbesondere dabei, daß alle solche Eingaben, Vorstellungen und Berichte im Contexte derselben als an Unsere Person gerichtet, zu verfaßen sind. Bei der Aufschrift aber wollen Wir statt der bisherigen Aufschriftsformel an das Herzogl. Landes-Ministerium die gebraucht wißen Sr. Herzogl. Durchlaucht dem regirenden Herrn Herzoge E r n s t zu Sachsen-Coburg und Gotha, Fürsten zu Lichtenberg pp. wobei unten am Rande noch beizusetzen zum Herzoglichen Ministerium. 15.) Indem Wir diese Unsere Bestimmungen über den Umfang des Geschäftskreises Unsers Ministeriums, und die Behandlung der ihm zugewiesenen Geschäfte hiermit kundthun, erwarten Wir daß die Mitglieder Unsers Ministeriums sich hiernach gemeßenst achten, und es sich nächstdem noch zur besondern Pflicht machen werden, bei allen von ihnen Uns zu machenden Vorträgen und zu ertheilenden Gutachten stets den bestehenden Landesgesetzen überhaupt, insbesondere aber den Grundgesetzen für die Verfaßung jedes Landestheils, auf das Pünctlichste und Gewißenhafteste nachzugehen, und auf diese Weise Uns bei Unserm Streben, den Wohlstand Unserer Lande und Unterthanen in jeder Beziehung möglichst zu befestigen, zu befördern, und zu vervollkommnen, mit unwandelbarer Treue, fester Ergebenheit und regestem Diensteifer unterstützen werden. Gotha, den 30. November 1826. Ernst HzSCG. von Carlowiz.

39. Entwurf einer Verfassung für Sachsen-Coburg vom 21. April 1827 (StACo Min J 339 fol. 3 – 33) Entwurf zum revidirten Grundgesetze des Herzogthums Coburg. Wir Ernst p. haben Uns bekanntlich vermüßiget gesehen, zur Erhaltung der Ruhe und des Friedens in dem Herzogl. Gesammthause S. Gotha, in dem unter dem 12. November d. v. J. mit Unsern geliebtesten Herren Vettern, den Herzogen zu S. Altenburg und S. Meiningen, über die Vertheilung der angefallenen Gotha- und Altenburgischen Lande abgeschloßenen Vertrage, gegen Ueberweisung des Herzogthums Gotha und der Herzogl. S. Hildburghäusischen Aemter

896

Textanhang

Sonnefeld und Königsberg, auch der in Unserm Herzogthume Coburg gelegenen Meiningischen Cammergüther Callenberg und Gauerstadt, einen Theil Unserer Coburg-Saalfeldischen Lande, namentlich Stadt und Amt Saalfeld, mit Pößneck, und Stadt und Amt Gräfenthal mit Zelle und Lehesten, auch Stadt und Amt Themar, desgleichen etliche Ortschaften am linken Ufer der Steinach, an das Herzogl. Haus S. Meiningen abzutreten. Da nun diese Abtretungen einige Abänderungen in der unter dem 8. August 1821 hergestellten Verfaßung Unserer zurückbehaltenen Coburgischen Lande nöthig gemacht haben, so haben Wir eine Revision des Grundgesetzes dieser Verfaßung anzuordnen für nöthig befunden, das Ergebniß dieser Revision Unsern getreuen Ständen des Herzogthums Coburg mitgetheilt, und verordnen nach deren Beyrath und Zustimmung unter Zurücknahme des erwähnten Grundgesetzes vom 8ten August 1821 über die von nun an bestehende Verfaßung Unseres erwähnten Herzogthums Coburg folgendes: Erster Titel. Von dem Herzogthume, deßen Regierung und den Rechten und Pflichten der Unterthanen im Allgemeinen. §. 1.) Unsere Coburgischen Lande, namentlich Stadt und Amt Coburg, Stadt und Amt Neustadt, Stadt und Amt Rodach, bilden mit den neu erworbenen Aemtern Sonnefeld und Königsberg und deren Zubehörungen, unser Herzogthum Coburg, und als solches einen Bestandtheil des deutschen Bundes. §. 2.) Die Beschlüsse der Bundesversammlung, welche die verfassungsmäßigen Verhältnisse Deutschlands, oder die Verhältnisse deutscher Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, sind ein Theil des Staatsrechts des Herzogthums, und haben in demselben, wenn sie vom Landesherrn verkündet worden sind, verbindliche Kraft. §. 3.) Der Herzog ist, als Landesherr, das Oberhaupt des Staats, vereinigt sich in alle Rechte der Staatsgewalt, und übt sie in den von ihm gegebenen, in dieser Verfassungsurkunde festgesetzten, Bestimmungen aus. Die Person des Landesherrn ist heilig und unverletzlich. §. 4.) Die Herzogl. Würde ist erblich in der directen leiblichen und gesetzmäsigen Nachkommenschaft des Herzogs nach dem Erstgeburtsrecht in männlicher Linie, so wie sich überhaupt die Erbfolge in dem Herzoglichen Hause nach der für dasselbe bestehenden PrimogeniturConstitution und nach den Verträgen in den Sächsischen Häusern richtet. §. 5.) Als Angehörige des Herzogthums und Landesunterthanen sind zu betrachten 1.) alle diejenigen, welche nach vorhergegangener förmlicher Aufnahme oder ohne diese, zehen Jahre hindurch im Lande ihre wesentliche Wohnung haben, und deren im Lande geborene oder mit ihren Eltern aufgenommene und eingewanderte Kinder.

Textanhang

897

2.) Ausländer oder Ausländerinnen, die sich mit inländischen Weibs- oder Mannspersonen verheyrathen, und mit diesen, nach vorhergegangener Erlaubniß dazu, im Lande ihre wesentliche Wohnung nehmen, oder ohne die erwähnte Erlaubniß gehabt zu haben, zehn Jahre im Lande wohnen. 3.) Diejenigen, welche mit wesentlicher Wohnung im Lande hier Grundeigenthum besitzen, 4.) Diejenigen, welche in Unseren Hof- oder Staatsdiensten oder im Militair angestellt sind, sofern sie im Lande wesentlich wohnen, desgleichen alle angestellte Geistliche und Schullehrer des Landes. §. 6.) Alle Klaßen von Unterthanen sind, wenn sie die dazu erforderlichen Fähigkeiten besitzen, zur Erwerbung von Staatsämtern, Militair- und geistlichen Stellen aller Art berechtiget. §. 7.) Die Verschiedenheit der in den deutschen Bundesgesetzen anerkannten christlichen Confessionen hat keine Verschiedenheit in den bürgerlichen und politischen Rechten zur Folge; auch ist allen diesen Confessionen ist die gesetzmäßige freye und öffentliche Ausübung ihres Cultus gestattet. §. 8.) Jedem Landesunterthan wird der Genuß vollkommener Gewißensfreiheit zugesichert; nur darf der Vorwand der Gewißensfreiheit nie als Mittel gebraucht werden, um sich irgend einer Jemanden nach den Gesetzen obliegenden Verbindlichkeit zu entziehen. §. 9.) Die Freiheit der Person und des Eigenthums ist keiner anderen Beschränkung unterworfen, als der, welche Recht und Gesetze bestimmen; und insbesondere steht jedem Landesunterthan die Freiheit der Auswanderung nach den Bestimmungen der deutschen Bundesgesetze zu. §. 10.) Das Eigenthum der Privaten kann für öffentliche Zwecke nur gegen vorgängige Entschädigung in Anspruch genommen werden, und gehört die Bestimmung des Maases der zu leistenden Entschädigung bey etwa vorkommenden streitigen Fällen für die treffende Justizbehörde, welche dabey das Gutachten von ihr aufzustellender verpflichteter Sachverständiger zu beachten hat. Die Frage ob etwas vom Eigenthum eines Privaten für öffentliche Zwecke abzugeben sey, aber gehört für die Regierungsbehörden. §. 11.) Jeder Staatsbürger, für welchen keine gesetzliche Ausnahme besteht, ist verpflichtet, an der ordentlichen Kriegsdienstpflicht Antheil zu nehmen. Bei dem Aufrufe zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit entscheidet unter den Gleichverpflichteten das Loos, nach den bestehenden Loosungslisten, mit Gestattung der Stellvertretung. In außerordentlichen Nothfällen ist jeder Einwohner zur Vertheidigung des Vaterlandes verpflichtet, und kann für diesen Zweck zu den Waffen gerufen werden.

898

Textanhang §. 12.)

Das Materielle der Justizertheilung und das gerichtliche Verfahren innerhalb der Grenzen seiner Competenz, Form und Wirksamkeit sind von dem Einfluße der Regierung unabhängig. Jedoch ist es dem Landesherrn überlaßen, in außerordentlichen Fällen zu den Verhandlungen besondere Commißarien zu bestellen, jedoch haben sich diese bey der Verhandlung nach den bestehenden Gesetzen und Ordnung für das gerichtliche Verfahren zu richten, und die Fällung des Erkenntnißes der Herzogl. Landesregierung als Justiz-Collegium zu überlaßen. §. 13.) Kein Einwohner des Herzogthums darf anders, als in den durch das Recht und die Gesetze bestimmten Fällen und Formen verhaftet oder bestraft werden. Keiner darf länger als vier und zwanzig Stunden über den Grund seiner Verhaftung in Ungewißheit gelassen und dem ordentlichen Richter soll, wenn die Verhaftung von einer andern Behörde geschehen ist, in möglichst kurzer Frist von dieser Verhaftung die erforderliche Nachricht gegeben werden. §. 14.) Die Verhältniße der Civilstaatsdiener sind in der Verordnung vom 20. August 1821 bestimmt, und hat es dabey sein Verbleiben. §. 15.) Jedem steht die Wahl seines Berufs und Gewerbes nach eigner Neigung frey. Unter Beobachtung der hinsichtlich der Vorbereitung zum Staatsdienst bestehenden Gesetze ist es jedem überlassen, sich zu seiner Bestimmung im Inlande oder Auslande auszubilden. §. 16.) Verordnungen der Kirchengewalt solcher Confeßionen zu welchen sich der Landesherr nicht selbst bekennt, können ohne vorherige Einsicht und Genehmigung des Landesherrn nicht verkündet werden. Uebrigens übt der protestantische Landesherr für die protestantische Kirche zugleich die Gerechtsame des obersten Bischoffs. §. 17.) Die Geistlichen aller Confeßionen sind in ihren bürgerlichen Verhältnißen, und bey Gesetzübertretungen, welche nicht bloße Dienstvergehen sind, der weltlichen Obrigkeit und den weltlichen Gerichten unterworfen, und zwar die Geistlichen und Lehrer am hiesigen Gymnasium Unserer Landesregierung als Justiz-Collegium, die Schullehrer hingegen der ordentlichen Justiz-Stelle ihres Wohnortes. In Amtsangelegenheiten stehen Geistliche und Schullehrer unter den Consistorium und zunächst unter ihren Ephoren. §. 18.) Das Kirchengut, das Vermögen der vom Staate anerkannten Stiftungen der Wohlthätigkeits- und Unterrichts-Anstalten, genießen des besondern Schutzes des Staats und können unter keiner Bedingung dem Staatsvermögen einverleibt werden.

Textanhang

899

§. 19.) Die Fonds der milden Stiftungen zur Beförderung der Gottes-Verehrung, des Unterrichts und der Wohlthätigkeit werden genau nach den darüber in den Stiftungsbriefen enthaltenen Verordnungen verwaltet. Ueber Abänderungen in der Verwaltung oder Verwendung, in soferne, solche Abänderungen nach dem Sinne des Stifters zulässig sind, sollen die Stände vorher jedesmal mit ihrem Gutachten gehört werden. §. 20.) Das Vermögen der Gemeinden kann unter keiner Voraussetzung dem Staatsvermögen einverleibt werden. Zweiter Titel Von den Landständen und deren Wahl. §. 21.) Für alle das Herzogthum Coburg von nun an bildende Landestheile (§. 1.) soll von jetzt an eine Gesammtheit von Landständen bestehen, welche allen Theilen des Landes als einem Ganzen gemeinschaftlich ist. §. 22.) Diese Gesammtheit wird gebildet: 1.) aus drey von den sämmtlichen Rittergutsbesitzern im Lande aus ihrer Mitte gewählten Abgeordneten, 2.) aus einem vom Magistrate zu Coburg aus deßen Mitte gewählten Abgeordneten, 3.) aus einem von der Bürgerschaft der Stadt Coburg aus ihrer Mitte gewählten Abgeordneten, 4.) aus einem Abgeordneten von den Dorfschaften des Amtes Coburg, 5.) aus einem Abgeordneten des Stadtraths und der Bürgerschaft zu Neustadt zusammen, 6.) aus einem Abgeordneten des Stadtraths und der Bürgerschaft zu Rodach zusammen, 7.) aus einem Abgeordneten der Dorfschaften des Amtes Neustadt, 8.) aus einem Abgeordneten der Dorfschaften des Amtes Rodach, 9.) aus einem Abgeordneten der Dorfschaften des Amtes Sonnenfeld, 10.) aus einem Abgeordneten des Stadtraths und der Bürgerschaft zu Königsberg, und 11.) aus einem Abgeordneten der Königsberger Amtsdorfschaften, und ist übrigens zugleich mit der Wahl der Abgeordneten für jeden die eines Stellvertreters zu verbinden, der im Verhinderungsfalle den ersten zu ersetzen hat. §. 23.) Jeder Abgeordnete wird nur auf den Zeitraum vom Anfang einer ständischen Versammlung bis zur nächsten, mithin in der Regel auf sechs Jahre gewählt, und bleibt bey gleichen Eigenschaften von neuem wählbar. Findet sich der Landesherr veranlaßt, eine ständische Versammlung früher oder vor dem Schluße ihrer Geschäfte aufzulösen; so erlöschen dadurch die bisherigen Wahlen und es tritt vor der Wiedereröffnung der neuen Ständeversammlung, welche in diesem Fall binnen sechs Monaten geschehen soll, eine neue Ständewahl ein.

900

Textanhang §. 24.)

Jedes Ständemitglied ist als Abgeordneter nicht seines einzelnen Wahlbezirks sondern des ganzen Landes anzusehen. Es können daher weder einzelne derselben, noch mehrere zusammen, etwas in Landes-Angelegenheiten unter sich verhandeln, und so Anträge oder Beschwerden an den Regenten bringen, sondern alles muß von der Gesammtheit der Stände bey deren gesetzmäßigen Versammlung ausgehen, und jedes einzelne Mitglied derselben soll bey seiner Theilnahme an den ständischen Verhandlungen nach seiner eigenen Ueberzeugung stets das Wohl des Ganzen beabsichtigen, eben so wenig Instructionen oder Aufträge für seine Abstimmung von Andern annehmen, als sein Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausüben, wobey ihm jedoch unbenommen bleibt, Beschwerden einzelner Staatsbürger oder ganzer Gemeinden über Verletzung constitutioneller Rechte, in der Ständeversammlung vorzutragen. Vor Eröffnung der landständischen Versammlung hat jeder Deputirte folgenden Eid zu leisten: „Ich schwöre Treue dem Herzog, treue Beobachtung der bestehenden Landes-Verfaßung, Gehorsam den Landesgesetzen, und in der Stände-Versammlung das allgemeine Wohl nach bester eigener Ueberzeugung zu berathen.“ Die Stellvertreter sind, wenn sie im Laufe einer ständischen Versammlung einberufen werden, vor ihrer Theilnahme an den Berathungen auf gleiche Weise zu verpflichten. §. 25.) Zur Theilnahme an der Ständewahl sind bloß im Allgemeinen solche Landesangehörige berechtigt, welche das fünf und zwanzigste Jahr ihres Lebensalters zurückgelegt, und den Huldigungseyd abgeleget haben, und welche niemals wegen eines mit peinlicher Strafe gesetzlich bedrohten Verbrechens, wenigstens nicht ohne nachher erfolgte gänzliche Lossprechung, in Untersuchung, oder wegen Schulden, wenigstens nicht ohne völlige Befriedigung ihrer Gläubiger, in Concurs befangen waren. §. 26.) An der Wahl der von den Rittergutsbesitzern im Lande zu wählenden Abgeordneten und Stellvertreter zur Ständeversammlung soll jeder Besitzer eines im Lande gelegenen Ritterguts, dem keines der allgemeinen Erforderniße abgeht, ohne Rücksicht auf Stand, Dienstverhältniße und Wohnort Theil nehmen, und mehrere Besitzer eines Ritterguths haben einen von ihnen zur Stimmführung zu bevollmächtigen. Bey der Wahl zu Deputirten und Stellvertretern ist jedoch auch jeder der übrigen Mitbesitzer, in wiefern er sonst die gesetzlichen Eigenschaften hat, wählbar, nur mit der Beschränkung, daß aus den sämmtlichen Besitzern eines Ritterguts für einen und denselben Landtag nur Einer als Deputirter oder Stellvertreter erscheinen kann. Eheweiber welche ein Rittergut besitzen, können diese Theilnahme von ihrem Ehemann ausüben lassen, und dem Ehemann verbleibt diese Theilnahme auch nach dem Tode der Besitzerin so lange, als demselben vermöge der väterlichen Gewalt der Niesbrauch des von der Ehefrau den Kindern hinterlaßenen Gutes zukommt. §. 27.) In den Städten wird in der Regel zur Wahlberechtigung außer den allgemeinen Bedingnissen das erlangte Bürgerrecht verbunden mit wesentlicher Wohnung erfordert.

Textanhang

901

§. 28.) In den Dörfern ist auf gleiche Weise zur Theilnahme an den Wahlen das Nachbarrecht und der Besitz eines Hauses nöthig. Jedoch stimmen die Geistlichen auf dem Lande und die sonst daselbst sich befindenden Staatsdiener auch ohne diese Bedingung mit der Gemeinde ihres Orts. §. 29.) Die Wahl der Abgeordneten für die Rittergutsbesitzer und den Magistrat der Stadt Coburg geschieht unmittelbar durch die Wahlberechtigten aus der treffenden Classe selbst. In der Stadt Coburg aber wählt unter der Leitung der Vorsteher des Stadtmagistrats jedes Stadtviertel vier Wahlmänner, und eben so wählen in den Städten Neustadt und Rodach unter Leitung des dortigen Bürgermeisters und Syndicus die Rathsglieder Einen und jedes Stadtviertel vier Wahlmänner; in den Amtsbezirken hingegen wählt unter Leitung einer Amtsperson jedes Dorf, welches unter 50. Häuser hat, einen Wahlmann; Dörfer von 50 – 74. wählen zwey, Dörfer von 75 – 99. drey, und Dörfer über 100. Häuser und drüber vier Wahlmänner. In der Stadt Königsberg wählt unter Leitung des Beamten der Stadtrath einen, die Bürgerschaft aber aus jedem Stadtviertel vier Wahlmänner und auf den Dörfern jedes Dorf so viel es nach seiner Häuserzahl nach den eben angedeuteten Bestimmungen für die Wahl auf den Dörfern der übrigen Aemter zu wählen berechtiget ist. Die Wahlmänner in der Stadt Coburg wählen unter der Leitung eines Regierungs-Commißairs die Abgeordneten aus der Bürgerschaft, die Wahlmänner aus den Städten Neustadt und Rodach und den Aemtern und der Stadt Königsberg aber unter Aufsicht des treffenden Justizamtes. §. 30.) Bey der Theilnahme an der Ständewahl gilt durchgängig die Regel, daß die Wähler und Wahlmänner die Abzuordnenden aus ihrer Wahlklasse wählen, und daß ein Wähler oder Wahlmann bey der Wahl der Mitglieder einer ständischen Versammlung nur einmal seine Stimme geben, und hierin niemals in doppelter oder mehrfacher Eigenschaft handeln kann. §. 31.) Die allgemeinen Erforderniße eines Wahlmanns und eines Mitglieds der Ständeversammlung sind: 1.) Bekenntniß zur christlichen Religion ohne Unterschied der Confeßion, 2.) dreyßigjähriges Alter, 3.) Unbescholtenheit des Rufs, indem kein Mitglied der ständischen Versammlung wegen eines gesetzlich mit Criminalstrafe bedrohten Verbrechens ohne unbedingt erfolgte Freysprechung in Untersuchung gekommen, oder auch ohne vollständige Befriedigung seiner Gläubiger in Concurs befangen gewesen seyn darf. Endlich 4.) kann ein Mitglied der Stände weder unter väterlicher Gewalt, noch unter Vormundschaft, noch unter Privatdienstherrschaft stehen. §. 32.) Bey der Classe der Rittergutsbesitzer können auch die Väter, die den Niesbrauch an den Gütern ihrer Kinder haben, und die Ehemänner von Weibern, denen Rittergüter eigenthüm-

902

Textanhang

lich zugehören, zu Abgeordneten bey der Ständeversammlung gewählt werden. Gleiches gilt auch von dem, der sich nicht im alleinigen Besitz, sondern nur im Mitbesitz eines Ritterguts mit einem oder mehreren befindet. §. 33.) Die Abzuordnenden von den Städten und Dorfsgemeinden sollen entweder den Besitz eines im Lande belegenen schuldenfreyen Vermögens von 5000 fl. rheinl. oder ein unabhängiges reines Einkommen von jährlich 400 fl. rheinl. nachweisen, oder eidlich versichern können. §. 34.) Bey den Abgeordneten aus den Städten und Dörfern ist nach obigen Bedingungen wesentliche Wohnung im Lande erforderlich, bey den aus den Rittergutsbesitzern aber wird diese ausnahmsweise nicht verlangt. Personen, welche in wirklichen Diensten eines anderen Staates stehen, können ohne besondere Bewilligung des Landesherrn nicht zur Wahl gelangen. §. 35.) Die Wahl der Ständemitglieder und eines Stellvertreters für jedes derselben geschieht jedesmal vor Eröffnung eines neuen Landtags auf vorgängige Anordnung des Landesherrn. Für die Rittergutsbesitzer und die Abgeordneten von der Stadt Coburg wird der Wahltag unmittelbar von der Landesregierung sechs Wochen vorher im Regierungsblatt bekannt gemacht, und der zur Leitung des Wahlgeschäfts bestimmte Commißarius (§. 29) benannt. Für die übrigen Stände erfolgt diese Bekanntmachung ebenfalls sechs Wochen vorher durch öffentliche Anschläge an jedem Orte von den das Wahlgeschäft leitenden Behörden (§. 29). Die ohne solche Bekanntmachung eigenmächtiger Weise vorgenommenen Wahlen sind ungültig und strafbar. Die Wahlen werden übrigens da, wo sie an einem Tage nicht beendigt werden können, jedesmal an den nächstfolgenden fortgesetzt und so ohne Unterbrechung vollendet. §. 36.) In der Regel werden die Wahlversammlungen von den Rittergutsbesitzern in dem Regierungsgebäude zu Coburg, für die Wahlmänner in den Städten Coburg, Neustadt und Rodach auf den dasigen Rathhäusern, und für die von den übrigen und den Dorfsgemeinden zu wählenden Stände in den Localen der treffenden Justizämter gehalten. Die den Wahlact leitenden Behörden können jedoch nach Befinden auch ein anderes schickliches Locale dazu wählen, und haben den bestimmten Ort bey der Bekanntmachung des Wahltags jedesmal anzugeben. §. 37.) Vor jeder Wahl der Wahlmänner haben die leitenden Behörden sich vollständige Verzeichnisse der Wahlberechtigten ihres Bezirks zu verschaffen, und diejenigen, welche bey dem Wahlact ohne die dazu erforderlichen Eigenschaften erscheinen, von der Theilnahme daran auszuschließen. Etwaige Beschwerden über eine solche Ausschließung und deshalbige Anträge auf Ehrenerklärung und Genugthuung können bey dem Justiz-Collegium zur rechtlichen Verhandlung und Entscheidung angebracht werden, doch kann dadurch der Wahlact selbst keine Störung erleiden.

Textanhang

903

§. 38.) Bey solchen Wahlversammlungen muß wenigstens ein Drittheil der stimmberechtigten Einwohner des Wahlbezirks anwesend seyn, außerdem wird eine anderweite Versammlung auf einen nahen Tag anberaumt, wo dann die Wahl der Wahlmänner in jedem Falle vor sich geht. Bey den Wahlen der Abgeordneten müssen sämmtliche Wahlmänner zugegen seyn. Blos Krankheit entschuldigt die nicht persönliche Theilnahme und berechtiget einen solchen Wahlmann zur schriftlichen Einsendung seiner Stimme, wobey die unter §. . . . folgenden Bestimmungen zu beachten sind. §. 39.) Zur Leitung der Wahl der Abgeordneten wird sowohl für die Rittergutsbesitzer, als für den Magistrat und die Bürgerschaft der Stadt Coburg ein besonderer Regierungs-Commißair ernannt, und die Wahlen der übrigen Stände sollen unter Aufsicht und Leitung der ersten Justizbeamten in ihren Amtsbezirken und den darin gelegenen Städten geschehen. Die leitenden Behörden erhalten übrigens für diese Arbeit keine Gebühren, sondern nur ihre gehabten Auslagen aus der Landeskaße ersetzt. §. 40.) Die Wahlberechtigten können bey der Abstimmung nur in eigener Person, nicht durch Bevollmächtigte handeln, und nicht sich selbst ihre Stimme geben. §. 41.) Den Rittergutsbesitzern ist nachgelassen, ihre Abstimmung in eigenhändig geschriebenen und mit ihrem vollen Namen unterzeichneten Wahlzetteln abzugeben. Die Anwesenden stimmen in der Ordnung ab, wie sie sich zum Wahltage angemeldet haben, und die Abwesenden haben ihre Abstimmung bis zum Wahltage einzusenden. Die Eröffnung der Wahlzettel geschiehet in Gegenwart der Erschienenen, und die drey zunächst wohnenden Rittergutsbesitzer werden ausdrücklich dazu eingeladen. Jeder Rittergutsbesitzer hat übrigens seine Abstimmung in Gemäßheit des §. 44. einzurichten. §. 42.) Die Wahlberechtigten der übrigen Stände haben ihre Abstimmung dem zur Leitung des Wahlgeschäfts Beauftragten mündlich und einzeln zu eröffnen. §. 43.) Jeder Wahlberechtigte leistet vorhero das Handgelöbniß, daß er nach inniger Ueberzeugung für das Beste des Landes seine Stimme abgeben werde, und daß er hierzu weder überredet worden, noch sonst etwas erhalten habe, oder annehmen werde. Sollten dennoch Empfehlungen oder Werbungen vorkommen; so wird die dadurch bewirkte Wahl ungültig, eine anderweite nöthig, und die Schuldigen verlieren mit Vorbehalt anderer gesetzlicher Strafe ihr Wahlrecht. §. 44.) Bey der Wahl der Abzuordnenden und Stellvertreter selbst werden sowohl bey derjenigen, die unmittelbar durch die Wahlberechtigten geschieht, als bey der Wahl, die durch Wahlmän-

904

Textanhang

ner vollzogen wird, von jedem Wählenden für die doppelte Zahl der Abzuordnenden, Candidaten nahmhaft gemacht, und wenn dieses geschehen ist, durch die das Wahlgeschäft leitende Behörde die Namen in Ordnung so zusammengestellt, daß derjenige, welcher die meisten Stimmen erhalten hat, als erwählter Deputirter für die Stände-Versammlung und so nach Mehrheit der Stimmen die übrigen als Stellvertreter angesehen werden. Träfe sich es jedoch, daß die Wählenden oder Wahlmänner auf gleiche Personen gefallen seyn sollten; so geht derjenige als Deputirter oder Stellvertreter dem andern vor, der vor dem andern namhaft gemacht worden ist; wäre aber auch die Ordnungszahl, in der die Candidaten namhaft gemacht wurden, gleich; so entscheidet das Loos. Sollten alle Stimmen eine Person treffen; so wird der Stellvertreter besonders gewählt. §. 45.) Ablehnen kann ein Gewählter die Stelle eines Abgeordneten nur, wenn er Staatsdiener ist, oder wegen ärztlich bescheinigter Krankheit, oder wegen häuslicher Unentbehrlichkeit, die seine obrigkeitliche Behörde zu beglaubigen hat. §. 46.) Ueber die Wahlhandlungen werden von den Commißarien entweder selbst oder durch beizuziehende verpflichtete Secretarien, und bey den Justiz-Aemtern durch den zweiten Beamten, oder einen verpflichteten Actuar, ausführliche Protocolle mit genauer Bemerkung jedes Stimmenden und seiner Abstimmung aufgenommen, von den Commißarien und ersten Beamten unterschrieben, und nebst den Acten mit einem die Namen der Gewählten und deren Stellvertreter enthaltenden Bericht an die Landes-Regierung eingesendet. §. 47.) Die Landesregierung prüft dann ohne Zeitverlust die sämmtlichen Wahlen, und sendet die Acten mit ihren gutachtlichen Anträgen berichtlich an das Landes-Ministerium ein. §. 48). Die hierauf eingehenden Resolutionen werden sowohl den leitenden Behörden, als den genehmigten Gewählten und ihren Stellvertretern bekannt gemacht, und wegen der etwa erforderlichen neuen Wahlen wird das Nöthige angeordnet. §. 49.) Abweisende Resolutionen werden jedesmal mit Gründen versehen, dem Nichtgenehmigten aber ist es noch verstattet, sich an die Stände-Versammlung um Intercession bey dem Landesherrn zu wenden. Bey dem Zurückweisen eines Gewählten tritt der Stellvertreter, für diesen aber derjenige ein, der nach ihm die meisten Stimmen hat, und wenn ein solcher nicht vorhanden ist, erfolgt eine neue Wahl.

Textanhang

905

Dritter Titel. Von den Befugnissen der Landstände. §. 50.) Neue Gesetze, welche die eigentliche Landes-Verfassung, das heißt, die Bestimmung der gegenseitigen Rechte des Regenten und der Stände betreffen, so wie Abänderungen und Erklärungen der hierunter bestehenden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit die Zustimmung der Stände. §. 51.) Eben so ist die Zustimmung der Stände nöthig bey Gesetzen Beschränkungen der persönlichen Freyheit oder des Eigenthums, oder persönliche Dienstleistungen oder Einschränkungen der Unterthanen in der Benutzung und Verwaltung ihres Eigenthums zum Gegenstande haben; und bleibt, wenn die ständische Versammlung gegen einen ihr vorgelegten derartigen Gesetzesvorschlag stimmt, die Erlaßung dieses Gesetzes so lange ausgesetzt, bis die Zustimmung der Stände erlangt seyn wird. Bey Gesetzen welche nicht unter die angedeutete Claße gehören, selbst wenn sie bleibende Bestimmungen für die bürgerliche oder Strafgesetzgebung, die Rechtspflege und den Gang der Landesverwaltung zum Gegenstande haben, ist vor ihrem Erlaßen blos die Einholung des Gutachtens der Stände erforderlich, und kann der Landesherr, wenn die Stände mit diesem Gutachten binnen der ihnen dazu bestimmten Frist sich nicht vernehmen laßen, ohne Weiteres mit der Erlaß- und Publication des Gesetzes verfahren. Zu einzelnen allgemeinen Verfügungen, besonders in dringenden Fällen, so wie zu besonderen Anordnungen, welche sich auf einzelne Fälle, Gemeinheiten, Vereine und Personen oder auf vorübergehende Ereigniße beziehen, ist auch selbst die Einholung des Gutachtens der Stände nicht erforderlich, jedoch bleibt es den Ständen nachgelaßen, im Falle dem Vollzuge solcher Verordnungen entgegenstehende Bedenklichkeiten, bey dem Landesherrn dagegen Vorstellung zu thun, ohne jedoch durch diese Vorstellung die verbindliche Kraft solcher Anordnungen und deren Vollziehung hindern zu können. §. 52.) Der Regent ist befugt, ohne ständische Mitwirkung die zur Vorbereitung, Vollstreckung und Handhabung der Gesetze erforderlichen, so wie die aus den Landesherrlichen Rechten fließenden Verordnungen und Anstalten zu treffen, und überhaupt in allen Fällen das Nöthige zur Sicherheit des Staats vorzukehren. Auch bleiben die Landesherrlichen Rechte hinsichtlich der Privilegien, Dispensationen und Abolitionen durchgängig unbeschränkt. §. 53.) Gesetzesentwürfe können nur vom Landesherrn an die Stände, nicht von den Ständen an den Landesherrn gebracht werden. Die Stände können aber auf neue Gesetze, so wie auf Abänderung oder Aufhebung der bestehenden antragen, und ist solches zur weitern höchsten Entschließung des Landesherrn anheimstellen. §. 54.) Steuern, directe sowohl als indirecte sollen ohne vorherige Bewilligung der Stände nie ausgeschrieben und erhoben werden. Doch dürfen die Stände ihre Verwilligung nicht an Bedin-

906

Textanhang

gungen knüpfen, welche den Zweck und die Verwendung derselben selbst nicht treffen. Alle verwilligten Steuern sind übrigens von sämmtlichen Landesunterthanen nach verhältnißmäsiger Gleichheit, und insbesondere was die Grundsteuern angeht, von allem Grundeigenthume im Lande ohne Ausnahme zu tragen. Nur die Herrschaftl. dermaligen Domainengüter sollen von der Heranziehung zur Grundsteuer eximirt seyn; alle übrigen, und insbesondere alle Consumtions- oder andere indirecte Abgaben haben aber die Verwaltungen und Pachten Herrschaftl. Güter eben so gut zu zahlen, wie andere Unterthanen. §. 55.) Die Auflagen, in sofern sie nicht blos für einen vorübergehenden Zweck bestimmt waren, dürfen nach Ablauf der Verwilligungszeit noch ein Jahr fort erhoben werden, wenn die Stände-Versammlung aufgelößt wird, ehe ein neues Finanzgesetz zu Stande kommt, oder wenn die ständischen Berathungen sich verzögern. Dieses Jahr wird jedoch in die neue Finanzperiode eingerechnet. §. 56.) Der Landesherr ist übrigens dann, wenn die Stände die nothwendige Verwilligung für die Erfüllung neuer, durch Verpflichtungen gegen den deutschen Bund gegründeter Verbindlichkeiten verweigern sollten, zur Ausschreibung der dazu erforderlichen durch Ersparnisse nicht aufzubringenden Summen berechtigt, und es wird über deren Verwendung öffentliche Rechenschaft abgelegt; auch steht dem Landesherrn die ausschließliche Verfügung über das Militair, die Formation desselben, die Disciplinar-Verwaltung und das Recht, alle den Kriegsdienst betreffende Verordnungen zu erlassen, ohne ständische Mitwirkung zu. Aushebungen zur Vermehrung der Truppen über die Bundespflicht hinaus können nur durch ein solches Gesetz bestimmt werden, welches, wie das Conscriptions-Reglement, mit ständischer Concurrenz erlassen ist, unbeschadet jedoch des des Landesherrlichen Rechts, in dringenden Fällen die zur Sicherheit und Erhaltung des Staats nothwendigen Vorkehrungen zu treffen. §. 57.) Rücksichtlich der Verwaltung der öffentlichen Abgaben steht den Ständen unter der Aufsicht des Landesherrn folgende Concurrenz zu: 1.) wird der Etat der Landeskaße mit Zustimmung der Stände hergestellt; 2.) sind die Stände berechtigt, zu verlangen und darüber zu wachen, daß der immer von einem Landtage zum andern geltende, für die Finanzperiode vom Landesherrn als Gesetz ausgesprochene, Etat pünktlich beobachtet werde, und für diese pünctliche Beobachtung sind die obern Landes-Administrations-Behörden verantwortlich; 3.) haben die Stände zu allen über den Etat gehenden und außerordentlichen Ausgaben ihre besondere Zustimmung zu ertheilen; 4.) werden den Ständen die Kaßenrapporte mitgetheilt; 5.) haben die Stände das Recht, bey der Landesregierung auf Kaßenstürze mündlich oder schriftlich anzutragen, und die Landesregierung hat diesen Anträgen alsbald zu willfahren, auch ist bey diesen Kaßenstürzen stets ein Mitglied der Stände zuzuziehen, und auf deßen Anträge dabey Rücksicht zu nehmen; 6.) haben die Stände die Abnahme, Prüfung und Justificatur der Landeskaße-Rechnungen gemeinschaftlich mit der Landesregierung zu besorgen, und

Textanhang

907

7.) zur Besetzung der Landeskaßirerstelle dem Landesherrn geeignete Personen zur Auswahl und Ernennung vorzuschlagen. §. 58.) Die Stände sind ferner befugt, von dem Ministerium alle Subsidien zu verlangen, welche zu obigen Geschäften insbesondere aber zur Prüfung der Etats und Rechnungen, so wie zur Uebersicht der Verwendung ihrer Verwilligung und endlich zur Beurtheilung derjenigen Mittel erforderlich sind, durch welche die Staatsbedürfnisse gedeckt werden sollen. §. 59.) Zur Landeskaße sollen nicht nur die mit Bewilligung der Stände fortbestehenden directen und indirecten Steuern, so wie alle noch künftig von den Ständen zur Deckung der Landesbedürfniße verwilligt werdende Abgaben, sondern auch das Einkommen aus den Regalien und alle aus Uebung der Landesherrlichen Gewalt entspringenden Gefälle, nicht minder der gesammte Ertrag der Chaußee- und Weggelder aller Art, so wie alle zum Behuf des Militairs und in Beziehung auf solches von den Unterthanen erfolgende Leistungen und die von Hintersaßen zu zahlenden Schutzgelder fließen. §. 60.) Dagegen soll die Landeskasse die sämmtlichen Kosten der Staatsverwaltung, die Unterhaltung der dem Staatsdienst gewidmeten öffentlichen Gebäude, des Militairs, den Aufwand für Landesbehörden, Kirchen und Schulen, für Chausseen und Wege und überhaupt für alles, was zur Erhaltung und Förderung des gemeinen Wesens durch allgemeine Landesanstalten erforderlich ist, bestreiten. Die Ueberschüsse sind nach Bestreitung der Zinsen zunächst zu den Schuldentilgungsfonds, so wie auch zur Erhöhung des Fonds der Diener-Pensionen zu verwenden, und in wiefern die zunächst auf die Domainen radicirten Bedürfnisse des Herzoglichen Hauses und Hofs nicht aus den Domanial-Einkünften so vollständig, als die Würde des Landesherrn erfordert, bestritten werden können, treten Zuschüße zu den Kosten des Hofstaats aus der Landeskaße zur Hauptdomainenkaße ein. §. 61.) Eine Vermehrung der Staatsschulden soll ohne Verwilligung der Stände nicht vorgenommen werden. Es soll vielmehr auf deren Verminderung möglichst Bedacht genommen, dazu jährlich eine bestimmte Summe ausgesetzt, und unter Concurrenz der Stände nach einen festen Tilgungsplan zum Schuldenabtrage verwendet werden. Hierzu, wie überhaupt zur genauen Beachtung der Bestimmungen dieses Grundgesetzes und der ihnen hiernach zu ertheilenden Instruction sollen die Officianten der Landeskaße und die Verwalter des Schuldentilgungsfonds in Gegenwart des Landschaftsdirectors, oder eines ihn vertretenden Mitglieds der Stände verpflichtet werden. §. 62.) Die Domainen-Revenüen sollen für die Erhaltung des Landesherrn, seiner Familie und seines Hofstaats, auch für die Domainen-Verwaltungskosten, und den hierzu notwendigen Bedarf verwendet werden. Eine Concurrenz bey deren Verwaltung steht jedoch den Ständen nicht zu; doch sind sie berechtiget bey etwa eintretenden Veräußerungen bedeutender Domanialstücke und Verminderung derselben, dagegen Vorstellung zu thun, in welchem Falle

908

Textanhang

dann dergleichen Veräußerungen so lange unterbleiben müßen, bis die Integrität des Domanialguts durch Nachweisung anderer gemachten oder zu machenden Erwerbungen sicher gestellt ist. §. 63.) Die Stände haben das Recht, alles dasjenige vorzutragen, was sie vermöge eines, von der absoluten Mehrheit der wenigstens zu zwei Drittheilen versammelten Abgeordneten des Landes bey der Stände-Versammlung gefaßten Beschlußes für geeignet halten, um an den Landesherrn als Bitte oder Beschwerde gebracht zu werden. Dergleichen Anträge werden jederzeit eine willige Aufnahme finden, und nach vorgängiger Erwägung und Befinden die erforderlichen Verfügungen zur Erfüllung solcher Bitten oder zur Abhülfe der Beschwerden getroffen werden. §. 64.) Insbesondere haben auch die Stände das Recht, auf die §. 63. bestimmte Art, diejenigen Beschwerden an den Landesherrn zu bringen, welche sie sich gegen das Benehmen der Staatsdiener aufzustellen bewogen finden können, und sollen diese Beschwerden, wenn sie als gegründet nachgewiesen werden vom Regenten möglichst beachtet, auch wenn die Sache hierzu geeignet, die Untersuchung derselben durch die treffende Justizstelle, im Wege der Ordnung, eingeleitet, dann hierüber beym Oberappellationsgericht zu Jena erkannt, und dem nachgegangen werden, was hier gegen den Angeschuldigten, nach vorheriger Vertheidigung deßelben, erkannt werden wird. §. 65.) Einzelne und Corporationen können sich nur dann an die Stände wenden, wenn sie hinsichtlich ihrer individuellen Interessen sich auf eine unrechtliche Weise für verletzt oder gedrückt halten, und zugleich nachzuweisen vermögen, daß sie die gesetzlichen und verfaßungsmäßigen Wege bey den Landesbehörden zur Abhülfe ihrer Beschwerden vergeblich eingeschlagen haben. Solche Beschwerden können dann die Stände, falls sie nicht von ihnen, nach ertheilter Auskunft von den obersten Landesbehörden, sofort als unbegründet verworfen werden, auf die vorbemerkte Weise an den Regenten bringen. Anträge Einzelner und ganzer Corporationen hinsichtlich allgemeiner politischer Interessen sind dagegen unzuläßig und strafbar, indem die Prüfung und Wahrung dieser Intereßen lediglich der Ständeversammlung als Gesammtheit zukommt. §. 66.) In der Regel soll von sechs zu sechs Jahren ein ordentlicher Landtag, und zwar jedesmal im Februar anfangend, gehalten werden, und auf diese Zeit auch die Verwilligung geschehen. Es hängt jedoch von dem Landesherrn ab, ob er mehrmals und wie oft er die Abgeordneten des Landes zu außerordentlichen Landtägen zusammen berufen will. Nach Verlauf von sechs Jahren erlischt die Function der auf diese Zeit gewählten ständischen Deputirten, ebenso wie in dem Fall der von dem Landesherrn innerhalb dieser sechs Jahre geschehenen Auflösung der Ständeversammlung, in beyden Fällen aber mit Ausnahme der den Ausschuß bildenden Mitglieder, deren Function erst mit der Wiedereröffnung eines neuen Landtags erlischt. §. 67.) Der Landesherr allein hat das Recht, die Stände zu berufen und die ständischen Versammlungen zu vertagen, aufzulösen und zu schließen. Ständische Versammlungen ohne Landes-

Textanhang

909

herrliche Zusammenberufung, oder nach bereits erfolgten Schluß, oder nach geschehener Vertagung des Landtags sind unzuläßig und gesetzwidrig, und alle dabey gefaßten Beschlüsse sind nichtig. §. 68.) Die Stände genießen während des Landtags einer völligen Unverletztheit der Person, und können während dieser Zeit ohne Einwilligung der Ständeversammlung keiner Art von Arrest unterworfen werden, den Fall einer Ergreifung auf frischer That bey begangenen Verbrechen ausgenommen, wo aber der Ständeversammlung ungesäumt Anzeige des Vorfalls mit Angabe der Gründe gemacht werden soll. §. 69.) Die Eröffnung eines Landtags so wie die Schließung desselben geschieht von dem Landesherrn entweder in eigener hoher Person, oder durch einen besonders dazu beauftragten Commißair, und nach dem Schluße wird der den Ständen bereits eröffnete Landtagsabschied bekannt gemacht. Vierter Titel Von der Geschäftsordnung bey den Landtägen. §. 70.) Auf den Landtägen sind alle ständischen Angelegenheiten in der Regel von der Gesammtheit der Stände zu behandeln. Diejenigen, welche für besondere Commißionen oder den Landschafts-Director allein gehören, sind unten angegeben. §. 71.) Nach Beendigung der Wahlen erfolgt die Zusammenberufung der Stände von dem Regenten durch ein Rescript an die Landesregierung mit Bestimmung des Orts und der Zeit. Hierauf wird eine allgemeine Bekanntmachung im Regierungsblatt, und an jedes Ständemitglied ein besonderes Einberufungsschreiben erlassen. §. 72.) Die Abgeordneten haben ihre Anwesenheit einer dazu ernannten Landesherrlichen Commission zu melden, oder bey derselben ihr Nichterscheinen schriftlich und zeitig zu entschuldigen, um deren Stellvertreter noch einberufen zu können. Wenn nicht wenigstens zwey Drittheile der Abgeordneten anwesend sind, kann weder der Landtag eröffnet, noch sonst eine vorbereitende ständische Verhandlung mit Gültigkeit vorgenommen werden. §. 73.) Die Landesherrliche Commission versammelt dann zuvörderst an einem dazu bestimmten Tage die Abgeordneten, um die Wahl eines Landschafts-Directors und eines Secretairs, so wie eines Stellvertreters für den Landschafts-Director und den Secretair, von der Ständeversammlung bewirken zu lassen. Die Wahl selbst geschiehet durch geheimes Stimmgeben an die Commission nach der Ordnung des natürlichen Alters der einzelnen Abgeordneten.

910

Textanhang §. 74.)

Zu diesen Stellen ist jedes Mitglied der ständischen Versammlung, welches im Lande angesessen ist, wählbar. Um die zu diesen Wahlen nöthige unbedingte Stimmen-Mehrheit zu erlangen, kann so lange abgestimmt werden, bis wenigstens Stimmen-Gleichheit erfolgt, dann entscheidet das Loos. §. 75.) Die geschehenen Wahlen werden dem Landesherrn von der Commission zur Bestätigung vorgetragen. Erfolgt diese aus anzugebenden Gründen nicht durchgängig; so wird wegen der Nichtgenehmigten zu einer anderweiten Wahl geschritten, die ebenfalls vorzutragen ist. §. 76.) Nach eingegangener Landesherrlichen Bestätigung geschieht die Eröffnung der ständischen Versammlung, nachdem vorher der Landschaftsdirector, der Secretair und die Stellvertreter derselben von der Commission verpflichtet worden sind. In der Stände-Versammlung sitzt der Landschaftsdirector oben an, und neben ihm zur linken Seite der Secretair und die Stellvertreter von beiden, die übrigen Stände aber nach der Ordnung ihres natürlichen Alters. Die Mitglieder des Landes-Ministeriums haben bey der Stände-Versammlung freyen Zutritt außer bey Abstimmungen und vertraulichen Sitzungen. §. 77.) Der Landschaftsdirector hat zur Leitung der Geschäfte die Rechte und Obliegenheiten eines Collegial-Präsidenten. Er empfängt die Eingänge, bestimmt, eröffnet und schließt die Sitzungen; leitet die Berathungen, verhütet alle Abschweifungen, und stellt die Gegenstände des Abstimmens in einzelne zur unbedingten Bejahung und Verneinung geeigneten Fragen auf; er handhabt die Ordnung, so wie die Gesetze des Anstands, duldet keine Persönlichkeiten oder beleidigende Aeußerungen, und kann falls ein Mitglied seine Verweisung zur Ordnung unbefolgt läßt, die Sitzung alsbald schließen, und die Gesammtheit der Stände darf dann in der nächsten Sitzung Misbilligung und im Wiederholungsfalle zeitige oder gänzliche Ausschließung aus der Stände-Versammlung erkennen. Der Landschaftsdirector erhält ferner die schriftlichen Anzeigen von dem Grund der Abwesenheit der im Orte sich befindenden Mitglieder, ertheilt den Anwesenden einen Urlaub bis zu vier Tagen, und bringt die Gesuche um einen längern oder um gänzlichen Abgang bey der Stände-Versammlung zum Vortrag, von welchen sodann auch höchsten Orts Anzeige zu machen ist. §. 78.) Der Secretair führt die Protokolle in den allgemeinen Sitzungen, entwirft die schriftlichen Ausfertigungen und Beschlüsse, und sorgt für Ordnung der Canzley, so wie für Aufbewahrung und Ordnung der Acten. §. 79.) Zu Anfang der Sitzung wird das Protocoll der vorhergehenden, um es mit Einverständniß der Ständeversammlung zu fassen, durch den Secretair vorgelesen, von dem Präsidenten und dem Secretair unterschrieben und von sämmtlichen anwesenden Deputirten signirt. Nach Be-

Textanhang

911

kanntmachung des Inhalts der Eingänge seit der letzten Sitzung wird zur Tages-Ordnung geschritten. §. 80.) Zuerst sind nemlich die von dem Landesherrn den Ständen vorgelegten Anträge und zwar in der Ordnung, wie sie gefaßt und eingegangen sind, in Berathung zu ziehen. Die Mittheilung dieser Anträge geschiehet schriftlich, entweder durch das Landes-Ministerium oder eine besondere Commission. Zur Beförderung des Gangs der Geschäfte können wichtige Angelegenheiten durch Mitglieder des Landes-Ministeriums oder besondere Commissionen in der Stände-Versammlung noch besonders mündlich erörtert und erläutert werden. §. 81.) Wenn die vorhandenen Landesherrlichen Anträge durch Beschlüsse erledigt sind, dann werden diejenigen Gegenstände in der von dem Landschaftsdirector zu bestimmenden Ordnung vorgenommen, welche von den Mitgliedern der Stände-Versammlung in Antrag gebracht worden sind. Es steht nemlich jedem Mitgliede wie dem Landschafts-Director frey, über sonst irgend wichtige Gegenstände, die nicht in den Landesherrlichen Anträgen enthalten sind, Vortrag zu thun, nachdem es seine Absicht dem Landschaftsdirector angezeigt, und dieser einen Tag dazu bestimmt hat. Schriftliche Verhandlungen der Stände mit andern Behörden oder Personen außer dem Landes-Ministerium sind nicht gestattet. §. 82.) Zur Bearbeitung einzelner Gegenstände kann die Versammlung einige aus ihrer Mitte durch die Wahl nach relativer Mehrheit der Stimmen ernennen. Diese Commissionen haben sich mit den Mitgliedern des Ministeriums oder den Landtags-Commissarien zu benehmen, um die erforderlichen Nachrichten zu erhalten, oder um zu einer Ausgleichung etwaiger abweichender Ansichten zu gelangen. Bey den Verhandlungen einer solchen Commission führt ein Mitglied das Protocoll, die Beschlüsse werden nach absoluter Stimmen-Mehrheit gefaßt, und durch ein von der Commission selbst gewähltes Mitglied derselben entweder mündlich oder schriftlich in der ständischen Versammlung zum Vortrage gebracht. Bey der Berathung darüber hat jedes Mitglied der Commission seine Stimme so gut, wie die übrigen Stände. §. 83.) Nur diejenigen, welche einen Antrag machen, oder den Beschluß einer Commission vorzutragen haben, sind zur Vorlesung schriftlicher Aufsätze berechtigt; den übrigen Mitgliedern ist es zwar freygestellt, ihre Meinungen über die vorgekommenen Berathungspuncte ausführlich zu äußern, sie haben sich aber auf mündliche Vorträge zu beschränken. §. 84.) Findet der Landschaftsdirector die in Berathung gekommenen Gegenstände zur Fassung der nöthigen Beschlüsse genugsam vorbereitet; so wird zur Stellung der Fragen, worüber abgestimmt werden soll, übergegangen, und es steht jedem Mitgliede frey, auf Abänderung dieser Stellung anzutragen; ist hierüber die Discussion beendigt; so erklärt der Landschaftsdirector die ständischen Verhandlungen darüber für geschlossen, und setzt einen Tag zur Abstimmung fest. Die Abstimmung erfolgt dann ohne weitere Erörterung. Jedes Mitglied stimmt auf

912

Textanhang

die vorgelegten Fragen des Landschafts-Directors (§. 77.) aufgerufen vom Jüngsten an nach der Reihe der Sitze, zuletzt der Secretair und Landschaftsdirector, durch Ja oder Nein. Der Secretair bemerkt das Resultat der Abstimmung der Zahl nach, und der Landschaftsdirector spricht am Ende den Beschluß der Stände aus. §. 85.) Zur Gültigkeit eines solchen Beschlußes ist die absolute Mehrheit der Stimmen bey Anwesenheit von wenigstens zwey Drittheilen der ständischen Gesammtheit nöthig, und zu Abänderung der ständischen Verfaßung wird die Gleichstimmung von drey Viertheilen derselben erfordert. Tritt statt der absoluten Stimmen-Mehrheit im erstern Fall eine Gleichheit der Stimmen ein, und bleibt dieselbe auch nach nochmaliger Abstimmung; so entscheidet der Ausspruch des Regenten bey andern Gegenständen die Meinung für die bestehende Einrichtung, und bey Beschwerden gegen Einzelne die ihnen günstigere Ansicht. Gegen einen auf die vorgedachte Weise gefaßten Beschluß findet durchaus keine weitere Einwendung statt. §. 86.) Die Beschlüsse der Stände-Versammlung werden mit der gehörigen Deutlichkeit und Bestimmtheit abgefaßt, und im Concept von sämmtlichen anwesenden Deputirten signirt, unter der Aufschrift: Erklärungsschrift der getreuen Stände des Herzogthums Coburg, vom Landschaftsdirector und Secretair unterschrieben, dem Landes-Ministerium übergeben, und von diesem werden die Resolutionen des Regenten den Ständen ebenfalls schriftlich eröffnet. §. 87.) Mündliche Erklärungen der Stände über vorgekommene Berathungspuncte finden eben so wenig, als mündliche Anträge, bey dem Regenten Statt, auch ist zu Deputationen der Stände an den Landesherrn jedesmal eine vorher dazu eingeholte Erlaubniß nöthig. §. 88.) Bey einem bloß vertagten Landtage geschieht die Zusammenberufung der Stände durch den Landschaftlichen Ausschuß auf den Grund eines Landesherrlichen Rescripts, und die Geschäfte werden dann in derselben Ordnung wie sonst auf den Landtägen behandelt. §. 89.) Die Mitglieder der Stände-Versammlung erhalten auf Begehren aus der Landescaße sowohl Vergütung der Reisekosten, als auch eine für alle ganz gleichmäßige tägliche Auslösung für die Zeit ihres Aufenthalts. Fünfter Titel. Von dem ständischen Ausschuße. §. 90.) Während der Zeit, wo keine Stände-Versammlung statt findet, werden die Landständischen Geschäfte durch einen Ausschuß besorgt, welcher aus a) dem Landschaftsdirector und dem Secretair, dann b) zwey andern Mitgliedern der ständischen Versammlung bestehet.

Textanhang

913

Dies zwey Mitglieder werden von der Ständeversammlung jedesmal während des Landtags durch absolute Stimmen-Mehrheit gewählt, und dem Landesherrn zur Genehmigung angezeigt. Die Wirksamkeit dieses Ausschußes hört bey der wieder eintretenden Versammlung der ständischen Gesammtheit auf, und die Mitglieder deßelben nehmen an den Geschäften dieser Versammlung jedoch in dem Fall, daß der Landtag, wo der Ausschuß gewählt worden, geschloßen und nicht bloß vertagt seyn sollte, nur in soferne Theil, als sie bey der jetzt neu auftretenden Stände-Versammlung entweder selbst zu Stände-Mitgliedern bey derselben gewählt und bestätigt sind, oder als die neue Stände-Versammlung über ihre bisherige Geschäftsführung Auskunft oder Rechenschaft verlangt. §. 91.) Die Verrichtungen des Ausschusses sind: 1) die Zusammenberufung der Landständischen Abgeordneten, wenn von dem Landesherrn entweder auf Antrag des Ausschusses oder aus eigener Bewegung ein vertagter Landtag wieder in Thätigkeit gesetzt wird; 2) vorläufige Berathung und Bearbeitung der bey der ständischen Gesammtheit zum Vortrag kommenden Geschäfte, so weit sie nemlich schon vor der Zusammenkunft bekannt sind, z. B. vorläufige Prüfung der Etatsberathung über vorgekommene Beschwerden, Revision der früherhin ohne Landschaftl. Concurrenz erlassenen Verordnungen, Begutachtung der von dem Gouvernement mitgetheilten Gesetzentwürfe u.s.w. Uebrigens steht dem Ausschuß während der Zeit, wo derselbe die ständischen Geschäfte allein zu besorgen hat, frey, in Ansehung der ihm erforderlichen Nachrichten und Aufschlüße sich unmitelbar an die oberste Landesbehörde zu wenden, und versteht es sich von selbst, das die Mitglieder der Stände-Versammlung in den Plenar-Sitzungen an das Gutachten des Ausschusses nicht gebunden sind; 3) fortwährende Vertretung der Stände außer dem Landtag während seiner Periode. Der Ausschuß kann jedoch weder Steuern und andere Belastungen des Staatsbürgers bewilligen, noch sich definitiv über Gesetzvorschläge, welche die Zustimmung der Stände (§. 50. & 51.) erfordern. Angelegenheiten, welche nicht bis zum nächsten Landtag ausgesetzt werden können, sind nach vorgängiger Genehmigung des Landesherrn zur Ersparung der Kosten eines Landtags von dem Ausschuß mit den über seine vorläufige Berathung geführten Protocollen auf dem Wege schriftlicher Circulation an sämmtliche Landesdeputirte zur Abstimmung zu bringen. Zu seiner vollen Competenz gehört a) die fortwährende Aufsicht über die Aufrechterhaltung der Verfassung und Vollziehung der von dem Landesherrn genehmigten Beschlüsse des Landtags und der festgesetzten Etats; b) die Befugniß, in dringenden Fällen Anzeigen an den Landesherrn zu erstatten, oder Vorstellungen und Beschwerden anzubringen; c) der Antrag auf Zusammenberufung außerordentlicher Landes-Versammlungen, unter Anführung seiner Gründe; d) die Unterzeichnung der Landschaftlichen Schuldverschreibungen; e) die Mitaufsicht über die Verwaltung der Landeskaße; f) auf die einstweilige Besetzung solcher Landständischen Stellen anzutragen, welche bis zum nächsten Landtag nicht ausgesetzt bleiben können.

914

Textanhang §. 92.)

Die Aufsicht auf die Verwaltung der Landeskaße und des dazu gehörigen Staatsschuldentilgungsfonds, so wie des Reservefonds wird von der aus einigen Mitgliedern der Landesregierung und der Stände zusammen gesetzten Obersteuer-Commission, nach den Bestimmungen der Verordnung vom 8. Juli 1825. besorgt, und behält es bey diesen Bestimmungen sein Bewenden. §. 93.) Der Landeskaßierer wird auf Lebenszeit ernannt, und vor der Landesregierung verpflichtet. Er muß eine angemeßene Caution stellen, und kann nur aus denselben Gründen entlassen werden, wie jeder andere Staatsdiener. Ihm liegt die Verwaltung des Landeskaße nach den von den Ständen genehmigten und vom Landesherrn bestätigten Etats und in Ansehung der nicht etatsmäßigen Leistungen nach den Anweisungen der Obersteuer-Commission, ob. §. 94.) Der Landschaftsdirector, der Secretair und der Caßierer beziehen fixe Besoldungen aus der Landeskaße, die Ausschußdeputirten aber erhalten bey ihren Versammlungen, welche jährlich wenigstens zweymal gehalten werden, und deren in der Regel auf drey Wochen bestimmte Dauer jedesmal von der Landesherrlichen Bestimmung nach Einsicht der vorwaltenden Geschäfte abhängt, den Ersatz der Reisekosten und dieselbe Auslösung, wie die Abgeordneten bey den Landtägen. §. 95.) Außer den regelmäßig jährlich zweymal, im Frühjahr und Herbst, nach vorgängiger Anzeige bey dem Landesherrn Statt findenden Zusammenkünften, kann sich der Ausschuß zur Besorgung der ihm obliegenden Geschäfte, nur nach vorgängiger Genehmigung und Einberufung des Landesherrn versammeln. In Ansehung der Form der Verhandlung gelten dieselben Bestimmungen, welche für die Geschäfte auf den Landtägen festgesetzt sind. Die Protocolle sind aber so zu fassen, daß die übrigen oder künftigen Landes-Deputirten den Gang der Verhandlungen und die Gründe, welche einen Beschluß oder ein Gutachten motivirt haben, daraus ersehen können. In dringenden und bey minder wichtigen Angelegenheiten können die Meinungen der Ausschußdeputirten auch außer der Versammlung durch den Director schriftlich eingeholt werden. Die Berichte und Expeditionen ergehen nicht im Namen der gesammten Landschaft, sondern unter der Aufschrift: Deputation der Stände des Herzogthums Coburg, und Resolutionen werden auch an diese Deputation gerichtet. Die Ausfertigungen sind im Concept von dem Landschafts-Director und den Deputirten zu zeichnen. Die Vollziehung der Reinschrift erfolgt aber von dem ersten und dem Secretair. §. 96.) Sollte der Landschaftsdirector sterben, oder sonst austreten, so geht seine Function, so wie auch in andern Verhinderungsfällen, auf den ältesten Deputirten über. Sollte aber nur noch ein Glied des Ausschusses übrig seyn, so ist die Zusammenberufung eines Landtags und die Wahl neuer Ausschußmitglieder möglichst zu beschleunigen.

Textanhang

915

§. 97.) Sollte der Secretair zu einer Zeit sterben, oder sonst abgehen, wo der nächste Landtag noch über zwey Monate entfernt ist, so hat der Ausschuß bis zum nächsten Landtag ein anderes Mitglied des Ausschusses zum Secretair zu wählen, und ihm mit Genehmigung des Landesherrn die Geschäfte des Secretairs interimistisch zu übertragen. Sechster Titel. Von dem Rechnungwesen bey der Landes-Kasse. §. 98.) Einige Zeit vor der Eröffnung eines ordentlichen Landtags entwirft dieras Herzogl. Ministerium nach vorheriger Abforderung der von der Obersteuer-Commißion (§. 10. der Verordnung hierüber) auszuarbeitenden und einzusendenden Etatsentwürfe, die Etats, welche in der Regel auf sechs Jahre einzurichten sind, und diese Entwürfe werden von dem Ministerium dem bestehenden Ausschuß zur vorbereitenden Verfügung mitgetheilt. Zu dieser Prüfung kann der Landschaftl. Ausschuß die Mittheilung aller Notizen von dem Landes-Ministerium verlangen, welche nicht nur eine vollständige Uebersicht des Zustandes aller Kassen geben, sondern auch die Beurtheilung der Mittel zur Aufbringung der erforderlichen Bedürfniße erleichtern. §. 99.) Die förmliche Prüfung der Etats erfolgt auf den Landtägen und die Stände-Versammlung berathet sich über deren Ausführung hinsichtlich deren Nothwendigkeit der darinnen aufgeführten Bedürfnisse und hinsichtlich der Ausführbarkeit der zu machenden Verwilligungen. Das Resultat dieser Berathung wird mit der Anzeige der gemachten Verwilligung in einer eigenen Erklärungsschrift der Stände-Versammlung an den Landesherrn gebracht, worauf von Seiten des Landesherrn entweder die Bestätigung der vom Landtag geschehenen Vorschläge erfolgt, oder eine nochmalige Prüfung und Erörterung der Sache veranlaßt wird. §. 100.) Sind der Landesherr und der Landtag über die sämmtlichen für die nächste Finanzperiode und in derselben erforderlichen öffentlichen Abgaben, über deren Betrag, Art und Erhebungsweise einverstanden, so werden diese Abgaben als von den Landständen verwilligte und von dem Landesherrn genehmigte mittelst Landesherrlichen Patents ausgeschrieben, und sind von einem Landtag zum andern als bestehend anzunehmen. §. 101.) Auf die bey dem Landtage festgesetzten und von dem Landesherrn genehmigten Etats ist von den sämmtlichen treffenden Kaßenbehörden im Lande so wie von dem Landschaftlichen Ausschuß, der Landesregierung und dem Ministerium bey eigner Vertretung auf das strengste und unverbrüchlichste zu halten. §. 102.) Die vorstehenden Bestimmungen, welche zunächst die Deckung der gewöhnlichen Staatsbedürfnisse zum Gegenstand haben, gelten auch für den Fall, wo entweder nach eigenem Er-

916

Textanhang

meßen des Landesherrn, oder auf den Bericht eines Landes-Collegiums, andere als die schon mit Zustimmung der Stände-Versammlung bestimmten Finanz-Maasregeln, welche auf das Interesse des Landes Einfluß haben können, ergriffen, oder andere außerordentliche Leistungen und Anstrengungen der Staatsbürger erforderlich werden sollten. Der Antrag dazu geht von dem Landesherrn unmittelbar an den Landtag, und erst wenn dieser seine Einwilligung ertheilt hat, erfolgt die endliche Bestätigung und die Bekanntmachung derselben in dem gesetzlichen Wege. §. 103.) Sollten sich in der Zeit von einer der gewöhnlichen Landständischen Versammlungen zu der andern solche außerordentliche, nicht vorher zu sehen gewesene Ereignisse zutragen, welche von der Landeskaße eine beträchtliche Zahlung, auf die in dem Etat nicht gerechnet werden konnte, unabwendbar erfordern, oder Anstrengungen und Leistungen nöthig machen, so wird in minder wichtigen und eiligen Fällen die Zusammenkunft des Ausschusses, in wichtigern Fällen, welche für solche von der absoluten Mehrheit der Deputirten bey der Circulation des von dem Ausschuß gemachten Antrags erklärt werden, eine außerordentliche Versammlung der Landständischen Abgeordneten vom Landesherrn verfügt werden. §. 104.) Die Legung der Landeskassenrechnungen erfolgt jedesmal innerhalb der ersten zwey Monate nach dem Schluße des Rechnungsjahres. Die Landesregierung nimmt hierauf gemeinschaftlich mit dem Landschaftlichen Ausschuß die Prüfung derselben vor, welche die Kassen-Kuratel zweckmäßig vorzubereiten und zu erleichtern hat, und dann folgt nach vorgängiger Justificatur die Decharge des Rechnungsführers, auf den gemeinschaftlichen Bericht der Landesregierung und des Landschaftlichen Ausschusses, von dem Landesherrn. §. 105.) Diejenigen Diener, welchen die Domainen-Verwaltung obliegt, sind dafür verantwortlich, daß die Stände in Stand gesetzt werden, ihren Verpflichtungen, hinsichtlich der Erhaltung des Domanial-Vermögens, immer Gnüge zu leisten. Siebenter Titel. Von der Gewähr der Verfassung. §. 106.) An diesem Grundgesetz und der dadurch gestifteten Verfassung des Herzogthums Coburg soll, ohne Uebereinstimmung des Regenten und der Stände nach vorgängiger Berathung auf einem Landtage, weder etwas aufgehoben noch hinzugefügt werden. Jeder Staatsdiener wird auf dessen genaue Beobachtung verpflichtet, und jeder Landesregent wird bey dem Antritt der Regierung die Aufrechthaltung dieser Verfassung durch eine schriftliche Urkunde bey Fürstlichen Worten und Ehren versichern; und diese schriftliche Versicherung noch vor der Huldigung von dem Fürsten in Empfang zu nehmen, ist ein außerordentlicher Landtag zusammen zu berufen. Im Falle einer Vormundschaft schwört der Verweser gleich bey dem Antritt der Regentschaft in der deshalb zu veranstaltenden Stände-Versammlung den Eid:

Textanhang

917

Ich schwöre, den Staat in Gemäßheit der Verfassung und der bestehenden Gesetze zu verwalten, die Rechte des Herzoglichen Hauses und die Integrität des Landes zu erhalten, und dem Herzog die Gewalt, deren Ausübung mir anvertraut ist, getreu zu übergeben. Alle Staatsbürger sind bey der Ansässigmachung und bey der Huldigung verbunden, den Eid abzulegen: Ich schwöre Treue dem Herzog, Gehorsam dem Gesetze und Beobachtung der Staatsverfassung. §. 121.) Für diese Verfassung soll die Garantie des Bundestags nachgesucht werden. Indem Wir die vorstehenden Bestimmungen als Staatsgrundgesetz für Unser Herzogthums Coburg erklären, ertheilen wir zugleich die Versicherung die darin enthaltenen Bestimmungen nicht nur selbst treulich zu beachten, sondern auch darauf zu sehen, daß solche von Unsern Landesbehörden, und allen welche sie berühren, treulichst beobachtet und erfüllt werden, auch überhaupt diese Verfaßung gegen alle Eingriffe und Verletzungen kräftigst zu schützen. Coburg, zur Ehrenburg den 21. April 1827.

40. Gesetz zur Einführung der Öffentlichkeit der Landtagssitzungen vom 1. November 1845 (StACo LReg. 291 fol. 2 – 3’) Wir Ernst, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen Coburg und Gotha, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein und Tonna verordnen mit Beirath und Zustimmung Unserer getreuen Stände, was folgt: Gesetz, die Oeffentlichkeit der Landtagssitzungen betreffend. §. 1.) Die allgemeinen Landtagssitzungen sind von nun an in der Regel öffentlich. §. 2.) Die Oeffentlichkeit der Sitzungen besteht darinn, daß einer dem Raume angemessenen Anzahl von erwachsenen männlichen Zuhörern der Zutritt zu den für sie bestimmten Plätzen in dem Sitzungssaale gestattet wird. §. 3.) Diesen Zuhörern ist jede Aeußerung von Beifall oder Mißbilligung untersagt. Die Zuwiderhandelnden werden sogleich fortgewiesen. Sollte ein Zuhörer die Ordnung in Sitzungssaal auf was immer für eine auffallende Art stören, so ist derselbe auf Anordnung des Land-

918

Textanhang

schaftsdirectors in Arrest zu führen und der Polizeibehörde, oder nach Befinden dem betreffenden Gerichte zur Bestrafung zu übergeben. §. 4.) Alle Zuhörer müssen, so oft die Sitzung in einen geheime verwandelt wird, auf Anordnung des Landschaftsdirectors sich unverzüglich entfernen. §. 5.) Die Landtagssitzungen werden geheim a) auf das Begehren der Mitglieder des Staatsministeriums oder der Landesherrlichen Commissarien, für Eröffnungen, welche sie im Namen des Herzogs zu machen haben und für welche sie die Geheimhaltung nöthig achten, b) auf den Antrag von wenigstens drei Ständemitgliedern, wenn diesen, nach vorläufigem Abtritt der Zuhörer die Mehrheit der Versammlung sich anschließt. §. 6.) Bei den geheimen Sitzungen werden besondere Protocolle geführt, welche ebenfalls nur in geheimer Sitzung vorgelesen werden dürfen. §. 7.) Die Mitglieder des Staatsministeriums und die landesherrlichen Commissarien haben bei der Ständeversammlung selbst während solcher Berathungen und Abstimmungen freien Zutritt, welche in geheimer Sitzung vorgenommen werden. §. 8.) Den Mitgliedern des Staatsministeriums und den landesherrlichen Commissarien steht das Recht zu, jederzeit, jedoch ohne Unterbrechung einen begonnenen Vortrags, das Wort zu nehmen, wenn ihnen die Vorträge der Berichtserstatter oder die Discussionen Veranlassung zu Erörterungen oder Bemerkungen geben und sie können von dieser Befugniß selbst dann noch Gebrauch machen, wenn der Landschafts-Director Seitens der Ständeversammlung die Discussion für geschlossen erklärt haben sollte. Indeß sind nur diejenigen Vorträge und Bemerkungen der Mitglieder des Staatsministeriums und der landesherrlichen Commissarien für amtliche Aeußerungen zu halten, welche sie, ihrer Erklärung nach, im Namen des Herzogs zu machen haben. §. 9.) Am Schluße jeder Sitzung zeigt der Landschaftsdirector die Tagesordnung der nächstfolgenden an: sie wird im Versammlungssaale angeschlagen, auch noch an dem nämlichen Tage, an welchem sie festgestellt worden, dem Chef des Herzoglichen Staatsministeriums schriftlich mitgetheilt. §. 10.) So oft Mitglieder des Staatsministeriums oder landesherrliche Commissarien in der Ständeversammlung erscheinen, um im Namen des Herzogs derselben Eröffnungen zu machen,

Textanhang

919

bleiben die in der Tagesordnung stehenden Berathungen ausgesetzt und es werden die letzteren erst nach geschlossenem Vortrage des landesherrlichen Commissärs, falls dieser Vortrag nicht eine andere Einleitung nothwendig machen sollte wieder aufgenommen. §. 11.) Ueber die in vertraulichen Sitzungen (§. 90. der Verfassungsurkunde) besprochenen Gegenstände kann von der Ständeversammlung nur erst dann ein gültiger Beschluß gefaßt werden, wenn dieselben in einer öffentlichen, oder nach Befinden geheimen Sitzung auf vorschriftsmäßige Weise in Vortrag und zur Abstimmung gebracht worden sind. §. 12.) Diese Bestimmungen, welche vom Tage der Publication des vorliegenden Gesetzes an in Kraft treten, sind als eine Ergänzung, beziehungsweise Abänderung der im Tit. VII der Verfassungsurkunde vom 8. August 1821. enthaltenen Geschäftsordnung zu betrachten. Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und dem vorgedruckten Herzoglichen Siegel. Coburg zur Ehrenburg, den 1.sten November. 1845. Ernst HzSCG. Lepel.

41. Gesetz über die Einführung eines neuen Wahlrechts vom 8. Dezember 1846 (StACo Min J 245 fol. 120 – 133) Gesetz, die Wahl der Landtagsabgeordneten für das Herzogthum Coburg betreffend. Wir Ernst etc. tot. titul. verordnen mit Beirath und Zustimmung Unserer getreuen Stände, was folgt: I. Bedingungen des Wahlrechts und der Wählbarkeit. §. 1. Die allgemeinen Erfordernisse für die Theilnahme an der Ständewahl sind: a) das Staatsbürgerrecht, welchem in dieser Beziehung der volle Landsassiat der Rittergutsbesitzer gleich zu achten ist. b) das erfüllte 25ste Lebensjahr. Diejenigen Zustände, durch welche nach dem Gesetze die Ausübung des Staatsbürgerrechts gehindert wird, schließen insbesondere auch von der Theilnahme an den Wahlhandlungen aus.

920

Textanhang §. 2.

Zur Theilnahme an den Wahlen in dem Stande der Rittergutsbesitzer sind bis auf weitere gesetzliche Bestimmung die Besitzer der in der Beilage I. verzeichneten Güter berechtigt, und zwar ohne Rücksicht auf Stand, Dienstverhältnisse und Wohnort. Es steht jedoch dem Herzog frei, künftig auch anderen, dazu geeigneten, mindestens sechs Gulden rheinl. Steuersimplum zahlenden, Gütern die Landtagsfähigkeit zu verleihen. Mehrere Besitzer eines landtagsfähigen Ritterguts haben einen von ihnen zur Stimmführung zu bevollmächtigen. Eheweiber, welche ein Rittergut besitzen, können diese Theilnahme von ihrem Ehemanne ausüben lassen, und dem letzteren verbleibt diese Theilnahme auch nach dem Tode der Besitzerin so lange, als demselben vermöge der väterlichen Gewalt der Nießbrauch des von der Ehefrau den Kindern hinterlassenen Gutes zukommt. §. 3. In der Wahlclasse der Einwohnerschaft zu Coburg ist zur Wahlberechtigung, außer den allgemeinen Erfordernissen (§. 1.), das Heimathsrecht in der Stadt Coburg, verbunden mit wesentlicher Wohnung daselbst, nöthig. Es sind jedoch von der Theilnahme an der Ständewahl diejenigen ausgeschlossen, welche weder directe Steuern an die Staatscasse zahlen, noch an städtischen Gemeindelasten Antheil nehmen. §. 4. In den Dörfern und Landstädten wird zur Theilnahme an den Wahlen, außer den allgemeinen Erfordernissen (§. 1.) das Heimathsrecht, verbunden mit wesentlicher Wohnung daselbst, erfordert. Es sind jedoch von dieser Theilnahme diejenigen ausgeschlossen, welche weder directe Steuern an die Staats-Casse zahlen, noch, in den Landstädten an städtischen Gemeindelasten, in den Dörfern an Gemeindeumlagen Theil zu nehmen haben. §. 5. Bei der Ausübung des Wahlrechts gilt – vorbehaltlich der in §. 6. zu bestimmenden Ausnahme – die Regel, daß die Wähler und Wahlmänner (s. §. 15.) die Abzuordnenden lediglich aus ihrer Wahlclasse, beziehungsweise aus ihrem Wahlbezirk, wählen, und daß ein Wähler oder Wahlmann bei einer und derselben Wahlhandlung nur einmal seine Stimme geben, und hierin – abgesehen von dem Fall der Bevollmächtigung eines Rittergutsbesitzers (§. 25.) – niemals in doppelter oder mehrfacher Eigenschaft handeln, auch seine Stimme sich nicht selbst geben kann. Staatsbürger, welche mehr als einer Wahlklasse beizuzählen sind, können das Recht, zu wählen, in diesen mehreren Classen ausüben. §. 6. Von den Bestimmungen in §. 5. sind die Abgeordnetenwahlen der Amtsbezirke insofern ausgenommen, als den Letzeren das Recht zusteht, vorbehaltlich §. 7. und 9. ihre Abgeordneten und Stellvertreter aus allen Denjenigen auszuwählen, welche in einer Landstadt oder in einer ländlichen Ortsgemeinde des einen oder des andern Amtsbezirks heimathsberechtigt sind.

Textanhang

921

§. 7. Die allgemeinen Erfordernisse einen Wahlmanns und eines Mitglieds der Ständeversammlung sind: 1.)

der volle Genuß des Staatsbürgerrechts, welchem auch hier der volle Landsassiat der Rittergutsbesitzer gleichzustellen ist, und

2.)

dreißigjähriges Alter. §. 8.

In dem Stande der Rittergutsbesitzer (s. ober §. 2.) können auch die Väter, welche den Nießbrauch an den Gütern ihrer Kinder haben, und die Ehemänner von Weibern, denen Rittergüter eigenthümlich zugehören, zu Abgeordneten gewählt werden. Gleiches gilt auch von Demjenigen, der sich nicht im alleinigen Besitz, sondern nun im Mitbesitz eines Ritterguts mit Einem oder Mehreren befindet, selbst in dem Falle, wenn unter diesen mehreren Besitzern nicht der gewählte, sondern ein anderer, nach der Bestimmung im §. 2. zur Stimmführung bevollmächtigt gewesen ist. §. 9. Die Abgeordneten aus der Stadt Coburg und den Amtsbezirken sollen entweder den Besitz eines im Lande gelegenen, schuldfreien Vermögens von 5000 fl. rhl. oder ein reines Einkommen von jährlich 400 fl. rhl. nachweisen, oder eidlich versichern können. Jedoch soll bei der Berechnung des Grundvermögens das der Ehefrau des Abgeordneten zugehörige Vermögen, oder dem Vater zur Nutznießung zuständige Besitzthum der Kinder mit in Aufrechnung kommen. §. 10. Vater und Sohn, ingleichen Brüder können nicht zugleich als Abgeordnete in die Ständeversammlung eintreten. Wenn unter ihnen keine Einigung über einen freiwilligen Rücktritt erfolgt, so geht der Vater dem Sohne, der ältere Bruder dem jüngeren vor. §. 11. Würde ein mehreren Wahlclassen angehöriger Staatsbürger mehr als einmal gültig als Abgeordneter oder Stellvertreter erwählt, so hat er sich binnen 24 Stunden nach empfangener amtlicher Benachrichtigung zu erklären, für welche der gleichzeitigen Wahlen er sich entscheidet. II. Verfahren bei den Wahlen. A. Allgemeine Vorschriften §. 12. Die Wahl der Ständemitglieder und eines Stellvertreters für jedes derselben geschieht in den durch die Verfassungsurkunde (§§. 36. 80. derselben) bestimmten Fällen jedesmal auf vorgängige ausdrückliche Anordnung des Herzogs.

922

Textanhang §. 13.

Das ganze Wahlgeschäft erfolgt unter der Leitung und Aufsicht des Landesregierung. Diese ertheilt, auf dazu erhaltenen Landesherrlichen Befehl, die zur speciellen Leitung erforderlichen Aufträge, prüft die Gesetzmäßigkeit des bei den Wahlhandlungen beobachteten Verfahrens auf den Grund der ihr vorzulegenden Wahlacten, und trägt dem Landesherrn die Ergebnisse der Wahlen vor, wenn sie nichts zu erinnern gefunden hat, oder ihre Erinnerungen beseitigt sind. §. 14. Zur speciellen Leitung der Wahl der Abgeordneten sowohl für die Rittergutsbesitzer, als für den Magistrat und die Einwohnerschaft zu Coburg wird ein besonderer Regierungscommissair ernannt. Die Wahlen der übrigen Abgeordneten werden von den ersten Justizbeamten in ihren Amtsbezirken geleitet. §. 15. Die Wahl der Abgeordneten der Rittergutsbesitzer und des Abgeordneten des Magistrats zu Coburg geschieht vermöge einer einzigen Wahlhandlung, die Wahl des Abgeordneten der Stadt Coburg und der Abgeordneten der Amtsbezirke geschieht vermöge zweier Wahlhandlungen, durch Vermittelung von Wahlmännern. Die Wahl dieser Wahlmänner erfolgt in den Städten unter Leitung der Stadtobrigkeit, in den Dorfschaften unter Leitung eines Deputirten des betreffenden Justizamtes. §. 16. Die zu den Hauptwahlen (Wahlen von Landtagsabgeordneten) anberaumten Wahltermine werden von den, das Wahlgeschäft leitenden Behörden im Regierungsblatt und durch öffentliche Anschläge an den Amtstafeln bekannt gemacht. In der Regel soll die Frist zwischen dieser öffentlichen Bekanntmachung und dem Wahltage 4 Wochen umfassen. Insofern jedoch besonders dringende Umstände den Landesherrn zu einer frühern Anberaumung des Wahltermins bestimmen, kann jene Frist bis auf mindestens 14 Tage von Zeit der wirklichen Bekanntmachung an, herabgesetzt werden. Die Frist zur Wahl der Wahlmänner (Vorwahlen) muß mindestens 14 Tage von Zeit der wirklich geschehenen Bekanntmachung an, welche ebenfalls im Regierungsblatt und durch öffentlichen Anschlag an der Amtstafel zu bewirken ist, umfassen. Diejenigen Deputirtenwahlen, welche durch Wahlmänner erfolgen, dürfen nicht eher, als nach Beendigung der Wahl dieser letzeren ausgeschrieben werden. Die Frist für die Ergänzungswahlen (s. §§ 23. 27.) muß wenigstens 3 Tage von Zeit der in gesetzlicher Weise geschehenen Bekanntmachung an umfassen. §. 17. Die ohne solche Bekanntmachung eigenmächtigerweise vorgenommenen Wahlen sind ungültig und strafbar. §. 18. Können Wahlen an dem hierzu anberaumten Tage nicht beendigt werden, so sind dieselben an dem nächstfolgenden fortzusetzen.

Textanhang

923

§. 19. In der Regel werden die Wahlversammlungen der Rittergutsbesitzer in dem Regierungsgebäude zu Coburg, diejenigen zur Wahl des Abgeordneten aus der Stadt Coburg, sowie des Abgeordneten des Magistrats daselbst auf dem dasigen Rathhause, und diejenigen für die von den übrigen Städten und den Dorfgemeinden zu wählenden Abgeordneten in den Localen der treffenden Justizämter gehalten. Die den Wahlact leitenden Behörden können jedoch nach Befinden auch ein anderes schickliches Local dazu wählen und haben den bestimmten Ort bei der Bekanntmachung des Wahltags jedesmal anzugeben. §. 20. Vor jeder Wahl der Wahlmänner haben die leitenden Behörden sich vollständige Verzeichnisse der Stimmberechtigten ihres Bezirks zu verschaffen, und diejenigen, welche bei dem Wahlact ohne die dazu erforderlichen Eigenschaften erscheinen, von der Theilnahme daran auszuschließen. Etwaige Beschwerden über eine solche Ausschließung, und diesfallsige Anträge auf Ehrenerklärung und Genugthuung können bei dem Justizcollegium zur rechtlichen Verhandlung und Entscheidung angebracht werden; es kann jedoch eine solche Beschwerde weder die Wahlhandlung aufhalten, noch, wenn sie erst nach vollführter Wahl für begründet erkannt würde, die Gültigkeit dieser Wahl beeinträchtigen. §. 21. Zur Theilnahme an den Ständewahlen sollen alle Wahlberechtigten, beziehungsweise alle Wahlmänner sich einfinden. Die Vorwahlen (Wahlen der Wahlmänner) gehen jedoch gültig vor sich, wenn auch nur ein Drittheil der stimmberechtigten Mitglieder des Wahlbezirks erschienen ist und abstimmt. Hat nicht einmal der dritte Theil der Wahlberechtigten an der Abstimmung theilgenommen, so wird eine anderweite Versammlung auf einen nahen Tag in der oben §. 16. festgesetzten Weise anberaumt, wo dann die Wahl der Wahlmänner in jedem Falle vorzunehmen ist. Zur Gültigkeit bei allen Wahlen von Landtagsabgeordneten ist aber die Abstimmung von wenigstens zwei Drittheilen der auf legale Weise einberufenen Wähler erforderlich. §. 22. Wird eine zur Ernennung von Wahlmännern oder Landtagsabgeordneten anberaumte Wahl dadurch vereitelt, daß eine zu geringen Anzahl Wähler erscheint, so fallen die Unkosten der neu anzuordnenden Wahl den ohne gegründete Entschuldigung ausgebliebenen Wählern zur Last. §. 23. Wenn nach Vollführung der allgemeinen Ständewahl und vor Erlöschen (§§. 36. 80. der Verfassungsurkunde) der dadurch ertheilten Vollmachten zu Ergänzung der Ständeversammlung einzelne Wahlen von Abgeordneten, beziehungsweise Stellvertretern, nöthig werden, so sind dergleichen Ergänzungswahlen durch dieselben Wahlmänner zu vollführen, welche bei der allgemeinen Ständewahl mitgewirkt haben.

924

Textanhang §. 24.

Bei allen Wahlhandlungen leistet jeder Stimmberechtigte vor der Wahl an Eidesstatt das Handgelöbniß, daß er nach eigener bester Ueberzeugung und frei von allen Nebenrücksichten seine Stimme so abgeben wolle, wie er es dem Wohle des Landes am zuträglichsten halte. §. 25. Das Stimmrecht bei den Wahlen des Magistrats, der Residenz-Stadt Coburg und der Amtsbezirke kann, sowohl bei den Vorwahlen, als bei den Hauptwahlen, nur in persönlicher Anwesenheit der Abstimmenden ausgeübt werden. Den Rittergutsbesitzern ist die Ertheilung von Vollmachten an andere stimmfähige Rittergutsbesitzer oder Mitbesitzer nachgelassen, jedoch darf kein Wahlberechtigter in der Classe der Rittergutsbesitzer mehr als zwei Vollmachten übernehmen. §. 26. Sowohl bei den Vorwahlen, als auch bei den Wahlen der Deputirten geschieht die Wahl mittelst geheimer Stimmgebung. Jeder Wähler erhält hierzu durch Ziehung einen gedruckten Wahlzettel. Diese Wahlzettel müssen auf ihrer inneren Seite von der Wahlcommission mit einer Nummer, in fortlaufender Reihe nach der Zahl der Stimmgeber, versehen seyn. Nachdem jeder Wähler de Namen, Stand und Wohnort des von ihm Vorzuschlagenden auf den Wahlzettel geschrieben, diesen zusammengelegt und in die vor dem Wahlcommissair stehende Wahlurne eingeworfen hat, werden die Wahlzettel in der letztern umgerüttelt, dann auf den Tisch ausgeschüttet, gezählt, und wenn ihre Zahl mit der Zahl der Wählenden übereinstimmt, geöffnet und der laut verlesene Inhalt eines Jeden alsbald in der Weise zu Protocoll genommen, daß bei jedem der Vorgeschlagenen die Zahl der auf ihn gefallenen Stimmen durch Beischreibung der Nummern der auf ihn lautenden Wahlzettel angegeben wird. Wahlzettel, welche unleserlich geschrieben sind oder die Person des Vorgeschlagenen nicht hinlänglich bezeichnen, werden nicht gezählt, insofern der Aussteller nicht bei der Ablesung des Wahlzettels dessen Inhalt erläutern oder berichtigen sollte. Der Wahlversammlung steht das Recht zu, durch drei von ihr zu ernennende Wahlberechtigte die Stimmzettel, sofort nach Ablesung ihres Inhalts durch den Wahlcommissarius, einsehen zu lassen. §. 27. Zu jedem Abgeordneten wird unter Beobachtung der nämlichen Vorschriften (§. 26.) ein Ersatzmann gewählt, welcher bei Verhinderungen des ersteren dessen Stelle vertritt, und für den Fall, wo der Deputirte die Stelle ablehnt, stirbt, oder austritt, als nunmehriger Landtagsabgeordneter zur Ständeversammlung einzuberufen ist. Sollte auch der Stellvertreter sterben, oder sonst abgehen, so ist zu einer Ergänzungswahl (s. §§. 16. 23.) zu schreiten. Für die Classe der Rittergutsbesitzer, welche nach obiger Bestimmung vier Stellvertreter wählen, ist eine dergleichen Ergänzungswahl erst dann anzuberaumen, wenn die noch übrigen Stellvertreter zur Besetzung der erledigten Deputirtenstellen nicht mehr ausreichen.

Textanhang

925

§. 28. Nach vollendeter Abstimmung, – sowohl bei der Wahl der Wahlmänner, als auch bei der Wahl der Deputirten und deren Stellvertreter –, wird das Ergebniß derselben durch den das Wahlgeschäft leitenden Beamten der Wahlversammlung bekannt gemacht. §. 29. Ueber die Verhandlung wird durch einen, von dem Wahlcommissarius zuzuziehenden verpflichteten Secretair oder Actuar ein genaues Protocoll aufgenommen, welches die Abstimmenden namentlich aufführt und den Inhalt der einzelnen Stimmzettel (§. 26.), sowie das hiernach sich ergebende Resultat der Wahl angiebt und welches von dem Wahlcommissarius mit zu unterzeichnen ist. §. 30. Die ganze Wahlhandlung, einschließlich der Vorlesung des Protocolls geschieht in Gegenwart der Wahlversammlung. Nach Genehmigung des Protocolls und noch im Beisein der Wahlversammlung werden die Stimmzettel mit Ausschluß der etwa beanstandeten, welche zu den Acten zu nehmen sind, vernichtet. §. 31. Die mit der Leitung der Wahlhandlung beauftragten Beamten haben die Erhaltung der Ruhe und Ordnung dabei wahrzunehmen, im Uebrigen nur auf Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften und Formen zu sehen, und sich zu dem Ende darauf zu beschränken, die Wählenden mit den gesetzlichen Bedingungen der Wählbarkeit bekannt zu machen. In die Wahl selbst darf keine Behörde, besonders nicht diejenige, welche mit der Leitung der Wahlacts beauftragt ist, durch Empfehlung oder Vorschlag einer bestimmten Person oder sonst, sich einmischen. Die Uebertretung dieses Verbots ist als Verletzung der Verfassung streng zu bestrafen. Uebrigens erhalten die Wahlcommissarien und die ihnen beigegebenen verpflichteten Protocollführer für ihre Bemühung keine Gebühren, sondern nur ihre gehabten Auslagen aus der Landescasse ersetzt. §. 32. Der zum Abgeordneten oder Stellvertreter Gewählte kann die Stelle auch ohne Angabe der Gründe ablehnen. Die Erklärung über die etwaige Ablehnung der Wahl muß von Seiten Derjenigen, welche in der Classe der Rittergutsbesitzer zu Abgeordneten oder Stellvertretern gewählt werden, sofort im Wahltermine persönlich oder beziehungsweise durch ihre Bevollmächtigten, oder von Abwesenden, sobald sie amtlich von der auf sie gefallenen Wahl in Kenntniß gesetzt worden sind, erfolgen, und es haben daher die Rittergutsbesitzer, welche von der ihnen (§. 25.) eingeräumten Befugniß der Bevollmächtigung Gebrauch machen, ihre Bevollmächtigten zu einer Erklärung darüber zu instruiren, ob sie, – die Vollmachtgeber –, die etwa auf sie fallende Wahl zu Deputirten oder Stellvertretern annehmen würden, oder nicht. Den Gewählten aus den übrigen Wahlclassen steht eine 24stündige Bedenkzeit, von dem Zeitpuncte der empfangenen amtlichen Benachrichtigung von ihrer Wahl, zu.

926

Textanhang

Im Falle der Annahme der letztern haben dieselben binnen dieser Frist zugleich den Nachweis oder die eidliche Versicherung des Besitzes des nach §. 9. erforderlichen Vermögens mündlich oder schriftlich zu bewirken. §. 33. Personen, welche sich im hiesigen unmittelbaren Civilstaatsdienst, oder im hiesigen activen Militärdienst befinden, bedürfen zur Annahme einer Deputirtenwahl der landesherrlichen Erlaubniß, welche jedoch ohne erhebliche, in dem Wesen des Amtes beruhende, den Ständen mitzutheilende, Ursachen nicht versagt werden wird. B. Besondere Vorschriften für die einzelnen Wahlklassen. a) Wahl der Deputirten im Stand der Rittergutsbesitzer. §. 34. Die Wahl der vier Abgeordneten in der Classe der Rittergutsbesitzer geschieht durch absolute Mehrheit der Stimmen von wenigstens zwei Drittheilen sämmtlicher Stimmberechtigter (§. 2. 21.) und wird in getrennten Wahlacten, das ist: immer nur für einen Deputirten vorgenommen. Hat sich bei der ersten Abstimmung eine absolute Stimmenmehrheit nicht ergeben, so wird unter denjenigen 5, dann 4, 3 und 2 Candidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben, so lange fort scrutinirt, bis die erforderliche Stimmenzahl erlangt ist. Nach Vollendung der Wahl der Deputirten sind in gleicher Weise die vier Stellvertreter einzeln zu wählen. Die Reihenfolge ihrer Wahl bestimmt zugleich die Ordnung, in welcher sie zur Einberufung in die Ständeversammlung gelangen. b) Wahl des Abgeordneten des Magistrats zu Coburg. §. 35. Zur Wahl des Abgeordneten des Magistrats zu Coburg wird unter Beobachtung der im §. 21. enthaltenen allgemeinen Vorschrift, in allen Fällen, – mithin ohne Rücksicht auf die Zahl der wirklich Abstimmenden, – absolute Stimmenmehrheit sämmtlicher stimmberechtigten Mitglieder des Magistrats erfordert. Hat sich bei der ersten Abstimmung eine solche absolute Stimmenmehrheit nicht ergeben, so muß zu einer zweiten, und, wo nöthig, fernern Wahl, wobei immer nur unter den bei dem unmittelbar vorhergegangenen Scrutinium Vorgeschlagenen gewählt werden darf, geschritten, und hierin so lange fortgefahren werden, bis die erforderliche Stimmenzahl erlangt wird. Das nämliche Verfahren ist bei der alsdann vorzunehmenden Wahl des Stellvertreters zu beobachten. c) Wahl des Abgeordneten aus der Einwohnerschaft zu Coburg. §. 36. In der Stadt Coburg wählt jeder der neun Stadtdistricte aus seiner Mitte vier Wahlmänner mittelst, eines einzigen Wahlactes, dergestalt, daß jeder Abstimmende sofort vier Candidaten in dem Stimmzettel aufzeichnet. Zur Wahl derselben ist relative Stimmenmehrheit hinreichend. Die Wahl des Deputirten und dessen Stellvertreters durch die Wahlmänner dagegen geschieht durch absolute Mehrheit der Stimmen, bei Anwesenheit und Abstimmung von we-

Textanhang

927

nigstens zwei Drittheilen sämmtlicher Wahlmänner, dergestalt, daß der Gewählte, wenn nur 24 oder 25 Wahlmänner erschienen sind, mindestens dreizehn Stimmen, bei Anwesenheit von 26 oder 27 Wahlmännern wenigstens vierzehn Stimmen, u.s.w. erhalten haben muß, – und wird in getrennten Wahlacten vorgenommen. Hat sich bei der ersten Abstimmung eine absolute Stimmenmehrheit nicht ergeben, so wird unter denjenigen 9, dann 8, 7, 6, 5, und weniger Candidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben, so lange fort scrutinirt, bis die erforderliche Stimmenzahl erlangt wird. d) Wahl je eines Abgeordneten aus jedem der fünf Amtsbezirke. §. 37. Die Wahl der Abgeordneten aus den Amtsbezirken erfolgt durch Vermittelung von Wahlmännern, deren Anzahl für jede Landstadt und Dorfsgemeinde auf der Beilage II. bestimmt ist. Zur Wahl der Wahlmänner, genügt relative Stimmenmehrheit. Zur Wahl des Abgeordneten, desgleichen zu der hiervon getrennt vorzunehmenden Wahl des Stellvertreters für solchen, ist absolute Mehrheit der Stimmen bei Anwesenheit und Abstimmung von wenigstens zwei Drittheilen sämmtlicher Wahlmänner erforderlich und es ist, um dieselbe zu erlangen, auf die oben im §. 36. bezeichnete Art zu verfahren. III. Prüfung der Ständewahlen. §. 38. Jeder nach Vorschrift des §. 85. der Verfassungsurkunde einberufene Landtagsabgeordnete ist durch diese Einberufung selbst als vorläufig legitimirt zu erachten. §. 39. Die definitive Entscheidung über die Gültigkeit der Ständewahlen und über die hiervon abhängige fernere Zulassung oder Abweisung ihrer Mitglieder gehört zur Competenz der Ständeversammlung, sobald dieselbe eröffnet worden ist. §. 40. Zu diesem Behufe werden vom Staatsministerium unmittelbar nach Eröffnung des Landtags der Ständeversammlung sämmtliche Wahlacten gegen Zurückgabe vorgelegt. In gleicher Weise erfolgt auch bei den Ergänzungswahlen die Mittheilung der betreffenden Wahlacten an die Ständeversammlung sofort nach geschehener Einführung der neugewählten Mitglieder. §. 41. Es hängt von dem Herzog ab, zu den zur Vorprüfung der Wahlen ernannt werdenden ständischen Commissionen landesherrliche Commissarien abzuordnen. §. 42. Nur diejenigen Mängel haben die Nichtigkeit der Wahl eines Landtagsabgeordneten zur Folge, welche entweder die gesetzlichen Eigenschaften des Gewählten betreffen, oder, sofern

928

Textanhang

sie sich auf die persönlichen Eigenschaften der Wähler oder auf das Wahlverfahren beziehen, von solcher Beschaffenheit sind, daß sie nach dem Ermessen der Ständeversammlung, unter den besondern Umständen des jedesmal vorliegenden Falles, einen wirklichen Einfluß auf das Ergebniß der Wahl haben konnten. §. 43. Wahlen, welche durch Bestechung, oder Drohungen zu Stande gekommen sind, sind nicht blos als ungültig zu cassiren, sondern haben auch eine gerichtliche Untersuchung zur Folge. Gegen diejenigen, welche sich einer dergleichen Handlung schuldig gemacht haben, ist, abgesehen von der sie außerdem treffenden gesetzlichen Strafe, auf den Verlust des activen und passiven Wahlrechts zu erkennen. §. 44. Die §§. 38. bis einschließlich 62. der Verfassungsurkunde werden hiermit aufgehoben. §. 45. Gegenwärtiges Gesetz tritt mit der Publication in Kraft. Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und dem vorgedruckten Herzoglichen Siegel. Gegeben, Coburg zur Ehrenburg den 8. December 1846. Serenissimus.

42. Gesetz über die Verfassungstreue der Staatsbeamten vom 23. Dezember 1846 (StACo Min J 245 fol. 152 – 155‘) Gesetz über die Verantwortlichkeit der Staatsbeamten wegen Verfassungs-Verletzung Wir Ernst etc- tot. tit. haben beschlossen und verordnen mit Beirath und Zustimmung Unserer getreuen Stände, was folgt: Art. 1. Civilstaatsbeamte, welche gegen die Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes oder eines für einen integrirenden Theil der Verfassung erklärten Gesetzes handeln, machen sich des Vergehens der Verfassungsverletzung schuldig. Art. 2. Die Grade der Ahndung eines solchen Vergehens bestimmen sich nach der Größe der bösen Absicht oder Schuld, nach der Größe und dem Umfang des zugefügten Schadens und den gesetzlichen Regeln der Zurechnung.

Textanhang

929

Die Ahndungen selbst bestehen in Verweis, Suspension, Entfernung vom Amt mit oder ohne Pension, mit oder ohne Vorbehalt der Wiederanstellung im Staatsdienst, endlich in Dienstentsetzung. Art. 3. Die Ständeversammlung ist berechtigt, Staatsbeamte wegen Verletzung der Verfassung anzuklagen. Das gleiche Recht steht dem ständischen Ausschuß zu. Der Landschaftsdirector ist befugt, den ständischen Ausschuß zum Zweck der Einleitung, beziehungsweise Erhebung einer Beschwerde oder Anklage zusammen zu berufen. Art. 4. Der Angeklagte kann sich von der Anklage durch den Nachweis befreien, daß er in Gemäßheit eines in gehöriger Form an ihn ergangenen Befehls der competenten vorgesetzten Staatsbehörde gehandelt hat. Art. 5. Zur gehörigen Form für alle Verfügungen in Staatsangelegenheiten, welche der Landesherr unterzeichnet oder welche in seinem Namen auf Specialbefehl erlassen werden, ist erforderlich, daß dieselben von einem Mitgliede des Staatsministeriums in der Reinschrift contrasignirt, beziehungsweise unterschrieben werden. Art. 6. Dasjenige Mitglied des Staat-Ministeriums, welches die Reinschrift der Verfügung contrasignirt oder unterzeichnet, haftet für die Verfassungsmäßigkeit derselben, ohne Zulassung der Berufung auf einen Befehl des Landesherrn. Art. 7. Die im Art. 3. erwähnte Anklage kann erst dann erhoben werden, wenn die Ständeversammlung oder der ständische Ausschuß (Art. 3.) über die Verfassungsverletzung bei dem Landesherrn Beschwerde geführt hat und der Beschwerde innerhalb drei Monaten, von deren Eingabe angerechnet, auf eine die Ständeversammlung beziehungsweise den ständischen Ausschuß zufriedenstellende Weise nicht abgeholfen worden ist. Art. 8. Die Anklage wird bei einem durch ein Gesetz zu bestellenden Staatsgerichtshof erhoben und von diesem entschieden. Art. 9. Bis dahin, wo durch Gesetz der Staatsgerichtshof bestellt und das vor demselben stattfindende Verfahren bestimmt sein wird, vertritt das Oberappellationsgericht zu Jena dessen Stelle. Dieser Gerichtshof ist für den eintretenden Fall mit allen Rechten und Pflichten eines Untersuchungsrichters bekleidet, untersucht die Sache nach den Grundsätzen und Regeln des accusatorischen Prozesses und ertheilt nach beigebrachter oder versäumter Vertheidigung des Angeklagten das Erkenntniß.

930

Textanhang

Gegen dieses oberappellationsgerichtliche Erkenntniß kann nur das Rechtsmittel der Revision beim Oberappellationsgericht und auch dieses nur von dem Angeschuldigten und nur innerhalb dreißig Tagen von der Publikation an eingewendet werden. Dem Revidenten ist gestattet, innerhalb sechs Wochen peremtorischer Frist von der Einwendung des Rechtsmittels an eine Deduction zu den Acten zu bringen, welche der Anklägerin zur Beantwortung binnen gleicher, vom Tage der Insinuation zu berechnender sechswöchentlicher Frist mitzutheilen ist. Nach Eingang der Schriften oder Versäumniß derselben durch Ablauf der Frist ertheilt das Oberappellationsgericht das zweite und letzte Erkenntniß, wofür ein neuer Referent und Correferent ernannt, von jedem eine schriftliche Relation, ohne daß der Eine die des Anderen zu sehen bekommt, ausgearbeitet und sodann außerhalb der Session von jedem Mitgliede schriftlich abgestimmt wird. Das Oberappellationsgericht eröffnet die von ihm ertheilten Erkenntnisse mit den Gründen sowohl dem Angeklagten, als auch der Ständeversammlung und sendet gleichzeitig beglaubigte Abschrift derselben an den Landesherrn ein. Das Oberappellationsgericht veröffentlicht jedes Erkenntniß innerhalb vier Wochen von dessen Eröffnung an gerechnet mit den Gründen auf Kosten der Landescasse durch den Druck. Art. 10. Das Erkenntniß hat zunächst auszusprechen, ob der Angeklagte gegen die Verfassung gehandelt hat, dann über Strafe und Kosten zu entscheiden. Art. 11. Betrifft die Anklage die Uebertretung einer Bestimmung, deren Fassung unklar ist und findet der Gerichtshof, daß die von dem Angeklagten gemachte Auslegung zwar nicht die richtige gewesen, der Angeklagte aber gute Gründe gehabt hat, sie dafür zu halten, so hat der Gerichtshof zwar auszusprechen, daß der Angeklagte gegen die Verfassung gehandelt habe, denselben jedoch von der Strafe und Kosten freizusprechen. Art. 12. In der im Art. 11. gedachten Weise ist auch zu erkennen, wenn der Angeklagte nachweist, daß die der Anklage unterstellte Verfügung auf die im Art. 7. erwähnte Beschwerde innerhalb der dort gesetzten dreimonatlichen Frist zurückgenommen und durch diese Zurücknahme resp. und gleichzeitig erfolgende Entschädigung die vorige Sachlage wieder hergestellt worden ist. Würde jedoch die auf ständische Beschwerde zurückgenommene verfassungsverletzende Verfügung wiederholt, so findet vorstehende Bestimmung auf die in solchem Falle zu erhebende Anklage keine Anwendung. Art. 13. Durch die ständische Anklage wegen Verfassungsverletzung und das darauf gegründete Verfahren wird die Verfolgung etwa concurrirender gemeiner oder Dienstvergehen durch die ordentliche Criminalbehörde nicht ausgeschlossen. Art. 14. Eine Abolition hinsichtlich der Verfassungsverletzung findet nicht statt.

Textanhang

931

Der Landesherr wird hinsichtlich der wegen Verfassungsverletzung erkannten Strafen (Art. 2.) keine Begnadigung ertheilen. Art. 15. Die Vollziehung der von dem Gerichtshofe wegen Verfassungsverletzung ertheilten Erkenntnisse geschieht auf Anordnung des Landesherrn, unmittelbar nach dem Eintritt der Rechtskraft. Art. 16. Die Erkenntnisse des Gerichtshofes über Verfassungsverletzung begründen keine Präjudicien für die Auslegung der im Art. 1. erwähnten Verfassungsgesetze. Die Staatsregierung wird daher auch durch dieselben in der Anwendung der zur Aufrechterhaltung der Verfassung gesetzlich vorgeschriebenen Mittel und Wege in keiner Weise beschränkt. Insbesondere steht es ihr frei, Behufs der Interpretation zweifelhafter Verfassungsstellen die Vermittelung, beziehungsweise Entscheidung des deutschen Bundes, als Garants der Verfassung, innerhalb der Gränzen der bundesgesetzlichen Bestimmungen in Anspruch zu nehmen. Art. 17. Die Bestimmungen im §. 78. der Verfassungsurkunde vom 8ten August 1821, von den Worten: „Solche Beschwerden sollen u.s.w. bis zum Schlusse des erwähnten Paragraphen, werden hiermit aufgehoben. Art. 18. Gegenwärtiges Gesetz ist als integrirender Theil der Verfassung des Herzogthums zu betrachten. Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und dem vorgedruckten Herzoglichen Siegel. Coburg zur Ehrenburg, am 23. December 1846. Serenissimus.

932

Textanhang

43. Die letzte Änderung der Verfassung Sachsen-Coburgs im Jahre 1848 (StACo LReg. 3646 fol. 2 – 5‘) Gesetz, die Ständeversammlung und die Wahl der Abgeordneten hierzu betreffend. Wir Ernst, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen Coburg und Gotha, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf zu Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein und Tonna haben beschlossen und verordnen mit Beirath und Zustimmung Unserer getreuen Stände, was folgt: I. Von den Landständen. Art. 1. Die Stände-Versammlung ist Vertreterin des Volksrechte im Herzogthum. Der einzelne Abgeordnete ist für das Herzogthum im Ganzen, nicht zur Geltendmachung der Sonderbelange seines Wahlbezirks gewählt. Art. 2. Die Stände-Versammlung ist aus achtzehn Abgeordneten der auf Beilage A verzeichneten achtzehn Wahlbezirke zusammen gesetzt. Art. 3. Die Abgeordnetenwahl erfolgt durch Wahlmänner. Zu jedem Abgeordneten wird für den Fall des Nichteintritts des Abgeordneten in die Stände-Versammlung oder seines Abgangs aus ihr, sowie zu seiner Vertretung bei zeitweiser Verhinderung ein Ersatzmann gewählt. Art. 4. Die Wahlmänner-Wahl bewirken Urwähler nach der auf Anlage A bestimmten Anzahl und Bezirksabgrenzung. Art. 5. Die Berufung der Abgeordneten und Ersatzmänner erstreckt sich, sofern die Stände-Versammlung nicht aufgelöst wird, auf sechs Jahre. Art. 6. Im Fall der Auflösung der Stände-Versammlung ist längstens nach drei Monaten eine neue zu berufen, und sind neue Wahlen der Abgeordneten und Ersatzmänner für sämmtliche Wahlbezirke zeitig einzuleiten.

Textanhang

933

Bei Abgang des Abgeordneten und Ersatzmannes eines Wahlbezirks hat dieser für die Berufungszeit des Abgegangenen einen anderweiten Abgeordneten und Ersatzmann zu wählen, sofern jene nicht bis auf sechs Monate abgelaufen ist und die Stände-Versammlung durch Unterlassung der Wahl nicht beschlußunfähig würde. Art. 7. Die Abgeordneten und Ersatzmänner haben beim Eintritt in die Stände-Versammlung folgenden Eid zu leisten: Ich schwöre Treue dem Herzog, treue Beobachtung der Landesverfassung, Gehorsam den Gesetzen und in der Stände-Versammlung das allgemeine Wohl nach bester Ueberzeugung zu berathen. II. Bedingungen des Wahlrechts und der Wählbarkeit. Art. 8. Jeder volljährige, selbstständige Inländer, mit Ausnahme desjenigen, welcher wegen eines nach allgemeiner Annahme als entehrend zu betrachtenden Vergehens oder Verbrechens rechtskräftig verurtheilt ist, ist in der Gemeinde, in welcher er seinen ordentlichen Wohnsitz hat, als Urwähler wahlberechtigt und im ganzen Herzogthum als Wahlmann wählbar. Art. 9. Als selbstständig sind diejenigen Staatsangehörigen zu betrachten, welche nicht unter väterlicher Gewalt oder Zustandsvormundschaft stehen oder Kost und Lohn als Dienstleute von ihren Dienstherren oder aus öffentlichen Mitteln Armenunterstützung beziehen. Art. 10. Jeder, der die Eigenschaften eines Wahlmannes besitzt, ist als Abgeordneter oder Ersatzmann für die Stände-Versammlung wählbar, sofern er das dreyßigste Lebensjahr zurückgelegt hat. Art. 11. Das Wahlrecht kann nur in Person ausgeübt werden. III. Verfahren bei den Wahlen. Art. 12. Das Wahlgeschäft erfolgt unter Aufsicht der Landesregierung. Die Wahlmännerwahlen leiten die Gemeindebehörden der Wahlbezirke. Bei Vereinigung mehrerer Gemeinden zu einem Wahlbezirk leiten deren Vorstände die Wahl gemeinschaftlich unter Vorsitz des Vorstandes, den die übrigen Vorstände dazu ausersehen. Die Abgeordneten- und Ersatzmanns-Wahlen leiten Beauftragte der Landesregierung.

934

Textanhang Art. 13.

Die Wahltermine müssen den Urwählern und Wahlmännern acht Tage vor dem Wahltermin unter Angabe des Orts der Wahlversammlung gehörig bekannt gemacht werden. Das Ausschreiben der Wahl im Regierungsblatt und durch Anschlag an die Gemeindetafel vierzehn Tage vor dem Wahltermin gilt für eine gehörige Bekanntmachung des Wahltermins. Art. 14. Zwischen der Tagfahrt der Wahlmänner und der Abgeordneten- und Ersatzmanns-Wahl müssen mindestens acht Tage in Mitte liegen. Art. 15. Die Urwahlen ländlicher Gemeinden werden in den Gemeindehäusern oder sonst einer geeigneten Räumlichkeit des Dorfes, bei Vereinigung mehrerer Ortschaften zu einem Urwahlbezirk des größten Dorfes dieses Bezirks vorgenommen. Die Abgeordneten- und Ersatzmanns-Wahlen der ländlichen Wahlbezirke geschehen in den Amtssitzen, die Ur- und Hauptwahlen in den Städten auf den dasigen Rathhäusern. Art. 16. Die Urwahlen sind auf den Grund von Wahllisten zu bewirken. Die Wahllisten sollen wenigstens drei Tage lang vor dem Wahltermin an der Gemeindetafel öffentlich ausgehängt werden. Art. 17. Jeder Wähler hat das Recht und die Pflicht, Berichtigungen der Wahlliste bei der wahlleitenden Behörde zu beantragen. Der Wahlact selbst kann durch Anträge auf Berichtigung der Wahlliste keinen Aufschub erleiden. Art. 18. Die Wahlen erfolgen mittelst geheimer Abstimmung durch Wahlzettel. Art. 19. Die Wahlverhandlung mit Einschluß der Verlesung des Protocolls darüber ist in ihrer ganzen Ausdehnung in Gegenwart der Wahlversammlung vorzunehmen. Art. 20. Die Wahlversammlung darf die Stimmzettel durch die Wahlberechtigten einsehen lassen. Art. 21. Jeder Wahlmann, Abgeordneter und Ersatzmann ist einzeln zu wählen. Art. 22. Die Wahlmänner-Wahl erfolgt nach relativer Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos zwischen denen, welche eine gleiche Stimmenzahl erhalten haben.

Textanhang

935

Art. 23. Für die Abgeordneten- und Ersatzmanns-Wahl ist die Theilnahme von wenigstens zwei Drittheilen der Wahlmänner an der Wahl wesentliches Erforderniß. Die Wahl der Abgeordneten und Ersatzmänner erheischt absolute Stimmenmehrheit der erschienenen Wahlmänner, welche nöthigenfalls durch Wiederholung des Wahlactes zu erzielen ist. Art. 24. Staatsbeamte, welche auf das Ergebniß der Wahl einzuwirken versuchen, sind des Vergehens der Verfassungsverletzung schuldig. IV. Prüfung der Ständewahlen. Art. 25. Jeder nach Vorschrift des §. 85 der Verfassungsurkunde einberufene Abgeordnete ist durch diese Einberufung als vorläufig legitimirt zu erachten. Art. 26. Nach Eröffnung des Landtages prüft die Stände-Versammlung auf den Grund der Wahlacten die Wahlen und entscheidet über ihre Giltigkeit. V. Schlußbestimmungen. Art. 27. Der §. 9 und Titel V der Verfassungs-Urkunde vom 8ten August 1821, ferner das Gesetz über die Wahl der Landtagsabgeordneten vom 8ten December 1846 sind aufgehoben. Art. 28. Gegenwärtiges Gesetz gilt als Theil der Verfassung des Herzogthums. Es tritt mit der Verkündigung in Kraft. Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und dem vorgedruckten Herzoglichen Siegel. Gegeben Coburg zur Ehrenburg, am 22sten April 1848. Ernst HzS. Bröhmer.

Quellenverzeichnis A. Ungedruckte Quellen I. Staatsarchiv Coburg (StACo) Provenienzbestand mit Urkunden und Akten aller coburgischen Behörden, stets numerus currens. 1. Bestand Landesarchiv (LA): Historisch gewachsener Pertinenzbestand verschiedener landesherrlicher Behörden: a) Lokat A (LA A) mit Urkundenselekt (Urk LA A): Persönliche Verhältnisse der herzoglichen Familie, Hofwesen. b) Lokat B (LA B) mit Urkundenselekt (Urk LA B): Verhältnisse zu Kaiser und Reich. c) Lokat C (LA C) mit Urkundenselekt (Urk LA C): Angelegenheiten der fürstlich sächsischen Länder. d) Lokat D (LA D) mit Urkundenselekt (Urk LA D): Auswärtige Angelegenheiten. e) Lokat E (LA E) mit Urkundenselekt (Urk LA E): Innere Verfassung in geistlichen Sachen. f) Lokat F (LA F) mit Urkundenselekt (Urk LA F): Innere Verfassung in weltlichen Sachen. g) Lokat K (LA K): Herzogliche Staatsbank Coburg. h) Lokat L (LA L): Druckschriftensammlung. 2. Bestand Landesregierung (LReg.): Provenienzbestand aus Landesregierung (mit Vorläuferbehörde), teilweise Kammer und Konsistorium. 3. Bestand Konsistorium (Kons.): Provenienzbestand aus Konsistorium seit 1808. 4. Bestand Kammerarchiv: Provenienzbestand aus Kammer seit 1822. 5. Bestand Landtag mit Urkundenselekt (Landtag Urk): Provenienzbestand aus Landtag / Ständeversammlung, teilweise mit Altakten der Landstände vor 1821. 6. Bestand Staatsministerium: Provenienzbestand aus Staatsministerium bzw. Ministerialabteilung Coburg: a) Lokat D (Min D): „Polizeigewalt“, Allgemeine Innere Verwaltung. b) Lokat E (Min E): Finanzwesen. c) Lokat F (Min F): Exekutive (mit Personalakten). d) Lokat G (Min G): Auswärtige Angelegenheiten. e) Lokat J (Min J): Verfassung. f) Lokat M (Min M): Bundestagsangelegenheiten.

Quellenverzeichnis g) h) i) j)

937

Lokat N (Min N): Oberappellationsgericht Jena. Lokat P (Min P): Militärgewalt. Lokat U (Min U): Kirchen- und Schulangelegenheiten. Lokat V (Min V): Kassen- und Rechnungswesen.

7.

Bestand Ältere Justizbehörden: Provenienzbestand sämtlicher Justizbehörden vor Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes (27. Januar 1877).

8.

Bestand Geistliches Untergericht Coburg (GUG Co): Provenienzbestand.

9.

Bestand Kammeramt Coburg: Provenienzbestand (mit Provenienz des Kastenamtes).

10. Bestand Urkundensammlung: Urkunden unterschiedlicher Provenienz. 11. Bestand Schloßarchiv Hohenstein: Depositum, Provenienzbestand. 12. Bestand Amtsbücherei: Druckschriften. 13. Altrepertorien: Frühere Repertorien des StACo. II. Thüringisches Staatsarchiv Gotha (ThStAGo) Provenienzbestand mit Urkunden und Akten aller Behörden gothaischer Staaten, Faszikel. 1.

Bestand Geheimes Archiv: Historisch gewachsener Pertinenzbestand verschiedener landesherrlicher Behörden.

2.

Bestand Staatsministerium Abteilung Coburg: Provenienz aus dem Sachsen-Coburg und Gothaischen Staatsministerium.

3.

Bestand Staatsministerium Departement I: Provenienz aus dem Sachsen-Coburg und Gothaischen Staatsministerium.

4.

Bestand Staatsministerium Departement II: Provenienz aus dem Sachsen-Coburg und Gothaischen Staatsministerium.

5.

Bestand Staatsministerium Departement C: Provenienz aus dem Sachsen-Coburg und Gothaischen Staatsministerium und den gothaischen Vorläuferbehörden betreffend Haus- und Hofangelegenheiten. III. Thüringisches Staatsarchiv Meiningen (ThStAMgn) Provenienzbestand mit Urkunden und Akten aller Behörden meiningischer Staaten.

1. Bestand Geheimes Archiv Meiningen (GA): Historisch gewachsener Pertinenzbestand verschiedener landesherrlicher Behörden Sachsen-Meiningens bzw. Sachsen-(Coburg-)Meiningens, Faszikel.

938

Quellenverzeichnis

2. Bestand Geheimes Archiv Hildburghausen (GA HBN): Historisch gewachsener Pertinenzbestand verschiedener landesherrlicher Behörden Sachsen-Hildburghausens, Faszikel. 3. Bestand Landtag: Provenienz der verschiedenen Landtage Sachsen-(Coburg-)Meiningens, numerus currens. 4. Bestand Staatsministerium Abt. Inneres alt: Provenienz aus dem Staatsministerium Sachsen-Meiningens vor 1826, numerus currens. 5. Bestand Kreis Saalfeld: Pertinenz verschiedener Behörden des späteren Kreises Saalfeld, numerus currens. 6. Bestand Kreis Hildburghausen: Pertinenz verschiedener Behörden des späteren Kreises Hildburghausen, numerus currens. IV. Österreichisches Staatsarchiv Abteilung 1: Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Bestand Reichshofrat (RHR) Provenienzbestand; der Behördenregistratur entsprechende Teile Obere Registratur (Ob. Reg.), Relationen (Relat.) und Resolutionsprotokolle (Prot. rer. res.). V. Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA) Bestände Staatskanzlei (MA), Innenministerium (MInn) und Nachlaß Montgelas, jeweils Provenienzbestände, numerus currens. VI. Veste Coburg Autographensammlung der Kunstsammlungen. VII. Landesbibliothek Coburg Druckschriften. VIII. Stadtarchiv Coburg Provenienzbestand, Akten (A) und Urkunden (U), jeweils numerus currens. IX. Stadtarchiv Bad Rodach Provenienzbestand, Abteilung A, Titel X, laufende Numerierung X. Stadtarchiv Mainz Nachlaß Eberstein, Provenienzbestand.

Quellenverzeichnis

939

B. Gedruckte Quellen I. Gesetzessammlungen, Regierungs- und Gesetzblätter Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt (GVBl.) Churbaierisches Regierungs-Blatt (RBl.) Churfürstlich Pfalzbaierisches Regierungs- und Intelligenz-Blatt (RBl.) Churpfalzbaierisches Regierungs-Blatt (RBl.) Coburger Wochenblatt Coburger Wöchentlicher Anzeiger Gesetzsammlung für das Herzogthum Coburg (GS) Gesetzsammlung für die Königlich Preußischen Staaten (PrGS) Gesetzblatt für das Königreich Baiern (GBl.) Großherzogliches Sachsen-Weimar-Eisenachisches Regierungs-Blatt (RBl.) Herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldisches Regierungs- und Intelligenzblatt (RIBl.) Herzoglich Sachsen-Coburgisches Regierungs- und Intelligenzblatt (RIBl.) Herzoglich Sachsen-Hildburghäusisches Regierungs- und Intelligenzblatt (RIBl.) Königlich-Baierisches Regierungsblatt (RBl.) Regierungs- und Intelligenzblatt für das Herzogthum Coburg (RIBl.) 1839 – 1864 II. Literaturverzeichnis Die in Klammern gesetzten Autorennamen weisen auf Verfasser, die als solche nicht ausdrücklich bezeichnet sind, deren Urheberschaft sich aber mittelbar ergibt. Acker, Karl Heinz: Verwaltungskontrolle in Hessen-Darmstadt 1770 – 1835. Zur Organisation der Kontrolle des Verwaltungshandelns in einem kleineren deutschen Staat, Frankfurt am Main 1983 Alt, Johann Melchior: Beurkundete landständische Verfassung des Fürstenthums Coburg, Leipzig 1815 Andreas, Willy: Der Aufbau des Staates im Zusammenhang der allgemeinen Politik, Leipzig 1913 Andrian-Werburg, Klaus Freiherr von: Coburgische Landesgeschichte zwischen Bayern und Thüringen, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1981, Coburg 1981, S. 1 ff. – Der Minister v. Kretschmann. Versuch einer Staatsorganisation in Sachsen-Coburg-Saalfeld, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1965, Coburg 1965, S. 27 ff. – Die coburgische Gerichtsorganisation im 19. Jahrhundert und die Errichtung des Bayerischen Landgerichts Coburg 1921, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1971, Coburg 1971, S. 39 ff. Aretin, Karl Otmar Freiherr von: Bayerns Weg zum souveränen Staat. Landstände und konstitutionelle Monarchie 1714 – 1818, München 1976 – Heiliges Römisches Reich 1776 – 1806. Reichsverfassung und Staatssouveränität, Teil I, Wiesbaden 1967 – Vom Deutschen Reich zum Deutschen Bund, 2. Auflage, Göttingen 1993

940

Quellenverzeichnis

Aufsess, Hans Max Freiherr von: Coburg spielt seine eigene Rolle, 3. Auflage, Coburg 1989 Bachmann, Harald: „. . . all diese kleinen Fürsten werde ich davonjagen!“ (Napoleon in Gera 1806). Das Ringen des Herzogtums Sachsen-Coburg-Saalfeld um seine Existenz 1806, in: Stefan Nöth (Hrsg.), Coburg 1056 – 2006. Ein Streifzug durch 950 Jahre Geschichte von Stadt und Land, Coburg 2006, S. 167 ff. – Herzog Ernst I. und der Coburger Landtag 1821 – 1844, Coburg 1973 Bachmann, Siegfried: Die Landstände des Hochstifts Bamberg. Ein Beitrag zur territorialen Verfassungsgeschichte, Bamberg 1962 Bader, Josef: Die ehemaligen breisgauischen Stände, dargestellt nach ihrem Ursprunge, ihrer Verfassung, ihren Leistungen und Schicksalen, Karlsruhe 1846 Bahr, Thomas: Die Emanzipation der Juden in Sachsen-Weimar-Eisenach im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte, Beiheft 29, Jena 1996, S. 105 ff. Bassewitz, Hans-Bartold von: Das Staatsgrundgesetz für die Herzogtümer Coburg und Gotha vom 3. Mai 1852, Coburg 1905 (Bassewitz, Magnus Friedrich von): Die Kurmark Brandenburg, ihr Zustand und ihre Verwaltung unmittelbar vor dem Ausbruche des französischen Krieges im Oktober 1806, Leipzig 1847 Batzel, Ottomar: Grundentlastung und Bauernbefreiung im Großherzogtum Sachsen-WeimarEisenach, Berlin 1935 Baumgart, Peter: Zur Geschichte der kurmärkischen Stände im 17. und 18. Jahrhundert, in: Dietrich Gerhard (Hrsg.), Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, 2. Auflage, Göttingen 1974, S. 131 ff. Becker, Heinrich: Gewerbefleiß und Bürgersinn. Anmerkungen zur Geschichte des Kunstund Gewerbevereins Coburg (1824 – 1999), in: Kunstverein Coburg e.V. (Hrsg.), 175 Jahre Kunst- und Gewerbeverein Coburg 1824 – 1999, Coburg 1999 Behr, Wilhelm Josef: Staatswissenschaftliche Erörterung der Fragen: I. Inwieferne ist der Regent eines Staats an die Handlungen seines Regierungsvorfahrens gebunden? II. Sind die in Gefolge des Pariser Friedens in den Besitz ihrer Länder restituirten Fürsten, z. B. der Kurfürst von Hessen, etc. an die Regierungshandlungen ihres Vorfahrers gebunden, oder nicht? III. Was ist von dem Benehmen des teutschen Bundestags in der Angelegenheit des Westphälischen Domainenkäufer zu halten? Bamberg / Leipzig 1818 Beinert, Berthold: Geheimer Rat und Kabinett in Baden unter Karl Friedrich (1738 – 1811), Berlin 1937 (Nachdruck Vaduz 1965) Below, Georg von: Der Ursprung der deutschen Stadtverfassung, Düsseldorf 1892 (Nachdruck Leipzig 1970) – Die landständische Verfassung in Jülich und Berg, Teil 3, Heft 2, Düsseldorf 1891 – Territorium und Stadt. Aufsätze zur deutschen Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte, 2. Auflage, München / Berlin 1923 (Nachdruck Osnabrück 1965) Benzenberg, Friedrich: Ueber Verfassung, Dortmund 1816 Berding, Helmut: Finanzen und Reformen, in: ders. (Hrsg.) Privatkapital, Staatsfinanzen und Reformpolitik im Deutschland der napoleonischen Zeit, Ostfildern 1981, S. 3 ff.

Quellenverzeichnis

941

Berding, Helmut / Ullmann, Hans-Peter: Veränderungen in Deutschland an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, in: dies. (Hrsg.), Deutschland zwischen Revolution und Restauration, Königstein / Ts. / Düsseldorf 1981, S. 11 ff. Berend, Eduard (Hrsg.): Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe, Dritte Abteilung: Briefe, Vierter Band: Briefe 1800 – 1804, Berlin 1960 Berg, Günther Heinrich von: Abhandlungen zur Erläuterung der rheinischen Bundesacte, Erster Theil, Hannover 1808 Bergmann, Robert: Geschichte der ostpreußischen Stände und Steuern von 1688 bis 1704, Leipzig 1901 (Nachdruck Bad Feilnbach 1990) Bessenrodt, Otto: Die äußere Politik der thüringischen Staaten von 1806 – 1815, 2. Auflage, Mühlhausen 1925 Birtsch, Günter: Der preußische Hochabsolutismus und die Stände, in: Peter Baumgart (Hrsg.), Ständetum und Staatsbildung in Brandenburg-Preußen, Berlin / New York 1983, S. 389 ff. Bisinger, Joseph Constantin: Vergleichende Darstellung der Staatsverfassung der europäischen Monarchieen und Republiken, zum Gebrauche bey Vorlesungen und zur Selbstbelehrung, Wien 1818 Blaha, Dagmar: Verdienste um Verfassung und Verwaltung, in: Hans Hoffmeister / Volker Wahl (Hrsg.), Die Wettiner in Thüringen. Geschichte und Kultur in Deutschlands Mitte, Arnstadt / Weimar 1999 Blaich, Fritz: Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsverwaltung, in: Kurt G. A. Jeserich (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 1, Stuttgart 1983, S. 428 ff. Blaschke, Karlheinz: Die Leipziger Teilung und die Wittenberger Kapitulation 1547 als grundlegende Ereignisse mitteldeutscher Territorialgeschichte, in: Jürgen John (Hrsg.), Kleinstaaten und Kultur in Thüringen vom 16. bis 20. Jahrhundert, Weimar / Köln / Wien 1994, S. 1 ff. – Königreich Sachsen und thüringische Staaten, in: Kurt G. A. Jeserich (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 2, Stuttgart 1983, S. 642 ff. Blickle, Peter: Landschaften im Alten Reich. Die staatliche Funktion des gemeinen Mannes in Oberdeutschland, München 1973 Bluntschli, Johann Kaspar: Lehre vom modernen Staat, Band 1: Allgemeine Staatslehre, 6. Auflage, Stuttgart 1886 (Neudruck Aalen 1965) Böhme, Heinz-Jürgen: Politische Rechte des einzelnen in der Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts und in der Staatstheorie des Frühkonstitutionalismus, Berlin 1993 Bohley, Karl: Coburger Verfassungskämpfe unter Herzog Franz, in: Coburger Heimat, 1. Jahrgang, Coburg 1931 / 1932 (unfol.) – Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld von 1800 bis 1821, Erlangen 1933, Neudruck hrsg. vom Thüringer Landtag, Weimar / Jena 2003 Boldt, Hans (Hrsg.): Reich und Länder. Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, München 1987 – Deutsche Staatslehre im Vormärz, Düsseldorf 1975 – (Hrsg.): Reich und Länder. Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, München 1987

942

Quellenverzeichnis

Bonin, Burkhard von: Die praktische Bedeutung des ius reformandi. Eine rechtsgeschichtliche Studie, Stuttgart 1902 (Nachdruck Amsterdam 1962) Bornhak, Conrad: Deutsche Verfassungsgeschichte vom Westfälischen Frieden an, Stuttgart 1934 (Nachdruck Aalen 1968) – Geschichte des Preußischen Verwaltungsrechts, Erster Band Berlin 1884, Zweiter Band Berlin 1885 Bornhauser, Eugen: Die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, Erlangen 1922 Bosl, Karl: Die Geschichte der Repräsentation in Bayern. Landständische Bewegung, Landständische Verfassung, Landesausschuß und altständische Gesellschaft, München 1974 Botzenhart, Manfred: Deutsche Verfassungsgeschichte 1806 – 1949, Stuttgart / Berlin / Köln 1993 – Verfassungsproblematik und Ständepolitik in der preußischen Reformzeit, in: Peter Baumgart (Hrsg.), Ständetum und Staatsbildung in Brandenburg-Preußen, Berlin / New York 1983, S. 431 ff. Brandt, Hartwig: Landständische Repräsentation im deutschen Vormärz. Politisches Denken im Einflußfeld des monarchischen Prinzips, Neuwied / Berlin 1968 Brandt, Otto H.: Der Bauer und die bäuerlichen Lasten im Herzogtum Sachsen-Altenburg vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, Gotha 1906 Bringmann, Tobias C.: Handbuch der Diplomatie 1815 – 1963. Auswärtige Missionschefs in Deutschland und deutsche Missionschefs im Ausland von Metternich bis Adenauer, München 2001 Brunner, Johann Caspar: Corpus Constitutionum Brandenburgico-Culmbacensium Oder Vollständige Sammlung Der Vornehmsten so wohl allgemeinen als besondern in dem Marggrafthume Brandenburg-Culmbach in Ecclesiasticis und Politicis Theils einzeln gedruckten, Theils noch nicht gedruckten Landes-Ordnungen und Gesetze, Welche auf Hochfürstlichen gnädigsten Special-Befehl aus den Archiven und Registraturen colligirt, und dem Publico mitgetheilet werden sollen. Erster Theil Bayreuth 1746, Zweyten Theils Erster Band, Bayreuth 1747, Zweyten Theils Zweyter Band, Bayreuth 1748 Brunner, Otto: Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Südostdeutschlands im Mittelalter, 3. Auflage, Brünn / München / Wien 1943 Brunner, Stefan: Die Vertretung des ersten Bürgermeisters in Bayern, in: Bayerische Verwaltungsblätter 1993, München 1993, S. 37 ff. Buchda, Gerhard: Reichsstände und Landstände in Deutschland im 16. und 17. Jahrhundert, in: Heinz Rausch (Hrsg.), Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, Band 2, Darmstadt 1974, S. 211 ff. Burg, Peter: Die Triaspolitik im Deutschen Bund. Das Problem einer partnerschaftlichen Mitwirkung und eigenständigen Entwicklung des Dritten Deutschland, in: Helmut Rumpler (Hrsg.), Deutscher Bund und deutsche Frage 1815 – 1866, München 1990, S. 136 ff. Büssem, Eberhard: Die Karlsbader Beschlüsse von 1819. Die endgültige Stabilisierung der restaurativen Politik im Deutschen Bund nach dem Wiener Kongreß von 1814 / 15, Hildesheim 1974

Quellenverzeichnis

943

Buschmann, Arno: Kaiser und Reich. Klassische Texte zur Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vom Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806, Teil II: Vom Westfälischen Frieden 1648 bis zum Ende des Reiches im Jahre 1806, 2. Auflage, Baden-Baden 1994 Campe, Franz Alexander von: Die Lehre von den Landständen nach gemeinem Deutschen Staatsrechte, 2. Auflage, Lemgo / Detmold 1864 Carsten, Francis L.: Die deutschen Landstände und der Aufstieg der Fürsten, in: Heinz Rausch (Hrsg.), Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, Band 2, Darmstadt 1974, S. 315 ff. – Die Ursachen des Niedergangs der deutschen Landstände, in: Historische Zeitschrift, Band 192, München 1961, S. 273 ff. Chroust, Anton: Das Großherzogtum Würzburg (1806 – 1814), Würzburg 1913 Cunow, Heinrich: Allgemeine Wirtschaftsgeschichte. Eine Übersicht über die Wirtschaftsentwicklung von der primitiven Sammelwirtschaft bis zum Hochkapitalismus, 4. Band, Berlin 1931 Curtze, Louis: Geschichte und Beschreibung des Fürstenthums Waldeck, Arolsen 1850 Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt, Erster Band. Staatsverfassung. Volksbildung, Göttingen 1835 Demel, Walter: Der bayerische Staatsabsolutismus 1806 / 08 – 1817. Staats- und gesellschaftspolitische Motivationen und Hintergründe der Reformära in der ersten Phase des Königreichs Bayern, München 1983 – Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus, München 1993 Dennewitz, Bodo: Die Systeme des Verwaltungsrechts. Ein Beitrag zur Geschichte der modernen Verwaltungswissenschaft, Hamburg 1948 Deuerling, Eduard: Das Fürstentum Bayreuth unter französischer Herrschaft und sein Übergang an Bayern 1806 – 1810, Erlangen 1932 Dippel, Horst: Die Anfänge des Konstitutionalismus in Deutschland. Texte deutscher Verfassungsentwürfe am Ende des 18. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1991 Dipper, Christof: Die Bauernbefreiung in Deutschland 1790 – 1850, Stuttgart / Berlin / Köln / Main 1980 Doeberl, Ludwig: Maximilian von Montgelas und das Prinzip der Staatssouveränität, München 1925 Dressel, Carl-Christian H.: Anmerkungen zur Justiz in Coburg von der Errichtung des Landgerichts Coburg bis zur Entnazifizierung, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1997, Coburg 1997, S. 47 ff. – Die Verfassung des Herzogtums Sachsen-Coburg-Saalfeld von 1821 und die Bildung der Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha durch den Hildburghäuser Erbteilungsvertrag vom 12. November 1826, in: Harald Bachmann (Hrsg.), Zur Verfassungs- und Verwaltungsreform in den Herzogtümern Sachsen-Coburg und Gotha in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Coburg 2002, S. 23 ff. – Ein „Pumpernickel-Staat“? Sachsen-Coburg im frühen 19. Jahrhundert, in: Franz Bosbach / John R. Davis (Hrsg.), Prinz Albert – Ein Wettiner in Großbritannien, München 2004, S. 37 ff.

944

Quellenverzeichnis

– Justiz und Verwaltung in Sachsen-Coburg vor und nach 1848 / 49, in: Harald Bachmann / Georg Aumann (Hrsg.), Coburg und die Revolution von 1848 / 49, Coburg 1998, S. 139 ff. Dülfer, Kurt: Das fürstliche Regierungssystem in der obersten Zentralsphäre im 17. und 18. Jahrhundert, in: Staatliche Archivverwaltung im Staatssekretariat für Innere Angelegenheiten (Hrsg.), Archivar und Historiker. Studien zur Archiv- und Geschichtswissenschaft. Zum 65. Geburtstag von Heinrich Otto Meisner, Berlin 1956, S. 237 ff. Dürig, Günter / Walter Rudolf (Hrsg.): Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, 3. Auflage, München 1996 Dufraisse, Roger: Das napoleonische Deutschland. Stand und Probleme der Forschung unter besonderer Berücksichtigung der linksrheinischen Gebiete, in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, 6. Jahrgang, Göttingen 1980, S. 467 ff. Ehrle, Peter Michael: Volksvertretung im Vormärz. Studien zur Zusammensetzung, Wahl und Funktion der deutschen Landtage im Spannungsfeld zwischen monarchischem Prinzip und ständischer Repräsentation, Frankfurt am Main / Bern / Cirencester 1979 Eisenhardt, Ulrich: Deutsche Rechtsgeschichte, 4. Auflage, München 2004 – (Hrsg.): Die Kaiserlichen Privilegia de non appellando, Köln / Wien 1980 Eisenlohr, Theodor: Sammlung der württembergischen Kirchen-Geseze, Zweiter Theil Tübingen 1835 Ellwein, Thomas: Das Erbe der Monarchie in der deutschen Staatskrise. Zur Geschichte des Verfassungstaates in Deutschland, München 1954 Endres, Rudolf: Adel in der frühen Neuzeit, München 1993 – Die preußische Ära in Franken, in: Peter Baumgart (Hrsg.), Expansion und Integration. Zur Eingliederung neugewonnener Gebiete in den preußischen Staat, Köln / Wien 1984, S. 169 ff. Engelbert, Günther: Der Konstitutionalismus in den deutschen Kleinstaaten, in: Ernst-Wolfgang Böckenförde (Hrsg.), Probleme des Konstitutionalismus im 19. Jahrhundert, Der Staat, Beiheft 1, Berlin 1975, S. 103 ff. Engisch, Karl: Vom Weltbild des Juristen, 2. Auflage, Heidelberg 1965 Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha: Aus meinem Leben und aus meiner Zeit, 6. Auflage, Berlin 1889 Facius, Friedrich: Thüringen, in: Georg Wilhelm Sante / A. Ploetz Verlag (Hrsg.), Geschichte der deutschen Länder, „Territorien-Ploetz“, 2. Band: Die deutschen Länder vom Wiener Kongreß bis zur Gegenwart, Würzburg 1971, S. 500 ff. – Staat, Verwaltung und Wirtschaft in Sachsen-Gotha unter Herzog Friedrich II. (1691 – 1732), Eine Studie zur Geschichte des Barockfürstentums in Thüringen, Gotha 1932 Fehrenbach, Elisabeth: Der Einfluß des napoleonischen Frankreich auf das Rechts- und Verwaltungssystem Deutschlands, in: Armgard von Reden-Dohna (Hrsg.), Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, Wiesbaden 1979, S. 23 ff. – Der Kampf um die Einführung des Code Napoleon in den Rheinbundstaaten, Wiesbaden 1973

Quellenverzeichnis

945

– Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht. Die Einführung des Code Napoléon in den Rheinbundstaaten, 3. Auflage, Göttingen 1983 – Verfassungs- und sozialpolitische Reformen und Reformprojekte in Deutschland unter dem Einfluß des napoleonischen Frankreich, in: Hans-Werner Hahn / Jürgen Müller (Hrsg.), Elisabeth Fehrenbach. Politischer Umbruch und gesellschaftliche Bewegung. Ausgewählte Aufsätze zur Geschichte Frankreichs und Deutschlands im 19. Jahrhundert, München 1997 Firnkes, Manfred: „Restauration“ und „Vormärz“. Reaktionäre Fürstenmacht und liberale Bürgeropposition 1815 – 1848, in: Heinrich Pleticha (Hrsg.), Deutsche Geschichte, Teil 9: Von der Restauration bis zur Reichsgründung 1815 – 1871, Gütersloh 1984, S. 17 ff. Flach, Willy: Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte. Goethe im Geheimen Consilium 1776 – 1786, Weimar 1952 Fleischmann, Adolf: Zur Geschichte des Herzogthums Sachsen-Coburg mit besonderer Berücksichtigung der Geschichte des Gesammthauses Sachsen und Prinz Friedrich’s Josias von Coburg-Saalfeld (Erstes Heft), Hildburghausen 1880 – Zur Geschichte des Herzogthums Sachsen-Coburg-Saalfeld (Zweites Heft), Hildburghausen 1881 Folz, Robert: Ständeversammlungen in den deutschen Fürstentümern, in: Heinz Rausch (Hrsg.), Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, Band 2, Darmstadt 1974, S. 181 ff. Franke, Richard: Die gesetzgebenden Körperschaften und ihre Funktionen in den Verfassungen der Rheinbundstaaten und der Deutschen Bundesstaaten 1806 – 1820, Greifswald 1912 Freisen, Joseph: Staat und katholische Kirche in den deutschen Bundesstaaten: Lippe, Waldeck-Pyrmont, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, ReussGreiz, Reuss-Schleiz, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und -Gotha. Nach amtlichen Aktenstücken rechtshistorisch und dogmatisch dargestellt, II. Teil: Anhalt, SchwarzburgRudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Reuss-Greiz, Reuss-Schleiz, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und –Gotha, Stuttgart 1906 (Nachdruck Amsterdam 1964) Friauf, Karl Heinrich: Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, Band 1, Bad Homburg v.d.H. / Berlin / Zürich 1968 Fricker, Carl: Die Entstehung der württembergischen Verfassung von 1819, in: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft, 18. Band, Tübingen 1862, S. 139 ff. Friedrich, Manfred: Die Erarbeitung eines allgemeinen deutschen Staatsrechts seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart (Neue Folge), Band 34, Tübingen 1985, S. 1 ff. Frühwald, Gertraud: Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha und sein Herzogtum Coburg in der Revolution von 1848, Erlangen 1952 Füßlein, Wilhelm: Die Erwerbung der Herrschaft Coburg durch das Haus Henneberg-Schleusingen in den Jahren 1311 – 1316, in: Schriften des Hennebergischen Geschichtsvereins, Heft 15, Schleusingen 1928, S. 51 ff. – Der Übergang der Herrschaft Coburg vom Haus Henneberg-Schleusingen an die Wettiner 1353, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde, N.F. Band 28, Jena 1929, S. 325 ff.

946

Quellenverzeichnis

Galletti, Johann Georg August: Geschichte der Fürstenthümer der Herzoge von Sachsen von der gothaischen Linie des Ernestinischen Hauses, im Umrisse; Gotha 1826 Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns (Hrsg.): Bayern und Sachsen in der Geschichte. Wege und Begegnungen in archivalischen Dokumenten, München 1994 Gentz, Friedrich: Über den Unterschied zwischen den landständischen und RepräsentativVerfassungen, auszugsweise in: Hartwig Brandt (Hrsg.), Restauration und Frühliberalismus 1814 – 1840, Darmstadt 1979, S. 218 ff. Georgii, Eberhard Friderich: Untersuchung der Frage: Ob und in wiefern Ius eundi in partes das Recht sich in Partheien zu trennen auf teutsche Landes- und Stände-Versammlungen anwendbar sey?, Stuttgart 1817 Gerhardt, Kurt: Karl August von Wangenheim (1773 – 1850), in: Kurt G. A. Jeserich / Helmut Neuhaus (Hrsg.), Persönlichkeiten der Verwaltung. Biographien zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1648 – 1945, Stuttgart / Berlin / Köln 1991, S. 103 ff. Gerner, Joachim: Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung im Spiegel der Quellen (1815 – 1819), Stuttgart 1989 Gierke, Otto (von): Das deutsche Genossenschaftsrecht, Erster Band, Berlin 1868 (Nachdruck Graz 1954) Godechot, Jacques: Les constitutions de la France depuis 1789, Paris 1984 (Gönner, Nicolaus Thaddäus [Ritter von]): Bericht an den Kaiserlichen Reichshofrath von Seite des regierenden Herrn Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld wider die Landstände des Fürstenthums Coburg verschiedene Beschwerden betreffend, Coburg 1805 – Bericht des Herrn Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld an den kaiserlichen Reichshofrath über die Beschwerden der Prinzen Friedrich und Ludwig mit Urkunden, Coburg 1805 – Bericht des Herrn Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld an den kaiserlichen Reichshofrath über die Dienstentlassung des ehemaligen Vicepräsidenten von Wangenheim. Mit Urkunden. Coburg 1805 – Der Staatsdienst aus dem Gesichtspunkt des Rechts und der Nationalökonomie betrachtet, nebst der Hauptlandespragmatik über die Dienstverhältnisse der Staatsdiener im Königreiche Baiern mit erläuternden Anmerkungen, Landshut 1808 – Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses in einer ausführlichen Erörterung seiner wichtigsten Gegenstände, Erster Band, 2. Auflage, Erlangen 1804 (Nachdruck Goldbach 1995) – Teutsches Staatsrecht, Landshut 1804 – Von den Veränderungen, welche der Umsturz der teutschen Staatsverfassung an den vormaligen Particular-Staatsrechten einzelner Reichslande im gegenwärtigen Zustand ihrer Souveränität hervorbringt, in: ders. (Hrsg.), Archiv für die Gesetzgebung und Reforme des juristischen Studiums, 1. Band, Landshut 1808, S. 1 ff. – Von Staats-Schulden, deren Tilgungs-Anstalten und vom Handel mit Staatspapieren, München 1826 Gothe, Rosalinde: Untersuchungen zur Agrargeschichte des Weimarer Territoriums vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis zu den bürgerlichen Reformen im frühen 19. Jahrhundert, Jena 1981

Quellenverzeichnis

947

Grass, Jochen: Sachsen-Weimar-Eisenachs Verwaltungsreform nach der Revolution von 1848 / 49 als liberales Lehrstück im reaktionären Umfeld, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte, Band 54, Jena 2000, S. 216 ff. Grawert, Rolf: Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang konstitutioneller Regierung, in: Dietmar Willoweit (Hrsg.), Gesetzgebung als Faktor der Staatsentwicklung, Der Staat, Beiheft 7, Berlin 1984 Grimm, Dieter: Deutsche Verfassungsgeschichte 1776 – 1866, 3. Auflage, Frankfurt am Main 1995 Gruner, Johann Gerhard: Geschichte Johann Kasimirs, Herzogs zu Sachsen, ingleichen Fortgesetzte Nachricht von dem S. Koburg Eisenberg und Römhildischen Succeßionsstreit vom Jahr 1737 bis 1785, nebst einer Vorrede von der Erbfolge derer Seitenverwandten in dem herzoglichen Haus Sachsen, Coburg 1787 – Historisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Coburg, S. Saalfeldischen Antheils, Band 1, Coburg 1783, Band 2, Coburg 1784 Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat. Bedeutung und Verfassung, Schicksal und Besetzung einer obersten Reichsbehörde von 1559 bis 1806, Wien 1942 Günther, Karl Gottlob: Das Privilegium de non appellando des Kur- und Fürstlichen Hauses Sachsen aus der Geschichte und dem Staatsrechte mit dazu gehörigen Actenstücken erläutert, Dresden / Leipzig 1788 Haas, Gerhard: Verfassung und Recht der Städte Arnstadt, Königsee, Saalfeld und Stadtilm von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert, Jena 1967 Häberle, Peter: Der Kleinstaat als Variante des Verfassungsstaates, in: Arno Waschkuhn (Hrsg.), Kleinstaat. Grundsätzliche und aktuelle Probleme, Vaduz 1993, S. 121 ff. – Dokumentation von Verfassungsentwürfen und Verfassungen ehemals sozialistischer Staaten in (Süd)Osteuropa und Asien, in: Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart (Neue Folge), Band 43, Tübingen 1995, S. 105 ff. – Föderalismus, Regionalismus, Kleinstaaten – in Europa, in: ders., Europäische Rechtskultur, Baden-Baden 1997, S. 257 ff. – Gemeineuropäisches Verfassungsrecht, in: Europäische Grundrechte-Zeitschrift 1991, Kehl 1991, S. 261 ff. Textstufen als Entwicklungswege des Verfassungsstaates. Arbeitsthesen zur Verfassungslehre als juristischer Text- und Kulturwissenschaft, in: Jürgen Jekewitz / Karl Heinz Klein / Jörg Detlef Kühne / Hans Petersmann / Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Des Menschen Recht zwischen Freiheit und Verantwortung, Festschrift für Karl Josef Partsch zum 75. Geburtstag, Berlin 1989, S. 555 ff. – Verfassungsentwicklungen in Osteuropa – aus der Sicht der Rechtsphilosophie und der Verfassungslehre, in: ders., Europäische Rechtskultur, Baden-Baden 1997, S. 101 ff. – Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 2. Auflage, Berlin 1998 – Zeit und Verfassung, Prolegomena zu einem „zeit-gerechten“ Verfassungsverständnis, in: ders, Verfassung als öffentlicher Prozeß, Materialien zu einer Verfassungstheorie der offenen Gesellschaft, 3. Auflage, Berlin 1998, S. 59 ff.

948

Quellenverzeichnis

Häberlin, Carl Friedrich: Geschichte der Dienstentsetzung des Präsidiums der Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Landesregierung, in: Häberlins Staats-Archiv, Band 13, Helmstedt / Leipzig 1804 f., S. 288 ff. – Handbuch des Teutschen Staatsrechts nach dem System des Herrn Geheimen Justizrath Pütter, 2. Band Berlin 1797, 3. Band, Berlin 1797 – Staats-Archiv, Band 11, Helmstedt / Leipzig 1803 f. – (Hrsg.): Wahrheit und Unwahrheit. Oder Bemerkungen über einen Aufsatz im Coburger Neuen Wochenblatt, die Landstände dieses Fürstenthums betreffend. 1803, in: Häberlins Staats-Archiv Band 11, Helmstedt / Leipzig 1803 f., S. 159 ff. Häder, Ulf: Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten in Jena. Ein Beitrag zur Geschichte des Gerichtswesens im 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main / Berlin / Bern / New York / Paris / Wien 1996 Hammerich, Helmut R.: „Vivat hoch, Prinz Coburg lebe. . . !“ Prinz Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld. K.K. und des Röm. Reichs-General-Feldmarschall 1737 – 1815, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 2000, Coburg 2000, S. 121 ff. Hartleben, Theodor Konrad (Hrsg.): Deutsche Justiz- und Polizei-Fama, Erster Band, Tübingen 1802 Hartmann, Karl Ioseph: Ueber den Ursprung und das rechtliche Verhältnis der Landstände in Teutschland, Nürnberg 1805 Hartmann, Peter Claus: Die Stellung Coburgs im Alten Reich, in: Michael Henker / Evamaria Brockhoff (Hrsg.), Ein Herzogtum und viele Kronen. Coburg in Bayern und Europa, Augsburg 1997, S. 30 ff. Hartung, Fritz: Das Großherzogtum Sachsen unter der Regierung Carl Augusts 1775 – 1828, Weimar 1923 – Hardenberg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth von 1792 bis 1806, Tübingen 1906 – Herrschaftsverträge und ständischer Dualismus in deutschen Territorien, in: Heinz Rausch (Hrsg.), Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, Band 2, Darmstadt 1974, S. 28 ff. Hattenhauer, Christian: Wahl und Krönung Franz II. AD 1792. Das Heilige Reich krönt seinen letzten Kaiser – Das Tagebuch des Reichsquartiermeisters Hieronymus Gottfried von Müller und Anlagen, Frankfurt am Main / Berlin / Bern / New York / Paris / Wien 1995 Hattenhauer, Hans (Hrsg.): Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, 3. Auflage, Neuwied / Kriftel / Berlin 1996 Haußherr, Hans: Hardenbergs Rigaer Denkschrift, in: Historische Zeitschrift, Band 157, München / Berlin 1938, S. 267 ff. – Verwaltungseinheit und Ressorttrennung vom Ende des 17. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Berlin 1953 – (Hrsg.): Die Memoiren des Ritters von Lang 1764 – 1835, Stuttgart 1957 Hecker, Michael: Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, Berlin 2005 Hegel, Karl von: Geschichte der mecklenburgischen Landstände bis zum Jahr 1555: mit Urkunden-Anhang, Rostock 1856 (Nachdruck Aalen 1968)

Quellenverzeichnis

949

Heins, Dieter: Die Ablösung der Grundlasten im Coburger Land, in: Coburger Monatsblätter 1954, Coburg 1954, S. 126 ff. Helbig, Herbert: Der wettinische Ständestaat. Untersuchungen zur Geschichte des Ständewesens und der landständischen Verfassung in Mitteldeutschland bis 1485, 2. Auflage, Köln / Wien 1980 – Fürsten und Landstände im Westen des Reiches im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, in: Heinz Rausch (Hrsg.), Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, Band 2, Darmstadt 1974, S. 123 ff. Heller, Hermann: Geschichtliche Voraussetzungen des heutigen Staates, in: Ernst-Wolfgang Böckenförde (Hrsg.), Staat und Gesellschaft, Darmstadt 1976, S. 3 ff. – Staatslehre, 6. Auflage, Tübingen 1983 (Hendrich, Franz Josias von): Freymüthige Gedanken über die allerwichtigste Angelegenheit Deutschlands, Zürich 1794 – Vertheidigung gegen die dem vormaligen S.-Meiningischen wirklichen Geheimenrath Franz Josias von Hendrich, als Coburgischen Landschaftsdeputierten, gemachten Anschuldigungen, o. Ort 1806 Henker, Michael / Hamm , Margot / Brockhoff , Evamaria (Hrsg.): Bayern entsteht. Montgelas und sein Ansbacher Mémoire von 1796, Augsburg 1996 Herrmann, Rudolf: Thüringische Kirchengeschichte, Band II, Weimar 1947 Herzog, Roman: Allgemeine Staatslehre, Frankfurt am Main 1971 Heß, Ulrich: Das Sachsen-Coburg und Gothaische Staatsministerium 1826 bis 1920, 1961, Manuskript im Thüringischen Staatsarchiv Gotha – Das Sachsen-Coburg und Gothaische Staatsministerium 1858 – 1918, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1962, Coburg 1962, S. 13 ff. – Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Meiningen 1680 – 1829, 1954, Manuskript im Spielzeugmuseum Sonneberg – Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens: Organisation, Geschäftsgang und Personalgeschichte der obersten Regierungssphäre im Zeitalter des Absolutismus, Weimar 1962 – Geschichte der Behördenorganisation der thüringischen Staaten und des Landes Thüringen von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Jahre 1952, Potsdam 1958, Neudruck hrsg. von Peter Langhof und Jochen Lengemann, Jena / Stuttgart 1993 – Geschichte der Staatsbehörden in Schwarzburg-Rudolstadt, Jena / Stuttgart 1994 Heyl, Gerhard: Die Zentralbehörden in Sachsen-Coburg 1572 – 1633, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1961, Coburg 1961, S. 33 ff. Hilker, Judith: Grundrechte im deutschen Frühkonstitutionalismus, Berlin 2005 Hintze, Otto: Die Entstehung der modernen Staatsministerien, in: Historische Zeitschrift, Band 100, München / Berlin 1908, S. 53 ff. – Die Epochen des evangelischen Kirchenregiments in Preußen, in: Gerhard Oestreich (Hrsg.), Otto Hintze: Regierung und Verwaltung. Gesammelte Abhandlungen zur Staats-, Rechts- und Sozialgeschichte Preußens, 2. Auflage, Göttingen 1967, S. 56 ff.

950

Quellenverzeichnis

– Typologie der ständischen Verfassungen des Abendlandes, in: Gerhard Oestreich (Hrsg.), Otto Hintze: Staat und Verfassung. Gesammelte Abhandlungen zur Allgemeinen Verfassungsgeschichte, 3. Auflage, Göttingen 1970, S. 120 ff. Hoefner, Curt: Coburger Hofzeremoniell im frühen 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1973, Coburg 1973, S. 31 ff. Höhn, Alfred: Die Henneberger Herrschaft Coburg und ihre Bedeutung für die Geschichte des Coburger Landes, Coburg 1992 Hönn, Georg Paul: Sachsen-Coburgische Historia, 1. Band, Frankfurt / Leipzig 1700 Hofmann, Hanns Hubert: Adelige Herrschaft und souveräner Staat. Studien über Staat und Gesellschaft in Franken und Bayern im 18. und 19. Jahrhundert, München 1962 – (Hrsg.): Quellen zum Verfassungsorganismus des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1495 – 1815, Darmstadt 1976 Hofmann, Hasso: Repräsentation. Studien zur Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, 4. Auflage, Berlin 2003 Hofmann, Michel: Die Außenbehörden des Hochstifts Bamberg und der Markgrafschaft Bayreuth, Zweiter Teil, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung, Band IV, Erlangen 1938, S. 81 ff. Hubatsch, Walther: Aufbau, Gliederung und Tätigkeit der Verwaltung in den deutschen Einzelstaaten, in: Kurt G. A. Jeserich (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 2, Stuttgart 1983, S. 166 ff. Huber, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band I: Reform und Restauration 1789 bis 1830, 2. Auflage, Nachdruck, Stuttgart / Berlin / Köln / Mainz 1975 – Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, 3. Auflage, Stuttgart / Berlin / Köln / Mainz 1978 Huber, Ernst Rudolf / Huber, Wolfgang: Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts, Band I: Staat und Kirche vom Ausgang des alten Reichs bis zum Vorabend der bürgerlichen Revolution, Berlin 1978 Human, Armin: Napoleonische Zeit und nationale Freiheit in den Herzogtümern S.-Meiningen und Hildburghausen, dem Fürstentum Coburg-Saalfeld, der Grafschaft Camburg und der Herrschaft Kranichfeld während der Zeit von 1792 – 1815, in: Schriften des Vereins für Sachsen-Meiningische Geschichte und Landeskunde, 67. Heft, Hildburghausen 1913, S. 1 ff. Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen (1792), Stuttgart 2002 Hundt, Michael: Die mindermächtigen deutschen Staaten auf dem Wiener Kongreß, Mainz 1996 – (Hrsg.): Quellen zur kleinstaatlichen Verfassungspolitik auf dem Wiener Kongreß. Die mindermächtigen deutschen Staaten und die Entstehung des Deutschen Bundes 1813 – 1815, Hamburg 1996 Huschke, Wolfgang: Politische Geschichte von 1572 bis 1775, in: Hans Patze / Walter Schlesinger (Hrsg.), Geschichte Thüringens, 5. Band: Politische Geschichte in der Neuzeit, 1. Teil 1. Teilband, Köln / Wien 1982, S. 1 ff.

Quellenverzeichnis

951

– Zur Geschichte der Weimarer Stadtverfassung in der Goethezeit, in: Helmut Beumann (Hrsg.), Festschrift für Walter Schlesinger, Band 1, Köln / Wien 1973, S. 554 ff. Ingelmann, Alfons: Altständische Bestandteile in den als Verordnungen erlassenen ersten deutschen Verfassungsurkunden, Kirchhain 1914 – Ständische Elemente in der Volksvertretung nach den deutschen Verfassungsurkunden der Jahre 1806 – 1819, Breslau 1914 Jegel, August: Die landständische Verfassung in den ehemaligen Fürstentümern AnsbachBayreuth (Schluß), in: Historischer Verein für Oberfranken zu Bayreuth (Hrsg.), Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken, 25. Band 2. Heft, Bayreuth 1913, S. 1 ff. Jellinek, Georg: Allgemeine Staatslehre, 3. Auflage, Nachdruck des 5. Neudrucks, Kronberg / Ts. 1976 – Die Lehre von den Staatenverbindungen, Wien 1882 Jeutter, Ewald: Neue Nachrichten zu der Tätigkeit von Carl Alexander Heideloff (1789 – 1865) für Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 2000, Coburg 2000, S. 167 ff. John, Jürgen: Einführung, in: Jürgen John (Hrsg.), Quellen zur Geschichte Thüringens von der Reformation bis 1918, 2. Auflage, Erfurt 1997, S. 15 ff. – Grundzüge der Landesverfassungsgeschichte Thüringens 1918 bis 1952, in: Thüringer Landtag (Hrsg.), Thüringische Verfassungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, Jena 1993, S. 49 ff. Jonscher, Reinhard: Aspekte der Verfassungsentwicklung in Sachsen-Coburg und Gotha zwischen 1848 und 1852, in: Harald Bachmann (Hrsg.), Zur Verfassungs- und Verwaltungsreform in den Herzogtümern Sachsen-Coburg und Gotha in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Coburg 2002, S. 37 ff. – Thüringische Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert – Ein Abriß, in: Thüringer Landtag (Hrsg.), Thüringische Verfassungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, Jena 1993, S. 7 ff. – Verfassungen, Wahlrechte, Bürgerrechte. Zu einigen Aspekten thüringischer Verfassungsentwicklung während und nach der 1848er Revolution (1848 – 1857), in: Hans-Werner Hahn / Werner Greiling (Hrsg.), Die Revolution von 1848 / 49 in Thüringen. Aktionsräume. Handlungsebenen. Wirkungen, Rudolstadt / Jena 1998, S. 131 ff. Just, Manfred: Die herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische Staatsbank, Erlangen 1970 Kaltenborn, Carl von: Geschichte der Deutschen Bundesverhältnisse und Einheitsbestrebungen von 1806 bis 1856 unter Berücksichtigung der Entwickelung der Landesverfassungen, Erster Band, Berlin 1857 Kamptz, Carl Christoph Albert Heinrich von: Abhandlungen aus dem Deutschen und Preußischen Staatsrecht, Erster Band, Berlin 1846 – Erörterung der Verbindlichkeit des weltlichen Reichsfürsten aus den Handlungen seiner Vorfahren, Neustrelitz 1800 Kappelhoff, Bernd: Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft? Landesherr und Landstände in Ostfriesland im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts, Hildesheim 1982

952

Quellenverzeichnis

Kappler, Friedrich: Sammlung der württembergischen Gerichts-Geseze. Vierter Theil, Erste Abtheilung, Tübingen 1839 Karenberg, Dagobert: Die Entwicklung der Verwaltung in Hessen-Darmstadt unter Ludewig I. (1790 – 1830), Darmstadt 1964 Keerl, Erich: Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg zwischen Napoleon und Metternich: ein deutscher Kleinstaat im politischen Kräftespiel der Großmächte 1800 – 1830, Coburg 1973 Kern, Bernd-Rüdiger: Carl Gottlieb Svarez – Der Gesetzgeber Preußens, in: Juristische Schulung 1998, München / Frankfurt am Main, S. 1085 ff. Kiessling, Rolf / Anton Schmid: Das staatliche Gewaltmonopol, München 1978 – Kultur und Kirchen, München 1983 – Regierungssystem und Finanzverfassung, München 1977 – Regierungs- und Verwaltungshandeln. Vom „Polizeistaat“ zum Daseinsvorsorgestaat, München 1977 Klein, Ernst: Geschichte der öffentlichen Finanzen in Deutschland (1500 – 1870), Wiesbaden 1974 Klein, Thomas: Kursachsen, in: Kurt G. A. Jeserich (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 1, Stuttgart 1983, S. 803 ff. – Politik und Verfassung von der Leipziger Teilung bis zur Teilung des ernestinischen Staates (1485 – 1572), in: Hans Patze / Walter Schlesinger (Hrsg.), Geschichte Thüringens, 3. Band: Das Zeitalter des Humanismus und der Reformation, Köln / Graz 1967, S. 146 ff. – Thüringen. Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte, Reihe B, Band 15, Marburg / Lahn 1983 – Wettinisch-ernestinische Staaten, in: Kurt G. A. Jeserich (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 1, Stuttgart 1983, S. 843 ff. Klüber, Johann Ludwig: Acten des Wiener Congresses in den Jahren 1814 und 1815, 1. Band, Erlangen 1815, 2. Band, Erlangen 1815; 6. Band, Erlangen 1816; 7. Band, Erlangen 1817; 9. Band, Erlangen 1835 – Öffentliches Recht des Teutschen Bundes und der Bundesstaaten, 4. Auflage, Frankfurt am Main 1840 (Nachdruck Frankfurt am Main 1975) – Staatsarchiv des teutschen Bundes, 1. Band, Erlangen 1816 Knemeyer, Franz-Ludwig: Beginn der Reorganisation der Verwaltung in Deutschland, in: Kurt G. A. Jeserich (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 2, Stuttgart 1983, S. 122 ff. – Die bayerischen Gemeindeordnungen 1808 – 1945, Köln 1994 – Politisches Kabinett und Verwaltungskabinett in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Entwicklung der Ministerialkabinette in Deutschland, in: Die Verwaltung, 2. Band, Berlin 1969, S. 411 ff. – Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, Köln / Berlin 1970 Köbler, Gerhard: Historisches Lexikon der deutschen Länder, 6. Auflage, München 1999

Quellenverzeichnis

953

Köhler, Karl-Heinz von: Die Zeit als Faktor des Verwaltungsrechts, in: Verwaltungsarchiv, Band 50, Berlin 1959, S. 213 ff. Könitz, Christian Ferdinand von: Beyträge zur Geschichte der Desorganisation der SachsenKoburg-Saalfeldischen Lande. Zu seiner Vertheidigung aus den Landschaftlichen Akten gezogen, Meiningen 1804 Könnecke, Otto: Rechtsgeschichte des Gesindes in West- und Süddeutschland, Marburg 1912 (Nachdruck Frankfurt 1970) Kohler, Adolf: Die Bauernbefreiung und Grundentlastung in Baden, Freiburg 1958 Kolde, Theodor: Das bayerische Religionsedikt vom 10. Jan. 1803 und die Anfänge der protestantischen Landeskirche in Bayern. Ein Gedenkblatt, in: ders. (Hrsg.), Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte, IX. Band, Erlangen 1903 (Kretschmann, Theodor Konrad von): Beurkundete Darstellung der Staats- und Finanz-Verwaltung der Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Lande unter der Regierung des dermal regierenden Herzogs Franz und unter der Leitung des dirigierenden Ministers von Kretschmann, o. Ort 1805 – Die Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande, (1. Band), Leipzig 1803 – In wie fern sind Se. Majestät an die Verträge gebunden, welche die Regierungs-Vorfahren der Fränkischen Fürstenthümer mit den Nachbaren geschlossen haben, in: Konrad Siegmund von Hänlein / ders. (Hrsg.), Staatsarchiv der Königl. Preuß. Fürstenthümer in Franken, Erster Band, Bayreuth 1797, S. 213 ff. – Meine Dienstjahre in Coburg, in: ders. (Hrsg.), Hof und Staat, 3. Band, Erlangen 1810, S. 3 ff. – Meine Dienstjahre in Preußen, in: ders. (Hrsg.), Hof und Staat, 1. Band, Bamberg / Würzburg 1808, S. 11 ff., 2. Band, Bamberg / Würzburg 1809, S. 3 ff. – Vertraute Briefe über das Fürstenthum Baireuth vor und nach dem Preussischen Regierungsantritt an einen Freund in Schlesien, Berlin / Bayreuth 1794 Kruse, Christian: Die Einsetzung der Debitkomission im Fürstentum Sachsen-Coburg-Saalfeld 1771 bis 1773, Erlangen 1984 – Franz Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld 1750 – 1806, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1995, Coburg 1995, S. 1 ff. – Herzog Franz Friedrich Anton und sein Minister Theodor von Kretschmann, in: Harald Bachmann (Hrsg.), Zur Verfassungs- und Verwaltungsreform in den Herzogtümern Sachsen-Coburg und Gotha in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Coburg 2002, S. 1 ff. Kühnlenz, Fritz: Weimarer Porträts. Bedeutende Frauen und Männer um Goethe und Schiller, Rudolstadt 1993 Kusserow, Bodo: Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht der vier freien Städte Deutschlands zu Lübeck und seine Rechtsprechung in Handelssachen, Düsseldorf 1964 Lang, Karl Heinrich (Ritter von): Historische Prüfung des vermeintlichen Alters der teutschen Landstände, Göttingen 1796 – Memoiren des Karl Heinrich Ritters von Lang. Skizzen aus meinem Leben und Wirken, meinen Reisen und meiner Zeit, Erster Theil, Braunschweig 1842 (Faksimile Erlangen 1984)

954

Quellenverzeichnis

Lassen, Waldemar: Die Anfänge der konstitutionellen Budgetwirtschaft bis 1843, Müchen 1911 Lecheler, Helmut: Verwaltungslehre, Stuttgart / München / Hannover 1988 Leibholz, Gerhard: Das Wesen der Repräsentation unter besonderer Berücksichtigung des Repräsentativsystems. Ein Beitrag zur allgemeinen Staats- und Verfassungslehre, Berlin / Leipzig 1929 Levi, Franz: Die Frühphase der Judenemanzipation in Sachsen-Meiningen, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte, Beiheft 29, Jena 1996, S. 39 ff. Lingelbach, Gerhard: Vom Schöppenstuhl zum Oberlandesgericht – Zu vier Jahrhunderten Rechtsprechung in Jena –, in: Hans-Joachim Bauer / Olaf Werner (Hrsg.), Festschrift zur Wiedererrichtung des Oberlandesgerichts in Jena, München 1994, S. 3 ff. Link, Christoph: Die Bedeutung des Westfälischen Friedens in der deutschen Verfassungsentwicklung. Zum 350-jährigen Jubiläum eines Reichgrundgesetzes, in: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte, 67. Jahrgang, Nürnberg 1998, S. 12 ff. Lobethan, Friedrich Georg August: Abhandlung über die Lehre von den Privilegien überhaupt und Buchhändlerprivilegien insbesondere, Dispensationen und Immunitäten, Leipzig 1796 Löffler, Bernhard: Die Ersten Kammern und der Adel in den deutschen konstitutionellen Monachien. Aspekte eines verfassungs- und sozialgeschichtlichen Problems, in: Historische Zeitschrift, Band 265, München 1997, S. 29 ff. Loewenstein, Karl: Staatsrecht und Staatspraxis von Großbritannien, Band I, Berlin / Heidelberg / New York 1967 Loock, Hans-Dietrich: Die preußische Union, der Streit um die Kirchenverfassung 1808 – 1817 und die Reaktion der brandenburgischen Landpfarrer, in: Adolf M. Birke / Kurt Kluxen (Hrsg.), Kirche, Staat und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, München / New York / London / Paris 1984 Lotter, Herbert: Das Steuer- und Abgabenwesen des Coburger Landes im Mittelalter und in den ersten Jahrhunderten der Neuzeit, Erlangen 1951 Lousse, Emile: Parlamentarismus oder Korporatismus? Die Ursprünge der Ständevertretungen, in: Heinz Rausch (Hrsg.), Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, Band 1, Darmstadt 1980, S. 278 ff. Lünig, Johann Christian: Collectio nova, Worinn der Mittelbahren, oder Landsäßigen Ritterschafft in Teutschland, Welche unter dem Kaeyser, auch Chur-Fürsten und Herren angesessen, und von der unmittelbahren freyen Kaeyserlichen Reichs-Ritterschafft in Schwaben, Francken, und am Reinstrome, unterschieden ist, Sonderbahre Praerogativen und Gerechtsame, auch Privilegia und Freyheiten, enthalten sind, und was deme mehr anhängig, Nebst einem Elencho und Register, Frankfurt / Leipzig 1730 – Das Teutsche Reichs-Archiv, Und zwar Pars Generalis, nebst dessen Continuation, Welcher in sich begreift, ein vollkommenes Corpus Juris Publici des Heiligen Römischen Reichs Teutscher Nation, Leipzig 1713 – Des Teutschen Reichs-Archivs Partis Specialis Continuatio II., Leipzig 1712 Lütge, Friedrich: Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Ein Überblick, 3. Auflage, Berlin / Heidelberg / New York 1966 (Nachdruck Berlin / Heidelberg / New York 1979)

Quellenverzeichnis

955

– Die mitteldeutsche Grundherrschaft und ihre Auflösung, 2. Auflage, Stuttgart 1957 – Geschichte der deutschen Agrarverfassung, Stuttgart 1967 – Ritterpferde und Ritterpferdgelder in Thüringen im 16. – 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde, N.F. Band 34, Jena 1940, S. 139 ff. Mager, Wolfgang: Das Problem der landständischen Verfassungen auf dem Wiener Kongreß 1814 / 15, in: Historische Zeitschrift, Band 217, München 1974, S. 325 ff. Mast, Peter: Schrullen eines unbeschäftigten Kleinfürstenstandes. Zur Rolle der Thüringer Fürsten im 19. Jahrhundert, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, Band 55, München 1992, S. 201 ff. – Schwerpunkte, Ergebnisse und Charakter der Volksbewegung von 1848 / 49 in Thüringen, in: Harald Bachmann / Georg Aumann (Hrsg.), Coburg und die Revolution von 1848 / 49, Coburg 1998, S. 103 ff. Meier, Ernst von: Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680 – 1866, Erster Band. Die Verfassungsgeschichte, Leipzig 1898 (Nachdruck Hildesheim / New York 1973), Zweiter Band. Die Verwaltungsgeschichte, Leipzig 1899 (Nachdruck Hildesheim / New York 1973) Melville, Gert: 2006 – ein großes Jubiläumsjahr für Coburg, in: Coburger Geschichtsblätter, 14. Jahrgang, Coburg 2006, S. 3 ff. Mitterauer, Michael: Grundlagen politischer Berechtigung im mittelalterlichen Ständewesen, in: Karl Bosl / Karl Möckl (Hrsg.), Der moderne Parlamentarismus und seine Grundlagen in der ständischen Repräsentation, Berlin 1977, S. 11 ff. Möckl, Karl: Der moderne bayerische Staat. Eine Verfassungsgeschichte vom aufgeklärten Absolutismus bis zum Ende der Reformepoche, München 1979 Möller, Frank: Die Reichsverfassungskampagne in Thüringen, in: Hans-Werner Hahn / Werner Greiling (Hrsg.), Die Revolution von 1848 / 49 in Thüringen, Aktionsräume. Handlungsebenen. Wirkungen, Rudolstadt / Jena 1998, S. 93 ff. Mößle, Wilhelm: Restauration und Repräsentativverfassung. Die Verteidigung und Durchsetzung der Repräsentativverfassung auf den Ministerkonferenzen von Karlsbad und Wien, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, Band 56, München 1993, S. 63 ff. Moser, Johann Jacob: Abhandlung von der Teutschen Land-Stände Conventen ohne Landesherrliche Bewilligung, o. Ort 1765 – Einleitung zu dem Reichs-Hof-Raths-Proceß. Erster Theil. I. von denen Mandatis sine Clausula. II. von Kayserl. Untersuchungs-Commissionen. III. von der Relaxatione Juramenti so wohl ad effectum agendi, als auch überhaupt. Nebst einem wichtigen Supplement zu des Autoris Tractat von dem Remedio, Supplicationis, Frankfurt / Leipzig 1731 – Neues teutsches Staatsrecht. Band 1: Von Teutschland und dessen Staats-Verfassung überhaupt, Stuttgart 1766; Band 3: Von denen Teutschen Reichs-Ständen, der Reichs-Ritterschafft, auch denen unmitelbaren Reichs-Gliedern, Frankfurt am Main 1767; Band 6: Von denen Teutschen Reichs-Taegen. Erster Theil, Frankfurt / Leipzig 1774; Band 7: Von der Teutschen Religions-Verfassung, Frankfurt / Leipzig 1774, Band 8; Von der Teutschen Justiz-Verfassung, Erster Theil Frankfurt / Leipzig 1774, Zweyter Theil Frankfurt / Leipzig 1774; Band 12: Familien-Staats-Recht derer Teutschen Reichsstände, Erster Theil Frank-

956

Quellenverzeichnis

furt / Leipzig 1775; Band 13: Von der Teutschen Reichs-Stände Landen, deren Landständen, Unterthanen, Landes-Freyheiten, Beschwerden, Schulden und Zusammenkünfften, Frankfurt / Leipzig 1769; Band 14: Von der Landeshoheit derer Teutschen Reichsstände überhaupt, Frankfurt / Leipzig 1773; Band 15: Von der Landeshoheit im Geistlichen, Frankfurt / Leipzig 1773, Band 16; Von der Landeshoheit im Weltlichen, Teilband 16 / 1: Von der Landeshoheit in Regierungssachen überhaupt, besonders auch in Ansehung derer landesherrlichen Raths-Collegien, Beamten, Geseze, u.s.w., Frankfurt / Leipzig 1772; Teilband 16 / 2: Von der Landes-Hoheit in Justiz-Sachen., Frankfurt / Leipzig 1773; Teilband 16 / 4, Von der Landeshoheit in Steuer-Sachen, wie auch anderen Geld- und Natural-Abgaben, Frankfurt / Leipzig 1773; Band 17, Von der Teutschen Unterthanen Rechten und Pflichten, Frankfurt / Leipzig 1774 – Reichs-Staats-Handbuch auf die Jahre 1769, 1770, 1771, 1772, 1773, 1774 und 1775, 2. Teil, Frankfurt / Leipzig 1776 – Von dem Reichs-Ständischen Schuldenwesen. So vil es derer Weltlichen Curfürsten, auch Regierenden Reichsfürsten und Grafen, Cameral-Schulden, und die Art, selbige abzustossen und zu bezahlen betrifft. Erster Theil, Frankfurt / Leipzig 1774 Müller, Friedrich von: Erinnerungen aus den Kriegszeiten von 1806 – 1813, Braunschweig 1851 Müller, Gerhard: Kleinstaatlicher Parlamentarismus in Thüringen 1848 / 52, in: Hans-Werner Hahn / Werner Greiling (Hrsg.), Die Revolution von 1848 / 49 in Thüringen, Aktionsräume. Handlungsebenen. Wirkungen, Rudolstadt / Jena 1998, S. 147 ff. – Landständische Repräsentation und früher Konstitutionalismus in Sachsen-Weimar-Eisenach, in: Blätter des Vereins für Thüringische Geschichte e.V., 4. Jahrgang, Jena 1994, Heft 2, S. 20 ff. – Nachbemerkung, in: Thüringer Landtag (Hrsg.), Karl Bohley: Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld von 1800 bis 1821, Weimar / Jena 2003 Müller, Jürgen: Monarchische Revolutionserfahrungen und ihre Folgen, in: Hans-Werner Hahn / Werner Greiling (Hrsg.), Die Revolution von 1848 / 49 in Thüringen, Aktionsräume. Handlungsebenen. Wirkungen, Rudolstadt / Jena 1998, S. 607 ff. Müller, Lothar: Gemeinsame Grundzüge der europäischen Verfassungen, in: Bayerische Verwaltungsblätter 1993, München 1993, S. 513 ff. Müller, Winfried: Zwischen Säkularisation und Konkordat. Die Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche 1803 – 1821, in: Walter Brandmüller (Hrsg.), Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Band III: Vom Reichsdeputationshauptschluß bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, St. Ottilien 1991, S. 85 ff. Mülverstedt, George Adalbert von: Die ältere Verfassung der Landstände in der Mark Brandenburg vornämlich im 16. und 17. Jahrhundert, Berlin 1858 Mußgnug, Reinhard: Der Haushaltsplan als Gesetz, Göttingen 1976 – Die rechtlichen und pragmatischen Beziehungen zwischen Regierung, Parlament und Verwaltung, in: Kurt G. A. Jeserich (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 2, Stuttgart 1983, S. 95 ff. Mutzbauer, Otto: Die Behördenorganisation des Herzogtums Coburg im 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1958, Coburg 1958, S. 13 ff.

Quellenverzeichnis

957

Nöth, Stefan: Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha, in: Initiative Stadtmuseum Coburg e.V. (Hrsg.), „Voraus zur Unzeit“. Coburg und der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland, Coburg 2004, S. 45 f. – Gleußen und das sächsische Geleit. Zur Wiederaufrichtung der Geleitssäule „Heroldstein“ bei Gleußen, in: ders. (Hrsg.), Coburg 1056 – 2006. Ein Streifzug durch 950 Jahre Geschichte von Stadt und Land, Coburg 2006, S. 87 ff. – Zur Einführung: Coburg 1056, in: ders. (Hrsg.), Coburg 1056 – 2006. Ein Streifzug durch 950 Jahre Geschichte von Stadt und Land, Coburg 2006, S. 7 ff. o.V.: Allgemeines genealogisches und Staats-Handbuch, LXIV. Jahrgang 1811, 1. Band, Frankfurt am Main 1811 – Allgemeines Staatsverfassungs-Archiv, Erster Band, Weimar 1816 – Nachträgliche Aktenstücke der deutschen Bundes-Verhandlungen; als Anhang zu den Protokollen der Bundesversammlung, Zweyter Band, Frankfurt am Mayn 1817 – Organisation der Badenschen Lande, Mannheim 1803 – Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 1. Band, Frankfurt am Main 1816; 2. Band, Frankfurt am Main 1817; 4. Band, Frankfurt am Main 1817; 5. Band, Frankfurt am Main 1818; 6. Band, Frankfurt am Main 1818; 12. Band, Frankfurt am Main 1821; 13. Band, Frankfurt am Main 1822 – Theodor Konrad von Kretschmann, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 17 (1883), S. 131 ff. Oesterreicher, Paul (Hrsg.): Archiv des rheinischen Bundes, Bamberg 1806 ff. Oestreich, Gerhard: Ständetum und Staatsbildung in Deutschland, in: Heinz Rausch (Hrsg.), Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, Band 2, Darmstadt 1974, S. 47 ff. – Zur Vorgeschichte des Parlamentarismus: Ständische Verfassung, landständische Verfassung und landschaftliche Verfassung, in: Zeitschrift für historische Forschung, 6. Band, Berlin 1979, S. 63 ff. Ortloff, Friedrich: Geschichte der Grumbachischen Händel, Jena 1868 Ortloff, Hermann: Die Verfassungsentwicklung im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, Jena 1907 Ortloff, Johann Andreas: Statuten der Herzogl. Sächsischen Residenzstadt Coburg, das ist die sogenannten alten Statuten, geordnet, mit Anmerkungen und hieher gehörigen Entscheidungsurtheilen und Rescripten versehen von D. Christoph Güntzel, Stadtsyndicus, als auch die 1675 neuprojectirten Statuten, neben den alten in gespaltenen Columnen abgedruckt, beyde aber mit den Statuten von Hildburghausen, Heldburg, Eisfeld, Ummerstadt und Schalkau verglichen und mit einer Einleitung zur Entwickelung ihrer gegenwärtig bestehenden Gestalt und der jetzt gültigen Stadtrechte begleitet, Coburg 1818 Patin, Wilhelm August: Das Bayerische Religionsedikt vom 26. Mai 1818 und seine Grundlagen, Eine staatskirchenrechtliche Studie, Erlangen 1919 Pellender, Heinz: Chronik der Stadt und der Veste Coburg, der Herren und Herrscher über Coburg und das Coburger Land, 9. Auflage, Coburg 2000

958

Quellenverzeichnis

Pertz, Georg Heinrich: Das Leben des Ministers Freiherr vom Stein, 2. Band, Berlin 1850; 3. Band, Berlin 1851 Peters, Wilfried: Späte Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus. Zur Kontinuität von Verfassungssystemen an nord- und mitteldeutschen Konstitutionalismusbeispielen, Frankfurt am Main / Berlin / Bern / New York / Paris / Wien 1993 Pfeffer, Rupert: Die Verfassungen der Rheinbundstaaten als Zeugnisse des politischen Denkens in den Anfängen des deutschen Konstitutionalismus, Erlangen 1960 Pischel, Felix: Die Entwicklung der Centralverwaltung in Sachsen-Weimar bis 1743, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde, N.F. Band 20, Jena 1911, S. 237 ff. Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Die Geschichte der Staaten des Ernestinischen Hauses Sachsen: des Großherzogthums Weimar-Eisenach, und der Herzogthümer Altenburg, Meiningen-Hildburghausen-Saalfeld, und Coburg-Gotha, Dresden 1827 – Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit. Mit geschichtlichen Erläuterungen und Einleitungen, Erster Band, die gesammten Verfassungen des teutschen Staatenbundes enthaltend, Erste Abtheilung, 2. Auflage, Leipzig 1832, Zweyte Abtheilung, 2. Auflage, Leipzig 1832; Zweiter Band, die Verfassungen Frankreichs, der Niederlande, Belgiens, Spaniens, Portugals, der italienischen Staaten und der jonischen Inseln enthaltend, 2. Auflage, Leipzig 1833; Dritter Band, die Verfassungen Polens, der freien Stadt Cracau, der Königreiche Galizien und Lodomerien, Schwedens, Norwegens, der Schweiz und Griechenlands enthaltend, 2. Auflage, Leipzig 1833 – Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit. Mit geschichtlichen Erläuterungen und Einleitungen (Fortsetzung), Vierter Band, Erste Abtheilung, die Verfassungen des teutschen Staatenbundes seit dem Jahre 1833 enthaltend, 2. Auflage, Leipzig 1847 Pözl, Joseph: Sammlung der bayerischen Verfassungs-Gesetze, 2. Auflage, München 1869 Posse, Otto: Die Wettiner. Genealogie des Gesammthauses Wettin Ernestinischer und Albertinischer Linie mit Einschluß der regierenden Häuser von Großbritannien, Belgien, Portugal und Bulgarien, Leipzig / Berlin 1897, Neudruck bearb. von Manfred Kobuch, Leipzig 1994 Press, Volker: Die wittelsbachischen Territorien: Die pfälzischen Lande und Bayern, in: Kurt G. A. Jeserich (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 1, Stuttgart 1983, S. 552 ff. – Formen des Ständewesens in den deutschen Territorialstaaten des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Peter Baumgart (Hrsg.), Ständetum und Staatsbildung in Brandenburg-Preußen, Berlin / New York 1983, S. 280 ff. – Landstände des 18. und Parlamente des 19. Jahrhunderts, in: Helmut Berding / Hans-Peter Ullmann (Hrsg.), Deutschland zwischen Revolution und Restauration, Königstein (Ts.) / Düsseldorf 1981, S. 133 ff. – Landtage im Alten Reich und im Deutschen Bund. Voraussetzungen ständischer und konstitutioneller Entwicklungen 1750 – 1830, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte, Band 39 (1980), Stuttgart 1981, S. 100 ff. – Steuern, Kredit und Repräsentation, in: Zeitschrift für historische Forschung, 2. Band, Berlin 1975, S. 59 ff.

Quellenverzeichnis

959

Proff, Karl Freiherr von: Ideen über die Organisation einiger untern Staats-Gewalten, und verschiedene darauf Bezug habende Gegenstände, mit Rücksicht auf das Herzogthum Berg, Düsseldorf 1803 Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung, des Teutschen Reichs, Zweyter Theil Göttingen 1786, Dritter Theil Göttingen 1787 Quint, Wolfgang: Souveränitätsbegriff und Souveränitätspolitik in Bayern. Von der Mitte des 17. bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Berlin 1971 Rachfahl, Felix: Alte und neue Landesvertretung in Deutschland, in: Gustav Schmoller (Hrsg.), Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft in Deutschen Reich, 33. Jahrgang, Leipzig 1909, S. 89 ff. Rehberg, August Wilhelm: Ueber die Staatsverwaltung deutscher Länder und die Dienerschaft des Regenten, Hannover 1807 Reichard, Heinrich Gottlieb: Monarchie, Landstände und Bundesverfassung in Deutschland, nach der historischen Entwickelung und auf den gegenwärtigen Standpuncten der Staatenund Bundesgesetzgebung beleuchtet, Leipzig 1836 Reichardt, Erich W.: Neue Thüringer Kirchenkunde, 2. Auflage, Berlin 1966 Reinicke, Wolf-Rüdiger: Landstände im Verfassungsstaat. Verfassungsgeschichte und gegenwärtige Rechtsstellung der Landschaften und Ritterschaften in Niedersachsen, Göttingen 1975 Reyscher, August Ludwig: Vollständige, historisch und kritisch bearbeitete Sammlung der Württembergischen Gesetze, 2. Band, Stuttgart / Tübingen 1829; 3. Band, Stuttgart / Tübingen 1829 Rials, Stéphane: La déclaration des droits de l’homme et du citoyen, Paris 1989 Richter, Gregor: Die ernestinischen Landesordnungen und ihre Vorläufer von 1446 und 1482, Köln / Graz 1964 Richter, Ludwig: Geschichte der evangelischen Kirchenverfassung in Deutschland, Leipzig 1851 (Nachdruck Amsterdam 1970) Rieker, Karl: Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands in ihrer geschichtlichen Entwickelung bis zur Gegenwart, Leipzig 1893 Rimscha, Wolfgang von: Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus. Zur Entstehung und Bedeutung der Grundrechtsartikel in den ersten Verfassungsurkunden von Bayern, Baden und Württemberg, Köln / Berlin / Bonn / München 1973 Robbers, Gerhard: Religionsrechtliche Gehalte des Westfälischen Friedens. Wurzeln und Wirkungen, in: Meinhard Schröder (Hrsg.), 350 Jahre Westfälischer Friede. Verfassungsgeschichte, Staatskirchenrecht, Völkerrechtsgeschichte, Berlin 1999, S. 71 ff. Röder, Johann Ulrich: Von Erb-Gerichten und Lehns-Vogtheyen nach der Landes-Verfassung und den Landes-Gesetzen des Fürstenthums, oder der Pflege, Coburg, Hildburghausen 1782 Ruch, Alexander / Gérard Hertig / Urs Ch. Nef (Hrsg.): Das Recht in Raum und Zeit. Festschrift für Martin Lendi, Zürich 1998 Rudhart, Hans-Wilhelm: Die Preußische Staatsbank (Seehandlung) 1904 – 1926 mit besonderer Berücksichtigung der letzten zwei Jahrzehnte, Leipzig 1927

960

Quellenverzeichnis

Rudhart, Ignatz (von): Die Geschichte der Landstände in Bayern, München 1819 Rudloff, Wilhelm August: Versuch einer pragmatischen Einleitung in die Geschichte und heutige Verfassung der teutschen Chur- und fürstlichen Häuser, 1. Theil, Göttingen / Gotha 1768 Rückert, August: Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen für das Herzogthum Coburg auf den Zeitraum von 1800 bis 1826 und resp. weiter bis 1839 incl. Coburg 1844 Salzwedel, Jürgen: Wege, Straßen und Wasserwege, in: Kurt G. A. Jeserich (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 2, Stuttgart 1983, S. 199 ff. Sandern, Detlef: Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha 1821 / 26 – 1849 / 52, Erfurt 1996 Scheeben, Elisabeth: Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha. Studien zu Biographie und Weltbild eines liberalen deutschen Bundesfürsten in der Reichsgründungszeit, Frankfurt am Main / Bern / New York / Paris 1987 Scheuner, Ulrich: Volkssouveränität und Theorie der parlamentarischen Vertretung. Zur Theorie der Volksvertretung in Deutschland 1815 – 1848, in: Karl Bosl / Karl Möckl (Hrsg.), Der moderne Parlamentarismus und seine Grundlagen in der ständischen Repräsentation, Berlin 1977, S. 297 ff. Schildt, Bernd: Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft. Verfassung und Recht der Landgemeinde Thüringens in der frühen Neuzeit, Weimar 1996 Schlesinger, Walter: Verfassungsgeschichte und Landesgeschichte, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Band 3, Marburg (1953), S. 1 ff. Schleutker, Hermann: Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Königlichen Seehandlung von 1772 – 1820, Paderborn 1920 Schlögl, Daniel: Stationen des Parlamentarismus in Bayern. Ein Überblick, in: Walter Ziegler (Hrsg.), Der Bayerische Landtag vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, München 1995 Schmelzer, Friedrich August: Die kaiserliche Wahlkapitulation Seiner Majestät Franz des Zweyten, Helmstädt 1793 Schmidt, Christian Hermann: Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Monarchie. Eine dogmengeschichtliche Untersuchung zum Problem der Normenhierarchie in den deutschen Staatsordnungen im frühen und mittleren 19. Jahrhundert (1818 – 1866), Berlin 2000 Schmidt, Gerhard: Die Staatsreform in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eine Parallele zu den Steinschen Reformen in Preußen, Weimar 1966 Schnaubert, Andreas Joseph: Grundsätze des Kirchenrechts der Protestanten in Deutschland, 2. Auflage, Jena 1795 – Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, Jena 1806 Schrader, Paul: Die Geschichte der Königlichen Seehandlung (Preußische Staatsbank) mit besonderer Berücksichtigung der neueren Zeit, auf Grund amtlicher Quellen bearbeitet, Berlin 1911 Schröder, Meinhard: 350 Jahre Westfälischer Friede. Verfassungsgeschichte, Staatskirchenrecht, Völkerrechtsgeschichte, Berlin 1999 Schröder, Rainer: Das Gesinde war immer frech und unverschämt. Gesinde und Gesinderecht vornehmlich im 18. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1992

Quellenverzeichnis

961

Schubert, Ernst: Die Landstände des Hochstifts Würzburg, Würzburg 1967 Schultes, Johann Adolph von: Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte unter der Regierung des Kur- und fürstlichen Hauses Sachsen vom Jahr 1425 bis auf die neuern Zeiten, Erste Abtheilung, Coburg 1818; Dritte Abtheilung, Coburg 1822 Schulz, Andreas: Herrschaft durch Verwaltung. Die Rheinbundreformen in Hessen-Darmstadt unter Napoleon (1803 – 1815), Stuttgart 1991 Schulze, Hermann Johann Friedrich: Das Recht der Erstgeburt in den deutschen Fürstenhäusern und seine Bedeutung für die deutsche Staatsentwicklung, Leipzig 1851 Schulze, Herrmann: Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Erster Band, Jena 1862; Dritter Band, Jena 1883 – Lehrbuch des deutschen Staatsrechtes, Erstes Buch: Das Deutsche Landesstaatsrecht, Leipzig 1881 Schweitzer, Christian Wilhelm: Oeffentliches Recht des Großherzogthumes Sachsen-WeimarEisenach, Weimar 1825 Siegmund, Harry: Der französische Einfluß auf die deutsche Verfassungsentwicklung 1789 – 1815, Freiburg i. Br. 1987 Siemann, Wolfram: Wandel der Politik – Wandel der Staatsgewalt. Der deutsche Bund in der Spannung zwischen „Gesammt-Macht“ und „völkerrechtlichem Verein“, in: Helmut Rumpler (Hrsg.), Deutscher Bund und deutsche Frage 1815 – 1866, München 1990, S. 59 ff. Sina, Peter: Ludwig Uhland – Poesie als Ordnung des Chaos, in: Neue Juristische Wochenschrift 2001, München / Frankfurt am Main 2001, S. 550 ff. Smend, Rudolf: Das Reichskammergericht. Erster Teil: Geschichte und Verfassung, Weimar 1911 (Neudruck Aalen 1965) Sowada, Christoph: Die „Demagogenverfolgung“ – Staatliche Unterdrückung politischer Gesinnung, in: Juristische Schulung 1996, München / Frankfurt am Main 1996, S. 384 ff. Spangenberg, Hans: Vom Lehnstaat zum Ständestaat. Ein Beitrag zur Entstehung der landständischen Verfassung, München 1912 (Neudruck Aalen 1964) Spiller von Mitterberg, Christian Heinrich Ludwig Wilhelm: Neue Beyträge zum Staatsrechte und zu der Geschichte von Sachsen, Eisenach 1801 – Beyträge zur genauern Kenntniß der Reichsverfassung Deutschlands, mit besonderer Rücksicht auf die Kaiserliche Wahl-Capitulation, Coburg 1799 Steffan, Franz: Die bayerische Staatsbank 1780 – 1930, München / Berlin 1930 Stölzel, Adolf: Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, dargestellt im Wirken seiner Landesfürsten und obersten Justizbeamten, Zweiter Band, Berlin 1888 Stolleis, Michael: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Zweiter Band: Staatsrechtslehre und Verwaltungswissenschaft 1800 – 1914, München 1992 Strathmann, Friedrich: Altständischer Einfluß auf die deutschen Territorialverfassungen der Jahre 1814 bis 1819. Ein Beitrag zum Problem der Kontinuität der deutschen Verfassungsgeschichte, Mainz 1955 Strenge, Karl Friedrich von / Rudloff, Gustav / Claus, Franz: Die Grundsätze des Kirchenrechts der evangelischen Landeskirchen der Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha, Gotha 1908

962

Quellenverzeichnis

Strube, David Georg: Neben-Stunden. Zweyter Theil, Hannover 1747 Struve, Burcard Gotthelf: Discurs vom Uhrsprung, Unterscheid und Gerechtsahmen der Land-Stände in Teutschland, Insonderheit im Herzogthum Mecklenburg, Hamburg 1741 Tezner, Friedrich: Technik und Geist des ständisch-monarchischen Staatsrechts, Leipzig 1901 (Nachdruck Bad Feilnbach 1990) Thielen, Peter G.: Freiherr vom Stein, Zweiter Band Erster Teil: Minister im Generaldirektorium, Konflikt und Entlassung, Stein in Nassau – Die Nassauer Denkschrift, Wiederberufung (1804 – 1807), Stuttgart 1959 Thimm, Georg: Die Menschen- und Bürgerrechte in ihrem Übergang von den französischen Verfassungen zu den deutschen bis 1831, Greifswald 1905 Tümmler, Hans: Die Zeit Carl Augusts von Weimar 1775 – 1828, in: Hans Patze / Walter Schlesinger (Hrsg.), Geschichte Thüringens, 5. Band: Politische Geschichte in der Neuzeit, 1. Teil, 2. Teilband, Wien 1984, S. 615 ff. – Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach im letzten Jahrfünft seines Lebens und Wirkens 1823 – 1828, in: Helmut Beumann (Hrsg.), Festschrift für Walter Schlesinger, Band 1, Köln / Wien 1973, S. 531 ff. Uhlhorn, Manfred: Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, Köln / Wien 1990 Ullmann, Hans-Peter: Öffentliche Finanzen im Übergang vom Ancien Régime zur Moderne: die bayerische Finanzreform der Jahre 1807 / 08, in: Archiv für Sozialgeschichte, XXIII. Band, Bonn 1983 – Staatsschulden und Reformpolitik. Die Entstehung moderner öffentlicher Schulden in Bayern und Baden 1780 – 1820, Göttingen 1986 – Staatsverwaltung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, in: Der Staat, Beiheft 10, Berlin 1992, S. 123 ff. – Überlegungen zur Entstehung des öffentlichen, verfassungsmäßigen Kredits in den Rheinbundstaaten (Bayern, Württemberg und Baden), in: Helmut Berding / ders. (Hrsg.), Deutschland zwischen Revolution und Restauration, Königstein / Ts. / Düsseldorf 1981, S. 108 ff. Umbach, Dieter C.: Parlamentsauflösung in Deutschland. Verfassungsgeschichte und Verfassungsprozeß, Berlin / New York 1989 Unger, Friedrich Wilhelm: Geschichte der deutschen Landstände, 2. Theil, Hannover 1844 Usée, Kurt: Der Einfluß der französischen Verfassungen auf die deutschen Verfassungsurkunden der Jahre 1806 – 1820, Greifswald 1910 Vereinigung des Adels in Bayern (Hrsg.): Genealogisches Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels, Band IX, Neustadt an der Aisch 1967 Vesting, Thomas: Absolutismus und materiale Rationalisierung. Zur Entstehung des preußischen Patrimonialstaates, in: Archiv des öffentlichen Rechts, Band 119, Tübingen 1994, S. 369 ff. Vierhaus, Rudolf: Die Landstände in Nordwestdeutschland im späteren 18. Jahrhundert, in: Dietrich Gerhard (Hrsg.), Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, 2. Auflage, Göttingen 1974, S. 72 ff.

Quellenverzeichnis

963

– Land, Staat und Reich in der politischen Vorstellungswelt deutscher Landstände im 18. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift, Band 223, München 1976, S. 40 ff. – Von der altständischen zur Repräsentativverfassung. Zum Problem institutioneller und personeller Kontinuität vom 18. und 19. Jahrhundert, in: Karl Bosl / Karl Möckl (Hrsg.), Der moderne Parlamentarismus und seine Grundlagen in der ständischen Repräsentation, Berlin 1977, S. 177 ff. Vogel, Barbara: Allgemeine Gewerbefreiheit. Die Reformpolitik des preußischen Staatskanzlers Hardenberg (1810 – 1820), Göttingen 1983 Vogler, Günter: Absolutistische Herrschaft und ständische Gesellschaft, Stuttgart 1996 Volkert, Wilhelm: Bayern, in: Kurt G. A. Jeserich (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 2, Stuttgart 1983, S. 503 ff. Wachowiak, Bogdan: Stände und Landesherrschaft in Pommern der frühen Neuzeit, in: Hugo Weczerka (Hrsg.), Stände und Landesherrschaft in Ostmitteleuropa der frühen Neuzeit, Marburg 1995, S. 49 ff. Wachsmuth, Carl H.: Versuch einer systematischen Darstellung der Patrimonial-Gerichtsverfassung der Rittergüther. Nach gemeinen und sächsischen Rechten. Ein Handbuch für Gerichtsherren, Gerichtsverwalter und practische Juristen, 2. Auflage, Leipzig 1809 Wangenheim, Karl August von: Auch ein Beytrag zur Geschichte der Organisation der Coburg-Saalfeldischen Lande durch den geheimen Rath und dirigierenden Minister von Kretschmann, Erster Theil, Füllbach 1805; Zweyter Theil, Füllbach 1805 – (Des Vicepräsidenten von Wangenheim) Sendschreiben an den Herrn Professor Karl Julius Lange, in Berlin, als Herausgeber des Nordischen Merkur und öffentlich legitimirten Anwald Sr. Excellenz des dirigirenden Staatsministers Herrn Theodor von Kretschmann, Hildburghausen 1805 Wangenheim, Max Freiherr von: Warum verließ Jean Paul Coburg?, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1963, Coburg 1963, S. 193 ff. Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 5. Auflage, Tübingen 1980 Weis, Eberhard: Montgelas, Erster Band: Zwischen Revolution und Reform: 1759 – 1799, 2. Auflage, München 1988; Zweiter Band: Der Architekt des modernen bayerischen States: 1799 – 1838, München 2005 – Napoleon und der Rheinbund. Der Einfluß des napoleonischen Frankreich auf das Rechtsund Verwaltungssystem Deutschlands, in: Armgard von Reden-Dohna (Hrsg.), Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, Wiesbaden 1979, S. 57 ff. Werthmann, Sabine: Vom Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit. Ein Beitrag zur deutschen Justizgeschichte des 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1995 Westphal, Siegrid: Der politische Einfluß von Reichsgerichtsbarkeit am Beispiel der thüringischen Kleinstaaten (1648 – 1806). Eine Projektskizze, in: Wolfgang Sellert (Hrsg.), Reichshofrat und Reichskammergericht, Köln / Weimar / Wien 1999 Wiedau, Kristin: Eine adlige Kindheit in Coburg. Fürstenerziehung und Kunstunterweisung der Prinzen Ernst und Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 2000, Coburg 2000, S. 1 ff.

964

Quellenverzeichnis

Wiegand, Heinz: Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha-Altenburg (der Fromme) – Doppelherzogtum Sachsen-Coburg und Gotha 1826 – Friedensteinsche Sammlungen für Kunst und Wissenschaft, in: Harald Bachmann (Hrsg.), Zur Verfassungs- und Verwaltungsreform in den Herzogtümern Sachsen-Coburg und Gotha in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Coburg 2002, S. 51 ff. – Verfassungs- und Domänenfragen im Herzogtum Sachsen-Gotha während der Revolution von 1848 / 49, in: Harald Bachmann / Georg Aumann (Hrsg.), Coburg und die Revolution von 1848 / 49, Coburg 1998, S. 169 ff. Willoweit, Dietmar: Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation in den Territorien, in: Kurt G. A. Jeserich (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 1, Stuttgart 1983, S. 289 ff. – Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, Köln / Wien 1975 Winkopp, Peter Adolph (Hrsg.): Der Rheinische Bund, 1. Band, 2. Auflage, Frankfurt 1808; 2. Band 2. Auflage, Frankfurt 1809; 3. Band, Frankfurt 1807; 4. Band, Frankfurt 1807; 7. Band, Frankfurt 1808; 8. Band, Frankfurt 1808; 13. Band, Frankfurt 1809; 14. Band, Frankfurt 1810; 16. Band, Frankfurt 1810 Winter, Georg (Hrsg.): Die Reorganisation des Preussischen Staates unter Stein und Hardenberg, Erster Teil: Allgemeine Verwaltungs- und Behördenreform, Band I: Vom Beginn des Kampfes gegen die Kabinettsregierung bis zum Wiedereintritt des Ministers vom Stein, Leipzig 1931 (Neudruck 1982) Wintterlin, Friedrich: Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, Erster Band, Stuttgart 1904 Wittich, Werner: Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, Leipzig 1896 Wolter, Helmut: Das Häuserbuch der Stadt Coburg 1400 – 1945, Band 2, Hildburghausen 2002 Würtenberger, Thomas: Staatsverfassung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, in: Der Staat, Beiheft 10, Berlin 1991, S. 85 ff. Wüst, Wolfgang: Kloster Banz als ein benediktinisches Modell. Zur Stiftsstaatlichkeit in Franken, in: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte, 70. Jahrgang, Nürnberg 2001, S. 43 ff. Wunder, Bernd: Landstände und Rechtsstaat. Zur Entstehung und Verwirklichung des Art. 13 DBA, in: Zeitschrift für historische Forschung, 5. Band, Berlin 1978, S. 139 ff. – Privilegierung und Disziplinierung. Die Entstehung des Berufsbeamtentums in Bayern und Württemberg (1780 – 1825), München / Wien 1978 Wuttke, Robert: Gesindeordnungen und Gesindezwangsdienst in Sachsen bis zum Jahre 1835. Eine wirtschaftsgeschichtliche Studie, Leipzig 1893 (Nachdruck Bad Feilnbach 1990) Zachariä, Heinrich Albert: Deutsches Staats- und Bundesrecht, Erster Theil.: Allgemeine Lehren und Verfassungsrecht der Bundesstaaten., 2. Auflage, Göttingen 1853; Zweiter Theil, 3. Auflage, Göttingen 1867 – Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, einschließlich der Grundgesetze des deutschen Bundes und der das Verfassungsrecht der Einzelstaaten direct betreffenden Bundesbeschlüsse, 1. Band, Göttingen 1855

Quellenverzeichnis

965

Zerzog, Christian Wilhelm von: Ideen über das Herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische Hausgesetz über die Nichtverbindlichkeit der Regierungs-Nachfolger die Schulden und Veräußerungen der Regierungs-Vorfahren anzuerkennen, Leipzig 1802 Zimmermann, Fritz: Bayerische Verfassungsgeschichte vom Ausgang der Landschaft bis zur Verfassungsurkunde von 1818. Ein Beitrag zur Auseinandersetzung Deutschlands mit den Ideen der Französischen Revolution und Restauration, 1. Teil: Vorgeschichte und Entstehung der Konstitution von 1808, München 1940 (Neudruck Aalen 1973) Zoepfl, Heinrich (Hrsg.): Corpus Iuris Confoederationis Germanicae oder Staatsacten für Geschichte und öffentliches Recht des Deutschen Bundes, Erster Theil, 3. Auflage, Frankfurt am Main 1858, Zweiter Theil, 3. Auflage, Frankfurt am Main 1859

Personenverzeichnis Albert, Prince Consort of Great Britain and Ireland 38 Albrecht, Herzog von Sachsen 37 Albrecht, Herzog von Sachsen-Coburg 37, 68 Alfred Duke of Edinburgh, Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha 38 Arzberger, Christoph 267, 286, 288 – 289, 292, 295, 307, 313, 318, 321, 327, 332 – 333, 391, 397, 408 – 409, 415 – 418, 434 – 435, 449 – 450, 456, 459 –461, 480, 493 – 495 Auguste Caroline Sophie, Herzogin von Sachsen-Coburg-Saalfeld 185, 224, 251 – 252, 265, 269, 304 Below, Georg von 34 Bergner, Albrecht Gottlieb Andreas 424, 427, 430 Berly, Carl Peter 322 Bernhard Erich Freund, Herzog von SachsenMeiningen 499 Berthier, Alexandre 269 Beust, Carl Leopold Graf von 470 Blank, Johann Christian 197 Bonaparte, Napoleon, Kaiser der Franzosen 243, 253, 261, 265 – 269, 303, 351, 356, 367 Briegleb, Carl Friedrich August 424, 427, 430 Bühl, Johann Samuel 130 Bünau, Heinrich von 424, 426 – 427, 430, 463 Carl August, Herzog von Sachsen-WeimarEisenach 304 Carl Eduard, Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha 38 Carlowitz, Christoph Anton Ferdinand von 496 – 498, 507

Castlereagh, Robert Stewart 356 Champagny, Jean-Baptiste Nompere de 296, 299 Charlotte Amalia, Herzogin von Sachsen(Coburg-)Meiningen 45 Christian Ernst, Herzog von Sachsen-CoburgSaalfeld 38 Clarke (französischer Generalgouverneur Preußens) 252 Coburg, Ludwig Emil von 197 Coburg, Ludwig Friedrich Emil von 320 Dalberg, Karl Theodor Anton Maria Reichsfreiherr von 291, 299 Dankelmann, Adolph Johann 251, 253, 260, 261, 262, 303, 305 Dohm, Christian Wilhelm von 174 Donop, Ernst August von 424, 426 – 427, 430, 435, 439, 463 Eberstein (Minister des rheinbündischen Fürst Primas Dalberg) 299 – 302, 323 – 324 Echtermeyer, Johann Friedrich 426, 431 Elkan, Jacob 200 – 202 Engel (Ökonomiedirektor) 127 Engelhardt (stv. Abgeordneter) 424 Ernst, Herzog von Sachsen 37 Ernst I., Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld / Sachsen-Coburg und Gotha 38, 118, 184 – 185, 207 – 208, 225, 242, 251, 256, 258, 262, 265 – 271, 273 – 275, 277 – 278, 288 – 289, 292 – 293, 295 – 296, 299, 303 – 304, 306 – 309, 311 – 312, 316 – 321, 323, 326, 338, 344 – 345, 351, 356 – 358, 373 – 375, 387, 403, 414 – 415, 417 – 421, 423, 434, 445, 452 – 454, 456, 459 – 462, 468, 472, 480, 486 – 487, 492, 495, 498 – 501, 506, 508 – 511, 515, 518, 520, 525 – 526, 545 – 546

Personenverzeichnis Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha 38, 359, 525, 528, 532, 535, 538, 541, 547 Ernst II., Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg 133 Ernst der Fromme, Herzog von SachsenGotha 37, 133, 499 Ernst Friedrich, Herzog von Sachsen-CoburgSaalfeld 40, 45, 178, 216 Falk, Johannes 247 – 248, 266 Feder (Geheimer Rechnungsrat) 183 Ferdinand, Prinz von Sachsen-Coburg-Saalfeld 251 Fischer, Johann Albrecht 197 Fischer, Johann Andreas 424, 426 – 427, 430, 435, 439, 463 Fischler von Treuberg, Franz Xaver von 299, 303, 353, 356 – 357, 433 Flohrschütz, Johann Nicolaus 425, 428, 432, 509 Franz, Johann Georg 425, 428, 432 Franz, Johann Michael 425, 428, 432 Franz II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 221 Franz Friedrich Anton, Herzog von SachsenCoburg-Saalfeld 38, 40 – 41, 43, 45, 83, 97, 99 – 103, 108, 110 – 111, 113 – 115, 118, 144, 151, 164, 167, 170 – 171, 178, 182 – 186, 188, 194, 206 – 208, 212 – 213, 216, 221 – 225, 227 – 231, 236 – 237, 241, 249, 251 – 252, 266, 271, 273, 304 Franz Josias, Herzog von Sachsen-CoburgSaalfeld 38, 48 Friedrich, Herzog von Sachsen-Gotha 45 Friedrich, Herzog von Sachsen-Hildburghausen 258, 499 Friedrich, Herzog von Sachsen-Meiningen 258 Friedrich II., König von Preußen 120 Friedrich IV., Herzog von Sachsen-GothaAltenburg 499 Friedrich August, König von Sachsen 258, 500 Friedrich Josias, Prinz von Sachsen-CoburgSaalfeld 118, 142, 184, 215, 222, 251, 268

967

Gagern, Johann Ernst Freiherr von 252, 268 Gebhardt, Johann Volkmar 425, 431 Geyer, Placidus 345 Giech, Graf von 98 Gleichen genannt Rußwurm, Wilhelm Heinrich Karl von 206, 293, 295, 332 Goebel, Georg Friedemann 129 – 130, 183, 226 Göckel, Johann Andreas 425, 428, 431 Gönner, Nicolaus Thaddäus Ritter von 212, 214, 219, 221, 223, 229 Götz, Philipp Maria von 165, 171, 208 – 211, 220 – 221, 228 – 230 Gräf, Siegmund 426, 428, 432 Gruner, Johann Ernst 121 – 122, 126 – 127, 184, 259, 278, 282 – 284, 288 – 292, 295 – 296, 306 – 307, 312 – 313, 317 – 319, 323, 325 – 333, 352, 363, 369 – 370, 373, 375, 382, 387, 389 – 390, 392, 394, 396, 398 – 404, 408, 410 – 411, 414, 417 – 419, 421, 429, 433 – 435, 452, 462, 473 – 474, 480, 495, 546 Gruner, Johann Gottfried 422 Hamann, Carl Magnus 427, 429 – 430 Hanstein, Friedrich von 197, 424, 426 Hardenberg, Karl August Freiherr von 98, 100, 107 – 110, 122, 128, 138 – 139, 142, 164, 199, 311, 353, 356 Hartleben, Theodor Konrad 121, 231, 247 – 248, 285, 288 – 289, 291 – 292, 294 – 295, 312 Hedenus, Karl Siegmund 425, 428, 432 Heinrich LI., Graf von Reuß-Ebersdorf 97 Helmershausen (Stadtsyndikus) 425 – 426, 432 Hendrich, Franz Josias von 163, 173, 184, 193 – 194, 199, 246, 248, 258, 261 – 262, 264, 330, 338, 374 Heyder (Landesregierungsrat) 127 Hofmann, Albrecht Anton Adolph 394 Hohnbaum, Johann Philipp 304 – 305, 307, 392 – 393, 395, 408 – 409, 417, 434, 462, 480, 484, 495 Holleben (Abgeordneter Saalfeld) 424, 426 – 427, 430 Humboldt, Wilhelm von 273

968

Personenverzeichnis

Imhoff, Ernst Anton Carl von 161, 246, 258 – 259, 261 – 264, 271 – 272, 424, 426 – 427, 430 Jahn, Christoph Heinrich 426, 428, 432 Johann Casimir, Herzog von Sachsen-Coburg 37, 95 Johann Ernst, Herzog von Sachsen-CoburgEisenach 37, 45 Johann Friedrich II., Herzog von Sachsen 37 Johann Wilhelm, Herzog von Sachsen-Weimar 37 Karl Alexander, Markgraf von AnsbachBayreuth 120 Klug, Ehrhardt 425, 428, 431 Knoch, Johann Philipp 426, 431, 439 Köckritz, Carl Leopold von 102 Könitz, Anton von 423, 426, 429, 435 Könitz, Christian Ferdinand von 41, 114, 121, 123, 140, 142 – 145, 148, 152, 154, 156 – 161, 165, 168, 179, 188 – 190, 192 – 196, 204, 209, 212 – 213, 215 – 221, 223 – 224, 229, 271, 331 – 333, 424, 426 – 427, 429 – 430 Kretschmann, Theodor Konrad (von) 40, 45 – 49, 86, 97 – 100, 102 – 104, 106, 108 – 111, 113 – 114, 116 – 117, 119, 121, 123, 126 – 128, 132 – 134, 136, 140 – 143, 146, 157 – 159, 162 – 165, 167 – 169, 173 - 174, 179 – 180, 182 – 184, 186 – 187, 193 – 194, 196 – 203, 205 – 210, 213, 216 – 217, 219 – 225, 227, 229, 231, 234, 236 – 237, 241, 244 – 248, 251 – 253, 255 – 258, 261 – 265, 267, 269 – 271, 273 – 282, 285, 289, 292, 295 – 296, 298 – 314, 319, 322 – 328, 331, 333, 335, 344, 351, 363, 369, 380, 426, 441, 445, 463, 474, 502, 511, 532, 540, 545, 547 Lang (Geheimer Rat) 185 Leiningen, Emich Carl von 185 Leopold I., König der Belgier 38, 403 – 404, 496 Leopold Duke of Albany siehe Carl Eduard, Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha

Lindenau, Bernhard August von 413 – 414, 499 – 500 Lotz, Johann Friedrich Eusebius 364, 376 – 380, 382, 387, 389 – 390, 393 – 396, 403 – 406, 408, 411 – 413, 417, 422 – 423, 429, 433, 453, 456, 469, 480, 490 – 491, 496, 546 Louise Eleonore, Herzogin von SachsenMeiningen 205 Ludewig X. siehe Ludwig X. Ludwig, Prinz von Sachsen-Coburg-Saalfeld 118, 142, 184, 215, 222 – 223 Ludwig IX., Landgraf von Hessen-Darmstadt 311 Ludwig X., Landgraf von Hessen-Darmstadt 118, 237 Max IV. Joseph, Kurfürst von Bayern 235 – 236 Metternich, Clemens Wenzeslaus Lothar Fürst von 353, 355 – 357, 414, 500 Montesquieu, Charles de 377 Montgelas, Maximilian Graf von 113, 311, 938 Moser, Friedrich Karl von 107, 311 Moser, Johann Jacob 145, 148 Müller, Balthasar 425, 428, 431 Müller, Friedrich von 251 – 252, 298 Mylius, Ludwig 432 Oberländer, Theodor 541 Opitz, Johann Heinrich Theodor 396 – 397, 406 – 409, 415, 417, 421, 434, 455 – 456, 460 – 461, 484, 495 Ortloff, Johann Andreas 163, 173, 180, 182, 184, 187, 198, 424, 427, 430, 435, 439, 463 Parigot, Augustin 264, 266, 269 Paul, Jean (Johann Paul Friedrich Richter) 185, 227 Pilgramm, David Heinrich Gottfried von 121, 171, 186, 207 – 208, 210 – 211 Pölitz, Karl Heinrich Ludwig 33 Rauchhaupt, Franz Friedrich Anton Timon von 197

Personenverzeichnis Regenhertz, Karl Albert Dietrich Friedrich 231, 286 – 289, 294, 307, 312 Reimann, Friedrich Wilhelm 425, 427, 431 Röpert, Adolph Friedrich von 307, 318, 326 – 327, 417, 495 Rose, Wilhelm 398, 425, 427, 430, 435, 437, 441, 463 Rosenthal, Georg Tobias 426, 428, 432, 439, 463 Sartorius, Carl Christian Christoph 424, 427, 430 Scheler (Syndikus) 198, 248 Scheres genannt Zieritz, Johann Conrad von 95 Schlesinger, Walter 34 Schmidt, Carl 428, 431 Schmidt, Friedrich Wilhelm 425 – 426 Schmidt, Heinrich Gottlob 424, 428, 431 Schmidt, Johann Wilhelm 428 Schmidt, Wilhelm 428, 431 Schmuzer, Johann Georg 123, 144, 154, 156, 169, 246, 263 Schnetter, Georg Friedrich 128, 130 Schöner, Johann Carl 198, 424, 427, 430 Schultes, Heinrich Wilhelm 127, 198 Schultes, Johann Adolph von 231, 335, 363, 365, 367 Seefried, Christian Carl Freiherr von 198 Senfft von Pilsach, Friedrich A. 302 Speßhardt, Carl Wilhelm von 165

969

Speßhardt, Friedrich Wilhelm von 248, 424, 430 Speßhardt, Haubold Hans Carl Wilhelm von 424, 426 Stein, Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom 100, 520 Steinau, Carl Wilhelm von 198 Steinau, Johann Ernst Carl von 198 Stockmar, Johann Ernst Gotthelf 198, 424 Strecker, Heinrich Andreas 425, 428, 432 Szymborski, Johann Maximilian von 318 Talleyrand, Charles-Maurice de 305 Thümmel, Johann Wilhelm von 201 – 202, 216 – 217, 219, 224 Trautmann, Johann Friedrich 428, 431 Truckenbrodt, Johann Georg 425, 428, 431 Villain, Pierre François 242 – 243, 245 – 248, 253, 255, 266, 310 Voß 100 Wangenheim, Karl August von 104, 107, 140, 142, 147, 182 – 183, 208 – 209, 213, 220 – 221, 224 – 231, 549 Wieland, Christoph Martin 247 Zech (stv. Abgeordneter) 431 Ziegesar, August Friedrich Carl Freiherr von 202

Sachverzeichnis Absolutismus 179, 273 Adjunkturen 93 Ansbacher Hausvertrag siehe Verträge Ansbacher Mémoire 113 Ausschuß zur Verfassungsberatung (ab 1821) 439

Ephorien 513, 543 Erblanddrost, Begriff 72 Erbmarschall, Begriff 72 Evangelische Lehre 81, 92, 235, 238, 252, 347 – 348, 492, 504 exercitium publicum 238

Bank siehe Staatsbank Bauern, Stellung 60, 175, 260 – 261, 300, 302, 332, 334, 350, 372, 375, 388, 399, 402, 436, 467, 475, 489 – 490, 509 Bauordnung vom 1. August 1801 143 Besetzung, französische 241, 265 – 266, 308 Besoldungswesen, Reform 138 Bürgerausschuß 423, 478, 481, 484 Bürgerbegriff 481 Bürgermeister 65, 89, 91, 137, 175, 327, 375, 478, 480 – 482, 484 – 485, 530, 543 Bundesakte siehe Deutsche Bundesakte Bundesvertrag, Entwurf 354

Feudalsystem – Auflösung 333 – Besthaupt 490, 521 – Feudalverfassung 488, 509, 511, 520, 537 – Handlohn 340, 488, 490, 521 – 522, 537 – Laudemialzins 340, 488 – Laudemium 340 – Näherrecht, Ausübung 337 Finanzverwaltung 144 Forstorganisationspatent 210 Forstwesen, Reform 139, 158 Frieden von Posen vom 11. Dezember 1806 258 Frieden von Tilsit vom 7. Juli 1807 268, 545 Fronen 335, 489 – 491, 521, 523, 537

Casimirianische Kirchenordnung vom 17. Februar 1626 92 Centamt 89, 132 Chausseebaukommission 320 Code Napoléon 297, 304 – 305, 351 Debit- und Administrationskommission 46 – 47, 85, 94, 99, 112, 115 – 116, 123, 211, 309 Deputationen 94 Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815 336, 349, 355, 359 – 361, 363, 371, 387, 410, 443 – 444 Dienstverfassung, Änderungen vom 15. Juni 1808 319 Dorfsordnung siehe Gemeindeordnung Einheitsstaat 279, 532, 535 Engerer Ausschuß 58, 67, 69, 71, 257, 381

Geheime Kanzlei 90 Geheimes Ratskollegium 84 – 86, 97 Gemeindebesitzungen 126, 333 Gemeindeordnung 138, 485, 487 – 488, 511, 514, 516 – 517, 541, 544 Generalforstadministration 321 Gerichtswesen siehe Justiz Gesindeordnung vom 11. März 1803 124 – 125, 161 – 162, 210, 350 Gewaltentrennung 131 Goldene Bulle (1356) 48, 152 Gothaische Sukzession von 1826 499, 501 Gothaischer Erbvergleich 477 Gravamina 51, 364 Großherzogstitel 358 Grundgesetz siehe Verfassung

Sachverzeichnis Grundlasten 537 Grundrechte 442, 466, 476, 492, 532 – 534, 536, 538 – Grundrechtskatalog 452, 465, 469, 475, 546 – Petitionsfreiheit 533 – Preßfreiheit 444, 450 – Versammlungsfreiheit 533 Handwerksordnung vom 25. Mai 1803 125, 493 Hausgesetz vom 1. April 1802 118, 120 – 121, 123, 142, 151, 168 – 169, 208, 214 – 215, 220, 222, 224 – 225, 227, 283, 380 Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 31, 43, 45, 53, 62, 221, 241 Hildburghäuser Hauptteilungsvertrag siehe Verträge Huten 490, 521, 523 Immediatkommission 131, 308, 320, 322 – 323 Indigenat 442, 453 Initiativrecht 65, 301, 364, 367, 379 Instructionen – „Allgemeine Kassen- und Rechnungsinstruction für das Fürstenthum CoburgSaalfeld“ vom 30. April 1802 124 – „Allgemeine Rechnungsinstruktion“ vom 30. April 1802 340 – „Geschäftsreglement für die Landesregierung“ vom 1. April 1802 128 – „Instruction für den Canzley-Inspector“ vom 10. Juli 1801 106 – „Instruction für den Journalisten bey dem hiesigen Landes-Ministerio“ vom 9. Juli 1801 106 – „Instruction für die geheime Canzley des Landesministerii“ vom 11. Juli 1801 106 – „Instruction für die geheimen Secretarien bey dem hiesigen Landesministerio“ vom 9. Juli 1801 106 – „Instruction für die Justiz- und Kammerämter“ vom 4. August 1810 341 – „Instruction für Unser Geheimes Departement der Coburg- und Saalfeldischen Lande“ vom 15. Mai 1801 104

971

– „Instruction und Cantzley-Ordnung“ vom 17. Dezember 1572 87 – „Kassen- und Rechnungsinstruktion“ vom 28. September 1809 340 itio in partes 66 iura quaesita 242, 282, 363, 373, 380, 416 iuramentum taciturnitatis 67 Juden, Status 378, 398, 452, 474, 533 Justiz – Gerichtsbarkeit 74 – Instanzenzug 90 – Justizamt 128, 131 – 132, 136, 191, 249 – 250, 341, 343 – 344 – Justizkollegium 320 – Kriminalgericht 177, 231 – 232 – Landesregierung als Justizkollegium 142, 182, 230, 232 – 234, 250, 265, 267, 310, 312 – 314, 319 – 320, 340, 346, 398, 474, 491 – Oberappellationsgericht 233, 286, 288, 297, 310, 312 – 314, 361 – 362, 386, 403, 527 – Patrimonialgerichtsbarkeit 82 – 83, 177, 179, 195, 282, 310, 450, 511 – 512, 539 – Trennung von der Verwaltung 141 Kammer 56, 84, 93 – 94, 115, 128, 132, 202, 208, 323, 338, 340, 365, 373, 380, 383 – 384, 404, 409, 412, 414, 464, 489, 494 – 495, 498, 510, 518, 522 – 523, 540 – Kammeramt 147, 169, 197, 244, 248 – 250, 341, 474 – Kammerkasse 77 – Kammerkollegium 493 – 494, 503, 540 – Kammerordnung vom 18. September 1758 93 Karlsbader Beschlüsse vom 20. September 1819 359, 466, 546 Kassenwesen, Reform 123 Katholische Konfession 57, 237 – 238, 252, 346 – 349, 453, 492, 504, 545 – Freiheitsbrief 235, 238 – Gleichstellung der Katholiken 345 Kollegialsystem 108, 316 – 317 Kommissionen siehe Deputationen

972

Sachverzeichnis

Konferenz zwischen Sachsen-Coburg-Saalfeld und Sachsen-Gotha-Altenburg (1805) 202 Konsistorium 84, 91, 93, 96, 128, 314 Konsulent siehe Landschaft – Bedienstete 73 Kontribution 242 – 246, 255, 262, 266, 270 Landes- und Kriegskasse 84, 95, 97, 115, 117 – 118, 123, 144, 147, 154 – 155, 167, 169, 196, 246 – 248, 263, 270, 367 Landeshoheit, Vereinheitlichung 200 Landeskasse, Beschlagnahme 246 Landeskassenkuratel 471 Landeskollegien, Reorganisation 127 Landesregierung 53, 61, 63, 73, 84, 87, 90, 91, 93, 96, 117, 119 – 121, 126 – 131, 133 – 134, 136 – 137 – Entstehung 87 – Errichtung 128 – Organisationsreform 183 – Personal 129 – Unterbehörden 88 – Zusammensetzung 87 Landesregierung als Justizkollegium siehe Justiz Landmarschall, Begriff 72 Landschaft – Anhörungsrecht 78 – Bedienstete 73 – Begriff 52 – Beschwerden über Verletzungen ihrer verfassungsmäßigen Rechte 147 – 148 – Einberufung der Landtage 63 – Einkammersystem 66, 466 – Geschäftsordnungsfragen 64 – Geschichte 40 – Hoheitsrechte 62 – Landschaftsdirektor 41, 71 – landständische Verfassung, Aufhebung 257 – Landstandschaft 54 – Landtag 67, 175 – Mitwirkung bei Exekutive und Judikative 80 – Organisation 466 – Prälaten 57, 172 – Rechte 74, 176

– Repräsentanteneigenschaft 53 – Ritterschaft 59 – Städte 62 – Ständeversammlung 435, 468 – ständische Gliederung 55 – ständischer Dualismus 63 – Wahl 422 – Wahlergebnisse 424, 427 Landstände siehe Landschaft Landtagsabschied 50, 65, 149, 179, 403, 406 – 407, 437 – Begriff 66 – vom 9. Januar 1682 67, 70 – vom 18. November 1821 473 – 474 – vom 2. Juli 1825 509 – 510 – vom 4. Juli 1829 510, 520 – vom 11. August 1835 512 Landtagsordnung vom 30. Oktober 1820 413, 421 Leipziger Hauptteilungsvertrag siehe Verträge Liebensteiner Präliminarvertrag siehe Verträge Lutherische Lehre siehe Evangelische Lehre Magistrat, städtischer (Coburg) 89, 134 –137 Magistrat, städtischer (Saalfeld) 91, 137 Marsch- und Molestienkasse 177, 181, 243, 244, 255 – 256, 258, 262, 267 Militärgewalt siehe Landschaft, Rechte Militärkommission 140, 177, 239, 274, 318, 321, 493 Militärreglement 239 Ministerium – Errichtung 97 – innere Organisation 104, 106 – 108 – Neuorganisation 316 – Vorbildwirkung 112 Monopole, Aufhebung 349 nexus Gothanus 44, 202, 206 Norddeutscher Bund 31 Notorietät siehe Rechtsquellen Organisationspatent für den Magistrat der Stadt Coburg vom 27. Juli 1829 486, 504, 516

Sachverzeichnis Organisationspatent vom 1. Mai 1802 130, 147, 151, 168, 220, 319 Paulskirchenverfassung vom 28. März 1849 31 Petitionsfreiheit siehe Grundrechte Policey, niedere siehe Landschaft, Rechte Polizeigewalt siehe Lanschaft, Rechte Posener Frieden siehe Frieden von Posen Preßfreiheit siehe Grundrechte Primogenitur 48, 223 – 224, 279, 283, 297, 455 privilegia pro lubita 192 privilegium de non appellando 152, 170, 209, 214 privilegium illimitatum 175 Proposition 65 – 66, 79, 175, 301, 402, 489, 502, 507 Protestanten siehe Evangelische Lehre Provinzialstadträte 342 Provinzialsystem, Abkehr 141 Reaktion 1819 / 182 359 Rechnungswesen, landschaftliches 117 Rechtsquellen des Verfassungsrechts 49 – 52 Reglements – Organisationsreglement vom 27. Oktober 1802 134 – „Reglement für das Ministerial-Archiv“ vom 11. Juli 1801 106 – „Reglement über den Geschäftsgang bei der Landesregierung“ vom 12. November 1806 235 – „Reglement wegen der Militärpflichtigkeit in den Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Landen“ vom 10. Mai 1806 239 – „Reglement wegen der zu erstattenden Berichte“ vom 22. März 1806 235 – „Taxen-Reglement für die Sportel-Caße bey dem Herzogl. Ministerio in den Coburg-Saalfeldischen Landen“ vom 29. Juni 180 106 Regulative – „Regulativ wegen Führung der SportelRechnungen für die Rendanten der Landes-Ministerial-Sportel-Casse“ vom 10. Juli 1801 106

973

Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 295 Reichshofrat 46, 115, 121, 133, 137, 151, 154 Reorganisation der Verwaltung siehe Verwaltungsreform Rezesse – Rezeß vom 3. Mai 1740 58 – Rezeß vom 11. September 1740 58 – Rezeß vom 18. Januar 1771 49 – Rezesse vom 4. Mai 1805 203 – 204 Rheinbund 108, 251, 351, 371, 394, 408, 545 Rheinbundakte vom 12. Juli 1806 256 – 257, 284, 289, 324, 328, 345 Rittergutsbesitzer 59, 60 – 61, 82, 163, 174– 178, 182, 186, 189, 192, 195, 207, 227, 239, 261, 269, 280, 287, 291, 293, 298, 300, 327 – 328, 330, 336 – 338, 340, 364, 366, 368, 372 – 374, 377 – 378, 387 – 390, 392 – 395, 399, 405, 409 – 412, 415, 420, 422 – 423, 534 Scheres-Zieritz-Stiftungskommission 199 Schuldenpragmatik von Baden (1806) 119 –120 Schuldenpragmatik von Bayern (1804) 119 – 120 Servituten 489 Staatsbank 120, 122 – 123, 214, 239, 322 Staatsschuldentilgungskasse 469 Stadt Coburg, innere Organisation siehe Magistrat, städtischer (Coburg) Stadt Saalfeld, innere Organisation siehe Magistrat, städtischer (Saalfeld) Stadtordnung siehe Gemeindeordnung Stadtordnung (Coburg) von 1846 530 Stadtrat 134, 137, 168 Stadtsyndikus 134 – 135, 215, 397 Ständeversammlung siehe Landschaft, Ständeversammlung ständische Gliederung siehe Landschaft, ständische Gliederung Steuern 338 – Debitsteuern 155, 157, 218 – Entrichtung von Steuern und das aktive Wahlrecht 526, 535

974

Sachverzeichnis

– Steuerarten 115 – 117, 147, 163, 169, 191, 195, 210, 217, 255, 434, 446 – Steuerbewilligungsrecht 75, 154, 172, 178, 194, 258, 353 – 355, 364, 372 – 373, 379, 384, 403, 410, 415, 438, 469 – Steuererhebung 77, 96, 147, 154, 167, 192, 256, 336, 339, 449 – Steuerfragen in der Verfassung 324, 401, 439, 457 – Steuerfreiheiten und Steuerpflichten 179, 181, 194, 244, 281, 289, 293, 294, 300, 301 – 302, 325, 329, 331, 335, 338, 369, 371, 388, 546 – Steuerhoheit 44 – Steuerrevision 99, 335 – Steuersubkollekturen 338 – Steuerverwaltung 496, 540 – Steuerverwendung 78, 94, 354, 373, 461, 466 Summepiskopat 81 Superintendenturen 93 Territorium, Sachsen-Coburg-Saalfeld 43, 45 Tilsiter Frieden siehe Frieden von Tilsit Triften 490, 521, 523 Untergericht, geistliches 131 Verfassung (Staatsgrundgesetz von 1852) 505, 525, 532, 535 – 536, 547 Verfassung, erstmalige Ankündigung 148 Verfassungsentwurf (1. Verfassungsentwurf vom 18. Januar 1804) des Ministers Kretschmann – Ablehnung des Entwurfs 180 – Inhalt des Entwurfs 174 – Reaktion des Engeren Ausschusses 195 – Reaktionen auf die Ablehnung 199 – Vorgeschichte 172 – Vorschläge der Landesregierung 172, 197 Verfassungsentwurf (2. geänderter Verfassungsentwurf nach Abschluß der Kommissionsverhandlungen) 181 Verfassungsentwurf (3. Verfassungsentwurf vom 26. Juli 1807) des Ministers Kretschmann – Beteiligung auswärtiger Politiker 299

– Gutachten des Kanzleirats Regenhertz vom 29. Juli 1807 286 – Gutachten des Kanzlers Gruner vom 27. Juli 1807 282 – Gutachten des Regierungsrats Arzberger 286 – Gutachten des Regierungsrats Hartleben 285 – Inhalt des Entwurfs 278 – Interessen Herzog Ernsts I. 303 – Konferenz über die Verfassunggebung am 17. August 1807 292 – Konferenz über die Verfassunggebung vom 10. August 1807 288 – Verfassungsbestrebungen aus dem Landesteil Saalfeld 293 – verwaltungsinterne Verfassungsdiskussion 289 Verfassungsentwurf (4. Fortschreibung des Verfassungsentwurfs in französischer Sprache am 14. Oktober 1807) 296 Verfassungsentwurf (5. Verfassungsentwurf vom 20. Juli 1808) des Kanzlers Gruner 328 – Anmerkungen ständischer Vertreter 330 – Diskussionen im Landesministerium 332 – Inhalt des Entwurfs 328 Verfassungsentwurf (6. Verfassungsentwurf vom 26. Juni 1817) des Regierungsrats Lotz 376 – abermaliger Umlauf im Ministerium 404 – Anmerkungen von Prinz Leopold 403 – Entwurfsdiskussion 387 – Gutachten der Landesregierung als Justizkollegium 398 – Inhalt 377 – Ministerialkonferenz im April 1818 394 – Quellen 376 – Stellungnahmen im Ministerium 389 – Umlauf im Ministerium 396 – Zusicherung einer Beteiligung der ehemaligen Stände 398 Verfassungsentwurf (7. Verfassungsentwurf in der Überarbeitung der ersten Hälfte des Jahres 1820) 410, 415 – Begutachtung durch Metternich und Lindenau 413

Sachverzeichnis – herzogliches Verfassungsmanifest 410 – Vierteilung des Verfassungsentwurfs 411 Verfassungsentwurf (8. verkürzter Entwurf des Grundgesetzes vom 9. Juli 1820) 415 Verfassungsentwurf (9. Verfassungsentwurf aus der zweiten Hälfte des Jahres 1820) 419 Verfassungsentwurf (10. letzter Grundgesetz-Entwurf der Exekutive vom 14. März 1821) 434 Verfassungsentwurf (11. Verfassungsentwurf von April / Mai 1821) Roses 441 Verfassungsentwurf (13. Verfassungsentwurf vom 20. Juli 1821) Opitz’ 455 Verfassungsentwurf (Ständischer Verfassungsentwurf vom 30. Mai 1821) 451 Verfassungsurkunde für Sachsen-CoburgSaalfeld vom 8. August 1821 456, 463 – 464, 468 – Ergänzungen 470, 475 Verordnung über die Errichtung einer ständischen Verfassung vom 16. März 1816 370 Versammlungsfreiheit siehe Grundrechte Versicherungsurkunde vom 27. April 1801 114, 116 Verträge – Ansbacher Hausvertrag vom 12. Oktober 1796 120 – Hildburghäuser Hauptteilungsvertrag vom 12. November 1826 500 – Leipziger Hauptteilungsvertrag vom 26. August 1485 37

975

– Liebensteiner Präliminarvertrag vom 11. August 1826 500 – Waldeckischer Landesvertrag vom 19. April 1816 59 Verwaltung, Neuordnung 271, 306 Verwaltungsreform 31, 33, 39 – 40, 85, 97, 104, 108, 139, 142, 151, 168, 220, 223 – 224, 309 – 311, 440, 473, 477, 496, 542, 547 – Klageerhebung der Landschaft vom 12. Dezember 1803 165, 208, 210 Wahlkapitulation (kaiserliche) 145, 154, 214 Wahlordnung 410 – 412, 417 – 423, 426, 437, 439. 441, 448, 454 – 455 Waldeckischer Landesvertrag siehe Verträge Wettin 36, 37 Wiener Kongreß 31, 333, 335, 337, 339, 341, 343, 345, 347, 349, 352, 357, 370 – Ergebnisse 352 – Gebietsgewinn als Folge 356 – verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen 353 – Wiener Schlussakte vom 15. Mai 1820 360, 441, 460, 466, 471, 546 Wirtschaft, Neuerungen 349 Wohlfahrtsstaat 273 Zivilstaatsdiener, Verordnung über die Rechtsstellung vom 20. August 1821 413, 472 Zunftzwang 126, 492, 519