Die Dritthaftung von Banken bei fehlerhaften Eigenauskünften [1 ed.] 9783428516780, 9783428116782

Eine Eigenauskunft wird von der Bank über ihren Kunden erstellt und diesem ausgehändigt. Der Kunde nutzt sie bei Verhand

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Die Dritthaftung von Banken bei fehlerhaften Eigenauskünften [1 ed.]
 9783428516780, 9783428116782

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CHRISTIAN L. MASCH

Die Dritthaftung von Banken bei fehlerhaften Eigenauskünften

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 181

Die Dritthaftung von Banken bei fehlerhaften Eigenauskünften

Von Christian L. Masch

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-11678-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Internet: http://www.duncker-humblot.de

parentibus

Vorwort Die Schrift wurde im Januar 2004 von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Meinem hochgeschätzten Doktorvater, Herrn Professor Dr. iur. Michael Kort, gilt mein besonderer Dank. Herr Professor Dr. Kort hat das Gelingen dieser Arbeit auf das beste gefördert, u.a. durch vortreffliche Ratschläge, einwandfreie Auskünfte und ein wertvolles Gutachten. Aufrichtigen Dank schulde ich des weiteren Herrn Professor Dr. iur. Volker Behr als Zweitberichterstatter für die sowohl zügige als auch wohlwollende Korrektur. Herrn Dr. iur. Hanns Jörg Herwig, LL.M., danke ich herzlich für seine wertvolle Hilfe.

Christian L. Masch

Inhaltsverzeichnis

Teil 1 Allgemeines A. Einleitung und Problemstellung

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I. Allgemeines zur Bankauskunft II. Die Position des institutsfremden Dritten III. Gegenstand der Untersuchung

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B. Formulierung und Fehlerhaftigkeit der Auskunft

21

I. Formulierungsbeispiele II. Die Fehlerhaftigkeit

21 22

C. Der Einfluß des § 675 Abs. 2 BGB auf die Haftung I. Die Herkunft der Vorschrift, ihre Entstehungsgeschichte 1. Römisches Recht 2. Gemeines Recht 3. Die Regelung durch den Gesetzgeber II. Die aktuelle Bedeutung des § 675 Abs. 2 BGB

24 24 24 25 27 29

Teil 2 Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung A. Die Haftung des Kreditinstitutes aus Vertrag, § 280 Abs. 1 BGB I. Der stillschweigende Abschluß eines Vertrages als Ausgangspunkt der herrschenden Auffassung 1. Die stillschweigende Willenserklärung als Grundlage des Vertragsschlusses 2. Auslegung auf Biegen und Brechen - der stillschweigende Vertragsschluß in der Praxis II. Die unterschiedlichen Verträge im einzelnen

32 32 33 34 37

10

Inhaltsverzeichnis 1. Ausklammerung der Stellvertreter- und Botenproblematik 2. Der Auskunftsvertrag a) Standpunkt und Formulierung der herrschenden Meinung - der stillschweigende Abschluß eines Auskunftsvertrages als Regelfall b) Der Vertragsschluß, beurteilt an Hand allgemeiner Kriterien aa) Die Anfrage des Kunden als möglicher Zeitpunkt des Vertragsschlusses bb) Der Vorgang der Auskunftserteilung als Vertragsschluß ( 1 ) Der Auskunftsvertrag als passende Regelung (a) Der Vertragstyp i.S.d. BGB (b) Die Hauptleistungspflicht beim Auskunftsvertrag (2) Die Willenseinigung zwischen der Bank und dem Kunden bei der Auskunftserteilung c) Die Veijährungsproblematik d) Ergebnis zum Auskunftsvertrag 3. Der eigenständige Garantievertrag a) Inhalt des Garantievertrages b) Vertragsschluß 4. Haftungsvertrag eigener Art a) Inhalt des Haftungsvertrages b) Vertragsschluß 5. Haftung aus pFV, § 280 Abs. 1 BGB a) pFV des allgemeinen Bankvertrages b) Auskunftshaftung aus pFV, § 280 Abs. 1 BGB aa) Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Schlechtleistung bb) Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Nebenpflichtverletzung ( 1 ) pFV wegen Nebenleistungspflichtverletzung (2) pFV wegen Verhaltens- bzw. Schutzpflichtverletzung 6. Ergebnis zur Haftung der Bank gegenüber ihrem Kunden aus Vertrag III. Die vertragliche Haftung der Bank gegenüber dem Nichtkunden (Dritter) als Verwender der fehlerhaften Auskunft IV. Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zwischen Bank und Kunden anläßlich der Auskunftserteilung V. Ergebnis zu A

Β. Die Haftung des Kreditinstitutes gegenüber dem Dritten nach Deliktsrecht I. Die bei der deliktischen Haftung für fehlerhafte Bankauskünfte auftretenden Schwierigkeiten II. Der Vorteil der deliktischen Haftung III. Auskunftshaftung nach § 826 BGB 1. Die besonderen Anforderungen des § 826 BGB

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Inhaltsverzeichnis 2. Die Erweiterung des 826 BGB in der Praxis und ihre Berechtigung 77 a) Das Merkmal der Sittenwidrigkeit 77 b) Der Schädigungsvorsatz 78 c) Hintergrund der Entwicklung in der Praxis 79 79 3. Der subjektive Tatbestand der Norm nach zutreffendem Verständnis 4. Umstände, die eine Auskunftshaftung gem. § 826 BGB begründen können, und ihr Vorliegen im Regelfall der Eigen- wie der Fremdauskunft 82 a) Überdurchschnittliches Eigeninteresse der Bank 82 b) Sachkunde der Bank und Angewiesenheit des Auskunftsempfängers.... 83 5. Ergebnis zu § 826 BGB 85 IV. Die Auskunftshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in das Recht am Unternehmen 86 1. Zu den Voraussetzungen im einzelnen 87 a) Das Schutzgut des Rechts am Unternehmen 87 b) Der haftungsauslösende Eingriff 87 aa) Betriebsbezogenheit des Eingriffs und Unmittelbarkeit 88 bb) Die am Zweck des Rechts am Unternehmen orientierten Voraussetzungen der Haftung 90 ( 1 ) Die Betriebsbezogenheit als Merkmal der Handlung 90 (2) Die spezifische Betroffenheit als erfolgsbezogenes Kriterium... 94 (3) Die Untauglichkeit der besonderen Schadenshöhe als Abgrenzungskriterium 98 cc) Zusammenfassung für den betriebsbezogenen Eingriff 100 2. Die Bankauskunft als Eingriff in das Recht am Unternehmen 100 V. Die Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Schutzgesetz 101 1. Schutzgesetze im herkömmlichen Sinne 101 2. Auskunftshaftung wegen Verkehrspflichtverletzung 104 a) Ursprung, Funktion und Herleitung der Verkehrspflichten 105 b) Die Herleitung der Verkehrspflichten aus § 823 Abs. 1 BGB und deren Funktion 107 aa) Die Wirkung der Verkehrspflichten 108 bb) Der Bewahrungsgedanke des § 823 Abs. 1 BGB 109 c) Mögliche Einwände 114 d) Zu den Rechtswidrigkeitstheorien 115 e) Konsequenzen 116 aa) Der Bezug der Verkehrspflichten auf die Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB 116 bb) Der Einzelfallbezug der Verkehrspflichten 117 cc) Die Verkehrspflichten als immanenter Bestandteil des § 823 Abs. 1 BGB 117 f) Zur Entwicklung einer neuen Kategorie der Verkehrspflichten 118 aa) Verkehrspflichten als Gewohnheitsrecht 119

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Inhaltsverzeichnis bb) Richterrecht als Norm i.S.d. Art. 2 EGBGB 121 3. Ergebnis zur Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB wegen Verkehrspflichtverletzung 123 VI. Ergebnis zur deliktsrechtlichen Haftung 123

C. Die Haftung des Kreditinstitutes aus culpa in contrahendo (c.i.c.), §§ 280 Abs. 1 S. 1, 311 Abs. 2,241 Abs. 2, BGB I. Vorbemerkung II. Das Verhältnis zwischen Bank und institutsfremdem Auskunftsnutzer als Sonderverbindung i.S.d. § 311 Abs. 2 BGB - eigenständiger Anspruch des Dritten 1. Die Sonderverbindung i.S.d. § 311 Abs. 2 BGB a) Die vom Vertrauensgedanken als Haftungsgrund geleiteten Ansichten aa) Die Lehre vom sozialen Kontakt bb) Die Lehre vom Verhandlungsvertrauen cc) Der Einfluß des § 311 Abs. 2 BGB b) Die Lehre vom rechtsgeschäftlichen Kontakt c) Die Ersichtlichkeit der Interessen des anderen, insbesondere der Vermögensinteressen im Falle der Eigenauskunft d)Der eingeschränkte Anwendungsbereich der c.i.c. - Anbindungdes Rechtsinstitutes an das vorvertragliche Verhältnis der Vertragsverhandlungen aa) Die c.i.c. als aus Treu und Glauben begründete Haftung- Haftungsgründe und notwendige Beschränkung der c.i.c. auf den Fall des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen, ein vorvertragliches Verhältnis bb) Die c.i.c., § 311 Abs. 2 BGB, als gesetzliches Schuldverhältnis 2. Anwendung der c.i.c. auf das Verhältnis von Bank und Drittem / Ergebnis zu II III. Schadensersatzanspruch aus drittschützender Sonderverbindung, c.i.c., § 311 Abs. 2 BGB, zwischen der Bank und ihrem Kunden 1. Die Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunden als Sonderverbindung i.S.d. c.i.c a) Die Geschäftsverbindung als eigenständige Sonderverbindung b) Die Geschäftsverbindung als Verhandlungsverhältnis i. S. d. § 311 Abs. 2 BGB 2. Drittschutz der Sonderverbindung IV. Ergebnis zur Haftung aus c.i.c

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Inhaltsverzeichnis D. Die Verantwortlichkeit der Bank bei falscher Auskunft unter dem Gesichtspunkt der Sachwalterhaftung und der zivilrechtlichen Prospekthaftung, § 311 Abs. 3 BGB 152 I. §311 Abs. 3 BGB als Sonderfall der c.i.c 152 II. Die Haftung gemäß §§311 Abs. 3,241 Abs. 2,280 Abs. 1 BGB 155 155 1. Die Haftung der Bank nach den Grundsätzen der Sachwalterhaftung a) Beteiligung der Bank am Vertragsschluß 156 b) Wirtschaftliches Eigeninteresse der Bank 156 c) Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens durch die Bank 157 aa) Besonderes persönliches Vertrauen im herkömmlichen Sinne 157 bb) Besonders besonderes persönliches Vertrauen 166 cc) Anonymes Vertrauen als Haftungsgrundlage 168 dd) Ausgedehnte Sachwalterhaftung als Umsetzung des gesetzgeberischen Willens zu § 675 Abs. 2 BGB 170 ( 1 ) Gesetzgeberischer Wille bei der Schaffung des § 676 BGB a.F. 170 (2) Der Wille des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 675 Abs. 2 BGB 170 ee) Ausgedehnte Sachwalterhaftung als Umsetzung der gesetzgeberischen Anregung in BT-Drucks. 14/6040, S. 163 171 2. Auskunftshaftung der Bank gegenüber dem Dritten in entsprechender Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung 172 III. Ergebnis zu D 175

Teil 3 Einheitslösungen A. Die Vertrauenshaftung I. Der Grundgedanke II. Das Vertrauen III. Kritik an der Vertrauenshaftung 1. Die Allgegenwärtigkeit des Vertrauensgedankens a)Der rechtsgeschäftliche Kontakt als untaugliches Abgrenzungskriterium b) Das objektive Vertrauen als ungeeignetes Kriterium c) Das Vertrauen im BGB 2. Die von der Vertrauenshaftungslehre zugrundegelegte Ausklammerung des Vertrauensgedankens aus der Rechtsgeschäftslehre 3. Die Mißachtung des Grundsatzes der Privatautonomie 4. Die Vertrauenshaftung als bewegliches bzw. offenes System 5. Zurechenbares Vertrauen in die Bank als Fiktion 6. Vertrauen und Unsicherheit

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Inhaltsverzeichnis IV. Ausschluß der Banken-Auskunftshaftung auch bei Anerkennung des Rechtsinstitutes 195 V. Ergebnis zur Vertrauenshaftung 197

B. Die Haftung des Dispositionsgaranten

198

I. Der Grundgedanke / die Bank als Dispositionsgarant 198 II. Ablehnung der Rechtsfigur des Dispositionsgaranten 200 1. Zur Vertrauenshaftung und gegen die Ausweitung der c.i.c.-Haftung angeführte Bedenken 200 2. Die objektive Pflicht zur Vertrauensentsprechung 202 III. Ausschluß der Auskunftshaftung auch bei Anerkennung dieser Ansicht / Ergebnis zu Β 203

C. Die Haftung aus einseitigem Leistungsversprechen

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I. Die Grundkonzeption / Auskunftshaftung aufgrund einseitigen Leistungsversprechens II. Ablehnung der Ansicht 1. Generelle Ablehnung einer maßgeblich auf dem Vertrauensgedanken basierenden Auffassung 2. Das einseitige Leistungsversprechen als untauglicher Maßstab 3. Die Bindung des promissory-estoppel-Gedankens an das anglo-amerikanische Vertragsrecht 4. Haftungsversprechen statt Leistungsversprechen III. Ausschluß der Bankenhaftung auch bei Anerkennung der Ansicht von der Haftung aus einseitigem Leistungsversprechen / Ergebnis zu C

D. Die Haftung aus Selbstbindung ohne Vertrag ... I. Grundidee / Haftung für schuldhaft falsche Bankauskunft II. Kritik 1. Rechtssoziologische Rollentheorie als Grundlage 2. Der generalisierte Geschäftswille 3. Der Funktionsverlust des Vertrages 4. Die bestimmungsgemäße Betroffenheit des Dritten 5. Der Rollenkonflikt der Bank 6. Unmöglichkeit der Vermeidung der Haftung III. Ergebnis zur Haftung aus Selbstbindung

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- 211 211 213 213 215 216 218 219 221 223

Inhaltsverzeichnis

15

Teil 4 Berufs- und Zeugnishaftung A. Die besondere Berufs- bzw. Expertenhaftung der Banken I. Unselbständige Berufshaftung von Banken II. Selbständige Berufshaftung der Banken III. Haftung aus § 98 und aus § 347 HGB 1. § 98 HGB 2. § 347 HGB IV. Die Haftung wie für Patronatserklärungen V. Ergebnis zur Berufshaftung

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B. Die Haftung des Arbeitgebers gegenüber Dritten für schuldhaft unrichtige Dienstzeugnisse 229 I. Die Vergleichbarkeit der Situation 229 II. Die Rechtfertigung der Haftung durch die herrschende Meinung 231 1. Vertraglicher Schadensersatzanspruch des neuen Arbeitgebers - Haftung aus Bescheinigungen 231 231 a) Eigenständiger Anspruch des neuen Arbeitgebers b) Drittschutz aus dem beendeten Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer 234 2. Die ausdehnende Anwendung des § 826 BGB 236 3. Die Haftung wegen Eingriffs in das Recht am Unternehmen 237 238 4. Die Haftung aus § 311 Abs. 2 oder 3 BGB a)§ 311 Abs. 2 BGB 238 b)§ 311 Abs. 3 BGB 238 III. Zusammenfassung zu Β 238

Teil 5 Gewohnheitsrechtliche Haftung, Ausblick und Schlußbetrachtung A. Iacta alea est? - Die gewohnheitsrechtliche Haftung

240

I. Die beständige Übung II. Die Rechtsüberzeugung III. Ergebnis zur gewohnheitsrechtlichen Haftung

241 244 246

B. Ausblick und Schlußbetrachtung I. Ausblick zu § 311 Abs. 3 BGB

247 247

Inhaltsverzeichnis

16 II. Schlußbetrachtung

249

Anhang zu Fn. 14, S. 242 - Entscheidungen zur Auskunftshaftung

267

Literaturverzeichnis

269

Entscheidungsverzeichnis

286

Sachverzeichnis

292

Teil 1

Allgemeines Α. Einleitung und Problemstellung I. Allgemeines zur Bankauskunft

Mut ist oft Mangel an Einsicht, während Feigheit nicht selten auf guten Inform nen beruht. 1 Bankauskünfte enthalten Informationen über die Kreditwürdigkeit eines Bankkunden. Sie liefern Informationen zur Fähigkeit des Kunden, Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.2 Bankauskünfte dienen im Wirtschaftsverkehr bei finanziell bedeutsamen Entscheidungen als Hilfsmittel zur Auswahl der Geschäftspartner. Die Information führt, wenn auch nur teilweise, zur Risikotransparenz. Sie hilft dabei, wirtschaftliche Wagnisse einzuschätzen.3 Auskunfteien, in der Regel Inkassobüros, liefern Informationen gegen Entgelt als „Handelsauskunft", „Wirtschaftsauskunft" oder Firmenauskunft". Die Kreditinstitute erbringen Auskünfte 4 dagegen gratis oder verlangen nur die Entrichtung einer Schutzgebühr.5 Die Schutzgebühr ist kein Entgelt.6 Sie ist eine Aufwandsentschädigung ohne Gewinnanteil.7

1

Peter Ustinov ; Alberto Moravia : „Der Unwissende hat Mut, der Wissende hat Furcht". Christopoulou, Bankgeheimnis, S. 14; Me lie row iczlJonas, Kreditfähigkeit, S. 31,245,246. Gawel, in: Hart, Privatrecht, S. 267; Jacob/Kehr/Klenk, Controlling, S. 43. 4 Synonym verwendet werden die Begriffe Bankauskunft, Kreditauskunft, Fremdauskunft und, wenn der Bankkunde eine Information über sich selbst erstellen läßt: Eigenauskunft. 5 Bei der Deutschen Bank z.B. laut AGB-Banken, Nr. 12 Abs. 1 i.V.m. Preis- und- Leistungsverzeichnis vom 1. 7.2002 für eine inländische 20,76 €, für eine europäische 26,68 € und für eine außereuropäische Bankauskunft im Privatkundengeschäft 38,28 €. Ein „Entgelt" müßte demgegenüber, wie BruckneriStützle, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 132, zu Recht anmerken, exorbitant sein. 6 Claussen, Bank- und Börsenrecht2, § 6, Rd. 15. Die Gebühr soll nur die unnötige Inanspruchnahme des Bankservices verhindern, Locher, Kreditauskünfte, S. 63; Musielak, in: Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 22. Köndgen, in: Horn, German Banking Law, S. 116. 2

3

18

Teil 1: Allgemeines

Obwohl die Leistung der Bank unentgeltlich ist, ist sie - zumindest theoretisch8 - besser, denn die Banken haben im Laufe der Jahre zum Schutz vor eigenen Verlusten ein zuverlässiges internes System unter anderem zur Kontrolle und Prognose der Kreditwürdigkeit ihrer Kunden erarbeitet. Sie können auf Hintergrunddaten zugreifen, welche Auskunfteien in diesem Umfang 9 nicht zur Verfugung stehen.10

II. Die Position des institutsfremden Dritten Entsprechend den AGB-Banken werden Bankauskünfte nur an andere Kreditinstitute oder an eigene Kunden erteilt. 11 Will ein institutsfremder Dritter sich das Wissen der Bank zunutze machen, stehen ihm nur zwei indirekte Wege offen. 12 Zum einen gibt es das Verfahren der Bank-zu-Bank-Auskunft: Der Dritte fragt bei seiner eigenen Bank an. Diese holt die Information über das Kreditinstitut des betroffenen Kunden ein und leitet sie an den eigenen Kunden weiter.13 Zum anderen ist es möglich, daß der Kunde eine Auskunft über sich selbst einholt und dem Dritten aushändigt. Diese Eigenauskunft versetzt den Kunden in die Lage, mit mehreren Personen unter Nachweis seiner Kreditwürdigkeit zu verhandeln. Sie vermeidet Zeitverlust, weil nicht jeder Dritte eine Bankaus8 Dieser Vorteil wird durch die vorsichtige und bedeckte Formulierung der Bankauskunft mindestens aufgewogen; Steindorff, ZHR 149 (1985), 160, 161, hält die Bankauskunft in den problematischen Fällen sogar schon für nutzlos. Siehe dazu noch unten, Β. I, S. 21 f. und Teil 5 Β. II., S. 252. 9 Entsprechende Systeme (siehe dazu Send/Siwik, Kreditwesen 2002, 889 ff), insbesondere ein Zahlungsindex zur Feststellung möglicher Liquiditätsprobleme oder gar drohender Insolvenz bestehen zwar auch bei den Inkassobüros. Jedoch basieren diese nur auf tatsächlichen Feststellungen erfolgter Zahlungen; weitere Informationen, die die Banken als Nebenprodukt ihrer eigentlichen Geschäftstätigkeit erlangen, Jacob!Kehr!Klenk, Controlling, S. II, wie z.B. Häufigkeit von Geschäftsvorfällen, Art und Umfang der Kreditinanspruchnahme etc., die - umgesetzt in Kennzahlen - ein differenzierteres Bild vom Kunden ergeben, stehen den Auskunfteien aber nicht zur Verfügung. 10 Eidenmüller, in: Hart, Privatrecht, S. 49 ff.; Jacob!Kehr!Klenk, Controlling, S. II und 11 f.; Locher, Kreditauskünfte, S. 104; an Inkassobüros werden keine Bankauskünfte gegeben, Rehbein, ZHR 149 (1985), 150. Siehe zu den Angaben in solchen Auskünften Horst, MDR 2003, 861. 11 AGB-Banken, Nr. 2 Abs. 4 [= AGB-Sparkassen, Nr. 3 Abs. 1 S. 3]; Horn, AGB-Banken, Rd. 7 ff. Dahinter steht die Situation im Jahr 1984, mit der Entscheidung des BVerfG (E 61, 1 ff.) zum Volkszählungsgesetz und der damals geplanten Neuregelung der AGB-Banken. Die Öffentlichkeit war hinsichtlich einer mit der Neuregelung angeblich ermöglichten und vom Kunden nicht zu verhindernden Bankauskunft an jedermann incl. Kontoständen etc. höchst aufgebracht. Nach Verhandlungen von Kreditwirtschaft und Datenschützem wurde die Begrenzung des Kreises möglicher Auskunftsnutzer dann ausdrücklich geregelt. 12 Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 65. 13 Breinersdorfer, WM 1992, 1557 ff.; Musielak, VersR 1977, 975; Nobbe, Rechtsprechung zum Bankrecht, S. 120 ff.; Sichtermann, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 407.

Α. Einleitung und Problemstellung

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kunfì einholen muß und Mitarbeiter der Bank nicht zur Auskunftserteilung an den Vertragsverhandlungen teilnehmen müssen.14

III. Gegenstand der Untersuchung Gegenstand dieser Untersuchung ist die Frage, ob eine Bank15 dem institutsfremden Auskunftsnutzer für eine falsche Eigenauskunft haftet. Die Frage der Haftung stellt sich, wenn der Auskunftsnutzer die Bankauskunft zur Grundlage seiner Dispositionen macht und in der Folge einen Vermögensschaden16 erleidet. Ganz überwiegend wird eine Haftung der Bank befürwortet. 17 Trotz dieses Konsenses im Ergebnis unterscheiden sich die dazu vertretenen Auffassungen in ihrer Begründung. Die Haftung wird - aus einem bei der Auskunftserteilung bestehenden oder abgeschlossenen Vertrag, 18 - aus einem dabei bestehenden oder zustandekommenden vertragsähnlichen Verhältnis,19 - aus § 823 Abs. 1 BGB 20 oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Schutzgesetz21 oder § 826 BGB 22 hergeleitet. Daneben werden eigenständige Haftungsformen diskutiert, - die Vertrauenshaftung, 23 - die Haftung aufgrund Selbstbindung ohne Vertrag, 24 14

Siehe zur „Abkürzungsfunktion" der Eigenauskunft Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 92. Selbstverständlich haftet nicht „die Bank" und sie schließt auch keinen Vertrag; stattdessen handelt die juristische Person, der Unternehmensträger, meist eine Aktiengesellschaft, mittels ihrer Organe oder rechtsgeschäftlichen Stellvertreter. Um die Formulierung zu vereinfachen, wird hier und im folgenden jedoch nur von der Bank, dem Kreditinstitut etc. die Rede sein. 16 Ein solcher kann schon bei einer bloßen Gefährdung bzw. bei langdauernder Uneinbringlichkeit einer Forderung gegeben sein, Bürger, Bankauskunft, S. 129; Locher, Kreditauskünfte, S. 39. 17 Abweichend nur von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 508 und teilweise Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 84, 85. 18 So vor allem die Rechtsprechung, siehe unten, Teil 2 Α., Fn. 49, S. 38. 19 Heymann, Bankenhaftung, S. 123 für die Haftung im Zusammenhang mit Immobilienanlagen; NJW 1990,1137 ff.; Lorenz, FS Beierstedt, 1975, S. 399,403. 20 Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 166. 21 von Bar, Verkehrspflichten, 1980. 22 BGH, 6. 7. 1970 - II ZR 85/68, WM 1970, 1021. 23 Canaris , Vertrauenshaftung, 1971. 24 Köndgen, Selbstbindung, 1991. 15

Teil 1 : Allgemeines

20

- die Haftung aus einseitigem Leistungsversprechen,25 - die Haftung des Dispositionsgaranten26 sowie - eine eigenständige Berufshaftung. 27 Sämtliche Ansichten werden einer kritischen Prüfung unterzogen. Nicht einzugehen ist auf den Vorschlag für eine EU-Richtlinie über die Haftung bei Dienstleistungen.28 Zum einen wurde der Vorschlag zurückgezogen. Zum anderen war ausschließlich der Schutz von Verbrauchern bezweckt worden. Auch die - gleichermaßen auf den Verbraucherschutz beschränkte - EURichtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher 29 berührt die Haftung für fehlerhafte Auskünfte nicht, weil sie nur Vorabinformationen 30 und ein Widerrufsrecht 31 des Verbrauchers regelt, nicht aber die Haftung für fehlerhafte Dienstleistungen. Rechtsvergleichende Betrachtungen32 zur Auskunftshaftung wurden bereits umfänglich geleistet, sollen deshalb nicht thematisiert werden. Auch die Haftung des Wirtschaftsprüfers für fehlerhafte Testate wird angesichts ihres amtlichen Charakters33 und der Entgeltlichkeit der Tätigkeit nicht eigenständig untersucht. An die Behandlung der Auskunftshaftung wird sich eine Betrachtung zur Haftung des bisherigen (das Zeugnis ausstellenden) Arbeitgebers gegenüber dem neuen Arbeitgeber für unrichtige Arbeitszeugnisse anschließen. Der Blick auf diese Konstellation der Dritthaftung gebietet sich, weil eine Reduzierung 25

Hs. Stoll, FS Flume, 1978, Bd. I, S. 741 ff. Bohrer, Dispositionsgarant, 1970. Hopt, AcP 183 (1983), 610 ff.; Littbarski, NJW 1984,1667. 28 KOM/90/482 endg., ABl. Nr. C 12/8 vom 18. 1. 1991, mit dem für die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz gefertigten Bericht von Hodges vom 2. 10.2000, nachzulesen unter: http://europa.eu.int/comm/dgs/health_consumer/events/event32_wrks3-l_de.html. 29 Rl. 2002/65/EG, ABl. L 271 vom 9.10.2002, S. 16 ff. Siehe dazu Cristea, Kreditwesen 2002, 58 ff. 30 Art. 3 f. der Richtlinie. 31 Art. 6 der Richtlinie. 32 Siehe nur Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft in der Bundesrepublik Deutschland und in ausländischen Rechtsordnungen, 1986; Hirte, Berufshaftung, S. 242 - 312; Jansen/von der Lely, ZEuP 1999, 229 ff.; Köndgen, Selbstbindung, 1991; Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 816 ff.; Sichtermann, Bankgeheimnis und Bankauskunft, 1984; Lammel, AcP 179 (1979), 352 - 358. Eingehend sowohl zur Rechtfertigung als auch zu den Grenzen dieses Ansatzes Behr, Wertverfolgung, S. 17 ff. 33 Hirte, Berufshaftung, S. 57. 26

27

Β. Formulierung und Fehlerhaftigkeit der Auskunft

21

der Problemstellung auf Kreditinstitute zu einer irreführenden Beschränkung des Blickwinkels führt.

B. Formulierung und Fehlerhaftigkeit der Auskunft

Es soll vorgekommen sein, daß Instanzgerichte verschiedener Meinung darü ren, ob die Auskunft eine Kreditgewährung empfohlen oder davon abgerate I. Formulierungsbeispiele Bankauskünfte lassen sich im wesentlichen in drei Kategorien unterteilen: die positive, die negative und die indifferente Auskunft. Die positive Auskunft stellt den Kunden als verläßlichen Vertragspartner dar, mit dem zumindest in finanzieller Hinsicht kaum Probleme zu erwarten sind. Die negative Auskunft zeichnet das Bild eines Kunden, dessen wirtschaftliche Verhältnisse kaum vertrauenswürdig sind. In einer indifferenten Auskunft entzieht sich das Kreditinstitut dagegen jeglicher Festlegung. Die Aussagen sind im Sinne eines „kann sein, kann nicht sein" gehalten. Sie stellen die wirtschaftliche Lage des Kunden weder positiv noch negativ dar. Auch für den Fachmann ist es nicht stets ohne weiteres möglich, auf Grundlage der Bankauskunft die Kreditwürdigkeit einer Person hinreichend genau festzustellen. Es muß unter Umständen zwischen den Zeilen gelesen werden. Für einen unkundigen Leser unbedeutende Unterschiede in der Formulierung 2 können darüber entscheiden, ob eine Person hinreichend solvent ist und somit als Vertragspartner in Betracht kommt. Dies gilt insbesondere für die Unterscheidung zwischen positiver und zurückhaltender Auskunft. So macht es einen Unterschied, ob „die Geschäftsverbindung angenehm verläuft" oder „sehr angenehm und umfangreich ist" (positiv in unterschiedlichen 1

Honseil FS Medicus, 1999, S. 220. Nachfolgend zitiert nach Rehbein, ZHR 149 (1985), 147, 148, der sich wiederum auf den seinerzeitigen Chefsyndikus des Bundesverbandes deutscher Banken, Dr. Thorwald Heller, bezieht, sowie aus BGH, 12.2.1971 - VIIZR 163/69, BGHZ 56, 83 f. = NJW 1979, 1595; BGH, 20.2. 1979 - VIZR 189/78, WM 1979, 428 = NJW 1979, 1599; BGH, 5. 12.2000 - XIZR 340/90, WM 2001,134. 2

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Teil 1 : Allgemeines

Graden) oder der betreffende Kunde nur „seit einiger Zeit in Geschäftsverbindung [steht]" (neutral, zurückhaltend). Ebenso ist, wenn die „Geschäftsführer branchenkundig" sind (positiv), etwas anderes gesagt als wenn sie nur „Geschäftsführer" sind (neutral bis negativ). Auch bestehen Verschiedenheiten zwischen einer positiven Auskunft über Privatkunden und über Geschäftskunden. Beim Privatkunden lautet sie zum Beispiel: „Ein bei uns unterhaltenes Privatkonto wird absprachemäßig geführt. Nachteiliges ist uns nicht bekannt geworden. Über uns geleitete Verbindlichkeiten wurden bisher ordnungsgemäß erfüllt". Die Auskunft über Geschäftskunden ist in der Regel ausführlicher, beispielsweise: „Geschäftsführer sind ..., die branchenkundig sind und sich besten Rufes erfreuen. Wir stehen mit der Firma seit vielen Jahren in sehr angenehmer Geschäftsverbindung und gewähren Kredit. Durch unsere Hände gegangene Verpflichtungen sind stets pünktlich erfüllt worden. Wir nehmen nicht an, daß die Firma Verbindlichkeiten eingehen wird, zu deren Erfüllung sie bei Fälligkeit nicht in der Lage sein würde". Negative Auskünfte sind dagegen regelmäßig durch Formulierungen wie: „Die flüssigen Mittel sind angespannt" oder „Die finanziellen Verhältnisse waren in letzter Zeit angespannt", gegebenenfalls mit Zusätzen, wie: „Lastschriftrückgaben sind vorgekommen", gekennzeichnet.

II. Die Fehlerhaftigkeit Ob die Auskunft, eine Wissenserklärung,3 fehlerhaft ist, wird nicht rein objektiv bestimmt. Entscheidend ist der Kenntnisstand der Bank.4 Die Bank teilt

3 Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 88; Lammel, AcP 179 (1979), 340. Die Ansicht von Bruckner/Stützle, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 83, es handle sich um eine „Meinungsäußerung", geht in dieselbe Richtung - dennoch ist sie nicht ganz zutreffend, weil die Meinung vom Verwender der Auskunft gerade selbst gebildet werden muß, die Bank nur die hierzu nötigen Fakten an die Hand gibt. 4 FischerlKlanten, Bankrecht, Rd. 4.45. Eine nicht unproblematische Ausweitung erfährt dieser Kenntnisstand durch die Wissenszurechnung, siehe dazu Faßbender-Neuhaus, WM 2002, 1253 ff.; Ebenroth/Boujong/Joost/tort, §347HGB, Rd. 90 und BGH, 19.1.1993 - XIZR 76/92, NJW 1993, 1067: Der einen Scheck prüfende Mitarbeiter einer anderen Filiale als „Wissensvertreter" in entsprechender Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB; d.w. BGH, 1. 6. 1989 - III ZR 277/87, WM 1989, 1368: Zurechnung der Kenntnisse des Filialleiters einer Bank auch, wenn der betreffende Vertrag ohne dessen Mitwirkung von einer anderen Filiale geschlossen wird. Diese Entscheidung wird als nicht verallgemeinerungsfähige Entscheidung angesehen, weil ansonsten ein gigantischer Organisationsaufwand zu betreiben wäre, BruckneriStützle, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 114.

Β. Formulierung und Fehlerhaftigkeit der Auskunft

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nur das ihr zur Verfügung stehende Wissen mit5 und betreibt für die Erstellung der Auskunft keine Nachforschungen. 6 Unrichtig ist eine Auskunft, wenn sie den wesentlichen, also für den Auskunftsempfänger bedeutsamen,7 Erkenntnisstand der erteilenden Bank nicht umfassend wiedergibt und aus der Lückenhaftigkeit der ansonsten fehlerfreien Auskunft ein unzutreffendes Gesamtbild des Kunden entsteht.8 Des weiteren ist die Bankauskunft fehlerhaft, wenn wesentliche Angaben nicht mit dem Wissensstand der Bank übereinstimmen, die Angaben also zwar umfassend sind, aber nicht dem tatsächlichen Kenntnisstand der Bank entsprechen.9 Verwendet das Kreditinstitut bewußt unsichere Quellen für die Erstellung der Auskunft oder nimmt es von dritter Seite mitgeteilte Fakten ungeprüft in die Auskunft auf, muß es auf die eingeschränkte Verläßlichkeit hinweisen.10 Unterbleibt ein solcher Hinweis, ist die Auskunft ebenfalls fehlerhaft. 11 Die Angabe der Informationsquellen, die für die Auskunft zur Verfügung standen und berücksichtigt wurden, gehört dagegen nicht zur fehlerfreien Auskunft. 12

5 Die Abkoppelung von den tatsächlichen Gegebenheiten ist in bezug auf die Haftung allerdings nur theoretisch bedeutsam. Soll eine fehlerhafte Auskunft zur Haftung führen, muß das durch sie erzeugte Gesamtbild auch den Tatsachen und nicht nur dem Bankwissen widersprechen, weil erst dann eine Fehldisposition und damit ein Vermögensschaden möglich wird. Trifft die Auskunft trotz Abweichung vom Kenntnisstand der Bank die tatsächliche Lage, ist eine daran orientierte Entscheidung keine Fehldisposition. 6 BruckneriStützle, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 97; Ebenroth/Boujong/Joost/77?essinga, Bank- und Börsenrecht I, Rd. 1174. 7 Ebenroth/Boujong/Joost/tforf, § 347 HGB, Rd. 66. 8 BarchewitzlNielsen, Bankrecht, S. 43; Bürger, Bankauskunft, S. 122; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rd. 2.166; Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 803; ferner in diesem Sinne RG, 24.9. 1898, RGZ 42, 132. Ausführlich OLG Frankfurt a.M., 5. 6. 1984 - 5 U 188/83, WM 1985, 253 ff. Anders für den Fall der Weitergabe einer Auskunft an einen Dritten, H. Schneider, ZHR 163 (1999), 263: Lückenhaftigkeit begründe keine Wahrheitspflichtverletzung (also auch keine Fehlerhaftigkeit der Auskunft), weil gegenüber dem Dritten keine Aufklärungspflicht bestehe. Die Unterscheidung ist allerdings schwierig, wenn nicht gar müßig, weil eben auch ein Schweigen i.R. einer Bankauskunft eine Aussage enthält, die Grenze zwischen Handlung (Aussage) und Unterlassung (Nichtaussage) also kaum verläßlich gezogen werden kann. 9 Der Unterschied zur lückenhaften Bankauskunft läßt sich an Hand eines Beispiels verdeutlichen: Lt. BGH, 6. 3. 1972 - II ZR 100/69, NJW 1972, 1200, sind andauernde ebenso wie bereits abgeschlossene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in der Bankauskunft anzugeben. Wird also eine Forderungspfändung gegen den Kunden nicht erwähnt, ist die Auskunft lückenhaft; nicht dem Kenntnisstand entsprechend ist die Auskunft dagegen, wenn in ihr festgestellt wird, daß Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Kunden bisher nicht erfolgt seien. 10 Bruckneri Stützle, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 114; R. FischerlKlanten, Bankrecht, Rd. 4.46 m.w.Nachw.; BGH, 28. 1. 1985 - II ZR 10/84, WM 1985, 381 = EWiR 1985, 153; allgemein für weitergegebene Informationen von dritter Seite OLG Frankfurt a.M., 7.12.2001 24 U 191/99, WM 2002,956. 11 Unklarheiten sowie eine vorsichtige und zurückhaltende Formulierung stellen dagegen keine Fehlerhaftigkeit dar, RG, 3.3. 1930, Bankarchiv 1929/30,258; RG, 12. 12. 1932, RGZ 139,106. 12 BGH, 5. 12. 2000 - XI ZR 340/99, WM 2001,135,136.

Teil 1 : Allgemeines

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Insgesamt ist die Auskunft fehlerhaft, wenn sie nicht geeignet ist, auf Basis des Wissensstandes der Bank ein zwar grobes, aber doch zutreffendes Bild von der wirtschaftlichen Situation des Kunden zu geben. Sie ist also unrichtig, wenn sie die Gefahr hervorruft, daß der Auskunftsnutzer eine vermögensmäßige Entscheidung trifft, die er bei dem Wissensstand der Bank entsprechender Kenntnis möglicherweise nicht getroffen hätte.

C. Der Einfluß des § 675 Abs. 2 BGB auf die Haftung nemo ex Consilio obligator

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§ 675 Abs. 2 BGB behandelt ausdrücklich nur die Fälle von Rat und Empfehlung. Die Vorschrift umfaßt aber auch Auskünfte 2 und ist damit die einzige Norm des bürgerlichen Rechts, die auf die Auskunftshaftung eingeht.3 Von den meisten Befürwortern der Haftung als überlebt bzw. von Anfang an nutzlos betrachtet, wird § 675 Abs. 2 BGB grundsätzlich nur beiläufig erwähnt.4 Angesichts der rein negativen Formulierung5 der Norm stellt sich die Frage nach ihrem Gehalt, insbesondere danach, ob sie einer Haftung für fehlerhafte Auskünfte entgegensteht.

I. Die Herkunft der Vorschrift, ihre Entstehungsgeschichte 7. Römisches Recht Nach römischem Recht galt die Regel: „nemo ex Consilio6 obligatur".7 Von diesem Grundsatz gab es jedoch anerkannte Ausnahmen. Eine vertragliche Haftung bestand, wenn der Beratende die Gefahr für die Ratsbefolgung durch ein den Rat begleitendes Rechtsgeschäft übernahm. Er haftete dann nach Aufirags-

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Dig. 17,1,2, 6. Bohrer, Dispositionsgarant, S. 3, 19; Brose, AcP 130 (1929), 195; Bruckneri Stützte, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 128; Ebenroth/Boujong/Joost/Korf, §347HGB, Rd. 51; Mugdan, Motive, Bd. II, S. 310; Sichtermann, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 392; H. Stoll, AcP 135 (1931), 97. 3 Zu § 311 Abs. 3 BGB siehe unten, Teil 2 D., S. 152. 4 Hagenmeyer, Rat und Auskunft, S. 6; siehe ferner die in Fn. 49, S. 38 angeführten Urteile. 5 Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 21; Bürger, Bankauskunft, S. 136; Locher, Kreditauskünfte, S. 34. 6 Lateinisch (u.a.) für Rat, Beratung, Ratschlag und Vorschlag, Pertsch, Großes Schulwörterbuch Lateinisch - Deutsch, 7. Aufl., Berlin, München, Wien, Zürich, New York 1990, S. 255,256. 7 Fn. 1,S. 24. 2

C. Der Einfluß des § 675 Abs. 2 BGB auf die Haftung

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recht wegen Schlechterfüllung. 8 Dies galt zum Beispiel, wenn der Beratene mit den Worten „'periculo meo crede'... 'bene credis'" 9 zum Verleihen bewegt wurde. Bei arglistigem Rat wurde die actio de dolo gegeben. Daneben bestand eine verschärfte Haftung des Kunstsachverständigen und in Form der mensorischen Klage eine deliktische Haftung des Feldmessers.10 Die Haftung für falschen Rat war damit die Ausnahme. Dies ist zum Teil mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zu erklären, die zur Zeit des römischen Rechts galten. Der Rat oder die Empfehlung waren artes liberales, höhere Dienste, für die aus Gründen der Standesgemäßheit kein Entgelt verlangt werden konnte.11 Der Haftungsausschluß bildete das Gegenstück zur Unentgeltlichkeit.12 Es waren aber nicht nur die gesellschaftlichen Verhältnisse zur Zeit des römischen Rechts, welche die Unverbindlichkeit des Rates bedingten. Der Erwägung, den Raterteilenden oder Auskunftgeber von einer Haftung prinzipiell freizustellen, lag in ebenso starkem Maße die Wertung zugrunde, daß der Beratene stets in eigenen Angelegenheiten handelt, wenn er den Rat oder die Empfehlung befolgt bzw. sich auf die Auskunft verläßt: Zum einen kann er frei darüber entscheiden, ob und wie er die Information nutzt.13 Zum anderen macht das oben angegebene Beispiel14 deutlich, daß das getätigte Geschäft grundsätzlich dem Risikokreis des Auskunftsnutzers zuzuordnen ist. Dieser profitiert nicht nur allein von dem möglichen Gewinn, sondern trägt konsequenterweise auch das Verlustrisiko. 15

2. Gemeines Recht Auch zur Zeit des gemeinen Rechts - vom 16. Jahrhundert bis zum Inkrafttreten des BGB 16 - wurde überwiegend der Grundsatz der Nichthaftung vertre8

Grundlage war ein mandatum tua gratia, also für die Erbringer höherer, entgeltloser und damit nicht ehrenrühriger Dienste geltendes Recht, siehe Lammel, AcP 179 (1979), 345, m.w.Nachw. in Fn. 57 und 58; Hagenmeyer, Rat und Auskunft, S. 34. 9 Dig. 17,1,12,13. 10 Hagenmeyer, Rat und Auskunft, S. 37 f. 11 Lammel, AcP 179 (1979), 345, 346; siehe auch Fuchs, Juristischer Kulturkampf, S. 89. 12 Wobei die Unentgeltlichkeit oft theoretischer Art war, ließen sich doch speziell die Juristen schon damals für ihre Ratschläge gern und reichlich „beschenken", Kilian, JuS 1998,253,254. 13 Höpjher, Theoretisch-practischer Commentar, § 919, S. 686; Jansenhon der Lely, ZEuP 1999,230, unter Hinweis auf Gaius III, § 156. 14 Fn. 9. 15 Für diesen Wertungsgesichtspunkt auch von Cr aushaar, Vertrauen, S. 33 und die gesetzliche Wertung in § 278 BGB - siehe dazu Lorenz., MDR 1954, 515, 517; Möschel, AcP 186 (1986), 197 und BGH, 6. 4. 1978 - III ZR 43/76, VersR 1978, 823. 16 Wesel, Geschichte des Rechts, Rd. 245 ff.

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ten.17 Dies wurde vor allem mit der Befürchtung einer ansonsten ausufernden Haftung begründet.18 Eine Ersatzpflicht bestand nur, wenn ein falscher Rat arglistig erteilt wurde oder wenn neben dem Rat ein selbständiges Versprechen bestand. Dann bildeten Auftrags- oder Garantievertrag die Anspruchsgrundlage.19 In der Spätzeit des gemeinen Rechts war nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts auch ein sonstiger Kontrakt taugliche Haftungsgrundlage. Voraussetzung war, daß ein Zusammenhang zwischen Rat oder Empfehlung 20 und einem Vertrag bestand. So bejahte der I. Zivilsenat in einer Entscheidung zum Auskunftsrecht vom 15 . 6. 188721 die Haftung aufgrund der Beziehung des erteilten Rates zum anschließend von den Parteien vereinbarten Kommissionsverhältnis. Das Reichsgericht konstruierte eine vorverlegte 22 kommissionsvertragliche Pflicht, so daß die Beklagte schon „bei Erteilung des Rates mit der Diligenz eines ordentlichen Kaufmannes zu handeln"23 hatte. Die vorgezogene Wirkung der Sorgfaltspflichten wurde mit dem bisherigen Geschäftsverkehr zwischen den Beteiligten erklärt, und damit, daß der „erteilte Rat als ein integrierender Bestandteil des konkreten Kommissionsgeschäftes" 24 anzusehen sei. Die Beklagte haftete demnach nicht als Ratgeberin, sondern aufgrund ihrer Nebenpflichtverletzung im Rahmen des Kommissionsgeschäftes. Sie haftete als Kommissionärin: „Es fragt sich also, ob die Beklagte bei der Erteilung ihres Rates die ihr als Kommissionärin obliegende Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes beobachtet hat". Weiter ging das Reichsgericht in einer späteren Entscheidung, als es eine bloße Geschäftsverbindung zur Grundlage der Haftung für schuldhaft falschen Rat erklärte. 25 In der letzten Entscheidung zur Auskunftshaftung vor Inkrafitreten des BGB,26 war der Rat wieder in Zusammenhang mit einem (Wertpapierkauf-) 17

Siehe zum Grundsatz: Neustetel, AcP 2 (1821), 39 ff.; RG, 24. 9. 1898, RGZ 42,130. Hagenmeyer, Rat und Auskunft, S. 73; Klein, Rechtssprüche, S. 71. Hagenmeyer, Rat und Auskunft, S. 72, m.w.Nachw. in Fn. 234. 20 Rat oder Empfehlung bezogen sich in den nachfolgend erwähnten Fällen nicht auf die Kreditwürdigkeit eines Kunden, sondern auf Börsengeschäfte. 21 RG, 15. 6. 1887, RGZ 19, 97 ff.: Jtomänier* - Haftung für falschen Rat beim Wertpapierkauf, allerdings unter Hervorhebung des zutreffenden Grundsatzes: „Im allgemeinen besteht keine Haftung dafür, daß bei einem Rate oder einer Empfehlung nicht ein Versehen unterläuft". 22 RG, 15. 6. 1887, RGZ 19, 100: „Dieser Rat ist zeitlich früher erteilt, als ein Kaufgeschäft... perfekt geworden ist". 23 RG, 15.6. 1887, RGZ 19,100. 24 RG, 15.6. 1887, RGZ 19,101. 25 RG, 31. 1.1891, RGZ 27, 119, wobei neben der Geschäftsverbindung noch eine nahe Beziehung der beklagten Bank zu dem Unternehmen bestand, dessen Wertpapiere (Dortmunder-UnionStamm-Prioritäten) der Kläger erwarb. 26 RG, 24. 9. 1898, RGZ 42,130. Die Aktien der Niederschlesischen Schamottewarenfabrik ren als gutes Anlagepapier empfohlen worden. Die Gesellschaft wurde aber wenige Jahre nach der Empfehlung im Konkursverfahren aufgelöst, wobei die Aktionäre leer ausgingen. 18

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wa-

C. Der Einfluß des § 675 Abs. 2 BGB auf die Haftung

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Vertrag erteilt worden. Auch hierbei erzeugte nach Ansicht des Reichsgerichts das Vertragsverhältnis die Verantwortung. Dabei sah das Reichsgericht, nach Erwägungen zur besonderen Sachkunde des Bankiers, den Rat als „Teil des entgeltlichen Geschäfts" an.27 Nach Auffassung des Reichsgerichts wurde also nicht für die Schlechterfüllung der Hauptleistungspflicht zu gutem Rat gehaftet, sondern für die Verletzung einer Nebenpflicht aus dem grundlegenden Rechtsverhältnis: die Pflicht, wenn überhaupt, dann sorgfältig zu beraten. Auch wenn die Entscheidungen noch keinen offenen Bruch mit der bis dahin überwiegenden Meinung von der grundsätzlichen Nichthaftung für fehlerhafte Auskünfte darstellten,28 erweiterten sie die Haftung und sind damit als Grundstein der späteren Rechtsprechung des Reichsgerichtes zur Auskunftshaftung anzusehen. Neben der herrschenden Auffassung von einer grundsätzlichen Nichthaftung bestand vereinzelt die Ansicht, daß jeder fahrlässig falsche Rat eine Schadensersatzhaftung auslöse.29

3. Die Regelung durch den Gesetzgeber Die letztgenannte Ansicht einer generellen Haftung auch bei culpa levis(sima) wurde vom Gesetzgeber des BGB nicht geteilt. In den Materialien zu § 604 des Ersten Entwurfs 30 wird eine allgemeine Auskunftshaftung abgelehnt. Dies war maßgebender Grund für die Einfügung von § 676 (a.F., heute § 675 Abs. 2) BGB in das Bürgerliche Gesetzbuch.31 Allein aufgrund der Auskunftserteilung soll auch bei grober Fahrlässigkeit keine Verbindlichkeit erwachsen. Der Regelungsbedarf (zu § 604 des Ersten Entwurfs) wird ausdrücklich mit der wachsenden Zahl an „Erkundigungen nach Solvenz und Kreditwürdigkeit" begründet.32 „Fälle..., in welchen die besonderen Umstände eine weitergehende Haftung begründen", sollten von § 676 (a.F., heute § 675 Abs. 2) BGB aber ausdrücklich nicht erfaßt werden.33 Insoweit ist die Formulierung in den Motiven etwas 27

RG, 24. 9. 1898, RGZ 42, S. 131. Anders Hagenmeyer, Rat und Auskunft, S. 104,105. Siehe dazu Jacoby, Crediterkundigung, S. 53; Mugdan, Motive, Bd. II, S. 310; Wolff, Haftung des Ratgebers, S. 25. 30 Des spateren § 676, heutigen § 675 Abs. 2 BGB. 31 Jacoby, Crediterkundigung, S. 84; Königsberger, Die berufliche Auskunftserteilung, S. 52; Mugdan, Motive, Bd. II, S. 310; Protokolle, Bd. II, S. 380; Wolff, Haftung des Ratgebers, 1899. Mugdan, Motive, Bd. II, S. 310. Siehe zur Diskussion im Gemeinen Recht, Hagenmeyer, Rat und Auskunft, S. 72, 73; Hirte, Berufshaftung, S. 148 - 170. Jost, Vertragslose Haftung, S. 14 ff. 33 Mugdan, Motive, Bd. II, S. 310. 28

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Teil 1: Allgemeines

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mißverständlich: Als besonderer Umstand wird angesehen, daß Rat oder Empfehlung aufgrund eines Vertrages erteilt werden. Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn „Rath und Empfehlung kraft Gewerbes oder Berufes" erteilt wird. Die darauf folgende Aussage in den Motiven lautet: „Es entfällt hiernach auch eine besondere Bestimmung über die Verantwortlichkeit deijenigen, welche als Sachverständige in Angelegenheit ihrer Kunst oder Wissenschaft einen Rath ertheilen".34 Daraus könnte man ableiten, daß eine allgemeine vertragliche Sachverständigenhaftung vom Gesetzgeber des BGB von 1900 gewollt war. Damit würde (dem heutigen) § 675 Abs. 2 BGB eine erhebliche Ausstrahlungswirkung auf das Vertragsrecht zukommen.35 Das trifft aber nicht zu. Der Gesetzgeber wollte die Fälle, in denen „Rath und Empfehlung kraft Gewerbes oder Berufes erteilt wird", ausdrücklich „vorbehalten" wissen. Die Formulierung in den Motiven stellt also nur klar, daß eine Auskunftshaftung von Sachverständigen durch § 675 Abs. 2 BGB nicht ausgeschlossen wird. Daß der Gesetzgeber einen (Auskunfts-) Vertrag als bei jeder Auskunft durch einen Sachverständigen geschlossen ansehen wollte, kann dagegen nicht angenommen werden. Darauf deutet schon die Formulierung: „wenn der Rath oder die Empfehlung auf Grund eines ... Vertrages ertheilt ist...", hin. Der Vertrag soll also nicht (stets) bei Gelegenheit der Auskunftserteilung geschlossen sein. Eine Haftungsgrundlage bei fehlerhafter Auskunft bildet er nur dann, wenn die Auskunft in Erfüllung eines regelmäßig vor ihrer Erteilung geschlossenen Vertrages gegeben wird, wie etwa im Falle entgeltlicher Auskünfte durch Inkassobüros. Außerdem hat sich der Gesetzgeber mit § 305 BGB a.F., dem heutigen § 311 Abs. 1 BGB, für eine umfassende Gewährleistung der Vertragsfreiheit entschieden.36 Es ist nicht anzunehmen, daß er diese Vertragsfreiheit bei Expertenauskünften wieder zurücknehmen und stets einen Vertrag als geschlossen ansehen wollte. Des weiteren tauchte der Gesichtspunkt des Vertragsschlusses bei Rat und Empfehlung in den späteren Beratungen zum BGB nicht mehr auf. Stattdessen ging die Diskussion im wesentlichen um die Notwendigkeit und den Standort von §676 (a.F., heute §675 Abs. 2) BGB als klarstellende Norm. 37 Daß der Gesetzgeber eine allgemeine vertragliche Sachverständigenhaftung statuieren wollte, läßt sich also nicht feststellen. 38 34 35 36 37 38

Mugdan, Motive, Bd. II, S. 310. Siehe unten, Teil 2 Α., S. 32. Flume, Rechtsgeschäft, S. 1 ff. Protokolle, Bd. II, S. 380,664. Ebenso Jost, Vertragslose Haftung, S. 39,40.

C. Der Einfluß des § 675 Abs. 2 BGB auf die Haftung

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Angesichts der Materialien ist aber auch die Aussage, der Gesetzgeber habe die Problematik der Haftung von Fachleuten nicht erkannt,39 unzutreffend. Diskutiert wurde keineswegs allein die Stellung der Vorschrift im Gesetz,40 sondern auch die Frage der Haftung selbst.

II. Die aktuelle Bedeutung des § 675 Abs. 2 BGB Auf diesem Hintergrund erschließt sich die bis heute gültige Zwecksetzung des § 675 Abs. 2 BGB. Er stellt klar, daß für Rat, Empfehlung oder Auskunft grundsätzlich nicht gehaftet wird. 41 § 675 Abs. 2 BGB steht einer Haftung für falsche Auskunft aber dort nicht entgegen, wo neben der Auskunftserteilung besondere Umstände bestehen, die für eine Haftung sprechen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Einfluß der Norm auf die Auskunftshaftung variiert: Wird die Auskunft nicht in Zusammenhang mit einer geschäftlichen Tätigkeit erteilt, spricht § 675 Abs. 2 BGB in sehr starkem Maße gegen eine Haftung für fehlerhafte Auskunft. Die Norm unterstreicht dabei die grundsätzliche Unverbindlichkeit gesellschaftlichen Handelns. Sobald die Auskunft aber mit einer geschäftlichen Tätigkeit in Zusammenhang steht, ist die allgemeine Vermutung der gesellschaftlichen Unverbindlichkeit aufgehoben, so daß eine Haftung für fehlerhafte Auskunft eher in Betracht kommt. So scheidet zum Beispiel eine Haftung grundsätzlich aus, wenn ein Rechtsanwalt als (rechtskundiger) Verwandter oder Freund eine Auskunft erteilt. Informiert er dagegen in seiner Funktion als Angehöriger seines Standes, also „als Rechtsanwalt", liegt eine Haftung für fehlerhafte Auskünfte nicht mehr fem. 42 Auch der Bankier erteilt Bankauskünfte im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit, so daß eine Haftung für fehlerhafte Auskünfte nicht ausgeschlossen ist. Dabei ist es übrigens unbeachtlich, daß die Auskunft nach traditionellem Verständnis (siehe § 1 Abs. 1 S. 2 KWG) kein typisches Bankge-

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Grunewald, JZ 1982, 631. Darüber wurde übrigens knapp einhundert Jahre später erneut diskutiert. Der Bundesrat regte in seiner Stellungnahme zum Überweisungsgesetz, BT-Drucks. 14/1067, S. 1, an, den Inhalt des § 675 Abs. 2 BGB an anderer Stelle zu regeln. 41 Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 803. 42 Daher kann man die (c.i.c.-) Haftung i.ü. auch nicht, wie Thiele, JZ 1967, 653, meint, danach bestimmen, wie weit der Verhandlungspartner das „Tor seines Vermögens" geöffnet habe. 40

Teil 1 : Allgemeines

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schäft ist.43 Relevant ist in diesem Zusammenhang nur der Bezug zu seiner gewerblichen Tätigkeit.44 Des weiteren beinhaltet § 675 Abs. 2 BGB eine Aussage zum Geschäftsrisiko: Das Geschäft, dessen Abschluß durch die Auskunft beeinflußt wird, ist hinsichtlich des möglichen Gewinns eine Sache des Auskunftsempfängers. 45 Damit trägt er grundsätzlich auch das mit dem Geschäft verbundene Risiko eines Fehlschlags.46 Im allgemeinen ist es nämlich nicht gerechtfertigt, das Verlustrisiko vom alleinigen Träger der Gewinnerwartung auf den Auskunftgeber abzuwälzen.47 Dies ist nur unter besonderen Umständen48 möglich. Wann eine Verlagerung des Risikos gerechtfertigt ist, ist an Hand allgemeiner Kriterien außerhalb des § 675 Abs. 2 BGB festzustellen. In Betracht kommen unter anderem Arglist, Vertragsschluß oder ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Auskunftsgebers. Insgesamt ist § 675 Abs. 2 BGB für das „Ob" der Auskunftshaftung also weniger entscheidend als die allgemeinen Unterscheidungsmerkmale und Abwägungen. Sein Gehalt beschränkt sich auf die Verdeutlichung der wichtigsten Bewertungskriterien für die Haftung: - Durch die bloße Erteilung einer (fahrlässig falschen) Auskunft wird eine Verbindlichkeit nicht begründet. - Für oder gegen die Entstehung einer Verbindlichkeit spricht die Sphäre, in der der Rat erfolgt. - Das Dispositionsrisiko liegt grundsätzlich beim Empfänger des Rates bzw. der Auskunft.

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Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rd. 2.164; Locher, Kreditauskünfte, S. 65, 66, 112: Weil die Bank auf die Auskunftserteilung ohne weiteres verzichten könnte, ohne daß dadurch ihre Eigenart als Kreditinstitut enden würde. 44 RG, 21.4. 1888, RGZ 20, 194, bezeichnet die Auskunft allgemein als zum Gewerbebetrieb gehörende Handlung. 45 Siehe schon Neustetel, AcP 2 (1821), 46: Es widerspreche Treu und Glauben, „da Entschädigung zu verlangen, wo man nur für sich gehandelt habe". 46 Mugdan, Motive, Bd. II, S. 554. H Schneider, ZHR 163 (1999), 249, zieht diesen Schluß allgemein aus der Systematik des BGB, §§ 823, 826 und § 675 Abs. 2 BGB. Siehe auch Hagenmeyer, Rat und Auskunft, S. 80. 47 von Cr aushaar, Vertrauen, S. 33: Wer den Nutzen hat, soll grds. auch die Lasten tragen. Praktisch wird die Bank in die Rolle einer Versicherung gedrängt, siehe Müssig, NJW 1989,1697. Denn die Haftung bedeutet eine Verlagerung des Vertragsrisikos zu Lasten der Bank in einem besonders wichtigen Bereich: Solvenz des Vertragspartners. Wer eine Auskunft einholt,ftlr deren Richtigkeit gehaftet wird, kann also das mit der Auswahl eines Vertragspartners verbundene Risiko insoweit ausschalten. Siehe auch Brodmann, AcP 99 (1906), 334, zum Standpunkt des Römischen Rechts, wonach die Haftung des Schuldners „sich abschwächt und bis auf Haftung für Vorsatz vermindert erscheinen kann, wenn das Interesse am Geschäft ausschließlich auf Gläubigerseite liegt". 48 Siehe oben, S. 29.

C. Der Einfluß des § 675 Abs. 2 BGB auf die Haftung

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§ 675 Abs. 2 BGB hat damit vor allem eine klarstellende Funktion. Ob für eine fehlerhafte Auskunft gehaftet wird, beurteilt sich aber nicht unmittelbar nach dieser Vorschrift, so daß § 675 Abs. 2 BGB die Auskunftshaftung nicht ausschließt.49 Daß § 675 Abs. 2 BGB mit seinem eher hinweisenden als imperativen Charakter entbehrlich ist, 50 muß angesichts der nicht abflauenden Diskussion um die Auskunftshaftung und der Beibehaltung der Vorschrift auch mit dem Überweisungsgesetz und dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 51 bezweifelt werden. Wie aufgezeigt, kann die Norm jedenfalls nicht allein mit dem Verweis auf die völlig andere gesellschaftliche Struktur z.Zt. des römischen Rechts als unbeachtlich bezeichnet werden.52 Ansonsten wäre eine zur Zurückhaltung bei der Annahme einer Auskunftshaftung anhaltende53 Regelung von Anfang an entbehrlich gewesen: Die gesellschaftlichen Verhältnisse unterschieden sich im Deutschen Reich bereits bei der Schaffung des BGB grundlegend von denen im alten Rom. Die Nachfolger der frühen römischen Juristen waren längst (seit dem 1. Jahrhundert n.Chr.) nicht mehr auf „Geschenke" als Anerkennung ihrer Leistungen für den Mandanten angewiesen, sondern konnten Honorare fordern.54 Dem Gesetzgeber damit aber die Schaffung einer unnützen Vorschrift vorzuwerfen, erscheint angesichts der damals55 wie heute56 umfangreichen Diskussion zum jetzigen § 675 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Die Norm ist zwar auch Ausdruck der Prägung der geschichtlichen Entwicklung der Auskunftshaftung durch das römische Recht.57 Sie enthält mit der Verdeutlichung des Risikogedankens aber mehr als nur einen klarstellenden Bezug auf gesellschaftliche Verhältnisse.

49 Locher, Kreditauskünfte, S. 35. A. Wiegand, Sachwalterhaftung, S. 169 - 173. Auch eine die Dritthaftung begrenzende Tendenz, wie vom BGH, 2.4.1998 - III ZR 245/96, ZIP 1998, 826, für § 323 Abs. 1 S. 3 HGB festgestellt, kann § 675 Abs. 2 BGB nicht entnommen werden, weil § 675 Abs. 2 BGB, anders als § 323 Abs. 1 S. 3 HGB, den Kreis der Ersatzberechtigten nicht festlegt. 50 Siehe dazu Hagenmeyer, Rat und Auskunft, S. 6, m.w.Nachw. Die rechtliche Entbehrlichkeit ist i.ü. von der praktischen Bedeutung, d.h. der Bedeutung in der Spruchpraxis der Gerichte, die tatsächlich gering ist, Hopt, FS Gernhuber, 1993, S. 169; Ebenroth/Boujong/Joost/Korf, § 347 HGB, Rd. 51, zu unterscheiden. 51 ÜWG vom 21. 7. 1999, BGBl. I, S. 1642 und SRModG vom 26. 11.2002, BGBl. I, S. 3138. 52 So aber Bürger, Bankauskunft, S. 136 f. 53 Bruckneri Stützte, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 128; Jost, Vertragslose Haftung, S. 38-42. 54 Kilian, JuS 1998,253; Lammel, AcP 179 (1979), 346. 55 Siehe Mugdan, Motive, Bd. II, S. 310; Protokolle, Bd. II, S. 380,664. 56 Der Streit um die Auskunftshaftung ist ja zumindest mittelbar auch stets ein Streit um die Bedeutung des § 675 Abs. 2 BGB. 57 Hagenmeyer, Rat und Auskunft, S. 105,106.

Teil 2

Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung A. Die Haftung des Kreditinstitutes aus Vertrag / § 280 Abs. 1 BGB Was wir uns denken, existiert

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Die Rechtsprechung und Teile der Literatur befürworten eine vertragliche Haftung des Kreditinstitutes. Diese Entwicklung lag angesichts der Formulierung des § 675 Abs. 2 BGB nahe.2 Außerdem ist die Konstruktion eines Vertrages der einfachste Weg, das gewünschte Haftungsergebnis zu erreichen.3 In Betracht kommen vor allem der Auskunftsvertrag, der Garantievertrag und der keinem gesetzlichen Regeltypus unterfallende Haftungsvertrag („sui generis").

I. Der stillschweigende Abschluß eines Vertrages als Ausgangspunkt der herrschenden Auffassung Die am Auskunftsverfahren Beteiligten einigen sich in der Praxis nicht ausdrücklich.4 Ein Vertragsschluß kommt daher nur mit Hilfe einer konkludenten Willenseinigung in Betracht. Sämtliche Vertragstheorien beziehen sich auf einen stillschweigenden Vertragsschluß5 und werden mit dem Argument kritisiert, es handle sich dabei um Vertragsfiktionen. 6 Diese Kritik läßt erkennen, daß es um eine über die Auskunftshaftung hinausgehende Problematik geht, um zentrale Fragen der Rechtsgeschäftslehre. 7

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vonJhering, Scherz und Ernst in der Jurisprudenz, 3. Aufl. 1885, S. 261. Lammel, AcP 179 (1979), 339. Dazu sogleich, unter I., S. 32 ff. 4 Bürger, Bankauskunft, S. 139 („kommt kaum jemals vor"); außerdem Honseil, JuS 1976, 621, 625; Locher, Kreditauskünfte, S. 61; Musielak, in: Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 31. 5 Die Formulierung vom stillschweigenden Vertrag (z.B. bei Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 804, 805) ist problematisch, denn stillschweigend ist nicht der Vertrag, sondern der Abschluß des Vertrages erfolgt stillschweigend. 6 Siehe für alle Lorenz, FS Larenz, 1973, S. 575. Diese Argumentation liegt auch nahe, soll doch nach RG, 21. 6. 1932, JW 1933, 510, der Vertragswille beider Parteien für den Vertragsschluß entbehrlich sein. 7 So schon Musielak, VersR 1977,973. 2

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Α. Die Haftung des Kreditinstitutes aus Vertrag

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Bevor auf die einzelnen Ansichten eingegangen wird, bedarf es damit einiger Bemerkungen zum stillschweigenden Vertragsschluß.

1. Die stillschweigende

Willenserklärung

als Grundlage des Vertragsschlusse

Stillschweigend wird der Wille ohne entsprechende8 Worte, durch facta concludentia9 geäußert. Ausdrücklich ist dagegen eine Willenserklärung, wenn das Verhalten der Willensäußerung dient, also zum Zwecke der Willensäußerung erfolgt. 10 Regelmäßig ist hierbei die wörtliche Rede Erklärungsmittel. 11 Ausgangspunkt der Auslegung ist das Wort, auch wenn zusätzlich die Gesamtumstände beachtet werden müssen.12 Die Bezeichnung der nicht ausdrücklichen Willensäußerungen als konkludent, weil das Verhalten erst durch Rückschluß, conclusio, als Willenserklärung qualifiziert werden kann,13 trifft die Besonderheit der rechtlichen Wertung dieser Vorgänge also nur bedingt. Auch bei der ausdrücklichen Willenserklärung wird von einem Tatbestand, der Erklärung, auf den Willen 14 geschlossen.15 Nur hat man bei der ausdrücklichen Willenserklärung einen deutlicheren Anhaltspunkt für die Auslegung.16 Der Unterschied zwischen der stillschweigenden und der ausdrücklichen Willenserklärung liegt also in der Unterschiedlichkeit des Erklärungsmittels. 17 Somit müssen bei der schlüssigen Willenserklärung sämtliche objektiven und

8 Das Verhalten kann auch hier in Worten bestehen, nur sind diese beim stillschweigenden Vertragsschluß nicht unmittelbar dazu bestimmt, Erklärungsmittel zum Abschluß eines bestimmten Rechtsgeschäftes zu sein, Flume, Rechtsgeschäft, S. 72; Windscheid, AcP 63 (1880), 74. 9 D.h. durch Akte finaler Gestaltung, womit der so geschlossene Vertrag gilt, weil die Parteien es gewollt haben und die Rechtsordnung diesen Willen anerkennt, Flume, AcP 161 (1962), 59. 10 Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft, S. 214. 11 Aber nicht nur, siehe Hartmann, AcP 72 (1888), 167. 12 ?3landt 62/Heinrichs §133, Rd. 15; BGH, 17.9.1985 - VIZR 73/84, WM 1985, 1532 = NJW 1986, 180. 13 Hartmann, AcP 72 (1888), 165. 14 D.h. die drei Komponenten: Handlungs-, Erklärungs- und Geschäftswille, siehe Staudin%&nIDilcher, Einleitung zu §§ 104-185,Rd. 15 und Vorbemerkung zu §§ 116-144,Rd. 16-22; Bürger, Bankauskunft, S. 146; kritisch von Craushaar, AcP 174 (1974), 7; Flume, Rechtsgeschäft, S. 46-48. 15 Flume, Rechtsgeschäft, S. 49: Der objektive Tatbestand ist bei der Willenserklärung nur erforderlich, weil der Wille selbst nicht sichtbar ist; Köndgen, Selbstbindung, S. 333. 16 Fritze, ArchBürgR 14 (1898), 216: „die Umrisse des Geschehens verschwimmen mehr, und das juristische Urteil muß sich auf weniger sichere Anhaltspunkte stützen". 17 Hartmann, AcP 72 (1888), 256; Köndgen, Selbstbindung, S. 333; Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft, S. 299.

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

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subjektiven Merkmale erfüllt sein,18 denn auch diese Willenserklärung ist ein Akt finaler Gestaltung, ist Ausübung der Privatautonomie.19

2. Auslegung auf Biegen und Brechen - der stillschweigende Vertragsschluß in der Praxis

[E]ine logische Wissenschaft darf einem Begriff, indem sie ihm ein weitere hinzusetzt, dadurch nicht seinen primären Inhalt rauben. 20 Von diesem Grundgedanken hat sich der stillschweigend abgeschlossene Vertrag in der Praxis großteils entfernt. Er ist zu einem Vehikel richterlicher Billigkeitserwägungen geworden.21 Stillschweigend geschlossene Verträge werden angenommen, um die unkomplizierte Begründung einer erwünschten Rechtsfolge für den konkreten Fall zu erreichen. 22 Vor allem wird die Vertragskonstruktion benutzt, um unter Berufung auf die objektive Auslegung Schadensersatzpflichten zu begründen.23 Erinnert sei an den Linoleumrollen-Fall,24 wo, die Ausführungen des Reichsgerichts zugrundegelegt, ein (drittschützender 25) Teppichvorlegungsvertrag 26 zustandegekommen war. 27 18

Hartmann, AcP 72 (1888), 256; Soergel n!Hefermehl y Vor §116, Rd.31; StaudingdT /Dilcher, Vorbemerkung zu §§116- 144, Rd. 42; Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 805. 19 Flume , Rechtsgeschäft, S. 73,74; M. Wolf Entscheidungsfreiheit, S. 23. 20 Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft, S. 215. 21 Zum Auskunftsvertrag in diesem Sinne Honseil, JuS 1976, 625. Köngden, Selbstbindung, S. 94, 95, sieht die Rechtsfigur des unfreiwilligen Vertragsschuldners als längst bestehend an. Generell: Flume , JZ 1961,605. 22 Flume , JZ 1961, 605: „Die Rechtsprechung strebt allenthalben entgegen den starren gesetzlichen Lösungen zur richterlichen Gestaltung durch Billigkeitserwägungen"; Köndgen, Selbstbindung, S. 132, spricht vom Niedergang des Willensprinzips und bemerkt nicht zu Unrecht, daß die Auslegung von Rechtsgeschäften durch die Gerichte „kaum mehr verhüllt auf die Verwirklichung sozialethisch gebilligter Rechtsfolgen" zielt. Gegen einen derartigen Mißbrauch der stillschweigenden Willenserklärung schon Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft, S. 220. 23 Siehe z.B. BAG, 4. 9. 1985 - 7 AZR 262/83, NJW 1987, 2101, zur betrieblichen Übung; ein einen Kaufvertrag vorbereitenden Vertrag zur Begründung der Haftung hielt RG, 13.12. 1906, RGZ 65, 19, bei einer Probefahrt möglich; für die Frage eines antezipierten Haftungsverzichtsvertrages CHofmann, t AcP 167 (1967), 408): RG, 14. 4. 1930, RGZ 128, 231; femer RG, 26. 5. 1910, JW 1910, 750. 24 RG, 7. 12. 1911, RGZ 78,239 ff. 25 Der Anspruch des in der Sachverhaltsdarstellung als neben der Mutter geschädigt erwähnten Kindes wird in den veröffentlichten Gründen nicht erwähnt. 26 Bohrer, Dispositionsgarant, S. 105; Dölle, ZGStW 103 (1943), 67, 69; Locher, Kreditauskünfte, S. 86. 27 RG, 7. 12. 1911, RGZ 78, S. 240: „[Der Handlungsgehilfe] W. war in Vertretung der Beklagten (§ 164 BGB., § 54 HGB.) in Kaufunterhandlungen mit der Klägerin getreten. Die Klägerin hatte um Vorlegung eines Linoleumteppichs ersucht... Antrag auf Vorlegung des Teppichs und Annahme des Antrags bezweckten die Hervorbringung eines Kaufs, also eines rechtsgeschäftlichen Erfolges". Wenn das RG im weiteren auch von einem vertragsähnlichen Charakter des entstandenen Rechtsverhältnisses sprach - der Konstruktion nach war es der von Dölle bezeichnete Vertrag. Jel2

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Die beschriebene Vorgehensweise ist unter anderem deshalb so gängig, weil die Auslegung eines konkreten Sachverhaltes, und darum geht es bei der Entscheidung eines Falles,28 schwer angreifbar ist. Ein Sachverhalt kann unterschiedlich beurteilt werden. Vor allem die „(besonderen) Umständen des Falles" bilden immer wieder reichlich Material für eine bestimmte Sichtweise der Tatsachen. So ist stets eine Auslegung des Sachverhalts möglich, die den Weg zu der Rechtsfolge eröffnet, die dem richterlichen Rechtsgefühl 29 entspricht. Dies genügt - in der gerichtlichen Praxis - zur Begründung der Einzelfallentscheidung.30 Die Entscheidung des Gerichts mag mit Hilfe des konstruierten Konsenses im Einzelfall sogar gerecht31 entschieden worden sein.32 Was aber auf diese Weise verlorengeht, ist die dogmatische Vorhersehbarkeit richterlicher Entscheidungen.33 Die Rechtssicherheit bröckelt und damit ein Teilaspekt der Rechtsstaatlichkeit i.S.d. Art. 20 Abs. 3 GG:34 „Denn niemand weiß mehr, was im Einzelfall Rechtens ist, bis das letztinstanzliche Gericht 'unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles' entschieden hat".35 Auch die notwendige Fortentwicklung des Rechts wird behindert. Die Schere zwischen „law-in-the-books" und „law-in-action"36 wird vergrößert. Vor allem aber wird verdeckt, daß ein allgemeines Problem besteht, das durch das ob-

denfalls für mißverständlich hält die Ausführungen des Reichsgerichts Giaro, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 136. 28 Der Richter hat den einzelnen Fall, d.h. den konkreten Sachverhalt, zu entscheiden, Flume , AcP 161 (1962), 52, 54 f. 29 Fuchs, Juristischer Kulturkampf, S. 39, spricht von versteckter Gefühlsjurisprudenz, weil das Gefühl als Grundlage der Entscheidung verborgen werde, man „nur gleichsam durch die Ritzen erkennen [könne], daß die Konstruktion bloßer Schein ist". 30 R. Zimmermann, JZ 2001, 174: „Zu den Kunstgriffen, deren Richter sich bedienen, gehörte ... das zu allen Zeiten und in allen Ländern beliebte Hineinlesen stillschweigender Bedingungen in den Vertrag oder die Konstruktionfiktiver Verträge". 31 So richtet sich die Kritik denn auch zumeist nicht gegen das Judiz, sondern gegen den Weg, den die Rechtsprechung genommen hat, siehe nur Feuerborn, EWiR 1985, 153,154. 32 Die Rechtsverwirklichung im Einzelfall ist für den Richter entscheidend, Flume , Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 4. 33 Lammel, AcP 179 (1979), 338. Hopt, AcP 183 (1983), 717, hält das Postulat der Rechtsklarheit und -vorhersehbarkeit bereits für aufgegeben, bzw. seine rudimentäre Umsetzung auf die Ankündigung von Rechtsprechungsänderungen und Schaffung von Übergangslösungen durch die Rechtsprechung beschränkt. 34 Siehe dazu Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft, Rd. 34; Köndgen, NJW 1992, 2264; ferner die Entscheidungen des BVerfG, 1.7. 1953 - 1 BvR 23/51, BVerfGE2, 403; BVerfG, 23. 3. 1971 - 2 BvL 2/66; 2 BvR 168,196, 197, 210,472/66, BVerfGE 30,386; BVerfG, 3. 6. 1992 - 2 BvR 1041/88, BVerfGE 86,327. 35 Flume , JZ 1961, 605. 36 Siehe dazu Köndgen, Selbstbindung, S. 2 und die Erwägungen des Gesetzgebers zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BT-Drucks. 14/6040, S. 161.

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jektive Recht (durch den Gesetzgeber) zu lösen ist, und nicht nur ein Konflikt der Beteiligten, dessen sich der Richter anzunehmen hat.37 Der stillschweigende Vertragsschluß ist also dort mit besonderer Vorsicht zu genießen, wo sein Abschluß nicht als „Regelfall ohne Worte" naheliegt. Ein solcher „Regelfall" ist zum Beispiel der Kauf im Selbstbedienungsladen. Der Kaufvertrag gem. § 433 BGB und die dinglichen Einigung gem. §§ 929 ff. BGB kommen hier regelmäßig stillschweigend zustande.38 In Konstellationen wie bei der Auskunftserteilung, in denen ein Vertragsschluß nicht in jeder Hinsicht naheliegt,39 ist die Konstruktion stillschweigend geschlossener Verträge jedoch grundsätzlich abzulehnen. Außerhalb der „Regelfälle" des stillschweigenden Vertragsschlusses besteht nämlich die Gefahr der Erschleichung richterlicher Einzelfallösungen unter Ausklammerung der entscheidenden Rechtsfragen. 40 Dennoch ist der stillschweigende Vertragsschluß in den Auskunftsfällen nicht ohne weiteres als Fiktion abzulehnen,41 sondern eingehender Prüfung zu unterziehen.42

37 Canaris , ZHR 163 (1999), 215, zur Vertragsauslegungslösung bei der Feststellung der Drittschutzwirkung von Verträgen. Schon der Deutsche Richtertag von 1911 faßte in Dresden einen Beschluß, der u.a. folgende Verpflichtung enthielt: „[Der Richter] soll vermeiden, die wahren [Entscheidungs-] Gründe durch künstliche Argumentation zu verdecken", DRiZ 1911, Sp. 790. 38 M Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 125. 39 A. Wiegand, Sachwalterhaftung, S. 75. 40 Mit Vertragsfiktionen werden die Rechtsfragen nicht be-, sondern allenfalls überwältigt. 41 Drastisch in diesem Sinne dagegen Lorenz, FS Larenz, 1973, S. 618; siehe auch Jost, Vertragslose Haftung, S. I l l , 112 und 114: „Die Rechtsprechung bemächtigt sich nur der Vertragsfolgen". Siehe auch Herrmann, in: Horn, German Banking Law, S. 97; Hirte, Berufshaftung, S. 19; Honseil, JuS 1976,625; Hopt, AcP 183 (1983), 617; Rümker, ZHR 147 (1983), 31; F. Schäfer, Haftung, S. 9, Stahl, Dritthaftung, S. 47,50. 42 Musielak, in: Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 29, kritisiert zu Recht, daß einige den Auskunftsvertrag ablehnende Autoren nicht genügend auf die Problematik eingehen.

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II. Die unterschiedlichen Verträge im einzelnen

Der Richter verlegt hier einfach, was er als billiges Ergebnis erachtet, kün die Köpfe der Parteien, die dann oft nicht wenig erstaunt über ihren ihnen selbst unbekannt gewesenen Geistesreichtum sind. 43 1. Ausklammerung der Stellvertreter-

und Botenproblematik

Der Auskunftsnutzer, der infolge fehlerhafter Eigenauskunft Schadensersatz begehrt, tritt mit der Bank nicht selbst in Kontakt.44 Die Bank erteilt die Auskunft an ihren Kunden, und dieser reicht sie an den Auskunftsnutzer weiter. Ein Vertragsschluß ist daher nur im Wege der Stellvertretung oder Botenschaft des Bankkunden oder durch ein Vertragsangebot der Bank an alle, die es angeht, möglich.45 Um die Fragestellung zu vereinfachen, werden Probleme46 der Konstruktion von Botenschaft bzw. Stellvertretung an dieser Stelle ausgeklammert.47 Untersucht wird hier zunächst der von der Eigenauskunft zu unterscheidende „Grundfair eines Zweipersonenverhältnisses zwischen dem Kunden und seiner Bank: Ein Bankkunde ersucht sein Kreditinstitut um Auskunft über einen anderen Kunden desselben Kreditinstitutes. Das Bankhaus erstellt die Information und erteilt sie ihrem Kunden. Dieser trifft auf Basis der Auskunft Entscheidungen. Die Prüfung auf diese Weise zu entzerren, bietet sich nicht nur zur Vereinfachung an. Es ist auch folgende Überlegung maßgeblich: Nur wenn sich das Kreditinstitut gegenüber dem eigenen Kunden bei der Auskunftserteilung vertraglich bindet, kann ein Vertragsschluß auch mit dem Dritten in Betracht kommen.48 Zwischen der Bank und dem Dritten fehlt nämlich nicht nur eine Rechts- bzw. Geschäftsbeziehung, sondern der Dritte ist der Bank meist auch unbekannt. Man kann also nicht erwarten, daß seine Interessen stärker als die des Kunden berücksichtigt werden.

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Fuchs, Juristischer Kulturkampf, S. 39. Zu den Gründen siehe oben, Teil 1 A. IL, S. 18. Siehe dazu Musielak, Haftung, S. 25; Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 92, Fn. 122. 46 A. Wiegand, Sachwalterhaftung, S. 58 - 66. 47 Siehe aber unten, III., S. 67 f. 48 Stahl, Dritthaftung, S. 50 und unten, IV., S. 70. Dieser Gedanke findet sich auch in der Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wieder, wenn basierend auf der Aussage des § 334 BGB vertragliche Haftungsausschlüsse zu Lasten des Dritten durchschlagen, siehe BGH, 7. 11. 1960 - VII ZR 148/59, BGHZ33, 247 und BGH, 15.6. 1971 - VIZR 262/69, BGHZ 56,269. 44

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2. Der Auskunftsvertrag a) Standpunkt und Formulierung der herrschenden Meinung der stillschweigende Abschluß eines Auskunftsvertrages als Regelfall Rechtsprechung49 und Stimmen der Literatur 50 nehmen in Fällen der Bankauskunft weitgehend den stillschweigenden Abschluß eines Auskunftsvertrages51 an.52 Schon der Bezeichnung ist entgegengehalten worden, sie sei 49 Die Rechtsprechung beschränkt die Annahme eines Auskunfts- oder Beratungsvertrages nicht auf die Bankauskunft, sondern greift zu dieser Konstruktion auch in anderen Fällen unmittelbaren Auskunftskontaktes, z.B. bei der Auskunft durch einen Anwalt oder einen Wirtschaftsberater. Die folgenden Zitate sind daher nicht nur auf Bankauskünfte bezogen: RG, 27. 10. 1902, RGZ 52, 365, 366 (Haftung eines Rechtsanwalts für eine fehlerhafte Bestätigung, die an eine Bank weitergeleitet wurde); RG, 3. 6. 1913, RGZ 82, 337 (Haftung für die Aussage: „Der Wechsel geht in Ordnung"); RG, 19. 10. 1917, JW 1918, 90, 91 (Haftung eines Rechtsanwalts für eine fehlerhafte Auskunft anläßlich eines Kaufvertrages); RG, 14. 4. 1928, RGZ 121, 50 (Bankauskunft); BGH, 29. 10. 1952 II ZR 283/51, BGHZ 7, 374 = NJW 1953, 60 (Haftung eines Rechtsanwalts für fehlerhafte Auskunft); BGH, 5. 1. 1955 - VI ZR 227/53, WM 1955, 233 (Auskunftsvertrag neben der Haftung aus Geschäftsverbindung); BGH, 21. 11. 1957 - VII ZR 25/57, WM 1958, 398 (nur Nennung der Voraussetzungen, kein Auskunftsvertrag bejaht); BGH, 18. 1. 1960 - VII ZR 195/58, WM 1960, 662 (Vertrag neben c.i.c.); BGH, 5. 7. 1962 - VII ZR 199/60, WM 1962, 1110 (Bankauskunft); BGH, 9. 12. 1963 - VII ZR 101/62, WM 1964, 117 (Auskunftsvertrag bei Darlehensvermittlung); BGH, 7. 1. 1965 - VII ZR 28/63, WM 1965, 287 (Gutachten eines Buchprüfers); BGH, 14. 11. 1968 VII ZR 51/67, WM 1969, 36 (Gutachten eines Kunsthändlers); BGH, 18. 1. 1972 - VI ZR 26/72, WM 1972, 466 (Rechtsanwalt); BGH, 6. 11. 1974 - VIII ZR 207/72, DB 1974, 2392 (Beratungsvertrag mit einer KG und deren Gesellschafter); BGH, 30. 3. 1976 - VI ZR 21/74, WM 1976, 498 (Bankauskunft); BGH, 24.1.1978 - VIZR 105/76, WM 1978, 576 (Rechtsanwalt); OLG Düsseldorf, 21. 12. 1994 - 9 U 95/94, WM 1995, 877 (Auskunft über Valutierung einer Grundschuld; Nennung der Haftungsvoraussetzungen ohne Entscheidung zwischen Vertrags- und Vertrauenshaftung); BGH, 7. 7. 1998 - XI ZR 375/97, WM 1998,1771 (Auskunftsvertrag mit institutsfremdem Auskunftsnutzer); anders dagegen RG, 10. 6. 1910, JW 1910, 808, („Ein Auskunftsbureau ist das Bankhaus aber nicht"); siehe auch die Zusammenstellung bei A. Wiegand, Sachwalterhaftung, S. 78 f. 50 Brand, DJZ 1912, 724, 727; Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 78 („Auskunftsvertrag in Form eines HaftungsVertrages"); Bürger, Bankauskunft, S. 145 f., 151; für diesen Fall aber nicht Musielak, in: Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 25, denn ist die „Geschäftsverbindung Grund und Anlaß für die Beantwortung einer Anfrage des Kunden, dann läßt sich das Verhalten der Bank nicht als eine Willenserklärung deuten, die auf den Abschluß eines eigenständigen Auskunftsvertrages gerichtet ist", sowie ders., VersR 1977, 973 und Haftung, S. 7 ff.; für die Möglichkeit eines Auskunftsvertrages ferner Koch, Banken und Bankgeschäfte, S. 308; R. FischerlKlanten, Bankrecht, Rd. 2.172; Nobbe, Rechtsprechung zum Bankrecht, S. 118; Sandhuber, Bankrecht, S. 31; Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 804; SchwintowskilF. Schäfer, Bankrecht, S. 168; Sichtermann, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 395, 396. 51 Oft fehlt in den Gerichtsurteilen aber eine konkrete Äußerung. Statt dessen ist sibyllinisch nur von einer „Haftung nach Vertragsgrundsätzen" die Rede. So z.B. RGZ 27, 118, 124 („vertragsmäßiges Verhältnis"); RG, 30. 11. 1926, JW 1927, 1145 („auftragsähnliches Vertragsverhältnis"), mit Anmerkung Weisweiler, BGH, 30. 3. 1976 - VIZR 21/74, WM 1976, 499; BGH, 28. 1. 1985 II ZR 10/84, WM 1985, 381 („ein Rechtsverhältnis"), mit Anm. Feuerborn, EWiR 1985, 153, 154, die in der unklaren Formulierung des BGH Vorsicht infolge der durch die Literatur vorgebrachten Bedenken sieht. 52 Die Einordnung als Auftragsvertrag oder Auskunftsvertrag sui generis, siehe dazu Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 76, 77; Bürger, Bankauskunft, S. 152, ist dabei für die Haf-

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falsch. In Wahrheit handle es sich um einen Haftungsvertrag. 53 Angesichts der Wortwahl der Rechtsprechung und weil ein Haftungsvertrag allzu leicht abzulehnen ist,54 soll hier dennoch der Auskunftsvertrag behandelt werden: Der (stillschweigende) Abschluß eines Auskunftsvertrages wird angenommen, wenn die Auskunft für den Empfänger von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist, von ihm zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse gemacht werden soll55 und der (sachkundige) Auskunftgeber dies erkennen kann.56 Für die Rechtsprechung ist also allein das Haftungsinteresse des Auskunftsuchenden maßgeblich.57 Die genannte Formel entspricht, verallgemeinert man sie, dem heute anerkannten Maßstab zur Abgrenzung rechtlich unverbindlicher von verbindlichen Gefälligkeiten, 58 seit 1.1. 2002 festgehalten in § 241. Abs. 2 BGB.59 Im Rahmen dieser Abgrenzung müssen sich die Parteien über die Erbringung einer Gefälligkeit einig sein. Die Gefälligkeit muß bereits versprochen worden sein. Mit Hilfe von Indizien (Grund und Zweck, wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung, Umstände und Interessenlage60) wird festgestellt, ob die getroffene Vereinbarung eine rechtsgeschäftliche 61 oder nur eine sittliche bzw. gesellschaftliche Verbindlichkeit hergestellt hat.62

tung nicht entscheidend, zumal beim Auftragsvertrag eine §§521, 599, 690 BGB vergleichbare Regelung nicht existiert. 53 Siehe nur Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 89 und Köndgen, Selbstbindung, S. 354, 355, der auf den Auskunftsvertrag gar nicht mehr eingeht, sondern sogleich von einem Haftungsvertrag spricht. 54 Siehe unten, 4., S. 56. 53 Die Auskunft ist i.ü. wirtschaftlich bedeutsam, weil sie Grundlage wesentlicher Entschlüsse sein soll, und es ist nicht Voraussetzung, daß die Auskunft von erheblicher Bedeutung ist und zur Grundlage wesentlicher Entscheidungen gemacht werden soll - ergibt sich ihre wirtschaftliche Bedeutsamkeit doch erst aus der Umsetzung in eine vermögensmäßige Entscheidung; anders Bürger, Bankauskunft, S. 140 und die Rechtsprechung, z.B. BGH, 21. 5.1996 - XI ZR 199/95, BGHZ 133, 42 = NJW 1996,2734. 56 Nobbe, Rechtsprechung zum Bankrecht, S. 118, m.w.Nachw.; BGH, 7. 1. 1965 - VIIZR 28/63, WM 1965, 287, m.w.Nachw.; sowie aus jüngerer Zeit BGH, 7. 7. 1998 - XI ZR 375/97, WM 1998,1771 =JuS 1998,1059 = NJW-RR 1998, 1343. 57 Hagenmeyer, Rat und Auskunft, S. 117; Jost, Vertragslose Haftung, S. 97. 58 Jost, Vertragslose Haftung, S. 116; Stahl, Dritthaftung, S.48. Die Frage der Gefälligkeit spielt auch in der Literatur immer wieder ein Rolle, siehe z.B. Bürger, Bankauskunft, S. 150; Müssig, NJW 1989, 1700; Musielak, in: Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 22. Grundlegend BGH, 22. 6.1956-1 ZR 198/54, BGHZ 21,107. 59 Kritisch Wilhelm, JZ 2001, 866: „leere Floskel". 60 Palandt^Heinrichs, Vor § 241, Rd. 5. 61 D.h. eine vertragliche Verbindlichkeit. 62 BGH, 22. 6. 1956 - I ZR 198/54, BGHZ 21, 106: „Aus zugesagten ... Gefälligkeiten können, müssen aber nicht Rechtsverpflichtungen für den Leistenden entstehen". Siehe dazu auch Musielak, Haftung, S. 9. Anders Flume, Rechtsgeschäft, S. 91, der die Sorgfaltspflichten in der Rechtsprechung des BGH auch ohne Vertrag, nämlich als von Rechts wegen begründet ansieht.

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

Die Abgrenzung dient der Einordnung eines Versprechens. Ob und mit welchen Folgen eine Willenseinigung zustandegekommen ist, ist unabhängig davon zu klären.63 Denn es hat sich auch im Gesetz nirgends niedergeschlagen, daß allein die Gefährdung beteiligter Interessen ein schuldrechtliches Gebilde zu konstruieren vermag.64 Es ist nicht nachvollziehbar, wenn etwa der BGH ausführt, daß ein Auskunftsvertrag deswegen anzunehmen sei, weil es dem Auskunftsempfänger ganz besonders darauf ankam, sich verlassen zu können.65 Mit dieser Sichtweise bezwingt das Interesse des einen Teils den Willen des anderen, bzw. macht den Willen als tragendes Element des Rechtsgeschäfts überflüssig. Dies ist eine Vorstellung, die dem BGB mit seiner Entscheidung für beiderseits willensabhängige Vertragsfreiheit fremd ist.66 Auch mehr als einhundert Jahre nach Inkrafttreten des BGB ist zum Vertragsschluß der Konsens der Beteiligten erforderlich. Der Vertrag bleibt das Ergebnis privatautonomer Entscheidung der Beteiligten.67 Dafür bietet die Formel aus Erheblichkeit, Wesentlichkeit und Erkennenkönnen keinen Ersatz.68 Ihre Leistungsfähigkeit beschränkt sich auf die Einordnung einer bestehenden Willenseinigung in die Kategorien verbindlich oder unverbindlich. Selbst dafür fehlt den genannten Kriterien aber jede einschränkende Funktion.69 Erkundi-

63 In diesem Sinne auch Hs.Stoll, FS Flume, 1978, Bd. I, S. 750 f. Schon Flume , AcP 161 (1962), 64 ff., 70, 71, hat dargelegt, daß es die Rechtsprechung an der notwendigen Unterscheidung zwischen rechtlich relevantem Verhalten und Willenserklärungen fehlen läßt. 64 Willoweit, Vereinbarungen, S. 98. Daß sich dies seit dem 1.1.2002, also mit der Einführung der §§241 Abs. 2 und 311 Abs. 3 BGB geändert hat, kann nicht angenommen werden, weil der Gesetzgeber bei beiden Vorschriften keine Regelungsabsicht hatte, sondern nur die Rechtsprechung notieren wollte. Eingehend zu § 311 Abs. 3 BGB unten, Teil 2 D., S. 152. 65 BGH, 29. 10. 1952 - II ZR 283/51, BGHZ 7, 377. 66 Locher, Kreditauskünfte, S. 71. Zu Recht dagegen Ebenroth/Boujong/Joost/Kor/, § 347 HGB, Rd. 54, der auch die Entgeltlichkeit/Unentgeltlichkeit der Auskunft, und damit das Interesse des Auskunftgebers beachtet wissen will; kritisch auch Rumpf AcP 119 (1920), 23, der von einäugiger Gerechtigkeit spricht. 67 Flume , Rechtsgeschäft, S. 4, 7; Palandt^/Heinrichs, Vor § 145, Rd. 1, 3; Musielak, in: Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 29; Tröger, Einigung und Vertrag, S. 6. Haupts Theorie vom faktischen Vertrag (Haupt, Über faktische Vertragsverhältnisse, 1941) hat sich zu Recht nicht halten können. Siehe dazu Flume, Rechtsgeschäft, S. 95, 97. Ebensowenig hat sich die Ansicht Nierwetburgs, Rechtswissenschaftlicher Begriff und soziale Wirklichkeit, S. 172, durchgesetzt, der Vertrag müsse aus seiner konsensualistischen Enge befreit werden. 68 Lammel, AcP 179 (1979), 340; Locher, Kreditauskünfte, S. 68; Mertz, Vermögensinteressen, S. 49: Das Vorliegen der von der Rechtsprechung genannten Voraussetzungen begründet noch keinen Auskunftsvertrag. Stahl, Dritthaftung, S. 49: Ob damit ein Auskunftsvertrag angenommen wird, gleicht einer „forensischen Lotterie"; A. Wiegand, Sachwalterhaftung, S. 81 - 86. 69 von Bar, Verkehrspflichten, S.233; Honseil, FSMedicus, 1999, S. 219; Hopt, AcP 183 (1983), 618; Lammel, AcP 179(1979), 346: „Leerformel". V.a. das Merkmal der Sachkunde trifft bei Banken immer zu, Locher, Kreditauskünfte, S. 69, und es fragt sich, wer sich bei einer nicht sachkundigen - d.h. nicht als sachkundig geltenden - Person einen Rat einholt und diesen dann auch noch befolgt. Auch Sichtermann, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 396, konstatiert, daß die Formel praktisch immer erfüllt sei.

Α. Die Haftung des Kreditinstitutes aus Vertrag

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gungen werden bei ökonomisch unbedeutenden Vorgängen nicht eingeholt.70 So findet sich unter den entschiedenen Fällen kein einziger, in dem die Auskunft nicht von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung war. Bemerkenswert ist auch, daß sich in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nur die oben erwähnte Formel finden läßt. Eine Subsumtion, die die wirtschaftliche Bedeutsamkeit im konkreten Fall begründet, sucht man vergebens.71 Dies mag damit zusammenhängen, daß der Begriff der „wirtschaftlichen Bedeutsamkeit" kaum eindeutig definierbar ist.72 Der Vertragsschluß muß also geprüft werden, ohne daß die Formel der Rechtsprechung bemüht wird.

b) Der Vertragsschluß, beurteilt an Hand allgemeiner Kriterien aa) Die Anfrage des Kunden als möglicher Zeitpunkt des Vertragsschlusses Im Zeitpunkt der Anfrage fehlt von vornherein jegliche Willenseinigung73 zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut. Zwar könnte das Auskunftsersuchen als Angebot zum Abschluß eines Auskunftsvertrages zu verstehen sein. Bei der Anfrage will sich das Kreditinstitut jedoch erkennbar nicht zur Auskunftserteilung verpflichten. 74 Eine ausdrückliche Willenserklärung zum Abschluß eines Auskunftsvertrages gibt die Bank nicht ab. Sie tätigt aber auch keine Handlung, die als Willenserklärung zum Abschluß eines Auskunftsvertrages betrachtet werden könnte. Die Bank unterliegt dem Bankgeheimnis75 und muß prüfen, ob sie die Auskunft erteilen darf. Sie nimmt das Auskunftsbegehren lediglich zur Kenntnis und behält sich eine Prüfung, ob die Information er70

Bürger, Bankauskunft, S. 140; in diesem Sinne auch Sichtermann, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 396. 71 So auch H. Schneider, ZHR 163 (1999), 256. 72 Z.B. ist eine Abhängigkeit von der Größe des sich auf die Auskunft verlassenden Unternehmens oder dessen allgemeiner Finanzlage denkbar. Zur mangelnden dogmatischen Vorhersehbarkeit der durch die Rechtsprechung gefundenen Lösungen, Lammel, AcP 179 (1979), 336, 338 und 347: „Leerformel". 73 Jost, Vertragslose Haftung, S. 84, 93: Bevor die Auskunft nicht erteilt ist, ist nichts versprochen und geschuldet. 74 Bohrer, Dispositionsgarant, S. 7; Bürger, Bankauskunft, S. 147; auch die Rechtsprechung stellt immer wieder auf den Zeitpunkt der Auskunftserteilung ab, siehe nur BGH, 29. 10.1952 II ZR 283/51, BGHZ 7, 374. 75 Siehe dazu Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 36 ff.; Christopoulou, Bankgeheimnis, S. 3 - 10; Herrmann, in: Horn, German Banking Law, S. 102, 103; MellerowiczfJonas, Kreditfähigkeit, S. 22; Rehbein, ZHR 149 (1985), 140 ff. und Steindorff, ZHR 149 (1985), S. 152 ff., beide noch zu den alten AGB-Banken in der bis zum 31.12.1992 geltenden Fassung; ferner AGB-Banken, Nr. 2 Abs. 1 S. 1 [= AGB-Sparkassen, Nr. 1 Abs. 1 S. 2]; d.w. sind u.a. §§ 383 Abs. 1 Nr. 6; 384 Nr. 3 ZPO, ggf. in Verbindung mit § 15 FGG, § 98 VwGO oder § 118 SGG zu beachten.

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

teilt wird, vor. 76 Wollte man vertreten, die Bank nehme das Angebot des Kunden unter der (Voluntativ-) Bedingung der positiven Prüfung des Auskunftsersuchens an, würden die Grenzen vernünftiger juristischer Konstruktion gesprengt. Wer sich noch nicht binden will, der gibt seine Willenserklärung erst in dem Zeitpunkt ab, in dem sein Wille besteht. Eine Willenserklärung mit der (aufschiebenden) Bedingung, daß der Wille hinzutritt, besteht nicht.77 Dies ist auch der Grund dafür, daß ein „Angebot" mit dem Zusatz „freibleibend" kein Angebot, sondern nur eine invitatio ad offerendum darstellt.78

bb) Der Vorgang der Auskunftserteilung als Vertragsschluß (1) Der Auskunftsvertrag

als passende Regelung

(a) Der Vertragstyp i.S.d. BGB Der Auskunftsvertrag ist im BGB nicht eigens geregelt.79 Er enthält als Hauptleistungspflicht für den Auskunftgeber die Erstellung und Übergabe einer Information. 80 Er ist kein Auftragsvertrag im Sinne eines mandatum tua gratia.81 Zwar war § 676 BGB a.F. als Vorgänger des § 675 Abs. 2 BGB historisch bedingt82 im Auftragsrecht angesiedelt,83 jedoch fehlt dem Bankkunden das für den Auftragnehmer typische Fremdinteresse.84 Der Vertrag ist jedoch auch kein

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Schebasta, WM 1989,429. Davon zu unterscheiden ist die Willenserklärung unter einer Voluntativ-Bedingung. Dabei ist der Wille wirksam erklärt. Die Willenserklärung als solche ist vollgültig, weil Handlungs-, Erklärungs- und Geschäftswille bestehen. Die Voluntativ-Bedingung befaßt sich nur noch mit der Frage, ob aus der Willenserklärung bestimmte Rechtsfolgen erwachsen. Im Unterschied dazu liegt bei der Anfrage zur Auskunftserteilung noch gar kein Wille und damit keine Willenserklärung der Bank vor. 78 Palandt621Heinrichs, § 145, Rd. 4; Muscheler, Jura 2000, 565. Die invitatio ad offerendum ist auch nicht mit Köndgen, Selbstbindung, S. 292, abzulehnen, weil damit ein „orientalischer Bazar4' eröffnet werde. Denn die Aufforderung geht ja nicht darauf, irgendein Angebot abzugeben. Vielmehr soll ein Angebot mit einem bestimmten, in der Aufforderung vorgezeichneten Inhalt abgegeben werden. 79 § 675 Abs. 2 BGB stellt, siehe oben, Teil 1 C. II., S. 29 ff., insoweit nur eine Negativregelung dar: Hagenmeyer, Rat und Auskunft, S. 4; Mugdan, Motive, Bd. II, S. 310; Protokolle, Bd. II, S. 380. 80 Zum genauen Inhalt der Hauptleistungspflicht sogleich unter b) bb) (1), S. 42. 81 Wächter, Pandekten, Teil 2, Leipzig 1881, S. 450. 82 Zu den Ursachen Hagenmeyer, Rat und Auskunft, S. 11 f., Lammel, AcP 179 (1979), 336, 345 ff. 83 2. Buch, 7. Abschnitt, 10. Titel: Auftrag, §§ 662 - 676 des BGB in der bis 13. 8. 1999 geltenden Fassung. 84 Zum Fremdinteresse als Voraussetzung des Auftragsvertrages siehe Palandt62/77fo/«as, § 662, Rd. 7. 77

Α. Die Haftung des Kreditinstitutes aus Vertrag

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Auftrag i.S.d. § 662 BGB.85 Die Auskunftserteilungspflicht der Bank als Auftragnehmerin wäre wegen des jederzeitigen Kündigungsrechtes der Bank gem. § 671 Abs. 1 BGB praktisch bedeutungslos.86 Der Kunde erbringt für die Auskunft keine Gegenleistung.87 Dem steht auch die Erwähnung der Bankauskunft im Preis- und Leistungsverzeichnis (AGBBanken,88 Nr. 12, Abs. I 8 9 ) nicht entgegen. Dort wird die Vereinbarung als entgeltliche Leistung nämlich nicht geregelt, sondern vorausgesetzt. Die Bankauskunft wird aber nicht entgeltlich, also um des Entgeltes willen erbracht. Die Bank erhält mit der Schutzgebühr keinen eigennützigen Ausgleich für den Wert der Leistung, sondern nur die teilweise Abgeltung ihrer Kosten.90 Auch die zum Teil propagierte „Entgeltlichkeit im weiteren Sinne"91 ist unbeachtlich.92 Hintergrund hierfür soll die allgemeine Erwartung eines geschäftlichen Eigenvorteils für die Bank sein. VönHer dieser Erwartung wird aber jede Teilnahme am Geschäftsverkehr getragen. Sie besteht also auch bei der Erbringung unentgeltlicher Leistungen. Die allgemeine Erwartung wirtschaftlicher Vorteile bedeutet daher nur, daß die Bankauskunft im Geschäftsverkehr und nicht als private Gefälligkeit erbracht wird. Ferner sind außerhalb einer Vereinbarung stehende „externe wirtschaftliche Gründe" nach einhelliger Meinung keine Grundlage für die Entgeltlichkeit einer Leistung. Entgeltlichkeit bzw. Unentgeltlichkeit ergeben sich allein aus der entsprechenden Einigung der Beteiligten.93 Auch nachfolgende Einnahmen der Bank qualifizieren die Auskunft nicht als entgeltliches Geschäft. Die Entgelte (z.B. Provisionen oder Zinsen) aus dem 85 Dies wird auch durch die Stellung des § 675 Abs. 2 BGB im Untertitel „Geschäftsbesorgungsvertrag" und nicht (mehr, siehe Fn. 83) im Untertitel „Auftrag" deutlich. Für die Einordnung als Auftragsvertrag aber BGH, 11.3.1999 - III ZR 292/97, WM 1999, 1170, 1171 = NJW 1999, 1542. Siehe d.w. Brand, DJZ 1912,727: auftragsähnliches Rechtsverhältnis. 86 Für den Fall der direkten Bankauskunft an einen institutsfremden Dritten sieht Breinersdorfer, Haftung ftlr Kreditauskünfte, S. 77, den Auftragsvertrag als nicht einschlägig an, weil die Bank - fìlr jedermann erkennbar - im Lager des eigenen Kunden stehe und der Außenstehende nicht erwarten könne, sie wolle ihm gegenüber eine Loyalitätspflicht übernehmen, die den Interessen des Kunden zuwiderlaufen kann. 87 Siehe oben, Teil 1 Α., S. 17. 88 Fassung vom April 2002 (zu den Neuerungen Sonnenhol WM 2002, 1259ff.), abgedruckt in WM 2002, 1307 ff, Nr. 12 Abs. 1 S. 1 [= AGB-Sparkassen, Nr. 17 Abs. 2 S. 2] (Entgelte für Leistungen i.S.d. Preis- und (seit 1.1.2000) Lewtog^verzeichnisses, siehe dazu Sonnenhol WM 2000, 856). 89 = AGB-Sparkassen, Nr. 17 Abs. 2 S. 2. 90 So die Voraussetzung der Entgeltlichkeit: M. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 57,95. 91 H irte, Berufshaftung, S. 421; ähnlich Brand, DJZ 1912, 729; Köndgen, Selbstbindung, S. 241, 259, 262,276. 92 Locher, Kreditauskünfte, S. 64. 93 M. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 43,63

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

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durch die Auskunft beeinflußten Geschäft werden jeweils für die konkrete Transaktion (z.B. Überweisung oder Kreditvergabe), nicht aber rückwirkend für die Auskunft erhoben. Der Auskunftsvertrag ist damit ein unvollkommen zweiseitiger Vertrag. Als solcher ist er von den synallagmatischen Verträgen über die entgeltliche Auskunftserteilung zu unterscheiden, die je nach Ausgestaltung der Hauptleistungspflicht als Werkvertrag gem. § 631 BGB oder Dienstvertrag gem. § 611 BGB einzuordnen sind.94 In der Praxis werden derartige Verträge mit Auskunfteien geschlossen. Es handelt sich um Werkverträge, gerichtet auf Erbringung einer zutreffenden Information. 95 Letztlich ist der Auskunftsvertrag als Vertrag eigener Art auf Basis der Vertragsfreiheit anzuerkennen,96 §§241 Abs. 1,311 Abs. 1 BGB.

(b) Die Hauptleistungspflicht beim Auskunftsvertrag Die Parteien einigen sich zu keiner Zeit ausdrücklich über den Abschluß eines Auskunftsvertrages. Im Rahmen der Prüfung des objektiven Erklärungstatbestandes entsprechender Willenserklärungen ist daher festzustellen, ob der zur Diskussion stehende Vertrag eine adäquate Regelung des Lebenssachverhaltes der Auskunftserteilung darstellt. Zwar können die Parteien in den Grenzen97 des durch die Privatautonomie gewährten Handlungsspielraumes grundsätzlich Schuldverträge mit beliebigem Inhalt schließen.98 Die Ordnungsfunktion des Rechts99 und die Maßgabe der objektiven Auslegung, daß einem Handeln keine wirklichkeitsfremde Bedeutung beigemessen werden darf, verbieten es jedoch, per Auslegung Verträge zu konstruieren, die am gegebenen Lebenssachverhalt vorbeigehen und lediglich an der Haftungsfolge orientiert sind.100

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Bürger, Bankauskunft, S. 151 , Honseil, JuS 1976, 621,622. Honseil, JuS 1976, 621 f; wobei zutreffende Information nicht eine absolute Richtigkeit meint, sondern nur eine dem gegenwärtigen Kenntnisstand des Auskunftgebers entsprechende, R. FischerlKlanten, Bankrecht, Rd. 4.45. 96 Bürger, Bankauskunft, S. 152. 97 D.h. insbesondere §§ 134,138,307 ff. BGB. 98 So der Grundsatz der Vertragsfreiheit, siehe dazu Palmdt 62! Heinrichs, Vor § 145, Rd. 7; Nierwetburg, Rechtswissenschaftlicher Begriff und soziale Wirklichkeit, S. 18. 99 Siehe dazu Fuchs, Juristischer Kulturkampf, S. 8; Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft, Rd. 33, 34; Picker, JZ 1987, 1045; Raiser , in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. I, S. 104, 105 (auch zur Ordnungsfunktion des Vertrages); Rumpf, AcP 119 (1920), 1. 100 Soergel 12 IHefermehl, §133, Rd. 39; Honseil, JuS 1976, 625; Lorenz, FS Larenz, 1973, S. 593. Siehe auch Jost, Vertragslose Haftung, S. 95: Es hängt „von der Schlüssigkeit der ... Konstruktion ... [ab], inwiefern ... dem Auskunftgeber ein Rechtsbindungswille unterstellt werden darf'. 95

Α. Die Haftung des Kreditinstitutes aus Vertrag

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Die Befürworter der Vertragstheorie sehenfrühestens in der Erteilung und der Entgegennahme der Auskunft die vertragsbegründenden Willenserklärungen.101 Soll ein Auskunftsvertrag begründet werden, muß die Statuierung der Hauptleistungspflicht dieses Vertrages im Zeitpunkt der Auskunftserteilung sinnvoll sein. Es fragt sich also, ob das Leistungsrecht, das heißt der Anspruch auf Erteilung der Auskunft, für den Auskunftsnutzer in diesem Zeitpunkt noch nützlich ist, denn nur dann ist der Lebenssachverhalt sinnvoll gestaltet.102 Von Belang wäre der mit der Leistungshandlung entstehende Anspruch im Falle des Auskunftsvertrages nur bei Begründung einer Gutleistungspflicht der Bank. Inhalt dieser Pflicht wäre die Erteilung einer subjektiv fehlerfreien Auskunft. Jene Verbindlichkeit würde mit einer fehlerhaften Auskunft nicht erfüllt. Insoweit wäre der Erwerb des Leistungsrechts im Zeitpunkt der Erteilung der Information noch sinnvoll,103 weil der Auskunftsnutzer die Erfüllung durchsetzen könnte. Würde durch den Auskunftsvertrag dagegen nur die Pflicht zur Erteilung einer - nicht notwendig zutreffenden - Auskunft begründet, würde die Hauptleistungspflicht durch den Akt begründet, der sie zum Erlöschen bringt. 104 Inhalt der Hauptleistungspflicht wäre ein Anspruch, dessen Erfüllung niemals eingefordert werden kann, weil er vor der Durchführung der Leistungshandlung nicht besteht, und mit der Durchführung der Leistungshandlung zum Erlöschen gebracht würde. Das macht unter dem Gesichtspunkt, daß ein Leistungsrecht erworben wird, grundsätzlich keinen Sinn.105 Ein solcher Vertrag wäre allein 101

RG, 9. 2. 1921, RGZ 101, 301; BGH, 29. 10. 1952 - II ZR 283/51, BGHZ 7, 374; BGH, 21.11. 1957 - VII ZR 25/57, WM 1958, 398. Hierbei ist nicht relevant, ob die Bank ein neues Angebot abgibt oder ein gem. § 148 BGB (konkludent) befristetes Angebot des Kunden (s.o. aa), S. 41) mit einem bloßen „Ja" annimmt. Die zu beantwortende Frage, ob dem Kreditinstitut der Wille zum Abschluß eines entsprechenden Vertrages in objektiver Auslegung unterstellt werden kann, ist in beiden Fällen identisch. 102 In diesem Sinne auch Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 89. Es stellt sich also im Gegensatz zur Ansicht von Musielak, in: Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 31, mehr als nur die Frage danach, ob die Verpflichtung für die Bank eine zusätzliche Belastung wäre. 103 Einen nicht uninteressanten Einwand bietet Jost, Vertragslose Haftung, S. 91 : Wenn der Vertrag erst bei der Auskunftserteilung geschlossen werde, könnten auch die Sorgfaltspflichten frühestens ab diesem Zeitpunkt begründet sein. Das steht der hier vertretenen Ansicht vom Inhalt des Vertrages aber nicht entgegen, weil die in der Erteilung einer subjektiv fehlerhaften Auskunft liegende Nichterfüllung zugleich die Pflichtverletzung i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB darstellt. Auf die Art und Weise der (zurückliegenden) Auskunftserstellung kommt es nicht an. 104 Auch die „logische juristische Sekunde", sonst zur rechtlichen Unterscheidung tatsächlich in einem Akt zusammenfallender Vorgänge verwendet, kann über diesen Umstand nicht hinweghelfen, weil mit ihrer Hilfe nur rechtlich differenziert, nicht aber eine materielle Wertung ersetzt werden kann. 105 Köndgen, Selbstbindung, S. 355. Wie hier auch Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 89, der, wenn nicht die Schaffung einer Anspruchsgrundlage durch den Vertrag beabsichtigt ist, nur die Begründung von Verhaltenspflichten sieht und damit neben der von ihm vertretenen Vertrauenshaf-

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

für die AuskunftsHaftung von Bedeutung. Mit dieser Konstruktion müßte der (stillschweigende) Vertragsschluß schon deswegen abgelehnt werden, weil den Parteien ansonsten eine unsinnige und realitätsferne Vereinbarung untergeschoben würde, nur um die Auskunftshaftung begründen zu können. Die Frage ist also, ob ein Auskunftsvertrag auf die Erbringung einer fehlerfreien Auskunft oder auf die bloße Erteilung der Information gerichtet ist. Die Unterscheidung muß an Hand der Interessenlage beantwortet werden.106 Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Inhalt der Auskunft von vornherein auf den Wissensstand der Bank beschränkt ist. Die Bank betreibt keine Ermittlungen. Sie zieht zur Erstellung der Bankauskunft lediglich die bei ihr vorhandenen Daten heran. 107 Diese Beschränkung des Inhalts der Auskunft hat zur Folge, daß das Interesse des Auskunftssuchenden wenigstens auf eine korrekte Übermittlung des Wissenstandes der Bank, also auf eine fehlerfreie Auskunft, gerichtet ist. Außerdem hilft eine fehlerhafte Bankauskunft ganz allgemein nicht bei der Risikokalkulation.108 Auch daraus ergibt sich das Interesse des Auskunftsempfängers an einer fehlerfreien Auskunft. Dem steht das Interesse der Bank gegenüber, die im Rahmen ihrer unentgeltlichen Serviceleistung keine Verpflichtung eingehen möchte. Die Abwägung der für die Beteiligten offenliegenden Positionen führt zu einer Hauptleistungspflicht zur Erteilung einer subjektiv fehlerfreien Information. 109 Zwar ist die Position des Auskunftsempfängers abgeschwächt, weil er die Leistung unentgeltlich erlangt. Ihm ist aber nur mit der Erteilung einer fehlerfreien Auskunft gedient. Ein Auskunftsvertrag ohne Hauptleistungspflicht der Bank zur Erteilung einer fehlerfreien Auskunft ist unter Berücksichtigung seiner Position ohne Sinn. Das Anliegen der Bank, die für eine unentgeltliche Leistung nicht haften will, bleibt dennoch gewahrt: Das Kreditinstitut kann den Abschluß eines enttung allenfalls einen Haftungsvertrag für möglich hält. Honseil, JuS 1976, 625 hält einen „Vertrag, der nichts weiter als eine Schadensersatzpflicht zum Inhalt hat, [für] ein Unikum". 106 Dies scheint hier schwerzufallen, weil die Frage, ob es überhaupt zu einer Willenseinigung gekommen ist, noch nicht beantwortet wurde und damit eine konkrete Situation fehlt, die bewertet werden kann. Andererseits sind die denkbaren Fälle in Hinblick auf die entscheidenden Wertungskriterien identisch, so daß die Bewertung allgemein möglich ist. 107 Siehe oben, Teil 1 Β. I., S. 21. 108 Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 78. 109 Hält man den Auskunftsvertrag dagegen nur für einen Vertrag auf Auskunftserbringung, muß er bereits hier als taugliche Haftungsgrundlage ausscheiden. Die Sichtweise der Rechtsprechung müßte dann entgegen ihrer ausdrücklichen Aussage beim Haftungsvertrag sui generis eingeordnet werden. Siehe auch Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 78: ,Auskunftsvertrag in Form eines Haftungsvertrages". Zur generellen Unterscheidung zwischen Haftungs- und Leistungsvertrag, Müllereisert, Vertragslehre, S. 65 ff.

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sprechenden Vertrages ablehnen. Schließt es einen Auskunftsvertrag, ist die Verpflichtung der Bank von vornherein auf die Übermittlung einer subjektiv fehlerfreien Auskunft beschränkt. Die aus einer Verpflichtung zur Erteilung einer fehlerfreien Auskunft erwachsende Belastung (Pflicht zur Mitteilung des eigenen Kenntnisstandes) hält sich für die Bank also von vornherein in Grenzen. Schließlich kann das Kreditinstitut die Haftung für fehlerhafte Auskünfte im gem. § 307 BGB 110 zulässigen Rahmen einschränken. Die hier vertretene Ansicht entspricht auch der herrschenden Auffassung. Diejenigen Stimmen, die eine Gutleistungspflicht nicht ausdrücklich vertreten, lehnen sie auch nicht ab. 111 So sagt es über den Inhalt des Vertrages nichts aus, wenn, bei bestehendem Auskunftsvertrag, wegen „Verletzung einer Vertragspflicht" 112 oder „nach Vertragsgrundsätzen" 113 gehaftet werden soll. Ebenso verhält es sich, wenn mit der Erteilung der Auskunft „ein Rechtsverhältnis zustande [kommt], wonach der Auskunftgeber für die falsche Auskunft haftet" 114 oder wenn der „Auskunftsvertrag als Haftungsgrund" 115 gesehen wird oder sich „ein Ersatzanspruch aus Vertrag" 116 ergeben soll. In den Entscheidungen, in denen der BGH sich äußert, sieht er mit dem Abschluß des Auskunftsvertrages ausdrücklich eine Gutleistungspflicht begründet. So nimmt er zum Beispiel einen „Vertrag, der zur Erteilung einer zutreffenden Auskunft verpflichtet" 117 an oder 118 die Verpflichtung des Auskunftgebers, „die erbetene Auskunft ... richtig zu erteilen". 119 110 §§ 308, 309 kommen angesichts des Kreises der Auskunftsnutzer gem. § 310 Abs. 1 S. 1 BGB kaum zur Anwendung. 111 Auch die Unterscheidung zwischen ErfÜllungs- und Vertrauenshaftung in der Entscheidung BGH, 7. 7.1998 - XI ZR 375/97, WM 1998, 1772, bezieht sich nur auf die fehlende Vollmacht, spricht also nicht gegen den Gutleistungsanspruch. 112 RG, 19. 10. 1917, JW 1918, 90,91. 113 BGH, 7. 1. 1965 - VII ZR 28/63, WM 1965,287. 114 BGH, 28. 1. 1985 - IIZR 10/84, WM 1985, 382; ähnlich BGH, 13. 6. 1962 - VIII ZR 235/61, WM 1962, 845, 847: „Abschluß eines Auskunftsvertrages mit der Folge des Einstehens für jedes Verschulden"; BGH, 5. 7. 1962 - VII ZR 199/60, WM 1962, 1110: „haftungsbegründender Auskunftsvertrag"; BGH, 14. 11. 1968 - VII ZR 51/67, WM 1969,37: „schuldhafte Verletzung des Beratungsvertrages"; BGH, 30.3. 1976 - VIZR 21/74, WM 1976, 499: „Haftung nach Vertragsgrundsätzen". 115 Für den Fall der Bank-zu-Bank-Auskunft Breinersdorf er, WM 1992,1557. 116 Musielak, VersR 1977,973. 117 BGH, 21. 11. 1957 - VIIZR 25/57, WM 1958, 397; ebenso BGH, 17.4. 1958 - VIIZR 435/56, WM 1958, 1080, 1081: „zu sorgfältiger Auskunftserteilung verpflichtender Vertrag"; BGH, 18. 1. 1960 - VIIZR 195/58, WM 1960, 660 und BGH, 6. 11. 1974 - VIIIZR 207/72, DB 1974, 2392: „zur Erteilung einerrichtigenAuskunft verpflichtet"; BGH, 9. 12. 1963 - VII ZR 101/62, WM 1964,117: „Verpflichtung zur richtigen und vollständigen Auskunftserteilung". 118 BGH, 23. 1. 1985 - IVaZR 66/83, WM 1985,450,451. 119 Damit ist auch das Argument von Musielak, in: Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 31, wenn die Bank die Auskunft ohnehin erteile, sei eine entsprechende Verpflichtung keine zusätzliche Belastung mehr, entkräftet. Die Verpflichtung zur Erteilung einer (subjektiv) zutreffenden Auskunft ist nämlich erheblich mehr als die bloße tatsächliche Erteilung der Auskunft. I.ü. ist dieses Argument auch recht formal, denn ganz außer acht lassen kann man die

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

(2) Die Willenseinigung zwischen der Bank und dem Kunden bei der Auskunftserteilung Obwohl der Abschluß eines Auskunftsvertrages im Zeitpunkt der Auskunftserteilung sinnvoll wäre, fehlt eine entsprechende Willenseinigung. Die Auskunftserteilung durch die Bank müßte den Schluß zulassen, daß die Bank sich vertraglich zur Erteilung einer richtigen Auskunft verpflichten will. Dem Kreditinstitut fehlt aber nicht nur der tatsächliche Wille zum Abschluß eines solchen Vertrages, 120 sondern das Verhalten der Bank erfüllt auch nicht den objektiven Tatbestand einer Willenserklärung. 121 Dieser setzt voraus, daß das Verhalten für einen objektiven Beobachter den Schluß auf den Willen zu einem Rechtsgeschäft zuläßt.122 Es würde aber kein Kreditinstitut jemals die Pflicht zur entgeltlosen Erbringung einer fehlerfreien Auskunft übernehmen.123 Diese Tatsache ist bei der Bewertung aus der Sicht eines objektiven Beobachters zu berücksichtigen, weil für die Auslegung von Willenserklärungen auch allgemeine Erfahrungssätze maßgeblich sind.124 Ausserdem werden Bankauskünfte regelmäßig durch ein erfahrenes Publikum genutzt. Diesem Nutzerkreis ist geläufig, daß die Banken Verpflichtung und Haftung ablehnen.125

Haßungsfolgen bei der Begründung einer Verbindlichkeit nicht. V.a. wenn der Vertrag, wie hier, letztlich nur in Hinblick auf die Haftung relevant wird. Kritisch auch Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 70. 120 Die „Bereitschaft zur Einstandspflicht" des Kreditinstitutes ergibt sich auch nicht, wie BruckneriStützte, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 130, meinen, aus den AGB-Banken. Denn die eindeutig gegen eine Haftung sprechende Interessenlage kann nicht deswegen unbeachtlich sein, weil die Auskunft in den allgemeinen Geschäftsbedingungen erwähnt ist. Nach allgemeiner Ansicht ergibt sich aus den AGB-Banken, Nr. 2 Abs. 2 Hs. 1 [= AGB-Sparkassen, Nr. 3 Abs. 1 S. 2 Hs. 1] noch nicht einmal ein Anspruch auf Auskunftserteilung, geschweige denn ein Wille, für selbige einzustehen. 121 Bohrer, Dispositionsgarant, S. 7; anders Musielak, in: Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 32. 122 ?2L\andt 62IHeinrichs, Vor § 116, Rd. 1 ; Schmöckel, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 102. Voraussetzung u.a. bejaht von Bürger, Bankauskunft, S. 148. 123 Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 88; weniger deutlich, aber unter Heranziehung der ergangenen Rechtsprechung ebenso zu verstehen: Bürger, Bankauskunft, S. 139 („kommt kaum jemals vor"); Honseil, JuS 1976, 625; Locher, Kreditauskünfte, S. 61; wie Bürger. Sichtermann, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 395; mit genau diesem Argument lehnt auch Musielak, in: Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 34, die Haftung im Fall der Bank-zuBank-Auskunft als „gekünstelte Vertragskonstruktion" ab. 124 Flume , Rechtsgeschäft, S. 315; so - mit anderer Terminologie - auch Pawlowski, Rechtsgeschäftliche Folgen nichtiger Willenserklärungen, S. 274; Schmöckel, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 102; Soergd l 2IHefermehl, § 157, Rd. 39: Dem Verhalten darf keine wirklichkeitsfremde Bedeutung untergeschoben werden. 125 Locher, Kreditauskünfte, S. 73.

Α. Die Haftung des Kreditinstitutes aus Vertrag

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Wenn ein stillschweigend geschlossener Vertrag unter Mißachtung der Haltung der Bank begründet wird, wird dem Kunden „durch die Hintertür" ein Anspruch verschafft, den er im Wege offener Verhandlung mit der Bank nicht erwerben kann. Die Annahme eines solchen Kontraktes ist ausschließlich auf dem Wege des konstruierten stillschweigenden Vertragsschlusses möglich.126 Auf diesem Hintergrund trifft die Bezeichnung des Auskunftsvertrages als „blutleere Fiktion,,127 ins Schwarze,128 weil bereits der objektive Tatbestand einer Willenserklärung fehlt. 129 Selbstverständlich geht es bei der Auslegung von Willenserklärungen schon aus Gründen der Nachweisbarkeit und Praktikabilität nicht in erster Linie um den natürlichen Willen im Zeitpunkt der Erklärung. Stattdessen wird in Anlehnung an § 157 BGB ein verobjektivierter Wille ermittelt. Es wird festgestellt, wie ein redlicher Beobachter ein Verhalten in der konkreten Situation auffassen durfte. 130 Dieser Schluß - von einem objektiven Tatbestand auf einen daraus ersichtlichen subjektiven Willen als Grundlage für die Geltung der Willenserklärung - führt aber nicht dazu, daß ein offen zutage tretender tatsächlicher Wille übergangen werden darf. 131 Dies wäre nur möglich, wenn der wirkliche Wille unbeachtlich wäre. Das ist aber nicht der Fall. Grundlage der objektiven Auslegung ist, daß das objektiv Erklärte, der äußere Erklärungstatbestand, regel-

126 Sophistisch Zugehör, NJW 2000, 1606: Der Vertragsschluß finde meistens stillschweigend statt. Tatsächlich ist bisher kein einziger Fall eines ausdrücklich abgeschlossenen unentgeltlichen Auskunftsvertrages nachgewiesen. Wie hier, zumindest was einen Auskunftsvertrag mit dem Dritten angeht, Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 88. 127 Lorenz, FS Larenz, 1973, S. 618. 128 von Bar, Verkehrspflichten, S. 205 (Auskunftsvertrag als dogmatische Notlösung); Brüggemeier, AcP 182 (1982), 420; Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 78, 88; ders., Vertrauenshaftung, S. 19, 425, mit dem Hinweis, daß § 157 BGB die Rechtsprechung nicht ermächtigt, dort rechtsgeschäftliche Wirkungen eintreten zu lassen, wo es an einer privatautonomen Gestaltung fehlt; Honseil, JuS 1976, 625; Laband, DJZ 1903, 262; Lammel, AcP 179 (1979), 341; F. Schäfer, Haftung, S. 9; für vergleichbare Fallgestaltungen einen „Mangel an juristischer Eleganz" sehend: Erman, AcP 137 (1934), 323. 129 Brose, AcP 130(1929), 195, 196; Canaris , ZHR 163 (1999), 213, zum mangelnden Vertragswillen eines Gutachters: „wenn der Gutachter sich immer auf das Fehlen eines rechtsgeschäftlichen Willens berufen wird, dann ist dieses für einen vernünftigen und redlichen Menschen von vornherein erkennbar und dann kann das Verhalten des Gutachters ... bei objektiver Interpretation ... nicht als Ausdruck einer rechtsgeschäftlichen Bindung angesehen werden, so daß es schon am objektiven Tatbestand einer Willenserklärung und keineswegs nur am Erklärungswillen fehlt"; ebenso MilKo 2/Kramer, Vor § 116, Rd. 23. 130 Staudingern/Dilcher, §§ 133, 157, Rd. 33; Soerge\ u/Hefermehl, §133, Rd. 10; Schupp, Rechtsgeschäftslehre, S. 27; Schmöckel, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 102; Larenz/M Wolf BGB AT8, § 28, Rd. 11; Soergeln/Hefermehl, § 157, Rd. 30. 131 Dernburg, Bürgerliches Recht3, Bd. II, Abt. 2, S.417; Staudinger12/£>/7c/w?r, §§ 133, 157, Rd. 8, 24; Flume , Rechtsgeschäft, S. 308; Soergel12/Hefermehl, § 157, Rd. 39; Litter er, Vertragsfolgen ohne Vertrag, S. 152; Locher, Kreditauskünfte, S. 71; ähnlich Schebasta, WM 1992, 1558, wenn auch unter Vermengung von §§ 133 und 157 BGB; BGH, 24.9.2002 - XI ZR 345/01, NJW 2002,3696.

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

mäßig dem (subjektiven) Willen des Erklärenden entspricht.132 Mit der objektiven Auslegung werden lediglich die Schwierigkeiten bei der Feststellung des tatsächlichen Willens - einer inneren und daher kaum ergründbaren Tatsache begrenzt. Bestehen diese Schwierigkeiten aber nicht, ist der wirkliche Wille unmittelbar beachtlich.133 Dies wird nicht zuletzt durch § 133 BGB und den Grundsatz „falsa demonstratio non nocet"134 belegt. Tritt der tatsächliche Wille offen zutage, ist er allenfalls bei einem Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens unbeachtlich.135 Die Beachtlichkeit des tatsächlichen Willens verdeutlicht auch die jüngst ergangene Entscheidung des BGH zum allgemeinen Bankvertrag: 136 „Die Annahme eines ... Rechtsbindungswillens, der mit dem Interesse der Bank erkennbar nicht im Einklang steht, ist... fiktiv". 137 Es fehlt der objektive Erklärungstatbestand der Willenserklärung. Außerdem werden Bankauskünfte stets mit dem Zusatz „ohne Obligo" oder mit vergleichbaren Äußerungen138 erteilt. 139 Es liegt also mehr als nur ein Verhalten (in Form der Auskunftserteilung) vor. Das Kreditinstitut erklärt ausdrücklich, nur unverbindlich tätig zu werden.140 Selbst wenn man in der Auskunftserteilung mit Hilfe der objektiven Auslegung eine konkludente Willenserklärung sieht, wird deren Tatbestand durch die dem Auskunftsnutzer gleichzeitig zugehende Un Verbindlichkeitserklärung beseitigt.141

Fritze, ArchBürgR 14 (1898), 188; MXiïio 1!Kramer, § 133, Rd. 12. Socîgd n/Hefermehl, Vor § 116, Rd. 7; Staudinger12/Dz7cAer, §§ 133, 157, Rd.4, 7, 8, 24; Pawlowski, Rechtsgeschäftliche Folgen nichtiger Willenserklärungen, S. 204; Soergel l l/Hefermehl, § 157, Rd. 14; M. Wolf Entscheidungsfreiheit, S. 24,25,27. 134 Siehe dazu Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 74; Palandt^/Heinrichs, § 133, Rd. 8 m.w.Nachw. / § 155, Rd. 3. 135 Canaris , Vertrauenshaftung, S. 19; MüKo3/Mayer-Maly, § 133, Rd. 12 und § 157, Rd. 10. 136 BGH, 24. 9. 2002 - XI ZR 345/01, NJW 2002,3695. 137 BGH, 24. 9. 2002 - XI ZR 345/01, NJW 2002, 3696. 138 Z.B. „ohne jegliche Verbindlichkeit" oder „unter Ausschluß jedweder Haftung". 139 Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 62. Siehe zu der den Haftungsausschluß verdeutlichenden äußeren Gestaltung der schriftlichen Erklärung, Bürger, Bankauskunft, S. 156; Locher, Kreditauskünfte, S. 110, m.w.Nachw. in Fn. 1. 140 Zwar kann niemand festlegen, ob er ein Verhalten der Rechtsordnung unterstellen will, weil dies der Bestimmung durch die Rechtsordnung selbst unterliegt ( Willoweit, Vereinbarungen, S. 37, 44) und deren Totalitätsanspruch (Esser, Grundsatz und Norm, S. 11) untergraben würde. Hier geht es aber auch nur darum, ob ein Verhalten eine Willenserklärung mit Selbstbindungseffekt oder ein sonstiges, möglicherweise rechtlich relevantes Verhalten mit Fremdbindungseffekt ist. 141 So schon Dernburg, Bürgerliches Recht3, S. 417; zur erklärten Unverbindlichkeit siehe Willoweit, Vereinbarungen, S. 32, nach dem die objektiven Kriterien zur Ermittlung des Willens versagen, wenn die Parteien ihren Willen ausdrücklich bejaht oder verneint haben. Auf den fehlenden Rechtsbindungswillen abstellend, Köndgen, Selbstbindung, S. 6.; Schubert, Vorentwürfe zum Allgemeinen Teil des BGB, Bd. II, S. 75: Bei wirksamer Verwahrung ist jedenfalls der Streit über die Schlüssigkeit der Willenserklärung beseitigt. 132 133

Α. Die Haftung des Kreditinstitutes aus Vertrag

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Diese Erklärung ist auch nicht unbeachtlich142 nach dem Grundsatz „protestatio facto contraria non valet".143 Das Verhalten der Bank, die Auskunftserteilung, ist keine Äußerung eines Verpflichtungswillens. Dies wird durch § 675 Abs. 2 BGB verdeutlicht.144 Erklärt die Bank ihr Verhalten für unverbindlich, verhält sie sich damit nicht widersprüchlich, 145 wie dies etwa beim Gebrauch öffentlicher Verkehrsmittel unter Verwahrung gegen die Zahlungspflicht der Fall ist. 146 Die Aussage „ohne Obligo" ist vielmehr - als Inhalt der Verwahrung 147 - eine Klarstellung. Sie macht deutlich wie die Bank ihr Verhalten bewertet und ist damit eine beachtliche Willensäußerung.148 Die Einordnung entsprechender Formulierungen als bloßen Haftungsausschluß, 149 der wegen seines Umfangs nach §§ 309, Nr. 7, lit. b bzw. 307 Abs. 1 mit 2, Nr. 2 BGB ungültig ist, 150 geht folglich an den tatsächlichen Umständen vorbei. Setzt man sich, wie die Befürworter des Auskunftsvertrages, über die genannten Tatsachen hinweg, kommt man zur vertraglichen Bindung der Bank unter offener Mißachtung ihres zutage tretenden Willens. Treffend formuliert, haftet das Kreditinstitut „nicht wo [es] will, sondern wo [es] soll". 151 Der stillschweigend abgeschlossene Auskunftsvertrag bedeutet dann offensichtlich keine selbstbestimmte vertragliche Bindung mehr. Es klingt vielmehr Gedankengut des faktischen Vertrages 152 an, einer Lehre, der zu Recht nur ein kurzes Dasein beschert war. 153 142 143

Rd. 45. 144

So aber Musielak, VersR 1977,974. Dazu Enneccerus/Kipp/Mn. Wolf,

Bürgerliches Recht12, S. 380; MüKo 2/Mayer-Maly,

§ 133

Enneccerus/Kipp/Mn. Wolf Bürgerliches Recht12, S. 380. Lammel, AcP 179 (1979), 341. Es strafen also nicht „Taten ... Worte lügen", wie bei MüKo3/Mayer-Maly, § 133, Rd. 45, eingängig formuliert. 146 BGH, 16. 12. 1964-VIII ZR 51/63, NJW 1965,387. 147 Staudinger12/D/7cAer, Vor§§ 116 - 144, Rd. 13; Enneccerus/Kipp/Mn. Wolf Bürgerliches 12 Recht , S. 380; Flume , Rechtsgeschäft, S. 76; Schubert, Vorentwürfe zum Allgemeinen Teil des BGB, Bd. II, S. 75. 148 Jost, Vertragslose Haftung, S. 280; Köndgen, Selbstbindung, S. 6. Entgegen Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 64, bedeutet die Beachtung des Zusatzes also nicht etwa eine unzulässige Einschränkung des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. 149 Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 84 und ZHR 163 (1999), 230,231, Fn. 80; Lang,, WM 1988, 1007; Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 813, 814; Sichtermann, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 396; siehe auch BGH, 29. 10. 1952 - II ZR 283/51, BGHZ 7,376. 150 Bürger, Bankauskunft, S. 168, 169, noch zu §§ 9 ff. AGBG; differenzierend dagegen Ebenroth/Boujong/Joost/Korf, § 347 HGB, Rd. 72, 73. 151 Medicus, Bürgerliches Recht19, Rd. 371. 152 Begründet durch Haupt, Über faktische Vertragsverhältnisse, 1941; vertreten u.a. durch Simi t is, Die faktischen Vertragsverhältnisse als Ausdruck der gewandelten sozialen Funktion der Rechtsinstitute des Privatrechts, 1957. 153 Ablehnend dazu: Flume , Rechtsgeschäft, S. 95,97; Locher, Kreditauskünfte, S. 80 - 83. Die Rechtsfiguren des fehlerhaften aber wirksam in Vollzug gesetzten Arbeits-, Dienst- und Gesellschaftsvertrages sind vom faktischen Vertrag dagegen zu unterscheiden, weil eine Willenseinigung bei diesen vorliegt, nur nicht wirksam ist, allein die Folgen der Unwirksamkeit eingeschränkt werden, Palandt62///ewr/c/?5, Vor § 145, Rd. 27. 145

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

Verkehrsschutzinteressen 154 mögen unter Umständen eine Haftung des Bankiers gebieten.155 Auch können sie helfen, unklare Willensäußerungen in verkehrsgerechter Weise objektiv auszulegen.156 Sie begründen jedoch nicht die Abkehr von der Rechtsgeschäftslehre in der Weise, daß sie bei der zum Vertragsschluß erforderlichen Einigung das Selbstbestimmungselement vollständig ausschalten könnten.157 Der Vertrag bleibt das Ergebnis selbstbestimmter, das heißt willensabhängiger Regelung und Bindung.158 Mit der Konstruktion 159 eines Auskunftsvertrages wird also die durch das BGB gewährte Privatautonomie 160 der Banken verletzt. 161 154 Siehe zu diesem Argument aber in aller Deutlichkeit Behr, Wertverfolgung, S. 472, 473 (konkret zum Besitz als Anknüpfungspunkt ftlr den gutgläubigen Erwerb): „Und auch Verkehrsschutzüberlegungen rechtfertigen nicht unbeschränkte Eingriffe ... Sie setzen besondere verkehrsorientierte Handlungen ... voraus, soll nicht der Verkehr zu einem Götzen erhoben werden, gleichzeitig alles verschlingender Moloch und alles reinigendes Purgatorium sein". 155 Siehe aber unten, Teil 5 Β. II., S. 249. 156 Zum Verkehrsschutzargument bei der Auslegung, Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 179,180. 157 Ebke, JZ 1990, 689; Litterer, Vertragsfolgen ohne Vertrag, S. 151 f.; Locher, Kreditauskünfte, S. 74; Musielak, Haftung, S. 21, führt aus, daß zur Begründung eines Vertrages mit dem Dritten nicht allein das Verkehrsbedürfnis herangezogen werden kann. Softlr den Auskunftsvertrag unter Hinweis auf § 676 BGB a.F. auch H. Stoll, AcP 135 (1931), 99. A. Wiegand, Sachwalterhaftung, S. 73 - 75; Soergell2/Hefermehl, § 157, Rd. 31. Die objektiven Kriterien versagen, wenn eine Partei den Willen zum Vertragsschluß ausdrücklich bzw. offensichtlich verneint hat, Willoweit, Vereinbarungen, S. 32, 43, 44. Anders Alternativkommentar BGB/Teubner, § 242, Rd. 75, mit Orwell'schen Reminiszenzen: „Informations-, Kompetenz- und Machtasymmetrien [werden] dadurch aufgefangen, daß die Konditionen des Vertrages justiziell diktiert werden und damit nicht mehr zur Disposition der Parteien stehen". Dagegen spricht mit Schmöckel, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 105, schon, daß „der Schutz der Privatautonomie und des Verkehrs die Pole des Zivilrechts [bilden]". Sieht man beide Prinzipien also bildlich als die Achspunkte des Systems, kann nicht einer der beiden „Pole" aufgelöst werden, weil sonst das gesamte Gefüge in Unordnung gerät. 158 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 412; Flume, Rechtsgeschäft, S. 7; Pawlowski, Rechtsgeschäftliche Folgen nichtiger Willenserklärungen, S. 291; M. Wolf Entscheidungsfreiheit, S. 23. 159 Treffend Ebke, JZ 1990, 689: Die Konstruktionsbereitschaft des angerufenen Gerichts tritt an die Stelle der privatautonomen und durch die Beteiligten berechenbare Pflichtenübernahme. 160 Flume, Rechtsgeschäft, S. 4, 56; Köndgen, Selbstbindung, S. 120; Nierwetburg, Rechtswissenschaftlicher Begriff und soziale Wirklichkeit, S. 18; zur verfassungsrechtlichen Dimension, Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz7/Dwr/g, Art. 2 Abs. I, Rd. 53 und M. Wolf, Entscheidungsfreiheit, S. 19. Dem tritt Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 806, mit der Erwägung entgegen, die Bank könne bei Auseinanderfallen von Erklärungsbewußtsein und Erklärungstatbestand gem. § 122 BGB anfechten. Gegen diese Auffassung spricht aber nicht nur, daß bereits der objektive Erklärungstatbestand der Willenserklärung fehlt, sondern auch, daß die Privatautonomie nicht erst über den Umweg der Auflösung des Rechtsgeschäfts zu gewähren ist, wenn und weil sie bereits bei der Begründung desselben eine Rolle spielt. 161 Die Privatautonomie gilt für alle Rechtssubjekte, also auch für juristische, nicht etwa nur für natürliche Personen, Baumann, Einführung in die Rechtswissenschaft, S. 126; Palandt62///ewr/c/7.s, Vor § 21, Rd. 8, 9; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 244, 245. Siehe zur verfassungsrechtlichen Dimension der Selbstbestimmung für juristische Personen des Privatrechts Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz7/Dwr/g, Art. 2 Abs. 1, Rd. 68 und Seifert/Hömig, Grundgesetz7//*rc/ow, Art. 2, Rd. 4 und Art. 19, Rd. 7. Dem kann auch nicht mit dem Argument entgegengetreten werden, daß dem Selbstbestimmungsgrundsatz für die Kreditinstitute insoweit genügt sei, als deren Eintritt in den Markt ja auf einer freien Entscheidung beruhe (so aber Köndgen, Selbstbindung, S. 277).

Α. Die Haftung des Kreditinstitutes aus Vertrag

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Der Ablehnung eines Vertragsschlusses kann auch nicht entgegengehalten werden, sie sei zu formal. 162 Die Selbstbestimmung ist zu akzeptieren. Der Wille der Parteien ist nicht lediglich eine „vom Recht zu bändigende Größe", 163 sondern tragendes Prinzip des Privatrechts. 164 Auch ist es nicht etwa die Aufgabe der Gerichte, die Rechtsgeschäftslehre dort zu mißachten, wo ein unabwendbares Haftungsbedürfnis angenommen wird, eine Haftung aber nur mittels (offen) fingierten Vertragsschlusses begründet werden kann.165 Die damit offen propagierte Aufhebung der Privatautonomie ist mehr als nur irgendein Eingriff. Sie bedeutet den Verstoß gegen einen Grundwert der Rechtsordnung166 und geht mit einer schleichenden Entmündigung und Übertragung sozialer Kompetenz vom Bürger auf den Richter einher.167 Den Richter aber als fürsorglich väterliche Figur anzusehen, ist unangemessen, weil der einzelne im Rahmen der ihm gewährleisteten Handlungsfreiheit nicht nur frei handeln darf, sondern auch Verantwortung tragen muß. Zu Recht forderte Josef Esser schon 1956 ein „Getting rid of need for father authority". 168 Gerade in Zusammenhang mit der Privatautonomie ist nochmals auf die oben169 im Rahmen des § 675 Abs. 2 BGB erörterte Problematik der vertraglichen Sachverständigenhaftung einzugehen. Es handelt sich dabei um eine Kategorie, in die sich die Bankauskunft als Dienstleistung der Kreditinstitute einordnen läßt. Wie dargelegt, ist den Motiven nicht zu entnehmen, daß mit dem BGB eine allgemeine vertragliche Sachverständigenhaftung statuiert werden sollte. Selbst wenn man den Gesetzgeber aber im gegenteiligen Sinne verstehen Denn mit einer derartigen Sichtweise von einem „Konsensvorschuß" bei marktbezogener Interaktion (ähnlich Willoweit, Vereinbarungen, S. 64) verliert die Bank mit ihrem Eintritt in den Markt praktisch jede Entscheidungsmöglichkeit, und wird selbst zum Objekt des Marktes - von der Wahrung des Freiheitsgedankens (.Köndgen, Selbstbindung, S. 420) kann hier nicht mehr gesprochen werden, weil die ,zusätzliche privatrechtliche Erwartungssicherheit" (Köndgen, Selbstbindung, S. 420) nur auf Kosten der Ausschaltung der Privatautonomie des Gegenübers möglich ist. 162 Siehe zu diesem Vorwurf bei der Zeugnishaftung, Loewenheim, JZ 1980, 469,470. Generell in diesem Sinne Canaris , ZHR 143 (1979), 122: „Dogmatische Konstruktionen sind wichtig, materielle Wertungsgesichtspunkte sind noch wichtiger". Dazu auch noch unten, Teil 5 Β. II., S. 249. 163 Pawlowski, Rechtsgeschäftliche Folgen nichtiger Willenserklärungen, S. 228. 164 Braun, Einführung in die Rechtswissenschaft2, S. 158,162. 165 So aber Breinersdotfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 57; Häuser, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. II, S. 1391 - eine äußerstfragwürdige Formulierung, denn die Privatautonomie kann allenfalls i.R. einer Einzelfallabwägung hinter im konkreten Fall übergeordnete Belange zurücktreten, so daß eine generelle „Verbiegung" per se rechtswidrig ist. 166 Siehe dazu Braun, Einführung in die Rechtswissenschaft2, S. 158,162. 167 Flume , AcP 161 (1962), 54, 56. Siehe auch Schopp, Rechtsgeschäftslehre, S. 23, der unter Hinweis auf Immanuel Kant die Beachtlichkeit des Willens auf die Menschenwürde zurückführt; ebenso M. Wolf, Athenäum, S. 26. 168 Esser, Grundsatz und Norm, S. 21. 169 Teil IC. I.3., S. 27.

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

würde, könnte ein Vertragsschluß nicht begründet werden. Die Konstruktion eines Auskunftsvertrages ist bei der Bankauskunft nämlich nur mit einem erheblichen Eingriff in die Privatautonomie des Kreditinstitutes möglich. Es würde also ein Konflikt zwischen dem Willen des Gesetzgebers zur Begründung einer vertraglichen Sachverständigenhaftung und dem Grundsatz der Privatautonomie entstehen. Die Entscheidung dieses Konflikts zu Gunsten der Privatautonomie und damit gegen einen verordneten Vertragsschluß fällt eindeutig aus. Schließlich ist die Privatautonomie ein „Grundwert der Rechtsordnung".170 Zur Rechtfertigung eines „faktischen Auskunftsvertrages" wäre also eine unmißverständliche Formulierung erforderlich gewesen. Eine Beschneidung der Privatautonomie hätte zudem eine Äußerung im Gesetzestext, und nicht nur in den Materialien erfordert. Der bloße Hinweis in den Motiven, daß eine mehr als nur deliktische Haftung unter besonderen Umständen in Betracht komme, wozu die Fälle eines Vertragsschlusses gehörten,171 genügt jedenfalls nicht. c) Die Verjährungsproblematik Die Annahme eines Auskunftsvertrages bedingte bisher weitere Probleme. Diese haben sich mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zwar erledigt, 172 zeigen aber, wie wenig gerecht die „Vertragslösung" der Rechtsprechung ist: In seiner Entscheidung vom 11.3. 1999173 nahm der BGH zur Frage der Verjährung von Schadensersatzansprüchen aus unentgeltlichem Auskunfts- oder Beratungsverträgen Stellung. Auch wenn es sich nicht um einen Fall der Kreditauskunft handelte,174 war diese Entscheidung dennoch allgemein von Bedeutung. Der entgeltliche Auskunfts- bzw. Beratungsvertrag, sei, so der BGH, Dienstoder Werkvertrag, der unentgeltliche dagegen Auftrag(svertrag). 175 Damit ergaben sich bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes176 erhebliche Wertungswidersprüche: Wurde ein entgeltlicher Vertrag über die Auskunftserteilung geschlossen, war dieser in aller Regel Werkvertrag 170 Flume , AcP 161 (1962), 52, 55. Auch wenn Medicus, Abschied von der Privatautonomie im Schuldrecht?, 1994, nicht zu Unrecht schon im Titel seiner Schrift entsprechende Bedenken vorträgt. 171 Mugdan, Motive, Bd. II, S. 310. 172 An Stelle §§ 195 BGB a.F. und 638 BGB a.F. sind zum 1.1. 2002 §§ 195 und 634a BGB getreten. 173 BGH, 11.3. 1999 - III ZR 292/97, WM 1999,1170. 174 Der Schadensersatz wurde hier gegen eine Farbenherstellerin geltend gemacht, deren Mitarbeiter bei einem Probeanstrich beratend tätig war. 175 BGH, 11.3. 1999- III ZR 292/97, WM 1999, 1171. 176 Am 1. 1.2002.

Α. Die Haftung des Kreditinstitutes aus Vertrag

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gem. § 631 BGB a.F.177 Ordnete man den Schaden infolge fehlerhafter Auskunft zutreffend als typischen Realisierungsschaden und damit als nahen Mangelfolgeschaden i.S.d. § 635 BGB a.F. ein,178 galt die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 638 Abs. 1 S.l BGB a.F. Der unentgeltlich tätige Auftragnehmer haftete dagegen gem. § 195 BGB a.F. dreißig Jahre lang, und damit die sechzigfache Zeit. Der BGH ging darüber mit der Bemerkung hinweg, die „gewissen Wertungswidersprüche" seien in der „vielfach reformbedürftigen" Gestaltung des Gesetzes begründet.179 Dagegen ist - auch nach der mittlerweile erfolgten Änderung des Verjährungsrechts - einzuwenden, daß die Widersprüche erst aus einer überdehnten Anwendung des Vertragsrechts resultierten. Änderungswürdig war und bleibt die Praxis, Haftungsergebnisse mittels angeblich konkludent geschlossener Verträge zu begründen.

d) Ergebnis zum Auskunftsvertrag Zwischen Bank und Kunden kommt weder bei der Anfrage des Kunden, noch bei der nachfolgenden Auskunftserteilung ausdrücklich oder stillschweigend ein Auskunftsvertrag zustande.

3. Der eigenständige Garantievertrag a) Inhalt des Garantievertrages Gegenstand des Garantievertrages ist die Verpflichtung, verschuldensunabhängig Gewähr zu bieten.180 Eine Vereinbarung zwischen Bank und Kunden, wonach die Bank für die Richtigkeit der Auskunft in jeder Hinsicht einzustehen hätte, wäre eine sinnvolle Regelung der Beziehung. Mangels Substrates, auf welches sich die Garantie vor der tatsächlichen Erteilung der Auskunft beziehen kann, kommt ein solcher Vertrag erst im Zeitpunkt der Aushändigung der Information in Betracht. Insbesondere kann als sinnvoller Gegenstand nicht die sorgfältige Informationsbeschaffung angesehen werden. Es werden nämlich keine Nachforschungen angestellt, sondern nur die präsenten Informationen ge177

Siehe oben, b) bb) (1), S. 42 und Honseil JuS 1976, 621, 622. Zu dieser Einordnung Palandt^/Spraw, Vor § 633, Rd. 23; zur Abgrenzung seit dem 1. 1. 2002 Vùimài 61!Heinrichs, § 280, Rd. 18. 179 BGH, 11.3. 1999-III ZR 292/97, WM 1999,1172. 180 Zum Garantievertrag siehe Staudinger13///or«, Einleitung zu § 765, Rd. 84; Musielak, Haftung, S. 16; Jost, Vertragslose Haftung, S. 87, zur Abgrenzung zum Haftungsvertrag; Palandt62/77zoroos, Vor § 765 BGB, Rd. 16. 178

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

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geben. Auch zählt für den Auskunftssuchenden allein der Erfolg: die fehlerfreie Auskunft, nicht aber ein entsprechendes Bemühen der Bank.

b) Vertragsschluß Ein Wille des auskunftgebenden Kreditinstitutes, für die Richtigkeit der Auskunft verschuldensunabhängig einzustehen, besteht nicht. Unter Berücksichtigung der für die Bank sich aus einem Garantievertrag ergebenden Haftungsrisiken ist er im Normalfall nicht gegeben. Angesichts der offen erkennbaren Ablehnung eines Vertragsschlusses durch die Bank ist eine entsprechende Willenserklärung auch im Wege der objektiven Auslegung nicht feststellbar. Allenfalls in besonderen Fallgestaltungen, etwa wenn ein gesteigertes Interesse der Bank im Spiel ist oder eine verschuldensunabhängige Gewähr i.S.d. § 276 Abs. 1 S. 1 Var. 3 BGB erfolgt, kann eine derartige Willenserklärung der Bank gesehen werden.181 Selbst dann ist aber regelmäßig ein ausdrücklicher Vertragsschluß erforderlich. Zu Recht wird der stillschweigend abgeschlossene Garantievertrag daher zur Haftungsbegründung für den Regelfall nicht konstruiert. 182

4. Haftungsvertrag

eigener Art

Nie hat ein Dichter die Natur so frei ausgelegt, wie ein Jurist die Wirklichkeit a) Inhalt des Haftungsvertrages Inhalt eines Haftungsvertrages sui generis wäre das Versprechen der Bank, für Verschulden bei der Auskunftserteilung einzustehen.184 Die Möglichkeit eines solchen Vertrages ergibt sich aus der dem BGB zugrundeliegenden Vertragsfreiheit. Er wäre in Ansehung der Auskunft auch eine sinnvolle Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen Bank und Kunden. Aus den beim Garantievertrag genannten Gründen185 kommt auch sein Abschluß erst bei der Auskunftserteilung in Frage. 181

Jost, Vertragslose Haftung, S. 91. Bohrer, Dispositionsgarant, S. 66; Bürger, Bankauskunft, S. 138, m.w.Nachw. in Fn. 4; Raape, JW 1927, 1408; Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 803; Stahl, Dritthaftung, S. 56; A. Wiegand, Sachwalterhaftung, S. 277 - 279; RG, 24. 9. 1898, RGZ 42,131,132. 183 Jean Giradoux. 184 Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 77; Köndgen, Selbstbindung, S. 355. 185 Oben, 3. a), S. 55. 182

Α. Die Haftung des Kreditinstitutes aus Vertrag

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b) Vertragsschluß Gegen die Annahme einer Willenserklärung der Bank zum Abschluß eines Haftungsvertrages eigener Art bestehen erhebliche Bedenken.186 Auch damit würde eine Rechtsfigur konstruiert, die die Parteien nicht ausdrücklich schaffen würden. Wiederum wäre deren Annahme nur über einen stillschweigenden Vertragsschluß möglich.187 Sofern der Parteiwille für die Auslegung der Willenserklärung bedeutsam bleiben und nicht eine rein objektive Auslegung maßgeblich sein soll, 188 muß beachtet werden, daß die Parteien grundsätzlich von einem Gelingen ihrer Beziehung ausgehen und das Mißlingen nicht kalkulieren. Wer anderes unterstellt, überschätzt schlicht die Rationalität menschlichen Verhaltens.189 Für die Annahme eines - noch dazu nicht ausdrücklich abgeschlossenen Haftungsvertrages müssen also besondere Umstände sprechen,190 die es rechtfertigen, eine - eingeschränkte, weil verschuldensabhängige - Gewährübernahme durch die Bank zu begründen. Das bloße Interesse des Anfragenden an einer Haftung der Bank bei falscher Auskunft ist dafür nicht ausreichend. Es ist nur ein allgemeines Anliegen, durch den Partner im Rahmen des geschäftlichen Kontakts nicht geschädigt zu werden. Dieses Interesse ist bereits Gegenstand der deliktischen Haftung und insbesondere der Verantwortlichkeit aus §§311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (culpa in contrahendo - c.i.c.).191 Es bietet folglich keine Erklärung für die Annahme eines Haftungsvertrages. Das wird auch daraus deutlich, daß die Begründung eines solchen Vertrages die c.i.c. weitestgehend entbehrlich machen würde. 192 Die Konstruktion eines Haftungsvertrages wäre letztlich ein Überbleibsel der mittlerweile überholten Diskussi-

186

H. Schneider, ZHR 163 (1999), 252, hält einen Haftungsvertrag bei Auskunftserteilung nicht nur für eine Fiktion, sondern aufgrund § 675 Abs. 2 BGB als der Intention des Gesetzgebers widersprechend für ausgeschlossen. 187 Ergebnis einer (Vertrags)Auslegung kann nicht sein, was vernünftige und redliche Parteien nicht in den Vertrag aufnehmen würden, Canaris , ZHR 163 (1999), 217. 188 Zur Relevanz des (äußerlich in Erscheinung getretenen, nicht rein innerlichen) Willens bei der Auslegung der Willenserklärung siehe Flume , Rechtsgeschäft, S. 49 ff. Nach „Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte" läßt sich einfach alles begründen. V.a. wenn man auf eine nähere Erläuterung verzichtet, wie der BGH bei Begründung der Auskunftshaftung, siehe dazu zu Hohenlohe-Oehringen, BB 1986, 894; Lammel, AcP 179 (1979), 337, 338; Musielak, Haftung, S. 26 und WM 1999,1593. 189 Dölle, ZGStW 103 (1943), 67, 70. Köndgen, Selbstbindung, S. 191, 332; Sutschet, Schutzanspruch, S. 98. Siehe auch Pies , in: Pies/Leschke, Oliver Williamsons Organisationsökonomik, 2001, S. 11, der darauf hinweist, daß ein vollständiger Vertrag aufgrund der „kognitiven Beschränkungen" der Beteiligten nicht möglich ist. 190 In diesem Sinne schon Raape, JW 1927,1407,1408. 191 Siehe schon von Jhering, c.i.c., S. 37: Man brauche dem Verkehr nicht zumuten, sich die Abwesenheit von Verschulden zusichern zu lassen - das Gesetz soll dieser Mühe entheben. 192 Bohrer, Dispositionsgarant, S. 71.

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

on, ob die c.i.c.-Haftung durch einen anläßlich der Vertragsverhandlungen geschlossenen Vertrag begründet sei.193 Selbst die Wahrscheinlichkeit besonders hoher Schäden beim Auskunftssuchenden stützt ein anderes Ergebnis ebensowenig, wie die Rechtsprechung das weitreichende Haftungsrisiko für die Banken bisher als Ausschlußgrund für die Annahme einer Verbindlichkeit betrachtete.194 Zum einen kann eine hohe Schadenssumme allenfalls das Bedürfiiis nach Haftung begründen. Allein aus dem Haftungsbedürfnis kann die Haftung aber nicht hergeleitet werden. Einen anerkannten Rechtssatz entsprechenden Inhalts gibt es nämlich nicht, schon weil als Gegenstück zu jedem Haftungsbedürfiiis des Geschädigten ein „Nichthaftungsbedürfnis" des potentiellen Anspruchsgegners existiert und das Integritätsinteresse gegenüber der Handlungsfreiheit keinen unbedingten Vorrang genießt. Zum anderen sind Vermögensschäden größeren Ausmaßes auch bei einer rein gefälligkeitshalber erteilten Auskunft denkbar. Bei derartigen Auskünften wird die vertragliche Haftung aber grundsätzlich abgelehnt. Folglich ist das Ausmaß des Schadens offenbar nicht maßgeblich. Noch weniger kann aber der Gedanke, daß solche Schäden durch die Kreditinstitute besser abzufangen bzw. versicherbar sind, eine Begründung liefern, 195 denn das Argument entspringt dem Gedanken der Risikobeherrschung. 196 Dieser ist der Gefährdungshaftung eigentümlich und hat im Rahmen einer vertraglichen Verschuldenshaftung keine Bedeutung.197 Nun wird als Argument für den Abschluß eines Vertrages bei der Auskunftserteilung immer wieder der Sachverstand des Auskunftgebers angeführt. 198 Sachverstand allein liefert aber keine Begründung für einen Vertragsschluß. Der Gedanke der Sachverständigenhaftung, festgehalten zum Beispiel

193

Siehe oben, Fn. 26, S. 34, zum Teppichvorlegungsvertrag des Reichsgerichts im Linoleumrollen-Fall; ferner Bohrer, Dispositionsgarant, S. 104, 105, Fn. 54, 55 m.w.Nachw.; Locher, Kreditauskünfte, S. 86, m.w.Nachw. in Fn. 7. 194 Siehe dazu die oben, Fn. 49, S. 38, angegebene Rechtsprechung. 195 So aber Grunewald, JZ 1982, 630; allgemein zu dieser Problematik: Hoffmann, AcP 167 (1967), 408: „Haftungsrechtliche Grundsätze können nicht deshalb aufgegeben werden, weil es im Ergebnis billig erscheint, den Schaden einem Zahlungskräftigen anzulasten". 196 Zur ökonomischen Analyse des Rechts siehe unten, Teil 5 B. IL, S. 259 f. 197 Laitm/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2 13 , S. 416, ausdrücklich zur deliktsrechtlichen Verschuldenshaftung. Etwas anderes gilt ftlr das Vertragsrecht auch nicht angesichts der Gefahrtragungs- und damit Risikoverteilungsvorschriften der §§ 326 Abs. 1, 446 und 447 BGB. Denn diese beziehen sich gerade nicht auf den verschuldeten, sondern auf den zufälligen Untergang - Palandt62//>Kfco, § 446, Rd. 5 - 9 und § 447, Rd. 15. Damit soll allerdings nicht abgestritten werden, daß (Hirte, Berufshaftung, S. 143) Haftung und Versicherbarkeit in (einem faktischen) Zusammenhang stehen. 198 BGH, 17. 9. 1985 - VI ZR 73/84, WM 1985, 1531.

Α. Die Haftung des Kreditinstitutes aus Vertrag

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in § 219 ALR, 199 wurde nicht aus dem gemeinen Recht in das BGB übernommen.200 Außerdem ist nicht der Sachverstand als solcher, sondern allenfalls die darauf bezogene Erwartung im Einzelfall relevant, weil der Sachverstand erst in seiner Manifestation in der Erwartungshaltung eine Bedeutung gewinnt. Dies läßt sich an einem einfachen Beispiel belegen: Wer sich noch so gut in Finanzangelegenheiten auskennt, also einen hervorragenden Sachverstand hat, wird nicht um Rat gefragt werden, solange sein Wissen nicht bekannt ist. Bei der Bank wird der Sachverstand in Finanzangelegenheiten dagegen angenommen, sie wird gefragt und ihrem Rat wird gefolgt. Ob die Bank tatsächlich für den konkreten Rat sachverständig ist und den vorhandenen Sachverstand einsetzt, spielt keine Rolle. Allgemein betrachtet ist der Sachverstand also nichtssagend. Er muß sich im konkreten Fall auswirken, und jene Auswirkung wird typischerweise als Vertrauen charakterisiert, das heißt als die Erwartung eines dem (vermuteten) Sachverstand entsprechenden Verhaltens. Damit taugt der Sachverstand als Argument für den Abschluß eines Haftungsvertrages nicht einmal mittelbar, weil Vertrauen nicht für einen Vertragsschluß spricht. Zum einen ist es ein zu vielgestaltiges Phänomen,201 als daß ihm eine entsprechende Auswirkung zugesprochen werden könnte. Auch wird eine Vertrauensposition durch die den Auskünften beigegebene Unverbindlichkeitserklärung zumindest soweit zerstört, daß sie nicht mehr zur Haflungsbegründung taugt.202 Zum anderen spricht bestehendes Vertrauen gerade gegen den Abschluß eines Haftungsvertrages: 203 Wo Vertrauen besteht, bedarf es der zusätzlichen Absicherung über einen Haftungswtrtrag nicht. Die Annahme eines solchen Vertrages, der ausschließlich die Enttäuschung des Vertrauens zum Gegenstand hat, wäre lebensfremd. Im hier interessierenden Regelfall der Auskunftserteilung fehlen außergewöhnliche Umstände, so daß der stillschweigende Abschluß eines Haftungsvertrages eigener Art grundsätzlich nicht in Betracht kommt.

199

Sachverständigenhaftung ab grober Fahrlässigkeit. Siehe oben, Teil 1 C. I. 3., S. 27; zu § 311 Abs. 3 BGB siehe unten, D. II. 1. c) dd), S. 170. Siehe dazu unten, Teil 3 A. III. 1 S. 178. 202 Hs. Stoll, FS Flume, 1978, S. 769; im Gegensatz dazu will Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 84, 85, die Freizeichnung als Akt der Haftungsbeschränkung unter dem Aspekt widersprüchlichen Verhaltens geprüft wissen, obwohl die Bank hier im Sinne Canaris ZHR 163 (1999), 231, gerade nicht nur die Rechtsfolgen der Auskunft geregelt wissen will, sondern die Aussage derselben, und damit auch deren angeblichen Richtigkeitsanspruch einschränkt - siehe dazu unten, Teil 3 Α. IV., S. 195. 203 Vgl. dazu Schräder, Vertrauen, Sozialkapital, Kapitalismen, S. 8. 200

201

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

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5. Haftung aus pFV, § 280 Abs. 1 BGB a) pFV des allgemeinen Bankvertrages 204 Der allgemeine Bankvertrag ist 205 das Ergebnis von Bemühungen, die zwischen Bank und Kunden bestehende Geschäftsverbindung in einen rechtlichen Rahmen einzupassen,206 um im Anschluß daran Haftungsfragen nach Vertragsrecht entscheiden zu können. Insbesondere soll die Garantiehaftung aus § 278 BGB 207 anwendbar sein. Damit können primäre Vermögensschäden ersetzt werden, ohne daß die strengen Voraussetzungen des § 826 (i.V.m. §831 Abs. 1) BGB erfüllt sein müssen. Ungeklärt ist aber bereits die Frage des Vertragsschlusses. So steht nicht fest, ob man bei jedem Geschäft mit einer Bank einen solchen Vertrag schließt oder erst ab einem bestimmten Ausmaß oder gewollter Dauerhaftigkeit der Verbindung.208 Problematisch ist ferner, daß der allgemeine Bankvertrag keinen Inhalt hat und somit der essentialia negotii i.S.d. herrschenden Vertragslehre, 209 insbesondere einer Hauptleistungspflicht, ermangelt.210 Er entfaltet keine Bindungswirkung.211 Weder verpflichtet sich nämlich der Kunde, sämtliche zukünftigen Bankgeschäfte nur noch mit seiner „Vertragsbank" abzuwickeln, noch soll das Kreditinstitut verpflichtet werden, sämtliche vom Kunden gewünschten Geschäfte mit diesem zu tätigen.212 Letzteres wird besonders deutlich bei Kreditverträgen. Vor deren Abschluß findet eine Prüfung durch die Bank statt. Übersteigt die Kreditvergabe den Betrag von 250.000 €, muß diese Prüfung gemäß § 18 S. 1 KWG stattfinden. Insoweit liegt für den allgemeinen Bankvertrag sogar die Nichtigkeitsfolge aus § 134 BGB nahe.

204

Für dessen Bestehen z.B. Claussen, Bank- und Börsenrecht2, § 6, Rd. 25; H opt, HGB30, (7), Rd.A/6; Köndgen, NJW 1992, 2263; Rehbein, ZHR 149 (1985), 141; Ebenroth/Boujong/ Joost/Thessinga, Bank- und Börsenrecht I, Rd. 111; dagegen zuletzt BGH, 24.9.2002 - IX ZR 345/01, NJW 2002, 3695. 205 Bzw. „war" - nachdem der BGH den stillschweigend abgeschlossenen Bankvertrag in seiner Entscheidung vom 24. 9. 2002 - IX ZR 345/01, NJW 2002,3695, abgelehnt hat. 206 Köndgen, NJW 1992, 2263: „Rahmenrechtsbeziehung"; Pikart, WM 1957, 1238: Abschluß des Vertrages erfolgt mit Aufnahme der Geschäftsverbindung und schafft ein rechtliches Grundverhältnis zwischen den Beteiligten. 207 Picker, JZ 1987,1041, m.w.Nachw. in Fn. 2. 208 Rümker, ZHR 147 (1983), 29,30. 209 Staudinger12/£/7c/K?r, Einleitung zu §§ 104 - 185, Rd. 14; Palandt61(Heinrichs, Vor § 145, Rd. 3; Mugdan, Motive, Bd. I, S. 441 , Herrmann, in: Horn, German Banking Law, S. 90, 91. 210 BGH, 24. 9. 2002 - IX ZR 345/01, NJW 2002,3696. 211 Bürger, Bankauskunft, S. 43 f., Canaris, Bankvertragsrecht, Rd. 4, Fn. 9,10. 212 Canaris, Bankvertragsrecht, Rd. 7; BGH, 24. 9. 2002 - IX ZR 345/01, NJW 2002, 3696.

Α. Die Haftung des Kreditinstitutes aus Vertrag

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Auch zur umfassenden, also zum Beispiel über einen Girovertrag hinausgehenden, Vereinbarung der AGB-Banken ist der allgemeine Bankvertrag angesichts § 305 Abs. 3 BGB nicht erforderlich. 213 Der allgemeine Bankvertrag ist daher mangels Inhalt und Rechtsfolgen abzulehnen.214 Da ein Wille der Beteiligten zum Vertragsschluß nicht festgestellt werden kann, scheidet er als Vertragsfiktion zur Haftungsbegründung aus.215

b) Auskunftshaftung aus pFV, § 280 Abs. 1 BGB Abgesehen davon, daß bereits kein allgemeiner Bankvertrag vorliegt, ist die pFV, § 280 Abs. 1 BGB, bei Bankauskünften generell nicht zur Haftungsbegründung geeignet.216 Diese Feststellung ist deshalb wichtig, weil der Versuch denkbar ist, eine Auskunftshaftung über die pFV eines tatsächlich bestehenden Vertrages zu konstruieren. 217 Die Untauglichkeit entsprechender Bemühungen soll am Beispiel des in § 676 f BGB geregelten Girovertrages 218 aufgezeigt werden.219 In Betracht kommt die Anwendung des § 280 Abs. 1 BGB als Mittel zur Sanktion der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten und bei Schlechtleistung.220 213

BGH, 24. 9.2002 - IX ZR 345/01, NJW 2002,3696, noch zu § 2 Abs. 2 AGBG. Bürger, Bankauskunft, S. 43 f.; Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 2 ff.; anderer Ansicht Locher, Kreditauskünfte, S. 47 und Ebenroth/Boujong/Joost/77*es57>7gö, Bank- und Börsenrecht I, Rd. 111, wobei letzterer die entsprechende Vertragsfiktion ausgerechnet mit einem „in der Lebenswirklichkeit feststellbaren Willen der Parteien" begründet. Auch hier ist wieder anzumerken, daß ein allgemeiner Bankvertrag nicht nur „vielfach nicht ausdrücklich" geschlossen wird, Thessinga, Rd. 113, sondern niemals, d.h. nur über die Konstruktion konkludenter Erklärungen überhaupt möglich ist. Man stelle sich nur einmal den Gesichtsausdruck des Bankangestellten vor, dem ein Kunde antragen würde, die Bank möge mit ihm (so Thessinga, Rd. 111, zum Inhalt des Vertrages) „für ... zukünftige Geschäfte eine rechtliche Grundordnung vereinbaren". Das Ergebnis wäre in der Tat ein (Thessinga, Rd. 115:) „Vertrag sui generis". 215 BGH, 24. 9. 2002 - IX ZR 345/01, NJW 2002, 3696. 216 Anderer Ansicht Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 78, der einen Anspruch aus pFV für möglich, jedoch wegen der bereits bestehenden haftungsbegründenden Geschäftsverbindung nicht für erforderlich hält. Ebenfalls für einen Schadensersatzanspruch aus pFV eines beliebigen mit der Bank bestehenden Vertrages tritt Bürger, Bankauskunft, S. 142, ein, allerdings nur in Fällen, in denen die Auskunft, d.h. ihr Inhalt, mit dem bestehenden Vertrag in innerem Zusammenhang steht. 217 Siehe nur die Praxis des Reichsgerichts, oben, Teil 1 C. I. 2., S. 26. 218 Die Vorschrift wurde eingefügt durch das Überweisungsgesetz vom 21. 7. 1999, BGBl. I, S. 1642. 219 Der Girovertrag ist hier als häufigster Fall ausgewählt worden. In Betracht kommen daneben als Dauerschuldverhältnisse vor allem noch der Darlehensvertrag, aber z.B. auch Depotverträge. Denn entscheidend dafür, daß die Bank eine Auskunft an Privatpersonen erteilt, ist nur daß ein Kunde anfragt, nicht aber, warum der Kunde ein solcher ist. 220 Canaris, , JZ 1965, 475; Palandt^/Heinrichs, § 276, Rd. 108 zur pFV. Für § 280 Abs. 1 BGB (siehe Palandt61/Heinrichs, § 280, Rd. 15 ff., 24 ff.) ergibt sich dies bereits aus dem Gesetz, weil dort jede Pflichtverletzung, also auch eine i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB, erfaßt wird. 214

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

aa) Eine pFV-Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Schlechtleistung muß hinsichtlich der Bankauskunft von vornherein ausscheiden, weil dazu im Grundvertrag, dem Girovertrag, die Auskunftserteilung als Gegenstand einer Leistungspflicht vereinbart sein müßte. Eine solche Pflicht existiert aber ausweislich § 676 f BGB, wonach Gegenstand des Girovertrages lediglich die Kontoeinrichtung und der Überweisungsverkehr ist, nicht. Eine entsprechende Verpflichtung der Bank besteht auch nicht auf Grundlage der AGB-Banken, Nr. 2, Abs. 2. Die Bank unterliegt dem Bankgeheimnis und hat einen Prüfungsvorbehalt - ihr steht allenfalls ein Auskunftserteilungsrecht zu. 221

bb) Hinsichtlich der Nebenpflichtverletzung i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB scheint auf den ersten Blick allerdings eine taugliche Konstruktion gefunden: Mit dem Giro vertrag, den nahezu jeder Kunde mit seinem Kreditinstitut schließt, wäre die sonst mühsam konstruierte vertragliche Haftungsgrundlage, das Schuldverhältnis i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB, gegeben. Der nächste erforderliche Schritt wäre, aus diesem Vertrag die Nebenpflicht zur richtigen Auskunftserteilung herzuleiten. Verglichen mit der Konstruktion eines fiktiven Auskunftsvertrages scheint die Herleitung dieser Nebenpflicht unbedenklich. Die Privatautonomie scheint infolge des zweifelsfrei abgeschlossenen Girovertrages gewahrt, und Nebenpflichten existieren ohnehin in unüberschaubarer Vielfalt. 222 Die Haftung der Bank würde sich dann gem. § 280 Abs. 1 BGB aus der Verletzung der Nebenpflicht ergeben. Eine Nebenpflicht zur fehlerfreien Auskunftserteilung läßt sich aber nicht begründen.223 Dabei ist zu beachten, daß die Nebenpflichten in leistungsbezogene Pflichten, Neben/e/s/WHgspflichten, und sonstige Verhaltenspflichten zu unterteilen sind.224

221 Bruckneri Stützte, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 96 (zur Eigenauskunft)/S. 111 (zur sonstigen Bankauskunft); Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 75; R. FischerlKlanten, Bankrecht, Rd. 4.64; Hopt, HGB30, (8), AGB-Banken, Nr. 2, Rd. 4; Horn, AGB-Banken, S. 93; Köndgen, Selbstbindung, S. 294; Locher, Kreditauskünfte, S. 58; Ebenroth/Boujong/Joost/77œsswgû, Bankund Börsenrecht I, Rd. 1178. 222 Siehe die Nachweise bei MüKoVRoth, § 242, Rd. 192 - 337 (!). 223 In diesem Sinne auch der BGH in seiner Entscheidung zum allgemeinen Bankvertrag, BGH, 24. 9. 2002 - XI ZR 345/01, NJW 2002, 3697 (unter Hinweis darauf, daß bei einer Beratung durch die Bank stattdessen ein Beratungsvertrag stillschweigend zustandekommt): „Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts entbehrt jeder Grundlage". 224 EsserlE. Schmidt, Schuldrecht, Bd. I 8 , S. 107,108; Palandt62///emncÄj, § 280, Rd. 25.

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(1) Die Nebenleistungspflichten dienen der Vorbereitung, Durchführung und Sicherung der Hauptleistungspflichten i.S.d. § 241 Abs. 1 BGB. Sie sichern also den Leistungserfolg. 225 Auf die Hauptleistungspflichten des Girovertrages (Kontoführung und Überweisungsverkehr) bezogene Nebenleistungspflichten bestehen also zum Beispiel darin, dem Kunden die Nachprüfung von Buchungen zu ermöglichen.226 Die fehlerfreie Bankauskunft dient dagegen weder der Kontoführung noch hängt sie mit dem Überweisungsverkehr zusammen. Eine entsprechende Pflicht kann also nicht als Nebenleistungspflicht angesehen werden.

(2) Die Verhaltens- bzw. Schutzpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB sichern das Integritätsinteresse der Beteiligten.227 Beim Girovertrag existiert etwa eine Nebenpflicht, die Räumlichkeiten so einzurichten, daß der Kunde darin nicht zu Schaden kommt, gegebenenfalls diesbezügliche Hinweise zu geben etc. Eine Verhaltens- oder Schutzpflicht zur fehlerfreien Auskunftserteilung besteht dagegen nicht.228 Zwar sind die Schutzpflichten, weil nicht gesondert vereinbart, gesetzlicher Herkunft. 229 Zu beachten ist jedoch, daß jedenfalls ein Mindestmaß an Rechtfertigung der jeweiligen Nebenpflicht als eine sich aus dem konkreten Schuldverhältnis zwischen den Beteiligten ergebende Pflicht gewahrt bleiben muß.230 Das wird auch durch § 241 Abs. 2 BGB bestätigt, der die bisherige Rechtsprechung zu den Nebenpflichten allgemein festhält. 231 225

Canaris, JZ 1965,477; MtlKo3/Kramer, § 241, Rd. 15. Krüger, MDR 2000, 745; Palandt62/Sprau, § 676 f, Rd. 15; BGH, 4. 7. 1985 - III ZR 144/84, NJW 1985,2699. 227 Canaris, JZ 1965, 477; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Bd. I 8 , S. 109; MüKo'/Kramer, Einleitung zu Band 2, Rd. 79 und §241, Rd.22; Staudinger13/./. Schmidt, Einleitung zu §§241 ff., Rd. 310; Schmitz, Dritthaftung, S. 17 f.; Soergci 13/Teichmann, §242, Rd. 178. Daß die Schutzpflichten zugleich auch der Sicherung des Leistungsinteresses dienen, Paiandi 62/Heinrichs, § 242, Rd. 35; Jost, Vertragslose Haftung, S. 165, steht der Differenzierung nicht entgegen, weil jedenfalls die hauptsächliche Bedeutung der Schutzpflichten im Integritätsschutz liegt. 228 Das ist auch der Entscheidung des BGH zum allgemeinen Bankvertrag, BGH, 24. 9.2002 XI ZR 345/01, NJW 2002,3697, zu entnehmen, wenn der BGH argumentiert, daß „eine Beratungspflicht grundsätzlich den Abschluss eines besonderen Vertrages voraussetzt]". 229 MiXKo 4/Kramer, § 241, Rd. 23. Nebenfew/wwgjpflichten sind dagegen auch aufgrund vertraglicher Vereinbarung denkbar, z.B. die Nebenleistungspflicht zur Versendung der Ware i.S.d. § 447 Abs. 1 BGB, MiXKoVKramer, § 241, Rd. 19. 230 Palandt 62/Heinrichs, §242, Rd. 35, noch zur Rechtslage vor dem 1.1.2002; Ebenroth/Boujong/Joost/A^orf, § 347 HGB, Rd. 89, mit einer Zusammenstellung von Nebenpflichten und Rd. 58: Es „kommt es in erster Linie auf die vertraglichen Abmachungen an"; Musielak, Haftung, S. 17: Die Nebenpflichten bestehen aufgrund der „besonderen Art und Intensität der Rechtsbeziehung zwischen den Parteien"; Picker, AcP 183 (1983), 390, der sich allerdings gegen den Begriff der vertraglichen Haftung wendet; Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 806; Schmitz, Dritthaftung, S. 21; Soerge\ 12/ Wiedemann, Vor § 275, Rd. 58. 231 BT-Drucks. 14/6040, S. 125. 226

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

Gem. § 241 Abs. 2 BGB soll das Schuldverhältnis „nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht... verpflichten". 232 Der Inhalt des Schuldverhältnisses sind die Hauptpflichten, § 241 Abs. 1 BGB, oder, wie es in der Gesetzesbegründung formuliert ist: „vor allem das konkret Geregelte".233 Dieser „Inhalt des Schuldverhältnisses" läßt beim Girovertrag eine Nebenpflicht zur fehlerfreien Auskunftserteilung nicht zu: Die Bank trifft keine //awp/pflicht zur (fehlerfreien) Auskunftserteilung. 234 Daraus folgt, daß auch die das Schuldverhältnis begleitenden Afeòeflpflichten eine entsprechende Bindung nicht begründen können. Die Schaffung einer Nebenpflicht zur (fehlerfreien) Auskunftserteilung würde nämlich zum selben Ergebnis führen wie die Anerkennung einer entsprechenden Hauptpflicht. Die Folge, Haftung bei schuldhaft falscher Auskunft, wäre identisch, weil bei § 280 Abs. 1 BGB zwischen Haupt- und Nebenpflichten nicht unterschieden wird. Außerdem greift auch hierbei der Prüfungsvorbehalt der Bank und zugunsten des betroffenen Kunden das Bankgeheimnis ein.235 Deshalb kann es auch nicht weiterführen, eine „Pflicht zur, wenn, dann ordnungsgemäßen Auskunftserteilung" aufzustellen, weil dieses Pflicht auf dasselbe hinauslaufen würde. Ferner ist die Auskunft ein eigenständiger Akt, der sowohl nach dem Anlaß (Vertragsverhandlungen mit dem Dritten) als auch nach der Zielrichtung (Vertrag mit dem Dritten) vom Bestehen eines konkreten Vertrages zwischen Bank und Kunden losgelöst ist. 236 Dementsprechend kann die Auskunft nicht vom Pflichtenkatalog des Vertrages zwischen Bank und Kunden erfaßt werden.237 Die Verbindung zwischen der Auskunft und (hier:) dem Girovertrag ergibt sich allein daraus, daß die Bank Kreditauskünfte nur anderen Banken und eigenen Kunden erteilt. 238 Der Girovertrag ist also nur eine „Hürde" für die Erteilung der Bankauskunft. Diese Verbindung genügt aber keineswegs, um eine über die deliktische Haftung hinausgehende Verbindlichkeit i.S.d. § 280 Abs. 1 232 233 234 235

BT-Drucks. 14/6040, S. 126. BT-Drucks. 14/6040, S. 126. Siehe oben, 2 - 4 . , S.38ff. AGB-Banken, Nr. 2 Abs. 1 S. 1 [= AGB-Sparkassen, Nr. 1 Abs. 1 S. 2]; ergänzend Fn. 221,

S. 62.

236

Bürger, Bankauskunft, S. 142; Honseil, JuS 1976, 624; Locher, Kreditauskünfte, S. 46; Musielak, in: Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 25. 237 Dies wird durch die Entscheidung des BGH zum allgemeinen Bankvertrag, BGH, 24.9.2002 - XI ZR 345/01, NJW 2002,3697, bestätigt. Der BGH führt aus: „Bei einer Geldanlage setzt ... eine Beratungspflicht grundsätzlich den Abschluss eines besonderen Vertrages voraus". Diese Argumentation basiert darauf, daß die Beratung bei der Geldanlage - gegenüber dem Girovertrag - einen eigenständigen Akt darstellt. Dies gilt auch für die Erteilung einer Auskunft. 238 Siehe oben, Teil 1 A. II., S. 18, sowie AGB-Banken, Nr. 2 Abs. 4 [= AGB-Sparkassen, Nr. 3 Abs. 1 S. 4 Hs. 1].

. Die Haftung des Kreditinstitutes aus

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BGB zu begründen. Eine Nebenpflicht zur fehlerfreien Auskunftserteilung besteht beim Girovertrag ebensowenig, wie neben der deliktischen eine vertragliche Pflicht der Bank besteht, den Bankkunden im Straßenverkehr (zum Beispiel mit einem bankeigenen Fahrzeug) nicht zu verletzen. Auch die Auskunft erfolgt nur „bei Gelegenheit" des Giro- oder sonstigen Vertrages, nämlich ohne spezifischen Zusammenhang mit diesem. Darüber hinaus wäre die Pflicht zur fehlerfreien Information aufgrund des Drittbezugs der Auskunft auch nicht mehr auf den Girovertrag ausgerichtet. Sie würde sich auf den Vertrag des Kunden mit demjenigen beziehen, über den die Auskunft erteilt wird. Eine girovertragliche Nebenpflicht der Bank, die Durchführung dieses anderen Vertrages zu sichern, ist aber nicht konstruierbar. 239 Die entsprechende Verantwortlichkeit würde über das konkrete Schuldverhältnis, den Giro vertrag, hinausgehen, und damit eine Gewährleistung für den auf Basis der Auskunft abgeschlossenen Vertrag bieten. Drittschutz gibt die Rechtsordnung aber - durch die Rechtsfigur des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter - nur in personeller Hinsicht, nicht in bezug auf Schuldverhältnisse.240 Des weiteren ist die Pflicht zur zutreffenden Auskunftserteilung ihrem Gepräge nach nicht Neben-, sondern Hauptpflicht, 241 denn die Bankauskunft stellt sowohl angesichts der Berührung wesentlicher Vermögensinteressen242 als auch hinsichtlich der Häufigkeit ihrer Erteilung im Rahmen einer normalen Bankverbindung einen über das alltägliche Girogeschäft hinausgehenden Vorgang dar. Das zeigt auch die Diskussion zum Auskunftsvertrag: Die Pflicht zur fehlerfreien Erteilung einer Bankauskunft läßt sich nicht mit der Pflicht vergleichen, in der Schalterhalle keinen Putzeimer stehen zu lassen, über den der Kunde stolpern könnte. Wer beide Fälle über die Aufnahme in den Katalog der Nebenpflichten auf eine Stufe stellt, betreibt eine Vereinfachung, die am Recht und an den Tatsachen vorbeigeht.

239 Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 808. Anders verhält es sich mit einer entsprechenden Hauptpflicht, z.B. als Gegenstand eines Garantievertrages. Dem steht aber wiederum der entgegenstehende Wille der Bank entgegen. 240 Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erweitert, wie schon seine Bezeichnung nahelegt, nur den persönlichen, nicht auch den sachlichen Schutzbereich des konkreten Vertrages; Breinersdorf er, Haftung, S. 122 f.; Damm, JZ 1991, 379; Köndgen, Selbstbindung, S. 362 ff.; Lammel, AcP 179 (1979), 344; Musielak, VersR 1977,975 f.; Sutschet, Schutzanspruch, S. 22,102: Eine Erweiterung des Vertragsgegenstandes darf nicht stattfinden. 241 Lammel, AcP 179 (1979), 343. 242 Im BGB wird der Begriff des Vermögens nicht definiert, Behr, Wertverfolgung, S. 12; M. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 23. Als Definition hat sich aber für das Schadensersatzrecht der „Sammelbegriff 4 (Weimar, MDR 1978, 728) durchgesetzt, daß es sich um die Summe aller geldwerten Güter handelt, Ϋνλζηά? 2!Heinrichs, Vor § 249, Rd. 10.

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wäre im Ergebnis nichts anderes als nur ein Ersatz für die - unzulässige - Vertragsfiktion. Zwar gelten die Nebenpflichten, wie bei der c.i.c., von Gesetzes wegen.243 Ihre Berechtigung im Einzelfall rührt aber aus der konkreten Sonderverbindung her, hier also aus dem Girovertrag. 244 Damit spricht die Privatautonomie gegen die Statuierung einer Pflicht zur fehlerfreien Auskunftserteilung. Die Bank verwahrt sich nämlich, indem sie keinen Auskunftsvertrag schließt,245 offensichtlich gegen eine über die gesetzliche Mindestgewähr des § 826 BGB hinausgehende Verpflichtung, und übt damit ihre (negative)246 Vertragsfreiheit aus. Geht man darüber mit der Begründung einer girovertraglichen Nebenpflicht hinweg, begründet man eine vertragliche Verbindlichkeit gegen den Willen des Kreditinstitutes. Daß der Eingriff in die Privatautonomie aber weniger bedenklich ist, wenn er „von hinten durch die Brust ins Auge" erfolgt, ist nicht ersichtlich. 247 Stattdessen würde man über § 280 Abs. 1 BGB sogar noch stärker als mit der Vertragslösung der Rechtsprechung in die Privatautonomie der Bank eingreifen. Mit der jetzigen Konstruktion der Rechtsprechung haftet die Bank wegen Schlechterfüllung eines stillschweigend abgeschlossenen Auskunftsvertrages. Folglich ist es immerhin noch denkbar, daß die Bank ihren fehlenden Willen zum Vertragsschluß so deutlich kundtut, daß selbst die Rechtsprechung daran nicht mehr vorbeikommt und den Auskunftsvertrag verneinen muß. Bei der soeben behandelten pFV-Lösung nach § 280 Abs. 1 BGB ist selbst das ausgeschlossen. Folglich ist allenfalls eine vertragliche Nebenpflicht der Bank zu sorgfältiger Prüfung des Auskunftsbegehrens denkbar. Damit läßt sich eine Auskunftshaftung jedoch nicht begründen. Diese Pflicht steht mit der Fehlerhaftigkeit der Auskunft nicht in Zusammenhang, so daß es an der für die Begründung der Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB erforderlichen haftungsbegründenden Kausalität 248 zwischen Pflichtverletzung und Schaden fehlt.

243 Weil sie nicht unmittelbarer Gegenstand der vertraglichen Einigung sind, sondern unabhängig vom Willen bestehen, Canaris , JZ 1965,479, Fn. 34, ja sogar schon vor der vertraglichen Einigung bestehen können, §§ 241 Abs. 2,311 Abs. 2 BGB. 244 Siehe Fn. 230, S. 63. Dafür steht als Beleg auch BGH, 13. 7.1983 - VIII ZR 112/82, BGHZ88, 130, 131: Der Leimhersteller hatte den Erwerber fehlerhaft über Eigenschaften einer Klebemasse beraten. Er haftete aus vertraglicher Gewährleistung, weil sich die Informationspflicht auf die Hauptleistung bezog. 245 Siehe oben, Teil 2 Α. II., S. 37 ff. 246 Siehe zum Begriff Braun, Einführung in die Rechtswissenschaft2, S. 163. 247 Siehe zu diesem Argument noch unten, C. II. 1. d) aa), S. 137 und Teil 3 A. III. 3., S. 189. 248 Zum Pflichtwidrigkeitszusammenhang als Teil der haftungsbegründenden Kausalität siehe Palandt 62/Heinrichs, Vor § 249, Rd. 62.

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6. Ergebnis zur Haftung der Bank gegenüber ihrem Kunden aus Vertrag Eine vertragliche Verpflichtung der Bank kann im Grundfall, bei fehlerhafter Auskunft über und an einen Kunden der Bank, nicht bejaht werden, ohne daß man offen zu Vertragsfiktionen greift. Ein anderes Ergebnis läßt sich auch mit der Formel der Rechtsprechung nicht begründen, weil diese einen erforderlichen Zwischenschritt, die Willenseinigung, nicht entbehrlich macht. Das Rechtsgeschäft als solches, der schöpferische Akt, also der Vertragsschluß (der bei der Auskunftserteilung nicht stattfindet), und sonstiges rechtlich relevantes Verhalten (wie zum Beispiel die Auskunftserteilung), sind zu unterscheiden. Mit dieser elementaren Aussage von Werner Flume 249 ist die vertragliche Auskunftshaftung folglich nicht nur aus formalen Gründen abzulehnen,250 sondern weil ansonsten die Privatautonomie des Kreditinstitutes, und damit ein Grundwert der Rechtsordnung, verletzt wird.

III. Die vertragliche Haftung der Bank gegenüber dem Nichtkunden (Dritter) als Verwender der fehlerhaften Auskunft Aus dem soeben gefundenen Ergebnis ist abzuleiten, daß das Kreditinstitut auch dem Dritten nicht vertraglich verbunden ist. Entweder sind die oben angesprochenen Verträge auch im Verhältnis zum Dritten keine sinnvolle Regelung des Lebenssachverhalts der Auskunftserteilung. Damit kann das Verhalten der Beteiligten nicht in diesem Sinn interpretiert werden. Oder aber der offensichtlich entgegenstehende Wille der Bank ist im Wege der objektiven Auslegung nicht überwindbar. Außerdem wurde oben dargelegt, daß sich das Kreditinstitut gegenüber dem Dritten bei lebensnaher Betrachtung nicht stärker binden wird als gegenüber dem eigenen Kunden.251 Nachdem der Bankkunde bei fehlerhaften Auskünften ohne vertraglichen Schutz steht, gilt dies konsequenterweise auch für den Dritten. Im übrigen stünde ein Vertrag der Bank mit einem institutsfremden Dritten,

249 Flume , AcP 161 (1961), 52,55, allgemein zur Unterscheidung von Rechtsgeschäft und rechtlich relevantem Verhalten. 250 Siehe dazu Fn. 162, S. 53. 251 Α. II. 1., S. 37. Wenn der Vertrag eine augenscheinliche Hilfskonstruktion schon gegenüber dem Kunden ist, muß er jedenfalls dort als Fiktion erscheinen, wo jeder unmittelbare Kontakt fehlt, Stahl, Dritthaftung, S. 50. Der Gedanke wird vor allem beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter relevant, wo der Dritte in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 334 BGB regelmäßig (Ausnahmen läßt die Rechtsprechung mittels Vertragsauslegung zu, siehe nur BGH, 10.11. 1994 III ZR 50/94, JZ 1995, 306) keinen besseren Schutz erlangen kann als der Vertragspartner selbst, Canaris , ZHR 163 (1999), 210; Lorenz, FS Larenz, 1973, S. 586; A. Wiegand, Sachwalterhaftung, S. 201.

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

der die Begründung einer Auskunftserteilungspflicht enthielte,252 im Gegensatz zu den geltenden Grundsätzen zum Auskunftsverfahren. Die Bank hat gegenüber ihrem Kunden nämlich das Bankgeheimnis zu wahren und darf nach den AGB-Banken Auskünfte an Dritte nicht gegen den Willen ihres Kunden253 erteilen.254 Auch dies spricht dafür, daß die Eigenauskunft für das Kreditinstitut nur ein Vorgang im Verhältnis zum eigenen Kunden ist, nicht aber stillschweigend eine Verpflichtung gegenüber dem Dritten begründet werden soll. 255 Darüber hinaus bestehen erhebliche Schwierigkeiten bei der rechtlichen Konstruktion des Vertragsschlusses mit dem Dritten. Da der Kunde die Auskunft an von ihm aufgrund eigener Entscheidung256 ausgewählte Verhandlungspartner weitergibt, scheidet eine Botenschaft des Kunden für die Bank aus. Hierbei bewegte man sich sonst auf dem Gebiet des Vertragsangebotes an alle, die es angeht. Ein derartiges Angebot der Bank kann aber nicht ernsthaft angenommen werden,257 weil sich die Bank damit in eine völlig unüberschaubare Haftungslage begeben würde. 258 Es kann ihr angesichts dessen gerade nicht gleichgültig sein, mit wem und auch mit wie vielen Personen sie in eine Vertragsbeziehung tritt. 259 252

Siehe zum Inhalt des Auskunftsvertrages oben, II. 2. b) bb) (1), S. 42. Hierbei ist mit AGB-Banken, Nr. 2 Abs. 3 [= AGB-Sparkassen, Nr. 3 Abs. 2], zu unterscheiden: Über juristische Personen und im Handelsregister eingetragene Kaufleute erfolgt eine Auskunft nur dann nicht, wenn der entgegenstehende Wille durch Weisung an die Bank manifestiert ist. Über sonstige Kunden, also vor allem Privatkunden, wird eine Auskunft dagegen erst nach ausdrücklicher Zustimmung im Einzelfall erteilt, Herrmann, in: Hom, German Banking Law, S. 103. 254 AGB-Banken, Nr. 2 Abs. 3 [= AGB-Sparkassen, Nr. 3 Abs. 2]; Christopoulou,, Bankgeheimnis, S. 13-17; Horn,, AGB-Banken, S. 7 ff. 255 Mit entsprechender Argumentation tritt H. Schneider, ZHR 163 (1999), 252, der vertraglichen Dritthaftung von Rechtsanwälten (§ 356 Abs. 1 StGB) entgegen. Jost, Vertragslose Haftung, S. 46, führt für den insoweit parallelen (Jost, S. 109) Fall der Auskunftshaftung des Rechtsanwalts aus: „Daß der Anwalt in einer Angelegenheit nach beiden Seiten und mit beteiligten entgegengesetzter Interessenrichtung Verträge abschließt, läßt sich ihm ... nur schwerlich unterschieben". 256 Musielak, Haftung, S. 32. 257 Siehe dazu Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 116; Locher, Kreditauskünfte, S. 70; Musielak, in: Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 34; Müssig,, NJW 1989, 1700; RG, 3. 10. 1930, JW 1931, 2295; BGH, 20. 1. 1954 - II ZR 155/52, BGHZ 12, 105; BGH, 30. 3. 1976 - VI ZR 21/74, WM 1976,498. 258 Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 92; Locher, Kreditauskünfte, S. 70; Musielak,, Haftung, S. 34, zum Vertrag zwischen Kunden und Korrespondenzbank bei der Bank-zu-Bank-Auskunft; in BGH, 20. 1. 1954 - IIZR 155/52, BGHZ 12, 109, wird die Konstruktion dagegen nur als ungewöhnlich bezeichnet. Für eine entsprechende Konstruktion aber Müssig, NJW 1989,1700,1701. 259 Letzteres ist auch durchaus problematisch. Anderer Ansicht ist - zur Sachwalterhaftung Canaris , ZHR 163 (1999), 235, der das (schutzwürdige) Interesse des Experten an einer Haftungsbegrenzung dadurch gewahrt sieht, daß dieser das Projekt kennt, in dessen Rahmen seine Auskunft maßgeblich wird. Er schließe folglich nur einen Vertrag mit demjenigen, der das Projekt durchführt. Damit sei das Risiko für die Bank nicht allzugroß. Jedoch wird die Bank auch hinsichtlich „nur" eines potentiellen (Schadensersatz-) Anspruchstellers ein Haftungsrisiko nicht eingehen wollen. Auch ist zu bedenken, daß gerade bei größeren Projekten in einer Zeit der ständig zunehmenden Spezialisierung oft mit mehreren Partnern gearbeitet wird, so daß eine Konstruktion mittels Angebotes an alle, die es angeht, eine Haftungs(risiko)potenzierung ausgerechnet in den komplexen 253

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Der Vertragsschluß müßte also mit einer Stellvertretung des Kunden begründet werden. Hierbei kommt sowohl eine Stellvertretung des Kunden für die Bank bei der Abgabe des Vertragsangebotes,260 als auch eine Stellvertretung für die Empfänger des Angebotes, also seine(n) zukünftigen Verhandlungspartner, in Betracht. Eine verdeckte, mittelbare Stellvertretung des Kunden für die zukünftigen Vertragspartner der Bank kann bei der Bankauskunft von vornherein ausgeschlossen werden.261 Dafür ist nämlich erforderlich, daß es dem Gegenüber angesichts der Bedeutung des Geschäfts gleichgültig ist, wer sein Vertragspartner wird. 262 In diesem Sinne ist die Bankauskunft aber keinesfalls den Bargeschäften des täglichen Lebens263 zuzuordnen. Zum einen wäre ein derart begründeter Auskunftsvertrag nicht mit der bloßen Auskunftserteilung abgewickelt, weil das maßgebliche Konfliktpotential hierbei in der anschließenden Verwendung der Auskunft liegt. Damit kann nicht angenommen werden, daß der Bank das für die Anwendung des Offenheitsgrundsatzes maßgebliche Schutzbedürfiiis 264 fehlt. Zum anderen spricht der zumeist beträchtliche Haftungsumfang gegen diese Annahme, so daß eine Vernachlässigung des Offenkundigkeitsprinzips nicht zulässig ist. Weil der Kunde in der Regel auch nicht den Namen / die Firma dessen bzw. aller nennt, an den bzw. an die die Auskunft weitergeleitet wird, kommt nur eine offene Stellvertretung für den, den es angeht, in Betracht. Auch diese ist aber nur zulässig, wenn es dem Kontrahierenden gleichgültig ist, wer letztlich und damit schwerwiegenden Fällen herbeiführen würde. Dagegen spricht ferner allgemein die Komplexität betriebswirtschaftlicher Sachverhalte (Jacob!Kehr!Klenk, Controlling, S. 13), und speziell für die Eigenauskunft, daß selbige sich nicht auf ein konkretes Projekt beziehen muß. Auch soll weder dem, noch für das Projekt, sondern den Beteiligten für eine falsche Auskunft gehaftet werden; und schließlich ist ein Projekt selten von vornherein so bestimmt, daß man das Haftungsrisiko verläßlich abschätzen kann, zumal Canaris , S. 236, auch ergänzende, nicht streng auf das konkrete Projekt bezogene Geschäfte in die Gewährleistung einbeziehen will. Auch H.Schneider, ZHR 163 (1999), 249, spricht sich unmittelbar im Anschluß an Canaris' Beitrag für eine auf die potentiellen Schadensersatzgläubiger abstellende, also personelle Sicht aus, weil Informationen, die ohne Abnutzung und Nachteil für den ursprünglichen Empfänger beliebig oft weitergegeben werden können, die „Gefahr schadensmultiplizierender Streuwirkung" in sich tragen, H. Schneider, 255. Selbst der BGH hat (zwar ohne praktische Konsequenzen, aber zutreffend) in der Entscheidung vom 13. 11. 1998 - X ZR 144/94, WM 1998, 443, ausgeführt, daß erforderlich ist, die potentiellen Gläubiger auf eine „überschaubare, klar abgrenzbare Personengruppe" zu beschränken. 260 Auf die Annahmeerklärung wäre hier gem. § 151 BGB zu verzichten. 261 So auch BGH, 21. 5. 1996 - XI ZR 199/95, BGHZ 133,42. 262 Staudinger13/D/7cAer, Vorbemerkung zu § 164, Rd. 36, 53; RG, 5.4. 1933, RGZ 140, 231, 232; BGH, 13. 3. 1991 - XII ZR 53/90, BGHZ 114, 79. 263 RG, 2. 11. 1920, RGZ 100,192. 264 Das fehlende Schutzbedürfiiis ist Voraussetzung für die ausnahmsweise Außerachtlassung des Offenheitsgrundsatzes, weil letzterer der Verkehrssicherheit dient, Schmöckel, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 87, 92, 111; Müko^/Schramm, § 164, Rd. 44. So schon RG, 29. 11.1907, RGZ 67,148,149.

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

sein Vertragspartner wird. Dies ist bei der Bankauskunft nicht anzunehmen. Man kann nicht davon ausgehen, daß das Interesse der Bank darauf beschränkt ist, zu wissen, daß ein Dritter anstelle des Kunden Vertragspartner wird. Wo immense Haftungsbeträge auf dem Spiel stehen, will man in der Regel sehr genau wissen, mit wem man es zu tun hat. Konstruiert man die Stellvertretung auf Seiten der Verhandlungspartner, besteht ein weiteres Problem: Holt der Kunde eine Auskunft vor den eigenen Verhandlungen mit seinen Geschäftspartnern ein, steht im Zeitpunkt der Auskunftserteilung nicht fest, wer die Information nutzen wird und damit durch den Bankkunden vertreten ist. Das heißt, es handelt sich zunächst um eine Vertretung ohne Vertretungsmacht, die nachträglich (und selbstverständlich nur konkludent) genehmigt wird. Daran ist nicht nur bedenklich, daß allzuviel Stillschweigen auf einmal herrscht. Es würde auch eine Stellvertretung konstruiert, bei der zu Anfang stets nicht nur die Vertretungsmacht, sondern auch der Vertretene fehlen würde. Die Konstruktion einer vollmachtlosen Stellvertretung „für irgendwen" steht aber in deutlichem Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, die es allenfalls als Ausnahmefall zuläßt, daß die fehlende Vertretungsmacht durch Genehmigung des konkret Vertretenen geheilt wird, § 177 Abs. 1 BGB.

IV. Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zwischen Bank und Kunden anläßlich der Auskunftserteilung Diskutiert wird auch eine Haftung der Bank aus einem bei der Auskunftserteilung zwischen Bank und Kunden geschlossenen Vertrag mit Drittschutzwirkung.265 Auch hierbei ist der Vertragsschluß fraglich. Bei der Eigenauskunft ist die Interessenlage anders gestaltet als beim oben266 geschilderten Fall der Einholung einer Bankauskunft über einen Kunden. Im 265 R. Fischer/Klanten, Bankrecht, Rd. 4.58; Musielak, Haftung, S. 37, 38; allgemein für die Expertenhaftung, Stahl, Dritthaftung, S. 73 ff. So nach anhaltender Kritik an den Vertragsfiktionen laut H. Schneider, ZHR 163 (1999), 253, m.w.Nachw. in Fn. 13 und 23, die Tendenz der jüngeren Rechtsprechung, ohne dabei aber auf die Kritik mehr als nur vordergründig einzugehen: Sowohl bleiben die oben genannten Haftungskriterien dieselben, als auch bleibt es bei der Fiktion, wenn der Drittschutz durch die Rechtsprechung mit einer ergänzenden Vertragsauslegung gewonnen wird {Dahm, JZ 1992, 1167; kritisch Bayer, JuS 1996, 475 ff., unter Hinweis auf unterschiedliche Interessenlagen). Sutschet, Schutzanspruch, S. 139 sieht die Konstruktion eines Auskunftsvertrages zugunsten des Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sogar schon vollständig verdrängt. Angesichts BGH, 7.7. 1998 - XI ZR 375/97, WM 1998, 1771; BGH, 26.9.2000 - XZR 94/98, NJW 2001,360 f.; BGH, 5. 12. 2000 - XI ZR 340/90, WM 2001,134, kann dem nicht gefolgt werden. 266 II., S. 37.

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Rahmen der Eigenauskunft hat der Kunde weniger ein Interesse an einer möglichst zutreffenden Schilderung als vielmehr an einer möglichst positiven Aussage.267 Er will sich selbst im besten Licht dargestellt wissen und wird es dabei nur zu gern hinnehmen, wenn die Auskunft unzutreffende Aussagen enthält. Von einem Vertrauen in den Sachverstand der Bank kann auf Seiten des Kunden, der seine finanziellen Verhältnisse kennt, keine Rede sein. Ebensowenig wird er Vermögensdispositionen von der Auskunft abhängig machen. Die ansonsten268 für den Vertragsschluß zwischen Bank und Kunden angeführten Argumente greifen bei der Eigenauskunft also nicht. Für einen stillschweigenden Vertragsschluß zwischen der Bank und dem die Eigenauskunft erhaltenden Kunden könnte angeführt werden, daß der Kunde ein berechtigtes (Haftungs-) Interesse daran hat, in der Auskunft nicht zu negativ bewertet zu werden, und dadurch Schaden zu nehmen. Dieser Interessenlage kann auch nicht das Argument entgegengehalten werden, daß der Kunde vor Weitergabe der Auskunft dieselbe prüfen kann. Die Kreditinstitute bedienen sich nämlich einer mehr oder weniger „verschlüsselten" Sprache, die für den Kunden nicht unbedingt lesbar sein muß.269 Entkräftet wird das Argument des Kundenschutzes aber durch den Umstand, daß der Kunde vor zu schlechter Auskunft über ihn stets geschützt sein muß.270 Das geschilderte Schutzbedürfnis ist nicht nur bei einer Eigenauskunft gegeben. Es ist bei der Fremdauskunft, wenn die Bank Auskunft über einen Kunden erteilt, sogar sehr viel stärker ausgeprägt als bei der Eigenauskunft: In den Fällen der Eigenauskunft hat der Bankkunde immerhin die Möglichkeit, die Weitergabe der Auskunft zu unterlassen. Bei der Fremdauskunft ist er dagegen - sofern er Auskünften zugestimmt, bzw. sie nicht untersagt hat 271 - ohne jede Einflußmöglichkeit auf den Vorgang der Auskunftserteilung, 272 und läuft Gefahr, Objektfremden Verschuldens zu werden.

267 Locher, Kreditauskünfte, S. 78; Müssig, NJW 1997, 1699, konkret für den Fall der Architektenhaftung. 268 Siehe oben, Α. II. 2. a), S. 38. 269 Mit „Verschlüsselung" ist nicht die Verwendung geheimer Zeichen oder Wortbedeutungen gemeint. Gemeint ist der Umstand, daß die Formulierung der Bankauskunft dem erfahrenen Nutzer im allgemeinen mehr an Information zu bieten hat, als dem unerfahrenen; Hopt, HGB30, Nr. (7) Bankgeschäfte, Rd. A/14; Ebenroth/Boujong/Joost/Thessinga, Bank- und Börsenrecht I, Rd. 1173. 270 Siehe dazu Steindorff, ZHR 149 (1985), 154-157. 271 Zur Unterscheidung siehe oben, Fn. 253, S. 68. Die Zulassung von Auskünften ist praktisch nicht zu vermeiden, weil aus einer Verweigerung der Auskunft stets negative Schlüsse gezogen werden, Koch, Banken und Bankgeschäfte, S. 309; Steindorff, ZHR 149 (1985), 159. 272 Der Kunde kann allein über das „Ob" der Auskunft bestimmen. Der Inhalt wird selbständig und ohne Information des Kunden durch das Kreditinstitut bestimmt, R. Fischer!Klanten, Bankrecht, Rd. 4.40 f.

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

Der Betroffene darf also in der Auskunft niemals unzutreffend so dargestellt werden, daß er später Schaden nimmt.273 Den Aspekt des Kundenschutzes hat die Bank stets zu beachten. Das bedeutet aber, daß jener Schutz von einem speziellen Auskunftsvertrag unabhängig sein muß. Es ist nicht vertretbar anzunehmen, daß die Bank mit dem Kunden (stillschweigend) einen Auskunftsvertrag abschließt, während der Kunde noch gar nicht weiß, daß über ihn eine Auskunft erteilt wird. Wie auch immer die - über § 824 BGB hinausgehende Haftung in diesen Fällen zu begründen ist, es kann keine vertragliche Haftung hergeleitet werden, sondern allenfalls eine vertragsähnliche Haftung. Angesichts der Geschäftsverbindung 274 kann das ggf. eine Haftung aus §§ 280 Abs. 1,311 Abs. 2 BGB 275 sein. Daß ein Interesse an einem Vertrag auf Seiten der Bank erst recht nicht gegeben ist, bedarf keiner weiteren Erörterung, hat das Kreditinstitut aus der Verbindlichkeit doch nur Nachteile zu erwarten. Ein nicht unbeträchtliches Interesse des Dritten an der Richtigkeit der Auskunft besteht durchaus. Allein aus den Interessen Dritter läßt sich aber kein Vertrag zwischen Bank und Kunden begründen. Denn die Berücksichtigung der Interessen Dritter ist nicht Ursache, sondern (Neben-) Folge eines drittschützenden Vertrages. 276 Solange kein Vertrag besteht, hat der Dritte seine Interessen selbständig zu verfolgen. Damit kommt es zwischen dem Kunden und der Bank auch bei der Eigenauskunft nicht zum Vertragsschluß, so daß eine Drittschutzwirkung ausscheidet.277 Vollständigkeitshalber sei erwähnt, daß auch eine Drittschadensliquidation zugunsten des institutsfremden Auskunftsnutzers, das heißt eine Geltendmachung dessen Vermögensschadens durch den Bankkunden nicht in Betracht 273 Womit nicht ausgeschlossen ist, daß der Kunde infolge einer zutreffenden schlechten Auskunft jeglichen Kredit verliert - dies hat er sich selbst zuzuschreiben und der Schaden fällt hier nicht in den Verantwortungsbereich der Bank sondern basiert auf dem wirtschaftlichen Gebaren des Kunden. 274 Die Geschäftsverbindung ist Sonderverbindung i.S.d. c.i.c., dazu unten C. II. 1. b), S. 131 ff. 275 Die hier angesprochene c.i.c.-Haftung ist streng von der unten, C. II. 1. c), S. 131ff. behandelten Haftung zu unterscheiden. Hier ist der Schutz des Kunden vor falscher Auskunft über ihn, dort der Schutz vor falscher Auskunft an ihn angesprochen. Siehe auch Steindorff, ZHR 149 (1985), 154 - 157: §§665, 666 (erlaubte Auskunftserteilung als Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB), 823, 824, 826 BGB und § 22 KunstUrhG (Recht des Kunden an seinem in Worte gefaßten Charakterbild); gegen letzteres MüKoVSchwerdtner, § 12, Rd. 191 ff. 276 Anders verhält es sich dagegen beim Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. §§ 328ff. BGB. 277 Auf die Konstruktion der Rechtsprechung, die den Drittschutz eines Vertrages aus der Auslegung desselben herleitet (BGH, 19. 3. 1986 - IVa ZR 127/84, WM 1986, 711 = EWiR 1986, 651; BGH, 26. 11. 1986 - IVaZR 86/85, WM 1987, 259), und sich dabei selbst widerlegt, wenn sie Drittschutzwirkung auch bei der Sonderverbindung der c.i.c. annimmt, wo sie sich schlecht aus dem Willen der Vertragsschließenden ergeben kann, ist daher nicht näher einzugehen.

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kommt.278 Voraussetzung einer Drittschadensliquidation ist das Merkmal der zufälligen Schadensverlagerung.279 Beim Nutzer der Auskunft tritt der Vermögensschaden aber nicht zufällig ein. Er realisiert sich vielmehr zwangsläufig beim Auskunftsnutzer, weil eine Schädigung durch eine zu positive fehlerhafte Auskunft nur beim Dritten möglich ist. Wie dargelegt, ist es sogar im Interesse des Bankkunden, wenn seine Finanzverhältnisse fehlerhaft zu gut dargestellt werden, weil dann seine Kreditwürdigkeit erhöht und damit die Möglichkeit der Teilnahme am Geschäftsverkehr erweitert ist.

V. Ergebnis zu A. Der Dritte hat bei einer fehlerhaften Bankauskunft gegen das Kreditinstitut keinen vertraglichen Schadensersatzanspruch. Weder steht er mit der Bank in einem eigenständigen Vertragsverhälfnis, noch genießt er Schutzwirkung aus einem zwischen der Bank und ihrem Kunden geschlossenen Vertrag. Etwas anderes ließe sich nur unter Mißachtung anerkannter Auslegungsgrundsätze sowie der Privatautonomie des Kreditinstitutes konstruieren. Die Fiktion eines Auskunftsvertrages verletzt übrigens auch die Privatautonomie des Auskunftsnutzers. Die Unterstellung eines Auskunftsvertrages zugunsten einer Person bringt nämlich zum Ausdruck, daß diese Person sich selbst nicht genügend schützen kann. Das trägt entmündigende Züge, weil der Betroffene i.E. als nicht handlungsfähig i.S.d. Vertragsrechts betrachtet wird. Grundsätzlich ist es hinzunehmen, wenn der einzelne sich im konkreten Fall nicht durch den Abschluß eines Vertrages hinreichend abgesichert, also seine Eigenverantwortlichkeit nicht wahrgenommen hat, und deswegen bei der Auskunftsnutzung ohne vertraglichen Schutz steht. Wenn dies beim Auskunftsnutzer nicht mehr akzeptiert wird, wird die Privatautonomie - wenn auch durch den Betroffenen wohl gern hingenommen - nicht weniger beschnitten als bei der willensunabhängigen Auferlegung vertraglicher Hauptleistungspflichten.

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Jost, Vertragslose Haftung, S. 174. Breinersdorf er, Haftung für Kreditauskünfte, S. 138, 139; Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 26, wenn auch mit dem Vorverständnis, daß es „dogmatisch eleganter" sei, ein eigenes gesetzliches Schuldverhältnis mit dem Dritten zu konstruieren, Rd. 25; Musielak, WM 1992, 2159; Neuner, JZ 1999, 130, 133, mit Differenzierungen; BGH, 21. 5. 1996 - XI ZR 199/95, BGHZ 133,41; einschränkend Höhlscheidt, Haftung, S. 291; Locher, Kreditauskünfte, S. 236; Sutschet, Schutzanspruch, S. 30,31,40 ff. 27 9

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

B. Die Haftung des Kreditinstitutes gegenüber dem Dritten nach Deliktsrecht

[D]ie Vorschriften über die Schadensersatzpflicht aus unerlaubten Handlu nen dazu7, die Rechtskreise der Einzelnen, innerhalb deren diese ihre in Freiheit erhalten und ihre Interessen verfolgen dürfen, voneinander abzugr

Das Grundproblem des deutschen Schadensrechts folgt aus dem System g normierter Tatbestände. 2 Die deliktsrechtliche Haftung kommt in Betracht gem. §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz, und gem. § 826 BGB, jeweils in Verbindung mit §§ 31 bzw. 831 BGB.3 Sie soll vor einer Erörterung der vertragsähnlichen und sonstigen Ansprüche Gegenstand der Untersuchung sein. Vertrag und Delikt sind nämlich die zwei herkömmlichen Pole des bürgerlichrechtlichen Haftungssystems. Vor allem die c.i.c. wurde zur Behebung von Haftungslücken im gesetzlichen System geschaffen. 4 Eine derartige Lückenfüllung wäre für die Auskunftshaftung entbehrlich, wenn man die deliktische Haftung bejahen könnte.5 Angesichts der Entstehungsgeschichte des § 311 Abs. 2 und 3 BGB und der mangelnden Absicht des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzgebers, über die Aufnahme der c.i.c. in den Gesetzestext hinaus eine Regelung zu treffen, 6 ist dies auch heute noch von Belang.

I. Die bei der deliktischen Haftung für fehlerhafte Bankauskünfte auftretenden Schwierigkeiten Bei der Begründung einer deliktischen Haftung für fehlerhafte Auskünfte bestehen im wesentlichen zwei Probleme: Vermögensschäden infolge nachteiliger Dispositionen, genauer: Vermögensfolgeschäden,7 sind im Rahmen deliktischer Verantwortlichkeit nur einge1

Protokolle, Bd. II, S. 567. Deutsch, JuS 1967,152. 3 Siehe zur Organhaftung und zur Haftung für Verrichtungsgehilfen Ebenroth/Boujong/Joost/Korf, § 347 HGB, Rd. 62. 4 von Bar, JuS 1982, 643; von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 460 ff.; Köndgen, Selbstbindung, S. 156; Mertens, AcP 178 (1978), 237; Reich, AcP 181 (1981), 551; Schmitz,, Dritthaftung, S. 17; Hs. Stoll, FS von Caemmerer, 1979, S. 435,436. 5 von Bar, JuS 1982, 643; Bürger, Bankauskunft, S. 145; Für einen Vorzug der Prüfung der deliktschen Haftung im Falle der Drittbeteiligung auch Bosch, ZHR 163 (1999), 275. Zur Frage des Haftungsbedürfnisses siehe unten, Teil 5 Β. II., S. 249 ff. 6 BT-Drucks. 14/6040, S. 161 f.; Canaris , JZ 2001, 519. 7 Honsell, JuS 1976, 621, 622; Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 809. 2

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schränkt ersatzfähig. 8 Der Gesetzgeber hat sich nämlich gegen die Einfügung einer vermögensschützenden deliktsrechtlichen Generalklausel in das BGB entschieden.9 Hierfür war maßgeblich, daß man ansonsten eine zu starke Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit durch allgegenwärtige Haftungsrisiken befürchtete. 10 Auch wollte man aus Rechtssicherheitsgründen die Entscheidung über das „Ob" einer deliktischen Haftung nicht in die Hände der Richterschaft legen. Es bestand ein Mißtrauen vor Auswüchsen der Rechtsprechung, denen man mit der Vorgabe eines objektiven Maßstabes durch das Deliktsrecht begegnen wollte.11 Auf diesem Hintergrund ist festzuhalten, daß jede in Richtung einer vermögensschützenden deliktsrechtlichen Generalklausel tendierende Neuerung kritisch zu betrachten und auf ihre Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht hin genauestes zu prüfen ist. Ebenfalls nicht unproblematisch ist - aus Sicht des Auskunftsnutzers - die Exkulpationsmöglichkeit gem. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese wird in Zusammenhang mit dem sogenannten dezentralisierten Entlastungsbeweis, also der Möglichkeit, Entlastung von der Verschuldensvermutung durch ordnungsgemäße Auswahl und Überwachung eines seinerseits sorgfältig anleitenden und überwachenden höheren Angestellten zu erlangen,12 regelmäßig gegen eine Haftung der Bank sprechen. Anders als der Nachweis i.S.d. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB wird der Nachweis i.S.d. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB durch die Bank nämlich geführt werden können, ist hierzu doch nicht mehr erforderlich als der Beweis ordnungsgemäßer Auswahl und Überwachung.13

8

Was aber nicht dazu führen sollte, wie Bohrer, Dispositionsgarant, S. 66, die Möglichkeit einer deliktsrechtlichen Erfassung der Auskunftshaftung auszublenden. Hier sind erörterungswürdige Ansätze dargelegt worden, die eine Auskunftshaftung ermöglichen würden, wenn ihnen zu folgen wäre, siehe unten, IV., S. 86 ff. und V., S. 104 ff. 9 von Bieberstein, FS von Caemmerer, 1979, S. 432; von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 470, 471; Giesecke, GRUR 1950, 298; Jansen/von der Lely, ZEuP 1999, 231; Protokolle, Bd. II, S. 567, 570; RG, 15.3. 1902, RGZ 51, 92; RG, 27. 10. 1902, RGZ 52, 365; RG, 29. 9. 1909, JW 1909, 684. Daß diese Entscheidung mit der Mehrheit von nur zehn gegen acht Stimmenfiel, Protokolle, Bd. II, S. 567, steht der Wirksamkeit der klaren Absage des Gesetzgebers (R. Zimmermann/Verse, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 324) nicht entgegen. 10 Mertens, VersR 1980,397,398; in den Protokollen ist dagegen nur von einer Eingrenzung der Ersatzpflicht mittels des Verschuldenserfordemisses die Rede, Protokolle, Bd. II, S. 569. 11 Protokolle, Bd. II, S. 567, 571. Siehe auch Staudinger12/Co/ng, Einleitung I. Buch, Allgemeiner Teil, §§ 1 - 89, Rd. 45, 113, zum generellen Zweck der Kodifikation, welche „der Richterwillkür, die der Justiz des Ancien Regime vorgeworfen wurde, ein Ende machen" sollte. 12 Siehe dazu Böhmer, MDR 1964, 968 ff.; Kupisch, JuS 1984,250 ff.; Leßmann, JA 1988, 585; BGH, 25. 10. 1951 - III ZR 95/50, BGHZ 4, 1; BGH, 19. 6. 1973 - VI ZR 178/71, DB 1973,1645. 13 Siehe aber Mertens, VersR 1980, 404, der festhält, daß nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Eignungsprüfung i.S.d. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB „ein größerer Teil des Volkes gar nicht beschäftigt werden dürfe" - mit anderen Worten scheidet in einem Großteil der Haftungsfälle eine Entlastung aus. Dazu auch Kreuzer, JZ 1976, 780.

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

II. Der Vorteil der deliktischen Haftung Der Vorteil der deliktischen Haftung ist, daß der deliktische Schutz gegenüber jedermann besteht. Im Gegensatz zum Vertragsrecht, wo Ansprüche Dritter auf Konstruktionen wie den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gestützt werden müssen,14 bereitet es keine Probleme, einen Anspruch des mit dem Kreditinstitut nicht in Verbindung Stehenden zu begründen.15 III. Auskunftshaftung nach § 826 BGB16 Die als Auffangtatbestand konstruierte Norm 17 spielt im Auskunftsrecht immer wieder eine Rolle, weshalb sie in diesem Zusammenhang auch als „klassische [deliktsrechtliche] Anspruchsgrundlage" bezeichnet wird. 18 Sie ist daher noch vor § 823 Abs. 1 und 2 BGB Gegenstand der Untersuchung.

1. Die besonderen Anforderungen

des § 826 BGB

§ 826 BGB knüpft an die römisch- und gemeinrechtliche actio de dolo an.19 Wie im römischen und gemeinen Recht zwischen der aquilischen Klage20 und der actio doli unterschieden wurde, stehen sich heute §§ 823 Abs. 1 und 826 BGB gegenüber.21 Während die eine Vorschrift Verletzungen enumerativ aufgezählter Rechte und Rechtsgüter betrifft, begründet die andere einen umfassenden Schutz, allerdings nur vor böswilligen Schädigungen. Die Eingrenzung der ersatzpflichtigen Handlungen erfolgt bei § 826 BGB durch die gegenüber den allgemeinen Deliktstatbeständen erhöhten Anforderungen im subjektiven Tatbestand.22 14

Siehe dazu Bruckner!Stützte, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 129, m.w.Nachw. Im Sinne von Mertz, Vermögensinteressen, S. 45, sind „sperrige Zusatzbegründungen" entbehrlich. 16 BGH, 5. 1. 1955 - VIZR 227/53, WM 1955, 230; BGH, 17.4. 1958 - VIIZR 435/56, WM 1958, 1080; BGH, 5. 7. 1962 - VIIZR 199/60, WM 1962, 1110; BGH, 6. 7. 1970 - IIZR 85/68, WM 1970, 1021 = NJW 1970, 1738; BGH, 1. 12. 1970 - VIZR 118/69, WM 1971, 206; BGH, 21.12. 1972 - II ZR 132/71, WM 1973, 635; BGH, 25. 6. 1973 - II ZR 26/72, WM 1973, 1134; BGH, 28. 1. 1974 - IIIZR 185/71, WM 1974, 272; BGH, 30.3. 1976 - VIZR 21/74, WM 1976, 498; BGH, 20.2.1979 - VI ZR 189/78, WM 1979, 428; BGH, 26.11. 1986 - IVaZR 86/85, WM 1987,259 = NJW 1987,1758. 17 Lammel, AcP 179 (1979), 342; Stahl, Dritthaftung, S. 39. 18 Stahl, Dritthaftung, S. 42. 19 Staudinger13/Oec/w/er, § 826, Rd. 9. 20 Siehe dazu Savigny, Pandektenvorlesung, Rd. 532. 21 Wesel, Geschichte des Rechts, Rd. 136: Die lex Aquilia über Sachbeschädigungen war Vorstufe zum heutigen § 823 Abs. 1 BGB; R. Zimmermann!Verse, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 321. 22 Mugdan, Motive, Bd. II, S. 554 f.; Protokolle, Bd. II, S. 380, 664 f. 15

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2. Die Erweiterung

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des § 826 BGB in der Praxis und ihre Berechtigung

In den weitaus meisten Auskunftsfällen werden die Voraussetzungen des § 826 BGB, nämlich die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, nicht erfüllt sein.23 Die Rechtsprechung ist jedoch zum Teil der Versuchung erlegen, den Vermögensschutz des § 826 BGB durch eine Herabsenkung der Anforderungen auszudehnen.24 Damit nähert sie sich solchen Autoren an, die § 826 BGB - im Gegensatz zur gesetzgeberischen Konzeption25 - als allgemeine Generalkausel ansehen, die durch Rechtsfortbildung weiterzuentwickeln sei.26 Zur besseren Nachvollziehbarkeit wird die bisherige Entwicklung im folgenden kurz umrissen: a) Das Merkmal der Sittenwidrigkeit Zunächst stellte das Reichsgericht die These auf, daß der Schädiger nicht im Bewußtsein der Sittenwidrigkeit handeln muß, sondern nur in Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die den Sittenverstoß begründen.27 Hiermit wurde nicht lediglich die Bewertung der tatsächlichen Gegebenheiten auf den Richter verlagert, sondern mit der Vorsatztheorie gebrochen.28 Denn der zivilrechtliche Vorsatz umfaßt als Schuldmoment, anders als im Strafrecht, 29 die Rechtswidrigkeit.30 Bei § 826 BGB umfaßt er damit die Sittenwidrigkeit des Verhaltens,31 weil die Sittenwidrigkeit der Rechtswidrigkeit entspricht.32 Der Begründung des Reichsgerichts, es sei „nur ein Verstoß gegen die guten Sitten, nicht gegen das Recht", erforderlich, 33 kann also nicht gefolgt werden. Sie stellt einen untauglichen Versuch dar, den Bruch mit der Vorsatztheorie zu überspielen. Noch weiter ging später der BGH, der nicht einmal mehr hinsichtlich der tatsächlichen Umstände die Vorsatztheorie wahrte, sondern den Sittenverstoß an23

Musielak, Haftung, S. 20. Siehe dazu Mertz, Vermögensinteressen, S. 53. Zu Zeiten, als die AGB-Banken die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkten (d.h. bis zum 31. 12. 1992, seit 1. 1.1993 wegen praktischer Wirkungslosigkeit aufgehoben, Sonnenhol, WM 1993, 679), hatte dies als Sekundäreffekt den Vorteil, daß man sich mit der Haftungsbeschränkung nicht auseinanderzusetzen hatte, siehe nur BGH, 17. 9. 1985 - VI ZR 73/84, WM 1985, 1531 m.w.Nachw. 25 Siehe Protokolle, Bd. II, S. 567: Ablehnung einer Generalklausel; mit der Begründung auf S. 571. 26 Staudinger"/Oechsler, § 826, Rd. 20. 27 Als Leitentscheidung gilt RG, 15. 11. 1909, RGZ 72, 175, 176, wo die Sittenwidrigkeit nach dem „Volksbewußtsein", unabhängig vom individuellen Bewußtsein der Sittenwidrigkeit beurteilt wird. 28 Staudinger13/Oec/w/er, § 826, Rd. 1 und 62. 29 Wo er Tatbestandsmerkmal ist, Wessels/£ew/fe, Strafrecht Allgemeiner Teil, 32. Aufl. 2002, Rd. 202 ff. 30 Honseil, JuS 1976, 628; Staudinger"/Oechsler, § 826, Rd. 62. 31 von Bar, Verkehrspflichten, S. 213. 32 Fikentscher, Schuldrecht9, Rd. 1278; Staudingerl3/Oechsler, § 826, Rd. 63. 24

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

nahm, wenn die den Vorwurf begründenden tatsächlichen Umstände infolge Leichtfertigkeit oder Gewissenlosigkeit nicht erkannt wurden.34

b) Der Schädigungsvorsatz Später Schloß der BGH von der Art und Weise des - nicht notwendig vorsätzlichen - Sittenverstoßes auf den Schädigungsvorsatz.35 Dadurch wurden die Konturen des § 826 BGB noch unschärfer. 36 Die Leichtfertigkeit ist mit dieser Sichtweise nicht mehr nur Indiz für die Sittenwidrigkeit. Im Ergebnis tritt sie über den Schluß von der Leichtfertigkeit auf den Sittenverstoß auf den Schädigungswillen - an die Stelle des Vorsatzes.37 Der Schädigungsvorsatz bleibt als Voraussetzung des § 826 BGB mit der zwischengeschalteten Wertungsstufe „Sittenwidrigkeit" nur noch scheinbar erhalten.38 Hans-Joachim Mertens hat treffend ausgeführt, daß das „Merkmal der vorsätzlichen Schadenszufügung recht beweglich im Windhauch des richterlichen Billigkeitsempfindens zu flattern [scheint]".39 Dem wohnt systemsprengende Kraft inne, weil die tatbestandlichen Anforderungen der Vorschrift, wie oben ausgeführt, der Eingrenzung des umfassenden Schutzbereiches dienen. Wenn es heißt: „Die Voraussetzungen dieser Norm sind nicht einfach zu begründen",40 wird damit nicht eine mißliche Gesetzeslage beschrieben. Es wird nur die gesetzgeberische Entscheidung gegen eine die Handlungsfreiheit allzusehr einschränkende deliktsrechtliche Generalkausel treffend zum Ausdruck gebracht.41 33

RG, 29. 9. 1909, RGZ 72,4 ff. Siehe nur BGH, 5. 3. 1975 - VIII ZR 230/73, WM 1975, 559; BGH, 17. 9. 1985 - VI ZR 73/84, WM 1985, 1531;BGH,27. 1. 1994-IZR 326/91,NJW 1994,2289. 35 Siehe nur BGH, 17. 9. 1985 - VI ZR 73/84, WM 1985, 1532: falsche Auskunft eines Steuerbevollmächtigten. 36 Nicht zu Unrecht hat der VI. Zivilsenat des BGH, 15. 5. 1979 - VI ZR 230/76, BGHZ 74,281 = NJW 1979, 1882 = BB 1980, 779, daher, wenn auch äußerst vorsichtig, Kritik an der BGHRechtsprechung geübt, indem er den § 826 BGB in Hinblick auf die Haftung für unrichtige Dienstzeugnisse als „vielleicht schon allzusehr strapazierten Tatbestand" bezeichnet hat. Allerdings ist hinsichtlich der Bedeutung dieser Aussage zu beachten, daß im entschiedenen Fall wegen § 831 Abs. 1 S. 2 BGB eine deliktische Haftung ohnehin nicht in Betracht gekommen wäre. 37 Das Problem wird auch von den Gefolgsmannen der Rechtsprechung gesehen, z.B. Staudinger1 VOecfo/er, § 826, Rd. 62, 86; Rümker, ZHR 143 (1979), 203; Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 811. 38 Das mag angesichts dessen, daß bei einem groben Fehlverhalten die psychologische Differenzierung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit in den Hintergrund tritt, Mertens, ZHR 143 (1979), 183, verständlich sein; hinnehmbar ist es deswegen aber nicht - schon wegen der nicht nur in Grenzfällen schwierigen Abgrenzung von einfacher und grober Fahrlässigkeit - siehe dazu Fn. 54, S 81 39 Mertens, ZHR 143 (1979), 181. 40 Gleisberg., DB 1979, 1227. 34

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c) Hintergrund der Entwicklung in der Praxis Als leitender Gesichtspunkt für die beschriebene Entwicklung wird angegeben, daß man den abgestumpften Täter nicht privilegieren wollte.42 Er sollte sich nicht auf eine vom herrschenden Empfinden, das heißt dem Empfinden der Richter,43 abweichende Sachverhaltsbewertung mit der Folge eines Vorsatzausschlusses berufen können.44 So wurde zur Begründung der Nivellierung der Tatbestandsvoraussetzungen vorgetragen, es sei nicht die Aufgabe des Richters, „zu der Auffassung der niedrigen Volkskreise kritiklos herabzusteigen".45 Dieses Argument findet sich in der Wendung von der „Entprivilegierung des abgestumpften Täters" wieder. Die damit zum Ausdruck kommende Attitüde einer Unterscheidung zwischen Menschen höherer und niederer, erster und zweiter Klasse ist aber, zumindest seit Art. 1 bis 3 GG in Kraft getreten sind, nicht mehr akzeptabel. Außerdem bietet die Begründung mit der Deprivilegierung keine Rechtfertigung für eine allgemeine Absenkung der Anforderungen des § 826 BGB. Das richterliche Billigkeitsempfinden kann mit der dargestellten Begründung nur und erst dort greifen, wo der Handelnde generell den Standard eines billig und gerecht Denkenden nicht mehr erfüllt, also gleichsam praeter morem steht. Eine im einzelnen Fall nicht zu akzeptierende Handlungsweise führt nämlich noch nicht zum allgemeinen Verdikt der Abgestumpftheit (des Täters). Dies müßte aber zuallererst festgestellt werden, weil nur der abgestumpfte Täter deprivilegiert werden soll. Alle Übrigen sollen weiterhin an ihren persönlichen Maßstäben gemessen werden. Eine solche Gesinnungsschnüffelei ist mit § 826 BGB aber nicht beabsichtigt, zumal sie nicht nur mit Problemen in bezug auf Art 1 Abs. 1 GG, sondern auch mit immensen Beweisschwierigkeiten verbunden wäre. 3. Der subjektive Tatbestand der Norm nach zutreffendem

Verständnis

Die Verbindlichkeit aus § 826 BGB wurzelt maßgeblich in der subjektiv vorwerfbaren, illoyalen Art und Weise der Schadenszufügung,46 bei der sich 41 Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 177; Protokolle, Bd. II, S. 567, 571. Siehe zur Gewährleistung von Freiheit und Selbstverantwortung durch die zivilrechtliche Beweislastverteilung im Zusammenhang auch Schlemmer-Schidte, Beweislast und Grundgesetz S 100 104 zu § 823 Abs. 1 BGB. 42 HonselL JuS 1976, 628; Staudinger'VOecfo/er, § 826, Rd. 63, 64: Dem Täter muß die Berufung auf Defekte seines eigenen Gewissens versperrt werden; RG, 8. 2. 1912, RGZ 79 23 43 Mertens, ZHR 143 ( 1979), 179. u Honseil, FS Medicus, 1999, S. 216; Mertens, ZHR 143 (1979), 179. 45 Crome , System des deutschen bürgerlichen Rechts9, S. 1041.

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

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der Schädiger schon aufgrund eigener Bewertung im Zeitpunkt seiner Handlung über eine Ersatzpflicht im klaren war. Diese Haltung bildet den Hintergrund für den Ausschluß des Versicherungsschutzes gemäß § 152 VVG. 47 Erst aus der subjektiven Sichtweise erklärt sich auch die infamierende Wirkung der als Vorläufer des § 826 BGB anzusehenden actio doli im römischen Recht.48 Für die Anwendbarkeit des § 826 BGB ist also neben dem Schädigungsvorsatz der subjektive Sittenverstoß zwingend erforderlich. Der Schädiger selbst muß seine Handlung als gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßend bewerten.49 Zwar sind Schädigungsvorsatz und persönliches Erkennen der Sittenwidrigkeit in der Regel mit Hilfe von Indizien festzustellen. Grobe Fahrlässigkeit ist jedoch allenfalls zusammen mit anderen schwerwiegenden Umständen geeignet, die Annahme der subjektiven Sittenwidrigkeit bzw. des Schädigungsvorsatzes zu begründen. Ansonsten würden die Voraussetzungen des § 826 BGB auf das Niveau einer Fahrlässigkeitshaftung abgesenkt. Der oben geschilderten Rechtsprechung ist also kein verallgemeinerungsfähiger Gedanke zu entnehmen. Der Ansatz der Gerichte ist mit besonderer Vorsicht zu genießen.50 Jedenfalls ist er auf die Fälle zu beschränken, in denen Schädigungsvorsatz und Sittenverstoß des Schädigers evident sind.51 Dafür 46

Staudinger' VOecAj/er, § 826, Rd. 14; RG, 11.4. 1901, RGZ 48, 124. § 152 VVG kann als Argument gegen die Nivellierung der Vorsatzerfordernisse, entgegen Canaris , ZHR 163 (1999), 214 und Sutschet, Schutzanspruch, S. 142, 143, wie H ir te, Berufshaftung, S. 426, überzeugend ausführt, nicht eingesetzt werden: „Die selben Gerichte, die § 826 BGB [als Fahrlässigkeitshaftung für primäre Vermögensschäden] verstehen, werden daher auch § 152 VVG so interpretieren müssen". 48 Siehe dazu Heldrich, Verschulden bei Vertragsabschluß, S. 3 und von Kübel, Vorentwürfe Schuldrecht, Bd. III, Teil 3, Besonderer Teil 2, S. 857. 49 Damit ist auch der Begriff der Gewissenlosigkeit (siehe oben, S. 78) kein brauchbares Indiz. Nimmt man es nämlich ernst, stellt man also tatsächlich auf das fehlende Gewissen des Täters ab, scheidet § 826 BGB mangels subjektiven Sittenverstoßes aus. Wer kein Gewissen hat, ist nämlich unfähig, einen subjektiven Sittenverstoß zu begehen. Sieht man die Gewissenlosigkeit dagegen als bloße Umschreibung des ebenfalls auf „die Moralvorstellung aller billig und gerecht Denkenden" bezogenen Merkmals: Sitten verstoß, begründet man den Sittenverstoß mit dem Verstoß gegen die Sitten - die Beifügung des Kriteriums zur oben (S. 78) genannten Formel des BGH ist daher belanglos. 30 Siehe auch die - wenngleich in Zusammenhang mit § 138 BGB getätigte - höchst vorsichtige Formulierung des BGH, die in Fn. 55 zitiert ist. 51 Es handelte sich i.d.R. um Fälle, in denen der Vorsatz gleichsam auf der Hand lag, „nur" nicht bewiesen worden war oder tatrichterlich - für das Revisionsgericht verbindlich - als nicht gegeben erachtet worden war. Siehe nur RG, 15. 11. 1909, RGZ 72, 175: Hier hatte der Kläger eine „wissentlich[e] oder doch grob fahrlässig[e]" Schädigung durch den begutachtenden Arzt vorgetragen, weil der beklagte Mediziner, in Kenntnis der Absichten der Ehefrau des Klägers, die an das Vermögen ihres Gatten gelangen wollte, ohne jede Untersuchung die Unzurechnungsfähigkeit des Klägers bescheinigt hatte (S. 177); siehe d.w. BGH, 14. 11. 1968 - VIIZR 51/67, WM 1969, 38: Ein Vermittler hatte bei einem Bilderkauf eine (vorsätzlich falsche) Begutachtung vermittelt, obwohl er 47

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sprechen auch die Schwierigkeiten bei der Begründung des Vorwurfs der Leichtfertigkeit, insbesondere bei der Abgrenzung der groben von der „einfachen Fahrlässigkeit",52 die mangels verläßlicher Abgrenzungskriterien 53 unsicher ist.54 Nochmals: Bei § 826 BGB handelt es sich nicht um eine Fahrlässigkeits-, sondern um eine Vorsatzhaftung. Nur wird der Vorsatz aus der festgestellten Nachlässigkeit des Kreditinstitutes in Zusammenhang mit weiteren Indizien geschlossen.55 Hierin liegt auch die für das Gericht einzig zulässige Art und Weise der „Einflußnahme" auf die Haftung aus § 826 BGB: Bei der Tatsachenfeststellung kann der Richter entgegen dem Sachvortrag des gem. § 826 BGB in Anspruch Genommenen zu der für die Entscheidung erforderlichen richterlichen Überzeugung (§ 286 Abs. 1 ZPO) gelangen, daß die subjektiven Voraussetzungen der Norm im Zeitpunkt der schädigenden Handlung erfüllt waren. Kommt der Richter dagegen zu dem Ergebnis, daß dem Schädiger ein persönlicher Sittenverstoß bzw. Schädigungsvorsatz nicht vorzuwerfen ist, bleibt für die Anwendung von § 826 BGB kein Raum. Dann bedeutet „Deprivilegierung" auf Basis richterlicher Sittlichkeitsvorstellungen offene Gefühlsjurisprudenz. Diese ist bei § 826 BGB nicht nur angesichts ihres Ausgangspunktes, das heißt der Klassifizierung der in Anspruch genommenen Täter bedenklich. Sie tritt darüber hinaus auch Recht und Würde derer mit Füßen, die ein dem richterlichen Empfinden entsprechendes Gefühl zu entwickeln keine Gelegenheit hatten.56 um die Unzuverlässigkeit des Gutachters wußte. Der BGH bejahte seine § 826 BGB-Haftung, weil sich nach den Umständen geradezu aufdränge, daß der Vermittler vorsätzlich gehandelt habe. 52 Ein Begriff, den das BGB nicht kennt, der sich aber zum Zwecke der Abschichtung von der groben Fahrlässigkeit eingebürgert hat. 53 Siehe nur Palandt62 ! Heinrichs, § 276, Rd. 14: Grobe Fahrlässigkeit soll vorliegen, „wenn die Sorgfalt in besonders starkem Maße verletzt worden ist". Damit läßt sich alles und jedes begründen. 54 Honseil, Liability of professional advisors under Swiss and German law, S. 3; siehe ferner Wegscheidel ZGStW 98 (1986), 624 ff. und Troeger!Meyer, Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 1957, S. 64: „Jede leichte Fahrlässigkeit kann, je nachdem, welches Gewicht man den Umständen beimißt, aus denen sie gefolgert wird, zu einer groben Fahrlässigkeit (Leichtfertigkeit) werden". Eine Auswahl an Gerichtsentscheidungen zur groben Fahrlässigkeit ist zu finden unter http://www.iuraquest.de/gf. 55 Siehe auch BGH, 6. 5.2003 - XI ZR 226/02, MDR 2003, 1064, zu § 138 BGB: „Dabei sind die subjektiven Umstände ... häufig einem direkten Nachweis nicht zugänglich und können oft nur aus den objektiven Umständen erschlossen werden, wobei in manchen Fallgestaltungen Art und Ausmaß der objektiven Umstände eine Vermutung für das Vorliegen auch der subjektiven Tatbestandsmerkmale begründen". 56 Daß es Personen gibt, die ein dem richterlichen Empfinden entsprechendes Rechtsgefühl nicht entwickeln können, ist durchaus plausibel. Schon Ernst Fuchs hat treffend ausgeführt:,Jedes Heft Reichsgerichtsurteile ändert das Rechtsgefühl ab", Fuchs, Juristischer Kulturkampf, S. 46.

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

4. Umstände, die eine Auskunftshaftung gem. § 826 BGB begründen können, und ihr Vorliegen im Regelfall der Eigen- wie der Fremdauskunft Selbst nachgewiesene Leichtfertigkeit im Rahmen der Auskunftserteilung ist allein nicht geeignet, die Haftung aus § 826 BGB zu begründen. Somit stellt sich die Frage, welche Kriterien in Betracht kommen, um in Fällen leichtfertiger Auskunftserteilung auf Vorsatz und Sittenverstoß zu schließen. Da es um die Beschreibung von Tatsachenfeststellungen geht, sind die Erörterungen naturgemäß nicht abschließend.

a) Überdurchschnittliches Eigeninteresse der Bank Im Vordergrund steht jedenfalls ein gesteigertes wirtschaftliches Interesse der Bank.57 Erlangt das Kreditinstitut durch das unter Hinzuziehung der falschen Auskunft abgeschlossene Geschäft einen unmittelbaren Vermögensvorteil, kann eine Bewertung der Interessenlage für den Vorsatz des Bankiers sprechen. Hierbei steht der Vorteil der Bank dem Interesse des Auskunftsempfängers nämlich direkt gegenüber.58 Bei einer - nachgewiesenermaßen - leichtfertig falsch erteilten Auskunft besteht dann die Möglichkeit, es liegt sogar nahe, daß die Bank die eigenen Interessen an erste Stelle gesetzt und den Vermögensschaden des Auskunftsempfängers billigend in Kauf genommen hat. Der subjektive Sittenverstoß läßt sich mit der rücksichtslosen Durchsetzung der eigenen Interessen begründen. In den gewöhnlichen Auskunftsfällen besteht jedoch sowohl im Fall der Fremd- wie auch der Eigenauskunft nur ein allgemeines Interesse an der Solvenz des eigenen Kunden. Begründet wird dieses Interesse durch die Erwartung der Bank, aus den mit dem Kunden abgewickelten Geschäften Gewinn zu schöpfen. 59 Aus diesem allgemeinen Anliegen ergibt sich für das Kreditinstitut aber kein Interessenkonflikt, der so stark ausgeprägt ist, daß bei dessen BewälUnd durchaus nicht alles, was in RGZ und später BGHZ veröffentlicht wurde, ist dem Empfinden des verständigen Rechtsgenossen geschuldet. _ 57 Zu diesem Indiz bei § 826 siehe Bruckneri Stützte, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 125; Claussen, Bank- und Börsenrecht2, §6, Rd.23; Honseil, FS Medicus, 1999, S. 220; Ebenroth/Boujong/Joost/Korf, § 347 HGB, Rd. 61; RG, 1. 3. 1928, RGZ 120, 252 = JW 1928, 1285; BGH, 12. 2. 1971 - VII ZR 163/69, BGHZ 56, 83 f.; BGH, 6. 3. 1972 - II ZR 100/69, NJW 1972, 1200, 1201; BGH, 29. 5. 1978 - IIZR 173/77, BB 1978, 1186 (allgemein); BGH, 8.2. 1979 III ZR 2/77, WM 1979, 429; BGH, 28. 1. 1985 - II ZR 10/84, WM 1985, 382; BGH, 24. 9. 1991 VIZR 293/90, NJW 1991, 3282; i.R. des Haftungsvertrages: Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 77; i.R. des allgemeinen Bankvertrages: Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 6, Rd. 23; bei der Vertretereigenhaftung: Bohrer, Dispositionsgarant, S. 53 f. 58 BGH, 28. 1. 1985 - II ZR 10/84, WM 1985,382. 59 Jacob!Kehr!Klenk, Controlling, S. 45.

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tigung eine bewußte Benachteiligung des Auskunftsempfängers durch die Bank naheliegt, also der Schluß auf den Vorsatz i.S.d. § 826 BGB möglich ist. Angesichts der Einordnung des § 826 BGB als illoyale Schädigung, bei der dem Handelnden seine Ersatzpflicht schon im Zeitpunkt der Handlung vor Augen stand,60 spricht auch die folgende Überlegung gegen die Annahme von Schädigungsvorsatz und Sittenverstoß: Jedenfalls in der hier behandelten Variante des überdurchschnittlichen Eigeninteresses muß davon ausgegangen werden, daß auf Seiten der Bank zumindest eine grobe „Risikokalkulation" stattfindet, bei der möglicher Gewinn und mögliche Haftung gegeneinander abgewogen werden.61 Möglicher Gewinn in Form von Gebühren, Provisionen und Zinsen auf der einen Seite und das immense Haftungsrisiko auf der anderen Seite klaffen aber weit auseinander. Ergebnis einer entsprechenden Bewertung muß bei lebensnaher Betrachtung daher sein, daß die Bank eine* falsche Auskunft nicht vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB geben wird.

b) Sachkunde der Bank und Angewiesenheit des Auskunftsempfängers Ein in jeder Hinsicht untaugliches Kriterium ist die bei der Vertragshaftung immer wieder angeführte 62 Sachkunde der Bank.63 Der allgemeine Wissensvorsprung auf Seiten des Auskunftgebers ist nämlich stets Grundlage für das Einholen einer geschäftlichen Auskunft. Niemand wird sich in Vermögensfragen bei einer Person erkundigen, deren die Sachkunde er nicht wenigstens vermutet. Damit besteht ein wesentlicher Unterschied zu dem oben dargelegten Schluß von Leichtfertigkeit und wirtschaftlichem Eigeninteresse auf die bei § 826 BGB erforderlichen subjektiven Merkmale. Anders als ein über den Normalfall hinausgehendes - besonderes - wirtschaftliches Interesse ist der Wissensvorsprung der Bank die Regel. Der Schluß von Leichtfertigkeit und Sachkunde auf Schädigungsvorsatz und Sittenverstoß ist also in Wahrheit eine Gleichsetzung von (grober) Fahrlässigkeit mit Schädigungsvorsatz und subjektivem Sittenverstoß, so daß § 826 BGB eine allgemeine Sachverständigenhaftung ab grober Fahrlässigkeit begründen würde.64 60

Siehe oben, 3 und Fn. 46, jeweils S. 79. Allgemein für das anglo-amerikanische Tort Law: Ulen, Rational Choice Theory, S. 814, 815. 62 Siehe oben, Fn. 49, S. 38. 63 Das gilt auch für die darauf bezogene, gleichsam spiegelbildliche Angewiesenheit des Auskunftsempfängers. 64 Mit dieser Sicht könnte allenfalls noch die Frage eines Passanten nach dem Weg ohne Haftungsrisiko beantwortet werden; selbst dies aber nicht mehr, wenn der Angefragte - z.B. als Polizist, Reiseführer oder Taxifahrer - hinsichtlich der örtlichkeiten als sachverständig gelten würde. 61

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Daraus, daß der Wissensvorsprung des Kreditinstitutes immer besteht, ergibt sich sogar, daß er bei § 826 BGB generell unbeachtlich sein muß. Er ist für den Auskunftssuchenden nicht nur ersichtlich, sondern gerade das Motiv für die Verwertung der Bankauskunft. Anders als in den Konstellationen, bei denen die aus dem Wissen folgende Überlegenheit des Auskunftserteilenden für den anderen Teil gefahrlich sein kann, ist das Kräfteverhältnis zwischen den Beteiligten durch das überlegene Sachwissen der Bank nicht gestört. Der unterschiedliche Wissensstand stellt für die Beteiligten überhaupt erst den Grund für die Aufnahme des Kontakts dar: Der Auskunftsnutzer soll am Wissen der Bank teilhaben. Wenn der Wissensunterschied als solcher für den Auskunftsnutzer nicht gefährlich ist, dürfen aus dem überlegenen Sachwissen der Bank auch keine (ihr) nachteiligen Schlüsse gezogen werden.65 Ein Schluß auf Schädigungsvorsatz und Sittenverstoß ist allenfalls möglich, wenn das Kreditinstitut den Wissensvorsprung ausnutzt, den Auskunftssuchenden also gezielt falsch informiert. Allein Unsorgfältigkeit bei Wissensüberlegenheit vermag das bei § 826 BGB ausgesprochene Sittenwidrigkeitsurteil, und damit auch einen erheblichen Vorwurf, grundsätzlich nicht zu begründen. Ansonsten würde, vereinfacht ausgedrückt, die anerkannte „Gleichung": Leichtfertigkeit und besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse = läßt den Schluß auf Schädigungsvorsatz und Sittenwidrigkeit zu, verkürzt auf die Formel: Leichtfertigkeit des Sachkundigen = Schädigungsvorsatz und Sittenwidrigkeit. Eine generelle Haftung des Sachkundigen ab Leichtfertigkeit ist mit Sinn und Zweck des § 826 BGB aber, wie oben dargelegt, nicht vereinbar, zumal auch die damit notwendig einhergehende Aussage wenig einleuchtet, daß jedes grob fahrlässige Verhalten eines Fachmanns sogleich gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Des weiteren lassen sich mit dem Wissensvorsprung der Bank Schädigungsvorsatz und Sittenwidrigkeit auch schwerlich begründen. Wollte man darin ein Indiz sehen, müßte man der Bank und allen anderen sachverständigen 65 In der Rechtsprechung wird der Wissensvorsprung im Einzelfall zur Grundlage für die Bejahung des § 826 BGB regelmäßig dann gemacht, wenn das Wissen nicht offengelegt wird: BGH, 1. 7. 1991 - II ZR 180/90, WM 1991,1548: Nichtaufklärung über desolate wirtschaftliche Lage des Vertragspartners; OLG Hamm, 17. 12. 1997 - 27 U 152/96, NJW 1997, 2121: Verschweigen des Mangels eines veräußerten Pkw; BGH, 30. 5. 2000 - IX ZR 121/99, NJW 2000,2669: Nichtaufklärung über Provisionsbeteiligung des Rechtsanwalts; BGH, 14.6.2000 - VIII ZR 218/99, NJW 2000,2896: Erteilung einer fingierten Rechnung (unter Verschweigen der unterbliebenen Lieferung).

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Auskunftgebern stets den Willen zum Mißbrauch ihrer überlegenen Situation unterstellen. Das wäre äußerst gewagt. Selbst die weit verbreitete These, daß Macht zum Mißbrauch tendiert,66 führt in diesem Sinne nicht weiter, weil sie in ihrer Allgemeinheit nicht bestätigt werden kann. Es ist nicht nachvollziehbar, daß der Macht- bzw. Informationsmißbrauch ziellos, also gleichsam um der Bestätigung des Prinzips willen erfolgt. Wenn Macht mißbraucht, also ausgenutzt wird, bedeutet dies, daß sie rücksichtslos eingesetzt wird, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Dann ist § 826 BGB ohnehin einschlägig, so daß es des Merkmals der Wissensüberlegenheit nicht bedarf. 67 Auch läßt sich allein aus der Gefahr eines Mißbrauchs im einzelnen Fall68 eine allgemeine Haftung nicht herleiten. Zudem ist eine Machtstellung als solche nicht aussagekräftig. 69 Das wird unter anderem durch § 19 GWB und Art. 81, 82 des EG-Vertrages bestätigt, wonach nicht die Markt/wacA/ als solche und damit ihre Ausübung, sondern lediglich deren Mißbrauch verboten ist. Der Fall einer Bankauskunft „ins Blaue hinein" kann mangels praktischer Relevanz vernachlässigt werden. Diese - übrigens durchaus fragwürdige 70 Fallgruppe ist dadurch gekennzeichnet, daß der Schädiger im Wissen um seine Unkenntnis eine Tatsache derart behauptet, als stehe ihm entsprechendes Wissen zur Verfügung. 71 Es ist aber kaum vorstellbar, daß ein Kreditinstitut eine frei erfundene Auskunft erteilt, für die keine Tatsachengrundlage besteht.

5. Ergebnis zu § 826 BGB Die Haftung für fehlerhafte Auskünfte nach § 826 BGB bleibt die Ausnahme. Selbst eine grob fahrlässig falsche Auskunftserteilung fuhrt im allgemeinen nicht zur Haftung. Erst wenn neben der Leichtfertigkeit mindestens ein zusätzliches Indiz, wie ein gesteigertes wirtschaftliches Eigeninteresse oder ein vergleichbar starker Anhaltspunkt für den Schädigungsvorsatz des Auskunftgebers spricht, kommt ausnahmsweise eine Haftung in Betracht.

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Anders Köndgen, Selbstbindung, S. 269. Siehe auch Faßbender-Neuhaus, WM 2002, 1259, der (im Zusammenhang mit der Wissenszurechnung) zutreffend ausführt, daß das Wissen im Recht nicht als solches, sondern nur in Verbindung mit einem davon gesteuerten Verhalten relevant wird. 68 Herrmann, JZ 1983,425. 69 Siehe (zum Wettbewerbsrecht) Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Marktmacht, S. 99 - 101. 70 Treffend Honseil, FS Medicus, 1999, S. 215. 71 Jost, Vertragslose Haftung, S. 182; Musielak, in: Hadding/U. Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 40; Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 811; Staudingerl3/Oechsler, § 826, Rd. 83; BGH, 17. 9. 1985 - VI ZR 73/84, WM 1985, 1531; BGH, 19. 3. 1986 - IVaZR 127/84, WM 1986, 711. 67

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

Dies ist angemessen, weil § 826 BGB nur im Sonderfall der illoyalen Schädigung greifen soll. Die Vorschrift soll keine vermögensschützende Generalkausel sein.

IV. Die Auskunftshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in das Recht am Unternehmen Eine weitere Norm, die zu einer deliktischen Haftung der auskunftgebenden Bank gegenüber Dritten führen kann, ist § 823 Abs. 1 BGB. Allerdings werden primäre Vermögensschäden - auch angesichts § 675 Abs. 2 BGB 72 - von § 823 Abs. 1 BGB bis auf den Fall der Eigentumsverletzung73 grundsätzlich nicht erfaßt. Der Gesetzgeber hat aus den oben74 genannten Gründen die Schaffung einer Generalklausel abgelehnt. Er hat stattdessen nur bestimmte Rechte und Rechtsgüter dem Schutz der Vorschrift unterstellt. § 823 Abs. 1 BGB kann daher taugliche Anspruchsgrundlage bei einem Vermögensschaden infolge falscher Auskunft nur 75 unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Rechts am Unternehmen,76 eines sonstigen Rechts,77 sein. Eine dahingehende Auffassung 78 soll untersucht werden.79

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Hirte, Berufshaftung S. 174, 414. Wobei nur die Substanzbeeinträchtigung primärer Vermögensschaden ist und ansonsten, z.B. bei Nutzungsentzug, nur ein Vermögensfolgeschaden besteht, siehe dazu Weimar, MDR 1978, 728. 74 1., S. 74. 75 Zur Verkehrspflichtverletzung siehe die nachfolgenden Ausführungen, unten, V. 2., S. 104 ff. 76 Das Reichsgericht hatte es vor dem Inkrafttreten des BGB als Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb an Hand von § 1 GewO entwickelt, RG, 12. 12. 1899, RGZ 45, 61, 62 (.Fikentscher, FS Kronstein, 1967, S. 271, sieht dagegen die Entscheidung RGZ 51, 66 (Kieler Ärzte) als erste des Reichsgerichts zum Gewerbebetrieb an), und es nach Inkrafttreten des BGB erstmals in RG, 29. 5. 1902, RGZ 51, 29 anerkannt (wenn auch ein Anspruch im konkreten Fall verneint wurde). Zum neuen Begriff des Rechts am Unternehmen vergleiche von Bar, Verkehrspflichten, S. 208; Fikentscher, FS Kronstein, 1967, S. 287. 77 Daß es sich hierbei nicht um ein eigentumsgleiches absolutes Recht handelt, ist letztlich unbestritten, so z.B. von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 499; Fikentscher, FS Kronstein, 1967, S. 264: „systematischer Notbehelf'; E. Wolf, FS Hippel, 1967, S. 665 ff. 78 Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 166 ff, mit der Beschränkung auf leichtfertige Auskünfte sachverständiger und staatlicher Kontrolle unterliegender Personen; Locher, Kreditauskünfte, S. 37: Schadensersatzanspruch, wenn die Auskunft Entscheidungen von großer Tragweite beeinflußt hat, nicht aber für die „normale" Kreditauskunft. Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 810. 79 Arnold, DStR 2001, 488, greift daher zu kurz, wenn er (zur Haftung des Wirtschaftsprüfers) ausführt: „§ 823 Abs. 1 BGB schützt nicht das Vermögen als solches und kommt daher als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht". 73

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1. Zu den Voraussetzungen im einzelnen Die maßgebliche Schwierigkeit besteht beim Recht am Unternehmen darin, die haftungsrelevanten Fälle abzugrenzen.

a) Das Schutzgut des Rechts am Unternehmen Schutzgut ist, entsprechend der Bezeichnung dieses sonstigen Rechts, das Unternehmen, das heißt sein Bestand.80 Unternehmen ist dabei eine aus materiellen und immateriellen Gütern bestehende organisierte Wirtschaftseinheit, die der Verfolgung wirtschaftlicher Interessen dient.81 Der Schutzbereich ist zunächst weit gefaßt. Eine Selektion der haftungsbegründenden Beeinträchtigungen, und damit eine Einschränkung des Schutzbereichs, erfolgt über den Begriff des Eingriffs. 82 Des weiteren ist eine positive Feststellung der Rechtswidrigkeit vorzunehmen.83

b) Der haftungsauslösende Eingriff Das „Ob" der Haftung wird im wesentlichen durch die Auswahl des haftungsauslösenden Eingriffs bestimmt. Hierbei bestehen die entscheidenden Probleme des Rechts am Unternehmen. Haftungsfolgen soll nur der Eingriff hervorrufen, der betriebsbezogen ist. Dieser Begriff ist klärungsbedürftig, weil „niemand so recht weiß, was ein ,betriebsbezogener' Eingriff nun eigentlich ist". 84

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Katzenberger, Recht am Unternehmen, S. 3; Kneppe, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, S. 2; MüKo3/Mertens, § 823, Rd. 481; AT. Schmidt, JuS 1993, 987. 81 K. Schmidt, JuS 1993, 987. Es wird vertreten, daß der Unternehmensbegriff weiter zu fassen und damit über den Schutz der wirtschaftlichen Willensbetätigung, Soergel{1IZeuner, § 823, Rd. 106, ein Recht auf ungestörte wirtschaftliche Betätigung anzuerkennen ist, siehe nur Breinersdorf er, Haftung für Kreditauskünfte, S. 166 ff. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine fehlerhafte Auskunft kann aber ausgeschlossen werden. Denn daß der Nutzer der Auskunft durch die nachteilige Disposition in seinem Geltungsanspruch als Mensch beeinträchtigt wird, kann kaum angenommen werden; und wenn der Auskunftsempfänger durch eine bewußt falsche Auskunft zu einer Maßnahme verleitet, also zum Handlungsobjekt des Auskunftgebers degradiert wird, greift bereits § 826 BGB, so daß es einer Ausweitung des § 823 Abs. 1 BGB nicht bedarf. 82 U^/Mertens, § 823, Rd. 482. 83 Staudinger12//:. Schäfer, § 823, Rd. 6. 84 Breinersdorf er, Haftung für Kreditauskünfte, S. 169, m.w.Nachw. in Fn. 22.

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

aa) Betriebsbezogenheit des Eingriffs und Unmittelbarkeit Aufgestellt wurde das Merkmal der Betriebsbezogenheit erst vom BGH.85 Das vorher mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb befaßte Reichsgericht prüfte dagegen im Rahmen der Kausalität das Merkmal der Unmittelbarkeit des Eingriffs. 86 Ausgehend davon wird vertreten, das Reichsgericht und der BGH wollten den in §§ 844, 845 BGB bestätigten Grundsatz wahren, wonach allein der unmittelbar in seinem Schutzgut i.S. von § 823 Abs. 1 BGB Verletzte Ersatz verlangen kann.87 Dem ist jedoch nicht zu folgen. Mit der Unterscheidung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Eingriffen hatte die Differenzierung des Reichsgerichts nichts gemein. Das Reichsgericht prüfte nur, ob der Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg so eng war, daß er zur Begründung einer bestimmten Rechtsfolge (Haftung) noch genügte.88 Die Rechtsprechung wollte schlicht die Begrenzung einer Haftung sicherstellen,89 über deren Umfang man sich in den Tagen der Entstehung des Rechts am Unternehmen keineswegs im klaren war. 90 Zu diesem Zwecke baute sie in die Kausalitätsprüfung das Merkmal der Unmittelbarkeit ein,91 um eine Haftung für zufällige und fernliegende Beeinträchtigungen von Unternehmen auszuschließen.92 Außerdem führt der Unmittelbarkeitsgedanke in Zusammenhang mit dem Recht am Unternehmen nicht weiter. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit besagt, daß nur solche Personen, die selbst in einem durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgut verletzt sind, Schadensersatz verlangen können.93 Nicht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB Verletzte tragen ihre Vermögensfolgeschäden selbst.94 Überträgt man diese Unterscheidung mit der oben erwähnten Ansicht auf das Recht am Unternehmen, kann Schadensersatz nur der Unternehmer beanspruchen, 85

BGH, 9. 12. 1958 - VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65, 74. Prägend war insoweit die Entscheidung RG, 3. 2. 1910, RGZ 73,107,112. Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 170; Staudinger12//:. Schäfer, § 823, Rd. 157. 88 Medicus, Schaden, S. 18 ff., insbesondere S. 19, 20; Suppes, Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb, S. 5. 89 Staudinger13/ÂT. Schäfer, § 823, Rd. 146. 90 Suppes, Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb, S. 5, spricht von einer „anfangs noch unbestimmten Rechtsfigur". 91 So auch Suppes, Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb, S. 5. 92 Trotz Betonung des Unmittelbarkeitsgedankens bejahte das Reichsgericht in folgendem Fall mittelbarer Schädigung die Haftung, RG, 7. 6.1929, MuW 1929, 378 (.Pyramidon): Die Bestimmung einer Ortskrankenkasse, wonach man für bestimmte Arzneimittel nicht zahle, wurde als bewußte Gefährdung des auf Herstellung der wortgeschützten Arzneimittel gerichteten Gewerbebetriebes angesehen, weil die Bestimmung der Ortskrankenkasse bei voller Auswirkung den Hersteller zu Betriebseinschränkungen zwingen würde. 93 Palando/Thomas, § 844, Rd. 1 ; BGH, 20. 2. 1979 - VI ZR 189/78, WM 1979,428. 94 von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 474. 86 87

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dessen Schaden nicht Folge der Verletzung eines Schutzgutes aus § 823 Abs. 1 BGB wäre. Wenn man das Recht am Unternehmen mit der ganz herrschenden Meinung95 als gewohnheitsrechtliche Ergänzung des Tatbestandes des § 823 Abs. 1 BGB anerkennt, dreht sich diese Abgrenzung im Kreis. Unmittelbar im von §§ 844, 845 BGB verdeutlichten Sinn ist nämlich auch der Eingriff in das Recht am Unternehmen, weil es sich dabei um ein sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB handelt. Zwar dient das Recht am Unternehmen in erster Linie dazu, Vermögensschäden ersatzfähig zu machen.96 Es liegt also nahe, den Unmittelbarkeitsgedanken aufzugreifen. Die oben angeführte Ansicht spricht dem Recht am Unternehmen über den Begriff der Unmittelbarkeit jedoch seine Eigenschaft als sonstiges Recht ab. Sie führt eine Gleichstellung mit dem reinen Vermögensfolgeschaden herbei. Die den Unmittelbarkeitsgedanken betonende Auffassung ist zu sehr der Kasuistik insbesondere der Stromkabelfälle des Bundesgerichtshofs 97 verhaftet. Ihre Bedeutung erschöpft sich in einer - nicht verallgemeinerungsfähigen - Begründung für die Entscheidung dieser Fälle.98 Dabei hatte der BGH in eben jenen Entscheidungen selbst zu Recht betont, daß der Unmittelbarkeitsgedanke nicht maßgeblich sein kann. Die Unterscheidung mittelbarer und unmittelbarer Eingriffe stößt nämlich auf Schwierigkeiten. Auch ist die nötige Abgrenzung aus einer rein sprachlichen Unterscheidung nicht zu gewinnen.99

93 Kneppe, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, S. 59; ?d\zndf 2/Thomas, § 823, Rd. 19; E. Wolf FS Hippel, 1967, S. 665. 96 von Bar, Verkehrspflichten, S. 205,207; Fikentscher, FS Kronstein, 1967, S, 273. 97 Mögen Baggerarbeiten auch häufig zu solchen Fällen führen, Neumann-Duesberg, NJW 1968, 1990. Siehe die Zusammenfassung dieser und ähnlicher Fälle bei ?a\andt 62/Thomas, § 823, Rd. 21; ferner RG, 24. 6.1927, RGZ 117, 315 (Gasdruck), wo es auch um eine Zuleitung ging. 98 Selten erwähnt ist in diesem Zusammenhang das Urteil des BGH, 12. 3. 1968 - IV ZR 178/66, NJW 1968, 1279, in dem der BGH den Schadensersatzanspruch des durch Bauarbeiten von der Stromzufuhr abgeschnittenen Unternehmers auf Grundlage der Anerkennung des § 13 Abs. 2 BauO-NRW als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB bejahte. Nicht zu Unrecht wird in diesem Zusammenhang daraufhingewiesen, daß es wenig überzeugend erscheint, die Berücksichtigung der Vermögensinteressen des Unternehmers vom Landesgesetzgeber abhängig zu machen, NeumannDuesberg, NJW 1968, 1990; zumal bei einer vergleichbaren BauO-Vorschrift, dem seinerzeitigen Art. 13 Abs. 3 BayBO, nur vier Jahre später, wenn auch vom BayObLG, der Schutzgesetzcharakter verneint wurde, BayObLG, 28.2. 1972 - RReg. 1 Ζ 257/70, NJW 1972,1085. 99 BGH, 9. 12. 1958 - VI ZR 199/57, BGHZ 29, 71.

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bb) Die am Zweck des Rechts am Unternehmen orientierten Voraussetzungen der Haftung Die Voraussetzungen der Haftung wegen Eingriffs in das Recht am Unternehmen ergeben sich, entgegen der soeben vorgestellten Ansicht, aus dem Unternehmensschutz100 als Zweck der Anerkennung dieses Rechtes. Sie sind im Begriff des „betriebsbezogenen Eingriffs" enthalten. Dabei sind zwei Kriterien erkennbar. Zum einen ist eine bestimmte Eingrìffshandlung, zum anderen ein bestimmter Eingriffs erfolg erforderlich. 101

(1) Die Betriebsbezogenheit als Merkmal der Handlung Ein eingrenzendes Kriterium des Eingriffs kann aus der „Betriebsbezogenheit" gewonnen werden. Wie bereits angedeutet, besteht der betriebsbezogene Eingriff aus den Merkmalen Verletzungshandlung und Verletzungserfolg. Im folgenden wird dargestellt, wann eine Handlung unternehmensbezogen ist. Untauglich ist dabei eine Abgrenzung, die auf die Zielrichtung der Handlung abstellt, also danach fragt, ob die Handlung auf das Unternehmen gerichtet ist. 102 Da keine Handlung einen objektiven Zweck hat, sondern nur den durch den Handelnden gesetzten, muß ein subjektiver Zielbegriff verwendet werden.103 Damit entstehen aber Schwierigkeiten, weil dieses Merkmal bei der fahrlässigen Schädigung versagt.104 Will man in solchen Fällen nun darauf abstellen, daß die Handlung eine Beeinträchtigung des Unternehmens zum Ziel gehabt haben könnte,105 gibt man die Sicherheit des Abgrenzungskriteriums gerade für die problematischen Fälle durch Einfügung eines beliebig dehnbaren Begriffes auf und entwertet das Merkmal damit. Verneint man aber mit einer solchen Betrachtung einen Eingriff in das Recht am Unternehmen deswegen, weil der Schaden bei einem Dritten, also nicht bei

100 Kneppe, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, S. 2; MiXKoi 3/Mertens, § 823, Rd. 481; K. Schmidt, JuS 1993,987. 101 Für ein Abstellen auf diese beiden Komponenten schon K. Schmidt, JuS 1993,989. 102 So aber Larenz, NJW 1956,1719, in seiner Anmerkung zu OLG München, NJW 1956,1719. 103 Neumann-Duesberg, NJW 1968, 1991. Die „objektive Zielrichtung", also wie sich die Handlung nach außen hin darstellt, kann allenfalls Indiz zur Feststellung der subjektiv gesetzten Handlungsrichtung sein. 104 So auch BGH, 9. 12. 1958 - VIZR 199/57, BGHZ 29, 72; Staudinger12//:. Schäfer, § 823, Rd. 159. 105 Siehe dazu BGH, 9. 12. 1958 - VIZR 199/57, BGHZ29, 72, auf die Ausführungen des OLG Hamm als Berufungsgericht verweisend.

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dem vom Schädiger ins Auge gefaßten Angiffsziel eingetreten ist, 106 stellt dies eine verdrehte Anwendung des Unmittelbarkeitsgedankens im technischen Sinne 107 dar, die zu formal und daher nicht angemessenen ist. Außerdem kann eine objektive Komponente, die Unmittelbarkeit, kaum mit dem subjektiven Merkmal der Zielbezogenheit bestimmt werden.108 Stattdessen ist der nötige Bezug der Handlung zur Unternehmensbeeinträchtigung mit dem Merkmal der Ersichtlichkeit der Unternehmensinteressen herzustellen. Jener Ansatz basiert auf der Entscheidung des Gesetzgebers für eine Beschränkung der deliktischen Haftung durch abschließende Festlegung des Kreises der Ersatzberechtigten:109 des an seinem Körper Verletzten, des in seiner Freiheit Beeinträchtigten, des Eigentümers etc. Für § 823 Abs. 1 BGB wurde dargelegt, daß die für jedermann bestehende Offenkundigkeit der Schutzgüter wesentlicher Bestandteil dieser Norm ist. 110 Jene „sozialtypische Offenkundigkeit" bedeutet, daß das Recht oder Rechtsgut und das damit verbundene Verletzungsverbot für den Schädiger ersichtlich sind.111 Dabei gilt für die in § 823 Abs. 1 BGB aufgezählten Schutzgüter, daß jenes Erkennenkönnen von der Rechtsordnung ohne weiteres vorausgesetzt wird. Die Ersichtlichkeit ist im einzelnen Fall nicht mehr zu diskutieren, weil es sich um einen im Interesse des Güterschutzes bei jedem Rechtsgenossen zwingend vorausgesetzten Standard handelt.112 Das wird auch durch den generalisierenden Begriff der sozialtypischen Offenkundigkeit verdeutlicht: Grundsätzlich ist sich jedermann dessen gewahr, daß Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum anderer Menschen, also die Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB, nicht angetastet werden dürfen. Das gleiche Prinzip wirkt bei den Sonderverbindungen, Vertrag und vertragsähnliches Schuldverhältnis.113 Zwar sind Vermögensinteressen so vielge106 Mit diesem Argument lehnte noch BGH, 19. 6. 1952 - III ZR 295/51, BGHZ 7, 30, 31, in Anlehnung an den Unmittelbarkeitsbegriff des Reichsgerichts den Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers bei der Verletzung eines Arbeitnehmers ab. 107 Siehe zum Begriff Medicus, Schaden, S.17 f. 108 Neumann-Duesberg,, NJW 1968,1990. 109 Picker, JZ 1987, 1053. Dieser Ansatz ist schon bei der lex Aquilia über Sachbeschädigungen verfolgt worden - „domino dare damnas 'esto'", Dig. 9, 2, 27, 5: Anspruchsberechtigt war der Eigentümer der Sache, also eine feststehende Person(enmehrheit). 1,0 Fabricius, AcP 160 (1961), 290, 291; siehe auch Canaris , FS Larenz, 1983, S. 37, der einen allgemeinen Vermögensschutz durch § 823 BGB auch mit dem Argument der mangelnden Evidenz ablehnt; ebenso Köndgen, Selbstbindung, S. 367:",Signalfunktion' der absolut geschützten Rechte und Rechtsgüter in § 823 Abs. 1". 111 Canaris, FS Larenz, 1983, S. 37; Picker, AcP 183 (1983), 480. 112 Fabricius, AcP 160 (1961), 290. 1,3 Picker, AcP 183, (1983), 480, 482. H irte, Berufshaftung, S. 419, 420, spricht von Vorhersehbarkeit.

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

staltig, daß ihre Ersichtlichkeit, im Gegensatz zu den in § 823 Abs. 1 BGB aufgezählten Schutzgütern, nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann.114 Im Rahmen der Sonderverbindung besteht jedoch die Pflicht zum Ersatz von Vermögensschäden, weil die Partner in einer Nähebeziehung stehen. In dieser Beziehung liegen die Interessen des Gegenübers offen. Deswegen kann ihre Berücksichtigung verlangt werden. Auch hierbei ist die Ersichtlichkeit Voraussetzung der Haftung, ohne daß dies im einzelnen Fall gesondert geprüft wird. 115 Sie ergibt sich zwingend aus dem Bestehen der Sonderverbindung, also daraus, daß die Beteiligten aus der anonymen Masse der Allgemeinheit heraustreten und sich in individuellem Kontakt, einzeln116 gegenüberstehen. Bei § 823 Abs. 1 BGB erfolgt die Begrenzung der Haftung also über einen Schutzgüterkatalog, während bei der vertragsähnlichen und vertraglichen Sonderverbindung eine personale Abgrenzung stattfindet. In Hinblick auf die Ersichtlichkeit werden dabei zwei Wertungsstufen deutlich: Das Erkennen des Verletzungsverèotes ist auf das Unwerturteil und damit auf die Rechtswidrigkeit (der Handlung) bezogen. Die hier interessierende Ersichtlichkeit des Schutzgutes betrifft dagegen das Verletzungsoè/efe und damit den Tatbestand. Hierbei werden die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden aufgrund der Schutzinteressen nicht berücksichtigt. Es findet eine allgemeine, vom einzelnen unabhängige Betrachtung statt.117 Folglich ist die Ersichtlichkeit des Schutzgutes ein Merkmal des objektiven Tatbestandes.118 Diese Erkenntnis ist auf das Recht am Unternehmen zu übertragen. Dabei muß berücksichtigt werden, daß die Ersichtlichkeit der Unternehmensinteressen nicht ohne weiteres allgemein vorausgesetzt werden kann. Anders als bei den in § 823 Abs. 1 BGB ausdrücklich aufgeführten Schutzgütern besteht keine allgemeine Offenkundigkeit dieser Interessen. Auch existiert zwischen Schädiger und Geschädigtem nicht notwendig eine Nähebeziehung, aus der sich die Of-

114 Canaris , FS Larenz, 1983, S. 37. Köndgen, Selbstbindung, S. 367 und 366: „die deliktsrechtliche Sonderstellung fahrlässig verursachter reiner Vermögensschäden [ist] mehr... als eine provinzielle deutsche Eigenart". 115 Picker, JZ 1987, 1054: Man weiß [d.h., man hat zu wissen], daß fremde Vermögensinteressen bestehen. 116 „Einzeln" ist hier ausschließlich im Sinne einer Abgrenzung zur Allgemeinheit zu verstehen, können an einer Sonderverbindung doch unstreitig mehrere Personen beteiligt sein, siehe nur §§ 328 ff. BGB. 117 Fabricius, AcP 160 (1961), 290. 118 Ob der Handelnde die Interessen tatsächlich erkennen und sich demgemäß verhalten konnte, ist eine Frage der persönlichen Vorwerfbarkeit und damit der Schuld. Auch wenn sich infolge des objektiven Fahrlässigkeitsbegriffs der herrschenden Meinung (siehe nur ?a\and\ 62/Heinrichs, § 276, Rd. 15) hier Überschneidungen ergeben können.

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fenkundigkeit der Unternehmensinteressen im Verhältnis der beteiligten Personen ergibt. Somit scheidet die sonst übliche „verdeckte", nicht mehr eigens erwähnte, Anwendung des Offenkundigkeitsprinzips beim Recht am Unternehmen aus. Dennoch kommt diesem Prinzip auch beim Recht am Unternehmen Bedeutung zu, weil der allgemeine Gedanke selbstverständlich auch für dieses Recht gilt. Ein Unterschied ergibt sich nur daraus, daß die Ersichtlichkeit der Unternehmensinteressen für jeden einzelnen Fall im Rahmen des Tatbestandes geprüft werden muß, denn es besteht weder eine Sonderverbindung, noch die allgemeine Offenkundigkeit der Interessen. Da die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden aus Schutzerwägungen auch beim Recht am Unternehmen im Tatbestand noch keine Rolle spielen, hat die Feststellung der Ersichtlichkeit der Vermögensinteressen des Unternehmens(trägers) aus der Perspektive eines objektiven Beobachters zu erfolgen. Fraglich ist dann noch, ob die Ersichtlichkeit - wie sonst - auf Basis einer rein objektiven Betrachtung, das heißt ohne jede Berücksichtigung des Handelnden, zulässig bzw. möglich ist. Dabei ist die Individualität und daraus erwachsende Verschiedenartigkeit der Interessen zu berücksichtigen. Es geht nicht um für jedermann Offenkundiges. Folglich kann eine angemessene Beurteilung des konkreten Falles nur unter Einbeziehung der Sicht des Handelnden erfolgen. Die Person des Schädigers muß dergestalt in die Betrachtung einbezogen werden, daß die objektive Betrachtung aus seiner Warte heraus zu erfolgen hat. Insgesamt ist die Ersichtlichkeit der Unternehmensinteressen folglich im Wege einer objektiven ex-ante-Betrachtung aus Sicht des Handelnden festzustellen. Die entscheidende Frage lautet, ob ein verständiger Rechtsgenosse119 in der konkreten Situation und in der Rolle des Schädigers die Interessen des Unternehmers erkannt hätte. Damit wird der Kreis der Ersatzberechtigten auf eine für den Handelnden tragbare Größe beschränkt. Das verhindert, daß die - bei Rechtswidrigkeit und Schuld bestehende - Pflicht zum Ersatz von Vermögensschäden des Unternehmens die Handlungsfreiheit unerträglich beeinträchtigt.120 Unterstützung findet diese These im übrigen in der Rechtsprechung zum Auskunftsvertrag. Wo nicht ganz klare Verhältnisse herrschen, wie bei der 119

Zum Begriff Fabricius, AcP 160 (1961), 290. Siehe dazu Picker, AcP 183 (1983), 478, 479: Die Ablehnung eines allgemeinen Vermögensschutzes durch den Gesetzgeber ist in der möglichen Gläubigerpotenzierung und daraus folgenden Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit begründet. Siehe dazu auch Mertens, VersR 1980, 397,398. 120

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

Auskunftshaftung von Kreditinstituten gegenüber Dritten, verlangt die Rechtsprechung als Voraussetzung der Haftung, daß der Kreis der Auskunftsnutzer (also der potentiellen Gläubiger) für die Bank erkennbar war. 121 Das entscheidende Merkmal zur Auswahl der haftungsrelevanten Eingriffe für die Handlung ist somit die Ersichtlichkeit der Unternehmensinteressen. Diese Voraussetzung ist bei einem Eingriff erfüllt, wenn bei einer objektiven ex-ante-Betrachtung aus der Sicht des Handelnden die Vermögensinteressen des Unternehmers offenkundig, also ersichtlich waren.

(2) Die spezifische Betroffenheit

als triolgsbezogenes Kriterium

Bei der Abschichtung der haftungsrelevanten Eingriffe ist zu beachten, daß kein allgemeiner Vermögensschutz statuiert werden darf. 122 Das Recht am Unternehmen kann nur einen eingeschränkten Vermögensschutz gewähren. In erster Linie sollen mit diesem Rahmenrecht zwar primäre Vermögensschäden ersatzfähig gemacht werden,123 indem der Unternehmensträger 124 einen Schadensersatzanspruch erlangt. Einem umfassenden Vermögensschutz für Unternehmen stehen jedoch zwei Gesichtspunkte entgegen: Zunächst ist zu berücksichtigen, daß ein deliktsrechtlicher Schutz vor primären Vermögensschäden im BGB grundsätzlich ausgeschlossen ist, solange nicht eine illoyale Schädigung i.S.d. § 826 BGB vorliegt. 125 Außerhalb des § 826 BGB dürfen primäre Vermögensschäden also nur dort ersatzfähig gemacht werden, wo der Unternehmensschutz ansonsten in nicht mehr hinnehmbarer Art und Weise die (Vermögens-)Interessen des Unternehmens(trägers) vernachlässigen würde 126 und das allgemein übliche Schutzniveau unterschritten wäre. Im allgemeinen127 sind primäre Vermögensschäden nach Deliktsrecht hinzunehmen. Im Rahmen des Rechts am Unternehmen können sie nur ersatzfähig sein, wenn sie besonders gestaltet sind und sich von dem allgemeinen „JedermannVermögensschaden" unterscheiden lassen. Dieser wird auch dem Unternehmer nur ersetzt, wenn §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz oder § 826 BGB einschlägig sind. 121

Siehe nur BGH, 7. 7.1998-XI ZR 375/97, WM 1998,1771. Fikentscher, FS Kronstein, 1967, S. 273. 123 von Bar, Verkehrspflichten, S. 207; Fikentscher, FS Kronstein, 1967, S.273; MüKo3/Mertens, § 823, Rd. 481. 124 Es geht um den Schutz des Unternehmensträgers, dem das Unternehmen, welches selbst kein Rechtssubjekt ist, rechtlich zugeordnet wird, siehe K. Schmidt, JuS 1993,986, 987. 125 Canaris , FS Larenz, 1983, S. 36, und oben, ΠΙ., S. 76. 126 Bei dieser Betrachtung spielt die Schadenshöhe keine Rolle, siehe dazu unten, (3), S. 98. 127 Eine Ausnahme ist in Fn. 73, S. 86 erläutert. 122

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Der Ansatzpunkt für eine entsprechende Aussonderung ist im Zweck Rechts am Unternehmen zu finden. Soll (und darf) damit nur der Schutz von Unternehmen erreicht werden,128 so beschränkt sich dieser Schutz auch auf den Ersatz unternehmensspezifischer Schäden. Darin liegt der tragende Gedanke, der in der Rechtsprechung seinen Ausdruck gefunden hat: 129 Es sind nur solche Vermögensschäden umfaßt, die gerade deshalb eintreten konnten, weil Gegenstand des Angriffs ein Unternehmen war. 130 Mit den Worten des BGH gesagt, ist es erforderlich, daß die Eingriffsfolge mit der „Wesenseigentümlichkeit"131 des Unternehmens in Zusammenhang steht.132 Platz für einen besonderen Unternehmensschutz ist nur, wenn sich die Möglichkeit eines Schadens aus der Besonderheit des Angriffsobjektes ergibt. 133 Auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes darf ein allgemeiner— Schutz (nur) des Unternehmensvermögens nicht statuiert werden. Es ist mit Art. 3 Abs. 1 GG 134 als Ausdruck des maßgebenden Gerechtigkeitsprinzips der Gleichbehandlung135 nicht zu vereinbaren, daß ein Vermögensschaden dem Unternehmer ersetzt wird, während der nicht unternehmerisch tätige Private ihn selbst trägt. Die notwendige Rechtfertigung für eine Besserstellung durch 128

Fn. 100, S. 90. Siehe nur BGH, 9.12. 1958 - VI ZR 199/57, BGHZ 29,74. Katzenberger, Recht am Unternehmen, S. 3, spricht in diesem Zusammenhang sinngleich von Interessen, die die Verletzbarkeit des Unternehmens bedingen. 131 BGH, 18. 1.1983 - VI ZR 270/80, BB 1983,464. 132 Vergleichbar schon das Reichsgericht, welches einen Angriff „gegen den Gewerbebetrieb als solchen" verlangte, RG, 6. 5. 1915, JW 1915,915; RG, 15.2. 1917, RGZ 89,224 ff. 133 Anders die Ansicht, die ein Recht auf ungestörte wirtschaftliche Betätigung annimmt, siehe Kneppe, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, S. 105 und Breinersdorfer, oben, Fn. 81, S. 87. Sie ist jedoch abzulehnen. Denn nicht nur würde § 823 Abs. 1 BGB bei der Weite eines derartigen Rechtes in beliebigen Erwägungen aufgelöst; die allgemeine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit als Ausfluß der allgemeinen Handlungsfreiheit kann den unabdingbaren Schutz auch besser über die Eingliederung in das auch wirtschaftliche Betätigung erfassende allgemeine Persönlichkeitsrecht in § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 und 2 GG (G. Müller, VersR 2000, 799) erfahren; siehe dazu Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 148, 149 und zum Recht am Arbeitsplatz Pd\andt 62/Thomas, § 823, Rd. 27; anders von Bar, Verkehrspflichten, S. 208; Fikentscher, FS Kronstein, 1967, S. 286. 134 Daß die Argumentation mit Grundrechten nicht ungefährlich ist, liegt auf der Hand und ist u.a. mit Fn. 51, S. 181 belegt. Der Rückgriff auf Art. 3 GG ist jedoch nicht im herkömmlichen Sinne problematisch, Schlemmer-Schulte, Beweislast und Grundgesetz, S. 110. Denn der Gleichheitssatz ist mehr als nur ein Grundrecht, nämlich ein zwingender Grundsatz des gesamten Rechts, Weinkaujf, NJW 1960, 1692, und insbesondere des Privatrechts, Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 171. Auch läßt die strikte Regelung, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln (Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S.173, 181; Schlemmer-Schulte, Beweislast und Grundgesetz, S. 110), wenig Platz für ergebnisgeleitete Auslegung. Gemeinsamer Sachverhalt ist der primäre Vermögensschaden. Soll dieser in verschiedener Art und Weise ersetzt werden, bedarf es der Rechtfertigung, weil ein „normaler" Vermögensschaden des Unternehmers demjenigen des NichtUnternehmers grds. entspricht, so daß eine Differenzierung nicht geboten ist. Siehe zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Zivilrecht in diesem Sinne: Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 175,184. 135 Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 169. 129 130

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Schaffung eines angehobenen Schutzniveaus fehlt, weil das Unternehmensvermögen nicht per se schutzwürdiger ist. 136 Erst mit der auf die spezielle Betroffenheit abstellenden Sichtweise wird die Sonderbehandlung von Unternehmen in Hinblick auf bestimmte primäre Vermögensschäden also zulässig, weil in seiner Eigenschaft als Unternehmer nur ein Unternehmer geschädigt werden kann. Dem NichtUnternehmer fehlen von vornherein die spezifischen Positionen, die beim Unternehmer beeinträchtigt werden können, wie zum Beispiel Kundenstamm und guter Ruf. 137 Folglich wird mit dem Recht am Unternehmen kein übersteigerter Unternehmensschutz praktiziert. Es werden nur die unternehmensspezifischen Interessen deliktsrechtlich geschützt. Damit wird lediglich der Schutz gewährt, der infolge der gewohnheitsrechtlich anerkannten Schutzwürdigkeit erforderlich ist. Art. 3 Abs. 1 GG spricht also nicht gegen die Haftung. Vielmehr gebietet das Gleichbehandlungsgebot sogar den Ersatz unternehmenstypischer primärer Vermögensschäden nach § 823 Abs. 1 BGB. Ein Unternehmen(sträger) darf hinsichtlich anerkannter typischer Schutzinteressen nämlich nicht schlechter gestellt werden als der sonstige Private, dessen besondere Positionen, wie etwa sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, von § 823 Abs. 1 BGB geschützt werden.138 Zwar wird zum Beispiel das Eigentum des Unternehmens(trägers) durch § 823 Abs. 1 BGB zweifelsfrei genauso wie das Eigentum von jedermann geschützt. Die nicht verkörperten Vermögenswerte, zum Beispiel in Form des guten Rufs oder eines festen Kundenstamms, stellen aber in einem sich von der Eigentums- zur Vermögens- und Dienstleistungsgesellschaft 139 wandelnden Markt zunehmend den eigentlichen Wert eines Unternehmens, die Ausgangsbasis für geschäftlichen Erfolg, dar. 140 So wie die persönlichen Belange des einzelnen Menschen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewahrt werden, sichert das Recht am Unternehmen die spezifischen Belange des Unternehmens. Das ist nach Maßgabe des Gleichheitssatzes nicht bedenklich, sondern erwünscht.

136

Κ . Schmidt, JuS 1993, 985, 986: „es wäre anstößig, wenn die Rechtsprechung dem Unternehmen ohne einen durch § 823 Abs. 1 BGB legitimierbaren Grund das gewährte, was das Gesetz jedem anderen Rechtssubjekt vorenthält". Ebenso Soergel 12/Zewwer, § 823, Rd. 109; BGH, 26. 10. 1951 - 1 ZR 8/51, BGHZ 3,270. 137 Neudeutsch: Goodwill, womit aber nicht mehr gesagt ist, denn der „ideelle Firmenwert", der z.B. in Willmann, Taschenwörterbuch Englisch-Deutsch, 10. Aufl. 1992, S. 264, erwähnt wird, ist mit dem Guten Ruf identisch. 138 G. Müller, VersR 2000, 797; Palandt62/77*omos, § 823, Rd. 176 ff. 139 Hirte, Berufshaftung, S.4 - 10; Köndgen, Selbstbindung, S. 138 ff.; Schmöckel, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 77. 140 Köndgen, Selbstbindung, S. 366: „Vermögensordnung ..., die das Sacheigentum zusehends durch das Eigentum am Vermögen ersetzt".

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Zur Veranschaulichung des Begriffs der unternehmensspezifischen Position sollen abschließend einige Beispiele beitragen:141 So kann nur ein Unternehmen(sträger) beeinträchtigt werden, indem negativ auf seinen Kundenstamm eingewirkt 142 oder geschäftsschädigende Kritik in einem Warentest143 geübt wird. Dagegen ist die Unterbrechung eines Stromkabels144 oder die Beeinträchtigung der Gaszufuhr 145 nicht speziell unternehmensbezogen - jeder Haushalt wird mit Strom bzw. Gas versorgt und ist von einem Ausfall betroffen. So argumentierte auch der BGH: 146 „Die Lieferung elektrischen Stromes ... [sei] ... keine dem ... Gewerbebetrieb wesenseigentümliche Eigenheit, sondern eine ... Beziehung, die deijenigen gleichartig ist, die auch die anderen Stromabnehmer ... mit dem Elektrizitätswerk verbindet". Entsprechendes gilt auch für Telefonservice-Unternehmen, zum Beispiel Auskunftsdienste: Vom Versagen eines Telefonanschlusses mit der Möglichkeit eines sich daraus ergebenden Schadens ist jeder Angeschlossene betroffen, nicht nur ein Unternehmen. Bestätigt wird die These auch in einem hauptsächlichen Anwendungsbereich 147 des Rechts am Unternehmen: bei den Schutzrechtsanmaßungen,148 wenn beispielsweise Rechte an Warenzeichen bzw. Marken 149 durch unberechtigte Abmahnung verletzt werden. Die Nutzung der genannten Schutzrechte im geschäftlichen Verkehr erfordert regelmäßig eine Wirtschaftseinheit aus materiellen Gütern (Produktionsmittel, Verkaufsmöglichkeiten, zur Dienstleistung erforderliche Mittel) und jedenfalls auch aus immateriellen Gütern (Know-how, Nutzungsrecht und Kundenkreis), also ein Unternehmen.150 Die Anmaßung eines Schutzrechtes ist damit, wenn dies Auswirkungen für das betroffene Unternehmen hat, stets als unternehmensspezifische Beeinträchtigung anzusehen. 141

Zur Anwendung im Falle der Bankauskunft sogleich. Ob der Eingriff in solche Positionen dann haftungsauslösend ist, wird aber nicht allein mit diesem Kriterium entschieden, ablehnend ftlr den Fall der Beschränkung des Kundenkreises RG, 13.4. 1912, RGZ 79,226. Zur Einschränkung siehe oben, (1), S. 90 ff. 143 Siehe Palandt62/7?Kwias, § 823, Rd. 22. 144 BGH, 9. 12. 1958 - VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65 ff. (Stromkabel I) und BGH, 9. 6. 1959 III ZR 61/28, NJW 1959,1423 (Stromkabel II). 145 RG, 24. 6. 1927, RGZ 117,315 ff. 146 BGH, 9. 12.1958 - VI ZR 199/57, BGHZ 29, 75, 76. 147 von Caemmerer, Gesammelte Schriften Bd. I, S. 492 - 494; K. Schmidt, JuS 1993, 989; Suppes, Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb, S. 89. Kritisch Kunath, WRP 2000, 1074 ff.; Ulimann, GRUR 2001, 1027 ff. Bei Verletzung solcher Schutzrechte durch Verwertung ist das Recht am Unternehmen dagegen kaum noch von Bedeutung, weil die betreffenden Gesetze eigene Schadensersatzansprüche regeln, §§14 Abs. 6; 15 Abs. 5 MarkenG; § 14aGeschmMG. Siehe aber OLG Hamburg, 12. 9. 1997 - 3 U 202/97, NJW-RR 1998, 552, zum Ausnahmefall der Verwendung einer Marke außerhalb des geschäftlichen Verkehrs („Pack den Tiger in die Bürgerschaft). 148 Siehe nur RG, 27.2. 1904, RGZ 58, 24; BGH, 5. 11. 1962 - I ZR 39/61, BGHZ 38, 205; K. Schmidt, JuS 1993,985; Soergel12/Zewm?r, § 823, Rd. 106. 149 Seit der Ablösung des Warenzeichengesetzes durch das auf der RI. 89/104/EWG basierende Markengesetz zum 1. 1. 1995. 150 Fn. 81, S. 87. 142

Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

Rechtswidrige Streiks sind nach diesem Verständnis dagegen nicht allgemein über das Recht am Unternehmen zu erfassen. Zwar sind die Auswirkungen solcher Handlungen (bzw. Unterlassungen) auf das Unternehmen ersichtlich, mehr noch: sie sind Ziel derselben. Insbesondere bei einem Abschneiden der Lieferbewegungen zum oder vom Unternehmen ist der Erfolg jedoch nicht unternehmensspezifisch. Wie auch bei den Zuleitungen ist der Unternehmer von einer solchen Unterbrechung wie jedermann betroffen. Der Schaden ist für den Unternehmer „nur" seines Umfangs wegen ein besonderer. Dies ist aber, wie sogleich dargelegt werden wird, 151 unbeachtlich.152 Demgegenüber wird der Fall des Boykotts bzw. des Aufrufs zum Boykott als Zugriff auf den Kundenstamm, und die regelmäßig mit dem Boykott verbundenen Werturteile 153 als Beeinträchtigung des guten Rufs, also in unternehmensspezifische Positionen und folglich als Eingriff in das Recht am Unternehmen zu bewerten sein. Damit ein Schadensersatzanspruch wegen Eingriffs in das Recht am Unternehmen besteht, muß der Verletzungserfolg also unternehmensspezifisch gestaltet sein. Der Vermögensschaden muß gerade dadurch ermöglicht worden sein, daß als Gegenstand des Angriffs ein Unternehmen, also eine Position betroffen ist, die bei lebensnaher Betrachtung nur einem Unternehmer zukommt.

(3) Die Untauglichkeit der besonderen Schadenshöhe als Abgrenzungskriterium Mit der Eingriffsintensität kann eine Verletzung des Rechts am Unternehmen dagegen nicht begründet werden.154 Anderer Ansicht ist insoweit die Rechtsprechung, wenn die Haftung mit der „besonderen Betroffenheit" des Unternehmens begründet wird, und damit nicht die qualitative, sondern die quantitative Beeinträchtigung gemeint ist. 155 Zwar wird zum Beispiel ein Ausfall der Stromversorgung bei einem Unternehmen oft zu einem höheren Vermögensschaden führen als bei einem NichtUnternehmer. Die besondere Schadenshöhe ist jedoch kein Argument für die Annahme einer Haftung gegenüber Unter-

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Unten, (3), S. 98. Der Unternehmer steht deswegen nicht schutzlos. Denn neben § 826 BGB stehen ihm hier §§ 280 Abs. 1 ; 823 Abs. 2 BGB i. V.m. §§ 123 ff. / 240 / 253 StGB zur Seite. 153 Hinsichtlich Tatsachenbehauptungen greift der (vorrangige) § 824 BGB, K. Schmidt, JuS 1993,991. 154 Soergel 12/Zewrter, § 823, Rd. 110. 155 Z.B. BGH, 5. 11. 1962 - IZR 39/61, BGHZ 38, 204: „einschneidende Wirkung"; die oben herausgearbeitete Spezifizität des Eingriffs ist also nicht immer gemeint, wenn der BGH auf die Besonderheit des Eingriffs rekurriert. Für die Eingriffsintensität als Rechtfertigung der Haftung auch Scheerer, FS Bärmann, 1975, S. 810. 152

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nehmen. Art. 3 Abs. 1 GG 156 steht einer entsprechenden Differenzierung in zweierlei Hinsicht entgegen: Werden dem Unternehmer Schäden ersetzt, die auch beim NichtUnternehmer eintreten können, wird er schadensrechtlich bessergestellt. Die Ungleichbehandlung von Unternehmer und NichtUnternehmer in Hinblick auf besonders große Vermögensschäden wird durch das Recht am Unternehmen aber nicht gerechtfertigt. Das Recht gewährt nur den unabdingbaren Unternehmensschutz. Es bietet keine Grundlage für eine Besserstellung von Unternehmen, sondern schützt nur deren spezifische Belange. Die besondere Schadensanfälligkeit ist aber kein wesenseigentümliches Kennzeichen von Unternehmen. Vielmehr kann ein erheblicher Vermögensschaden auch beim NichtUnternehmer eintreten. Der besonders große Vermögensschaden des Unternehmers und des Nichtunternehmers müssen also gleich behandelt werden. Auch läßt sich keine Begründung dafür finden, daß zwar ein großer, nicht aber ein kleiner Schaden ersatzfähig ist. Dies wäre schlicht willkürlich 157 und in etwa so, als wollte man Schadensersatz zwar für ein gebrochenes Bein, nicht aber für einen malädierten Finger zusprechen oder die Reparaturkosten zwar bei einem beschädigten Kraftfahrzeug, nicht aber bei einem Fahrrad für ersatzfähig halten. Abgesehen davon bestehen auch erhebliche Schwierigkeiten bei der Abgrenzung eines großen von einem kleinen Schaden. Der Maßstab kann nicht sicher bestimmt werden. So ist zum Beispiel denkbar, daß eine abstrakte Schadenssumme erreicht sein muß.158 Das wäre in Hinblick auf die Einzelfallgerechtigkeit problematisch, weil ein summenmäßig identischer Betrag bei verschiedenen Geschädigten unterschiedlich große Auswirkungen haben kann.159 Ein anderer möglicher Maßstab ist der der Rechtsprechung. Diese stellt auf die besondere Betroffenheit des konkret geschädigten Unternehm(ensträg)ers ab, also auf einen jeweils für den Schadensfall zu bestimmender Betrag. Damit ist im Einzelfall - bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung - wiederum alles offen. 160 156

Siehe Fn. 134, S. 95. Das Willkürverbot, d.h. das Verbot unsachlicher Unterscheidungen, ist zentraler Gegenstand des Gleichbehandlungsgrundsatzes, Hueck,. Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 182; Schlemmer-Schulte, Beweislast und Grundgesetz, S. 94,110. 158 So z.B. der Vorschlag in der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/7752, S. 26, in Hinblick auf § 253 BGB in der ab 1. 8.2002 geltenden Fassung. 159 Siehe Taupitz, AcP 196 (1996), 143, aus der Sicht der ökonomischen Analyse des Rechts. 160 Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, daß in den Fällen eines besonders großen Schadens auch dem Schädiger Grundrechte zur Seite stehen, die gegen seine Haftung sprechen können, siehe zu Artt. 2, 12 und 14 GG in Hinblick auf die Beweislast Schlemmer-Schulte, Beweislast und Grundgesetz, S. 101, 105 f. 108 f. Zwar wird das entsprechende Interesse des Schädigers im Schadensersatzrecht zum Schutz des Geschädigten weitgehend ausgeblendet, i.R. der Herleitung eines Anspuchs aus der Schadenshöhe müßte es jedoch berücksichtigt werden. 157

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

cc) Zusammenfassung für den betriebsbezogenen Eingriff Ein betriebsbezogener Eingriff besteht damit nur bei - unternehmensspezifischer Verletzung - von aus der objektiven ex-ante-Perspektive des Handelnden erkennbaren Interessen des Unternehmers. Daß der Anwendungsbereich des Rechts am Unternehmen beschränkt ist, 161 ergibt sich nicht erst aus dieser Sichtweise und stimmt mit der Konzeption des BGB überein. Das Recht am Unternehmen als sonstiges Recht stellt die Schaffung einer kleinen Generalklausel innerhalb des § 823 Abs. 1 BGB dar. 162 Das widerspricht der Grundtendenz des Gesetzes, so daß das Recht am Unternehmen restriktiv gehandhabt werden muß.

2. Die Bankauskunft als Eingriff

in das Recht am Unternehmen

Hat die fehlerhafte Auskunft schädigende Folgen für ein Unternehmen im oben163 genannten Sinne, was meist der Fall sein wird, weil in der Regel Unternehmer Auskünfte für ihre geschäftlichen Belange einholen, müßte der Vorgang einen betriebsbezogenen Eingriff darstellen.

a) Die Ersichtlichkeit der Unternehmensinteressen als Merkmal für die Betriebsbezogenheit der Handlung besteht bei der Erteilung einer (fehlerhaften) Bankauskunft ohne weiteres. Für die auskunftserteilende Bank ist evident, daß die Auskunft, sei es eine Eigen-, eine Fremd- oder eine Bank-zu-BankAuskunft, regelmäßig als Grundlage für vermögenswirksame Entscheidungen eines Unternehmers dienen soll. 164

b) Durch die Auskunft wird der Empfänger aber nicht spezifisch als Unternehmer betroffen. Es ist kein unternehmensbezogener Erfolg gegeben: 161 Gieseke, GRUR 1950, 298; Suppe s, Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb, S. 2, 89 unter Verweis auf § 14 UWG. 162 von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 499; MüKo3/Mertens, §823, Rd.481; Staudinger12/^. Schäfer, § 823, Rd. 149, m.w.Nachw.; K. Schmidt, JuS 1993, 986. 163 1. b) bb (2), S. 97. 164 Das Interesse, ungünstige Vermögensentscheidungen zu vermeiden, ist auch soweit identisch, daß eine allgemeine Betrachtung möglich ist. Es muß also nicht auf den konkreten Unternehmer als Auskunftsnutzer abgestellt werden, der der Bank i.d.R. nicht bekannt ist. Folgt man dem nicht, scheitert ein Schadensersatzanspruch wegen Eingriffs in das Recht am Unternehmen allerdings schon an dieser Stelle.

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Zwar werden Bankauskünfte in der Praxis vornehmlich von Unternehmern genutzt. Entscheidend ist aber, daß die schädliche Auswirkung einer falschen Auskunft nicht in der Unternehmereigenschaft gründet, dem Unternehmen wesenseigentümlich ist. Sie trifft jeden Nutzer, der sich an der Auskunft orientiert und infolgedessen Fehldispositionen vornimmt. Ein besonderer Vermögensschutz (nur) für Unternehmer kann hierbei also nicht gerechtfertigt werden. Freilich wird bei fehlerhaften Auskünften der Schaden beim Geschäftsmann oft ein größerer sein als beim sonstigen Privaten. Dies ist jedoch aus den oben genannten Gründen165 kein Ansatzpunkt für eine Privilegierung des Unternehmers durch Bejahung einer aus der Verletzung des Rechts am Unternehmen resultierenden Ersatzpflicht. Bei einer Bankauskunft ist also nur eines der beiden Merkmale des betriebsbezogenen Eingriffs erfüllt: die Ersichtlichkeit der Unternehmensinteressen. Daraus allein kann eine schadensrechtliche Sonderstellung des Unternehmens nicht begründet werden. Folglich besteht kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in das Recht am Unternehmen.166 V. Die Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Schutzgesetz 7. Schutzgesetze im herkömmlichen Sinne Mit Schutzgesetzen im klassischen Sinn läßt sich eine allgemeine Auskunftshaftung nicht begründen. Unproblematisch sind hiervon zwar Fälle erfaßt, bei denen die Voraussetzungen der §§ 263 ff. StGB, also bei anerkannten Schutzgesetzen i.S.d. Art. 2 EGBGB167 erfüllt sind. Dies hilft aber nicht weiter: 168 - § 263 Abs. 1 StGB, Betrug, setzt voraus, daß das Kreditinstitut vorsätzlich eine falsche Auskunft erteilt, um sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. 169 Generell besteht seitens der Bank aber nur ein allgemeines, auf die gesamte Geschäftsbeziehung mit dem Kunden ausgerichtetes Provisionsinteresse.170 Angesichts der erforderlichen Stoffgleichheit 171 zwi-

165

1. b) bb) (3), S. 98. Ebenso Locher, Kreditauskünfte, S. 37. 167 Tröndle/Γ. Fischer, StGB, 51. Aufl. 2003, § 264a, Rd. 2; Palandt62/77wmas, § 823, Rd. 149. 168 Canaris , ZHR 163 (1999), 214, zur Dritthaftung von Experten. 169 Zu den Voraussetzungen des Betrugstatbestandes Tröndle/Γ. Fischer, StGB, 51. Aufl. 2003, § 263, Rd. 2. 170 Siehe oben, III. 4. a), S. 82, Jacob!Kehr!Klenk, Controlling, S. 45. 166

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sehen Vermögensschaden (des Dritten) und erstrebtem Vermögensvorteil (Provisionen etc. aus dem Vermögen des Kunden) genügt dies jedoch nicht zur Bejahung des subjektiven Tatbestandes des Betruges. Außerdem sind die Voraussetzungen des § 263 Abs. 1 StGB, also vorsätzliches Handeln der Bank, § 15 StGB, im Regelfall nicht gegeben. - § 264a Abs. 1 StGB,172 Kapitalanlagebetrug, wird, ganz abgesehen vom regelmäßig nicht einschlägigen Schutzzweck,173 schon deswegen nicht verwirklicht, weil Inhalt der Bankauskunft nicht „Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand", also Vermögensübersichten i.S.d. Norm, 174 sondern nur allgemein gehaltene Feststellungen und Bemerkungen hinsichtlich der Kreditwürdigkeit sind.175 - § 266 Abs. 1 StGB, Untreue, kommt gegenüber einem institutsfremden Dritten von vornherein nicht in Betracht, weil das Kreditinstitut diesem gegenüber eine Vermögensbetreuungspflicht 176 weder aus Gesetz, noch aus Vertrag oder einem sonstigen Treueverhältnis trifft. Insbesondere ließe sich eine solche Pflicht selbst aus einem bestehenden Auskunftsvertrag nicht herleiten, weil die bloße Verpflichtung, eine geschuldete Leistung zu erfüllen, hier: die Auskunft fehlerfrei zu erteilen, 177 nicht zur Begründung einer Vermögensbetreuungspflicht genügt.178 Gegenüber dem eigenen Kunden ist zwar eine Vermögensbetreuungspflicht und damit die Verwirklichung des § 266 Abs. 1, Var. 2 StGB (Treubruchstatbestand) denkbar.179 Der erforderliche Nachteilszufügungsvorsatz 180 ist aber jedenfalls im Regelfall nicht gegeben, zumal die Anforderungen an die Feststellung eines derartigen Vorsatzes hoch sind.181

171 BGH, 6.4.1954 - 5 StR 74/54, BGHSt 6, 115; BGH, 29.5.1987 - 3 StR 242/86, BGHSt 34,379,390 f. 172 Zur Schutzgesetzeigenschaft: BGH, 21. 10. 1991 - II ZR 204/90, BGHZ 116, 7 =NJW 1992, 241. 173 Es geht um den Schutz von Kapitalanlegem und des Kapitalmarktes vor Gefährdung der Vermögensinteressen, Tröndle/Γ. Fischer, StGB, 51. Aufl. 2003, § 264a, Rd. 2. 174 Tröndle/7: Fischer, StGB, 51. Aufl. 2003, § 264a, Rd. 12 und 265b, Rd. 21 f. 175 AGB-Banken, Nr. 2 Abs. 2 [= AGB-Sparkassen, Nr. 3 Abs. 1 S. 2]; Herrmann, in: Horn, German Banking Law, S. 103. 176 Zu dieser sowohl bei § 266 Abs. 1 Var. 1 als auch bei § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB einschlägigen Voraussetzung siehe Tröndle/Γ. Fischer, StGB, 51. Aufl. 2003, § 266, Rd. 18,19. 177 Zum Inhalt des Auskunftsvertrages siehe oben, Α. II. 2. b) bb) (1), S. 42 f. 178 Tröndle/71. Fischer, StGB, 51. Aufl. 2003, § 266, Rd. 29. 179 Treubruch kann es auch sein, wenn der Täter den Geschäftsherrn zu einer nachteiligen Vermögensverfügung veranlaßt, BGH, 10. 2. 1988-3 StR 502/87, wistra 1988,305. 180 BayObLG, 23. 1. 1969 - 4b St 74/68, GA 1969, 308; BGH, 24. 8. 1999 - 1 StR 232/99, wistra 2000,60.

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Bei den in Betracht kommenden nicht strafrechtlichen Schutzgesetzen ist vor allem der auf den Dritten gerichtete Schutzzweck problematisch. So schützt das Gesetz über das Kreditwesen, KWG, die Allgemeinheit durch Sicherung eines gewissen Mindeststandards für Banken. Hintergrund ist, daß den Kreditinstituten überall dort, wo Finanzen im Spiel sind, eine bedeutende gesamtwirtschaftliche Funktion zukommt.182 Schlechtleistungen, die „nur" zu Lasten des einzelnen gehen, sind angesichts der gesamtwirtschaftlichen Zielsetzung des Gesetzes nicht erfaßt. 183 Daß aber einzelne Bankauskünfte negative Auswirkungen für den gesamten Markt haben, kann - anders als zum Beispiel bei der Insolvenz einer Bank - nicht angenommen werden. Ein Verbraucher-, das heißt individualschützender Charakter ist dem KWG also nicht zu entnehmen,184 so daß jedenfalls für die Auskunftshaftung 185 keine Norm des KWG als Schutzgesetz i.S. von Art. 2 EGBGB und § 823 Abs. 2 BGB in Betracht kommt.186 Aber auch sonstige Normen außerhalb des StGB lassen sich bei der Auskunftshaftung nicht als Schutzgesetz heranziehen. §§ 37 Abs. 1 S. 4 und 399 404 AktG, §§45 ff., 88 und 89 BörsG oder § 13 VerkaufsprospektG passen allenfalls hinsichtlich ihrer Rechtsfolge: Haftung. Sie sind nach ihrem Inhalt und Anwendungsbereich aber von der hier zu behandelnden Problematik zu weit entfernt, als daß sie in analoger Anwendung bei der Auskunftshaftung Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB sein könnten.187 So fehlt eine allgemeine Pflicht zur Auskunftserteilung, die der Prospektpflicht vergleichbar wäre ebenso, wie ein Interesse der Allgemeinheit an der Richtigkeit der Bankauskunft, das dem Interesse i.S. von § 37 Abs. 1,4 oder § 400 AktG gleichkommen würde.

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BGH, 3. 11. 1982 - 2 StR 159/82, NJW 1983, 461; BGH, 18. 11. 1986 - 1 StR 536/86, wistra 1987, 138; BGH, 12. 6. 1990 - 5 StR 268/89, NJW 1990, 3220; BGH, 24. 8. 1999 - 1 StR 232/99, wistra 2000,60. 182 Hopt, ZHR 143 (1979), 142, 148; Horn, in: Horn, German Banking Law, Einleitung, S. 1; Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 224; Schork, KWG, S. 12. 183 Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch//?. Fischer, § 125, Rd. 14; Paul, IBA 2000,262. 184 Früh, WM 2002, 1814; Herrmann, in: Horn, German Banking Law, S. 92; Mertz, Vermögensinteressen, S. 57; Schork, KWG, S. 11; BT-Drucks. 8/3047, S. 1 - 4 . 185 Anders für § 18 KWG der BGH, 5.2. 1972 - VIZR 120/71, NJW 1973, 321. Dagegen Mertz, Vermögensinteressen, S. 57. Die Prüfpflicht bei der Vergabe bestimmter Kredite ist aber jedenfalls von der Auskunftshaftung zu weit entfernt, als daß die Norm hier nutzbar gemacht werden könnte. 186 Siehe i.R. der Auskunftshaftung zu § 18 S. 1 KWG OLG Frankfurt a.M., 5.6. 1984 5 U 188/83, WM 1985, 253. Die Vorschrift statuiert die Pflicht zur Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden als Ausfluß des bankkaufmännischen Grundsatzes, Kredite nur nach umfassender und sorgfältiger Bonitätsprüfung zu gewähren und bei bestehenden Kreditverhältnissen die Bonität des Kreditnehmers laufend zu überwachen. § 18 S. 1 KWG dient dem Schutz des Kreditinstituts und seiner Einleger, steht einer im Einzelfall nicht risikofreien Kreditvergabe jedoch nicht entgegen. 187 Siehe zur allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung die Erwägungen unten, D., S. 152 ff.

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Die in den AGB-Banken festgeschriebenen Grundsätze zur Auskunfiserteilung ermangeln der Eigenschaft einer Norm i.S.d. Art. 2 EGBGB, weil ihre Geltung auf vertraglicher Vereinbarung 188 durch Einbeziehung der allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB, insbesondere 305 Abs. 2 BGB 189 und 305c Abs. 1 BGB beruht.

2. Auskunftshaftung

wegen Verkehrspflichtverletzung

[E]s ist nicht mehr als die Spitze eines Eisberges, die deutlich gemacht kann. 190 Um dennoch eine deliktsrechtliche Haftung für primäre Vermögensschäden zu ermöglichen, wird vertreten, im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB vermögensschützende Verkehrspflichten anzuerkennen.191 Ausgehend von dem als unbefriedigend betrachteten Gefälle zwischen Rechtsgüterschutz und Vermögensschutz192 versucht man, das Vermögen deliktsrechtlich stärker zu schützen. Angesichts des kühnen Schrittes,193 den diese Ansicht wagt, ist sie auch als „Flucht nach vorn" 194 bezeichnet worden. Ihr liegt folgende Konstruktion zugrunde: Den Verkehrspflichten wird ein eigenständiger Gehalt zuerkannt. Als vom Einzelsachverhalt gelöste195 richterrechtliche Normen 196 sollen sie dem Gesetzesbegriff des Art. 2 EGBGB unterfallen 197 und damit taugliches Schutzgesetz im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB sein. Bei Auskünften, die im Zusammenhang mit der Ausübung eines vermögenssorgenden Berufes erteilt werden, also auch bei Bankauskünften, sollen den Auskunftgeber vermögensschützende Pflichten treffen, zum Beispiel die Pflicht zur sorgfältigen Erstellung der Information. 198 Bei schuldhafter Pflichtverlet188

Herrmann, in: Horn, German Banking Law, S. 91. Allerdings nicht im Fall des § 310 Abs. 1 S. 1 BGB. von Bar, Verkehrspflichten, S. 44. 191 Insbesondere von Bar, Verkehrspflichten, S. 204 ff.; K. Huber, FS von Caemmerer, 1978, S. 359 ff.; Mertens, AcP 178 (1978), 230 f. 192 Köndgen, Selbstbindung, S. 366. 193 Emmerich, Jura 1987,67: „überaus kühne Fortentwicklung". 194 Köndgen, Selbstbindung, S. 366. 195 Mertens, AcP 178 (1978), 230. 196 K. Huber, FS von Caemmerer, 1978, S. 382. 197 von Bar, Verkehrspflichten, S. 163 ff., unter Hinweis auf die Übereinstimmung seiner Auffassung mit Art. 2 EGBGB, die aber so nicht besteht - dazu unten, f), S. 118 ff.; K. Huber, FS von Caemmerer, 1978, S. 382. 198 von Bar, Verkehrspflichten, S. 233 ff. 189 190

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zung haftet der Auskunftgeber nach § 823 Abs. 2 BGB für Vermögensschäden. Die Pflichten sollen von den Gerichten als Richterrecht an Hand von Berufsstandards, Vertrauenslagen und der Verkehrsanschauung entwickelt werden.199

a) Ursprung, Funktion und Herleitung der Verkehrspflichten Eine Bewertung dieses Ansatzes verlangt zunächst, Ursprung sowie Funktion der „Dunkelexistenzen ... , die wir Verkehrspflichten nennen"200, zu hinterfragen. 201 Als Ausgangspunkt der Begrifflichkeit kann § 367, Nr. 12 RStGB202 angesehen werden.203 Die Norm belegte in bestimmten Situationen denjenigen mit Strafe, der „an Orten, an welchen Menschen verkehren, [einen Zustand hervorruft oder andauern] läßt, [so] daß daraus Gefahr entstehen kann". Dementsprechend befaßte sich das Reichsgericht zuerst in einer Strafsache mit Verkehrssicherungspflichten. Es entschied, „die dem Verkehre dienenden Räume [seien] so einzurichten, daß sie ohne Gefahr passiert werden können".204 Einer zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht widmete sich das Reichsgericht erstmals in folgendem Fall: 205 Ein morscher Baum war umgestürzt. Dies hatte zu einem Schaden geführt. Das Gericht bejahte die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch den Grundstückseigentümer,206 weil dieser auf den Zustand des Baumes nicht genügend achtgegeben hatte.207 Das Reichsgericht nahm unter Erwähnung des nicht einschlägigen208 § 836 BGB (Haftung des Grundstücksbesitzers) die Pflicht des Eigentümers zum schadensabwendenden Tätigwerden209 an. Der leitende Gedanke bei der Statu199 Hopt, AcP 183 (1983), 634; K. Huber, FS von Caemmerer, 1978, S. 366; Mertens, AcP 178 (1978), 240. Dieser Ansatz ist nicht neu, entschied doch das Reichsgericht schon 1921 im ,Milzbrandfalt\ daß sich die Haftung des behandelnden Tierarztes aus seiner Berufsstellung ergebe, RG, 19. 9. 1921, RGZ 102,374. 200 Steffen,, VersR 1980,409. 201 Grundlegend dazu von Bar, Verkehrspflichten, S. 3 ff. 202 Reichsstrafgesetzbuch vom 15. Mai. 1871, RGBl. 1871, S. 127. 203 von Bar, Verkehrspflichten, S. 8. 204 RG, 19.10.1886, RGSt 14,362; von Bar, Verkehrspflichten, S. 13,14. 205 RG, 30. 10. 1902, RGZ 52,373; von Bar, Verkehrspflichten, S. 3. 206 Eigentümer und zugleich Besitzer i.S.d. §§ 836, 854 Abs. 1 BGB des öffentlichen Weges, auf dem der Baum stand, war der Fiskus. Dennoch war § 823 und nicht § 839 BGB einschlägig, RG, 30. 10. 1902, RGZ 52, 374, weil die Beschaffenheit des Baumes nicht mit einer hoheitlichen Tätigkeit in Zusammenhang stand, sondern mit der Eigenschaft des Fiskus als Grundstückseigner. 2 7 ° Siehe im Zusammenhang aus neuerer Zeit BGH, 23. 3.2003 - V ZR 319/02, Entscheidungsgründe, II, 1,2, (www.rws-verlag.de/bgh-free/volltext6/vo92734.htm). 208 Ein Baum ist kein Werk i.S.d. § 836 BGB, weil er nicht künstlich mit dem Erdboden verbunden, sondern natürlich gewachsen ist, siehe dazu Palandt62/77fomas, § 836, Rd. 2. 209 Diese Pflicht zum Tätigwerden hat das Reichsgericht trotz der Formulierung: JEsfragt sich ..., ob ... eine Verpflichtung ... besteht, Sorgfalt anzuwenden", RG, 30. 10. 1902, RGZ 52, S. 376,

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ierung dieser Pflicht bestand darin, daß nur so der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB und die Rechtswidrigkeit des Verhaltens bejaht werden konnten, obwohl man dem Schädiger nicht aktives Handeln, sondern Unterlassen vorwarf. Fraglich ist die Herleitung dieser Pflicht und damit der Verkehrssicherungspflichten bzw. Verkehrspflichten 210 durch das Reichsgericht. Die am Beginn einer Rechtsprechungsentwicklung (hier: zu den Verkehrspflichten) stehenden Entscheidungen beeinflussen die nachfolgende Entwicklung nämlich besonders stark. 211 Auf der Grundlage der Ausführungen des Reichsgerichts wird vertreten, das Reichsgericht habe die Pflicht aus einer Analogie zu § 836 BGB hergeleitet.212 Jene Herleitung wird kritisiert, weil § 836 BGB nach dem Willen des Gesetzgebers eine nicht analogiefähige Spezialvorschrift ist. 213 Die behauptete Analogie hat das Reichsgericht aber tatsächlich nicht gezogen. Daher ist sie auch nicht Grundlage der heutigen Rechtsprechung zu den Verkehrspflichten. Die Begründung der Entscheidung ergibt ein anderes Bild: Das Reichsgericht fragte zunächst, ob die im BGB vollzogene Abkehr vom Grundsatz des römischen Rechts,214 daß"... niemand zu einer positiven Handlung zu dem Zwecke, eine schädliche Einwirkung seiner Sache auf andere Menschen oderfremde Sachen zu hindern, verpflichtet sei ...", 215 nur auf die Fälle des § 836 BGB bezogen sei. Sodann verneinte das Reichsgericht den Ausnahmecharakter der Norm. Es erklärte, unter Verweis auf die Unmaßgeblichkeit216 der Motive, 217 daß sich § 836 BGB nur auf die Beweislast beziehe. Das Reichsgericht hat die Verkehrssicherungspflicht also nicht im Wege des Analogieschlusses aus § 836 BGB gewonnen. Die Pflicht des Eigentümers zur wohl auch gemeint, und nicht die Pflicht zur Sorgfältigkeit, denn zutreffend stellt von Bar, Verkehrspflichten, S. 50, fest, daß es „keine Pflicht zur Sorgfalt, sondern nur die Aufwendung von Sorgfalt in bezug auf die Erfüllung einer Pflicht" gibt 210 Dieser Begriff wurde erstmals in RG, 19. 9.1921, RGZ 102, 375, verwendet, siehe dazu von Bar, Verkehrspflichten, S. 43. 2,1 Man bedenke nur die Entwicklung der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung seit der bis heute prägenden Entscheidung BGH, 24.4. 1978 - II ZR 176/76, BGHZ 71, 284 = NJW 1978, 1625. 212 von Bar, Verkehrspflichten, S. 19, zu RG, 30. 10. 1902, RGZ 52,377 ff. 213 von Bar, Verkehrspflichten, S. 19, unter Hinweis auf Mugdan, Motive, Bd. II, S. 816. 214 D. 7.1. 13.2: „qui agrum non proscindit, qui vîtes non subserit, item aquarum ductus conrumpi patitur, lege Aquilia non tenetur" - „wer einen Acker nicht pflügt, die Weinstöcke nicht nachpflanzt und eine Wasserleitung verfallen läßt, der haftet nicht". 215 RG, 30. 10. 1902, RGZ 52,377. 216 RG, 30. 10. 1902, RGZ 52, 377, 378, insoweit in Übereinstimmung mit Fuchs, Juristischer Kulturkampf, S. 31, der von „motivenschnüfflerische[r]" Arbeit spricht, und Kuhlenbeck, Von den Pandekten, Theil I, S. VII, der die Materialien als „Papierabfälle der Commissionsarbeiten" bezeichnet. 217 Mugdan, Motive, Bd. II, S. 455.

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Instandhaltung seines Grundstücks folgerte das Reichsgericht aus einem allgemeinen Grundsatz des BGB. Dieser Grundsatz bestand seinerseits aus einer Umkehrung des oben zitierten 218 römisch-rechtlichen Prinzips der Nichtverantwortlichkeit.219 § 836 BGB sollte nur Ausdruck und Anwendungsfall dieses allgemeinen Grundsatzes sein. Damit bestand aus Sicht des Reichsgerichts keine Notwendigkeit für eine Analogie. Die Lösung des Falles konnte aus dem allgemeinen Grundsatz, das heißt aus der allgemeinen Pflicht zur Instandhaltung, hergeleitet werden. Es bleibt festzuhalten, daß sich die Bedeutung der reichsgerichtlichen Entscheidung darin erschöpft, am Beginn der zivilgerichtlichen VerkehrspflichtenRechtsprechung zu stehen. Eine ursprüngliche Bindung der Verkehrspflichten an § 836 BGB, und damit deren Entstehung außerhalb § 823 Abs. 1 BGB, kann der Entscheidung dagegen nicht entnommen werden. Wie nachfolgend aufgezeigt wird, wäre dies auch nicht akzeptabel.

b) Die Herleitung der Verkehrspflichten aus § 823 Abs. 1 BGB und deren Funktion Das vom Reichsgericht praktizierte Operieren mit allgemeinen Prinzipien ist jedoch unbefriedigend, 220 zumal treffend bemerkt wurde, daß der oben erwähnte Grundsatz der Nichthaftung für Unterlassen im BGB beibehalten werden sollte.221 Das Reichsgericht befand sich folglich, nach dem Wortlaut der Entscheidung bewußt,222 im klaren Gegensatz zum gesetzgeberischen Willen. Es stellt sich also die Frage einer Herleitung 223 der Verkehrspflichten aus dem BGB, und damit auch der Überprüfung des Verdiktes, die Pflichten seien „wilder Wurzel entsprungen".224

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Siehe Fn. 214, S. 106. RG, 30. 10.1902, RGZ 52, 377 ff. Dies traf ausweislich der Gesetzesmaterialien, Fn. 213, S. 106, nicht zu. Siehe zum Inhalt der Entscheidung im hier verstandenen Sinne auch Enneccerus/tf. Lehmann,, Schuldverhältnisse15, S. 946; R. Zimmermann/Verse, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 333. 220 Allgemein Mertens, VersR 1980,397. 221 von Bar, Verkehrspflichten, S. 19; anders zu verstehen wohl Kötz, Deliktsrecht8, Rd. 245. 222 RG, 30. 10.1902, RGZ 52, 378, spricht in diesem Zusammenhang von „der allgemeinen Unmaßgeblichkeit der Motive". 223 Es stellt sich also mehr als „nur" das Problem, diese Pflichten mit möglichst geringem dogmatischen Bruch im BGB zu verorten. Mittels dieser Fragestellung kam jedoch von Bar (Verkehrspflichten, S. 145) zur Einordnung in § 823 Abs. 2 BGB. 224 Esser, JZ 1953, 132 und ähnlich Deutsch, JuS 1967, 157: „Die Verkehrspflichten sind ein Wildwuchs im System des Deliktsrechts". 219

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aa) Die Wirkung der Verkehrspflichten Herleitung und Einordnung der Verkehrspflichten setzten zunächst voraus, daß deren Aufgabenbereich festgestellt wird. Die Betrachtung bleibt dabei auf ihr maßgebliches Anwendungsgebiet, § 823 Abs. 1 BGB, beschränkt. Zwar wird vertreten, daß die Verkehrspflichten zum Schutz aller deliktisch geschützten Güter bestehen.225 Auch kann dieser Ansatz vom hier gefundenen Ergebnis her bestätigt werden.226 Hauptanwendungsfeld der Verkehrspflichten ist jedoch § 823 Abs. 1 BGB, 227 und auch die erweiternden Theorien228 gehen sämtlich von den zu § 823 Abs. 1 BGB entwickelten Verkehrspflichten aus. Wie oben229 erwähnt, waren die Verkehrspflichten bei § 823 Abs. 1 BGB zunächst bei der Haftung für Unterlassen relevant.230 Gefragt war, ob ein i.S.d. modifizierten conditio-sine-qua-non-Formel231 kausales Nichtstun infolge einer Pflicht zum Tätigwerden als pflichtwidrig und damit tatbestandsmäßig und rechtswidrig zu bewerten war, ob also ein Handhmgsgebot bestand.232 Später wurden dann Handlungsverböte angenommen, deren Verletzung die Rechtswidrigkeit eines aktiven Verhaltens begründete. Es wurden also Verkehrspflichten festgestellt, die eine bestimmte Tätigkeit untersagten.233 Dies geschah bei den mittelbar, also über Zwischenursachen einen Verletzungserfolg herbeiführenden Handlungen. Die Verkehrspflichten sind dabei notwendig, weil Handlung und Erfolg zu weit voneinander entfernt sind, als daß die Schutzgutverletzung Indikator der Rechtswidrigkeit sein kann.234 Jene Entwicklung darf als zwangsläufig angesehen werden. Schon in seiner ersten Verkehrspflichten-Entscheidung hatte das Reichsgericht nämlich ausgeführt, daß der Unterschied zwischen Tun und Unterlassen eher auf der Vorstellung als auf den 225

Laienz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2 13 , S. 406. Unten, e), S. 116. 227 Siehe als Beleg nur den Umfang der Erörterung der einzelnen Verkehrspflichten in der Kommentarliteratur zu § 823 Abs. 1 BGB, z.B. P a l a n d r a n a « § 823, Rd. 64 - 139, von Abfall und Architekt über Deichunterhaltspflicht und Kegelbahn bis Verunreinigung von Gewässern und Wochenmarkt. Nachvollziehbar die spitze Formulierung von Mertens, VersR 1980, 397: „Rechtsprechungströdel". 228 Oben, Fn. 191, S. 104. 229 a), S. 106. 230 Canaris, FS Larenz, 1983, S. 77; Jost, Vertragslose Haftung, S. 184; SoergeluIZeuner, § 823, Rd. 210. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die Handlungspflicht nur im Tatbestand, nur bei der Rechtswidrigkeit oder auf beiden Wertungsstufen maßgeblich wird, siehe dazu Fikentscher, Schuldrecht9, Rd. 1237; Lorenz/ Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2 13 , S. 368. 231 Der Schaden müßte bei Hinzudenken der unterbliebenen Handlung verhindert worden sein, BGH, 25. 9. 1952 - III ZR 322/51, BGHZ 7, 204 ff. 232 RG, 30. 10. 1902, RGZ 52, 373 ff. 233 von Bar, Verkehrspflichten, S. 62 ff.; von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 481. 234 von Bar, Verkehrspflichten, S. 79, 153, 156; Fikentscher, Schuldrecht9, Rd. 1057; Larenz, FS Dölle, Bd. I, 1963, S. 192. 226

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tatsächlichen Gegebenheiten beruhe.235 Auch gleicht eine mittelbar herbeigeführte Verletzung einer durch Unterlassen bewirkten Verletzung, denn die zur Beeinträchtigung führende letzte Ursache wird nicht vom Handelnden gesetzt. Sie ist das Resultat aus dem Verhalten Dritter, dem Verhalten des Opfers oder Ergebnis sonstiger Einwirkungen.236 Des weiteren werden die Verkehrspflichten bei der Verschuldensprüfung relevant. Die objektive SorgfaltsWidrigkeit entspricht dem Verstoß gegen die Verkehrspflicht, weil jene das Verhalten definiert, welches im Verkehr für erforderlich gehalten wird. 237 Insgesamt ergibt sich also ein „dienendes Erscheinungsbild"238 der Verkehrspflichten als Hilfsmittel bei der Feststellung von Tatbestandsmäßigkeit,239 Rechtswidrigkeit oder objektivem Verschulden.240

bb) Der Bewahrungsgedanke des § 823 Abs. 1 BGB Damit bietet sich an, die Herkunft der Verkehrspflichten dort zu suchen, wo sie relevant werden: bei § 823 Abs. 1 BGB selbst. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, daß Zweck der Vorschrift mehr als nur die Regulierung eines eingetretenen Erfolges (Verletzung und Schaden) ist. Mit der Statuierung eines umfassenden Schutzes gegenüber jedermann ist § 823 Abs. 1 BGB Ausdruck der gesetzgeberischen Entscheidung für eine allgemeine Schutzwürdigkeit der aufgeführten Positionen.241 Auch weil Schadensvermeidung erstrebenswerter als 235

RG, 30. 10. 1902, RGZ 52, 376; ähnlich von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 482 unter Hinweis auf die vorn genannte Entscheidung des Reichsgerichts. Weitergehend Soergeln!Zeuner, § 823, Rd. 210, 212, wo als Ausgangspunkt der Verkehrspflicht auch beim Unterlassen immer das demselben vorausgehende Handeln angesehen wird, weil die Gefahr stets durch positives Tun geschaffen werde und erst darauf das Unterlassen gefahrabwendender Maßnahmen folge. 236 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2 13 , S. 402. 237 Siehe dazu Kötz, Deliktsrecht8, Rd. 260 und ebenda zur (bedenklichen) Abkehr vom Verschuldenserfordernis hin zu einer verkappten Gefährdungshaftung durch Überspannung der Sorgfaltsmaßstäbe; dazu auch von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 469; Grunewald, JZ 1982, 630; Mertens, VersR 1980,404; Westen, FS Hippel, 1967, S. 591 ff. 238 Ähnlich Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2 13 , S. 399,400. 239 Generell für diese Einordnung Fikentscher, Schuldrecht9 , Rd. 1237; LarenTJ Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2 13 , S. 368, mit der Folge der Rechtswidrigkeitsindikation durch die Tatbestandsverwirklichung. Nach herrschender Meinung gilt dies dagegen nur bei den Unterlassungsdelikten. 240 Dies ist ein problematischer Begriff, weil die objektive Sorgfaltswidrigkeit sich nicht von der Rechtswidrigkeit unterscheiden läßt, mit dem Merkmal der Schuld aber gerade die subjektive Vorwerfbarkeit zu prüfen ist; entsprechende Bedenken bestehen auch bei den in Fn. 237 Genannten. 241 Siehe dazu Laiznz! Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2 13 , S. 375. Sutschet, Schutzanspruch, S. 112, ist also nicht zu folgen, wenn er (zu den vertraglichen Schutzpflichten, rhetorisch) fragt: „Welchen Sinn sollte die Annahme einer Verpflichtung zur Nichtschädigung haben, wenn nicht eine Ersatz-

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Schadensregulierung ist, 242 wäre dem anerkannten Schutzbedürfnis aber nicht Genüge getan, wenn nur ein Ausgleich für Verletzungen gewährt würde. Soll die gesetzgeberische Entscheidung für die Schutzwürdigkeit eine Wirkung haben, ergibt sich darüber hinaus das Bedürfiiis einer Bewahrung der Schutzgüter. Wenn die Sanktionswirkung des § 823 Abs. 1 BGB, das heißt die Pflicht zur Leistung von Schadensersatz, davon abhält, schädigende Handlungen überhaupt erst vorzunehmen,243 ist dies also nicht nur ein Nebeneffekt, sondern Ausdruck und Verwirklichung des Schutzzwecks der Norm. Damit wirkt § 823 Abs. 1 BGB nicht erst im Verletzungs- bzw. Schadensfall. Aufgrund des Schutzcharakters kommt der Norm bereits im Vorfeld des schädigenden Erfolges Bedeutung zu. Eine eigenständige Ausprägung hat dieses Prinzip, das man als Bewahrungs- oder Erhaltungsgedanken bezeichnen kann, in der Anerkennung der quasinegatorischen Unterlassungsklage analog §§ 12, 864, 1004 i.V.m. 823 Abs. 1 BGB gefunden: 244 Die oben erwähnte gesetzgeberische Grundentscheidung bestätigt ein Bedürfiiis für effektiven Schutz der Positionen des § 823 Abs. 1 BGB. Weil diese Schadensersatznorm (i.V.m. §§ 249 ff. BGB) als Rechtsfolge nur Wiederherstellung gewährt, muß dem durch eine eigenständige Unterlassungsklage Rechnung getragen werden. Der pflicht für den Fall der Schädigung besteht?" Die Pflicht hat den Sinn, daß es gar nicht zur Schädigung kommt. 242 So ausdrücklich zur für die Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB gewährten Unterlassungsklage, Enneccerus///. Lehmann, Schuldverhältnisse15, S. 1008. Siehe ferner die auf dasselbe hinauslaufende Formel der Schutzzwecklehre, wonach nur ein Schaden ersetzt wird, den die verletzte Norm vermeiden helfen sollte, Palandt62///emnc/7s, Vor § 249, Rd. 62. Ablehnend Hirte, Berufshaftung, S. 319 ff., zur ökonomischen Analyse des Rechts u.a. mit dem Argument, die Zahlungspflicht begründe für denjenigen kein Haftungsvermeidungsstreben, der ohnehin kein Geld habe oder der versichert sei. Auch was die Signalfunktion der Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB angeht, stellt diese Betrachtung aber zu sehr auf einen gefühl- und sittenlosen homo oeconomicus ab. Außerdem ist sie nicht mit der auch von Hirte, S. 427, bestätigten Tatsache vereinbar, daß jede Haftung die Handlungsfreiheit einschränkt. Denn diese Einschränkung ergibt sich insbesondere im Vorfeld der Schädigung, und nicht erst in Form der Pflicht zur Leistung von Schadensersatz. 243 Allgemein zu diesem Zweck und dieser Wirkung von Schadensersatzvorschriften, Lange, Schadensersatz, S. 10; Larenz, Methodenlehre6, S.252; Mertens, VersR 1980, 405; MüKo3/M?rtens, Vor §§ 823 -853, Rd.44; Staudingern/Schiemann, Vor §§249 ff., Rd. 27; Hs. Stoll, AcP 162 (1963), 209: Schadensersatznormen versuchen auch, den Adressaten zum normgerechten Verhalten zu bewegen; so auch Picker, AcP 183 (1983), 463 und, für den Bereich rechtsgeschäftlicher Verantwortlichkeit, Willoweit, Vereinbarungen, S. 76: Die Rechtsordnung läßt den Verantwortlichen die Folgen seines Handelns tragen, weil sie hofft, daß er sich in Zukunft richtigverhalten werde. Siehe dazu auch Taupitz, AcP 196 (1996),138, 139; Ulen, Rational Choice Theory, S. 799, 814, aus der Sicht der ökonomischen Analyse des Rechts (für das anglo-amerikanische Tort Law, in dem der Präventionsgedanke eine größere Rolle spielt als im deutschen Recht, Taupitz, AcP 196 (1996), 144,145). 244 RG, 5. 1. 1905, RGZ 60, 7. RG, 11.4.1901, RGZ 48, 120, 121 leitete den Unterlassungsanspruch noch direkt aus der Schadensersatznorm her und ließ eine Analogie zur quasinegatorischen Unterlassungsklage ausdrücklich dahinstehen - dazu auch Enneccerus///. Lehmarm, Schuldverhältnisse15, S. 1009; die actio quasi negatoria wurde erst in RG, 5.1.1905, RGZ 60, 7 erwähnt.

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Grund für die Anerkennung der quasinegatorischen Klage, also der Anspruch selbst, ist damit in der Schutzfunktion des § 823 Abs. 1 BGB zu finden. 245 Des weiteren wirkt der dargestellte Erhaltungsgedanke, wenn - bei der unmittelbaren Verletzung durch Tun - aus dem Verletzungserfolg auf die Rechtswidrigkeit des ursächlichen Verhaltens geschlossen wird, sog. Erfolgsunrecht.246 Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens besteht auch hier nicht mit einem Schlag infolge der Verletzung, also aufgrund einer ex-tunc-Wirkung des Eingriffserfolges. Vielmehr ist die aus dem Erfolg geschlossene Rechtswidrigkeit notwendig schon vor der Verletzung gegeben. Damit muß die Rechtswidrigkeit aber auch unabhängig vom Erfolg sein.247 Der eingetretene Verletzungserfolg dient nämlich nur als Indikator bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Handelns. Auch die an das Erfolgsunrecht anknüpfende Auffassung 248 macht allein das Verhalten und damit eine Verhaltenspflicht zum Gegenstand des Rechtswidrigkeitsvorwurfs. 249 Die Rechtswidrigkeit der Handlung kann also nicht vom Eintritt des Verletzungserfolges abhängig sein, weil das Verhalten zwingend vor der Verletzung liegt. Die Widerrechtlichkeit wird durch ein anderes Moment begründet. Es ist das § 823 Abs. 1 BGB zu entnehmende Verbot der Schutzgutgefährdung durch die (Verletzungs-)Handlung. Die Grundlage hierfür bildet die Erkenntnis, daß sich bei jedem zur Verletzung führenden Verhalten bis zum Eintritt der Beeinträchtigung die Stadien der abstrakten und konkreten Gefahr für das Schutzgut nachweisen lassen.250 Folglich ist eine Schutzgutverletzung in jedem Fall Gefahrverwirklichung. Aus dem Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB, der auf Vermeidung der Gefahrverwirklichung in Form des Schadenserfolges zielt, ergibt sich, daß bereits diese Gefährdung untersagt ist. 251 Obwohl also § 823 245 Enneccerus///. Lehmann, Schuldverhältnisse15, S. 1009; anders von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 457, der in der Unterlassungsklage, u.a. weil diese verschuldensunabhängig gewährt wird, einen weit über das subjektive Recht hinausgehenden Rechtsschutz sieht. 246 Staudinger12//:. Schäfer, § 823, Rd. 1 ff. 247 Dies wird auch mit der Trennung von Tatbestands- und Rechtswidrigkeitsprüfung deutlich. 248 D.h. die ganz herrschende Meinung, siehe nur Palandt62/77*omas, § 823, Rd. 33. 249 von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 481, 544; LaicnzJCanaris, Schuldrecht, Bd. II/2 13 , S. 362, 365; Deutsch, JuS 1967, 154, 155; Larenz, FS Dölle, Bd. I, 1963, S. 192; Staudinger12/L0w/5c/i, § 276, Rd. 6; Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 375. 250 Ähnlich Hs. Stoll, AcP 162 (1963), 229. Dies ist möglicherweise ein Grund dafür, daß man sich bei den Verkehrspflichten bis heute nicht auf einen einheitlichen Gefahrbegriff geeinigt hat, siehe zu den unterschiedlichen Ansichten, LorcnzJCanaris, Schuldrecht, Bd. II/2 13 , S. 402. 251 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2 13 , S. 366: Das Rechtswidrigkeitsurteil baut auf der Verhaltenspflicht, die eine „Gefahrvermeidungspflicht" ist, auf; U. Huber, FS Wahl, 1973, S. 302; bei § 823 Abs. 1 BGB handelt es sich damit tatsächlich um eine „unerlaubte Handlung"; anderer Ansicht Westen, FS Hippel, 1967, S. 629; generell für die Übertragung von „Gedankengut der Gefährdungshaftung" ist von Bar, Verkehrspflichten, S. 103.

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Abs. 1 BGB als Schadensersatznorm nur die Korrektur des Verletzungserfolges regelt, wirkt er als erste und zugleich zentrale Norm des 27. Titels (Unerlaubte Handlungen) vor und unabhängig von der tatsächlichen Verletzung. Er unterwirft das Verhalten des Schädigers ab einem bestimmten, jeweils für den Einzelfall festzustellenden 252 Grad an Schutzgutgefährdung dem Verdikt der Rechtswidrigkeit.253 Ein Schluß von der Verletzung auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens, mißverständlich254 als Erfolgsunrecht bezeichnet, kann in den „Standardfällen" also nur erfolgen, weil die Schutzgutverletzung stattgefunden hat und damit die Gefahrverwirklichung feststeht. Wenn sich die Gefahr verwirklicht hat, muß das Maß der zulässigen Gefahr überschritten worden sein. Die konkrete (positive255) Feststellung der Rechtswidrigkeit über die Ermittlung der im Einzelfall zulässigen Gefahr und der sich daraus ergebenden Handlungspflicht ist dann grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Es findet nur noch die Prüfung statt, ob das Verhalten - zum Beispiel gem. §§ 228, 229, 904 BGB - gerechtfertigt ist. 256 Die indikative, vereinfachte Feststellung der Rechtswidrigkeit ist in den Fällen einer mittelbaren oder durch Unterlassen herbeigeführten Verletzung dagegen nicht möglich. Ein Unterlassen ist nur bei Bestehen einer Handlungspflicht tatbestandsmäßig und 257 rechtswidrig. Bei der mittelbar herbeigeführten Verletzung ist der Abstand zwischen Handlung und Erfolg zu groß. Insbesondere aufgrund mitwirkender Zwischenursachen ist der Erfolg (Verletzung) kein aus-

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Zur Art und Weise der Feststellung sogleich. So auch Deutsch, JuS 1967, 155, der „die Tatbestandsnorm bereits gegen das unmittelbare Bevorstehen der Körperverletzung" gerichtet sieht. Ebenso LaienzJCanaris, Schuldrecht, Bd. II/2 13 , S. 368: Aus dem (drohenden) Erfolg ergibt sich die Pflicht zu dessen Vermeidung. In diesem Sinne auch Steffen, VersR 1980,410: Verkehrspflichten sind die Grenzlinien im Spannungsfeld zwischen Integrität und Handlungsfreiheit. Auch nach von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 481, geht es bei den Verkehrspflichten generell um die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verhaltens. 254 Denn bewertet wird das Verhalten, nicht der Erfolg, siehe oben und Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2 13 , S. 365: Der „Erfolg [ist] nicht etwa Gegenstand, sondern Grund des Rechtswidrigkeitsprädikats". 2 Also die Frage danach, ob der Vorwurf der Rechtswidrigkeit zu bejahen ist; sie steht im Gegensatz zur negativen Feststellung, bei der gefragt wird, ob die Rechtswidrigkeit trotz der Indikation zu verneinen ist. 256 Davon zu trennen ist mit dem hier aufgezeigten Verständnis das sogenannte verkehrsrichtige Verhalten, wie zum Beispiel im Fall BGHZ 24,21: Ein Fahrgast hatte, vom Straßenbahnfahrer unbemerkt, versucht, auf die anfahrende Straßenbahn aufzuspringen, und sich dabei verletzt. Den Straßenbahnfahrer traf keine Verkehrspflicht, das Anfahren (und damit die Gefährdung des Fahrgastes) zu unterlassen, weil er den Fahrgast nicht bemerkt hatte. Dabei fehlt die Rechtswidrigkeit trotz abstrakter und konkreter Gefährdung (Mertens, VersR 1980,399). Eine Verhaltenspflicht, die nicht befolgt werden kann, weil sie nicht nur über das subjektiv, sondern über das objektiv (festzustellen im Wege einer objektiven ex-ante- Perspektive eines sorgfältigen Rechtsgenossen in der Rolle des Schädigers) Menschenmögliche hinausgeht, ist nämlich sinnlos. 257 Oben, Fn. 230, S. 108. 253

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reichender Indikator für die Rechtswidrigkeit des Verhaltens.258 Die Widerrechtlichkeit bzw. Handlungspflicht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB muß in beiden Fällen positiv259 ermittelt werden. Das gilt auch für die Verkehrspflichten. Dabei genügt es allerdings nicht, allein aus dem Schutzinteresse ein Gefährdungsverbot herzuleiten. Ergebnis wäre nämlich ein Verbot jeder Handlung, die ein § 823 Abs. 1 BGB-Schutzgut auch nur in geringste Gefahr bringt. 260 Die sich aus diesem Verbot ergebende Aussage würde zu einer unerträglichen Beschränkung der Handlungsfreiheit des Schädigers führen. 261 Die Handlungsfreiheit des Schädigers muß aber berücksichtigt werden, weil das Schutzinteresse kein absolutes Prinzip ist. 262 Das Verbot der Gefährdung bzw. das Gebot gefahrverringernden Handelns gilt also erst ab einer bestimmten Gefahrenlage. Es greift ein, wenn angesichts der Gefahr für ein Schutzgut die Beschränkung der Handlungsfreiheit des potentiellen Schädigers zumutbar ist. Die Aufstellung einer Verkehrspflicht erfolgt damit unter Berücksichtigung von zwei Prinzipien, Handlungsfreiheit und Schutzinteresse. Folglich hat die Pflichtfindung in einer Abwägung der gegenläufigen Belange263 zu erfolgen. Diese wertende Interessenabwägung264 kann nicht allgemein, abstrakt erfolgen. Man muß beiden Prinzipen genügend Rechnung tragen, und dies ist nur möglich, wenn das Maß der Gefahr und die Zumutbarkeit einer Berücksichtigung der Schutzinteressen an Hand der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Nur dann werden sämtliche beteiligten Belange in ihrer konkreten Gestalt berücksichtigt.265 Das zulässige Maß an Gefährdung muß also für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände im Wege einer wertenden Interessenabwägung festgestellt werden, wie dies bei den Rahmenrechten geschieht, die 258

Fikentscher, Schuldrecht9, Rd. 1057;Sutschet, Schutzanspruch, S. 53. So daß man in den Standardfällen von einer negativen Feststellung der Rechtswidrigkeit sprechen kann, weil diese regelmäßig gegeben ist, aber durch Eingreifen von Rechtfertigungsgründen aufgehoben werden kann. 260 Bzw. ein Gebot jeder gefahrvermeidenden Tätigkeit. 261 Deutsch, JuS 1967, 155; Picker, JZ 1987,1054. 262 Siehe nur Art. 2 Abs. 1; 14 Abs. 1 S. 2 GG. 263 Siehe dazu schon Savigny, Obligationenrecht, Bd. I, S. 8. Ferner Fabricius, AcP 160 (1961), 296; Mertens, VersR 1980, 397, 398; ähnlich Hs. Stoll, AcP 162 (1963), 233, der mit dem „Sozialwert der Handlung" abwägen will. 264 Allgemein von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 507. 265 Diese konkrete Betrachtung verhindert allerdings nicht „abstrakte" Verkehrspflichten aufzustellen, wie z.B. die Pflicht, dem allgemeinen Zugang eröffnete Räume so zu gestalten, daß für die Nutzer keine Gefahren entstehen. Denn auch hier wird die Wertung aus § 823 Abs. 1 BGB nur scheinbar von der einzelnen Person abgekoppelt - für jeden einzelnen Nutzer ist sie konkret einschlägig. 259

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aufgrund ihrer mangelnden Kontur keine Indikationsfunktion haben.266 Ergebnis dieser Bewertung ist eine den Handelnden im konkreten Fall nicht unzumutbar einschränkende267 Pflicht, die Schutzgüter des anderen nicht über ein bestimmtes Maß 268 hinaus zu gefährden. 269 Diese Pflicht trifft den Handelnden im Verkehr mit dem Schutzgutinhaber und ist deshalb Verkehrspflicht. 270 Die Verkehrspflichten sind daher „Verhaltensprogramme ..., die durch die Schutzpositionen des [§ 823] Abs. 1 festgelegt [werden]". 271

c) Mögliche Einwände Kritik an diesem Ansatz, der wegen der erforderlichen Interessenabwägung im Einzelfall mit gewissen Unwägbarkeiten behaftet ist, ist in bezug auf die Rechtssicherheit in Form der Vorhersehbarkeit der richterlichen Entscheidungen denkbar.272 Insbesondere stellt die Handlungsfreiheit des Schädigers eine kaum verdeutlichte, schwer greifbare Komponente in der Abwägung dar. Gegenüber der für den Betrachter offensichtlichen Einbuße des Geschädigten läuft die Handlungsfreiheit Gefahr, vernachlässigt zu werden. Es ist nicht auszuschließen, daß im Zweifel zu Lasten der Handlungsfreiheit des Schädigers entschieden wird. 273 Als problematisch sind in diesem Zusammenhang auch die oftmals überzogenen274 Sorgfaltspflichtanforderungen, welche die Rechtsprechung aufstellt, 275 zu erwähnen.276 266

Siehe dazu Staudinger12//:. Schäfer, § 823, Rd. 6. D.h. die Pflicht darf seine Handlungsfreiheit nicht übermäßig beschränken. 268 Dieses Maß ist an den Umständen des Einzelfalles zu orientieren, so daß eine Festlegung auf den Begriff der abstrakten oder konkreten Gefahr, siehe dazu oben, Fn. 250, S. 111, hier nicht erfolgen kann. 269 In diesem Sinne schon das Reichsgericht, RG, 30. 10. 1902, RGZ 52,379. 270 Besser wäre allerdings der Begriff der „Handlungspfiicht", weil die Bewertung der Handlung (d.h. ein Tun, Dulden oder Unterlassen) entscheidend ist. Nachdem die ohnehin schon sehr ausgeprägte juristische Begriffsvielfalt besser nicht mehr erweitert wird, soll es hier aber beim Begriff der Verkehrspflicht bleiben. 27 1 Steffen, VersR 1980,409; ebenso Hs. Stoll, AcP 162 (1963), 228. Ganz anders von Bar, Verkehrspflichten, S. 145: Die Verkehrspflichten seien nicht nur außerhalb, sondern sogar gegen die Vorstellungen des Gesetzgebers entwickelt worden. 272 Siehe die eigene Kritik zum stillschweigenden Vertragsschluß, oben, Α. 1.2., S. 34. 27 3 Steffen, VersR 1980, 410. Dafür spricht auch das durch die experimentelle Psychologie belegte Phänomen des verzerrten Rückblicks, „hindsight bias". Danach besteht eine Beschränkung der Wahrnehmung, die dazu führt, daß das, was geschehen ist, als zwangsläufige - dabei vermeid-, weil vorhersehbare - Folge im Sinne eines „das mußte ja so kommen" angesehen wird. Siehe zu diesem Phänomen überblicksmäßig Scott A. Hawkins! Reid Hastie, Hindsight biased judgements of past events after the outcomes are known, Psychological Bulletin 107 (1990), S. 311 ff. sowie grundlegend Baruch Fischhoff!Ruth Beyth, „I knew it would happen" - Remembered Probabilities of once-future things, Orginizational behaviour and human performance 1975, S. 1 ff. 274 Weil menschenmöglich nicht erfüllbaren, siehe nur von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 469. Mertens, VersR 1980, zu §831 BGB: Die Rechtsprechung zu den Verkehrspflichten läuft darauf hinaus, „daß ein größerer Teil der Bevölkerung gar nicht beschäftigt werden dürfte"; insbesondere die (hohen) Anforderungen bei freien Berufen sieht dagegen (der (seit 1996) 267

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Dennoch führt kein Weg daran vorbei, dem Richter die dargelegte Entscheidung in die Hand zu legen.277 Die Einzelfallentscheidung ist nun einmal das Metier der Gerichte.278 Die damit verbundenen Unwägbarkeiten müssen hier, wie bei jederrichterlichen Entscheidung, hingenommen werden. Eine generelle Bestimmung von Inhalt und Umfang der Verkehrspflichten ist nicht möglich,279 weil es um einzelfallbezogene Konkretisierungen des § 823 Abs. 1 BGB geht.280 Der hier vertretenen Auffassung läßt sich übrigens auch nicht entgegenhalten, daß sie die Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB zum bloßen Reflex von Verkehrspflichtverletzungen „denaturiert". 281 Die Pflichten sind nämlich aus den Schutzgütern des § 823 Abs. 1 BGB hergeleitet. Daher ist der Güterschutz nicht Folge einer Verkehrspflicht, sondern die Verkehrspflicht ist Folge des gesetzlich festgelegten Schutzes.

d) Zu den Rechtswidrigkeitstheorien Mit der Begründung der Rechtswidrigkeit eines Verhaltens durch die Aufstellung von Verkehrspflichten soll auch nicht eine Neuauflage des - müßigen282 - Streites um die Rechtswidrigkeitstheorien lanciert werden.283 Insofern ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte. Die mittlerweile herrschende Auffassung, wonach bei unmittelbaren Eingriffen durch aktives Handeln der Verlet-

vormalige Präsident des BGH) Odersky, NJW 1989,1 ff., „als Spiegelbild des hohen Standards und der Spezialisierung" - also durch eine hohle Phrase - für gerechtfertigt. U. Hübner, NJW 1989, 5 ff., sieht in diesem Zusammenhang vor allem noch ein Problem: das des „risk management". 275 Siehe Heinrichs, § 276, Rd. 22 - 51. 27 6 Kötz, Deliktsrecht8, Rd. 260. 27 7 Fikentscher, Schuldrecht9, Rd. 1234. 27 8 Nirk, FS Möhring, 1965, S. 394; Picker, JZ 1987,1047; Stahl, Dritthaftung, S. 44; Larenz/M Wolf, BGB AT8, § 3, Rd. 34. 57 9 Kötz, Deliktsrecht8, Rd. 234. 280 Dies ist auch der Unterschied zu den unten kritisierten „neuen Rechtsinstituten", wie z.B. der Vertrauenshaftung. Dort wird aus einem allgemeinsten Gedanken ein konkretes Ergebnis gewonnen, während die Verkehrspflichten aus einer fest umrissenen Norm und unter Berücksichtigung deren Bedeutung hergeleitet werden. Siehe zum Problem auch Schubert, AcP 168 (1968), 476: „auch allgemeine [und sichere] Abgrenzungskriterien [entheben] die Rechtsanwendung nicht von einer Bewertung des konkreten Sachverhalts", können also gewisse Unsicherheiten nicht ausschließen. 281 Entsprechende Sorge in bezug auf das subjektive Recht ließ Palandt^/Heinrichs, § 276, Rd. 9, die Lehre vom Handlungsunrecht ablehnen; siehe dazu auch von Bar, Verkehrspflichten, S. 148,149. 282 Mertens, VersR 1980, 399. 283 Siehe dazu Deutsch, JuS 1967, 154; Fikentscher, Schuldrecht9, Rd.446ff.; Palandt62/Heinrichs, § 276, Rd. 9; Staudinger12/Z,zze//a//rechtsprechung gedient werde. Außerdem ist zu beachten, daß eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung der Verkehrspflichten entbehrlich ist: Wie oben325 dargelegt, ergeben sie sich aus der Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB auf eine konkrete Situation, und damit aus einer gesetzlichen Regelung. Hier Gewohnheitsrecht anzunehmen wäre in etwa so, als wollte man eine gewohnheitsrechtliche Regel anerkennen, wonach 316

Steffen, VersR 1980,409. Siehe auch die unten, Teil 3 Β. II. 1., S. 200, geäußerten Bedenken zur Fallgruppenbildung. 318 So auch Jost, Vertragslose Haftung, S. 187, 188. 319 Siehe oben, b)bb), S. 113 f. Schon die wiederkehrende Betonung der Besonderheiten des Einzelfalles durch die Gerichte, wie schon bei RG, 23.2. 1903, RGZ 54, 59, verbietet die Annahme allgemeingültiger Sätze. I.ü. bestätigt die Erkenntnis, daß in den weitaus meisten Fällen Gewohnheitsrecht nicht gegeben ist, die obige Herleitung der Verkehrspflichten aus § 823 Abs. 1 BGB. Nur mit dieser Auffassung ist ein überzeugender Geltungsgrund dieser Pflichten belegt. 320 Siehe VtimtiT! Thomas, § 823, Rd. 208. 321 Michalski, BB 1998, 961: Die konkreten Pflichten des Herstellers unterliegen der Einzelfallbewertung. 322 Michalski, BB 1998,963, spricht demzufolge auch von „Gefahrabwendungspflichten". 323 D.h., weil auch hier die Handlung maßgeblich ist, von dessen Inverkehrbringen. 324 BT-Drucks. 11/2447, S. 7 f. 325 b) bb), S. 90 ff. 317

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deijenige, der gegen Entgelt die Lieferung einer Partie Äpfel verspricht, dann auch Äpfel zu liefern habe, und nicht etwa Birnen. Der gewohnheitsrechtliche Satz wäre entbehrlich, weil sich sein Inhalt bereits aus dem Gesetz ergibt, §§ 433 Abs. 1, 434 Abs. 3, Var. 1 BGB. Nun sind die Verkehrspflichten im Gesetz zwar weniger deutlich festgeschrieben. Doch das Prinzip gilt auch hier: Sie sind Rechtsanwendung (des § 823 Abs. 1 BGB), aber kein Recht - also Wirkung, nicht Ursache. Daran ändert auch der Lauf der Zeit nichts, denn selbst bei ständiger Wiederholung wird eine Wirkung nicht zur Ursache: So wie der Ton nicht zum Instrument und das Licht nicht zur Lampe wird, werden die Verkehrspflichten nicht zum Recht. An dieser Einordnung der Verkehrspflichten ändert auch die folgende Aussage nichts: „Wer im Verkehr Gefahren schafft oder andauern läßt, muß die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter treffen". 326 Dieser im Zusammenhang mit den Verkehrspflichten gebetsmilhlenartig wiederholte Ausspruch wird als gewohnheitsrechtlich verfestigter Rechtssatz gehandelt.327 Bei Lichte betrachtet328 ist der Satz jedoch eine leere Floskel.329 Als Grundlage einer bestimmten Entscheidung im Einzelfall taugt die Formel nicht, weil sie zu unbestimmt ist; ihre vage Aussage macht verständlich, warum die Verkehrspflichten z.T. als „schillerndes Institut" bezeichnet werden.330 Als allgemeine Regel aber ist die Aussage entbehrlich. Der Grundsatz des „neminem laedere" ist dem Deliktsrecht bereits als leitender Gedanke mitgegeben.331 Außerdem würde eine solche Maxime nur § 823 Abs. 1 BGB im hier verstandenen Sinne wiederholen. Die Verkehrspflichten sind also nicht Gewohnheitsrecht, sondern lediglich, bei einiger Verfestigung, Richterrecht, und damit nichts weiter als gleichbleibende Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB durch die Gerichte.

bb) Nicht zuletzt angesichts dessen wird vertreten, daß der Gesetzgeber auch Richterrecht, also durch Auslegung und Anwendung des geltenden Rechts entstehendes Fallrecht,332 von Art. 2 EGBGB erfaßt wissen wollte.333 Dem ist je326

Diese These wird als allgemeine Grundlage der Verkehrspflichten gehandelt, siehe dazu von Bar, Verkehrspflichten, S. 164; von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 454, 481: Verkehrspflichten alsrichterliche Konkretisierung einer entsprechenden allgemeinen Sorgfaltspflicht. 327 von Bar, JZ 1979, 730. 328 Damit die Verkehrspflichten nicht länger Dunkelexistenzen bleiben, siehe oben, a), S. 105. 329 von Bar, Verkehrspflichten, S. 1: „Tautologie". 330 von Bar, Verkehrspflichten, S. 44; in diesem Sinne auch Steffen, VersR 1980, 409, der von den Verkehrspflichten als einem janusköpfigen Instrument spricht. 331 Deutsch, JuS 1967,158. 332 Staudinger13/Cowg, I. Buch, Allgemeiner Teil, §§ 1 - 12, Einleitung zum BGB, Rd. 200: „So wächst das neue Recht als Fallrecht um das kodifizierte Recht herum: es entsteht Richterrecht".

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doch entschieden zu widersprechen. 334 Die Materialien lassen nur den Schluß zu, daß auch Gewohnheitsrecht, also nicht nur geschriebenes Recht, Gesetz im Sinne dieses Artikels sein soll. 335 Dem Fallrecht soll Normqualität dagegen erst zukommen, wenn es durch die Erfüllung der Voraussetzungen des Gewohnheitsrechts bestätigt wurde. Außerdem verstrickt jene Sichtweise den Gesetzgeber nachträglich in Widersprüche. Hätte der Gesetzgeber dem Richterrecht Normqualität i.S. von Art. 2 EGBGB und damit § 823 Abs. 2 BGB zuerkannt, hätte er sämtliche wohlüberlegten Eingrenzungen der deliktischen Haftung mit einem Schlag wieder zunichte gemacht. Mit der Anerkennung eines „richterrechtlichen Alternativprogramm[s]", wie die Schutzgesetzkonzeption auch bezeichnet wird, 336 wäre eine deliktsrechtliche Generalklausel geschaffen worden, 337 mit der § 823 Abs. 1 BGB neben Abs. 2 ebenso überflüssig sein würde wie § 826 BGB. Der Aufbau der §§ 823 ff. BGB, der Inhalt der Materialien und die Erwägung, daß der Gesetzgeber ein widerspruchsfreies System schaffen wollte, verbieten also die Anerkennung bloßen Richterrechts als Norm i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Die vorgestellte Konzeption bedeutet eine Abkehr von der gesetzgeberischen Entscheidung gegen die Schaffung einer Generalklausel hin zur richterlichen Schöpfung des Deliktsrechts.338 Diesen radikalen Schritt vermag die dargelegte Ansicht aber nicht zu rechtfertigen. Zwar ist das Grundprinzip der Ablehnung einer allgemeinen deliktsrechtlichen Haftung zum Teil durchbrochen das Recht am Unternehmen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht werden in ihrer Wirkungsweise auch als kleine Generalklauseln bezeichnet, weil sie den Güterschutz erweitert haben.339 Dennoch ist am Enumerativprinzip im Deliktsrecht festzuhalten, weil die „Sehnsüchte nach befreiten Verhaltensrastern eines

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von Bar, Verkehrspflichten, S. 163; K. Huber, FS von Caemmerer, 1978, S. 381; Mertens, AcP 178(1978), 230. 334 Selbst wenn man dem Richter mit Leser, FS von Caemmerer, 1978, S. 896, die überragende Rolle bei der Rechtsfortbildung zuerkennt. Wer der richterrechtlichen Konzeption folgt, kann sogleich mit Gieseke, GRUR 1950, 310, annehmen, daß Schutzgesetze auch alle allgemeinen Grundsätze sind, die das soziale Leben beherrschen. Dann aber gibt es, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten bei der Feststellung der sozialen Standards, kein Halten mehr. 335 Canaris, FS Larenz, 1983, S.46; Jost, Vertragslose Haftung, S. 187; Medicus, FS Keller, 1989, S. 207; Protokolle, Bd. VI, S. 360,362: Reichsgewohnheitsrecht. 336 Picker, AcP 183 (1983), 497, unter Verweis auf die Konzeption von Mertens, VersR 1980, 397 ff., der neben der gesetzlichen eine richterliche Konzeption des § 823 Abs. 1 BGB sieht. 337 Canaris , FS Larenz, 1983, S. 45 f. 338 Protokolle, Bd. II, S. 567 f., 571. 339 von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 477; Deutsch, JuS 1967, 153; zur Erweiterung des deliktischen Schutzes siehe auch R. Zimmermann/Verse, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 340.

. Die Haftung des Kreditinstitutes ac

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Delikts ... mit Verlust an materiellen Wertungsmaßstäben[340] zu teuer bezahlt [würden]". 341 Des weiteren ist § 823 Abs. 2 BGB unter systematischen Gesichtspunkten der falsche Ort für die Einordnung der Verkehrspflichten. 342 § 823 Abs. 2 BGB dient der Einfügung des Gehalts außerdeliktischer Normen in das Deliktsrecht. Mit der Norm soll nur „fremder Sachverstand angezapft" werden.343 Die Verkehrspflichten sind jedoch, wie oben344 gezeigt, deliktsrechtliche, das heißt innerhalb des 27. Titels (Unerlaubte Handlungen), entwickelte Verhaltenspflichten. Die mit § 823 Abs. 2 BGB beabsichtigte Einbindung außerdeliktischer Normen in das Deliktsrecht kann nicht stattfinden.

3. Ergebnis zur Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB wegen Verkehrspflichtverletzung Verkehrspflichten zum Schutz des Vermögens sind weder in § 823 Abs. 1 BGB noch in § 823 Abs. 2 BGB anzuerkennen und können eine Haftung der Bank für falsche Auskunft nicht begründen. Ihr originärer Bezug auf die Schutzgüter des § 823 Abs. 1 kann mangels Verselbständigung der Pflichten nicht aufgegeben werden. § 823 Abs. 2 BGB ist der falsche Ort für die Einordnung der Verkehrspflichten in das Deliktsrecht.

VI. Ergebnis zur deliktsrechtlichen Haftung Eine Haftung der Bank für schuldhaft falsche Auskünfte besteht im Regelfall also weder nach § 823 Abs. 1 noch nach § 826 BGB. Vom Deliktsrecht werden nur die Fälle der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, § 826 BGB bzw. §§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit 263 Abs. 1 StGB, erfaßt. Damit wird die Aussage des § 675 Abs. 2 BGB erneut bestätigt. Auch die deliktische Haftung für fehlerhafte Auskünfte ist ein Ausnahmefall. Wer die Hürden dieser Haftung für zu hoch erachtet und ein weitergehendes Haftungsbedürfiiis sieht, muß den Gesetzgeber bemühen.

340 Für die Verkehrspflichten ergibt sich dieser Maßstab aus § 823 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Handelnden. 341 Steffen, VersR 1980,409. 342 Jost, Vertragslose Haftung, S. 189. 343 LarenzJCanaris, Schuldrecht, Bd. II/2 13 , S. 405. So auch von Bar, Verkehrspflichten, S. 159 und Deutsch, JuS 1967,155, unter Betonung gesetzlicher Vorausbestimmtheit". 344 b) bb), S. 90 ff.

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C. Die Haftung des Kreditinstitutes aus culpa in contrahendo (c.i.c.), §§ 280 Abs. 1 S. 1,311 Abs. 2,241 Abs. 2 BGB Wer fühlt nicht, daß es hier einer Schadenersatzklage bedarf?

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Hier soll zunächst untersucht werden, ob die c.i.c. in ihrer allgemeinen Ausprägung, §§311 Abs. 2 BGB, eine Auskunftshaftung begründen kann.2 Die speziellen Institute, wie die Sachwalterhaftung, § 311 Abs. 3 BGB, werden selbständig geprüft. 3 I. Vorbemerkung Seit dem 1. Januar 2002 ist die c.i.c. im BGB aufgenommen, §§311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB. Wie im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794, 5. Titel, 1. Teil, § 284, findet der c.i.c.-Gedanke damit ausdrückliche Anerkennung in einer eigenen Vorschrift. Mit § 311 Abs. 2 BGB hat sich die c.i.c.-Rechtslage allerdings seit dem 1. Januar 2002 nicht verändert. Der Gesetzgeber der 14. Legislaturperiode wollte lediglich einen „Merkzettel" 4 in das BGB einfügen, um die Schere zwischen BGB und Rechtswirklichkeit insoweit zu schließen. Eine Regelung im Sinne einer Änderung der bisherigen Rechtslage war nicht beabsichtigt:5 „Der Entwurf will das Institut der culpa in contrahendo nicht in allen Einzelheiten regeln. Es soll vielmehr - der Regelungstradition des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend - eine abstrakte Regelung vorgesehen werden, die der Ausdifferenzierung und Fortentwicklung durch die Rechtsprechung zugänglich ist. ... [§311] Absatz 2 regelt - aufbauend auf einer gefestigten Rechtsprechung - die

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von Jhering, c.i.c., S. 9. Hierfür z.B. Larenz, FS Ballerstedt, 1975, S. 399, 403. Im Zusammenhang mit Immobilienanlagen Heymann, Bankenhaftung, S. 123. 3 Unten, D., S. 152 ff. 4 Schwab, JuS 2001, 312. Dauner-Lieb, JZ 2001, 16, weist auf die Aussage eines Mitglieds der Schuldrechtsmodemisierungskommission hin, man habe hinsichtlich der c.i.c. nur einen „Merkzettel" in das BGB einfügen, keinesfalls aber etwas regeln wollen. 5 Canaris , JZ2001, 519; BT-Drucks. 14/6040, S. 84, 85, 162, 163; Ergänzungsband Palandt! Heinrichs, § 311, Rd. 52. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, daß jede der Erläuterungen zur Regelung der Nrn. 1 - 3 des § 311 Abs. 2 BGB mit einer Bezugnahme auf die Rechtsprechung beginnt: zu Nr. 1 : „Culpa in contrahendo setzt ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis voraus (BGH, NJW 1981, 1035)", zu Nr. 2: „Der zweite klassische Fall der culpa in contrahendo ist die Anbahnung des Vertrags. ... geht es um Fälle wie den Linoleumrollenfall des RG (RZG, 78, 239) oder den Salatblattfall des BGH (BGHZ 66, 4)", und zu Nr. 3: „In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß Ansprüche aus culpa in contrahendo nicht nur bei Vertragsverhandlungen oder bei der Anbahnung von Verträgen entstehen". Siehe auch Dauner-Lieb, JZ 2001,12. 2

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Voraussetzungen für das Entstehen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses".6

II. Das Verhältnis zwischen Bank und institutsfremdem Auskunftsnutzer als Sonderverbindung i.S.d· § 311 Abs. 2 BGB eigenständiger Anspruch des Dritten L Die Sonderverbindung

i.S.d §311 Abs. 2 BGB

Die Haftung aus c.i.c. setzt voraus, daß Schädiger und Geschädigter in einer schuldrechtlichen Sonderbeziehung stehen.7 Zwischen Auskunftsnutzer und Kreditinstitut müßte eine über den allgemeinen deliktischen Zufallskontakt hinausgehende Sonderverbindung bestehen.8 §§311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB haben der c.i.c. nur ausdrückliche Anerkennung im BGB verschafft. Eine Regelung im Sinne einer Änderung bedeuten sie nicht. Damit bestehen die Probleme der c.i.c., insbesondere die Frage nach ihrem Haftungsgrund und den „Konturen der Haftung" unvermindert fort: § 311 Abs. 2 Nrn. 1 - 3 BGB hilft nicht weiter, zumal - Nr. 1 zwar einigermaßen, und - Nr. 2 immerhin noch leidlich präzise ist, die - angesichts der Fassung der Nr. 2 entbehrliche9 - Nr. 3 jedoch dem Wortlaut nach eine geradezu unendliche Weite hat,10 deren Gefahr sich nur durch eine systematische11 und historische12 Auslegung eindämmen13 läßt.

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BT-Drucks. 14/6040, S. 162. Mielke, Sachwalterhaftung, S. 34; Pouliadis, C.i.c. und Schutz Dritter, S. 55. 8 Bohrer, Dispositionsgarant, S. 248; Köndgen, Selbstbindung, S. 97. 9 Es ist nicht verständlich, wozu Nr. 3 dienen soll. Die Floskel war und ist mit einem wie bisher weiten Verständnis der „Anbahnung eines Vertrages" i.S.d. § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB entbehrlich. Auch die Begründung für die Erforderlichkeit der Nr. 3 in BT-Drucks. 14/6040, S. 163: „Dies sind Kontakte, bei denen z.B. noch kein Vertrag angebahnt, ein solcher aber vorbereitet werden soll", ist nicht aussagekräftig. Der Gesetzgeber wollte es offenbar mit allen Mitteln vermeiden, daß die Rechtsprechung i.R. der c.i.c. irgendwann auf gesetzliche Schranken stoßen könnte. 10 Canaris , JZ 2001, 520 spricht davon, daß Nr. 3 leider „Etwas dunkel" sei; Nr. 3 steht i.ü. seinem Wortlaut nach - zur Aussage in BT-Drucks. 14/6040, S. 162: „Allerdings soll der Regelung die Konturenschärfe erhalten bleiben, die verschiedentlich angemahnt worden ist", in Widerspruch. 11 Bezug zu Nrn. 1 und 2. 12 D.h. unter Beachtung von BT-Drucks. 14/6040, S. 163: „Voraussetzung für eine Haftung ist, daß es sich um die an dem potentiellen Vertrag Beteiligten handelt", sowie unter Beachtung der Entstehungsgeschichte der c.i.c. 13 Die Gefahr der uferlosen Ausweitung der c.i.c.-Haftung, die sich aus der Formulierung von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB ergibt, bleibt allemal bestehen. 7

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Ob die Sonderverbindung besteht, hängt davon ab, wie sie gestaltet sein muß. Zu diesem Punkt existieren - ohne daß mit § 311 Abs. 2 BGB insoweit eine Entscheidung getroffen ist - weit auseinandergehende Auffassungen. 14 Das ist in Zusammenhang damit zu sehen, daß die c.i.c. seit 1861,15 oder besser: seit dem 1.1. 1900,16 eine rasante Entwicklung und Ausdehnung erfahren hat.17 Die Fälle, die man einst mit der Rechtsfigur der c.i.c. lösen wollte,18 wurden weitestgehend, teils mit Modifikationen, 19 im BGB geregelt.20 Heute wird das Rechtsinstitut dagegen in den verschiedensten Situationen vor allem angewandt, um den Anwendungsbereich des § 278 BGB zu eröffnen. 21 Mittlerweile wird sogar angenommen, daß zum Beispiel mit der Prospekthaftung aus ihm bereits eigenständiges Gewohnheitsrecht erwachsen ist.22 Dem Bestreben, diese Ausdehnung der c.i.c. zu rechtfertigen, dienen die verschiedenen Ansichten zur Begründung der Nähebeziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem.23 Die c.i.c.-Haftung wurde anfangs auf den geschlossenen aber (teil-) unwirksamen Vertrag, 24 später auf den tatsächlich geschlossenen Vertrag 25 gestützt. Die Fortentwicklung vor allem unter Federführung des 14

Ausführlich dazu Bohrer, Dispositionsgarant, S. 117 - 266. vonJhering, c.i.c., S. 1 ff. Die eigentlich interessante „Entwicklungsgeschichte" beginnt, nachdem von Jherings Ideen im BGB umgesetzt worden waren, insbesondere ab der ausdrücklichen „Anerkennung" der c.i.c. durch das Reichsgericht in der Entscheidung vom 26.4. 1912, JW 1912, 743. 17 Medicus, FG Käser, 1986, S. 169: „stürmische Entwicklung". Angesichts dessen überrascht die Aussage von Staudinger13/Oec/w/er, § 826, Rd. 200, die quasivertragliche Haftung habe sich im dualen System des BGB nicht durchsetzen können. 18 V.a. der des Irrtums, der nach der subjektiven Willenstheorie die Willenserklärung unwirksam machte, vonJhering, c.i.c., S. 7. 19 So geht z.B. § 179 Abs. 1 BGB mit der Begründung einer Erfüllungshaftung über das negative Interesse hinaus und gewährt § 179 Abs. 2 BGB verschuldensunabhängigen Schadensersatz. 20 §§ 122, 179, 663 BGB und §§ 307, 309 BGB a.F.; dazu Medicus,, FG Käser, 1986, S. 169, 181; E. Schmidt, Nachwort c.i.c., S. 132. 21 In diesem Sinne zutreffend Larenz, MDR 1954, 515; Loewenheim, JZ 1980, 469. Vergleiche ferner von Bar, JuS 1982, 639, 640; Brüggemeier, AcP 182 (1982), 418 f. Die Eröffnung der längeren Veijährungsfrist für vertragliche Ansprüche gem. § 195 BGB a.F. ist mit dem 1.1.2002 weitestgehend erledigt, siehe §§ 194 ff. BGB in Verbindung mit Art. 229, § 6 Abs. 1,3 und 4 EGBGB, war aber bisher ebenfalls von Bedeutung und ersichtlich Hauptmotiv des BGH im sog. Gemüseblatt-Fall (BGH, 28. 1. 1976 - VIII ZR 246/74, BGHZ 66, 51 = JZ 1976, 776): Hier war der deliktische Anspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung im Zeitpunkt der Klageerhebung (vier Jahre nach Schädigung und entsprechender Kenntnis) verjährt gewesen, § 852 Abs. 1 BGB a.F. Der BGH „half 4 der Klägerin mit einem Schadensersatzanspruch aus c.i.c. (mit drittschützender Wirkung). Kritisch zur Konstruktion, Bohrer, Dispositionsgarant, S. 158,159. 22 von Bar, Verkehrspflichten, S. 476; Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 90; dazu M. Wolf, NJW 1994,24; BGH, 6. 10. 1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 339 = NJW 1981,1449. Siehe dazu aber unten, D. I., S. 152 f. 23 Picker, JZ 1987, 1043. 24 von Jhering, c.i.c., S. 29, 30; von Jhering ging es dabei lediglich um die Haftung für Nichtigkeit des Vertrages, SoergelniWiedemann, Vor § 275, Rd. 101. 25 Leonhard, Verschulden bei Vertragsschluß, S. 10 ff. 15

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Reichsgerichts hat aber dazu geführt, daß eine Wirkung der vertraglichen Schutzpflichten schon im Vorfeld des Vertrages, im Rahmen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses, also unabhängig vom (späteren) Vertrag als Geltungsgrund, angenommen wurde.26 Jene Bewegung, weg vom Vertrag und hin zum gesetzlichen Schuldverhältnis als Rechtfertigung der Haftung, hat im Laufe der Entwicklung ein immer weiteres Abrücken vom (vor-) vertraglichen Grundgedanken gefördert. Der Kulminationspunkt dieses Prozesses ist in der Ansicht zu sehen, daß jeder rechtsgeschäftliche bzw. soziale Kontakt die Nähebeziehung und damit auch eine Haftung aus c.i.c. begründet.27 Angesichts dieser Entwicklung und mit Blick auf den Bezug der c.i.c. zum Vertrag ist es erforderlich, im folgenden aufzuzeigen, daß das Rechtsinstitut sich auf den Zweck beschränkt, besonderen Schutz der Vertragsverhandlungspartner im Zusammenhang mit dem Vertragsschluß zu gewähren.28 Dieser Nachweis ist untrennbar mit der Frage verbunden, auf welchem Haftungsgrund29 die c.i.c. beruht.

a) Die vom Vertrauensgedanken als Haftungsgrund geleiteten Ansichten aa) Die Lehre vom sozialen Kontakt30 Ausgehend von der Lehre der c.i.c., sinngleich bezeichnet als Verschulden bei Vertragsschluß,31 wird eine allgemeine Haftung für die Verletzung solcher Pflichten entwickelt, die aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Schädiger und Geschädigtem bestehen.32

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Ohne daß sich das Reichsgericht aber erfolgreich um eine Absicherung dieser Entwicklung bemüht hätte. So kritisiert H. Stoll, LZ 1923, Sp. 536, Fn. 10, mit spitzer Feder: „Das Reichsgericht beliebt insbesondere, einfach auf Treu und Glauben zu verweisen... Sobald es nach dem Rechtsgrund sucht, neigt es zur Ablehnung [der Haftung]". 27 Dölle, ZGStW 103 (1943), 74 ff. mit der Differenzierung zwischen Aufklärungspflichten (rechtsgeschäftlicher Kontakt erforderlich) und Erhaltungspflichten (sozialer Kontakt ausreichend). 28 Canaris , Vertrauenshaftung, S. 442. 29 Die Frage nach dem Haftungsgrund ist streng zu trennen vom Geltungsgrund der c.i.c., Bohrer, Dispositionsgarant, S. 114, der bisher unumstrittenen im Gewohnheitsrecht lag und nun in § 311 Abs. 2 BGB zufinden ist. 30 Dölle, ZGStW 103 (1943), 67 ff.; SoergeP/Siebert-Knopp § 242 BGB, Rd. 155 ff. 31 Der Begriff stammt von Leonhard, Verschulden bei Vertragsschluß, 1910, der die Haftung auf den später geschlossenen Vertrag zurückführte und seine Auffassung ausdrücklich von von Jherings c.i.c. abgrenzte. 32 Dölle, ZGStW 103 (1943), 74 ff.

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

Soweit es um die hier relevanten Aufklärungspflichten geht,33 soll der Kontakt dann ein besonderer, mehr als nur deliktischer Kontakt sein, wenn und weil die Beteiligten sich dadurch Vertrauen entgegengebracht haben, daß sie die eigenen Rechtsgüter dem Einfluß und damit der Sorgfalt des Gegenübers anvertrauten,34 plastisch ausgedrückt, den Juristischen Rubikon überschritten" haben.35 Mit dieser Ansicht ist eine Beschränkung der c.i.c.-Haftung auf den Fall der Vertragsverhandlungen konsequenterweise nicht zu bewerkstelligen, weil der Haftungsgrund nicht nur dort erfüllt ist und es demnach zufällig erscheinen muß, die c.i.c.-Haftung gerade für diese Fälle zu statuieren.36 Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Hinsichtlich des Vertrauensgedankens, der zu ihrer Begründung herangezogen wird, ist auf die Ausführungen zur Vertrauenshaftung zu verweisen.37 Hier soll der Hinweis genügen, daß die Ansicht nicht in der Lage ist, mit dem von ihr angeführten Kriterium deutlich zu machen, worin die Differenzierung zwischen rein sozialen und rechtsgeschäftlichen sozialen Kontakten begründet ist. Es ist nicht nachvollziehbar, warum zumindest bei der Verletzung von sog. Aufklärungspflichten - nach dieser Auffassung 38 nur bei letzteren Kontakten gehaftet wird. 39 Auch überspannt die Ansicht den Begriff des Anvertrauens. Wer zum Beispiel in ein Geschäft eintritt, vertraut nicht seine Sachen und sich selbst dem Geschäftsherrn an. Tatsächlich werden die Güter dem Einfluß lediglich - gezwungenermaßen - ausgesetzt. Damit ist keinesfalls immer eine Vertrauensbeziehung verbunden. So, wie durch die Rechtsprechung beim Auskunftsvertrag der Begriff der Willenserklärung überspannt worden ist, setzen die Befürworter der Anvertrauenstheorie die Anforderungen an eine Vertrauensbeziehung viel zu niedrig an. Sie verwässern damit ihre Begründung. Darüber können auch pa33

Im Sinne Dölles, Fn. 32, sind hier die Aufklärungspflichten einschlägig, weil es bei der Bankauskunft darum geht, daß der Empfänger über die ftlr ihn wesentlichen Umstände (zutreffend) unterrichtet wird. Anders zu den Pflichten gegenüber dem Nichtkunden, H. Schneider, ZHR 163 (1999), 262: Weil diesem gegenüber eine Auskunft nicht geschuldet ist, kommen nur „Wahrheitspflichten" in Betracht. 34 Bohrer, Dispositionsgarant, S. 138; Dölle, ZGStW 103 (1943), 74; in diesem Sinne auch Sul· schei, Schutzanspruch, S. 77. 35 Stöcker, c.i.c., S. 71. Wobei zu dieser Formulierung zu bemerken ist, daß es einen juristischen Rubikon", also eine der Grenze des Römischen Reiches entsprechende Linie, angesichts des Totalitätsanspruchs der Rechtsordnung nicht gibt. 36 Bohrer, Dispositionsgarant, S. 176; Dölle, ZGStW 103 (1943), 73. 37 Unten, Teil 3 Α., S. 176. 38 Dölle, ZGStW 103 (1943), 88, konstruiert eine Haftung wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht nur bei rechtsgeschäftlichen Kontakten, ohne zu begründen, warum das auch außerhalb rechtsgeschäftlicher Kontakte gegebene Vertrauen des Verletzten, anders als bei den Erhaltungspflichten, nicht ausreichen soll. Kritisch dazu insbesondere Bohrer, Dispositionsgarant, S. 139. 39 Bohrer, Dispositionsgarant, S. 253. Damit soll nicht die allgemeine Überzeugung abgestritten werden, daß die c.i.c. auch auf dem Vertrauensgedanken beruht, dazu Bohrer, Dispositionsgarant, S. 161, und unten d), S. 136 ff.

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thetische Formulierungen, wie, die Parteien würden „ihren Rechtskreis bewußt öffnen", 40 nicht hinwegtäuschen 4 1 Ferner kann man grundsätzlich nicht davon ausgehen, daß jemand, der ein Kaufhaus betritt, dessen Betreiber damit schon sein Vermögen anvertraut. Erst der Vertrag selbst, nicht aber der Weg zum Ort des Vertragsschlusses, berührt das Vermögen unmittelbar, so daß ein Anvertrauen denkbar ist. Wenn aber Voraussetzung für eine Haftung das Anvertrauen sein soll, müßte die Haftung gerade bei reinen Vermögensschäden im Vorfeld des Vertrages konsequenterweise ausgeschlossen sein. Gewährt man den Anspruch dagegen lediglich auf Basis eines fiktiven, konstruierten (An-) Vertrauens, verliert die Begründung die Überzeugungskraft. bb) Die Lehre vom Verhandlungsvertrauen 42 Nach der Lehre vom Verhandlungsvertrauen soll für das Entstehen der Sonderbeziehung das durch die Erklärung zur Verhandlungsbereitschaft und das weitere Verhalten in Anspruch genommene und vom Vertrauenden gewährte Vertrauen maßgeblich sein.43 Die Verbindlichkeit wird als Resultat einer - neben dem Vertrag - zweiten Grundform des Rechtsgeschäfts gesehen, als rechtsgeschäftliche „Verpflichtung durch Gewährung in Anspruch genommenen Vertrauens". 44 Zwar umschifft diese Ansicht, indem maßgeblich auf das Verhalten des später Haftenden abgestellt wird, die Kritik an der Vertrauenshaftung in einem wesentlichen Punkt, dem Vorwurf einer einseitigen Berücksichtigung des Vertrauenden.45 Auch beschränkt die Theorie durch das Erfordernis des Verhandlungsvertrauens den Anwendungsbereich der c.i.c. auf die Vertragsverhandlungen. 46 Gerade diese Beschränkung kann jedoch nicht überzeugen, denn das Verhandlungsvertrauen ist kein besonders geartetes, spezifisches Vertrauen. Wenn 40

Soergel12/Wiedemann, Vor § 275, Rd. 59. Dies wird noch deutlicher, wenn man die Argumentation auf die zunehmende Zahl der Fernabsatzgeschäfte überträgt. Man müßte annehmen, daß mit dem Aufruf einer Internet-Adresse eine „Öffnung des Rechtskreises" verbunden ist. Das ist angesichts der im Internet noch stärker als im herkömmlichen Handel ausgeprägten Anonymität nicht vertretbar. 42 Ballerstedt, AcP 151 (1951), 501 ff. 43 Ballerstedt, AcP 151 (1951), 506; Nirk, FS Möhring, 1965, S. 392; E.Schmidt, Nachwort c.i.c., S. 147; Sticht, Haftung des Vertretenen und des Vertreters, S. 34 f.; BGH, 17. 5. 1990 IX ZR 85/89, WM 1990,1554,1555. 44 Ballerstedt, AcP 151 (1951), 507. 45 Siehe dazu unten, Teil 3 Α. II. 3., S. 189 ff. 46 Ballerstedt, FamRZ 1955,202. 41

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der Verhandlungspartner „gewährtes Vertrauen in Anspruch nimmt", ist dies kein vertragstypischer Vorgang. Die „Inanspruchnahme von Vertrauen" ist ein allgemeines soziales Phänomen.47 Auch rührt das Vertrauen nicht stets vom Verhandeln her. Es kann sich ebensogut gerade umgekehrt aus einem gewissen Vertrauen heraus die Möglichkeit des auf einen Vertragsschluß gerichteten Verhandeins ergeben. Ferner kann vollständig ohne Vertrauen verhandelt werden.48 Selbst wenn sich ein Vertrauensverhältnis tatsächlich im Verlaufe der Verhandlungen ergibt, kann dies mit dem Verhandlungsvertrauen nicht gemeint sein. Dann könnte eine Haftung nämlich bei jedem Verhandeln erst ab dem Zeitpunkt bestehen, in dem das Vertrauen sich tatsächlich eingestellt hat. Dies ist schon aus praktischen Gründen der Beweisbarkeit nicht anerkennenswert. Wie vom Vertreter dieser Auffassung selbst konstatiert wird, ist das Vertrauen zum Beispiel auch beim venire-contra-factum-proprium-Verbot relevant,49 ebenso bei § 663 S. 1 BGB und § 362 Abs. 1 S. 1 HGB. 50 Dann ist es aber inkonsequent, wenn ein unspezifisches Vertrauen, nur weil die Beteiligten in einem Verhandlungsverhältnis stehen, besonders geschützt werden soll.51 Die bloße Einordnung dieser Vertrauenshaftung als rechtsgeschäftliche Haftung gibt hierfür jedenfalls keine überzeugende Erklärung. 52

cc) Der Einfluß des § 311 Abs. 2 BGB Für die vertrauensgeleiteten Ansichten läßt sich auch nicht § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB anführen. Ausweislich des Wortlauts der Vorschrift soll das (An-) Vertrauen nur eine mögliche Konstellation der „Anbahnungshaftung" sein. § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB nennt neben der „Anvertrauenshaftung" die vertrauensunabhängige Möglichkeit der „Einwirkungshaftung", also eine Haftung bei 47

Bohrer, Dispositionsgarant, S. 271: Die Verhaltenserwartung ist für das Verhandlungsverhältnis nicht spezifisch, das Verhandeln ist nur ein allgemeiner Vertrauensumstand; Pouliadis, C.i.c. und Schutz Dritter, S. 60 - 63; Schmitz, Dritthaftung, S. 44; Soergel^Wiedemann, Vor § 275, Rd. 57. 48 Hs.Stoll, FS von Caemmerer, 1978, S. 445; BGH, 1.7. 1991 - IIZR 180/90, WM 1991, 1549, spricht vom Verhandlungsvertrauen als einem Vertrauen, „das bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen immer gegeben ist oder vorhanden sein sollte". Jost, Vertragslose Haftung, S. 126: „Der Geschäfts- und Rechtsverkehr scheint weniger vom Vertrauen als vielmehr von Mißtrauen geprägt zu sein". 49 Canaris , Vertrauenshaftung, S. 287. 50 Beierstedt, AcP 151 (1951), 507; Nirk, FS Hauss, 1978, S. 281, 282; speziell zu § 362 HGB siehe Ebenroth/Boujong/Joost/£cferf, § 362 HGB, Rd. 2. 51 Frotz, FS Gschnitzer, 1969, S. 170, 171; von Bar, ZGR 1983, 499: Mit Vertrauen kann man alles oder nichts begründen. 52 Kritisch auch Rümker, ZHR 1983, 32: Mit dem Kriterium der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens läßt sich bei Bedarf jedes Ergebnis begründen.

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bloßem Aussetzen der Rechte bzw. Rechtsgüter bei der Vertragsanbahnung.53 Schon damit wird deutlich, daß das Vertrauen nicht alleiniges Erklärungsmuster der c.i.c. sein kann. Außerdem ist selbst die Anvertrauensvariante des § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die Fälle der Vertragsanbahnung beschränkt, so daß bloßes Anvertrauen zur Haftungsbegründung nicht genügt.

b) Die Lehre vom rechtsgeschäftlichen Kontakt Auch die Lehre vom rechtsgeschäftlichen Kontakt will die c.i.c. über den Fall der Vertragsverhandlungen hinaus bei jedem geschäftlichen Kontakt anwenden.54 Sie geht zutreffend davon aus, daß der wesentliche Gesichtspunkt für die Anwendung der c.i.c. die Eröffnung der Anwendung des § 278 S. 1 BGB und damit die Ausschaltung des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB ist.55 Die Abgrenzung soll daher mit dem Grundgedanken des § 278 S. 1 BGB gelöst werden, der im geschäftlichen Interesse liegt. Die Gewinnerwartung, die der Geschäftsherr durch die Einschaltung von Gehilfen schafft oder vergrößert, bedingt demnach im Gegenzug, daß er das durch die Einschaltung weiterer Personen geschaffene Risiko zu tragen hat.56 Er muß also für seine Gehilfen, das heißt diejenigen, die ihm bei der Erfüllung seiner eigenen Verbindlichkeit helfen, einstehen. Dieser Gedanke bedeutet, auf die c.i.c. übertragen, daß die Sonderverbindung immer schon dann begründet ist, wenn ein geschäftlicher Kontakt aus wirtschaftlichem Interesse, das heißt mit Gewinnerwartung, initiiert wird. 57 Dem Argument mangelt aber die Schlagkraft, weil § 278 S. 1 BGB auf jedes

53 BT-Drucks. 14/6040, S. 163, spricht zwar davon, daß die Einwirkung „ermöglicht" wird; damit ist aber nichts anderes gemeint, sondern wie auch im Falle des „Aussetzens", daß der Rechtsoder Rechtsgutsinhaber seine Positionen willentlich in den Einwirkungsbereich des Gegenübers einbringt. 54 Lorenz, MDR 1954,518. 55 von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 460, 461; Larenz, MDR 1954, 517; R. Zimmermann/Verse, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 335. 56 Larenz, MDR 1954, 518. Ebenso zum Zweck des §278 BGB, Brodmann, JheringsJbdR 58 (1911), 225; Daum, NJW 1968, 376; Palandt"/Heinrichs, §278, Rd. 1; Schubert, AcP 168(1968), 477 (unter Hinweis auf die insoweit parallelem §§31, 831 BGB) und BGH, 6.4. 1978 - ΠΙ ZR 43/76, VersR 1978, 822, wo ausdrücklich vom „Personalrisiko" gesprochen wird, was zutrifft, weil der Geschäftsherr - unabhängig von eigenem Verschulden - für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen haftet; ebenso Picker, JZ 1987,1041:,„Garantie'". 57 Larenz, MDR 1954, 518.

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

gesetzliche Schuldverhältnis anwendbar ist,58 so daß eine ausschließlich rechtsgeschäftliche Haftung damit nicht überzeugend begründet werden kann. Des weiteren werden mit dieser Ansicht Wirkung und Voraussetzungen des § 278 S. 1 BGB vertauscht.59 Die Vorschrift bestimmt, daß der Geschäftsherr das Personalrisiko zu tragen hat, wenn er sich zur Erfüllung seiner Pflichten eines Gehilfen bedient.60 § 278 S. 1 BGB greift also erst bei Bestehen dieser Pflichten ein. Das „Ob" einer Sonderbeziehung, also die Entstehung von Pflichten, kann mit ihm nicht bestimmt werden.61

c) Die Ersichtlichkeit der Interessen des anderen, insbesondere der Vermögensinteressen im Falle der Eigenauskunft 62 Haftungsgrund (auch) der c.i.c. ist nach einer weiteren Ansicht der allgemeine Grundsatz des neminem laedere, auf dem sämtliche Schadensersatzverbindlichkeiten, das heißt vertragliche und deliktische, beruhen.63 Das maßgebliche Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Haftungsarten sei nur die Art und Weise der Haftungsbeschränkung. 64 Bei der Sonderverbindung erfolge diese Beschränkung dadurch, daß nur die an dem besonderen Verhältnis Beteiligten ersatzberechtigt sein können, eine Gläubigerpotenzierung also ausgeschlossen ist.65 Ausgehend davon wird die Sonderverbindung gegenüber dem Dritten in den Auskunftsfällen bejaht.66 Es sei bloßer Zufall, bedingt durch die heutige Spezialisierung und daraus folgende Arbeitsteilung im Wirtschaftsverkehr, daß der Dritte nicht selbst Vertragspartner der Bank ist.67 Also sei er, weil auch seine 58

Mielke, Sachwalterhaftung, S. 52. § 278, 1 BGB ist die Absage des Gesetzgebers an die gemeinrechtliche Ansicht, daß ein Fremdverschulden nicht zu vertreten sei, Brodmann, JheringsJbdR 58 (1911), 187. 60 Siehe oben, Fn. 56, S. 131. 61 Baumert, c.i.c., S. 51; Sticht, Haftung des Vertretenen und des Vertreters, S. 32. 62 Picker, ÌZ 1987,1057,1058. 63 Picker, JZ 1987,1048 f. Das Merkmal der Ersichtlichkeit der Vermögensinteressen wurde bereits beim Recht am Unternehmen zur Einschränkung der Haftung nutzbar gemacht, siehe oben, Β. IV. l.b) bb) (1), S. 91 f. 64 Picker, JZ 1987,1051; siehe auch oben, Β. IV. 1. b) bb) (1), S. 92. 65 Picker, JZ 1987, 1053. 66 Picker, 1Z 1987,1057,1058. 67 Picker, JZ 1987, 1057; ähnlich auch die Argumentation der Rechtsprechung in BGH, 7. 7. 1998 - XI ZR 375/97, WM 1998, 1771, sowie von W. Fischer, ZVglRWiss 83 (1984), 1 f. In dieselbe Richtung zielt i.ü. auch Köndgen, Selbstbindung, S. 362, 363, wenn er für die Haftung unabhängig von der Beziehung zwischen Bank und Kunden - auf den Dritten als Rollenbenefiziar abstellt. 59

C. Die Haftung des Kreditinstitutes aus culpa in contrahendo

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Interessen offenkundig sind, in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufzunehmen. Diese Sichtweise ist nicht zuletzt davon geprägt, daß die Eigenauskunft und die Bank-zu-Bank-Auskunft heute notwendige Umwege sind, weil der Dritte über den Bankkunden entsprechend den AGB-Banken keine direkte Auskunft mehr erhält.68 Das Zufallsargument geht in den Auskunftsfällen aber fehl, weil ein Vertragsschluß hierbei generell ausscheidet. Daß der Vertrag (als Haftungsgrundlage) im Verhältnis zwischen Bank und Drittem fehlt, hängt nämlich nicht damit zusammen, daß er entbehrlich ist. Eine vertragliche Einigung fehlt bei Bankauskünften stets, weil die Bank keinen Auskunftsvertrag abschließt.69 Der Bankkunde selbst, und damit zwingend auch der Dritte, 70 wird bei einer Auskunftsanfrage an das Kreditinstitut nicht Vertragspartner. Eine vertragliche Bindung der Bank mit dem Dritten fehlt also nicht aufgrund der Stellung des Auskunftsempfängers als institutsfremder Dritter, sondern allgemein. Damit geht das Zufälligkeitsargument fehl, weil der „Umweg"71 über den Kunden nicht ausschlaggebend ist. Die Sonderverbindung zum Dritten kann demnach - jedenfalls in den Auskunftsfällen 72 - nicht durch ein Hinwegdenken des Umweges und der damit erreichten Gleichstellung begründet werden. Ganz im Gegenteil spricht der fehlende Vertrag mit dem Kunden gegen eine Haftung gegenüber dem Dritten. Im übrigen ist diese Ansicht nicht frei von Widersprüchen. Sie kritisiert zwar die „Vertragssüchtigkeif' im deutschen Recht73 und damit auch die von der Rechtsprechung angenommenen Auskunftsverträge zutreffend als Unterstellung.74 Wenn der Drittschutz in den Auskunftsfällen dann aber an eine Gleichstellung des Dritten mit dem Partner des Auskunftsvertrages anknüpft, wird der - unterstellte - Vertrag zwischen Bank und Kunden zur existentiellen Grundlage der Auffassung. Damit besteht, außer dem Umweg über den Grundsatz des

68 AGB-Banken, Nr. 2 Abs. 4 [= AGB-Sparkassen, Nr. 3 Abs. 1 S. 4 Hs. 1]; Horn,, AGBBanken, S. 93,95 und oben, Teil 1 Α. II., S. 18 f. 69 Siehe oben, Α. II. 2. b), S. 38. 70 Stahl, Dritthaftung, S. 50: Der Auskunftsvertrag, der eine augenscheinliche Hilfskonstruktion schon beim Bankkunden ist, wird jedenfalls dort zur „purefn] Fiktion", wo er auch noch im Verhältnis zum Dritten konstruiert werde. Ebenso oben, Α. II. 1., S. 37 f. 71 D.h. die Erteilung der Auskunft an den Kunden mit nachfolgender Weitergabe an den Dritten. 72 Anderes mag gelten, wenn der Dritte tatsächlich nur deswegen keinen Vertrag schließt, weil er Dritter ist. 73 Dazu auch Nirk, RabelsZ 18 (1953), 352: „Flucht in die Vertragssphäre". 74 Picker, ]Z 1987,1042.

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neminem laedere, kein entscheidender Unterschied mehr zur - unzulässigen Vertragsfiktion. 75 Neben dem soeben widerlegten Zufallsargument wird für das Bestehen der Sonderverbindung angeführt, der Dritte stehe als „faktischer Destinatar" der Bankleistung einem Vertragspartner gleich, es bestehe eine faktische Leistungsbeziehung und damit eine individuelle Sonderverbindung.76 Daß der Dritte auch faktischer Destinatar der Leistung ist, mag zutreffen. 77 Die Betonung liegt aber auf „auch" und „faktisch". Treffender ist die Feststellung, daß er als Nutzer auch von der Auskunft profitiert. Maßgeblich für die Bank ist bei der Erstellung der Auskunft dagegen der eigene Kunde. Ihm erbringt sie eine Dienstleistung, er erhält die Auskunft und seinen wirtschaftlichen Interessen soll sie dienen, indem er sie bei der Werbung um neue Vertragspartner einsetzt.78 Daß der Nutzen der Auskunft für den Bankkunden entsteht, indem der Dritte sie zur Entscheidungsfindung verwendet, ist aus Sicht der Bank nur ein Nebeneffekt. 79 Eigentlicher Adressat der Auskunft ist und bleibt der Kunde, der sich der Eigenauskunft bedient. Von einer bewußten und gewollten, das heißt vom Kreditinstitut beabsichtigten individuellen Verbindung zum Dritten kann angesichts der Weitergabe der Eigenauskunft durch den Kunden an den Dritten nicht die Rede sein. Es handelt sich um einen einmaligen und flüchtigen, mithin deliktischen Kontakt,80 der noch dazu vom Kunden ausgeht, weil dieser seine Verhandlungs- bzw. Vertragspartner in eigener Regie bestimmt. Die Bank hat darauf keinen Einfluß. Wollte man überall, wo dem Erbringer einer Leistung deren Nützlichkeit auch für Dritte bekannt ist, dessen Haftung gegenüber dem Dritten annehmen, würde die c.i.c. ihre Begründungssubstanz und Überzeugungskraft verlieren und man

75

In diesem Falle trifft die Feststellung von K. Huber, FS von Caemmerer, 1978, S. 376, zu, daß die Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses nicht viel mehr sei, als eine andere Formulierung für diefiktiven Vertragsverhältnisse. Siehe dazu auch Futter, AcP 177 (1977), 92. Auch der Einordnung der Rechtsprechung zur Bankhaftung in die Kategorie der „Krücken, Fiktionen und Hilfskonstruktionen" bei Giaro, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 130 - 132, ist in diesem Sinne zuzustimmen. 16 Picker, JZ 1987,1058. 77 Man bedenke die Erläuterung des Begriffs Destinatar bzw. Destinatar, die davon abweichend im Duden, Fremdwörterbuch, S. 183, wie folgt angegeben wird: „1. diejenige ... Person, der [vom Gesetzgeber] die Steuerlast zugedacht ist. 2. Empfänger von Frachten, bes. im Seefrachtverkehr. 3. die durch eine Stiftung begünstigte Person". 78 Lammel, AcP 179 (1979), 344. 79 Entsprechend für den Fall anwaltlichen Rates an Nichtmandanten (insoweit ohne Bezug auf standes- und strafrechtliche Besonderheiten dieses Verhältnisses) A. Wiegand, Sachwalterhaftung, S. 218, und, S. 219, zum Wirtschaftsprüfer. 80 In diesem Sinne auch von Bar, Verkehrspflichten, S. 229.

C. Die Haftung des Kreditinstitutes aus culpa in contrahendo

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müßte tatsächlich zum „Generalangriff auf [die] Sonderverbindungen aus Gesetz" aufrufen. 81 Des weiteren ist die Bank in der Regel nicht darüber informiert, wer die Auskunft nutzen wird. Darüber vermag auch die Rechtsprechung beim Auskunftsvertrag nicht hinwegzutäuschen, wenn sie einen begrenzten, überschaubaren Nutzerkreis als Voraussetzung der Haftung fordert. 82 Zwar wird man gewisse Einschränkungen des Kreises der ersatzberechtigten Dritten über den Inhalt und Zweck der Auskunft, zum Beispiel den Bezug auf ein konkretes Projekt des Bankkunden, erzielen können. Eine objektive ex-ante-Feststellung ist jedoch ausgeschlossen, weil die potentiellen Nutzer nicht direkt aus der Auskunft ersichtlich sind, ihr Kreis vielmehr regelmäßig so weit gefaßt ist, daß lediglich ein deliktischer Zufallskontakt besteht.83 Weil im Zeitpunkt der Aushändigung der Auskunft an den Dritten nicht endgültig feststeht, wer die Auskunft nutzen kann, wie viele Dritte also mit ihr in Kontakt kommen, ist die Zahl der potentiellen Gläubiger nicht bestimmt festgelegt. 84 Damit wird das maßgebliche Kriterium der hier behandelten Auffassung, der begrenzte Kreis der potentiellen Anspruchsteller, nicht erfüllt. Als Folge dieser Ansicht würde das Kreditinstitut bewußt und gewollt mit jedermann in eine konkrete faktische Leistungsbeziehung treten, der die Auskunft später in die Hände bekommt. Ein solcher Wille der Bank kann allenfalls unterstellt, nicht aber festgestellt werden, zumal der Kunde festlegt, wer die Auskunft nutzt und der Bank insoweit jegliche Kontrollmöglichkeit fehlt. 85 Ferner ist die Rechtsfigur des „faktischen Destinatars" zweifelhaft. Sie gründet auf dem angenommenen Funktionsverlust des Vertrages im modernen Wirtschaftsleben: 86 Ein Vertrag sei bei der Auskunft nicht notwendig, weil der Dritte seine Leistung auch ohne diesen erhalte.

81

So schon jetzt, Hopt, AcP 183 (1983), 633. BGH, 25. 9. 1985 - IVa ZR 237/83, WM 1985,1520 = VersR 1986,35. Siehe dazu auch Musielak, WM 1999, 1596. Damit soll ein von der Rechtsprechung abgelehnter Auskunftsvertrag mit allen, die es angeht, verhindert werden; siehe z.B. RG, 3. 10. 1930, JW 1931, 2295, wonach die Vorlegung einer Urkunde allein nicht vertragsbegründend wirkt; Breinersdorf er, Haftung für Kreditauskünfte, S. 70, m.w.Nachw. in Fn. 11. 83 Littbarski, NJW 1984, 1670; Loewenheim, JZ 1980,469,470. 84 In diesem Sinne auch Lammel, AcP 179 (1979), 344. 85 Der Einwand von Breinersdorfer, Haftung für Kreditauskünfte, S. 163, die Bank könne die Auskunft jederzeit zurückfordern, überzeugt nicht. Denn die tatsächliche Verwendung der Information, wenn sie einmal an den Kunden gelangt ist, kann - zumindest bis zu deren Rückgabe - nicht beeinflußt werden. Daß der Kunde aus seinem Verhältnis mit dem Kreditinstitut verpflichtet sein kann, die Auskunft zurückzugeben, ändert hieran nichts. 86 Picker, ]Z 1987,1057. 82

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Die These vom Funktionsverlust des Vertrages ist aber schon deswegen problematisch, weil in Hinblick auf die Haftung gerade eine Situation wie beim Auskunftsvertrag herbeigeführt werden soll. Außerdem bietet der Vertrag nicht zuletzt Sicherheit für die Beteiligten auch für den Fall des Scheiterns des angestrebten Vertragszweckes. Damit ist er alles andere als entbehrlich. Dies wird besonders im Bereich der Auskunftserteilung deutlich. Der Auskunftsvertrag erschöpft sich nämlich nicht in der Herstellung und Übergabe der Auskunft, sondern es geht vor allem um die Erteilung einer ordnungsgemäßen, subjektiv fehlerfreien Auskunft. 87 Leistung und Haftung sind hierbei wegen der Gutleistungspflicht derart miteinander verknüpft, daß es inkonsequent ist, einerseits die Leistungspflicht für entbehrlich zu erklären, andererseits eine Einstandspflicht für falsche Auskunft zu bejahen. Eine Sonderverbindung zwischen Bank und Drittem ist also auch mit der Ersichtlichkeit der Vermögensinteressen und der faktisch drittbezogenen Richtung der Auskunft nicht zu begründen.

d) Der eingeschränkte Anwendungsbereich der c.i.c. Anbindung des Rechtsinstitutes an das vorvertragliche Verhältnis der Vertragsverhandlungen Nach Behandlung der bestehenden Auffassungen soll im folgenden nachgewiesen werden, daß die c.i.c. nicht auf ein einzelnes Prinzip zurückgeführt werden kann. Dennoch ist es nicht notwendig, zur Begründung der Haftung auf den allgemeinsten Grundsatz „neminem laedere" allein zurückzugreifen, weil mit den nachfolgend aufgezeigten Gesichtspunkten sowohl die Rechtfertigung der Haftung als auch die sich daraus ergebende Begrenzung der Haftung bestimmt werden kann.

87

Siehe oben, Α. II. 2. b) bb) (1), S. 42 f.

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aa) Die c.i.c. als aus Treu und Glauben88 begründete Haftung Haftungsgründe und notwendige89 Beschränkung90 der c.i.c. auf den Fall des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen, ein vorvertragliches Verhältnis Die Ansicht,91 die die c.i.c.-Haftung auf Treu und Glauben stützt, sieht den „inneren Grund" der Haftung unter anderem im besonderen Vertrauen im geschäftlichen Kontakt. Besonderes Vertrauen ist aber nicht alleiniger Haftungsgrund, weil es auch außerhalb von Vertragsverhandlungen gegeben ist - bei den Vertragsverhandlungen sogar fehlen kann.92 So spielt es bei den Erhaltungspflichten, also zum Beispiel im Gemüseblatt-Fall, 93 keine Rolle. Hier wird nämlich in einen (sicheren) Zustand, nicht aber in den Vertragspartner vertraut - und ein adressatenloses Vertrauen ist unbeachtlich. Auch bei den Aufklärungspflichten kann ein besonderes Vertrauen bestehen, ist aber nicht erforderlich. Als Maßstab sämtlicher Pflichten im Verhandlungsverhältnis wird daher § 242 BGB angesehen.94 Für die hier relevanten Aufklärungspflichten ergibt sich damit, daß das besondere Vertrauen ein zusätzliches aber nicht unerläßliches Element einer objektiv aus § 242 BGB begründeten Verbindlichkeit ist. Mit dieser Relativierung des Vertrauensgedankens als Begründung der c.i.c. wird den Bedenken, die gegen eine reine Vertrauenshaftung bestehen, wirksam begegnet. Der Vertrauensgedanke wird im zutreffenden Maßstab angewandt: 88

§§ 157,242 BGB. Dafür auch BGH, 20. 6. 1952 - VZR 34/51, BGHZ 6, 333; BGH, 28. 1. 1976 - VIII ZR 246/74, BGHZ 66, 51; BGH, 25. 9. 1985 - IVaZR 237/83, WM 1985, 1521. Es geht hier nur um die Beschränkung der c.i.c.-Haftung - nicht um die Darlegung eines (weiteren) Haftungsgrundes; Pouliadis, C.i.c. und Schutz Dritter, S. 48, der Einigkeit insoweit sieht, als der Haftungsgrund im Eintritt in das Verhandlungsverhältnis zu sehen sei, ist nach dem hier vertretenen Standpunkt also nicht zu folgen. 90 Ziel ist also mehr als nur die bloße erläuternde Beschreibung einer ohnehin angenommenen Haftung - so aber Picker, AcP 183 (1983), 414, zur Begründung der c.i.c.-Haftung mit dem Merkmal des sozialen Kontakts. 91 von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 461, allerdings mit der Einschränkung, daß die derzeitige Rechtslage zur Anwendung der c.i.c. zwinge, weil die unbedingte Haftung für Gehilfen erreicht werden müsse; Larenz, FS Ballerstedt, 1975, S. 397 ff.; Pouliadis, C.i.c. und Schutz Dritter, S. 48; Schmitz, Dritthaftung, S. 48: Kontakt im Hinblick auf ein Rechtsgeschäft; Soergel1"/Wiedemann, Vor § 275, Rd. 238. 92 Larenz, FS Ballerstedt, 1975, S. 399: Die „c.i.c. [ist] nicht allein auf das Vertrauen zu stützen"; entsprechend Erman, AcP 139 (1934), 315. 93 BGH, 28.1.1976 - VIII ZR 246/74, BGHZ 66, 51: Ein Kind rutschte in einem Selbstbedienungsladen auf einem Gemüseblatt aus. Der Ladeninhaber haftete aus c.i.c. mit Schutzwirkung zugunsten Dritter für den aus den Verletzungen entstandenen Schaden. 94 Larenz, FS Ballerstedt, 1975, S. 397, 398. Ähnlich Sticht, Haftung des Vertretenen und des Vertreters, S. 38,39. 89

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als Verstärkungsfaktor für vom Vertrauen ihrem Grund nach unabhängige Pflichten, der in besonderen Situationen zu einer Haftungsverschärfung gegenüber der allgemeinen deliktsrechtlichen Haftung führen kann. Auch die Aussage, der Haftungsgrund sei in § 242 BGB, gegebenenfalls in Verbindung mit dem Vertrauensgedanken zu suchen, ist in ihrem Kern richtig, 95 obwohl sie auf den ersten Blick eher wenig gehaltvoll scheint. Zum einen wird damit zum Ausdruck gebracht, daß die c.i.c.-Verbindlichkeit ihre Rechtfertigung nicht (nur) aus dem Vertrauensgedanken erhält.96 Sie kann durch unterschiedliche Erwägungen begründet werden, die in einer Weise zusammenspielen, daß im einzelnen Fall die Schwäche des einen Merkmals durch die Stärke eines anderen ausgeglichen wird. 97 So ist die Haftung aus c.i.c. nicht nur bei einer besonderen Vertrauensbeziehung einschlägig. Sie kann ebenso aufgrund individueller 98 oder allgemeiner99 Schutzinteressen oder durch die besonderen Gefahren des rechtsgeschäftlichen Kontakts, also ohne allgemeines, konkretes oder gar fiktives Vertrauen gerechtfertigt sein. Sie beruht nicht zuletzt auch auf dem Grundsatz des neminem laedere. Diese Vielfältigkeit der Erklärungsmuster der c.i.c. ist auch der Grund dafür, warum die allein vertrauensbegründeten Ansichten zu diesem Institut scheitern müssen: Ein besonderes Vertrauen existiert nicht überall, wo die Haftung geboten ist; und wenn, um eine einheitliche Begründung mit diesem Gedanken dennoch zu erreichen, vom Erfordernis des besonderen, gesteigerten Vertrauens abgewichen wird, verliert der Gedanke seine Überzeugungskraft. 100 Zum anderen verstellt eine so offene, wie die auf § 242 BGB, also auf Treu und Glauben und damit auf den allgemeinen Gerechtigkeitsgedanken rekurrierende Haftungsbegründung nicht die Sicht auf die Historie und das entscheidende Problem der heutigen c.i.c.: Die beschriebene Inkonsistenz in der Begründung ist wesenseigentümliches Merkmal der c.i.c. Die c.i.c. ist ein Rechtsinstitut, von dem man mit Fug und Recht sagen kann, daß es weniger am Recht

95 Auch Canaris , Vertrauenshaftung, S. 266, sieht § 242 BGB „in engstem Zusammenhang mit [dem] Vertrauensgedanken". Ebenso Erman, AcP 139 (1934), 279: Eine schärfere Begründung ist nicht möglich; Flume , AcP 161 (1962), 63: c.i.c. ist auch Vertrauenshaftung. 96 Siehe Willow eit, Vereinbarungen, S. 57. 97 Formulierung frei nach Canaris , Vertrauenshaftung, S. 303. 98 Also die Interessen des Verhandlungspartners betreffend. 99 So, wenn die c.i.c. als Korrelat der Vertragsfreiheit angesehen wird, Frotz, FS Gschnitzer, 1969, S. 173, und damit (allgemein) dem Schutz der Verwirklichung der Vertragsfreiheit dient. 100 Siehe dazu unten, Teil 3 A. III. l.b), S. 183; Schmitz, Dritthaftung, S.29: Vertrauen ist nichts als Fiktion. Entsprechende Kritik an den „monokausalen Erklärungsversuchen" mit ihrer „unangebrachten Fixierung" übt auch Litterer, Vertragsfolgen ohne Vertrag, S. 155 f.

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entwickelt als schlichtweg erfunden wurde. 101 Mit dieser Feststellung wird nicht etwa Rudolf von Jherings Verdienst geschmälert.102 Es wird nur der Blick auf die Tatsache eröffnet, daß die c.i.c. mit der vom Rechtsgefuhl ausgehenden Maßgabe entwickelt wurde, „unbillige und trostlose" Ergebnisse in Hinblick auf den (gescheiterten) Vertragsschluß zu vermeiden.103 Zwar ist ein Rückgriff auf die einst zur Begründung der c.i.c. als Haftung aus dem (teil-) nichtigen Vertrag genutzten104 und Angriffspunkt zahlreicher Kritiker 105 gewordenen Quellenstellen106 heute entbehrlich. Denn ihrem Geltungsgrund nach fußt die c.i.c. mittlerweile, in Fortführung ihrer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung,107 auf § 311 Abs. 2 BGB und ist vom nachfolgenden Vertragsschluß unabhängig.108 Die vertragsbezogene Funktion dieses anerkannten Rechtsinstitutes ist jedoch auch heute zwingend zu beachten.109 Die Anbindung der Entwicklung der c.i.c. an das vorvertragliche Verhältnis ist nicht nur ein entstehungsgeschichtlicher Zufall. 110 Sie ist integrierender Bestandteil der c.i.c., weil nur so die in der notwendig unscharfen Begründung enthaltene Sprengkraft entschärft wird. Diese Erkenntnis führt dazu, daß der Schutz der c.i.c. nicht über das vorvertragliche Verhältnis hinausgehen darf, weil ihm mangels einheitlicher Begründung keine feste Begrenzung111 beigegeben werden kann.

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von Bar, JuS 1982, 637, 638; Cabjolsky, Verschulden bei Vertragsschluß, S. 1; Giaro, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, S. 113 - 122; ähnlich Nirk, FS Möhring, 1965, S. 387; OLG Koblenz, 23. 6. 1948 - 1 U 19/47, DRechtsZ 1949,40. 102 Esser, Grundsatz und Norm, S. 164, weist zutreffend daraufhin, daß allein schon die Zusammenstellung der Quellen wegen ihrer „genialen Erfassung der sachlogischen Problematik" höchste Bewunderung verdient. 103 So die Formulierung von Jherings, c.i.c., S. 8. 104 Wobei von Jhering, c.i.c., S. 23, sich durchaus darüber im klaren war, daß die Quellen nur Anhaltspunkte, nicht aber die direkte Lösung des Problems beinhalteten. 105 Siehe nur Cabjolsky, Verschulden bei Vertragsschluß, S. 3; Heldrich, Verschulden bei Vertragsabschluß, S. 18; Medicus, FG Käser, 1986, S. 171: „dürftige Grundlage"; Sticht, Haftung des Vertretenen und des Vertreters, S. 12. 106 vonJhering, c.i.c., S. 12. 107 Zur Einordnung als Gewohnheitsrecht schon H. Stoll, JW 1933,34,35. 108 Anders noch Leonhard, Verschulden bei Vertragsschluß, S. 58: Zur Haftung sei ein gültiger Vertragsschluß erforderlich. 109 Arnold, DStR 2001,492; Breinersdorf er, Haftung für Kreditauskünfte, S. 89; zu dieser Funktion auch Fischbach, ArchBürgR41 (1915), 160; Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 124 ff.; Schmitz, Dritthaftung, S. 48, 59; Soergel1"/Wiedemann, Vor § 275, Rd. 238; Willoweit, Vereinbarungen, S. 57. Auch die Gesetzesbegründung zum Schuldrechtsmodemisierungsgesetz in BTDrucks. 14/6040, S. 163, ist in diesem Sinne zu verstehen. 110 von Jherings Ausführungen tragen den Untertitel „Schadensersatz bei nichtigen oder nicht zur Perfektion gelangten Verträgen". 111 Medicus, FS Keller, 1989, S. 210, sieht ebenfalls die Gefahr der Sprengung des BGBHaftungssystems.

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Teil 2: Vertragliche, deliktische und vertragsähnliche Haftung

Die Formulierung, daß mit der c.i.c. „unbillige und praktisch trostlose" Haftungsergebnisse verhindert werden sollten, trifft die Aufgabe der c.i.c. auch heute: Im Vorfeld des Vertragsschlusses verhindert sie unbillige, weil zufällige Haftungsergebnisse 112 und unterstützt durch Sicherung der in Vertragsverhandlungen stehenden Personen die Verwirklichung der Vertragsfreiheit. 113 Die c.i.c. ist damit auch Korrelat der Vertragsfreiheit. 114 Entsprechend ihrer Funktion ist der Anwendungsbereich der c.i.c. zu beschränken.115 Die c.i.c. hilft nur dort, wo der Geschädigte (sonst) ersatzlos ist, weil der intendierte Vertrag im Zeitpunkt des Schadensfalles noch nicht geschlossen war. Allein in diesen Fällen ist die Anwendung der c.i.c. Verwirklichung eines elementaren Gerechtigkeitsgedankens. Dieser verbietet es, ein zufallsgelenktes Haftungsergebnis anzuerkennen, weil es für die Beteiligten keinen Unterschied macht, ob die Schädigung vor oder nach dem Vertragsschluß eintritt. 116 Ausschließlich in Fällen, wo solche zufälligen, rein temporär bedingten Ergebnisse verhindert werden müssen, ist die Anwendung der c.i.c., § 311 Abs. 2 BGB, gefordert und erlaubt. 117 Hatten die Beteiligten dagegen bei der Aufnahme ihrer Beziehung keinen Willen zum Vertragsschluß, stehen sie zueinander wie Fremde bei einem deliktischen Zufallskontakt 118 und nicht in einem Näheverhältnis, das dem von Vertragspartnern entspricht.119 Treten hier Schäden ein, ist, wie auch die Erwä-

Soergel12 / Wiedemann, Vor § 275, Rd. 58, dazu sogleich. Dernburg, Pandekten5, Bd. II, Abt. 1, S. 25, 28; Grote, Eigenhaftung Dritter, S. 94. Mit der Herausarbeitung dieser Wertungsgesichtspunkte sollte sich auch die Kritik Bohrers, Dispositionsgarant, S. 201, die c.i.c. werde in Sonderbereichen mit „schabionisierten Scheinbegründungen" anerkannt, erledigen. Denn Prinzip und Begrenzung der c.i.c. stehen dieser Anwendung entgegen, so daß es sich in jenen Fällen um außerhalb der c.i.c. entwickelte Haftungen handelt, dazu unten, D. I., S. 152 ff. 114 Canaris , Vertrauenshaftung, S.442; Frotz, FS Gschnitzer, 1969, S. 163, 173; Larenz, FS Ballerstedt, 1975, S.415; einschränkend Hs.Stoll, FS von Caemmerer, 1979, S.468. Anders Schmitz, Dritthaftung, S. 55. 115 So ist esrichtig,wenn der BGH, 28. 1. 1976 - VIII ZR 246/74, BGHZ 66, 51 (Gemüseblatt) verlangt, daß Geschädigter und Schädiger mit dem Ziel oder zumindest der Möglichkeit eines Vertragsschlusses in Kontakt getreten sind. 116 Soergel12/Wiedemann, Vor § 275, Rd. 123. 117 Köndgen, Selbstbindung, S. 84, sieht die Beschränkung dagegen im Erfordernis eines Verschuldens. Dem ist jedoch zu entgegnen, daß das Verschuldensprinzip nur ein allgemeines Wertungsprinzip, ein Ausfluß ausgleichender Gerechtigkeit ist (Esser, Grundsatz und Norm, S. 153), das eine Unterscheidung zur ausnahmsweisen Garantie- bzw. Gefährdungshaftung ermöglicht, aber nicht zwischen berechtigtem und unberechtigtem Vertrauen zu unterscheiden hilft. 118 Pouliadis, Cie. und Schutz Dritter, S. 55; Schmitz, Dritthaftung, S.48, 59; ähnlich, aber weiter, Steinberg, Haftung für c.i.c., S. 49. 119 Einzige Ausnahme in diesem Zusammenhang ist die c.i.c. mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, siehe dazu unten, III., S. 146 ff. 112 1,3

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gungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzgebers deutlich machen,120 Deliktsrecht anzuwenden. Läßt sich eine deliktische Haftung aber nicht begründen, darf dieses Ergebnis nicht durch einen Mißbrauch des Rechtsinstitutes der c.i.c. „korrigiert" werden. Die unkontrollierte Ausdehnung der vertraglichen bzw. vertragsähnlichen Haftung in Verbindung mit der Konstruktion immer neuer vertraglicher Pflichten läuft dem Ordnungsziel des Gesetzes zuwider. 121 Des weiteren ist der Grundsatz der Privatautonomie zu beachten - immerhin wird der in Anspruch Genommene, insbesondere in den Auskunftsfällen, haftungsmäßig einem Vertragspartner gleichgestellt.122 Dies ist zwar in Situationen zu akzeptieren, wo der Wille der Beteiligten zum Vertragsschluß gegeben und der Vertrag als selbstbestimmte Regelung ins Auge gefaßt ist. Dann ergibt sich die - wenn auch gesetzliche123 - Haftung nicht zuletzt als Korrelat der Selbstbestimmung. Mag der Wille auch, je nach dem Stadium der Vertragsverhandlungen, unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Wird dagegen eine Person wie ein Vertragspartner behandelt, ohne daß auch nur ein potentieller Wille zum Vertragsschluß gegeben war, ist das eine inakzeptable Einengung der Selbstbestimmung. Dann bedeutet es nämlich keinen Unterschied mehr, ob man einen Vertrag schließt bzw. schließen will oder nicht.124 Damit ist festzuhalten, daß die Anbindung der c.i.c. (§§311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) an die Vertragsverhandlungen durch materielle Wertungen begründet wird. 125 Die Vertragsverhandlungen sind also nicht nur ein zwar effek120

BT-Drucks. 14/6040, S. 161 ff., wo zu §311 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausdrücklich klargestellt wird, daß „Voraussetzung ftlr eine Haftung ist, daß es sich um die an einem potenziellen Vertrag Beteiligten handelt". 121 Picker, JZ 1987, 1045. So ist wohl auch Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 3 ff, zu verstehen wenn er als Ziel seiner Untersuchung zur c.i.c. angibt, eine „Verflüchtigung der culpa in contrahendo ins Uferlose" verhindern zu wollen. 122 Positives und negatives Interesse (siehe zur Unterscheidung Canaris , Bankvertragsrecht, Rd. 86; Ebenroth/Boujong/Joost/ATor/, § 347 HGB, Rd. 76) entsprechen sich hier weitgehend: Denn entweder wird der Auskunftsempfänger so gestellt, als hätte er - nach der Kausalitätsvermutung der Rechtsprechung (Bruckner!Stützte, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 120) - eine zutreffende Auskunft erhalten (positives Interesse); dann hätte er den Vertrag nicht geschlossen. Oder er wird so gestellt, als hätte er die fehlerhafte Auskunft gar nicht erhalten (negatives Interesse); dann hätte er - wiederum nach der Kausalitätsvermutung der Rechtsprechung - den Vertrag ebenfalls nicht geschlossen. In beiden Fällen kann er Freistellung von den Folgen des ungünstigen Vertrages verlangen. Insofern nicht überzeugend Lauer, WM 1985, 705 f., mit seiner Unterscheidung zwischen Primär- und Schadensersatzansprüchen. 123 Siehe Ballerstedt. AcP 151 (1950/51), 505; Picker, AcP 183 (1983), 397 und unten, bb), S. 142. 124 Bodewig, Jura 2001, 4, für den Fall des Abbruchs der Vertragsverhandlungen; Lammel, AcP 179 (1978), 342, für die unzulässige Begründung einer Hauptleistungspflicht mittels c.i.c. 123 Im Sinne Pickers, AcP 183 (1983), 465: Die Durchbrechung des allgemeinen Prinzips der Haftung ist damit plausibel gemacht, bzw. gerechtfertigt. Die Anbindung der c.i.c. an die Vertrags-

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tives aber mehr oder weniger beliebiges und vor allem formales Eingrenzungsmittel.126 Die Fassung des § 311 Abs. 2, Nrn. 2 und 3 BGB steht dem nicht entgegen, weil Nr. 2 genau wie Nr. 1 im hier beschriebenen Sinne gemeint, also auf ein vorvertragliches Verhältnis bezogen ist. 127 Für die Leerformel der Nr. 3 des § 311 Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber den Bezug zum Vertrag, der sich in systematischer Auslegung des § 311 BGB aus einer Zusammenschau der Abs. 2 und 3 herleiten läßt, in der Entwurfsbegründung sogar ausdrücklich festgehalten. 128

bb) Die c.i.c., § 311 Abs. 2 BGB, als gesetzliches Schuldverhältnis Gegen das Merkmal der Vertragsverhandlungen als entscheidendes Kriterium kann auch nicht eingewandt werden, daß die c.i.c. ein gesetzliches Schuldverhältnis ist. 129 Letzteres bedeutet nämlich nur, daß die Schadensersatzverbindlichkeit unabhängig vom Willen des Schädigers besteht,130 daß es sich um Fremdbindung handelt. Dies gilt für die Haftung aber allgemein.131 Willensabhängig ist allenfalls die Verpflichtung aus Vertrag, wo infolge von Selbstbindungsakten, Willenserklärungen, gehaftet wird. 132 Die Schadensersatzhaftung ebenfalls in das Belieben des Schädigers zu stellen, wäre aber sinnwidrig. Dabei ist i.S.d. Geschädigten stets Fremdbindung, also eine gesetzliche Verbindlichkeit nötig.

Verhandlungen ist also der Sand auf dem „gefährlichefn] Glatteis [einer Billigkeitshaftung], auf dem ein Straucheln weit leichter ist, als ein sicheres Vorwärtsschreiten" i.S.v. Oertmarm, AcP 121 (1923), 127. 126 So aber Bohrer, Dispositionsgarant, S. 206, der die Vertragsverhandlungen lediglich als einen anerkannten Fall der c.i.c. ansieht. Ebenso Locher, Kreditauskünfte, S. 85. 127 BT-Drucks. 14/6040, S. 163. 128 BT-Drucks. 14/6040, S. 163. 129 §§311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB. Für die bisherige Rechtslage Fikentscher, Schuldrecht9, Rd. 70; Frotz, FSGschnitzer, 1969, S. 164; M.Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S. 296; Medicus, Bürgerliches Recht19, Rd. 199; Steinberg,, Haftung für c.i.c., S. 91. Anders Bohrer, Dispositionsgarant, S. 206; Brüggemeier, AcP 182 (1982), 423. bo Canaris, JZ 1965, 476, 482; Larenz,, MDR 1954, 515, 516. Ebenso MüKoVKramer, § 241, Rd. 23, wonach die Schutzpflichten, wenn und weil sie nicht (als accidentalia negotii) vertraglich vereinbart worden sind, rein objektive und damit gesetzliche Verbindlichkeiten sind. 131 Picker, AcP 183 (1983), 398, 408 und JZ 1987, 1044; Windscheid/Kipp, Pandektenrecht9, S. 251. 132 Picker, AcP 183 (1983), 394. Aber auch hier bedarf die Privatautonomie der Rechtsordnung, die die Gestaltungsmacht des einzelnen anerkennt. Denn erst zusammen mit der Anerkennung stellt die Privatautonomie den Geltungsgrund für die derart gesetzten Akte dar, Braun, Einführung in die Rechtswissenschaft2, S. 161 f.; Flume , Rechtsgeschäft, S. 1, 2; Litterer, Vertragsfolgen ohne Vertrag, S. 14; H. Stoll, AcP 135 (1931), 104.

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Daran ändert sich auch nichts, wenn man berücksichtigt, daß der Vertrag, der für eine vertragliche Schadensersatzhaftung erforderlich ist, durch Selbstbindungsakte zustandekommt. Die Schadensersatzverbindlichkeit knüpft nur noch mittelbar, über das Erfordernis des Vertrages, an die entsprechenden Willensakte an. Diese sind also nur noch für ein Merkmal der Haftung relevant. Die Haftung selbst findet ihren Grund nicht in diesen Akten, sondern im objektiven Recht.133 2. Artwendung der c.i.c. auf das Verhältnis von Bank und Drittem / Ergebnis zu II Überträgt man das gefundene Ergebnis auf die „Beziehung"134 zwischen der Bank und dem Dritten, also dem Nutzer der Eigenauskunft, wird deutlich, daß die mit der c.i.c.-Haftung aus § 311 Abs. 2 BGB abzuwendende Beliebigkeit des Haftungsergebnisses im Fall der Bankauskunft nicht besteht. Es ist nämlich keineswegs Zufall, daß der Auskunftsempfänger vertraglichen Schutzes ermangelt: In der Regel hat er sich um einen Vertragsschluß mit der Bank nicht bemüht. Damit hat er den vertraglichen Schutz seiner Interessen durch die Rechtsordnung verschmäht und muß sich entsprechend behandeln lassen.135 Hätte er aber versucht, ausdrücklich einen Auskunftsvertrag mit der Bank abzuschließen, wäre ihm durch die Ablehnung der Bank deutlich gemacht worden, daß eine vertragliche Beziehung und damit eine vertrag(sähn)liche Haftung ausgeschlossen ist. 136 Abgesehen davon, daß der Auskunftsempfänger in beiden Fällen nicht schutzwürdig ist, wenn er sich auf die (fehlerhafte) Auskunft verläßt, ist die Versagung eines Schadensersatzanspruches aus § 311 Abs. 2 BGB kein Ergebnis, dem man „Unbilligkeit und praktische Trostlosigkeit 137 nachsagen kann.138 Bei der Auskunft ist es gerade nicht schicksalshaft, daß der Auskunftsnutzer 133

Ballerstedt. AcP 151 (1950/51), 501, 505; Picker, AcP 183 (1983), 369,397. In Anführungszeichen gesetzt, weil eine Sonderverbindung zwischen Bank und Drittem nach zutreffender Auffassung gerade nicht besteht. 135 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 353: Wer um fehlende rechtliche Bindung weiß und auf freiwillige Erfüllung vertraut, darf sich über fehlenden Schutz durch die Rechtsordnung nicht beklagen. Ähnlich Raape, JW 1927, 1407, 1408, zum Garantievertrag: „Wünscht... [der Geschädigte] aber erst nachträglich ihn herbei, so besteht kein Grund, durch Auslegung den Vertrag hervorzuzaubern". 136 Ein (entgeltlicher) Auskunftsvertrag ist aber keinesfalls allgemein ausgeschlossen - er kommt insbesondere mit einem Inkassobüro als Auskunftei in Betracht. 137 So die Begründung von von Jhering, c.i.c., S. 8, für die Beschäftigung mit der Frage der Haftung aus c.i.c. 138 Soergel12/ Wiedemann, Vor § 275, Rd. 238: „Wenn zwischen den Parteien kein Vertrag zustande kommen soll, wie bei der typischen Auskunftshaftung, handelt es sich nicht mehr um c.i.c.". 134

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keinen Schadensersatz erhält, sondern Folge der allgemein, also nicht nur im konkreten Schadensfalle (und damit zufällig) fehlenden Sonderverbindung zwischen Bank und Drittem. Außerdem gilt auch hier, was zur positiven Forderungsverletzung ausgeführt wurde. 139 Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Auskunftserteilung ist ihrer Prägung nach eine Hauptleistungspflicht i.S.d. § 241 Abs. 1 BGB. So besteht im Rahmen des § 241 Abs. 2 BGB zum Beispiel die Pflicht, den Vertragspartner nicht zu schädigen oder ihm ausreichende Einrichtungen zur Vertragsdurchführung zur Verfügung zu stellen. Betrachtet man die im Rahmen des § 241 Abs. 2 BGB üblicherweise bestehenden Gebote, wird deutlich, daß diese nicht sinnvoller Gegenstand eines Schuldverhältnisses i.S.d. §241 Abs. 1 BGB sind. Ein Vertrag, in dem für den einen Teil die Schutzpflicht, 140 den anderen Teil nicht zu schädigen, zur Hauptpflicht erhoben wird, ist kaum denkbar.141 Auch die auf die Hauptleistung bezogenen Nebenleistungspflichten sind nicht sinnvoller Gegenstand einer eigenständigen Hauptleistung. Es zum Beispiel abwegig, den Zugang zu Überweisungsformularen der Bank als Hauptleistungspflicht zu vereinbaren, wenn die Formulare nicht auch, etwa im Rahmen eines Girovertrages, zur Überweisung genutzt werden könnten. Ist letzteres aber der Fall, bedarf es der Vereinbarung einer entsprechenden Hauptleistungspflicht nicht, weil die Bereitstellung von Formularen bereits Gegenstand einer Nebenleistungspflicht ist. 142 Von diesen unselbständigen, weil auf eine Hauptleistungspflicht bezogenen und eigenständig nicht sinnvollen Pflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB unterscheidet sich die Pflicht zur fehlerfreien Auskunftserteilung wesentlich. Sie kann, wie oben nachgewiesen wurde, 143 tauglicher und zweckmäßiger Inhalt einer vertraglichen Hauptleistungspflicht sein. Angesichts ihrer Besonderheiten 139

Siehe Teil 2 Α. II. 5., S. 60 f. Zur Terminologie siehe oben, Α. II. 5., S. 60. Ähnlich Sutschet, Schutzanspruch, S. 52, der auf die Klagbarkeit abstellt. Auch die Möglichkeit eines auf die NichtSchädigung bezogenen Haftungs- oder Garantievertrages entkräftet dieses Argument nicht. Denn zwar kann mit diesen Verträgen neben der Pflicht, bei einer Schädigung für selbige einzustehen, eine entsprechende Hauptleistungspflicht begründet sein, die Schädigung zu unterlassen (siehe zum Garantievertrag BGH, 11. 3. 1999 - III ZR 292/97, WM 1999, 1170). Die hier behandelten Schutzpflichten sind von einer derartigen Aufwertung aber regelmäßig ausgeschlossen, weil sie sich auf eine bestimmte Hauptleistungspflicht beziehen, also darauf ausgerichtet sind, daß die Vertragspartner sich bei der Erfüllung der Hauptleistungspflicht keinen Schaden zufügen. So ist einsichtig, daß eine vertragliche Nebenpflicht besteht, die Schalterhalle der Bank nicht so glatt zu bohnern, daß der Kunde, wenn er die Bank i.R. der Geschäftsverbindung betritt, Gefahr läuft, hinzufallen und sich zu verletzen. Ein Vertrag mit dem Inhalt, eine bestimmte Fläche nicht zu glatt zu bohnern, ist auf Basis des § 311 Abs. 1 BGB zwar denkbar; vorkommen wird er jedoch nicht. 142 Siehe oben, Fn. 226, S. 63. 143 Siehe oben, Α. II. 5. b) bb), S. 65. 140 141

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muß sie sogar Hauptleistungspflicht sein, so daß sie sich in das System der c.i.c. nicht einfügen läßt. § 241 BGB spricht in einem weiteren Zusammenhang gegen eine c.i.c.Auskunftshaftung: Wesentliches Merkmal des Schuldverhältnisses ist gem. § 241 Abs. 1 BGB der Leistungsanspruch.144 Der Anspruch aus c.i.c. wird aber in erster Linie als Schadensersatz- und nicht als Primär-, das heißt Leistungsanspruch verstanden. Es handelt sich also um ein Schuldverhältnis ohne Hauptbzw. Primärschuld, so daß der Anbindung an die Vertragsverhandlungen auch insofern besondere Bedeutung zukommt. Erst die Nähe zum Vertrag, also die Rechtfertigung der c.i.c. mit dem Argument, das Schuldverhältnis „Vertrag" hätte im Zeitpunkt der Pflichtverletzung genausogut schon bestehen können, rechtfertigt die Anerkennung von Nebenpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB ohne - wie es der Regel entspricht - die gleichzeitige Begründung von Hauptpflichten i.S. von § 241 Abs. 1 BGB. 145 Die Ablehnung der c.i.c.-Auskunftshaftung stimmt mit den aus § 675 Abs. 2 BGB ersichtlichen Wertungen146 überein. Diese besagt, daß durch die Auskunft als solche eine Verbindlichkeit nicht begründet wird und das Risiko des auskunfisgeleiteten Geschäfts grundsätzlich beim Nutzer der Auskunft liegt. Angesichts § 675 Abs. 2 BGB läßt sich eine allgemeine Auskunftshaftung also auch nicht mit einem wie auch immer geartetem Vertrauen oder mit Verkehrsschutzinteressen begründen. Mangels Sonderverbindung zwischen Bank und Drittem hat der institutsfremde Auskunftsempfänger bei fehlerhafter Auskunft also keinen Schadensersatzanspruch aus c.i.c. gegen die Bank.

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Médiats, FS Keller, 1989, S. 218. Auch die Begründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sieht die isolierten Schutzpflichten als Sonderfall an, BT-Drucks. 14/6040, S. 125. 146 Siehe oben, Teil 1 C. II., S. 29 f. 145

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III. Schadensersatzanspruch aus drittschützender Sonderverbindung, c.i.c., § 311 Abs. 2 BGB, zwischen der Bank und ihrem Kunden147 7. Die Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunden als Sonderverbindung i.S.d. c.i.c. Drittschützende Sonderverbindungen sind seit der LinoleumrollenEntscheidung des Reichsgerichts148 Gegenstand der Diskussion.149 Nach dem soeben Dargelegten müßte dafür zwischen dem Kreditinstitut und seinem Kunden zunächst ein Verhältnis von Vertragsverhandlungen bestehen. Die Parteien müßten sich also in einem vorvertraglichen Stadium befinden. Diese Voraussetzung könnte durch die zwischen Bank und Kunden bestehende Geschäftsverbindung 150 erfüllt sein. Jene Beziehung findet zwar Berücksichtigung im Gesetz, unter anderem in § 89 b Abs. 1 S. 1, Nr. 1, Abs. 5 S. 1, § 362 Abs. 1 S. I 1 5 1 und § 355 Abs. I 1 5 2 HGB. 153 Dennoch ist sie nur ein wirtschaftswissenschaftlicher, kaufmännischer Begriff, der ein längerfristig angelegtes KooperationsVerhältnis 154 umschreibt.155 Allerdings ist das Miteinander, welches der Begriff der Geschäftsverbindung umschreibt, auch in rechtlicher Hinsicht bedeutsam.156

a) Die Geschäftsverbindung wäre nicht als Anhaltspunkt für ein Verhältnis von Vertragsverhandlungen zu diskutieren, wenn sie bereits selbst Rechtsgrund der Haftung wäre. Der Geschäftsverbindung werden zum Teil weitestgehende rechtliche Wirkungen zugemessen. Unmittelbar aus der Geschäftsverbindung

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Für diese Konstruktion der Expertenhaftung macht sich insbesondere Canaris , ZHR 163 (1999), 220 ff. stark, bezieht sich dabei aber auf die von der c.i.c. zu trennende (siehe dazu unten, D. I., S. 152 ff.) Sachwalterhaftung. 148 RG, 7.12.1911, RGZ 78, 239 ff.; kritisch dazu von Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 461,462. 149 Canaris, JZ 1965, 480; Grote, Eigenhaftung Dritter, S. 1 ff.; ablehnend M. Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S. 321. 150 Barchewitz/Nielsen, Bankrecht, S. 44; Bruckner!Stützle, Bankgeheimnis und Bankauskunft, S. 121; Dernburg, Bürgerliches Recht3, S. 417. 151 Der Gesetzgeber hat den Begriff der Geschäftsverbindung nicht definiert, Protokolle der Commission zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Protokolle XCVI XCVIII, S. 582. 152 Siehe Ebenroth/Boujong/Joost/Gn