Obwohl das Christusporträt zur festen Vorstellung geworden ist und die Legenden, die von ungemalten Christusbildern beri
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German Pages 197 [208] Year 2007
MARTIN BÜCHSEL
DIE ENTSTEHUNG DES CHRISTUSPORTRÄTS Bildarchäologie statt Bildhypnose
VERLAG PHILIPP VON ZABERN . MAINZ AM RHEIN
196 Seiten mit 64 Schwarzweißabbildungen; 16 Tafeln mit 19 Farbabbildungen
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
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3., überarbeitete Auflage 2007
© 2003 by Verlag Philipp von Zabern, Mainz am Rhein ISBN: 978-3-8053-3263-7 Satz und Gestaltung: Ragnar Schön, Verlag Philipp von Zabern, Mainz Lithos: Das Reprohaus, Offenbach GesamthersteLlung: Verlag Philipp von Zabern, Mainz Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten. Printed in Germany by Philipp von Zabern Printed on fade resistan a 1 . liry paper (PH 7 neutral) · tcf
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(1·vRses,-Ooeuxtj (oratio) und ngooxvvrim~ (ado ratio) machten. Die eine Art der Verehrung, die oratio, das Gebet, beziehe sich nur auf den Geist, die andere Art der Verehrung, die adoratio, nur auf den Körper. Daher sei es angebracht, sich mit dem Körper vor dem Kreuz niederzuwerfen und es so zu verehren, während wir, mit den inneren Augen schauend, den anbeten, der am Kreuze hing. 815 Durch diese Unterscheidung kann - ähnlich wie in der griechischen Bildpropaganda - das Kreuz oder das Bild des Gekreuzigten in die Verehrung einbezogen werden. Die karolingischen Theologen interessierte kein anderes Bild gleichermaßen wie das Bild des Crucifixus, angesichts dessen die memoria eine neue Bedeutung erhält. Bei Hrabanus_ Maurus begegnet man dem Crucifixus in der gigantischen Sequenz von Lobpreisungen des Kreuzes als Meditationsbild. 816 Schon Jonas von Orleans erklärt, daß der Crucifixus in Gold oder Silber ob memoriam passionis Dominicae817 hergestellt werde. Die Libri Carolini lehnen noch jede Verbindung von Bild und Eucharistie ab. Sie propagieren das Kreuz, nicht aber den Cruxifixus. Sie protestieren vehement dagegen, daß die Verehrung des Bildes mit dem Mysterium der Eucharistie verglichen werde. 818 Sie setzen das Kreuz als Siegeszeichen gegen die Bilder. 819 Diese Passage ist nur scheinbar der Propagierung des Kreuzes durch Kaiser Leon III. nahe.820 Das Kreuz tritt nicht als Insignie der Kaiserherrschaft dem Bild gegenüber auf. In der Nachfolge der Libri Carolini verkehrt sich die Propagierung des Kreuzes in diejenige des Crucifixus. Die Standardformulierung, daß die Bilder des Gedächtnisses wegen da seien, verbindet sich in bezug auf den Crucifixus mit der Formel der Eucharistie: Hoc est corpus meum, quod pro vobis
datur: hoc facite in meam commemorationem (Luc. 22, 19). Und damit ist die Brücke zwischen dem Bild und der Liturgie der Eucharistie gefunden. Die memoriale Funktion der Bilder, die in Byzanz die Erinnerung an die vom Heidentum bedrohten H eiligtümer Palästinas einschloß, wird im Westen
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geschaffen würden (PL, 105, 465C). Agobard von Lyon, PL 104, 298C/D , beruft sich dabei auf Augustinus, der in De civ. Dei, VIII, c. 27 ausführe, daß die Erinnerung an die Märryrer feierlich bewahre werde, daß aber nicht die Märryrer Göttern gleich verehrt würden. Das bekannte Argument findet man wieder bei Jonas von Orleans, PL 106, 3 l 8A-C. Zu der Rolle der Patristik in den Libri Carolini vgl. Wal lach, 1966, S. 451--498. Vgl. Agobard von Lyon, PL 104, 925B/C (Schlosser, Nr. 1009), Jonas von Orleans, PL 106, 207. Norberg, CCS L 140A, S. 1104 datiert diese Interpolation ins 8. Jahrhundert; vgl. Chazelle, 2001 , S. 184 ff. Die Libri Carolini (Opus Caroli) II, 30, 1998 , S. 303, sagen: ,,oculis rantummodo faveant per quos (sc. imagines) quasi per quosdam legaros rerum gesrarum cordibus mandenc. "
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Ps.-Gregor der Große, CCSL, 140A, S. 1104 ff.; vgl. Feld, 1990, S. 14. Ps.-Gregor der Große, CCSL 140A, S. 1110 f.: ,,Scimus quia ru imaginem Saluaroris nosrri ideo non peris, ur quasi Deum colas, sed ob recordationem filii Dei in eius amore recalescas, cuius te imaginem uidere desideras. Et nos quidem non quasi ante diuinitatem ante ipsam prosternimur, sed illum adoramus quem per imaginem aur narum aur passum uel in rhrono sedentem recordamur. Er dum nos ipsa picrura quasi scriprura ad memoriam filium Dei reducimus, animum nostrum aur de resurrectione laetificat aur de passione emulcat." In ottonischer Zeit schließen daran die Akren des Konzils von Arras, Mansi, Bd. 19, S. 455, an: ,,Non enim rruncus ligneus adorarur sed per illam visibilem imaginem mens interior hominis excitarur, in qua Christi passio et mors pro nobis suscepta tanquam in membrana cordis inscribirur, ut in se unusquisque recognoscat quanta suo Redemprori debeac." MGH, Concilia 2,2, S. 483 f., 489. Zum Zustandekommen des libellus, des Dossiers der Synode, vgl. Lamberz, 2002, 1066 ff. Epp. V, Kar. Aevi III, MGH , S. 148; Hauck, 1974, S. 216: ,,Illud tarnen nosse debes, quod Greci inter orationem et adorationerri talem differentiam faciunt , ur orarionem proseuchin, adorarionem proschinusin appellent, idque huiuscemodi differentia demonsrrari, quod horum alrerum ad mentis, alrerum ad corporis specrar officium. " Hrabanus Maurus, De laudibus sancrae crucis, PL 107, 151B/C: ,,Ecce imago Salvaroris membrorum suorum positione consecrat nobis saluberrimam, dulcissimam et amantissimam sanccae crucis formam , ur in ej us
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nomine credentes et ejus mandaris obedientes, per ejus passionem spem virae aeternae habeamus; ur quotiescunque crucem asp iciamus, ipsius recordemur, qui pro nobis in ea passus esr, ur eriperet nos de potestate renebrarum, degluriens quidem morcem, ut vitae aerernae haeredes efficeremur, profecrus in coelum subditis sibi angel is et potesraribus er virrutib us." Jonas von Orleans, PL 106, 340B: ,,ob memoriam passionis Dominicae imaginem crucifixi Christi in auro argentove exprimimus, aur cerce in rabulis diversorum colorum fucis depingimus." Opus Caroli II, 27, 1998, S. 290 ff. Opus Caroli II, 28, 1998, S. 296 f.: ,,In cruce namque, non in imaginibus, prerium mundi pependir. . .. Hoc est nosrri regis insigne.. .. Hoc esr signum nosrri imperaroris, non conpaginario colorum, quod ad proelium nosrre sequuntur cohorces. Non igirur quaedam materialis imago, sed Dominicae crucis mysrerium esr vexillum , quod in campo duelli, ur fortius confligamus, sequi debemus." Gera, Libri Carolini , 1973, S. 17 f. , sieht eine besondere Nähe der Libri Carolini zur Propagierung des Kreuzes unter Leon III. Dennoch darf nicht übersehen werden, daß die Konsequenzen im Westen und im Osten sehr verschiedene waren.
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zur eucharistischen Bestimmung. Zu spätkarolingischer Zeit ist der Crucifixus zu dem Bild geworden, das vor allen anderen Bildern in die Liturgie eingebunden ist. Wohl schon im 9. Jahrhundert, mit Sicherheit aber im 10. Jahrhundert wurde der Crucifixus zum Zentrum der Ausstattung einer Kirche. Das monumentale vollplastische Bild stellte man über dem Altar auf. 821 Kein politisch, sondern ein liturgisch propagiertes Gottesbild stand im Zentrum des Interesses. Während in Byzanz sich der Ikonoklastenstreit nie von der Frage der Repräsentanz der Kaiserherrschaft emanzipierte, führte im Westen der Bilderstreit zur Festlegung der Ordnung der Bilder innerhalb der Ausstattung der Kirche.
DER LIBER MIRACULORUM VON BERNHARD VON ANGERS Spätestens seit der Pariser Synode ist die Frage der Verehrung und der Funktion der Bilder keine Frage mehr, die für alle Bilder, die Gott und die Heiligen darstellen, gleichartig beantwortet wird. Das dokumentiert der Liber miraculorum. Bernhard von Angers ist der Autor der ersten beiden Bücher des Liber miraculorum. 822 Er wurde wie viele andere seiner Zeitgenossen von Fulbert von Chartres angezogen und wurde wohl für eine relativ kurze Zeit sein Schüler. 1010 verließ er wieder Chartres und folgte dem Ruf, Leiter der Kathedralschule in Angers zu werden. Von den Wunderberichten der hl. Fides angezogen, brach er ab 1013 mehrmals nach Conques auf. In der kunsthistorischen Literatur ist es nicht beachtet worden, daß der Liber miraculorum streng zwischen Bildern, die der liturgisch geregelten Devotion dienen, und solchen, die paraliturgische Funktionen erfüllen, unterscheidet, weil der Text weitgehend nach Maßgabe der Interpretation von Harald Keller rezipiert wurde, der darin ein Dokument für seine These sah, daß in der mittelalterlichen Kunst die Reliquie erst die vollplastische Darstellung ermöglicht habe. 823 Die Kritik Bernhards an anthropomorphen Reliquiaren, die er zu Beginn seiner Reise äußert, ehe er sich von der Anbetungswürdigkeit solcher Heiligenbilder bekehren läßt, geht von einer liturgischen Vorstellung der Funktion der Bilder aus. Als p roblematische Bildform beargwöhnt Bernhard von Angers den in der abgelegenen Gegend der Auvergne überdauernden Kult der Verehrung von anthropomorphen Reliquiaren von Heiligen.. Dagegen propagiert er den vollplastischen Crucifixus als Verwirklichung der wahren Liturgie. Die Mirakelberichte dokumentieren typische Zwecke eines Reliquiars. Nicht von ungefähr wird der Materialwert des Reliquiars innerhalb der Legenden berichtet, die erzählen, wie unerbittlich die H eilige wertvolle Geschenke eintreibt. Mit der Beschreibung des Reliquiars, das in Conques die Majestät der heiligen Fides genannt wird, 824 beginnt diese Klasse von Legenden. 825 Das Reliquiar vertritt auch die Abtei in Rechtsstreitigkeiten und bekräftigt durch ihre Majestät die Ansprüche der Abtei. Der Liber miraculorum berichtet von einer Prozession, in der das Reliquiar nach Molompize
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gebracht wird, um die Besitzansprüche auf diesen Ort zu bekräftigen.826 Der Heilige ist der Hausherr einer Abtei. Verletzungen der Rechte der Abtei sind Verletzungen der Rechte des Heiligen. Andere Quellen zeigen ebenso, daß mittels des Reliquiars besonders wirksam die verletzten Rechte eingefordert werden. 827 Der Liber miraculorum zeigt das Reliquiar in paraliturgischen Kontexten. Wie der Heilige, vertreten durch sein Reliquiar, die Rechte der Abtei herzustellen hat, so muß er auch durch eine Prozession herbeizitiert werden, um endlich eine Hungersnot von seinem Land zu nehmen. 828 Das Reliquiar ist aber auch der Adressat für die private Devotion, vornehmlich derjenigen der Laien. Bernhard von Angers berichtet von der Statue des hl. Geraldus, die auf einem Altar aufgestellt war: ,,Ausgezeichnet durch reinstes Gold und wertvollste Steine ist sie, dem Angesicht der menschlichen Gestalt so nachgebildet, daß es den meisten Bauern so erscheint, daß sie (sc. statua) die sie Anblickenden mit einem durchdringenden Blick sehe und daß sie mit zurückblickenden Augen sich den Wünschen der Bittenden irgendwann günstig zeige." 829 An das anthropomorphe Reliquiar richten die Bauern ihre privaten Bitten und betrachten
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Büchse! , 1993, S. 50. Liber miraculorum, lntroduzione, Robertini, 1994, S. 58 ff.; Sheingorn, lntroduction, 1995, S. 22 ff.; Schmidt, 1994, S. 73 ff. Keller, 1951 , S. 7 1-91 ; Büchse! , 1993, S. 45ff. ; vgl. auch Wirth, 1989, S. 17 1 ff.; Schreiner, 1966, S. 1-53. Z u dem Begriff der maiestas cf. Schmitt, 1994, S. 445-455. Li ber miraculorum !, 16, Robertini, 1994, S. 116 f.: "Memorate imaginis fabrica, que ab incolis locis maiescas sancte Fidis appelacur, constat ex auro mundissimo et per vescium divisiones, ur ratio artificii exposrulat, gemmis diligentia opificis subcili ter insertis, decenter insignata. Ligacuram quoque capicis gemmis et auro proferc insignem. Armille auree, in brachiis aureis , scabellum aureum sub pedibus aureis, cathedra calis ur nihil in ea preter pretiosos lapides, nisi aurum optimum pareat, sed et super cacumina fulchrorum que anteriora prominent, due columbe gemmis et auro composite rocius cachedre decorare videntur pulchricudinem. " Liber miraculorum, II, 4, Robertini , 1994, S. 158 f.: ,,Esc enim mos insitus et inolica consuetudo, ur si cerra sancte Fidi dacur aut ab iniusro pervasore qualibet racione collitur, sacre imaginis capsa eo deferatur in recipiendi iuris testimonium, edicca sollemnicer processione cleri plebisque, cum cereis ac lampadibus om nique celebritate procedentis." Einige Beispiele führe Agenendt, 1997, S. 198-203, an. H äufig zitiert wird das Eingreifen des hl. Remaclus. Die Mönche von Scablo protestierten gegen die Entscheidung Kaiser Heinrichs IV: , der Abtei die Oberhoheit über das Kloster in Malmedy zu nehmen. Die Mönche setzten in Aachen den Schrein des Remaclus auf die Festtafel. Dieser blieb solange dort stehen, bis der alte Rechtszustand wieder hergestellt worden wurde. Cf. Vogtherr, 1990. Liber miraculorum, !, 14. Liber miraculorum, !, 13, Robercini, 1994, S. 112: ,,Quod cum sapientibus videacur haud iniuri a esse superstitiosum, videtur enim quasi prisce culcure deorum vel potius demon iorum servari ricus, mihi quoque sculto nihilominus res perversa legiq ue christiane contraria visa nimis fuit, cum primicus sancti Geraldi statuam super alcare positam perspexerim, auro purissimo ac lapidibus pretiosissimis insignem et ita ad humane fugure vultum expresse effigiatam, ur plerisquue rusticis videntes se perspicaci intuicu videacur videre oculisque reverberantibus precantium votis aliquando placidius favere."
das Gesicht der statua als ihr Gegenüber, durch das die Heilige gleichsam zu ihnen spricht. Hier findet die private, nicht liturg.isch geregelte Devotion statt. Und gerade das führt in das Zentrum des Problems. Die vehemente Ablehnung der anthropomorphen Reliquiare, die Bernhard von Angers als seine anfängliche Position beschreibt, als er in die Auvergne reiste, gipfelt in dem Vorwurf der Idolatrie. Den Weisen erscheine es als Aberglaube,830 weil der Brauch, Reliquien mit einer prächtig geschmückten Statue zu umgeben, ein Ritus sei, der dem Götterkult - in Wahrheit der Dämonenpflege - entstamme. Im Anblick der Sitzfigur des heiligen Geraldus von Aurillac erhebt er den Verdacht der Idolatrie: Das Reliquiar wird mit einem Götzen verglichen. Seinen Begleiter fragt er, ob sich wohl Jupiter oder Mars einer solchen Statue für unwürdig gehalten hätte.831 Aber diese vehemente Ablehnung richtet sich keineswegs gegen das Heiligenbild im allgemeinen oder gegen jegliche Art von statuae in der Kirche. Man erstaunt, daß der Vorwurf, Idol zu sein, nicht gegen den Cruci.fixus erhoben wird. Vielmehr wird die Statuenpräsenz des Gekreuzigten in einer Kirche als Ausdruck des korrekt realisierten Kultes bezeichnet: ,,Nam ubi solius summi et veri Dei recte agendus est cultus, nefarium absurdumque videtur gypseam vel ligneam eneamque formari statuam, excepta crucifixi Domini. Cuius imago ut affectuose, ad celebrandam dominice passionis memoriam, sculptili sive fictili formetur opere, sancta et universalis recipit Ecclesia. Sanctorum autem memoriam humanis visibus, vel veridica libri scriptura vel imagines umbrose coloratis parietatibus depicte tantum debent ostendere. " (,,Denn wo die Verehrung des einen höchsten und wahren Gottes in rechter Weise geschehen soll, erscheint es frevelhaft und absurd, daß eine gipserne, hölzerne oder eherne Statue geformt wird, mit Ausnahme des gekreuzigten Herrn. D aß dessen Bild aus liebevoller Zuneigung - nämlich zur Feier des Gedenkens an das Leiden des H errn - entweder als Skulptur oder als Plastik hergestellt werde, läßt die heilige und allumfassende Kirche zu. Die Wiedergabe der Erinnerung an die Heiligen hingegen soll, soweit die Augen der . Menschen betroffen sind, allein der wahrheitsgetreuen Niederschrift in Büchern oder in zweidimensionalen farbigen Wandmalereien vorbehalten bleiben.") 832 Diese Passage dokumentiert, daß Bernhard von Angers eine Begründung von monumentaler Skulptur gekannt hat, die nichts mit der Allianz mit der Reliquie zu tun hat. Der Crucifixus wird nach einer anderen Ordnung gedacht als das anthropomorphe Reliquiar. Der Crucifixus ist liturgisch legitimiert, in dem er die Eucharistie verkörpert. Das anthropomorphe Reliquiar spielt eine paraliturgische Rolle, indem es zum Ansprechpartner des Gebets der rustici wird. Nicht an dem monumentalen Cruci.fixus, dessen Funktion durch die Eucharistie definiert wurde, haftete der Vorwurf der adoratio, sondern am anthropomorphen Reliquiar. 833 Die Eucharistie, die liturgisch geregelte Erinnerung an das Leiden des Herrn, erlaubt die statua des Gekreuzigten, dagegen darf die Erinnerung an die H eiligen nur durch zweidimensionale Wandbilder wachgerufen werden. Damit wird
die memoria Passionis Domini von der memoria sancti unterschieden. Die Formulierung sanctorum memoria heißt, daß die Bilder nicht der Anbetung dienen. Die memoria der Heiligen wird der adoratio entgegengesetzt, wie es seit der Pariser Synode von 824/25 üblich ist. 834 D em Gesichtssinn darf nicht mehr geboten werden als das zweidimensionale Bild,
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Diese Überlegungen kreuzen die Diskussion der Historiker des Liber miraculorum. Während in der Kunstgeschichte der Liber miraculorum die Frage ins Zentrum rücken ließ, was das Verhältnis von der Reliquie zu der statua sei, haben die Historiker - insbesondere die französische Geschichtsschreibung, Hubert, 1982, S. 237-275 - die Frage diskuciert, ob der Text nicht den Konflikt zwischen der Kultur der Gebildeten und der Laien dokumentiere. Remensnyder, 1990, S. 35 1-379, hat die Trennung dieser beiden Kulturen relativiert, indem er darauf hinwies, daß auch Gebildete sich auf der Art dem anthropomorphem Reliquiar näherten, die als typisch für die Laien beschrieben wird. Im Liber miraculorum wird Wissen und Unwissen distinkter gefaßt, als es der Unterschied gebildet und ungebildet zum Ausdruck bringt. Wissen ist das Wissen um die richtige Ausübung des Kultus, um den liturgisch geregelten Bildergebrauch. 831 Liber miraculorum,I, 13, Robertini, 1994, S. 114:,, ... lacino sermone · in hanc sententiam erumpo: 'Quid tibi, fracer, de ydolo? An Iuppiter sive Mars rali sracua se indignos esrimassent?,,, 832
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Liber miraculorum, I, 13; Sheingorn, 1994, S. 77 f.:,, ... for where ehe cult of ehe only high and crue God must be practiced correcdy it seems an impious crime and an absurdity that a plaster or wooden and bronze statue is made, unless ic is ehe crucifix of Our Lord. The holy and universal church accepts chis image, in eicher carved or modeled form, because it arouses our affeccive piety in ehe commemoration of Our Lord's Passion. But ehe saints ought ro be commemorated by displaying for our sight only truthful writing in a book or insubstantial images depicced on painted walls." Die Übersetzung bereitet einige Schwierigkeiten. Es sei Felix Heinzer, Freiburg i. Br., für seine hilfreiche Unterstützung gedankt. ,,human is visibus" versteht Felix Heinzer mit guten Gründen als Gesichtssinn, der vom Gehörsinn (auditus) unterschieden wird. Verwunderlich bleibt, daß damit auch die Schrift auf den Gesichtssinn festgelegt wird. Es wird auch nicht klar, wieso der Gesichtssinn vom Gehörsinn abgesetzt wird, obwohl das Anliegen der Textstelle ist, das zweidimensionale vom dreidimens ionalen Bild zu unterscheiden. Visus kann sowohl Blick, Gesichtssinn als auch Gestalt, Erscheinung und Traumgesichr heißen. Vielleicht ist gerade diese Inversion der Bedeutung intendiert. Insofern die Erinnerung an die H eiligen eine Erinnerung an ihre jeweils menschliche Gestalt ist, an ihre Gesichter, d. h. an das, was blicke, was mit menschlichen Blicken ausgestattet ist, muß sich diese Erinnerung auf die Legendenberichce oder auf die ikonographische Tradition des zweidimensionalen Bildes verlassen. Denn auch die Texte, wie der Liber miraculorum selbst, beschreiben die Gestalt der Heiligen, die auch noch lange nach ihrem Tod in Traumvisionen erscheinen können. Wie wenig in der Literatur diese Passage beachtet worden ist, mache der Kommentar von Robertini deutlich, der glauben macht, es würde gesagt, allein das Kreuz sei verehrungswürdig, anbetungswürdig (,,la condanna del culto delle immagini, con l'eccezione dell' adorazione della croce", Robertini, 1994, S. 342.). Das sei ein Reflex der Polemik des Ikonoklascenscreics, da ja schon die Libri Carolini die Verehrungswürdigkeit des Kreuzes proklamiert haben. In dieser Passage wird weder von adoratio noch von crux gesprochen, sondern davon, daß es Ausdruck der korrekten Ausübung des Kultes sei, allein in der Kirche die Vollfigur des Gekreuzigten (crucifixus) zuzulassen. Walafrid Strabo, PL 114, 928 BIC; Agobard von Lyon, PL 104, 925 BIC; Jonas von Orleans, PL 106, 207.
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damit nicht der Eindruck hervorgerufen werde, der Heilige selbst spreche zu den Laien, die vor seinem Bild beten. Betrachtet man nur die Bildform, dann wundert dieser krasse Unterschied, den hier Bernhard von Angers macht. Es liegt nahe, daß der Crucifixus, der als statua ausdrücklich durch die Eucharistie legitimiert wird, das corpus D ei, die Transsubstantiation, verkörpert. Daß die Eucharistie die Realpräsenz des corpus Domini vermittelt, drückt die Bilderordnung der Kirche aus. Es ist das Vorrecht des Crucifixus, die Vorstellung der körperlichen Gegenwart Christi im Kult zu evozieren. Wie die Körperlichkeit der Reliquie so scheinen das immer erneut zu vollziehende Opfer und die reale und zugleich mystische Gegenwart des Leibes des Herrn die plastische Ausformung des Bildes des Gekreuzigten ins Dasein gerufen haben. Aber, da es keine Körperreliquien Christi gibt, bleibt die Differenz zu dem anthropomorphen Reliquiar bestehen. Daher ist die Verwechslung von Bild und Reliquie, die Bernhard von Angers im 13. Kapitel des 1. Buches der Statue der hl. Fides zum Vorwurf macht „Heilige Fides ·- ein Teil ihres Körpers ruht in diesem Götzenbild hier - stehe mir am Tage des Gerichts bei." 835 -, weitgehend ausgeschlossen. Der Liber miraculorum dokumentiert die liturgische Umformung der Argumente des Ikonoklastenstreits. Das relativiert einerseits die vorgebrachten Argumente, anderseits zeigt es, welche Bedeutung in der Diskussion der liturgischen Regelung zukam. Wenn der Liber miraculorum dem anthropomorphem Reliquiar vorwirft, Idol zu sein, dann ist fraglich, ob hier die seit den Anfängen des Christentums bestehende Ablehnung des Götzenbildes nachwirkt. Sicher dagegen ist, daß hier ein zum Standardargument avancierter Vorwurf des Ikonoklastenstreits vorgebracht wird. Wäre es Ausdruck einer allgemeinen Furcht vor der statua, dann wäre es unverständlich, wieso der monumentale Crucifixus nicht zurückgewiesen wird. Die liturgische Regelung besagt, daß sie überall gilt, wo der Kult richtig realisiert wird. Das liturgisch geregelte Gebet vor dem Crucifixus legitimiert die statua, das Gebet des Laien aber, das sich an die statua richtet, als wäre es der Heilige selbst, macht die statua zum Idol. Während für die Libri Carolini die Bilder generell keine liturgische Funktion haben, wird nun die liturgische Funktion zur Legitimation der Bilder, die diese von paraliturgischen Kontexten unterscheidet. Daß die Heiligenbilder nur zweidimensional sein sollen, soll offenbar verhindern, daß mit den Bildern der Heiligen deren Reliquien verbunden wer-
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den. Damit ist eine Einschränkung des Heiligenkultes beabsichtigt. Für die Karolinger war die Herstellung einer universellen Liturgie von zentraler Bedeutung. Die universelle Liturgie war für sie der Ausdruck der Einheit der Kirche und der Einheit des Reiches, das sich auf die Kirche stützte. Der Liber miraculorum zeigt den Konflikt, der in unterschiedlicher Gestalt das ganze Mittelalter präsent ist: die universelle Liturgie in Einklang mit dem Patronat der Heiligen und der privaten Devotion zu bringen. Es wurde oben auf die Ähnlichkeit zwischen dem Repräsentationscharakter des Crucifixus am Altar und dem anthropomorphen Reliquiar hingewiesen. Beide repräsentieren das corpus, den Leib des Herrn oder den Körper des Heiligen. Aber der Crucifixus vertritt die Gegenwart des Herrn, die in jeder Messe, in jeder Kirche zu erfahren ist. Der Körper des Heiligen kann zwar zerstückelt werden. Aber der Heilige ist da gegenwärtig, wo eine Reliquie von ihm ruht. 836 Daher können mit dem Heiligen Patronatsansprüche verbunden werden, die in Konkurrenz zu den Patronatsansprüchen anderer Kirchen stehen. Die Heiligenverehrung droht die allgemeine Liturgie zu sprengen. Daß sich die liturgisch nicht geregelten Gebete der Laien besonders an die Heiligen richten, verstärkt noch diese Tendenz. Der Crucifixus wird zum Bild der Einheit der Liturgie. Der Liber miraculorum macht deutlich, wie in der Kathedralschule von Chartres und an anderen Plätzen, an denen man sich um die korrekte Ausführung des Kultes Gedanken machte, die Funktion der Bilder diskutiert wurde. Man hatte sich weit entfernt von den Abstrakta des Bilderstreits. Handfeste Fragen waren zu beantworten. Das Bild war in den Konflikt von Liturgie und Paraliturgie geraten. Bild war nicht mehr gleich Bild. Damit war man von den Höhen des Ikonoklastenstreits zu den Niederungen der gewöhnlichen Auseinandersetzung zwischen der Universalität der Liturgie und der Pflege der besonderen Heiligkeit bestimmter Orte herabgestiegen. Der monumentale Crucifixus war zum wichtigsten Bild in der Ausstattung einer Kirche geworden.
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Liber miraculorum, !, 13, Roberrini , 1994, S. 113: ,,Sancta Fides, cuius pars corporis in presenti simulachro requiescit, succurre mihi in die iudicii. " Angenendt, 1997, S. 149-154.
Epilog
Kruzifix und Christusporträt
Die Diskussion der Bilderfrage hat im Westen nicht zu einer Festlegung des Bildes des thronenden Christus geführt. Das Angesicht Christi gewann nicht an Aussagekraft. Vielmehr bediente man sich wieder vermehrt unterschiedlicher Bildrypen. Nicht der thronende Christus, sondern der Crucifixus wurde zum Bild, das die Universalität der Kirche verkörpert, die Universalität des sacrificium, des Opfers. Auch wenn die frühchristliche Kunst einzelne Kreuzigungsdarstellungen hervorgebracht hat, blieben diese von marginaler Bedeutung. Die Niedrigkeit Christi wurde durch den Typus des kynischen Philosophen ausgedrückt. Dessen Spuren lassen sich, wie dargestellt, selbst noch in Byzanz im nachikonoklastischen Christusporträt nachweisen. Nur im Westen haben Bilder der Kreuzigung wie dasjenige auf der Holztür von Santa Sabina die Niedrigkeit Christi zum Ausdruck gebracht. Daß hier der gekreuzigte Christus anders als im Osten das imperiale Gewand ablegen konnte, dürfte im Eindruck der zusammenbrechenden römischen Herrschaft zu erklären sein. Die Distanz zur Identifikation von kaiserlicher und himmlischer Herrschaft, die schon im Mosaik von Santa Pudenziana zum Ausdruck kommt, wird noch größer. Aber dennoch wurde die Kreuzigung zu keiner typischen Bildformel. Das wurde sie erst, als sie mit der Eucharistie verbunden wurde, was anscheinend erst von den Karolingern eingeführt wurde. Die karolingischen Kreuzigungen knüpfen nicht nur an frühchristliche Vorläufer an, sondern in sie geht auch die Tradition des Christusbildes im Typus des kynischen Philosophen auf. Für die westliche Kunst ist von nun an das Bild der Niedrigkeit Gottes untrennbar mit der Kreuzigung . verbunden. Der Crucifixus dokumentiert wie kein anderes Bild, daß sich Gott zum menschlichen Leiden erniedrige hat. Er tradiert die Pathognomie und sucht nach neuen Wegen, das Leiden und die humanitas Christi auszudrücken, ohne daß das Kreuz seine Bedeutung als Siegeszeichen verloren hätte. Diese Entwicklung wurde durch die gesteigerte Bedeutung, die die Eucharistie gewann, unterstützt. Zu karolingischer Zeit wurde die Eucharistie durch die These der Transsubstantiation zur Realpräsenz des Leibes Christi erklärc. 837 Das Kruzifix wurde so zum signum des Kernstücks der Liturgie und der Universalität der Liturgie. Die Betonung des Kreuzes, die Entwicklung der Eucharistielehre formte den Crucifixus als Gottesbild. Nur scheinbar besteht, wie ausgeführt, eine Parallele zur Verehrung des Kreuzes durch die byzantinischen Ikonoklasten. Der Crucifixus ist für das abendländische Mittelalter so kennzeichnend wie das Porträt des herrschenden Christus für die byzantinische Kunst.
Auch die Karolinger und die Ottonen haben die Bilder zur Kaiserpropaganda eingesetzt. Das Einhardkreuz soll die Renovatio imperii in die Tradition des Siegers Konstantin stellen. Das Lotharkreuz mit der Augustusgemme im Schnittpunkt der beiden Kreuzarme setzt das Kreuz wiederum zur Kaiserpropaganda ein. Andere Beispiele wären anzufügen. Wenn Otto III. sich im Liuthar-Codex, in der Mandorla thronend, von den Evangelistensymbolen umgeben, von der Hand Gottes krönen läßt, dann dokumentiert diese Miniatur zwar den Einfluß der nachikonoklastischen byzantinischen Kunst auf die abendländische; diese wird aber dadurch nicht in ihrer Struktur jener ähnlich. Sie zeigt auch, daß nicht das Brustbild, sondern die Majestas Domini der abendländische Typus war, in dem die himmlische Herrschaft Christi dargestellt wurde. Aber im Typus der Majestas Domini ist dennoch nicht das Christusbild als Porträt in Relation zum Kaiserbild entwickelt worden. Die Ikonographie des im Abendland dominierenden Christusbildes, des Crucifixus, wird ebensowenig durch die Verquickung mit der Propagierung der Kaiserherrschaft geformt. Das Bild des Crucifixus wird durch seine Funktion im Kult, die Eucharistie zu verkörpern, bestimmt. Es übernimmt das Erbe der Ambivalenz des Gottesbildes: Christus stirbt als Mensch und lebe als Gott; sein Tod als Mensch impliziert zugleich die Auferstehung der Menschheit. Die Ambivalenz der Aussage wird seit karolingischer Zeit formuliert, zunächst durch signifikante Merkmale und auch durch Darstellungen, die die Kreuzigung explizieren. Christus kann zum Zeichen des Sieges, des Lebens über den Tod geöffnete Augen und eine aufrechte Haltung haben - wie auf dem Lindauer Golddeckel -; er kann aber auch, sein Opfer anzeigend, die geschlossenen Augen eines Toten und einen zusammensinkenden Körper zeigen wie auf dem karolingischen Elfenbein des Deckels des Perikopenbuchs Heinrichs II. Die Nebendarstellungen der karolingischen Kreuzigungen demonstrieren die Fülle der Aussagen, die mit dem Todessieg verbunden werden. 838 In der weiteren Entwicklung des mittelalterlichen Kreuzigungsbildes wird das Gesicht immer mehr zum Spiegel des ambivalenten Zustandes zwischen Tod und Leben, Sterben und Auferstehung. Das Vokabular der Kreuzigung wurde selbst zur Voraussetzung des abendländischen Christusporträts, das langsam im 13. Jahrhundert Gestalt annahm. Es kann hier nicht die
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Büchse!, 1993/94, S. 22 ff. Ebd. , S. 13 ff.
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Abb. 61 Meister der Veronika, Vera icon, Anfang 15 . Jh., London, National Gallery
Abb. 62 Meister der Veronika, Vera icon, Anfang 15. Jh., München, Alte Pinakothek
Absicht sein, dessen Entwicklung und Ausformung nachzuzeichnen. 839 Aber die Explikationen zur Entstehung des Christusporträts erlauben es, einige Charakteristika zu benennen. Seitdem der Porträtgedanke mit der Vera icon am Ende des 12. Jahrhunderts den Westen erfaßte, kann auch hier die Geschichte des Christusporträts nachvollzogen werden. Nach den ersten gotisch geprägten Darstellungen gewinnen im 14. Jahrhundert die östlich